Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention: Zur Bedeutung der Artikel 31 und 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 [1 ed.] 9783428437399, 9783428037391


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Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention: Zur Bedeutung der Artikel 31 und 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 [1 ed.]
 9783428437399, 9783428037391

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HERIBERT FRANZ KÖCK

Vertrageinterpretation u n d Vertragsrechtskonvention

Schriften zum

Völkerrecht

Band 51

Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention Z u r Bedeutung der A r t i k e l 31 u n d 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969

Von

Heribert Franz Köck

DÜNCKER

& HÜMBLOT / BERLIN

D e r Verfasser, Heribert

Franz Köck, D r . i u r . (Wien),

M . C. L . ( U n i v e r s i t y of M i c h i g a n , A n n A r b o r ) , ist Dozent am I n s t i t u t f ü r Völkerrecht u n d Internationale Beziehungen der Universität Wien.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Köck, Heribert Franz Vertragsinterpretation u n d Vertragsrechtskonvention: zur Bedeutung d. A r t . 31 u. 32 d. Wiener Vertragsrechtskonvention 1969. — 1. Aufl. — B e r l i n : Duncker u n d Humblot, 1976. (Schriften z u m Völkerrecht; Bd. 51) I S B N 3-428-03739-1

Alle Rechte vorbehalten © 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 03739 1

Alfred Verdross in dankbarer Verehrung

Vorwort Trotz fortschreitender Kodifikation des Völkerrechts und damit gegebener kontinuierlicher Umwandlung vom traditionell vorherrschenden Gewohnheitsrecht zum geschriebenen (hier: Vertrags-) Recht 1 , ist für die Praxis, aber auch für die Wissenschaft, wo sie die Funktion der Lehre ausübt, noch immer weithin die Feststellung der Existenz von für einen konkreten Fall anwendbarem positiven Völkerrecht und seine adäquate Formulierung i n Rechtssatzform vordringliche Aufgabe. Sie gehen dabei zwar nicht ohne jede Rücksicht auf Methode vor, reflektieren diese aber nicht i m selben Maße, wie dies i m Rahmen anderer juristischer Disziplinen geschieht. Methodenlehre, ja Methodenerkenntnis ist der Völkerrechtswissenschaft daher abgesprochen worden*. Ob man dies als ein Positivum oder als ein Negativum betrachtet, hängt ausschließlich davon ab, ob man methodologischen Betrachtungen einen entscheidenden potentiellen Erkenntniswert für den Gegenstand „Völkerrecht" selbst zuschreibt. Die Auffassungen darüber sind geteilt. Während die einen es bejahen und damit das Fehlen „wohlbegründete[r], ausgereiftefr] und gesichertefr] Erkenntnisverfahren" und folglich, „bei Anlegen strenger Maßstäbe, [von] ,Methoden i m eigentlichen Sinn*" beklagen 5 — wobei i m übrigen ohnedies dahingestellt bleiben muß, warum das Fehlen einer (spezifisch?) völkerrechtlichen Methode methodisches Vorgehen i m Völkerrecht schlechthin und nicht eben bloß etwa sog. Methodenpurismus unmöglich machen soll —, kann man nicht selten auch die Auffassung hören, die Völkerrechtswissenschaft könne sich ob des Umstandes glücklich schätzen, daß die Erfassung und Aufbereitung des Rechtsstoffes zum Zwecke der Anwendung unter dem Druck der sich rasch ändernden internationalen Gegebenheiten sie völlig auslaste und damit davor bewahre, sich i n „letztlich fruchtlosen" methodologischen Auseinandersetzungen zu verlieren. Und i m übrigen kann eine solche Relativierung des Wertes von Methodenfragen schließlich auch das Ergebnis methodologischer Ubérlegungen 1 Vgl. hiezu Zemanek, „Die Bedeutung der Kodifizierung des Völkerrechts f ü r seine Anwendung", Internationale Festschrift f ü r A l f r e d Verdross z u m 80. Geburtstag, 1971, 565 ff. 2 So v o n Schule, „Methoden der Völkerrechtswissenschaft", 8 A V (1959/60), 129 ff.; ders., Völkerrechtswissenschaft, Methoden der", W V I I I (2. Aufl. 1972), 775 ff.

3 Schule, ibid. (AV), auf 129.

8

Vorwort

sein, die dazu führen, daß sich der Völkerrechtler „auf den pragmatischen Standpunkt stellt, daß alle Methoden brauchbar sind, solange man durch sie nur neue Erkenntnisse gewinnt" 4 . Die vorliegende Untersuchung beabsichtigt nicht (und kann es noch viel weniger beanspruchen), die Frage nach der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer völkerrechtlichen Methodenlehre zu beantworten. Sie ist überhaupt nicht als direkte Aussage zu dieser Frage gedacht. Indirekt mag sie allerdings vielleicht einen Beitrag dazu leisten, indem sie versucht, zu einem i n juristischen Methodenlehren immer wieder ausführlich behandelten Problem, dem der Auslegung, traditionelle Positionen mit neu aufgenommenen zu konfrontieren und den Niederschlag (oder das Fehlen eines solchen) dieser Positionen i m bisherigen Völkergewohnheitsrecht und nunmehrigen (kodifizierten) Völkervertragsrecht aufzuzeigen. Sollte es sich nämlich herausstellen, daß methodologische Überlegungen einer Erhellung des Interpretationsproblems i m Rahmen einer Doktrin des positiven Völkerrechts bisher mehr hinderlich als förderlich gewesen sind, so müßte dies als rechtstheoretisch bedenklich, und sollte sich erweisen, daß solche methodologischen Überlegungen einen Hemmschuh für das dargestellt haben, was A r t . 13 Ziff. 1 lit. a S V N die fortschreitende Entwicklung fprogressive development) des Völkerrechts nennt, so müßte dies als rechtspolitisch bedauerlich angesehen werden. Zumindest i n diesem Punkt wäre dann der Wert jedenfalls der traditionellen Methodologie i n Frage gestellt. Die vorliegende Untersuchung ist i n drei Teilen angelegt. Der Erste soll eine systematische Übersicht darüber sein, was Praxis und Wissenschaft — zumeist insoweit Hand i n Hand arbeitend, als hier die erstere durch die letztere i m Wege der personellen Zusammensetzung internationaler Entscheidungsinstanzen wesentlich (mit-)bestimmt wurde — zum Auslegungsproblem vor der Kodifikation des völkerrechtlichen Vertragsrechts i n der W V K 1969 anzubieten hatten. Der Zweite Teil bringt grundsätzliche Überlegungen zum Interpretationsproblem und versucht vor allem, Rechtsregeln der Auslegung von rechtlich unerheblichen „Regeln" zu scheiden. I m Dritten Teil w i r d eine Analyse der Interpretationsartikel der W V K gegeben und gleichzeitig der Versuch unternommen, zu zeigen, inwieweit die dort niedergelegte Regelung noch i n den Bahnen überkommener Auffassungen verläuft. Was die Darstellung der das Auslegungsproblem betreffenden Völkerrechtspraxis aus der Zeit vor der Kodifikation des völkerrechtlichen Vertragsrechts anlangt, so muß man sich stets vor Augen halten, daß 4 Zemanek, „Was k a n n die Vergleichung staatlichen öffentlichen Rechts f ü r das Recht der internationalen Organisationen leisten?", 24 ZaöRV (1964), 453 ff., auf 460.

Vorwort

diese Praxis — wie die Staatenpraxis überhaupt — i m wesentlichen unzugänglich ist, weil der größte Teil noch unveröffentlicht i n den Archiven der Außenämter ruht und ihre Erfassung, ja auch eine bloß oberflächliche Durchsicht oder eine Durchforstung aller dieser Archive unter nur einem bestimmten Gesichtspunkt praktisch nicht durchgeführt werden kann. Neben offiziellen und privaten Sammlungen internationaler Entscheidungsinstanzen ist man daher hauptsächlich auf jene (Teil-) Veröffentlichungen angewiesen, die auf der Grundlage und unter besonderer Berücksichtigung der Praxis eines bestimmten Staates das Material darbieten, aus dem das Völkergewohnheitsrecht gewonnen werden kann. Hier sind die drei amerikanischen Sammlungen von Moore, Hackworth und Whiteman immer noch wegweisend, wenn auch nicht mehr alleinstehend; und i n der Tat hat der Verfasser gerade aus dem 14. Band von Whiteman, Digest of International L a w (1970), den Hinweis auf eine Fülle wertvollen Materials ziehen können. Der Verfassser hat es sich dabei aber angelegen sein lassen, grundsätzlich auf die verwiesene Quelle zurückzugreifen; wo dies nicht möglich war, ist die Sekundärquelle, aus der geschöpft wurde, angegeben. Für die Darstellung der Interpretationsartikel der W V K i m Dritten Teil der Untersuchung darf der Verfasser es sich zum Vorteil anrechnen, daß er als Mitglied der österreichischen Delegation zur Wiener Vertragsrechtskonferenz der Vereinten Nationen 1968/69 unter den Delegationschefs, den Herren Professoren an der Universität Wien Dr. Stephan Verosta und Dr. Karl Zemanek, unmittelbar am Werden der W V K i n allen Phasen des Ringens u m die Formulierung ihrer einzelnen Bestimmungen teilnehmen durfte. A l l e i n und gemeinsam m i t einem anderen Delegationsmitglied, seinem lieben Freund und Kollegen, Herrn Universitätsdozent Dr. Peter Fischer, hat der Verfasser sich seither bereits ausführlich m i t verschiedenen Aspekten des völkerrechtlichen Vertragsrechts beschäftigt und dabei die Erfahrung machen können, daß auch eine völkerrechtliche Kodifikationskonvention kaum bloßer Abschluß, sondern jedenfalls auch Neubeginn von Entwicklungen auf dem betreffenden Rechtsgebiet ist. — Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war ein Vortrag, den der Verfasser i m Rahmen seines Habilitationsverfahrens i m Wintersemester 1974/75 an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien gehalten hat. Für die Aufnahme der Arbeit i n das Programm des Verlages Duncker & Humblot schuldet der Verfasser dem Verlagsinhaber, Herrn Senator E. h. Ministerialrat a. D. Professor Dr. Johannes Broermann, besonderen Dank. Dem für die Reihe „Schriften zum Völkerrecht" zuständigen Frl. Gertraude Michitsch von der Abt. Herstellung des Verlages Duncker & Humblot sei für die i n Zusammenhang m i t der Drucklegung aufgewendete Sorgfalt gedankt.

10

Vorwort

Schließlich dankt der Verfasser auch dem wissenschaftlichen M i t arbeiter am Institut für Völkerrecht und internationale Beziehungen der Universität Wien, Herrn Dr. Peter Reichl, für seine i n Zusammenhang m i t der Zustandebringung der einschlägigen Literatur aufgewendete Mühe und Herrn Kent D. Beveridge für die Durchsicht des der Arbeit beigegebenen English Summary.

Der Nestor der Wiener Schule des Völkerrechts und der Rechtsphilosophie, Herr emer. o. Univ. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Aljred Verdross, ist i n den fast zwei Jahrzehnten seiner Funktion als Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stets für eine dem hohen Zweck und Ziel der Europäischen Menschenrechtskonvention gerecht werdende Auslegung derselben eingetreten. I h m sei dieses Buch als bescheidene Gabe dargebracht. Wien, i m Herbst 1976 Heribert Franz Köck

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge in Praxis und Lehre vor der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 I. Gebotenheit u n d Erlaubtheit v o n Interpretation I I . Die F u n k t i o n der Vertragsauslegung

17 20 22

I I I . Die Qualifizierung des Interpretationsvorgangs

23

I V . Das Ziel der Auslegung

26

V. Auslegungsmittel

29

A . Der T e x t des Vertrages

29

1. Der Vertrag als Ganzes 2. Der Zusammenhang

29 30

B. Sonstige Auslegungsmittel

31

1. Die travaux préparatoires 2. Quasi-Annexe 3. Deklarationen u n d sonstige Äußerungen der Unterhändler

32 37 38

C. Zweck u n d Z i e l des Vertrages

39

D. Verhältnis des Vertrages zu sonstigen Normen des Völkerrechts . .

41

E. Die vertragsbezügliche Praxis

42

F. Traditionelle

45

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Auslegungsregeln

Allgemeines Die ordinary meaning-rule Die Pflicht zur bona fides B i l l i g k e i t u n d Vertragsauslegung Specialia regunt generalia Vertragsauslegung u n d favor contractus Weite u n d enge Auslegung E i n punitiver Aspekt der Auslegung?

V I . Zusammenfassung

45 45 47 48 49 49 51 53 54

nsverzeichnis

Zweiter Teil Die Auslegung von Reditstexten überhaupt I. Das Interpretationsproblem als Scheinproblem

56 56

I I . Verstehen u n d Auslegen

57

I I I . Der Weg zum Verstehen

58

A . „ K l a r e " Texte

58

B. „ U n k l a r e " Texte

59

C. Verschiedene „Stationen" auf dem Weg zum Verstehen

59

D. Z u r Definition der Auslegung

60

E. Objektive u n d subjektive K l a r h e i t

63

F. Objektive u n d subjektive Unklarheit

64

I V . Die Auslegung

66

A . Verschiedene Funktionen der Auslegung

66

B. Das Ziel der Auslegung

67

C. Die Auslegung als allgemein-hermeneutisches Problem

68

D. Auslegung — ein juristisches Problem?

71

E. Der Gegenstand der Auslegung

73

1. Textverstehen als Sachverstehen 2. Rechtstextverstehen als Verstehen von Recht V. Zusammenfassung

73 74 75

Dritter

Teil

Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 I. Der Weg zum Interpretationskanon der Wiener Vertragsrechtskonvention

77 77

I I . Z u m völkerrechtlichen Normcharakter von Interpretationsregeln i m allgemeinen 79 I I I . Der Interpretationskanon der Wiener Vertragsrechtskonvention A. Die Grundregel 1. 2. 3. 4.

Die Pflicht zur bona fides Die ordinary meaning-rule Object and purpose Der Zusammenhang

83 83 85 86 88 89

nsverzeichnis

13

Β . Ergänzende Auslegungsmittel 1. Die ihnen von der Wiener Vertragsrechtskonvention wiesene Holle 2. Ihre wahre Bedeutung

92 zuge-

93 95

I V . Zusammenfassung

95

Ergebnis

98

Summary

100

Literaturverzeichnis

103

Verzeichnis der zitierten Fälle

112

Personen Verzeichnis

114

Sachwortverzeichnis

117

Abkürzungsverzeichnis ABAJ

=

American B a r Association Journal

A B GB

=

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch

ADPILC

=

A n n u a l Digest of Public International L a w Cases

AFDI

=

Annuaire français d u droit international

AJIL

=

American Journal of International L a w

Anm.

=

Anmerkung(en)

Art., art.

=

A r t i k e l , article

Aufl.

=

Auflage(n)

AV

=

Archiv des Völkerrechts

Bd(e).

=

Band, Bände

bdg.

=

bändig

betr.

=

betreffend

BGB

=

Bürgerliches Gesetzbuch

BYIL

=

B r i t i s h Yearbook of International L a w

bzgl.

=

bezüglich

bzw.

=

beziehungsweise

can.

=

canon

CIC

=

Codex I u r i s Canonici

CWh

=

Committee of the Whole

ders.

=

derselbe.

d. h.

=

das heißt

Doc(s).

=

Document(s)

f., ff.

=

folgende

FV

=

Friedensvertrag

GB

=

Großbritannien

gem.

=

gemäß

GJICL

=

Georgia Journal of International and Comparative L a w

Hrsg., hrsg.

=

Herausgeber, herausgegeben

Hvhbg.

=

Hervorhebung

ibid.

=

ebenda

ICJ

=

International Court of Justice

ICLQ

=

International and Comparative L a w Quarterly, The

i. e. S.

=

i m engeren Sinn

IG

=

Internationaler Gerichtshof

Abkürzungsverzeichnis IJIL

=

I n d i a n Journal of International L a w , The

ILC

=

International L a w Commission

ILR

= International L a w Reports

insbes.

=

15

insbesondere

i. w. S.

= i m weiteren Sinn

JDI

= Journal de droit international

lit.

=

Buchstabe

LNTS

= League of Nations Treaty Series

m. E.

= meines Erachtens

NF

= Neue Folge

No(s)., n.

=

Nummer(n)

NRGdT

= Nouveau Recueil Général de Traités

ÖJZ

=

österreichische Juristen-Zeitung

Orig.

=

Original

ÖZA

= österreichische Zeitschrift f ü r Außenpolitik

ÖZöR

= österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht

PASIL

= Proceedings of the American Society of International L a w

PCIJ

=

RdC

= Recueil des Cour de l'Académie de droit international de L a Haye = Revue de droit international, de sciences diplomatiques et politiques

RDISPD

Permanent Court of International Justice

Rev.

=

RGDIP

= Revue général de droit international public

Revision

RivDI

= Rivista d i d i r i t t o internazionale

s.

=

siehe

Ser.

=

Serie(s)

sog.

=

sogenannt(e,-er,-es)

StIG

=

Ständiger Internationaler Gerichsthof

u. a.

=

unter anderem

RTDE

=

Revue trimestrielle de droit européen

UN

=

U n i t e d Nations

UNRIAA

= U n i t e d Nations Reports on International A r b i t r a l Awards

US

= United States

u. s. w.

= u n d so weiter

u. U.

= unter Umständen

VBR

=

Völkerbundrat

Verf.

=

Verfasser vergleiche

vgl.

=

VK

= Vereinigtes Königreich

VSt

= Vereinigte Staaten

Abkürzungsverzeichnis

16 WdDStRL =

Veröffentlichungen rechtslehrer

der Vereinigung der Deutschen Staats-

WV

=

Wörterbuch des Völkerrechts

WVK

=

Wiener Vertragsrechtskonvention

YBILC

= Yearbook of the International L a w Commission

ZaöRV

=

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und V ö l k e r recht

z. B.

= zum Beispiel

Zif.

=

Ziffer

zit.

=

zitiert

Erster Teil D i e Auslegung völkerrechtlicher Verträge i n Praxis u n d Lehre vor der W i e n e r Vertragsrechtskonvention 1969 Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge — das tägliche Brot der zur Anwendung Berufenen (grundsätzlich die Außenämter 1 der Vertragsstaaten 2 , daneben vor allem internationale Gerichte und Schiedsgerichte 3 ) — macht i n der Praxis oft große Schwierigkeiten und gibt 1

Vgl. dazu den Kommentar zu den A r t i k e l n 27 u n d 28 des Entwurfs der International Law Commission (ILC-Draft), UN-Doc. A/6309/Rev. 1, Y B I L C 1966 I I , 218. Vgl. auch die Stellungnahme des bulgarischen Delegierten Strezov i m 32. Meeting des Committee of the Whole (CWh) der Wiener V e r tragsrechtskonferenz der Vereinten Nationen 1968/69, U N Doc. A/CONF. 39/ C. 1/SR. 32, nach welchem „ [i]n a convention on the l a w of treaties, the practice of Ministries of Foreign Affairs was more important than the views of the various schools of thought". 2 W i r sprechen hier lediglich von Vertrags Staaten u n d folgen damit terminologisch der Beschränkung des persönlichen Geltungsbereichs der i n der Folge immer wieder angezogenen Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 (WVK), die sich gem. A r t . 1 ebenfalls n u r auf Verträge zwischen Staaten bezieht. Selbstverständlich schließen aber auch andere Völkerrechtssubjekte Verträge ab. F ü r den Bereich der internationalen Organisationen hat dies Zemanek i n seinem W e r k Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen (1957) grundlegend untersucht. Vgl. dazu auch Neuhold, „Organs Competent to Conclude Treaties for International Organizations . . . " , ÖZöR, Suppl. I (1971), 195 ff. Es ist daher stets i m Auge zu behalten, daß auch die m i t der Führung der auswärtigen Beziehungen betrauten Organe anderer Völkerrechtssubjekte — etwa das Staatssekretariat des Hl. Stuhls — laufend m i t der Auslegung von Verträgen (im genannten F a l l vorwiegend, aber nicht ausschließlich, von Konkordaten) befaßt sind. Vgl. zur Tätigkeit des päpstlichen Staatssekretariats Köck, Die völkerrechtliche Stellung des H l . Stuhls (1975), 166 ff., u n d die dort angegebene Literatur. F ü r den Malteserorden vgl. Prantner, Malteserorden u n d Völkergemeinschaft (1974), passim. — Was i m übrigen die Staatenpraxis i m allgemeinen anlangt, so wies der (vierte) Special Rapporteur der ILC f ü r das Vertragsrecht, Sir Humphrey Waldock, aus Anlaß der Präsentation seines Entwurfes mehrerer I n t e r pretationsartikel i m 765. Meeting der ILC, Y B I L C 1964, I, 275, darauf hin, daß ,,[h]e had tried to take into account State practice, though evidence of i t was difficult to obtain as not much was to be found i n publications of State practice w h i c h for the most part were content to reproduce the decisions of international tribunals and were not concerned w i t h the i n t e r pretation of treaties b y States themselves". 3 Der Internationale Gerichtshof (IG) hat i n seinem Gutachten zur Frage der Aufnahme in die Vereinten Nationen, ICJ-Reports 1948, 61, die A u s legung völkerrechtlicher Verträge jedenfalls insoweit als rechtliche Aufgabe bezeichnet, als sie internationalen (Schieds-)Gerichten i n besonderer Weise zukommt. Diese Begründung erscheint kurzschlüssig, wenngleich dem E r 2 Köck

18

1. T e i l : Praxis und Lehre vor der W V K 1969

auch der Lehre eine bisher noch immer (wie es scheint) nicht völlig bewältigte Problematik auf 4 . Für die noch ganz traditioneller Methodologie verhaftete Lehre 5 gilt das von Lord McNair Geschriebene: "There is no part of the l a w of treaties which the t e x t w r i t e r approaches w i t h more trepidation than the question of interpretation 6 ."

Ungeachtet des Umstandes, daß die Auffassungen i n Lehre und Judikatur weit auseinandergehen, erheben Schulmeinungen Ausschließlichkeitsanspruch 7 , Entscheidungen Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit 8 . gebnis, f ü r das sie herangezogen wurde, zuzustimmen ist. Vgl. dazu allgemein: Gross, „Treaty Interpretation: The Proper Role of an International T r i b u n a l " , P A S I L (1969), 108 ff. — Sowohl die Rechtsprechung des Weltgerichtshofs als auch v o n internationalen Schiedsinstanzen hat zu wissenschaftlicher Behandl u n g mehrfach Anlaß gegeben. Vgl. insbes. Wilson, „Interpretation of Treaties. Contributions of the Permanent Court of International Justice to the Development of International L a w " , P A S I L (1930), 39 ff.; Wright „ T h e International Court of Justice and the Interpretation of M u l t i l a t e r a l Treaties", 41 A J I L (1947), 44 ff.; Hambro, The Case L a w of the International Court (1952), 27 ff.; u n d Liacouras, „The International Court of Justice and Development of Useful ,Rules of Interpretation 4 i n the Process of Treaty Interpretation", P A S I L (1965), 161 ff.; sowie Blühdorn, „ L e fonctionnement et la jurisprudence des t r i b u n a u x a r b i t r a u x mixtes", 41 RdC (1932), 141 ff. F ü r den spezifischen F a l l des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vgl. u. a. Degan, „Procédés d'interprétation tirés de la jurisprudence de la Cour de justice des Communautés européennes", R T D E (1966), 189 ff. Eine dem I G entsprechende A u f fassung vertrat auch der Europäische Gerichtshof f ü r Menschenrechte i m Case Relating To Certain Aspects of the Laws on the Use of Languages in Education in Belgium , 10 Yearbook of the European Convention H u m a n Rights (1967), 596 ff., auf 620: „ . . . i t follows f r o m the very terms of A r t i c l e 45 that the basis of the jurisdiction ratione materiae of the Court is established once the case raises a question of the interpretation or application of the Convent i o n . . . " — Was die Auslegung völkerrechtlicher Verträge i m innerstaatlichen Bereich u n d seine Durchführung i m Zusammenhalt m i t Gesetzen u n d V e r ordnungen anlangt, so verlangt das Völkerrecht v o n den innerstaatlichen Instanzen zweifellos eine völkerrechtsfreundliche, v o m innerstaatlichen Recht insgesamt aber die Ermöglichung völkerrechtskonformer Auslegung. Das ergibt sich k l a r aus A r t . 27 W V K . F ü r den österreichischen Bereich hat öhlinger den „ i n der österreichischen J u d i k a t u r ausdrücklich anerkannten Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung" festgestellt, „demzufolge Gesetze sow e i t als möglich i m Lichte des Völkerrechts ausgelegt werden müssen". Der völkerrechtliche Vertrag i m staatlichen Recht (1973), 139. 4

Vgl. dazu unten i n diesem T e i l i n Zusammenhalt m i t dem Zweiten Teil. Vgl. dazu aus jüngster Zeit Lang, „Les règles d'interprétation codifiées par la Convention de V i e n n e . . . " , 24 (NF) ÖZöR (1973), 113ff.; eine sehr gründliche Arbeit. Originell a u d i Hummer, „ , O r d i n a r y ' versus »special· meaning", 26 (NF) ÖZöR (1975), 87 ff.; die dort behandelte Problematik ist jedoch allzu künstlich, als daß von daher eine sinnvolle Befruchtung der Interpretationsdiskussion erwartet werden könnte. β The L a w of Treaties (1961), 364. 7 Vgl. dazu statt vieler die übersichtliche Darstellung bei Bernhardt, Auslegung (1963), 5 ff. Vgl. auch die treffende Auseinandersetzung Lauterpachts m i t der einschlägigen Literatur, vor allem i n seinem Beitrag „Restrictive Interpretation and the Principle of Effectiveness i n the Interpretation of 5

1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

19

U n t e r diesen U m s t ä n d e n k ö n n t e m a n v e r s u c h t sein, v o n e i n e r w e i t e r e n E r ö r t e r u n g dieses T h e m a s ganz A b s t a n d z u n e h m e n , u m n i c h t d u r c h seinen D i s k u s s i o n s b e i t r a g das H e e r d e r M e i n u n g e n n o c h u m eine z u v e r m e h r e n 9 . I s t doch d i e W e r t l o s i g k e i t d e r b i s h e r e r a r b e i t e t e n I n t e r p r e t a t i o n s r e g e l n selbst i n d e r v ö l k e r r e c h t l i c h e n L i t e r a t u r n i c h t u n b e m e r k t geblieben: "We are among those", schrieb Lord McNair 1961, "who are sceptical as to the value of these so-called rules and are sympathetic to the process of their gradual devaluation, of which indications e x i s t 1 0 . " A n d e r e r s e i t s l i e g t n u n m e h r aus j ü n g s t e r Z e i t z u diesem T h e m a eine p o s i t i v - r e c h t l i c h e Aussage v o r , u n d z w a r i n d e n A r t i k e l n 31 u n d 32 W V K 1 1 . Diese a n d e n E r g e b n i s s e n d e r b i s h e r i g e n v ö l k e r r e c h t l i c h e n Interpretationsdiskussion u n d jüngster methodologischer Erkenntnisse, v e r g l i c h e n m i t b e z ü g l i c h e n t r a d i t i o n e l l e n A n g e b o t e n , z u p r ü f e n , erscheint d a h e r z u m i n d e s t n i c h t v ö l l i g n u t z l o s . D a m i t i s t es a b e r n o t w e n d i g , zuerst e i n e n Ü b e r b l i c k ü b e r d i e g e n a n n t e D i s k u s s i o n u n d d a n n e i n e n A b r i ß der methodologischen Aussagen z u m Interpretationsproblem zu geben. Dieser T e i l i s t d e r ersteren A u f g a b e g e w i d m e t . Treaties", 26 B Y I L (1949), 48 ff. A n früheren Arbeiten zur Auslegungsfrage seien genannt: Hyde , „Concerning the Interpretation of Treaties", 3 A J I L (1909), 46 ff.; ders., „The Interpretation of Treaties b y the Permanent Court of International Justice", 24 A J I L (1929), 745 f f.; Yü, The Interpretation of Treaties (1927); Fachiri , „Interpretation of Treaties", 23 A J I L (1929), 745 ff.; Brown , „The Interpretation of Treaties", 23 A J I L (1929), 819 ff. Aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg seien erwähnt: Souberyol, „L'interprétation internationale des traités et la considération de l'intention des parties", 85 J D I (1958), 686 ff.; Neri, Sull'interpretazione dei t r a t t a t i nel d i r i t t o internazionale (1958); Fitzmaurice, „De l'interprétation des traités", 46 Annuaire de l ' I n s t i t u t de droit international (1956), 317 ff.; schließlich Berlia , „Contribution à l'interpretation des traités", 114 RdC (1965), 283 f f.; aus jüngster Zeit die i n Anm. 5 genannten Arbeiten. 8 So, w e n n sich der IG, w i e i m Aufnahme-Fall, ausdrücklich auf die „consistent practice of the Permanent Court of International Justice" beruft; ICJ-Reports 1948, 63. Diesbezüglich sagt auch der Kommentar zum ILCDraft , loc. cit., 220, daß eine bestimmte Auslegungsregel gemäß der Rechtsprechung des Weltgerichtshofs als „established l a w " angesehen w i r d . 9 " I n fact, statements can be found i n the decisions of international t r i bunals to support the use of almost every principle or m a x i m of which use is made i n national systems of l a w i n the interpretation of statutes or contracts." Ibid., 218. The L a w of Treaties (1961), 366. Vgl. auch Brownlie , Principles of Public International L a w (1966), 502: "Jurists are i n general cautious about formulating a code of 'rules of interpretation', since the 'rules' may become unwieldy instruments instead of the flexible aids which are required." M i t Verweisung auf die gegenteilige Auffassung bei Beckett , Comments zum Bericht Lauterpachts, „De l'interprétation des traités", 43 Annuaire de l ' I n s t i t u t de D r o i t international (19501), 366 ff., auf 435 ff. 11 A r t . 33 (Interpretation of treaties in two or more languages) behandelt ein Sonderproblem, w e i l es sich hier mehr u m Konkordanz- denn u m Auslegungsfragen handelt. V o n einer Erörterung des A r t . 33 w i r d daher i n dieser Untersuchung abgesehen. 2*

1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969

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I . Gebotenheit u n d Erlaubtheit v o n Interpretation D i e Geschichte jenes K a p i t e l s des V ö l k e r r e c h t s , u n d insbesondere des v ö l k e r r e c h t l i c h e n Vertragsrechts, das m i t „ V e r t r a g s a u s l e g u n g " ü b e r schrieben ist, i s t i m e i g e n t l i c h e n S i n n des W o r t e s z w e i d e u t i g . Das g i l t schon f ü r d i e g r u n d s ä t z l i c h e F r a g e nach d e r G e b o t e n h e i t b z w . E r l a u b t heit von Auslegung. Am

Anfang

d e r wissenschaftlichen B e f a s s u n g m i t

der F r a g e

der

I n t e r p r e t a t i o n v ö l k e r r e c h t l i c h e r V e r t r ä g e steht e i n klassisch gewordenes Wort von

Vattel

12

:

„ L a première M a x i m e générale sur l'Interprétation est, q u ' i l n'est pas permis d'interpréter ce qui n'a pas besoin d'interprétation 1*." Z i e h t m a n i n B e t r a c h t , w e l c h e r K r i t i k dieser Satz h e u t e w e i t h i n b e gegnet, so m u ß es überraschen, daß er bis i n d i e Z w i s c h e n k r i e g s z e i t h i n e i n m e h r oder w e n i g e r unbesehen ü b e r n o m m e n w u r d e — o f f e n b a r als eine Regel des gesunden Menschenverstandes — , u n d z w a r s o w o h l v o n d e r L e h r e 1 4 als auch v o n d e r P r a x i s 1 5 . 12 Le droit des gens I I , Chap. X V I I , § 263. Z i t i e r t nach der Ausgabe von 1758, i m Nachdruck hrsg. von Scott (Classics of International L a w ; 1916). — Frühere Völkerrechts werke, w i e etwa jenes v o n Moser, Versuch des neuesten Europäischen Völker-Rechts i n Friedens- u n d Kriegszeiten V I I I (1779), der ibid . 323 ff. v o n „der Tractaten u n d Bündnisse E r k l ä r - u n d Erläuterungen" handelt, kennen diesen Satz nicht. Vgl. auch Grotius, De iure b e l l i ac pacis l i b r i très, I I , Cap. X V I ; Bynkershoek, Questionum j u r i s publici l i b r i duo, I I , Cap. Χ . 14 Die bei Whiteman, Digest of International L a w X I V (1970), 353, gegebene Aufzählung nennt folgende bedeutende Werke i n diesem Zusammenhang: Phillimore, Commentaries Upon International L a w I I (3. Aufl. 1879), 9 9 - 100; Hall, A Treatise on International L a w (7. Aufl. 1917), 334; Fiore, International L a w Codified (übersetzt von Borchard, 1918); i n der französischen, v o n Antoine veranstalteten Ubersetzung aus 1911, L e droit international codifié, die dem Verfasser vorliegt, heißt es auf 402 unter §794: „ O n ne doit pas interpréter ce q u i n'a pas besoin d'interprétation." Die v o m Vattelschen W o r t l a u t abweichende Fassung ist offenbar auf die zweimalige Ubersetzung (zuerst ins Italienische, dann zurück ins Französische) verursacht. Crandall, Treaties: Their M a k i n g and Enforcement (2. Aufl. 1916), 396-397. — Ihnen fügen w i r noch hinzu: Accioly, Tratado de dereito internacional publico I I (1934), 458, der die Interpretation n u r dann zulassen w i l l , w e n n die Bestimmungen dunkel oder widersprüchlich bleiben. Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts I (1929), 82, zitiert den i n Rede stehenden Satz nicht, spricht aber i n Zusammenhang m i t der Auslegung v o n einer „wissenschaftlichen Tradition", die „einen besonders entscheidenden u n d klaren Ausdruck bei Vattel findet". Fauchille, Traité de droit international public 1/3 (8. Aufl. 1926), zitiert 376 den Vattelschen Satz zwar lediglich referierend, bejaht i h n aber i n der Sache, w e n n er 373 Interpretation n u r dann einsetzen läßt, w e n n der T e x t dunkel oder widersprüchlich ist. 15 I n d e m w i r hier i n erster L i n i e auf internationale Entscheidungen zurückgreifen, bleiben w i r uns des Umstands bewußt, daß es sich bei der J u d i k a t u r n u r u m eine solche Quelle des Völkerrechts handelt, die bloß „als H i l f s m i t t e l zur Feststellung der Rechtsnormen" dient u n d f ü r sich allein nicht geeignet ist, Völkerrecht zu schaffen. Dazu vgl. Verdross, Die

I. Gebotenheit und Erlaubtheit von Interpretation

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Gerade l e t z t e r e w a r es, die — w i e es sich i n E n t s c h e i d u n g e n i n t e r n a t i o n a l e r G e r i c h t e häufiger findet, w e i l sie d e r K r i t i k der Wissenschaft z w a r n i c h t entzogen, v o n i h r aber auch n i c h t a b h ä n g i g s i n d —

dem

V a t t e l s c h e n Satz d e n C h a r a k t e r e i n e r „ f u n d a m e n t a l m a x i m " 1 6

„uni-

v e r s a l l y recognized as l a w " 1 7 zusprach. I n d e r L e h r e i s t dagegen d i e A u f f a s s u n g ü b e r die R i c h t i g k e i t oder doch w e n i g s t e n s d e n f a k t i s c h e n W e r t dieser M a x i m e h e u t e g e t e i l t . D i e K r i t i k e r i n s i s t i e r e n , es h a n d l e sich d a b e i u m eine petitio principii; die F e s t s t e l l u n g , e i n T e x t (bzw. e i n T e i l desselben) sei k l a r , k ö n n e n u r das E r g e b n i s v o r h e r g e g a n g e n e r A u s l e g u n g s e i n 1 8 . E i n e solche sei d a h e r i m m e r n ö t i g 1 9 . A n d e r e w o l l e n d e n V a t t e l s c h e n Satz i m P r i n z i p festh a l t e n 2 0 , sehen m i t i h m a b e r auch gewisse G e f a h r e n v e r b u n d e n 2 1 , v o r a l l e m , w e i l er sich z u m i ß b r ä u c h l i c h e m G e b r a u c h e i g n e 2 2 . Quellen des universalen Völkerrechts. Eine Einführung (1973), 135 f. Daß der J u d i k a t u r i n der Praxis allerdings ein höherer W e r t zukommt, als i h r theoretisch zusteht, ist schon bei Jaenicke, „Völkerrechtsquellen", W V I I I (2. A u f l . 1962), 766 ff., auf 772, ausgesprochen. — Das Z i t a t aus A r t . 38 Zif. 1 l i t . d. I G - S t a t u t nach Verosta, Die Satzung der Vereinten Nationen u n d das Statut des Internationalen Gerichtshofs (1947), 60. 16 Decisions. M i x e d Claims Commission. US — Germany, Opinion i n the Lusitania Case, 7 U N R I A A (1956), 32 ff., auf. 43: "The Treaty is our charter. We cannot look beyond its express provisions or its clear implications . . . clear and unambiguous language . . . Hence the fundamental m a x i m ' I t is not allowable to interpret that which has no need of interpretation* applies." M i t Berufung auf die Opinion i m Arao Mines (Limited) Case, B r i t i s h Venezuelan M i x e d Claims Commission, 344, 386 - 387 (Venezuelan A r b i t r a t i o n 1903); die Opinion i m Sambiaggio Case, Italian-Venezuelan M i x e d Claims Commission, 666, 688-689 (ibid.); schließlich Vilas v. Manila, 220 US 345 (1911), 358 - 359. — Noch deutlicher k o m m t diese Auffassung i n Entscheidungen französischer Gerichte zum Ausdruck, w i e die Zusammenstellung bei Kiss, Répertoire de la pratique française en matière de droit international public I (1962), 401, beweist. Vgl. auch ibid., 402, den Hinweis auf die A u s führungen des französischen Vertreters Basdevant vor dem S t I G i n öffentlicher Sitzung am 5. J u l i 1923 (Wimbledon-Fall), PCIJ-Publications, Ser. C, No. 3, Vol. I , 148: „ L a première maxime général sur l'interprétation est q u ' i l n'est pas permis d'interpréter ce q u i n'a pas besoin d'interprétation." 17 Opinion of M r . Little i m Venezuelan Bond Case, Moore , History and Digest of International Arbitrations to which the United States has been a Party I V (1898), 3616, auf 3621. 18 So insbesondere Fitzmaurice , „The L a w and Procedures of the I n t e r national Court of Justice", 28 B Y I L (1951), I f f . , auf 5: "The conclusion that the meaning of a t e x t is clear . . . involves itself a process of interpretation . . . " 19 Vgl. Wigmore , A Treatise on the Anglo-American System of Evidence i n Trials at Common L a w (3. Aufl. 1940), 227: " [ T ] h e fact is that there must always be interpretation." 20 Die M a x i m e w i r d damit zwar zu einer „preeminently reasonable" (Lauterpacht, The Development of International L a w b y the International Court [1958], 52), aber doch n u r „ p r e l i m i n a r y r u l e " (ders. i n der 8. Aufl. v o n Oppenheims International L a w I [1957], 952, A n m . 1). 21 " I t s only — but, upon analysis, decisive — drawback is that i t often assumes as a fact w h a t has s t i l l to be proven and that i t proceeds not f r o m

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1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969 D e m S t r e i t u m d i e R i c h t i g k e i t des V a t t e l s c h e n Satzes l i e g t aber o f f e n -

b a r e i n M i ß v e r s t ä n d n i s z u g r u n d e , das a u f D e f i n i t i o n s u n t e r s c h i e d e n b e r u h t . D e u t l i c h k o m m t dies b e i e i n e m d e m V a t t e l s c h e n Satz besonders ablehnend gegenüberstehenden W e r k j ü n g e r e n D a t u m s z u m A u s d r u c k 2 3 : "[The] reservations, expressed by most observers i n recent years, stem f r o m recognition that there are fatal flaws Vattel's first principle. One obvious defect is t h a t i n the broadest sense i t is a tautology, since the determination of w h a t does or does not need interpretation w o u l d commonly be regarded as an example of interpretation. Thus to say that one should interpret only when necessary either violates the rule (discovering the absence of a need for interpretation by interpreting) or invites a redefinition of ' interpretation 1 (e.g., in terms of the resolution of what is not 'clear and précisé') 2 4 ." Es l i e g t also l e t z t l i c h e i n S t r e i t u m W o r t e v o r 2 5 . I I . D i e F u n k t i o n der Vertragsauslegung Weitgehende Ü b e r e i n s t i m m u n g herrscht i m internationalen Bereich ü b e r die F u n k t i o n d e r A u s l e g u n g , solange dieselbe r e i n f o r m a l als d e r Schlüssel z u m r i c h t i g e n V e r s t ä n d n i s des V e r t r a g s v e r s t a n d e n w i r d . So f o r m a l findet sich d e r B e g r i f f d e r A u s l e g u n g a b e r k a u m j e m a l s g e f a ß t 2 6 ; i n seiner n ä h e r e n B e s t i m m u n g u n t e r s c h e i d e n sich d i e verschiedenen the starting point of the i n q u i r y b u t from w h a t is normally the result of i t . " Lauterpacht, The Development of International L a w b y the International Court (1958), 52. 22 "As i n the course of argument generally, the disputants frequently attempt to obtain a tactical advantage over their opponents b y describing themselves — or their contentions — as sound and realistic w h i l e labelling their adversaries as Utopian, so i n the matter of interpretation parties incline to characterise the construction w h i c h they favour as following f r o m the ordinary or n a t u r a l meaning of terms of the treaty and, accordingly, as self-evident and i n no need of corroboration f r o m external sources." Ibid., 52-53. — Es muß jedoch demgegenüber darauf hingewiesen werden, daß die Möglichkeit eines Mißbrauchs als solche noch k e i n zwingendes Argument gegen die Fundiertheit einer bestimmten M a x i m e ist. Vielmehr w i r d die Diskussion dadurch v o n der Frage nach der Richtigkeit derselben auf die Frage nach der P r a k t i k a b i l i t ä t verlagert, also auf eine Ebene, auf der f ü r Probleme, die auf einer anderen liegen, nichts gewonnen werden kann. 23 McDougal / Lasswell / Miller, The Interpretation of Agreements and W o r l d Public Order (1967), 81. 24 Erste Hvhbg. i m Orig., die zweite v o m Verf. 25 V ö l l i g unverständlich bleibt dagegen, w a r u m McDougal et al. meinen, ,,[e] ither alternative renders Vattel's principle useless as a guide to common expectation". Jedenfalls f ü r die zweite von ihnen angenommene Bedeutungsvariante t r i f f t diese Aussage nicht zu. 26 Nahe k o m m t i h r i m m e r h i n Rousseau, D r o i t international public I (1970), 241: „L'interprétation est l'opération intellectuelle qui consiste à determiner le sens d'un acte juridique, à en préciser la portée et à en éclairer les points obscurs ou ambigus."

I I I . Die Qualifizierung des Interpretationsvorgangs

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D e f i n i t i o n e n aber b e r e i t s z u m T e i l n i c h t u n w e s e n t l i c h , w i e u n t e n , I V , i n Z u s a m m e n h a n g m i t d e r F r a g e n a c h d e m Z i e l d e r A u s l e g u n g gezeigt w e r d e n w i r d . N i c h t v o n u n g e f ä h r v e r z i c h t e t d a h e r eine R e i h e v o n W e r k e n ü b e r h a u p t a u f eine D e f i n i t i o n 2 7 , w o h l i n d e r E r k e n n t n i s , daß eine solche d e n V o r w e g b e z u g e i n e r P o s i t i o n i n sich schließt, w a s d i e u n parteiische D a r s t e l l u n g d e r verschiedenen diesbezüglichen i n d e r V ö l kerrechtswissenschaft bestehenden S t r ö m u n g e n n u r erschweren m ü ß t e .

I I I . D i e Qualifizierung des Interpretationsvorgangs A u c h die Aussagen z u r Frage, w e l c h e r A r t d e r

Interpretationsvor-

g a n g sei, v a r i i e r e n , o f f e n b a r j e nach dem, u n t e r w e l c h e m A s p e k t dieser Vorgang betrachtet w i r d . D i e E i n s i c h t , daß das A u s l e g u n g s p h ä n o m e n sich n i c h t ohne w e i t e r e s n o r m i e r e n , i n s t a r r e R e g e l n e i n f a n g e n l ä ß t , f ü h r t z u r B e t o n u n g , daß Auslegung kein bloß mechanischer Prozeß s e i 2 8 . A u s l e g u n g sei v i e l m e h r „obviously a task which calls for investigation, weighing of evidence, judgment, foresight, and a nice appreciation of a number of factors v a r y i n g from case to c a s e " 2 9 . Diese E i n s i c h t h a t aber n i c h t v e r h i n d e r t , die A u s l e g u n g g l e i c h z e i t i g auch als e i n e n Rechtsvorgang z u q u a l i f i z i e r e n 3 0 u n d sie d a m i t d e n 27 Vgl. u . a . Dahm, Völkerrecht I I I (1961), 42 ff.; Oppenheim / Lauterpacht, International L a w I (8. Aufl. 1957), 950 ff.; Verdross, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), 172 ff. Andere geben eine solche Definition, die ihren Namen gar nicht mehr verdient, w e i l sie wegen ihrer Weitschweifigkeit eher als Beschreibung angesehen werden muß. Vgl. hier etwa Berber, Lehrbuch des Völkerrechts I (2. Aufl. 1975), 476: „Die Auslegung eines völkerrechtlichen Rechtsgeschäfts u n d insbesondere eines Vertrags ist die Deutung, Erklärung, Aufhellung des wahren Sinnes, des Inhalts, des Umfangs, der Bedeutung eines Vertrags, angefangen von der Deutung des Sinnes einzelner Worte, j a Interpunktionen, der Stellung einzelner Worte, über die Deutung einzelner Sätze u n d Paragraphen bis h i n zur Deutung des Sinnzusammenhangs des ganzen Vertrags u n d der über den Vertrag hinausreichenden, aber aus i h m sich ergebenden Zusammenhänge. " 28 "The process of interpretation, r i g h t l y conceived, cannot be regarded as a mere mechanical one of d r a w i n g inevitable meanings f r o m the words i n a text, or of searching for and discovering some pre-existing specific intention of the parties w i t h respect to every situation arising under a treaty." Harvard-Draft, L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 946. 2» Ibid. — Offen bleibt hier, ob schon die vier erstgenannten Tätigkeiten dem Interpretationsprozeß den „mechanischen" Charakter nehmen, oder ob dieser die Qualifikation als „mechanisch" erst durch die von F a l l zu F a l l wechselnden Faktoren verliert, wobei allerdings offengelassen ist, u m welche Faktoren es sich hierbei handelt: u m formelle der Auslegung (wie man v o m Zusammenhang her w o h l annehmen sollte) oder u m materielle des Auslegungsobjekts (worauf der zitierte Text vielleicht hinauswill). 80 "Construction of treaties is a matter of law, to be governed b y the same rules mutatis mutandis , as prevail i n the construction of contracts and

1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

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i n t e r n a t i o n a l e n G e r i c h t e n u n d Schiedsgerichten — z w a r n i c h t halten,

vorzube-

a b e r doch — als auch i n d i e i h n e n e i g e n t ü m l i c h e K o m p e t e n z

f a l l e n d zuzuweisen.

D i e s e r g i b t sich schon aus d e m S t a t u t des ( f r ü h e r :

Ständigen, jetzt:) Internationalen Gerichtshofs 31, w u r d e i n der Zwischenk r i e g s z e i t v o n d e r L e h r e a u f d e r G r u n d l a g e d e r P r a x i s so ausges p r o c h e n 3 2 u n d nach d e m z w e i t e n W e l t k r i e g v o m I G a u s d r ü c k l i c h b e stätigt: "[T]he question . . . is and can only be a purely legal one. To determine the meaning of a treaty provision . . . is a problem of interpretation and consequently a legal questions 3 ." Besonderes G e w i c h t h a b e n L e h r e u n d Rechtsprechung n a c h d e m z w e i t e n W e l t k r i e g d a r a u f gelegt, daß A u s l e g u n g n i c h t z u e i n e r R e v i s i o n des V e r t r a g e s a u s a r t e n d ü r f e 3 4 . D e r I G h a t d e n klassischen Satz geprägt: " I t is the duty of the Court to interpret the Treaties, not to revise t h e m " 3 5 , u n d i s t a u f diesen später w i e d e r u m z u r ü c k g e k o m m e n 3 6 ; d a b e i ist das S t r e b e n des Gerichtshofs d e u t l i c h , die V e r a n t w o r t u n g f ü r e i n e n e t w a i g als u n b e f r i e d i g e n d e m p f u n d e n e n A u s g a n g des j e w e i l i g e n F a l l s d e u t l i c h v o n sich z u w e i s e n u n d d e n V e r t r a g s p a r t e i e n selbst a n z u l a s t e n 3 7 . M a g statutes." Wharton , International L a w Digest, § 133, I I , 36, m i t den dort angegebenen Referenzen. (Bei Moore, A Digest of International L a w V [1906], 252.) 31 Die Fakultativklausel des A r t . 36 Zif. 2 I G - S t a t u t nennt unter den Gegenständen v o n Rechtsstreitigkeiten, f ü r die die Gerichtsbarkeit durch Unterwerfungserklärung als obligatorisch anerkannt werden kann, an erster Stelle „die Auslegung eines Vertrags" (lit. a). 32 "The interpretation of treaties is essentially a j u d i c i a l process, and, i n any case, the neutral and presumably unprejudiced judge or arbitrator, more than any organ or agency of the interested parties, is l i k e l y to arrive at a fair and unbiased interpretation." Harvard-Draft, L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 973. 33 Rechtsgutachten des I G i m ersten Aufnahmefall (Conditions of Admission of a State to Membership in the United Nations [Article 4 of the Charter] aus 1948), ICJ-Reports 1947/48, 61. 34 " W h i l e the revision of a treaty has as its object the change, for the future, of a t e x t that may be perfectly clear, treaty interpretation aims at the establishment of the true meaning of a treaty . . . " Schwarzenberger, A Manual of Internationale L a w (5. Aufl. 1967), 164. 35 Rechtsgutachten über Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania (2. Phase), ICJ-Reports 1950, 229. 36 Ausdrücklich zitiert i n Case Concerning Rights of Nationals of the United States of America in Morocco, ICJ-Reports 1952, auf 196. 37 Vgl. ibid., 199: " [ T h e Court's] interpretation . . . leads to results which m a y not appear to be entirely satisfactory. B u t that is an unavoidable consequence of the manner i n which the Conference [which drew up the treaty i n question] dealt w i t h the question [in dispute]. The Court can not, b y w a y of interpretation, derive from the [Treaty] a general rule . . . which i t does not contain . . . "

I I I . Die Qualifizierung des Interpretationsvorgangs

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der W i d e r s p r u c h zwischen d e r Aussage, I n t e r p r e t a t i o n sei k e i n mechanischer Prozeß, u n d d e r Aussage, sie sei e i n Rechtsvorgang, d a d u r c h a u f gelöst w e r d e n , daß m a n i n l e t z t e r e m e i n schöpferisches E l e m e n t der Auslegung

eingeschlossen

sieht38,

das i h n

über

jeden

rein

mecha-

nischen A b l a u f w e i t h i n a u s h e b t , so finden sich j e d e n f a l l s i n d e r L i t e r a t u r Aussagen, d i e eine A b g r e n z u n g zwischen A u s l e g u n g u n d R e v i s i o n eines V e r t r a g e s n u r m e h r s u b j e k t i v , n i c h t aber o b j e k t i v u n t e r s c h e i d b a r machen. V e r g l e i c h e n w i r n ä m l i c h die Aussage Hydes, „ . . . i t is not the function of the interpreter to revise a treaty, as by p u t t i n g himself i n the place of the parties i n order to produce a fresh accord . . ." 3 9, m i t j e n e r i m K o m m e n t a r z u m Harvard-Draft

v o n 1935, daß

,,[i]n most instances, therefore, interpretation involves giving to the t e x t " 4 0 ,

a meaning

so m a g die l e t z t e r e T ä t i g k e i t de facto ohne w e i t e r e s z u e i n e m E r g e b n i s f ü h r e n , das d e m u r s p r ü n g l i c h e n S i n n des V e r t r a g s , w i e er v o n d e n P a r t e i e n k o n z i p i e r t w o r d e n ist, n i c h t e n t s p r i c h t , w e n n g l e i c h e i n solches Ergebnis nicht angestrebt w e r d e n d a r f 4 1 .

38

A u f das schöpferische Moment der Auslegung weist Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 391 u n d passim, insgesamt an neun verschiedenen Stellen, hin. 39 International L a w Chiefly as Interpreted and Applied by the United States (2. Aufl. 1947), 1472. 40 L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 946. Vgl. auch Hudson , The Permanent Court of International Justice (1943), 641: "The process of interpreting the t e x t of an international instrument is not to be viewed as a search for some pre-existing meaning . . . Interpretation involves giving a meaning to the t e x t . . . [A] s the terms employed i n international instruments seldom have an exact meaning, they can be interpreted only by giving content to them." 41 Dies w i r d i m Kommentar zum Harvard-Draft von 1935 ausdrücklich, und zwar folgendermaßen f o r m u l i e r t : " . . . giving a meaning to a t e x t — not just any meaning w h i c h appeals to the interpreter, to be sure, b u t a meaning which, i n the l i g h t of the t e x t under consideration and of a l l the concomitant circumstances of the particular case at hand, appears i n his considered judgment to be one which is logical, reasonable, and most likely to accord with and to effectuate the larger general purpose which the parties desired the treaty to serve. 11 Ibid. (Erste Hvhbg. i m Orig., die zweite v o m Verf.) Nach der i m Kommentar zum Harvard-Draft vertretenen Auffassung ist es also letztlich Glücksache, ob der Auslegende das entschleiert, was die Parteien i n den T e x t des Vertrags gekleidet haben. Was v o n seiner Seite anzustreben ist, ist bloß Rationalität des Ergebnisses. Dazu vgl. unten, Zweiter Teil.

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1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969 I V . Das Z i e l der Auslegung

O b e n 4 2 h a b e n w i r bereits d a r a u f h i n g e w i e s e n , daß ü b e r das Z i e l d e r V e r t r a g s a u s l e g u n g U b e r e i n s t i m m u n g n u r d a n n herrscht, w e n n a l l g e m e i n s t e F o r m e l n v e r w e n d e t w e r d e n , d i e d i e B e d e u t u n g des B e g r i f f e s vage lassen. U n t e r s u c h t m a n dagegen d i e Aussagen i n t e r n a t i o n a l e r Rechtsprechungsinstanzen, v o n S t a a t e n k o n f e r e n z e n u n d d e r D o k t r i n , so zeigt sich, daß auch i m V ö l k e r r e c h t e i n S t r e i t d a r ü b e r besteht, ob d e r (bloße) o b j e k t i v e T e x t s i n n des V e r t r a g s 4 3 erschlossen oder ob der „ w a h r e " W i l l e d e r P a r t e i e n i m R a h m e n des A u s l e g u n g s v e r f a h r e n s e r forscht w e r d e n m ü s s e 4 4 . A l l e r d i n g s t r i t t diese A l t e r n a t i v e n i r g e n d s k l a r u n d m i t Schärfe h e r v o r ; sie k a n n v i e l m e h r l e d i g l i c h aus d e n d i f f e r e n z i e r t e n Aussagen, w i e sie z u m Z i e l d e r A u s l e g u n g v o r l i e g e n , erschlossen w e r d e n . Diese b e k e n n e n sich n ä m l i c h scheinbar a l l e m e h r oder w e n i g e r z u m G r u n d s a t z , daß d e r „ w a h r e " W i l l e d e r P a r t e i e n das eigentliche A u s l e g u n g s z i e l s e i 4 5 . A m k l a r s t e n k o m m t dieser G r u n d s a t z i n der F o r m u l i e r u n g des American Law Institutes zum Ausdruck: "The p r i m a r y object of interpretation is to ascertain the meaning intended by the parties for the terms i n which the agreement is expressed . . . 4 6 . " 42 Z u Eingang von I I I . 43 „ A treaty once adopted runs b y itself", wie es ein Delegierter auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz 1968/69, w o diese Frage ebenfalls heftig umstritten war, einmal gegenüber dem Verfasser zur I l l u s t r a t i o n des einem Vertrag nach seinem Abschluß v o m W i l l e n der Parteien unabhängigen Eigenlebens zum Ausdruck brachte. Vgl. dazu auch Beckett , „Comments", 43 Annuaire de l ' I n s t i t u t de droit international (1950 I), 444. 44 „Les positivistes considèrent l'interprétation comme une tâche essentiellement subjective et historique, dont le b u t est seulment de mettre au j o u r les intentions réelles des consignataires. À l'inverse, les auteurs q u i se réclament de l'objectivisme j u r i d i q u e assignent à l'interprète le soin de découvrir, par delà la volonté des contractants, le but objectif d u traité et de s'en inspirer." Delbez, Les principes généraux d u droit international public (3. Aufl. 1964), 349. 45 Vgl. auch den Naomi-Russel-Fall (1923): " I t is of course unnecessary to observe that the ascertainment of the intent of the parties to a treaty is the object of interpretation." M i t Berufung auf Pradier-Fodéré , Traité de droit international public I I , auf 883 u n d 887, sowie Vattel, D r o i t des gens I I , Cap. X V I I , sec. 287. (Bei Hackworth, Digest of International L a w V [1943], 231.) 46 Restatement of the L a w , Second, Foreign Relations L a w of the United States (1965), 449. — Entsprechend sagt auch O'Connel , International L a w I (1965), 271: "The p r i m a r y end of treaty interpretation is to give effect to the intentions of the parties, and not to frustrate them." Dafür gibt Schwarzenberger, International L a w I (3. Aufl. 1957), 491, auch einen G r u n d an: "Every v a l i d treaty, w h i c h has come into existence i n accordance w i t h the rules underlying the principle of consent, constitutes a meeting of wills. I n each case, the purpose of j u d i c i a l treaty interpretation is to establish ex tunc the legal effects of such consensus."

I V . Das Ziel der Auslegung

27

A u c h i n der s o w j e t i s c h e n V ö l k e r r e c h t s l e h r e w i r d d e r E r f o r s c h u n g des w a h r e n W i l l e n s d e r P a r t e i e n d e r V o r r a n g v o r d e r F e s t s t e l l u n g seiner o b j e k t i v e n F u n k t i o n i m Gefüge des V ö l k e r r e c h t s e i n g e r ä u m t 4 7 . Es k o m m t jedoch d a r a u f an, daß eine z u v o r p r o g r a m m a t i s c h geäußerte A b s i c h t auch tatsächlich i m V e r t r a g i h r e n N i e d e r s c h l a g g e f u n d e n h a t : "The [Permanent] Court [of International Justice] is not prepared to adopt the v i e w that the text of the Treaty of Versailles can be enlarged by reading into i t stipulations w h i c h are said to result f r o m the proclaimed intentions of the authors of the Treaty, but for which no provision is made i n t h e t e x t itself** »

E i n e A b s c h w ä c h u n g e r f ä h r t diese P o s i t i o n b e r e i t s b e i Lord

McNair,

der z w a r auch a u f d i e „expressed i n t e n t i o n of t h e p a r t i e s " a b s t e l l t , aber m i t der E i n s c h r ä n k u n g : "their intention as expressed in the words used by them in the light of the surrounding circumstances 49." M i t dieser A u f f a s s u n g t r i f f t sich, w a s d e r I G i n seinem Rechtsgutachten i m ersten Aufnahmefall 1948 gesagt h a t : "The text of [Article 4 Paragraph 1 of the United Nations Charter], by the enumeration which i t contains and the choice of its terms, clearly demonstrates the intention of its authors to establish a legal rule . . . 5 0 . " D e r W i l l e d e r P a r t e i e n ist also h i e r n u r noch deswegen v o n B e d e u t u n g , w e i l er i m T e x t z u m A u s d r u c k k o m m t ; seine E r m i t t l u n g u n a b h ä n g i g v o m oder g a r gegen d e n T e x t — w i e sich dies i n d e r ä l t e r e n R e c h t sprechung finden l ä ß t 5 1 — k o m m t also n i c h t m e h r i n Frage 5 *. Z u r 47 "To establish the true meaning of a treaty w i t h i n 'the given, specific, concrete conditions of international relations' is important; 'to investigate the m u t u a l w i l l of the . . . parties at the time of the conclusion of the treaty, however, is cruciar." Triska / Slusser , The Theory, L a w , and Policy of Soviet Treaties (1962), 115. — Über die Auslegungsgrundsätze u n d Auslegungsregeln der sowjetischen Völkerrechtswissenschaft u n d -praxis vgl. ausführlich auch bei Schweisfurth, Der internationale Vertrag i n der modernen sowjetischen Völkerrechtstheorie (1968), 262 ff. Vgl. schließlich auch Bracht, „Die Auslegung internationaler Verträge i n der sowjetischen Völkerrechtslehre", 7 Osteuroparecht (1961), 66 ff. 48 Access to, or Anchorage in, the Port of Danzig, of Polish War Vessels, PCIJ-Publications (1931), Ser. A / B , No. 43, 145. « L a w of Treaties (1961), 365. (Hvhbg. i m Orig.) 50 Conditions of Admission of a State to Membership in the United Nations, ICJ-Reports 1948, auf 62. 51 I m The Island of Timor Case (1914) fand es der Schiedsrichter, der Schweizer Lardy, als m i t jener Formulierung des Compromissum, die i h m auftrug, auf der Grundlage der von den Parteien früher abgeschlossenen V e r träge zu entscheiden, durchaus vereinbar, seiner Entscheidung die wirkliche u n d gemeinsame Absicht der Parteien zugrundezulegen u n d i h r auch dort den Vorrang einzuräumen, w o sich der W o r t l a u t des Vertrages v o n i h r entfernte. Vgl. 9 A J I L (1915), 240 ff., bes. 250 ff.

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1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969

R e c h t f e r t i g u n g d a f ü r , s o w e i t m a n eine solche ü b e r h a u p t f ü r n o t w e n d i g erachtet h a t 5 3 , b e r u f t m a n sich o f f e n b a r i n erster L i n i e a u f d e n W e r t d e r Rechtssicherheit 5 4 . A m ehesten e n t s p r i c h t d e r A u f f a s s u n g , daß d i e A u s l e g u n g d e n o b j e k t i v e n T e x t s i n n z u e r m i t t e l n habe, das v o n Schwarzenberger zur Vert r a g s i n t e r p r e t a t i o n Gesagte, w e n n g l e i c h er es i n r e l a t i v i s t i s c h scheinende F o r m u l i e r u n g e n k l e i d e t u n d m i t e i n e r e i n l e i t e n d e n V e r w e i s u n g auf „the true meaning of a treaty at the time w h e n i t was concluded" 5 5 eher v e r d u n k e l t . E r schreibt: " . . . As most words have more than one meaning, i t is w e l l - n i g h impossible to establish the 'objective' meaning of any treaty. The most that is feasibly is to f i n d a pragmatically plausible interpretation w h i c h corresponds as closely as possible to the t e x t of the treaty; the function i t is meant to serve, and the actual intentions, i f ascertainable, of the parties. As i t is the duty of the parties to interpret and apply the treaty i n good faith, any international organ to which they may decide to delegate this task ought not to attempt to do more. A l l i t should attempt is to apply considerations of reasonableness and good f a i t h or, i n other words, the jus aequum rule. I n each case, the result of interpretation is, therefore, necessarily the outcome of a balancing process between conflicting equities 5 6 ." Die Wendung: „a pragmatically plausible interpretation which corresponds as closely as possible to the t e x t of the treaty" d e u t e t d a r a u f h i n , daß es Schwarzenberger i n W a h r h e i t a u f eine A u s l e g u n g a n k o m m t , die d e m V e r t r a g s t e x t s o w o h l als d e r A n w e n d u n g des V e r t r a g s e n t g e g e n k o m m t , w a s er — w i e d e r H i n w e i s zeigt, d e r i n d e n W o r t e n „ p r a g m a t i c a l l y p o s s i b l e " eingeschlossen i s t — d a d u r c h erreicht, 52 Damit hängt auch der kontinuierliche Niedergang der Einschätzung der travaux préparatoires zusammen. Vgl. dazu unten, V, A , 1. 53 "International courts and tribunals fight shy of laying bare the . . . reasons on which, i n fact, their interpretative w o r k is based. They tend to express these considerations i n semi-technical and quasi-logical terminologies of a tautological character." Schwarzenberger , A Manual of I n t e r national L a w (5. Aufl. 1967), 164. 54 I h r dient der Vertrauensgrundsatz, w i e er v o n Lord McNair i n diesem Zusammenhang angezogen w i r d : " I n any definition or description of i n t e r pretation some reference to the words actually used is essential, because i t can happen that a party sometimes has a mental reservation as to the meaning that i t may hope to attribute to them i n the future i n the event of a dispute arising." L a w of Treaties (1961), 365. 55 A Manual of International L a w (5. Aufl. 1967), 164. 56 Ibid. — Es bleibt allerdings dunkel, was eine internationale Instanz überhaupt mehr t u n könne, als den Vertrag bona fide zu interpretieren, u n d was daher der Hinweis, „ [ i t ] ought not to attempt to do more", gleichsam als w e n n dies der Weg des geringsten noch zumutbaren Widerstands wäre, eigentlich soll.

V. Auslegungsmittel

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daß er dem Vertragstext einen solchen Sinn beilegt, daß dieser sich harmonisch ins Sinngefüge der Materie, für die er bestimmt ist, einfügt, der Vertragssinn also als jener objektive Textsinn ermittelt wird, der den vorgegebenen Umständen am meisten adäquat ist. Offen bleibt allerdings, ob Schwarzenberg er i n diesem Zusammenhang nur an eine Auslegungsmöglichkeit denkt („which corresponds as closely as possible to the text of the treaty"), weil sich nämlich die anderen von diesem Text weiter entfernen, oder ob er mehrere i m Prinzip gleichwertige Lösungen für möglich hält (αrgumento „a pragmatically plausible interpretation" statt „the . . . interpretation"). Sicher ist jedenfalls, daß aus der Leugnung der Möglichkeit „to establish the ,objective 4 meaning of a treaty" nichts gewonnen werden kann, weil „the ,objective 4 meaning", von der Schwarzenberger spricht, nichts m i t dem zu t u n hat, was man gemeiniglich den objektiven Textsinn nennt 5 7 . Noch länger aber bei dieser Frage zu verweilen, hieße nur, der zitierten Stelle mehr Bedeutung beilegen, als ihr der Autor wohl selbst geben wollte. Sie mag jedoch als Beweis dafür gelten, daß — i m Gegensatz zum äußeren A n schein — die Palette der Meinungen i n diesem Punkt auch i m Völkerrecht eine durchaus gemischte ist 5 8 . V. Auslegungsmittel Der erste und unmittelbarste Gegenstand, der zur Auslegung herangezogen w i r d 5 9 , ist selbstverständlich A. Der Text des Vertrages

Allerdings ist auch hier noch weiter zu unterscheiden. 1. Der Vertrag als Ganzes 60

Unumstritten ist , daß es bei der Auslegung nicht bloß darauf ankommt, ein bestimmtes Wort allein oder i m Wortgefüge des Satzes, i n 57 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre (3. A u f l . 1975), 302 ff., der sich auch ausführlich m i t der Geschichte dieses Begriffs, der innerstaatlich auch als „normativer Gesetzessinn" i m Gegensatz z u m „ W i l l e n des Gesetzgebers" auftritt, auseinandersetzt u n d auf die dazu bedeutsame L i t e r a t u r hinweist. 58 Auch der Schiedsspruch i m Abu Dhabi Oil-Case ( I L R [1951], 144 ff.) legt den Schwerpunkt „auf de[n] durch den Vertrags text zum Ausdruck gebrachten objektivierten W i l l e n der Vertragspartner". Fischer, Die i n t e r nationale Konzession (1974), 385. 59 Die Terminologie w i r d gerade i n diesem P u n k t sehr unbestimmt. W i r d der Text des Vertrages selbst „ausgelegt", oder ist es der Sinn, der m i t H i l f e des Textes „ausgelegt" wird? Oder ist auch der Sinn des Textes n u r ein Mittel, u m das (von einigen als solches angesehene) Endziel der Auslegung, nämlich den „ w a h r e n " W i l l e n der Parteien, zu erreichen? 60 Vgl. das Schreiben des US-Außenministers Livingston an den österreichischen Generalkonsul Baron Lederer v o m 5. November 1832: "There

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1. Teil: Praxis u n d Lehre v o r der W V K 1969

d e m es steht ( Z u s a m m e n h a n g i m engeren S i n n 6 1 ) , a u f seine B e d e u t u n g z u befragen, s o n d e r n daß j e d e n f a l l s d e r V e r t r a g i n a l l e n seinen T e i l e n 6 2 , einschließlich d e r P r ä a m b e l 6 3 u n d a l l e n A n n e x e n , z u r A u s l e g u n g h e r a n zuziehen i s t 6 4 . W o aber d e r T e x t des V e r t r a g s a l l e i n e i n e n falschen E i n d r u c k h e r v o r z u r u f e n geeignet ist oder z u r A u s l e g u n g n i c h t h i n r e i c h t , g r e i f t m a n auf den 2. Zusammenhang H i e r b e i h a n d e l t es sich j e d o c h — i m Gegensatz z u d e m oben g e n a n n t e n Z u s a m m e n h a n g i. e. S. — u m d e n Z u s a m m e n h a n g i m w e i t e r e n S i n n . D a r u n t e r w i r d a l l e r d i n g s Verschiedenes v e r s t a n d e n . E i n m a l k a n n d a m i t alles bezeichnet w e r d e n , d u r c h das d i e P a r t e i e n ausdrücklich oder konkludent i h r e n W i l l e n i n einer über den Vertragstext hinausgehend e n Weise z u m A u s d r u c k gebracht h a b e n . H i e r h e r g e h ö r e n also a u f d e n V e r t r a g bezügliche w e i t e r e A b m a c h u n g e n 6 5 , aber auch E r k l ä r u n g e n der P a r t e i e n b e i d e r U n t e r z e i c h n u n g , b e i m A u s t a u s c h oder b e i d e r H i n t e r l e g u n g der R a t i f i k a t i o n s u r k u n d e n , sowie b e i m B e i t r i t t 6 6 , s o w e i t is no rule of construction better settled either i n relation to covenants between individuals or treaties between nations t h a n t h a t the whole instrument containing the stipulations is to be taken together, and that a l l articles in pari materia should be considered as part of the same stipulations." Bei Moore , A Digest of International L a w V (1906), 249. Vgl. das Rechtsgutachten des S t I G über Competence of the International Labour Organization to Regulate Agricultural Labour , PCIJ-Publications (1922), Ser.B, Nos. 2 and 3, auf 23: "[The meaning of a treaty] is not [to] be determined merely upon particular phrases which, i f detached f r o m the context, may be interpreted i n more than one sense." 62 " I n considering the question before the Court upon the language of the treaty, i t is obvious that the treaty must be read as a whole . . . " Ibid . 63 Vgl. das U r t e i l des I G i n Case Concerning Rights of Nationals of the United States of America in Morocco , ICJ-Reports 1952, 183 u n d 197. Vgl. weiters Todok et al. ν. Union State Bank of Harvard , Nebraska , 281 US 449 (1930), auf 451, wo sich Oberrichter Hughes bei der Auslegung auf die Präambel des Vertrags v o n 1783 zwischen den VSt, Schweden u n d Norwegen, sowie Cook v. United Staates, 288 US 102 (1933), auf 112, w o sich der Richter Brandeis auf die Präambel eines Vertrags zwischen den VSt u n d GB bezog. Bei Hackworth, Digest of International L a w V (1943), 245. 64 Das gleiche gilt auch f ü r den T i t e l eines Vertrags, wie das American Law Institute i m Restatement of the L a w (Second), Foreign Relations L a w of the United States (1965), 453, ausdrücklich unterstrichen hat. 65 " . . . earlier clauses are to be explained by later ones, which were added, i t is reasonable to suppose, for the sake of explanation . . . So also later treaties explain or abrogate older ones." Moore, A Digest of International L a w V (1906), 253. 66 McDougal / Lasswell / Miller sprechen von den „particular circumstances attending negotiation", u n d von den „events occuring during the negotiation", wobei offen bleibt, ob es sich dabei u m objektive Umstände handeln soll oder u m solche, die die Parteien durch ihre Erklärungen schaffen. Offenbar ist beides von Bedeutung. Vgl. unten.

V. Auslegungsmittel

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eine solche E r k l ä r u n g geeignet ist, f ü r das gemeinsame V e r t r a g s v e r h ä l t n i s v o n B e d e u t u n g z u sein, w a s sich stets n u r i m k o n k r e t e n F a l l b e s t i m m e n l ä ß t 6 7 . H i e r h e r g e h ö r e n nach e i n e r A u f f a s s u n g aber auch d i e B e d i n g u n g e n , w e l c h e ü b e r h a u p t f ü r d e n „ w o r l d c o n s t i t u t i v e process of a u t h o r i t a t i v e d e c i s i o n " 6 8 b e d e u t s a m sind. D a z u z ä h l e n V e r ä n d e r u n g e n i n der r e l a t i v e n S t ä r k e der V e r t r a g s p a r t e i e n 6 9 , die v a r i i e r e n d e W a h r s c h e i n l i c h k e i t v o n b e i V e r t r a g s v e r l e t z u n g e i n t r e t e n d e n S a n k t i o n e n , die sich nach d e m G r a d d e r Z w i s c h e n a b h ä n g i g k e i t u n t e r d e n S t a a t e n b e s t i m m t 7 0 , d i e wechselnde Z u s a m m e n s e t z u n g d e r b e t e i l i g t e n G e m e i n schaften u n d der i n i h n e n m a ß g e b l i c h e n G r u p p e n m i t B e z u g a u f die Kommunikationsweisen u n d die Möglichkeit, zu gemeinsamen Auffassungen z u g e l a n g e n 7 1 , technische Ä n d e r u n g e n a u f d e m G e b i e t der K o m m u n i k a t i o n 7 2 u n d schließlich Ä n d e r u n g e n i n d e n W e g e n z u gemeinsamen Werten 73. B. Sonstige Auslegungsmittel N e b e n d e n T e x t k ö n n e n t r a d i t i o n e l l e r w e i s e sonstige A u s l e g u n g s m i t t e l t r e t e n , e n t w e d e r , u m die nach A u s l e g u n g des T e x t e s a l l e i n noch bestehen b l e i b e n d e n U n k l a r h e i t e n a u s z u m e r z e n 7 4 , oder u m — z u s a m m e n m i t d e m T e x t , a l l e n f a l l s aber auch i n K o r r e k t u r des d u r c h i h n ß7 Auch eine von einer Partei ausgesprochene u n d von der/den anderen zurückgewiesene Auffassung ist nicht ohne Bedeutung, w e i l sich daraus erkennen läßt, daß jedenfalls diese Auffassung mangels Einigung nicht jene feein kann, die die Parteien gemeinsam durch den Vertrag verwirklichen wollten. Soweit solche widersprüchliche Erklärungen aus Anlaß des letzten Schrittes i m Vertragsverfahren abgegeben werden, k a n n allerdings der Zweifel berechtigt sein, ob i n jenem P u n k t überhaupt eine Einigung der Parteien zustandegekommen ist, oder ob sie nicht unter der gleichen W o r t formel durchaus Verschiedenes verstanden haben. 68 McDougal / Lasswell / Miller, The Interpretation of Agreements and W o r l d Public Order (1967), 34. 69 " . . . changes i n the interdependences, and i n the recognition of i n t e r dependences, among peoples, affecting the potentialities of sanctions . . . " Ibid. 70 " . . . changes i n the relative strength of the various contending w o r l d public orders, which honor persuasion and coercion as instruments of social change i n differing degree . . I b i d . 71 " . . . changes i n the composition of territorial communities and functional groups, affecting both the modalities of communication and the perception of common meanings . . . " Ibid. 72 " . . . changes i n the technology of communication and the recording of communication . . . " Ibid. 73 " . . . changes of cooperative strategies i n the shaping u n d sharing of particular values, affecting expectations about the future modalities of such cooperation . . I b i d . 74 "The interpretation of obscure terms i n a treaty is a matter of fact, as to which extrinsic evidence may be taken for the purpose of explaining objective obscurity." Wharton, International L a w Digest, § 133, I I , 36, m i t den dort angegebenen Referenzen. (Bei Moore, A Digest of International L a w V [1906], 252.)

32

1. Teil: Praxis u n d Lehre v o r der W V K 1969

allein gewonnenen Ergebnisses — auf diese Weise die von den Parteien tatsächlich beabsichtigte Regelung festzustellen. Gerade i m letzten Punkt allerdings läßt sich i n der überkommenen Lehre und Praxis die auffälligste Uneinigkeit feststellen, die ihren Grund letztlich i n rechts- und prozeßpolitischen Maximen hat, über deren Angemessenheit die Meinungen bis heute geteilt sind. 1. Die travaux

préparatoires

75

I n der Geschichte des Völkerrechts gibt es w o h l wenige Momente, die für einen bestimmten Bereich von solcher Bedeutung geworden sind, wie das Rechtsgutachten des StIG betreffend Interpretation of the 1919 Convention Concerning Employment of Women During the Night aus 193276, und gleichzeitig durch eine Mehrheitsentscheidung charakterisiert sind, die so knapp ausfiel, daß man von einer Zufallsmehrheit sprechen könnte 7 7 . Das dem StIG vom VBR unterbreitete Problem betraf die Frage, ob die von der Internationalen Arbeitskonferenz 1919 angenommene Konvention über die Nachtarbeit von Frauen nur Arbeiterinnen oder auch weibliche Angestellte i n leitender oder gehobener Stellung betraf 7 8 . Der StIG entschied mit 6 :5 Stimmen, daß „Frauen" eben „Frauen" bedeute und daher unter diesen Begriff alle Frauen i n industriellen Unternehmen zu subsumieren seien; eine Einschränkung auf „Arbeiterinnen" sei daher ungerechtfertigt. 79 Dazu auch ausführlich Hackworth, Digest of International L a w V (1943), 259 ff. Vgl. weiters Lauterpacht, „Les t r a v a u x préparatoires et l'interprétation des traités", 48 RdC (1934), 713 ff.; ders., „Some observations on the preparatory w o r k i n the interpretation of treaties", 48 H a r v a r d L a w Review (1935), 549 ff . ; Rosenne, „ T r a v a u x préparatoires", 12 I C L Q (1963), 1378 ff.; u n d Sharma , „The I L C D r a f t and Treaty Interpretation w i t h Special Reference to Preparatory Works", 8 I J I L (1968), 367 ff. 76 PCIJ-Publications (1932), Ser. A/B, No. 50. 77 Lediglich das U r t e i l des I G i m Südwestafrika-Fall (2. Phase), abgedruckt i n ICJ-Reports 1966, das bei einem Stimmenverhältnis von 7:7 aufgrund des Dirimierungsrechts des Präsidenten, Sir Percy Spender, zustandekam, k a n n i n seinen (hier: das Vertrauen der Neustaaten u n d der Staaten der D r i t t e n Welt i n die Fähigkeit traditioneller internationaler Institutionen, brennende Probleme des internationalen Lebens i n angemessener Weise zu lösen, untergrabenden u n d damit f ü r das Ansehen des Gerichtshofs u n d seine F u n k t i o n als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen katastrophalen) Auswirkungen als Einzelfall m i t dem Gutachten v o n 1932 verglichen werden; doch sind bei letzterem die Langzeitwirkungen v o n ungleich größerem Gewicht. 78 Die dem Gerichtshof vorgelegte Frage lautete: "Does the Convention concerning employment of women during the night, adopted i n 1919 . . apply, i n the industrial undertakings covered by the said Convention, to women who hold positions of supervision or management and are not ordinarily engaged i n manual w o r k ? " PCIJ-Publications (1932), Ser. A/B, No. 50, 372.

V. Auslegungsmittel

33

A u f diese Weise zu einer eindeutigen Aussage aus dem Text gekommen, glaubte der Gerichtshof auf eine von i h m selbst konkretisierte Regel verweisen zu müssen, „ t h a t there is no occasion to have regard to preparatory w o r k if the text of a convention is sufficiently clear i n itself" 7 9 .

Tatsächlich griff der StIG jedoch auf die travaux préparatoires zurück, um sich gegen den Vorwurf, er setze sich mit seinem Gutachten i n Widerspruch zur Auffassung sachverständiger Experten, zu verteidigen 8 0 , tat dies jedoch wiederum i n einer formalistischen Weise, indem er u. a. zählte, wie oft jenes Komitee, das die Konvention erarbeitet hatte, i m französischen Text das Wort „femmes", wie oft das Wort „ouvrières" verwendet hatte 8 1 . Die Minderheit ging i m Gegensatz zur Mehrheit davon aus, daß die travaux préparatoires sehr wohl ein anderes Ergebnis rechtfertigten und das Gutachten des Gerichtshofs daher verfehlt sei 82 . I n einer lesenswerten dissenting opinion setzte sich der italienische Richter und Völkerrechtsgelehrte Anzilotti i n scharfsinniger Weise m i t der Auffassung der Mehrheit auseinander und wies darauf hin, daß der von ihr begangene entscheidende Fehler darin bestanden habe, eine mögliche (und insoweit „klare") Interpretation m i t der „richtigen" zu identifizieren und so von vornherein gegen andere, i n sich selbst ebenfalls mögliche, und dazu noch durch die travaux préparatoires gestützte Lösungen eingenommen zu sein 83 . Erst wenn man wisse, was die Parteien m i t dem betreffenden Vertrag beabsichtigt hätten, könne man 79 Ibid., 378. so i b i d . 81 Ibid., 379. I m übrigen ist die Argumentation des S t I G i n diesem P u n k t auch i n sich inkonklusiv, indem sie der i m französischen T e x t enthaltenen Formulierung „protection de la santé des ouvrières" i h r Gewicht abspricht, w e i l dort j a auch i m englischen Text statt bloß von „ w o m e n " v o n „women workers" die Rede sei, während gerade der Umstand, daß i n der grundsätzlichen Aussage des genannten Komitees, „ e i n wirksames Verbot der Nachtarbeit für Frauen werde einen bedeutenden Fortschritt i m Schutze der Gesundheit der Arbeiterinnen" darstellen, v o n „Arbeiterinnen" u n d nicht bloß von „Frauen" schlechthin die Rede war, darauf hinzuweisen geeignet ist, daß die gesamte i n der Konvention enthaltene Regelung eben zum Schutz der Arbeiterinnen, also jener Kategorie v o n Frauen getroffen wurde, die manueller Arbeit nachgehen. 82 "Baron Rolin-Jaequemyns, Count Rostorowski, M M . Fromageot u n d Schücking, Judges, declare that, i n their opinion, the agenda, documents and minutes of the Washington Conference which refer to the Berne Convention of 1906 on the prohibition of night w o r k for women employed i n industry, do not permit them to subscribe to the grounds and conclusion of the present opinion." Ibid., 382. 83 " . . . I do not see h o w i t is possible to say that an article of a convention is clear u n t i l the subject and aim of the convention have been ascertained . . . " Ibid.

3 Köck

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1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

überhaupt von einem Text sagen, er sei k l a r 8 4 ; dann bestehe aber gleicherweise die Möglichkeit, daß man zur Erkenntnis komme, er sei zu eng oder zu weit abgefaßt 8®. Es komme daher vor allem darauf an, jeden Text — den klaren so gut wie den unklaren — i m Lichte der travaux préparatoires einem Skrutinium zu unterziehen 86 . Auch i m Lotus-Fall hielt sich der StIG gegenüber dem auf eine angeblich vom Wortlaut nicht zufriedenstellend erfaßte Absicht der Parteien des Lausanner Friedensvertrags vom 24. J u l i 192387 gestützten Vorbringen Frankreichs an den bloßen Wortlaut, m i t dem Bemerken, „ [it] must recall i n this connection w h a t i t has said i n some of its preceding judgments and opinions, namely, that there is no occasion to have regard to preparatory w o r k i f the t e x t of a convention is sufficiently clear i n itself" 8 8 .

Der Nachfolger des StIG, der IG, nahm seinerseits diese Spruchpraxis 1950 wieder auf, als er es als die erste Pflicht eines internationalen Gerichts hinstellte, „to endeavour to give effect to [the provisions of a treaty] i n their natural and ordinary meaning i n the context i n which they occur. I f the relevant words i n their natural and ordinary meaning make sense i n their context, that is an end of the matter . . . " 8 9 .

Andererseits ist der Weltgerichtshof selbst häufig de facto und jedenfalls insoweit von seiner eigenen diesbezüglichen Regel abgewichen, als er sich das von i h m auf Grund des Textes erarbeitete Ergebnis von einer — mehr oder auch weniger gründlichen — Durchsicht der travaux préparatoires bestätigen ließ. Das gilt für das Rechtsgutachten betr. Competence of the International Labour Organization in Regard to International Regulation of the Conditions of Labour of Persons Employed in Agriculture 90, ja sogar für den Lotus-Fall 91, genauso e4

" . . . the article only assumes its true i m p o r t i n this convention and i n relation thereto . . I b i d . 85 " O n l y when i t is k n o w n w h a t the Contracting Parties intented to do and the aim they had i n v i e w is i t possible to say either that the natural meaning of the terms used i n a particular article corresponds w i t h the real intention of the Parties, or that the natural meaning of the terms used falls short or goes further than such intention." Ibid. se " . . . since the words have no value save as an expression of the intention of the Parties . . . " Ibid. S7 L N T S X X V I I I , 12 ff. 88 Zit. nach 29 A J I L (1935 Suppl.), 962. 89 Rechtsgutachten i m zweiten Aufnahmefall (Competence of the General Assembly for the Admission of a State to the United Nations), ICJ-Reports 1950, 8. 99 PCIJ-Publications (1922), Ser. B, No. 2, auf 41: . . there is nothing i n the preparatory w o r k to disturb this conclusion."

V. Auslegungsmittel

wie für das Rechtsgutachten betr. Competence of the European mission of the Danube92, wo sich der StIG darauf berief, daß

35

Com-

„the preparatory w o r k f u l l y confirms the conclusion at which the Court has now a r r i v e d " 9 3 ,

gleichzeitig aber i n diesem Zusammenhang Formulierungen verwendete, die den Schluß zulassen, der StIG wäre u. U. doch bereit gewesen, vom Sinn des bloßen Wortlautes zugunsten eines durch Heranziehung der travaux préparatoires korrigierten Sinnes abzugehen 94 , obwohl er i m gleichen Atem noch die traditionelle Regel angerufen hatte, gemäß welcher „there is no occasion to have regard to the protocols of the conference at w h i c h a convention was negotiated i n order to construe a t e x t which is sufficiently clear i n itself" 9 5 .

Auf der gleichen Linie liegen auch jene Sätze i m Urteil des I G von 1952 i m Case Concerning Rights of Nationals of the United States of America in Morocco, nach welchen das Vorbringen der VSt betreffend eine besondere der Algeciras-Akte von 1906 zugrundeliegende Absicht der Parteien unhaltbar sei, „[for η]either the preparatory w o r k nor . . . gives the least indication of any such i n t e n t i o n " 9 6 .

Aus dieser Formulierung kann man schließen, daß ein sich aus den travaux préparatoires ergebendes abweichendes Ergebnis allenfalls doch nicht völlig unbeachtlich gewesen wäre. Noch eindeutiger erscheint die Neigung des Weltgerichtshofs, travaux préparatoires heranzuziehen, natürlich dort, wo der Text als solcher das Ergebnis nach des Gerichtshofes Auffassung nicht eindeutig bestimmen läßt. I m Fall Treatment of Polish Nationals and Other Persons of Polish Origin or Speech in Danzig hielt es der StIG ausdrücklich für nützlich, 9

* PCIJ-Publications (1927), Ser. A, No. 10, auf 17. PCIJ-Publications (1927), Ser. B, No. 14. 93 Ibid., auf 28. 94 " [ T ] h e records of the preparation of the Definitive Statute [of the European Commission of the Danube] do not, i n the opinion of the Court, furnish anything calculated to overrule the consruction indicated b y the actual terms of A r t i c l e 6." Ibid. 92

95 Ibid., 28. Vgl. auch den Georges Pinson-Fall (1928), A D P I L C (1927/28), 426, w o es heißt: „Inasmuch as the t e x t of the Convention is clear i n itself, there is no reason to appeal to alledged contrary intentions of its authors unless both parties concerned agree t h a t the t e x t does not cover their common intention." (Hvhbg. v o m Verf.) 96 Ibid. (American Nationals in Morocco), 198.

3*

1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

36

„ i n order to ascertain [the] precise meaning [of the text], to recall here somewhat i n detail the various drafts which existed prior to the adoption of the text now i n force" 9 7 . U n d i m Lighthouses

Case (1934) 9 8 sprach der S t I G ganz o f f e n aus, daß

[w]here the context does not suffice to show the precise sense i n which the Parties to the dispute have employed these words i n their Special Agreement, the Court, i n accordance w i t h its practice, has to consult the documents preparatory to the Special Agreement [durch welches F r a n k reich u n d Griechenland vereinbart hatten, die i n Rede stehenden Fälle dem S t I G zu unterbreiten; A n m . d. Verf.], i n order to satisfy itself as to the true intention of the Parties" 9 9 . D i e U r t e i l s b e g r ü n d u n g i m Oder-Kommissions-Fall (1929) 1 0 0 w e i s t schließlich d a r a u f h i n , daß n u r solche travaux préparatoires i n Frage k o m m e n k ö n n e n , a u f G r u n d d e r e r m a n die d o r t z u m A u s d r u c k k o m m e n d e A b s i c h t a l l e n P a r t e i e n als auch die i h r e v o r h a l t e n k ö n n e . Dies ist aber d o r t n i c h t d e r F a l l , w o eine oder m e h r e r e P a r t e i e n erst nacht r ä g l i c h ( z . B . d u r c h B e i t r i t t 1 0 1 ) z u m V e r t r a g h i n z u g e t r e t e n sind, d e n n i h n e n m u ß eine n u r i n d e n travaux préparatoires, n i c h t aber i m T e x t des b e t r e f f e n d e n V e r t r a g s (oder doch n i c h t ausreichend k l a r ) z u m A u s d r u c k kommende Absicht grundsätzlich unbekannt sein102: " [ N ] o account can be taken of evidence which is not admissible i n respect of certain of the Parties to that case 1 0 3 ." N a c h Hyde 104 l ä ß t sich d i e r e s e r v i e r t e H a l t u n g i n t e r n a t i o n a l e r (Schieds-)Gerichte gegenüber d e n travaux préparatoires a u f eine common Ζαΐϋ -Tradition z u r ü c k f ü h r e n 1 0 5 . W ä h r e n d Hyde diese T r a d i t i o n f ü r d e n B e r e i c h des V ö l k e r r e c h t s aber a b l e h n t u n d die H e r a n z i e h u n g 97

PCIJ-Publications (1932), Ser. A/B, No. 44, auf 33. PCIJ-Publications (1937), Ser. A/B, No. 62. 99 Ibid., 13. 100 PCIJ-Publications (1929), Ser. A , No. 23. 98

101 Z u m B e i t r i t t vgl. Köck, „Der B e i t r i t t zu völkerrechtlichen Verträgen", 20 (NF) ÖZÖR (1970), 217 ff. 102 Da drei der vor dem S t I G erschienenen Staaten an der Erarbeitung des F V von Versailles (Martens, NRGdT, 3, Ser., X I , 331 ff.) nicht t e i l genommen hatten, hielt der S t I G hinsichtlich der Pariser Friedenskonferenz, daß „accordingly the record of this w o r k cannot be used to determine, i n so far as [those three states] are concerned, the import of the Treaty". P C I J Publications, Ser. A, No. 23, auf 39. 103 ibid., 42. 104 International L a w Chiefly as Interpreted and A p p l i e d b y the United States I I (2. A u f l . 1947), 1497 f. 105 Die dortige Ablehnung von Absichtserklärungen der Parteien, die u. U. i m Text keine ausreichende Entsprechung finden, ist durch die Angst bestimmt, die J u r y könnte durch solche Erklärungen irregeführt werden. Ibid.

V. Auslegungsmittel

der travaux préparatoires berg er die Auffassung,

37

hier für nützlich hält 1 0 6 , vertritt Schwarzen-

„[that] the preparatory w o r k (travaux

préparatoires)

is of l i m i t e d v a l u e " 1 0 7 .

Schwarzenberger begründet seine Auffassung m i t der Ambivalenz, die i n dem Umstand begründet ist, daß eine der Erklärung einer Partei entsprechende Absicht i m Text nicht (ausreichend) zum Ausdruck kommt: "[This] may indicate that the negotiators w h o voiced such opinions were prepared to proceed to signature only on the assumption that the other party accepted their interpretation of a draft clause. Yet, the fact that the controversial clause was not reformulated so as to give expression to such an intention, may also be regarded as evidence that such an i n t e r pretation ought to be rejected 1 0 8 ."

Man w i r d nicht fehlgehen, wenn man i n diesem Zusammenhang abschließend feststellt, daß gerade i n der Frage, ob, wann und i n welchem Ausmaß travaux préparatoires bei der völkerrechtlichen Vertragsinterpretation heranzuziehen sind, traditionellerweise große Unsicherheit herrscht, wobei dieselbe weniger auf eine Abwertung der travaux préparatoires als solcher als Ausdruck des „wahren" Willens der Parteien, als vielmehr auf das Unvermögen zurückzuführen ist, sie in einer allen Vertragsparteien gleichermaßen Gerechtigkeit widerfahrenlassenden Weise heranzuziehen. 2. Quasi-Annexe Geht man davon aus, daß zum Vertrag als Ganzes auch die i h m angeschlossenen Annexe gehören oder diese doch jedenfalls einen Teil des Zusammenhanges i. e. S. bilden, so versteht es sich, daß solche Annexe eine wichtige Rolle i m Auslegungsverfahren spielen können. Schwieriger w i r d die Frage dort, wo ein bestimmtes Dokument formell nicht eindeutig als Annex zu einem Vertrag erscheint; hier können Zweifel über den Auslegungswert dieses Dokuments für den betreffenden Vertrag auftauchen. I n einem solchen Fall ist der I G davon 106 "This objection [d. h. die der common law- Tradition zugrundeliegende; Anm. d. Verf.] is not applicable to adjudications concerning the interpretation of agreements between States. Declarations of their negotiators, insofar as they indicate the sense i n which terms were employed, are valuable, not merely because they may be safely entrusted to the consideration of judges or arbitrators, or to ministers of State . . . When the declarations of negotiators constitute a part of the negotiations leading up to the signature and subsequent acts pertaining to the perfecting of a treaty, they are to be regarded as a part of the preparatory w o r k , and are to be dealt w i t h accordingly." Ibid. 107 International L a w (3. Aufl. 1957), 514. 108 ibid.

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1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

ausgegangen, daß es nicht auf die formelle Stellung des Dokuments ankommen könne, sondern daß darauf abzustellen sei, ob zwischen i h m und dem Vertrag ein inhaltlicher (materieller) Zusammenhang besteht. I n einem solchen Fall ist das Dokument zur Auslegung des betreffenden Vertrags heranzuziehen 109 . 3. Deklarationen

und sonstige Äußerungen der Unterhändler

Diese formen eigentlich nur einen Teil dessen, was w i r oben i n Zusammenhang m i t den travaux préparatoires bereits behandelt haben. Praxis und Lehre nehmen demgemäß ihnen gegenüber eine unsichere Haltung ein. Hyde befürwortet ihre Heranziehung stark 1 1 0 , und zwar nicht bloß solcher i m Vertragsverfahren abgegebener, sondern auch der erst nach Abschluß des Vertrags gemachten 111 . Dabei beruft er sich auf den Spruch einer Kommission, gebildet auf Grund eines von den VSt und GB zur Auslegung von A r t . V des Jay-Treaty vom 19. November 1794 zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrags, die spätere Äußerungen einzelner Unterhändler zur Feststellung eines bestimmten, i m Vertrag genannten, dann aber i n Vergessenheit geratenen Flusses heranzog 112 . Andererseits finden sich i n jüngerer Zeit i m Bereich internationaler Entscheidungen Stimmen, die solchen Erklärungen der Unterhändler ablehnend gegenüberstehen. Besonders pointiert ist i n diesem Zusammenhang die Äußerung des Richters Azevedo i n seiner dissenting opionion 115 i m sog. zweiten Aufnahmefall (1950), wo er derartige Erklärungen als „double-edged weapons" bezeichnet 114 . Auch Sir Eric Beckett trat i n seinem dem Institut de Droit International 1950 vorgelegten Bericht gegen die Heranziehung derartiger Äußerungen mit der Begründung auf, 109 So hielt der I G i m Ambatielos-F all (Preliminary Objection), I C J Reports 1952, auf 44, daß „the provisions of the Declaration are i n the nature of an interpretation clause, and, as such, should be regarded as an integral part of the Treaty even i f this was not stated i n terms . . . " . no "Declarations on the part of the negotiators of a treaty at the time of its conclusion, or b y plenipotentiaries exchanging ratifications, indicating the understanding of the parties as to the sense i n w h i c h particular terms were employed are useful as sources of interpretation and should not be disregarded." International L a w Chiefly as Interpreted and A p p l i e d by the United States (2. A u f l . 1947), auf 1497.

m " . . . the declarations of negotiators even long subsequent to the perfection of an agreement [are not] w i t h o u t value . . . " Ibid . 112 M i t Verweisung auf Moore , International Adjudications I (1929), 63 ff., u n d I I (1930), 362 f. Der Spruch beruhte i n diesem P u n k t aber letztlich auf Hinweisen i n den Schriften früher französischer Reisender. Vgl. ibid., 363. us ICJ-Reports 1950, 4 ff. u 4 Ibid., auf 30: " . . . the travaux préparatoires , which can often lend themselves to contradictory use, l i k e a double-edged weapon."

V. Auslegungsmittel

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" [i]f everybody at a conference, where there are committees and minutes, really thought that the speeches there made were going to be v i t a l for the ultimate instrument, the meetings, which are rather laborious and lengthy i n any case, w o u l d be longer still. I t w o u l d be almost as difficult to obtain agreement on the minutes of every meeting as i t is upon the t e x t of the u l t i m a t e instrument. Some people do t h i n k this. Their interventions are lengthy and they make difficulties about the minutes every time. Other people attach less value to speeches and minutes. They are t h i n k i n g only of the ultimate t e x t and assume that these discussions and minutes are of a very ephemeral value and importance 1 1 5 ."

Dies veranlaßt Schwarzenberger

zur Feststellung, daß

,,[i]n v i e w of the largely equivocal character of [such declarations], international judicial institutions tend to ressort to i t only i n a subsidiary manner"116. C. Zweck und Ziel des Vertrages

Obgleich Ziel und Zweck eines Vertrages nicht als solche isoliert erscheinen, sondern entweder aus dem Text allein oder aus dem Text i m Zusammenhang i. w. S. 1 1 7 oder aus den travaux préparatoires genommen werden müssen 118 , spielt doch die Formel „object and purpose" 1 1 9 bei der Vertragsauslegung eine nicht unbedeutende Rolle 1 2 0 . Zwar 115 43 Annuaire de l ' I n s t i t u t de D r o i t International (19501), 435 ff. Er f ü h r t i n diesem Zusammenhang aus, die Erklärungen der Unterhändler sollten schon deswegen nicht herangezogen werden, w e i l die wichtigsten Entscheidungen ohnedies hinter den Kulissen getroffen w ü r d e n u n d das Wie u n d W a r u m daher i n den Protokollen nicht aufscheine. Ibid., 443. 116 International L a w (3. Aufl. 1957), 515. Schwarzenberger selbst b i l l i g t diese Haltung, indem er auf die seiner Meinung nach zweifelhaften eigentlichen Absichten verweist, die Unterhändler m i t derartigen Äußerungen verbinden mögen: "Strong speeches may be made for purposes of the record, b u t merely cover a strategic retreat . . . Delegates who are confident that, for intrinsic or extrinsic reasons, their views w i l l u l t i m a t e l y prevail, may permit themselves the l u x u r y of dignified silence. Ought a p r e m i u m to be put on vocalism b y subsequently ascribing to such efforts the character of a common intention?" i n F ü r Lauterpacht gehören Zweck u n d Ziel des Vertrags zum „Vertrag als Ganzes": "The whole of the t r a t y must be taken into consideration, i f the meaning of any one of its provisions is doubtful; and not only the wording of the treaty, b u t also its purpose, the motives which led to its conclusion, and the conditions prevailing at the time." Oppenheim / Lauterpacht, International L a w I (8. Aufl. 1955), 953. 118 " I n construing the Treaty its history should be consulted." Cook v. US, 288 US 102 (1933), auf 111. (Bei Hackworth, Digest of International L a w V [1943], auf 242). Vgl. dazu auch Parry, „The L a w of Treaties", Manual of Public International L a w (1968), 175 ff., auf 210 f. 119 Z u m erstenmal als Formel zu Berühmtheit gelangt i n Rechtsgutachten der I G betr. Reservations to the Convention on Genocide, ICJ-Reports 1951, 15 ff., u n d zwar i n Zusammenhang m i t der Frage der Zulässigkeit von Vorbehalten. 120 Vgl. dazu schon Vattel, D r o i t des gens, I I , ch. X V I I , sec. 287: „ L a raison de la Loi, ou du Traité, c'est-à-dire le motif q u i a porté à les faire,

1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

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erheben sich, soweit Zweck und Ziel des Vertrags nicht aus dem Text allein, sondern aus anderen Auslegungsmitteln erhoben werden soll, dagegen dieselben Bedenken, die gegen diese Auslegungsmittel als solche geltend gemacht werden 1 2 1 , doch glaubt man, auf object and purpose bei der Vertragsauslegung auch in diesen Fällen nicht völlig verzichten zu können 1 2 2 . Interessant ist i n diesem Zusammenhang eine vom Kommentar zum Harvard-Draft von 1935 gemachte Äußerung, die auf eine Unterscheidung von konkretem und abstraktem Zweck des Vertrags hinausläuft. Nach der Feststellung, häufig müßten Vertragsbestimmungen zum Zwecke der Anwendung auf Umstände ausgelegt werden, an die die Parteien ursprünglich überhaupt nicht gedacht oder hinsichtlich deren Regelung sie sich doch nicht hätten einigen können 1 2 3 , w i r d nämlich festgestellt: " . . . such meaning [given to the treaty i n the l i g h t of considerations other than any specific intent of the parties w i t h respect to those particular situations] can and should effectuate the 'intention of the parties' i n the sense that is conformable to the general purpose which they had i n m i n d when they concluded the t r e a t y 1 2 4 . "

Unerfindlich bleibt hier allerdings, wie jedenfalls i n jenen Fällen, wo (bzw. bzgl. derer) sich die Parteien erklärtermaßen nicht einigen konnten, aus ihrer „allgemeinen Absicht", also dem generell-abstrakten Zweck des Vertrags, etwas für seine Auslegung 1 2 5 gewonnen werden kann. Richtigerweise müßte doch i n diesem Fall die Auslegung zur Feststellung kommen, daß für i h n keine vertragliche Regelung der Parteien vorliegt, und sich daher i n diesem Punkt ihre wechselseitigen la vuë que l'on s'y est proposée, est u n des plus sûrs moyens d'en établir le véritable sens . . . " (Hvhbg. i m Orig.) "There is . . . some danger that the concept of the 'intention of the parties' may be carried to too great extremes, w i t h the result that i t becomes entirely artificial, and amounts merely to a phrase employed b y the interpreter to j u s t i f y conclusions arrived at b y some method other than the ascertainment of any actual intention of the parties." Harvard-Draft , L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 952. 121 Vgl. oben, Β . 122 " I t is practically self-evident that the terms of a treaty cannot be thoroughly comprehended unless i n the l i g h t of the design which prompted its conclusion, and likewise that that interpretation of a treaty is to be favored which w i l l harmonize w i t h and tend to effectuate the purpose which i t was intended to serve." Ibid., 948. 123 v g l . hier auch Hudson, The Permanent Court of International Justice (1943), auf 644, wo es u. a. heißt: "More often, the problem raised before the Court was not foreseen w h e n the instrument i n question was being drafted, neither the particular problem nor the general class to which i t belongs . . . " 124

29 A J I L (1935 Suppl.), auf 953. (Hvhbg. v o m Verf.) I m übrigen ist dieser Auslegungsbegriff ein sehr weiter; vgl. dazu unten, Zweiter Teil, I I I , D. 125

V. Auslegungsmittel

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Rechte u n d P f l i c h t e n l e d i g l i c h nach d e n sonstigen, a u f d e n F a l l a n w e n d b a r e n N o r m e n des V ö l k e r r e c h t s b e s t i m m e n 1 2 6 . D. Verhältnis des Vertrages zu sonstigen Normen des Völkerrechts Es ist v o n P r a x i s u n d L e h r e a l l g e m e i n a n e r k a n n t , daß d i e N o r m e n des V ö l k e r r e c h t s — seien es die des a l l g e m e i n e n , seien es solche r e g i o n a l e n G e w o h n h e i t s r e c h t s , seien es sonstige V ö l k e r r e c h t s n o r m e n — , d i e a u f d i e V e r t r a g s m a t e r i e B e z u g h a b e n (gleichsam d e r e n j u r i s t i s c h e n S i t z i m L e b e n ausmachen), f ü r die A u s l e g u n g eines V e r t r a g s v o n B e d e u t u n g sind. E i n e v e r t r a g l i c h e R e g e l u n g besteht j a n i c h t i n e i n e m sonst u n d a n u n d f ü r sich rechtsfreien R a u m , s o n d e r n i s t ( u n d k a n n n u r sein) e i n T e i l d e r größeren, zwischen d e n M i t g l i e d e r n d e r i n t e r n a t i o n a l e n G e meinschaft w i r k s a m e n R e c h t s o r d n u n g 1 2 7 . V o n dieser a l l g e m e i n 1 2 8 u n d insbesondere u n d a u s d r ü c k l i c h i n d e r s o w j e t i s c h e n V ö l k e r r e c h t s l e h r e a n e r k a n n t e n 1 2 9 A u f f a s s u n g i s t die F r a g e z u t r e n n e n , ob eine v e r t r a g l i c h e N o r m „ v ö l k e r r e c h t s f r e u n d l i c h " auszulegen ist, d. h., so z u i n t e r p r e t i e r e n , daß sie e i n e m b e s t i m m t e n v ö l k e r r e c h t l i c h e n I n s t i t u t m ö g l i c h s t k e i n e n A b b r u c h t u t . F ü r solche F ä l l e w i r d m a n w o h l a u f g r u n d d e r v o m I G i m Case Concerning Right of Passage 12 β Der i m Harvard-Draft geäußerten Meinung liegt offenbar die A u f fassung zugrunde, daß Parteien, die einen bestimmten Gegenstand vertraglich regeln, eine Außerstreitstellung ihrer Beziehungen auch i n jenen P u n k ten dieses Gegenstands gewollt haben, i n denen es zwischen ihnen zu keiner konkreten Einigung gekommen ist. Es w i r d damit präsumiert, daß sie i n diesen Fällen die Entscheidung dem objektiven Spruch der zur „Auslegung" berufenen Instanz überlassen, die i n diesem F a l l allerdings nicht auslegend, sondern rechtssetzend tätig w i r d . Dahinter steht der vermutete W i l l e der Parteien ut sit finis litium. 127 " . . . i t is clear that the treaties themselves are part of the international l a w as accepted by [the] contracting powers and i t may be safely assumed that, w h e n the treaties were concluded, both parties considered them as being agreed upon as special provisions to be enforced between them i n w h a t may be called the atmosphere and spirit of international l a w as recognized by both of them." Der Schiedsrichter Borei i n der Entscheidung v o m 18. J u l i 1932 i n den Fällen Kronprins Gustav Adolf u n d Pacific; abgedruckt i n 26 A J I L (1932), 839 f. 128 " I f . . . the meaning of a provision is ambiguous, . . . the consistent meaning [is to be preferred] to the meaning inconsistent w i t h generally recognised principles of international l a w . . O p p e n h e i m / Lauterpacht , International L a w I (8. Aufl. 1955), 952 f. 129 "[Interpretation of treaties is to] be conducted, first, i n strict consonance w i t h 'the basic principles of international l a w ' . . . " Triska / Slusser , The Theory, L a w , and Policy of Soviet Treaties (1962), 115. Die i n der Folge demonstrativ angeführten Grundsätze umfassen u. a. jene des Friedens u n d der internationalen Sicherheit, der Souveränität der Staaten, der Gleichheit und der Reziprozität. Z u letzterer vgl. Simma, Das Reziprozitätselement i m Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge (1972), u n d dersDas Reziprozitätselement i n der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts (1970).

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1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969

Over Indian Territory 130 z u m A u s d r u c k gebrachten A u f f a s s u n g z u m Schluß k o m m e n müssen, daß v e r t r a g l i c h e B e s t i m m u n g e n so auszulegen sind, daß sie i m Z w e i f e l d i e E f f e k t i v i t ä t sonstiger v ö l k e r r e c h t l i c h e r R e g e l u n g e n n i c h t b e r ü h r e n 1 3 1 ; erst w o eine solche A u s l e g u n g m i t d e m W o r t l a u t n i c h t m e h r v e r e i n b a r w ä r e , w i r d eine r e s t r i k t i v e V e r s i o n gew ä h l t w e r d e n m ü s s e n 1 3 2 . Das gleiche g i l t insbesondere f ü r d e n V o r z u g e i n e r m i t a n d e r e n V e r t r a g s v e r p f l i c h t u n g e n v e r e i n b a r e n v o r einer m i t solchen V e r p f l i c h t u n g e n u n v e r e i n b a r e n A u s l e g u n g 1 3 3 . E. Die vertragsbezügliche Praxis W a s die v e r t r a g s b e z ü g l i c h e 1 3 4 P r a x i s a n l a n g t , so i s t a l l g e m e i n a n e r k a n n t , daß sie f ü r die A u s l e g u n g eines V e r t r a g e s v o n B e d e u t u n g i s t 1 3 5 . 130 U r t e i l über die Preliminary Objections v o m 26. November 1957, I C J Reports 1957, 124 ff. ι « Ibid., 141 f. 132 Diese Frage ist ζ. B. von Bedeutung f ü r die Auslegung von sog. seifjudging clauses i n Erklärungen betreffend die Unterwerfung eines Staates unter die obligatorische Gerichtsbarkeit des I G gem. A r t . 36 Ziff. 2 I G Statut, von denen die „berühmteste" die US-amerikanische m i t dem sog. Connally-Amendment ist. Vgl. zu seiner Problematik Preuss, „Questions Resulting from the Connally Amendment", 32 A B A J (1946), 660 ff.; Hudson , „The W o r l d Court: America's Declaration Accepting Jurisdiction", ibid., 832 ff. V o n den vielen kritischen Stimmen, die die bisher erfolglose K a m pagne zu seiner Streichung unterstützten, vgl. Briggs, „Towards the Rule of L a w " , 51 A J I L (1957), 517 ff.; ders., „ U n i t e d States and the International Court of Justice", 53 ibid. (1959), 319 f. — Während der I G i m InterhandelFall, ICJ-Reports 1959, 6 ff., die Entscheidung über die Frage, welche W i r kung das Connally-Amendment i m internationalen Bereich habe, umging, ergibt sich aus seiner Entscheidung i m F a l l Certain Norwegian Loans, daß eine solche Klausel, obwohl sie damit die Unterwerfungserklärung u n d so das System der obligatorischen Streiterledigung durch den I G u n w i r k s a m macht, nicht außer Acht gelassen werden dürfe. ICJ-Reports 1957, 9 ff. Vgl. auch Lauterpachts concurring opinion, ibid., 43 ff. 133 " I f . . . the meaning of a provision is ambiguous, the consistent meaning [is to be preferred] to the meaning inconsistent . . . w i t h previous treaty obligations towards t h i r d States." Oppenheim / Lauterpacht, International L a w I (8. Aufl. 1955), 952 f. 134 Auch eine zwar nicht auf diesen Vertrag oder auf das Verhältnis gerade dieser Vertragsparteien, aber auf die darin geregelten Angelegenheiten i m allgemeinen bezogene Praxis k a n n von Bedeutung sein. So schloß der Richter Cardozo i m F a l l In re D'Adamo's Estate, 212 N.Y. 214 (1914), auf 228, aus der Tatsache, daß sich die VSt stets geweigert hatten, i n Verträgen ausländischen Konsuln das Recht zur V e r w a l t u n g des Nachlasses ihrer i n den VSt verblichenen Staatsangehörigen zuzugestehen, daß i m Zweifel auch der Vertrag zwischen den VSt u n d Schweden v o m 1. J u n i 1910 i n negativem Sinne ausgelegt werden müsse: " I t is not to be l i g h t l y presumed that the government of the nation departed from the precedent of a century, and by an obscure clause i n a long and involved article of this convention overturned its settled practice." Bei Hackworth, Digest of International L a w V (1943), 252. 135 McDougal / Lasswell / Miller, The Interpretation of Agreements and W o r l d Public Order (1967), 96, zählen „the subsequent actions of the parties

V. Auslegungsmittel D e r K o m m e n t a r z u m Harvard-Draft

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spricht i n diesem Z u s a m m e n h a n g

a u f d e r G r u n d l a g e d e r S p r u c h p r a x i s des S t I G 1 3 6 v o n e i n e m „ f a m i l i a r p r i n c i p l e " , u n d LordMcNair

e r k l ä r t entschieden:

"Here w e are on solid ground and are dealing w i t h a judicial practice worth to be called a rule, namely that, when there is a doubt as to the meaning of a provision or an expression contained i n a treaty, the relevant conduct of the contracting parties after the conclusion . . . has a high probative value as to the intention of the parties at the time of its conclusion 1 3 7 ." D a b e i s i n d d r e i verschiedene V e r s i o n e n m ö g l i c h e r v e r t r a g s b e z ü g l i c h e r P r a x i s 1 3 8 z u unterscheiden. Diese lassen sich w i e d e r u m i n z w e i G r u p p e n zusammenfassen: solche P r a x i s , die m i t d e m T e x t des V e r trags v e r e i n b a r ist, u n d solche, d i e i h m a n sich w i d e r s p r i c h t . B e i d e r e r s t e n G r u p p e k a n n es sich u m eine einseitige, d. h. n u r v o n e i n e r d e r V e r t r a g s p a r t e i e n gesetzte, aber v o n d e n a n d e r e n t o l e r i e r t e P r a x i s 1 3 9 , oder u m eine b e i d e r s e i t i g e b z w . a l l s e i t i g e P r a x i s 1 4 0 h a n d e l n . I n b e i d e n under the agreement" zu jenen „indices of expectation", welche besser als der bloße Text i n der Lage seien, „ [to] determin[e] the genuine shared expectations of parties to an agreement . . . " . 136 Der Harvard-Draft bezieht sich dabei u. a. auf folgende Fälle: Competence of the International Labour Organization . . . , PCIJ-Publications (1922), Ser. B, No. 2, auf 39 u n d 41; vgl. auch PCIJ-Publications (1926), Ser. B, No. 13, auf 19; Interpretation of Para. 4 of the Annex Following Article 179 of the Treaty of Neuilly, PCIJ-Publications (1924), Ser. A, No. 3, auf 8 f.; Zuständigkeit Danziger Gerichte für Klagen gegen die Polnische Eisenbahnverwaltung, PCIJ-Publications (1928), Ser. B, No. 15, auf 18. Aus der Schiedsspruchpraxis f ü h r t der Harvard-Draft an: den Chamizal Case, 5 A J I L (1911), auf 805; u n d den North Atlantic Fisheries Case, Scott, Hague Court Reports (1916), auf 190. (29 A J I L [1935 SupplJ, 966 ff.) 137

L a w of Treaties (1961), 424. 8 E i n Sonderfall ist die Auslegung des Gründungsvertrags einer i n t e r nationalen Organisation durch die Praxis ihrer Organe, w e i l dadurch u . U . auch Staaten gebunden werden können, die bei Abstimmungen i m betreffenden Organ überstimmt worden sind. Das Problem ist behandelt bei Sir Humphrey Waldock i m D r i t t e n Bericht über das Vertragsrecht, Y B I L C 1964 I I , 59. (Mit Verweisung vor allem auf das Rechtsgutachten des I G betr. Certain Expenses of the United Nations, ICJ-Reports 1962, 157 ff., samt Sondervoten, 187 ff. u n d 201 ff.). Diese Frage w i r d insbesondere bei der sog. teleologischen Vertragsinterpretation von Bedeutung, w e n n nach der effet utile-Regel oder der implied powers-Lehve eine Auslegung vorgenommen w i r d , die dem politischen W i l l e n eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zur Zeit der Auslegung besonders zuwider ist. Seidl-Hohenveldern hat allerdings gezeigt, daß dies „ f ü r die rechtliche Verbindlichkeit des Vertrages u n d f ü r dessen Auslegung nach den zunächst von allen Parteien gebilligten Zielen rechtlich unerheblich [ist], so groß das politische Gewicht" der Auffassung jenes Mitglieds auch sein mag. Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften (1967), auf 204. 139 «if a l l the parties to a treaty . . . permit its execution, i n a particular manner, that fact may reasonably be taken into account as indicative of the real intention of the parties . . . " Harvard-Draft, L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 966. 13

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1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969

F ä l l e n i s t diese P r a x i s als v e r b i n d l i c h e , gleichsam authentische I n t e r p r e t a t i o n 1 4 1 des V e r t r a g s anzusehen. I n F ä l l e n der zweiten Gruppe k a n n v o n einer vertragskonformen I n t e r p r e t a t i o n n i c h t gesprochen w e r d e n . T r o t z d e m i s t auch h i e r die v e r tragsbezügliche P r a x i s v o n B e d e u t u n g , w e i l eine P a r t e i der A n w e n d u n g des V e r t r a g s d u r c h d i e Gegenseite i n e i n e r i h r e r eigenen P r a x i s entsprechenden Weise n a c h d e m G r u n d s a t z des n o n venire contra factum proprium n i c h t w i d e r s p r e c h e n k a n n 1 4 2 . Dies i s t i n der h e r k ö m m l i c h e n i n t e r n a t i o n a l e n Rechtsprechung a l l g e m e i n a n e r k a n n t 1 4 3 . D a d u r c h t r i t t aber tatsächlich eine V e r t r a g s ä n d e r u n g e i n : " . . . careful consideration must be given to the conduct of the Parties and to the attitude adopted by each of them . . . This course of conduct may, i n fact, be taken into account not merely as a means useful for interpreting the Agreement, but also as something more: that is, as a possible source of subsequent modification, arising out of certain actions or certain attitudes, h a v i n g a bearing on the j u r i d i c a l situation of the Parties and on the rights that each of them could properly c l a i m 1 4 4 . "

140 Je nachdem, ob es sich u m einen bilateralen oder einen multilateralen Vertrag handelt. 141 " . . . the [parties to the treaty] have, by their subsequent treaties and their consistent course of conduct i n connection w i t h a l l cases arising thereunder, put such an authoritative interpretation upon the language of the Treaties [in question] as to preclude them from now [making a different contention] . . . " Chamizal Case, 5 A J I L (1911), 805. 142 "[Where] the conduct of the parties [has] been i n disregard of the provisions of the treaty, . . . the rule as stated amounts to a large extent to the application of the principle of estoppel." Oppenheim / Lauterpacht, International L a w I (8. Aufl. 1955), 957, A n m . 1. 143 Lauterpacht verweist auf den Corfu Channel Case, ICJ-Reports 1949, 25; auf das Rechtsgutachten betr. den Status of South-West Africa, ICJReports 1950, 135; sowie auf das Rechtsgutachten i m zweiten Aufnahmefall, ICJ-Reports 1950, 9. Vgl. auch das U r t e i l des I G i m F a l l Arbitral Award Made by the King of Spain on 23 December 1906, ICJ-Reports 1960, 209 ff. Ibid., 213, sagte der Gerichtshof: "Nicaragua, b y express declaration and by conduct, recognized the A w a r d as v a l i d and i t is no longer open to Nicaragua to go back upon the recognition and to challenge the v a l i d i t y of the A w a r d . " 144 Schiedsspruch des Arbitration Tribunal Established Pursuant to the Arbitration Agreement Signed at Paris on January 22, 1963, Between the United States of America and France, v o m 22. Dezember 1963, 3 I L M (1964), auf 713. (Mit Berufung auf die Entscheidung des I G i m Tempel-Fall [Case Concerning the Temple of Préah Vihéar ], ICJ-Reports 1962, auf 33, wo es heißt: " B o t h parties, b y their conduct, recognized the line and therefore i n effect agreed to regard i t as being the frontier line.")

V. Auslegungsmittel

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F. Traditionelle Auslegungsregeln 1.

Allgemeines

I n der i n t e r n a t i o n a l e n Rechtsprechung u n d i n d e r L e h r e finden sich i m m e r wieder vielerlei H i n w e i s e 1 4 5 auf bestimmte Auslegungsregeln 146, die m a n aus diesem G r u n d a u c h als „klassische" A u s l e g u n g s r e g e l n bezeichnen k ö n n t e 1 4 7 . M i t i h n e n v e r b u n d e n findet sich m e i s t aber auch e i n caveat, d a h i n g e h e n d , daß m a n diese R e g e l n flexibel a n w e n d e n 1 4 8 u n d sich h ü t e n müsse, i n i h n e n i m a l l g e m e i n e n m e h r als eine A n l e i t u n g f ü r d i e eigene A u s l e g u n g s t ä t i g k e i t z u s e h e n 1 4 9 : "[T]he question posed b y many jurists is rather as to the non-obligatory character of many of these principles and maxims . . . They are, for the most part, principles of logic and good sense valuable only as guides to assist i n appreciating the meaning which the parties may have intended to attach to the expressions which they have employed i n a d o c u m e n t 1 5 « ) . " I n d e r F o l g e s o l l e n e i n i g e dieser I n t e r p r e t a t i o n s m a x i m e n d a r g e s t e l l t werden. 2. Die ordinary meaning-rule D i e a m h ä u f i g s t e n i n i n t e r n a t i o n a l e n E n t s c h e i d u n g e n bezogene R e g e l 1 5 1 i s t w o h l jene, daß m a n e i n e m W o r t i m T e x t z u m Z w e c k e d e r 145 I n seinem D r i t t e n das Vertragsrecht betreffenden Bericht an die I L C stellte Sir Humphrey Waldock fest: "The great m a j o r i t y of cases submitted to international adjudication involves the interpretation of treaties, and the jurisprudence of international tribunals is rich i n references to principles and maxims of interpretation." 146 Es ist bemerkenswert anzumerken, daß nach einer Auffassung diese Auslegungsregeln n u r zwischen zivilisierten Staaten gelten sollen; die A n wendbarkeit „technischer" Auslegungsregeln auf Verträge m i t Indianerstämmen ist von den VSt 1831 verneint worden. Vgl. Moore, A Digest of International L a w V (1906), 251. 147 Sie könnten daher, w i e Lord McNair sagt, nicht v ö l l i g ignoriert werden. L a w of Treaties (1961), 366. 148 " I t is always to be recalled . . . that the process of interpretation of treaties is, of necessity, one which is not to be confined w i t h i n narrow l i m i t s b y iron-clad rules . . . " Kommentar zum Harvard-Draft, L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 947. 149 " . . . a l l 'rules' . . . are b u t guides to direct the interpreter towards a decision which conforms, not to perceived standards, but to the circumstances 'peculiar to the particular case before him." Ibid . — Vgl. auch Lord McNair: " . . . i n dealing w i t h [these rules] we shall treat them not so much as rules b u t as convenient headings for the purpose of grouping the j u d i c i a l and other authorities. There can be no doubt that i n many of the decisions useful guidance i n the task of interpretation can be found w i t h o u t regarding t h e m as examples of rules." L a w of Treaties (1961), 366. 150 D r i t t e r Bericht Sir Humphrey Waldocks, Y B I L C 1964 I I , 54. Vgl. dazu auch den Kommentar zum Harvard-Draft, L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), auf 947: " M a n y of [these rules] . . . are ' f u l l of common sense'." 151 Vgl. aus der Zeit des S t I G den Case Concerning the Factory at Chorzów (Claim for Indemnity) (Jurisdiction), PCIJ-Publications (1927),

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1. T e i l : Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

Auslegung jene Bedeutung beilegen müsse, die sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt 1 5 2 . Diese Bedeutung w i r d als die „gewöhnliche" oder „natürliche" 1 5 * bezeichnet 154 . Die Regel erfährt jedoch dort eine Ausnahme, wo es sich irgendwie — sei es aus der erklärten Absicht der Parteien 1 5 5 , sei es aus dem Zusammenhang i m engeren 156 oder weiteren 1 3 7 Sinn — ergibt, daß anstelle Ser. A , No. 9, auf 24 : "For . . . interpretation . . a c c o u n t must be taken not only of the historical development of arbitration treaties, as w e l l as of the terminology of such treaties, and of the grammatical and logical meaning of the words used . . . " Vgl. auch das Rechtsgutachten i m F a l l Polish Postal Service in Danzig , PCIJ-Publications (1925), Ser. B, No. 11, auf 39. 152 Vgl. das Rechtsgutachten des I G i m zweiten Aufnahmefall, ICJ-Reports 1950, auf 8: " . . . i t [is] necessary to say that the first d u t y of a t r i b u n a l which is called upon to interpret and apply the provisions of a treaty, is to endeavour to give effect to them i n their natural and ordinary meaning . . . I f the relevant words i n their natural and ordinary meaning make sense . . . , that is an end to the matter." iss v g l . ibid. — Wenn der I G nicht von „ n a t u r a l or ordinary", sondern von „ n a t u r a l and ordinary" spricht, so w i l l dies doch offenbar nicht bedeuten, daß sich „ n a t u r a l " u n d „ o r d i n a r y " als Verschiedenes ergänzen, sondern daß sie als Dasselbe bezeichnend tautologisch nebeneinanderstehen. Wollte man dem anstelle eines „ o r " stehenden „ a n d " aber tatsächlich eine besondere u n d beabsichtigte Bedeutung beimessen, so würde „ o r d i n a r y " allenfalls mehr auf den allgemeinen Sprachgebrauch, „ n a t u r a l " mehr auf die etymologische Wurzel des betreffenden Wortes abstellen. 154 Weitere v o m S t I G verwendete Qualifikationen sind i n diesem Z u sammenhang „ l i t e r a l " , „normal", „logical", „reasonable" u n d „(sufficiently) clear". Vgl. Harvard-Draft, L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 942, m i t Verweisung auf Hudson, The Permanent Court of International Justice (1934), 556. — Nach Cheng, General Principles of L a w (1953), 107, haben einzelne internationale Entscheidungen einen Standard angelegt, den m a n als obj e k t i v - s u b j e k t i v e n bezeichnen könnte: "As to the terms that a party employs, these are presumed to have been used i n the contemporary and general sense i n which the other party w o u l d have understood them at the time the treaty was concluded." 155 Hier taucht wiederum das Problem der Einbeziehung oder Nichteinbeziehung der travaux préparatoires zum Zwecke der Feststellung des Parteiwillens auf. I n seinem Rechtsgutachten i m zweiten Aufnahmefall, ICJReports 1950, auf 8, hielt der I G dies n u r dann f ü r zulässig, ,,[i]f . . . the words i n their natural and ordinary meaning are ambiguous or lead to an unreasonable result"; m i t Berufung auf das Rechtsgutachten des S t I G i m F a l l Polish Postal Service in Danzig, PCIJ-Publications (1925), Ser. B, No. 11, auf 30, wo sich dieser auf „a cardinal principle of interpretation" gestützt hatte, nach welchem „words must be interpreted i n the sense w h i c h they w o u l d normally have i n their context, unless such interpretation w o u l d lead to something unreasonable or absurd". ΐ5β Den engeren Zusammenhang meint offenbar der I G i n seinem Rechtsgutachten i m zweiten Aufnahmefall, ICJ-Reports 1950, auf 8, w e n n er von „the context, i n which they [i.e. the words; Anm. des Verf.] occur" spricht. 157 Diesen weiteren Zusammenhang hat zweifellos der Richter Alvarez i n seiner dissenting opinion zum Rechtsgutachten des I G betr. International Status of South-West Africa, ICJ-Reports 1950, auf 178, i m Auge, wenn er sagt: " A n isolated text may seem clear, b u t i t may cease to be so when i t is considered i n relations to other texts on the same question . . . "

V. Auslegungsmittel der „gewöhnlichen"

eine „ b e s o n d e r e " , also v o n der

47 „gewöhnlichen"

abweichende B e d e u t u n g z u u n t e r l e g e n i s t 1 5 8 . 3. Die Pflicht

zur bona fides

Wenngleich die Verpflichtung zu einem Vorgehen nach T r e u u n d G l a u b e n b e i der V e r t r a g s a u s l e g u n g i n d e r L i t e r a t u r a l l g e m e i n a n e r k a n n t i s t 1 5 9 , finden sich i n d e r i n t e r n a t i o n a l e n S p r u c h p r a x i s k a u m B e z u g n a h m e n a u f diesen G r u n d s a t z 1 6 0 . D i e s i s t w o h l i n d e m U m s t a n d b e g r ü n d e t , daß es sich f ü r i n t e r n a t i o n a l e I n s t a n z e n v o n selbst v e r s t e h t , daß sie i h r e A u f g a b e , e i n e n V e r t r a g auszulegen, bona fide e r f ü l l e n , j a daß dies so s e l b s t v e r s t ä n d l i c h i s t 1 6 0 a , daß diese I n s t a n z e n als i h r e r W ü r d e u n d G l a u b h a f t i g k e i t eher a b t r ä g l i c h ansehen w ü r d e n , sich a u s d r ü c k l i c h a u f i h r e eigene bona fides z u b e r u f e n 1 6 1 . Diese von der „gewöhnlichen" abweichende Bedeutung k a n n sich aus der N a t u r der Sache, die i m Vertrag eine Regelung erfahren soll, ergeben. Vgl. ibid.: " I t may also happen that a text contains expressions of a clearly defined legal scope, b u t that, by reason of the nature of the institution, these expressions appear to have been taken i n a different sense." 159 Vgl. statt vieler Lord McNair , L a w of Treaties (1961), 465: " [ I ] t w o u l d be a breach of this [over-riding obligation of m u t u a l good faith] for a party to make use of an ambiguity i n order to put f o r w a r d an interpretation which i t was k n o w n to the negotiators of the treaty not to be the intention of the parties." !βο i n der Staatenpraxis mag es sich dagegen gerade so verhalten, daß ein Staat umso mehr Zweifel an seiner Ehrlichkeit erregt, je lauter er sich auf seine eigene bona fides beruft. Der Beweis des Gegenteils ist jedoch fast eine probatio diabolica ; aus diesem G r u n d hat auch Ghana auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz die Aufnahme eines Passus vorgeschlagen, nach welchem „good faith is presumed". Der Vorschlag hat aber keine Gegenliebe gefunden u n d wurde verworfen. ieoa I n „Vae Victis or Woe to the Negotiators! Y o u r Treaty or Our I n t e r pretation' of It?", 65 A J I L (1971), 358 ff., einer geistvollen Auseinandersetzung m i t McDougal / Lasswell / Miller , The Interpretation of Agreements and W o r l d Public Order (1971), n i m m t Sir Gerald Fitzmaurice zur i m genannten Werk enthaltenen Forderung nach „examining the self ... for bias" (auf 383; Hvhbg. i m Orig.) w i e folgt Stellung: " B o t h the v a l i d i t y and the practical u t i l i t y of such a recommendation, w h e n addressed to persons acting i n a j u d i c i a l capacity, may be questioned i n the context of this w o r k , and generally; — for (1) the 'decision makers' ' d u t y of i m p a r t i a l i t y is elementary, though fundamental, — i t exists i n alle circumstances and whatever the (Character of the dispute or point involved, — i t is i n no w a y peculiar to treaty l a w or interpretation as such; (2) a judge whose bias is presumable, because of some such things as a concrete (e. g. financial) interest i n the subject matter of the dispute, and so on, is i n any case bound to stand down, and therefore ceases to be, for that case, a 'decisionmaker', so that cadit quaestio ; (3) i f the judge's prejudices are of a subjective character, b u t are not such that he could be successfully challenged i n the given case, the matter must be left to his o w n conscience, — b u t simply as part of his normal j u d i c i a l d u t y which involves other, hardly less important obligations, such as to study the applicable law, i n f o r m himself of the precedents, etc." A u f 358 f., Anm. 2 — Z u r Frage objektiver K r i t e r i e n für die W a h l der Auslegung vgl. Wenger , Die öffentliche U n t e r nehmung (1969), 232 ff.

48

1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969 4. Billigkeit

und

Vertragsauslegung

D i e r e l a t i v e F r e m d h e i t d e r englischen equity als eines n e b e n d e m common law stehenden Rechtssystems 1 6 2 f ü r a l l e aus der k o n t i n e n t a l e n R e c h t s t r a d i t i o n k o m m e n d e n J u r i s t e n einerseits u n d d i e u n w i l l k ü r l i c h e N e i g u n g der i n d e r angelsächsischen Rechtsschule a u s g e b i l d e t e n J u r i s t e n , Ü b e r l e g u n g e n der B i l l i g k e i t als eben Ü b e r l e g u n g e n eines d e m s t r e n g e n Recht gegenüberstehenden Rechtssystems i n d e r A n w e n d u n g dieses Rechts auszuschließen 1 6 3 , andererseits h a b e n d a z u g e f ü h r t , diesem P r o b l e m , e i n m a l e r k a n n t , eine gesteigerte A u f m e r k s a m k e i t ü b e r h a u p t u n d eine B e d e u t u n g auch i n Z u s a m m e n h ä n g e n z u verschaffen, m i t d e n e n es w e n i g z u t u n h a t . So ist n i c h t erfindlich, w i e s o die F r a g e d e r B i l l i g k e i t b e i d e r A u s l e g u n g eine R o l l e spielen soll, w i e dies e t w a Friedmann behauptet, n o c h d a z u als „ e s s e n t i a l a n d a l l - p e r v a d i n g p r i n c i p l e of i n t e r p r e t a t i o n " 1 6 4 . S o w e i t V e r t r a g s a u s l e g u n g N o r m f e s t s t e l l u n g ist, k a n n sie w e d e r b i l l i g noch u n b i l l i g sein, s o n d e r n n u r r i c h t i g oder f a l s c h 1 6 5 . E r s t i n d e r Frage, ob d i e v o r l i e g e n d e n U m s t ä n d e die A n w e n d u n g d e r festgestellten N o r m (im vollen Umfang) fordern bzw. erlauben, können — i m Völkerrecht: w e r d e n 1 6 6 — B i l l i g k e i t s e r w ä g u n g e n e i n f l i e ß e n 1 6 7 . D e m Verfasser ist 161 Dagegen finden sich derartige Hinweise i n der Rechtsprechung nationaler Gerichte. I n Tucker ν. Alexandroff, 183 US 424 (1902), auf 437, wies der Supreme Court darauf hin, Verträge seien „ i n a spirit of uberrima fides " auszulegen. Bei Moore , A Digest of International L a w V (1906), 249. 162 Vgl. dazu Plucknett , A Concise History of the Common L a w (1956), 671 ff. 1β 3 Es hat i m m e r h i n einer langen Begründung i m Cayuga Indians Case bedurft, u m die Beachtlichkeit von Billigkeitserwägungen i m Völkerrecht ipso iure darzutun. (Der wesentliche T e i l des Schiedsspruchs bei Bishop, International L a w [3. Aufl. 1971], 51 ff.) Vgl. auch das U r t e i l des S t I G i m F a l l Diversion of Water from the River Meuse, PCIJ-Publications (1937), Ser. A / B , No. 70, dem Billigkeitserwägungen i n F o r m eines Estoppel zugrundeliegen. !64 The Changing Structure of International L a w (1964), 197 f. 165 Bezeichnend f ü r diesen falschen Zugang ist auch das Schreiben des US-Außenministers Livingston an den österreichischen Generalkonsul Baron Lederer v o m 5. November 1832, zusammengefaßt bei Moore , A Digest of International L a w V (1906), 251, wonach ,,[i]n doubtful cases that construction is to be adopted which w i l l w o r k the least injustice — which w i l l put the contract on the foundation of justice and equity rather than of inequality". 166 Die Regelung des A r t . 62 W V K , betr. die clausula rebus sic stantibus , stellt geradezu institutionalisierte B i l l i g k e i t dar. Vgl. dazu Köck, „The »Changed Circumstances' Clause A f t e r the United Nations Conference on the L a w of Treaties (1968/69)", 4 G J I C L (1974), 93 ff. 167 I n der Tat vertreten jene Autoren, auf die sich Friedmann stützen zu können meint, j a auch nach seinen eigenen Worten n u r Auffassungen, die sich dahingehend zusammenfassen lassen, „ t h a t equity is part and parcel of any modern system of administration of justice". Loc. cit. N u n ist es zwar richtig, daß die Auslegung zu einem jener Schritte gehört, die sich

V. Auslegungsmittel

49

auch kein Ausspruch einer internationalen Rechtsprechungsinstanz bekannt, der sich richtig dahin deuten ließe, i m Stadium der Auslegung selbst spielten solche Erwägungen eine Rolle. 5. Specialia regunt generalia Unter diesem Grundsatz versteht man, daß sich der Auslegende bei der Interpretation eines Textes nicht i n der Auslegung allgemeiner Formulierungen, die u. U. mehrere Auslegungsversionen zulassen, frei fühlen darf, wenn i m Zusammenhang verwendete Termini die Interpretation i n eine bestimmte Richtung weisen 1 6 8 . Er hat vielmehr eine solche Auslegung zu wählen, die den Sinn der speziellen Termini widerspruchslos und lückenlos i n die Auslegung der allgemeinen Formulierung einbindet 1 6 9 . Es scheint jedoch, daß es sich bei dieser Regel nur um eine Anwendung der allgemeinen good faith-rule handelt, weil Treu und Glauben eine möglichst eindeutige Bedeutungsfeststellung fordern 1 7 0 . 6. Vertragsauslegung

und favor contractus

I n der internationalen Rechtsprechung 171 finden sich verschiedentlich Hinweise auf eine Regel, nach der ein Vertrag i m Zweifel so auszulegen ist, daß seinen Bestimmungen eine möglichst umfassende Wirksamkeit zukommt 1 7 2 . Dieser rule of effectiveness liegt entweder der Gedanke noch zur „administration of justice" zählen lassen; u n d es ist auch weiter richtig, daß diese „administration of justice" nach B i l l i g k e i t zu gestalten ist. Daraus folgt aber noch nicht, daß die B i l l i g k e i t i n jedem einzelnen dieser Schritte, also auch bei der Auslegung, eine Rolle spielt. Die Auslegung dient der Feststellung einer Norm, w o es sich u m einen Rechtstext handelt, der angewendet werden soll; diese N o r m aber liegt oder liegt nicht vor, u n d diese Feststellung ist nicht von der billigen Auffassung des Interpreten abhängig. 168 "Special clauses have the preference over general . . M o o r e , A Digest of International L a w V (1906), 253, Wolsey, International L a w , § 113, zitierend. 169 So der S t I G i m Case Concerning the Payment of Various Serbian Loans, PCIJ-Publications (1929), Ser. A , Nos. 20 u n d 21, auf 30: "[S]pecial words, according to elementary principles of interpretation, control the general expressions." 170 Vgl. auch Geofrey v. Riggs, 133 US 258 (1890), auf 270, wonach es f ü r die Auslegung von Verträgen so gut w i e die von Gesetzen eine Regel sei, sie möglichst so auszulegen, daß alle Bestimmungen eine vernünftige Bedeutung erhalten. Bei Moore, A Digest of International L a w V (1906), 249. 171 Ebenso i n der völkerrechtsbezüglichen nationalen Rechtsprechung. Vgl. United States v. Payne, 8 Fed. Rep. 883, wonach jene Auslegung zu wählen sei, die die Vertragsdurchführung am meisten begünstige. Ibid. 172 Vgl. insbesondere die einstweilige Verfügung des S t I G i m Genfer Zonen-Fall (Free Zones Case), PCIJ-Publications (1929), Ser. 4, No. 22, auf 13: " [ I ] n case of doubt, the clauses of a special agreement . . . , i f i t does not involve doing violence to their terms, be construed i n a manner enabling 4 Köck

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1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

z u g r u n d e , daß die gemeinsame A b s i c h t der P a r t e i e n , auch w e n n es diesen n i c h t v o l l s t ä n d i g g e l u n g e n sei, diese A b s i c h t i n d e r v o n i h n e n g e w ü n s c h t e n Weise z u m A u s d r u c k z u b r i n g e n , m ö g l i c h s t „ g e r e t t e t " w e r d e n müsse — das favor contractus- Prinzip173; oder — u n d das k a n n , i n s o w e i t m a n h i e r ebenfalls a u f d e n W i l l e n d e r P a r t e i e n a b s t e l l t , als e i n U n t e r f a l l des favor contractus- Prinzips angesehen w e r d e n — m a n g e h t v o n d e r A u f f a s s u n g aus, d i e P a r t e i e n h ä t t e n m i t i h r e m V e r t r a g d i e d o r t angesprochene M a t e r i e m ö g l i c h s t u m f a s s e n d r e g e l n w o l l e n , d a m i t k ü n f t i g e S t r e i t i g k e i t e n v e r m i e d e n w e r d e n ; d a h e r müsse m a n d e n V e r t r a g so auslegen, daß er auch tatsächlich a l l e i r g e n d w i e e r r e i c h b a r e n F ä l l e erfaßt, w a s auch d e m a l l g e m e i n e n Interesse entspreche: interest res publica ut sit finis litium 174. D e r W e l t g e r i c h t s h o f h a t sich b e i d e r A n w e n d u n g d e r Regel ut res magis valeat quam pereat aber stets v o n d e m G r u n d s a t z l e i t e n lassen, daß es n i c h t a n g ä n g i g w ä r e , t r ä t e d e r G e r i c h t s h o f selbst als Rechtssetzer auf, i n d e m e r L ü c k e n , d i e d i e P a r t e i e n i n d e r i m V e r t r a g gemacht e n R e g e l u n g — sei es aus e i n e m Übersehen, sei es m a n g e l s E i n i g u n g u n t e r i h n e n 1 7 5 — gelassen h ä t t e n , v o n sich aus i m W e g e der „ A u s l e g u n g " z u f ü l l e n suchte, i n d e m er i n W a h r h e i t ü b e r das v o n d e n P a r t e i e n d u r c h d e n V e r t r a g G e r e g e l t e h i n a u s g i n g e 1 7 6 . D i e effectiveness-rule the clauses themselves to have appropriate effects." Vgl. weiters das U r t e i l des I G i m Corfu Channel Case, ICJ-Reports 1949, 2 3 - 2 4 : " I t w o u l d indeed be incompatible w i t h the generally accepted rules of interpretation to admit that a provision of this sort occurring i n a special agreement should be devoid of purport or effect." Nach dem US-Außenminister Hay geht diese Regel schon auf Vattel zurück. (Bei Moore , A Digest of International L a w V [1906], 249.) — Vgl. schließlich die dissenting opinion des Richters De Visscher i n Zusammenhang m i t dem Rechtsgutachten des I G betr. International Status of South-West Africa , ICJ-Reports 1950, 187: " I t is an acknowledged rule of interpretation that treaty clauses must . . . be interpreted so as to avoid as much as possible depriving one of them of practical effect for benefit of others." !73 Vgl. nochmals den Corfu Channel Case, ICJ-Reports 1949, 23, w o der I G i m Anschluß an die Fragen, erstens, ob Albanien f ü r den i n Rede stehenden Zwischenfall verantwortlich, u n d zweitens, ob es verpflichtet sei, Schadenersatz zu leisten, sagte: " I f point (i) is answered i n the affirmative, i t follows f r o m the establishment of responsibility that compensation is due, and i t w o u l d be superfluous to add point (ii) unless the Parties had somet h i n g else i n m i n d than a mere declaration b y the Court that compensation is due." 174 " . . . the Security Council, i n its Resolution of A p r i l 9th, 1947, u n doubtedly intended that the whole dispute should be decided by the Court. If, however, the Court should l i m i t itself to saying that there is a d u t y to pay compensation w i t h o u t w h a t amount of compensation is due, the dispute w o u l d not be f i n a l l y decided. A n important part of i t w o u l d remain unsettled . . . " Ibid . 175 " . . . either inadvertently or because the parties were unable to agree . . . " Lord McNair f L a w of Treaties (1961), 384. 176 E r hat daher eine solche Lückenfüllung abgelehnt; vgl. das Rechtsgutachten des I G betr. Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria ,

V. Auslegungsmittel

51

müsse v i e l m e h r z u e i n e r A u s l e g u n g f ü h r e n , d i e i m V e r t r a g s t e x t selbst noch eine G r u n d l a g e

finde 177,

j a v o n i h m g e f o r d e r t sei, w o l l e m a n n i c h t

e i n e n T e i l des V e r t r a g s w i r k u n g s l o s m a c h e n 1 7 8 . Es s t e l l t sich also h i e r ( w i e b e i d e r anschließend b e h a n d e l t e n F r a g e w e i t e r oder enger A u s legung) ü b e r h a u p t

n i c h t das P r o b l e m

einer

v o m Auslegenden

von

außen a n d e n V e r t r a g h e r a n z u b r i n g e n d e n E n t s c h e i d u n g ; diese e r g i b t sich v i e l m e h r aus d e r i m V e r t r a g g e t r o f f e n e n R e g e l u n g selbst: "The principle ut res magis valeat quam pereat does not mean that the m a x i m u m of effectiveness should be given to an instrument purporting to create an international obligation; i t means that the m a x i m u m of effectiveness should be given to i t consistently w i t h the intention — the common intention — of the p a r t i e s 1 7 9 . " 7. Weite und enge

Auslegung 180

D i e F r a g e nach d e r Z u l ä s s i g k e i t „ w e i t e r " oder d e r G e b o t e n h e i t „ e n g e r " A u s l e g u n g ist i m a l l g e m e i n e n m i t Ü b e r l e g u n g e n v e r b u n d e n , d i e eine d e r vorbesprochenen Regel ut res magis valeat quam pereat e n t gegengesetzte T e n d e n z a u f w e i s e n . Z i e l t diese l e t z t e r e b e h a u p t e t e r m a ß e n d a r a u f ab, d e n B e s t i m m u n g e n des V e r t r a g s eine m ö g l i c h s t umfassende W i r k s a m k e i t z u g e b e n 1 8 1 , so g e h t d e r S t r e i t u m „ w e i t e " o d e r „ e n g e " A u s l e g u n g i m w e s e n t l i c h e n u m d i e Frage, ob m a n i n t e r n a t i o n a l e V e r t r ä g e ü b e r h a u p t „ w e i t " auslegen d ü r f e 1 8 2 oder ob die staatliche S o u Hungary and Romania (2. Phase), ICJ-Reports 1950, 221: "The principle of interpretation, expressed i n the m a x i m , ut res magis valeat quam pereat , often referred to as a rule of effectiveness, cannot j u s t i f y the Court i n a t t r i b u t i n g to the provisions [of the treaties i n question; A n m . d. Verf.] a meaning which, as stated above, w o u l d be contrary to their letter and spirit." 177 " . . . the interpretation adopted by the t r i b u n a l was an application, not an extension, of the natural meaning of the terms." Sir Humphrey Waldock i n seinem D r i t t e n Bericht an die I L C , Y B I L C 1964 I I , auf 60. 178 So hat der S t I G i n seinem Rechtsgutachten betr. Acquisition of Polish Nationality , PCIJ-Publications (1932), No. 7, auf 16 f., darauf hingewiesen, daß eine Außerachtlassung der ut res magis valeat quam pereat-Regel „ w o u l d . . . greatly diminish . . . the value and sphere of application of the Treaty . . . " . 179 Lauterpacht, The Development of International L a w b y the I n t e r national Court (1958), 229. 180 Dazu vgl. ausführlich Hackworth, Digest of International L a w V (1943), 255 ff. 181 F ü r eine zusammenfassende Darstellung der internationalen Spruchpraxis auf diesem Gebiet vgl. Degan, L'interprétation des accords en droit international (1963), 103 ff.; De Visscher, Problèmes d'interprétation j u d i ciaire en droit international public (1963), 84 ff.; auch Rousseau, Principes généraux d u droit international public (1944), 680 ff. Vgl. weiters Hackworth, Digest of International L a w (1943), 224 f. 182 Vgl. das Restatement of the L a w , Second, Foreign Relations L a w of the United States (1965), 452: "Statements are encountered i n treaties, i n t e r national adjudications, and decisions of national courts (including those of

*

1. Teil: Praxis und Lehre vor der W V K 1969

52

v e r ä n i t ä t es erheische, v o n e i n e m S t a a t ü b e r n o m m e n e V e r p f l i c h t u n g e n i m Z w e i f e l n a c h d e m G r u n d s a t z odiosa sunt restringenda 183 möglichst r e s t r i k t i v z u i n t e r p r e t i e r e n 1 8 4 , also e i n e n favor libertatis i n bezug auf d i e staatliche B i n d u n g a n z u n e h m e n 1 8 5 . I n l e t z t e r e m F a l l „ . . . an important l i m i t a t i o n of the exercise of the sovereign rights . . . constitutes a sufficient reason for the restrictive interpretation, i n case of doubt, of the clause which produces such a l i m i t a t i o n . . .ιββ« D i e i n t e r n a t i o n a l e P r a x i s scheint aber auch h i e r n i c h t m e h r

und

n i c h t w e n i g e r z u t u n , als sich a u f die R e g e l u n g i m V e r t r a g selbst zu stützen187 u n d Verpflichtungen, durchaus

mögliche

und

die ein Staat übernommen

freigewählte

Selbstbeschränkungen

hat,

als

seiner

S o u v e r ä n i t ä t z u b e t r a c h t e n 1 8 8 . W e i l sich d e r A u s l e g e n d e d e m n a c h o h n e the United States) that international agreements should be interpreted liberally i n the l i g h t of their objectives." Vgl. dazu Geofrey v. Riggs, 133 US 258 (1890), 271: " I t is a general principle of construction w i t h respect to treaties that they shall be liberally construed, so as to carry out the apparent intention of the parties to secure equality and reciprocity between them . . . where a treaty admits of t w o constructions, one restrictive of rights that may be claimed under i t and the other favorable to them, the latter is to be preferred." M i t Berufung auf Hauenstein v. Lynham, 100 US 483, auf 487. (Bei Moore , A Digest of International L a w V [1906], 251.) iss v g l , das Schreiben des US-Außenministers Livingston an den österreichischen Generalkonsul Baron Lederer v o m 5. November 1832, zusammengefaßt bei Moore, ibid., 251: " . . . i n case of doubt, the inconveniences which w o u l d result f r o m a particular construction may be used as an argument to show that that construction can not be conformable to the intent of the parties." 184 "Other statements support 'strict construction' for certain types of treaties, such as those ceding sovereignty . . . " Restatement of the Law, Second, Foreign Relations L a w of the United States (1965), 452. V o n besonderem Interesse w i r d die Frage dort, wo das fundamentale Rechtsschutzinteresse des Individuums dem Anspruch des Staates nach möglichster Ungebundenheit gegenübersteht: beim K o n f l i k t der menschlichen G r u n d - u n d Freiheitsrechte m i t der Staatsmacht. Dazu vgl. Morrison, „Restrictive I n t e r pretation of Sovereignty-Limiting Treaties. The Practice of the European H u m a n Rights System", 19 I C L Q (1970), 361 ff. Andererseits wurde i n Goetze v. United States, 103 Fed. Rep. 72 (1900), festgestellt, ein Vertrag sei nicht bloß objektives Recht (law), sondern auch ein contract zwischen den Vertragsparteien, u n d müsse dieses seines Charakters wegen so ausgelegt werden, daß er i n allen seinen Teilen w i r k s a m werde. (Bei Moore, A Digest of International L a w V [1906], 249.) 186 v g l . auch die bei Guggenheim, Répertoire suisse de droit international public I (1975), 192 ff., angegebenen Beispiele. So der S t I G i m Wimbledon-Case, PCIJ-Publications (1923), Ser. A , No. 1, auf 24. 187 " . . . parties to a treaty are to be considered as bound only w i t h i n the l i m i t s of w h a t can be clearly and unequivocally found i n the provisions agreed to . . . " Schiedsspruch i n den Fällen Kronprins Gustaf Adolf u n d Pacific, 26 A J I L (1932), 846. Vgl. auch, wie der S t I G i m Wimbledon-Case fortfährt: " . . . the Court feels obliged to stop at a point where the so-called restrictive interpretation w o u l d be contrary to the plain terms of the article and w o u l d destroy w h a t has been clearly granted." PCIJ-Publications (1923), Ser. A, No. 1, auf 25.

V. Auslegungsmittel

53

dies an die von den Parteien getroffene Regelung halten muß, ist die Debatte über „liberal" oder „strict " construction als nutzlos anzusehen und ist auch so bezeichnet worden 1 8 9 . 8. Ein punitiver

Aspekt der Auslegung?

Als letzten Punkt wollen w i r i n diesem Zusammenhang jenen betrachten, wo offenbar ein punitives Element i n die Auslegung einzufließen scheint. Der Kommentar zum Harvard-Draft von 1935 weist darauf h i n 1 9 0 , daß der StIG i m Brasilianischen Anleihen-Fall 191 die Auffassung vertreten hat, daß unklare oder zweideutige Bestimmungen zu Lasten dessen 192 auszulegen seien, der sich ihrer bedient habe 1 9 S . Es kann hier — wo w i r von der Auslegung handeln — dahingestellt bleiben, ob und inwieweit eine solche Regel, die eine Schutzbestimmung zugunsten der übrigen Vertragsparteien darstellt, indem sie den absichtlich oder fahrlässig (also entweder contra bonam fidem oder unter Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt) eine unklare Bestimmung veranlaßt Habenden durch die angedrohte Sanktion zu einem sorgfältigeren Vorgehen unter strikter Beobachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben anhalten w i l l , sinnvoll und gerechtfertigt ist 1 9 4 . Keinesfalls aber handelt es sich dabei um eine Interpretationsregel i m iss "[The] very existence [of treaty provisions] is a manifestation of the sovereign w i l l of the Powers which had deemed i t convenient to stipulate the said provisions and to accept them as governing their m u t u a l relations . . . these provisions, produced by the sovereign w i l l , cannot be considered as incompatible therewith . . K r o n p r i n s Gustaf Adolf u n d Pacific , 26 A J I L (1932), 846. 18» "This distinction is not useful i n the process of interpretation . . . " , Restatement of the L a w , Second, Foreign Relations L a w of the United States (1965), 452. «ο L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 942. Case Concerning the Payment in Gold of the Brazilian Federal Loans Issued in France , PCIJ-Publications (1925), Ser. A , No. 21, auf 114. 192 " . . . there is a familiar rule for the construction of instruments that, where they are found to be ambiguous, they should be taken contra proferentem" Ibid. 193 So vertrat das Gemischte Rumänisch-Deutsche Schiedsgericht 1926 i m F a l l Weitzenhoff er v. Germany , daß die Bestimmung von A r t . 297 l i t . e des Friedensvertrags von Versailles i m Zweifel zum Nachteil der Alliierten, die den Vertrag entworfen hätten, auszulegen sei. A D P I L C 1925 - 26, Case No. 278, auf 367. (Bei Hackworth, Digest of International L a w V [1943], 243.) Vgl. auch das von Guggenheim, Répertoire suisse I (1975), 194 f. gegebene Beispiel. 194 Hingegen ist nach Wharton , International L a w Digest, § 133, I I , 36, i n einem solchen Fall, d. h., ,,[i]f t w o meanings are admissible, that . . . to be preferred which the party proposing the clause knew at the time to be that which was held by the party accepting i t " . (Bei Moore , A Digest of I n t e r national L a w V [1906], 252.) 191

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1. Teil: Praxis u n d Lehre vor der W V K 1969

s t r e n g e n S i n n des W o r t e s , w e i l d i e A u s l e g u n g m i t d e r

Feststellung,

daß d e r T e x t u n k l a r oder z w e i d e u t i g b l e i b t , b e r e i t s abgeschlossen ist, u n d erst nach A b s c h l u ß dieses I n t e r p r e t a t i o n s v o r g a n g e s z u r B e a n t w o r t u n g der F r a g e g e s c h r i t t e n w e r d e n k a n n , w i e a u f d e r G r u n d l a g e e i n e r solchen u n k l a r e n oder m e h r d e u t i g e n B e s t i m m u n g w e i t e r

verfahren,

insbesondere, ob i h r j e n e B e d e u t u n g u n t e r l e g t 1 9 5 w e r d e n soll, d i e f ü r die a m Z u s t a n d e k o m m e n d e r b e t r e f f e n d e n F o r m u l i e r u n g schuldlose(n) Partei(en) i m Z w e i f e l die g ü n s t i g e r e ist. V I . Zusammenfassung W e n n w i r n u n m e h r d i e Ergebnisse des E r s t e n T e i l s z u s a m m e n f a s s e n 1 9 6 , so h a t eine U n t e r s u c h u n g d e r L e h r e u n d der z u g ä n g l i c h e n i n t e r n a t i o n a l e n P r a x i s ergeben, daß z w a r I n t e r p r e t a t i o n s f r a g e n eine n i c h t unbedeutende Rolle i n Zusammenhang m i t völkerrechtlichen V e r t r ä gen spielen, die Ergebnisse der B e s c h ä f t i g u n g m i t diesen F r a g e n aber eher d ü r f t i g b l e i b e n , w o b e i v o r d e r h a n d d a h i n g e s t e l l t sein k a n n , ob dies i n der N a t u r d e r Sache b e g r ü n d e t l i e g t oder a u f eine b e w u ß t e 195 Es handelt sich hier also u m die Unterlegung eines Sinnes, nicht u m seine E r m i t t l u n g durch Auslegung. A n weiteren Auslegungsmaximen, die i n Zusammenhang m i t der Interpretation völkerrechtlicher Verträge hie u n d da besprochen werden, sind zu nennen: (a) cy-pres. "The rule of cy-pres is a rule for the construction of instruments i n equity, b y w h i c h the intention of the parties is carried out as near as may be, w h e n i t w o u l d be impossible or illegal to give i t l i t e r a l effect." Black, L a w Dictionary (4. Aufl. 1968), 464. I m F a l l The Amiable Isabella wurde jedoch festgestellt (wie zusammengefaßt bei Moore, A Digest of International L a w V [1906], 251): "The doctrine of a performance cy près, so just and appropriate i n the c i v i l concerns of private persons, belongs not to the solemn compacts of nations, so far as j u d i c i a l tribunals are called upon to interpret or enforce them." (b) I m Zweifel bestimmt sich der Umfang einer Erlaubnis nach den von einem korrespondierenden Verbot gezogenen Grenzen: " . . . for the most part, prohibitory [clauses have the preference] over permissive." Ibid., 253, Woolsey, International L a w , § 113, zitierend. (c) Expressio unius est exclusio alterius. Diese M a x i m e wurde i m Lusttania-Fall (1923) als „ a rule of both l a w and logic and applicable to the construction of treaties as w e l l as municipal statutes and contracts" bezeichnet. Bei Hackworth, Digest of International L a w V (1943), 232. Vgl. auch den Abu Dhabi Oil-Case, I L R (1951), 144 ff.; bei Fischer, Die internationale Konzession (1974), 385. (d) Nach ibid., 233, McNair, L a w of Treaties (1938), 207, zitierend, besteht i m innerstaatlichen anglo-amerikanischen Recht „a rule of interpretation k n o w n as the eiusdem generis rule, which is sometimes used, w h e n general words follow special words, to restrict the former w i t h i n a narrower genus than they might, i f standing alone, indicate. This rule cannot be described as a canon of construction, and there is no presumption i n favour of its application." — Vgl. jedoch oben, I V , Β , 5. Eine ausführliche Liste v o n Interpretationsmaximen bei Ehrlich, „ L ' i n t e r prétation des traités", 24 RdC (1928), 5 ff.

V I . Zusammenfassung

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Vorsicht der zur Auslegung berufenen internationalen Instanzen zurückzuführen ist, die ihrerseits wiederum ihren Grund i m Bewußtsein von der eigentümlichen Natur der Auslegungsfrage hat 1 9 7 . Insoweit gilt immer noch, was der Kommentar zum Harvard-Draft bereits 1935 mit Rücksicht auf den StIG formuliert hat: " I t should be noted . . . that the Permanent Court has formulated relatively few rules of interpretation, and that i t has usually stated t h e m w i t h such qualifications as to leave itself completely free to apply them or not accordingly as the circumstances and evidence i n a particular case may require 198."

Wenngleich es sich also inhaltlich um ein eher dürftiges Ergebnis handelt, liefern Praxis und Lehre aus der Zeit vor der W V K 1969 doch nicht nur einen reichen Diskussionsstoff zum Problem „Auslegung völkerrechtlicher Verträge", sondern lassen auch einzelne Grundzüge erkennen, die diese Diskussion kennzeichnen. Bevor w i r nun darangehen, die i m Rahmen der W V K 1969 getroffene Regelung, die sich ja zwangsläufig i n vielen Punkten als Resultat dieser Diskussion ergeben mußte, darzustellen, scheint es uns wichtig, grundsätzliche Überlegungen zum Auslegungsproblem anzustellen. Dies nicht nur, weil solche ganz allgemein eine Bereicherung der Interpretationsdiskussion i n der Jurisprudenz darstellen mögen, sondern vor allem, u m zu zeigen, wie sehr die Regelung der W V K traditionellen Gedankengängen verhaftet und wie wenig sie damit geeignet ist, aus der Sackgasse herauszuführen, i n die die völkerrechtliche Interpretationslehre, wie die juristische Auslegungslehre überhaupt, geraten ist.

197 Als ein Zeuge aus dem Kreis der D o k t r i n aus der Zeit vor der I n a n g r i f f nahme der Vorbereitung der Vertragsrechtskodifikation durch die I L C sei hier deren erster diesbezüglicher Rapporteur, Brierly , L a w of Nations (2. Aufl. 1936), 199, zitiert: "There are no technical rules i n international l a w for the interpretation of treaties; its objective can only be to give effect to the intention of the parties as f u l l y and f a i r l y as possible." Bei Hackworth, Digest of International L a w V (1943), 223. 198 L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 943.

Zweiter

Teil

Die Auslegung von Rechtetexten überhaupt I . Das Interpretationsproblem als Scheinproblem N u r w e n i g e F r a g e n k e h r e n i n d e r j u r i s t i s c h e n L i t e r a t u r , die G r u n d legendes b e h a n d e l n w i l l , m i t solcher R e g e l m ä ß i g k e i t w i e d e r w i e jene, d i e sich a u f das P r o b l e m der A u s l e g u n g — oder v i e l m e h r a u f das, w a s i m m e r m a n d a r u n t e r v e r s t e h t — beziehen. Daß die J u r i s t e n f ü r diese F r a g e n Interesse geschöpft haben, i s t d a m i t offensichtlich; w e r d e n sie doch n i c h t n u r i n j u r i s t i s c h e n M e t h o d e n l e h r e n 1 d a r g e s t e l l t o d e r i n E i n f ü h r u n g e n z u d e n verschiedensten Rechtsgebieten besprochen 2 , sondern selbst v o m Gesetzgeber n i c h t selten d u r c h das Erlassen d a r a u f b e z ü g l i c h e r N o r m e n g e r e g e l t 3 . U n t e r diesen U m s t ä n d e n m u ß es b e m e r k e n s 1 Aus der Fülle einschlägiger L i t e r a t u r sei hier lediglich auf die folgenden Werke verwiesen: Betti , Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften (1967); Bierling, Juristische Prinzipienlehre I V (1911), 197ff.; 90 ff.; Coing , Juristische Methodenlehre (1972), 25 ff.; ders., Die juristische Auslegungsmethoden u n d die Lehren der allgemeinen Hermeneutik (1959); Engisch, Einführung i n das juristische Denken (5. Aufl. 1971), u n d passim; Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung (1972), 116 ff.; Gadamer, Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), passim; Germann, Methodische Grundfragen (1946), 11 ff. u n d passim; Heck, Gesetzesauslegung u n d Interessenjurisprudenz (1914); Klug, Juristische L o g i k (3. Aufl. 1966), 139 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft (3. A u f l . 1975), 181 ff., 298 ff. u n d passim; Paton, A Text-Book of Jurisprudence (1961), 213 ff., 216 ff. (der hinsichtlich der Auslegung zwischen „English and continental methods of approach" unterscheidet) (ibid., 220 u n d passim); von Savigny, Juristische Methodenlehre (hrsg. von Wesenberg 1951), 18 ff.; Somló, Juristische G r u n d lehre (1917), 371 ff.; Zippelius, Einführung i n die juristische Methodenlehre (1971), 50 ff. 2 Wo die positive Rechtsordnung Auslegungsbestimmungen enthält, ist dies selbstverständlich u n d notwendig. Vgl. dazu f ü r das Zivilrecht etwa: Enneccerus / Nipperdey, Allgemeiner T e i l des Bürgerlichen Rechts (14. Aufl.), 1. Halbband (1952), 197 ff.; Kozioli Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I (3. Aufl. 1973), 17 ff.; f ü r das Straf recht: Rittler, Lehrbuch des österreichischen Straf rechts I (2. Aufl. 1954), 31 ff.; für das öffentliche Recht: grundlegend dazu Schäffer, Verfassungsinterpretation i n Österreich (1971), m i t reicher Literaturangabe f ü r den deutschsprachigen Raum; Wimmer, Materiales Verfassungsverständnis (1971); ebenso Walter, österreichisches Bundesverfassungsrecht (1972), 80 ff.; f ü r den Rechtsbereich der Bundesrepublik Deutschland bes. Ehmke, „Prinzipien der Verfassungsinterpretation", 20 V V d D S t R L (1963), 53 ff.; u n d Schneider, „ P r i n zipien der Verfassungsinterpretation", ibid., I f f . ; f ü r das kanonische Recht: Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts I (11. Aufl. 1964), 105 ff.

I I . Verstehen u n d Auslegen

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w e r t erscheinen, daß d i e Ergebnisse, die m a n a u f diese verschiedenen W e i s e n (sei es i n wissenschaftlicher A r b e i t , sei es d u r c h N o r m i e r u n g ) e r h a l t e n h a t , durchaus ( m a t e r i e l l — d. h. n a c h A r t u n d I n h a l t d e r Regel: „ w e l c h e ? " — u n d f o r m e l l — d . h . nach der a n z u w e n d e n d e n R e i h e n folge: „ w a n n ? " — ) u n b e s t i m m t u n d d a m i t u n b e f r i e d i g e n d b l e i b e n , w a s i n d e r L i t e r a t u r auch zugegeben w i r d 4 . Diese j u r i s t i s c h e U n e r g i e b i g k e i t ist aber n i c h t v e r w u n d e r l i c h : h a n d e l t es sich doch b e i d e m m i t d e m T e r m i n u s „ A u s l e g u n g " bezeichn e t e n P r o b l e m erstens u m g a r k e i n spezifisch j u r i s t i s c h e s 5 u n d z w e i tens ü b e r h a u p t u m e i n S c h e i n p r o b l e m . I I . Verstehen und Auslegen M i t d e m T e r m i n u s „ A u s l e g u n g " w i r d i n d e r T a t alles M ö g l i c h e b e zeichnet. G e h e n w i r v o n e i n e m v o r g e g e b e n e n T e x t aus. J e n e Person, die sich n u n d e m T e x t z u m Z w e c k e des V e r s t e h e n s n ä h e r t , w e r d e n w i r den „Verstehenwollenden" nennen, i n Abgrenzung z u jenem, der an d e n T e x t schon m i t d e r A b s i c h t h e r a n g e h t , i h n — s o w e i t dies b e i e i n e m T e x t ( w i e ζ. B . e i n e m Rechtstext) m ö g l i c h ist — a n z u w e n d e n 6 , aber auch 3 U n d zwar für die Gesetzesauslegung und/oder die Auslegung von Rechtsgeschäften. So i m A B G B die §§6 u n d 914 f.; i m B G B die §§133 u n d 157; i m Code c i v i l die A r t i k e l 1156 ff.; i m Codice civile die A r t i k e l 12 u n d 1362 ff.; i m Código c i v i l die A r t i k e l 675 u n d 1281. Vgl. dazu Wolff , „Vorbemerkungen zu §§ 6 u n d 8", Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch 1/1 (hrsg. von Klang / Gschnitzer, 2. Aufl. 1964), 85 ff.; Gschnitzer i n ibid., I V / 1 (2. Aufl. 1968), 399 ff.; weiters B G B - R G R K 1/1 (11. Aufl. 1959), 504 ff., 532 ff.; Erman (Hrsg.), Handkommentar zum B G B I (4. Aufl. 1967), 158 ff., 250 ff.; Soergel / Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch. M i t Einführungsgesetz u n d Nebengesetzen I (10. Aufl. 1967), 536 ff. u n d 718 ff.; Heinsheimer / Schwartz / Wolff / Illich / Kaden / Merk / Gutzwiller, Code c i v i l (Die Zivilgesetze der Gegenwart. Sammlung europäischer u n d außereuropäischer Privatrechtsquellen I [1932]), 359 f.; Planiol / Ripert, Traité élémentaire de D r o i t c i v i l I (4. Aufl. 1948), 55, 63 ff., 67 ff.; I I (2. Aufl. 1947), 162 ff.; Barbero, Sistema Istituzionale del D i r i t t o Privato Italiano I (4. Aufl. 1955), 82 ff.; Barassi, Istituzioni d i D i r i t t o Civile (4. Aufl. 1955), 21 ff., 470 ff. u n d passim; Liguori / Distaso / Santosuosso, „Disposizioni sulla legge i n generale", Commentario del Codice civile 1/1 (1966), 42 ff.; Mir abelli, „ D e i contratti i n generale", ibid., IV/2 (2. Aufl. 1967), 229 ff.; auch Distaso, I contratti i n generale I I (1966), 816 ff.; Borell y Soler, Derecho c i v i l vigente en Cataluna I (2. Aufl. 1944), 57 ff.; Castan Tobenas, Derecho c i v i l espanol, comùn y forai (9. Aufl. 1957), 357 ff. (Die A n m . 2 u n d 3 sind rein exemplifikativ u n d erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, welche — eben wegen der i n ihrer Beispielhaftigkeit ausreichenden Aufzählung — f ü r das Argument auch nichts weiteres beitragen würde. Es dürfte übrigens ohnedies unbestritten sein.) 4 Vgl. Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 334 f. 5 Sondern u m ein allgemein-hermeneutisches. So sagt Gadamer, daß das Verstehen von Texten „ursprünglich u n d v o r allem" die Aufgabe der H e r meneutik sei. Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 369. 6 Das „Auslegung" u n d „ A n w e n d u n g " nicht dasselbe meinen, ist w e i t h i n anerkannt; vgl. Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 189 ff.; Zippelius,

2. Teil: Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt

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i n A b g r e n z u n g z u m „ A u s l e g e n d e n " , u m n i c h t sofort H ö r e n oder Lesen eines T e x t e s z u m Z w e c k e des V e r s t e h e n s m i t A u s l e g u n g gleichzusetzen u n d diesen B e g r i f f d a m i t v o n v o r n h e r e i n i n e i n e m b e s t i m m t e n S i n n z u determinieren 7. I I I . D e r W e g zum Verstehen K o n f r o n t i e r t sich d e r V e r s t e h e n w o l l e n d e m i t d e m T e x t , so g i b t es n u n z w e i M ö g l i c h k e i t e n : er findet i h n e n t w e d e r k l a r 8 , oder er findet i h n unklar. A. „Klare" Texte E r s t e r e m k ö n n e n w i e d e r u m z w e i verschiedene S i t u a t i o n e n z u g r u n d e liegen. E n t w e d e r — u n d dies i s t der b e i w e i t e m w a h r s c h e i n l i c h e r e F a l l — d e r T e x t ist o b j e k t i v 9 k l a r u n d d e m V e r s t e h e n w o l l e n d e n auch k o m m e n — , er ist o b j e k t i v u n k l a r , u n d die V e r s t ä n d i g u n g s d i s p o s i t i o n des V e r s t e h e n w o l l e n d e n i s t gerade so m a n g e l h a f t , daß sich d e r o b j e k t i v e u n d d e r s u b j e k t i v e M a n g e l aufheben, sodaß d e m U n v e r s t ä n d i g e n e i n u n v e r s t ä n d l i c h e r T e x t v e r s t ä n d l i c h erscheint. U n t e r diesen U m s t ä n d e n läge o b j e k t i v eine der d r e i M ö g l i c h k e i t e n „ u n k l a r e n " T e x t e s v o r , ohne daß dies d e m V e r s t e h e n w o l l e n d e n a l l e r d i n g s b e w u ß t w ü r d e .

Einführung (1971), 98 ff.; Gadamer hiegegen setzt beides offenbar jedenfalls insoferne gleich, als er schreibt: „Die Aufgabe des Auslegens ist die Konkretisierung des Gesetzes i m jeweiligen Fall, also die Aufgabe der A p plikation." Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 312. (Hvhbg. i m Original.) Bei Gadamer ist Auslegung also zielgerichtet; Auslegung ohne konkreten F a l l nicht i n den Begriff eingeschlossen. D a m i t ist Auslegung aber kein „Schlüssel zum Verstehen"; vielmehr setzt f ü r Gadamer Auslegen i m m e r schon Verstehen voraus, allerdings m i t der Einschränkung, daß Anwendung f ü r i h n ein allem „Verstehen" innewohnendes Moment ist, wodurch die Auslegung dialektisch i n den Verstehensprozeß gekoppelt w i r d . Vgl. ibid., 291. „Interpretation is the elucidation of any t e r m of a treaty w h e n the meaning is obscure or ambiguous . . . When the meaning is clear, the question is one of application, not of interpretation." Pratap , „Interpretation of Treaties", Essays on the L a w of Treaties (hrsg. von Agrawala , 1972), 55 u n d A n m . 1. 7 Vgl. Larenz , Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 181: „Das Verstehen sprachlicher Äußerungen geschieht . . . entweder unreflektiert, durch das u n m i t t e l bare Innewerden des Sinnes der Äußerung, oder i n reflektierter Weise, durch Auslegen." Vgl. auch ibid., 189: „[Wenn] die anzuwendende N o r m schon vorher i n sich so bestimmt [ist], daß i h r genauer I n h a l t außer Frage st[eht], . . . so bed[arf] es keiner Auslegung." Auch Gadamer, für den „Auslegung . . . nicht ein zum Verstehen nachträglich u n d gelegentlich hinzukommender A k t , sondern Verstehen . . . i m m e r Auslegung [ist]", unterscheidet doch insoweit, als er Auslegung „die explizite F o r m des Verstehens" nennt. Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 291. 8 „ . . . es gibt . . . Geschriebenes, das sich sozusagen von selber liest." Ibid., 371. 9 Unter „ o b j e k t i v " verstehen w i r i n diesem Zusammenhang die Position des f ü r das Verstehen von Texten dieser A r t ausreichend Befähigten.

I I I . Der Weg zum Verstehen

59

B. „Unklare" Texte

Wenden w i r uns gleich dieser Gruppe von Möglichkeiten „unklaren" Textes zu. Erscheint ein Text unklar, so kann es sich um eine objektive und subjektive, oder bloß subjektive oder bloß objektive Unklarheit handeln. Es liegt also entweder ein Formulierungsmangel vor: der Text subjektiv klar geworden. Oder aber — und dies ist ein möglicher, aber sehr unwahrscheinlicher Fall, auf den w i r i m übrigen noch zurückist objektiv unklar, was der Verstehenwollende auch erkennt 1 0 ; oder es liegt ein Verstehensmangel vor: der Text ist zwar objektiv klar, bleibt dem Verstehenwollenden aber subjektiv unklar; oder, drittens, der Text ist objektiv und subjektiv unklar: es liegt also sowohl ein Formulierungs- wie ein Verstehensmangel vor. C. Verschiedene „Stationen" auf dem Weg zum Verstehen

W i r wollen die einzelnen genannten Situationen, die auch — wenngleich nicht alle notwendige — „Stationen" auf dem Weg zum Verstehen sind, mit einer Ziffer belegen, um sie i m folgenden kürzer bezeichnen zu können. Die Situation der Entscheidung, ob ein Text klar oder unklar sei, bezeichnen w i r m i t (1); die Feststellung, daß ein Text klar sei. m i t (2); die objektive Unklarheit m i t (3); die subjektive Unklarheit m i t (4); und jene Situation, wo objektive und subjektive Unklarheit zusammenfallen, m i t (5), wobei w i r hier den Formulierungsmangel m i t (5 a), den Verstehensmangel aber mit (5 b) bezeichnen. Bei den meisten Punkten erhebt sich sofort eine Reihe von Fragen. So ζ. B. zu (1), ob die Entscheidung, daß ein Text klar, daß er unklar ist, bereits „Auslegung" darstellt. Dann die Frage, wer zur Feststellung i n der Lage ist, hier liege ein klarer oder unklarer Text vor. Z u Punkt (2) erhebt sich die Frage, was der Grund dafür sei, daß ein Text objektiv und subjektiv klar ist. Zu Punkt (3): Ob auch die Feststellung der Unklarheit — also die Aussage: „Dieser Text gibt keinen Sinn" — „Auslegung" darstellt. Dann: Wer dies feststellen könne. Und: A u f Grund welcher Kriterien eine Abgrenzung dieser Situation von jener unter (4) vorzunehmen sei. Unter Punkt (4) erhebt sich die Frage, was eine subjektive Unklarheit, also ein Verstehensmangel, eigentlich bedeutet. Dann: Wer dies feststelle; und auf Grund welcher Kriterien. Unter Punkt (5) schließlich stellen sich die schon zu den Punkten (3) und (4) aufgeworfenen Fragen, insbesondere: Wer zur Feststellung der objektiven und subjektiven Unklarheit befähigt sei, und ob dies gleichzeitig oder etwa nur nacheinander geschehen könne. 10 Z u m Unterfall stehenden.

des Nichterkennens dieses Umstandes vgl. i m

Vor-

60

2. Teil: Die Auslegung von

echtstexten überhaupt

D. Zur Definition der Auslegung G e h e n w i r a u f die F r a g e n z u P u n k t (1) ein. O b die F e s t s t e l l u n g , daß e i n T e x t k l a r b z w . u n k l a r ist, schon selbst „ A u s l e g u n g " d a r s t e l l t , ist eine De finitions fr age. I m w e i t e r e n S i n n ist jedes v e r s t e h e n d e H ö r e n oder Lesen eines T e x t e s A u s l e g u n g 1 1 . I m engeren S i n n l i e g t A u s l e g u n g jedoch n u r d a n n v o r , w e n n prima facie d e r T e x t o d e r T e i l e desselben u n v e r s t ä n d l i c h sind, so daß m a n sich u m i h r V e r s t e h e n ( i r g e n d w i e ; aber anders als d u r c h bloßes R e p e t i e r e n des Textes) b e m ü h e n m u ß 1 2 . A u s l e g u n g i m engeren S i n n l i e g t also d a n n v o r , w e n n d e r T e x t n i c h t u n m i t t e l b a r „ d u r c h sich selbst" s p r i c h t 1 3 . O b er dies t u t , i s t e i n e F r a g e p o s i t i v e n V e r s t e h e n s ( j a oder n e i n ) 1 4 u n d d a h e r n i c h t , w i e o f t b e h a u p t e t w i r d , selbst eine A u s l e g u n g s f r a g e 1 5 . I n s o w e i t ist auch die Ü b e r p r ü f u n g , ob m a n e i n e n T e x t „ w i r k l i c h " v e r s t a n d e n h a t ( i h n also n i c h t bloß fälschlich f ü r k l a r h ä l t ) , k e i n A u s l e g u n g s v o r g a n g . Das „ P r o b l e m a t i s i e r e n " eines bereits v e r s t a n d e n e n T e x t s ist d a n n — entgegen d e r v o n Larenz g e w ä h l t e n P o s i t i o n 1 6 — k e i n e I n t e r p r e t a t i o n . I n diesem P u n k t i s t H i e r w i r d der Begriff m a n n f r e i ; er m u ß n u r welchen Begriffsinhalt

aber die t e r m i n o l o g i s c h e F r e i h e i t noch g e w a h r t . d e r A u s l e g u n g j a erst d e f i n i e r t . D a b e i i s t j e d e r k l a r m a c h e n , w e l c h e B e d e u t u n g er g e w ä h l t , d. h., er d e m B e g r i f f der A u s l e g u n g gegeben h a t .

11 So sinngemäß Gadamer , Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 366 u n d passim. 12 Eine mittlere Position zwischen Gadamers u n d der von uns vertretenen Meinung n i m m t Larenz ein, w e n n er zwar nicht jedes Verstehen, aber bereits jedes problematisierte Verstehen, also auch eines unmittelbar klaren Textes, als „Auslegung" bezeichnet: „Es wäre also ein I r r t u m anzunehmen, Rechtstexte bedürften n u r dort der Auslegung, wo sie besonders ,dunkel 4 , »unklar 4 oder »widersprüchlich 4 erscheinen; vielmehr sind grundsätzlich alle Rechtstexte der Auslegung sowohl fähig w i e bedürftig." Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 182, m i t Berufung auf Mayer-Maly, Salzburger Studien zur Philosophie I X , 127. 13 Hinsichtlich der Auslegung völkerrechtlicher Texte i n diesem Sinn am klarsten Guggenheim , Traité de Droit international public I (1963), 132 f.: „ E n effet, si l'organe, après examen approfondi d u traité, est en mesure de l'appliquer en le prenant dans son sens ordinaire et sans arriver pour autant à u n résultat absurde, i l devra faire abstraction de toute interprétation . . . I l faut donc présumer que le ,sens clair 4 des traités exprime p r i m a facie l'intention des parties." Dazu vgl. auch Favre , „Interprétation objectiviste des traités internationaux", 17 Schweizerisches Jahrbuch für I n t e r nationales Recht (1960), 75 ff. Vgl. Mattel , D r o i t des gens I I , Chap. X V I I , §263: „Quand u n Acte est conçû en termes clairs & précis, quand le sens en est manifeste & ne conduit à rien d'absurde; on n'a aucune raison de se refuser au sens que cet Acte présente naturellement." 15 Nach Larenz , Methodenlehre (3. A u f l . 1975), 181, wäre dagegen diese Frage zu bejahen; ist i h m „Auslegung" doch schon die „Problematisierung" des u n mittelbar innegewordenen Sinns. 16 Vgl. die vorstehenden A n m . 12 u n d 15.

I I I . Der Weg zum Verstehen Hruschka

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h a t i n seinem V e r s t e h e n v o n R e c h t s t e x t e n (1972) d a r a u f

h i n g e w i e s e n , daß es sich b e i der „ A u s l e g u n g " , w i e sie i m j u r i s t i s c h e n Sprachgebrauch v o r k o m m t , e i g e n t l i c h u m das „ V e r s t e h e n " h a n d e l t . D a m i t sei d e r B e g r i f f aber falsch a n g e w e n d e t , w e i l „ A u s l e g u n g " 1 7 — als e i n „ A u s e i n a n d e r l e g e n i n d e r Sprache" — j e d e n f a l l s k e i n E r k e n n t n i s vorgang sei18. „ A u f der anderen Seite hat sie natürlich durchaus etwas m i t einer E r kenntnisleistung, nämlich m i t dem Verstehen von Texten, zu tun, insofern sie eben eine Darstellung der i m Verstehen des Textes verstandenen Sache ist. Daraus folgt, daß sie als die Außenseite dieses Erkenntnisvorganges, als seine A r t i k u l a t i o n u n d Objektivation aufgefaßt werden muß. Auslegung ist also zwar nicht der Vollzug einer Erkenntnis, w o h l aber ist sie i h r Ergebnis . . . Die häufig anzutreffende Deutung der Auslegung als einer Technik der Sinnermittlung . . . bedarf danach einer einschneidenden Korrektur 19." W i r p f l i c h t e n Hruschka i n s o w e i t bei, als d i e e t y m o l o g i s c h e A u s d e u t u n g des W o r t e s „ A u s l e g u n g " i h m o h n e Z w e i f e l r e c h t g i b t . A n d e r e r s e i t s d a r f aber n i c h t ü b e r s e h e n w e r d e n , daß W ö r t e r i m L a u f e d e r Z e i t e i n e B e d e u t u n g s w a n d l u n g d u r c h m a c h e n u n d sich so v o n d e r i h n e n u r s p r ü n g l i c h e i g e n t ü m l i c h e n B e d e u t u n g lösen k ö n n e n 2 0 . I s t dieser V o r g a n g aber e i n m a l f e s t z u s t e l l e n 2 1 , so h a t es w e n i g S i n n , d i e „ u n r i c h t i g e " V e r w e n d u n g eines T e r m i n u s z u b e k l a g e n ; i r r e f ü h r e n d k a n n es sein, b e w u ß t v o n d i e ser B e d e u t u n g abzuweichen, u n d z w a r auch d a n n , w e n n m a n dies m i t der entsprechenden E r k l ä r u n g u m g i b t , w e i l d e r Gesprächspartner z u m i n d e s t psychologisch d a z u n e i g e n w i r d , i m m e r w i e d e r d i e „ g e w ö h n l i c h e " B e d e u t u n g des W o r t e s i m „ n o r m a l e n " Sprachgebrauch z u u n t e r legen, w o d u r c h es i n d e r D i s k u s s i o n l e i c h t z u M i ß v e r s t ä n d n i s s e n k o m m e n k a n n 2 2 . I n der T a t g i b t j a auch Hruschka zu, daß d i e A u s l e g u n g s 17 Während f ü r Hruschka „Auslegen" als „zu Text bringen" offenbar etwas Positives ist, sagt Gadamer , Wahrheit und Methode (2. Aufl. 1965), 368: „Schriftlichkeit ist Selbstentfremdung." 18 6. 19 Ibid., 6 - 7 , w o m i t sich Hruschka ausdrücklich gegen Ecker, „Das Recht w i r d i n u n d m i t der Auslegung", Juristenzeitung (1969), 477, sowie gegen Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen (1966), 156 ff., wendet. (Ibid., A n m . 8). Ebenso Gadamer: ,,[D]ie Sprache [ist] das universale Medium, i n dem sich das Verstehen selber vollzieht. Die Vollzugsweise des Verstehens ist die Auslegung." Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 366. 20 Dazu jüngst Reiss, „Ich, d u u n d die Kunst, miteinander zu reden", Die Presse v o m 14./15. Februar 1976. 21 So auch Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 181, A n m . 43, der zwar zugesteht, daß „das Verständnis sich i n einer Aussage [aktualisiert], doch . . . nicht ein [sieht], w a r u m nicht der i h r zugrundeliegende Erkenntnisvorgang selbst als »Auslegung 4 sollte bezeichnet werden können". 22 Das Gleiche w i e f ü r den Terminus „Auslegung" gilt auch für den Terminus „Interpretation". Selbstverständlich hat Hruschka recht, w e n n er darauf hinweist, daß diesem seiner ursprünglichen Bedeutung nach ein

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2. Teil: Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt

t h e o r i e n ,,[g]ewiß . . . auch . . . i n e i n e r gewissen W e i s e a u f das V e r stehen v o n R e c h t s t e x t e n [zielen] — d e r i n n e r e n N o t w e n d i g k e i t gehorchend, d i e e i n e j e d e d e r a r t i g e A n a l y s e v o n d e r A u ß e n s e i t e auch i m m e r z u r I n n e n d i m e n s i o n des A u s l e g u n g s p h ä n o m e n s h i n d r ä n g e n w i r d " 2 3 . W e n n er sich d a h e r d a n n b e k l a g t , daß „[das] P h ä n o m e n des Verstehens v o n R e c h t s t e x t e n . . . i m m e r noch e i n e r E r k l ä r u n g [ h a r r t ] " , so l i e g t dies n i c h t a n e i n e m B e d e u t u n g s w a n d e l des T e r m i n u s „ A u s l e g u n g " , w i e Hruschka h i e r z u i n s i n u i e r e n scheint, s o n d e r n l e d i g l i c h d a r a n , daß die Wissenschaft, v o n e i n e m falschen A n s a t z ausgehend, das V e r s t e h e n s p h ä n o m e n — i n i h r e m Sprachgebrauch also: das A u s l e g u n g s p h ä n o m e n — noch n i c h t i n d e n G r i f f b e k o m m e n h a t 2 4 . Dies a l l e r d i n g s — u n d h i e r l i e g t die g r u n d l e g e n d e B e d e u t u n g des Buches v o n Hruschka — d ü r f t e m i t dessen A u s f ü h r u n g e n ü b e r Das V e r s t e h e n v o n R e c h t s t e x t e n (1972) g r u n d s ä t z l i c h geschafft sein. W i r w e r d e n d a h e r i n d e r F o l g e m e h r m a l s a u f seine A u s f ü h r u n g e n z u r ü c k g r e i f e n . deutlicher Hinweis auf eine „Zwischen"- oder „ M i t t l e r " - F u n k t i o n des I n t e r preten zukommt, das W o r t „Interpretation" daher genau die „besondere Vermittlungsfunktion der Auslegung" t r i f f t . Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 8. Aber gleichzeitig ist es n u n einmal so, daß heute „der Unterschied zwischen dem Sinn des Wortes »Auslegung* u n d dem des Wortes ,Interpretation' vernachlässigt worden u n d schließlich i n Vergessenheit geraten ist". Ibid. — Vereinzelt findet sich i n der englischsprachigen L i t e r a t u r eine Differenzierung der Auslegung i n „construction" u n d „interpretation". "'Construction' gives the general sense of a treaty and is applied b y rules of logic; 'interpretation' gives the meaning of particular terms, to be explained b y local circumstances and b y the idioms the framers of the treaty had i n mind." Wharton , International L a w Digest, § 133, I I , 36, u n d die dort angegebenen Referenzen (bei Moore , A Digest of International L a w V [1906], 252 f.). Diese Unterscheidung ist aber nicht allgemein anerkannt. Vielmehr umfaßt „interpretation" jedenfalls auch das, was oben m i t „construction" bezeichnet worden ist. — Bustamante y Sirven, D r o i t international public I I I (1936), 469 f., unterscheidet demgegenüber zwischen qualitativer u n d quantitativer Interpretation; die erste soll die Erhellung eines unklaren Texts, die zweite die Feststellung i m sachlichen Wirkungsbereich bezeichnen. Beides läßt sich tatsächlich aber nicht trennen. 23 Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 9. 24 Dies zeigt die von Larenz gemachte Unterscheidung zwischen solcher Auslegung, wo m i t Hilfe des Textes (!) die Sache verstanden werden soll, von der i m Text die Rede ist, u n d solcher Auslegung, die die Meinung des Urhebers des Textes ans Licht bringen soll. Dabei ist doch diese Meinung nichts anderes als die Sicht der von i h m betrachteten Sache, sodaß es immer u m die Erfassung dieser Ansicht geht. Allerdings w i r d nicht — wie Larenz meint (Methodenlehre [3. Aufl. 1975], 183) — die Sache durch den Text, sondern der T e x t durch die Sache („besser, genauer, umfassender") verstanden. Bei Larenz liegt offenbar die Auffassung zugrunde, der T e x t bringe seinen Sinn zum Verstehen, während es doch der Sinn ist, der einen Text verständlich macht. Die kopernikanische (Rück-)Wendung v o n der „psychologischen" zur „realistischen" Auffassung von der Auslegung hat Larenz, der i n der 3. Auflage seiner Methodenlehre die traditionelle A u f fassung zusammenfaßt, noch nicht durchgängig vollzogen. Z u i h r — u n d w a r u m sie eine Rüdewendung eher als die Wendung zu etwas v ö l l i g Neuem ist — vgl. Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 50.

I I I . Der Weg zum Verstehen

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I m Rahmen dieser unserer Untersuchung w i r d die engere Bedeutung des Begriffes „Auslegung" gewählt, weil der Begriff dergestalt der „Auslegung" des allgemeinen Sprachgebrauchs — als dem Verständlichmachen eines prima facie unverständlichen Textes — entspricht 25 . E. Objektive und subjektive Klarheit

Wenden w i r uns nunmehr Punkt (2) zu. Die dort beschriebene Situation verlangt, daß der Text auch tatsächlich klar formuliert ist und zwischen dem Verfasser des Textes und dem Verstehenwollenden ein ungestörter Überlieferungszusammenhang besteht 26 : der Verstehenwollende w i r d zum Verstehenden, weil er i n der (objektiv und subjektiv ungebrochenen) Tradition steht 2 6 3 . Die Feststellung, daß es sich um einen „klaren" Text handle, t r i f f t hier der Verstehenwollende. Diese Feststellung, daß nämlich der Text „durch sich selbst" spricht, ist — wie w i r gesehen haben — noch keine Auslegung. Nicht nur für die Reflexion über das Ob 2 7 , sondern auch für jene über das Warum dieses Umstandes gilt übrigens, ja noch mehr, daß sie nicht unter die Auslegungsschritte gerechnet werden kann; sonst würde die Auslegung auch Tatbestände methodologischer Überlegungen umfassen, die m i t dem Verständlichmachen eines konkreten Textes nichts zu t u n haben 28 . Verweilen w i r nun noch kurz bei der Frage, ob sich ein Formulierungsmangel, also eine objektive Unklarheit des Textes, und ein Verstehensmangel, also eine subjektive Unklarheit, aufheben bzw. so er25 Insoweit bedient sich j a auch der Gesetzgeber „der allgemeinen Sprache, w e i l u n d soweit er sich an den Bürger wendet u n d wünscht, von i h m v e r standen zu werden". Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 307. (Mit diesem Argument ist übrigens m. E. das U r t e i l über den praktischen Wert aller Versuche, Rechtssätze formalisierend i n eine letztlich der Mathematik entsprungenen Zeichensprache zu fassen, gesprochen.) Auch Hruschka anerkennt die Wichtigkeit des „Sprachgebrauchs", w e n n er sagt, er gehe „einer bestimmten Gruppe v o n Definitionen logisch voran, g[ebe] eine Rechtfertigung f ü r sie ab . . . " . Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 31 f. 26 So sagt Gadamer , „daß die i m Verstehen geschehende Verschmelzung der Horizonte die eigentliche Leistung der Sprache ist". Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 359. Vgl. auch ibid., 317 f. u n d 293 ff. Dazu Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 186. Vgl. dazu auch Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie I I (3. Aufl. 1971), 117 ff. u n d passim. Vgl. schließlich auch Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 46. 2ea Vgl. Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie I I (3. Aufl. 1971), 89 ff. 27 Die Frage nach dem Ob der K l a r h e i t ist immer a posteriori und k a n n den Umstand des Klarseins bzw. Unklarseins allenfalls (im Sinne von Larenz, oben, A n m . 12) „problematisieren" ; ob der Text f ü r den Verstehenwollenden k l a r ist oder nicht, ist ein dieser Frage vorgängiges (positives) Faktum. 28 Es genügt also, daß ein Text k l a r ist, damit nicht mehr von „ A u s legung" gesprochen werden kann.

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2. T e i l : Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt

gänzen können, daß der Text „ k l a r " wird, d. h., zwischen dem Textverfasser und dem Verstehenwollenden ein „Einverständnis" hergestellt ist. Beispiele hierfür lassen sich zumindest konstruieren. So etwa, wenn der Textverfasser i m Text ein Wort deshalb gebraucht, weil er i h m zu Unrecht eine Bedeutung zulegt, die nach allgemeinem Sprachgebrauch nur als unrichtig bezeichnet werden könnte, der Verstehenwollende den Text aber deswegen versteht, weil auch er diesem Wort eine unrichtige Bedeutung, und zwar dieselbe wie der Textverfasser, beilegt. Dies zeigt aber, daß die Aufhebung zweier „Fehler" sich i n Wahrheit auf einen intersubjektiv ungestörten Überlieferungszusammenhang gründet, Textverfasser und Verstehenwollender eine von der Allgemeinheit abweichende, aber untereinander gleiche Sprache verwenden. Damit herrscht aber i n der Beziehung zwischen den beiden gar kein „doppeltes" MißVerständnis; der Textverfasser drückt vielmehr (hinsichtlich des Verstehenwollenden) das, was er zum Ausdruck bringen w i l l , richtig (wenn auch nur intersubjektiv richtig) aus, der Verstehenwollende versteht es (wenngleich ebenfalls nur intersubjektiv) daher richtig. Insoweit handelt es sich hier um einen Unterfall des objektiv und subjektiv klaren Textes, bei dem die objektive Klarheit jedoch nur eine relative — intersubjektive — ist 2 9 . F. Objektive und subjektive Unklarheit

Damit kommen w i r schon zu Punkt (3). Der Text spricht nicht „durch sich selbst". Diese Feststellung ist für den, der m i t dem Textverfasser i m ungestörten Überlieferungszusammenhang steht, keine Auslegung 30 . Ein anderer käme aber gar nicht i n die Situation von (3), sondern lediglich i n jene von (5). Hinsichtlich der Abgrenzung zu (4) (zur subjektiven Unklarheit) ist das K r i t e r i u m ein subjektives: der Verstehenwollende ist sich des ungestörten Überlieferungszusammenhanges zum Textverfasser bewußt 3 1 . Liegt dieses Bewußtsein — das als Selbstbewußtsein jener Redlichkeit entspringen muß, die der Umstand fordert, daß es zum Maß der Äußerung eines anderen w i r d — vor, so kann (und muß) sich der Verstehenwollende mit der relativen Gewißheit der Erkenntnis 3 2 zufrieden geben, daß für ihn keine Leseart denkbar 29 Grundsätzlich dürften sich alle konstruierbaren einschlägigen Beispiele auf dieses einfache Schema zurückführen lassen, w e i l alles intersubjektive Verstehen ein „Einverständnis" voraussetzt. 3° U n d zwar aus dem i n A n m . 27 gegebenem Grund. 31 I m Bereich der Wissenschaft muß der Verstehenwollende sich also auf der Höhe dieser seiner Wissenschaft befinden. 32 Diese relative Gewißheit der Erkenntnis w i r d zu einer ausreichenden, sobald auch für den Bereich der Verstehensvoraussetzungen eine zureichende Ordnung vorausgesetzt w i r d . Dies k a n n aber nur entweder hypothetisch geschehen oder metaphysisch begründet werden.

I I I . Der Weg zum Verstehen

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ist, die d e n T e x t s t a t t o b j e k t i v b l o ß s u b j e k t i v u n k l a r erscheinen lassen w ü r d e , es f ü r d e n V e r s t e h e n w o l l e n d e n also k e i n e d e n k b a r e b l o ß subjektive Unklarheit gibt34. A u c h i n d e r S i t u a t i o n v o n P u n k t (4) s p r i c h t d e r T e x t , so w i e u n t e r (3), n i c h t „ d u r c h sich selbst", a l l e r d i n g s n i c h t o b j e k t i v , s o n d e r n b l o ß s u b j e k t i v , d. h..? n u r f ü r d e n V e r s t e h e n w o l l e n d e n . D e r G r u n d h i e r f ü r l i e g t i m g e s t ö r t e n Ü b e r l i e f e r u n g s z u s a m m e n h a n g zwischen d e m T e x t verfasser u n d d e m V e r s t e h e n w o l l e n d e n . D i e F e s t s t e l l u n g t r i f f t dieser selbst, u n d z w a r i n A b g r e n z u n g z u (3) nach d e m auch vice versa angew e n d e t e n K r i t e r i u m : d e r V e r s t e h e n w o l l e n d e i s t sich b e w u ß t , daß d e r Uberlieferungszusammenhang z u m Textverfasser nicht ungebrochen i s t 3 5 . E r k a n n eine d e n k b a r e b l o ß s u b j e k t i v e U n k l a r h e i t n i c h t v o n v o r n h e r e i n ausschließen, w e i l er sich b e w u ß t ist, v o n d e r Sache, v o n d e r d e r T e x t h a n d e l t , nichts oder n i c h t g e n u g z u verstehen. D i e F e s t s t e l l u n g „ D e r T e x t ist m i r u n k l a r " ist selbst k e i n e A u s l e g u n g 3 6 . D a m i t k o m m e n w i r z u P u n k t (5). H i e r l i e g t s o w o h l e i n F o r m u l i e r u n g s m a n g e l , d e n w i r m i t (5 a) bezeichnet haben, als auch e i n V e r s t e h e n s m a n g e l (5 b) v o r . D i e U n k l a r h e i t ist s o m i t eine o b j e k t i v e und s u b j e k t i v e . Z u r F e s t s t e l l u n g ist auch h i e r d e r V e r s t e h e n w o l l e n d e gerufen. S i e k a n n jedoch n u r i n e i n e m z w e i s t u f i g e n Prozeß erfolgen. E i n e Aussage z u (5 a) k a n n n ä m l i c h erst d a n n gemacht w e r d e n , w e n n der (5 b) b e g r ü n 33 Was bedeuten würde, daß der Verstehenwollende einen Riß i m Ü b e r lieferungszusammenhang zum Textverfasser doch nicht v ö l l i g ausschließen kann. Freilich wechselt dann die Situation von (3) zu (4). 34 Während der Blick auf die Sache (den Sachzusammenhang, das Phänomen; i n der Folge i m m e r n u r kurz m i t „Sache" bezeichnet), von der der Text handelt, ein Verstehen desselben ermöglicht u n d positiv als V e r stehen qualifizieren läßt, die Sache selbst also objektive u n d subjektive Ubereinstimmung demonstriert, bleibt unmittelbar die Frage nach der subj e k t i v e n Lokalisierung des Verstehensmangels offen, sobald der genannte Blick bzw. Einsicht fehlt. Die Qualifikation eines Textes als unverständlich (und damit des Textverfassers als bzgl. der i m Text behandelten Sache v e r ständnislos) ist daher n u r dann gerechtfertigt, w e n n der Verstehenwollende annehmen muß, daß er i n Sachen dieser A r t grundsätzlich ausreichende Einsicht besitzt. Dies setzt aber wiederum voraus, daß der Text sich w e nigstens irgendwie einem Sachgebiet zuordnen läßt, sonst könnte bzgl. seiner überhaupt keine Aussage gemacht werden: „ . . . daß die Auslegungen [ = D a r legungen; A n m . d. Verf.] trotz aller Fehlleistungen die angezielten Phänomene d o d i auch schon immer irgendwie erreichen — ein Satz, der sogar als Voraussetzung f ü r die Erkennbarkeit von Deutungen als Fehldeutungen bezeichnet worden ist." Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 82. 35 I m Bereich der Wissenschaft: der Verstehenwollende ist insoweit nicht auf ihrer Höhe, w e i l er sich jedenfalls m i t der v o m Text behandelten Sache nicht ausreichend befaßt hat. Richtig spricht daher Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie I I (3. Aufl. 1971), 122, von „Verstehen" als „Sicheinarbeiten": „ W i r haben wiederholt festgestellt, daß das hermeneutische Verfahren ein Sich-Einarbeiten, ein Sich-Hineinfinden i n oft ausgedehnteste u n d komplizierteste Sinnzusammenhänge erfordert." 36 U n d zwar aus demselben G r u n d wie oben, A n m . 27.

5 Köck

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2. T e i l : Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt

dende Mangel, ein gestörter Uberlieferungszusammenhang zwischen Textverfasser und Verstehen wollendem, behoben ist. (5) stellt sich daher zuerst als eine von (4) nicht unterschiedene Situation dar. Erst wenn der Verstehenwollende den Uberlieferungszusammenhang m i t dem Textverfasser i n ausreichender Weise hergestellt hat 3 7 , kann er i n einer Punkt (3) analogen Situation die objektive Unklarheit des Textes, also einen Formulierungsmangel, feststellen. IV. Die Auslegung A. Verschiedene Funktionen der Auslegung

Wann setzt nun „Auslegung" ein? Versteht man — wie w i r dies t u n 3 8 — unter „Auslegung" die Erschließung des (objektiv oder subjektiv) unklaren Textes, der nicht „durch sich selbst" spricht, so liegt Auslegung i n der auf die Feststellung der Situationen von (3), (4) und (5 a) wie (5 b) hin einsetzenden Tätigkeit des Verstehenwollenden vor. Hier besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. I n der auf (4) und (5 b) folgenden Tätigkeit verbessert der Auslegende seine Verstehensfähigkeit, indem er sich den Text klarmacht; i n der Folge von (3) und (5 a) hingegen verbessert der Auslegende den Text, indem er diesen klarmacht 3 9 . Beides w i r d landläufig als Auslegung bezeichnet, ist aber etwas durchaus Verschiedenes. Nur i n den Punkten (3) und (5 a) setzt „Auslegung" i n des Wortes ursprünglicher Bedeutung ein, weil der Verstehenwollende, den Textverfasser insoweit korrigierend, die von diesem fehlerhaft gemachte Auseinanderlegung der Sache i m Text erneut vornimmt, sie seinerseits „auseinanderlegt". U m i n der herkömmlichen Terminologie zu bleiben: Nur i n (3) und (5 a) w i r d der Text ausgelegt 40 , während i n den Situationen von (4) und (5 b) der Ver37 I n d e m er sich i n die betreffende Sache einarbeitet; vgl. die vorstehende A n m . 35. 38 Vgl. oben, I I I , D. 39 E i n simples Beispiel: I m Gesetz w i r d ein Wagen zuerst als nichtmotorgetriebenes Fahrzeug definiert u n d einem Motorfahrzeug (als einem motorgetriebenen) Fahrzeug gegenübergestellt. Weiter unten heißt es dann i m Gesetz: „ W e r aus seinem Wagen aussteigt, hat vorher den Motor abzustellen." Hier ist, i n fehlerhafter Weise dem geläufigen Gebrauch folgend, der Ausdruck „Wagen" f ü r „Motorfahrzeug" verwendet. Der Fehler ist leicht zu erkennen u n d zu korrigieren. 40 W i r bedienen uns hier der traditionellen Terminologie, obgleich w i r m i t Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 27 ff., die Auffassung teilen, daß der Sinn eines Textes nicht in demselben liegt u n d daher aus diesem durch noch so viele „Auslegung" nicht entnommen werden kann; „der Sinn als A t t r i b u t eines Textes ist unausdenkbar. Auch die Auslegungen [ = Darlegungen; A n m . d. Verf.] v o n Rechtsansichten i n positivem Recht zeigen i m m e r über sich hinaus auf außersprachliche Sach- oder Lebenszusammenhänge . . . " Ibid., 41.

I V . Die Auslegung

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stehenwollende lediglich seine eigene Fähigkeit zu verstehen verbessert, indem er den gestörten Überlieferungszusammenhang zwischen sich und dem Textverfasser (wieder) herstellt. B. Das Ziel der Auslegung

Ist Auslegung ein „Zum-Sprechen-Bringen" eines Textes, der nicht „durch sich selbst" spricht, so lautet die Fragestellung offenbar: Was soll m i t dem Text ausgesagt werden? Der Text muß so verstanden werden, als wenn er das tatsächlich aussagte, was er aussagen sollte. M i t anderen Worten: er ist nicht so zu lesen, wie er ist, sondern so, wie er lauten würde, wenn er klar wäre. Dies bedeutet aber notwendigerweise, daß der Text heute so zu verstehen ist, wie er zu lesen wäre, wenn er zur Zeit seiner Abfassung klar abgefaßt worden wäre 4 1 . Die Frage, wie ein Rechtstext heute anzuwenden sei — die Fragestellung m i t der Spitze gegen die Erforschung des „Willens des historischen Gesetzgebers" 42 —, ist bei auslegungsbedürftigen Texten nicht anders zu beantworten als bei nichtauslegungsbedürftigen; dies bestimmt sich nicht aus dem Text (allein), sondern aus der Gesamtrechtsordnung, die insoweit den größeren Zusammenhang jedes Hechtstextes darstellt. I n diesem Sinn könnte auch hier von „Auslegung" gesprochen werden; da diese Tätigkeit aber auch bei i n sich klaren Texten vorgenommen werden muß, würde eine solche Terminologie die Bedeutung von „Auslegung" ungebräuchlich ausdehnen. Diese Tätigkeit ist daher besser „Prüfen auf Relevanz" zu nennen 4 *. Auslegung korrigiert den fehlerhaften Text und verbessert so einen Fehler des historischen Gesetzgebers; Prüfen auf Relevanz korrigiert den Text nicht, sondern prüft nur, ob i h m etwa mittlerweile ganz oder teilweise derogiert worden ist, so daß er nicht mehr oder nicht mehr so angewendet werden darf 4 4 . 41 Die Frage, w i e der T e x t lauten sollte, wäre er v o m Textverfasser k l a r abgefaßt worden, ist daher insoweit n u r durch Erforschung des Willens des historischen Gesetzgebers zu beantworten. Das schließt die Anlegung objektiv-teleologischer K r i t e r i e n an den Text nicht aus, sondern erfordert sie sogar. Wie anders könnte ein T e x t überhaupt verstanden werden, als w e n n man annimmt, daß der Gesetzgeber eine „sachgemäße" Regelung angestrebt hat? Hiezu Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 315 ff., bes. 322, gegen den w i r allerdings die Gerichtetheit aller (nicht n u r der meisten) Gesetze auf Sachgemäßheit vertreten. 42 Z u r Problematik von O b j e k t i v i t ä t und Subjektivität des Rechtsdenkens vgl. i m übrigen Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), der den traditionellen Gegensatz f ü r ein Scheinproblem erklärt, w e i l beide Ansätze das Entscheidende, nämlich den Ausgangspunkt ihres methodischen Wegs, ausklammern: „ M i t ihrer quasi-juristischen Problemstellung haben sie sich von vornherein die Möglichkeit verbaut, auch die Frage nach der A u s gangsbasis einer rational begründeten A n t w o r t zuzuführen. Die Frage . . . ist eben keine Rechtsfrage; sie hat notwendig einen anderen Charakter. Sie ist eine phänomenologische Frage." Ibid., 92. 43 „Wie w e i t ist dieser Text heute noch relevant?"

5*

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2. T e i l : Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt C. Die Auslegung als allgemein-hermeneutisches Problem

A u s d e m b i s h e r Gesagten e r h e l l t , daß der a n d i e P u n k t e (3) - (5) a n schließende A u s l e g u n g s v o r g a n g k e i n spezifisch juristisches, s o n d e r n e i n a l l g e m e i n - h e r m e n e u t i s c h e s 4 4 a P r o b l e m d a r s t e l l t . Es i s t d a h e r auch h i e r — u n d z w a r v o r a l l e m i n Z u s a m m e n h a n g m i t S i t u a t i o n e n u n t e r (4) u n d (5 b ) 4 5 — , daß i n j u r i s t i s c h e n M e t h o d e n l e h r e n h e r m e n e u t i s c h e G r u n d f r a g e n , w i e e t w a die des sog. h e r m e n e u t i s c h e n Z i r k e l s 4 6 , abgeh a n d e l t w e r d e n . V o n e i n e r „ j u r i s t i s c h e n " H e r m e n e u t i k z u sprechen, ist a b e r n u r i n s o w e i t s i n n v o l l , als h e r m e n e u t i s c h e Ü b e r l e g u n g e n eben m i t Bezug auf einen juristischen T e x t angestellt w e r d e n 4 7 . D a m i t s i n d w i r aber n o c h n i c h t z u m K e r n der A u s l e g u n g s p r o b l e m a t i k vorgestoßen. H a b e n w i r doch z u E i n g a n g dieser U n t e r s u c h u n g „ A u s l e g u n g " n i c h t b l o ß als k e i n spezifisch juristisches P r o b l e m , sond e r n überhaupt als e i n — u n d h i e r a k z e n t u i e r e n w i r n u n : auch als e i n juristisches — Scheinproblem bezeichnet. T a t s ä c h l i c h i s t n u n die 44 Nach Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 327, liegt i n diesem F a l l ein nachträglich entstandener Wertungswiderspruch innerhalb der Rechtsordnung zugrunde, der dadurch entstanden ist, „daß neuere Gesetze die gleiche Rechtsfrage f ü r einen anderen räumlichen und sachlichen Bereich anders beantworten als ein früheres Gesetz". M i t eigentümlich mangelnder Präzision fährt er dann fort: „ M i t u n t e r [sie!] w i r d dann die Auslegung des älteren Gesetzes an die neuere Gesetzgebung angepaßt." 44a Nach Gadamer ist „Hermeneutik die Kunst des . . . Verkündens, Dolmetschens, Erklärens u n d Auslegens". „Hermeneutik", Historisches Wörterbuch der Philosophie I I I (hrsg. von Ritter, 1974), Sp. 1061. 45 Vgl. zu diesen nochmals Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie I I (3. Aufl. 1971), 123: „Entscheidend ist allein, daß w i r uns m i t jedem Gegenstand so lange beschäftigen können und müssen, bis w i r i h n verstehen — eines Tages w i r d es bei jedem Gegenstand so w e i t sein." (Hvhbg. i m Orig.) 46 Allgem. sieht Seiffert, ibid., 116, i m sog. hermeneutischen Z i r k e l den „ständigen Wechsel von ,Entwurf' u n d ,Kenntnisnahme' bis zur weitest möglichen, dem gegebenen Forschungsstand entsprechenden Information über [das] Problem". Der Larenzschen „Wechselschritt"-Theorie des Zirkels (Methodenlehre, 3. Aufl. 1975, 184) u n d Gadamers „Bewegung des Verstehens v o m Ganzen zum T e i l u n d zurück zum Ganzen" m i t der Aufgabe, „ i n konzentrischen Kreisen die Einheit des verstandenen Sinns zu erweitern" (Wahrheit u n d Methode, 2. Aufl. 1965, 275), stehen w i r dagegen skeptisch gegenüber, w e i l sich hier — falls die Metapher adäquat gewählt ist — der T e x t offenbar a m eigenen Zopf aus dem Sumpfe ziehen soll. — W i r kommen auf den „hermeneutischen Z i r k e l " unten, D r i t t e r Teil, I I I , A, 3, Anm. 4, nochmals zurück. 47 I n diesem Sinn sagt Larenz über Aufgabe u n d Standort der Methodenlehre der Jurisprudenz überhaupt, daß sie einerseits ein T e i l der Jurisprudenz ist, andererseits eine von i h r unabhängige Grundlage hat. Ibid., 225. „Ob bestimmte Methoden dazu geeignet sind, das Erkenntnisziel der J u risprudenz u n d ihre davon untrennbaren praktischen Aufgaben zu fördern oder nicht, ob es spezifische Methoden wertorientierten Denkens gibt u n d wenn ja, w i e sie sinnvoll einzusetzen sind, das sind Fragen, die dem weiten Bereich der Hermeneutik angehören." Ibid., 227.

I V . Die Auslegung

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Frage, ob es besondere Regeln der „juristischen" Hermeneutik gibt, ebenso verfehlt wie die Frage, welches überhaupt die Regeln der allgemeinen Hermeneutik seien. Sowenig wie das Ob und das Wie der Erkenntnis von der Erkenntnistheorie (und damit von ihren Theorien über das Ob und das Wie der Erkenntnis, und allfällig davon abgeleiteten Regeln für die Erkenntnis) abhängen, weil Erkenntnis der Erkenntnistheorie ν or gängig ist, sowenig ist Verstehen, als eine Unterform der Erkenntnis, von Theorien über und Regeln für das Verstehen abhängig, eben weil es solchen Theorien und Regeln vorgängig ist 4 8 . Erkennen (und Verstehen) ist jene Achse, 48 Richtig sagt insoweit Kraft, Die Grundformen der wissenschaftlichen Methoden (2.Aufl. 1973), 11: „Die wissenschaftlichen Methoden . . . dienen nicht zur Entdeckung, sondern zur Begründung der Erkenntnis." Zit. nach Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 225, Anm. 129. Während noch bei Locke dies nicht strittig w a r — gewinnt er doch seine Ideen durch „experience", die sich aus „sensation" u n d „reflection" zusammensetzt, wobei aber beide „observations" sind (An Essay Concerning H u m a n Understanding I I , 19, 4; auch 23, 30, u n d I V , 2, 2.3; vgl. Bormann / Kuhlen / Oeing-Hanhoff, „Denken", Historisches Wörterbuch der Philosophie I I [hrsg. von Ritter, 1972], Sp. 84 f.), so daß die wesentlich empfangende F u n k t i o n des Erkennens u n d Verstehens deutlich bleibt —, u n d auch bei Hume nichts anderes als das (vom Objekt bestimmte) (geistig oder sinnlich) Erfahrene gedacht werden k a n n (ibid., Sp. 85, m i t Verweisung auf Humes A n Enquiry Concerning H u m a n Understanding [hrsg. von Selby-Bigge, Neudruck 1963], V I I / I , 49), k o m m t Kant zur Aussage, „daß die Vernunft n u r das einsieht, was sie selbst nach ihrem E n t w u r f hervorbringt" (ibid., Sp. 86, nach der Vorrede zur 2. Auflage der K r i t i k der Reinen Vernunft, Β X I I I ) . Wenn Denken aber nicht Reproduktion, sondern Produktion von W i r k l i c h k e i t ist, indem es die Anschauungen ordnet (ibid.), dann liegt die Versuchung nahe, dem aktiven Verstand „auf die Finger zu sehen", ob er sich auch an seine Kategorien hält u n d nicht v o m gehörigen Weg abweicht, wenngleich nach Kant selbst die „ M a x i m e n der V e r n u n f t " — i n der Sprache moderner Wissenschaftstheorie gesagt — „als Hypothesen niemals verifiziert, aber auch niemals falsifiziert werden können" (ibid, Sp. 87). Auch bei Hegel ist Denken letztlich „die Sache i n sich walten zu lassen" (ibid., Sp. 91 f., nach Hegels Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaft [1830], §23); seine D i a l e k t i k erlaubt es i h m aber, diese O b j e k t i v i t ä t auch als Subj e k t i v i t ä t zu verstehen. Dieser Subjektivismus w i r d dann bei Marx u n d Engels noch objektiv unterbaut, indem alles Denken als T e i l des Überbaus auf die ökonomische Basis bezogen w i r d . „Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein . . . Diese Betrachtungsweise . . . geht von den w i r k l i c h e n Voraussetzungen aus . . . " Marx / Engels, „Die deutsche Ideologie", Marx / Engels, Werke I I I (1969), 27. Z w a r wenden sich Schopenhauer u n d E. von Hartmann gegen Kant, w e i l der P r i m a t der Anschauung u n d der I n t u i t i o n zukomme (bei Bormann et al., loc. cit., Sp. 95). I m Neukantianismus aber w i r d die Kantsche Position radikalisiert, und i m Postulat des Denkens i n seiner „Reinheit" (vgl. Cohen, Logik der reinen Erkenntnis [2. Aufl. 1914], 12 [nach ibid., Sp. 96]) das „unreine" Denken mitgesetzt, aus dem bis heute die Sorge u m „Methodenreinheit" resultiert. Daran hat nichts geändert, daß für Husserl, Logische Untersuchungen I I / 2 (4. Aufl. 1968), 193, Denken „Anschauung", für Heidegger, Sein u n d Zeit (7. Aufl. I960), 25, „Vernehmen von etwas Vorhandenem i n seiner puren Vorhandenheit" ist (beide Zitate nach loc. cit., Sp. 100 f.), u n d daß nach Wittgenstein überhaupt „nicht unlogisch gedacht werden kann" (ibid., Sp. 98, nach dem Tractatus logico-philosophicus [1921], 5.4731). Hier h i l f t n u n aller-

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2. Teil: Die Auslegung von

echtstexten überhaupt

u m die sich alle menschliche Erkenntnis (und alles menschliche Verstehen) dreht; gleichsam der (positive) Punkt des Archimedes, der nicht seinerseits wiederum durch nachträgliche Einsichten aus den Angeln gehoben werden k a n n 4 8 a . Dies bedeutet aber, daß insoweit gar keine Regeln für das Verstehen aufgestellt werden können 4 9 , was ja grundsätzlich auch bereits erkannt worden ist 5 0 . Es kann lediglich eine Regel an den Willen aufgestellt werden, besagend, daß das Verstandene anzunehmen sei 51 . Nur dings keine „Rückbesinnung" auf eine ontologische Begründung von Denken, Erkennen u n d Verstehen zur Begründung sachorientierter Auslegung. Denken, Erkennen, Verstehen sind vielmehr ein positives Faktum, das seiner Positivität halber gar keiner Begründung bedarf, w e i l ein anderes nicht denkmöglich ist. ( U m nochmals Wittgenstein zu zitieren: „Was w i r nicht denken können, können w i r nicht denken . . . " Tractatus logico-politicus [1921], 5.61 [zit. nach loc. cit.]). Diese einzige echte — nicht hypothetische — Positivität ist dann allerdings einer ontologischen Erläuterung (im Gegensatz zu: Begründung) zugänglich. Aus i h r folgt i m Sinne der klassischen Philosophie die Forderung nach Sachbezogenheit (auch) der Auslegung, w e i l ,,[d]ie Seinswirklichkeit der Dinge" i m Verstehenwollenden so gut w i e i m Verfasser „das verursachende Prinzip ihres reflektierten Seins i n unserem nachbildlich-urteilenden V e r stände" ist. Lakebrink, Klassische Metaphysik (1967), 17. Dies entspräche — u m ein B i l d zu gebrauchen — jemandem, der, m i t H i l f e einer Leiter emporgestiegen, diese — daran zweifelnd, daß man auf i h r überhaupt emporsteigen k a n n — einfach umstößt. I m besten F a l l w i r d er sich dadurch die Möglichkeit zu weiterem Emporsteigen nehmen, i m schlimmeren aber schwer zu F a l l kommen. — I n diesem Sinne hat übrigens schon Spinoza jede E r k e n n t n i s k r i t i k m i t dem Bemerken abgelehnt, eine solche käme gewissermaßen zu spät. „Tractatus de intellectus emendatione", Opera I I , hrsg. von Gebhardt (1925), 17. (Bei Krings / Baumgartner, „Erkennen, E r kenntnis", Historisches Wörterbuch der Philosophie I I [hrsg. von Ritter, 1972], Sp. 643 ff., auf 653.) 49 „Die herkömmlichen Theorien sind i n ihrer Zielsetzung u n d damit auch i n der A r t u n d Weise ihrer Argumentation methodologisch. Das soll heißen, es geht ihnen u m den »richtigen Weg 4 . . . , der bei der Auslegung . . . einzuschlagen ist. I h r Interesse richtet sich auf die K r i t e r i e n der Richtigkeit der Rechtserkenntnis . . . Die auf das Phänomen des Verstehens von Rechtstexten gerichtete Frage ist aber gerade nicht von der A r t solcher Problemstellungen. I h r geht es nicht darum, w i e sich der ,Ausleger' verhalten soll, vielmehr fragt sie danach, w i e sich der Verstehende schon immer verhält, w e n n er einen Rechtstext versteht." Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 10. (Hvhbg. i m Orig.). 50 Daher ist auch „Interpretation u n d alles, was sich an sie anschließt, . . . keine Tätigkeit, die sich allein nach festgelegten Regeln vollziehen könnte; es bedarf dazu i m m e r auch der schöpferischen Phantasie [sie!] des I n t e r preten". Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 229. W i r w o l l e n auf diese Phantasie (mit der es auch Gadamer hat; vgl. sein Nachwort zur 3. Aufl., 513 [bei Larenz, ibid., A n m . 138], wonach „ z w a r methodische Sauberkeit zur Wissenschaft unerläßlich ist, aber die bloße Anwendung gewohnter Methoden w e i t weniger als die Findung v o n neuen — u n d dahinter die schöpferische Phantasie des Forschers — das Wesen aller Forschung ausmacht") verzichten, u n d verlassen uns auf das Verstehen als eine Ansicht v o n der Sache, die den Sinn des Texts ausmacht— jenes unmittelbare Verstehen, das auch nach Larenz gegenüber der Auslegung das Ursprüngliche ist. Ibid., 181. 51 Vgl. dazu Messner, Das Naturrecht (4. Aufl. 1960), 52 f.

I V . Die Auslegung

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in diesem Appell an den Vernunftwillen 52 kann eine Rechtfertigung für den Aufruf zum Streben nach dem gefunden werden, was Larenz etwa die „möglichste Rationalität" nennt 5 5 . Ein solcher Appell an den Vernunftwillen kommt etwa i n der „Auslegungsregel" zum Ausdruck, daß ein Text bona fide „auszulegen" sei 54 . Hinsichtlich jenes Vorganges, den w i r hier als „Auslegung" bezeichnen, kann daher keine andere Regel aufgestellt werden als die, daß man sich u m das Verständnis einer nicht verstandenen Sache solange bemühen muß, bis man es erlangt hat — was nach Seiffert früher oder später immer der Fall sein w i r d 5 5 —, und vor Erreichung dieses Stadiums keine endgültigen Aussagen machen darf. D. Auslegung — ein juristisches Problem?

Obwohl also für die Auslegung sowenig wie für Verstehen überhaupt Regeln aufgestellt werden können, und obwohl dies in der Wissenschaft auch schon vereinzelt — wenngleich allerdings nur zögernd und damit offenbar ungern® 6 (etwa mit der Einschränkung auf die Unmöglichkeit der Aufstellung „fester" Regeln; oder einer „festen" Reihenfolge) — zum Ausdruck gebracht worden ist, findet sich doch i m positiven Recht und i n der wissenschaftlichen Literatur immer wieder der Versuch, „Auslegung" zu normieren. Ein großer Teil dieser „Auslegungsregeln" sind dabei immer hermeneutische Regeln: Anleitungen zum („besseren") Verstehen. Als solche sind sie aber überflüssig. Oder es sind Regeln, die sich nur als hermeneutische geben, i n Wahrheit aber einen anderen Zweck verfolgen 57 . Ein typisches Beispiel hierfür ist das Verbot, zur 52 „Entsprechend seiner Vernunftnatur w i r k t das Naturgesetz i m M e n schen durch seine Vernunfterkenntnis u n d seinen V e r n u n f t w i l l e n . . . E r kenntnis- u n d Willensfunktion stehen danach i n innerster Verbindung m i t einander." 53 Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 229. Sich gegen die Tendenz, methodische Anweisungen als bloße „Leerformeln" f ü r überflüssig zu halten, wendend, sagt er, dies „hieße wieder, auf das mögliche Maß von Rationalität verzichten u n d alles der bloßen Beliebigkeit des subjektiven Dafürhaltens überlassen". (Hvhbg. i m Orig.) « 4 Vgl. dazu unten, D r i t t e r Teil, I I I , A , 1. 55 Vgl. oben A n m . 45. 56 Vgl. Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 181: „Der Schluß, zu dem [der Auslegende] kommt, ist kein logisch zwingender Schluß, sondern eine durch hinreichende Gründe motivierte W a h l zwischen verschiedenen Deutungsmöglichkeiten. Einen T e x t »auslegen*, heißt aber, sich für eine unter mehreren möglichen Deutungen aufgrund von Überlegungen zu entscheiden, die gerade diese als die hier zutreffende' erscheinen lassen." Was dies bedeuten soll, w e n n der zu ziehende Schluß nicht zwingend ist, bleibt unerfindlich. 57 Nach Kelsen / Tucker , Principles of International L a w (2. Aufl. 1967), 459, ,,[t]he subject or organ competent to apply the l a w laid d o w n i n the legal instrument has the choice among [the various methods of interpretation] . . .

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2. Teil: Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt

Vertragsauslegung die travaux préparatoires heranzuziehen, auf das w i r später noch zurückkommen werden 5 8 . Schließlich bleiben dann noch jene Regeln, die zwar nach der Absicht ihres Schöpfers keinen anderen als einen hermeneutischen Zweck verfolgen, aber einer verfehlten Methodologie entsprungen sind 5 9 . Da sie das Verstehen auf eine falsche Bahn führen würden, werden sie i n der Praxis einfach nicht beachtet 60 . Wenn es nicht sinnvoll ist, Normen für Verstehen und Auslegen, also für Vorgänge aufzustellen, die sich gar nicht normieren lassen, so erhebt sich die Frage, welche mögliche Relevanz ihnen doch zukommt 6 1 . Die selbstverständlichen und die offenbar verfehlten haben w i r dabei schon als überflüssig bzw. als unbeachtlich ausgeschieden. Es bleibt damit nur noch jene Gruppe von „Auslegungsregeln", die einen anderen als einen hermeneutischen Zweck verfolgen. Wo sie i n die Form einer Norm des positiven Rechts gebracht sind, bleiben sie beachtlich, sobald feststeht, daß die durch sie bewirkte „Verfälschung" des Ergebnisses der Auslegung vom Gesetzgeber beabsichtigt ist und sie daher nicht bloß dessen mangelhafter methodologischer Bildung entsprungen sind. Sie stellen sich dann als ein legistischer Kunstgriff dar, durch den der Gesetzgeber das Gebot zur Korrektur eines anderweitig erzielten Ergebnisses i n die Form einer scheinbar hermeneutischen Regel kleidet. Man denke etwa an das Analogieverbot i m Bereich des Strafrechts, eine Regel, die ein an sich richtiges Ergebnis nicht zum Zuge kommen läßt, weil man es für sozial nicht gerechtfertigt hält, die Verantwortung für die Vorwegnahme des entsprechenden Auslegungsvorganges dem Täter aufzubürden 62 . Daß ein Satz wie nullum crimen sine lege eine sozialpoliunless a n o r m of the legal instrument itself or another norm of the legal order to which the legal instrument belongs prescribes a definite method of interpretation. General international law does not contain such a n o r m . . . " (Hvhbg. v o m Verf.) s» Vgl. unten, D r i t t e r Teil, I I I , B. 59 I m Gegensatz zu den normierten Auslegungsregeln haben die bloß „von der Rechtssprechung anerkannten, hermeneutisch gerechtfertigten methodischen Anweisungen" nicht den Rang v o n Rechtsnormen, „ w e i l keine a l l gemeine Rechtsüberzeugung dahinter [nämlich hinter dieser ,Gewohnheit* ; A n m . d. Verf.] steht". Larenz, ibid., 230. 60 Vgl. ibid., 229 f.: „ Z u derartigen Vorschriften ist zu sagen, daß sie, w e i l selbst auslegungsbedürftig, selten den v o m Gesetzgeber vorgestellten Effekt haben." 61 Nach ibid., 230, „hat die Methodenlehre sie als Schranken, an die die Gerichte u n d andere Staatsorgane n u n einmal gebunden sind, hinzunehmen". 62 „Wo freilich der Rechtstext eine darüber hinausgehende F u n k t i o n hat, vor allem eine Garantiefunktion zur Sicherung der Freiheit, muß eventuell die Absurdität hingenommen werden, daß ein i n seinem Gesamtgefüge durchaus sinnvoller T e x t wegen der Ungereimtheit seiner ausführlicheren Phänomenexplikation überhaupt nicht oder n u r zum T e i l angewendet w e r den darf. Das ist u. a. der Sinn des Grundsatzes nullum-crimen-sine-lege, der die Anwendung von Straf-,Gesetzen 4 verbietet, w e n n u n d soweit sie i n

I V . Die Auslegung

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tische E n t s c h e i d u n g d a r s t e l l t u n d n i c h t logisch z w i n g e n d ist, b e w e i s t der U m s t a n d , daß er i n e i n z e l n e n S t a a t e n n i c h t g i l t 6 3 b z w . n i c h t gegolten64 hat65. E. Der Gegenstand der Auslegung B e v o r w i r n u n m e h r darangehen, aus d e m b i s h e r Gesagten e i n Résumé z u ziehen, w o l l e n w i r d e n V e r s u c h machen, unsere Aussagen noch z u h i n t e r f r a g e n , u m a u f diese Weise z u e i n e m t i e f e r e n V e r s t ä n d n i s des A u s l e g u n g s p r o b l e m s z u gelangen. 1. Textverstehen

als

Sachverstehen

N a c h d e r t r a d i t i o n e l l e n M e i n u n g ü b e r die A u s l e g u n g ist es stets der Text als solcher, d e r ausgelegt w e r d e n soll, w e i l er d e n z u e r m i t t e l n d e n S i n n i m m e r schon ( i r g e n d w i e ) i n sich t r ä g t . D e r S i n n v o n W ö r t e r n w i e der S i n n v o n T e x t e n b e s t e h t aber i n i h r e r R e l a t i o n z u Sachen. S i n n i s t also k e i n „ A t t r i b u t " eines T e x t e s als solchem, k a n n d e m n a c h n i c h t aus diesem, s o n d e r n nur aus dem Gegenstand g e w o n n e n w e r d e n , d e n der T e x t bezeichnet 6 6 . D a m i t w i r d alles T e x t v e r s t e h e n e i n S a c h v e r s t e h e n 6 7 . „Wer einen Text verstehen w i l l , muß also auf die Sache sehen, über die der Text spricht, u n d er vermag den Text n u r insoweit zu verstehen, als sich, d. h. i n der Gegenüberstellung des Gefügesinnes u n d des Sinnes eines oder mehrerer Einzelglieder, widersprüchlich sind." Hruschka, Das V e r stehen von Rechtstexten (1972), 88. 63 So der Staat der Vatikanstadt. Vgl. Köck, Die völkerrechtliche Stellung des H l . Stuhls (1975), 155, A n m . 454. Dies gemäß der Auffassung, daß sich das Recht nicht i n der lex humana erschöpft. 64 So i n der Freien Stadt Danzig. Vgl. dazu das Gutachten des S t I G über Consistency of Certain Danzig Legislative Decrees with the Constitution of the Free City , P C I J - Publications (1935), Ser. A / B , No. 65. Dazu Sohn / Buergenthal, International Protection of H u m a n Right (1973), 302. 65 Schild, Straf recht — Allgemeiner Teil (in Vorbereitung), n i m m t aus demselben G r u n d an, daß i m Strafrecht das Analogieverbot ein bloßes Begründungsverbot sei. 66 „Nichts anderes als der Gegenstand steht f ü r die Beschreibung des Sinnes eines Wortes zur Verfügung." Hey de, „ V o m Sinn des Wortes Sinn. Prolegomena zu einer Philosophie des Sinnes", Sinn u n d Sein. E i n p h y losophisches Symposion (hrsg. von Wisser, 1960), 60 ff. (zit. bei Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten [1972], 40). 67 Wenngleich verhüllt, k o m m t diese Einsicht auch bei Gadamer zum Ausdruck, w e n n er sagt: „ E i n T e x t w i l l nicht als Lebensausdruck verstanden werden, sondern in dem, was er sagt. Schriftlichkeit ist die abstrakte Idealität der Sprache. Der Sinn einer schriftlichen Aufzeichnung ist daher grundsätzlich identifizierbar u n d wiederholbar. Das i n der Wiederholung Identische allein ist es, das i n der schriftlichen Aufzeichnung w i r k l i c h niedergelegt w a r . . . Lesendes Verstehen ist nicht ein Wiederholen von etwas V e r gangenem, sondern Teilhaben an einem gegenwärtigen Sinn." Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 370. (Hvhbg. v o m Verf.) Das „Identische" ist die Sache, die den Sinn des Textes als sein „Gegenstand" bildet.

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2. Teil: Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt er sich einen Blick auf die Sache verschaffen kann. I n sprachlich u n genügender, aber üblicher Rede: Der Verstehende muß eine Ansicht von der jeweiligen Sache haben oder gewinnen^." 2. Rechtstextv

er stehen als Verstehen

von

Recht

D a m i t aber g i l t f ü r das Recht, daß d i e „ E i n s i c h t i n die Rechtsphänom e n e u n d d a m i t i n das P r i n z i p Recht . . . d i e u n a b d i n g b a r e B e d i n g u n g der M ö g l i c h k e i t des V e r s t e h e n s v o n R e c h t s t e x t e n " i s t 6 9 . D e r Rechtstext ist nichts anderes als d i e D a r l e g u n g d e r A n s i c h t eines a n d e r e n ü b e r das j e w e i l i g e Rechtsphänomen. Diese D a r l e g u n g k a n n a l l e r d i n g s m a n g e l h a f t sein; d a n n g r e i f t A u s l e g u n g P l a t z . D a m i t ist aber d e r entscheidende S c h r i t t z u e i n e m besseren V e r s t ä n d n i s des A u s l e g u n g s v o r g a n g e s g e t a n : ausgelegt w i r d n i c h t der Text, s o n d e r n dargelegt w i r d die v o n i h m i n t e n d i e r t e Sache 7 0 . D i e A u s l e g u n g eines m a n g e l h a f t e n T e x t e s o r i e n t i e r t sich a n diesem n u r i n s o w e i t , als aus i h m der H i n w e i s a u f die Sache e n t n o m m e n w i r d 7 1 ; d a n n aber o r i e n t i e r t sie sich a n dieser Sache selbst u n d k o r r i g i e r t d e n T e x t , d e r i n seiner D a r l e g u n g f e h l e r h a f t i s t 7 2 . Ebenso o r i e n t i e r t sich d e r V e r s t e h e n w o l l e n d e , dessen V e r s t e h e n noch m a n g e l h a f t ist, a m T e x t n u r i n s o w e i t , als dieser e i n e n H i n w e i s a u f d i e i n t e n d i e r t e Sache g i b t ; d a n n a b e r b e m ü h t er sich u m e i n zureichendes Sachverständnis, u m d e n v o n der Sache h a n d e l n d e n T e x t (besser) v e r s t e h e n z u k ö n n e n 7 3 . 68 Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 45, m i t Abgrenzung der Ansicht von der bloßen Meinung, die, w e i l eine Ansicht von der Sache fehlt, i n leeres Gerede ausartet. 6» Vgl. ibid., 76. 70 „Jeder . . . Jurist kennt die i n einer solchen Notlage immer wiederkehrende Redewendung, daß ,hier n u r noch durch Auslegung geholfen werden könne', wobei der Charakter der auf diese Weise als Hilfe apostrophierten Auslegung allerdings regelmäßig unerforscht bleibt. Wie ,Auslegung' hier Hilfe leisten soll, solange sie als »Auslegung des Textes' aufgefaßt w i r d , ist auch vollkommen unerklärlich . . . Es ist evident, daß sich . . . Auslegung . . . n u r an den v o m Text intendierten Phänomenen u n d nicht an dem als mangelhaft erkannten T e x t orientieren k a n n . . . " Ibid., 85. (Hvhbg. i m Orig.) 71 Daß dies überhaupt möglich ist, liegt darin begründet, daß „der erkennbar fehlgehende Texte das Phänomen doch immer, aber eben so mangelhaft, daß die Fehlleistung auffällt, [erreicht], u n d nur, w e i l diese Möglichkeit besteht, gibt es überhaupt eine juristische Methodenlehre, der es nicht zuletzt gerade auch u m die Vermeidung v o n Fehldeutungen der RechtsPhänomene u n d u m die K o r r e k t u r nicht vermiedener Fehldeutungen geht, w e n n diese ihre Aufgabe auch meistens nicht so ausgelegt w i r d " . Ibid., 77. (Hvhbg. i m Orig.) 72 Der T e x t k a n n i n dreierlei Hinsicht mangelhaft sein: „ M a n k a n n z w i schen einer Uberbestimmung, einer Unterbestimmung u n d einer gänzlichen Fehlbestimmung des jeweiligen Phänomens durch die mangelhafte [Darlegung] unterscheiden, wobei als gänzliche Fehlbestimmungen jene . . . zu bezeichnen sind, die auf das v o n ihnen angezielte Phänomen doch noch irgendwie hinweisen, als seine Umschreibungen aber, w i e man sagt, neben der Sache liegen." Ibid.

V. Zusammenfassung

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V. Zusammenfassung Fassen w i r nun die Ergebnisse dieses Zweiten Teils zusammen. Auslegung als ein Weg zum Verstehen ist ein hermeneutisches Problem und hat als solches keinen spezifisch juristischen Ort. Insoweit Verstehen — und damit Auslegung — überhaupt nicht geregelt werden kann, behandeln alle methodologischen Überlegungen betreffend das „richtige" Verstehen und die „richtige" Auslegung ein bloßes Scheinproblem™. Die eigentliche Bedeutung normierter Auslegungsregeln besteht also weder i m „Zum-Sprechen-Bringen" des objektiv unklaren noch i m „Zum-Verstehen-Bringen" des subjektiv unklaren Textes. I n soweit sind sie entweder selbstverständlich und damit überflüssig oder irreführend und damit unbeachtlich. Ihre eigentliche Bedeutung liegt vielmehr i n den politischen Zielen, die durch bestimmte Auslegungsregeln verfolgt werden sollen. Ihre Aufdeckung und Abgrenzung gegenüber den (quasi-)hermeneutischen Auslegungsregeln ist die eigentliche Aufgabe i m Zusammenhang m i t dem ganzen Auslegungskomplex 75 . Damit w i r d aber eines klar: Beschäftigung m i t „Auslegungsfragen" i m herkömmlichen methodologischen Sinn führt keineswegs — wie vermeintlich angenommen w i r d — zu einer „möglichsten Rationalität", weil die „Auslegungsregeln" ihrer Natur nach auf das „richtige" Verstehen keinen Einfiuß nehmen können. I m Gegenteil: dort, wo bewußt „methodisches" Denken Ersatz dafür wird, sich der „Anstrengung des Begriffes" zu unterziehen — jenem physisch und psychisch oft anstrengenden Erkenntnisakt, der, und dies sei nochmals betont, ursprünglicher A r t ist und sieht nicht i n nachträchlich aufgestellte Regeln zwingen läßt —, w i r d Auslegung nicht zu Verstehen führen. Hier ist es m i t dem Hinweis, daß zur Anwendung der Auslegungsregeln auch noch ein 73 So betrachtet, ist es v ö l l i g unverständlich, w a r u m die Abfassung von Texten i n einer symbolischen Zeichensprache alle Verstehensschwierigkeiten beseitigen soll, w i e Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 182, meint. Nicht das M e d i u m der Sprache ist es ja, auf dessen Konto die auftretenden M i ß verständnisse gehen, w i e Larenz offenbar annimmt, sondern die fehlerhafte Darlegung der intendierten Sache i n der Sprache durch den Textverfasser, der sich der Anstrengung des Begriffes nicht genügend unterzogen hat. 74 Dies zeigt sich auch schon darin, daß alle Auslegungsregeln, gäbe es überhaupt „echte", auch ihrerseits wiederum auslegungsbedürftig wären, sodaß die „letzten" Auslegungsregeln immer präpositiv sein müßten u n d sich daher gar nicht i n das positive Recht einfangen ließen. Wären daher dem positiven Recht normierte Auslegungsregeln vonnöten, so wäre dies der Ort permanenter, w e i l nicht zu füllender Gesetzeslücke. I n Wahrheit aber ist Auslegung sachgebunden u n d damit ohnedies sowenig „ f r e i " w i e das Ausfüllen von Gesetzeslücken überhaupt. Dazu vgl. Bydlinski, „Gesetzeslücke, § 7 A B GB u n d die ,Reine Rechtslehre 4 ", Festschrift Franz Gschnitzer (1969), 101 ff. 75 I n ihnen kommen der Rechtsordnung immanente Werte zum Ausdruck. Z u diesen vgl. Winkler, Wertbetrachtung i m Recht u n d ihre Grenzen (1969), 42 f.

2. Teil: Die Auslegung von Rechtstexten überhaupt

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gleichsam schöpferischer A k t des Verstehenwollenden hinzutreten müsse, weshalb die Auslegung nicht dem „scientistischen" Wissenschaftsbegriff unterfalle und auch eine „Kunst" genannt werden könne 7 6 , nicht getan. Erkennen, so hat es Piaton i n seinem Höhlengleichnis beschrieben 7 7 , ist letztlich vom persönlichen A k t des Umwendens, also von einem Willensakt getragen, der auf das Sich-zur-Kenntnis-Bringen und Zur-Kenntnis-Nehmen gerichtet ist. Dieser Willensakt, ohne den Auslegung nie zu wirklichem Verstehen führen wird, kann nicht durch das Begehen ausgetretener methodischer Trampelpfade ersetzt werden. Die Bemühung hat daher, und zwar durchaus auch i m Rahmen des positiven Rechts, dem „rechten", nicht so sehr oder doch nicht allein dem „methodisch richtigen" Ergebnis zu gelten.

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Vgl. Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 181 u n d passim. Politela, V I I . Vgl. dazu Verdross, Grundlinien der antiken Rechts- und Staatsphilosophie (2. Aufl. 1948), 85 f. — U m das Gleichnis für unser Problem fortzuspinnen: die W i r k u n g der traditionellen Auslegungsregeln gleicht der von Kienspänen, die — w e i t davon entfernt, das Tageslicht ersetzen zu können — allenfalls dazu führen, daß nicht einmal mehr die i n diesem Tageslicht geworfenen Schatten sichtbar werden. 77

Dritter

Teil

Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der Wiener Vertragsrechtskonvention 1969 I . D e r W e g z u m Interpretationskanon der Wiener Vertragsrechtskonvention Studiert m a n die Diskussion, die zu der i n der W V K enthaltenen A u s l e g u n g s r e g e l u n g g e f ü h r t h a t , so s i n d es z w e i H a u p t f r a g e n , d i e i m m e r n e u z u r B e h a n d l u n g d r ä n g e n : K e n n t das V ö l k e r r e c h t ü b e r h a u p t I n t e r p r e t a t i o n s r e g e l n m i t N o r m c h a r a k t e r (also verpflichtend), oder i s t d e r e i n e n völkerrechtlichen V e r t r a g Auslegende auf allgemeine Interpretationsr e g e l n angewiesen, die a l l e n f a l l s e i n juristisches know-how darstellen1? M i t a n d e r e n W o r t e n (so w i r d g e f r a g t ) : I s t d i e I n t e r p r e t a t i o n v ö l k e r rechtlicher V e r t r ä g e selbst e i n r e c h t l i c h geregelter V o r g a n g oder l e d i g l i c h d i e A n w e n d u n g e i n e r F e r t i g k e i t oder K u n s t ? F ü r b e i d e — e i n e r auf e i n e m falschen I n t e r p r e t a t i o n s v e r s t ä n d n i s b e r u h e n d e n v e r f e h l t e n F r a g e s t e l l u n g e n t s p r u n g e n e n — A u f f a s s u n g e n h a t sich eine S t ü t z e i n d e r D i s k u s s i o n g e f u n d e n 2 , die der E r a r b e i t u n g der W V K 2 a v o r a u s g i n g , i n d e r 1 Vgl. den Kommentar der I L C zu Draft Articles 27 and 28, loc. cit., 218: "The u t i l i t y and even the existence of rules of international l a w governing the interpretation of treaties are sometimes questioned." 2 Vgl. die Ausführungen Reuters i m 870. Meeting der I L C , Y B I L C 1966 1/2, 188, wonach „a reluctance to insert provisions on the interpretation of treaties i n the draft was understandable because interpretation was an art, not a science". Dagegen konnte Jiménez de Aréchaga , ibid., 190, darauf hinweisen, daß „the approach adopted by the Commission . . . seemed to have been accepted b y governments, namely, that fundamental rules of interpretation should be set out i n the f o r m of legal rules". Vgl. auch die Stellungnahme Briggs' i m 765. Meeting der I L C , Y B I L C 1964 I, 275, nach dem zwar ,,[t]he canons of interpretation are not always rules of i n t e r national l a w but . . . w o r k i n g hypotheses . . . " , andererseits erlaube „ [ e s tensive State practice, precedent and doctrine . . . the precise formulation and systematization of rules [of international law] of the k i n d [the Special Rapporteur] had set out". Aber selbst der Kommentar zum ILC-Dr aft sagt über die völkerrechtlichen Vertragsauslegungsgrundsätze: "They are, for the most part, principles of logic and good sense valuable only as guides to assist i n appreciating the meaning which the parties may have intended to attach to the expressions that they imployed i n a document . . . I n other words, recourse to many of these principles is discretionary rather than obligatory and the interpretation of documents is to some extent an art, not an exact science." Y B I L C 1966 I I , 218. (Hvhbg. v o m Verf.) Derselbe Kommentar muß zugestehen, daß ,,[t]he first t w o [von vieren; A n m . des Verf.] of the Commission's Special Rapporteurs on the l a w of treaties

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

auch das Problem der Normierung von Interpretationsregeln zur Behandlung anstand. Und die zweite Frage: Welches sind diese Regeln 3 , denen der Charakter völkerrechtlicher Normen zukommt, die also i n ihrer Anwendung für die Parteien wie für Dritt(e)(instanzen) verbindlich sind? Diesen Fragen gegenüber sind w i r nunmehr m i t den A r t i k e l n 31 und 32 W V K konfrontiert. Was immer deren Wert sein mag 4 — sie können überhaupt nur i m Lichte der traditionellen methodologischen Überlegungen verstanden werden. [nämlich Brierly u n d Sir Hersh Lauterpacht; A n m . des Verf.] i n their private writings also expressed doubts as to the existence i n international l a w of any general rules for the interpretation of treaties". Ibid. E r unterstreicht aber, daß ,,[o]ther jurists . . . show less hesitation i n recognizing the existence of some general rules for the interpretation of treaties". Ibid. I n Sonderheit der dritte Special Rapporteur, Sir Gerald Fitzmaurice, w a r es, der aus der Rechtsprechung des Weltgerichtshofs sechs Auslegungsgrundsätze deduzierte. Vgl. sein „The L a w and Procedures of the International Court of Justice 1951 - 1954: Treaty Interpretation and other Treaty Points", 33 B Y I L (1957), 203 ff., auf 210 ff. Vgl. dazu auch De Visscher, „Remarques sur l'interprétation dite textuelle des traités internationaux", Varia I u r i s Gentium (für Jean Pierre A n d r i e n François, 1959 = 6 Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht [1959], 383ff., auf 390): „L'interprétation . . . requiert l'esprit de finesse plus que l'esprit de géometrie; elle fait appel à l'intention plus qu'à la technique. I l y a u n art de l'interprétation des traités." Diese Feststellung inspirierte Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge (1963), 57, zu der Aussage: „Die K u n s t der Vertragsauslegung hat jedenfalls das m i t den echten Künsten gemeinsam, daß m i t der Existenz u n d Kenntnis v o n Regeln deren richtige Verwertung u n d Brauchbarkeit i m Einzelfall durchaus nicht gesichert ist." Vgl. dazu auch ibid., 1. 2a Z u Verlauf u n d Ergebnis der Wiener Vertragsrechtskonferenz der V e r einten Nationen vgl. Fischer / Köck, „Das völkerrechtliche Vertragsrecht i m Lichte der Ergebnisse der ersten Session der Wiener Vertragsrechtskonferenz der Vereinten Nationen", 23 ÖJZ (1968), 505 ff.; Neuhold, „ T h e 1968 Session of the United Nations Conference on the L a w of Treaties", 19 (NF) ÖZöR (1969), 59 ff.; ders., „Die Wiener Vertragsrechtskonvention 1969", 15 A V (1971), I f f . ; Verosta, „Die Vertragsrechts-Konferenz der Vereinten Nationen 1968/69 u n d die Wiener Konvention über das Recht der Verträge" 29 ZaöRV (1969), 645 ff.; Fischer / Köck, „Das Recht der völkerrechtlichen Verträge nach der zweiten Session der Wiener Vertragsrechtskonferenz der Vereinten Nationen", 9 Ö Z A (1969), 275 ff.; Caicedo Castilla, „ L a Conférence de Vienne sur le droit des traités", 73 R G D I P (1969), 790 ff.; Nahlik, „ L a Conférence de Vienne sur le droit des traités. Une vue d'ensemble", 15 A F D I (1969), 24 ff.; Kearney / Dalton, „The Treaty on Treaties", 64 A J I L (1970), 495 ff.; Sinclair, „Vienna Conference on the L a w of Treaties", 19 I C L Q (1970), 47 ff.; Rosenne, The L a w of Treaties (1970); u n d Mar esca, I l d i r i t t o dei trattati. L a Convenzione codificatrice d i Vienna del 23 Maggio 1969 (1971). Als Mittel, den politischen Spielraum des Auslegenden bei der Interpretation einzuschränken, sieht Sur, L'interprétation en droit international public (1974), 247 ff., die K o d i f i k a t i o n von Interpretationsregeln i n der W V K an. 3 W i r verwenden hier den i n der völkerrechtlichen Terminologie gebräuchlichen Ausdruck „Regel" anstelle von „ N o r m " ; letzteren juristischen Terminus etwa i n die deutsche Übersetzung der W V K einzuführen, ist dem Verfasser u n d seinem Kollegen, H r n . Universitätsdozent Dr. Peter Fischer, als Mitgliedern der österreichischen Delegation zur Übersetzungskonferenz der deutschsprachigen Staaten trotz bzgl. Bemühungen nicht gelungen.

I I . Z u m vr. Normcharakter von Interpretationsregeln i m allgem.

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D a r ü b e r h i n a u s b l e i b t auch i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e m A u s l e g u n g s k a n o n d e r W V K j e d e n f a l l s z u p r ü f e n , welche d e r d o r t gegebenen R e g e l n (bloß) h e r m e n e u t i s c h e r N a t u r sind, u n d welche e i n politisches Z i e l v e r f o l g e n . D i e A u f d e c k u n g der l e t z t e r e n ist der V ö l k e r r e c h t s w i s s e n schaft j e d e n f a l l s aufgegeben 5 .

I I . Z u m völkerrechtlichen Normcharakter v o n Interpretationsregeln i m allgemeinen D a m i t k ö n n e n w i r u n s d e r ersten F r a g e d e r t r a d i t i o n e l l e n I n t e r pretationsdiskussion zuwenden: Stellen die Interpretationsregeln überh a u p t v ö l k e r r e c h t l i c h e N o r m e n , s t e l l t das I n t e r p r e t a t i o n s v e r f a h r e n ü b e r h a u p t e i n e n r e c h t l i c h e n Prozeß d a r 6 ? Diese F r a g e i s t t e i l w e i s e z u verneinen, teilweise zu bejahen. A u s d e m U m s t a n d , daß diese F r a g e i m B e r e i c h d e r V ö l k e r r e c h t s wissenschaft d i s k u t i e r t w i r d , k a n n n u n z w a r geschlossen w e r d e n , daß das E r g e b n i s dieser D i s k u s s i o n v o n R e l e v a n z f ü r die A u s l e g u n g v ö l k e r 4 Die W V K ist zwar noch nicht i n K r a f t getreten, doch darf aus dem Rechtsgutachten des I G i m Namibia-Fall (ICJ-Reports 1971, 16 ff.) geschlossen werden, daß auch die Interpretationsregeln, wie sie i n der W V K niedergelegt sind, v o m I G als bloße K o d i f i k a t i o n schon bisher bestehenden V ö l k e r gewohnheitsrechts angesehen werden. Dieselbe ratio, die den Gerichtshof i n diesem F a l l Art. 60, der von den Folgen des Vertragsbruchs handelt (dazu Simma, „Reflections on A r t i c l e 60 of the Vienna Convention on the L a w of Treaties and Its Background i n General International L a w " , 20 [NF] ÖZöR [1970], 5ff.), anwenden ließ, müßte nämlich gegebenenfalls auch zur A n wendung von A r t . 31 u n d 32, also der Interpretationsregeln, führen. K a n n die W V K doch „ i n many respects be considered as a codification of existing customary l a w on the subject". — Vgl. i m übrigen auch noch zum Problem der A r t i k e l 31 u n d 32 W V K Reuter, Introduction au droit des traités (1972), 101 ff.; Maresca, I l d i r i t t o dei t r a t t a t i (1971), 331 ff. 5 Die Frage nach dem etwaigen Ursprung i m oder den allfälligen Z u sammenhang m i t innerstaatlichen Rechtsordnungen k a n n hier nicht behandelt werden u n d soll daher auch gar nicht gestellt werden. Es gilt, was Bernhardt, Auslegung (1963), 2, gesagt hat: „Die Zulässigkeit einer besonderen Betrachtung der Vertragsauslegung i m Völkerrecht w i r d dadurch bestätigt, daß zwar nicht selten die ältere Theorie, umso seltener aber die i n der internationalen Praxis zur Vertragsauslegung aufgerufenen Parteien und Gerichte Auslegungsgrundsätze des traditionellen Rechts ausdrücklich zu H i l f e rufen. Diese Zurückhaltung ist i n der Tat gerechtfertigt, denn die Übertragung v o n Auslegungsmaximen des staatlichen Rechts setzt eine umfassende Bestandsaufnahme dieser M a x i m e n voraus, die zur Zeit weder f ü r einzelne Rechtsordnungen noch auf rechtsvergleichender Ebene vorliegt noch vielleicht überhaupt möglich ist." 1 f. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß das Völkerrecht wesentlich stärker von Grundsätzen des P r i v a t rechts beeinflußt ist, als allgemein angenommen w i r d ; darauf hat übrigens schon Lauterpacht, Private L a w Sources and Analogies of International L a w (London 1927), hingewiesen. 6 Vgl. den Kommentar zum ILC-Draft, loc. cit., 218: " B u t the question raised b y jurists is rather as to the non-obligatory character of many of these principles and maxims."

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

rechtlicher Verträge und damit von Relevanz für das Völkerrecht überhaupt, also eine rechtlich erhebliche Aussage ist. Da dies aber auch für die Aussage: „Interpretationsregeln haben keinen völkerrechtlichen Normcharakter" gilt, ist damit noch nichts über die rechtliche Qualifikation dieser Regeln gewonnen. I n Zusammenhang mit dem von uns i m Zweiten Teil Dargelegten kann daher von vornherein nur für jene „Interpretationsregel" Verbindlichkeit reklamiert werden, die einen Appell an den Vernunftwillen der Parteien oder sonstiger etwaig zur „Auslegung" berufener Instanzen darstellt 7 . Es kann nämlich nicht bestritten werden, daß alle völkerrechtlichen Verträge bona finde auszulegen sind 8 , willkürliche Auslegung hingegen ausgeschlossen ist. Der das Völkerrecht — wie Vattel gesagt hat 9 — durchwaltende Grundsatz von Treu und Glauben fordert nämlich zwingend, daß man sich dem Verständnis des Textes nicht durch Zurückgreifen auf Spitzfindigkeiten entziehe. Die bona findes-Regel ist also tatsächlich verbindlich. Sie ist aber — und darum haben w i r von ihr als von einer „Interpretationsregel" nur unter Anführungszeichen gesprochen —, wie w i r schon i m Zweiten Teil gezeigt haben, keine Auslegungsregel, weil sie nicht einen Weg zum Verstehen des Textes erschließt, sondern bloß vorschreibt, das jeweils (aber bereits) Verstandene auch anzunehmen. Immerhin haben w i r damit zumindest eine notwendige Regel, die völkerrechtlichen Normcharakter besitzt und i m traditionellen Sinn zum Interpretationskanon gerechnet wird. Soweit dieser dagegen auch bloß hermeneutische Regeln enthält, ist i h m der völkerrechtliche Normcharakter insoweit abzusprechen. Dagegen kommt jener (allenfalls auch: jenen) Regel(n) ein solcher Charakter zu, die sich unter der falschen Flagge der Hermeneutik i m Interpretationskanon der W V K finden, i n Wahrheit aber ein politisches Ziel anpeilen. Ihre Existenz w i r d allerdings erst festzustellen sein. Während w i r also von vornherein nur einer kleinen Zahl von Interpretationsregeln — und noch dazu nur den uneigentlichen — Normcharakter zusprechen können, hat die I L C (hier noch ganz der traditionellen Methodologie verhaftet 1 0 ) i n ihrem E n t w u r f für eine Ver7 Vgl. oben, Zweiter Teil, I V , C, Anm. 51 f. Das ergibt sich schon aus dem i n A r t . 26 W V K (pacta sunt servanda) bekräftigten Grundsatz „Every treaty i n force is binding upon the parties to i t and must be performed by them i n good faith". (Hvhbg. v o m Verf.) Vgl. dazu den Kommentar zum ILC-Draft, 219, w o es heißt, die Auslegung von Verträgen nach Treu u n d Glauben sei entscheidend, w e n n der obengenannte Grundsatz überhaupt eine Bedeutung haben soll. 9 Quaestionum iuris p u b l i c i l i b r i duo (1737), I I , Kap. 10, wo es heißt: „ . . . pacta p r i v a t o r u m tuetur ius gentium, pacta principum bona fides. Hanc si tollis, tollis inter principes commercium . . . q u i n et tollis ipsum ius gentium." Zit. nach Verdross, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), 131. 8

I I . Z u m vr. Normcharakter von Interpretationsregeln i m allgem.

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tragsrechtskonvention 11 einen umfassenden Interpretationskanon vorgesehen und ist damit nur bekannten Beispielen: der Resolution der Siebenten Internationalen Konferenz Amerikanischer Staaten von 193312. dem Harvard-Draft von 193513, der Resolution des Institut de droit international aus 195614 und dem Restatement Second of the Foreign Relations Law of the United States von 196215 gefolgt. Bezeichnend für das Verhaftetsein i n der traditionellen Methodologie ist auch der Umstand, daß kein Staat auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz 1968/69 die ersatzlose Streichung der Interpretationsartikel gefordert hat. Daß es sich i n den Augen der Beteiligten dabei nicht bloß darum gehandelt hat, um der Rechtssicherheit w i l l e n irgendwelche beliebige Interpretationsregeln konstitutiv festzulegen, ergibt sich schließlich daraus, daß i n der Kommission wie auf der Konferenz mit einer Zähigkeit, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre, u m die Formulierung der Artikel, insbesondere u m das Verhältnis der verschiedenen Interpretationsregeln zueinander, gerungen worden ist. Dies zeigt, daß die meisten Mitglieder der I L C und der auf der Konferenz anwesenden Staatenvertreter eine stark ausgeprägte Meinung über die Existenz und die Stellung der verschiedenen Interpretationsregeln i m Rahmen des Vertragsrechts besaßen. — Haben w i r nunmehr die erste Frage i m teils affirmativen, teils negativen Sinn beantwortet, so können w i r uns nun der zweiten Frage zuwenden. Welche Interpretationsregeln hat die W V K m i t völkerrechtlichem Normcharakter umgeben wollen? Bevor w i r aber diese Frage beantworten, wollen w i r versuchen, auf ein Problem hinzuweisen, das sich i n der Diskussion u m die Vertragsinterpretation i m Völkerrecht 10 w a g umso unverständlicher ist, als die Gefahr, die sich aus der A n wendung der von i h r erarbeiteten „Interpretationsregeln" ergibt, schon früher erkannt u n d ζ. B. v o n Lord McNair k l a r ausgesprochen worden ist: " F r o m the time of Grotius onwards . . . successive generations of writers, . . . of arbitrators and judges, have elaborated rules for the interpretation of treaties . . . One result of this activity has been to obscure the m a i n task of any t r i b u n a l . . . [:] the d u t y of giving effect to the . . . intention of the parties . . . Another result of this activity is that . . . a danger exists that a t r i b u n a l may be diverted from its true task . . . into a wilderness of conflicting decisions of tribunals and opinions of writers . . T h e L a w of Treaties (1961), 364 ff. 11 U N Doc. A/6309/Rev. 1, Y B I L C 1966 I I , 217 ff. is Dreizehn A r t i k e l betreffend „The Interpretation of Treaties", 29 A J I L (1935 Suppl.), 1225, w u r d e n von der Konferenz am Weihnachtsabend 1933 durch eine Resolution angenommen u n d an die International Commission of American Jurists zum Studium weitergeleitet. 13 " D r a f t Convention on the L a w of Treaties, w i t h Comment", 29 A J I L (1935 Suppl.), 643 ff., bes. 937 ff. (Art. 19). ι 4 46 Annuaire de l ' I n s t i t u t de droit international (1956), 364 f. 15 Part I I I (International Agreements), Chapter 4 (Interpretation of I n t e r national Agreements), Sects. 146 ff. 6 Köck

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3. T e i l : Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

hartnäckig hält, wie selbst die Debatten innerhalb der I L C und auf der Vertragsrechtskonferenz bewiesen haben 16 . Als eine Kernfrage des Interpretationsproblems i m Völkerrecht w i r d nämlich jene angesehen, ob ein Vertrag nach seinem Text oder nach dem „wahren" Willen der Parteien ausgelegt werden soll 1 7 . U m hier einem Mißverständnis vorzubeugen, muß darauf hingewiesen werden, daß es sich hierbei nicht um eine exakte völkerrechtliche Entsprechung zur bekannten Fragestellung nach dem Erkenntnisziel zur Auslegung — Wille des Gesetzgebers (hier: der Parteien) oder normativer Gesetzessinn (hier: Vertragssinn) — handelt. Traditionellerweise versteht man nämlich unter der subjektiven oder Willenstheorie jene, die die Erforschung des historisch-psychologischen Willens des Normsetzers (Hier: der Vertragsparteien) i m Auge hat, während die objektive Theorie oder Theorie der immanenten Normdeutung die Erschließung des der betreffenden Regelung innewohnenden vernünftigen Sinns, des immanenten Gesetzessinns (hier: Vertragssinn) für das Ziel der Auslegung hält 1 8 . I m Gegensatz dazu w i r d bei dem von uns zuerst angezogenen völkerrechtswissenschaftlichen Streit nicht i n Frage gestellt, daß das Ziel der Auslegung das von den Parteien ursprünglich Gewollte ist. Die beiden genannten Auffassungen unterscheiden sich vielmehr hinsichtlich der Beantwortung der Frage, was alles zur Ermittlung dieses Willens herangezogen werden dürfe. Nicht: subjektiver Zweck des Normsetzenden (hier: der Vertragsparteien) gegen objekiv Darauf zielt w o h l auch eine Bemerkung von BartoS i m 765. Meeting der I L C hin, ,,[t]he draft articles were based on the general concept, so dear to the English school of legal thought, that interpretation meant interpretation of the t e x t rather than of the spirit of a treaty". 17 Wie w e i t verbreitet diese i n mehrfacher Hinsicht schiefe Fragestellung ist, zeigt der Umstand, daß sogar Theorien über die verschiedene H a l t u n g v o n internationalen Gerichten u n d Schiedsgerichten i n dieser Frage entwickelt wurden. So haben Bülck, „Vertragsauslegung", W V I I I (2. Aufl. 1962), 548, u n d Neri, Sull'interpretazione dei t r a t t a t i nel d i r i t t o internazionale (1958), 136 ff., die Behauptung aufgestellt, ad hoc gebildete Schiedsgerichte neigten eher zur Feststellung des „ w a h r e n " Willens der Parteien, dauernd institutionalisierte Gerichte hingegen zu einer „objektiven" Interpretation. D a hinter steht offenbar die Vorstellung, ad hoc gebildete Schiedsgerichte seien sich mehr als institutionalisierte Gerichte des Umstandes bewußt, daß sie i n ihrer Existenz u n d Tätigkeit v o m guten W i l l e n der Parteien abhängig sind. — Vgl. dazu Bernhardt, Auslegung (1963), 52 f., m i t Verweisung i n A n m . 253 auf die gegenüber der vorgenannten ablehnende H a l t u n g De Visschers i n dessen Problèmes d'interprétation judiciaire en droit international public (1963), 118. 18 „[Es] ergibt sich, daß das Verstehen von Rechtstexten immer schon ,subjektiv' ist, insoferne es v o n der Subjektivität des Urteilers u n d von der Ansicht, die der Urteiler von den extrapositiven Rechtsphänomenen u n d dem Rechtsprinzip gewinnt, nicht abgetrennt werden kann. Es ist aber i m m e r auch ,objektiv', insoferne eben diese ,Sache Recht' immer auch die Ansicht des Urteilers mitbestimmt, da ohne sie auch eine Ansicht v o n i h r nicht denkbar wäre." Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 94.

I I I . Der Interpretationskanon der W V K

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t i vierten allgemeinen Rechts willen ist hier die Parole, sondern lediglich: Beschränkung der Erkenntnisgrundlage des Normzwecks auf den Vertragstext allein 1 9 oder Verbreiterung der Erkenntnisbasis über den Vertragstext hinaus 20 . Es handelt sich also u m eine Diskussion, die i m Völkerrecht, das keine rechtsstaatliche Bindung an ein Gesetz i m Sinne einer formell i n bestimmter Weise gefaßten Regelung — i n unserem Fall: an einen Vertragstext — kennt, durchaus legitim ist. Z u welchem Ergebnis die W V K hinsichtlich dieses Problems gekommen ist, w i r d in der Folge, bei der Darstellung der Rolle, die A r t . 32 den travaux préparatoires i m Verfahren zur Auslegung von Verträgen zuweist, erkennbar werden. I I I . Der Interpretationskanon der Wiener Vertragsrechtskonvention Für dieses Auslegungsverfahren nun enthält die W V K einen völkerrechtlichen „Interpretationskanon" i n den A r t i k e l n 31 und 32. Es soll daher zuerst eine Analyse dieser Bestimmungen versucht werden. Hand i n Hand m i t ihr muß aber eine Bewertung der i n der W V K zum Interpretationsproblem angebotenen Lösung gehen. Damit w i r d sich ergeben, was in concreto an den Bestimmungen der A r t i k e l 31 und 32 für den relevant sein wird, der einen völkerrechtlichen Vertrag i m Lichte dieser Bestimmungen zu verstehen bzw. auszulegen hat. A. Die Grundregel

Die W V K geht i n A r t . 31 davon aus, daß es für die Interpretation völkerrechtlicher Verträge nur eine Grundregel von allgemeiner Gültigkeit gibt. 19 A u f die Vorzüge des textual approach hat u. a. der britische Vertreter Sinclair i m 33. Meeting des C W h hingewiesen, etwa f ü r die Beantwortung von Fragen, an die die Parteien beim Vertragsabschluß überhaupt nicht gedacht hätten u n d „ h a d absolutely no common intention w i t h regard to [them]". U N Doc. A/CONF. 39/C. 1/SR. 33. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Fälle, w o die Parteien sich zu einer bestimmten Frage zwar auch keine gemeinsame Auffassung gebildet hätten, doch jede Partei die Angelegenheit i n der Hoffnung habe ruhen gelassen, die Frage würde, sollte sie i n der Praxis überhaupt jemals strittig werden, i n i h r e m Sinn entschieden werden. — Daß es a u d i hier offenbar nicht u m hermeneutische, sondern u m — wenngleich durch lange T r a d i t i o n vielleicht bereits unbewußt gewordene — politische Anliegen geht, die den common lawyer Sinclair f ü r den textual approach Stellung beziehen lassen, zeigt der Umstand, das Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 229, den Sitz dieser H a l t u n g ins positive Recht verweist: „Das englische Recht kennt ein, auf Gewohnheitsrecht beruhendes, dem Kontinentalen fast unverständliches Verbot der historischen Gesetzesauslegung." (Hvhbg. v o m Verf.) 20 Offenbar i n diese Richtung zielt auch Bernhardt, w e n n er sagt (Auslegung [1963], 58): „Selbstgenügsamkeit des (vermeintlich oder wirklich) klaren Vertragstextes oder umfassende Suche nach dem Gewollten — das sind die Grundpositionen."

6*

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3. T e i l : Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

Dies ist von mehrfacher Bedeutung. Erstens heißt es, daß die Konvention — jedenfalls was die Auslegung anlangt — nicht zwischen rechtssetzenden Verträgen (den Vereinbarungen, sog. law making-treaties) und rechtsgeschäftlichen Verträgen (völkerrechtlichen Kontrakten, sog. treaty contracts) unterscheidet 21 . Das mag fürs erste überraschen, vor allem, wenn man dies mit innerstaatlichen Auslegungsregelungen vergleicht. Nehmen w i r ζ. B. das österreichische ABGB. Was die Auslegung von Gesetzen, also generell-abstrakter Normen, anlangt, so ist dieselbe durch den § 6 geregelt. Für die Auslegung von Verträgen kommen hingegen i n erster Linie die §§ 914 und 915 i n Frage. Für sie ist also i m ABGB jedenfalls formell eine besondere Regelung vorgesehen. Trotzdem ist der Unterschied zwischen innerstaatlichem und Völkerrecht auch hier nicht so groß, wie man fürs erste annehmen könnte. I m Gegenteil: Zieht man den Umstand i n Betracht, daß der § 914 ABGB 1. Satz i n seiner alten Fassung wie folgt gelautet hat: „Die i m ersten T e i l (§ 6) i n Hinsicht auf die Auslegung der Gesetze angeführten allgemeinen Regeln gelten auch f ü r Verträge" 2 2 ,

und schließt man sich der Auffassung des Kommentators 2 3 an, „[daß] die Verweisung auf die Vorschriften über Gesetzesauslegung verblüffenderweise zum gleichen Ergebnis [führt] w i e der [durch die D r i t t e Teilnovelle] novellierte § 914",

so verschwindet der Unterschied zwischen innerstaatlichem Recht und Völkerrecht i n diesem Bereich wiederum vollends. Die unterschiedslose Behandlung von rechtssetzenden und rechtsgeschäftlichen Verträgen durch die W V K dokumentiert damit nur, um nochmals den Kommentar zu zitieren 2 4 , „die tiefe Einsicht, daß die Auslegung bei Gesetz u n d Rechtsgeschäft i m wesentlichen dieselbe Aufgabe h a t " 2 5 .

Neben diesem Ergebnis kommt dem Umstand, daß die W V K nur eine Grundregel für die Auslegung kennt, darüber hinaus noch Bedeutung für die Frage zu, ob die Konvention selbst die Interpretationsregeln in 21

Vgl. zu dieser Unterscheidung Verdross, Völkerrecht (5. Aufl. 1964), 143. Zit. i n Klang / Gschnitzer, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (2. Aufl.) I V / 1 (1968), 400. 23 Gschnitzer, ibid. 2 * Ibid. 25 Andere Auffassung bei Cavare, Le droit international public positif I I (1962): „ E n droit interne des règles ont été progressivement élaborés. Elle diffèrent pour les contracts et pour les lois"; ohne daß der A u t o r diese Behauptung aber substantiiert. 22

I I I . Der Interpretationskanon der W V K

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eine gewisse Rangordnung bringen w i l l ; und wenn ja, i n welche. Darauf w i r d etwas später eingegangen werden. A u f die Einzigkeit der Grundregel weist schon der Titel des A r t . 31 — „General rule of interpretation" 2 6 —, also die Verwendung des Singulars „rule" anstelle des Plurals „rules", hin 2 7 . Diese Regel lautet: „ E i n Vertrag ist nach Treu u n d Glauben i n Ubereinstimmung m i t der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen i n i h r e m Zusammenhang zukommenden Bedeutung u n d i m Lichte seines Zweckes u n d Zieles auszulegen."

Die Grundregel, die uns i n der Tat an § 6 ABGB erinnert, aber auch an das Moment der „Redlichkeit", das i n § 914 für die Auslegung von Verträgen reklamiert w i r d 2 8 , läßt sich i n verschiedene Elemente zerlegen. 1. Die Pflicht zur bona fides Zum ersten verweist sie auf die Verpflichtung zur Beobachtung der bona fides . Wie w i r gesehen haben, handelt es sich hierbei nur um eine uneigentliche Auslegungsregel. Obzwar sie sich i m Grunde von selbst versteht, wurde ihre ausdrückliche Aufnahme doch als ausreichend wichtig erachtet, u m von vornherein jedem Versuch einer Partei, einen Vertrag i n spitzfindiger Weise zum Nachteil ihres(r) Partner(s) auszulegen, selbst den Schein der Rechtmäßigkeit zu nehmen. Das latente Unbehagen m i t den Ergebnissen der herkömmlichen Methodologie auf dem Interpretationssektor hat auf der Konferenz dazu geführt, daß dieser Teil der Grundregel, also die Verpflichtung zu einem Vorgehen bona fi, de, mehrfach sogar als ausreichend angesehen wurde. Treu und Glaube, so wurde gesagt, verpflichte die Parteien nicht nur ganz allgemein, bei der Vertragsauslegung nicht willkürlich vorzugehen und vom „wahren" Sinn des Vertrages wissentlich abzuweichen, sondern verhalte die Parteien auch dazu, solche Interpretationsmittel heranzuziehen, die geeignet seien, den Sinn des Vertrages auch tatsächlich zu ermitteln 2 9 . Damit stelle die Verpflichtung, bei der Inter26 „Allgemeine Auslegungsregel" i n der von den deutschsprachigen Staaten gemeinsam erarbeiteten, noch inoffiziellen Übersetzung der W V K , auf die auch i n der Folge f ü r den deutschen Text gegriffen w i r d . 27 Diese Auffassung findet auch i m Kommentar zum ILC-Draft , A r t . 27, Zoe. cit., 219, Stütze, wo es heißt: "The Commission, by heading the article 'General rule of interpretation' i n the singular . . . intended to indicate that the application of the means of interpretation i n the article w o u l d be a singled combined operation." 28 H i e r dem auf diesen P u n k t schon beinahe insistierenden B G B folgend; vgl. Gschnitzer, i m Kommentar zum A B G B I V / 1 (1968), 399 f. 29 Insoweit hier von „Interpretationsmittel", nicht etwa v o n „ I n t e r p r e tationsregeln" die Rede ist, ist diese Auffassung zu bejahen; leitet sie doch

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

pretation nach Treu und Glauben vorzugehen, gleichzeitig eine formelle und eine materielle Bestimmung dar. Dieser Auffassung, daß der Hinweis auf Treu und Glauben für Interpretationszwecke ausreichend sei, stand jene entgegen, welche davon ausging, daß man bei einer Beschränkung auf die Nennung des Grundsatzes der bona fides gleich von der Aufnahme einer Interpretationsregelung in die Konvention absehen könne, weil ein Vorgehen bona fide i m Völkerrecht ohnedies immer präsumiert werden müsse. Von dieser letzteren, durchaus richtigen Einsicht 3 0 ausgehend, zogen die Verfechter dieser Auffassung aber den von der herkömmlichen Methodologie bestimmten Schluß, daß — solle die Konvention zur Implementierung, nicht bloß zur Wiederholung dieses Grundsatzes führen — es notwendig sei, auch zu sagen, welche konkreten Interpretationsweisen diesem Grundsatz von Treu und Glauben tatsächlich entsprächen. Wenn daher die Grundregel für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge i m Sinne dieser zweiten Auffassung weitere Elemente enthält, die bestimmen sollen, was als Interpretation bona fide anzusehen sei, so ist dies auf die verfehlte Vorstellung zurückzuführen, den Parteien könne i m Wege von „Interpretationsregeln" eine „richtige" Ansicht von der Sache vorgeschrieben werden, die der betreffende Vertrag zum Gegenstand hat. 2. Die ordinary

meaning-rule

Das wichtigste dieser Elemente — und formal i m Gegensatz zu den folgenden das allein eigenständige — ist die sog. ordinary meaningrule n. Diese „gewöhnliche" Bedeutung der i m Vertrag gebrauchten Worte — in einem früheren Entwurf war von der „natürlichen" Bedeutung die Rede gewesen 32 — ist aber nicht isoliert festzustellen: ausaus der Verpflichtung zum Vorgehen bona fide gerade keine bestimmten „Auslegungsregeln" ab. 30 U n d auch v o n uns geteilten; vgl. oben, I I , samt A n m . 9. 31 Schon i n der J u d i k a t u r des Weltgerichtshofs hat die „natürliche" oder „gewöhnliche" Bedeutung eines Wortes eine Rolle gespielt. Vgl. dazu das U r t e i l des S t I G i m Chorzow-Fall, Zuständigkeit i n der Entschädigungsfrage, PCIJ-Publications (1927), Ser. A , No. 9, 24; i m Lotus-Fall, PCIJ-Publications (1927), Ser. A, No. 10,16; dann i m Polnische Kriegsschiffe im Hafen von DanzigFall, PCIJ-Publications (1931), Ser. A / B , No. 43, 142 f.; schließlich i m Deutsche Interessen in Oberschlesien-Fall, PCIJ-Publications (1926), Ser. A , No. 7. Vgl. dazu auch das Gutachten des I G über die Zuständigkeit der GV zur Aufnahme in die VN, ICJ-Reports 1950, 8. 32 Vgl. den D r i t t e n Bericht Sir Humphrey Waldocks, Y B I L C 1964/11, 52. Hier waltete offenbar die Vorstellung, w i e die Sache eine „ N a t u r " , so habe sie auch — wegen der grundsätzlich allgemeinen Zugänglichkeit u n d wesentlichen Erfaßbarkeit dieser N a t u r — i m allgemeinen Sprachgebrauch eine „natürliche" Bedeutung. Z u r dahinter stehenden juristischen Problematik vgl. Schambeck, „Der Begriff der ,Natur der Sache'", 10 (NF) ÖZöR (1960), 452ff.; ders., Der

I I I . Der Interpretationskanon der W V K

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drücklich wandten sich der Schöpfer des ILC-Drafts und Expert Consultant der Konferenz 3 3 sowie einzelne Delegierte gegen die Auffassung, die „gewöhnliche" Bedeutung eines Wortes könne zum Zwecke der Vertragsauslegung i n erster Linie durch Nachschlagen i m Wörterbuch ermittelt werden 3 4 . Sie ergibt sich vielmehr aus dem Textzusammenhang 3 5 i m Lichte von Zweck und Ziel des betreffenden Vertrags. Dies w i r d noch durch die i n A r t . 31 Zif. 4 niedergelegte — wenngleich überflüssige, da selbstverständliche — Bestimmung unterstrichen, daß einem Wort dann eine besondere, d. h. von der „gewöhnlichen" abweichende Bedeutung beizulegen sei, wenn es feststehe, daß die Parteien dies beabsichtigt hätten 3 6 . Liest man die beiden Bestimmungen — also A r t . 31 Zif. 1 und Art. 31 Zif. 4 — zusammen, so gilt, daß zuerst auf die „gewöhnliche" Bedeutung eines Wortes zurückzugreifen ist. Hat ein Wort mehrere solcher „gewöhnlicher" Bedeutungen, so ist sodann jene zu wählen, die sich sinnvoll i n den Textzusammenhang einfügt, und auf die der i m Vertrag geregelte Gegenstand und der m i t dem Vertrag angestrebte Zweck — wie die Konvention sagt: Zweck und Ziel des Vertrages — hinweisen. Schließlich ist zuletzt anstelle der „gewöhnlichen" eine besondere Bedeutung eines Wortes anzunehmen, wenn die Parteien dies beabsichtigten. Dies hat wohl nicht bloß bei ausdrücklichem diesbezüglichen Hinweis 3 7 , sondern auch dann zu erfolgen, wenn die Sonderbedeutung allein zu einem sinnvollen Ergebnis der Auslegung führt. Begriff der „ N a t u r der Sache". E i n Beitrag zur rechtsphilosophischen G r u n d lagenforschung (1964); sowie die i n dem von Kaufmann hrsg. Sammelband, Die ontologische Begründung des Hechts (1965), enthaltenen Beiträge. 33 Sir Humphrey Waldock i m 33. Meeting des CWh, U N Doc. A/CONF. 39/ C. 1/SR. 33: " . . . nothing could have been further f r o m the Commission's intention t h a n to suggest that words had a 'dictionary' or intrinsic meaning i n themselves . . . " 34 E t w a der griechische Vertreter Krispis i m 32. Meeting des CWh, U N Doc. A/CONF. 39/C. 1/SR. 32. 35 So auch das I L C - M i t g l i e d de Luna i m 870. Meeting der I L C , Y B I L C 1966 1/2, 185: " . . . terms had an ordinary meaning only i n the context i n which they were used. The meaning of words was dependent on their context . . . " Entsprechend auch Rosenne, ibid., 188: "Words had no ordinary or m u t u a l meaning i n isolation f r o m their context and other elements of interpretation." 3β I n diesem Sinn sagte Richter Kaufmann i n Lisi v. Alitalia, 370 F. 2 d 508 (2d. Cir. 1966): " I t is apparent that A l i t a l i a relies on a l i t e r a l reading of the [Warzaw] Convention [1929] for its assertions. We reject the i n t e r pretation i t urges upon us. While i t is true that the language of the Convention is relevant to our decision, i t must not become . . . a 'verbal prison' . . . The task of ascertaining the meaning of the words is difficult, and one certain w a y of misinterpreting t h e m is b y l i t e r a l reading. As Learned H a n d put it, 'words are such temperamental beings that the surest w a y to lose their essence is to take t h e m on their face'." 37 E t w a i n einem A r t i k e l „Use of terms".

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

I n diesem Fall kann nämlich die entsprechende Absicht der Parteien präsumiert werden. Zur ordinary meaning-rule treten akzessorisch zwei nähere Bestimmungen hinzu. Der Vertrag, so sagt A r t . 31 Zif. 1, sei nämlich nach jener gewöhnlichen Bedeutung auszulegen, die den Wörtern 3 8 erstens i n ihrem Zusammenhang und zweitens i m Lichte von Zweck und Ziel des Vertrages beizulegen i s t 3 8 a . 3. Object and purpose W i r gehen zuerst kurz auf letzteren Teil der Bestimmung ein. Die Formel „object and purpose of a treaty" ist zuerst durch den I G i m Rechtsgutachten über die Zulässigkeit von Vorbehalten zur Völkermordkonvention aus 1951 39 berühmt gemacht worden. Sie gehört seit damals zum stehenden Repertoire der Vertragsrechtssprache vor allem i n Zusammenhang m i t Vorbehalten, taucht aber auch i n anderen Zusammenhängen — wie hier bei der Vertragsauslegung — immer wieder auf. I h r Nutzen ist hier allerdings weitaus geringer. Zwar kann kein Zweifel bestehen, daß i n bestimmten, i m Laufe des Interpretationsprozesses möglicherweise auftretenden Fällen die Vergegenwärtigung von Zweck und Ziel, dessen, was die Parteien m i t dem Vertrag verwirklichen wollten, zur Auslegung einer bestimmten Wendung i m Vertrag hilfreich sein kann. Andererseits aber kann Zweck und Ziel eines Vertrages, sobald man einmal das Auslegungsstadium erreicht hat, nach dem i n der W V K gewählten approach zum Auslegungsproblem, legitimerweise ebenfalls nur jenen Anhaltspunkten entnommen werden, die der Vertragstext als Hinweis auf die von i h m intendierte Sache gibt. 38 Während die (provisorische) Übersetzung der deutschsprachigen Staaten „Bestimmungen" gibt, hat der englische Text „terms", was w o h l besser m i t „ W ö r t e r n " oder „ T e r m i n i " zu übersetzen wäre. I m übrigen w a r erst i n der Endredaktion der I L C der Ausdruck „words" durch „terms" ersetzt worden, m i t der Begründung, es handle sich i n juristischen Texten nicht u m Wörter schlechthin, sondern u m solche der Rechtssprache, also u m termini technici. Dem ist entgegenzuhalten, daß auch i n juristischen (hier: i n Vertrags-) Texten n u r ein verschwindend kleiner Prozentsatz von W ö r tern vorkommt, die einer besonderen Rechtssprache angehören, während der weitaus überwiegende T e i l aller verwendeten Wörter i n Gebrauch u n d Bedeutung der Alltagssprache entnommen sind. Da auch diese „auszulegen" sind, hätte man beim ursprünglichen Ausdruck „words" bleiben sollen. 38a I n diesem Zusammenhang wies der polnische Delegierte Nahlik i m 32. Meeting des C W h darauf hin, daß der V o r w u r f nicht zutreffe, die I L C habe zugunsten des textual den intentional u n d den functional approach der Interpretation vernachlässigt. Vielmehr müsse i m Element des „Zusammenhanges" ein Hinweis auf den international, i m Element des „Zweckes u n d Zieles" ein Hinweis auf den functional approach gesehen werden. 3 » ICJ-Reports 1951, 15 ff., bes. 24.

I I I . Der Interpretationskanon der W V K

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Dieser A r t hier auftretenden hermeneutischen Zirkels 4 0 ist m i t bloßer Auslegung des Vertragstextes allein nicht beizukommen. Muß aber das Ergebnis — oder besser: ein Ergebnis — des Interpretationsverfahrens (nämlich die von den Parteien m i t dem Vertrag verfolgte Absicht) zum Zwecke eben dieser Interpretation schon vorweg als feststehend angenommen und damit vorausgesetzt werden, so zeigt sich, daß der Hinweis auf object and purpose i m Rahmen der von der W V K gebotenen Auslegungsgrundregel den Interpretationskanon der Konvention durchbricht, weil Zweck und Ziel eines Vertrages eben gerade nicht unter Anwendung dieses Kanons gewonnen werden können. 4. Der Zusammenhang I m Gegensatz dazu ist der Hinweis darauf, daß die „gewöhnliche" Wortbedeutung den Zusammenhang zu berücksichtigen hat, eine „echte" Interpretationsregel 41 . Wie schwer man sich dabei i m Rahmen der herkömmlichen Methodologie mit der adäquaten Formulierung hermeneutischer „Regeln" tut, zeigt das krampfhafte Bemühen um die rechte Bedeutung dieses Wortes — context/Zusammenhang — i m Rahmen des Auslegungskanons der W V K . Das Ergebnis dieser Bemühungen klar zu machen, erscheint u m so notwendiger, als der „Zusammenhang" hierbei offenbar zu einer von der „gewöhnlichen" Bedeutung abweichenden, also besonderen Bedeutung gekommen ist. 40 Hier sei noch ein kurzes W o r t zu einem der Liebkinder der hermeneutischen Überlegungen i m allgemeinen u n d damit auch der Überlegungen zur „juristischen" Hermeneutik i m besonderen, dem sog. hermeneutischen Zirkel, gesagt. Wie häufig, so ist auch hier der Ausdruck nicht viel mehr als eine Chiffre, unter der alles Mögliche verstanden w i r d . Bei Gadamer , Wahrheit u n d Methode (2. Aufl. 1965), 250 ff. u n d passim, handelt es sich beim hermeneutischen Z i r k e l u m die Wechselwirkung zwischen dem V e r stehen des Teils aus dem Ganzen u n d des Ganzen aus den Teilen. 'Bei Larenz, Methodenlehre (3. Aufl. 1975), 183 ff. u n d passim, hingegen geht es nicht bloß u m die Wechselwirkung zwischen dem Ganzen u n d seinen Teilen, sondern auch u m einen Beitrag des Verstehen wollenden, der jeweils aufgrund des letzten Eindrucks einen neuen „ V o r w u r f " des zu Verstehenden macht (hermeneutische Spirale). So oder so ist aber der hermeneutische Zirkel, derart verstanden, ein vitioser. I n Wahrheit ist auch eine Teilansicht immer die Ansicht der betreffenden Sache schlechthin und insoweit der Sache als Ganzen, die sich so i n ihrer immanenten Vernünftigkeit erschließt. W i l l man hier ein B i l d heranziehen, so könnte man sagen: linear (was den E r kenntnis v o r - bzw. -fortgang anlangt); dimensional (was die Sache betrifft). Das B i l d des Zirkels oder der Spirale ist dagegen verfehlt. — N u r das V e r stehen der Sache, von der der T e x t handelt, f ü h r t zu dessen Verstehen als Ganzem u n d i n seinen Teilen. A n i h r hat sich daher auch die Auslegung zu orientieren. 41 A u f sie hat u. a. der I G i n seinem Gutachten betreffend die Zusammensetzung des Maritime Safety Committee der IMCO, ICJ-Reports 1960, 150 ff., auf 158, hingewiesen: " [ A ] w o r d obtains its meaning f r o m the context i n which i t is used. I f the context requires a meaning which connotes a wide choice, i t must be construed accordingly, just as i t must be given a restrictive meaning i f the context i n which i t is used so requires."

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

I m allgemeinen versteht man nämlich unter „Zusammenhang" in Verbindung mit einem Text die Stellung eines Wortes oder einer Wortgruppe i m Satz oder i m gesamten Text des Vertrages 42 . Das Wort context — wie es i n A r t . 31 W V K gebraucht w i r d — geht aber weit über diese Bedeutung hinaus. Zwar umfaßt auch dieser context den Text einschließlich der Präambel und allfälliger Annexe 4 3 ; dazu kommen jedoch weiters alle zwischen den Parteien i m Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß sonst noch geschlossenen Ubereinkommen 4 4 und alle darauf bezüglichen Erklärungen, soweit diese nur von allen Vertragsparteien als solche angenommen worden sind 4 5 . Damit w i r d die Bedeutung des Wortes „Zusammenhang" i n dieser Bestimmung schon über den „gewöhnlichen" Sinn hinaus erstreckt. Die Grundinterpretationsregel der W V K w i l l aber diese Bedeutung i n Wahrheit noch weiter ausgedehnt wissen, ohne daß man allerdings gewagt hat, sich noch mehr vom gewöhnlichen Wortsinn zu entfernen. A r t . 31 Zif. 3 bedient sich daher einer besonderen Konstruktion, um diesen Zweck zu erreichen. Formell stellt er sich nämlich als eine Ergänzung der i n Ziff. 1 gegebenen Grundregel dar, materiell ist er aber tatsächlich eine weitere Ausdehnung der Bedeutung des Wortes context. Es sollen nämlich — wie die Bestimmung wörtlich sagt: „together w i t h the context", tatsächlich aber als Teil desselben — ebenfalls noch i n Berücksichtigung gezogen werden: alle dem Vertragsabschluß nach42 So auch Reuter i m 870. Meeting der I L C : " . . . the t e r m 'context' meant the text of the treaty as a whole i n its relation to a provision i n particular." 43 "That the preamble forms part of a treaty for purposes of i n t e r pretation is too w e l l settled to require comment, as is also the case w i t h documents which are specifically made annexes to the treaty." ILC-Draft, Kommentar, loc. cit., 221. Dazu auch You, „L'interprétation des traités et le rôle d u préambule des traités dans cette interprétation", 20 HDISPD (1942), 25 ff. 44 I m Arab atielos-F all w a r zwischen dem Vereinigten Königreich u n d Griechenland strittig, ob eine a m selben Tag w i e der zwischen ihnen geschlossene Treaty on Commerce and Navigation unterzeichnete E r k l ä r u n g als T e i l des Vertrags zu betrachten sei. Der I G entschied, daß „ [ t ] h e intention of the Declaration was to prevent the new Treaty f r o m being interpreted [in a certain w a y ] . . . Thus, the provisions of the Declaration are i n the nature of an interpretation clause, and, as such, should be regarded as an integral part of the Treaty, even if this was not stated i n terms". I C J Reports 1952, 44. 45 Der Text v o n A r t . 31 Zif. 2 lit. b spricht von „any instrument . . . made . . . and accepted" (in der inoffiziellen Übersetzung der deutschsprachigen Staaten: „jede U r k u n d e . . . abgefaßt u n d angenommen . . . " ) ; da es sich aber u m einen einseitigen A k t bzw. einseitige A k t e handeln muß, die erst der Annahme durch die anderen Parteien bedürfen, sind unter „instruments" w o h l Erklärungen i n Schriftform zu verstehen. I m übrigen ist die Übersetzung von „instrument" m i t „ U r k u n d e " unglücklich; nicht nur, w e i l die „gewöhnliche" Bedeutung von Urkunde gegenüber jener von „instrument" v i e l zu farblos ist, sondern auch deshalb, w e i l ein „ i n s t r u m e n t " u . U . aus mehreren Urkunden bestehen kann.

I I I . Der Interpretationskanon der W V K

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folgenden bezüglichen Abkommen zwischen den Parteien, jede einschlägige Vertragspraxis 4 6 und schließlich jede für die Beziehungen der Parteien untereinander relevante Norm des Völkerrechts überhaupt 4 7 . Der Grund dafür, daß diese Interpretationsobjekte formell außerhalb des „Zusammenhanges" bleiben, wenngleich sie gemeinsam m i t i h m heranzuziehen sind, liegt wohl darin, daß man nicht als Zusammenhang eines Vertrags bezeichnen wollte, was zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht (nämlich die nachfolgenden Abkommen und die Anwendungspraxis) oder noch nicht notwendigerweise (etwa jede relevante Völkerrechtsnorm) gegeben ist. Damit ist der von der W V K intendierte Rahmen für eine völkerrechtliche Vertragsinterpretation prinzipiell abgesteckt. Die W V K verweist zum Zwecke der Auslegung grundsätzlich auf den/die von den Parteien gemeinsam erarbeiteten oder doch von allen angenommenen Text/Texte, daneben auf jene Praxis, die diesen Texten nachfolgt und als deren Ausgangspunkt wiederum diese Texte anzusehen sind, die damit zum A und Ο jeder Vertragsauslegung werden 4 7 a . Die insoweit i n der W V K gegebenen Interpretationsregeln sind hermeneutische „Regeln". Über ihren Wert und ihre Verbindlichkeit ist durch diese Feststellung i n Verbindung mit dem i m Zweiten Teil Gesagten abgesprochen. Da sich kein hermeneutischer Interpretationskanon normieren läßt, fehlt es auch an der Möglichkeit, in abstracto über die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser „Regeln" zu urteilen. Nur i n Zusammenhang m i t einem konkreten Fall kann sich erweisen, ob die „Interpretationsregeln" der W V K jeweils den Auslegungs- und Verstehensvorgang adäquat beschreiben. 46 Was diese Praxis anlangt, so hält der Kommentar zum ILC-Draft, loc. cit.y 221, die Bedeutung derselben für „obvious; for i t constitutes objective evidence of the understanding of the parties as to the meaning of the treaty". M i t Verweisung auf den Russian Indemnity Case, U N R I A A X I , 443, w o der Ständige Haager Schiedshof der Auffassung Ausdruck verlieh, daß l'éxecution des engagements est, entre États, comme entre particuliers, le plus sûr commentaire d u sens de ces engagements". Vgl. auch CIC can. 29: „Consuetudo est optima legum interpres." 47 Frühere Entwürfe hatten auf die zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden Völkerrechtsnormen abgestellt; einer K r i t i k i m Rahmen der I L C folgend (vgl. Y B I L C 1966 1/2, 185, u n d passim), hat Sir Humphrey Waldock die zeitmäßige F i x i e r u n g solcher Normen fallen lassen. Daß es sich hiebei nicht u m „general rules of international l a w " , w o h l aber u m solche handeln muß, die zwischen den bzw. f ü r die Parteien des Vertrags gelten („ »common4 to the parties"), hat Tsuruoka i m 871. Meeting der I L C , Y B I L C 1966 1/2, 197, richtig festgestellt. 47a Z u m textual approch vgl. auch McDougal , „The international L a w Commission's Draft Articles Upon Interpretation: T e x t u a l i t y Redivivus", 61 A J I L (1967), 992.

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969 B. Ergänzende Auslegungsmittel

A n diesem Punkt erhebt sich nun die Frage: Wie steht es um die Relevanz der vorausgehenden Praxis der Staaten, wie sie sich etwa i n den travaux préparatoires niedergeschlagen hat oder i n den Umständen des Vertragsabschlusses zum Ausdruck gekommen sein mag, für die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags? Gegen ihre Einbeziehung wurde auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz Sturm gelaufen. Als Grund hierfür wurde vor allem geltend gemacht 48 , daß die erschwerte Zugänglichkeit dieses Materials es als wünschenswert erscheinen lasse, von seiner Benützung ganz abzusehen. Anderenfalls wären nämlich jene Staaten, die entweder von Anfang an Vertragsparteien seien oder sich doch die Materialien — wenngleich unter großen Kosten und Mühen — später zugänglich machen könnten, jenen i n der Folge zu einem Vertrag hinzutretenden Staaten gegenüber i m Vorteil, welche die entsprechenden Kosten nicht aufbringen könnten. Der Verzicht auf eine dem Vertragsabschluß vorangehende vertragsbezügliche Staatenpraxis, wie sie sich vor allem i n den travaux préparatoires niederschlagen würde, habe daher eine Schutzfunktion zugunsten der neuen Staaten und der Staaten der Dritten Welt 4 9 . Allerdings muß man sagen, daß der Weg zu einer korrigierenden Auslegung eines für sich klaren Textes aufgrund gegenteiliger Schlüsse aus den travaux préparatoires schon vom StIG versperrt war 5 0 . Obwohl dessen Haltung i n diesem Punkt innerhalb und außerhalb des StIG auf scharfe K r i t i k gestoßen ist, hat sie dennoch die weitere Judikatur des Weltgerichtshofs entscheidend beeinflußt 51 und ist auch sonst (zumeist mit Erfolg) gegen eine weitergehende Heranziehung solcher Materialien ins Treffen geführt worden 5 2 . 48

Es mag dahingestellt bleiben, i n w i e w e i t die Bemerkung El Erians i m 873.Meeting der I L C , Y B I L C 1966 1/2, 204, zutrifft, der v o n „the bias of most English lawyers [und alle vier Berichterstatter der I L C für das V e r tragsrecht können als English lawyers angesehen werden; A n m . des Verf.] against preparatory w o r k " spricht. Vgl. dazu die bzgl. Stellungnahme von Seiten des Delegierten des V K , Sinclair: " . . . preparatory w o r k was almost invariedly confusing, unequal and partial . . . I f preparatory w o r k were to be placed on equal footing w i t h the t e x t of the treaty itself, there w o u l d be no end to debate at international conferences." 49 Dem hielt Tsuruoka i m 872. Meeting der I L C , Y B I L C 1966 1/2, 200, seine eigene Erfahrung entgegen, daß „States subsequently acceding to a treaty d i d not show any hesitation i n m a k i n g use of the preparatory w o r k done at a conference i n which they had not participated". so Vgl. oben, Erster Teil, V, Β , 1. 51 Vgl. etwa das Gutachten des I G i n der Frage der Zusammensetzung des Maritime Safety Committee der IMCO, ICJ-Reports 1960, wo es 159 f. heißt: " I t is only if, w h e n [the words are read i n their natural and ordinary meaning they w o u l d normally have i n their context], the words of the article are ambiguous i n any w a y that resort be had to other methods of construction . . . "

I I I . Der Interpretationskanon der W V K 1. Die ihnen von der Vertragsrechtskonvention

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Wiener

zugewiesene

Rolle

Diese A u f f a s s u n g h a t sich schließlich auch a u f der W i e n e r V e r t r a g s rechtskonferenz durchgesetzt. I n diesem S i n n b e s t i m m t d i e W V K i n i h r e m A r t . 32, daß m a n sich a u f d i e travaux préparatoires , die U m s t ä n d e des Vertragsabschlusses u n d ü b e r h a u p t a u f sog. ergänzende A u s l e g u n g s m i t t e l n u r d a n n z u r E r m i t t l u n g des S i n n s s t ü t z e n d ü r f e 5 3 , w e n n dieser a n d e r n f a l l s d u n k e l o d e r m e h r d e u t i g b l i e b e oder das E r gebnis o f f e n s i c h t l i c h 5 4 s i n n w i d r i g oder u n v e r n ü n f t i g w ä r e 5 5 . D a r ü b e r hinaus dürfen die H i l f s m i t t e l der Vertragsauslegung n u r dazu herangezogen w e r d e n , u m das i n A n w e n d u n g d e r b l o ß e n T e x t a u s l e g u n g e r z i e l t e E r g e b n i s z u b e s t ä t i g e n 5 6 , n i c h t dagegen, u m dieses z u k o r r i g i e ren. Daß letzteres, also K o r r e k t u r des i n A n w e n d u n g der G r u n d i n t e r p r e t a t i o n s r e g e l e r z i e l t e n Ergebnisses d u r c h ergänzende A u s l e g u n g s m i t t e l , ausgeschlossen sein müsse, ist i n d e r I L C i m m e r w i e d e r , z u l e t z t

62 Hier läßt sich nach Auffassung des Verf. trefflich jene Stelle aus Goethes Faust, Erster Teil, zitieren, nach der sich „Gesetz u n d Recht w i e eine ew'ge K r a n k h e i t " forterben u n d „ V e r n u n f t . . . Unsinn, Wohltat Plage" w i r d , wenngleich der Dichter dabei w o h l k a u m Methodenfragen, vor allem jene der Auslegung, i m Auge gehabt haben dürfte. 5 3 Erfolglos wandten sich auf der Konferenz die VSt gegen eine Trennung der Bestimmungen von A r t . 27 u n d 28 des Entwurfs (jetzt 31 u n d 32 der W V K ) , w e i l „the text of those articles, as adopted by the International L a w Commission, embodied over-rigid and unnecessarily restrictive requirements" ; dieses System „was . . . not an expression of existing rules of international l a w " . 54 Wie sehr, verstrickt man sich i m methodologischen Auslegungsgehege, selbst Offensichtliches umstritten u n d Nichtoffensichtliches zu Offensichtlichem erklärt werden kann, zeigt der Beschluß der Europäischen Menschenrechtskommission i m Iversen-Fall, No. 1468/62, v o m 17. Dezember 1963, 6 Jahrbuch (1963), 278, w o die Beschwerde m i t 6 gegen 4 Stimmen als „manifestly ill-founded" zurückgewiesen wurde (wobei sich die Mehrheit aber i n der Begründung nicht einig war). Stellt man i n Rechnung, daß die Kommission i n einem früheren F a l l ausgesprochen hatte, „manifestly ill-founded" liege n u r vor, w e n n kein vernünftiger Mensch anderer A u f fassung sein könne, so ist der Beschluß i m Iversen-Fall f ü r die Minderheit wenig schmeichelhaft, gleichzeitig aber auch ein Beweis dafür, wie schwierig es ist, m i t den herkömmlichen Regeln zu Ergebnissen zu gelangen, die gegebenenfalls nicht zu einer Kongruenz von Offensichtlichem u n d Unsinnigem respektive Nicht-Offensichtlichem bzw. Nicht-Unsinnigem führen. 55 Tsuruoka hat i m 872. Meeting der I L C darauf hingewiesen, „ t h a t there was a certain lack of cohesion and logical sequence i n articles [jetzt: 31 u n d 32 W V K ; A n m . des Verf.]. I f an interpretation had been made i n conformi t y w i t h the provisions of [jetzt A r t . 31 u n d 32 W V K ; A n m . des Verf.], that was not to say i n the l i g h t of object and purpose of the treaty, i t wasi difficult to see how i t could lead to a result which was ,manifestly absurd or unreasonable' i n the l i g h t of the object and purpose of the treaty." Vgl. ganz allgemein hiezu Briggs, „The Travaux Préparatoires of the Vienna Convention on the L a w of Treaties", 65 A J I L (1971), 705 ff. δβ Vgl. den Kommentar zum ILC-Draft, loc. cit., 223.

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

auch i m Kommentar zur endgültigen Fassung des Konventionsentwurfes 5 7 , betont worden 5 8 . Man kann nun dieses Verbot des Art. 32, ergänzende Auslegungsmittel (außer unter ganz bestimmten Umständen) heranzuziehen, systemimmanent und systemtranszendent zu deuten versuchen. Systemimmanent — also i m Rahmen des Interpretationskanons der W V K — erhebt sich nämlich die Frage, was i n diesem Fall die Heranziehung von Materialien aus der Zeit vor dem Vertragsabschluß überhaupt soll. Zur bloßen Stützung eines schon anderweitig gefundenen Ergebnisses sind sie ja offenbar entbehrlich, zu einer Korrektur hingegen ohnedies nicht zugelassen. Es scheint daher, daß die Bestimmung — so betrachtet — nichts anderes ist, als eine Konzession an das psychologisch verständliche Sicherheitsbedürfnis gerade jener, die eine Heranziehung dieser Materialien grundsätzlich nicht zulassen wollen. Es erlaubt ihnen nämlich ein Hinüberschielen i n ihrer Auffassung nach nichtinterpretationswürdige Materialien 5 9 , durch das sie sich eine Bestätigung der Ergebnisse erhoffen, die sie auf der Grundlage ihrer künstlich eingeengten Auslegungsbasis erzielt haben 60 . Zur Frage schließlich, was zu geschehen habe, falls die Heranziehung der genannten Materialien gegen alles Erwarten anstatt zur Bestätigung zur Korrektur des ursprünglich gewonnenen Ergebnisses führen müßte, kann eigentlich nur nur gesagt werden, daß diese Frage von der Konvention nicht offengelassen worden ist. I n einem solchen Fall ist nämlich diese Heran57 Ibid . Es heißt dort: "The w o r d 'supplementary' emphasizes that article 28 does not provide for alternative, autonomous means of interpretation . . δβ Allerdings sind auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz auch Stimmen i m gegenteiligen Sinn l a u t geworden. So vertrat f ü r Österreich Professor Zemanek den Standpunkt, die f ü r die Interpretationsbestimmungen notwendige F l e x i b i l i t ä t — die also offenbar nach Zemanek entgegen der herrschenden methodologischen Auffassung eine eigentliche „Regelung" der Auslegung nicht zuläßt — w ü r d e a m besten durch eine Verstärkung der Rolle der travaux préparatoires erreicht: "Preparatory w o r k was the key to the problem." U N Doc. A/CONF. 39/C. 1/SR. 33. δβ

Vgl. dazu die bezeichnenden Wendungen i m Kommentar des ILCDrafts : " . . . the provisions of article 28 b y no means have the effect of d r a w i n g a r i g i d line between the 'supplementary' means of interpretation and the means included i n article 27. The fact t h a t article 28 admits recourse to the supplementary means for the purpose of 'confirming' the meaning resulting f r o m the application of article 27 establishes a general l i n k between the t w o articles and maintains the u n i t y of the process of interpretation." 60 Richtig stellt daher schon Bernhardt für den Weltgerichtshof fest: „ I n . . . [den erwähnten] Urteilen u n d Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs hat dieser zwar die Entscheidungserheblichkeit der V o r arbeiten bei k l a r e m Vertragstext verneint, trotzdem aber einen Blick auf sie geworfen u n d erklärt, sie bestätigten das aus dem T e x t gewonnene Ergebnis oder widersprächen i h m jedenfalls nicht." Auslegung (1963), 62.

I V . Zusammenfassung

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Ziehung offenbar als konventions- und damit interpretationswidrig — allenfalls m i t geziemendem Bedauern — abzubrechen. Das hier erhaltene Ergebnis hinsichtlich der Regelung des A r t . 32 kann diese allerdings nicht als „richtig" oder „falsch", sondern nur als „zweckmäßig" oder „unzweckmäßig" qualifizieren. Hier w i r d eben jener Prozeß offenkundig, von dem gesagt worden ist, „die juristische Methodologie w[erde] dabei mehr oder weniger i n die Jurisprudenz hinein aufgelöst und die Frage nach den Kriterien der Richtigkeit einer ,Auslegung 4 zu der Frage nach der juristischen Maßgeblichkeit des jeweils vorgeschlagenen ,Auslegungszieles' gewissermaßen depraviert" 6 1 . 2. Ihre wahre Bedeutung Damit sind w i r bei der systemtranszendenten Deutung: Welche Bedeutung hat die Regelung des A r t . 32 W V K wirklich, sobald sie des hermeneutischen Scheins entkleidet und auf ihre politische Wertigkeit hin befragt wird? Hier weist die Diskussion auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz den Weg. Sie zeigt, daß m i t der Regelung des A r t . 32 eine Schutzbestimmung für neue und arme Staaten geschaffen werden sollte, für die man es als unzumutbare Belastung erachtete, sich Zugang zu den sog. ergänzenden Auslegungsmitteln verschaffen zu müssen. Dies ist ein klares internationales sozial-politisches Ziel und ist als solches für die Parteien und für jede sonst zur Beurteilung gerufene Instanz beachtlich, während die Bestimmung als bloß hermeneutische verfehlt und damit unbeachtlich wäre® 2. IV. Zusammenfassung Fassen w i r das Ergebnis unserer Analyse der Interpretationsbestimmungen der W V K zusammen, so können w i r feststellen, daß es sich als eine getreue Konsequenz aus den herrschenden Auffassungen über die Auslegung völkerrechtlicher Verträge darstellt und damit der traditionellen Methodologie gefolgt ist. Abgesehen davon, daß man es überhaupt unternehmen zu müssen geglaubt hat, die „Auslegung" völkerrechtlicher Verträge zu normieren, und weiters abgesehen davon, daß die der endgültigen Fassung der Regelung i n der I L C und auf der Konferenz vorangegangene ei Hruschka, Das Verstehen von Rechtstexten (1972), 89. Daß es sich hier tatsächlich nicht bloß u m eine verfehlte hermeneutische „Regel" handelt, zeigt der Umstand, daß der Ausschluß der travaux préparatoires zur paradoxen Situation führt, daß derjenige, der i m ungebrochenen Überlieferungszusammenhang steht, schlechter gestellt ist als der, der nicht i n diesem steht; k a n n er sich doch über die subjektive Lage des Partners von vornherein kein gesichertes U r t e i l bilden. 62

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3. Teil: Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge nach der W V K 1969

Diskussion weitgehend von der schiefen Fragestellung: Textinterpretation oder Ermittlung des wahren Parteiwillens beherrscht war, zeigt die Regelung auch sonst, wie die Schatten der traditionellen methodologischen Auslegungsdebatte die Ergebnisse, wie sie i m Interpretationskanon der W V K vorliegen, verdunkelt haben. Daher die Ungereimtheit hinsichtlich der verschiedenen Gewichtimg der auf das Abschlußverfahren bezüglichen Materialien — je nachdem nämlich, ob ihre Heranziehung zu einem bestätigenden Ergebnis führt oder nicht 6 3 . Daher die Konstruktion einer verdeckten Erweiterung des Zusammenhangbegriffes; daher das Zurückgreifen auf den die bloße Textinterpretation durchbrechenden, weil schon zu Beginn dieser Interpretation feststehenden Zweck des Vertrages. Methodenkrampf i n hermeneutischer Verpackung 64 . Gerade das Zurückgreifen auf object and purpose könnte allerdings sogar die intendierte strenge Beschränkung der Interpretation auf den Text und den grundsätzlichen Ausschluß der vorbereitenden Materialien zu umgehen ermöglichen, falls man nämlich zur Feststellung dieses Zwecks gerade auf jene Materialien greift, deren Heranziehung für die eigentliche Interpretation verboten, zur Ermittlung von Zweck und Ziel des Vertrages aber nicht — jedenfalls nicht ausdrücklich — ausgeschlossen ist. Ein solches Verständnis der betreffenden Bestimmung mag rabulistisch erscheinen. A u f einem Gebiet aber, das traditionellerweise rabulistischer Argumentation zugänglich ist 6 5 , mag sich ein Staat, 63 Daß es sich hiebei u m eine v o m hermeneutischen Standpunkt aus unerträgliche, Treu u n d Glauben widersprechende Regelung handelt, auf deren politischen Charakter man daher noch v i e l expliziter hätte hinweisen sollen, zeigt die Intervention des portugiesischen Vertreters Chrucho de Almeida i m 33. Meeting des CWh, U N Doc. A/CONF. 39/C. 1/SR. 33: " W h a t w o u l d happen if, though the t e x t of the treaty was apparently clear, i n seeking confirmation i n the preparatory w o r k and other surrounding circumstances a divergent meaning came to light? . . . I f emphasis were placed on good faith, i t w o u l d appear that i n such a case those circumstances should be taken into consideration, although they d i d not lead to the confirmation of the meaning resulting f r o m the application of article 27." 64 M a n w i r d den Delegierten zur Wiener Vertragsrechtskonferenz allerdings zugutehalten müssen, daß sich diese w o h l k a u m als das geeignete F o r u m zur Durchführung einer methodologischen Debatte darstellte; vielmehr w a r es ihnen aufgegeben, auf der Grundlage der vorerworbenen methodologischen Einsichten zu einem Ergebnis (auch) i n der Auslegungsfrage zu kommen. Bei dem hohen Ansehen aber, das die traditionelle Methodologie auf diesem Gebiet genießt, w a r k a u m zu erwarten, daß gerade dieses F o r u m an Methodenfragen w e i t h i n wenig interessierter Völkerrechtler, deren Aufmerksamkeit u n d Arbeitskraft während der Konferenz von ganz anderen, politisch brisanten Fragen i n Anspruch genommen war, neue wegweisende methodologische Aussagen machen werde. 65 w i r verweisen hier, anstatt auf Beispiele, auf einen Zeugen u n d berufen uns auf Sir Gerald Fitzmaurices köstliche Attacken gegen ein Beispiel dessen, was er „Stygian waters and Cimmerian darknes, or the new obscurantism" nennt („Vae Victis or Woe to the Negotiators! Your Treaty or Our »Interpretation 4 of It?", 65 A J I L [1971], auf 360).

I V . Zusammenfassung

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der sich m i t der politischen Entscheidung der Wiener Vertragsrechtskonferenz, travaux préparatoires und andere „ergänzende Auslegungsmittel" grundsätzlich nicht heranziehen zu lassen, nicht identifiziert und sich nicht an sie gebunden erachtet, durchaus ebenfalls einer solchen Argumentation bedienen, u m einen für i h n günstigen Ausgang des konkreten „Interpretationsfalles" zu erreichen.

Ergebnis I m Zweiten Teil dieser Untersuchung haben w i r uns bemüht, darzutun, daß die herkömmlichen methodologischen Versuche auf dem Gebiet der Auslegung von Rechtstexten prinzipiell verfehlt sind, w e i l das Problem der Erarbeitung von Regeln für Vorgänge, die sich — wie Verstehen und Auslegen (Zum-Verstehen-Bringen) — nicht regeln lassen, einer solchen Regelung aber auch gar nicht bedürfen, ein Scheinproblem darstellt. Dies gilt auch und gerade für eine „juristische" Hermeneutik, die ihre Ergebnisse gerne als verbindlich dartut, sei es i n der solennen Form einer communis opinio doctorum (die allerdings i n Wahrheit gerade auf diesem Gebiet über ein „agree to disagree" nicht hinauskommt), sei es gar i n der Rechtssatzform innerstaatlicher oder völkerrechtlicher „Interpretationsnormen". Von den traditionell angebotenen „Regeln" haben sich nur die uneigentlich hermeneutischen als verbindlich dartun lassen. Als einzige „notwendige" Regel hat sich dabei jene herausgestellt, nach der auch beim „Auslegen" bona fide vorzugehen, ein gegen Treu und Glauben verstoßendes spitzfindiges dem einmal Erkannten Sich-Entziehen also verboten ist. Unabhängig davon, ob diese Regel i n einer bestimmten Rechtsordnung i n die Form einer Norm gebracht worden ist oder nicht, muß sie doch stets vorausgesetzt werden — als Teil der ganz allgemeinen Pflicht zur bona fides , ohne deren Beobachtung jede Rechtsordnung zusammenbrechen würde. Daneben finden sich i m gesatzten Recht einzelne Normen, die sich als hermeneutische „Regeln" dartun, i n Wahrheit aber einen bestimmten politischen Zweck verfolgen. Wo dies eindeutig ist — also nicht bloß eine verfehlte hermeneutische „Regel" vorliegt —, ist eine solche Norm (wie jede andere auch) von den Normadressaten selbstverständlich zu beachten. I m Dritten Teil haben w i r die Ergebnisse des Zweiten als Maß zur Beurteilung des „Interpretationskanons" der W V K 1969 angelegt. Entsprechend haben sich als rechtlich relevant von den dort gegebenen „Regeln" nur die Pflicht zur Vertragsauslegung nach Treu und Glauben und das Verbot der Heranziehung sog. ergänzender Auslegungsmittel (ausgenommen i n bestimmten Fällen) erweisen lassen. Die übrigen „Regeln" sind als echt hermeneutische —· also als Anleitung zum Ver-

Ergebnis

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stehen durch Auslegung— konzipiert und daher ihrer Natur nach entweder überflüssig oder unbeachtlich. So stellen sich die Interpretationsbestimmungen der W V K nicht als Beendigung der i m internationalen, besonders auch völkerrechtswissenschaftlichen Bereich über die Vertragsauslegung geführten Diskussion, deren Resultaten der Erste Teil dieser Untersuchung gewidmet war, dar, sondern bloß als weiterer Beitrag zu derselben, der noch dazu — weil entscheidend von der herkömmlichen Methodologie bestimmt — verfehlt ist 1 . Die Diskussion w i r d vielmehr erst m i t der Einsicht enden, daß Verstehen und Auslegung nicht zu „regeln", geschweige denn zu normieren sind. Damit w i r d i m Völkerrecht wohl auch für die Zukunft i n der Praxis 2 Maßstab einer — und ich bevorzuge hier zu sagen: guten (anstelle von: richtigen) 3 — Interpretation das zweckmäßige, d.h. sachorientierte Ergebnis sein, das für die Parteien annehmbar ist und so bewirkt, daß internationale Konflikte vermieden werden, wodurch zum eigentlichen Ziel des Völkerrechts, dem Friedensziel, am besten beigetragen ist. Es ist daher dem beizupflichten, was Professor Verdross schon vor zwölf Jahren i m Rahmen der I L C ausgesprochen hat: „ E i n Staat, der einen von i h m abgeschlossenen Vertrag auszulegen wünscht, w i r d die Regeln [der Konvention betreffend die Interpretation] als Richtschnur nehmen. Z w e i Staaten jedoch, die einen Vertrag abgeschlossen haben, sind durch diese Regeln nicht gebunden, w e i l es ihnen offen steht, andere Interpretationsmittel heranzuziehen 4 ."

1 Das hat schon der griechische Delegierte Krispis i m 32. Meeting des C W h anklingen lassen: " [ I n t e r p r e t a t i o n of a treaty was essentially a mental process of attempting to establish the intention of the parties to the treaty as expressed i n words . . . Consequently, interpretation could not obey set rules. I f a treaty contained one or more rules as to its interpretation, those rules themselves w o u l d need to be interpreted, b u t at t h a t point no rules of interpretation w o u l d be available . . . there was a vicious circle and thus i t w o u l d be v a i n to set d o w n rules about interpretation . . U N Doc. A / CONF. 39/C. 1/SR. 32. 2 Derem Plebiszit nach dem Schöpfer der österreichischen Zivilprozeßordnung, Franz Klein, jede rechtliche Regelung unterworfen ist. 3 U m ganz k l a r werden zu lassen, daß sich die „Richtigkeit" einer I n t e r pretation nicht an irgendeiner „methodischen Reinheit", sondern allein daran bemißt, ob sie den Gegenstand, der i n Rede steht, zum sprechen gebracht (was nach Gadamer , Wahrheit u n d Methode [2. A u f l . 1965], X X V I I , die A u f gabe der Wissenschaft ganz allgemein ist) u n d auf i h n hingehört hat. 4 765. Meeting, Y B I L C 1964 1/1, 279; Übersetzung v o m Verf. Vgl. auch die diesbezügliche Feststellung Agos, ibid., 280: " I f the parties agreed to i n t e r pret the treaty i n another way, there was nothing to prevent them from doing so."

ν

Summary I n spite of the continuing codification of international l a w and the resulting progressive transformation f r o m earlier prevailing customary to treaty law, establishing the existence of relative positive international l a w and its f o r m u lation i n a legal n o r m has remained the p r i m a r y task i n state practice and doctrine. W h i l e not completely neglecting a l l methods, the doctrine of i n t e r national l a w has been less concerned w i t h methodological questions t h a n other j u r i d i c a l disciplines. A methodology of, or even a methodological consciousness in, the doctrine of international l a w has sometimes been denied. Whether this is to be regarded as a negative fact or not is dependent on whether or not methodological considerations are believed to contribute to the improved understanding of international law. Here, however, opinions are divided; w h i l e some f i n d the lack of methodological considerations and the resulting — as they conclude — lack of methods (in the strict sense of the word) i n the establishment of international l a w deplorable, others venture that international legal doctrine may congratulate itself on the fact that necessary concentration on the establishment and formulation of practical rules, urged on b y constant change on the international level, has so far kept i t out of methodological quarrels which i n the end are doomed to prove futile. A pragmatic point of view, according to w h i c h each and every method is useful as long as i t promotes the search for knowledge, may be said to be dominant i n international legal doctrine. The present study does not claim to answer the question of the necessity or usefulness of a methodology of international law. I n fact, i t is not meant as a direct contribution to this discussion at all. Yet, i t may indirectly contribute, for i t deals w i t h a problem treated extensively i n works on legal methodology, the problem of interpretation. I f methodological considerations should have so far proved an obstacle to the clarification of this problem w i t h i n the framework of a doctrine of positive international law, i t w o u l d have to be regarded as serious f r o m a theoretical standpoint; i f these considerations should have become an impediment to the progressive development of international l a w called for b y article 13, paragraph 1, l i t . a, of the United Nations Charter, i t w o u l d be regrettable f r o m a political point of view. I n this context at least, the value of traditional methodology w o u l d become questionable. The present study is divided into three parts. Part I is meant to give a systematic survey of w h a t practice and doctrine — not infrequently united on the benches of international courts or a r b i t r a l commissions — have produced pertaining to the problem of interpretation, before the question was taken up for codification b y the United Nations Conference on the L a w of Treaties, held i n Vienna i n 1968/69. P a r t i i attempts to introduce certain fundamental considerations concerning interpretation, and to distinguish relevant f r o m legally irrelevant „rules" of — or better, for — interpretation. I n Part I I I , articles 31 and 32 of the Vienna Convention on the L a w of Treaties,

Summary

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dealing w i t h interpretation, are analyzed to discover whether they have added anything to the results of traditional methodology. A n i n q u i r y into doctrine and accessible state practice shows that, w h i l e questions of interpretation have played a not insignificant role i n connection w i t h international treaties, the results obtained i n dealing w i t h these questions are rather meagre, whether this is based on the nature of interpretation itself or on a conscious prudence on the part of those called upon to interpret, a prudence which, i n turn, has its foundation i n the awareness of the special nature of questions of interpretation. Doctrine and practice prior to the codification of international treaty l a w had been characterized b y an attitude so w e l l described i n the Commentary to the H a r v a r d D r a f t of 1935 w i t h regard to the P C I J : " I t should be noted . . . that the Permanent Court has formulated relatively few rules of interpretation, and that i t has usually stated t h e m w i t h such qualifications as to leave itself completely free to apply t h e m or not accordingly as the circumstances and evidence i n a particular case may require 1 ." A closer scrutiny into the nature of w h a t is called interpretation shows that interpretation — as a w a y to understanding — is a hermeneutical problem and as such does not have a specific place i n legal theory. Insofar as understanding — and interpretation — cannot be regulated b y "rules", a l l methodological considerations concerning "correct" understanding and "correct" interpretation deal w i t h an illusory problem. I f legal rules of interpretation have any meaning at all, this cannot be due to their purely hermeneutical character, for i n this case they are either self-evident and thereby superfluous, or misleading and thereby irrelevant. I t is due exclusively to the political aims persued i n setting u p such rules. Establishing these "political" rules of interpretation and delimitating them f r o m the "hermeneutical" rules of interpretation thus proves to be the real task i n connection w i t h the whole problem of interpretation. This applies also to the rules of interpretation contained i n the Vienna Convention on the L a w of Treaties of i969. A scrutiny of articles 31 and 32 of this convention shows, however, that they are b u t a consequence of the traditional methodological concepts concerning the interpretation of international treaties. A p a r t f r o m the fact that a "regulation" of interpretation has been, w i t h l i t t l e opposition, regarded necessary at all, the f i n a l version of these "rules" has become ambiguous, to say the least. The only "political" rule which can be clearly established, is contained i n article 32 and prohibits — i n principle — the reference to preparatory works and other supplementary means of interpretation, i n favor of the " t e x t u a l " approach. B u t articles 31 and 32 have been formulated i n such a w a y that even this rule m i g h t be circumvented b y a w i l y invocation of the object and purpose of the treaty. I t seems therefore certain that articles 31 and 32 of the Vienna Convention w i l l not be the end of the discussion on the interpretation of international treaties, b u t merely another contribution to this discussion. This discussion w i l l not end before i t has been universally recognized that understanding and interpretation cannot be subject to "rules", let alone legal ones. ι L a w of Treaties, 29 A J I L (1935 Suppl.), 943.

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Summary

I n international practice, the standard of good (rather than "correct") interpretation w i l l continue to be the result suitable to the object i n view, acceptable to the parties concerned and thus tending to avoid international conflicts; therefore good interpretation contributes to the p r i m a r y goal of international law, that is to say, international peace. To articles 31 and 32 of the Vienna Convention on the L a w of Treaties of 1969 however applies w h a t Professor Verdross , i n his capacity as a member of the International L a w Commission, has said w i t h regard to this subject i n general: " . . . a State wishing to interpret a treaty which i t had concluded w o u l d take the rules as a guide. But, i n a case where t w o States had concluded a treaty, they w o u l d not be bound b y the rules i n question because they could agree to use other means of interpretation 2 ."

2

765th Meeting of the I L C , Y B I L C 1964 1/1, 279.

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Wilson, R. R.: „Interpretation of Treaties. Contributions of the Permanent Court of International Justice to the Development of International L a w " , P A S I L (1930), 39 ff. Wimmer, Norbert: Materiales Verfassungsverständnis (Wien—New Y o r k 1971). Winkler, Günther: Wertbetrachtung i m Recht u n d ihre Grenzen (Wien—New Y o r k 1969).

Literaturverzeichnis Wittgenstein,

L u d w i g : Tracta tus logico-philosophicus (Oxford 1921).

Woolsey, Theodore D.: Introduction to the Study of International L a w (London 1879). Wright, Quincy: „ T h e International Court of Justice and the Interpretation of M u l t i l a t e r a l Treaties", 41 A J I L (1947), 445 ff. You, P.: „L'interprétation des traités et le rôle d u préambule des traités dans cette interprétation", 20 RDISDP (1942), 25 ff. Yü, Tsun-Chi: The Interpretation of Treaties (1927). Zemanek, K a r l : Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen (Wien 1957). — „Die Bedeutung der Kodifizierung des Völkerrechts für seine Anwendung", Internationale Festschrift f ü r A l f r e d Verdross zum 80. Geburtstag (München—Salzburg 1971), 565 ff. — „Was k a n n die Vergleichung staatlichen öffentlichen Rechts f ü r das Recht der internationalen Organisationen leisten?", 24 ZaöRV (1964), 453 ff. Zippelius, Reinhold: Einführung i n die juristische Methodenlehre (München 1971).

Verzeichnis der zitierten Fälle (Eine hochgesetzte Z a h l bedeutet, daß der zitierte F a l l auf der betreffenden Seite nur i n der angegebenen A n m e r k u n g erwähnt ist.) A b u Dhabi O i l Case 2958, 54106 Access to, or Anchorage in, the Port of Danzig, of Polish W a r Vessels 27, 8631 Acquisition Sins

of

Polish

Nationality-

Arao Mines (Limited) Case 2lie A r b i t r a l A w a r d b y the K i n g of Spain on 23 December 1906 441« Aufnahme i n die V N (Aufnahmefall, erster) s. Conditions of Admission of a State to Membership i n the U n i t e d Nations Aufnahmefall, zweiter s. Competence of the General Assembly for the Admission of a State to the United Nations des

Jay-

Brasilianischer A n l e i h e n - F a l l s. Case Concerning the Payment i n Gold of the Brazilian Federal Loans Issued i n France Case Concerning Certain Norwegian Loans 4213* Case Concerning Rights of Nationals of the U n i t e d States of America i n Morocco 243«, 3063, 35 Case Concerning Right of Passage Over I n d i a n T e r r i t o r i t y 41, 42 Case Concerning the Chorzów 45151, 8631

Factory

at

Case Concerning the Payment i n Gold of the Brazilian Federal Loans Issued i n France 53 Case Concerning the Payment Various Serbian Loans 4916»

of

Temple

of

Case Relating to Certain Aspects of the Laws on the Use of L a n g u ages i n Education i n Belgium 183 Cayuga Indians Case 4816» Certain Expenses Nations 43138

Ambatielos-Fall 38io9, 90*4

Auslegung v o n A r t . V Treaty von 1794 38

Case Concerning the Préah Vihéar 44144

of

the

United

Chamizal Case 43136, 44141 Competence of the European Commission of the Danube 35 Competence of the General Assemb l y for the Admission of a State to the United Nations 34, 38, 44143, 46152,155,10«

8631

Competence of the International Labour Organisation i n Regard to International Regulation of the Conditions of Labour of Persons Employed i n Agriculture 30βι, 34, 43136 Conditions of Admission of a State to Membership i n the United N a tions (Article 4 of the Charter) 17», 195, 2433 Consistency of Certain Danzig L e gislative Decrees w i t h the Constitution of the Free City 7364 Cook v. United States 3063 Corfu Channel Case 44143, 501*2,m Deutsche Interessen i n OberschlesienF a l l 8631 Diversion of Water from the Rivpr Meuse 48163 Free Zones Case 49i?2 Geofrey v. Riggs 49i70, 52182 Georges Pinson-Fall 3595 Goetze v. U n i t e d States 5 2 i 8 5

Verzeichnis der zitierten Fälle I n re D'Adamo's Estate 42134 Interhandel-Fall 42132

113

Reservations to the Convention on Genocide 39U9

International Status of South-West Africa 44143, 46157, 50172

Russian I n d e m n i t y Case 9146

Interpretation of Para. 4 of the A n n e x F o l l o w i n g A r t i c l e 179 of the Treaty of N e u i l l y 4313»

Sambiaggio Case 21ie Südwestafrika-Fall 3277

Interpretation of Peace Treaties w i t h Bulgaria, Hungary and Romania 2435, 50176, 51176

The Amiable Isabella 54196

Interpretation of the 1919 Convent i o n Concerning Employment of Women D u r i n g the N i g h t 32, 33

Todok et al. v. Union State Bank of Harvard, Nebraska 3063

The Island of T i m o r Case 27 5 t

Iversen-Fall 93*4

Tucker v. Alexandroff 48i6i

Kronprins Gustav A d o l f - F a l l 41127, 52187, 53188

United States v. Payne 49i7i

Lighthouses Case 36

Venezuelan Bond Case 2117

L i s i v. A l i t a l i a 8736 L o t u s - F a l l 34, 8631

Vilas v. Manila 2116

Lusitania Case 2116, 54196

Weitzenhoffer v. Germany 53193

N a m i b i a - F a l l 794

Wimbledon-Fall 2116, 52186,187

Naomi-Russel-Fall 2645 N o r t h A t l a n t i c Fisheries Case 43136 Oder-Kommissions-Fall 36 Pacific-Fall 41127, 52187, 53188 Polish Postal Service i n Danzig 46151,155

Polnische Kriegsschiffe i m Hafen v o n Danzig-Fall s. Access to, or A n chorage in, the Port of Danzig, of Polish War Vessels

Zusammensetzung des M a r i t i m e Safety Committee der I M C O 894i, 9251 Zuständigkeit Danziger Gerichte f ü r Klagen gegen die Polnische Eisenbahnverwaltung 4313« Zuständigkeit der G V zur Aufnahme i n die V N s. Competence of the General Assembly for the A d m i s sion of a State to the United Nations

Personenverzeichnis (Eine hochgesetzte Zahl zeigt an, daß der genannte Name auf der betreffenden Seite nur i n der angegebenen A n m e r k u n g erwähnt ist.) Accioly 2014 Ago 994 Agrawala 586 Alvarez 46157 Antoine 20i4 A n z i l o t t i 2014, 33 Azevedo 38 Barassi 573 Barbero 573 Bartos 82i6 Basdevant 2116 Baumgartner 7 0 4 8 a Beckett 19io, 2643, 38 Berber 232? Berlia 19? Bernhardt 187, 732, 795, 8217, 8319, 9460

B e t t i 561 Bierling 56i Bishop 4 8 1 6 3 Black 54196 B l ü h d o r n 183 Borchard 2014 Borei 41127 Borell y Soler 573 Bormann 6948 Bracht 2747 Brandeis 3063 B r i e r l y 55197, 782 Briggs 42132, 772, 9355 B r o w n l i e 19™ Buergenthal 7364 Bülck 8217 Bustamante y Sirven 6222 B y d l i n s k i 7574 Bynkershoek 2013 Caicedo Castilla 782a Cardozo 42134 Castan Tobenas 573 Cavaré 8425 Cheng 46154 Chrucho de Almeida 9663 Cohen 6948 Coing 561

Connally 42132 Crandall 2014 Dahm 2327 Dalton 782* Degan 183, Siisi Delbez 2644 De Visscher 50172, 51«i, 782, 8 2 " Distaso 573 Ecker 611® Ehmke 562 Ehrlich 54196 E l Erian 9248 Engels 694« Engisch 561 Enneccerus 562 Erman 573 Esser 56i Fachiri 197 Fauchille 2014 Favre 60i3 Fiore 2014 Fischer 2958, 5419e, 782a,3 Fitzmaurice 197, 21i8, 47160a, 782, 9665 Friedmann 48 Fromageot 3382 Gadamer 56i, 57«, 586,7, 60U> 12, 6117,19, 6326, 6844a,46, 7050, 7367, 8940, 993

Gebhardt 7048a Germann 56i Goethe 9352 Gross 183 Grotius 2013 Gschnitzer 573, 8422,23, 8528 Guggenheim 52186, 53193, 6013 Gutzwiller 573

Hackworth 9, 2645, 3063, 3275, 39118, 42134, 51180,181, 53193, 54196, 55197

Hambro 183 H a r t m a n n 6948 H a y 50172 Heck 561

Personenverzeichnis Hegel 6948 Heidegger 6948 Heinsheimer 573 Heyde 7366 Hruschka 61, 62, 6325,2« 6534, 6640, 6742, 7049, 7362,66, 7468, 8218, 9561 Hudson 2540, 40H3, 42132 Hughes 3063 Hume 6948 Hummer 18 5 Husserl 6948 Hyde 19?, 25, 36, 38

Jaenicke 2Iis Jay 38 Jimenez de Aréchaga 77 2

48161,165,

49168,170,

50172,

Morrison 52184 Mörsdorf 56 2

42133, 44142

732a

6121, 6224, 6325,26,27, 6741, 6844,46,47,

6948, 7050, 71, 7259, 7573, 7676, 331», 8940 Lasswell 22^, 3066, 3168, 42135, 47160a Lauterpacht 187, 2120, 2221, 2327, 3275, 39117, 41128, 21 2132,133, 44142,143, 51179,

782, 795 Lederer 29«o, 48165, 52183 Liacouras 183 Liguori 173 Little 2117 Livingston 2960, 48165, 52183 Locke 6948 de Luna 8735

Maresca 782a, 794 Martens 36i02 Marx 6948 Mayer-Maly 6O12 McDougal 2223,25, 3066, 3168, 42135,

Z*

45146,

52182,183,185, 53194^ 54196, 6222

O'Connel 2646 Oeing-Hanhoff 6948 öhlinger 183 Oppenheim 2120, 2327, 39117, 41128,

Lakebrink 7048 Lang 185 Lardy 2751 Larenz 2538, 2957, 561, 574,6, 537, 60i2,i5,

47160a 9147a

McNair 18, 19, 27, 2854, 43, 45147, 4715», 50175, 54196, 8I10 Merk 573 Messner 70 5 i Miller 2223, 3066, 3168, 42135, 47160a Mirabelli 573 Moore 9, 2117, 2430, 3060,65, 3174, 33112,

Nahlik 782a, 8828a Neri 197, 82Π Neuhold 172, 732a Nipperdey 562

Illich 573

Kaden 573 Kant 6448 Kaufmann 8736 Kaufmann A. 8732 Kearney 782a Kelsen 7157 Kiss 2116 Klang 573, 3422 Klein 992 Köck 172, 36101, 48166, 7363, Koziol 562 Kraft 6948 Klings 7048a Krispis 8734, 991 Kuhlen 6948

115

Parry 3 9 H 8 Paton 561 Phillimore 2014 Planiol 573 Piaton 76 Plucknett 48162 Pradier-Fodéré 2645 Prantner 172 Pratop 586 Preuss 42132 Reiss 6I20 Reuter 772, 794, 9042 Ripert 573 Ritter 6844a, 6948 Rittler 562, 7048a Rolin-Jaequemyns 3382 Rosenne 3275, 732a, 8735 Rostorowski 3382 Rousseau 2226, 51181 Santosuosso 57 3 Savigny 56i Schäfer 562 Schambeck 8632 Schild 7365 Schneider 562 Schopenhauer 69 4 8 Schreiber 6119 Schücking 3382 Schüle 72,3 Schwartz 573 Schwarzenberger 2434, 2646, 28, 29, 37, 39 Schweisfurth 2747 Scott 2013

ererzeichnis

116

Seidl-Hohenveldern 43138 Seiffert 63*6,zea, 6535, 6845,46, 71 Sharma 3275 Siebert 573 Simma 41129, 794 Sinclair 782a, 8319, 9248 Slusser 2747, 41129 Soergel 573 Sohn 7364 Somló 561 Souberyol 197 Spender 3277 Spinoza 7048a Strezov 171 Sur 78*a Triska 2747 Tsuruoka 9249, Tucker 7157

9355

Vattel 20, 21, 22, 2645, 39120, 50172, 6014 Verdross 2015, 2327, 7677, 809, 3421, 99 Verosta 2115, 782a

Waldock

17*,

43138, 45145, iso,

8632, 8733, 9

Walter 562 Welser 562 Wenger 47ieoa Wharton 243o, 3174, 53194, 6222 Whiteman 9, 2014 Wigmore 2119 Wilson 183 W i m m e r 56 2 W i n k l e r 7575 Wisser 7366 Wittgenstein 6948, 7048 Wolff 573 Woolsey 54196 W r i g h t 183 You 9043 Y ü 197 Zemanek 71, 84, 9458 Zippelius 561, 576

51177,

Sachwortverzeichnis (Eine hochgesetzte Zahl weist darauf hin, daß das betreffende Sachwort auf der angegebenen Seite nur i n der genannten A n m e r k u n g behandelt wird.) A B G B 573, 84, 85 Absicht der Parteien 26, 27, 50 Albanien 501™ A l l i i e r t e (1. Weltkrieg) 53193 Analogieverbot 72 f. Annexe 30, 37, 90 Anwendung 57 Auslegung s. Interpretation — i m Gegensatz zu Interpretation 6222 Bedeutung — besondere 47, 87, 89 — gewöhnliche 46, 86, 87, 88, 89 — natürliche 46, 86 B e i t r i t t 30, 36 Berner Konvention 1906 über das Verbot der Nachtarbeit von F r a u en i n der Industrie, revidiert i n Washington 1919 s. Konvention über die Nachtarbeit von Frauen B G B 573, 8528 B i l l i g k e i t 48 f. bona fides 2856, 47, 49, 53, 80, 85 f., 9663, 98 Bulgarien 17 1 CIC 9146 Code c i v i l 573 Codice civile 573 Código c i v i l 573 clausula rebus sie stantibus 48*66 common l a w 36, 48 Connally-Amendment 4 2 1 3 2 Danzig, Freie Stadt 7364 Denken 69«, 7048 Dialektik 6948 D o k t r i n s. Völkerrechtslehre Dritte Welt 3277, 92 Effektivität 42, 49, 50 effet utile 43138 equity s. B i l l i g k e i t Erkennen 69 Erkenntniskritik 7048a

Erkenntnistheorie 69 estoppel 4 4 1 4 2 Europäische Donaukommission, Statut der, 3594 Europäische Menschenrechtskonvent i o n 9354 Fakultativklausel 2431 favor — contractus 49 — libertatis 52 Frankreich 34, 36, 44144 Friede 41129, 99 GB 38, 9044, 9248 Gerichte — internationale 17, 21, 24, 26, 28, 34, 36, 39, 47, 55, 78, 795 — nationale 48i6i Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften 183 Gesetzgeber 72 — historischer 67 — u n d Interpretation 56 Gesetzeslücke 7574 Gesetzessinn, normativer 2957, 82 Gewohnheitsrecht 7; s. auch V ö l k e r gewohnheitsrecht Ghana 47ieo Gleichheit der Staaten 41129 Griechenland 36, 8734, 9044, 991 Grund- u n d Freiheitsrechte s. M e n schenrechte Gründungsvertrag einer internationalen Organisation 43138 Hermeneutik, hermeneutisch 575, 68 ff., 71, 75, 79, 80, 8319, 91, 95, 96 — juristische 68, 69, 72, 75, 89, 98 hermeneutischer Z i r k e l 68, 89 Hl. Stuhl 172 Höhlengleichnis 76 IG

I73, 195, 24, 27, 3277, 34, 35, 37, 38, 41, 42132, 46153,156, 50172,173,176, 794, 88, 8941, 9044, 9351

arverzeichnis

118

I G - S t a t u t 24 — A r t . 36 2431, 42132 A r t . 38 2115 I L C 171.2, 55197, 772, 80, 81, 82, 87, 9147, 9248,49, 99 — D r a f t zur W V K 171, 198, 771,2, 796, 808, 85*7, 87, 8838, 9146, 93, 94, 95 implied powers 43138 Indianer 45146 I n s t i t u t de droit international 81 International Commission of A m e r ican Jurists 8I12 Internationale Arbeitskonferenz 1919 32 Internationale Konferenz A m e r i k a nischer Staaten, Siebente 81 Interpretation 8, 21, 22, 30, 37, 40, 41, 42, 48, 49, 56 ff., 61, 62, 7156, 72, 74, 75, 98 f. u n d passim — Aufgabe 586 — Begriff 40125 — Definition 22, 23, 60 ff. — enge u n d weite 51 ff. — F u n k t i o n 66 f. — Gebotenheit u n d Erlaubtheit 20 ff. — v o n Gesetzen 67 f., 84 — des Gründungsvertrags einer i n ternationalen Organisation 43 i3 8 — als juristisches Problem 71 ff. — „klare" v. „richtige" 33 — k e i n mechanischer Prozess 23, 25 — M i t t e l der — 29 ff.; s. auch I n t e r pretationsmittel — objektiv-teleologische 67 4 i — u n d Positivisten 2644 — Qualifizierung 23 ff. — qualitative und quantitative 6222 — Rationalität der — 25 4 i, 71 — ob ein Rechtsvorgang 23, 25, 79 ff. — schöpferisches Moment der — 2538 — Terminologie 61, 62 — u n d Verstehen 57 ff. — völkerrechtlicher Verträge 17, 18, 20, 51, 54, 55, 79 ff., 89, 95 — authentische 44 — und bona fides 2856, 47, 49 — F u n k t i o n 22 f. — i m innerstaatlichen Bereich 183 — Kompetenz zur — 24 — ob eine K u n s t 78 2 — mehrsprachiger 19u — objektive u n d subjektive 8217,

18

— u n d P o l i t i k 782a, 79, 80, 8319, 95, 97, 98 — ob ein Rechtsvorgang 173, 2432 — Ziel 26 ff. — Ziel 67

Interpretationsmittel 85 — ergänzende 92 ff., 98 Interpretationsregeln 8, 2747, 41, 42, 44, 45 ff., 69, 70, 71, 72, 7574, βχΐυ, 89 — i n der sowjetischen Völkerrechtslehre 41129 — „technische" 45146 — völkerrechtliche 45 ff., 77 ff., 85 ff. — Normcharakter 79 ff. — W e r t der 19 Jay-Treaty 1794 38 Judikatur 2015, 2115, 8631, 92 Kodifikation — des Völkerrechts 7 — des völkerrechtlichen Vertragsrechts 8, 794 K o m m u n i k a t i o n 31 Konflikte, internationale 99 Konvention über die Nachtarbeit v o n Frauen 32, 33, 34 Lausanner F V 1923 34 lex humana 7 3 ß 3 Lücken i m Vertrag 50 Malteserorden 172 Menschenrechte 52184 Methode(n), -fragen 7, 8, 18, 6948, 7049, 7153, 72, 76, 78, 80, 81, 86, 9458, 95, 96, 98, 99 — juristische 56, 68, 7471, 95 p u r i s m u s 7, 69 4 8, 993

— völkerrechtliche 7, 8 N a t u r der Sache 8632 Neustaaten 3277, 92, 95 Nicaragua 44143

object and purpose s. Zweck u n d Ziel des Vertrags Organisation, internationale — Gründungsvertrag 43138 — Vertragsrecht der — 172 Österreich 3060, 48165, 52183, 783, 9458 Parteien s. Vertragsparteien Phänomenologie 6742 Polen 8838a Portugal 9663 Präambel 30, 90 Praxis, internationale s. Staatenpraxis; Völkerrechtspraxis Privatrecht 795

Sachwortverzeichnis Quasi-Annexe 37 f. Ratifikation 30 Recht 74 s. auch Völkerrecht — innerstaatliches 79 5 , 84 — positives 66 4 0 , 72, 75™ Rechtsordnung, positive 56 2 Rechtsschulen — angelsächsische 48 — kontinentale 48 Rechtssicherheit 28 Rechtsstaat 83 Restatement of the L a w , Second 81 Reziprozität 41 12 9 Sache 62*4, 65, 66*o, 67", 70«,so, 73 f., 86, 88, 89, 99 Sanktionen 31 Schiedsgerichte, internationale 17, 24, 26, 28, 36, 47, 55, 78 Schweden 42134 Sicherheit, internationale 41 1 2 9 Souveränität, staatliche 4H 2 9, 51, 52 Sprache 61, 64, 7367, 7573 — symbolische Zeichen- 7573 Sprachgebrauch — allgemeiner 46, 61, 63, 64, 8632 — juristischer 61 Staatenkonferenzen 26 Staatenpraxis 9, 47i6o, 52, 92; s. auch Völkerrechtspraxis — vertragsbezügliche 42 ff. Staatssekretariat, päpstliches 172 Stämme, unabhängige, u n d Vertragsinterpretation 45146 Ständiger Schiedshof i m Haag 9146 S t I G 32, 33, 34, 35, 36, 43, 45151, 46154, 49169,172, 51178, 52187, 53,

StIG-Statut 24 Strafrecht 72, 7365

55

,

7364

92

Terminologie, völkerrechtliche 783 Text 27, 29 ff., 39, 6224, 63 ff., 6640, 67, 73 ff., 80, 82, 83, 89, 90, 91, 93 — „ k l a r e r " 34, 58, 75 — objektiv bzw. subjektiv 63 f. — Problematisierung des — 60 — „ u n k l a r e r " 54, 58, 75 — objektiv bzw. subjektiv 64 ff. Textsinn, objektiver 26, 28, 29, 82 f. Tradition 63 travaux préparatoires 2852, 32 ff., 38, 46155, 72, 83, 92 ff. — u n d common l a w 36 f., 9248 Ueberlieferungszusammenhang 64, 65, 66, 9562 Unterhändler 38 f.

63,

119

— Erklärungen der — 38, 39 Unterzeichnung 30 u t sit finis l i t i u m 41i26, 50 Vatikanstadt 7363 V B R 32 Vereinbarungen 84 Vernunft 69« natur des Menschen 71 5 2 w i l l e 71, 80 Verstehen 57 ff., 61, 69, 70, 71, 73, 74, 7577, 98, 99

Verstehehsvoraussetzungen 6432 Versailler F V 1919 36io2, 53193 Verträge passim — rechtsgeschäftliche 84 — rechtssetzende 84 Vertragsparteien 24, 31, 37, 40, 78, 795, 82, 85, 88, 90, 91, 92, 95, 99 Vertragspraxis 91; s. auch Staatenpraxis; Völkerrechtspraxis Vertragsrecht 7; s. auch Völkervertragsrecht Vertragsstaaten 17, 99 Vertragsverletzung 31 V K s. G B VN, Hauptrechtsprechungsorgan der — 3277 Völkergewohnheitsrecht 8, 41, 79 4 Völkerrecht 41, 77, 79, 83, 91 — u n d B i l l i g k e i t 48 — u n d common l a w 36, 48 — K o d i f i k a t i o n des — 7, 794 — positives 7, 8 — u n d Privatrecht 795 — progressive development 8 Völkerrechtslehre 7, 18, 20, 26, 38, 54, 55, 795 Völkerrechtspraxis 7, 8, 17, 20, 2115, 38, 54, 55, 795, 99; s. auch Staatenpraxis Völkerrechtsquellen 2015 Völkerrechtssubjekte, nichtstaatliche 172 Völkerrechtswissenschaft 7, 8, 21, 79, 99; s. auch Völkerrechtslehre Völkervertragsrecht 8 VSt 3060, 3 5 , 38, 42134, 44144, 45146, 48165, 52183, 9353 Warschauer Konvention 1929 8736 Weltgerichtshof 183, 198, 34, 762, 8631, 92, 9460

Werte, rechtsimmanente 7575 Wiener Vertragsrechtskonferenz 1968/ 69 2643 782a, 81, 82, 92, 94, 95, 96 — Stellungnahmen auf der —, zum Interpretationsproblem — Bulgarien 17i

arverzeichnis

120 — — — — —

GB 9248 Griechenland 8734, 991 Österreich 9458 Polen 8838a Portugal 9663



VSt

9353

W i l l e 70, 71 — des Gesetzgebers 2957, 67, 82 — „wahrer", der Parteien 26, 27, 2959, 37, 82, 8320, 96 Wissenschaft 57; s. auch Völkerrechtswissenschaft — Begriff, scientistischer 76 W V K 1969 8, 9, 172, 55, 77 ff., 83 ff., 88 ff., 91, 95 ff. — A r t . 26 808 — A r t . 27 183 — A r t . 31 83 ff., 87, 88, 90 — A r t . 31 u n d 32 19, 78, 794, 83 ff., 93 — A r t . 32 83, 93, 94, 95

— — — — —

A r t . 33 1911 A r t . 60 794 A r t . 62 48166 Geltungsbereich, persönlicher 172 Interpretationsartikel 81, 95, 99; s. auch A r t . 31 u n d 32 — Interpretationskanon 77 f., 83 ff., 89, 91, 94, 96 — Grundregel 83 ff., 90

Zivilprozeßordnung, österr. 99 2 Zusammenhang 30 f., 87, 88, 89 ff. — i. e. S. 30, 46 — i. w. S. 30, 39, 46 Zweck des Vertrags — generell-abstrakter 40 — konkreter v. abstrakter 40 Zweck u n d Ziel des Vertrags 39 ff., 87, 88 ff. Zwischenabhängigkeit 31