Verhandeln für eine bessere Zukunft: Mit Vermittlerorganisationen zur nachhaltigen Entwicklung? [1 ed.] 9783896447869, 9783896730107

Es werden 7 Organisationen beispielhaft vorgestellt, die vor allem durch die Vermittlung zwischen verschiedenen gesellsc

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German Pages 158 [159] Year 1997

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Verhandeln für eine bessere Zukunft: Mit Vermittlerorganisationen zur nachhaltigen Entwicklung? [1 ed.]
 9783896447869, 9783896730107

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Andreas von der Heydt

Verhandeln für eine bessere Zukunft Mit Vermittlerorganisationen zur nachhaltigen Entwicklung ?

Verlag Wissenschaft & Praxis

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

von der Heydt, Andreas: Verhandeln für eine bessere Zukunft: Mit Vermittlerorganisationen zur nachhaltigen Entwicklung? / Andreas von der Heydt. Sternenfels ; Berlin : Verl. Wiss, und Praxis, 1997 (Schriftenreihe des Ulmer Initiativkreises nachhaltige Wirtschaftsentwicklung e. V.; 3) ISBN 3-89673-010-X

Die Veröffentlichung dieser Publikation wurde durch Herrn Klaus Mutschler finanziell gefördert

ISBN 3-89673-010-X

© Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 1997 Nußbaumweg 6, D-75447 Sternenfels Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094 Alle Rechte vorbehalten

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver­ vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken­ schutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: Grafikbüro Lahaye Kern GmbH, Ulm Printed in Germany Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier.

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis...................................................................... 7

Vorwort............................................................................................... 9

0 Einleitung....................................................................................... 11 1 Grundlagen..................................................................................... 15 1.1 Das ‘sustainable development’-Leitbild................................................... 15

1.2 Planungstheoretische Aspekte...................................................................25 1.2.1 Einleitung............................................................................................. 25 1.2.2 Utopien und Visionen - Der gesamtgesellschaftliche Wandel, Veränderungen in kleinen Schritten.......................................... 26 1.2.3 Die ‘Neue Planungskultur’ - Einsicht in die Grenzen des Planbaren 31

1.3 Organisatorische Aspekte.......................................................................... 41 1.3.1 Neue Akteure mit Vermittlerfunktionen............................................ 41 1.3.2 Was sind ‘intermediäre Organisationen’?.......................................... 42 1.4 Zwischenergebnis....................................................................................... 44

2 Praxisbeispiele................................................................................ 51 2.1 Intermediäre Organisationen, die im Bereich der ‘sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung9 arbeiten.........................51 2.1.1 Regionalkonferenzen........................................................................... 52 2.1.2 IBA Emscher Park GmbH................................................................... 54 2.1.3 Betriebsgesellschaften in Biosphärenreservaten................................. 60

2.1.4 Stiftung Bauhaus Dessau..................................................................... 70

2.1.5 Regionales Zentrum für Wissenschaft, Technik und Kultur (RWZ). 78 2.1.6 FORUM für den ländlichen Raum - Initiative zur Förderung der regionalen Entwicklung in Nordhessen e.V. (FORUM)........... 85 2.1.7 Kontaktstelle für Stadtökologie Unteres Kleinbasel.......................... 89 2.1.8 Erstes Nürnberger Ökozentrum e.V.................................................... 91

5

3 Vermittlungsarbeit in der Region Folgerungen und Anregungen............................................... 93 3.1 Handlungsmöglichkeiten in Regionen..................................................... 94 3.2 Einordnung intermediärer Organisationen in den Handlungsrahmen.............................................................................. 99 3.2.1 Die Aufgabe......................................................................................... 99 3.2.2 Thesen zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes in einer Region............................................................................. 100 3.3 Organisationsformen, Prämissenund Handlungsmöglichkeiten.......108 3.3.1 Intermediäre Organisationen in der Region: Typen........................ 108 3.3.2 Fähigkeiten und Voraussetzungen.................................................... 110 3.3.3 Der Beitrag intermediärer Organisationen zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes..................................... 117 3.3.4 Ansatzpunkte zur Integration der Langzeitverantwortung................120 a) Kooperative Problemlösungen.............................................. 121 b) Wissenstransfer, Innovation, Kontrollstrukturen, Pionierprojekte................................................................. 128 c) Mobilisierung, Beratung und Vernetzung............................ 131 d) Beteiligung............................................................................. 133

3.4 Restriktionen / Problem bereiche............................................................ 134 3.4.1 Arbeit unter schwierigen Rahmenbedingungen.............................. 135 3.4.2 Grenzen von Kooperation und Überzeugungsarbeit....................... 139 3.4.3 Ambivalenzen..................................................................................... 141

4 Resümee........................................................................................ 143 Literaturverzeichnis....................................................................... 147

6

Abbildungsverzeichnis Abb. 1:

Untersuchungsgegenstände...........................................................................14

Abb. 2:

Die methodischen Konstruktionsprinzipien..............................................

Abb. 3:

Das Aushandlungsfeld zwischen den ‘Sphären’ von Staat / Kommunen, privaten Haushalten, Märkten und Interessenverbänden (vgl. Selle, 1991b)....................................................................................... 43

Abb. 4:

Ruhrgebiet mit Planungsraum der Internationalen Bauausstellung Emscher Park.............................................................................. 55

Abb. 5:

Aufgaben in den Biosphärenreservaten in Deutschland (aus St. AG Biosphärenreservate, 1994:61)......................62

Abb. 6:

Biosphärenreservate in Deutschland (Stand 1992) (aus Planungsbüro Grebe, 1993:2)....................................... 64

Abb. 7:

Planungen in den Biosphärenreservaten in Deutschland (aus: St.AG Biosphärenreservate, 1994:44)....................... 66

Abb. 8:

Organisatorische Einbindung der Betriebsgesellschaft (nach Spandau / Heilmaier, 1993:95).................................... 68

Abb. 9:

Arbeitsbereich des RWZ; die Region Osthessen, Westthüringen und die bayerische Rhön (aus Grabski-Kieron / Knieling, 1994:166).......79

Abb. 10: Organisationsstruktur RWZ (aus DEHLER, 1991:35)................................ 80

Abb. 11: Projekte 1993 nach Schwerpunkten (aus RWZ, 1994:31)......................... 84 Abb. 12: Das Erste Nürnberger Ökozentrum - interne Struktur und Beteiligte (aus: Schröder, 1991:304)..................................................... 92 Abb. 13: Transformation eines Leitbildes (nach Marz / Dierkes, 1992).............127

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Vorwort Nachhaltigkeit bedeutet, daß das Wirtschaften, die natürliche Umwelt und die ge­ sellschaftlichen Belange langfristig in ein dynamisches Gleichgewicht kommen. Bei der natürlichen Umwelt und bei sozialer Gerechtigkeit geht es im wesentlichen um öffentliche Güter. Welche Lenkungsprinzipien sorgen dafür, daß diese Art von Gütern bereitgestellt wird? Märkte können es nicht sein, denn sie taugen weder für öffentliche Güter noch stellen sie langfristige Problemlösungen zur Verfügung. Wir haben es mit Marktversagen zu tun.

Dann muß der Staat lenkend eingreifen. Doch hier stellen wir fest, daß auch Staatsversagen nicht selten ist, funktionelles, ökonomisches und politisches, wie Martin Jänicke blendend zeigt. Welche Lenkungsmechanismen könnten aber dann dafür sorgen, daß die natürlichen Lebensgrundlagen langfristig geschützt werden? Verhandeln könnte eine Lösung sein. Verhandeln könnte die entstandene Institutio­ nenlücke schließen, die auftritt, wenn Markt und Staat gleichermaßen versagen. Verhandlungen setzen voraus, daß sich Akteure gegenübersitzen, die überschaubare Probleme besprechen. Dies ist in der Regel auf regionaler Ebene der Fall. Die Akteure kennen sich oder sind in der Region bekannt. Vertrauen auf gegenseitiges Geben und Nehmen besteht, oder es kann hergestellt werden. Die Sachverhalte sind überschaubar. Betroffenheit und Verantwortung lassen sich in vielen Fällen beob­ achten. Dies ist die Situation, der der Ulmer Initiativkreis nachhaltige Wirtschaftsentwick­ lung gegenübersteht. In der Ulmer und Neu-Ulmer Region soll ein Strukturwandel angestoßen werden, der Wirtschaftsweisen und Lebensstile so verändert, daß Quellen (Rohstoffe, Energie und Fläche) und Senken (Luft, Boden und Wasser) geschont werden, und dies in einer Weise, daß die Gewinner nicht zu viel gewinnen und die Verlierer nicht zu viel verlieren. Wie kann diese schwierige Aufgabe bewerkstelligt werden? Verhandeln ist ein wichtiger Weg.

Der Autor dieses Bandes, Andreas von der Heydt, nimmt sich dieser Frage an. Er füllt die Institutionenlücke zwischen Markt- und Staatshandeln durch „intermediäre Organisationen“ und zeigt systematisch auf, wie diese das langfristige Lenkungs­ problem öffentlicher Güter auf regionaler Ebene lösen können. Doch diese Arbeit könnte nicht in der unw-Schriftenreihe erscheinen, wenn sie nicht auch die Umsetzung dieser Ideen behandeln würde. Von der Heydt zeigt an zahlreichen spannenden Beispielen auf, wie diese Ideen in innovativen und vorbildlichen Modellprojekten verwirklicht werden können. Der Autor hat das ursprüngliche umfangreiche Manuskript dieser Arbeit völlig neu geschrieben und gekürzt. Es wurde von Dr. Christian Leipert und Dr. Carsten Stahmer zur Veröffentlichung empfohlen. Herr Dipl.-Betriebswirt (BA) Jochen Hettmer hat den Text in der ihm 9

eigenen Gründlichkeit in lesbare Form gebracht. Doch ohne die Finanzierung der Druckkosten durch Herm Klaus Mutschler könnte das Büchlein, so wie Sie, liebe Leserin und lieber Leser, es jetzt genießen können, nicht vorliegen. Allen sei herzlicher Dank gesagt.

Ulm, im April 1997

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Helge Majer

0 Einleitung Die größten Gipfeltreffen von Staats- und Regierungschefs der Geschichte, die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (‘Erdgipfel’) im Juni 1992 in Rio de Janeiro und der ‘Weltsozialgipfel’ der Vereinten Nationen im März 1995 in Kopenhagen, markieren die zentralen globalen Probleme der heutigen Zeit: eine zunehmende Verschlechterung der Umweltverhältnisse als Folge mensch­ licher Nutzungsformen sowie wachsende Armut, soziale Not und Verteilungs­ ungerechtigkeit. Täglich werden uns Brisanz und Dramatik dieser Probleme in Femsehbeiträgen und Zeitungsartikeln verdeutlicht. Die globalen Probleme sind eng miteinander verwoben (armutsbedingte Umwelt­ zerstörung, soziale Not durch Umweltschäden etc.) und verweisen gleichzeitig über ihre aktuelle Bedeutung hinaus: es geht um entscheidende Weichenstellungen auch für nachfolgende Generationen. Dieser Gesichtspunkt steht bei dem Leitbild im Vordergrund, auf das sich die Weltgemeinschaft anläßlich des Rio-Gipfels geeinigt hat: ‘sustainable development’, (wörtlich: aufrechtzuerhaltende Entwicklung) häufig übersetzt als nachhaltige Entwicklung oder dauerhaft, zukunftsfähige Entwicklung1. ‘Sustainable development’ steht fur eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. Die Forderung, diese Entwicklung ‘dauerhaft’ zu gestalten, gilt für alle Länder und alle Menschen. Die Möglichkeit kommender Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, ist durch Umweltzerstörung in den Industrieländern ebenso gefährdet wie durch Umweltvemichtung durch Unterentwicklung in der Dritten Welt“ (Hauff, 1987:XV). ‘Sustainable development’ ist ein häufig auf internationaler Ebene benutzter Aus­ druck. Die meisten der bisher verabschiedeten politischen Programme sind auf überstaatlicher Ebene angesiedelt. Soll das Leitbild jedoch seine Wirkung entfalten, so sind Veränderungen auch im konkreten Lebensalltag der Menschen, sowie in wirtschaftlichen und politischen Schwerpunktsetzungen einzelner Akteure notwen­ dig. Maßgeblich tragen die Präferenzen und der vorherrschende Lebenstil v.a. in den westlichen Industrieländern dazu bei, daß die genannten Probleme globale Ausmaße angenommen haben. Eine Umorientierung kann nicht allein durch politische Programme ‘von oben’ erfolgen. Ergänzend zur erforderlichen Reform auf inter­ nationaler Ebene sind gleichzeitig Veränderungen im Alltagsleben der Menschen unerläßlich. Deshalb soll im folgenden die Frage im Vordergrund stehen: Wie können konkrete Schritte ‘vor Ort’ eingeleitet oder gefordert werden? Die Begriffe ‘nachhaltig’ und ‘zukunftsfähig’ werden im folgenden synomym verwendet. Im Rahmen der Studie wird von einem ‘Leitbild’ statt eines konkreten ‘sustainable development’-Konzeptes gesprochen, weil es eher eine vage, skizzenhafte Idee, eine visionäre Vorstellung von einer nachhaltigen Entwicklung gibt, als einen eindeutigen, fest umrissenen Entwurf (s.a. Kap. 1.1 und 3.3.4).

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Für die Untersuchung dieser Fragestellung erscheint die regionale Ebene als Bezugsrahmen geeignet, weil diese Ebene einerseits über den allzu engen Betrach­ tungsraum z.B. einer Stadt, die in zahlreichen Abhängigkeiten zum Umland steht, hinausgeht. Andererseits bietet die regionale Ebene noch einen überschaubaren Rahmen, um auf die konkreten Verhältnisse vor Ort eingehen zu können. Die Region kann somit als eine wichtige Schnittstelle für die Umsetzung des ‘sustain­ able development’-Leitbildes angesehen werden, die zwischen abstrakten Anfor­ derungen aus globaler Sicht und konkreten Verhältnissen im Lebensalltag der Men­ schen vermittelt.

‘Sustainable development’ in Regionen, wie können konkrete Schritte ‘vor Ort’ eingeleitet oder gefordert werden? Eine Annäherung an mögliche Antworten bedarf zunächst einer konkreteren Beschreibung des ‘sustainable development’-Leitbildes. Unter verschiedenen Gesichtspunkten soll diese Beschreibung im ersten Kapitel (Kap. 1.1) erfolgen. Um die Fragestellung weiter einzugrenzen, werden in einem zweiten Abschnitt (Kap. 1.2) in der aktuellen planungsmethodischen Diskussion Antworten auf die Frage gesucht, wie eine derart umfassende Forderung Eingang in das gesellschaft­ liche Handeln finden kann. Nicht das einzelne Umsetzungsinstrument steht dabei im Vordergrund, sondern die Methodik. In einer Zeit, in der die Planungsdisziplinen die Grenzen der Umsetzbarkeit umfas­ sender Entwürfe längst zur Kenntnis genommen haben, wächst auf der anderen Seite - angesichts der Umweltkrise, Wohnungsnot, sozialer Notstände - der Bedarf nach gezielten, großangelegten Veränderungen in der Gesellschaft. Zwei mögliche Antworten werden in der Arbeit aus der planungstheoretischen Diskussion aufgegriffen: 1) In bezug auf die Methodik wird statt umfassender Entwürfe eine Vorgehens­ weise in ‘kleinen Schritten’ vorgeschlagen, wobei sich die einzelnen Verände­ rungen nach einer übergeordneten Perspektive orientieren. Zur Entwicklung und Umsetzung werden persuasive Instrumente als wichtige Ergänzung zu ord­ nungspolitischen und fiskalischen Steuerungsmöglichkeiten hervorgehoben: Die Kooperation und Vermittlung zwischen den relevanten Akteuren gewinnt da­ durch an Bedeutung. 2) In bezug auf organisatorische Aspekte wird vermehrt über ‘neue Akteure’ und Organisationstrukturen diskutiert, die zwischen den traditionellen Akteuren vermitteln und so Kooperationsverfahren unterstützen, ‘kooperative Problem­ lösungen’ fördern können (Kap. 1.3). Aufgrund ihres Tätigkeitsbereichs zwischen den traditionellen Akteuren werden sie als ‘intermediäre’ Organisa­ tionen bezeichnet.

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Auf die mögliche Rolle dieser ‘neuen Akteure’ bei der Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen2. Zur Veranschaulichung ihrer Arbeitsweisen werden in Kap. 2 intermediäre Organisa­ tionen beschrieben, von denen die meisten im Bereich der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung arbeiten. Es sind zwar auch schon einige Institutionen und Organisationen mit dem Vorsatz angetreten, die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes in einer Region zu fördern (s. Kap. 3.2); bislang liegen jedoch nur wenige konkrete Ergebnisse ihrer Arbeit vor, da sie sich erst vor relativ kurzer Zeit etabliert haben. Eine Diskussion der Fragestellung, wie intermediäre Organisationen in einer Region zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes beitragen können, muß deshalb auch abstrakt, auf theoretischer Ebene geführt werden, wobei jedoch auf zahlreiche Erfahrungen mit solchen Organisationstrukturen aus den Bereichen der Stadtemeuerung und Regionalentwicklung zurückgegriffen werden kann (s. Kap.3). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich bewußt auf die planungsmethodische Ebene. Eine detaillierte Darstellung inhaltlicher Konzepte zur ‘nachhaltigen Ent­ wicklung’ einzelner Nutzungsbereiche wird man vergeblich suchen. Es liegen schon zahlreiche Konzepte vor, die wichtige Schritte zu einer nachhaltigen Entwicklung beinhalten; das Problem liegt nicht darin, daß nicht bekannt wäre, ‘in welche Richtung’ eine Umorientierung stattfinden muß; Probeme tauchen vielmehr bei der Umsetzung dieser Ideen auf. Die Aufstellung eines allgemein anerkannten Leitbildes, das auf die Sicherung der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen abzielt, verändert eben noch nicht die Wirklichkeit. Es ist vielmehr die Vermittlung dieses Leitbildes in die Gesellschaft erforderlich. Verhaltens- und Einstellungsänderungen sind notwendige Vorausset­ zungen einer an dem Leitbild ‘sustainability’ orientierten gesellschaftlichen Ent­ wicklung. Anregungen zu geben, wie unter den gegebenen Umständen und Rah­ menbedingungen dieser Vermittlungsprozeß in die Gesellschaft gefördert werden kann, ist ein wesentliches Anliegen des Buches.

Daß thematisch im Rahmen der Arbeit stärker auf die Umweltproblematik eingegangen wird, in den Beispielen und Ausführungen insbesondere des dritten Kapitels die Ver­ teilungsproblematik etwas in den Hintergrund gerät, ist nicht auf eine unterschiedliche Gewichtung dieser Aspekte seitens des Autors zurückzufuhren, sondern lediglich aus arbeitsökonomischen Gründen erfolgt. Der fachliche Hintergrund als Umweltplaner legte die Konzentration auf diese Thematik nahe.

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Themenbereich

... liefert im Rahmen der Studie

‘Sustainable development’

Inhalte, Maßstäbe (Intergenerative und aktuelle Verteilungsgerechtigkeit, Sicherung der Lebensgrundlagen) s. Kap. 1.1

‘Neue Planungskultur’

Methoden (‘perspektivischer Inkrementalismus’, ‘Kooperative Problem­ lösungen’) s. Kap. 1.2

Intermediäre Organisationen

Organisationsformen / ‘Institutionalisierung’ der Vermittler­ rolle (s. Kap. 1.3-4)

Abb. 1: Untersuchungsgegenstände

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1

Grundlagen

1.1

Das ‘sustainable development’-Leitbild

Sustainable development ist ein auf internationaler Ebene eingeführter Begriff, der in den letzten Jahren eine enorme Karriere vollzogen hat. Bereits 1980 wurde der Begriff in der World Conservation Strategy (WCS) verwendet, die vom IUCN (Union for the Conservation of Nature) in Kooperation mit verschiedenen UNOrganisationen veröffentlicht wurde (vgl. Enquete-Kommission 1993:20f). Die am meisten verbreitete Definition - wie sie auch schon in der Einleitung zitiert wurde - stammt aus dem Brundtland-Bericht, welcher den wichtigsten Beitrag zur Verbreitung des sustainable development-Begriffes geleistet hat. Demnach ist unter sustainable development eine Entwicklung zu verstehen, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (HAUFF, 1987:46). „Es war der Versuch, so der Wirtschaftswissenschaftler Hans G. Nutzinger aus Kassel, die „Interessen der Industriestaaten, der Länder der Dritten Welt und der künftigen Generationen wenigstens begrifflich auf einen Nenner zu bringen“. Der Versuch hatte Erfolg. Binnen kurzem war die Formel zum neuen Paradigma der globalen Umwelt- und Entwicklungsdebatte geworden“ (Vorholz 1994). Die Diskussion um die globale Entwicklungs- und Umweltproblematik hat mit dem ‘sustainable development’-Leitbild eine neue Dynamik erfahren. Der Begriff wird von vielen Interessengruppen und Akteuren auf allen Ebenen aufgenommen. Das Leitbild „hat insbesondere in den Beschlüssen und Veröffentlichungen der VNKonferenz für Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio stattfand, und im Fünften Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft seinen Niederschlag ge­ funden (UNCED, 1992, BMU, 1992; EG, 1992). Mehr als 150 Regierungen sowie die Internationale Handelskammer (ICC) haben sich diesem Leitbild verpflichtet“ (Enquete-Kommission SMU, 1994:23). Das Leitbild ‘sustainable development’ wurde von der Weltbank und Asian Development Bank, der Bundesregierung, Untemehmerkreisen und -verbänden, den Bundesländern, sowie Zusammen­ schlüssen von Städten und Kommunen (s. Weizsäcker, 1994, Beroleit 1995:17, SRU 1996) übernommen.

Betrachtet man die Definition des Brundtland-Berichts etwas genauer, so lassen sich drei Elemente benennen, die eine zukunftsfähige Entwicklung ausmachen: - die intragenerative Gerechtigkeit, - die intergenerative Gerechtigkeit und - der Schutz und die Erhaltung der Lebensgrundlagen.

Intragenerative Gerechtigkeit Die Befriedigung elementarer menschlicher Bedürfnisse wird in der BrundtlandDefinition als wesentliche Handlungsorientierung der weiteren gesellschaftlichen 15

Entwicklung zugrundegelegt. In weiten Teilen der Erde sind die Bedürfnisse der Menschen jedoch aktuell noch nicht im entferntesten befriedigt. Hieraus leitet sich für das sustainable development-Leitbild die Forderung nach der aktuellen Vertei­ lungsgerechtigkeit ab (intragenerative Gerechtigkeit), zumal nicht mit gerechteren Verhältnissen in der Zukunft und der Lösung globaler Umweltprobleme gerechnet werden kann, wenn nicht schon gegenwärtig Schritte für mehr Gerechtigkeit zwi­ schen den Industrie- und Entwicklungsländern eingeleitet werden. Das Ziel, ein menschenwürdiges Leben für alle Menschen zu ermöglichen, ist un­ strittig. Wie dies jedoch erreicht werden kann, ist völlig unklar. Im Sinne einer zukunftsfahigen Entwicklung sind die Strategien zu hinterfragen, die ‘Entwicklung’ der sog. Dritten Welt und Beibehaltung des Wohlstandes in den reicheren Ländern unmittelbar vom weiteren Wachstum der Industrieländer abhängig machen (sustainable growth). Alternativen stellen die Umorientierung der Industrieländer hin zu veränderten ‘Wachstumsinhalten’ - bei einem starken Absenken des Rohstoff-, Energie- und Naturverbrauchs - und eine ‘Innenentwicklung’ der Ent­ wicklungsländer dar (vgl. Harborth, 1993; Enquete-Kommission SMU, 1994:24; Weiss, 1991, Wuppertal Institut 1996). Unter dem Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit sind sowohl erneuerbare wie nicht erneuerbare Ressourcen zu betrachten, da die Verfügbarkeit über diese Ressourcen eine elementare Voraussetzung für die ‘Entwicklung’ aller Länder darstellt (vgl. z.B. Mutter, 1991). Zur Zeit wird noch der größte Teil der Ressourcen in den Industrieländern verbraucht. Der Streit um Verteilungsfragen ist das typische politische Handlungsfeld und die entwicklungspolitischen Fragestellungen haben eine entsprechend lange Tradition. Die Schauplätze dieses Verteilungskampfes sind zahlreich, geht es doch von der Gestaltung der Weltwirtschaftsordnung bis zu bilateralen Beziehungen der Länder. Bei der Betrachtung der globalen Verteilungsungerechtigkeit stehen die interna­ tionalen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Vordergrund (s. GATT / WTO, Ver-, bzw. Entschuldungsprobleme). Die vielfach beschworene Unterstützung durch Entwicklungshilfe konnte bislang ihren Ansprüchen nicht gerecht werden (vgl. z.B. STOCKMANN 1993).

Intergenerative Gerechtigkeit Eine Forderung, die in der Brundtland-Defmition explizit erwähnt wird, kann als intergenerative Verteilungsgerechtigkeit bezeichnet werden. Die intergenerative Gerechtigkeit fordert eine bestimmte Form der ‘Entwicklung’: diese sollte nicht ‘riskieren’, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befrie­ digen können. Die intergenerative Gerechtigkeit ist somit die zentrale Begründung für die Forderung von ‘Nachhaltigkeit’ oder ‘Zukunftsfähigkeit’. „In der Sorge für zukünftige Generationen unterscheidet sich das Konzept [das ‘sustainable development’-Leitbild] deutlich von bisherigen Ansätzen: „Es dürfte nicht zu unfair sein zu behaupten, daß herkömmliche Modelle des Entwicklungs­ prozesses zu der Annahme neigten, ‘die Zukunft werde sich schon selbst zu helfen 16

wissen’; demgegenüber erkennt der Ansatz der dauerhaften Entwicklung an, daß die Fähigkeit der Zukunft, dies zu tun, ernsthaft durch heute unternommene Aktivitäten in Frage gestellt werden kann“ (Pearce / Barbier / MarkandyA in Harborth, 1993:15; s.a. Kloepfer, 1992). Die Operationalisierung dieses Zieles ist jedoch mit vielfältigen Schwierigkeiten verbunden. Mit intergenerativer Gerechtigkeit kann nicht die Gewährleistung identischer Voraussetzungen gemeint sein. Die (nicht erneuerbaren) Ressourcen, die derzeit - zwangsläufig - verbraucht werden, können schwerlich nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Die ‘Erhaltung des natürlichen Kapitalstocks’ wie vielfach gefordert wird - wirft also große Probleme auf. „Akzeptiert man das Ziel der Chancengleichheit, kann man die heutigen Nutzungen der nicht-erneuerbaren Ressourcen nur rechtfertigen, wenn sie keinen unver­ zichtbaren Beitrag zum Lebensstandard späterer Generationen leisten. Das kann im Prinzip nur der Fall sein, wenn die Ressourcen - nicht mehr benötigt werden, - anderweitig ersetzt werden können [...]“ (Enquete-Kommission SMU, 1994:30). Ebenfalls bringt die Nutzung regenerativer Ressourcen häufig Veränderungen im Naturhaushalt mit sich. Aber auch ohne menschliche Einwirkungen verändern sich die Rahmenbedingungen zukünftigen menschlichen Handelns (Naturhaushalt als ‘dynamisches System’). Weil die Ressourcenbewirtschaftung zudem von vielfältigen, z.T. nicht vorherseh­ baren Faktoren abhängig ist (technologische Entwicklung, Veränderungen in der Bedürfhisstruktur, ökonomische und politische Rahmenbedingungen u.ä.), lassen sich hierfür keine festen Größen ableiten. Hier kann also nur die weitestgehende Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen und ihrer Bedürfnisse gemeint sein. Einigkeit besteht lediglich darüber, daß die vorhandenen Ressourcen wesentlich effizienter genutzt werden sollten (‘Effizienzrevolution’, d.h. Vervielfachung des Nutzens bei gleichem oder geringerem Ressourceneinsatz). Weil derartige Ein­ sparungen jedoch angesichts der Konsumansprüche - v.a. in den Industrieländern, aber auch der ‘aufholenden Entwicklung’ anderer Länder - nicht ausreichen werden, wird über die Notwendigkeit veränderter Lebensstile diskutiert, bei denen die Ansprüche der Menschen mit wesentlich geringeren Nebenwirkungen für die Um­ welt befriedigt werden (‘Suffizienzrevolution’) (vgl. Wuppertal-Studie 1996). Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß die Bedürfnisse nachfolgender Generationen nicht vorhersehbar sind (vgl. TENBRUCK, 1972). Dieses Problem ist prinzipiell unlösbar. Als Maßstäbe können deshalb nur die derzeitigen Bedürfnisse dienen. Zur Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen gehört, daß diesen keine Risiken hinterlassen werden sollten, die eine erhebliche Gefahr darstellen können (s. Atommülllager, Giftmülldeponien). Die Einschätzung von ‘Erheblich­ keit’ ist ein stark normativer Vorgang, der oftmals mit unterschiedlichen Vorstel­

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lungen von der technischen Entwicklung korrespondiert (z.B. dem technischen Umgang mit radioaktiven Abfällen). Nicholas GEORGESCU-ROEGEN schrieb 1986, er bestehe darauf, „daß jedes vernünf­ tige Programm, das wir heute anbieten können, nicht auf irgendeinem futuristischen Wunschdenken basieren, sondern unser gegenwärtiges Wissen als Grundlage haben darf. Futuristen mögen, in ihrer Eigenschaft als Futuristen, von der möglichen Entdeckung des ‘Cavorite’ reden, als dem Material, welches in der Imagination von H.G. Wells die Gravitation aufzuheben vermochte; aber bis es tatsächlich so weit ist, sollten wir Leute nicht dazu anregen, vielstöckige Häuser zu bauen, in denen sich weder Treppen noch Fahrstühle befinden“ (GEORGESCU-ROEGEN, 1986/1987:17f, in Harborth, 1993:67).

Unter ‘intergenerativer Gerechtigkeit’ ist demnach die Berücksichtigung von Inter­ essen zukünftiger Generationen zu verstehen - auf der Basis heutiger Bedürfnisse, - und auf der Basis von Risikoentscheidungen, die aus dem heutigen Wissen abgeleitet wurden. Hierzu lassen sich jedoch keine festen Bewertungsmaßstäbe aus dem Leitbild ab­ leiten, sondern es sind Einzelfallentscheidungen und politische Abwägungen erfor­ derlich.

Schutz der Lebensgrundlagen Die Risiken, die vor allem im Hinblick auf künftige Generationen durch eine zu­ kunftsfähige Entwicklung vermieden werden sollen, werden in der Regel in einer Verschlechterung des Zustandes der Umwelt, im Versiegen nicht erneuerbarer Ressourcen, bzw. in der Überlastung und Zerstörung der Regelungsfunktionen der Umwelt gesehen. (Daneben werden auch die Gefahren sozialer Konflikte aufgrund der wachsenden Überbevölkerung oder ethnischer, bzw. religiöser Auseinanderset­ zungen diskutiert, die hier jedoch nicht im Vordergrund stehen). Die Übernutzung der Leistungen des Naturhaushaltes ist neben den unwürdigen Lebensverhältnissen vieler Menschen der ausschlaggebende Anlaß fur die ‘sustain­ able development’-Diskussion. Es hat sich gezeigt, daß das vorherrschende west­ liche Entwicklungsmodell und die damit verbundenen Nutzungsformen nicht auf den Weltmaßstab übertragbar ist.

Weitere Merkmale des Leitbildes Mit Recht kann derzeit vom sustainable development-Begriff als einem neuen Leit­ bild gesprochen werden. Leitbilder können helfen „langfristige Perspektiven und Zukunftsziele zu entwickeln. Leitbilder haben dabei den Vorteil, daß sie komplexe Wirkungszusammenhänge sozusagen „auf den Begriff4 bringen können“ (LENNINGS 1994:8). Sie sind Ausdruck eines bestimmten Wertesystems und stellen ein Konglomerat aus verschiedenen Normen dar. Es handelt sich um sehr allgemeine Grundvorstellungen in der Gesellschaft, an denen sich eine weitere Bewertung von Geschehnissen und Sachverhalten orientiert. Leitbilder stellen somit einen nicht unwesentlichen Orientierungsrahmen für gesellschaftliche Bewertungen, Empfeh­ 18

lungen, Maßnahmen und Instrumente dar. Deduktiv kann jedoch aus einem Leitbild keine konkrete Maßnahme abgeleitet werden. Es bedarf vielmehr der Abstimmung mit dem konkreten Einzelfall. D.h. die Handlungsempfehlung im Einzelfall bezieht sich immer auf einen konkreten Sachverhalt, orientiert sich aber an einem abstrakten Leitbild (s. Enquete-Kommission SMU 1993:134). Die Forderung nach einer zukunftsfähigen Entwicklung fuhrt zu einer ‘nach­ haltigen’ Irritation bei vielen Menschen, weil damit auch viele bestehende Leitbilder in Frage gestellt werden (z.B. dem Zusammenhang von Wachstum und Wohlstand). Die Vorstellung von gesellschaftlicher Entwicklung als einem Prozeß hin zum technischen Fortschritt, zu mehr Wohlstand und intellektuellem wie kulturellem Reichtum stellt sich als Trugbild heraus. Gesellschaftliche Entwicklung basiert eben nicht auf einer „Ent-Wicklung“ i.S.v. Entfaltung und Hervorbringung von etwas, was in sozusagen eingewickeltem Zustand bereits existiert. In dieser Denkweise wird davon ausgegangen, daß Individuen wie soziale Gefüge genügend Können und Rationalität erworben haben, um durch den Einsatz des eigenen Kräftepotentials eine immer bessere Welt hervorzubringen. Die Theorie von gesellschaftlicher Entwicklung als einer in der Grundtendenz aufsteigenden Linie, eines mehr stufen­ förmig oder mehr kontinuierlich, manchmal auch dialektisch gedachten Fortschritts von ‘primitiveren’ zu ‘höher entwickelten’ Formen kann jedoch angesichts der bestehenden Krisen und drohenden Katastrophen als überkommen bezeichnet werden. Jeder Fortschritt ist nicht nur prinzipiell umkehrbar, sondern kann sich auch im nachhinein als Fehlentwicklung erweisen (vgl. MOLS 1991:116).

Während die intragenerative Gerechtigkeit und der Umweltschutz Inhalte der Ent­ wicklungsdiskussionen der letzten Jahrzehnte waren, rückt nun die Forderung nach intergenerativer Gerechtigkeit in den Vordergrund, da immer mehr zu erkennen ist, daß die derzeit lebenden Generationen die Lebensbedingungen kommender Generationen in nicht zu verantwortender Weise verschlechtern. Sustainable deve­ lopment wird gar als neuer ‘kategorischer Imperativ’ bezeichnet und somit die ‘Zukunftsverträglichkeit’ als ein unbedingter Maßstab für das gesellschaftliche Handeln eingefuhrt (vgl. TÖPFER in VORHOLZ 1994). Sustainable development ist demnach - inhaltlich - zunächst nichts anderes als eine moralische Anmahnung, bei all unseren politischen, wirtschaftlichen und auch privaten Entscheidungen die Aus­ wirkungen auf zukünftige Generationen, auf die Verteilungsgerechtigkeit und auf die Umwelt mit zu bedenken. Als übergeordnete Norm muß die Zukunftsfahigkeit jedoch erst noch operationa­ lisiert werden. ‘Zukunftsfahigkeit’ ist an sich ein relativ unideologischer und wert­ neutraler Maßstab. Es wird lediglich ein Aspekt im gesellschaftlichen Wertesystem die längerfristige Sicherung von Werten wie Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit - betont, d.h. erst im Bezug zum gesellschaftlichen Wertesystem wird der Begriff mit Leben gefüllt. So wie derartige Supemormen an sich jedoch oft einen starken Leerformelcharakter haben, läßt sich auch aus der Betonung der Zeit­ perspektive kein konkretes politisches Handeln ableiten. Beide, sowohl die jeweiligen Supemormen wie die Betonung der Zeitperspektive, sind inhaltlich 19

wenig gefüllt und darum ziemlich beliebig fullbar. „Es ist deshalb entscheidend, daß die Ziel- und Mittelangaben konkreter erfolgen. Zu solcher Konkretheit gehört auch, daß genauer gesagt wird, welche politischen Institutionen, welche politischen Re­ geln und welche politischen Verfahren vorgesehen sind, um Werte wie Freiheit, Wohlfahrt usw. [langfristig] zu verwirklichen“ (ROHE, 1994:53). Über die ‘richtige’ Energienutzung läßt sich zum Beispiel nicht allein mit dem Maßstab der Zukunftsfähigkeit entscheiden; erst die Abwägung mit vielen anderen Maßstäben kann zu einer angemessenen Entscheidung führen. ‘In welche Richtung’ die gesellschaftliche Entwicklung erfolgen sollte, läßt sich also aus dem abstrakten Leitbild ohne Hinzunahme weiterer normativer Aussagen nicht ableiten. Während die Beurteilung ‘gerechter Verteilungsverhältnisse’ selbst­ verständlich einer Abwägung im Einzelfall nach ethischen Maßstäben bedarf, wird bei den Belastungsgrenzen des Naturhaushaltes versucht, diese wissenschaftlich genau zu bestimmen. Diese quantifizierenden Methoden kommen jedoch trotz eines verhältnismäßig hohen Aufwandes bei den Berechnungen nur zu ungenauen Er­ gebnissen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel (vgl. PETERS et al. 1996:26): - der ‘material input per unit of service (MIPS)’ (s. Schmidt-Bleek 1993), - der ‘ecological footprint’ bzw. die ‘appropriated carrying capacity’ (vgl. Wackernagel et al. 1993; Steiner/Schütz 1993) und - der ‘Umweltraum’ (vgl. Friends of the Earth; Institut für sozial-ökologische Forschung 1994; Wuppertal-Studie 1995). Zudem kommen auch diese Verfahren nicht ohne normative Vorgaben aus. Der­ artige Ansätze „benennen Größenordnungen und verdeutlichen die Probleme, vor denen heutige Gesellschaften stehen. Damit sind sie als Grundlage zur Bestimmung genauer Grenz- oder Zielwerte ökologischer Belastungen nicht geeignet. Sie helfen jedoch, mögliche Entwicklungsrichtungen zu bestimmen“ (Peters et al. 1996). Die Beurteilung der Risiken und die Abwägung zwischen den verschiedenen Interessen und Werten ist demnach auch beim Schutz der Lebensgrundlagen eine politisch­ normative Aufgabe. Eine allgemein akzeptierte ‘Entwicklungsrichtung’ ist - im größeren Maßstab und vor allem global gesehen - ‘lediglich’ durch völkerrechtlich anerkannte und z.T. vertraglich gesicherte Rechte einzugrenzen; in Anbetracht der aktuellen Rechts­ verletzungen (menschenunwürdige Lebensverhältnisse z.B. durch Armut und / oder Umweltbelastungen) sollte dies auch deutlich erfolgen und als primärer und wich­ tigster Ansatzpunkt für Maßnahmen angesehen werden (vgl. Kap. 1.2.2). Die Ver­ meidung bzw. Verminderung eklatanter, aktueller Interessenverletzungen erweist sich für eine nachhaltige Entwicklung als erste schwierige Hürde.

Der ‘sustainable development’-Begriff zeigt hier demnach (positive) Ziele auf, ohne Umsetzungswege zu benennen - benennen zu können. „Positive Ziele müssen in modernen Gesellschaften, die nur noch zu einem geringen Teil über gemeinsame Werte integriert sind, in politischen Entscheidungsverfahren definiert werden. Sie sind nicht inhaltlich, sondern prozedural, letztlich durch die 20

Anerkennung des Mehrheitsprinzips, legitimiert. Sie gelten vorläufig, der politische Streit über sie kann jederzeit wieder aktualisiert werden, und bei veränderten Mehr­ heitsentscheidungen sind sie grundsätzlich revidierbar“ (v.d.DAELE, 1993:2). D.h. sustainable development dynamisiert Konsensfindungsprozesse, gibt aber keine pauschalen Lösungen vor, weil weder der Begriff ‘Zukunftsfähigkeit’ (sustainabi­ lity) noch ‘Entwicklung’ über negative Ziele, d.h. Ausschlußkriterien, bzw. Standards, fachlich abstrakt und allgemeingültig konkretisiert werden können (s.a. v.d.DAELE, 1993 in bezug auf Sozial- und Umweltverträglichkeitsstandards). Die Unvorhersehbarkeit von Bedürfnissen zukünftiger Generationen, Zielkonflikte und sachliche Kontroversen legen Konzepte von ‘prozeduraler Rationalität’ nahe, „nach denen Verfahrensresultate in erster Linie aus der Sozialdimension zu be­ gründen sind. Da wissenschaftliche Analysen und rechtlich-moralische Wertungen das Ergebnis nicht eindeutig festlegen, muß dieses letztlich durch den Diskurs als solchen, also durch Verhandlungen und Verständigungsprozesse zwischen Vertre­ tern unterschiedlicher Meinungen und Interessen getragen werden. Verfahrens­ resultate werden danach im wesentlichen durch Beteiligung und Konsensbildung, oder wie Eder im Anschluß an Habermas formuliert, durch ‘kommunikative Rationalität’ begründet“ (v.d.DAELE, 1991:19). Das Kriterium Zukunftsfähigkeit zeigt hier die gleichen Merkmale wie der ‘Gemeinwohl’-Begriff, zumal Zukunftsfähigkeit als ein Teilelement gemeinwohl­ orientierter Interessen aufzufassen ist. Gemeint ist hier ein Gemeinwohlbegriff wie ihn z.B. K.L. Shell definiert, „der das Gemeinwohl in der liberalen Gesellschaft definiert sieht durch [die] Partizipation(schance) aller, Öffentlichkeit, Universalität und ‘Rationalisierungszwang’: „‘Gemeinwohl’ bezieht sich demnach in erster Linie auf die Art, wie eine politische Entscheidung zustande kommt, und nicht auf ihren Inhalt, der unvermeidlich Interessen und Perspektiven enthält, ... deren sachliche Richtigkeit bestenfalls im nachhinein - und dann nie logisch zwingend - erweisbar ist“ (Shell, 1973:119 in Schultze, 1991:178, vgl. auch Mayntz, 1992:32). Parallel könnte hier zum sustainable development-Begriff geschlußfolgert werden, daß die Berücksichtigung langfristiger Perspektiven, der Interessen nachfolgender Generationen - als bisheriges Defizit im gesellschaftlichen Handeln - in politischen Entscheidungen zu gewährleisten ist; ob sich die Entscheidungen als zukunftsfähig oder ‘nachhaltig’ erweisen, kann dagegen nur die Zukunft zeigen (vgl. auch v. Arnim, 1977:169ff).

Bei der Einführung und Umsetzung des sustainable development-Leitbildes in der Gesellschaft sind aufgrund des umfassenden Anspruchs alle gesellschaftlichen Akteure und Interessengruppierungen gefragt. Die Entwicklung zukunftsfähiger Nutzungsformen betrifft alle Lebensbereiche; jegliches Handeln, jede Zielsetzung hat, neben sozialen und ökologischen Folgen, vor allem auch Auswirkungen auf die Zukunft. Dem Anspruch nach gilt sustainable development auf allen Ebenen, so­ wohl für die globale Entwicklung als auch für die Entwicklung in Regionen oder Städten. Erforderlich ist ein gesamtgesellschaftlicher Strukturwandel, der notwen­ digerweise ein neues ökonomisches Verständnis voraussetzt. Die Veränderung 21

unseres Wirtschaftsgebahrens unter ökologischen und entwicklungspolitischen Ge­ sichtspunkten, der Wandel von Konsum und Güterproduktion steht im Mittelpunkt der angestrebten Entwicklung (vgl. BEROLEIT 1995:14; s.o. 'Effizienz- und Suffizienzrevolution’). Mit staatlichen Mitteln allein läßt sich die gesellschaftliche Entwicklung (zum Glück) nicht umfassend steuern. Realistischer ist vielmehr die Einschätzung, daß das politische System, als ein System neben anderen (z.B. Wirtschaft, Wissenschaft) nicht autonom agiert (vgl. Kap. 1.2 und 3). Vielmehr bestehen enge Wechsel­ wirkungen und Abhängigkeiten zu den anderen Teilsystemen und Handlungsbe­ reichen.

Dies wirkt sich insbesondere bei der staatlichen Normsetzung aus:„Obwohl gerade die Umweltpolitik der frühen siebziger Jahre ein Beispiel dafür ist, daß rechtliche Normierung durchaus ein Motor gesellschaftlicher Wertentwicklung werden kann, ist allgemein einzuräumen, daß Satzungen häufig gesellschaftliche Normentwick­ lung schon voraussetzen. [...] Satzungen dürften im allgemeinen eher ein Reflex als der Motor gesellschaftlicher Wertentwicklung sein“ (v.d. Daele, 1991:14f). Als Ansatzpunkte für die Einführung des ‘sustainable development’-Leitbildes in die Gesellschaft können dementsprechend vielfältige Aspekte dienen, die bei den unvermeidlichen Interessenkonflikten und deren Lösung eine Rolle spielen (vgl. Kap.3): • Die individuellen Präferenzen und Wertvorstellungen der Menschen Die Präferenzen und Werthaltungen in der Gesellschaft sind variabel und ver­ ändern sich mit der Zeit. So ist zum Beispiel seit den 70er Jahren ein Anstieg des ‘Umweltbewußtseins’ zu verzeichnen und eine stärkere Sensibilisierung gegenüber globalen Entwicklungen. Nachhaltigere Wirtschaftsformen erfor­ dern eine höhere Wertschätzung der Interessen nachfolgender Generationen (d.h. auch der eigenen Kinder), bzw. eine Sensibilisierung für deren Interessen. • Das Wissen Zwischen Wissen und Werthaltungen besteht ein enger Zusammenhang. Erst das Wissen um die Gefährdung der Lebensgrundlagen und die Verletzung elementarer Rechte (auch nachfolgender Generationen) motiviert zu Gegen­ maßnahmen. • Die strukturellen Rahmenbedingungen Unter strukturelle Rahmenbedingungen fallen das System der Marktwirtschaft, die staatliche Rechtsordnung aber auch räumliche Bedingungen wie die infrastrukturelle Ausstattung. Die strukturellen Rahmenbedingungen haben einen stark determinierenden Charakter. So bedingen die derzeit herrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter langfristigen Perspektiven betrachtet eine ‘Ressourcenverschwendung’. • Die Form der politischen Entscheidungsfindung Bei gesellschaftlichen Verteilungskämpfen - und hierum geht es bei einer zu­ kunftsorientierten Entwicklung in erster Linie - ist in einer durch Interessen­ 22

verbände gekennzeichneten Demokratie ausschlaggebend, wie und durch wen die Interessen vertreten werden. Es ist die Frage zu klären, wie bisher ver­ nachlässigte Interessen (hier v.a. nachfolgender Generationen) in Entschei­ dungsprozessen Berücksichtigung finden. Im Grunde geht es also bei der Implementation des sustainable development-Leitbildes um eine Form der ‘Institutionalisierung’ des Nachhaltigkeits- oder Zu­ kunftsfähigkeitsgedankens (s.a. Kap. 3.3.4), um die Integration in bestehende ge­ sellschaftliche Systeme, bzw. um die Veränderung der Systeme (z.B. das Recht, die Wirtschaft, die Bildung und Kultur). Diese Erkenntnis ist sicherlich nicht neu; aus ihr lassen sich jedoch wichtige Schlußfolgerungen für die Umsetzungsstrategien ziehen (vgl. Kap. 3). Erkennt man demokratische Verfahren als bislang gerechteste Form des Umgangs mit Interessenkonflikten an, so ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie der Aspekt der Zukunftsfahigkeit einen angemessenen Stellenwert in den Entschei­ dungen erlangen kann. Sämtliche Folgen unserer Handlungen abzuschätzen und in unsere Handlungsweisen einzubeziehen ist ohnehin schlichtweg unmöglich; v.a. der Einzelne ist damit völlig überfordert. Gesellschaftliche Regeln, Normen und organisatorische Regelungen können aber wichtige Vorgaben darstellen, um offen­ sichtliche Fehlentwicklungen zu vermeiden (z.B Umweltgesetze, Regeln der Marktwirtschaft). Eine zukunftsfähige Entwicklung ist als ein offener gesellschaft­ licher Suchprozeß zu bezeichnen, als eine Daueraufgabe ohne abschließende Lö­ sungen.

‘Motor’ und treibende Kraft dieser Institutionalisierung kann nur die aus den Inter­ essenkonflikten resultierende Betroffenheit der Menschen und der damit entstehende ‘politische Druck’, bzw. die Veränderungen in den gesellschaftlichen Teilsystemen sein. Gerade dieser Tatsache stehen die Verfechter einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung jedoch geradezu ohnmächtig gegenüber: Politische Kräfte für die Lösung von Problemlagen zu mobilisieren, die erst zukünftig zu erwarten sind, stellt die westlichen Demokratien vor ein schier unlösbares Problem. Wenn derzeit schon politisch schwach vertretene Interessen und Gruppierungen in der Regel benachteiligt werden (z.B. Alte und Kinder), wie sollen die Interessen zukünftiger Generationen gleichberechtigt und angemessen in Abwägungsverfahren vertreten werden? Die Einsicht in die Verantwortung für die Zukunft der eigenen Kinder in breiten Teilen der Bevölkerung könnte ein erster Ansatzpunkt für die Beantwortung dieser Frage sein. Die Verantwortung kann in jedem Fall nur stellvertretend wahrgenom­ men werden.

Aktuelle Interessenverletzungen und wahrgenommene Verstöße gegen die Rechte zukünftiger Generationen sind Anlaß und Ausgangspunkt für Problemlösungen und die Auflösung der Interessenkonflikte ist gleichzeitig das - nie völlig erreichbare Ziel. Nur im Rahmen des erforderlichen gesellschaftlichen Diskurses lassen sich die 23

Maßstäbe aufstellen, die zur Lösung der Probleme unerläßlich sind. Weil Interessenkonflikte bei der zukünftigen Entwicklung grundsätzlich nicht zu ver­ meiden sind, ist ein angemessener Umgang mit ihnen im Spannungsfeld zwischen Unwissenheit und Verantwortung notwendig. Der Schwerpunkt von Lösungsstrate­ gien zur Zukunftsfähigkeit sollte demnach auf der Verfahrensseite liegen, in der prozedualen Entwicklung von Lösungsstrategien, was wiederum Informations- und Beteiligungsansprüche bekräftigt (vgl. v.d.DAELE 1993). Eine angemessene Reaktion auf die Wahrnehmung von Umweltzerstörung und Verteilungsungerechtigkeiten ist also die deutliche Benennung der InteressenVer­ letzung, bzw. der Verletzung ‘gesellschaftlicher Spielregeln’ und die Einforderung einer gerechten Interessenabwägung im Rahmen eines demokratischen Verfahrens.

Dieser Hinweis mag für den einzelnen Betroffenen aufgrund seiner Erfahrungen mit derartigen Verfahren naiv und auf dieser abstrakten Ebene wie eine Binsenweisheit klingen; er drückt lediglich mit anderen Worten aus, daß die Berücksichtigung der Zukunftsfähigkeit unmittelbar von der Stärke der Interessen abhängt, die hinter den Belangen stehen. Er relativiert überzogene Erwartungen an die Durchsetzbarkeit des ‘sustainable development’-Leitbildes auf ein realistisches Maß und ordnet den erforderlichen Wandel gängigen Mechanismen der Demokratie zu. Gleichzeitig werden damit aber auch Perspektiven für die Weiterentwicklung der Demokratie eröffnet, die es bisher nicht vermochte, vorsorgeorientierte Maßstäbe konsequent zu integrieren, institutionalisieren, bzw. v.a. umzusetzen (vgl. Kloepfer, 1992, s. Kap. 3.3.4). Unter dem Aspekt der zeitlichen Perspektive betrachtet, stellt sich die ‘Lösung’ der Probleme auch unter diesem Gesichtspunkt als eine Daueraufgabe dar. Weder die übergeordneten sozialen Ideale sind je erreichbar (hier: verantwortungsvolle Nutzungsweisen ohne eklatante Interessenverletzungen, man betrachte nur die Schwierigkeiten, andere offensichtliche Rechtsverletzungen, z.B. Menschenrechts­ verletzungen, zu verhindern), noch ist zu erwarten, daß Nutzungen entwickelt werden können, die keine ‘Nebenwirkungen’ (im Sinne von Interessenverletzungen anderer) mit sich bringen werden, d.h. es werden immer Interessenkonflikte auf­ treten; es geht also um die Form des Umgangs mit diesen Interessenkonflikten. Zu einer vorausschauenden, gerechten Politik gibt es keine Alternative. „Denn angesichts einer begrenzten Erde und einer wachsenden Weltbevölkerung wäre die Alternative grausam: Krieg um das Begrenzte. „Das wäre dann“, prophezeit der CSD-Vorsitzende Klaus TÖPFER nüchtern, „die andere Auflösung des Dilemmas“ (Vorholz, 1994).

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1.2

Planungstheoretische Aspekte

1.2.1 Einleitung Die vorangegangene inhaltliche Untersuchung des ‘sustainable developmenfBegriffs hat gezeigt, daß sich hinter diesem Leitbild eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung verbirgt, unter besonderer Betonung der Verantwortung für nachfolgende Generationen. Die Berücksichtigung der Zukunftsfähigkeit verschärft noch einmal die längst bekannten Forderungen nach Umwelt- und Sozialgerechtigkeit, weil nun auch die langfristigen Perspektiven heutiger Entscheidungen mit ins Kalkül einbezogen werden sollen. Dies müßte zu einem noch schnelleren Kurswechsel, zu einem noch entschiedeneren Wandel in allen gesellschaftlichen Bereichen fuhren. Zu offen­ sichtlich sind die Interessenverletzungen gegenüber späteren Generationen. Doch zunächst besitzt der kulturverändemde Anspruch von ‘sustainable develop­ ment’ lediglich einen visionären Charakter. Das Leitbild ergänzt, bzw. tritt in Konkurrenz zu den aktuellen tagespolitischen Debatten und Interessenkonflikten in den vielfältigen Politikfeldem: Sozial-, Wohnungs-, Steuer-, Verkehrs-, Forschungs-, Bildungs-, Wirtschafts-, Finanz-, Außen- und Entwicklungspolitik, wobei die Tagespolitik schon jetzt von ‘Unüber­ sichtlichkeit’ gekennzeichnet ist: • Unüberschaubarkeit der Akteure, Interessen, Instrumente und Steuerungs­ mechanismen; • Unübersichtlichkeit der Zusammenhänge, sowohl bezogen auf einzelne Poli­ tikfelder, erst recht in ihrer Vernetzung; • Unberechenbarkeit der Planungsmöglichkeiten und gezielter Einflußnahmemöglichkeiten, Unsicherheiten bei der Wahl des ‘richtigen’ Weges. Es gibt keine Zweifel über die Notwendigkeit eines Wandels, aber große Unsicher­ heiten bei der Umsetzung, weil sich gesamtgesellschaftliche Entwicklungen verän­ dern müssen, eingefahrene Verhaltensmuster und Denkweisen betroffen sind, die Folgen weitgehender Veränderungen nicht absehbar sind. Es ist offensichtlich, daß der notwendige Wandel nicht mit wenigen staatlichen Lenkungsinstrumenten be­ wältigt, im Grunde auch nicht verordnet werden kann. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, an Bewährtem anzuknüpfen, darauf aufbauend Lösungswege zu entwickeln, aber auch die Gefahren einer einseitigen Ausrichtung nach einer Utopie, durch überhöhte Forderungen den Wandel noch zu verzögern, sollen im folgenden in einem ersten Abschnitt kurz erläutert werden. Nach dieser übergeordneten Einführung steht im Vordergrund, wie methodisch auf die aufgezeigten Defizite reagiert werden kann. Es soll keine Diskussion der ver­ schiedenen Lenkungsinstrumente erfolgen, sondern die mögliche Vorgehensweise unter den aktuellen Rahmenbedingungen untersucht werden. Die Anforderung an die Planungsdisziplinen, gesamtgesellschaftliche Leitbilder umzusetzen, ist nicht neu. Deshalb kann bei den Untersuchungen zur ‘sustainable 25

development’-Problematik auf einen breiten Erfahrungsschatz z.B. der Raum-, Regional- und Stadtplanung zurückgegriffen werden. Ebenso ist der sozial und ökologisch orientierte Umbau der Gesellschaft schon seit längerem Thema in der planungstheoretischen Diskussion (s. ökologische Raum­ und Regionalplanung (vgl. FÜRST, 1986), eigenständige Regionalentwicklung, ökologischer Stadtumbau); die vorhandenen Instrumente voraussetzend, wird der­ zeit die Diskussion vor allem über die Umsetzung, die Anwendung geeigneter Verfahren zur Implementation geführt. Auf den aktuellen Stand dieser Diskussion um eine ‘neue Planungskultur’ - die gerade vor dem Hintergrund der ökologischen und sozialen Herausforderungen geführt wird - soll zurückgegriffen werden, um Querbezüge zum ‘sustainable development’-Leitbild untersuchen zu können. Es wird sich herausstellen, daß die Bemühungen um eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung im Rahmen der räumlichen Planungsdisziplinen - die in der Arbeit im Vordergrund stehen - große Überschneidungen mit dem ‘sustainable development’-Leitbild aufweisen. Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen wird die regionalplanerische Ebene bis hin zur konkreten Umsetzungsebene stehen. Auf dieser Ebene sollen auch im weiteren Verlauf der Arbeit die Möglichkeiten zur Implementation des ‘sustainable development’-Leitbildes untersucht werden.

1.2.2

Utopien und Visionen - Der gesamtgesellschaftliche Wandel, Veränderungen in kleinen Schritten

Die Diskussion um das ‘sustainable development’-Leitbild ist von Extremen ge­ prägt: Einerseits • extreme Bedrohungen durch ‘Übernutzung’ der natürlichen Ressourcen, kata­ strophale Lebensbedingungen werden prognostiziert, welche den Tod für viele bedeuten würde (z.B. Überschwemmungskatastrophen), • extremes Wohlstandsgefälle zwischen ‘Nord und Süd’, zunehmend auch be­ züglich der Umweltqualität, diese Bedingungen fordern heute schon jeden Tag unzählige Tote und dies bei steigendem Bevölkerungswachstum in diesen Ländern, andererseits • daraus resultierende Forderungen nach extremen Veränderungen (Verab­ schiedung vom Wachstumsgedanken, Wandel in der Definition von Wohlstand in den Industrieländern, Stärkung der Position der sog. Entwicklungsländer auf internationaler Ebene usw.), • die extreme Diskrepanz zwischen offensichtlichen Defiziten und derzeit durch­ setzbaren Veränderungen.

Zudem ist die Situation durch einen großen Zeitdruck geprägt, welcher anfangs in bezug auf die Umweltproblematik häufig in der Wendung ‘es ist fünf vor zwölf 26

seinen Ausdruck fand - heute wagt wohl keiner mehr dieses Bild zu verwenden, angesichts schon einsetzender Katastrophen (Waldsterben, Ozonloch, Wüstenaus­ breitung, Klimaveränderungen) und dem überzogenen Gebrauch dieser Wendung. ‘Ökologische Krise’ und Dritte-Welt-Problematik sind jedoch in gleicher Weise dadurch gekennzeichnet, daß diesen Defiziten und Diskrepanzen gesellschaftliche Utopien entgegengestellt werden (Utopie, i.S. eines unausführbar geltenden Planes ohne reale Grundlage, Duden Fremdwörter). • Utopien, die v.a. in den Anfängen der Ökologiebewegung und des Engage­ ments für entwicklungspolitische Ziele aufgestellt wurden und zum Teil sehr stark von den politischen Anschauungen der Autoren gekennzeichnet sind; (vom Öko-Kommunismus (Harich) bis zum Öko-Rechtsextremismus (Gruhl), s. Marten, 1983; Harborth, 1993; Kielmannsegg, 1990:193). • Utopien in bezug auf einzelne Problemfelder (unter Umweltaspekten z.B. Zukunftsentwürfe zu Verkehr, Landwirtschaft, Freizeit usw.). Weitreichende Reformen zu einzelnen Nutzungssektoren erweisen sich dann als Utopien, wenn sie den maßgeblichen Weg zur Erreichung der ‘umweltverträglichen’ Nutzungsform außer Acht lassen und die grundlegenden menschlichen Inter­ essen vernachlässigen. • Utopien, die im Zusammenhang mit dem ‘sustainable development’-Leitbild wieder aufkommen. Sowohl aus naturwissenschaftlicher Sicht erweisen sich Entwürfe zu einer nachhaltigen Entwicklung als illusorisch (z.B. Forderungen nach einer Erhaltung des ‘natürlichen Kapitalstocks’, dem häufig ein über­ kommener Stabilitäts- und Gleichgewichtsgedanke zugrundeliegt), wie auch aus gesellschaftspolitischer Sicht (die Diskussion um den Nachhaltigkeits­ gedanken verliert auf makrogesellschaftlicher Ebene häufig den Realitäts­ bezug; angenommene Steuerungsnotwendigkeiten werden kaum in Bezug zu Steuerungsmöglichkeiten gesetzt). Werden momentan unrealistisch erscheinende Ziele im Rahmen der Leitbilddis­ kussion entworfen und dienen in diesem Rahmen als Orientierung bei der Suche nach ersten geeigneten Schritten, sind sie ‘unproblematisch’ (s.u.), zumal sie dann nicht den Anspruch stellen, unmittelbar umgesetzt zu werden; diese Ziele werden im folgenden als ‘Visionen’ bezeichnet. Werden jedoch im Rahmen von Utopien Forderungen aufgestellt, die nicht nur weit über das derzeit mögliche hinausgehen, sondern als anzustrebende Ziele definiert, so ist dieses Vorgehen in verschiedener Hinsicht gefährlich. Im Extremfall liegt diesen Utopien eine Methodik zugrunde, welche man nach Popper als „die Methode des Planens im großen Stil, die utopische Sozialtechnik, die utopische Technik des Umbaus der Gesellschaftsordnung oder die Technik der Ganzheitsplanung“ (POPPER, 1992:187) bezeichnen kann; in diesem Zusammenhang sind die o.g. Utopien von Gruhl und Harich zu nennen, die Tendenzen zu einer Öko-Diktatur beinhalten, diese sollen hier jedoch nicht im Vordergrund stehen (s. dazu Popper, 1992:187ff).

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Die Aufstellung derartiger weitgehender Forderungen (b+c) ist zugleich naheliegend wie verführerisch. • Angesichts der umfassenden Problemlage erscheinen auch weitreichende Lösungsentwürfe angebracht. Gleichzeitig wird damit die Schwierigkeit über­ gangen, konkrete erste Schritte zu benennen, die auch durchsetzbar sind. Der vorgelegte ‘Lösungsentwurf gaukelt dabei eine Antwort auf die drängenden Probleme vor, die aber nicht vorhanden ist; umso größer ist die Enttäuschung, wenn die weit gesteckten Ziele nicht gleich erreicht werden. • Befürworter von weit gesteckten Zielen können zur Kompromißlosigkeit neigen, was wiederum unweigerlich zu einer unproduktiven Konfrontation in der Auseinandersetzung mit anderen Interessenvertretem führt. Damit werden jedoch Problemlösungen weiter aufgehalten. • Weit gesteckte Ziele bergen weiterhin die Gefahr, daß sich die Maßstäbe zur Beurteilung von Zwischenschritten verschieben. Negative Nebenwirkungen von Zwischenschritten werden eher in Kauf genommen angesichts der hehren Ziele; Nebenwirkungen, die für sich genommen nie akzeptiert werden würden. • Die negativen Nebenwirkungen weitgehender Pläne sind von niemandem vor­ auszusehen. Dafür sind Eingriffe in das soziale Leben im großen Maßstab viel zu schwierig einzuschätzen, ob sie praktisch sind; ob sie zu einer wirklichen Verbesserung führen können; welche Leiden aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihnen verbunden sein werden und welches die Mittel zu ihrer Verwirklichung sein könnten (vgl. Popper, 1992:189, Keller, 1991, Tenbruck, ‘72). • Weiterhin kann die Aufstellung weit gesteckter Ziele leicht zu einer ständigen Verschiebung des Handelns auf einen späteren Zeitpunkt führen, wenn die Bedingungen günstiger sind. • Schließlich bergen große Entwürfe die Gefahr, zentralistische Entschei­ dungsstrukturen nach sich zu ziehen, um sie zu verwirklichen. Es ist jedoch höchst fragwürdig, ob diese Entscheidungsstrukturen eine adäquate Organisa­ tionsform für die vorliegenden komplexen Probleme darstellen (vgl. Tendenz zu wachsender Kontrollintensität, u.a. im Umweltbereich; s. FÜRST, 1990). Peters et al. (1996) weisen darauf hin, daß der Versuch, die globale Ent­ wicklungsrichtung auf internationaler Ebene zu steuern - gleichsam ein „programme of global management of both the environment and people“ (Hildyard 1993:24 in Peters et al. 1996:31) zu initiieren - mit einer immen­ sen Ausweitung der Macht der beauftragten internationaler Organisationen verbunden wäre. „Sehr leicht kann deshalb eine Ökokratie, die sich im höheren Auftrag der ‘Einen Erde’ zum Handeln berufen fühlt, zu einer Gefahr für lokale menschliche Gemeinschaften und ihren Lebensstil werden“ (Sachs 1994:1378 in PETERS et al. 1996:31). Diesen Forderungen, die den Umbau von Teilen oder der gesamten Gesellschafts­ ordnung beinhalten oder den Anschein erwecken, darin würde eine erfolgverspre­ chende Planungsmethode liegen, ist eine Planungstechnik entgegenzusetzen, „die man von Fall zu Fall angewendete Sozialtechnik, die Sozialtechnik der Einzelpro-

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bleme, die Technik des schrittweisen Umbaus der Gesellschaftsordnung oder die Sozialtechnik der kleinen Schritte nennen könnte“ (POPPER, 1992:187). Ein Planer oder Politiker, der sich diese Methode zu eigen gemacht hat, mag eine Skizze einer Gesellschaftsordnung oder des maßvollen Umgangs mit der Natur vor Augen haben; er mag hoffen, daß eines Tages eine größere Gerechtigkeit herrschen wird und weniger Armut, daß Nutzungsformen natürliche Belastungsgrenzen nicht überschreiten und Qualität statt Quantität die gesellschaftliche Entwicklung be­ stimmt. Aber er wird nie das ferne Ziel zum alleinigen Maßstab für aktuelle Maß­ nahmen werden lassen, sondern in jedem Einzelfall davon unabhängigen morali­ schen Wertmaßstäben den Ausschlag geben.

Kritisiert werden soll hier nicht das Ideal, nur weil es sich niemals realisieren läßt, sondern die utopische Forderung, welche den „Vorschlag des völligen Neubaus der ganzen Gesellschaftsordnung“ beinhaltet, „ein Vorschlag dessen Verwirklichung zu sehr weitgehenden Veränderungen führen muß und dessen praktische Konse­ quenzen sich wegen unserer beschränkten Erfahrungen nur schwer abschätzen lassen“ (Popper, 1992:192f). Ein Festhalten an utopischen Entwürfen bedeutet, auf dem Weg zur Erreichung dieses fernen Zieles mehr oder weniger bewußt das Risiko, soziale und ökono­ mische Verwerfungen einzukalkulieren. Wer die Vermeidung, bzw. Verminderung von Verletzungen grundlegender Rechte als Anlaß und Ausgangspunkt für ein Handlungskonzept akzeptiert, für den können auch in der Folge von Maßnahmen auftretende Benachteiligungen und Rechtsverletzungen nicht gleichgültig sein. Diese Unterscheidung hat sehr weitreichende Konsequenzen. Anstatt sich für hehre Kriterien von Sozial- und Umweltverträglichkeit zu engagieren und sich für ihre Verwirklichung einzusetzen, wird sich ein Anwalt der Planungstechnik der kleinen Schritte „nach den größten und dringlichsten Übeln in der Gesellschaft umsehen, und er wird versuchen, sie zu beseitigen“ (Popper, 1992: 188). Diese Unterschei­ dung ist weit davon entfernt, bloß verbal zu sein: • Wie schon in Kap. 1.1 angedeutet wurde, liegen auch Umweltproblemen Interessenverletzungen zugrunde. Hier die eklatantesten Verstöße gegen Men­ schenrechte aufzuzeigen und dagegen anzugehen, könnte sich auch viel eher der Unterstützung der betroffenen Menschen sicher sein. • Ein schrittweiser Umbau der Gesellschaftsordnung ist wesentlich leichter zu beurteilen, geht es doch um überschaubare Zusammenhänge und Pläne für einzelne Institutionen, die nicht zum ersten Mal einen Wandel vollzogen haben (z.B. die schrittweise Einführung von sog. ‘Öko-Steuern’ s. v. WEIZSÄCKER, 1994). Die Schritte sind rückgängig zu machen und ein eventuell eintretender Schaden nicht allzu groß. • Wenn es möglich ist, grundlegende Wertverletzungen aufzuzeigen und erste Schritte dagegen angeben zu können, so wird es auch eher möglich sein, einen vernünftigen Kompromiß zu erzielen und dadurch eine Verbesserung mit Hilfe demokratischer Methoden zu erreichen. 29



Die Methode der kleinen Schritte ist zudem ein Verfahren, das sich, im Gegensatz zur Utopie, „in jedem Augenblick anwenden läßt“ (Popper, 1992:189). In diesem Sinne sollten auch zur Verwirklichung des ‘sustainable development’-Leitbildes zunehmend die konkreten, pragmatischen Schritte in den Vordergrund rücken.

Die Gefahr utopischer Entwürfe liegt derzeit nicht so sehr darin, daß gesellschaft­ liche Interessengruppierungen sie durchsetzen wollen (s.o. Gefahr der ‘Öko-Dik­ tatur’). Die Gefahr liegt vielmehr darin, daß sie dazu beitragen, dringend notwen­ dige Schritte weiter hinauszuzögem, da sie unnötige ‘Gespenster-Debatten’ aus­ lösen. Die Notwendigkeit, zunächst einmal neue gesellschaftliche Ordnungen ent­ werfen zu müssen, wird vielfach geäußert und die Bedeutung dieser Entwürfe viel­ leicht überschätzt. Dabei gehen jedoch wichtige Kräfte verloren, die bei dem Ent­ wurf und der Umsetzung erster konkreter Schritte fehlen. „Es kann, um es mit Luhmann zu sagen, „nicht alles auf einmal Problem werden““ (Rohe, 1994:34). Weiterhin tragen sie dazu bei, die handlungsleitenden Werte in den Hintergrund zu drängen. Es steht nicht mehr die Verminderung oder Vermeidung der Verletzung grundlegender Rechte im Mittelpunkt, sondern die Debatte um ferne Ziele oder um abstrakte Begriffe wie ‘Sozial- und Umweltverträglichkeit’. Der Versuch aus der­ artigen abstrakten Zielvorstellungen gleichsam ‘Metakriterien’ für das Handeln abzuleiten, ist jedoch zum Scheitern verurteilt (s. Kap. 1.1, vgl. v.d. Daele, 1993). Die notwendigen Kriterien können nur im gesellschaftlichen Diskurs ermittelt werden. Zudem wird vernachlässigt, daß mit jeder Veränderung auch die Gefahr von Benachteiligungen und Interessenverletzungen einhergeht. Gerade die im Zusammenhang mit dem ‘sustainable development’-Leitbild an die Adresse der Industrienationen aufgestellten Forderungen orientieren sich an gesell­ schaftlichen Zuständen, die von ‘Überfluß’ und ‘Wachstum’ geprägt sind. Über­ gangen werden dabei aber in der Regel die Bevölkerungsgruppen, die daran bisher oder derzeit auch in den Industrieländern keinen Anteil haben, sondern um die Deckung ihres Grundbedarfs bemüht sind. Sie sind durch die Umweltbelastungen und die möglichen Gegenmaßnahmen gleich mehrfach benachteiligt: • ärmere Bevölkerungsschichten sind oftmals stärker von schlechteren Umwelt­ bedingungen betroffen (s. z.B. Wohnumfeld), • sie haben aber ihrerseits keinen großen Anteil an der Umweltbelastung, weil sie sich keinen verschwenderischen Lebensstil leisten können, • sind jedoch andererseits von Gegenmaßnahmen, wie Energiepreiserhöhungen und anderen mit Umweltbelastungen begründeten Verteuerungen des Lebens­ unterhaltes am stärksten betroffen.

Bei dem o.g. schrittweisen Vorgehen stehen dagegen die konkreten Verletzungen von Rechten, bzw. die Abwägung mit Interessenverletzungen durch zu erwartende Folgen von Maßnahmen im Vordergrund. Hier besteht die Hoffnung, in Form von integrierten Konzepten vermehrt Kräfte für die Umsetzung mobilisieren zu können.

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1.2.3 Die ‘Neue Planungskultur’ - Einsicht in die Grenzen des Planbaren Die Situation, daß ‘Planung’ (hier im Sinne von gedanklicher Vorwegnahme, ‘planvoller’ Vorgehens weise im politischen Raum, insbesondere durch staatliche Planung, z.B. Raumordnung, Landes- und Regionalplanung, Fachplanungen, aber auch durch andere gesellschaftliche Institutionen) gesellschaftliche Leitbilder zu verwirklichen versucht, ist nicht neu. Planung war schon immer von gesellschaftspolitischen Leitbildern geprägt - auch in der ‘Größenordnung’ von ‘sustainable development’ - so zum Beispiel die Sicher­ stellung ‘gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen’ innerhalb der Landes­ planung (vgl. Raumordnungsgesetz §1(1), §2(1), Knieling, ‘91, Goppel, ‘94). Allerdings mußte die Erfahrung gemacht werden, daß die Umsetzung dieser Leit­ bilder sehr schwierig, wenn nicht gar in vielen Fällen kurz- bis mittelfristig un­ möglich ist (vgl. Knieling, 1991; Raumordnungsberichte der Bundesregierung; s. auch obiger Abschnitt). Es können grob verschiedene Phasen unterschieden werden, die sich durch einen unterschiedlichen Umgang mit komplexen, weitreichenden Vorhaben und unter­ schiedliche Rahmenbedingungen unterscheiden. In Tabelle 1 werden die verschie­ denen Planungsphasen aufgelistet, hier stellvertretend erläutert am Beispiel der Stadtplanung, und die wichtigsten Merkmale der einzelnen Phasen erläutert (Sieverts / Ganser, 1993). An dieser Stelle wird die Entwicklung der Umweltplanung nicht näher dargestellt, weil sich auf der einen Seite der technische Umweltschutz - anknüpfend an die Tradition der Gewerbeordnung - heute als eine den ökonomisch-technischen Fort­ schritt lediglich flankierende Aufgabe versteht (s. Grenzwertpolitik, ‘end-of-pipe’Technik). Auf der anderen Seite ist auch die Landschaftsplanung nie eine ausge­ sprochene ‘Entwicklungsplanung’ gewesen und hatte nie den Anspruch, umfassende Leitbilder umzusetzen, bzw. wurde auch nicht mit den Instrumenten ausgestattet. Dieser Anspruch ist schon in der Folgezeit von Emst RUDORFFS programmatischen Ansätzen (1880) verlorengegangen (vgl. Erz 1990). In der Folgezeit war Umwelt-, bzw. Landschaftsplanung vom defensiven Schutzgedanken (Schutzgebietspolitik) und dem Segregationsprinzip, bzw. dem ‘Reparaturbetrieb’ geprägt.

Die in Tab. 1 schlaglichtartig aufgezeigte Entwicklung in der städtebaulichen Pla­ nungskultur (die in den Grundzügen auch auf die gesamte Planungsdisziplin zu übertragen ist, insbesondere auf die Raum- und Regionalplanung) ist von der Aus­ einandersetzung mit den Grenzen der Plan- und Machbarkeit geprägt. In der stür­ mischen Wachstumsphase nach dem Krieg wurden die Grenzen noch verdeckt durch den Wiederaufbau, den Nachholbedarf und dem damaligen gesellschaftlichen Konsens. Die weitere Entwicklung kann als ein Anpassungsprozeß an die Grenzen der Planbarkeit und an veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen interpre­ tiert werden:

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Tab. 1: Phasen der Stadtplanung Zeiträume unterschied­ licher „Pla­ nungskul­ turen“

Leitbilder / Ziel­ ‘Planungskultur’ vorstellungen / Inhalte

Wiederaufbau­ phase (1943-1960)

- Pragmatismus - Wiederaufbau - Behebung von Mißständen

Versuch der ‘integrierten Entwicklungsplanung’ (1960-1975)

zunächst: - ‘Plan- und Machbarkeit der Welt’ - zielgerichtete Gesamtent­ wicklung - Wirtschafts­ wachstum

später: - ‘Deregu­ lierung’ - Zurücknahme des Staatsein­ flusses

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gesellschaftliche Rahmenbedingungen (ausschnitthaft)

- zunächst umfassende Konzepte (vom histori­ schen Wiederaufbau bis zur radikalen Moderni­ sierung) - später reaktive ‘Ordnungs- und Auffang- * planung’ - zunehmende Ausrichtung der Planung nach wissen­ schaftlichen Grundlagen (empirisch-analytisches Vorgehen)

- gesellschaftlicher Konsens - anerkannte Fach­ autorität der Planer - ‘Wirtschaftswunder’

- ‘integrierte Entwick­ lungsplanung’ - Koordinierung von Fach­ planungen und öffentli­ chen Haushalten - weitere Systematisierung und Verwissenschaft­ lichung

- erste Wachstums­ probleme - optimistischer Glaube an Wissenschaft, Planbarkeit und wirt­ schaftliches Wachs­ tum

- Einsicht in die Grenzen dieser Planung - ‘„Entfeinerung’ - Konzentration auf das Wesentliche - Setzung von polit. Schwerpunkten - einfache Zusammen­ hänge, schnelle Korri­ gierbarkeit

- weltwirtschaftiche Krisen, ‘Ölschock’ - ökologische Krise wird sichtbar

Zeiträume unterschied­ licher „Pla­ nungskul­ turen“

Leitbilder / Ziel­ ‘Planungskultur’ vorstellungen / Inhalte

gesellschaftliche Rahmenbedingungen (ausschnitthaft)

Historismus (1975-1990)

- Rückbesinnung auf nichtmat­ erielle und ge­ schichtliche Werte - Stadtökologie - Bürgerbe­ teiligung - wirtschaftli­ ches Wachstum contra wachstums­ kritischer Entwürfe

- „Inkrementalismus“: kleinteilige Einzelmaß­ nahmen, kleine Schritte, lockere Koordination durch Rahmenpläne

- zunehmende Wachs­ tumskritik, abnehmen­ der Planungsanspruch

- Weiterfuhrung und Wei­ terentwicklung der er­ probten Verfahren - neue Verfahren treten hinzu: - Elemente privatwirt­ schaftlicher Steuerung (Public relations, Marke­ ting etc.) - ‘Moderation’ komplexer Prozesse (S.u.)

- kurzfristiger Hand­ lungsbedarf (z.B. auf­ grund wachsender W ohnungsnachfrage, notwendiger Strukturemeuerungen) stößt auf leidenschaftlich verteidigte ökologi­ sche Grenzen, ab­ nehmende Vertei­ lungsspielräume, langandauemde Pla­ nungsverfahren

seit 1990

Grenzen in der Auseinandersetzung der Planung mit der Realität: •

Komplexität: Umfassende Planwerke scheitern an der unüberschaubaren ‘Vernetzung’ von unzähligen Faktoren in der Realität, die sich weder vollkommen erfassen noch Folgen prognostiziert oder bewertet werden können (vgl. TENBRUCK,1972; Vester, 1991b; Dörner, 1993; Keller, 1991; Sieverts/Ganser, 1993).

Grenzen in der Auseinandersetzung der Planung mit der Gesellschaft: • Interessengebundenheit von Planung: Daß theoretisch vorhandene Steuerungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft werden, ist nicht nur mit ‘Vollzugsdefiziten’ zu begründen. In erster Linie ist das Auseinanderklaffen von Realität und theoretischen Handlungsmöglich­ keiten als Resultat des jeweiligen politischen Kräfteverhältnisses zu verstehen (vgl. Selle, 199lb:98).

33







Vermittelbarkeit: „Der Versuch, alles zu integrieren, schuf Planwerke von zu hoher Komplexität, daß diese nur schwer transparent gemacht und vermittelt werden konnten“ (Sieverts/Ganser, 1993:33). Schwerfällige Korrigierbarkeit: „Das komplizierte Planwerk ist nur in großen Abständen veränderten Ent­ wicklungen anpaßbar, und dies mit einem sehr großen Aufwand. Die kurz­ fristige Reaktion auf veränderte Bedingungen oder gar Krisensituationen findet daher abseits eines derartigen Planwerks statt. Entwicklungsplanung wird daher im Laufe der Zeit immer mehr zur ‘nachträglichen Buchhaltung’ von Einzelentscheidungen, die anderswo getroffen werden“ (Sieverts / Ganser, 1993:33). Unstete öffentliche Finanzpolitik: „Integrierte Entwicklungsplanung und mittelfristige Investitionsplanung sind auf eine stetige öffentliche Finanzpolitik angewiesen. Diese reagiert aber in Abhängigkeit von den weltwirtschaftlichen Verwerfungen ab Mitte der sieb­ ziger Jahre zunehmend unsteter“ (Sieverts/Ganser, 1993:33).

Hieraus ergibt sich folgendes Bild: Bevor Planung an ihre erkenntnistheoretischen Grenzen stößt (Stichwort ‘Komplexität’), werden ihr schon viel früher Grenzen aufgrund politischer Kräfte­ verhältnisse und gesellschaftlicher Interessenlagen gesetzt. Die theoretisch vorhan­ denen Steuerungsmöglichkeiten reichen - trotz der oben genannten weiteren Ein­ schränkungen - weit über die praktisch ausgeübten hinaus (vgl. SELLE, 1991 b:98). Und dies gilt unabhängig von der verwendeten Planungsmethodik (ob ‘großer Plan’, ‘kleine Schritte’ oder ‘wertorientierte Moderation’ (s.u.)). „Entwicklungssteuerung ist per se weder an Maßstabsebenen noch an Langfristigkeiten noch an Planumfang gebunden. Wohl aber an Wertorientierungen und die Bereitschaft zum (gegen-) steuernden Eingriff. Beides ist aber im Prinzip mit den verschiedensten Planungs­ konzepten und Handlungsformen zu verknüpfen“ (SELLE, 199 lb:98f). (Diese Situation ergibt sich unabhängig von den Inhalten; auch umweltpolitische Leitbilder sind in der Weise nicht umzusetzen).

In dieser Situation, in der die Planungsdisziplin die Grenzen umfassender Planungen längst zur Kenntnis genommen hat, wächst auf der anderen Seite der Bedarf nach gezielten, großangelegten Veränderungen in der Gesellschaft. Ökologische Krise, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und Strukturkrisen in den Industrieländern und nicht zuletzt der Anspruch an eine dauerhafte (sustainable) Entwicklung stellen Heraus­ forderungen von zum Teil nicht gekanntem Ausmaß dar. Die Methoden der bisherigen Planungskultur helfen jedoch nicht weiter: „Eine ‘Wiederbelebung’ der integrierten Entwicklungsplanung nach altem Muster erscheint nicht möglich: Das Ziel der geschlossenen, umfassenden Planungssysteme muß nicht nur aus praktischen Erfahrungen, sondern auch aus erkenntnis­ theoretischen Gründen aufgegeben werden“ (Sieverts/Ganser, 1993:34). 34

Wesentlich schwieriger noch zu handhaben, als die planungsmethodischen Pro­ bleme sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. So umfassend und grund­ legend die gesellschaftlichen ‘Krisen’ sich darstellen (s. Kap. 1.1), so gespalten und widersprüchlich sind die gesellschaftlichen und politischen Interessenlagen (s. z.B. Wachstumsdenken contra Wachstumskritik). Diese Situation verhindert in gleicher Weise die Umsetzung ‘großer Pläne’ wie die oben erwähnten erkenntnistheo­ retischen Gründe. Vor diesem Hintergrund wird derzeit eine Diskussion innerhalb der Planungsdis­ ziplinen geführt, die in ihrer Breite an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden kann. Vielmehr soll beispielhaft der Versuch von Ganser und Sieverts beschrie­ ben werden, eine neue Planungskultur unter dem Begriff ‘perspektivischer Inkrementalismus’ zu entwerfen. Dieser Entwurf beinhaltet wesentliche Elemente der aktuellen Diskussion und soll deshalb stellvertretend verwendet werden. Sieverts und Ganser beschreiben ihren Versuch des ‘perspektivischen Inkrementalismus’ als Antwort auf die gewandelte Situation folgendermaßen:

„In Kenntnis der Erfahrungen mit den unterschiedlichen Planungsansätzen der letzten 50 Jahre und mit dem Ziel einer Antwort auf die neuen Problemlagen ver­ suchen wir einen Weg zu definieren, der die in den letzten eineinhalb Jahrzehnten gewonnene Sensibilität gegenüber Geschichte und Gestalt schützt und der den Anspruch auf Integration von Fachplanungen und Fördermitteln nicht aufgibt, aber diese in überschaubaren Schritten und Projekten bündelt. Dabei wird das Erbe der Ansätze der Entwicklungsplanung der sechziger und siebziger Jahre auf neue Weise genutzt, denn die Planungs- und Finanzierungsinstrumente der siebziger Jahre wurden ja nicht beseitigt. Sie sind in ihrem ursprünglichen Anspruch zwar weitgehend leergelaufen, werden aber in ihren ‘nützlichen und schädlichen Bruch­ stücken’ gleichermaßen weiter praktiziert. Die Anhänger einer sozial und ökologisch orientierten Reformpolitik mit Anspruch auf Rationalität und Transparenz nutzen die vorhandenen instrumentellen Mög­ lichkeiten zu einer Politik des ‘perspektivischen Inkrementalismus’. Der ‘Inkrementalismus’ ist in der Planungstheorie der gescholtene oder auch gelobte Gegenpart einer ‘comprehensive policy’. Mit dem vorgestellten Adjektiv ist die Vielzahl von kleinen Schritten gemeint, die sich auf einen perspektivischen Weg machen. Im theoretischen Anspruch ist dies sicher der ‘kleinere Bruder’ der integrierten Ent­ wicklungsplanung, in der praktischen Politik könnte man darin durchaus auch den ‘erfolgreicheren’ Nachkommen sehen“ (Sieverts/Ganser, 1993:35).

35

2. Prinzipentreue im Einzelfall

1. Allgemeine Zielvorgaben

7. Ökonomische statt rechtliche Intervention

r Perspektivischer Inkrementalismus (Planung der kleinen Schritte mit einer klaren wertorientierten Perspektive)

6. Integration der Instrumente statt Integration der Programme

5. Verzicht auf flächen­ deckende Realisierung

3. Projekte statt Programme 4. überschaubaure Etappen

Abb. 2: Die methodischen Konstruktionsprinzipien

„ 1. Allgemeine Zielvorgaben Die Ziel vorgaben bleiben auf dem Niveau von gesellschaftlichen Grundwerten, die sich im einzelnen, je nach Gewichtung und neuen Wertorientierungen, konkret jeweils unterschiedlich ausdrücken können. Auf eine weitergehende Operationalisierung der Zielperspektive wird deshalb bewußt verzichtet. Dies erleichtert Verständlichkeit und Konsensbildung. 2. Prinzipientreue am Einzelfall Die Verpflichtung auf gesellschaftliche Grundwerte wird an symbolischen Einzelfallentscheidungen nachgewiesen. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit und erläutert die Prinzipien der angestrebten Entwicklung.

3. Projekte statt Programme Konkrete Projekte treten an die Stelle abstrakter Programmstrukturen. Die Planungs- und Finanzierungsinstrumentarien orientieren sich am «Bedarf» dieser Projekte. Das Programm entsteht sozusagen empirisch durch das Bündeln wesensgleicher Projekte. 4. Überschaubare Etappen Die Dominanz langfristiger Programmstrukturen wird durch einen mittelfristig überschaubaren Handlungszeitraum ersetzt. Statt des mühsamen Zerlegens eines langfristigen Programms in mittelfristige Realisierungsabschnitte steht das mittelfristig Realisierbare am Anfang - verbunden mit der Möglichkeit, darauf aufzubauen.

5. Verzicht auf flächendeckende Realisierung Neben der integrierten Planung regelt insbesondere die in der räumlichen Planung übliche flächendeckende Regionalisierung viele Konflikte «auf Vorrat», die so nie auftreten werden. (Z.B. werden Freiflächen landesweit und flächendeckend auch da geschützt, wo sie nie in Anspruch genommen werden.) Diese «Vollregionalisierung» verfuhrt zu «politischen Geisterdebatten», lenkt die Aufmerksamkeit fehl und ermüdet auch. Dem Projektprinzip genügt eine Regionalisierung, die den jeweils angepeilten Handlungsabsichten entspricht. 36

6. Integration der Instrumente statt Integration der Programme Komplexe Programme, die ganz unterschiedliche Aufgabenstellungen bündeln, lassen sich nicht mit einzelnen, unverbundenen und spezialisierten Instrumenten realisieren; die Programme bleiben deswegen so häufig Papier! Deswegen müssen die zum Teil hochspezialisierten Rechts- und Finanzierungsinstrumente zerlegt und in ihren «passenden» Teilen der Komplexität des Programms entsprechend gebündelt werden. Dies ist der effizientere Weg zu einer perspektivisch und integriert ausgerichteten Politik. 7. Ökonomische statt rechtliche Intervention In der Praxis der Planung und Verwaltung ist die ökonomische Intervention im Vergleich zu rechtlich kodifizierten Geboten und Verboten stark unterentwickelt. Die Veränderung der wirtschaftlichen Rahmendaten eines Projekts fuhrt meist schneller zum Erfolg als die «Verwicklung eines Falls» in ein kompliziertes System von Rechtsnormen und Verwaltungs Vorschriften“ (Sieverts/Ganser, 1993:35f).

Die mit dem ‘perspektivischen Inkrementalismus’ umschriebene Planungskultur unterscheidet sich somit nicht durch neue Inhalte, sondern durch veränderte Ver­ fahrensweisen und Methoden von den bisherigen Planungsweisen (s.o.). In der Planungspraxis finden sich auch schon in Randbereichen erste Ansätze zu einer vergleichbaren Vorgehens weise (s.u.). Die Erkenntnis der Grenzen der Planbarkeit seitens der Stadt-, Regional-, bzw. Raumplaner ging einher mit der Erfahrung, daß andere gesellschaftliche Akteure eine weitaus größere Gestaltungsmacht innehaben (insbesondere die Gestaltungs­ macht der Märkte wie Immobilien, Kapital, Bau, Transport usw.), bzw. von ihnen auch aktiv ein Gestaltungsanspruch gestellt wird (seitens der Wirtschaft aber auch von privaten Akteuren) (vgl. SELLE, 1991a+b). Diese Situation wird im Rahmen der beschriebenen ‘neuen’ Planungskultur bewußt aufgenommen und die Gestaltungsmöglichkeiten durch die Einnahme einer Ver­ mittlerrolle zwischen den gesellschaftlichen Akteuren gesucht. Angesichts knapper Ressourcen und abnehmender Handlungsspielräume besinnt sich ‘Planung’ auf Strategien, die zunächst einmal wenig Ressourcen in Anspruch nehmen und dabei Handlungsspielräume erweitern sollen. Die übrigen gesell­ schaftlichen Akteure werden mit ins Kalkül gezogen und akzeptiert, daß ohne deren aktives Interesse und deren persönlicher Motivation Veränderungen zunehmend schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden. „Die im Entstehen begriffene Planungskultur ist in ihren wesentlichen Bestandteilen ‘unsichtbar’ - es handelt sich vor allem um Verfahrens- und Prozessinnovationen“ (Selle, 1992 in Pohlmann, 1993:95). Begriffe mit denen versucht wird, die neuen Aufgaben auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind denn auch ‘Vermittlung und Kooperation’ (vgl. Selle, 1991a+b), ‘Kommunikation’ (Pohlmann, 1993), ‘Innovation und Motivation’ (Sieverts/Ganser, 1993).

37

Andeutungsweise und schlagwortartig können damit die Konturen der ‘neuen Planungskultur’ nachgezeichnet werden:

















Innovation und Motivation: „Planung muß die Voraussetzungen für Innovation fördern und muß deswegen auch für sich ein innovatives Milieu herstellen“ (Sieverts/Ganser, 1993:35). Kooperation: Planung als Kooperationsprozeß, als Gestaltung eines komplexen Systems von Interaktionen (Keller/Koch/Selle, 1993). Vermittlung: Planung als Vermittlungsprozeß zwischen verschiedenen Disziplinen, Ressorts, Ebenen usw. (vgl. Keller/Koch/Selle, 1993). Moderation: Planung als Moderationsprozeß in Richtung „dezidiert gemeinwohlorientierter Planungsziele“ (s. Keller/Koch/Selle, 1993:80). Prozeßhaftigkeit: Planung als ‘Prozeß’ (Gleichzeitigkeit von Entwicklung allgemeiner Konzepte sowie ihrer Operationalisierbarkeit und Realisierung erster Projekte). Planung als Entwicklungsprozeß ‘vor Ort’: „Handlungsansätze müssen vor Ort, projektnah und mit den jeweils dort Agierenden entwickelt werden“ (Selle, 1991a:41). Planung als Lernprozeß: „Fehler müssen schnell und unbürokratisch korrigiert werden können, zunächst nicht absehbare Folgen sind zu berücksichtigen, begonnene Prozesse müssen grundsätzlich umkehrbar sein. Diese Anforderungen [...] sind eng verbunden mit den [...] Grundsätzen der iterativen Planungsprozesse, die wie komplexe soziale Lernprozesse zu gestalten sind“ (Selle, 1991 a:41). Offenheit: Planung als ‘offener Prozeß’: „Man muß Prozesse organisieren, deren Ausgang man nicht kennt...“ (GANSER, in SELLE, 1991a:42). „Das Prinzip der Offenheit ist keinesfalls schmückendes Beiwerk, sondern zentrale Voraussetzung für die neuen Arbeitsformen: Nur so - können endogene Potentiale oder vorhandenes Engagement integriert werden; - wird die Moderation nicht zur Manipulation hin auf ein vorgegebenes Ziel; - wird die Entwicklung von Lösungen möglich“ (SELLE, 1991a:42).

Diese Schlagworte zusammengenommen ergänzen sich zum Bild der kooperativen Problemlösungen als neuer Planungsform (vgl. Selle, 1991a). „An die Stelle technokratischer Entscheidungsverläufe treten pragmatische, auf Problemlösungs­ zusammenhänge gerichtete dialogische Prozesse“ (SELLE, 1991a:42).

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Dabei wird jedoch „nicht zugleich die Reflexion, das Nachdenken abgeschafft - es geht nicht um köpf- oder planloses Handeln. Es geht vielmehr um ein verändertes Verhältnis von ‘Plan’ und ‘Handeln’. Der amerikanische Planungstheoretiker John Friedmann hat dieses Verhältnis auf eine einfache Formel gebracht: es gehe, so schreibt er, um den Weg ‘from know­ ledge to action’ - frei übertragen - um die Vermittlung von Wissen (etwa über öko­ logische Zusammenhänge) zum Handeln gesellschaftlicher Gruppen, zu sozialen Bewegungen. In dieser Beziehung hängt beides voneinander ab: das Fach-Wissen, sei es noch so verfeinert, bleibt irrelevant - gelingt nicht die Vermittlung in die Gesellschaft hinein [...]. Stark vereinfacht heißt das: Politikziele benötigen Träger. Damit erhält die Diskussion eine kommunikative, eine soziale Dimension, indem die Frage gestellt wird: wer ist Träger der Ziele? Wer stützt ihre Umsetzung? Mit wem könnte kooperiert werden? Wie lassen sich Inhalte, Aufgaben, Ziele vermitteln? [...] Da die Entscheidungsprozesse kommunikativ angelegt sind, ist allerdings von wesentlicher Bedeutung ftir das Ergebnis, wer, auf welche Weise und mit welchem Gewicht an diesen Prozessen beteiligt ist“ (Selle, 1991 b: 102f).

Gleichzeitig wandelt sich die Rolle des ‘Planers’: „Nicht das Planen, sondern das planvolle Handeln ist damit als herausragende Aufgabe für den [Planer] angespro­ chen. Die konkrete Auseinandersetzung mit konfligierenden privaten und öffent­ lichen Interessen ist an die Stelle deduktiver Analyse und Programmarbeit getreten“ (Kossack, 1988:999 in Selle: 1991b: 102). „Statt Regulation Moderation, statt Planung vom Schreibtisch aus Handeln vor Ort, statt Planung für ... Kooperation mit... so ließen sich in Schwarzweißmanier die neuen Anforderungen an die Rolle der Planer skizzieren“ (SELLE, 1991a:42). Die hiermit umrissene Planungskultur findet ihre Entsprechung in den - koopera­ tiven - Formen, Verfahren und Methoden, die nun vermehrt eingesetzt werden (vgl. Bischoff/Selle/Sinning 1995, Sinning, 1994):

Formen und Verfahren - (Inter-) kommunale Foren - Workshops, Werkstattgespräche, Arbeitsgruppen - Runde Tische - Mediationsverfahren - Planungszelle - Anwaltsplanung etc.

Methoden • diverse Methoden zur Erkundung von Interessen und Meinungen (Haushalts­ befragung, Interview, Aktivierende Befragung, Teledemokratie) • diverse Methoden zum Informieren und zur Meinungsbildung (Wurfsendung, Aushang, Ausstellung, Presse, Lokalradio, Bürgerversammlung, Einwohner­ fragestunde, Vortrags- und DiskussionsVeranstaltung, Exkursion, Ortsbe­ gehung, Kampagnen)

39

• •

diverse Methoden zur Ideenfindung und Planungsinnovation (Wettbewerb, Expertenanhörung, Symposium / Kongreß, Status-Seminar, Sommerakademie) diverse Methoden zur Gestaltung kooperativer Problemlösungen (Kooperatives Prozeßmanagement, Moderation, Beratung)

Die Tatsache, daß es schon zahlreiche Beispiele für die Anwendung der beschrie­ benen Vorgehensweise (auch im Umweltbereich) gibt, zeigt, daß mit der planungs­ theoretischen Diskussion um die ‘neue Planungskultur’ ein Prozeß aufgearbeitet wird, der schon seit geraumer Zeit im Gange ist. Allerdings handelt es sich im Verhältnis zum vorherrschenden Alltagsgeschäft in Planungsbüros und -behörden um Randerscheinungen, die jedoch die Suche nach innovativen Problemlösungen skizzieren (vgl. Froessler/Selle 1991: 328). Niedergeschlagen hat sich die beschriebene Vorgehens weise in allen Planungsbe­ reichen, beispielsweise: • die Landes- und Regionalplanung (Eigenständige Regionalentwicklung, öko­ logische Regionalplanung, ‘Regionalmanagement’), • alle Fachplanungssektoren (s. integratives Verwaltungshandeln, Landschaftsund Freiraumplanung), • die Stadtplanung (s.o.). Auch speziell im Umweltbereich stehen Kooperationsformen häufig auf der Tages­ ordnung. Das Kooperationsprinzip ist in den Umweltleitlinien der Bundesregierung fest verankert (vgl. BMU, 1986). „Das Kooperationsprinzip gilt in der Umweltpolitik als ‘grundlegendes Gestal­ tungsprinzip’ (Ritter, 1990:54) und bezieht sich allgemein auf die Interaktionen zwischen Staat und Gesellschaft im Bereich der Rechtsanwendung (Informations­ austausch, Absprachen, Vorverhandlungen, Vollzugsbargaining) und der Rechtser­ zeugung (norm vorbereitende Anhörungen, norm vertretende Selbstverpflichtungen und korporatistische Entscheidungsstrukturen, normsetzende Selbstverwaltungs­ strukturen) (Ritter, 1990; Hartkopf/Bohne, 1983; Bohne, 1981, 1984). Umwelt­ schutz bedarf „insbesondere auch einer Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft“ (Kloepfer/Messerschmidt, 1985:81)“ (Spies, 1994:278).

Fazit: Die Umsetzung gesellschaftlicher Leitbilder mit Hilfe eines ‘perspektivischen Inkrementalismus’ mit seinen ‘kooperativen Problemlösungen’ zeigt weitgehende Parallelen zu der eingangs angedeuteten ‘Sozialtechnik der kleinen Schritte’ (s.a. Maier-Rigaud, 1988:164f). Was jedoch eingangs vor allem als politische Anforde­ rung formuliert wurde, stellt sich hier als ein pragmatischer Umgang mit komplexen Aufgabenstellungen dar. Die in Kapitel 1.1 dargestellten Rahmenbedingungen, welche bei der Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes berücksichtigt werden müssen, finden sich auch im Entwurf der ‘neuen Planungskultur’ und in den genannten Beispielen wieder (s. auch oben): • Komplexe Fragestellungen werden schrittweise, lernend angegangen;

40

• •

Interessenskonflikte werden zusammen mit den Beteiligten in Vermittlungs­ prozessen gelöst; Neben den vorhandenen Instrumenten zur Verhaltensbeeinflussung (ordnungs­ rechtliche, Finanzinstrumente) treten Verfahrensinnovationen, die durch die Elemente ‘Kooperation’ und ‘Motivation’ gekennzeichnet sind.

Eine weitergehende Übertragung der Ergebnisse soll erst in Kap. 3 erfolgen. Bevor die beschriebene Methodik in Bezug zum ‘sustainable development’ -Leitbild ge­ setzt wird, soll zunächst ein Organisationsmodell vorgestellt werden, dessen mög­ liche Rolle im Umsetzungsprozeß untersucht werden soll. Nicht selten werden die beschriebenen Planungsmethoden von Akteuren und Organisationen wahrgenom­ men, die sich auf die spezielle Aufgabenstellung spezialisiert haben. Diese Organi­ sationsform, die ‘intermediären Organisationen’, soll im folgenden Kapitel be­ schrieben werden.

1.3

Organisatorische Aspekte

1.3.1 Neue Akteure mit Vermittlerfunktionen Der Entwurf einer ‘neuen Planungskultur’ ist ein Anzeichen für einen gesellschaft­ lichen Paradigmenwechsel (vgl. Knieling, 1994). Während bisher der Konflikt und die Konfrontation häufig die Folge gesellschaftlicher Steuerungsversuche waren, öffnen sich allmählich Institutionen und Instrumente einer stärkeren Kooperation (vgl. Kap. 1.2.3). Gleichzeitig stoßen die bisherigen Akteure (v.a. staatliche Institutionen, aber auch andere...) an ihre Grenzen. Auf ein ordnungspolitisches Regelwerk - aber nicht auf komplexe Vermittlungsaufgaben - eingestellt, erweisen sie sich als völlig überfor­ dert. Im vorherigen Kapitel wurde aufgezeigt, daß gerade die Umsetzung von umfas­ senderen Konzepten, von ‘gesellschaftlichen Leitbildern’, häufig das derzeitige Planungssystem überfordert und an ihre Grenzen fuhrt. Als Reaktion darauf werden in der planungsmethodischen Diskussion und zum Teil auch schon in der Praxis (s. z.B. Kap. 2) Planungsstrategien vorgeschlagen, bzw. erprobt, die auf einer ‘Politik der kleinen Schritte’ und ‘kooperativen Verfahrensweisen’ beruhen. Veränderte Methoden und Verfahrensweisen, wie sie im Rahmen der oben be­ schriebenen ‘neuen Planungskultur’ erläutert wurden, erfordern häufig neue orga­ nisatorische Strukturen, um den Anforderungen gerecht zu werden (vgl. SELLE, 1992a). Gerade die Kooperation zwischen traditionell getrennten Feldern, das Wecken von Potentialen im personellen Netzwerk, ist häufig nicht ohne die Vermittlung zwi­ schen den Akteuren möglich. Derartige Vermittlungsaufgaben werden meist von Organisationen übernommen, die als ‘intermediäre Organisationen’ bezeichnet werden. 41

In der Praxis sind intermediäre Organisationen in unterschiedlichsten Zusammen­ hängen zu beobachten: • So sollen zum Beispiel die nordrheinwestfälischen Regionalkonferenzen „‘endogene Entwicklungspotentiale’ für den Strukturwandel“ mobilisieren (vgl. MWMT, 1990, in FÜRST, 1994b, s. Kap. 2.2.1); • regionale Akteure wie ‘das FORUM für den ländlichen Raum - Initiative zur Förderung der regionalen Entwicklung in Nordhessen e.V.’ versuchen eine umweit- und sozialverträgliche Entwicklung in ihrer Region zu fördern (vgl. Knieling, 1994); • und lokale Akteure wie ‘URBANES WOHNEN e.V.’ unterstützen Bewoh­ nerinitiativen insbesondere bei Hofbegrünung, Verkehrsberuhigung und ande­ ren Aufgaben der Wohnumfeldverbesserung (vgl. Selle, 1991b; Froessler/ Selle, 1991); • Intermediäre Organisationen sind jedoch nicht nur in der räumlichen Planung (i.w.S.) sondern auch im Gesundheitswesen oder in der Sozialpolitik zu finden (vgl. Selle, 1991b). In der soziologischen und politikwissenschaftlichen Diskussion werden auch Inter­ essenverbände, soziale Bewegungen und Parteien als intermediäre Organisationen bezeichnet, die im politischen System zwischen dem Bürger und dem Regierungs­ system vermitteln (vgl. z.B. Rucht, 1991; FUCHS, 1993). Diese politikwissen­ schaftliche Sichtweise wird hier im folgenden nicht übernommen, sondern die intermediären Organisationen von ihrer Stellung zwischen den traditionellen Akteuren (Bürger, Verwaltung, Wirtschaft, Interessenverbände usw.) her definiert (S.U.).

1.3.2 Was sind ‘intermediäre Organisationen9? Die in dem vorangegangenen Kapitel skizzierten ‘kooperativen Problemlösungen’ sollen mit Hilfe von moderierenden, vermittelnden, kommunikativen Planungs­ techniken erzielt werden. Der so umschriebene Tätigkeitsbereich ist wesensgemäß zwischen den gesellschaftlichen Akteuren zu lokalisieren, zwischen denen eine Problemlösung ausgehandelt werden soll (vgl. Abb. 3). Die notwendigen Vermittlungsprozesse werden häufig durch neue Akteure wahr­ genommen, entsprechend Selles These von der Inkongruenz: „Wenn neue Auf­ gaben oder ein besonders dringlicher Handlungsbedarf auf mangelndes Leistungs­ vermögen (oder Handlungsinteresse) vorhandener Akteure (Organisationen, Ver­ waltungen) stoßen, sind damit einige der Voraussetzungen für das Entstehen neuer (in der Regel: intermediärer) Organsationen geschaffen“ (Selle, 1991a). Die intermediären Organisationen ergänzen somit das Spektrum der gesellschaft­ lichen Akteure und wirken bei Aufgaben mit, die bisher von den traditionellen Akteuren nicht geleistet wurden, bzw. aus eigener Kraft nicht geleistet werden können.

42

Während sich das intermediäre Tätigkeitsfeld relativ gut abbilden läßt, fällt die Zuordnung von Organisationsformen, die zu den intermediären Organisationen gezählt werden sollen schwer. Es gibt fließende Übergänge zwischen den tradi­ tionellen Akteuren, die Vermittlungsfunktionen übernehmen (s.o. Regionalkonfe­ renzen unter der Leitung des Regierungspräsidenten) und neuen ‘intermediären Akteuren’ (s.o. FORUM e.V.). Im folgenden soll der Begriff der intermediären Organisationen relativ weit gefaßt werden. Es sollen sowohl neue Akteure wie auch neue organisatorische Modelle, die eine Vermittlungsfunktion zwischen den tradi­ tionellen Akteuren wahmehmen unter dem Begriff ‘intermediäre Organisationen’ zusammengefaßt werden.

intermediäres’ Aus­ handlungsfeld koope­ rativer Problemlösungen

Staat Kommunen

Märkte

private Haushalte

sonstige Interessenverbände

Abb. 3: Das Aushandlungsfeld zwischen den ‘Sphären’ von Staat / Kommunen, privaten Haushalten, Märkten und Interessen­ verbänden (vgl. Selle, 1991b)

Von den vielfältigen Aufgaben, die intermediäre Organisationen wahmehmen, sol­ len hier lediglich schlagwortartig einige genannt werden (näheres s. Kap. 2 und 3): • Vermittlungsaufgaben (Moderation) (vgl. Selle 1991a): - zwischen verschiedenen Handlungsebenen, - zwischen unterschiedlichen, traditionell streng voneinander getrennten Handlungsfeldem, - zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen abstrakten Konzepten und konkreten Projekten, - zwischen „Akteuren, Wertsystemen, Alltagswelten, Aktivitäten, Prozeßab­ schnitten usw.“ (u.a. ‘Konflikte schlichten’) (Selle, 1991a), - ‘Vernetzung’ getrennt arbeitender Initiativen •

Anstifter-Aufgaben (vgl. SELLE, 1991a): - Initiierung weitreichender Konzepte, - Initiierung einzelner Projekte, - Initiierung und Förderung neuer Lebensstile, 43

- Anregen und Unterstützen von Engagement / von ‘endogenen Potentialen’, (vgl. Knieling, 1991).



Koordinationsaufgaben (vgl. Selle, 1991a): - Koordinierung von ‘sozialen Prozessen’, - Verständigung auf gemeinsame Wertorientierungen, - Koordinierung komplexer Abläufe (z.B. ‘Kampagnen’: Informieren, Kooperieren, Initiieren; z.B. ‘Planung’: statt Gestaltung eines (zentralen) Entscheidungsprozesse, d.h. vermitteln und fördern einer Vielzahl von Ent­ scheidungsprozessen / ‘Eigenbewegungen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche’), - Erschließen und effiziente Umsetzung von Förderstrukturen.



Qualifizierungs- und Beratungsaufgaben - Fördern von bestehendem Engagement (Fachwissen, kommunikative Kom­ petenz, politisches und ökonomisches Gewicht), - Qualifizierungs- und Verständigungsprozesse bei den Beteiligten, - Beratung.

Dabei werden oftmals die o.g. Planungsverfahren und -methoden von den inter­ mediären Organisationen eingesetzt (s. Kap. 1.2.3). Die Arbeitsweisen und -methoden von intermediären Organisationen sollen in Kapitel 2 beispielhaft anhand einiger konkreter Projekte erläutert werden. Ein mög­ liches Betätigungsfeld für intermediäre Organisationen zur Förderung einer ‘nach­ haltigen Entwicklung’ auf regionaler Ebene wird schließlich in Kap. 3 untersucht.

1.4

Zwischenergebnis

Im folgenden sollen die Ergebnisse der vorausgegangenen Abschnitte zusammen­ gefaßt und miteinander in Bezug gesetzt werden. Dabei sollen folgende Fragen angesprochen werden: • Wie könnte die Implementation des ‘sustainable development’-Leitbildes aus­ sehen? • Bieten die Prinzipien der ‘neuen Planungskultur’ einen Ansatz für die Umset­ zung einer derart umfassenden Forderung? • Können intermediäre Organisationen hierbei mithelfen? Diese Fragen werden abschließend in Kap. 3 vertieft.

1. Wie könnte die Implementation des 'sustainable development’-Leitbildes aussehen? Das ‘sustainable development’-Leitbild, die Forderung, eine nachhaltige Entwick­ lung zu gewährleisten, richtet sich praktisch an alle gesellschaftlichen Akteure und Handlungsfelder. Vorausschauendes Handeln, Rücksichtnahme auf nachfolgende Generationen sind Tugenden, die aktuell allzuoft vernachlässigt werden.

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So werden derartige Forderungen nicht nur in bezug auf die Umwelt- und DritteWelt-Problematik aufgestellt, sondern zum Beispiel auch • im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung, • in bezug auf die Gestaltung des Sozialversicherungs- und Rentenrechts im Hinblick auf den Generationenvertrag (vgl. KLOEPFER, 1992) oder • angesicht der Folgen neuer Techologien nicht nur für die Umwelt, sondern auch auf die Gesellschaft (Stichwort: ‘Atomstaat’). Setzt man den Grundsatz der Nachhaltigkeit in Bezug zu den vorhandenen gesell­ schaftlichen Leitbildern (hier bezogen auf die im Vordergrund stehende Entwicklungs- und Umweltproblematik), so hebt dieser Grundsatz lediglich einen Teilaspekt - die langfristigen Perspektiven dieser Leitbilder - hervor. Grundsätzlich werden jedoch keine neuen Inhalte angesprochen. In der Umweltpolitik wird der Grundsatz der Nachhaltigkeit zum Beispiel im Rahmen des Vorsorgeprinzips behandelt (vgl. Kloepfer, 1989 in Lendi, 1994, Kloepfer, 1992). Eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung voraussetzend (s. Kap. 1.1: Aktuelle Verteilungsgerechtigkeit, Sicherung der aktuellen Lebensqualität), betont der Begriff ‘sustainable’ die Notwendigkeit, möglichst vorausschauend und vorsor­ georientiert zu handeln. Welche Schwierigkeiten mit diesem Anspruch verbunden sind, wurde bereits in Kap. 1.1 angesprochen. Dieser Nachhaltigkeitsaspekt ergänzt die Kriterien Sozial­ und Umweltverträglichkeit um eine zeitliche Perspektive, ohne jedoch aus sich heraus operationalisiert werden zu können; derartige abstrakte Leitbilder bekommen erst im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Werten (z.B. Men­ schenwürde, Freiheit, Gleichheit) eine inhaltliche Prägung; ihre Konkretisierung bedarf der normativen Entscheidungen. Der Nachhaltigkeitsforderung kann vom Grundsatz her nur durch bestimmte Handlungsprinzipien entsprochen werden (Risikominimierung, Vermeidung nach­ haltiger Belastungen, Einbeziehung der Interessen zukünftiger Generationen), die größtenteils schon im Umweltbereich - vom Anspruch her - integriert wurden (s. z.B. das Vorsorgeprinzip in der Umweltpolitik). Interne Zielkonflikte, Abwägungen zwischen konfligierenden Interessen auf der einen Seite, Komplexität und die Schwierigkeit, genaue Prognosen aufzustellen auf der anderen Seite, machen es unmöglich, eine nachhaltige Entwicklung garantieren zu können.

Die kurzfristige Orientierung bisheriger Wirtschaftsweisen, aber z.T. auch umweltund entwicklungspolitischer Strategien sind der Anlaß dafür, daß die Forderungen nach Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken. Wie schon erwähnt, ersetzt Nach­ haltigkeit die bisherigen Leitbilder nicht, sondern ergänzt diese. Konzepte zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung erhalten mit der Nachhaltigkeits­ forderung z.T. weitere Argumente (Interessen nachfolgender Generationen), be­ dürfen jedoch teilweise der inhaltlichen Ergänzung um eine langfristige Perspektive. So werden zum Beispiel aufgrund der fehlgeschlagenen Strategie der end-of-pipe-

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Technologie konsequentere, an den Ursachen ansetzende Konzepte gefordert (s. z.B. Enquete-Kommission SMU, 1994). Auch im Rahmen der Entwicklungshilfe wird erkannt, daß oftmals kurzfristig erfolgreiche Projekte langfristig keinen Nutzen erbracht haben (vgl. Stockmann/Gaebe, 1993). ‘Sustainable development’ fugt sich somit in die Bemühungen um eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung ein und ist im Rahmen einer Weiterent­ wicklung derartiger Leitbilder zu verstehen. Somit werden auch zunächst einmal die traditionellen Akteure der Umwelt- und Entwicklungsdebatte angesprochen, den Gedanken der Zukunftsfähigkeit in ihre Konzepte zu integrieren. Eine nachhaltige Entwicklung erfordert keine grundsätzlich neuen Ansätze. Alle im Rahmen des ‘sustainable development’-Leitbildes vorgeschlagenen Konzepte und Instrumente sind schon seit längerem in der Diskussion, bzw. wurden ansatzweise schon angewendet. Ausschlaggebend ist vielmehr die politische Durchsetzungsfähigkeit der Konzepte und Instrumente. An der fehlenden politischen Unterstützung, bzw. gesellschaftlichen Akzeptanz sind bisher umfassendere Strategien in der Umweltund Entwicklungspolitik gescheitert.

Im nachfolgenden Teil der Studie soll mit ‘sustainable development’, der ‘nach­ haltigen Entwicklung4, eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung be­ zeichnet werden, die auch langfristige Perspektiven berücksichtigt. Die Begrifflichkeiten können m.E. somit synomym verwendet werden. Mit dem ‘sustainable development’-Leitbild dürfen keine Erwartungen geweckt werden, die aus den o.g. Gründen nicht erfüllt werden können. Die gesellschaftliche Entwicklung wird immer nach dem trial-and-error-Prinzip verschiedene Lösungswege ausprobieren, sich den wandelnden Bedingungen - gesellschaftlichen wie natürlichen - anpassen müssen, so daß nie ‘dauerhafte’ Lösungen zu erwarten ist. Andererseits fugt sich die Nachhaltigkeitsforderung als ein Teilaspekt in die Sozial- und Umweltverträglich­ keitskriterien ein, so daß im folgenden mit einer sozial und um weltgerecht orientierten Entwicklung auch eine Entwicklung gemeint ist, welche die An­ sprüche zukünftiger Generationen zu berücksichtigen versucht.

In bezug auf die Ausgangsfrage - wie die Implementation des ‘sustainable deve­ lopment’-Leitbildes aussehen könnte - können damit schon die ersten, relativ all­ gemeinen Antworten gegeben werden (s.a. Kap. 3): • Das ‘sustainable development’-Leitbild ist in die bisherigen Bemühungen um eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung zu integrieren. Ange­ sichts der derzeit schon vorhandenen und zukünftigen Verteilungs- und Umweltprobleme sind diese Bemühungen konsequent fortzufuhren. Inhaltlich sind sie teilweise um das Kriteriüm ‘Nachhaltigkeit’ zu ergänzen. • Kurzfristig sind die bestehenden Gesetze und Instrumente auszuschöpfen. Wie schon im planungstheoretischen Teil (Kap. 1.2) angedeutet wurde, kommen längst nicht alle vorhandenen Steuerungsmöglichkeiten zur Anwendung, weil politische Kräfteverhältnisse dies verhindern.

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Neben der Ausgestaltung inhaltlich schlüssiger Konzepte müssen sich deshalb die Bemühungen vor allem auf die Umsetzungsstrategien richten. Im Vorder­ grund stehen dabei - Strategien zur Weckung und Förderung von (politischem) Engagement, - Strategien zur möglichst produktiven Regelung von Interessenkonflikten, - handlungsorientierte Strategien (z.B.: Wie kann umweltrelevantes Handeln verändert werden?).

Way bedeutet sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung? Die gleichen Schwierigkeiten, die schon bei dem Versuch auftreten, den Begriff ‘Entwicklung’ näher zu umschreiben, begleiten auch das Unterfangen, die Zusätze ‘sozial und umweltgerecht orientiert’ zu definieren. Es ist im letzten Jahrzehnt vielfach der Versuch unternommen worden zu bestimmen, was soziale und um­ weltgerechte Orientierung genau besagen soll. Herausgekommen sind dabei sehr unterschiedliche, in der Regel weitschweifige Definitionen (vgl. Froessler/Selle, 1991:38). Eine abschließende Festlegung kann und soll auch im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Vielmehr genügt an dieser Stelle eine sehr allgemeine Umschreibung dieser Begriffe. Diese Umschreibung greift im wesentlichen auf die in Kap.l er­ läuterten Grundlagen zurück. Sozial orientiert Eine sozial orientierte Entwicklung stellt den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. Vorrangig sind • die grundlegenden existenziellen Bedürfnisse aller Menschen zu gewährleisten, • die allgemein anerkannten Rechte aller Menschen zu wahren. Eine sozial orientierte Enwicklung berücksichtigt in gleicher Weise die Bedürfnisse der lebenden wie der zukünftigen Generationen. Die im Einzelfall unvermeidlichen Interessenkonflikte sind in demokratischen Verfahren zu entscheiden. Für die Anwendung dieser Prinzipien in der Praxis sind m.E. insbesondere zwei Aspekte von Bedeutung: • Die ‘soziale Orientierung’ eines Vorhabens wird in der Regel ex negativo zu bestimmen sein, indem nicht die größtmögliche Zufriedenheit aller Betroffenen im Vordergrund steht, sondern die Verhinderung und Verminderung von Benachteiligung und größeren Leids (vgl. POPPER, 1992). • Eine besondere Bedeutung kommt bei der ‘sozialen Orientierung’ eines Vor­ habens den politischen Entscheidungsverfahren zu. Die ‘SozialVerträglichkeit’ eines Vorhabens läßt sich nicht objektiv bestimmen, sondern nur annäherungs­ weise im gesellschaftlichen Diskurs klären (vgl. v.d.DAELE, 1993). Zu einem möglichst fairen Verfahren zählen z.B. die Beteiligung aller Betroffenen und die gerechte Abwägung aller Belange (vgl. Definition des Gemeinwohlbegriffs in Kap. 1.1, vgl. KELLER, 1991).

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Umweltgerecht orientiert Der Zusatz ‘umweltgerecht’ bezieht sich immer auf eine bestimmte Form der Nut­ zung der Natur. SCHÄFER weist darauf hin, daß sich die Verantwortung des Men­ schen nicht auf die Natur als solche erstreckt, sondern auf die Folgen seines Han­ delns, d.h. auf die Veränderungen, die er in der Natur induziert. „Das heißt aber, sie [die Verantwortung] betrifft nicht das Naturverhältnis des Menschen, sondern das Kultivieren der Natur. Nicht alle Formen dieser ‘Kultivierung’ können aber als vernünftige oder angemessene Formen des Umgangs mit Naturgegebenheiten gerechtfertigt sein. Und umgekehrt wäre es vermessen zu erwarten, daß es nur eine, eben die optimale Form geben könnte; [...] Unter diesen Formen unterschiedlicher Kultivierung gilt es also wohl eine Gewichtung herbeizufuhren, eine Präferenz­ struktur zu entwickeln. Wir müssen nicht der Natur ablauschen, wie wir leben sollen, sondern wir sollten in kritischer Diskussion verschiedene Vorstellungen von der Kultivierung der Natur zu bewerten suchen“ (SCHÄFER, 1986:14; Hervorh. v. Verf.; s.a. v.d.HEYDT 1995). Weil die Natur und ihre Erscheinungsformen keine Interessen artikulieren können, werden unterschiedliche Nutzungsformen zwangsläufig nach menschlichen Werten beurteilt. Aufgrund seiner ausschnitthaften Wahrnehmungsfähigkeit der komplexen Abläufe in der Natur werden diese Urteile immer auf Annahmen und Wertungen beruhen, bzw. Risikoentscheidungen sein. Auch die Forderungen nach Erhalt von Arten und Lebensgemeinschaften beruhen dementsprechend auf individuellen Wert­ schätzungen. So weist Hampicke (1993) daraufhin, daß viele Menschen, die der Natur einen Eigenwert zusprechen, möglicherweise einen inhärenten Wert meinen. Die Trennung zwischen einer ‘umweltgerechten’ und einer ‘nicht umweltgerechten’ Entwicklung wird deshalb immer zwangsläufig einen interessengeprägten gesellschaftlichen Diskurs hervorrufen (vgl. HONNEFELDER, 1993). Aus dem bisher Gesagten lassen sich zwei Dimensionen umweltgerechten Ver­ haltens ableiten: • Als umweltgerecht kann ein Verhalten bezeichnet werden, das mit seinen ‘Nebenwirkungen’ möglichst, bzw. mit großer Wahrscheinlichkeit keine ge­ sellschaftlichen Interessen verletzt (unter Einbezug der Interessen zukünftiger Generationen). Aufgrund der Unwissenheit um die Folgen anthropogener Ein­ griffe läuft diese Forderung in der Regel auf ein Minimierungsgebot hinaus. • Parallel zum Wesen der Sozialverträglichkeit, dynamisiert die Frage umwelt­ gerechter Nutzungsformen einen gesellschaftlichen Diskurs (vgl. Daele, 1993). Der Nutzen von Eingriffen in die Natur muß mit den Schäden, bzw. Interessenverletzungen abgewogen werden. Auch hier steht wieder das Ver­ fahren im Vordergrund (s.o.). 2. Bieten die Prinzipien der 'neuen Planungskultur9 einen Ansatz für die Umsetzung einer derart umfassenden Forderung? Eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung, wie sie im vorangegangen Abschnitt angedeutet wurde und welche z.B. im Rahmen verschiedener Konzepte 48

zur Regional- und Stadtplanung angestrebt wird, ist mit den traditionellen Pla­ nungsinstrumenten nicht umzusetzen. Dies belegen die Erfahrungen der letzten Jahre (vgl. Kap. 1.2). Die neue Planungskultur ist aber gerade als eine Reaktion auf die Herausforde­ rungen auch des ‘sozialen und ökologischen Umbaus’ der Gesellschaft anzusehen (vgl. Sieverts/Ganser, 1993). Durch die Integration des ‘sustainable development’-Leitbildes verändern sich die Voraussetzungen für die Planungsmethodik in keiner Weise: • weil es vom Prinzip her auch bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitsgrund­ satzes um die Steuerung komplexer Nutzungsformen und Verhaltensweisen geht, ist auch hier ein ‘Instrumentenmix’ z.B. aus ordnungspolitischen, markt­ wirtschaftlichen und persuasiven Instrumenten notwendig (s. Kap. 1.2: Prinzip ‘Integration der Instrumente’); • auch bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes geht es um gesell­ schaftliche Interessenkonflikte und um die Lösung interner Zielkonflikte, die unter Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Akteure möglichst in Kooperation gelöst werden sollten (‘Kooperative Problemlösungen’); • neben der verbesserten Wahrnehmung von negativen Folgen sind Innovation und Lernfähigkeit zur Entwicklung zukunftsorientierter Strategien erforderlich; auch dies ist keine grundsätzlich neue Situation für sozial und umweltgerecht orientierte Konzepte (vgl. Kap. 2); • gerade die Bezeichnung ‘perspektivischer Inkrementalismus’ zeigt die Offen­ heit dieser Planungsmethodik für gesellschaftliche Grundwerte, bzw. die Orientierung nach Gemeinwohlinteressen. Hierbei sind nun auch verstärkt die Interessen zukünftiger Generationen zu berücksichtigen.

Auf dieser abstrakten Ebene scheint die Integration des ‘sustainable development’Leitbildes den Prinzipien der neuen Planungskultur nicht zu widersprechen. Anhand einiger Beispiele soll dieser Zusammenhang im folgenden Kapitel näher untersucht werden.

3, Können intermediäre Organisationen hierbei mithelfen? Auch diese Fragestellung kann an dieser Stelle nur sehr allgemein beantwortet werden. Sie soll in Kapitel 2 und 3 im Mittelpunkt stehen. Viele intermediäre Organisationen arbeiten derzeit schon auf dem Gebiet der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung (vgl. Selle, 1991b; Froessler / Selle, 1991). Auch hier läßt sich feststellen, daß sich durch die Integration des ‘sustainable development’-Leitbildes die Voraussetzungen für diese Tätigkeiten nicht grundlegend verändern: • Intermediäre Organisationen setzen sich häufig für benachteiligte oder ver­ nachlässigte Interessen ein. Diese Arbeit ‘gegen den Strom’ ist gerade auch bei einer zukunftsorientierten Entwicklung notwendig. • Gesellschaftliche Potentiale zu wecken, Prozesse anzustoßen und zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren zu vermitteln: diese Tätigkeiten

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sind erst recht für die Entwicklung und Umsetzung zukunftsorientierter Kon­ zepte notwendig. Sie können auch durch noch so überzeugende Konzepte nicht ersetzt werden. Zu komplex sind die Interessenlagen in der Gesellschaft, als daß weitgehende Veränderungen ohne Widerstand, bzw. ohne die Beteiligung der gesellschaftlichen Akteure umgesetzt werden könnten. Da für verschiedene gesellschaftliche und natürliche Verhältnisse immer wie­ der neue Problemlösungen gefunden werden müssen, sind auch hier die Stärken intermediärer Organisationen - Flexibilität und die Förderung von Innovation und Lernprozessen - angezeigt.

Zur Veranschaulichung des Untersuchungsgegenstandes sollen im folgenden Kapitel beispielhaft einige intermediäre Organisationen vorgestellt werden.

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2 Praxisbeispiele Die sozial und ökologisch orientierte Entwicklung wird sich nicht in wenigen Reformschritten, bzw. nach einem umfassenden ‘Masterplan’ durchführen lassen. Dazu ist das Themenfeld zu komplex und unübersichtlich, die Interessenlagen zu verstrickt (s. z.B. Diskussionen um eine ‘ökologische Steuerreform’). In unzähligen einzelnen kleineren und größeren Schritten wird der ‘Umbau’ in einzelnen Sektoren schon jetzt vollzogen, ähnlich dem in Kap. 1.2 beschriebenen Tnkrementalismus’. Dabei spielen vielerorts intermediäre Organisationen eine mehr oder weniger große Rolle. An praktischen Beispielen soll ihre Arbeit in diesem Kapitel gezeigt werden. Die aufgeführten Beispiele sollen lediglich einen Einblick in verschiedene Arbeitsgebiete und -weisen intermediärer Organisationen geben (zu weiteren Initiativen s. Peters et al. 1996, SRU 1996 Tz. 29f). Im Vordergrund stehen dabei die Methoden und Verfahren der einzelnen Organisationen; die Inhalte der Arbeit werden nur am Rande erwähnt. Die Ausführungen stützen sich auf Selbstdarstellungen der Organisationen und Beschreibungen aus der Fachliteratur. Eine eingehendere Untersuchung z.B. von Akzeptanz und Erfolgen der intermediären Organisationen erfordert eine eigen­ ständige Forschungsarbeit. Es wurden sechs intermediäre Organisationen ausgesucht, die auf regionaler Ebene arbeiten und unterschiedliche Schwerpunkte bei ihrer Arbeit setzen. Sie wurden teils staatlich, teils privat initiiert. In der Regel werden sie von staatlichen Institutionen getragen. Zusätzlich werden im Anschluß noch Organisationen vorgestellt, die auf der lokalen Ebene arbeiten und im städtischen Bereich eine sozial und um­ weltgerecht orientierte Entwicklung fordern. Zu jeder Organisation werden einige wesentliche Merkmale oder charakteristische Probleme kurz hervorgehoben, die in eine abschließende Diskussion der Hand­ lungsmöglichkeiten intermediärer Organisationen in der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung einfließen sollen (Kap.3). Die Thematik wird im folgenden auf die regionale Ebene konzentriert. Auf dieser Ebene arbeiten viele intermediäre Organisationen; hier findet auch die Umsetzung der abstrakten Leitbilder in die Realität statt, so daß hier Interessenkonflikte und Umsetzungsschwierigkeiten am deutlichsten werden.

2.1

Intermediäre Organisationen, die im Bereich der ‘sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung’ arbeiten

Im folgenden werden die einzelnen Initiativen kurz vorgestellt, um dann im An­ schluß einige Merkmale der Arbeitsweise herauszustellen; Merkmale, welche den Charakter des intermediären und der kooperativen Problemlösungen ausmachen und Besonderheiten der jeweiligen Organisation darstellen. 51

‘Regionale Moderatoren’: - Regionalkonferenzen - IBA-Emscher-Park GmbH - Betriebsgesellschaften in Biosphärenreservaten - Bauhaus Dessau - RWZ - Forum Kleinräumigere Initiative / lokale Netzwerke: - Kontaktstelle Basel, Ökozentrum Nürnberg

Regionale Moderatoren: Unter dem Eindruck sich wandelnder politischer und gesellschaftlicher Rahmen­ bedingungen - v.a. einem „Verlust staatlicher Steuerungsfähigkeit“ (FÜRST, 1993) werden auch von staatlicher Seite vermehrt Vermittlerorganisationen eingesetzt, um handlungsfähig zu bleiben. „Die Vollzugsforschung hat in den 80 Jahren sehr deutlich gemacht, daß die klas­ sischen Interventionsinstrumente wie Recht und Geld immer häufiger wirkungslos werden. Das hängt damit zusammen, daß die Adressaten faktisch Vetomacht und Informationsmacht gegenüber der öffentlichen Verwaltung haben und zudem den ungewünschten Interventionen des Staates ausweichen können, weil sie über immer mehr Handlungs-Optionen verfugen. Zum anderen wird staatliches Handeln immer mehr von gesellschaftlichen Gruppen bestimmt. Der Staat kann deshalb immer weniger einseitig intervenieren und muß statt dessen die Kooperation der Adressaten einwerben“ (FÜRST, 1993:553, s.a. FÜRST, 1992; vgl. Kap. 1.2).

Anhand von drei Beispielen sollen im folgenden derartige - staatlich initiierte Vermittlerorganisationen vorgestellt werden: - die nordrheinwestfälischen Regionalkonferenzen, - die IBA Emscher-Park GmbH, - das Modell der Betriebsgesellschaften in Biosphärenreservaten.

2.1.1 Regionalkonferenzen „Wenn das Problem und seine Lösungsmöglichkeiten noch unklar definiert sind, bieten sich Konferenzmodelle unter Beteiligung aller von der Problemlösung Betroffenen an. Die in der Bundesrepublik unter ‘Regionalkonferenzen’ inzwischen in verschiedenen Ländern praktizierten Kooperationsmodelle (Hessen, Niedersach­ sen, Nordrhein-Westfalen) sind darunter zu subsumieren“ (FÜRST, 1990:519). Weiterhin zählen Regionalbeiräte oder auch Regionalberatungsbüros, die als Dienst­ leister für die Region tätig sind, auf dieser Ebene zu den intermediären Organisationen (vgl. Grabski-Kieron / Knieling, 1994). Beispielhaft sollen im folgenden die Aufgaben und einige Merkmale der nordrheinwestfälischen Regionalkonferenzen hervorgehoben werden (zu den folgenden Aus­ führungen s. Fürst, 1994b). 52

In Nordrhein-Westfalen werden Regionalkonferenzen eingesetzt, um auf regionaler Ebene über netzwerkartige Kooperationen unter politischen Akteuren ‘endogene Entwicklungspotentiale’ für den Strukturwandel zu mobilisieren. „Die weitere Regionalisierung der Strukturpolitik wird für notwendig gehalten, um so auch durch Mobilisierung des Entwicklungspotentials, Verbesserung der Koor­ dination und Kooperation aller Verantwortlichen und Stärkung der Eigen Verant­ wortung der Kräfte in allen Regionen unseres Landes zur ökonomischen und öko­ logischen Erneuerung beizutragen“ (Kabinettsbeschluß v. 30.5.1989, in FÜRST, 1994b). Regionalkonferenzen sollen innerhalb einer Region (i.d.R.: Bezirk der IHKs) die für die Strukturpolitik relevanten Handlungsträger des öffentlichen und privaten Bereichs (Kommunen, IHKs, Verbände, auch einzelne Unternehmen u.ä.) zusam­ menbringen. Ihre Aufgabe ist es, regionale Entwicklungskonzepte zu erarbeiten, die Leitlinien für die regionale Kooperation und das Handeln der Akteure legen. „Das Land verpflichtet sich, diesen Prozeß der ‘eigenständigen Regionalentwick­ lung’ aktiv zu unterstützen (Kabinettsbeschluß vom 16.10.1990), fordert dafür aber ein Mindestmaß an Legitimation für die erstellten Regionalen Entwicklungskon­ zepte: Sie sollen von den demokratisch-legitimierten Gremien der Kreise, kreis­ freien Städte und kreisangehörigen Gemeinden beschlossen werden, über den Regierungspräsidenten den Bezirksplanungsräten zur Beratung zugeleitet werden und erst danach der Landesregierung vorgelegt werden“ (FÜRST, 1994b: 185). Regionalkonferenzen entspringen also nicht einer „spontanen Selbstorganisation regionaler Akteure als Folge eines kollektiven ‘Leidensdrucks’ oder gleichgerich­ teter Handlungs interessen. Vielmehr wurden sie vom Staat initiiert, und zwar mit Hilfe finanzieller Anreize“ (ebenda, S. 186). Im Vordergrund stehen ‘kooperative Problemlösungen’, die in einem „Prozeß kol­ lektiver Problembearbeitung“ gefunden werden sollen. Hierin könnte auch zukünf­ tig eine Stärke der Regionalkonferenzen liegen. „Sobald sie aber Vorentscheider­ systeme werden oder gar die Region repräsentieren sollen, rücken sie zwangsläufig in die Nähe von etablierten Entscheiderstrukturen“ (hier v.a. den Kreisen und Gemeinden) und stoßen auf deren Widerstand, (ebenda, S. 191). „Für eine Bewertung der Regionalkonferenzen ist es noch viel zu früh“. Positiv kann aber jetzt schon hervorgehoben werden, • daß im Rahmen von Regionalkonferenzen die für eine Region relevanten Akteure zusammengefuhrt werden, • daß sie die entsprechenden Rahmenbedingungen bieten, um aus dem Kreis der traditionellen Akteure Potentiale aus der Region zu wecken (z.B. Fachleute, Unternehmen; private Initiativen müssen sich über entsprechende Verbände Gehör verschaffen!), • daß sie den Blick der Beteiligten auf übergeordnete Probleme und Ziele richten, • daß Regionalkonferenzen wichtige Voraussetzungen für gesellschaftliche Lernprozesse bieten (Erfolgsorientierung der Mitglieder; Anreize des Staates;

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dichte Interaktions-, Kommunikations- und Informations-Verflechtung der Mitglieder insbesondere in den Arbeitskreisen); daß Regionalkonferenzen einen regional-kollektiven ‘Leidensdruck’ präzisie­ ren - d.h. die Problemdefinition erleichtern - und zum Ausgang intensiverer Kooperation machten; damit gelingt es leichter, alte Denkmuster aufzuweichen und für neue Problemlösungen zu öffnen; daß sie insofern neuen Ideen und Einschätzungen Zugänge öffnen, als sie bis­ her politikfemen Akteuren unmittelbares Gehör und damit persuasiven Einfluß verschaffen.

Inwiefern die Regionalkonferenzen eine durchgreifende sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung fördern können, hängt maßgeblich von den staatlichen Institutionen ab, die im Entscheidungsprozeß über die aufzunehmenden Themen und Problemlösungen eine ‘Filterfunktion’ übernehmen: die Gemeinden (indem die regionalen Entwicklungskonzepte sich primär an die sektoralen Zuweisungstöpfe des Landes wenden, die aber praktisch nur über die Gemeinden geleitet werden können, vgl. FÜRST, 1994b) und die Landesregierung (s.o.). Ob in deren Kalkül langfristige Perspektiven eine Rolle spielen, hängt wiederum nicht zuletzt vom politischen Problemdruck ab, da die politischen und administrativen Institutionen dazu tendieren, die Kurzfristperspektive der Langfristperspektive vorzuziehen (vgl. FÜRST, 1992). Generell bieten Regionalkonferenzen also gute Voraussetzungen für eine interes­ senübergreifende Problemdefinition und umsetzungsorientierte Problemlösungen; nicht zuletzt vom persönlichen Engagement anerkannter Promotoren hängt es dabei ab, ob die Regionalkonferenzen eine Eigendynamik entwickeln. Konsequente Reformschritte sind jedoch unter den gegebenen Rahmenbedingungen unwahr­ scheinlich, solange die Regionalkonferenzen von vielen Mitgliedern primär als neue politische Entscheidungssysteme angesehen werden, in denen es um Verteilungsfragen geht (vgl. dazu FÜRST, 1994b) und nicht als Chance, im Rahmen der Entwicklungskonzepte zukunftsorientierte Strategien auszuarbeiten.

2.1.2 IBA Emscher Park GmbH Ein weiteres Beispiel für eine staatlich initiierte intermediäre Organisation stellt die IBA Emscher Park GmbH dar. Ausgangssituation für das Projekt waren grund­ legende Defizite, die sich im Norden des Ruhrgebietes mit traditionellen Mitteln nicht beseitigen ließen (s.a. Blase 1992:153f, REiß-SCHMiDT 1992). „Während sich im Süden [des Ruhrgebietes], also in der Hellwegzone, bereits postindustriell der Strukturwandel vollzog, war der Norden noch das Kemgebiet der Montanindustrie. Im Süden des Ruhrgebiets hat die Abkehr vom Montankomplex schon Ende der 60er Jahre eingesetzt. Die frühe Industrialisierung mit ihrer vergleichsweise kleinteiligen Struktur erleichterte hier auch die nachfolgende Modernisierung. Der Emscherraum dagegen wurde spät, besonders rasch, rück­ sichtslos und hauptsächlich mit Großstrukturen industrialisiert. Stadtqualität und 54

Umweltqualität hatten unter diesen Bedingungen wenig Chancen. Zwei Drittel des Raumes sind besiedelt, und die Stadt Herne ist mit 70 Prozent besiedelter Fläche und einer Einwohnerdichte von 3515 pro km2 bundesweit ein «Spitzenreiter»“ (IBA, 1994).

Ein Ausweg sollte das Thema Bauausstellung bieten (Blase 1992:155). Inzwischen haben Inhalte und Strategie der Internationalen Bauausstellung Emscher Park eine derartige Resonanz gefunden, daß Klaus Selle meint: „Die 1988 von der nordrheinwestfälischen Landesregierung ins Leben gerufene Internationale Bauausstellung Emscher Park im Ruhrgebiet dürfte im Augenblick das prominenteste Beispiel für neuere Ansätze einer ökologisch und sozial orientierten Stadt- und Regionalentwicklung sein“ (SELLE, 1992a:277).

Räumliche Eingrenzung Schauplatz der Bauausstellung sind 17 Städte im nördlichen Teil des Ruhrgebietes mit einer Fläche von 800 km2 und zwei Millionen Einwohnern (GANSER, 1991, s. Abb. 4).

Abb. 4: Ruhrgebiet mit Planungsraum der Internationalen Bauausstellung Emscher Park

Ziele, Inhalte und Maßnahmen Ziel der Bauausstellung Emscher Park ist der durchgreifende Umbau des Emscherraumes unter ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten. Die Bauaus­ stellung soll der Region sowohl konzeptionell wie auch praktisch zukunftsweisende Impulse geben. Die Impulse sollen beispielhaft und übertragbar sein. Daher lautet der Untertitel dieser IBA auch «Werkstatt für die Zukunft alter Industrieregionen» (vgl. MSWV, 1988; IBA, 1994). Die ökologisch grundlegende Verbesserung wird dabei ausdrücklich auch als Vor­ aussetzung für die ökonomische Modernisierung der Region gesehen (vgl. Selle, 55

1991a; vgl. zur ökonomischen Modernisierung Reiss-Schmidt 1992, Blase, 1992:156). „Die zentrale These dabei ist, daß in Zukunft über die wirtschaftliche Wettbe­ werbsfähigkeit von Regionen in erster Linie ihre ökologische Qualität entscheiden wird. Daher soll hier ein «ökologisches Fundament» für die wirtschaftliche Erneue­ rung gebaut werden“ (IBA, 1994). Die sieben Leitprojekte der IBA bringen diesen umfassenden Ansatz zum Ausdruck (MSWV, 1988): 1. Wiederaufbau von Landschaft - Der Emscher-Landschaftspark 2. Ökologische Verbesserung des Emscher-Systems 3. Rhein-Heme-Kanal als Erlebnisraum 4. Industriedenkmäler als Kulturträger 5. Arbeiten im Park 6. Neue Wohnformen und Wohnungen 7. Neue Angebote für soziale, kulturelle und sportliche Tätigkeiten (Zu den konkreten Projekten siehe z.B. IBA 1994 oder die Emscher-Park Infor­ mationen, welche die IBA-GmbH regelmäßig herausgibt.) Die Internationale Bauausstellung Emscher Park begann 1989, zog 1994/1995 Zwischenbilanz und wird 1999 enden (Ganser, 1991).

Träger / Organisation Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen gründete eine privatwirtschaftlich orga­ nisierte Planungsgesellschaft zur Koordination und Präsentation der Internationalen Bauausstellung Emscher Park. Diese Gesellschaft, mit Sitz in Gelsenkirchen, ist zu 100% im Besitz des Landes. Sie verfugt über 35 Mio. DM und beschäftigt 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu den Aufgaben der Bauausstellung zählen die Vorbereitung und Durchführung von Architekten- und Planerwettbewerben, die Umsetzung von Wettbewerbsergeb­ nissen gemeinsam mit den Projektträgem, die Moderation und Begleitung von Planungsprozessen und die Präsentation der Bauausstellung. Unter dem Vorsitz des Ministers für Stadtentwicklung und Verkehr tagt der sog. Lenkungsausschuß, der über die Aufnahme von Projekten entscheidet. Der Lenkungsausschuß setzt sich aus Vertretern der Landesressorts, der Mitgliedsstädte, der Wirtschaft, der Gewerk­ schaften sowie der Naturschutz-, Planer- und Architektenverbände zusammen. Im Kuratorium arbeiten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit, die die Bauaustellung fordern und ihre Präsentation unterstützen, unter der Leitung des Mini­ sterpräsidenten Johannes Rau. Zur Zeit werden rund 90 Projekte unterstützt (IBA, 1994). Projektträger sind neben den Gemeinden und Kreisen Unternehmen, Initiativen und Verbände aus der Region. Die Finanzierung erfolgt oft gemeinsam von Land, Städten und Unter­ nehmen. „In einigen Fällen, wie z.B. der Entwicklung des Landschaftsparks, werden die Aufgaben grundsätzlich allein von den öffentlichen Händen getragen. Viele Vor­

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haben werden zusätzlich durch Bundes- und EG-Mittel gefördert. Im Sommer des Jahres 1993 liegen in den Projekten rund 2,5 Mrd. DM, davon 1,7 Mrd. DM öffentliche Investitionen, rund 800 Mio. DM private Mittel“ (IBA, 1993).

„Die Erneuerung ‘einer alten Industrieregion’ kann nicht von oben verordnet werden. Diese Aufgabe verlangt nach einer umfassenden Änderung der Planungsund Baukultur, die nachhaltig auf das Verwaltungshandeln und die Entscheidungs­ prozesse der Region einwirkt. Diese neue Kultur ist jedoch nur als Ergebnis des Handelns der Akteure der Region selbst möglich. Die Bauausstellung arbeitet des­ halb in einem dezentralen kommunikativen System, das die Fähigkeit in der Region zu selbstbestimmtem planerischen Handeln aktiv unterstützt und dabei auf die Planungshoheit der Gemeinden baut, die auch für den größeren Teil der Projekte als Träger verantwortlich zeichnen. [...] Ort der Kommunikation und der Steuerung der größeren Projekte sind sogenannte projektbegleitende Arbeitskreise, die das jeweilige Projektmanagement unterstützen. Diese Arbeitskreise sind informell organisiert und tagen in der Regel monatlich. Beteiligt sind Vertreter des Landes, der Regierungspräsidien und der Fachbehörden, die Ämter der Verwaltung, externe Fachleute sowie die Bauausteilung. Die Arbeitskreise entwickeln Vorschläge für das administrative Handeln der Städte auch zur Vorbereitung notwendiger parlamentarischer Beschlüsse“ (Blase, 1992:152). Neben der Kommunikation nimmt die Innovation einen hohen Stellenwert bei der Bauausstellung ein. Die IBA wird als Werkstatt verstanden, in der zahlreiche Ideen entwickelt und handlungsorientierte Lösungen erarbeitet werden.

„Die vielfältigen Formen der Ideenfindung und der Planungsinnovation sind im folgenden veranschaulicht (Die Beispiele sind den „Emscher-Park Informationen“ (1992-1994) entnommen): • Wettbewerbe (z.B. für Nahversorgungszentrum in Bottrop, zum Bahnhofs­ gelände in Castrop-Rauxel, zu Wohnen im Garten in Dortmund; zum Wohn­ park Backumer Tal; Bürgerwettbewerb „Ein Slogan für den Emscher Land­ schaftspark“); • Expertenanhörungen, Symposien oder Status-Seminare, um den Stand des nationalen und internationalen Wissens zusammenzuführen und zu bewerten (z.B. internationaler Workshop „Wasser in urbanen Gebieten“; internationaler Austausch mit Industrieregionen); • mehrtägige Werkstattzusammenkünfte, um für besonders schwierige Pro­ blemlagen, die bei der Ausarbeitung von Planungen oder bei der Realisierung auftreten, eine Lösung zu finden (z.B. Halde Schwerin); • Sommerakademien, um den internationalen Erfahrungsaustausch und das Fachgespräch unter jungen Wissenschaftlern zu ermöglichen; • ortsnahe Projektgruppen, um Ideen und Interessenlagen der im Emscherraum lebenden Bevölkerung und Betriebe zu artikulieren, über Planung und Projekte fortlaufend zu informieren und Themen der Erneuerung zu diskutieren; • projektbegleitende Arbeitskreise (s.o.); 57



Vortragsreihen (z.B. Neue Wege zur Produktivität, Architektur in der Emscher-Park Bauausstellung); • Berücksichtigung von Zielgruppeninteressen; beispielsweise: - Kinder (z.B. Aktion Wasserbaustelle in Düsseldorf, gemeinsame Spiel­ platzgestaltung in Gelsenkirchen, Schulklassenwettbewerb zum SesekeLandschaftspark); (vgl. Lausch, 1993); - Frauen (z.B. Workshop „Angstfrei bewegen im öffentlichen Raum“, Gelsenkirchen; Neues Wohnen in Bergkamen - Frauen planen Wohnun­ gen) (vgl. Sturm, 1993). (aus: Sinning, 1994:14)

Allerdings müssen die Projekte einen doppelten Filter passieren: „Sie müssen in­ haltlich einem der sieben Leitprojekte zugeordnet werden können und sie müssen die vom IBA-Lenkungsausschuß definierten Qualitätskriterien erfüllen“ (KlLPER 1993:53; in: Sinning, 1994:13). „Nach dem Willen der Initiatoren der IBA Emscher Park soll diese Organisati­ onsentwicklung zeitlich befristet sein: Nach etwa zehn Jahren wird die Planungs­ gesellschaft ihre Tätigkeit einstellen. Bis dahin soll in der ‘Werkstatt für die Zukunft alter Industriegebiete’ so viel Innovationspotential erzeugt und an Beispielen verdeutlicht worden sein, daß auch die alltägliche Politik und Planung in der Region nachhaltig verändert wurde. Aus der Innovation soll - so hoffen alle, die dieses Projekt betreiben - eine neue, bessere Routine werden“ (Selle, 1992a:279).

Besonderheiten Damit in einer der strukturpolitisch schwierigsten Regionen Nordrhein Westfalens eine Aufbruchstimmung hin zum ökonomischen und ökologischen Umbruch auf­ kommt, müssen verschiedene Faktoren zusammenkommen. Hervorgehoben werden an dieser Stelle neben Besonderheiten der IBA-Planungsgesellschaft zunächst einige allgemeine Rahmenbedingungen, die bei der Bauausstellung eine Rolle spielen: • Ausschlaggebend für das Zustandekommen der Bauausstellung war das Enga­ gement der Landesregierung. Der politische Wille der Landes NordrheinWestfalen auf diesen Teilraum des Ruhrgebietes seine strukturpolitischen Initiativen und Kräfte zu konzentrieren hat diese die Verwaltungsgrenzen überschreitende Unternehmung ermöglicht. • Der Stellenwert, der durch die Großveranstaltung Internationale Bauausstel­ lung vorgegeben wurde, trug sicherlich seinen Teil dazu bei, Fachleute zur Mitarbeit zu bewegen, Städte über ihre Grenzen schauen zu lassen und ein­ gefahrene Verwaltungsroutinen zu verlassen. • Dem geschäftsfuhrenden Direktor der Planungsgesellschaft, Prof. Dr. Karl Ganser, ist sowohl innerhalb der Gesellschaft, als auch auf allen anderen Aktionsebenen erhebliche Bedeutung zuzumessen (vgl. Finke/Ostwald, 1993). Neben den politisch günstigen Bedingungen bedürfen derartige Initia­ tiven auch immer eines engagierten Promotors, der die Idee nach außen ver­ tritt. 58



Dadurch, daß ökologische Qualitäten einen ökonomischen Wert erlangt haben (s.o.), wurde ihnen eine hohe Priorität eingeräumt.

Die Arbeitsmöglichkeiten der Planungsgesellschaft Emscher-Park GmbH sind immer vor dem Hintergrund dieser - ausschnitthaft angedeuteten - Rahmenbe­ dingungen zu betrachten. • Als wesentliches Element in die Organisation der Bauausstellung integriert, hatte die Planungsgesellschaft Emscher-Park GmbH als intermediäre Organi­ sation von Anfang an ihre zugewiesene Rolle. Die Schwierigkeit privater intermediärer Organisationen, Zugang zu den entscheidenen Akteuren und in die relevanten Netzwerke zu erlangen, wurden dadurch gemildert. • Die Organisationsstruktur der Planungsgesellschaft und ihre koordinierende Rolle gewährleistet vielmehr eine enge Verzahnung von politischen und ent­ scheidenden regionalen Akteuren und den ‘renommierten’ Praktikern (Direk­ toren und Mitarbeitern). • Die Planungsgesellschaft fördert durch ihre Arbeitsweise (Wettbewerbe, internationale Veranstaltungen) den offenen und innovativen Charakter der Unternehmung und profitiert gleichzeitig von der dadurch erzeugten Auf­ bruchstimmung. Planungsmethodisch ist der gesamte Ablauf der Bauausstellung auf Elemente der ‘neuen Planungskultur’ (s. Kap. 1.2.3) - Kooperation und schrittweise Umsetzung abgestellt: • Die Bedingungen, welche umfassendere Reformschritte be-, und verhindern eingefahrene Verwaltungsroutinen, ‘kirchturmpolitisches’ Denken, fehlende Querschnittsorientierung - wurden im Rahmen der Bauausstellung mit ‘mini­ mal formalisierten Bypass-Strukturen’ (RElß-SCHMlDT, 1994) umgangen. Strukturen wie die ‘Interkommunalen Arbeitsgemeinschaften’ können Pla­ nungsverfahren beschleunigen und effektivieren und problemorientierte Lösungen fördern (vgl. RElß-SCHMlDT, 1994). Es wird nicht zentral geplant; die Projekte werden vielmehr gemeinsam erarbeitet und entwickelt. • Nicht groß angelegte Prestigeprojekte werden angestrebt, sondern problem­ orientierte Lösungen, die in zahlreichen Einzelobjekten umgesetzt werden sollen. Durch diese Strategie wird ermöglicht, - daß die regionalen Akteure Träger der Projekte bleiben (und nicht die landeseigene Planungsgesellschaft); - daß der Strukturwandel über längere Zeiträume erfolgen kann; es entsteht kein kurzfristiger Erfolgszwang, unter dem z.B. staatliche Konjunkturund Sonderprogramme stehen; die Beteiligten werden nicht kurzfristig finanziell überfordert; - daß der Wandel schrittweise in einem Lernprozeß erfolgen kann. Als übertragbar und beispielhaft können - neben dem Planungsablauf der gesamten Bauaustellung - folgende Vorgehens weisen der Planungsgesellschaft angesehen werden: 59







die Zielstruktur, Qualitätskriterien Im Sinne eines ‘perspektivischen Inkrementalismus’ geben die Zielstruktur und die Qualitätskriterien der Bauausstellung den einzelnen Projekten eine wertorientierte Ausrichtung. Konkret wirksam werden die Qualitätsmaßstäbe zum Beispiel als Ausschlußkriterien bei der Auswahl der Projekte. Die weit­ reichenden sozialen und ökologischen Zielsetzungen der Bauausstellung kön­ nen aufgrund ihrer Bindungswirkung ein Gegengewicht zu den ansonsten in der Regel im Vordergrund stehenden ökonomischen Zielsetzungen ausbilden (vgl. Selle in Froessler/ Selle, 1991:38f, MSWV, 1988). Innovation Die vielfältigen Formen der Ideenfindung und die Offenheit für Innovationen entsprechen ganz der im ersten Kapitel beschriebenen Situation von ‘Un­ wissenheit’ und ‘Komplexität’. Erfahrungen aus anderen Regionen, Fach­ wissen von Experten und das ‘know-how’ der lokalen Akteure stellen wesent­ liche Potentiale für problemadäquate Lösungen dar. Finanzierung Die Planungsgesellschaft verfugt - neben ihrer institutionellen Finanzierung über keine eigenen Mittel. Die traditionellen Akteure der Region sollen Träger der Projekte sein und so, nach Einstellung der Tätigkeiten der Planungs­ gesellschaft, eigenständig die zukunftsorientierte Entwicklung vorantreiben.

Robert SCHÄFER zog schon 1991 folgende Bilanz: „Die IBA-Projekte, ermöglicht durch eine personell wie administrativ und ökonomisch kaum übertragbare Kon­ figuration, können durchaus fortschrittsanregend wirken und vielleicht beispielhaft wirken auf vergleichbare Industrienationen Europas“ (SCHÄFER, 1991:2). Im Rahmen von Kap. 3 sollen die wesentlichen - übertragbaren - Elemente der IBA noch einmal aufgegriffen werden.

2.1.3 Betriebsgesellschaften in Biosphärenreservaten Im folgenden soll das Modell für eine intermediäre Organisation vorgestellt werden, das bisher erst ansatzweise umgesetzt wurde. Am Beispiel einer gemeinnützigen Betriebsgesellschaft werden Möglichkeiten und Effizienz einer privatwirt­ schaftlichen Organisationsform untersucht, welche die Umsetzung der Ziele eines Biosphärenreservates fördern soll.

Biosphärenreservate als Element des UNESCO Programms ‘Man and the Biosphere9 (siehe v.Gadow, in St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:XVIII) Das Programm ‘Man and the Biosphere’ (MAB) wurde bereits 1970 von der UNESCO erarbeitet. Ziel des Programms ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen für eine nachhaltige Nutzung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen zu erwei­ tern. Lebens- und Wirtschaftsformen sollen dazu beispielgebend erarbeitet und erprobt werden, „wie sie 20 Jahre später von der UN-Konferenz für Umwelt und

60

Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro (Juni 1992) zur zentralen Forderung für ein ‘sustainable development’ erklärt wurde“ (v.Gadow, a.a.O.). Ansätze dieses Programms werden in den Biosphärenreservaten der UNESCO verdeutlicht. „Nicht der konservierende Naturschutz steht im Vordergrund des Programms, sondern vielmehr das Bemühen des wirtschaftenden Menschen, auf die Empfind­ lichkeiten der Natur Rücksicht zu nehmen, um so zu einem harmonischen Mitein­ ander von Natur und Mensch zu gelangen“ (ebenda). In den Biosphärenreservaten wird versucht, neben den Aspekten des Naturschutzes, die ökonomischen, sozialen, kulturellen und ethischen Aspekte in der historischen Landschaft zu berücksichti­ gen. Deshalb verbleiben auch große Teile in privatwirtschaftlicher Nutzung, die besiedelten, vom Menschen genutzten Gebiete sind vielmehr unverzichtbarer Be­ standteil eines Biosphärenreservates. Dieses internationale Programm wird auf nationaler Ebene von dem 1972 gegrün­ deten Deutschen Nationalkomitee für das MAB-Programm der UNESCO begleitet. „Die eigentliche Umsetzung, zu der sich die Länder durch ihren Antrag auf Aner­ kennung eines Biosphärenreservates verpflichtet haben, erfolgt dann durch die Verwaltungen der Länder“ (ebenda).

Definition, Ziele und Aufgaben von Biosphärenreservaten Gemäß den ‘Leitlinien für die Biosphärenreservate in Deutschland’ werden Bio­ sphärenreservate folgendermaßen definiert: „Biosphärenreservate sind großflächige, repräsentative Ausschnitte von Natur- und Kulturlandschaften. Sie gliedern sich abgestuft nach dem Einfluß menschlicher Tätigkeit in eine Kemzone, eine Pflegezone und eine Entwicklungszone, die gege­ benenfalls eine Regenerationszone enthalten kann. Der überwiegende Teil der Fläche des Biosphärenreservates soll rechtlich geschützt sein (Kemzone als Natio­ nalpark oder Naturschutzgebiet; Pflegezone überwiegend als Nationalpark oder Naturschutzgebiet, ergänzend als Landschaftsschutzgebiet oder Naturpark-Schutz­ zone). In Biosphärenreservaten werden - gemeinsam mit den hier lebenden und wirt­ schaftenden Menschen - beispielhafte Konzepte zu Schutz, Pflege und Entwicklung (im Sinne einer nachhaltigen, ressourcenschonenden, tragfahigen Entwicklung (sustainable development)) erarbeitet und umgesetzt. Biosphärenreservate dienen zugleich der Erforschung von Mensch-Umwelt-Beziehungen, der ökologischen Umweltbeobachtung und der Umweltbildung. [...]“ (St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:5). Zu den weiteren Aufgaben in den Biosphärenreservaten siehe Abb. 5.

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Aufgaben in den Biosphärenreservaten in Deutschland • • • • • • • •

• • • •

Mitwirkung im Bereich Landschaftsplanung, Eingriffsregelung Überwachung der Schutzbestimmungen Naturschutz und Landschaftspflege, Arten- und Biotopschutz Zusammenführung und Bewertung von Informationen über das Biosphärenreservat Betrieb des Informationszentrums, Koordination von Bildung und Öffentlichkeitsarbeit Herausgabe von Publikationen und Betreiben von Informationsstellen Besucher- und Bürgerbetreuung, Informations- und Kontaktvermittlung Beratung und Unterstützung von Landnutzem bei der Umsetzung einer nachhaltigen Landnutzung Durchführung wirtschaftsfördemder Maßnahmen (Vermarktung, Vergabe regionaler Gütesiegel bzw. gesetzlich geschützter Warenzeichen) Durchführung von Maßnahmen zu Schutz, Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft, auch über die Grenzen des Biosphärenreservates hinaus Dauerbetrieb der Ökologischen Umweltbeobachtung Koordination der angewandten Umweltforschung im Biosphärenreservat

Abb. 5: Aufgaben in den Biosphärenreservaten in Deutschland (aus St. AG Biosphärenreservate, 1994:61)

Landnutzung / Nutzungskonflikte In den meisten Biosphärenreservaten herrschen vergleichbare Rahmenbedingungen (s. St. AG Biosphärenreservate, 1994:20): • sie befinden sich in ländlichen, wirtschaftlich peripheren Räumen; lediglich im Thüringer Wald sowie im Vorfeld des Biosphärenreservates Bayerischer Wald fand eine bescheidene Industrialisierung statt; • die Bevölkerungsdichte liegt in allen Biosphärenreservaten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt; • der primäre Sektor mit Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei hat ins­ besondere in den ostdeutschen Biosphärenreservaten noch eine größere Be­ deutung, ist jedoch seit der Kopplung an den Welt- und EU-Markt in starkem Rückgang begriffen. Die Landwirtschaft zieht sich aus den benachteiligten Räumen zurück, wobei die unrentablen, extensiven Nutzungsformen auf er­ tragsschwachen Standorten zuerst aufgegeben werden. Die Flächen fallen brach oder werden aufgeforstet; • der Tourismus gehört zu den wichtigsten Erwerbs- und Beschäftigungsquellen der einheimischen Bevölkerung. Biosphärenreservate sind in Deutschland aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Umweltbelastung, ihrer Naturaus­ stattung und des reizvollen Landschaftsbildes beliebte Urlaubsziele. Zudem gehören sie zu den bevorzugten Naherholungsgebiete der nächstgelegenen Verdichtungsräume.

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Mit den Zielsetzungen der Biosphärenreservate sind viele aktuelle Nutzungsformen nicht vereinbar. Es treten „zum Teil erhebliche Nutzungskonflikte und Belastungen des Naturhaushaltes auf. Diese Konflikte und Belastungen resultieren vorwiegend aus: • Flächenversiegelung und -Zerschneidung durch Erweitung von Siedlungs- und Gewerbegebieten sowie durch Verkehrs- und Infrastruktur, • Schadstoffeinträgen z.B. durch atmosphärische Depositionen, Gewässerver­ schmutzung und sonstige Gefährdungen, • zunehmendem Erholungsdruck und Massentourismus, • nicht standortgerechter Landnutzung in Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, • Aufgabe und Änderung der Nutzungen insbesondere in Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe, welche die spezifische kulturelle Eigenart des Bio­ sphärenreservates prägen“ (St. AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:20).

Entwicklung nachhaltiger Nutzungsformen Die Entwicklung nachhaltiger Nutzungsformen soll durch Konzepte des ‘Inte­ grierten Naturschutzes’ erfolgen (vgl. PFADENHAUER, 1991; RIEDL, 1991). In bezug auf die Biosphärenreservate wird diese Vorgehensweise folgendermaßen begründet: „Die ausschließliche ‘Konservierung’ der Kulturlandschaft in ihrem heutigen Zu­ stand würde in letzter Konsequenz die Biosphärenreservate in Museumslandschaften überfuhren und deren weitere kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung ver­ hindern. Eine flächendeckende Pflege der Biosphärenreservate als museale Land­ schaften ist kostenaufwendig und volkswirtschaftlich fragwürdig, da zu bezweifeln ist, ob sich die Gesellschaft eine derartige Pflege langfristig leisten kann und will. Landschaftspflege ist Ausdruck gesellschaftlichen Willens aufgrund von Wertent­ scheidungen (Mayerl, 1990). Eine flächendeckende Pflege widerspräche zudem den Zielen des MAB-Programms und der Modellfunktion der Biosphärenreservate. Gefordert ist daher die Entwicklung von Nutzungsformen, die sowohl wirtschaftlich tragfähig als auch nachhaltig sind. Nur so können Grundlagen für das Leben, Wirtschaften und Erholen der Bevölkerung im Biosphärenreservat langfristig er­ halten werden. Die Entwicklung solcher nachhaltigen Nutzungen ist mit zukunftsweisenden und innovativen Ansätzen und Maßnahmen zu fördern. Entwicklungszonen von Bio­ sphärenreservaten sollen bevorzugte Standorte für Pilotprojekte und Modellvor­ haben ‘sauberer’ bzw. ‘sanfter’ Technologien sein (technischer Umweltschutz, rege­ nerative Energie, Betriebe mit weitestgehend geschlossenen Stoffkreisläufen, ressourcenbezogene Arbeitsplätze). Vor allem ist das regionaltypische, bodenstän­ dige Handwerk und Gewerbe zu fördern und in diesem Sinne zu entwickeln. Fach­ bezogene, umsetzungsorientierte Konzepte für die einzelnen Nutzungsgruppen, wie z.B. Landwirtschaft oder die Erholungsnutzung, sollen eine Über-Nutzung bzw. Über-Erschließung des Biosphärenreservates verhindern und eine langfristig trag­ fähige Nutzung im Einklang mit dessen Schutzzweck und Zonierung gewährleisten. Mit der Umsetzung einer in diesem Sinne nachhaltigen Landnutzung wird 63

gleichzeitig auch ein beachtlicher Beitrag für den Schutz des Naturhaushaltes er­ bracht“ (St.AG. Biosphärenreservate, 1994:28).

Entwicklungsstand und Organisation In der Bundesrepublik gibt es derzeit 12 Biosphärenreservate mit einer Gesamt­ fläche von 12.046 km2. Das sind etwa 3,4% der Fläche Deutschlands (Stand lO.Nov. 1992) (St.AG Biosphärenreservate, 1994:14). Sie unterstehen i.d.R. den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Ministerien der Länder. Die meisten Biosphärenreservate werden von der staatlichen Verwaltung betreut.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

N iedersächsisches W attenmeer Hamburgisches Wattenmeer Schleswig-Holstein. Wattenmeer Südost-Rügen Schorfheide-Chorin Mittlere Elbe Spreewald Rhön Vessertal Pfälzer Wald Bayerischer Wald Berchtesgaden

Abb. 6: Biosphärenreservate in Deutschland (Stand 1992) (aus Planungsbüro Grebe, 1993:2)

Zu diesem Zweck erhielten die Verwaltungsstellen von den zuständigen Landes­ behörden Kompetenzen in unterschiedlichem Umfang. So gehört es zu ihrem Auf­ gabenbereich, für die Umsetzung der Leitlinien für Schutz, Pflege und Entwicklung sowie der entsprechenden Rahmenkonzepte zu sorgen. Die Verwaltungskompeten­ zen reichen von behördlichen Stellungnahmen über die Beteiligung bei Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren bis zur selbständigen Wahrnehmung ho­ heitlicher Aufgaben (vgl. St.AG Biosphärenreservate, 1994:23).

64

Unterstützung erhalten die Verwaltungen bei ihrer Arbeit von verschiedenen Gremien und Institutionen. In den meisten Biosphärenreservaten gibt es bereits Beiräte und Kuratorien oder diese sind geplant. Sie werden vorwiegend aus Vertretern der verschiedenen Nutzergruppen und Verbände sowie aus Vertretern der Kommunal- und Landes­ politik bzw. -Verwaltung gebildet. Sowohl Beiräte als auch Kuratorien haben die Aufgabe der fachlichen Beratung der Biosphärenreservatsverwaltung und der Abstimmung von Maßnahmen zu Schutz, Pflege und Entwicklung mit den Belangen der Gemeinden und örtlich oder sachlich beteiligten Behörden und Verbände. Der Beirat hat nur eine beratende Funktion, während die Kompetenzen eines Kuratoriums meist darüber hinausgehen. Weiterhin unterstützen Fördervereine satzungsmäßig die Verwaltung und den Schutzzweck des Biosphärenreservates in ideeller und materieller Weise, bei­ spielsweise durch Spenden und gezielte Öffentlichkeitsarbeit. In den meisten Bio­ sphärenreservaten wurden Fördervereine bereits gegründet oder sie sind geplant. Darüber hinaus gibt es in der Hälfte der Reservate Mitarbeiter im Gelände (Naturwacht, Reservatsdienst, Ranger) (s. St.AG Biosphärenreservate, 1994:24).

Schwierigkeiten bei der Umsetzung „Die Entwicklung nachhaltiger Formen der Landnutzung ist eine wesentliche Auf­ gabe in Biosphärenreservaten“ (St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:9), doch genau bei diesem, bisher im Naturschutz sehr stark vernachlässigten Ziel, ergeben sich noch große Defizite auch in den Reservaten. Die Ziele und Maßnahmen der einzelnen Biosphärenreservate sollen zwar in die überörtlichen und örtlichen Planungen integriert werden (vgl. Abb. 7) - als wich­ tigstes Instrument wird dabei die kommunale Landschaftsplanung genannt - damit ergeben sich jedoch nur begrenzt Möglichkeiten, auf die Nutzungsformen Einfluß zu nehmen (z.B. im Rahmen der Flächennutzungsplanung). Zudem herrscht Einvernehmen, daß nachhaltige Nutzungsformen nicht ‘von oben’ verordnet werden können. Deshalb wird der Zusammenarbeit mit und der Beratung der betroffenen Nutzergruppen eine große Bedeutung beigemessen (vgl. St.AG Biosphärenreservate, 1994:58). „Die Verwaltungen der Biosphärenreservate in Deutschland streben mit den verschiedenen Nutzem eine enge Zusammenarbeit an, um die Leitlinien für Schutz, Pflege und Entwicklung im Einklang mit der hier lebenden und wirtschaftenden Bevölkerung umsetzen zu können. Besondere Unter­ stützung gilt dabei regionalen Initiativen, die sowohl die Förderung einer hohen Umwelt- und Lebensqualität für die einheimische Bevölkerung anstreben als auch die Kulturlandschaft des Biosphärenreservates bewahren wollen und diese beiden Ziele miteinander verknüpfen“ (St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:28). „Dies betrifft in der Regel Bauernverbände, Vereine des ökologischen Landbaus, Fremdenverkehrsverbände, Forstbetriebe, Gewerbe- und Industriebetriebe, aber auch die örtlichen und regionalen Naturschutzverbände. Eine betriebliche Beratung

65

kann hierzu einen großen Beitrag leisten“ (St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:58). Fachliche Planungen zu Schutz, Pflege und Entwicklung der Biosphären­ reservate

Planungen zur Integration und Um­ setzung der Ziele der Biosphärenreservate

Rahmenkonzept* • für das gesamte Biosphärenreservat • Regelmaßstab 1:50.000

Landes- und Regionalplanung überörtliche Planungen

Pflege- und Entwicklungspläne • vorrangig für die Pflege- und Entwick­ lungszone, bedarfsweise für einzelne Schutzgebiete des Biosphärenreservates • Regelmaßstab 1:5.000 bis 1:25.000

*

• Landschaftsprogramm (§5 BNatSchG) für die Bereiche eines Landes • Landschaftsrahmenpläne (§5 BNatSchG) für Teile des Landes, z.B. für Regionen als Teile der Regionalpläne Regelmaßstab 1:50.000 bis 1:100.000 Landschafts- und Bauleitplanung örtliche Planungen • Landschaftspläne (§6 BNatSchG) für Kommunen, i.d.R. Gemeinden, als Teile der Flächennutzungspläne Regelmaßstab 1:5.000 bis 1:2.5000 • Grünordnungspläne als Teile der Bebauungspläne Regelmaßstab 1:1.000 bis 1:2.500

wird z.T. auch als Landschaftsrahmenplan bezeichnet, ist aber keiner im Sinne § 5 BNatSchG

Abb. 7: Planungen in den Biosphärenreservaten in Deutschland (aus: St.AG Biosphärenreservate, 1994:44)

Schwierigkeiten bei der Erfüllung dieser Aufgaben ergeben sich aus der zur Zeit begrenzten personellen und finanziellen Ausstattung der Biosphärenreservatsver­ waltungen. Daher werden oft nur Naturschutzmaßnahmen im engeren Sinne unter­ stützt, während eine intensive Beratung der Nutzergruppen in Biosphärenreservaten oft nicht angeboten werden kann (vgl. St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:59). „Zudem gibt es nur wenig Möglichkeiten, die Zuständigkeit einer staatlichen Behörde auszuweiten. So endet z.B. die Möglichkeit zum Vollzug von Maßnahmen an den Grenzen des Biosphärenreservates. Damit kann eine wesentliche Aufgabe der Biosphärenreservate - Modellgebiet für eine harmonische Entwicklung der Kulturlandschaft zu sein - nur im Schutzgebiet direkt umgesetzt werden. Die Verwaltung kann auch nicht im ‘Marktgeschehen mitmischen’, d.h. Angebot und Nachfrage beeinflussen, Fördermittel akquirieren und weitere Aktivitäten

66

durchfiihren, die privaten Unternehmen geläufig, jedoch einer staatlichen Instanz verwehrt sind“ (SPANDAU / Heilmaier, 1993:92). Deshalb sollen nicht-hoheitliche, teilweise oder vollständig delegierbare Aufgaben in Biosphärenreservaten künftig bevorzugt von gemeinnützigen, privatrechtlichen Organisationen wahrgenommen werden (vgl. St.AG Biosphärenreservate, 1994:62).

Das Konzept der Betriebsgesellschaften Im Biosphärenreservat Spreewald wurde eine gemeinnützige ‘Betriebsgesellschaft’ gegründet, welche die staatliche Verwaltung bei der Umsetzung der weitgesteckten Ziele für das Reservat unterstützen soll. Anhand dieses Beispieles sollen im folgen­ den Aufbau und Aufgaben dieser Organisation vorgestellt werden. Dieses Modell soll auch auf andere Biosphärenreservate übertragen werden (vgl. St.AG BlOSPHÄRENRESERVATE,

1994).

Aufbau Die Betriebsgesellschaft soll als GmbH konzipiert werden, damit eine professionelle Geschäftsführung zur Leitung der Betriebgesellschaft eingesetzt werden kann und damit neue Wege für nachhaltiges Wirtschaften, Vertrieb und Marketing auf der Basis marktwirtschaftlicher Methoden aufgezeigt werden können (vgl. Spandau / Heilmaier 1993:92). Als Gesellschafter fungiert beim Biosphärenreservat Spreewald das Kuratorium (vgl. Abb. 8). Die Mitglieder des Kuratoriums erbringen durch ihre Einlagen das erforderliche Stammkapital von mindestens 50 TDM. Die Höhe der Einlage einzelner Mitglieder hat keinen Einfluß auf deren Stimmrecht (s. Spandau / Heilmaier, 1993:95). Ziele und Strategien zur Entwicklung des Biosphärenreservates werden vom Kuratorium erarbeitet und an die Betriebsgesellschaft zur Operationalisierung übertragen. Das Kuratorium soll folgendermaßen besetzt sein: - MAB-Nationalkomitee - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) - Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Land Brandenburg - Ministerium für Naturschutz und Raumordnung Land Brandenburg - Ministerium für Wirtschaft Land Brandenburg - Landkreise / Gemeinden - Vertreter der Sorben und Wenden - Hauptsponsor [Allianz Stiftung] (SPANDAU / HEILMAIER, 1993:94).

Zielvorgaben für die Entwicklung des Biosphärenreservates

Rückmeldung

1

Kuratorium

Rückmeldung

X

Betriebs­ gesellschaft



Beratung

Weisung und Kontrolle

Zusammenarbeit

Verwaltung

Realisierung der Leitlinien zu Schutz, Pflege und Entwicklung

über das Biosphären­ reservat hinaus nutzungsorientiert

im Biosphärenreservat naturschutzorientiert

Abb. 8: Organisatorische Einbindung der Betriebsgesellschaft (nach Spandau / Heilmaier, 1993:95)

Das Kuratorium ist der Betriebsgesellschaft gegenüber weisungsbefugt und kon­ trolliert sie. Die Verwaltung des Biosphärenreservates, die dem brandenburgischen Ministerium für Naturschutz und Raumordnung untersteht, wird vom Kuratorium nur beraten. Das Kuratorium bestellt einen Geschäftsführer und überwacht dessen Tätigkeit. Die Zusammenarbeit der Verwaltung mit Kuratorium und Betriebsgesellschaft soll durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden (vgl. Spandau / Heilmaier, 1993:94).

Aufgaben „Eine wesentliche Aufgabe der Betriebsgesellschaft Spreewald ist die Erarbeitung von Konzepten für die Vermarktung regionaltypischer Produkte. Die Betriebs­ gesellschaft kann Finanzierungsquellen erschließen, die der öffentlichen Verwaltung nicht zugänglich sind, marktwirtschaftlich-ökonomische Methoden anwenden und über das Biosphärenreservat hinaus auch in der Region aktiv werden. Auf diese Weise können Modelle entwickelt werden, die sich sowohl auf andere Bio­ sphärenreservate als auch auf die Landschaft außerhalb von Schutzgebieten über­ tragen lassen“ (St.AG BIOSPHÄRENRESERVATE, 1994:29). In Ergänzung zum fachspezifisch-ökologischen Teil des Schutzgebietsmanage­ ments, das die Verwaltung durchführt, soll die privatrechtliche Organisation somit den betriebswirtschaftlich-ökonomischen Teil wahmehmen. In der Konzeption für die Betriebsgesellschaften sind weitere Aufgaben vorgesehen: 68

Planung und Abwicklung von Projekten Veröffentlichung von Publikationen und Betreiben von Informationsshops wirtschaftsfördemde Maßnahmen Schulung / Bildung Beratung und Unterstützung der Landnutzer bei der Umsetzung einer nach­ haltigen Landnutzung - Beratung und Unterstützung von Interessengruppen - Maßnahmen zu Schutz, Pflege und Entwicklung in der Region - Koordination regionaler Aktivitäten -

Neben diesen Aufgaben sollten Maßnahmen zum Zwecke der Gewinnerzielung ergriffen werden, um - in Abstimmung mit der Biosphärenreservatsverwaltung Projekte zu Schutz, Pflege und Entwicklung der Kulturlandschaft innerhalb und außerhalb der Grenzen des Biosphärenreservates durchfuhren zu können (vgl. St.AG Biosphärenreservate, 1994:69; s.a. Planungsbüro Grebe, 1993:382 in Bezug auf das Biosphärenreservat Rhön).

Merkmale Biosphärenreservate sollen als „Modellregionen für nachhaltige Entwicklung und daher u.a. auch für die Umsetzung der Ziele der UNCED-Konferenz von Rio de Janeiro 1992 von herausragender Bedeutung“ sein (vgl. St. AG BIOSPHÄREN­ RESERVATE, 1994:62). Es ist noch zu früh, um abschätzen zu können, ob diese Beurteilung richtig ist. Es liegen zahlreiche Ideen und Konzepte vor, die ‘in die richtige Richtung weisen’ (s. z.B. Planungsbüro Grebe, 1993 zur Einführung nachhaltiger Wirtschaftsweisen im Biosphärenreservat Rhön). Das Hauptproblem liegt jedoch bei der Umsetzung. Die Schwierigkeiten, die bei der Einführung nachhaltiger Nutzungsformen auf­ treten, sind symptomatisch: • Das Beispiel zeigt deutlich die Schwierigkeiten staatlicher Behörden, eine nachhaltige Entwicklung regional zu fordern. Staatliche Verwaltungen stoßen hierbei schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Das Aufgabengebiet erfordert eine hohe Flexibilität und Offenheit für unkonventionelle Verfahren. Die intermediäre Struktur der neu entstandenen Organisation (Betriebsgesell­ schaft unter Leitung des Kuratoriums) ist indes auch keine Garantie für einen größeren Erfolg. Es wird mitunter am Einfühlungsvermögen und an der Ge­ schicklichkeit der Mitarbeiter liegen, ob sie Vertrauen bei den Akteuren vor Ort gewinnen können und so zu einer produktiven Zusammenarbeit gelangen können. • Die Schwierigkeiten zeigen, daß Schritte zu einer ‘nachhaltigen Entwicklung’ nur im Einklang mit den Interessen der betroffenen Akteure möglich sind. Die Vorbehalte in der Bevölkerung, welche oftmals schon bei der Einrichtung des Biosphärenreservates bestanden (vgl. Biosphärenreservat Harz) verstärken sich noch, wenn beim Einzelnen der Eindruck entsteht, daß er in der Folge Nachteile erfahrt. Gelingt es der Betriebsgesellschaft nicht, zusammen mit den 69

Betroffenen Modelle zu entwickeln, die einen ideellen und v.a. materiellen Gewinn für die Beteiligten bedeuten, werden sie keine Verhaltensänderungen erwarten können. Neben den staatlich initiierten Organisationen gibt es zahlreiche Initiativen, die von Privatleuten initiiert werden. Auch sie arbeiten nicht eigenwirtschaftlich, sondern vor allem als Anstifter, Vermittler und Koordinatoren (SELLE, 1991a).

2.1.4

Stiftung Bauhaus Dessau

Als Pendant zur Internationalen Bauausstellung Emscher-Park kann die Initiative ‘Industrielles Gartenreich’ aus den neuen Bundesländern gelten. Der Name ‘Industrielles Gartenreich’ steht erstens für eine Idee des Bauhauses Dessau und zweitens für eine Initiative zur regionalen Erneuerung des Raumes um Dessau, Bitterfeld und Wittenberg am Mündungsbereich der Mulde in die Elbe. Die Initia­ tive versucht ökologische, soziale, kulturelle und historische Aspekte in den Emeuerungsprozeß einzubeziehen und steht mittlerweile für ein Geflecht aus Ein­ zelorganisationen, die ohne formellen Gesamtrahmen arbeiten, aber alle in irgend­ einer Form mit dem Bauhaus Dessau in Verbindung stehen (vgl. Belser u.a., 1993:79).

Rahmenbedingungen „Das vorgestellte Projekt bezieht sich auf das etwa 250 qkm umfassende Gebiet zwischen Dessau-Bitterfeld-Wittenberg am Mündungsbereich der Mulde in die Elbe. Ungefähr 350.000 Menschen leben und arbeiten hier“ (Bauhaus Dessau, 1990a:3). Industrielle Monostruktur von Chemie und Braunkohlengewinnung, verschlissene Straßen, zerstörte und beschädigte Landschaften, ein stark sanierungsbedürftiger Wohnbestand und eine große Umweltbelastung prägen die Lebensbedingungen der Region. Dem stehen das historische Gartenreich des 18. Jahrhunderts um Dessau / Wörlitz, die Natur- und Landschaftsschutzgebiete entlang der Mulde und Elbe, Schätze der Architekturgeschichte im Siedlungs- und Industriebau, erfahrene Ar­ beitskräfte, Standortangebote für neue wirtschaftliche Investitionen sowie eine günstige Lage in Mitteldeutschland als Potentiale gegenüber. „Umweltprobleme und wirtschaftlicher Niedergang deuten auf regionalen Ruin - kulturelle Werte von europäischem und globalem Rang stehen daneben...“ (Bauhaus Dessau, 1990a:3). „Das Bauhaus Dessau, auf dem Wege zu einer neuen Identität unter Fortsetzung seiner avantgaristischen Tradition, will sich hierbei einbringen“ (Bauhaus Dessau, 1990a:3).

Die Initiative Die Initiative ’Industrielles Gartenreich’ ist von einer hohen Dynamik geprägt. Für einen Außenstehenden kann der Entwicklungsprozeß der Initiative in kurzer Zeit kaum nachvollzogen werden; deshalb soll lediglich versucht werden, die Grundidee und grundsätzliche Vorgehensweisen aus der Perspektive des Bauhauses wiederzu­ 70

geben. Die zahlreichen weiteren Institutionen (Vereine, Initiativen, Kooperationen), die sich in der Zwischenzeit unter dem Leitbild ‘Industrielles Gartenreich’ gebildet haben, können an dieser Stelle nicht benannt werden. “Die Entstehungsgeschichte des Projektes ist untrennbar mit der Diskussion über die Rolle eines ‘neuen Bauhauses’ in Dessau verbunden. Die ‘Geburtsstunde’ des ‘Industriellen Gartenreiches’ lag zwischen dem 4. und 9. November 1989, einer Zeit, in welcher sich die ‘Wende’ der damaligen DDR unaufhaltsam und unum­ kehrbar vollzog. In jener Woche trafen sich (zufällig für diesen Zeitraum vorge­ sehen) Stadtplaner und Architekten aus sieben europäischen Staaten, um über die Stadtentwicklung der ‘Bauhaus-Stadt’ Dessau zu arbeiten“ (BAUHAUS DESSAU, 1990a:4). Seitdem wird am Bauhaus Dessau durch eine kleine Gruppe von Mitar­ beitern der ‘Experimentalwerkstatt’ unmittelbar an dem ‘Phänomen Industrielles Gartenreich’ gearbeitet (vgl. BAUHAUS DESSAU, 1990a:3). Aus den anfänglichen Ideen entwickelte sich das kulturelle Langzeitprojekt ‘Industrielles Gartenreich’, das über 10 Jahre konzipiert ist.

Stiftung Bauhaus Dessau Inzwischen ist für das Bauhaus Dessau, das die Tradition der berühmten, 1926 nach Dessau gezogenen, ‘Hochschule für Gestaltung’ wiederaufnimmt, eine Stiftung gegründet worden (s. Auszug aus Stiftungsurkunde). „Mit der Gründung der Stiftung Bauhaus Dessau mündet nicht nur der wechselvolle Weg institutioneller Trägerschaft seit der Neugründung im Jahre 1986 in eine dauerhafte Form: von der staatlichen Einrichtung der DDR zu einem privaten Ver­ ein im ‘Wendejahr’ 1990 führte er über eine nachgeordnete Einrichtung des neuen Bundeslandes Sachsen-Anhalt hin zu einer gemeinsam von Land, Bund und Kom­ mune getragenen Institution. Darüber hinaus wurde mit diesem Akt auch einer Erfahrung der 20er und 30er Jahre Rechnung getragen. In dieser historisch so bedeutsamen Phase wandelte sich die institutioneile Form von einer Landesein­ richtung (in Weimar) über eine kommunale Anstalt (in Dessau) zu einem Privat­ institut (in Berlin). Die Labilität dieser Trägerschaften hatte nicht unwesentlichen Einfluß auf die Instabilität des Wirkens und das fragmentarisch Gebliebene der vielen wegweisenden Ansätze“ (Bauhaus Dessau, 1994:5).

71

Auszug aus dem «Gesetz über die Errichtung der ‘Stiftung Bauhaus Dessau9» §2 Zweck der Stiftung

(1) Die Stiftung verfolgt den Zweck

l .das Erbe des historischen Bauhauses zu bewahren sowie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu vermitteln, 2 .angesichts der Ideen und Ansätze des historischen Bauhauses Beiträge zu den Problemen der Gestaltung der heutigen Lebensumwelt zu leisten. (2) Der Erfüllung dieses Zwecks dienen insbesondere 1 .die Planungsarbeit der Werkstatt, 2 .die Sammlung von Gegenständen, die das Ideengut des historischen Bauhaus dokumentieren und erschließen, 3 .die Arbeitstätigkeit der Akademie, 4 .die Veranstaltung von Tagungen und Seminaren, 5 .die Förderung von Arbeitsaufenthalten in- und ausländischer Experten und Studenten verschiedener Fachrichtungen.

(aus: Bauhaus Dessau, 1994)

„Das heutige Forschungs- und Gestaltungsinstitut Bauhaus Dessau mit den Berei­ chen Werkstatt, Sammlung und Akademie bemüht sich darum, aus einer kritischen Reflexion des Modemisierungsprozesses heraus zu gestalterischen Vorschlägen für eine nachhaltige Regionalentwicklung zu gelangen. Es sucht damit einen kulturellen Wandlungsprozeß zu unterstützen. Die Arbeitsweise ist projektgestützt und modellhaft: Am konkreten Ort - im ‘Industriellen Gartenreich’ zwischen Dessau, Wittenberg und Bitterfeld - greifen die Projekte sozialökologische Problemstellungen auf und ordnen diese in den an­ gestrebten kulturellen Entwicklungsprozeß ein“ (BAUHAUS DESSAU, 1994:5). Im Vordergrund der folgenden Ausführungen steht der Bereich Werkstatt des Bau­ hauses.

Bereich Werkstatt „Die Werkstatt ‘Industrielles Gartenreich’ widmet sich der Regionalemeuerung“. Das Rahmenkonzept ‘Industrielles Gartenreich’ „bezieht sich einerseits auf die Industrielandschaft mit ihren widersprüchlichen materiellen und immateriellen Spuren, andererseits auf das historische ‘Gartenreich’ (nach Böttger 1797) - jenes umfassende absolutistische Reformwerk des aufgeklärten Fürsten von AnhaltDessau aus dem 18. Jahrhundert. Als kulturelles Langzeitvorhaben ausgelegt, umfaßt das Konzept ‘Industrielles Gartenreich’ einen Zeitraum von (zunächst) 10 Jahren, in welchem die wesentlichen kulturellen Schichten der Region ‘durchwandert’ und dabei Ansätze für die nachhaltige und auf Eigenständigkeit zielende Regionalemeuerung erschlossen 72

werden: In einer Folge von Aktivitäten werden die Schwerpunkte ‘Industrieland­ schaft’ und ‘Gartenreich-Kulturlandschaften’ sowohl in ihren ambivalenten histo­ rischen Dimensionen sowie mit ihren Bezügen zur gegenwärtigen Transformation in die öffentliche Debatte um die Suche nach Emeuerungsstrategien gebracht. Diese Schichten werden mittels differenzierter Projekte an Schnittpunkten historischer Entwicklung und aktuellen Umbruchs reaktiviert. Dabei handelt es sich um sensible Orte, an denen Reformtraditionen ablesbar sind, die für die Zukunft einer nachhaltigen Erneuerung wichtig werden könnten, zentrale Fragen des Umgangs mit Ressourcen aufwerfen und Möglichkeiten neuer Tätigkeiten erschließen“ (Bauhaus Dessau 1994:13).

Arbeitsschwerpunkt Industrielandschaft „Die identitätsstiftende Erschließung und Reflexion der geschichtlichen Sedimente gestaltet sich zur übergreifenden Aufgabe regionaler Erneuerung. Im Rahmen des Arbeitsschwerpunktes ‘Industrielandschaft’ erstreckt sich dieses Bemühen • auf industriell geprägte Orte des Wohnens (Beispiel der Siedlungen), • der Infrastruktur (Beispiel der Regionalbahn), • der Werksanlagen (Beispiel der Energie- und Chemiewirtschaft) • und der speziellen Kultur- ‘Einrichtungen’ (Beispiel des Kulturpalastes in Bitterfeld). Entlang industriegeschichtlichen Jubiläen werden die Projektaktivitäten des kom­ menden Jahres hierfür als Impulse gebündelt und durch eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen, medialer Ereignisse und praktischer Versuche präsentiert: Wan­ derausstellungen, Feste, Konferenzen, Siedlungsprojekte etc. Das verknüpfende Element zur Diskussion und Erneuerung der ‘Industrielandschaft’ stellt das ‘Zentrum Mitteldeutsche Industriegeschichte’ dar“ (Bauhaus Dessau, 1994:13).

Zentrum Mitteldeutsche Industriegeschichte (ZMIG) Das ZMIG versteht sich als „kultureller Impuls, der die Bewohnerinnen zur aktiven Mitgestaltung der Region motivieren möchte“ (Bauhaus Dessau, 1994:15). Als ‘Impulsgeber’ dienen • Geschichtsforen und -Werkstätten, • Ausstellungen, • Bildungsangebote: Qualifikationsmaßnahmen, Weiterbildungsmöglichkeiten, Verbesserung der kulturellen Infrastruktur, Anregung zur partizipativen Kul­ turwerkstätten, Bildungsangebote speziell für Senionen und arbeitslose Ju­ gendliche, wissenschaftliche Begleitung des Veränderungsprozesses und An­ gebote für Schulen bzw. Jugendliche in der Umweltbibliothek Bitterfeld; etc. Weitere Initiativen neben dem ZMIG: Siedlungslandschaft, Kulturpalast Bitterfeld, Regionalbahn (s. Bauhaus Dessau, 1994).

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A rbeitssch werpunkt Gartenreich-Kulturlandschaften „Der Arbeitsschwerpunkt ‘Gartenreich-Kulturlandschaften’ bezieht sich sowohl auf das historische Gartenreich als auch auf die landschaftlichen Zeugnisse veränderter Landnutzung mit ihren Devastierungen, Brachen und industriellen Inseln. Hierin widerspiegeln sich nicht nur die historischen Umgangsformen mit der Landschaft, sondern auch die Folgen der Ressourcenverschwendung, insbesondere der Land­ nahme und des Wasserverbrauchs. Mit ersten realisierten Abschnitten (wieder-)gewonnener - ‘neuer’ - Landschaften und verschiedenen öffentlichen Aktivitäten werden im Jahr 2000 (möglicherweise im Rahmen einer ‘Umweltexpo im ‘Industriellen Gartenreich’) Zeichen dieser Erneuerung sichtbar sein“ (Bauhaus Dessau, 1994:14). Projekte dieses Arbeitsschwerpunktes waren 1994 z.B.: • Natumahe Landschaft der Auen - Workshop ‘Water-sustainability II’, Entwurf eines ressourcendetermi­ nierten Rahmenplanes für die Muldeaue - Konferenz ‘Landschaft nach dem Bergbau’ • Dessau-Wörlitzer-Gartenreich - Projekt ‘Die kulturelle Fruchtbarkeit von Monumenten’, Wiederbelebung des Drehberges, Veranstaltung des Drehbergfestes • Industrielandschaft-Modellort Zschornewitz - Gestaltung der freien Zeit von morgen • Brachfallende Landschaft - ‘FERROPOLIS’ - Nutzungskonzept für das Tagebaugelände Golpa-Nord (vgl. Bauhaus Dessau, 1994)

„Die im komplexen Zusammenhang stehenden Projekte werden durch vier ver­ wobene Arbeitsfelder entfaltet: • historische Forschung und künstlerische Erschließung; • öffentliche Auseinandersetzung über kulturelle Aktionen, mediale Kommu­ nikation oder fachpolitische Debatten; • Institutionalisierung und netzartige Verknüpfung von Akteuren einer enga­ gierten Erneuerung; • partnerschaftlich durchgefuhrte praktische Emeuerungsversuche an ausge­ wählten Orten und deren wissenschaftliche Auswertung.

Neben den auf die konkreten Orte bezogenen Projekten wird die Arbeit der Werk­ statt durch Querschnittseinrichtungen getragen: Dazu gehören das Archiv ‘Indu­ strielles Gartenreich’, das experimentelle Studio ‘Ökologische Modellregion’ (Aka­ demie) und Netzwerke, die die einzelnen Projekte, deren Schwerpunkte oder Frage­ stellungen verbinden. Sie dienen vorrangig der Erarbeitung von projektbezogenen wissenschaftlichen Grundlagen und der Vermittlung von Erkenntnissen, Er­ fahrungen und Orientierungen in bezug auf das gesamte Rahmenkonzept. Die Verknüpfung der industriellen mit der Gartenreich-Landschaft offenbart schritt­ weise die Vision einer Kulturlandschaft, in der sowohl die geschichtliche Dimension 74

respektiert und aufgehoben ist, als auch eine dauerhafte wirtschaftliche wie ökologische Lebensfähigkeit erreicht werden könnte. Hierfür gilt es, innere konstituierende Kräfte zu entfalten und kulturelle Zeichen der Erneuerung zu setzen.“ (Bauhaus Dessau, 1994:14).

Methodik und Instrumente „Das Bauhaus Projekt ‘Industrielles Gartenreich’ will Kommunikation über die ökologischen und kulturellen Potentiale und Probleme der alten Industrieregion initiieren. Über Modellvorhaben zur ökologischen Erneuerung soll die Kooperation zwischen regional ansässigen Unternehmen, Experten und der einheimischen Bevölkerung aktiviert werden. Beispielhafte Entwicklungen technischer und sozialer Lösungen für den regionalen Umbau benötigen die internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Projektarbeit schließt fachspezifische und allgemeinbildende Schulungsaktivi­ täten ein. Kulturelle Projekte sollen Ansätze für eine neue kulturelle Identität der alten Industrieregion vermitteln. Das Bauhaus-Projekt ordnet sich damit in die verschiedenen Versuche zur Erneue­ rung altindustrieller Regionen in Europa ein“ (z.B. Ruhrgebiet, Glasgow, Frankfurt / Main, Wien, Vilnius, Berlin) (BAUHAUS DESSAU, 1990b). Kulturelle Projekte „‘Die Vereinigung aller Künste am Bau’ (Gropius) das Leitthema der 20er Jahre, kann auch als Motto für den regionalen Umbau stehen. Über die Folge kultureller Projekte soll die Stadt- / Regionalplanung im Sinne eines behutsamen Umgangs mit dem Vorhandenen beeinflußt werden. Kulturelle Projekte im Sinne einer neuen Aufklärung könnten, so unsere Hypothese, die Potentiale und bewahrenswerten Seiten der Industrieregion, wie das 200 Jahre alte Gartenreich, die Natur und Landschaftsschutzgebiete, die vielseitige Wohnland­ schaft, die Denkmale der Industrie- und Technikgeschichte sowie Zeugnisse der Architektur- und Alltagsgeschichte in das kulturelle Bewußtsein aller Beteiligten rücken und den pragmatischen Planungsprozeß beeinflussen. Kulturelle Projekte, wie Ausstellungen und Feste, Kurse zur kulturellen Fortbildung, Publikationen, Medienprojekte und Öffentlichkeitsarbeit aber auch Planungsstudien im Spannungs­ feld von Utopie und Realität dürften unserer Meinung nach geeignet sein, eine breite Öffentlichkeit an der Diskussion um die Ziele und Wege der regionalen Erneuerung zu beteiligen und so etwas wie regionale Identität zu begründen. Außerdem muß es gelingen, die Region um Dessau wieder im europäischen Bewußtsein zu verankern und zu zeigen, daß z.B. Bitterfeld nicht nur die ‘dreckigste Stadt Europas’, sondern auch Bestandteil einer berühmten Kulturlandschaft und Ort kultureller Traditionen, unermeßlicher Arbeit und vieler Perspektiven ist. Kultur als Planungsinstrument soll im ‘Industriellen Gartenreich’ zusammenführen, was bisher und immer noch getrennt betrachtet wird. Kultur als Planungsinstrument soll die dringend notwendige und bisher kaum gelungene regionale Zusammenarbeit 75

zwischen Städten, Gemeinden und Kreisen sowie das Interesse und die Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit an Planung- und Entscheidungsprozessen auf den Weg bringen“ (BAUHAUS DESSAU, 1990b). „Die experimentelle Werkstatt des Bauhauses Dessau leistet dabei: • Angebote für Konzeptionen in breiter regionaler und internationaler Koopera­ tion, • weitgefächerte kulturelle Öffentlichkeitsarbeit mit verschiedenen medialen Trägem und dem Ziel der Anregung und des Erkenntnisgewinns, • aktuelle Initialprojekte als Modellvorhaben oder im ‘Vororteingriff durch Planung, Entwurf, Beratung u.ä., • Vermittlung von Initiativen, Erfahrungen, Kontakten, Informationen sowie deren systematischer/spielerischer Umsetzung, • wissenschaftliche Begleitung des Prozesses und Einbringen der Erkenntnisse und Resultate in die regionale und internationale Kommunikation“ (Bauhaus Dessau, 1990a:6). Die einzelnen Projekte sind prinzipiell gegliedert in einen Part • Wissenschaft (Seminare, internationale Veranstaltungen) • Kulturaktion (Ausstellungen, (Stadtteil-) Feste, Kunstforum, sanfter Tourismus - Rad und Region) • Planungsprojekt • Institutionalisierung (Publikationen, Gründung von Vereinen, Interessenge­ meinschaften, Entwicklungsgesellschaften) (vgl. Bauhaus Dessau, 1990a).

„Mit der Thematisierung und Bearbeitung ‘substanzieller Probleme’, mit der Formulierung von Entwicklungszielen und Visionen (‘Positive Bilder’), die dem Paradigmenwechsel verpflichtet sind, kann das Bauhaus Dessau auf die unzurei­ chende Problemsicht und die vielerorts anzutreffende Konzeptionslosigkeit von Handlungsträgern reagieren. Darüber hinaus sieht sich das Bauhaus Dessau in der Mitverantwortung für die Umsetzung eigener Konzepte und Projekte. Wenn in der Projektarbeit zunächst die Vision zu veranschaulichen ist, so ist im fortschreitenden Projektverlauf ein Prozeß einzuleiten, der im Dialog und in der Vernetzung unterschiedlicher Akteure eine schrittweise Annäherung und schließlich Umsetzung ermöglicht. Dabei muß sich die Rolle der Institution nicht auf die fachliche und konzeptionelle Beratung be­ schränken, sondern kann sich bis zur ‘Mit-Trägerschaft’ von Vorhaben erstrecken, die allerdings als regionale Kooperationen zu institutionalisieren sind. Diese Arbeit hält wichtige Ansätze zur Beratung politisch Verantwortlicher und weiterer Akteure bereit. Sie soll die Institution aber nicht der Gefahr aussetzen, im Alltagsgeschäft zerrieben zu werden. Bereits jetzt unterstützt das Bauhaus Dessau partiell solche Institutionalisierungsbemühungen in der konkreten Projektarbeit. In regionalen Institutions- und Kooperationsformen wird eine auf ‘ökologische Kultivierung’ hinarbeitende Praxis verankert und exemplarisch erprobt, die zum Impulsgeber, zum Träger erneuter Reformversuche und -vorhaben wird. Das Bau­ 76

haus Dessau selbst war und ist als eine solche Institution zu verstehen. Im Zentrum der Bemühungen standen und stehen die Vermittlung eines komplexen Problem­ verständnisses und komplexer Problembearbeitung. Eine zu vordergründig verstandene Praxis, die auf eilige, vordefmierte Ergebnisse orientiert ist, birgt die Gefahr, Projekte und Institutionen in kurzschlüssigen Dis­ kussionen und Anwendungen zu verschleißen. Die Projektpraxis am Bauhaus Dessau wird immer auch Fehlentwicklungen der Modernisierung in ihren materi­ ellen und immateriellen Auswirkungen thematisieren und hierfür Wahrneh­ mungsfähigkeit durch den Einsatz vielfältiger Medien und Arbeitsformen erschlie­ ßen. Das eigentliche Praxisproblem besteht häufig darin, daß die notwendige Wahrnehmungsfähigkeit für bedrohliche gesellschaftliche Entwicklungen nicht ausreichend vorhanden ist“ (BAUHAUS DESSAU, 1994:10).

Merkmale Bauhaus Dessau zog schon 1990 folgende Konsequenzen aus den Problemen, die sich aus der Wandlung der Industriegesellschaften für die Standorte traditioneller Großindustrien ergeben: • es müssen jeweils den örtlichen Bedingungen entspringende Lösungsansätze gefunden werden; • um sichtbare Resultate erzielen zu können, müssen Programme mit Laufzeiten von etwa 10 Jahren veranschlagt werden; • zur Initiierung und Koordination derartiger Vorhaben müssen übergreifende Institutionen geschaffen werden, die die Interessen von Verwaltungen, Unter­ nehmen, Bewohnern u.a. vermitteln und die Projektverwirklichung unabhängig verfolgen; • für die Gestaltung eines ausgewogenen ökologischen, ökonomischen und sozialen Umbauprozesses erlangen die kulturellen Werte im regionalen Um­ bauprozeß ein besonderes Gewicht (BAUHAUS DESSAU, 1990b). Vergleicht man die Initiative von Bauhaus Dessau mit der Bauausstellung EmscherPark so fällt als größter Unterschied die Einbindung der intermediären Organisation in das politische und gesellschaftliche Netzwerk auf. Das Bauhaus, auf der Suche nach einer neuen Identität, versucht, in die Rolle des Vermittlers in der Regionalentwicklung zu wachsen. Als ‘Gestaltungsinstitut’ und mit seiner experimentellen Werkstatt ist es zunächst ohne Verbindung zu politischen und gesellschaftlichen Kreisen und muß diese Verbindungen zunächst für jedes Projekt neu knüpfen, um Zusammenarbeit werben. Als Anreiz und ‘Tauschmittel’ dienen dazu z.B. die kulturellen Veranstaltungen, internationale Veranstaltungen und offene Foren (im einfachsten Fall Räumlichkeiten für private Initiativen). Ob und inwiefern sich die Situation durch die Schaffung einer Stiftung und Trägerschaft durch Bund, Land und Kommunen verändert, bleibt abzuwarten. Die Planungsgesellschaft der Bauausstellung Emscher Park ist dagegen organi­ satorisch vor allem in das administrative und politische Netzwerk der Region eng

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eingebunden (s.o.). Hier müssen über die Projekte und Projektträger vor allem Kooperationen mit der Bevölkerung bzw. mit privaten Initiativen gesucht werden. Folgende Merkmale der Bauhaus Initiative fallen weiterhin ins Auge: • Mit dem Motto ‘Industrielles Gartenreich’ wird ähnlich wie beim ‘Emscher Landschaftspark’ ein visionäres Leitbild aufgestellt, das durch die Formulie­ rung von konkreteren Entwicklungszielen und Visionen (‘Positiven Bildern’) anhand faßbarer Projekte und Problemstellungen präzisiert wird. • Aufgegriffen, thematisiert und bearbeitet werden ‘substanzielle Probleme’ die aus der regionalen (örtlichen) Situation heraus definiert werden. • Es werden Verbindungen von Theorie und Praxis hergestellt, von gesell­ schaftlichen Diskursen und umsetzungsorientierten Kooperationen, von Sachund Sinnverstand, historischen, aktuellen und zukunftsorientierten Dimensio­ nen, kulturellen, naturwissenschaftlichen und technischen Fragestellungen. Querschnittsorientierung und Offenheit prägen den angestrebten kulturverändemden Prozeß. • Entwicklung wird als ‘offener Prozeß’ mit offenem Ausgang verstanden. Entwicklung wird aber auch als Chance begriffen, als Möglichkeit der Ausge­ staltung in einem gesellschaftlichen - kooperativen - Verfahren. • Veränderungen werden in langfristigen Perspektiven betrachtet. Entsprechend langfristig wird das Projekt angelegt. Im Vordergrund steht nicht der kurzfri­ stige Erfolg, sondern ein dauerhafter Wertewandel. Die vorhandenen Rah­ menbedingungen und Gegensätze werden aufgenommen und es wird versucht, Gestaltungsmöglichkeiten auszumachen und zu nutzen.

2.1.5 Regionales Zentrum für Wissenschaft, Technik und Kultur (RWZ) „Das RWZ hat sich in seiner Stiftungsverfassung zum Ziel gesetzt, jenseits von Zuständigkeiten, Fachgebieten und Parteizugehörigkeiten und durch die Zusammenfuhrung der verschiedensten regionalen Kräfte, einen Beitrag zu einer um­ weltverträglichen und sozial verantwortlichen Regionalentwicklung zu leisten. In der Verantwortung für Umwelt, Mitwelt und Nachwelt werden zukunftsweisende Projekte und Entwicklungen angeregt, unterstützt, gefordert und durchgefuhrt“ (RWZ, 1993b:8).

Rahmenbedingungen Das RWZ arbeitet grenzüberschreitend in der Region Osthessen, Westthüringen und Bayerische Rhön (vgl. RWZ, 1993b:7, vgl. Abb 9). In diesem Gebiet herrschen vergleichbare strukturelle Merkmale; die Kreise, bzw. Landkreise stehen vor ähn­ lichen Aufgaben, Problemen und Chancen der Regional- und Strukurentwicklung. Die Region zeichnet sich durch ein niedriges Arbeitsplatzangebot, eine hohe Pendlerquote aus, bei relativ guten Wohn- und Lebensbedingungen in bäuerlich geprägter Landschaft mit hervorragend neu gestalteten städtischen Klein- und Mittelzentren sowie eine Reihe bemerkenswerter kultureller und historischer Bezugspunkte (vgl. Dehler, 1991:44). 78

BETEILIGTE KREISE:

HESSEN

THÜRINGEN

BAYERN

Landkreis Fulda, Vogelsbergkreis, Main-Kinzig-Kreis, Landkreis HersfeldRotenburg Kreis Bad Salzungen, Kreis Schmalkalden, Kreis Meiningen, Kreis Suhl Landkreis Bad Kissingen, Landkreis Rhön-Grabfeld

Abb. 9: Arbeitsbereich des RWZ; die Region Osthessen, Westthüringen und die bayerische Rhön (aus Grabski-Kieron / Knieling, 1994:166)

„Mit der Grenzöffnung im Jahre 1989 hat sich zudem eine neue gemeinsame regionalpolitische Situation mit vielfältigen Konsequenzen ergeben - von der Grenzlage im Zentrum Deutschlands“ (RWZ, 1993b:7). Im Kem des RWZ-Einzugsgebietes liegt das 1991 von der UNESCO anerkannte Biosphärenreservat Rhön; von dessen Entwicklung werden wichtige Impulse auf die Entwicklung der gesamten Region erhofft.

Institution Nach einer längeren konzeptionellen Phase noch vor dem Jahr 1989 führten Dis­ kussionen und Vorbereitungen zur Einrichtung eines Regionalen Wissenschafts­ zentrums im Mai 1991 zur Gründung der RWZ-Stiftung. Diese Bemühungen gingen maßgeblich auf den Rektor der Fachhochschule Fulda, Prof. Dr. Joseph Dehler zurück (s.u.). 214 Stifter aus der beschriebenen Region kommen aus den Bereichen Industrie, Handwerk und Handel, Kommunen, Verbände sowie Wissenschaft und Kultur. Sie haben ein Stiftungsvermögen von 122.000 DM zusammengetragen (vgl. RWZ, 1993c). Organisatorisch setzt sich das RWZ aus einem Vorstand und einem Kuratorium zusammen, die von der Stifterversammlung gewählt wurden (s.a. Abb. 10). In Vorstand und Kuratorium der Stiftung sind Repräsentanten der Bereiche tätig, aus denen die Stifter kommen (vgl. RWZ, 1993b:8). Seit Juli 1992 wird mit Unterstützung des Landes Hessen eine Geschäftsstelle mit 7 Mitarbeitern betrieben. Die Arbeit des RWZ wird aus Erträgen des Stiftungskapitals, der institutionellen Förderung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, sowie durch Zuschüsse oder projektbezogene Aufträge finanziert (s. RWZ, 1993b:8). „Das RWZ arbeitet - zum Teil auf vertraglicher Grundlage - mit vielen regionalen und überregionalen Einrichtungen und Institutionen zusammen.“ (z.B.

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Fachhochschule Fulda, Forum ländlicher Raum Nordhessen e.V., Technologieforum Nordhessen u.a.) (RWZ, 1993b: 10). VERNETZUNG DER WISSENSCHAFTLICHEN RESSOURCEN ALLER MITGLIEDSVEREINIGUNGEN

WISSENSTRANSFER zur Gestaltung und Entwicklung einer humanen, sozialen, friedlichen und natürliche Ressourcen schonenden Lebenswelt und Zukunftsperspektive

Abb. 10: Organisationsstruktur RWZ (aus Dehler, 1991:35)

Arbeitsweise Die Arbeitsweise soll im folgenden stichwortartig zusammengefaßt werden (vgl. RWZ, 1993b). Das RWZ • versucht, „die an den Hochschulen und sonstigen Wissenschafts- und For­ schungseinrichtungen vorhandenen Potentiale für die Bearbeitung und Lösung 80

konkreter Aufgabenstellungen in der Region problem- und praxisorientiert zugänglich zu machen. [...] Arbeitsbereiche sind u.a.: - Produkt- und Verfahrensentwicklung - Gutachten und Studien - Konzepterstellung - Analytik - Durchführung von Diplomarbeiten und studentischen Projekten - Veranstaltung wissenschaftlicher Tagungen und Symposien - Forschungs- und Modellprojekte“ (RWZ, 1993b: 11);



berät Unternehmen, Kommunen und Verbände bei regionalen sozialen und ökologischen Fragestellungen und fuhrt Informations- und Bildungsveran­ staltungen durch. „Zielsetzung ist es, Probleme und Lösungsstrategien, Ideen und Konzepte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, vorhandene Stärken und Ressourcen der Region vorzustellen, sowie allgemein über Fach­ kompetenz, Förderungsmöglichkeiten und Projekte zu informieren. Arbeitsbereiche sind u.a.: - Pressearbeit - Veröffentlichung und Herausgabe von Schriftenreihen - Organisation und Durchführung von Tagungen - Information über Förderungsprogramme öffentlicher und privater Träger - Aufbau einer Datenbank über Projekte, Experten, Produkte und Pro­ bleme - Vermittlung von Fachleuten - Durchführung von Messen, Märkten - Messebeteiligung - Referenten- und Moderatorentätigkeit“ (RWZ, 1993b: 11);



hilft bei der organisatorischen Abwicklung von Projekten.

Das RWZ „sieht darüber hinaus eine seiner wesentlichen Aufgaben darin, Projekte und Vorhaben in der Region zu vernetzen und Kooperationspartner zu vermitteln“ (Grabski-Kieron / Knieling, 1994:167). Es führt Projekte mit Experten und Betroffenen durch. Aber auch eigene Projekte werden initiiert und kooperativ reali­ siert. Das RWZ stützt sich dabei nach eigenen Angaben auf - die breite Kenntnis der Probleme und Potentiale der Region, - die Zusammenarbeit mit kompetenten Experten, Einrichtungen und Behörden, - die Kenntnis über Finanzierungs- und Förderprogramme, - den Zugang zu diversen Datenbanken - und auf die Erfahrung aus der Realisierung vielfältiger Projekte (vgl. RWZ, 1993b: 11).

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Inhaltlich werden die Tätigkeiten des RWZ in vier Arbeitsbereiche eingeteilt (vgl. RZW, 1993b): • Regional-, Stadt- und Dorfentwicklung Dazu zählen „Projekte und Studien im konzeptionellen und praktischen Bereich einer sozialverantwortlichen, umweltverträglichen Regionalentwick­ lung“ Schwerpunkte sind u.a.: - Regionalplanung - Stadtsanierung - Dorfentwicklung - Projektplanung und Projektrealisierung u.a. für die Bereiche Verkehr, Energie, Gemeinwesenarbeit



Umwelt und Technik Zu diesem Arbeitsbereich zählen „regionale Konzepte zur Vermeidung und Lösung von Umweltproblemen und zur Erhaltung der natürlichen Lebens­ grundlagen“. Schwerpunkte sind u.a.: - Ver- und Entsorgung - Umweltberatung - ökologisches Bauen - Verkehr - umweltverträgliche Technologien und Produktionsprozesse



Wirtschaften in der Region Im Rahmen dieses Arbeitsbereiches wird angestrebt, wohnortnahe Arbeits­ plätze zu erhalten und zu schaffen. „Impulse und Beiträge zum Aufbau einer regionalen Kreislaufwirtschaft mit ressourcenschonender Beschaffung, Pro­ duktion, Vermarktung und Entsorgung“ sollen vom RWZ ausgehen. Schwerpunkte sind u.a.: - Erzeugung und Vermarktung regionaler umweltverträglicher Produkte - Sanfter Tourismus - ökologische Landwirtschaft



Soziale und kulturelle Arbeit in der Region Das RWZ versucht im Rahmen dieses Arbeitsbereiches die „regionale Identität als Voraussetzung für eine eigenständige Regionalentwicklung durch Unterstützung und Initiierung sozialer und kultureller Initiativen“ zu fördern. Schwerpunkte sind u.a.: - Kinderarbeit - Jugendarbeit - Gemeinwesenarbeit - Kulturarbeit

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Tab. 2:

Sachbereiche und Beispielprojekte des Regionalen Zentrums für Wissen­ schaft, Technik und Kultur (RWZ) (aus: Grabski-Kieron / Knieling, 1994:167)

1. Regional-, Stadt- und Dorfentwicklung

• • • •

Gutachten „Alternative Entwicklungsszenarien zum Biosphärenreservat Rhön“ Regionalschau „Region in Aktion“ Verbundprojekte kommunale Umweltberatung Gutachten zur Wiederbelebung der Bahnstrecke Schlitz - Bad Salzschlirf

2. Umwelt und Technik

• • • •

Lärmsanierungsplanung Eichenzell Regionale Beratungsstelle Regen- und Grauwassemutzung Patentanmeldung eines Dieselrußfilters Entwicklung umweltverträglicher Dämmplatten

3. Wirtschaften in der Region

• • • •

Vermarktung regionaler Vollwert-Dinkeltaler an die Lufthansa Existenzgründungsberatung „Rhöner Vollwertprodukte GmbH“ Konzeption regionaler Marktverbund Präsentationsveranstaltung zur Selbstvermarktung landwirtschaftl. Produkte an Großküchen

4. Soziale und kulturelle Arbeit in der Region • Beratung der Stadt Schlitz für ein Rahmenkonzept kommunaler Jugendarbeit • Konzept Kulturscheune Wehrda

Bereits bis Ende 1993 sind im RWZ rund 86 Projekte angeregt, unterstützt, geför­ dert und durchgeführt worden (vgl. RWZ, 1994, s. Abb. 11). Die Themenpalette reicht dabei von der Unterstützung eines Erfinders zur Entwicklung eines neuen Dieselrußfilters für LKW über ein betriebswirtschaftliches Konzept für Baustoff­ recycling, der Unterstützung der Entwicklung und Vermarktung von Vollwertpro­ dukten, der Lärmsanierungsplanung für Kommunen bis hin zu Projekten zur städti­ schen Verkehrsplanung, der Herstellung eines Heimatkalenders sowie der Veröf­ fentlichung einer Schriftenreihe zum Biosphärenreservat Rhön (vgl. RWZ, 1993a, 1994, s. Tab. 2). Weiterhin wurde im Herbst 1993 zum ersten Mal die Regionalschau ‘Region in Aktion’ durchgeführt. Die Regionalschau sollte die Vielfalt an sozial und umwelt­ gerechten Initiativen der Region aufzeigen, Begegnungen fördern und Impulse für eine eigenständige Regionalentwicklung geben. Die Aussteller wurden nach einigen Leitlinien, die vom RWZ aufgestellt wurden, beurteilt (s. RWZ, 1993b). Nach eigener Einschätzung ist das RWZ inzwischen „zu einem bedeutenden und nicht übergehbaren Faktor der Regionalentwicklung und zentraler Anbieter von 83

Transfer-, Beratungs- und Serviceleistungen im Bereich einer sozial- und umwelt­ verträglichen Entwicklung unserer Region geworden. Dies belegt die breite Aner­ kennung des RWZ in der Region und im Land Hessen, das zunehmende Interesse an dem Konzept des RWZ in anderen Regionen Deutschlands und Europas, der erfolgreiche und breit beachtete Abschluß von Projekten und Arbeitsvorhaben sowie die zunehmende, mit den vorhandenen Ressourcen fast nicht mehr zu befriedigende Nachfrage zur Durchführung von Projekten“ (RWZ, 1994:3).

Abb. 11: Projekte 1993 nach Schwerpunkten (aus RWZ, 1994:31)

Merkmale Die Initiative zur Einrichtung eines regionalen Wissenschaftszentrums geht v.a. auf das Engagment des Rektors der Fachhochschule Fulda, Prof. Dr. Joseph DEHLER zurück. Dieser leitete eine zweiteilige, bundesweite empirische Untersuchung zur Realität und den Perspektiven gesellschafts- und kommunalbezogenen Wissenstransfers mit Betrieben, Vereinigen und Kommunen, welche Anfang 1989 abgeschlossen wurde (vgl. Dehler, 1991). Dehler faßt die Ergebisse seiner Studie folgendermaßen zusammen: „Die bisherigen Organisationsformen und Inhalte des Wissenstransfers sind gemessen an den zu lösenden komplexen gesellschaftlichen Problemen, Krisen und Katastrophen - unzureichend [vgl. Gegenüberstellung unten]. Mit der Einrichtung von regionalen Wissenschaftszentren soll der Versuch unternommen werden, Wissensressourcen in der Region besser miteinander zu vernetzen, Experten- und ‘Laien’wissen auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichem, technischem und kultu­ rellem Gebiet zusammenzuführen, zentrale Fragen der Strukturpolitik über die Grenzen von Parteien und gesellschaftlichen Gruppen hinweg einer Lösung zuzu­ führen und die Bürgerinnen und Bürger wieder mehr in gesellschaftliche Entwick­ lungen einzubeziehen. Damit soll der Verschwendung von Wissen entgegengewirkt werden und ein Beitrag zur Lösung globaler Probleme geleistet werden. Das Kon­ zept wird von der Vorstellung getragen, daß Institutionen und Gruppen für sich

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alleine nicht in der Lage sein werden, auf sozial-ökologische Probleme und ‘Not­ lagen’ angemessene Antworten zu geben“ (DEHLER, 1991:87). Nach Dehler „muß sich Wissenstransfer daran messen lassen, inwiefern er den gesellschaftlichen Bedürfnissen und auf diese bezogenen Einzelinteressen sowie den zukünftigen Lebensbedingungen der Menschen gerecht wird. Von daher sind zur Beurteilung problem- und zukunftsorientierter Wissenstransfers detaillierte, an humanen, sozialen und ökologischen Zielen orientierte Kriterien und Aufgaben­ bereiche zu ermitteln“ (Dehler, 1991:15). Damit trägt Dehler dem Sach verhalt Rechnung, daß ‘Wissenstransfer’ zunächst einmal einen wertneutralen Funktionsbereich in der Gesellschaft darstellt. Auf­ stellung und Verwirklichung der Ziele und Kriterien bleibt eine Frage demokrati­ scher Verfahren und Normsetzungen. Das Modell der ‘Wissenschaftszentren’ stellt im Rahmen der vorgestellten inter­ mediären Organisationen somit den Faktor ‘Wissen’, bzw. die Vermittlung von Wissen für eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung in den Vorder­ grund. ‘Wissenstransfer’ als funktionales Leitbild wird ergänzt durch eine sozial­ ökologische Orientierung (vgl. Dehler, 1991) als inhaltliches Leitbild. Kooperative Planungsverfahren und eine inkrementalistische Umsetzungsstrategie runden das Konzept der Wissenschaftszentren ab. Ohne den skizzierten Wissenstransfer kommt jedoch keine der bisher genannten Initiativen zur Förderung einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung aus (s. IBA, Bauhaus Dessau). Umgekehrt finden sich die Elemente, welche bei den anderen Initiaten in den Vordergrund geschoben werden, auch beim RWZ wieder - IBA: ‘Kooperation’, schrittweise Umsetzung mit den traditionellen Akteu­ ren vor Ort; Bauhaus Dessau: ‘Kultur’, schrittweiser Wertewandel in einzelnen Projekten. Je nach Initiator und dessen Interessenlage werden verschiedene Zugänge zu einem schrittweisen sozial und umweltgerecht orientierten Umbau gefunden; verbindendes Element aller Initiativen bleibt jedoch die ‘Vermittlerrolle’, die sie in der Region einnehmen (wollen).

2. 1.6 FORUM für den ländlichen Raum - Initiative zur Förderung der regionalen Entwicklung in Nordhessen e.V. (FORUM) Das FORUM für den ländlichen Raum e.V. will eine umweit- und sozialverträgliche Entwicklung der ländlichen Räume in Nordhessen unterstützen. Die zunehmende Bedeutung internationaler Verflechtungen veranlaßte die Initiatoren des FORUMs, besonders die europaweite Kooperation der Region in den Vordergrund ihrer Arbeit zu stellen. Es ist den Initiatoren gelungen, das FORUM als Modellprojekt von der EU fördern zu lassen. Es wurde in das europaweite Carrefour-Netzwerk von inzwischen 38 Modellprojekten in zehn EU-Mitgliedstaaten aufgenommen. Zielsetzung des FORUMs ist es, bei die Umsetzung integrierter Entwicklungs­ konzepte die vorhandenen regionalen Potentiale zu wecken und zu nutzen. Dieses 85

Ziel soll über die Zusammenarbeit aller Beteiligten der Orts- und Regionalent­ wicklung erreicht werden. Das FORUM versteht sich deshalb „als eine Plattform der regionalen Akteure aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Initiativen sowie engagierten Einzelpersonen“ (KNIELING, 1994:118). „Neben dieser Plattform bietet das FORUM Veranstaltungen zur regionalen Entwicklung, einen (EU-)Informationsservice und eine Regionalberatung. Beteiligte, Partner und Auftraggeber des FORUMs sind unter anderem Gemeinden, Landkreise, Verbände und Initiativen Nordhessens, hessische und Bundesministe­ rien sowie die EU-Kommission“ (Knieling, 1994:118).

Rahmenbedingungen Die hessische Landesregierung ist bemüht, ihre Strukturpolitik zu regionalisieren und sie besonders auf Mittel- und Nordhessen auszurichten. Insofern sind die Ab­ sichten der Landesregierung mit der Zielsetzung des FORUMs gleichgerichtet. „Institutionell setzt das Land dabei auf Regionalkonferenzen, die regionale Ent­ wicklungskonzepte aufstellen sollen [vgl. Kap. 2.1.1]. Angesichts der, besonders im Hinblick auf integrierte Entwicklung, nur bedingt arbeitsfähigen Nordhessenkon­ ferenz bestehen Spielräume für intermediäre Organisationen wie das FORUM“ (Knieling, 1994:118). „Mit der Neuauflage des Ländlichen Regionalprogramms steht in Hessen außerdem ein Förderprogramm zur Verfügung, das in der gegen­ wärtigen Fassung in idealer Weise auf die prozeßhafte Arbeitsform des FORUMs zugeschnitten ist. Auch die hessische Dorfemeuerungsforderung kommt den Ziel­ setzungen einer integrierten Entwicklung entgegen“ (Knieling, 1994:118). Die Initiative Ausgangspunkt für die Entstehung des FORUMs war eine Tagung der Fachgruppe Landvolkarbeit des Amtes für Kirchliche Dienste der Ev. Kirche von Kurhessen Waldeck und der Ev. Akademie Hofgeismar zum Thema „Landwirtschaft und regionale Wirtschaftsstruktur - Ansätze einer integrierten Entwicklungsstrategie“. Aus dieser Tagung ging ein „Runder Tisch“ hervor mit hochrangigen Vertreter/innnen aus Kirche, Verbänden, Fach Verwaltungen und Gebietskörperschaften. Einen Vorschlag des EU-Memorandums ‘Die Zukunft des Ländlichen Raumes’ aufgreifend, ‘Ländliche Informations- und Animationszentren’ einzurichten, wurde bei der EU-Kommission eine Bewerbung um ein Pilotprojekt unter der Bezeichnung ‘Forum für den ländlichen Raum in Nordhessen’ eingereicht. Nordhessen wurde in das europaweite Carrefour-Netzwerk aufgenommen, woraufhin die kirchliche Fachgruppe Landvolkarbeit die Geschäftsführung und Moderation des FORUMs übernahm. „Das Amt für Kirchliche Dienste stellte für die dreijährige Aufbauphase eine Verwaltungsanbindung und Zuschüsse für Tagungen, Seminare und Fachgespräche zur Verfügung. Ein siebenköpfiger geschäftsführender Ausschuß übernahm die weitere Vorbereitungsarbeit (KNIELING, 1994:119). Im Juni 1989 wurde die FORUM-Geschäftsstelle im Haus der Kirche in Kassel mit einer hauptamtlichen Projektbeauftragten besetzt und 1991 um eine weitere Mitar­ beiterin ergänzt. 1992 erfolgte die Gründung des Vereins „FORUM für den länd86

lichen Raum e.V.“ (vgl. Grabski-Kieron / Knieling, 1994, Knieling 1994). Seit Februar 1993 ergänzen zwei Regionalbüros die Arbeit der Geschäftsstelle. „Die Finanzierung des FORUMs erfolgt weitgehend als Außenfinanzierung über öffentliche Zuschüsse (EU, Land Hessen, Bundesanstalt für Arbeit), nur zu einem kleinen Teil besteht eine Innenfinanzierung (Mitgliedsbeiträge, Projektüber­ schüsse)“ (Knieling, 1994:119).

Arbeitsweise Das zentrale Ziel des FORUMs ist - laut Vereinssatzung -, der Aufbau und Betrieb eines EU-Regionalzentrums. Drei Angebotsbereiche bietet das FORUM dazu an: - Veranstaltungen zur regionalen Entwicklung, - (EU-)Informationsservice, - Regionalberatung.

Veranstaltungen zur regionalen Entwicklung Als ‘Veranstaltungen zur regionalen Entwicklung’ werden z.B. Seminare, Runde Tische, Fachgespräche und -exkursionen angeboten. Die Veranstaltungen haben das Ziel, innovative Beispiele der Regionalentwicklung zur Diskussion zu stellen und Akteure zusammenzufuhren, um gemeinsam Umsetzungsmöglichkeiten für regionale Projekte zu erarbeiten. Neben Fachgesprächen zu verschiedenen Themen (u.a. Landwirtschaft, Energie, Aus- und Weiterbildung, Fremdenverkehr) organisiert das FORUM den regelmäßig tagenden Runden Energietisch im Schwalm-EderKreis sowie den jährlichen Nordhessischen Energietag. Als Dienstleister richtete das FORUM z.B. in den Jahren 1993 und 1994 für die EU-Kommission internationale Seminare im Rahmen der Grünen Woche Berlin aus (vgl. Knieling, 1994, Grabski-Kieron / Knieling, 1994).

(EU-) Informationsservice und Projektbörse „Ein Markenzeichen des FORUMs ist der direkte, unbürokratische Kontakt zur EUKommission in Brüssel. Folgende Angebote stehen zur Verfügung: - Informationen über regional bedeutsame EU-Politiken und -Trends, - Informationen über Förderprogramme, - Kontakt- und Kooperationsservice zu EU-Institutionen und europäischen Partnern. Neben mündlichen Informationen bietet das FORUM unregelmäßig einen schrift­ lichen Nachrichtenservice. Ein Regionalarchiv enthält Materialien zur Regional­ entwicklung Nordhessens und ist offen zugänglich. Daneben ist eine Börse inno­ vativer Projekte der Regionalentwicklung in Zusammenarbeit mit der hessischen Agrarverwaltung im Aufbau“ (KNIELING, 1994:119).

Regionalberatung „Die Regionalberatung zielt auf die unmittelbare Umsetzung des FORUM-Leitbildes einer integrierten Regionalentwicklung. Regionalentwicklung meint insbe­ sondere die Erarbeitung regionaler Leitbilder sowie regionaler Entwicklungskon­

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zepte und -programme“ (Knieling, 1994:119). Das FORUM beschäftigt sich im Rahmen der Regionalberatung derzeit mit zwei Projekten: - ein Pilotprojekt in der Region Weser-Diemel wurde 1993 begonnen; - in einem Ortsteil Bad Zwestens wurde ebenfalls 1993 die Bearbeitung einer Vorlaufphase zur Dorfemeuerung übernommen. „Neben der FORUM-Geschäftsstelle vermitteln Regionalbüros die Angebote des FORUMs auf der Ebene der Landkreise. Erste Regionalbüros sind im SchwalmEder-Kreis (Themenschwerpunkt „Umwelt und Energie“) sowie im Landkreis Kassel („Kultur und Bildung“) eingerichtet worden“ (GRABSKl-KlERON / KNIELING, 1994:168).

Merkmale Wesentliche Merkmale der Arbeit des FORUMs sind die EU-Orientierung und - wie auch schon bei den anderen vorgestellten Initiativen - das Aufgreifen des Konzeptes der integrierten (ressortübergreifenden) Regionalentwicklung. Diese Aufgabenge­ biete werden zwar von den bestehenden Akteuren der Region nur unzureichend behandelt; trotzdem kann es für eine intermediäre Organisation, wie dem FORUM schwierig sein, sich als ‘Neuling’ im regionalpolitischen Netzwerk zu etablieren. „Neben dem FORUM gibt es in Nordhessen zahlreiche aufgabenverwandte Institu­ tionen, die in Konkurrenzbeziehungen zueinander stehen. Außer den quer­ schnittsorientierten Einrichtungen der Regionalentwicklung (z.B. Zweckverband Raum Kassel, Fördergesellschaft Nordhessen, Akademie für Forschung und Planung im ländlichen Raum und Verein zur Förderung der eigenständigen Regional­ entwicklung) sind dies für das FORUM aufgrund seines integrierten Arbeitsansatzes auch Institutionen der einzelnen Fachsektoren, wenn es um inhaltliche Vertiefungen der Arbeit geht (z.B. Energie, Landwirtschaft, Fremdenverkehr). Vor diesem Hintergrund erreicht das FORUM nur schwer politische und damit auch finanzielle Unterstützung. Es kommt zum einen zu Konkurrenzen wegen paralleler Aufgabenprofile. Zum anderen besteht die Tendenz, die regionalen Akteure durch zahlreiche informelle Gremien zu überlasten“ (Knieling, 1994, 118). Dieses Akzeptanzproblem, mit dem sich viele intermediären Organisationen aus­ einandersetzen müssen, wird noch dadurch verstärkt, daß gerade die Vermittlerrolle oftmals keine vorzeigbaren Ergebnisse hervorbringt. Zudem ist jeder am Koopera­ tionsbündnis Beteiligte darauf aus, die Erfolge für sich zu verbuchen und als eigene Leistung nach außen hin darzustellen. Die Selbstdarstellung der intermediären Organisation wird damit zu einem schwierigen Akt. Auf diese Situation wird im letzten Kapitel (Kap. 3) noch näher eingegangen.

Kleinräumige Initiativen Neben den bisher vorgestellten ‘regionalen Moderatoren’ finden sich auch auf lokaler Ebene zahlreiche Organisationen, die im intermediären Bereich Vermitt­ lerfunktionen übernehmen. Auch hier steht die Entwicklung ‘kooperativer Pro­ blemlösungen’ im Vordergrund.

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Dabei geht es häufig um die Förderung von Mitwirkung und Eigeninitiative der Bewohner städtischer Quartiere, bzw. dörflicher Siedlungen bei der Verbesserung ihrer Wohn- und Lebensverhältnisse. Lokale Selbsthilfegruppen und Bewohnerinitiativen werden auf unterschiedlichste Weise von intermediären Organisationen unterstützt (vgl. Selle, 1991b): • Fachleute, bzw. von ihnen gegründete gemeinnützige Organisationen unter­ stützen zum Beispiel die Selbstorganisation der Bewohner, • ‘Lokale Netzwerke’ fuhren die verschiedenen Initiativen eines Stadteils, einer Stadt zusammen und unterstützen sie bei einer sozial und umweltgerecht ori­ entierten Stadtemeuerung, • sog. ‘Brückeninstanzen’ „stellen vor allem Verbindungen zwischen bestimm­ ten staatlichen/kommunalen Stellen und Bewohnergruppen her. In der Regel sind sie dabei an spezifische Programme (Stadtemeuerung, Wohnungsmoder­ nisierung [...]) gebunden und wirken bei deren Implementation mit“ (Selle, 1991b:165). • ‘Büros zur Problemlösung mit Betroffenen’ oder ‘alternative Projektentwick­ ler’ agieren als Dienstleistungsuntemehmen. Sie zeichnen sich aber nicht nur durch die Beteiligung der Betroffenen an der Problemlösung aus, sondern auch durch die Bearbeitung neuer oder ungewöhnlicher Aufgabenstellungen, die eine Vermittlung zwischen verschiedenen Akteuren und Handlungsfeldem erfordert (z.B.Wohnumfeldverbesserung mit den Bewohnern). • Teilweise haben sich schon ‘Dachverbände’, bzw. regionale oder landesweite Netzwerke herausgebildet, die der Stärkung der lokalen Organisationen dienen.

Dieses breite Spektrum an verschiedenen Organisationstypen kann an dieser Stelle nicht näher dargestellt werden (vgl. Selle, 1991b; Froessler / Selle, 1991). Es sollen hier lediglich beispielhaft die Arbeit der ‘Kontaktstelle Stadtökologie’ in Basel und des ‘Nürnberger Ökozentrums’ skizziert werden, die in der o.g. Typisie­ rung als ‘lokale Netzwerke’ eingeordnet werden können.

Lokale Netzwerke

2.1.7 Kontaktstelle für Stadtökologie Unteres Kleinbasel

Die Initiative Bereits 1987 scheiterte der Versuch einer Vorläuferorganisation, die ‘Quartiers­ kontaktstelle Unteres Kleinbasel’, sich zu etablieren. Hire Arbeit mußte eingestellt werden, da eine staatliche Mitfinanzierung nicht zustande kam. Einen erneuten Ver­ such unternahm der Verein ‘Ökostadt Basel’, der sich nach der Sandoz-Katastrophe im November 1986 gegründet hatte. Als Konsequenz aus dem Chemieunfall wurde unter anderem vorgeschlagen, als Pilotprojekt Kontaktstellen für Stadtökologie im Quartier zu gründen. „Die Kontaktstellen ... sollen dazu beitragen, daß die Einwohner in die Lage versetzt werden, ihr Wohn- und Arbeitsumfeld lebenswert zu gestalten“ (Verein Oekostadt... 1988:22 aus Selle, 1991b: 142).

89

„Dieser Projektvorschlag wurde im Laufe der Verhandlungen mit dem Regierungs­ rat des Kantons Basel Stadt bzw. den Beamten der Stadt Basel zwar prinzipiell akzeptiert, aber letztlich auf ein Zehntel des ursprünglich als notwendig angesehe­ nen Volumens reduziert und auf dieser - sehr fragilen Basis - realisiert“ (Selle, 1991b:142). 1989 wurde die Kontaktstelle für Stadtökologie Unteres Kleinbasel eröffnet.

Arbeitsweise Die Arbeit der Kontaktstelle konzentriert sich auf den Aufbau eines Beziehungs­ geflechtes zwischen den Bewohnern des Quartiers und den Initiativen vor Ort. „Allein 30 Vereine, Komitees, Quartiersgruppen, Wohngenossenschaften und Öko­ projekte sind im räumlichen Umfeld tätig und in der ‘Quartierskoordination’ zu­ sammengeschlossen. Einige Beispiele: • ‘Anti-Betonklotz-Komitee’ (Kampf gegen Spekulation und ein Großbauvor­ haben), • Arbeitsgruppe Revitalisierung (Instandsetzung, Bewohnerberatung), • Fryzyt-Lade (Freizeitaktivitäten für Behinderte), • Kaffi-Schlappe (Treffpunkt und Beratungsstelle für Jugendliche), • Kinderlobby (Sprachrohr für Anliegen der Kinder in der Stadt), • Kompostgruppe (Betrieb eines Quartier-Kleinkompost), • ‘Matthäus-Platz - unser Platz’ (Animation des Betriebes auf dem MatthäusPlatz), • Seniorenwerkstatt Kaserne (Freizeitgestaltung für alte Menschen), • Türk Danir (Beratungsstelle für türkische und kurdische Bewohner) (SELLE, 1991b: 140) Die Aufgabe der Kontaktstelle ist es, • bestehende Gruppen miteinander zu vernetzen (Koordination, ‘Treffen der Treffpunkte’), • Bewohner und Initiativen bei der Durchsetzung ihrer Anliegen vor allem ge­ genüber den städtischen Behörden zu unterstützen (‘Hilfe zur Selbsthilfe’, ‘Quartiersdolmetscher’), • noch nicht aktive Bewohner zu aktivieren bzw. neue Projekte und Aktionen zu stadtteilbezogenen Themen zu initiieren, • Umweltberatung für Haushalte und Stadtteilgruppen zu organisieren (vgl. Selle, 1991a:37f).

„Die Kontaktstelle ist also ‘Knoten im Netz’ und doch mehr als das: sie soll zum Ausbau und zur Verstärkung des Netzes der Selbsthilfegruppen und Initiativen beitragen und hat darüberhinaus einen eigenen Aufgabenschwerpunkt, der ihren Namen prägt - die Umweltberatung“ (Selle, 1991b: 142). Ähnliche Merkmale weist das Nürnberger Ökozentrum auf. In einem belasteten, dicht überbauten innerstädtischen Quartier (Gostenhof Ost) werden im Rahmen einer Stadtemeuerungsmaßnahme sozial und ökologisch orientierte Projekte ge­ fordert (vgl. Selle, 1991a). 90

2.1.8

Erstes Nürnberger Ökozentrum e.V.

Die Initiative Der Verein Nürnberger Ökozentrum e.V. stellt den organisatorischen Rahmen für die Zusammenarbeit von 15 sehr unterschiedliche Projekte, Initiativen und Firmen dar. Das gemeinsame Ziel der Mitglieder ist es, zur ökologischen Erneuerung im Stadtteil etwas beizutragen. Der Verein wird im Rahmen der Stadtemeuerung materiell unterstützt. Die Mit­ gliedsprojekte stellen das personelle, fachliche und innovative Potential zur Ver­ fügung (vgl. SCHRÖDER, 1991). Zu den einzelnen Projekten zählen z.B. • eine ökologische Verbraucherberatung, • ein Verein namens ‘Asphaltkinder’, der sich um die Belange der Kinder in Gostenhof kümmert • und eine Firma, die mit Techniken zur Nutzung der Solarenergie experimen­ tiert (s. Selle, 1991 a:38, s. Abb. 12). Aufgaben Zu den Leistungen, die das Ökozentrum für die Projekte erfüllt, zählen: • die Vernetzung der Mitgliedsprojekte durch Bereitstellung eines Informationsund Vermittlungsrahmens, • Erfüllung einer Koordinationsfunktion (einzelner Aktivitäten, Kontakte oder Know-How), • Bildung eines Kooperationsrahmens zur Abwicklung gemeinsamer Aktivitäten (vgl. Schröder, 1991). Nach außen hin wird das Ökozentrum tätig durch • die Initiierung von stadtteilbezogenen Veranstaltungen, • die Mitarbeit in Stadtteilgremien, • Öffentlichkeitsarbeit, • direktes Eingreifen in den Planungsprozeß, • stadtteilorientierte Dienstleistungen und Beratung (SCHRÖDER, 1991:318).

Wie bei der Baseler Initiative wird auch hier der Kontakt zwischen den zahlreichen lokalen Aktivitäten gefordert. „Auch hier ist eine intermediäre Organisation - das Erste Nürnberger Ökozentrum - ‘Knoten im Netz’. Ein wesentlicher Unterschied zur Basler Situation besteht allerdings darin, daß die Aktivitäten der ökologischen Erneuerung hier eingebunden sind in eine als experimentell verstandene und ge­ förderte Stadtemeuerungsmaßnahme. Dies führt dazu, daß das Ökozentrum seiner­ seits wiederum in einem Geflecht mit ähnlichen Einrichtungen (ortsnahe Beratung) und Dienststellen der Stadtverwaltung operiert“ (SELLE, 1991 a:38).

Merkmale „Diese Beispiele machen deutlich, welchen Beitrag intermediäre Akteure zur Stei­ gerung der Wirkung von Bewohnerengagement leisten können: • Die zahlreichen Bewohneraktivitäten und damit das breite inhaltliche Spek­ trum im Aufgabenbereich der jeweiligen Kontaktstelle beziehen sich auf viele 91

der fur die Lebensqualität im Quartier wichtigen Fragen. Damit wird zugleich der ‘ganzheitliche’ Anspruch stadtökologischer Ansätze sichtbar“ (Selle, 1991a:38). • „Ökologische Fragestellungen werden nicht mehr nur in Details der Umfeld­ verbesserung oder Umweltberatung gesehen, sondern in Zusammenhänge ein­ geordnet. Die Gefährdung des Lebens im Quartier besteht damit sowohl in der Zunahme des Verkehrs wie in der Produktion der Chemiekonzeme (in un­ mittelbarer räumlicher Nachbarschaft der Bewohner)“ (Selle, 1991b: 142). • „Die Organisationsform entspricht der Komplexität der Aufgaben - ohne jedoch zugleich alle Initiativen mit dem Gewicht der Gesamtaufgabe ‘Stadt­ ökologie’ zu überfrachten. Vielmehr wird die aus direkter Betroffenheit resultierende Konkretheit punktueller Initiativen (Kompostieren, Platznutzung, Verkehrsberuhigung, Kinderspiel usf.) aufgegriffen und in den Zusammenhang eines stadtteilweiten Netzes eingebunden“ (Selle, 1991a:38).

Verein für ganzheitliche Bildung und Rehabilation in der Altenpflege e.V.

Verein zur Förderung der Öffentlichkeitsarbeit in Gostenhof

rProjekt "Jugendwohnen in der^ L_________ Stadt"__________ ,

Naturkostladen "Lotus"

Projekt "Mobiles Kino e.v.'

"Asphaltkinder

( (

Erstes Nürnberger Ökozentrum

"Landesbund für Vogelschutz e.V."

Vorstand "Verkehrsclub Deutschland e V. (VCD)"

Geschäfts­ stelle

( "Allgemeiner Deutscher ( Fahrradclub ADFC"

"Institut für angewandte ökologische Studien I FANOS"

t

"Museum im

Mitgliederversammlung

Arbeitsgemeinschaft Konzeptplanung Arbeitsgemeinschaft Technikplanung andere AG's

Stiftung

Vorstand Beirat

"Ökologische braucherberatung e.V Architekturtoüro M Neubeck

'RSA Rabien Stirling Anlagen KG Zu kunfts werk statt"

Abb. 12: Das Erste Nürnberger Ökozentrum - interne Struktur und Beteiligte (aus: Schröder, 1991:304)

92

3 Vermittlungsarbeit in der Region Folgerungen und Anregungen Welche Anstöße könnten von der regionalen Ebene zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes ausgehen? Was können intermediäre Organisationen und kooperative Problemlösungen dazu beitragen? Diese Fragen sollen in diesem letzten Kapitel auf abstrakter Ebene behandelt werden, nachdem einige konkrete Beispiele für intermediäre Organisationen in Kap. 2 aufgefuhrt wurden. Dabei sollen die Ergebnisse des ersten Kapitels (Makro-Ebene) einfließen und in Bezug zur Arbeit von intermediären Organisationen gesetzt werden (Mikro-Ebene). Ein wesentliches Kennzeichen der intermediären Organisationen ist, daß jede ihre eigene, kaum vergleichbare Entstehungsgeschichte und Entwicklung hat (vgl. Kap. 2), je nach der Ausgangssituation (personell, finanziell usw.) und den Rahmen­ bedingungen im gesellschaftlichen Umfeld. Die folgenden Ausführungen können nur auf einer sehr allgemeinen methodischen Ebene bleiben, da sie sich nicht mit einer speziellen Organisation auseinandersetzen. Es steht vielmehr der Versuch im Vordergrund, einige wesentliche Aspekte des methodischen Vorgehens intermediä­ rer Organisationen unter dem Gesichtspunkt einer ‘zukunftsfahigen (sustainable) Regionalentwicklung’ hervorzuheben und Anregungen für die Arbeit der Organi­ sationen zu geben. Detailfragen hängen jedoch unmittelbar von den jeweiligen Verhältnissen in der Region ab, so daß es sich im Einzelfall anbietet, bestehende Organisationsmodelle und Verfahren auf übertragbare Elemente hin zu untersuchen, diese aber nicht pauschal zu kopieren.

Die Institutionalisierung von intermediären Organisationen ist nur eine Möglichkeit, wie eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung gefordert werden kann. Die notwendige Vermittlung zwischen den gesellschaftlichen Akteuren rückt mit dieser Herangehensweise in den Vordergrund. Staatliche Interventionen, die Arbeit von Verbänden, privaten Initiativen und Akteuren aus der Wirtschaft, denen auch eine hohe Bedeutung zukommt, werden deshalb nur am Rande erwähnt.

93

3.1

Handlungsmöglichkeiten in Regionen3

Wie schon in Kap. 2 und wie auch der Fragestellung zu entnehmen ist, konzen­ trieren sich die folgenden Ausführungen auf die regionale Ebene. „Die Region ist zu einem vielgebrauchten Schlagwort und Schlüsselbegriff der letzen Jahre geworden. Wissenschaft und Planung sind auf der Suche nach ‘regionalen Potentialen’, ‘regionaler Kultur’ und ‘regionaler Identität’“ (Kühn, 1993:43 in Henkel / Knieling, 1994:18). „FÜRST (1992:11) nennt drei Gründe für „ein erstarkendes Handlungsforum auf regionaler Ebene“: • Der Standortwettbewerb der Regionen im Zuge der europäischen Integration und der Öffnung nach Osten zwingen die Gemeinden zur Zusammenarbeit. Gleichzeitig verlangen zahlreiche öffentliche Aufgaben eine verbesserte inter­ kommunale Abstimmung“ (Henkel/Knieling, 1994:18). Beispiele für solche kommunalen Gemeinschaftsaufgaben sind die Abfallwirtschaft, die Wirt­ schaftsforderung, der Umweltschutz, ÖPNV sowie die soziale und kulturelle Infrastruktur (Henkel/Knieling, 1994). • „Regionalbewußtsein und regionale Identität gewinnen als „motivationale Komponente“ (KÜHN, 1993:45) für die regionale Selbsthilfe an Bedeutung. Dies geht einher mit raumordnungspolitischen Konzepten, die endogene Ent­ wicklungspotentiale zu nutzen bzw. eine eigenständige Regionalentwicklung zu fördern. Dabei kommt den regionalen Akteuren eine wichtige Rolle zu (vgl. BMBAU, 1993:22ff). • Die flexible Spezialisierung der Betriebe als neuer Rationalisierungstyp bezieht die Standortauswahl auf Regionen, u.a. da eine ‘Just-in-time-production’ die regionale Vernetzung mit den Zulieferbetrieben erfordert (vgl. Läpple, 1989:220ff). Beispielsweise sind bei dem Toyota-Untervertragssystem sämt­ liche wesentlichen Lieferanten im Umkreis von 40 km um das ToyotaStammwerk angesiedelt. Entsprechend ist eine Verbindung von Industrie- und Regionalpolitik notwendig“ (HENKEL / KNIELING, 1994:18).

Die Abgrenzung von Regionen unterliegt keiner vorgegebenen Regelung. Die Europäische Union spricht zum Beispiel aus verwaltungstechnischen Gründen in erster Linie die Bundesländer bzw. die Regierungsbezirke als Regionen an (vgl. Henkel / Knieling, 1994). In den vorgestellten Projekten wurde dagegen die Region zum Teil nach der Reichweite der Organisation und nach Landschaftsräumen (‘die Rhön’) abge­ steckt. Ein wesentliches Element zur Abgrenzung einer Region sollte m.E. die Möglich­ keit zur Entwicklung einer regionalen Identität sein. Ein Raum, der eine eigene Identität als naturräumlich und kulturhistorisch gewachsenes Gebilde besitzt oder entwickeln kann, bietet die Voraussetzung dafür, daß sich die dort lebenden Menschen damit identifizieren und ein Zusammengehörigkeitsgefühl ausbilden. Damit ist eine wichtige Bedingung gegeben, um regionales Engagement zu wecken (vgl. Grabski-Kieron / Knieling 1994; s.u.).

94

Doch auch aus der Perspektive einer zukunftsfahigen Entwicklung gewinnt die regionale Ebene an Bedeutung (s.a. SRU 1996 Tz.29ff): • viele Probleme erfordern Lösungsansätze, welche die Verhältnisse vor Ort mit einbeziehen (Interessen, bzw. Widerstände, regionale Potentiale, soziale Ver­ hältnisse); • ein Teil der Lösungsansätze ist auf der regionalen Ebene angesiedelt, z.B. in den Nutzungsbereichen, die innerhalb von Regionen geschlossene Stoffkreis­ läufe erlauben (z.B. Trinkwasserversorgung, z.T. Lebensmittel, verschiedene Dienstleistungen u.ä.) • die kulturelle Dimension von sustainable development ist praktisch nur auf der konkreten Ebene ansprechbar, dort wo die Auswirkungen, sowohl negativer wie positiver Art erfahrbar sind.

Prinzipiell ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten auf regionaler Ebene zu einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung - im Sinne dieser groben Um­ schreibung - beizutragen. • Bereits vorhandene erhebliche Umweltbelastungen, die nicht alle von den Umweltgesetzen erfaßt werden (Bsp. Autoverkehr), können als Ansatzpunkt für Sanierungsmaßnahmen und die Einführung verbesserter Nutzungsstrate­ gien dienen. An konkreten Beispielen (Schnittblumenimport, Baumwollanbau, Arbeitsbedingungen auf Kaffee- und Teeplantagen) können die Folgen von Handelsbedingungen und Konsumstilen der Industrieländer für Länder der sog. ‘Dritten Welt’ aufgezeigt werden (Billiglöhne, hoher Pestizideinsatz, Raubbau), und Modelle für gerechtere Wirtschaftsbeziehungen eingeführt, bzw. unterstützt werden (vgl. Tansfair, 1994). • Bei jeder Nutzungsform ergeben sich Handlungsaltemativen, die eine Ver­ minderung von negativen Effekten auf den Naturhaushalt und ein konsequen­ tes Ressourcenmanagement ermöglichen. Der Handlungsspielraum kann auf regionaler Ebene ausgelotet und mit Hilfe der regionalen Potentiale (hier v.a. engagierten Personen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen) genutzt werden. • Zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten eröffnen die Chance für eine stärkere Beteiligung regionaler Akteure an politischen und administrativen Entschei­ dungen und für eine stärkere Zusammenarbeit der regionalen Akteure.

Die regionalen Akteure sind jedoch in nationale und internationale politische und wirtschaftliche Strukturen eingebunden. Ihr Handeln erfolgt nicht autark, sondern ist von übergeordneten politischen Ebenen und vom marktwirtschaftlichen Wettbewerb geprägt. Ein enges Wechselwirkungsverhältnis zeichnet die Beziehung zwischen den verschiedenen politischen Ebenen und den Akteuren der Wirtschaft aus (s. z.B. PETERS et al. 1996:99f zur Strukturpolitik in Rheinland-Pfalz). Die größte Effizienz und Effektivität haben Veränderungen, wenn sie auf höheren (nationale, bzw. EU-) Ebenen initiiert werden und die Rahmenbedingungen für die gesellschaftlichen Teilsysteme (Politik, Wirtschaft) betreffen (s. z.B. EU-Agrar­ 95

politik). Auf dieser Ebene sind auch die relevanten Verteilungsfragen zu ent­ scheiden (s. Kap. 1.1; auch umweltpolitische Entscheidungen sind i.d.R. mit Ver­ teilungsfragen verbunden; die Studie ‘sustainable netherlands’ bringt dies sehr drastisch auf den Punkt, indem darin eine Umverteilung des jedem Bürger zuste­ henden ‘Umweltraums’ gefordert wird (s. Friends of the earth / ISOE 1994; v.Brakel, 1994)). Reformen werden jedoch in der Regel vom politischen System erst dann eingeleitet, wenn mit der Akzeptanz der Umsetzungsebene gerechnet werden kann. Durch politischen Druck ‘von unten’ können Reformen angestoßen werden (vgl. CONRAD, 1992 am Beispiel der ‘Nitratpolitik’; vgl. SPIES 1994 zur Abfallpolitik). Umgekehrt kann die schrittweise Veränderung von ordnungsrechtlichen und ökonomischen Vorgaben einen erheblichen Einfluß auf das umweltrelevante Verhalten der Akteure haben. Die Rahmenbedingungen für die politischen und wirtschaftlichen Akteure werden aber nicht nur vom politischen System vorgegeben, sondern auch innerhalb der wirtschaftlichen Akteure ausgehandelt und von gesellschaftlichen Wertvorstellun­ gen beeinflußt (z.B. Nachfrage nach umweltgerechten Produkten lenkt Produzenten / Forderungen nach stärkerer Partizipation setzt Politik unter Druck, Elemente direkter Demokratie einzufuhren, vgl. Jänicke / Weidner, 1994). Angesichts dieser Wechselwirkungen kann keiner Ebene eine eindeutig vorrangige Bedeutung bei der Förderung der sozial und umweltgerecht orientierten Entwick­ lung zugesprochen werden. Die sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung ist vielmehr als ein Prozeß aufzufassen, bei dem Veränderungen auf allen Ebenen erforderlich sind. Zum Beispiel „bedarf die Vermeidung einer Klimakatastrophe nicht nur eines internationalen Klimaschutzregimes. Ohne regionale Konzepte von Verkehrsver­ lagerung und Vermeidung und ohne eine nur lokal/regional leistbare Energieeffizienzrevolution wird keine tragfahige Lösung zu finden sein. Umgekehrt manifestie­ ren sich nur auf der höheren Ebene lösbare Probleme gerade vor Ort: Man denke nur an die allenorts beobachtbare kommunale Müllentsorgungskrise“ (Hey, 1992:32). „Die europäische Ebene definiert den Mindestrahmen für die Spielregeln, die de­ zentrale Aushandlungsprozesse zwischen Verursacher und Betroffene erleichtern und die die Verhandlungsposition der Betroffenen verbessert: ob es ein strenges Haftungsrecht, die Verbandsklage, das Akteneinsichtsrecht oder ein Genehmigungs­ recht mit starken Interventionsmöglichkeiten Betroffener ist. Solche Spielregeln fördern die dezentrale Selbstregulation - stärken die Interventionsfahigkeit des sogenannten dritten Sektors - der zivilen Gesellschaft, gegenüber Staat und Markt. Auf der oberen Ebene werden die Mindestrechte der Regionen hinsichtlich ihrer finanziellen, politischen und rechtlichen Interventionsmöglichkeiten festgelegt.“ (Hey, 1992:33). Die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern der sog. ‘Dritten Welf kann nicht nur eine Frage des Finanztransfers und der Projekte im Süden sein. Wirtschaftliche Strukturen und Konsumgewohnheiten in den Industrieländern tragen ihren Teil dazu 96

bei, daß die Entwicklungschancen der ärmeren Länder eingeschränkt oder zunichte gemacht werden (s. Endrukaitis-Tschudi/Hermle, 1994). Subventionen und fiskalische Instrumente müssen daraufhin überprüft werden, ob sie umweltschäd­ liches Verhalten fördern oder ärmere Länder benachteiligen; an derartigen Rahmen­ bedingungen sind alle Ebenen beteiligt. „‘Betroffenheit’ und Veränderungsdruck ‘von unten’, von den in ihrer Lebens­ qualität eingeschränkten Menschen, haben sich als bestimmende Faktoren her­ ausgestellt“, als eine wesentliche Antriebskraft der bisherigen lokalen wie globalen Umweltpolitik (vgl. Hahn, 1991:87, s.a. Conrad, 1992). Eine sozial und umwelt­ gerecht orientierte Entwicklung kann daher sinnvollerweise nicht ‘von oben’ be­ stimmt, vorgegeben oder schlüsselfertig geliefert werden. Im Vordergrund steht vielmehr der prozeßhafte Charakter. Der Prozeß wird sich nur in dem Maße durch­ setzen, wie er von der Motivation, der Kreativität und den Problemlösungspoten­ tialen der in ihren konkreten Lebensbedingungen von Umweltproblemen betroffe­ nen Menschen getragen wird (vgl. Hahn, 1991:87).

Scheiterten in der Vergangenheit schon integrierte Entwicklungspläne auf regionaler Ebene (s. Kap. 1.2.3), so ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die nationale und internationale Reformen erfordert, offensichtlich nicht im großen Maßstab gezielt zu steuern. Es ergeben sich zwar unzählige Ansatzpunkte für Veränderungen in Richtung sozial und umweltgerecht orientierter Entwicklung; kennzeichnend ist jedoch auch hier wieder die Notwendigkeit zu einem schrittweisen ‘inkrementalistischen’ Vorgehen, da zahlreiche Hemmnisse den Veränderungen entgegen­ stehen (schwierige Durchsetzung in der pluralistischen Verbändedemokratie, geringer Handlungsspielraum aufgrund vielfältiger Interessenkonflikte usw.) (s.a. Kap. 1.2.3). Im Zusammenhang mit Umweltproblemen wird mit Zeitspannen von 20 bis 30 Jahren gesprochen, von der politischen Problemperzeption bis zur Verabschiedung entsprechender Politikprogramme (s. CONRAD, 1992:170). Mit den Schwierigkeiten, strukturelle Veränderungen auf internationaler Ebene zu erreichen, wächst die Bedeutung der regionalen Ebene: • viele kleine Initiativen vor Ort bereiten den Boden für größere Schritte auf übergeordneten politischen Ebenen; die Akzeptanz von Reformen kann nicht ‘von oben’ verordnet werden, sondern muß aus den Strukturen und Lebens­ verhältnissen in der Region erwachsen; • konkrete Projekte vor Ort - im Rahmen der vorgegebenen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen - erfüllen gleich mehrere Funktionen: - Mit jedem Schritt wird die Berücksichtigung der Sozial- und Umweltver­ träglichkeit selbstverständlicher, unabhängig davon, ob dies durch ver­ besserte Ausbildung, Überzeugung, Auflagen oder finanzielle Anreize geschieht. Konkrete Maßnahmen sind nicht nur sofort umsetzbar, es ver­ ändern sich damit auch schrittweise die gesellschaftlichen Rahmenbe­ dingungen für die Nutzungsformen (vgl. Conrad, 1992:188).

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- Innovative Maßnahmen haben Pilotfunktion und können eine Wirkung in die Breite entfalten. - Abstrakte Leitbilder (z.B. ‘Sanfter Tourismus’) werden erst durch kon­ krete Projekte ‘mit Leben’ gefüllt. Die positiven Folgen einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung können sichtbar gemacht, Widerstände durch positive Beispiele und die Berücksichtigung der sozialen und kulturellen Verhältnisse vor Ort vermindert werden. Der notwendige Wandel von Konsum-, Produktions- und Lebensstilen läßt sich nicht ‘von oben’ verordnen. Direkte und umfassendere Reformen auf übergeordneten Ebenen (Agrarreform, Steuerreform) können auch nur bedingt die sozialen und Umweltaspekte berücksichtigen, weil sie immer einen Kom­ promiß zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessen darstellen. Sie weisen zudem in der Regel keine hohe ‘Treffsicherheit’ auf. Auch dies zeigt die Bedeutung der konkreten sozial und umweltgerecht orientierten Maßnah­ men auf regionaler Ebene, die sich den Gegebenheiten und Notwendigkeiten der örtlichen Situation anpassen können.

Die realistische Einschätzung der Einflußmöglichkeiten auf der regionalen Ebene ist jedoch nur möglich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die derzeitigen politischen und vor allem wirtschaftlichen Verhältnisse zunehmend von der globalen Ebene geprägt werden. Diese Entwicklungen stellen kaum abschätzbare Risiken, wie zum Teil auch Chancen, für eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung dar: • Die vollständige Öffnung der westeuropäischen Wirtschaft zum Weltmarkt (s. GATT-Abkommen) wird die Internationalisierung der Märkte noch vorantrei­ ben. „Der kalte Wind des Weltmarktes [wird] praktisch bis ins letzte Dorf seine innere Logik entfalten“ (Immler, 1992:49, s.a. Afheldt, 1994), soweit dies nicht heute schon der Fall ist. Weltfirmen und Welthandel bedürfen aber eines internationalen Rechtssystems, das aus dem weltweiten Freihandel eine soziale (Welt-)Marktwirtschaft macht; dies ist jedoch erst ansatzweise gelungen. • Die globalen Ressourcenströme und die internationale Arbeitsteilung lassen ein ökologisches Ressourcenmanagement in weite Feme rücken; soziale und Umweltstandards müßten internationale Gültigkeit erlangen (z.B. Umsetzung der Agenda 21). • Der global stattfindende Verstädterungsprozeß läßt Siedlungsgebiete entstehen, die im hohen Maße mit sozialen und Umweltproblemen verbunden sind und eine ‘nachhaltige Entwicklung’ als illusorisch erscheinen lassen. • Armut, die wachsende Weltbevölkerung und die damit verbundenen Umwelt­ probleme nehmen stetig zu; die krassen Verteilungsungerechtigkeiten werden die Industrieländer zunehmend unter Druck setzen. • Alternativen zum westlich-industriellen Entwicklungsmodell fehlen im größe­ ren Maßstab gänzlich. Bevor gesellschaftliche Kräfte eine Abkehr von den materiellen Wachstumsvorstellungen bewirken können, wird dieses Entwick­ lungsmodell in den meisten Ländern in Form einer ‘nachholenden Entwick-

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lung’ verfolgt werden (vgl. Harborth, 1993), bzw. in den Industrieländern fortgesetzt - mit den zum Großteil bekannten Folgen.

Die Bemühungen um eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung auf regionaler Ebene dürfen diese Entwicklungen und Rahmenbedingungen nicht igno­ rieren, sondern müssen im Gegenteil diese mit ins Kalkül ziehen. Gefragt sind realistische, umsetzbare Konzepte, wobei die Realitätsnähe in erster Linie von der wirtschaftlichen Tragfähigkeit bestimmt sein wird. Der Handlungsspielraum und die Handlungsmöglichkeiten auf regionaler Ebene dürfen deshalb nicht überschätzt, die Akteure durch zu hohe Erwartungshaltungen überfordert und die Verantwortung für eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung beim Einzelnen ‘abgeladen’ werden, dessen Handeln von vielfältigen strukturellen Rahmenbedingungen geprägt ist (vgl. Peters et al. 1996:24). „Lokal handeln und global denken“ - dieses Prinzip der achtziger Jahre reicht in Zukunft nicht mehr. Auch die sozial und umweltgerecht orientierte Regionalent­ wicklung muß sich dieser Herausforderung stellen und hinsichtlich der internatio­ nalen Dimension des notwendigen ‘Umbaus’ neu durchdacht werden (vgl. Hahn, 1991). Vorrangig dürften dabei die folgenden Aufgabenstellungen sein (vgl. Hahn, 1991:17): • internationale Vereinbarungen und Normen zu grenzüberschreitenden Um­ weltproblemen und weltweiten Verteilungsungerechtigkeiten; das betrifft ins­ besondere die internationale Wirtschaftsbeziehungen und den Technologie­ transfer; • die Förderung des internationalen Erfahrungsaustausches zu geeigneten Lösungsstrategien der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene; • für besonders gefährdete Länder, Regionen und Städte, die sich aus eigener Kraft.nicht helfen können, sind internationale Unterstützungsprogramme nach dem Prinzip ‘Hilfe zur Selbsthilfe’ zu entwickeln; • entscheidende Wirkungen können vom Aufbau internationaler Netzwerke zwischen Regionen, Kommunen oder zwischen einzelnen Projekten der sozial und umweltgerecht orientierten Erneuerung ausgehen. In Form direkter Part­ nerschaften können Erfahrungen ausgetauscht, gegenseitige Unterstützung geleistet und neue, zukunftsweisende Konzepte entwickelt werden. Beim Auf­ bau und bei der Unterstützung solcher Netzwerke können internationale Organisationen eine wichtige Rolle spielen.

3.2

Einordnung intermediärer Organisationen in den Handlungsrahmen

3.2.1 Die Aufgabe Die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes erfordert Aktivitäten auf allen Ebenen - von den internationalen Umweltabkommen bis zum lokalen Projekt. 99

Ein wesentliches Element dieser Aktivitäten sollte dabei der Umsetzungsbezug sein. Sie sollten nicht nur in theoretischen Diskursen verbleiben, sondern möglichst zum Beispiel direkte Entlastungswirkungen für den Naturhaushalt und - in Bezug auf die ‘Dritte-Welt-Problematik’ - schrittweise Verbesserungen der Lebensverhältnisse von ärmeren Bevölkerungsteilen haben. Im Rahmen der vorgegebenen Handlungs­ bedingungen den Umsetzungsprozeß durch Vermittlungsleistungen zwischen den verschiedenen Akteuren zu fördern - darin liegt die Aufgabenstellung intermediärer Organisationen.

3.2.2 Thesen zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes in einer Region Im folgenden sollen wichtige Elemente einer Strategie für eine intermediäre Orga­ nisation, welche eine sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung auf regio­ naler Ebene (‘sustainable development’) fördern kann, aufgezeigt werden. Der Erfolg dieser Strategie hängt unmittelbar mit der realistischen Einschätzung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen, unter denen die Organisation arbeitet. Einige wichtige Rahmenbedingungen, die über die bisher aufgefuhrte Eingebundenheit in überregionale Strukturen (s.o.) hinausgehen und prinzipiell für alle Regionen gültig sind, sollen zunächst in Form von Thesen und kurzen Erläute­ rungen aufgezeigt werden.

I. These: Den folgenden Ausführungen liegt die These zugrunde, daß die ‘nachhaltige’ sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung der Region gleichsam eine Ge­ meinschaftsaufgabe der Akteure und Teilsysteme in der Region (Staat [Verwaltung / Politik], Wirtschaft, Verbände, Bevölkerung usw.) darstellt. Ein Akteur allein hat weder die Ressourcen noch die Einflußmöglichkeiten für eine derartige Aufgabenstellung. Auch der staatlichen Einflußnahme sind enge Grenzen gesetzt. Das Ordnungsrecht stößt mit seiner hohen Regelungsdichte und der erfor­ derlichen Akzeptanz bei den Adressaten auf seine Grenzen.

„Je stärker eine ‘Regulierung’ gesellschaftsgestaltend wird, um so eher bricht sie sich am Sanktionspotential institutionalisierter Interessen. Schon aus diesem Grunde ist etwa das Ende der Wachstumsgesellschaft keine politische Option“ (v.d.DAELE, 1991:45). Umfassendere staatliche Einflußnahmen sind zum Großteil auf die Mitwirkung der Akteure angewiesen, sodaß eine gewünschte Entwicklung nicht diktiert werden kann. Ein ‘Instrumentenmix’ unter Berücksichtigung persuasiver Instrumente kann hier in vielen Fällen mehr ausrichten. Die konkrete Umsetzung von sozial und umweltgerechten Handlungsaltemativen auf der regionalen Ebene bedarf verschiedener Bewertungsschritte, die aus wissen­ schaftlichen Analysen und rechtlich-moralischen Wertungen nicht eindeutig voll­ zogen werden können. Wie schon in Kap. 1.1 angedeutet wurde, legt diese Situation 100

ein diskursives Vorgehen nahe, in dem die Verfahrensresultate durch Beteiligung und Konsensbildung, durch ‘kommunikative Rationalität’ begründet wird (s. v.d.DAELE, 1991:19). Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben entsprechend auf der Minister­ präsidentenkonferenz 1994 in Dessau einen Beschluß zum „Rio-Folgeprozeß in der Entwicklungszusammenarbeit“ gefaßt, der u.a. beinhaltet: „[Die Regierungschefs der Länder] sehen in den Ergebnissen der Rio-Konferenz eine deutliche Unter­ stützung ihrer eigenen Position, die darauf gerichtet ist, an dem notwendigen Ver­ änderungsprozeß nicht nur die Partner im Süden, sondern vor allem auch die Men­ schen im eigenen Land intensiv und auf allen Ebenen zu beteiligen. Ohne Mitge­ staltung durch die Bevölkerung und ohne Transparenz der notwendigen Verände­ rungsprozesse werden diese nicht umgesetzt werden können, weder im Norden noch im Süden“ (aus Beroleit 1995:17).

Die Relativierung der staatlichen Einfluß- und Steuerungsmöglichkeiten entläßt die Politik jedoch nicht aus ihrer Verantwortung. Diskursive Verfahren können und dürfen politische Entscheidungen nicht ersetzen. Im Rahmen ihres Zuständigkeits­ bereiches, v.a. der Formulierung von kollektiven Zielen und ihre Umsetzung in Form kollektiv bindender Entscheidungen (vgl. FUCHS, 1993:29), sowie der Ent­ scheidung von verbindlichen Rahmenbedingungen, behält die Politik eine zentrale Stellung im gesellschaftlichen System. Zudem bilden die zahlreichen vorhandenen staatlichen Instrumente (rechtliche, planerische, Förderinstrumente) eine wichtige Basis, um die sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung fördern zu können (vgl. Ritter, 1990; Peters et al. 1996); sie sind jeweils fallspezifisch einzusetzen (vgl. Kap. 1.2).

2, These: Die sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung ist als ein Prozeß aufzufassen, in dem zahlreiche einzelne Projekte eingelagert sind. Um diesen Prozeß zu unterstützen, bedarf es neuer Verfahren, welche die Zusammenarbeit der regionalen Akteure fördern. Die Ausrichtung gesellschaftlichen Handelns nach dem ‘sustainable development’Leitbild stellt eine Daueraufgabe ohne dauerhafte Lösungen dar (vgl. Kap. 1.1; s.a. Beiträge in Mayer 1995). Ein umsetzungsfähiger ‘Masterplan’, zur Veränderung der Nutzungsformen, ist aufgrund der Komplexität undenkbar, dynamische Rah­ menbedingungen (ökologische wie soziale) erfordern zudem immer wieder neue Problemlösungen. Schrittweise Veränderungen, eine Vielzahl konkreter Projekte, die auf übergeordnete Zielsetzung hin ausgerichtet sind (‘perspektivischer Inkrementalismus’), stellen in dieser Situation eine pragmatische Vorgehensweise dar (vgl. Kap. 1.2.3). Kennzeichnend für die Aufgabenstellung ist, daß viele, teils unabhängig vonein­ ander agierende Akteure und Akteurskreise eine Rolle bei der Problemlösung spie­ len, vielfältige Interessenskonflikte auftreten und selbst in Teilfragen keine eindeu­ tigen Problemlösungen vorhanden sind. Die erforderliche Vermittlung zwischen den 101

verschiedensten gesellschaftlichen Handlungsfeldem und Akteuren (s.o.) bedarf veränderter Problemlösungsverfahren. Vermittlung, Moderation und Kooperation kennzeichnen diese Verfahren (s. Kap. 1.2.3) Wenn Probleme, deren Lösung nicht definiert ist, an Verfahren delegiert werden, spricht man von ‘Prozeduralisierung’ (v.d.DAELE, 1991:26). Es handelt sich dabei jedoch nicht um traditionelle Beteiligungsmodelle des administrativen Systems sondern um neue kooperative Handlungsformen: • „Beteiligung unterstellt einen zentralen Entscheidungsprozeß innerhalb des politisch-administrativen Systems, an dem Dritte im Rahmen von Informa­ tions- und Erörterungsverfahren teilhaben. • Prozeduralisierung akzeptiert die Bedeutung der selbstaktiven Felder außerhalb von Politik und Verwaltung sowie die Realität gleichzeitiger (Entscheidungs-) Prozesse. Die Aufgabe besteht darin, diese verschiedenen, eigenständigen Akteure und Prozesse miteinander in Verbindung zu bringen.“ (SELLE, 1992a:285).

3. These: Eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung braucht ‘Träger’. Maß­ nahmen zur Förderung dieser Entwicklung müssen auf die Interessen der Akteure eingehen. Entscheidend für die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes ist die Frage, wer ein unmittelbares Interesse an einer ‘nachhaltigen Entwicklung’ besitzt und wie dieses Interesse in konkrete Handlungen umgesetzt werden kann (s.a. Peters et al. 1996:30, 79). Bei aller Zustimmung für das ‘sustainable develop­ ment’-Leitbild muß zunächst einmal festgestellt werden, daß eine gerechtere Ressourcenteilung mit den ärmeren Ländern und die konseqente Berücksichtigung von Umweltbelangen derzeit vielen gesellschaftlichen Interessen widerspricht. Entsprechende Widerstände sind bei jeder verteilungs- oder umweltpolitischen Maßnahme zu beobachten. Zudem muß die Entwicklungsproblematik über eine diffuse, abstrakte Bedrohung hinaus in der regionalen Gemeinschaft als ein kon­ kretes Problem wahrgenommen werden, das sofortige Gegenmaßnahmen erforder­ lich macht. Damit ein Problem politische Dimensionen erlangt, muß es erst einmal verschiedene ‘Filter’ passieren: „Entstehende politische Themen haben das eigentümliche Merkmal, weder von der Politik gewählt noch von identifizierbaren Akteuren oktroyiert zu sein, sondern sich naturwüchsig und anonym zu ‘ergeben’“ (Offe, 1975:160 in CONRAD, 1992:83). „Daß ein Tatbestand oder eine Fragestellung überhaupt zu einem diskussions- und behandlungsbedürftigen gesellschaftlichen Problem werden, ist keineswegs selbst­ verständlich, sondern eher unwahrscheinlich („In der Geschichte häufen sich die Beispiele bedrückender sozialer Bedingungen, die nicht beachtet und nicht saniert worden sind in den Gesellschaften, in denen sie entstanden. (...) Die einfachste Beobachtung und Überlegung genügen, um zu zeigen, daß eine Gesellschaft mittels 102

eines höchst selektiven Prozesses zur Anerkennung ihrer Probleme gelangt, wobei zahlreiche schädigende soziale Bedingungen und Konstellationen erst gar keine Aufmerksamkeit erregen, während andere im heftigen Wettstreit mit weiteren Problemen unter den Tisch fallen. Viele Probleme ringen um gesellschaftliche Aner­ kennung, aber nur wenige erreichen das Ziel“ (Blumer, 1975:107)). Diese müssen von gesellschaftlich relevanten Akteuren als für sie Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung verlangendes Problem wahrgenommen werden. Was dann auch zum Gegenstand speziell von Politik werden soll, muß eine Vielzahl von Selektionsfiltem passieren; andernfalls verbleibt es im Bereich von ‘non-decisions’ (vgl. Luhmann 1970). Die durch diesen Filterprozeß geprägten Problemdefinitio­ nen stellen entscheidende Weichen für mögliche anschließende Problemlösungen, indem sie eine bestimmte Sichtweise bevorzugen, die an der Problemlösung zu beteiligenden Akteure weitgehend festlegen und manche Alternative gar nicht erst in die Diskussion miteinbeziehen. Nicht beteiligte Akteure haben im allgemeinen große Schwierigkeiten, über ihre nachträgliche Mitwirkung hinaus auch eine Änderung einer bereits konsentierten Problemdefinition durchzusetzen“ (CONRAD, 1992:141f).

Damit ein gesellschaftlicher Mißstand für Entscheidungsträger (aus Politik und Wirtschaft) zum Problem wird, muß er in funktional differenzierten, kapitalistischen Industriegesellschaften erst mit deren formellen Interessen verkoppelt werden (vgl. CONRAD, 1992:142f). „So geht es dem Landwirt nicht primär um die Erzeugung von Lebensmitteln, sondern um die Erwirtschaftung eines zumindest ausreichenden Einkommens. So stellen nicht Tote und Kranke durch Chemikalienfreisetzung ein Problem für Poli­ tiker dar, sondern die politischen Wellen, die diese Ereignisse schlagen. Damit wird nicht gesagt, daß einzelne Individuen nicht auch intrinsisch motiviert und sachorientiert agieren können, sondern nur, daß die dominanten Regeln und Strukturmuster gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion nicht (mehr) auf dieser Ebene liegen“ (Conrad, 1992:142). Erst wenn entsprechende gesellschaftliche Bedingungen vorliegen (z.B. gesetzliche Bestimmungen, öffentlicher Druck, drohende Sanktionen) ergreifen die Akteure die Initiative. Kennzeichnend für diese Situation ist, daß eine Initiative erst erfolgt, wenn Problemlagen (z.B. die Nitratproblematik) schon eingetreten sind. Dann setzen sich verschiedene gesellschaftliche Akteure (z.B. Vertreter der Wasserwirt­ schaft, politische Vertreter aus betroffenen Regionen) aufgrund ihrer Interessenlage und Aufgabenstellung für (mehr oder weniger) durchgreifende Problemlösungen ein (vgl. Conrad, 1992). Eigeninitiative in bezug auf langfristig vorsorgeorientierte Maßnahmen zeigen die wenigsten gesellschaftlichen Entscheidungsträger, weil diese häufig im Gegensatz zu kurzfristigen Interessen (der Klientel, am Gewinn) stehen. Ein inhaltliches Interesse an langfristig vorsorgeorientierten Maßnahmen kann zunächst einmal bei jedem Einzelnen (der ‘Öffentlichkeit’) unterstellt werden, weil 103

die Sicherung der Lebensbedingungen (unter Umständen für die eigenen Kinder) als ein allgemein anerkannter Wert angesehen werden kann. Allerdings bleibt dieses Interesse für das individuelle Verhalten im Alltag in den meisten Fällen irrelevant, da der Zusammenhang zwischen dem persönlichen Handlungsweisen und der Umwelt- oder Dritte-Welt-Problematik in der Regel ver­ nachlässigbar klein, bzw. wenig offensichtlich ist. Bei der jeweiligen Abwägung mit aktuellen, meist kurzfristigen Interessen treten oftmals mehr altruistisch orientierte Verhaltensweisen in den Hintergrund. Mit Ausnahme von sensibilisierten und motivierten Bevölkerungskreisen (z.B. aus der Umwelt-, Dritte-Welt-Bewegung) können von der breiten Bevölkerung aus der bloßen Einsicht heraus keine entscheidenden Verhaltensänderungen erwartet werden. Vom Engagement des Einzelnen und der Entscheidungsträger hängt aber die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes ab. Wie ist nun der Sprung vom Wissen um die Umwelt- und Dritte-Welt-Problematik zum konkreten Handeln zu bewältigen? (vgl. Kap. 1.2.3 ‘from knowledge to action’). Verschiedene Wege bieten sich dazu an:

Stärkung der bestehenden Initiativen Bereits vorhandene Aktivitäten (Naturschutzgruppen, soziale und ökologische Bewohner- und Stadtteilinitiativen u.ä.) können gefordert und unterstützt werden. Diese können Vorbildfunktionen übernehmen und für die Verbreitung umweltver­ träglicherer Verhaltensweisen beitragen. Durch Information und Motivation - unter Bezugnahme auf ein ‘latentes’ inhalt­ liches Interesse - kann Engagement geweckt und unterstützt werden (enabling, empowerment, vgl. Selle, 1991a, Hill, 1993) (z.B. Beratung von Bewohnern, wie sie sich gegen Umweltbelastungen wehren können).

Kopplung mit anderen Interessen Entscheidend für den Erfolg einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwick­ lung wird es jedoch sein, ob es gelingt, die Problematik mit anderen Interessen der Akteure zu verkoppeln. Der umweltverträgliche Anbau von Produkten muß sich für den Landwirt rentieren. Die Einhaltung von Richtlinien zur Umweltverträglichkeit muß einen Nutzen (Image-Gewinn und Kosten-Einsparung für Unternehmen) abwerfen.

Zudem ist nicht damit zu rechnen, daß große personelle Mobilisierungsreserven vor Ort vorhanden sind. Erfahrungen zeigen, daß engagierte Personen häufig durch andere gemeinwesenorientierte Aufgaben überlastet sind (s. Urbanek/Rauch, 1992). Die Akteure sind in der Regel auch nicht immer präsent, sondern müssen aufgesucht werden. Gleichzeitig mit der Kopplung an andere Interessen ist daher eine ‘Integrationsstrategie’ anzuwenden: das Gedankengut der sozial und umwelt­ gerecht orientierten Entwicklung ist in bestehende Aktivitäten, in den Alltag der Menschen zu integrieren (Hausbau, Vereinstätigkeit, Parteien usw.). Dabei kann

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speziell auf das ‘Verhaltens- und Einstellungsumfeld’ der Interessengruppierung eingegangen werden. Dies gilt im gleichen Maße für politische Kreise. Gerade in Bezug auf die politi­ schen Kreise muß deshalb bei einer konkreten Problemlage die Frage gestellt werden, ob, wer und unter welchen Umständen jemand ein Interesse an einer prä­ ventiven Lösung hat (vgl. CONRAD, 1992:147). Lassen sich präventive Lösungen mit anderen Interessen der Klientel verbinden, ist in der Regel auch mit einer Unterstützung aus den politischen Kreisen zu rechnen. Das Interesse an präventiven Lösungen kann auch deshalb bei verschiedenen Akteuren steigen, weil sie sich mit zahlreichen gravierenden Problemen konfrontiert sehen und auseinandersetzen müssen, die eine effektive und effiziente anstelle einer bürokratischen, zeit- und kostenaufwendigen Lösung des Problems vordringlich werden lassen (vgl. Conrad, 1992:149f).

Das Wissen um die Notwendigkeit einer ‘nachhaltigeren’ Entwicklung bleibt irre­ levant, gelingt nicht die Vermittlung in die Gesellschaft hinein. Damit erhält die Diskussion eine kommunikative, eine soziale Dimension, indem die Frage gestellt wird: Wer ist Träger der Ziele? Wer stützt ihre Umsetzung? Wer könnte mit wem kooperieren? Wie lassen sich Inhalte, Aufgaben, Ziele vermitteln? (vgl. Selle, 1991b: 102f).

4. These: Die Forderung nach einem gesellschaftlichen Bewußtseinswandel bei den regio­ nalen Akteuren als Voraussetzung für eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung greift zu kurz. Erst die umfassende Berücksichtigung der Rahmen­ bedingungen gesellschaftlichen Handelns macht den Wandel von Verhaltensweisen wahrscheinlicher. Im Mittelpunkt einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung stehen veränderte Verhaltensweisen der einzelnen Akteure. Wie schon im ersten Kapitel ausgeführt wurde, gefährden die derzeitigen Produktions- und Konsumgewohn­ heiten vor allem in den Industriestaaten die langfristige Sicherung der Lebens­ grundlagen. Das Wissen um diese Gefährdung allein garantiert jedoch noch keine Veränderung der Verhaltensweisen. Wissen und Werthaltungen sind notwendige, aber nicht in jedem Fall hinreichende Voraussetzungen für umweltgerechtes Handeln und die Berücksichtigung von sozialen Belangen (vgl. SRU, 1987 Tz. 60). Um die sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung in einer Region fördern zu können, müssen auch noch weitere Rahmenbedingungen für das Handeln berücksichtigt werden. Zum Beispiel: • die Handlungskompetenz, insbesondere das Wissen um die eigene Verant­ wortung und die Möglichkeiten, sozial und umweltgerecht zu handeln, • die Handlungsmöglichkeiten (z.B. entsprechende Infrastruktur, Produktange­ bote), • Handlungsanreize, Rüpkkopplungsmöglichkeiten,

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der Einfluß von institutionellen Leitbildern und Organisationsstrukturen (vgl. Fietkau / Kessel, 1981; Hirsch 1993; v.d.HEYDT, 1992). Wesentliche verhaltensbeeinflussende Rahmenbedingungen werden auf nationaler und internationaler Ebene festgelegt (s. Kap. 3.1). Auf regionaler Ebene werden diese Vorgaben jedoch konkretisiert (z.B. rechtliche Vorgaben), modifiziert (z.B. wirtschaftliche Rahmenbedingungen) und ergänzt, so daß Handlungsspielräume auch auf dieser Ebene vorliegen. Die schrittweise Ausrichtung der Rahmenbedin­ gungen nach dem ‘sustainable development’-Leitbild stellt den entscheidenden Ansatz für eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung dar. 5. These: Die Förderung einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung in einer Region bedarf vielfältiger Vermittlungsaufgaben zwischen den verschiedenen Akteuren. Es bestehen offensichtlich große Hemmnisse zur Berücksichtigung langfristiger Perspektiven in der regionalen Entwicklung; einer Zielsetzung, die vom Prinzip her große Zustimmung findet. Die jeweiligen Interessen an einer zukunftsfähigen Ent­ wicklung müssen deshalb gezielt angesprochen und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Zielgerichtete Information und eine öffentliche Diskussion rele­ vanter Entscheidungen können den Stellenwert dieses Aspektes heben. Dazu zählen zum Beispiel Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit (Broschüren, Bürgerwettbe­ werbe, Ausstellungen, Aktionen usw.), Einbindung von Politik, Verbänden und Initiativen, sowie die Aufnahme zukunftsorientierter Fragen insbesondere in um­ weltrelevante Veröffentlichungen (kommunale Umweltberichte, Untemehmensberichterstattung im Rahmen des Öko-Audit) (vgl. Selle, 1992a). Eine Gemeinschaftsaufgabe, wie die sozial und umweltgerecht orientierte Ent­ wicklung einer Region bedarf einer kooperativen Abstimmung über Informationen, Verfahren und inhaltliche Konzeptionen (vgl. Hill, 1993:980). Theorie und Praxis, wissenschaftliche Erkenntnisse und praktischer Sachverstand, bzw. Wissen um örtliche Besonderheiten müssen miteinander in Bezug gesetzt werden. Die Entwicklung von sozial und umweltgerecht orientierten Nutzungsformen bedarf somit des Zusammenspieles vieler Akteure: • Zum Beispiel bei der Förderung umweltgerechten Landbaus: Es sind sowohl eine Umstellung beim Landwirt, neue Vermarktungsstrategien und -wege, wie auch die Einsicht beim Konsumenten notwendig; d.h. Akteure aus dem Bereich Landwirtschaft, Vermarktung und Handel sind zu koordinie­ ren, Überzeugungsarbeit und Aushandlungsprozesse sind notwendig. • Zum Beispiel umweltverträglichere Bau- und Siedlungsformen: Die öffentliche Verwaltung kann nur bedingt über Planungsnormen umwelt­ verträglichere Bau- und Siedlungsformen durchsetzen. Hilfreich sind hier Überzeugungsarbeit, konkrete Beispiele und fachliche Beratung, um Grund­ stückseigentümer und Bauwillige für freiwilligen Maßnahmen zu gewinnen (s. SELLE, 1992a:271). Die Vermittlung zwischen Immobilienmakler bzw.

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Grundstückseigentümern, Bauwilligen, der Verwaltung, Fachleuten aus der Baubranche und Architekten kann dieses Vorhaben unterstützen (vgl. Stein, 1994). Zum Beispiel Verkehrsplanung: Umweltverträglichere Verkehrskonzepte auf regionaler Ebene können eine umfassende Abstimmung zwischen den verschiedensten Akteuren erforderlich machen. Zur Verkehrs Vermeidung bietet sich zum Beispiel die Zusammenar­ beit der Verwaltung mit privaten Initiativen (Anschubfinanzierung fur ‘Car­ sharing’- Projekte), Unternehmen (Förderung von Fahrgemeinschaften der Betriebsangehörigen) und Verbänden (ADFC-Dienstleistungen für Fahrrad­ fahrer) an.

In vielen Fällen ist die Kooperation zwischen den Akteuren nicht selbstverständlich. Kennzeichnend ist meistens die Notwendigkeit zu einem ressort- und fach­ übergreifenden Vorgehen, das Handeln verschiedenster - traditionell getrennt arbeitender - Akteure muß koordiniert und auf ein gemeinsames Projekt ausgerichtet werden. Die gesamte Thematik ist dadurch geprägt, daß unterschiedlichste Aspekte (kulturelle, ökonomische, politische, ökologische, soziale usw.) berührt werden; einzelne Dimensionen auszublenden, würde der Gesamtaufgabe nicht gerecht werden. Oftmals ist der Zugang zu umweltrelevanten Themen und Fragen der globalen Verteilungsgerechtigkeit über ‘Umwege’ sinnvoll, ganz im Sinne eines gesamt­ gesellschaftlichen ‘Umbaus’, der ‘Ökologisierung’ und sozialverträglichen Ori­ entierung aller Teilsysteme. Das Ansetzen bei den eigentlichen Ursachen erfordert oftmals die Zusammenarbeit mit Akteuren und Fachressorts, die nur mittelbar etwas mit Umweltbelangen zu tun haben (Wirtschaftsforderung, kommunale Finanz­ haushalte, Untemehmensberichterstattung usw.), deren Entscheidungen aber unmittelbare Auswirkungen auf den Naturhaushalt zur Folge haben. Die Initiierung von Beschäftigungsgesellschaften mit Aufgabenbereichen aus dem Umweltschutz ist ein gelungenes Beispiel, wie eine Verknüpfung verschiedener Handlungsfelder erfolgen kann (s. Ax, 1994 zum Handwerk; KÜHL, 1994; Wawzyniak, 1994; JÄGER, 1994 zur Arbeitsmarktpolitik). Die entsprechenden Möglichkeiten werden von den Interessen und Bedürfnissen der Betroffenen und den Rahmenbedingungen vor Ort definiert. Eine wesentliche Aufgabe besteht aber zunächst darin, zwischen den Belangen entsprechende Verbindungen herzustellen (s. Selle, 1992a:283). Die Einsicht in die begrenzte Reichweite der einzelnen Akteure (der einzelne Landwirt, der sich nicht mit Vermarktungsstrategien auskennt, der Wissenschaftler, dessen Studien kaum Eingang in die Praxis finden, die Kommune, die ein Pro­ gramm zur Förderung ökologischen Landbaus auflegen will usw.) legt die Verbin­ dung der verschiedenen Handlungssphären nahe. Es liegen schon zahlreiche Konzepte und Erfahrungen zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung vor; einer Vermittlung des Wissens, einer Vernetzung der Initiativen und der Aufbereitung der Erfahrungen für die örtlichen Gegebenheiten

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kann deshalb eine hohe Bedeutung zugemessen werden. Im Mittelpunkt sollte dabei die praktische Umsetzung konkreter Maßnahmen stehen. Je nach Handlungsbereich bleiben die staatlichen Steuerungsinstrumente ein zen­ trales Element zur Beeinflussung von Entwicklungen; die kooperativen Aushand­ lungsprozesse ergänzen die traditionellen Handlungsformen in diesen Fällen (vgl. Stein, 1994; Selle, 1992a). Die aufgefuhrten Vermittlungsaufgaben sind keine neue Erscheinung. Sie werden von den Akteuren ausschnitthaft in unterschiedlicher Form (Netzwerke, Erfah­ rungsaustausch, wirtschaftliche Beziehungen, Fortbildung usw.) auch ohne insti­ tutionalisierte ‘Vermittler’ geleistet. Mit Hilfe einer vermittelnden Institution könnten jedoch zielorientierte Verhandlungs- und Kommunikationsprozesse initiiert und die Kooperation unterstützt werden. Die Zielorientierung erfolgt dabei in Richtung auf ein gesellschaftliches Leitbild (‘sustainable development’), was zwar eine hohe gesellschaftliche Bedeutung einnimmt, aber in der Regel von den Akteu­ ren vernachlässigt wird (s. Kap. 3.3.3).

3.3

Organisationsformen, Prämissen und Handlungsmöglichkeiten

3.3.1 Intermediäre Organisationen in der Region: Typen Wie schon die Beispiele in Kapitel 2 gezeigt haben, sind die verschiedensten Orga­ nisationsmodelle für intermediäre Organisationen denkbar. Welche Organisati­ onsform in einer Region etabliert wird, ist zunächst maßgeblich davon abhängig, welche Akteure für die Trägerschaft gewonnen werden können. Drei verschiedene Typen intermediärer Organisationen sollen kurz skizziert werden, um noch einmal die Bandbreite der möglichen Organisationsformen zu veran­ schaulichen (s.a. Kap. 2). Sie sollen lediglich beispielhaft für unzählige verschie­ dene Organisationsformen stehen (vgl. Selle, 1991b), die konkrete Ausgestaltung ist von den Verhältnissen in der Region abhängig. (Auf den Typ ‘Regional­ konferenzen’ (Konferenzmodell) wird nicht näher eingegangen, sondern nur mög­ liche Initiativen aus der Region aufgegriffen.)

Typ privatwirtschaftiiche 'Planungsgesellschaft' in öffentlicher Hand Prinzipiell ist die Organisationsform, wie sie für die Umsetzung der Internationalen Bauaustellung Emscher Park gewählt wurde, auch auf ähnliche Aufgabenstellungen in anderen Regionen übertragbar (s.a. Kap. 2). So können neben regionalen freiraumplanerischen Konzepten auch CO2-Minderungsmaßnahmen oder integrierte Verkehrskonzepte durch eine regional arbeitende ‘Planungsgesellschaft’ gefordert werden. Diese Organisationsform setzt jedoch einen regionalen Konsens, v.a. bei den beteiligten Kreisen und Kommunen voraus, auf deren Mitarbeit die Organisation unmittelbar angewiesen ist. Im Gegensatz zu den anderen Organisa­ 108

tionstypen nehmen politische Repräsentanten bei der Trägerschaft einer ‘Planungs­ gesellschaft’ die wichtigste Stellung ein.

Typ RWZ oder FORUMe. V. Kennzeichen dieser Organisationsform ist die Verankerung in weiten Kreisen der Region. Träger der Organisation sind also möglichst alle relevanten Akteure der Region, d.h. Kreise, Kommunen, Wirtschaft, Verbände, Kirchen usw. Die Orga­ nisationen weisen keine administrative Struktur auf, stehen jedoch aufgrund dieser Trägerschaft unter öffentlicher Kontrolle. Mit dieser Organisationsform hängt oftmals die Institutionalisierung als Stiftung eng zusammen.

Typ Dach verband Eine weitere Möglichkeit der Institutionalisierung einer intermediären Organisation besteht in der Installierung eines Dachverbandes unterschiedlicher privater Initiativen der Region, die im Bereich der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung arbeiten. Der Dachverband hätte entsprechend koordinierende Funk­ tionen auf regionaler Ebene und sollte den Aufbau eines funktionierenden regio­ nalen Netzwerkes unterstützen, bzw. lokale Netzwerke (wie in Basel und Nürnberg, s. Kap. 2.1.7 und 2.1.8) vertreten und z.B. Fördermittel erschließen. Kennzeichnend für diese Organisationsform wäre die starke Bindung an die lokalen Initiativen und je nach Finanzierung - Unabhängigkeit von staatlichen Strukturen.

Übernahme von Vermittlungsaufgaben durch Dienstleistungsunternehmen Schließlich können viele Aufgaben der sozial und umweltgerecht orientierten Ent­ wicklung auch von Dienstleistungsuntemehmen übernommen werden, welche sich darauf spezialisiert haben, mit Betroffenen Problemlösungen auszuarbeiten. Derar­ tige ‘alternative Projektentwickler’ sind zum Beispiel schon im Bereich der Stadtemeuerung tätig (vgl. Selle, 1991b: 165), aber auch im Rahmen der Eigenständigen Regionalentwicklung (s. ÖAR, 1992). Die beispielhaft skizzierten Organisationstypen weisen zahlreiche Vor- und Nach­ teile auf, die nicht im einzelnen ausgefuhrt werden können (s. z.B. SELLE, 1991b und Froessler / Selle, 1991 zur Thematik Stadtemeuerung). Zu beachten ist z.B. • die Gefahr der Vereinnahmung durch dominierende Kräfte aus der Träger­ schaft (staatliche Institutionen, wirtschaftliche Interessen), • die Gefahr, daß nur minimale Konsense innerhalb einer breiten Trägerschaft durchsetzbar sind; damit steht die Glaubwürdigkeit der intendierten sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung auf dem Spiel, • daß finanzielle Abhängigkeiten die Arbeit der Organisationen bestimmen können (auf die Finanzierung der intermediären Organisationen wird hier nicht näher eingegangen, s. z.B. Selle, 1991b:209; Rommelfanger/Staubach, 1991). Derartige Entwicklungen können jedoch erst unter den konkreten Umständen be­ urteilt werden.

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3.3.2

Fähigkeiten und Voraussetzungen

Bevor auf die Besonderheiten der Arbeit intermediärer Organisationen in bezug auf die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes eingangen wird, sollen im folgenden zunächst einige grundsätzliche Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Vermittlungstätigkeit aufgezeigt werden. Diese Voraussetzungen gelten praktisch für alle Typen gleichermaßen.

Kontakte und Beziehungen Wer in einer Region - mit unterschiedlichsten Interessen- und Problemlagen - etwas verändern will, kommt mit gutem Willen und Engagement allein nicht weit. Das eigentliche ‘Kapital’ einer Organisation, die auf die Zusammenarbeit verschiedener Akteure angewiesen ist, stellen die Kontakte zu wichtigen Strukturen und Institutionen der Region, bzw. Beziehungen zu überregionalen und internationalen Institutionen und Fachleuten dar. Die intermediäre Organisation ist auf die Kooperationsbereitschaft der Akteure angewiesen, da sie selbst nur Überzeugungsinstrumente besitzt. Die Kooperati­ onsbereitschaft ist aber nicht selbstverständlich; diesem Aspekt muß deshalb sehr große Aufmerksamkeit geschenkt werden. „Wo kein (politisch) wirksames Interesse an der Durchsetzung neuer Lösungen (auf neuen Wegen) besteht und wo sich wichtige Akteure der Kooperation entziehen können, läuft jeder Versuch der Ver­ mittlung leer“ (Selle, 1992a:291). Politisches Interesse und die Kooperations­ bereitschaft regionaler Akteure sind also wesentliche Prämissen für die Arbeit der intermediären Organisation. Intermediäre Organisationen arbeiten zumeist nicht isoliert, sondern innerhalb von Netzwerken (vgl. Selle, 1991 b:46). Das ‘Eindringen’ in vorhandene und der Auf­ bau neuer Netzwerke (u.a. unter Einbezug meinungsbildender Akteure, vgl. Gerhards/Neidhardt, 1990:28) ist eine wesentliche Voraussetzung, damit inter­ mediäre Organisationen Vertrauen zwischen Akteuren bilden, persuasive Steue­ rungskapazität gewinnen und kooperative Prozesse moderieren können (vgl. FÜRST, 1993:557). Die persönliche Kontaktaufhahme und die Stabilisierung der Kontakte wird in der Anfangsphase - geschieht dies in der gebotenen Sorgfalt - sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Der Erfolg beim Aufbau von Kontakten wird u.a. stark von den vorhandenen Anreizen und dem Image der intermediäre Organisation abhängen (S.U.). Die intermediären Organisationen haben den Vorteil, daß sie - je nach organisato­ rischem Aufbau - nicht ausschließlich auf politische Netzwerke angewiesen sind. Politische Akteure nehmen die Interaktionsprozesse primär unter politischen Ver­ teilungs-Gesichtspunkten wahr. „Vertreter privatwirtschaftlicher Belange sind hier unkomplizierter: Sie können Problemlösungen diskutieren; und wenn die Lösungen überzeugen, übernimmt man sie; wenn sie schlecht sind, war allenfalls die Zeit verloren“ (FÜRST, 1993:558).

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Fähigkeiten, Anreize und Tauschmittel Die ‘Kommunikationsaufgabe’, also die Vermittlung zwischen verschiedenen Welten, Denk- und Arbeitsweisen etc. ist die zentrale Funktion der intermediären Organisationen. Daneben erfordert das Aufgabenfeld der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung das Erschließen von Handlungsressourcen, Anregen von Initiative sowie ein Konzipieren und Erproben neuer Problemlösungen (vgl. Kap. 2, s. Selle, 1991b:43, s.u.). Diese Aufgaben können nur erfüllt werden, wenn besondere Voraussetzungen ge­ geben sind (Zitate aus Selle, 1991 b:43): 1. Kompetenz, Professionalität, Effizienz (wirtschaftliche Lösungen) • „In erster Linie sollen die intermediären Organisationen Dienstleistungen erbringen - für Bewohnerinitiativen, Selbsthilfegruppen, staatliche und kommunale Einrichtungen etc. Dies setzt voraus, daß sie ihr Handwerk verstehen, kompetente Fachleute als Mitarbeiter/innen haben.“ • „In der Regel wird aber eine darüberhinausgehende Leistungsfähigkeit erwartet: sie sollen in besonderer Weise effizient (z.B. ‘kostengünstig’) sein“ und wirtschaftliche Lösungen präsentieren. • „Die besonderen Anforderungen an die Professionalität ergeben sich auch aus der Notwendigkeit, oft erst neue Lösungswege bahnen und dabei bis­ lang unerprobte Kooperationsformen erkunden zu müssen. Mit anderen Worten: es werden vor allem innovative und kreative Kompetenzen ver­ langt.“ 2. Komplementarität, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit • Sollen die intermediären Organisationen Handlungspotentiale ent­ decken, mobilisieren und stabilisieren, sind sie vorrangig auf die Zu­ stimmung und das Vertrauen der Kooperateure angewiesen. • „Zugleich müssen die Kommunikationsvoraussetzungen zu den Institu­ tionen in Staat und Markt gesichert werden.“ • Die Zustimmung der Kooperateure setzt eine weitgehende Komplemen­ tarität (von Akteur und intermediärer Organisation) hinsichtlich Zielen, Aufgabenverständnis und Verfahren voraus. • „Die Kommunikations Voraussetzungen zu den Institutionen in Staat und Markt werden vor allem über die jeweiligen Standards professionellen Arbeitens definiert.“ • „Um die Kooperationsfähigkeit nach allen Seiten zu erhalten, ist es vielfach notwendig, daß das Handeln der intermediären Organisationen transparent und prinzipiell kontrollierbar bleibt.“ „In der Praxis sind unterschiedlichste Funktionen intermediärer Organisationen zu beobachten, die jeweils eng mit der Art der zentralen Anreizstrukturen verknüpft sind. Z.B. fußen die Regionalkonferenzen im Rahmen der nordrhein-westfälischen Strukurpolitik auf der Aussicht, daß die zu erstellenden regionalen Entwicklungs­ konzepte entsprechende Förderprioritäten bei der Vergabe von Landesmitteln ge­ nießen. Folglich besteht ein großes Interesse der regionalen Entscheidungsträger, an 111

der Konzeptformulierung teilzunehmen“ (KNIELING, 1994:118, s.a. Kap. 2, s.a. IBA Emscher Park). Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang einerseits der Anreiz für regionale Akteure, die Initiierung der intermediären Organisation zu unterstützen und ande­ rerseits der Anreiz zur Kooperation bei einem konkreten Vorhaben. Zum ersteren wurde in Kap. 1.3 bereits SELLE’S Inkonkruenztheorie angeführt: ein akutes Pro­ blem, das von den traditionellen Akteuren nicht befriedigend gelöst werden kann, kann eine Bedingung für die Etablierung neuer (intermediärer) Organisationen sein. Ein größerer Problemdruck lag z.B. in Basel und im Emscherraum vor (s. Kap. 2). Gerade im Hinblick auf die Einführung präventiver Strategien kann aber nicht überall auf akute Problemlagen vor Ort verwiesen werden! In solchen Fällen müssen andere, regionsspezifische Wege beschritten werden: z.B. Initiierung von engagierter Verbandsseite (s.o. Netzwerk, Dachverband), Aufgreifen der Aktualität von ‘sustainable development’, Aufstellung einer lokalen Agenda (vgl. Mayer 1995) (Einstieg über Runden Tisch mit regionalen Akteuren, s. FORUM, Kap. 2.1.6), schrittweise Institutionalisierung, Zusammenarbeit mit einem Promotor (Partei, Person des öffentlichen Lebens usw.), Einstieg über sektorales Thema (Tourismus, Landwirtschaft, Energie usw.). Zu dieser Fragestellung ist hier keine abschließende Klärung möglich, da die Situation vor Ort entscheidet. (Die Institutionalisierung intermediärer Organisationen kann durch ein staatliches Förderprogramm sehr stark erleichtert werden; interessante Ansätze sind z.B. in den Niederlanden zu finden (s. Selle, 1991b: 133ff)).

Generell kann als Motor des Engagements der regionalen Akteure für eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung - und damit auch für eine Zusammen­ arbeit mit anderen Akteuren - der eigene Nutzen angesehen werden (s. Kap. 3.2.1; vgl. SELLE 1991b:72). Dabei sollte der Begriff des Nutzens nicht zu eng gefaßt werden (vgl. SELLE, 1991 b:77). Er kann seitens der Bevölkerung in Verbesserungen der Lebensqualität bestehen, in verminderten (Umwelt-)Risiken, in einer höheren Übereinstimmung zwischen den persönlichen Werten und dem konkreten Handeln. Akteure aus der Wirtschaft können sich einen Image-Zugewinn versprechen und Politiker ein höheres Ansehen. Der Gegenstand möglicher Aktivitäten muß also für die Akteure eine Bedeutung haben. Diese Relevanz muß jedoch höherrangiger sein als die anderen Probleme. Aus der Rangordnung der Probleme der regionalen Akteure ergibt sich auch eine Rangordnung der aus ihrer Sicht sinnvollen Aktivitäten und des notwendigen Engagements (s. Selle, 199 lb:75). Diese Situation muß sich sowohl in der Wahl der Themenstellungen (s. Kap. 3.2.1; Verknüpfung verschiedener Handlungsfelder, z.B. Arbeitsmarktpolitik) als auch in dem Angebot von ‘Anreizen’ der intermediären Organisation niederschlagen. Als spezifische Anreize und ‘Tauschmittel’ intermediärer Organisationen können folgende Beispiele gelten:

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Anreize für staatliche Stellen: Information und Legitimität Information stellt eine wichtige Ressource im staatlichen Handeln dar. Mit dem Wissen, was ökonomisch und technisch möglich ist, sind die einzelnen gesell­ schaftlichen Systeme (Wirtschaft, Wissenschaft) dem Staat stets informationell überlegen (vgl. v.d.DAELE, 1991:28). Durch Vermittlung und Kooperation können diese Informationsprobleme mit Hilfe der intermediären Organisationen reduziert werden (vgl. Kap. 2, s.u.). Für den Staat könnte weiterhin die stärkere Legitimation für seine Vorhaben ein Anreiz sein, intermediäre Organisationen zu fördern und ihre Vermittlungslei­ stungen in Anspruch zu nehmen. „Legitimität ist ein Engpaß staatlicher Steuerung geworden [...]. Auch Entschei­ dungen, die mit beträchtlichem Aufwand im politischen System als ‘richtig’ und ‘vertretbar’ begründet werden, lösen häufig chronischen Streit und sozialen Wider­ stand (Proteste, Blockaden, Verweigerungen) aus“ (v.d.DAELE, 1991:29). Diese Legitimationsprobleme der staatlichen Steuerung dürften ein wesentlicher Faktor für den zunehmenden Rekurs auf gesellschaftliche Verfahren sein. Vor­ aussetzung für die Akzeptanz der Entscheidungen sind offenbar neue Formen der Beteiligung der Betroffenen (v.d.DAELE, 1991:29).

Anreize für Akteure aus der Wirtschaft: wirtschaftliche, zukunftsorientierte Konzepte Für Unternehmen könnte ein Anreiz in wirtschaftlichen Konzepten liegen, die auch noch zu einem positiven Image beitragen. „Das Einsparmotiv (Energie, Rohstoffe etc.), das die ökologische Bewegung durch­ zieht, ist strukturell verwandt mit dem Kostenminimierungs-Motiv unternehme­ rischen Handelns. Hier kann es gemeinsame Anstöße zu Prozeßinnovationen geben. Die Welle von Maßnahmen zur Energieeinsparung, die durch die deutsche Industrie hindurchgegangen ist, zeugt von der potentiellen Reichweite solcher Koalitionen“ (Zundel, 1994:19). Zudem müssen Unternehmen zukunftsorientiert handeln. Sie müssen sich auf eine immer stärkere Präferenz der Konsumenten für umweltgerechte Produkte einstellen. Handlungsspielräume werden sichtbar, wenn Güter und Dienstleistungen nicht als Selbstzweck betrachtet werden. „Sie erfüllen vielmehr eine Funktion. Energie gibt Raumwärme, Licht, physikalische Arbeit, das Auto erfüllt die Funktion Mobilität, Stoffe erfüllen die Funktion Bekleidung usw.“ (Zundel, 1994:18). Diese Funktionen können aber auch durch weniger Energie- und Stoffeinsatz und durch eine Verminderung der human- und ökotoxischen Risikopotentiale erfüllt werden, womöglich kombiniert mit ökonomischem Geländegewinn (vgl. Zundel, 1994:18). Vor allem kleinere, mittelständische Unternehmen der Region könnten bei der Suche nach diesen Handlungsspielräumen von einer regional tätigen intermediären Organisation profitieren, die Information, Öffentlichkeitsarbeit und Beratung zur Verfügung stellt (Messen, Ausstellungen, Kontakte herstellen, s. RWZ, Kap.2.1.5).

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In gleicher Weise können landwirtschaftliche Betriebe und die regionale Touris­ musbranche einen Nutzen von ihrer Kooperationsbereitschaft haben, wenn um­ weltverträglichere Nutzungskonzepte ihnen neue Märkte eröffnen.

Image Mit dem Begriff‘Image’ werden die subjektiven Vorstellungen, Einstellungen und Erwartungen umschrieben, die mit einem Meinungsgegenstand - hier die inter­ mediäre Organisation - verbunden sind. Eine intermediäre Organisation ist auf ein ‘gutes’ Image angewiesen, weil die Erwartungshaltungen und Einstellungen der Akteure in der Region maßgeblich die Akzeptanz der intermediäre Organisation beeinflussen und damit auch ihre Koope­ rationsbereitschaft. Ohne eine entsprechende Akzeptanz bleiben Vermittlungsver­ suche aussichtslos. Ein positives Image kann einerseits auf den Fähigkeiten der intermediären Orga­ nisation beruhen (s.o.), beispielsweise ihre Stärken - innovativ, - engagiert, - integrativ, - umsetzungsorientiert, - fachlich qualifiziert, - professionell zu sein. Andererseits kann das Image stark von den Tätigkeitsfeldern der intermediären Organisation abhängen. Eine zeitweise Spezialisierung auf einen Handlungsbereich (z.B. Energie) kann dazu fuhren, daß die intermediäre Organisation Schwierigkeiten hat, sich in anderen Bereichen zu etablieren (vgl. KNIELING, 1994). Insbesondere wenn sehr breit angelegte Aufgabenfelder wie die ‘sozial und um­ weltgerecht orientierte Entwicklung’ gewählt wurden, kann es dagegen schwierig sein, ein klares Aufgabenprofil zu vermitteln. Hilfreich kann es sein, mit dem Namen der intermediären Organisation eine griffige ‘Botschaft’ zu verbinden, der zudem positive Vorstellungen weckt. Derartige visionäre Leitbilder können - verbunden mit der entsprechenden Öffentlichkeits­ arbeit - sehr zum Bekanntheitsgrad der Organisation beitragen. Allerdings können in Schlagworten wie ‘Industrielles Gartenreich’ und ‘Emscher-Landschaftspark’ nie alle Aspekte einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung erfaßt werden. Aufgrund von unterschiedlichen Erwartungshaltungen der regionalen Akteure wird es für eine intermediäre Organisation immer schwierig sein, nach allen Seiten Ver­ trauen und Glaubwürdigkeit auszustrahlen. Die Stellung eines ‘neutralen’ Ver­ mittlers ist auch häufig die ‘zwischen den Stühlen’ (vgl. SELLE, 1991b). Interne Qualitätskriterien, welche ‘zukunftsorientiert Problemlösungen’ operationalisieren (vgl. IBA, Kap. 2.1.2) und ‘Spielregeln’ für die Kooperationsprozesse (‘Ideal des fairen Prozesses’, s. Keller, 1991) können hier eine Erleichterung schaffen, indem sie nach außen hin objektive Bewertungskriterien widerspiegeln (s. Kap. 3.3.4). 114

Als ‘Aufhänger’ fur die Tätigkeit der intermediären Organisation könnte die ästhetische Gestaltung der Umwelt dienen, weil sich unter diesem Motto leichter ein Grundkonsens in der Region herstellen läßt. Mit landschaftsgestalterischen und freiraumplanerischen Konzepten können ökologische und soziale Belange in der Region verbunden werden (vgl. IBA Emscher Park, Kap. 2.1.2). Im Gegensatz zu anderen Vermittlungsaufgaben sind hieran auch sichtbare Erfolge zu knüpfen (s.u.). Die Verbindung der Arbeit mit ästhetischen Aspekten, mit Kunst und Kultur ist als wesentliche Ergänzung zu den strukturellen Veränderungen durch Koopera­ tionsnetze und den mehr technischen Veränderungen zu sehen. Erst die Integration und gleichberechtigte Stellung von psychologisch-sozialen und ästhetischen Aspekten (neben ökologischen und ökonomischen) bei der sozial und umwelt­ gerecht orientierten Entwicklung erfaßt die gesamte Bandbreite der menschlichen Bedürfnisse. Diese Aspekte bieten zudem zahlreiche Ansatzpunkte zur Ausbildung eines prägnanten, unverwechselbaren Images.

Kontinuität Die Förderung einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung in einer Region erfordert Kontinuität, d.h. in der Praxis, die langfristige Sicherung von Personal und Institution. Die notwendigen Veränderungen lassen sich im regionalen Maßstab nicht in kurzer Zeit bewältigen. Auch einzelne Projekte bedürfen längerer Betreuungszeiten. Schon die Einarbeitungsphase (Kontakte knüpfen, bekannt machen, erste Projekte durch­ fuhren, Vertrauen schaffen) wird sich über einen längeren Zeitraum (je nach Situ­ ation 1-2 Jahre) erstrecken. Im weiteren Verlauf erschließen sich durch eine beratende Tätigkeit, das Aufgreifen und Fördern bestehender Initiativen, das Ansetzen bei offensichtlichen Defiziten im Umweltbereich, das Anknüpfen an die regionale Identität usw. Möglichkeiten für die Organisation, die Ideen der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung in die Wertvorstellungen und Handlungsweisen der Akteure zu integrieren. Aus einer kurzfristig organisierten Zusammenarbeit von Akteuren (z.B. Landwirten, der Landwirtschaftskammer, Lebensmittelhändlem zur Initiierung einer Vermarktungs­ struktur für regionale Produkte) können Institutionen (z.B. eine Trägergesellschaft für die Förderung des Integrierten Landbaus) hervorgehen, die einen wichtigen Schritt zur ‘Institutionalisierung’ der Idee einer sozial und umweltgerecht orien­ tierten Entwicklung bedeuten. In gleicher Weise soll durch die Einbindung von lokalen und regionale Akteuren und Potentialen (Gewinnen von Weiterbildungsinstitutionen, Fachleuten, Initiativen, Verbänden und Interessengemeinschaften usw. für die Idee der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung) langfristig eine ‘Selbstregulierung’ er­ reicht werden, d.h. die intermediäre Organisation soll sich - von der Tendenz her nicht unabkömmlich, sondern im Gegenteil ‘überflüssig’ machen. Diese Vor­ gehensweise ist allein schon unter dem Gesichtspunkt geboten, daß in der Regel die

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Arbeitskapazitäten der intermediären Organisation von der Fülle an Aufgaben­ stellungen überfordert sind. Im Vordergrund steht also das Anregen, das Initiieren, der ‘Anschub’ und bei Be­ darf die fachliche Begleitung von sozial und umweltgerechten Vorhaben. Mittel- bis langfristig sollen damit die ‘Rahmenbedingungen’ für eine sozial und umwelt­ gerecht orientierte Entwicklung in der Region geschaffen werden in Form von Instanzen, Strukturen, Wertvorstellungen, Handlungsweisen usw. Je nach Aufgabenstellung kann die Tätigkeit zeitlich befristet sein. Wie bei der IBA Emscher Park kann eine intermediäre Organisation die Projektentwicklung und Moderation für einen bestimmten Aufgabenbereich übernehmen und wichtige Impulse für die weitere Entwicklung geben. Aber auch eine zeitlich befristete Tätig­ keit bedarf „ausreichend weiter zeitlicher Horizonte und vor allem der inhaltlichen und institutionellen Kontinuität“ (Selle, 1992b: 160). Zeitlich unbefristet könnte eine intermediäre Organisation - zum Beispiel in Form einer Stiftung - eine Art ‘Institutionalisierung der Langzeitverantwortung’ sein (vgl. auch Vorschläge von Kloepfer, 1992, Schmid, 1992 und 1990). Die Organisation würde u.a. bei Projekten mit erheblicher Relevanz für die Zukunft bereits in der Planungsphase beratend und vermittelnd tätig werden (und so gegen die Ausbreitung des Phänomens organisierter Unverantwortlichkeit angehen (BECK, 1988 in CONRAD, 1992:157)).

Präsentation Erfolgreiche Vermittlungs- und Moderationsarbeit leidet häufig unter dem Di­ lemma, keine vorzeigbaren Ergebnisse liefern zu können (vgl. Selle in Froessler /Selle, 1991:339, Knieling, 1994). Vielfach wird die herausragende Leistung nicht bemerkt, - daß überhaupt eine Kooperation zustandegekommen ist, - daß ein Projekt zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort verwirklicht wurde. Unsichtbar bleibt - daß überhaupt eine Maßnahme stattgefunden hat (nämlich die Herstellung von ‘Normalität’, etwa die Sanierung vergifteten Bodens), - daß maßgebliche Umweltschutzmaßnahmen gegriffen haben (etwa große Ein­ sparungen von Energie und Rohstoffen), obwohl diese Aktionen vielleicht nur durch massive Vermittlungsbemühungen einer intermediären Organisation möglich wurden. Informelle Dienstleistungen werden deshalb häufig nicht entsprechend zur Kenntnis genommen und können nur schwer präsentiert werden. Dieses ‘Dilemma der Unsichtbarkeit’ kann nicht aufgelöst werden. „Es kann gemildert werden durch Öffentlichkeitsarbeit und öffentliche Arbeit, durch Werkstätten, Wettbewerbe, experimentelle Projekte etc. Aber vieles wird nicht präsentabel sein und damit ist die dauerhafte Kollision der intermediären Akteure mit der Forderung, doch endlich

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‘vorzeigbare Ergebnisse’ zu produzieren, abzusehen“ (SELLE in FROESSLER/ SELLE, 1991:340). Auch wenn ein Vermittlungsprozeß ‘vorzeigbare Ergebnisse’ aufweist, ergibt sich noch eine weitere Schwierigkeit. Die anderen beteiligten Akteure wollen in der Regel gleichfalls den Erfolg für sich verbuchen und in der Öffentlichkeit als ihre Leistung darstellen. Die Gefahr ist groß, daß dabei die Vermittlungs Verdienste der intermediären Organisation in den Hintergrund geraten. Die intermediäre Organi­ sation ist aber darauf angewiesen, ihre Leistungen in der Öffentlichkeit, vor Trägem und Förderern darzustellen. Hier einen moderaten Mittelweg zu finden, ohne das Vertrauen der Kooperationspartner auf die Probe zu stellen, wird oftmals eine schwierige Gradwanderung sein. Entsprechende Vereinbarungen zur Präsentation und Verwendung der Ergebnisse sind deshalb möglichst frühzeitig zu treffen.

3.3.3 Der Beitrag intermediärer Organisationen zur Umsetzung des Sustainable development’-Leitbildes Die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes auf regionaler Ebene bedeutet, konsequent Konzepte zur sozial und umweltgerecht orientierten Ent­ wicklung nicht nur zur Wahrung aktueller Interessen zu fordern, sondern auch um der Verantwortung für nachfolgende Generationen gerecht zu werden.

In der Praxis bedeutet das z.B. • die Handelsbeziehungen der Region mit Ländern der sog. ‘Entwicklungs­ länder’ auf ihre Sozialverträglichkeit hin zu untersuchen und Möglichkeiten zu ‘fairen’ Handelsbedingungen zu schaffen (Kooperation mit Handelsketten, Kampagnen für sozial und umweltgerecht produzierte Produkte), • direkte Kontakte zu benachteiligten Regionen durch Partnerschaften und in­ ternationale Netzwerke fördern (Erfahrungsaustausch, Austausch in Rahmen von Besuchen, Maßnahmen zur Förderung der Solidarität), • sozial orientierte Maßnahmen in der Region voranzutreiben, wie Quartiers­ entwicklung und Stadtemeuerung, Beschäftigungsprogramme etc., • einen haushälterischen Umgang mit den regionalen Ressourcen zu unterstützen (Flächenhaushaltspolitik, Rohstoffabbau und -verbrauch senken, Substi­ tuierungsprogramme), • umweltgerechtere Produktions- und Nutzungsformen zu fördern (integrierter Landbau und regionale Vermarktung, Programme zur CO2-Ausstoß-Senkung, alternative Verkehrskonzepte, Produktinnovationen fördern usw.), • vorhandene Umweltschäden zu sanieren (Rückbau von Fließgewässem, Bodenkontaminationen, Lärmbelastungen usw.). Während die Möglichkeiten weitreichende Veränderungen auf regionaler Ebene einzufuhren grundsätzlich schon sehr eingeschränkt sind (s. Kap. 3.1), muß bei der Beurteilung der Wirkungsmöglichkeiten intermediärer Organisationen berück­ sichtigt werden, daß sie nur mit Überzeugungs- und Beratungsmitteln etwas be­ wegen können. Wie die Beispiele aus Kap. 2 gezeigt haben, bleiben trotzdem noch 117

viele Tätigkeitsfelder, um eine sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung zu fordern (vgl. FÜRST, 1992). • „Die Region kann - als bisher wenig institutionalisierte Ebene - unbefangen und unbelastet das Konzept des ‘kooperativen Staates’ praktizieren. Ein institutionalisiertes regionales Forum kann als ‘intermediäre Organisation’, als ‘Libero’, Bewegung in das immer komplizierter gewordene Spiel staatlicher Handlungsträger bringen“ (FÜRST, 1992:11). Die „Selbstblockade vernetzter Politik“ verlangt „regionale Impulsgeber, welche die verfilzten staatlichen Machtstrukturen wenigstens in einigen Teil­ bereichen von unten aufzubrechen versuchen“ (ebenda, S.12) Eine wesentliche Aufgabe der intermediären Organisation besteht darin, die regionalen Akteure - anläßlich übergreifender oder projektbezogener Themen (s.o.) - zu einem regionalen Dialog zusammenzufuhren. Im Rahmen der Moderation muß dabei darauf hingewirkt werden, „daß die Neigung, die Zusammenarbeit zwischen Institutionen primär nur unter den kurzfristigen Aspekten der Verteilungswirkungen zu sehen, zugunsten einer Kooperation mit längerem Zeithorizont zurückgenommen wird. Das heißt, sie muß das Bewußtsein bei den Beteiligten ausbilden, daß das Kollektiv Vorlei­ stungen in die Zukunft bringen muß, nämlich in einem sehr weitgefaßten Be­ griff‘investieren’ muß“ (ebenda). Für die intermediäre Organisation bedeutet das „Konfliktvermittlungsleistun­ gen“ zu erbringen (s.u. ‘Mediation’), „um zwischen Interessenkonflikten zu­ gunsten eines kooperativen Handlungsergebnisses zu vermitteln“ (ebenda). • Intermediäre Organisationen könnten ein Forum zur Entwicklung fach- und gemeindeübergreifender Entwicklungskonzepte bieten (vgl. BM Raum­ ordnung, 1994), aber auch konzeptionelle Anstöße zur ‘ökologischen Orien­ tierung der Fachpolitiken’ liefern. • Die „Mobilisierung von regionalen Selbsthilfekräften“, (z.B. durch die Unter­ stützung lokaler Netzwerke (Bsp. Basel), Zusammenarbeit mit innovations­ bereiten Unternehmen, Förderung von Kampagnen für einen umweltverträg­ lichen Landbau (s.o.)), kann den Umorientierungprozeß in der Region ‘von unten’ unterstützen. • Intermediäre Organisationen sollten „Modellversuche anstoßen, zumindest die staatlichen Gelder für solche Vorhaben durch geeignete Vorschläge ‘von unten’ in die Region lenken“ (FÜRST, 1992:11). • Sie könnten ein Forum für den Austausch von Ideen und Konzepten zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung bieten und entsprechende Veran­ staltungen organisieren.

Die Auflistung ließe sich noch beliebig fortführen. An dieser Stelle soll jedoch der Verweis auf die konkreten Beispiele genügen (s. Kap.2). Diese Tätigkeitsfelder und die konkrete Vorgehensweise der intermediären Organisationen können im Rahmen der Arbeit nicht im einzelnen aufgezeigt werden (vgl. Kap. 2 und die angegebene Literatur).

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Beispielhaft sollen an dieser Stelle nur einige Ansatzstellen für einen speziellen Teilbereich der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung benannt werden, um die Spannbreite der Möglichkeiten aufzuzeigen: informatorische und freiwillige Maßnahmen von Akteuren der Marktwirtschaft. Allein an informatorischen und freiwilligen Maßnahmen von Akteuren der Markt­ wirtschaft - die von einer intermediären Organisation in kooperativen Verfahren angestoßen werden könnten - nennt der Abschlußbericht der ENQUETE-KOMMISSION Schutz des Menschen und der Umwelt (1994:31 Iff):



Betriebsbezogene Umweltmanagement- und Umweltberichtssysteme Umweltmanagementsysteme zielen darauf ab, den Umweltschutz in alle Auf­ gabenfelder, Tätigkeiten, Produkte und Produktionen eines Unternehmens zu integrieren. Eine Kombination von Umweltmanagement und Umweltberichten wurde durch die Einführung des neuen Instruments Öko-Audit geschaffen (s. Öko-Audit-Verordnung - EWG-Verordnung Nr. 1836/93; s.a. freiwillige ‘Responsible-Care’- Initiative der chemischen Industrie, Enquete-Kommission SMU, 1994:44). Sie sind Teil einer vorsorgeorientierten Umweltpolitik.



Ökomarketing (Marketingstrategien unter Verwendung umweltbezogener Eigenschaften der Produkte.)







Branchenspezifische Kooperationen Im Rahmen des US-amerikanischen Kooperationsprogramms ‘Green Star’ haben sich z.B. Firmen dazu verpflichtet, „ihre Betriebseinrichtungen auf Optimierungspotentiale hinsichtlich der Energiesparpotentiale zu überprüfen und diese umzusetzen, wo - dies ökonomisch gewinnbringend ist und - sich dadurch die Arbeitsbedingungen verbessern. Dabei ist jährlich über die erzielten Verbesserungen zu berichten“ (EnqueteKommission SMU, 1994:316). Nach Angaben der US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA) sollen die Ein­ sparerfolge bei der Raumbeleuchtung mittlerweile einen solchen Umfang haben, daß sie ausreichen, um sieben Atomkraftwerke zu ersetzen. Freiwillige Selbstverpflichtungen und Vereinbarungen Kooperationsvereinbarungen und Absprachen können auf freiwilliger Basis zwischen Unternehmen (Kooperationsabkommen auf Firmenebene, lokale Umweltschutzvereinbarungen, Hersteller/Nutzer-Kooperationen) sowie zwi­ schen Unternehmen und Verbrauchern getroffen werden. Kooperationen Unternehmer-Anwohner „Unter Kooperationen von Unternehmern mit Anwohnern lassen sich viele in der Ausgestaltung zum Teil aber sehr unterschiedliche Kooperationen zu­ sammenfassen. Gemeint sind räumliche, ‘echte’ Nachbarn (Anwohner eines Unternehmens; in den USA spricht man von ‘good neighbour agreements’), aber auch Arbeitnehmer, Einleiter und Anwohner eines Flusses (wie bei der

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nach dem Fluß benannten schweizerischen Glatt-Kommission) sowie Behör­ den“ (Enquete-Kommission SMU, 1994:317).



Öko-Dienstleistungen Unter Öko-Dienstleistungen wird das Angebot einer ‘funktionsorientierten ökologischen Optimierung’ verstanden (vgl. IÖW, 1994 in Enquete-Kommis­ sion SMU, 1994:318f). „Die Grundidee der ökologischen Funktionsorientie­ rung beruht [...] darauf, daß materielle Güter als Problemlösung für bestimmte Funktionen verstanden werden [s.a. oben]. Ein Beispiel für die Unterscheidung zwischen einem Gut und der Funktion, die es erfüllt, ist Strom einerseits und Arbeit, Wärme, Licht andererseits. Die Stoßrichtung des Konzepts liegt darin, daß diejenige Problemlösung für eine gegebene Funktion gewählt wird, die - einen möglichst geringen Stoffumsatz impliziert, - das Kriterium hochwertiger Recyclierbarkeit erfüllt und - ein Minimum an öko- und humantoxikologischen Risiken mit sich bringt (IÖW, 1994:122)“ (Enquete-Kommission SMU, 1994:318; s.a. Zun­ del,

1994).

Instrumente einer ökologischen Funktionsorientierung sind zum Beispiel: - Ökoleasing, - ‘ least-cost-planning’, - Stoffagenturen.



Sortimentumstellung im Handel „Handelsunternehmen stehen an der Schnittstelle zwischen Produzenten und Verbrauchern. Damit kann der Handel den Einsatz umweltfreundlicher Pro­ dukte im Rahmen einer Sortimentsumstellung forcieren (‘ecology-pull-Strategie’)“ (Enquete-Kommission SMU, 1994:319).



Verbraucherinformation (z.B. Produktkennzeichnung und Umweltzeichen)



Öffentliches Beschaffungswesen (s. z.B. kommunale Beschaffungs-UVP)



Umweltinformation für die Öffentlichkeit (z.B. kommunale Umweltberichterstattung (s. z.B. DIFU, 1987), Untemehmensberichterstattung, EU-Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (EWG-Verordung Nr. 313/90 v. 7.Juni 1990)).



Umweltbildung (Integration umweltrelevanter Themen in das (Aus-) Bildungssystem)

3.3.4 Ansatzpunkte zur Integration der Langzeitverantwortung Zu vielen weiteren Nutzungsfeldem liegen darüberhinaus zahlreiche Konzepte und Verfahren vor, die eine Ausrichtung der Nutzungen auf soziale und Umweltaspekte fördern können. Häufig fehlt jedoch das Wissen um diese Konzepte und ein Initia­ tor, damit sie zur Anwendung kommen. Die Sammlung und Auswertung derartiger 120

Strategien kann zu einer wichtigen Aufgabe für intermediäre Organisationen, bzw. innerhalb des Netzwerkes intermediärer Organisationen werden. Aus dieser Fülle an Konzepten und Verfahren sollen im folgenden jene Elemente im Vordergrund stehen, die eine Ausrichtung der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung auf längerfristige Perspektiven ermöglichen. Aufgrund der in Kapitel 1.1 angedeuteten Bewertungsprobleme wird es jedoch schwierig sein, eine Trennung von ‘traditionellen’ und ‘nachhaltigen’ Projekten im umweit- und entwicklungspolitischen Bereich vorzunehmen. Oftmals sind umwelt­ verträglichere Nutzungsstrategien erst in unzähligen kleinen Schritten umzusetzen, wobei jedem einzelnen Schritt ein entsprechende Bedeutung zukommt. Konkrete Schritte in Richtung ‘zukunftsfähiger Entwicklung’ zeichnen sich generell dadurch aus, daß ihnen eine Langfristperspektive zugrundeliegt, d.h. sie orientieren sich z.B. an Leitprinzipien der Umweltverträglichkeit (z.B. dem ‘Minimierungs­ prinzip’, Reversibilität, Risikovermeidung) und politisch gesetzten langfristigen Zielfestlegungen (z.B. Reduktionsziele für CO2). Leitprinzipien wie Zielfestlegun­ gen sind darauf ausgerichtet, daß die Nutzungsformen voraussichtlich keine erheb­ lichen unerwünschten Folgen mit sich bringen, bzw. die Folgen nicht in einem un­ vertretbaren Verhältnis zum Zweck stehen (s.a. Vorsorgeprinzip in der Umweltpoli­ tik). Die Annäherung an die Zielfestlegungen ist als ein Lernprozeß zu verstehen, in dem die gemachten Erfahrungen und neue Erkenntnisse immer wieder neu bei den einzelnen Maßnahmen berücksichtigt werden sollten. Veränderte soziale, ökono­ mische und ökologische Rahmenbedingungen fuhren zu Modifikationen des Um­ setzungsprozesses. In vier Abschnitten werden im folgenden unter verschiedenen Stichworten Ansatz­ punkte für die Arbeit von intermediären Organisationen vorgeschlagen, welche eine Integration des Nachhaltigkeitsgedankens in die sozial und umweltgerecht orientierte Entwicklung ermöglichen sollen: a) Kooperative Problemlösungen b) Wissenstransfer, Innovationen, Kontrollstrukturen, Pionierprojekte c) Mobilisierung, Beratung und Vernetzung d) Beteiligung

a) Kooperative Problemlösungen Ein wichtiger Ansatz zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes in einer Region kann in der Initiierung ‘kooperativer Problemlösungen’ gesehen wer­ den. Durch Information, Beteiligung, Auseinandersetzung, Vermittlung, Aushand­ lung, Beratung, Überzeugung, Unterstützung, Aktivierung, Koordination, Moder­ ation usw. entstehen häufig erst konkrete Konzepte, die auch in die Realität umge­ setzt werden (vgl. SELLE, 1992a). Hierdurch eröffnet sich ein breites Betätigungs­ feld für intermediäre Organisationen (s.o. und Kap. 2).

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Die fur ein Problemfeld relevanten Akteure sind zusammenzufuhren, Leitbilder, Ziele und Kriterien müssen gemeinsam formuliert, Projekte entwickelt und die Umsetzung koordiniert werden. Zahlreiche Methoden und Verfahren stehen dabei zur Verfügung, um Gesprächspartner zu motivieren, Arbeitskreise zu moderieren und komplexe Verfahren zu koordinieren (vgl. Kap. 1.2.3). Wie kann bei diesen ‘kooperativen Problemlösungen’ aber der ‘Nachhaltigkeits­ gedanke’ integriert und zur Geltung gebracht werden?

Institutionalisierung... Die Etablierung einer intermediären Organisation in einer Region, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes zu fördern, ist für sich schon eine Form der ‘Institutionalisierung der Langzeitverant­ wortung’ (vgl. auch Kloepfer, 1992). Gesellschaftliche Gruppen können ihre Interessen nicht nur durch direktes politi­ sches Handeln, sondern auch über politische Institutionalisierung durchsetzen. „Politische Institutionen sind aus dieser Sicht so etwas wie historisch geronnene Interessen [...]. Politische Institutionalisierung ist somit ein gar nicht gering einzu­ schätzendes Mittel und Instrument gesellschaftlicher Interessenverwirklichung“ (ROHE, 1994:39). In der Form der beschriebenen Vermittlerorganisationen (s.o. und Kap. 2) haben sich dementsprechend Interessen an einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung verwirklicht. Je nach Organisationstyp (s.o.) repräsentieren sie unterschiedliche Interessengruppierungen und Akteure der Region. „Von Veränderung des politischen Institutionensystems im weitesten Sinne läßt sich auch dann sprechen, wenn Gesellschaften sich daran gewöhnen, neue Praktiken politischer Auseinandersetzung oder neue Wege der Artikulation von Interessen als legitim und selbstverständlich zu akzeptieren. Eine Gesellschaft, die sich an ihr bis dahin ziemlich unbekannte Formen des politischen Handelns, etwa an Bürgerinitiativen nach und nach gewöhnt, hat damit in gewisser Weise auch einem Wandel ihres politischen Institutionen- und Regelsystems zugestimmt“ (ROHE, 1994:41). Derartige Veränderungen finden derzeit z.B. auch im Rahmen • der ‘Prozeduralisierung’ von Problemlösungen (s.o., s. z.B. Mediationsverfahren, Pfingsten, 1993, Pfingsten/Fietkau, 1992) und • der verstärkten Nutzung kooperativer Steuerungsstrategien seitens des Staates (s. Kap. 1.2, s. z.B. Ritter, 1990; Hill, 1993 ), sowie • der vermehrten Einflußnahme von Umweltverbänden (bzw. allgemein ‘NichtRegierungsorganisationen’) durch Verhandlung und Konfrontation auf staat­ liche und wirtschaftliche Akteure statt. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Einflußnahme zahlreicher Akteure an der gesellschaftlichen Entwicklung führt nicht nur zu neuen Unübersichtlichkeiten und Steuerungsproblemen. Durch die Initiierung von ‘kooperativen Problemlösungen’ als eine Voraussetzung für konkrete Schritte in Richtung nachhaltiger Entwicklung -

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findet auch ein Wandel im gesellschaftlichen Regelsystem statt, welcher eine Chance zur stärkeren Berücksichtigung der Langzeitverantwortung beinhaltet.

Integration... Eine konsequent vorsorgeorientierte und an den Ursachen ansetzende Veränderung von Nutzungsmustem ist die wichtigste Voraussetzung, um der Langfristverant­ wortung Geltung zu verschaffen. Hierzu sind jedoch integrierte Konzepte und Vor­ gehensweisen in allen gesellschaftlichen Bereichen erforderlich (s.o., Konsum­ sektor, Produktionsformen, Kommunalpolitik, hier z.B. Ansätze bei der Wirt­ schaftsforderung, Finanzpolitik usw.), welche die vielfältigen Rahmenbedingungen der Nutzungsformen berücksichtigen. Die Integration von sozialen und Umweltbelangen in die gesellschaftlichen Teil­ systeme erhöht deren Fähigkeit zur ‘Selbstregulierung’ (s. Kap. 3.3.2). Eine erhöhte Selbststeuerungsfahigkeit kann als ein Schritt gegen eine wachsende Kontrollintensität in der Gesellschaft angesehen werden. „Wachsende Kontroll­ intensität stärkt die Status-Quo-Orientierung und verlangsamt Entscheidungspro­ zesse, was zu Lasten der innovativen Entwicklung in Richtung einer ‘aktiven Ge­ sellschaft’ [...] geht (FÜRST, 1990:525).

Dies umfaßt auch eine konsequente Integration der Sozial- und Umweltbelange in die Fachpolitiken. Trotz fortschreitender ‘Ökologisierung’ der Fachpolitiken sind hier noch erhebliche Defizite zu verzeichnen. Vielmehr symbolisieren Entwicklungen in einzelnen Fachressorts (s. Landwirt­ schaft, Verkehr, Wirtschaftspolitik), wie wenig und begrenzt die Berücksichtigung von Umweltproblemen im Kembereich der Fachpolitiken voranschreitet und es zu einer echten ‘Ökologisierung’ der Fachpolitiken kommt. Es mögen sich zwar die Umrisse einer primär korrektiv wirkenden Umweltpolitik ausmachen lassen, aber kaum deren substanzielle und nicht bloß formale Integration in die Fachpolitiken. Gemessen an diesem strengen Maßstab einer früh- und rechtzeitigen Beachtung möglicher ökologischer Folgeprobleme seitens anderer Politikbereiche hat das vorherrschende Muster der Umweltpolitik eindeutig Symbol- ja sogar Alibicharak­ ter. In dieser Hinsicht dürfte die Herauslösung von Umweltkompetenzen aus den Fachressorts und die Bildung eigener Umweltbehörden nicht unbedingt positiv zu bewerten sein (Conrad, 1992:168 in Bezug auf die Politikmuster zur Nitrat­ problematik).

Qualitätskriterien... Organisationsinteme Qualitätskriterien sollen gleichsam einen Filter darstellen, den die Projekte passieren müssen, um von der intermediären Organisation auf­ genommen und gefordert zu werden. Qualitätskriterien können einerseits positiv die angestrebte Entwicklung umschrei­ ben. Die bisher nur in groben Zügen aufgefuhrten Handlungsprinzipien zur Sozial­ und Umweltverträglichkeit (vgl. Kap. 1.1 und 1.4), können für die verschiedenen Handlungsfelder der intermediären Organisation konkretisiert werden.

123

Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung kann als Qualitätskriterium für betreute Projekte die Auflage gemacht werden, daß sich die Akteure möglichst auf ein langfristiges (Reduktions-, Umweltqualitäts-, etc.) Ziel festlegen müssen. Anderer­ seits kann versucht werden, über Ausschlußkriterien unerwünschte Entwicklungen zu verhindern. „So etwa in der Zielbestimmung für die IBA Emscher Park: „Ausschlußkriterium: Auf keinen Fall dürfen durch IBA-Projekte Verdrängungsprozesse von Bewohnern und Gewerbetreibenden in Gang gesetzt werden.“ (IBA Emscher Park 1990)“ (Selle in Froessler/Selle, 1991:38). Durch die thematische Auswahl der Projekte und unterstützt von den Qualitäts­ kriterien erlangt die Vorgehensweise der intermediären Organisation - ganz im Sinne eines ‘perspektivischen Inkrementalismus’- eine wertorientierte Ausrichtung, welche den Aspekt der Langfristorientierung mit einschließt (vgl. Kap. 1.2.3).

Selbstbindung im Rahmen der Moderation... Die Moderation von Kooperationsprozessen eröffnet weitere Möglichkeiten dem Nachhaltigkeitsgedanken Geltung zu verschaffen: • Im Rahmen von Kooperationsprozessen müssen zunächst Leitbilder, Ziele und Kriterien gemeinsam ausgearbeitet und formuliert werden, bevor konkrete Projekte entwickelt und umgesetzt werden können. Diese Entscheidungspro­ zesse können inhaltlich über Zielstrukturen und Konzeptionsentwürfe vor­ strukturiert werden und auf übergeordnete, langfristige Ziele hin ausgerichtet werden (vgl. FÜRST, 1993:555). • Zudem können Akteure (z.B. Kommunen, Unternehmen) zu freiwilligen Zielaussagen bezüglich der angestrebten Umweltqualitäten oder Emissions­ begrenzungen animiert werden (s.o.), die im Sinne einer nachhaltigen Ent­ wicklung für notwendig erachtet werden (z.B. im Rahmen der Aufstellung einer lokalen Agenda). • Für einzelne Nutzungssektoren können innerhalb einer Region Leitprinzipien für die Sozial- und Umweltverträglichkeit aufgestellt werden (s. z.B. ‘Leit­ linien der niedersächsischen Landwirtschaftkammer, v. Haaren / Muncke, 1992). • Eine besondere Bedeutung ist der Aufstellung und Diskussion von Zielfest­ legungen und Leitbildern auf regionaler Ebene beizumessen (s. folgende Aus­ führungen). Die Aufstellung der Ziele und Leitbilder sollte in einem kooperativen Prozeß unter Beteiligung aller relevanten Akteure der Region erfolgen. Der Zweck liegt darin, operationalisierte Ziele und einen festen Bezugsrahmen für die nachhaltige Ent­ wicklung einer Region zu schaffen. In gesellschaftspolitischen Debatten wird oftmals das Fehlen von übergreifenden Langfristvisionen und - konzepten moniert (vgl. Simonsen in Fürst, 1992:8). Das politische Handeln ist in der Regel auf kurze Zeithorizonte ausgerichtet (die nächste Wahl, die Bekämpfung der nächsten Akut-Krise, die Beruhigung der Bürgerproteste 124

und Medien) und kommt den gesellschaftlichen Erwartungen, Führungsftmktionen zu erfüllen, zukunftsorientierte Perpektiven zu entwickeln nicht nach (FÜRST, 1992). Ein Ausweg aus dieser Situation könnte darin bestehen, abseits von tagespolitischen Verteilungskämpfen, in einem kooperativen Prozeß Zukunftsvisionen und Leitbilder zu entwickeln, die auf einem gemeinsamen Verständnis der Problemlage und Lösungswege beruhen. Grundlage des Konsenses könnte eine Art ‘Gesellschafts­ vertrag’ sein (in Anlehnung an HOBBS, LOCKE, ROUSSEAU), der auch zukünfige Generationen mit einbezieht. Aus diesem Vertrag könnten die neuen Chancen und Instrumente für eine aktive Politik und neuartige Kooperationen begründet und umgesetzt werden (vgl. BÖHRET, 1992).

Zielfestlegungen... Zielfestlegungen stellen operationalisierte Ziele dar, die in einem vorgegebenen Zeitraum zu realisieren sind (z.B. beim dualen Abfallbeseitigungssystem, bei der CO2-Regehmg, bei der FCKW-Regelung) (vgl. FÜRST, 1992:4). Sie können sich auf eine überschaubare Anzahl prioritärer ökologischer und sozialer Problemfelder beschränken. Gleichzeitig wird die Möglichkeit geschaffen, Erfolge oder Mißer­ folge zu evaluieren und Zielvorgaben entsprechend zu modifizieren. Neben quanti­ tativ bestimmbaren Zielen können Zielfestlegungen auch qualitativ umschrieben werden, wenn es der Zielbereich erfordert (z.B. das Programm ‘Lachs 2000’) (vgl. v.Haaren, 1993). Beiden ist gemein, daß sie einen hohen ‘Symbol- und Identi­ fikationsgehalt’ besitzen (Kiemstedt/ Müller-Bartusch, 1992). Ihre Bedeutung liegt vor allem in der Selbstbindung und der Orientierungsfiinktion.

Vorbild für eine derartige Vorgehensweise könnte der nationale Umweltpolitikplan der Niederlande (NEPP) sein. Der NEPP wurde „von Anbeginn an in einem inter­ aktiven, iterativen und partizipativen Prozeß entwickelt, in dem alle relevanten Gruppen (‘target groups’) und die verschiedenen Ebenen der Regierung (national, regional und lokal) beteiligt wurden“ (SRU, 1994, Tz. 142). „Mit diesem 1989 entwickelten Plan hat sich die niederländische Regierung das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 die Nutzung von Umweltressourcen als Rohstoffquellen und als Aufnahmen!edium für Reststoffe auf ein Niveau zurückzuführen, das den Kriterien einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung entspricht“ (Enquete-Kommission SMU, 1994:289). Wesentliche Elemente dieses Umwelt­ plans ließen sich auch auf die regionale Handlungsebene übertragen. Nach Einschätzung der Enquete-Kommission (1994:289) „hat die Existenz von quantitativen Umweltzielen einen unschätzbaren Wert für die Entwicklung von konkreten Umsetzungsstrategien auf allen Ebenen der niederländischen Umwelt­ politik. Sie bilden einen festen Bezugsrahmen, für den es in den Niederlanden einen breiten Konsens gibt, und tragen in Verbindung mit den zeitlich gestaffelten Zwischenzielen und der branchenbezogenen Aufschlüsselung erheblich zur Struk­ turierung und Versachlichung der öffentlichen Diskussion bei“ (s.a. GRlEßHAMMER, 1994).

125

Viele Ziele der Umweltpolitik lassen sich jedoch nicht oder nur schwer quantifi­ zieren. Für konkrete Projekte ist ein sehr viel differenzierteres Zielsystem erfor­ derlich, das nach dem Gegenstromprinzip die Verhältnisse vor Ort berücksichtigt (vgl. Kjemstedt / Müller-Bartusch, 1992; Fürst / Kiemstedt, 1990; Fürst 1994a).

Leitbild-Diskurs... Die Entwicklung einer Region ist in einem starken Maße von gesellschaftlichen Leitbildern geprägt. Leitbilder sind Vorstellungen über gegebene oder herstellbare räumliche, technische oder soziale Möglichkeiten und Bedingungen, die sich zu vorausdeutenden Planwerken, Technik- oder Gesellschaftsentwürfen verdichten. Sie wirken als wahmehmungs-, denk-, entscheidungs- und handlungsleitender Orien­ tierungsrahmen für individuelle und kollektive Akteure in Netzwerken der Politik, räumlichen Planung, Wirtschaft usw. (vgl. Barben / Dierkes / Marz, 1993). Der Begriff ‘Leitbild’ wird in den unterschiedlichsten Kontexten verwandt (vgl. Marz / Dierkes, 1992): man spricht von Makro-Leitbildern, wie der Tnformationsgesellschaft’, der ‘Dienstleistungsgesellschaft’ oder aber vom ‘sustainable development’-Leitbild, von Meso-Leitbildem wie der ‘autogerechten Stadt’ und von Mikro-Leitbildern wie zum Beispiel jenen, welche die Entwicklung des Automobils geprägt haben: Automobil als ‘Renn-Reise-Limousine’, ‘stärker, schneller, weiter’ (vgl. Canzler / Knie / Berthold, 1993). Leitbilder sind ein wesentliches Medium, in dem gesellschaftliche Kommunikation über räumliche, wissenschaftlich-technische oder soziale Entwicklungen stattfindet. Von daher stellen Leitbilder auch einen möglichen Ansatzpunkt dar, jene zu ver­ bessern (vgl. Barben / Dierkes / Marz, 1993:6; vgl. Enquete-Kommission SMU, 1994:2Iff zum Leitbildbegriff ‘sustainable development’ und Leitbildern einer Stoffpolitik). Weil Leitbilder bei der Entstehung gesellschaftlicher Entwicklung maßgeblich mit­ wirken, kann über deren Beeinflussung gleichsam bei den Ursachen vieler Probleme angesetzt werden. Die einzelnen Maßnahmen zur Umorientierung gesellschaftlicher Entwicklung hin zu einer ‘nachhaltigen’ Entwicklung werden zahlreiche Einsprüche von Akteuren provozieren, die entgegengesetzte Vorstellungen, Machbarkeits- und Wunsch­ projektionen vertreten. Ein gesellschaftlicher Leitbild-Diskurs - zum Beispiel im Rahmen der Aufstellung von Zielvorstellungen - kann dazu beitragen, die zugrundeliegenden Leitbilder offenzulegen und die Entwicklung einer Vielzahl an Ideen und Entwürfen stimu­ lieren, um die Anzahl der Optionen in der Diskussion um mögliche Entwicklungs­ wege zu erhöhen (s. Abb. 13). (Zu Anforderungen und Möglichkeiten eines Leit­ bild-Diskurses s. Barben / Dierkes / Marz, 1993; Marz / Dierkes, 1992).

126

bisheriges Leitbild

1. Stufe

Erzeugung eines Pools von unterschiedlichen Ideen mit Leitbildpotential

‘Drei-Stufen’-Strategie

2. Stufe

Erarbeitung eines neuen Leitbildes durch Diskussion, Selektion und Präzisierung dieser Ideen

3. Stufe

Entfaltung des neuen Leit­ bildes in der Alltagspraxis

Abb. 13: Transformation eines Leitbildes (nach Marz / Dierkes, 1992)

Die Aufdeckung von Widersprüchen zwischen allgemein vertretenen Leitbildern und Alltagserfahrungen kann im Diskurs eine wichtige Rolle einnehmen. Im Mit­ telpunkt dieses Diskurses würde insofern die Frage stehen ‘Was wollen wir eigent­ lich?’

(Siehe z.B. zu den Folgen der ‘Beschleunigungstendenzen’ in allen gesellschaft­ lichen Bereichen WHITELEGG, 1994; STURM, 1994; WUPPERTAL-INSTITUT 1996:1531). Als Beispiele für Leitbilder im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung können neben der schon skizzierten ‘Funktionsorientierung’ (s.o.), die ‘Energieeffizienz’, ‘geschlossene Stoffströme’ oder auch der ‘Sanfte Tourismus’ und ‘ökologisches Bauen’ genannt werden (s.a. Enquete-Kommission SMU 1994, WuppertalStudie 1996). Ergänzend zu dem Diskurs, bzw. als wichtiger Bestandteil des Diskurses können konkrete Anwendungen in der Praxis die Transformation von Leitbildern stark beeinflussen. Insofern bestehen auch Rückkopplungsbeziehungen zwischen Diskurs und Anwendung in der Praxis (zur ‘Leit’- und ‘Bild’funktion von Leitbildern s. Barben / Dierkes / Marz, 1993:9). Die gezielte Initiierung einer Leitbild-Diskussion kann eine hohe Bedeutung für die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes in einer Region haben. Die elementaren Voraussetzungen für eine Umorientierung sind vor allem veränderte Wertorientierungen der regionalen Akteure. Veränderte Leitbilder nehmen hierbei eine wichtige ‘Leit’-Funktion ein. Sie können gesellschaftliche Prozesse in eine gemeinsame Richtung lenken (z.B. gemeinsame Anstrengungen zur Energieeinspa­ rung, Müllvermeidung usw.). In Qualifizierungs- und Verständigungsprozessen, in schrittweisen projektorientierten Lernprozessen müssen die veränderten Leitbilder vor allem ‘in den Köpfen’ der Menschen verankert werden. Die Gestaltung und 127

Moderation solcher vielschichtigen sozialen Prozesse ist für intermediäre Organi­ sationen ein wesentlicher Arbeitsinhalt und bestimmt die notwendigen Arbeits­ formen (vgl. Selle, 199 la:37).

Beteiligung und Wissenstransfer Weitere wichtige Elemente, um der Langzeitverantwortung in einer Region im Rahmen von kooperativen Problemlösungen Geltung zu verschaffen, stellen die Partizipation und der Wissenstransfer dar. Auf diesen Aspekt wird in den folgenden Abschnitten näher eingegangen.

b) Wissenstransfer, Innovation, Kontrollstrukturen, Pionierprojekte Die Wahrnehmung der Langzeitverantwortung setzt präventive, ursachenbezogene Maßnahmen voraus, die jedoch nur in einem geringen Maße gesetzlich vorzu­ schreiben sind, bzw. aktuell geregelt sind. Je mehr umweltpolitische Maßnahmen einen vorsorgeorientierten Charakter haben, umso mehr ist ihre Durchsetzung auf persuasive Strategien angewiesen. Diese Situation spiegelt sich auch in den vorherrschenden Regulierungsmustem der Um­ weltpolitik wider (vgl. CONRAD, 1992:162f). Ein wichtiges Element persuasiver Strategien stellt der Wissenstransfer dar.

Wissenstransfer und Lernprozesse Bisherige Erfahrungen zeigen, daß einzelne Bausteine einer sozial und umweltge­ recht orientierten Entwicklung vor allem theoretisch vorgedacht aber nur sehr ver­ einzelt umgesetzt worden sind. Nur in enger Verbindung von Theorie und Praxis und durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachdisziplinen mit den Akteuren in der Region wird man die erforderlichen Lösungen finden bzw. sich ihnen annähem können. Es zeichnen sich hierbei zwei Aufgabenbereiche für intermediäre Organisationen zur Förderung vorsorgeorientierter Nutzungsweisen ab: • die Vermittlung zwischen Wissens- und Entscheidungsträgem Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Folgewirkungen von menschlichen Eingriffen in den Naturhaushalt und die Möglichkeiten, Eingriffe zu minimie­ ren, müssen für die regionalen Belange aufbereitet und in verständlicher Form vermittelt werden. Verschiedene Wissensbereiche müssen zudem miteinander in Bezug gesetzt werden. Es müssen verstärkt Anstrengungen unternommen werden, integrierte wirtschaftliche, technische, kulturelle und politische Kon­ zepte zu entwickeln, die gleichzeitig vorsorge- und umsetzungsorientiert sind (vgl. Dehler, 1991). •

128

Vermittlung umsetzungsorientiefter Konzepte Bei der Umsetzung der Schritte zu einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung muß nicht immer wieder ‘das Rad neu erfunden’ werden. Durch den intensiven Austausch mit anderen regionalen Initiativen, durch die Auswertung von Fachliteratur, durch ‘Ideenbörsen’ und der Organisation von Wissensaustausch in Symposien, Sommerakademien usw. kann Doppelarbeit

erspart und durch die ‘Macht des Beispiels’ Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Arbeit der intermediären Organisationen ist auch in dieser Hinsicht von um­ fangreichen Verständigungs- und Qualifizierungsaufgaben gekennzeichnet (vgl. Leitbild-Diskurs). Damit eine Langfristorientierung in einer Region nachhaltig verankert wird, ist parallel zur Realisierung konkreter Projekte z.B. in Form einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit Dringlichkeit, Realisierbarkeit und Attraktivität eines Wandels in der Region deutlich zu machen. Verständigung und Qualifizierung sind in Form von Lernprozessen zu organisieren (vgl. Conrad, 1992:134f). Erst die Verbindung von theoretischem Hintergrund­ wissen und praktischen Erfahrungen wird Lernprozesse in Gang setzen, die zu Um­ orientierungen in Richtung einer ‘nachhaltigen’ Entwicklung fuhren.

Innovationen Ein gemeinsames Merkmal der meisten Handlungsansätze zur Umsetzung einer an langfristigen Perspektiven orientierten Entwicklung ist der hohe Stellenwert, der Innovationen beigemessen wird (vgl. ENQUETE-KOMMISSION SMU, 1994:37f). Innovativ im Hinblick auf die Wahrnehmung der Langfristverantwortung bedeutet: • Präventive Problemlösungen: Problemlösungen sollten schwerwiegende Folgen von vornherein vermeiden und bei den Ursachen ansetzen (Prinzip der Umweltvorsorge (BMU 1986); s.o. •

Prinzip der ökologischen Funktionsorientierung). Multifunktionale Problemlösungen: Problemlösungen sollten daraufhin entwickelt werden, daß sie verschiedenen Ansprüchen genügen (multifunktionales Grunddesign). Jedes Produkt, jede Leistung und Organisation sollte nicht nur einseitig einer bestimmten Funktion dienen, sondern möglichst vielfältigen Bedürfnissen gerecht werden. So sollte bei dem Bau eines Hauses z.B. darauf geachtet werden, daß es sowohl unter den Aspekten Umweltverträglichkeit (‘Niedrigenergiehaus’, ‘ökologische Bau­ stoffe’) als auch Funktionalität und Attraktivität (Berücksichtigung der regionalen und lokalen Architektur) gestaltet wird. Als Grundsatz für die Konzipierung von Chemikalien bedeutet multifunktionales Grunddesign, daß diese z.B. störungsfrei in natürliche Stofikreisläufe eingebunden werden können (vgl. ENQUETE-KOMMISSION SMU, 1994:41). Durch die Berücksichtigung verschiedener Ansprüche bei einer Problemlösung können Strategien entwickelt werden, die andere Probleme mitlösen, anstatt neue zu produzieren oder die Probleme in andere Bereiche zu verschieben. (Bsp. umweltverträgliche Landwirtschaft: Tätigkeit für Landwirte wird gesundheitsverträglicher, gesündere Lebensmittel, Schonung der natürlichen Funktionen, attraktiveres Landschaftsbild...). Im Gegensatz dazu herrscht derzeit noch Monofunktionalität (Flüsse als ‘Wasserstraßen’) und Einseitigkeit bei den Problemlösungen vor (z.B. rein ‘technische’ Optimierung), (s.a. Enquete-Kommission SMU, 1994:41f, ‘Ökologisches Design’, Vester,

129



1991b:82; VESTER 1991a:85, ‘Biologisches Grunddesign’, WEIZSÄCKER, 1994:224). Integrative Problemlösungen: Integrative Problemlösungen ergänzen den Vorsorge- und Vermeidungsaspekt um eine sozio-ökonomische Komponente. Auf der einen Seite sind Problem­ lösungen nur zukunftsfähig wenn sie sich auch als wirtschaftlich tragfähig er­ weisen. Auf der anderen Seite „wird zunehmend erkannt, daß eine wirkliche Lösung der Umweltprobleme nur durch Einbeziehung ihrer sozialen und kul­ turellen Dimensionen möglich ist, denn in diesen Dimensionen liegt nicht nur ihr Verursachungszusammenhang, sondern auch das eigentliche Lösungs­ potential“ (Hahn, 1991:86).

Nicht nur bei der Ausgestaltung von Produkten und Nutzungsformen sind Inno­ vationen erforderlich. Die Existenz von Problemlösungspotentialen ist nicht gleich­ zusetzen mit realen Verbesserungen. Bei deren Einführung und Umsetzung sind vielmehr auch Verfahrensinnovationen erforderlich (s. Kap. 1.2.3 ‘Kooperative Problemlösungen’, verschiedene Verfahren zur Ideenfindung usw., BÖHRET, 1992:69 spricht in diesem Zusammenhang von ‘Innovationsbündnissen’, s.a. FÜRST, 1990). Je nach Problemfeld können in immer wieder neuen personellen Konstellationen und mit verschiedenen Moderationsverfahren durch die gemein­ same Entwicklung von Maßnahmen, die an die lokalen Verhältnisse angepaßt sind, gleichzeitig auch Umsetzungshemmnisse identifiziert und überwunden werden.

Kontrollstrukturen Die Wahrnehmung von Langzeitverantwortung kann auf regionaler Ebene auch durch die Modifikation und Institutionalisierung ‘kritischer Kontrollstrukturen’ erfolgen (vgl. FÜRST, 1992:12). Zu diesen Kontrollstrukturen sind Aktivitätsfolgeabschätzungen zu zählen, d.h. Verfahren wie Umweltverträglichkeitsprüfung, Raumordnungsverfahren (Raumver­ träglichkeitsprüfung), Sozialverträglichkeitsprüfung oder Technikfolgenabschätzung (TA) (s. fürst, 1993:555f, v.d.DAELE, 1991). „Sinn dieser Verfahren ist u.a., daß die Handlungsträger die externen Effekte ihres Handels berücksichtigen. Damit will man erreichen, daß sich die engen egoistischen Kosten-Nutzen-Kalküle zugunsten kollektiver Belange öffnen. Solche selbst­ reflexiven Mechanismen werden dadurch unterstützt, daß die Raumbeobachtungs­ systeme ausgebaut werden und daß Öko-Bilanzen, Energie- und Stoffbilanzen, Flächenbilanzen, Öko-Audits u.ä. zumindest diskutiert und erprobt werden“ (FÜRST, 1993:556). Freiwillig, im Rahmen von kooperativen Verfahren oder als gesetzliche Auflage ausgefuhrt, können in solchen Kontrollmechanismen verstärkt Aspekte der Lang­ zeitverantwortung integriert, bzw. hervorgehoben werden. Zu den Kontrollstruk­ turen können auch kommunale Umweltberichte und die Untemehmensberichterstattung gezählt werden (s.o.), in denen Erfordernisse einer ‘nachhaltigen Ent-

130

wicklung’ berücksichtigt werden. (Zur Frage von Indikatoren s. z.B. SRU, 1994; Enquete-Kommission SMU, 1994; Kiemstedt / Müller-Bartusch, 1992).

Praxisnähe/Pionierprojekte Jede langfristig ins Auge gefaßte umfangreiche gesellschaftliche Veränderung muß mit überschaubaren, konkreten Projekten beginnen (vgl. Kap. 1.2). Angesichts der vielfältigen Handlungsrestriktionen für die Wahrnehmung der Lang­ fristverantwortung (s.o.) gewinnen Modellversuche und Sozialexperimente an Bedeutung. Nicht immer fuhren sie zum Ziel, und sehr häufig wird es sich um eher symbolische Aktionen handeln; aber es werden Innovationen eingeleitet und Erfah­ rungen gewonnen (vgl. FÜRST, 1992:4).

c) Mobilisierung, Beratung und Vernetzung Die Einführung einer sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung, welche auch Langfristperspektiven berücksichtigt, kommt ohne direkte und laufende Kooperation mit den Bürgern nicht aus. „Das liegt in der Natur der Sache: unsere alltäglichen Lebensgewohnheiten sind es ja (unter anderem), die [...] zu einer Gefahr für unsere eigene Existenz geworden sind. Eine solche tiefgreifende Änderung im Verhalten der einzelnen Haushalte setzt intensive Verständigungs- und Lernprozesse ebenso wie weitreichende Koope­ rationsverhältnisse voraus. Umfassende Konzepte ökologisch orientierter Stadt­ emeuerung, wie sie etwa in Nürnberg Gostenhof-Ost verfolgt werden [s. Kap. 2.1.8], sind zudem wesentlich davon abhängig, daß es gelingt, zahlreiche Einzel­ aktivitäten in verschiedenen Handlungsfeldem - privatwirtschaftlich organisiert oder von Bewohnerinitiativen getragen - miteinander zu verbinden (Energieein­ sparungen, neue Versorgungskonzepte, Spielinitiativen für Kinder, Aktivitäten zur Verkehrsberuhigung, Hofbegrünungsaktivitäten und Gebäudemodemisierung usf.). Sozial verträgliche Erneuerung setzt eine Abstimmung mit den Bewohnern voraus, da die notwendigen Maßnahmen möglichst eng an ihren Gebrauchswertinteressen orientiert sein und ihre Zahlungsfähigkeit nicht überschreiten sollten. Sollen zudem endogene Potentiale mobilisiert werden, sind solche Akteure von Bedeutung, die die Probleme der Gebiete kennen, die Ideen und Initiativen ent­ wickeln bzw. Selbsthilfepotentiale [...] erschließen. Vielfach sind dies Bewohner­ gruppen, Initiativen und freie Träger“ (SELLE, 199lb: 104f). Die einzelnen kleinen Veränderungen vor Ort sind mit ein Bestandteil der Umori­ entierung in der Region, weil sie zugleich einen schrittweisen gesellschaftlichen Wandel und Anstoß ‘von unten’ für Veränderungen in politischen und wirtschaft­ lichen Bereichen darstellen (s.o.). Für die kleinteiligen Veränderungen auf lokaler Ebene sind jedoch häufig Anstöße und Unterstützung von außen bzw. von intermediären Organisationen notwendig.

Folgendes Beispiel mag dies verdeutlichen: „Im Rahmen der nordrhein-westfälischen Stadtemeuerung kann auch Bewohner­ selbsthilfe bei der Innenhofbegrünung in die kommunalen Maßnahmen integriert

131

und gefördert werden. Eine Analyse zur Realität dieser Selbsthilfe-Förderung zeigt jedoch am Beispiel Dortmunds (vgl. Löbach & Renner 1986), daß nur dort die Mieter vom Förderangebot erreicht und ihre Aktionsbereitschaft in Verbesserungs­ maßnahmen umgesetzt werden konnten, wo beratende Gruppen tätig waren. Fehlten diese, wußten Bewohner vielfach nicht einmal von ihren Handlungsmöglichkeiten trotz intensivierter Pressearbeit der Verwaltung“ (SELLE, 1991b: 109).

Die vielfältigen Vermittlungsmöglichkeiten intermediärer Organisationen können hier nicht im einzelnen dargestellt werden (vgl. Kap. 2, im Bezug auf das The­ menfeld ‘Stadtemeuerung’ Selle, 1991b und Froessler/Selle, 1991; zur Mobili­ sierung von Interessen s.a. FROESSLER, 1991). Vielmehr sollen auch hier wiederum einige Anregungen in bezug auf die Berücksichtigung der Langfristverantwortung gegeben werden. Intermediäre Organisationen können - im Hinblick auf die Voraussetzungen zur Entwicklung von Engagement im Sozial- und Umweltbereich - folgende Funktionen übernehmen: • „Initiieren, Anregen, Möglichkeiten zeigen und Wege dorthin: Ganz wesent­ liche Bedeutung für die Entwicklung von Engagement haben [...] folgende Aufgaben: - die Propagierung neuer Leitbilder, - die Vermittlung und Erläuterung entsprechender Beispiele - und die Hinweise auf Schritte dorthin. Die Entwicklung eines neuen, anderen Möglichkeitssinnes kann wesentliche Voraussetzungen des Engagements schaffen. Hier liegt daher ein zentrales Feld der Förderung und eine der wichtigen Aufgaben für intermediäre Organi­ sationen (Selle, 1991b:86). Ansatzpunkte für das Aufgreifen langfristigerer Perspektiven können bei­ spielsweise sein: - die inhaltliche Ausgestaltung des Leitbilddiskurses (s.o.), Berücksichti­ gung zukunftsorientierter Perspektiven; - das Aufdecken der Interessen an einer nachhaltigen Entwicklung (z.B. positives Aufgreifen der Betroffenheitsperspektive: Mobilisierung für eine lebenswerte Zukunft der Kinder); - Aufzeigen, wie sich solche (z.B. Eltern-) Initiativen Gehör verschaffen können und ihre Interessen in den politischen Raum transportieren, bzw. zu Elementen von politischen Programmen machen können (vgl. Fuchs, 1993: 32ff); - Vermitteln, wie Initiativen auf Wirtschaftsakteure Einfluß nehmen können (Verhandlungen mit Unternehmen, Händlern, s.o.);



132

„Vermitteln, Koordinieren, Moderieren“: Eine weitere wesentliche Funktion der intermediären Organisationen besteht darin, Partner für Kooperationen zu vermitteln, ‘kooperative Problemlösungen’

zu begleiten und zu moderieren, Brücken zwischen den verschiedenen Akteuren (Bürgern, Verwaltung, Unternehmen etc.) zu bauen. Unter dem Gesichtspunkt der Langzeitperspektive kann hierbei eine Rolle spielen: - daß Interessenvertreter mobilisiert und an Kooperationsprozessen betei­ ligt werden, die traditionell Langzeitperspektiven pflegen (z.B. Kirchen, Wissenschaft) (vgl. Kloepfer, 1992:259); - daß intensive Netzwerke der Interessengruppen einer nachhaltigen Ent­ wicklung aufgebaut werden (Institutionalisierung der Langzeitverant­ wortung, s.o.) (vgl. Kap. 2.1.7; zur Verknüpfung partikularer Interessen vor Ort s. Lange/Sommer, 1991); - daß Foren geschaffen werden, in denen - die Interessengruppen längerfristige Perspektiven entwickeln (z.B. Zukunftswerkstätten, s. z.B. Lechler, 1992; Verfahren zur Folge­ abschätzung, s. z.B. v.d.DAELE, 1991), - ihre Interessen öffentlich vertreten können (s. z.B. kommunale Foren (braunschweiger forum, Münchner Forum e.V., Stadtforum Berlin u.a., Sinning, 1994; s.a. Stiftung Mitarbeit, 1991) und - mit anderen Akteuren kooperieren können (s.a. Kap. 1.2.3).



Beratung „Ganz wesentlich - aus der Sicht der Bewohnergruppen oft zentral - ist der fachliche Rat, ein Rat, der sich von dem anderer Fachleute dadurch unter­ scheidet, daß er Bezug zur Lebenswelt, zu den Möglichkeiten und Interessen der Gruppen hat“ (SELLE, 1991 b:87). Untersuchungen zeigen, daß die Verantwortung jedes Einzelnen zum Schutz der globalen Umweltgüter, für mehr Verteilungsgerechtigkeit und für die Er­ haltung der Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen beizutragen, zwar wahrgenommen wird; die eigenen Möglichkeiten dazu werden aber als be­ schränkt erlebt. Eine effiziente Lösung dieser globalen Umweltprobleme wird nur in einer internationalen Zusammenarbeit gesehen. Regionale Umweltpro­ bleme sind dagegen in ihrem Ausmaß vorstellbar, die Möglichkeiten zur Eigeninitiative einschätzbar (vgl. Karger / Wiedemann, 1994:6, s.o.). Im Rahmen der Beratungstätigkeit ist es deshalb wichtig, eine Verbindung zwischen den Handlungsmöglichkeiten und Interessen des einzelnen und der globalen Problematik herzustellen, Wege aufzuzeigen, wie im Zuge der Ver­ besserung der eigenen Situation im Alltag auch ein Beitrag zur Langfristver­ antwortung geleistet werden kann (s.o.).

d) Beteiligung Es wurde in den bisherigen Ausführungen schon deutlich: Maßnahmen zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung sind in der Regel auf die Mitwirkung

133

der Bevölkerung angewiesen. Nur so kann eine umfassende kulturelle Veränderung stattfinden. Mitwirkung ist aber auch eng verbunden mit Mitbestimmung. Ein alternatives Verkehrskonzept für eine Region, das ohne die Abstimmung mit den Bedürfnissen und Wünschen der Bürger entwickelt wird, droht an der fehlenden Akzeptanz zu scheitern. Aus rein sachlichen Erwägungen sind zudem meist verschiedene Vari­ anten vorstellbar. Es fehlen jedoch klare Hierarchien zur Abwägung zwischen den betroffenen Gütern und Interessen, etwa für den Ausgleich von Sicherheitsansprü­ chen und Freiheitsrechten. „Schließlich ergeben sich selbst dort, wo das konkrete Handlungsziel eindeutig moralisch vorgegeben ist [...] [Beispiel: die Senkung des Benzolgehaltes der Luft in Innenstädten aufgrund der akuten Gesundheitsgefahrdung insbesondere für Kinder], normative Folgeprobleme, die selbst nicht durch Moral entschieden sind: Mit welcher Priorität soll das Ziel verfolgt, und welcher Anteil der (begrenzten) Ressourcen soll darauf verwendet werden?“ (v.d.DAELE, 1991:17). Die ‘angemessene’ Variante - unter den Aspekten ‘Akzeptanz’ und ‘Legitimität’ kann häufig erst in einem kooperativen Verfahren entwickelt werden. „Die Verfah­ rensresultate werden danach im wesentlichen durch Beteiligung und Konsens­ bildung [...], durch ‘kommunikative Rationalität’ begründet“ (v.d.DAELE, 1991:19, s.a. Kap. 1.1, s.o. ‘Prozeduralisierung’, s.a. ‘Mediationsverfahren’). Die Mobilisierung von Interessen an einer ‘nachhaltigen Entwicklung’ (s o.) ist demnach auch immer eng verbunden mit der Initiierung von Beteiligungsverfahren (s. z.B. planungsvorbereitende Verfahren zur Ideenfindung (Wettbewerbe, Zu­ kunftswerkstätten usw.), planungsbegleitende Beteiligungsverfahren (z.B. Bürger­ gutachten, Arbeitskreise, Anwaltsplanung, vgl. z.B. SINNING, 1994; BISCHOFF /SElle/ Sinning 1995)). Weil die Ausgestaltung dieser Beteiligungsverfahren jedoch einen großen Einfluß auf das Ergebnis haben kann, stellt sich die Frage, wie der Konsensfmdungsprozeß zu organisieren ist. Hierzu kann es kein Patentrezept geben. Folgende Hinweise sollen den Problembereich lediglich eingrenzen (vgl. Keller, 1991, Selle 1991b): • Es stellt sich die Frage, ob alle Betroffenen erreicht werden, ob das Verfahren für jedermann zugänglich ist. • Wie werden kommunikative Ungleichheiten und unterschiedliche argumenta­ tive Fähigkeiten ausgeglichen? • „Wie kann das schwächere ökonomische Gewicht, die geringere politische bargaining power, ausgeglichen oder kompensiert werden?“ (SELLE, 1991b:43).

3.4

Restriktionen / Problembereiche

Den Handlungsmöglichkeiten intermediärer Organisationen stehen vielfältige Restriktionen und Probleme gegenüber. Zahlreiche gesellschaftliche Rahmenbe-

134

dingungen be- oder verhindern die Vermittlungstätigkeiten und erschweren eine Umorientierung gesellschaftlichen Handelns (siehe auch oben). Im folgenden sollen einige wesentliche Problembereiche angesprochen werden. Dadurch soll das skizzenhaft dargestellte Bild intermediärer Organisationen abge­ rundet und eine kritische Einschätzung ihrer Chancen ermöglicht werden, mit kooperativen Instrumenten und Vermittlungstätigkeiten in einer Region Anstöße zu einer nachhaltigen sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung geben zu können.

3.4.1

Arbeit unter schwierigen Rahmenbedingungen



Kosten-Nutzen-Abwägung: Die Umsetzung von Maßnahmen zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie vor der individuellen ‘Kosten-Nutzen-Abwägung’ der Betroffenen besteht (s.o.; vgl. Hirsch 1993). Diese ‘Hürde’ schränkt die Breite der möglichen Maßnahmen stark ein, zumal - umweltgerechtes Verhalten finanziell häufig noch durch höhere Kosten ‘bestraft’ wird; unter den aktuellen Bedingungen sind volkswirtschaftlich durchaus lohnende Investitionen dadurch betriebswirtschaftlich un­ tragbar; - traditionelle Leitbilder umweltgerechtem Handeln häufig entgegenstehen (ökologische Ansätze haben den Ruf als Investitionshemmnis, individuel­ les Mobilitätsbedürfhis verhindert Fahrgemeinschaften usw.); - der ‘Nutzen’ oft im ideellen Bereich liegt; - das Bewußtsein für die Notwendigkeit individueller Verhaltensänderun­ gen meist unterentwickelt ist.



Orientierung am gesellschaftlichen Interessenspektrum: Um erfolgreich arbeiten zu können, müssen sich intermediäre Organisationen sehr stark auf die Interessenlage der Akteure vor Ort einlassen (s. Kap. 3.2.1) und die Ideen zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung in die unterschiedlichsten Handlungsfelder einfließen lassen. Diese Notwendigkeit zur ‘Zielanpassung’ erschwert aber sehr stark die Ausrichtung der Arbeit auf übergeordnete Ziele (Langfristperpektiven), die sich im Mosaik der Einzel­ maßnahmen verlieren können (s.u. ‘Selektivität’).



Eindringen in das regionale Netzwerk: Die Vermittlungsaufgaben intermediärer Organisationen sind eng damit ver­ bunden, daß sie ihre Handlungs- und Einflußmöglichkeiten über den Ausbau oder ein ‘Eindringen’ in bestehende Netzwerke verbessern. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, um kooperative Prozesse moderieren, Vertrauen zwischen Akteuren bilden und persuasive Steuerungskapazität gewinnen zu können (s.o.; vgl. FÜRST, 1993:557 in Bezug auf Regionalmanagement, s. Knieling, 1994:124).

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Netzwerke im politischen Raum berühren jedoch immer auch Kompetenz­ fragen. Deshalb werden Netzwerke im politischen Raum argwöhnisch beob­ achtet, weil man nur zu gut weiß, wie Provisorien Eigendynamik entwickeln, sich immer fester institutionalisieren und damit faktisch zu einer Kompe­ tenzeinbuße bei den etablierten Entscheidungsträgem fuhren (vgl. FÜRST, 1993:558). Gegen den ‘Widerstand des gewachsenen ökonomischen und politischen Milieus’ haben weitreichende sozial und umweltgerecht orientierte Maßnah­ men keine Chance (vgl. HESSE, 1992). Politisch besonders hartnäckig verfilzte Personenkonstellationen und Machtstrukturen können sich gegenüber den weichen Überzeugungsmethoden der Mobilisierung endogener Potentiale als undurchdringlich erweisen: „Der Filz muß ein Stück weit gerissen sein, die vormals herrschenden Interessen müssen so weit gescheitert sein, daß neue Ideen Platz greifen können, ohne die örtliche Politik lähmend zu überfordern!“ (Häussermann und Seibel in Sieverts / Ganser 1993:37). In gleicher Weise schwierig kann auch die Arbeit im privaten Bereich sein. Wo kein Interesse oder keine Zeit vorhanden ist, wo keine Handlungsnotwen­ digkeit gesehen wird, laufen die Angebote der intermediären Organisation ins Leere (s.o.). Ein Hauptproblem kann darin liegen, mit den Akteuren überhaupt ins Gespräch zu kommen.



Finanzielle Abhängigkeiten: Die verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung intermediärer Organisa­ tionen wurden im Rahmen der Arbeit nicht ausgeführt (s.o. Literaturhinweise). Deshalb soll an dieser Stelle lediglich darauf hingewiesen werden, daß die verschiedenen Formen der Finanzierung viele Restriktionen für die Arbeit der intermediären Organisationen in sich bergen. So können finanzielle Abhängigkeiten die Kontinuität der Arbeit gefährden und sich inhaltlich auf die Arbeit auswirken; wird die Arbeit zum Teil über öffentliche Aufträge finanziert, besteht u.a. der Zwang zur Marktanpassung des Leistungsspektrums (SELLE, 199 lb:50).



Konkurrenz: Am Beispiel des FORUMs wurde in Kap. 2 schon gezeigt, daß in einer Region zahlreiche aufgabenverwandte Institutionen vorhanden sind, die in Kon­ kurrenzbeziehungen zueinander stehen. Der integrierte Arbeitsansatz der intermediären Organisationen läßt sie - je nach Organisationstyp (s. Kap. 3.3.1) - zum Beispiel in Konkurrenz zu einzelnen Fachsektoren (z.B. Energie, Landwirtschaft, Fremdenverkehr), sowie zu querschnittsorientierten Einrich­ tungen der Regionalentwicklung treten (z.B. Zweckverbände, s.u.) (vgl. Knieling, 1994:118; s.a. Selle, 1991b:50f). Dies erfordert eine erhöhte Fle­ xibilität und Innovationsfahigkeit seitens der intermediären Organisationen. (Auf die Schwierigkeiten mit der Selbstdarstellung der intermediären Organi-

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sationen, die oben schon angesprochen wurden, sei in diesem Zusammenhang nur noch einmal hingewiesen). „In dem Maße, in dem auch andere Organisationsmuster erfolgversprechend sind, steht das Angebot intermediärer Organisationen auch in Konkurrenz zu solchen Lösungen. Dies erklärt dann auch u.a. die Vorbehalte, intermediäre Organisationen in Anspruch zu nehmen, gerade bei den Organisationen, die in ihrem eigenen Kreis Beispiele dafür haben, daß sie es auch ‘allein’ machen können“ (Jessen, 1991:42).

So benennt das Bundesministerium für Raumordnung (1994) einige Beispiele für die zwischengemeindliche Zusammenarbeit, die intermediäre Organisatio­ nen zum Teil ersetzen können. „Zu den informellen Formen der Zusammenarbeit zählen beispielsweise - der Informations-, Meinungs- und Erfahrungsaustausch auf kommunal­ politischer und Verwaltungsebene, - regelmäßige Gesprächskreise (beispielsweise in Form von Planungskon­ ferenzen, Arbeitsgruppen, Bürgermeisterrunden) oder auch - festinstallierte Projekt- oder Arbeitsgruppen. Diese formlosen Verfahren sind besonders dann geeignet, wenn es sich um einfache Sachverhalte handelt und die Gemeinden oder sonstige Akteure ähn­ lich gelagerte Interessen verfolgen. Vielfach sind diese auch Vorstufe für eine spätere intensivere, vertraglich geregelte Kooperation. Bei der vertraglich geregelten interkommunalen Zusammenarbeit lassen sich öffentlich-rechtliche sowie privatrechtliche Kooperationslösungen unterschei­ den. Zu den öffentlich-rechtlichen Formen interkommunaler Zusammenarbeit, die in den Landesgesetzen über die kommunale Gemeinschafts- bzw. Zusammen­ arbeit geregelt werden, gehören - die Kommunale Arbeitsgemeinschaft, - die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen Kommunen und - der Zweckverband. Darüber hinaus existieren weitere anerkannte öffentlich-rechtliche Kooperati­ onsformen, wie z.B. Spezialverbände aufgrund von Sondergesetzen“ (BM Raumordung, 1994:2If, s.a. dort angeführte Beispiele). Die Studie des Bundesministeriums läßt es dabei offen, „ob für die neue Auf­ gabe des überörtlichen Handelns neue [intermediäre] Institutionen geschaffen werden müssen oder ob vorhandene Institutionen - ggf. mit gewissen Weiter­ entwicklungen, Modifizierungen oder Kompetenzerweiterungen - dieser neuen Aufgabenstellung gerecht werden können“ (BM Raumordung, 1994:20). Der Hinweis auf die Möglichkeit zur Weiterentwicklung vorhandener Institu­ tionen ist ein Ansatzpunkt für eine interessante, über den Untersuchungs­ gegenstand der vorliegenden Arbeit hinausgehenden Fragestellung.

137



138

Überlastungen: Die kooperativen Prozesse zur Entwicklung von Maßnahmen zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung sind mit Ansprüchen verbunden, welche die Akteure schnell überlasten können. Zum Beispiel: - Maßnahmen zur sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung implizieren eine ressortübergreifende Querschnittsbetrachtung (s.o.). Auf diese Integrationsaufgabe sind viele (politische) Akteure jedoch nicht ein­ gerichtet (vgl. Hesse, 1992:39). - Stärkere politische Mitbestimmung, Beteiligungsangebote an informellen Gremien findet ihre Grenzen u.a. in den Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten. Die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten kann mit einem solchen zeitlichen, physischen, psychischen oder finanziellen Aufwand verbunden sein, daß nur eine begrenzte Zahl von Menschen ihn sich leisten können, Entscheidungsträger überlastet werden (s.o., vgl. ROHE, 1994:27, s.u. ‘soziale Selektion’). - Für verschiedene Themenbereiche der sozial und umweltgerecht orien­ tierten Entwicklung ist ein höheres Expertenwissen erforderlich. Fachdis­ kussionen sind oftmals nur noch Experten aus der Wirtschaft oder Ver­ waltung, bzw. der ‘Gegen-Expertenschaft’ alternativer Institute zugäng­ lich. „Das mindert jedoch gleichwohl Chancen der partizipativen Betrof­ fenenbeteiligung. Denn hierfür sind die Hürden der Wissensaneignung zu hoch und werden immer höher, wenn sich selbst Genehmigungsbehörden bei neuen und komplizierten Technologien hilflos überfordert sehen (Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, Gentechnologie-Fabrik Mar­ burg). [...] Die Überforderung der kontrollierenden Experten als Anwalt der Betroffenen tritt heute an die Stelle der basisdemokratischen Frage nach der überforderten Partizipation Betroffener“ (FÜRST, 1990: 522f; s.a. Bohret, 1992 zu ‘Innovationsbündnissen’). Auch die Mitarbeiter der intermediären Organisationen werden sich dem Spezialisierungsdruck beugen müssen, was jedoch auch Nachteile mit sich bringt. Je spezialisierter die Mitarbeiter sind, umso kleiner wird ihr Arbeitsbereich, in dem sie effektiv einzusetzen sind. Zudem kann die Arbeit ‘vor Ort’ darunter leiden: „Inhaltliche Arbeitsteilung und Speziali­ sierung erhöhen zwar die fachliche Kompetenz, senken aber die Koope­ rationsfähigkeit mit Nutzem, für die der konkrete Kontakt zu einzelnen Personen und nicht die Kooperation mit wechselnden Fachleuten bedeut­ sam ist“ (Selle, 1991 b:52).

3.4.2

Grenzen von Kooperation und Überzeugungsarbeit

Neben den ‘erschwerten Rahmenbedingungen’ bestehen weitere Restriktionen für die Arbeit der intermediären Organisationen in den Belastungsgrenzen kooperativer Prozesse.

*Harte Konflikte9 Kooperative Problemlösungen stehen nicht nur für harmonische Gesprächskreise an ‘Runden Tischen’. Durch schlichtes Umbenennen läßt sich das, was bisher Konflikt war, nicht in Konsens auflösen (vgl. SELLE, 1992a). Tatsächlich müssen im Rahmen der sozial und umweltgerecht orientierten Entwicklung auch harte Verteilungs­ konflikte gelöst werden. Hier sind den kooperativen Instrumenten der intermediären Organisationen jedoch begrenzte Handlungsspielräume gesetzt. Meiden sie jedoch die wirklich entscheidenden Konflikte oder treten sie für zu schwache Kompromisse ein, droht ihnen an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die weichen Überzeugungsmethoden intermediärer Organisationen bergen die Gefahr, „daß nur ‘dankbare’ und konsensfahige Probleme auf verhältnismäßig niedrigem Konfliktniveau mit vergleichsweise großem Aufwand behandelt werden, mit der Folge, daß neben kleinen Inseln hoher Qualität die Wüste des grauen Durchschnitts weiterwächst und daß wirklich ‘bösartige’, aber deswegen besonders wichtige Probeme gar nicht erst bearbeitet werden“ (Sieverts / Ganser, 1993:37). Und weiterhin führen Sieverts und Ganser in Bezug auf die IBA-Planungsgesellschaft aus (s. Kap. 2.1.1): „Die Arbeitsweise der IBA ist bis zu einem gewissen Grad auf ein ‘optimales Kon­ fliktniveau’ angewiesen in dem Sinne, daß die Mängel spürbar nach Innovation rufen, aber nicht so hart sind, daß ein sanfter Interessenausgleich nicht mehr mög­ lich erscheint. Das setzt das Erkennen und Ergreifen des ‘richtigen’ historischen Moments voraus. Die ‘Werkstatt zur Erneuerung alter Industriegebiete’ setzt sich im allgemeinen mit zwar gewichtigen, aber letztlich ‘gutartigen’ Problemen auseinander. Wirklich ‘bösartige’, auf harten und fundamentalen Interessenkonflikten beruhende Probleme bedürfen anderer Instrumente“ (Sieverts / Ganser, 1993:37). Diese Situation muß jedoch nicht generell für alle intermediären Organisationen zutreffen. Vielmehr hängen die geschilderten Probleme auch ursächlich mit der Form der Institutionalisierung und den zugewiesenen Aufgabenbereichen der IBAPlanungsgesellschaft zusammen (im 100%igen Besitz des Landes, starke Kontrolle der Politik, Umsetzung einzelner Projekte der Bauausstellung, s. Kap. 2.1.2). Eine intermediäre Organisation, die mit dem Ziel eingerichtet wurde, eine ‘nach­ haltige Entwicklung’ zu fordern, verliert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht ver­ sucht, auch in harten Konflikten zu vermitteln. Die nächsten Jahrzehnte werden von verschärften Verteilungskonflikten gekenn­ zeichnet sein, angesichts der ökologischen Folgekosten der industriellen Produktion und des Massenkonsums, des wachsenden Bedarfs an Wohnraum und Erholungs­ räumen, der wirtschaftlichen Krise in Osteuropa und Probleme der Unterentwick-

139

lung der Dritten Welt. „Auch noch so kühne Wachstumsprognosen geben wenig Anlaß zur Hoffnung, daß diese Probleme durch eine Verteilung von Zuwächsen bewältigt werden könnten, bei der Besitzstände erhalten bleiben, zumal viele Güter nicht beliebig vermehrbar sind“ (Benz, 1991:46). Umverteilungen, die Vermittlung von harten Interessenskonflikten werden deshalb auch die Arbeit von intermediären Organisationen berühren. Verschiedene Moderations verfahren sind darauf ausgelegt, insbesondere in fest­ gefahrenen Konflikten, Kompromisse zu ermöglichen (vgl. Benz, 1991, s.o. Mediationsverfahren: WEIDNER, 1993, PFINGSTEN, 1993, Pfingsten/Fietkaü, 1992). Benz (1991) fuhrt aus, daß auch in kooperativen Prozessen Ressourcenverteilungen möglich sind (s.dort). Die entscheidende Schwierigkeit von Koopera­ tionen bei Verteilungsproblemen liegt jedoch weniger im Verhandlungsprozeß selbst, „als in der Initiierung von Handlungsprozessen“ (Benz, 1991:58). „Die zu überwindende Hürde besteht in der unsicheren Verhandlungsbereitschaft, die insbesondere bei Verteidigern der existierenden Verteilungsstrukturen unwahr­ scheinlich ist. Wer sich der Umverteilung entziehen will, wird sich, sofern er nicht mit guten generalisierbaren Gründen seinen Besitzstand verteidigen kann, gar nicht auf Verhandlungen einlassen. Er wird bestehende Einflußstrukturen und nicht­ kooperative Durchsetzungsmöglichkeiten ausnutzen, wenn sie zugunsten seiner Ziele wirken“ (Benz, 1991:58).

Die Verhandlungsbereitschaft der Akteure und die Initiierung sowie Stabilisierung von Verhandlungen stellen die entscheidenden Hürden kooperativer Entscheidungen über Umverteilungen dar (s. Benz, 1991:71). Hier könnte intermediären Orga­ nisationen eine entscheidende Rolle zukommen, ‘Verhandlungen über Verhand­ lungen’ zu initiieren und den ’Eigenwert der Verhandlungen’, bzw. die Kosten, die ein Verzicht auf Kooperation erzeugt (z.B. der Imageverlust eines Unternehmens), zu verdeutlichen (vgl. Benz, 1991). Ob sie eine derartige Rolle einnehmen können wird maßgeblich davon abhängen, ob sie in der Region als ‘Vermittler’ akzeptiert werden (s.u.).

Grenzen von Verhandlungen ‘Prozeduralisierung’, die Delegation von Problemlösungen an Verfahren, die Ver­ lagerung von Aushandlungs- und Entscheidungsprozessen in den (intermediären) Bereich zwischen Politik, Unternehmen, Haushalten usw. besagt noch nichts über die inhaltlichen Ergebnisse der veränderten Konfliktlösung und Konzeptentwick­ lung (vgl. Selle, 1992a:294). Wer, auf welche Weise, mit welchem Gewicht an diesen Prozessen beteiligt ist, prägt in starkem Maße das Ergebnis (vgl. Selle, 1991b: 102, s. Kap. 1.2.3). In gleicher Weise provozieren ungleiche kommunikative Kompetenzen und ökono­ mische Gewichte die Frage, wie das ‘Ideal des fairen Prozesses’ (KELLER, 1991) verwirklicht werden kann (s. Selle, 1991a, s.o.). Dieser Problembereich wirft die Frage nach der Legitimation der intermediären Organisationen und der von ihnen angestoßenen Kooperationsergebnisse auf. 140

Im Hinblick auf regionalpolitische Fragestellungen können die initiierten Foren lediglich Vorentscheider, bzw. diskursive Verfahren sein, die keine bindenden Entscheidungen hervorbringen können. (Durch die Beteiligung politischer Reprä­ sentanten an den Verfahren besitzen die ausgehandelten Entscheidungen zwar schon eine gewisse Bindungswirkung, diese muß jedoch nachträglich politisch legitimiert werden.) Darüber hinaus stellt die Kooperation - auch ohne intermediäre Organisationen - ein Grundelement aller regionalpolitischen Prozesse dar. „Die Verlagerung politischer Entscheidungen von den Parlamenten auf gesellschaftliche Gruppen ist also kein Produkt intermediärer Akteure, sondern vielmehr besteht die positive Aussicht, daß sie durch diese demokratisiert wird - im Sinne RITTERS Forderung, „die Kooperationsvorgänge ‘zu veröffentlichen’“ (Ritter, 1979:413), bzw. indem [...] [die intermediäre Organisation] bewohnerorientierten Interessengruppen einen Zugang in das regionalpolitische Kooperationsnetzwerk verschafft“ (KNIELING, 1994:124). Durch die jeweilige Form der Institutionalisierung (Stiftung, Verein, s.o.) sollte sichergestellt werden, daß „Verantwortung zurechenbar bleibt“ und „Offenheit, Pluralität und Partizipationschancen“ gesichert sind, so daß „Zusammenarbeit nicht zur geschlossenen Veranstaltung eines Machtkartells wird“ (Ritter, 1979:413 in Knieling, 1994:125). Die Forderung, „die neuen Einheiten sachlich-funktionaler Willensbildung mit den verfassungsmäßigen Einrichtungen allgemein-demokratischer Willensbildung zu verzahnen“ (Ritter, 1979:413 in Knieling, 1994:125) kann insbesondere durch das vorgestellte Stiftungsmodell erfüllt werden.

3.4.3 Ambivalenzen Die bisher aufgezeigten Restriktionen lassen schon viele immanente Probleme und Ambivalenzen deutlich werden. Sie lassen sich unter folgenden wesentlichen Gesichtspunkten zusammenfassen (vgl. SELLE, 1992b + 1992a): Die Vermittlung intermediärer Organisationen, die Förderung ‘kooperativer Pro­ blemlösungen’ und die kleinteilige, schrittweise Vorgehensweise bergen die Gefahr • der ‘Planlosigkeit’ und ‘Inselhaftigkeit’ Es stellt sich die Frage, ob sich die exemplarischen Einzelaktivitäten zu einem ‘übergeordneten Konzept’ zusammenfugen oder unzusammenhängende Ein­ zelfalle bleiben. „Die uns bekannten Beispiele für innovative Ansätze sind vielfach eng um­ grenzte, scheinbar von Zufälligkeiten geprägte Aktionen und Projekte: Wer mit wem kooperiert, erscheint auf den ersten Blick abhängig von Einzelinitiativen; das Interesse des lokalen Akteurs, der sich ihm vermittelnde Handlungsdruck bestimmen die Suche nach Handlungsmöglichkeiten. Selten wird die Frage gestellt, ob nicht an anderer Stelle im Gebiet, für eine andere Gruppe etc.

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dringenderer. Handlungsbedarf bestehe“ (SELLE, 1992b: 163 in Bezug auf Aktivitäten in der Stadtemeuerung). der inhaltlichen Selektivität und Zielanpassung Die Orientierung an gesellschaftlichen Interessen (s.o.), die Anpassung der Ziele „an die Leistungsfähigkeit und (vermeintliche) Konsensbereitschaft der Beteiligten“ (Selle, 1992a) wirft die Frage auf, ob auch jene Akteure erreicht und Strukturen verändert werden, die einen bedeutsamen Anteil an der ‘nachhaltigen Entwicklung’ haben. der sozialen Selektivität und Ausgrenzung Die aufgefuhrten ‘Überlastungen’ der Beteiligten (s.o.), die Selektivität der Verfahren können dazu fuhren, daß schweigende oder artikulationsschwache Gruppen unberücksichtigt bleiben; zumal es im Wesen kooperativer Verfahren liegt, daß die Chance für eine erfolgreiche Projektentwicklung steigt, je enger der Beteiligtenkreis auf die innovationsbereiten Akteure begrenzt werden kann (vgl. Selle, 1992a:295).

Hierin zeigt sich die Ambivalenz eines ‘perspektivischen Inkrementalismus’ (s. Kap. 1.2.3). Ob es einer intermediären Organisation gelingt, statt Planlosigkeit ‘wert­ orientierte Schritte’ zu initiieren, muß jeweils im Einzelfall entschieden werden. Die aufgefuhrten Probleme zeigen auch schon deutlich, daß die Wirkungsmög­ lichkeiten intermediärer Organisationen nicht überschätzt werden dürfen (s. Kap. 4). Der Anspruch, allein mit ‘kooperativen Problemlösungen’ eine sozial und um­ weltgerecht orientierte Entwicklung initiieren zu wollen, wäre sicherlich zu hoch angesetzt. Die Beurteilung der Aktivitäten einer intermediären Organisation kann sich somit nicht auf die erfolgreiche ‘Umorientierung’ in der gesamten Region beziehen, sondern muß problemorientiert bei den einzelnen Maßnahmen und Pro­ jekten ansetzen (z.B. mit den Fragen: Wie werden die einzelnen Projekte mitein­ ander in Bezug gesetzt? Wie werden Probleme definiert? Werden die Verfahren ‘beteiligungsoffen’ und demokratisch gestaltet? usw., s.o.). Die genannten Problembereiche sind kooperativen Problemlösungen und interme­ diären Organisationen immanent. „Es wird vermutlich darauf ankommen, einen Teil der Spannungen und Ambivalenzen als konstitutiv für neue Handlungsformen zu akzeptieren. Das betont aber lediglich die Notwendigkeit intensiven Bemühens um jeweils problemangemessene Kooperationen, die die Grundprobleme so weit wie möglich reduzieren“ (SELLE, 1992a:296). Intermediäre Organisationen sollten auf alle Fälle vermeiden, sich zu Akzeptanzbeschaffem einer regionalen Symbol- und Alibipolitik im umweit- und entwick­ lungspolitischen Bereich machen zu lassen. Da sie in der Regel ein großes Interesse daran haben, ihre Aktivitäten positiv zu ‘verkaufen’, besteht die Gefahr, daß die entscheidenden Probleme ‘kleingearbeitet’ werden und ihre Arbeit so zur Vertagung weitreichender Veränderungen beiträgt (s. am Beispiel der ‘Kontaktstelle Basel’, SELLE, 1991b: 143).

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4 Resümee Die Debatte um das ‘sustainable development’-Leitbild ist eine Reaktion auf die immer stärker ins öffentliche Bewußtsein dringende Erkenntnis, daß unsere heutigen Lebensweisen nur auf Kosten unserer Kinder und nachfolgender Generationen fortgefuhrt werden können, daß wir uns gleichsam unserer eigenen Zukunft berau­ ben. ‘Sustainable development’ ist ein visionäres Leitbild, getragen von der Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft, die Anwendung des ‘kategorischen Imperativs’ auf folgende Generationen; zunächst nicht mehr und nicht weniger. Weil jedoch kaum ein gesellschaftlicher Teilbereich von der notwendigen Umori­ entierung ausgespart bleibt, eröffnet das ‘sustainable development’-Leitbild eine Debatte auch über grundlegende Fragen der gesellschaftlichen Ordnung (Wirt­ schaftsordnung / Rechtsordung / Demokratie) (bzw. fuhrt diese fort). Dies macht die Diskussion so politisch brisant, schwierig, umfassend und unübersichtlich. Zahlreiche gesellschaftspolitisch unterschiedliche Einstellungen mischen sich unter die verschiedenen Vorstellungen einer ‘zukunftsfahigen Entwicklung’. Von Visio­ nen und Utopien war deshalb in einem Kapitel die Rede. Visionen werden dringend benötigt, denn „um etwas vor sich zu haben, muß man sich etwas vormachen“ (Sloterdijk in Selle, 199 lb:240). ‘Etwas vormachen’ heißt aber auch: Innovationen zu entwickeln, konkrete Projekte anzupacken und realisieren helfen... nach dem Motto ‘Die Zukunft beginnt jeden Tag...!’ Wer die gesellschaftliche Ordnung verändern will, der muß auch aufzeigen, mit welchen Mitteln er dies bewerkstelligen will (evt. gegen gesellschaftlichen Wider­ stand) und welche gesellschaftlichen ‘Kosten’ dabei entstehen können, bzw. er in Kauf nehmen will. Um die ‘Kosten’ zu minimieren und als pragmatische Alternative zum umfassenden, kaum realisierbaren ‘Masterplan’, wird ein ‘perspektivischer Inkrementalismus’, ein schrittweises, wertorientiertes Vorgehen, vorgeschlagen. Die Steuerungsfahigkeiten des Staates sind bei komplexen Reorganisationen be­ grenzt. Im Gegenteil werden politsch häufig nur Entwicklungen nachvollzogen, welche sich gesellschaftlich schon längst angebahnt haben. Die Gleichzeitigkeit unzähliger Entscheidung autonomer Teilsysteme - ‘selbstaktiver Felder’ - muß akteptiert und berücksichtigt werden. Die Einsicht in die schwierige Steuerbarkeit des ‘Tankers Staat‘ relativiert die Hoffnungen auf ein schnelles, gezieltes ‘Um­ lenken’, eröffnet aber auch neue Chancen. Gleichzeitig schwächt sich die Fixierung auf staatliche Steuerungsstrategien ab, Verfahren rücken in den Vordergrund, die eine Verbindung zwischen den Akteuren herstellen sollen. Die Auflösung des bipolaren Bildes, vom steuernden Staat auf der einen und den Normadressaten auf der anderen Seite, hin zur Wahrnehmung und Berücksichtung der Aktivitäten aller Akteure, rückt verstärkt die Vermittlung zwischen den ‘selbstaktiven Felder’ in den Vordergrund. 143

Die Aufgaben des Vermittelns, Verbindens, Moderierens werden benötigt, wie vor allem an Beispielen aus dem Umweltbereich gezeigt wurde. Wie sie jedoch erfüllt werden, bleibt zunächst offen. Eine Möglichkeit ist die Institutionalisierung der Vermittlungsfunktion in Form von intermediären Organisationen. Da es sich hierbei in der beschriebenen Form um ein neues Aufgabenfeld handelt, dem die vorhandenen Akteure und Institutionen in der Regel nicht gewachsen sind, liegt die Etablierung einer neuen Organisation nahe (vgl. Selles ‘Inkonkruenzthese’ Kap. 1.3). „Die Besetzung experimenteller Handlungsfelder durch neue Institutionen bietet noch keine Gewähr dafür, daß dadurch auch die Verwirklichung neuer Inhalte in nennenswertem Umfang gesichert wäre“ (v.Tiedemann in Froessler/Selle, 1991:339). Viele Hinweise darauf wurden im Rahmen des Kapitels Problembereiche /Restriktionen gegeben. Im Rahmen der Arbeit bestand (und besteht) aufgrund der Konzentration auf eine spezielle Fragestellung zudem immer die Gefahr, ‘aus einer Mücke einen Elefanten zu machen’. Kooperationen sind nichts grundlegend neues. Es lassen sich zwar schon zahlreiche intermediäre Organisationen in der Bundesrepublik - auch unter der Themenstellung ‘sustainable development’ - ausmachen (s.o.), sie bleiben aber vorerst eine Randerscheinung; ihre tatsächlichen Wirkungsmöglichkeiten müssen sich zudem erst noch in der Praxis erweisen. (U.a. unter der Fragestellung: Führen sie die bisherige Symbol- und Alibipolitik fort, tragen sie zur Verschiebung von Reformen und Problemlösungen bei oder gelingt es, konkrete Schritte ‘in die richtige Richtung’ zu initiieren? D.h. welche Wertorientierung (Perspektive / Werte) liegt den Schritten zugrunde; besteht die Bereitschaft zum (gegen-)steuemden Eingriff ? usw.).

Wirkungsmöglichkeiten intermediärer Organisationen Weil zu den Organisationen, die eine ‘nachhaltige Entwicklung’ fördern wollen, erst wenig Erfahrungen vorliegen, muß zur Beurteilung der Wirkungsmöglichkeiten intermediärer Organisationen auf vergleichbare Arbeitsfelder zurückgegriffen werden. So liegen aus dem Bereich der ‘eigenständigen Regionalentwicklung’ schon kon­ krete Erfahrungen mit intermediären Organisationen vor (Knieling, 1994, Henkel /Knieling, 1994). =>

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Bei der Einschätzung der Wirkungsmöglichkeiten intermediärer Organisa­ tionen wird insbesondere ihre Impulsfunktion innerhalb der Region hervor­ gehoben (vgl. Knieling, 1994; Henckel / Knieling, 1994; s.a. Fürst, 1992). „Intermediäre Organisationen können der Regionalentwicklung innovative Impulse geben. Dies kann sowohl die Umsetzung zentraler Politik betreffen als auch die Berücksichtigung bewohnerorientierter Initiativeninteressen im Wege der Aufweitung des bestehenden Kooperationsnetzes zwischen Staat und Wirtschaft“ (Knieling, 1994:125).

So können intermediäre Organisationen wie zum Beispiel das FORUM (s. Kap. 2.1.6) „u.a. eine ökologische Orientierung der Fachpolitiken anstoßen und beschleunigen damit den diesbezüglichen gesellschaftlichen Innovati­ onsprozeß. [...] Diesbezüglich können intermediäre Akteure ein zweckmäßi­ ges Pendant zum staatlichen Handeln darstellen, indem sie die dezentrale Diffusion bestimmter politischer Zielsetzungen begünstigen und so die Handlungsfähigkeit des Staates erhöhen“ (Knieling, 1994:124). =>

„Für die regionale Strukturpolitik kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu. Auf der Grundlage regionaler Information und Kommunikation können neue Akteure endogene Potentiale identifizieren und mobilisieren [...]. Dazu ist ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen neuen und alten Akteuren nötig, das in Form eines offenen Forums institutionalisiert werden sollte“ (Henckel/Knieling, 1994:63).

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„Die Wirksamkeit der Impulsfunktion hängt u.a. davon ab, welchen Stel­ lenwert der neue Akteur im regionalpolitischen Netzwerk erhält“ (ebenda). Darum wird empfohlen die informellen Vermittlungsleistungen der interme­ diären Organisationen über konkrete Projekte an die Praxis anzubinden. „Dies erhöht den Praxisbezug der Zieldiskussion und leistet Überzeugungs­ arbeit am erfolgreichen Beispiel“ (ebenda).

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„Die Vernetzung der regionalen Akteure, also von Politik, Verwaltung und gesellschaftlichen Gruppen, ermöglicht innovative Projektansätze, indem verschiedene Disziplinen und Akteure miteinander kooperieren. Daraus ent­ wickeln sich zusätzliche Problemlösungen, die aus der Sicht einzelner Ressorts nicht machbar wären, z.B. der Aufbau eines Recyclinghofes mit Mitteln der Arbeitsmarktforderung als Sozialer Betrieb“ (ebenda, S. 64).

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Zudem können intermediäre Organisationen „dazu beitragen, daß regional­ politische Entscheidungen stärker demokratisiert werden, indem über ein regionales Forum bewohnerorientierte Interessengruppen einen Zugang zum regionalpolitischen Prozeß erhalten“ (ebenda, S. 66).

Weil sich die Aufgabenbereiche der ‘eigenständigen Regionalentwicklung’ und einer ‘nachhaltigen Entwicklung’ von Regionen zu einem großen Teil überschnei­ den (vgl. Kap. 3.2), können die aufgefuhrten Wirkungsmöglichkeiten prinzipiell auch auf intermediäre Organisationen angewendet werden, welche die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes in einer Region fordern wollen. Unter Berücksichtigung der vielfältigen Ansatzpunkte, langfristige Perspektive in die Arbeit der intermediären Organisation zu integrieren (s. Kap. 3.3.4), kann somit die Schlußfolgerung gezogen werden, daß intermediäre Organisationen bei der ‘nachhaltigen Entwicklung’ (‘sustainable development’) von Regionen eine wichtige Impulsfunktion übernehmen können.

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Zu guter Letzt... Viele Fragen, die im Umfeld der gewählten Aufgabenstellung aufkommen, bleiben zwangsläufig offen; unter zahlreichen anderen Gesichtspunkten kann die Verwirk­ lichung des ‘sustainable development’-Leitbildes untersucht werden (die Rolle des Rechts, die Rolle traditioneller Verwaltungs- und Behördenstrukturen, die Rolle ökonomischer Instrumente, Entwicklungsmöglichkeiten vorhandener Strukturen usw.). Die Institutionalisierung der Vermittlungsfunktion in der Gesellschaft in Form intermediärer Organisationen ist ein möglicher Baustein, der eine Umorientierung beschleunigen kann. Bei allen Bemühungen, zur Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes beizutragen, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: 1. Es gibt keine eindeutigen Antworten auf die Frage nach dem ‘richtigen’ Weg. Die Frage muß vielmehr lauten: Welche gesellschaftlichen Strukturen können einen Lernprozeß zur Optimierung unserer Entscheidungen unterstützen?

2. Die Umsetzung des ‘sustainable development’-Leitbildes erfordert eindeutige Wertentscheidungen. Im Mittelpunkt der gesellschaftlichen ‘Zukunfts-Krise’ stehen Interessen­ konflikte, die nach einer ‘fairen’ Lösung (und demokratischen Verfahren) verlangen; unsere Zukunft hängt nicht so sehr von ökonomischen Anstren­ gungen, der technischen Erfindungsgabe und der wissenschaftlichen Bewäl­ tigung der Umwelt- und ‘Verteilungs’krise ab, sondern vielmehr von unserer sozialen Kompetenz und - in bezug auf die Verfahren - von einer Weiter­ entwicklung der Demokratie.

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