Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien [1 ed.] 9783428484836, 9783428084838


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German Pages 262 Year 1995

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Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien [1 ed.]
 9783428484836, 9783428084838

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 685

Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien Von Rolf Schwartmann

Duncker & Humblot · Berlin

ROLF SCHWARTMANN

Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 685

Verfassungsfragen der Allgemeinfînanzierung politischer Parteien

Von

Rolf Schwartmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schwartmann, Rolf: Verfassungsfragen der Allgemeinfînanzierung politischer Parteien / von Rolf Schwartmann. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 685) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 1994/95 ISBN 3-428-08483-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08483-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1994/95 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln unter dem Titel: "Parteienverdrossenheit als Staatsnotstand - Verfassungsfragen einer absoluten Obergrenze der staatlichen Finanzierung politischer Parteien" als Dissertation angenommen. Sie ist während der Zeit meiner wissenschaftlichen Mitarbeit am Institut für Staatsrecht der Universität zu Köln entstanden. Mein Dank richtet sich zunächst an meinen Doktorvater, Professor Dr. Hartmut Schiedermair, der die Arbeit mit großem Interesse und Engagement betreut und gefördert hat. Professor Dr. Karl-Heinrich Friauf, der mein juristisches Denken und Arbeiten maßgeblich geprägt hat, danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich darüber hinaus den wissenschaftlichen Assistenten Dr. Udo Fink, Dr. Winfried Kluth und Heinrich Lang für wertvolle Gespräche, die das Gelingen der Arbeit förderten. Sophia Tönnis sowie Christoph Müller, Dr. Pär Johansson und Dirk Hoss, danke ich für ihre hilfreiche Unterstützung bei der Korrektur des Manuskripts. Schließlich gilt meiner Mutter Dank dafür, daß sie sowohl mein Studium als auch die Promotion unterstützt hat.

Köln, im Juli 1995

Rolf Schwartmann

Inhaltsverzeichnis

Erster T e i l Die Darstellung der Parteienfinanzierungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.04.1992 unter Berücksichtigung der Entwicklung der Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland

21

Erstes Kapitel Einführender Überblick

23

1. Abschnitt: Eigenfinanzierung der Parteien

23

2. Abschnitt: Staatliche Finanzierung der Parteien

24

3. Abschnitt: Die der Parteienfinanzierung zugrundeliegende Systematik

26

Zweites Kapitel Die Vorstellung der Parteienfinanzierungsentscheidung vom 09.04.1992 1. Abschnitt: Die Verwerfung des § 18 Abs. 6 PartG (Sockelbetrag) A. Der Sockelbetrag B. Die Ausführungen des Gerichts zum Sockelbetrag I. Das überkommene Staatsfreiheitsverständnis und das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung

27 28 29 29

30

Inhaltsverzeichnis

8

1. Die Entwicklung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung durch das Bundesverfassungsgericht

30

2. Die Umsetzung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung durch den Gesetzgeber im Jahr 1967

33

3. Die Überprüfung der Umsetzung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1968

35

II. Die Umakzentuierung des Grundsatzes der Staatsfreiheit und die Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 . 36 III. Die Fortentwicklung des Grundsatzes der Staatsfreiheit

38

1. Die relative Obergrenze der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung . . . 38 2. Die absolute Obergrenze der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung . . . 39 3. Die Maßgaben für die Mittel Verteilung IV. Fazit

.40 .41

2. Abschnitt: § 22 a PartG (Chancenausgleich) A. Der Chancenausgleich I. Der Chancenausgleich in der Fassung von 1984 1. Die Ausdehnung der Möglichkeit zur steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen 2. Das Vierte Änderungsgesetz zum Parteiengesetz von 1984 a) Die Einführung des Chancenausgleichs durch § 22 a PartG

41 42 42

42 45 48

b) Die Heilung durch die Kleinbetragsbegünstigung gemäß § 34 g EStG . . . . 49 c) Die Heilung durch einen lediglich im Falle der Veröffentlichung von Großspenden möglichen Steuerabzug

50

3. Die Beurteilung des Vierten Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz von 1984 . .51 a) Die Regelung des § 34 g EStG

51

b) Die Herstellung eines Junktims zwischen Publizierung und Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung gemäß § 10 b EStG und § 9 Nr. 3 KStG . . . c) Die Chancenausgleichsregelung des § 22 a PartG

52 52

Inhaltsverzeichnis

9

II. Die Beurteilung des Chancenausgleichskonzepts durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1986

.53

1. Die Aufhebung der Verstöße durch die Einführung der Begünstigung gemäß §34 g EStG

54

2. Die Aufhebung des Verstoßes gegen die Bürgergleichheit durch die Einführung der Chancenausgleichsregelung gemäß § 22 a PartG

56

3. Die Beanstandung des in § 22 a PartG vorgesehenen Chancenausgleichsverfahrens III. Das modifizierte Chancenausgleichsverfahren in der Fassung von 1988

58 59

B. Die Ausführungen des Gerichts zum Chancenausgleichskonzept in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992

59

I. Die differenzierte Berechnung für Beiträge und Spenden

60

II. Die Eignung des Chancenausgleichs

60

III. Die Möglichkeit zur Umklassifizierung von Spenden

61

3. Abschnitt: Die Prüfung der §§ 10 b, 34 g EStG und § 9 Nr. 3 KStG

62

A. Die Festsetzung der Höchstgrenze für die Absetzbarkeit bei DM 60.000 beziehungsweise DM 120.000 gemäß § 10 b EStG 63 B. Die steuerliche Begünstigung von Körperschaftsspenden gemäß § 9 Nr. 3 KStG . . . . 64

C. Die Nichtbeanstandung des § 34 g EStG

64

4. Abschnitt: Das Einsetzen der Publizitätsgrenze bei DM 40.000 gemäß § 25 Abs. 2 PartG . . 65

5. Abschnitt: Fazit und weiterer Gang der Untersuchung

67

Zweiter Teil Methodenfragen der Parteienfinanzierungskonzeption des Jahres 1992

69

Erstes Kapitel Die Ausgestaltung der Bindung des Bundesverfassungsgerichts an methodisches Vorgehen

69

1. Abschnitt: Der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts zur Methode der eigenen Rechtsfindung

.69

2. Abschnitt: Die Anforderungen an methodisches Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts . .74 A. Die rationale Nachvollziehbarkeit als positives Kriterium

77

B. Die Nichtberücksichtigung der inhaltlichen Überzeugungskraft als negatives Kriterium . 79 C. Die Abstraktheit des Ergebnisses als Kontrolle

80

D. Fazit

81

Zweites Kapitel Die Ableitung der Parteienfinanzierungssystematik aus dem Grundgesetz

1. Abschnitt: Die Primärebene

82

84

A. Die Argumentation des Senats

84

I. Allgemeinfînanzierung

84

II. ... aber Teilfinanzierung

85

1. Die Abwehr staatlicher Eingriffe

85

Inhaltsverzeichnis 2. Das Gebot der Basisanbindung

11 85

3. Der doppelte Bedeutungsgehalt des Grundsatzes der Staatsfreiheit nach der Entscheidung von 1992

86

B. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit der Herleitung des Grundsatzes der Staatsfreiheit [VS.]

87

2. Abschnitt: Die Sekundärebene

88

A. Die relative Obergrenze

88

I. Die Argumentation des Senats

89

II. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit der Herleitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.]

89

Β. Die abstrakte absolute Obergrenze

90

I. Die Argumentation des Senats

90

II. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit der Herleitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] 90 1. Staatliche Parteienfinanzierung nur noch als Finanzierung des zur Funktionserhaltung Erforderlichen möglich

91

2. Staatliche Parteienfinanzierung nur noch subsidiär möglich

.92

3. Das Staatshaushaltsrecht als Untermauerung der Festlegung einer abstrakten absoluten Obergrenze 4. Fazit C. Die konkretisierte absolute Obergrenze

93 93 93

I. Die Herleitbarkeit der Festlegung der absoluten Obergrenze auf den Status Quo des Zeitpunktes der Entscheidung .94 1. Die Argumentation des Senats

94

2. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Ableitbarkeit aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit 3. Fazit II. Die Festlegung der absoluten Obergrenze auf eine konkret errechenbare Zahlenvorgabe

94 99

99

Inhaltsverzeichnis

12

1. Die Argumentation des Senats

99

2. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die rationale Nachvollziehbarkeit ihrer Herleitung 100 3. Fazit

101

D. Die Kriterien für die Art und Weise der Mittel Verteilung I. Die Argumentation des Senats

102 102

II. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit ihrer Ableitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit

103

1. Die Ableitung der Art und Weise der Mittelerbringung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit 103 2. Die Ableitbarkeit der Verteilungskriterien [VS.*2] aus dem Grundsatz der richtigen Art und Weise der Mittelerbringung oder-Zuwendung E. Ergebnis des Zweiten Teils

103 104

Dritter Teil Die Untersuchung der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz

1 OS

Erstes Kapitel Die der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zugrundeliegenden Verfassungsvorgaben

1. Abschnitt: Das Gebot zur Sicherung der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft . . .

105

106

2. Abschnitt: Das Gebot zu verantwortungsbewußtem und wirtschaftlichem Umgang mit öffentlichen Mitteln A. Das Gebot zu sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel I. Sparsame Verwendung öffentlicher Mittel II. Die rechtliche Kategorisierung

108 110 111 111

Inhaltsverzeichnis

13

Β. Das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien

112

I. Die Besonderheiten in der Argumentation des Senats

113

1. Die Funktionsbeeinträchtigung als sichere Folge einer Überfinanzierung . . . .114 2. Die rechtliche Kategorisierung

115

a) Die Prognose einer gesellschaftlichen Entwicklung

115

b) ... als verfassungsrechtliche Kategorie

116

3. Die Wahl des Instrumentariums 116 4. Die Erforderlichkeit der Feststellung der Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystems zur Schaffung der Entscheidungsvoraussetzungen 117 II. Der Schutz der Parteien vor den Parteien als Konsequenz des besonderen Vorgehens des Senats

119

III. Die Wirkungsweise des Gebotes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien . 120 1. Die Gewichtung von Umfangsbegrenzung und Art und Weise der Mittelverteilung

120

2. Die Idee einer konkreten Grenze

121

3. Die Idee einer bindenden Grenze

124

3. Abschnitt: Fazit

127

Zweites Kapitel Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Gebotes zur Sicherung der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft

127

1. Abschnitt: Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft

128

2. Abschnitt: Der Standort der Parteien im Verfassungsgefüge

130

A. Die Aussage des Art. 21 GG

130

14

Inhaltsverzeichnis Β. Inkurs: Die "Parteienstaatslehre" von Gerhard Leibholz und deren Auswirkungen . . .132 I. Die Konzeption der repräsentativen Demokratie nach G. Leibholz

133

II. Der Einfluß G. Leibholz' auf die Parteienrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

134

III. Mißverständliche Aussagen bis in die Gegenwart C. Ergebnis

135 136

Drittes Kapitel Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Gebots zu sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel

137

Viertes Kapitel Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Gebots zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien

13 8

1. Abschnitt Die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Aufstellung des Gebots zur Funktionserhaltung der Parteien durch eine konkrete absolute Obergrenze

139

A. Die Konzeption der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG

140

I. Das Gewaltenteilungsprinzip als institutionelle Freiheitssicherung II. Die Doppelfunktion des Gewaltenteilungsprinzips

141 143

B. Die Bewertung der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG hinsichtlich der Gewaltenteilungskonzeptionen

144

C. Die Begründung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze I. Die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts aufgrund des Entscheidungsgegenstandes

146

146

Inhaltsverzeichnis

15

1. Die funktionelle Stärkung des Bundesverfassungsgerichts bei Entscheidungen in eigener Sache

147

2. Inkurs: Die "Auslagerung" der Parteienfinanzierungsproblematik als Gebot des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG

148

II. Die besondere Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Verhinderung einer Notlage

151

1. Problemstellung

151

2. Der Ansatz Hans Hugo Kleins

152

3. Die Übertragung des Ansatzes Hans Hugo Kleins auf die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 4. Stellungnahme zum Ansatz Hans Hugo Kleins

153 154

D. Der Ansatz Hans Hugo Kleins als taugliche Grundlage zur Begründung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts für die konkrete absolute Obergrenze

155

I. Das Problem der politisch motivierten und politisch begründeten Entscheidung für die konkrete absolute Obergrenze

156

1. Der Grundsatz der gesellschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes . . . 156 2. Ausnahmen vom Grundsatz der gesellschaftspolitischen Neutralität 158 a) Die Ausnahme aufgrund eines wiederholten offensichtlichen Ermessensmißbrauchs des Gesetzgebers

158

b) Die Ausnahme aufgrund eines Notstandes

160

aa) Die Überwindung der verfassungspolitischen Neutralität im Falle einer Gefährdung des Staates bb) Stellungnahme

161 162

II. Die Möglichkeit des Eintritts eines Notstandes aufgrund einer drohenden Gefährdung der Parteien 163 1. Die Schutzobjektqualität der Parteien a) Problemstellung b) Die Bedeutung der Parteien für den Staat

164 164 .165

aa) Die Bedeutung der Parteien unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung

166

Inhaltsverzeichnis bb)Die Bedeutung der Parteien nach dem Grundgesetz

167

c) Die rechtlichen Anknüpfungspunkte für die Einbeziehung der Parteien in den Staatsschutz

169

aa) Die Parteien als Bestandteil der Garantiezone des Art. 79 Abs. 3 GG . . 170 bb)Die Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung d) Fazit

171 171

2. Die Zulässigkeit eines vorbeugenden Eingreifens des Bundesverfassungsgerichts .172

III. Die Überprüfung des tatsächlichen Vorliegens der Entscheidungsvoraussetzungen . 175 1. Die Bestimmung des Gegenstandes der Funktionsbeeinträchtigung

175

a) Der institutionelle Gehalt des Art. 21 Abs. 1 GG

176

aa) Die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung

176

( 1 ) Objektive Einrichtungsgarantien im Grundgesetz

176

(2) Die Übertragbarkeit des Gedankens der Einrichtungsgarantie auf die Parteien

178

(a) Der Grundrechtscharakter des Art. 21 GG

178

(b) Die Mehrdimensionalität des objektiven Grundrechtsverständnisses bb) Fazit b) Der bestandsbegünstigende Gehalt des Art. 21 Abs. 1 GG aa) Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand bb) Bestandsgarantien im Grundgesetz cc) Die bestandsbegünstigende Wirkung des Art. 21 GG c) Fazit

179 180 180 180 .180 181 181

17

Inhaltsverzeichnis 2. Die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung als Gegenstand des Schutzes vor Gefahren von innen

182

3. Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand als Gegenstand des Schutzes vor Gefahren von innen

184

a) Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand als taugliches Schutzobjekt . . . .184 b) Die Erweislichkeit einer Gefährdung des Staates durch eine Funktionsbeeinträchtigung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand

186

aa) Die Erweislichkeit eines Zusammenhanges zwischen Parteienfinanzierung und Funktionsbeeinträchtigung

186

bb)Die Erweislichkeit einer Existenzbedrohung des Staates nach dem Zerfall der Parteien in ihrem aktuellen Bestand

187

(1) Die Erforderlichkeit eines Schutzes des aktuellen Systems für die Erhaltung des Staates

188

(2) Das Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte der Demokratie

189

(3) Der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts

190

(4) Die Aussage der Verfassung

191

c) Ergebnis

191

2. Abschnitt: Die konkrete absolute Obergrenze vor dem Hintergrund demokratischer Repräsentation A. Demokratische Repräsentation nach dem Grundgesetz

192 193

I. Die normative Einbindung der Repräsentation im Grundgesetz

194

II. Der doppelte Bedeutungsgehalt des Repräsentationsbegriffs

196

1. Formale Repräsentation

196

2. Inhaltliche Repräsentation

197

III. Das Mandatsverständnis des Grundgesetzes 1. Das freie Mandat des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG 2. Die Gewissensunterwerfung nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG 2 Schwartmann

198 198 199

Inhaltsverzeichnis a) Die Berücksichtigung der Rationalität

199

b) Die Definition der Unabhängigkeit

200

aa) Gewissen oder Überzeugung

200

bb) Die Einbeziehung von Loyalitätserwartungen und Vorverständnis . . .

201

3. Fazit zum Mandats Verständnis des Grundgesetzes

IV. Die ethische Legitimation des grundgesetzlichen Mandatsverständnisses

202

202

1. Die legitimierende Funktion der Gemeinwohlbindung aller Staatsgewalt . . . .202 2. Die Sicherung der Gemeinwohlbindung durch das Amtsprinzip 3. Die ethische Verpflichtung der Repräsentanten 4. Verfassungserwartungen und Verfassungsvoraussetzungen

203 204 205

a) Das Amtsethos der Gemeinwohlorientierung als Verfassungserwartung . . .206 b) Die Gemeinwohlorientierung aller Staatsgewalt als Voraussetzung der repräsentativen Demokratie

207

c) Fazit

207

B. Der Ansatz des Senats zur Herstellung der Gemeinwohlbindung und dessen Umsetzung im Rahmen des sechsten Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz von 1994 208 I. Die Ziele der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption II. Das Erreichen des kurzfristigen Zieles 1. Das Unterlaufen der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption a) Die Umfangsbegrenzung b) Die Art und Weise der Mittelerbringung

210 210 212 212 214

aa) Die Egalisierung des Verankerungsgebots durch die Wahl der Einsatzbeträge in § 18 Abs. 3 PartG (1994) bb)Die Degressionsregelung des § 18 Abs. 2 S. 2 PartG (1994) 2. Die Erhaltung potentieller Nebenhaushalte

214 215 215

a) Die staatlichen Zuwendungen an Jugendorganisationen der Parteien . . . .216 b) Die Stiftungsfinanzierung 217

Inhaltsverzeichnis

19

c) Die Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit einzelner Fraktionsmitglieder . .217 d) Die Mandatsträgerabgaben

218

3. Die steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden gemäß § 10 b Abs. 2 und §34 g S. 2 EStG

4. Ergebnis

219

221

III. Das Erreichen des langfristigen Zieles

C. Verfassungsfragen der konkreten absoluten Obergrenze

222

223

I. Verfassungsfragen der grundsätzlichen Zulässigkeit direkter staatlicher Parteienfinanzierung

224

1. Die verfassungsrechtliche Sanktionierung der staatlichen Sorge für Parteien . . 225 a) Die Problematik der staatlichen Fürsorge

225

b) Gewandelte Verfassungserwartungen

226

aa) Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien nicht mehr ohne Allgemeinfînanzierung möglich bb) Die Mündigkeit der Parteien

226 227

c) Raum für Mißverständnisse hinsichtlich des Standortes der Parteien . . . . 227 2. Die Auswirkungen auf die verfassungsprozessuale Stellung der Parteien . . . .228 3. Fazit

II. Verfassungsfragen der Herstellung der Gemeinwohlbindung durch die konkrete absolute Obergrenze 1. Die absolute Obergrenze und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG

.230

230 230

a) Die Pflicht des Staates zur Gemeinwohlhervorbringung

231

b) Die Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG

231

2. Ansatz unter Berücksichtigung der Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG . . . . 232

2*

Inhaltsverzeichnis a) Der Verweis des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auf das Ethos

232

b) Die Sensibilisierung des Ethos durch das Bundesverfassungsgericht . . . . 235 aa) Der prima facie Eindruck

235

bb)Die nachhaltige Sensibilisierung des Ethos

236

(1) Die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher Parteienfinanzierung . . .236 (2) Die Höhe der Parteienfinanzierung cc) Fazit

237 237

3. Die Fundierung des Ansatzes aus der Idee der repräsentativen Demokratie . . . 238 a) Das Risiko der repräsentativen Demokratie

238

b) Die Verantwortung des Gemeinwesens für die Nichtrealisierung des Risikos .240 c) Die Voraussetzungen der Beseitigung eines Mangels der Repräsentation . . 241 d) Fazit III. Ergebnis des Zweiten Abschnitts

3. Abschnitt: Ergebnis des Dritten Teils A. Das Verfassungsgebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien

242 243

245 245

B. Die Verfassungsgebote zur Verankerung der Parteien in der Gesellschaft und zur sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel

4. Abschnitt: Zusammenfassung und Gesamtergebnis

Literaturverzeichnis

245

246

248

Erster

Teil

Die Darstellung der Parteienfinanzierungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.04.1992 unter Berücksichtigung der Entwicklung der Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland Am 9. April 1992 hat das Bundesverfassungsgericht sein zweites Grundsatzurteil zur Parteienfinanzierung erlassen.1 Diese Entscheidung steht im besonderen politischen Kontext der achtziger und beginnenden neunziger Jahre. In dieser Zeit wurde insbesondere von exponierter, offizieller Seite herbe Kritik am System der etablierten Parteien geübt. Diesen wurde vorgeworfen, die in der Bevölkerung festzustellende Parteien Verdrossenheit zu schüren.2 Die durch Parteien geprägte Bundesrepublik Deutschland - so der Vorwurf - befinde sich in einer ernsten Krise. Deren Ursachen seien insbesondere durch die Abwendung der staatlichen Entscheidungsträger vom Gemeinwohl begründet. Die in Parteien organisierten Repräsentanten verfolgten im Rahmen ihrer Amtsausübung die Ziele einer eigenen "politischen Klasse"3, instrumentalisierten zur Ausdehnung ihrer Macht den Staat und griffen dabei insbesondere auf öffentliche Mittel zu. 4 Eine derartige Entwicklung birgt für einen repräsentativ-demokratisch organisierten Staat ein großes Gefahrenpotential. Die Abkehr der Volksvertreter vom Gemeinwohl führt zunächst zu einem Mißtrauen der Bürger gegenüber den Repräsentanten. Verfestigte sich dieses Mißtrauen, so hätte dies für die Funktionsfahigkeit der repräsentativen Demokratie der Bundesrepublik fatale Folgen. In der Konsequenz dieses Mißtrauens läge nämlich letztlich die Auflösung der für die Staatsform des Grundgesetzes unabdingbare Vertrauensbasis zwischen Bürgern und staatlichen Entscheidungsträgern.

1

BVerfGE 85,264 ff. Vgl. nur die Aussagen des von 1984 bis 1994 amtierenden Bundespräsidenten R. v.Weizsäcker, Wird unsere Parteiendemokratie überleben? in: Die deutsche Geschichte geht weiter (1983), S. 154 ff sowie densParteienstaat oder die Zukunft der liberalen Demokratie in: Richard von Weizsäcker im Gespräch mit G. Hofmann und W. A. Perger (1992) S. 135 ff. 3 Siehe hierzu an dieser Stelle nur: K. v. Bey me, Die politische Klasse im Parteienstaat (1993). 4 Siehe an dieser Stelle für viele etwa: H.H. v.Arnim, Der Staat als Beute - Wie Politiker in eigener Sache Gesetze machen (1993). 2

22

. el:

rstellung der Entscheidung

Das jüngste Parteienfinanzierungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992 trägt dieser gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung. Das Gericht hat sich in seiner zweiten Grundsatzentscheidung zur Parteienfinanzierung zu seinem bis dahin "engagiertesten Versuch"5, die staatliche Parteienfinanzierung zu begrenzen, durchgerungen.6 Der durchweg für diese Frage zuständige Zweite Senat ersetzte in nicht gekannter Offenheit dogmatische Eckpunkte seiner Parteienfinanzierungsrechtsprechung 7. Während staatliche Parteienfinanzierung nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bislang grundsätzlich verboten war, ist sie nunmehr unter Geltung des Allgemeinfinanzierungsmodells grundsätzlich erlaubt. Allerdings ist die Auskehrung staatlichen Geldes an Parteien nunmehr in der Höhe begrenzt. Darüber hinaus ist sie an ein besonderes, vom Erfolg der Parteien abhängiges Ausschüttungsverfahren gebunden. Anliegen der vorliegenden Untersuchung ist es, den Zusammenhang zwischen der von Parteienverdrossenheit geprägten gesellschaftlichen Entwicklung und der neuen Parteienfinanzierungssystematik, der sogenannten Teilallgemeinfinanzierungskonzeption, herauszuarbeiten. Dies erfolgt im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Analyse der Entscheidung und des darin entwickelten neuen Konzepts der direkten staatlichen Parteienfinanzierung. Die Arbeit beginnt mit einem einführenden Überblick. Dem folgt eine Darstellung der Parteienfinanzierungsproblematik. Diese orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Gesetzgebung in diesem Bereich. Daran schließt sich eine Untersuchung der neuen Konzeption auf ihre methodisch nachvollziehbare Herleitung aus dem Grundgesetz an. Im Hauptteil der Arbeit wird die neue Systematik der staatlichen Parteienfinanzierung auf ihre Vereinbarkeit mit dem materiellen Verfassungsrecht überprüft. Im Rahmen dieser Analyse wird deutlich, wie das Bundesver5

P.M. Huber, JZ 1994, 689 (694). Vgl. hierzu etwa: H.H. v.Arnim, Beute, S. 270 ff.; J. Berkemann, JR 1992, 450 ff.; K. v. Beyme y Politische Klasse, S. 179 ff.; J. Ipsen, JZ 1992, 753 ff.; ders., Bitburger Gespräche 1993, S. 85 ff.; C. Landfried, ZParl 1992, 439 ff.; M. Nagler, Demokratie im Spannungsfeld, S. 149 ff.; M. Sachs, JuS 1992, 1056 f.; H P. Schneider, Bitburger Gespräche 1993, S. 73 ff.; V. Schütte, KJ 1993, 87 ff.; W. Schreiber, Wahlrecht, S. 654 ff.; D. Tsatsos, Bitburger Gespräche 1993, S. 13 ff.; ders./H.-R. Schmidt/P. Steffen, Jura 1993, 194 ff. und 243 ff.; dies., ZRP 1992, 45 ff; U. Volkmann ZRP 1992, 325 ff. 7 Siehe mit einem Überblick hierzu etwa: H. Steinberger, Bitburger Gespräche 1993, S. 25 ff.; K.H. Naßmacher, Aus Pol & ZG Β 11/89, 27 ff. 6

1. Kapitel: Einführender Überblick

23

fassungsgericht es mit Hilfe seiner nunmehr gewählten Teilallgemeinfinanzierungskonzeption versucht, die Parteien und die in diesen zusammengeschlossenen Volksvertreter zu einer Rückbesinnung auf ihren Auftrag zur Herbeiführung des Gemeinwohls zu bewegen. Wesentlicher Gegenstand des dritten Teils der Arbeit ist es, dieses Vorgehen des Gerichts sowohl auf seine verfassungsrechtliche Haltbarkeit als auch auf seine Praxistauglichkeit zu untersuchen.

Erstes Kapitel Einführender Überblick Bei den Quellen der Parteigelder ist zwischen Eigen- und Staatsfinanzierung zu unterscheiden.8 Erster Abschnitt

Eigenfinanzierung der Parteien Ihre Eigenfinanzierung bestreiten die Parteien aus Mitgliedsbeiträgen und Parteispenden sowie aus Kreditaufnahmen und sogenannten Mandatsträgerabgaben. Wie bei anderen Vereinigungen erfordert auch bei Parteien der gemeinsam verfolgte Zweck, daß zunächst die diese konstituierenden Mitglieder die notwendigen Mittel zur Sicherung der Existenz und sachgerechten Aufgabenwahrnehmung aufbringen. Die eigentliche und verfassungsrechtlich unproblematische Einnahmequelle der Parteien sind daher die Beiträge ihrer Mitglieder. Die Höhe der Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen hängt von der Struktur der jeweiligen Partei ab. Die höchsten Beitragseinnahmen verzeichnet die traditionell mitgliederstarke SPD, gefolgt von der CDU. Bei diesen großen Parteien belaufen sich die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen auf ein Drittel bis die Hälfte der Gesamteinnahmen. Bei kleineren Parteien macht diese Einahmequelle wesentlich weniger aus.9 Die Modalitäten der Beitragserhebung sind gesetzlich nicht vorgegeben, bedürfen aber gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 PartG der Regelung in einer Satzung. Eine besondere Form der Mitgliedsbeiträge sind die sogenannten Mandatsträgerab° Siehe hierzu den Kurzüberblick bei: P. Kirchhof, Das deutsche Modell, S. 143 ff. 9 Vgl. hierzu die Rechenschaftsberichte der Parteien, zuletzt für 1992 veröffentlicht. BTDrucks. 12/6140 (1. Teil) und 12/6863 (2. Teil).

24

. el:

rstellung der Entscheidung

gaben. Hierbei handelt es sich um erhöhte Beiträge, die hervorgehobene Parteimitglieder an ihre Parteien abzuführen haben. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser sogenannten Parteisteuern ist umstritten. 10 Eine weitere Finanzquelle stellen Spenden von Mitgliedern oder den Parteien nahestehenden Privatleuten oder Unternehmen dar. Aufgrund ihrer politischen Ausrichtung sprechen die Parteien unterschiedlich finanzkräftige Kreise an. Es liegt auf der Hand, daß etwa die Partei "Bündnis 90/Die Grünen" mit ihrer stark von ökologischen Gesichtspunkten geprägten Zielsetzung ein anderes Wähler- oder Mitgliederpotential anspricht als etwa die F.D.P. als "Partei der Wirtschaft". Die Anhängerschaft dieser beiden Parteien wird sich nicht zuletzt durch deren Finanzkraft und insofern auch durch ihre Bereitschaft zu hohen Spenden voneinander unterscheiden.11 Um den Spendenanreiz in der Bevölkerung zu erhöhen, hat sich der Gesetzgeber bereits früh dazu entschlossen, Spenden an politische Parteien steuerlich zu begünstigen.12 Sie können auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Den Parteien ist es darüber hinaus grundsätzlich unbenommen, ihre finanzielle Flexibilität durch die Aufnahme von Krediten zu erhöhen. Verfassungsrechtlich problematisch wird dies, wenn die Kreditaufnahme eine Größenordnung erreicht, die eine Rückzahlung erschwert oder gar unmöglich macht. Dies würde neben der Entstehung ungesunder Vermögensverhältnisse äußerstenfalls eine Abhängigkeit der Parteien von Kreditinstituten besorgen lassen.13 Zweiter Abschnitt

Staatliche Finanzierung der Parteien Die Parteien nehmen nicht primär die privaten Zwecke ihrer Mitglieder, sondern gemäß § 1 Abs. 1 PartG der Vermittlung zwischen Staat und Gesellschaft dienende öffentliche Aufgaben wahr, die bisweilen sehr kostenintensiv 10 Vgl. für die Zulässigkeit, W. Henke, Politische Parteien, S. 142 f. sowie ders. in BK Rn. 315; dagegen H.H. v.Arnim, Parteienfinanzierung, S. 155 f., ders., Die Partei, S. 207 ff.; C. Landfried, ZParl 1992, 438 (446); differenzierend Bericht 93, S. 85 ff.; vgl. auch K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 295 f. Siehe auch u. S. 218 f. 11 Bei der traditionell spendenschwachen SPD machen Spenden nur rund ein Zehntel, bei der CDU und den Grünen circa ein Fünftel, bei der F.D.P. jedoch ein Drittel der Gesamteinnahmen aus. Vgl. Tabelle 19 im Anhang an Bericht 93. 12 Siehe zur wichtigen Bedeutung von Unternehmerspenden seit der Weimarer Republik : P. Külitz, Unternehmerspenden, S. 21 ff. 13 Vgl. hierzu BK-Henke, Ait. 21 Rn. 315.

1. Kapitel: Einführender Überblick

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sind. Daher verwundert es nicht, daß die Einnahmen der Parteien aus ihren Beiträgen und Spenden deren Finanzbedarf insgesamt nicht decken können. Dem trägt der Gesetzgeber durch die staatliche Finanzierung der Parteien Rechnung. Eine bis zur Entscheidung von 1992 wichtige Einnahmequelle aus diesem Bereich war die den Parteien gemäß §§ 18 ff. PartG zu gewährende Erstattung der Kosten eines angemessenen Wahlkampfes. Diese Finanzierungsquelle wurde 1967 durch das Parteiengesetz eingeführt. 14 Nach der Änderung des § 18 PartG durch das Sechste Änderungsgesetz zum Parteiengesetz von 1994 ist eine Erstattung von Wahlkampfkosten nicht mehr vorgesehen und durch eine Teilallgemeinfinanzierung ersetzt. 15 Im Zusammenhang mit der staatlichen Parteienfinanzierung sind die staatlichen Zuwendungen der öffentlichen Hand an parteinahe Bereiche zu erwähnen. Der Staat gewährt Fraktionen16, Abgeordneten, parteinahen Stiftungen 17 und Parteijugendorganisationen Mittel. Diese kommen den Parteien zumindest mittelbar zugute, da hier "Außenbezirke parteipolitischer Tätigkeit"18 finanziert werden. Weil insofern auch diese Mittel den Parteien zufließen, liegt ihre Berücksichtigung bei der wirtschaftlichen Gesamtbeurteilung der Parteifinanzen nahe.19 Verfassungsrechtlich sind derartige Zuwendungen jedoch nicht als Bestandteil der Parteienfinanzierung zu werten, weil das Grundgesetz die eine Einordnung dieser Gelder in den Bereich der staatlichen Parteienfinanzierung untersagt.20 Den Parteien wird in Wahlkampfzeiten von den öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten darüber hinaus kostenlos Sendezeit für Wahlwerbungsspots zur Verfügung gestellt.21 Angesichts der beträchtlichen Kosten, die den Parteien hierdurch erspart bleiben,22 läßt sich auch die Gewährung von Sendezeiten im Rundfunk als eine Ausprägung der staatlichen Parteienfinanzierung begreifen.

14

Siehe dazu u. S. 29 ff. Siehe u. S. 38 ff. 16 Allerdings sind direkte Zuwendungen der Fraktionen aus ihren Haushaltsmitteln an die Parteien unzulässig. Vgl. dazu BVerfG DÖV 1983,153 (153 f. ). 17 Vgl. zu den mit der Stiftungsfinanzierung verbundenen Besonderheiten BVerfGE 73, 1 ff. 18 So BK-Henke, Art. 21 Rn. 315. 19 BK-Henke, Art. 21 Rn. 315; H.H. v.Arnim, Die Partei, S. 82 ff. 2 0 Vgl. etwa zur Stiftungsfinanzierung: BVerfGE 73, 1 (32 f.). 21 Vgl. hierzu BVerfGE 7, 99 (107 ff.); 14, 121 (133 ff.); 34, 160 (163 f.); 47, 198 (237); 63, 251 (252f.); 67, 149(152). 2 2 Vgl. zu der Rechtslage in den Vereinigten Staaten und Kanada, wo Sendezeiten im Rundfunk für die politischen Parteien nicht unentgeltlich sind: K -Η. Naßmacher, Aus Pol & ZG 1982, Β 14-15, S. 3 (11 f.). 15

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Dritter Abschnitt

Die der Parteienfinanzierung zugrundeliegende Systematik Die vorgestellten Finanzierungsquellen lassen sich in eine Systematik einordnen. Hierbei ist zwischen den Bereichen einer "verfassungsrechtlich nicht vorhandenen", der nicht staatlichen und der staatlichen Parteienfinanzierung zu unterscheiden. Als "verfassungsrechtlich nicht vorhandene Parteienfinanzierung" soll hier das Profitieren der Parteien von staatlichen Zuwendungen an parteinahe Stiftungen und Parteijugendorganisationen bezeichnet werden. Bei der nicht staatlichen Parteienfinanzierung geht es um die Festlegung von Rahmenbedingungen einer verfassungsrechtlich zulässigen Parteienfinanzierung. In diesem Bereich ist die Frage nach der generellen Zulässigkeit einer finanziellen Unterstützung der Parteien durch den Staat zu beantworten. Solange die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Partizipation der Parteien an den staatlichen Zuwendungen an Abgeordnete, Fraktionen und die Zulässigkeit privater Kreditaufnahmen nicht abschließend geklärt ist, muß diese systematisch in den Bereich der nicht staatlichen Parteienfinanzierung eingeordnet werden. Innerhalb der staatlichen Parteienfinanzierung läßt sich zwischen unmittelbarer 23 und mittelbarer 24 staatlicher Parteienfinanzierung differenzieren. In beiden Fällen ist im Unterschied zur nicht staatlichen Parteienfinanzierung keine Aussage über die Rahmenbedingungen zu treffen. Hier steht vielmehr ein tatsächliches Handeln des Staates in Rede, das jedoch unterschiedliche Konsequenzen nach sich zieht. Im ersten Fall tritt eine direkte, im zweiten Fall eine indirekte FinanzierungsWirkung ein. Bei der unmittelbaren oder direkten Parteienfinanzierung stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Staat den Parteien finanzielle Mittel aus Bundes- oder Landeshaushalten direkt zuweisen darf. Verfassungsrechtlich sind hier insbesondere die verfassungsgebotenen Grenzen dieser Finanzierungsform von Interesse. Von der unmittelbaren ist die mittelbare oder indirekte Parteienfinanzierung zu unterscheiden. Hier sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zu klären, unter denen eine steuerliche Begünstigung von Parteispenden vorgenommen werden darf. Die verfassungsrechtliche Problematik liegt hier darin, daß der Staat mit Hilfe des

2 3

Siehe hierzu bereits: W. Kewenig, DÖV 1964, 829 (829 ff.). Im Rahmen der mittelbaren Parteienfinanzierung werden hier lediglich die Ausprägungen dieser Spielart der Parteienfinanzierung berücksichtigt, die sich im Lauf der Zeit durchgesetzt haben. Vgl. hierzu und zu weiteren denkbaren Formen einer mittelbaren Parteienfinanzierung: H.C. Jülich, Chancengleichheit, S. 141 ff. 2 4

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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Steuerrechts das Spendenverhalten potentieller Finanziers lenken und dadurch mittelbar Einfluß auf die Vermögensverhältnisse der Parteien nehmen kann. Mittelbare Parteienfinanzierung ist auf zwei Arten möglich. Zum einen kann der Gesetzgeber Spenden an politische Parteien für steuerabzugsfähig erklären und so zu deren Gunsten auf den Teil seiner Einkommen- beziehungsweise Körperschaftsteuer verzichten, der ansonsten auf diese Beträge entfallen würde. Der Staat nimmt dann mittelbar in der Höhe des ihm verlorengegangenen Steueranteils an der Finanzierung der politischen Parteien teil 25 . Zum anderen hat der Staat die Möglichkeit, die Steuerschuld unabhängig von bestimmten Steuersätzen direkt zu verringern, sofern sich Private zu einer Spende an politische Parteien bereitfinden. Während die erste Spielart der mittelbaren Parteienfinanzierung bereits im Jahre 1958 Gegenstand der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung war, wurde die zweite Variante erst bei der Reform des Parteiengesetzes im Jahr 1984 eingeführt. 26 Die Besonderheit der letztgenannten Möglichkeit besteht darin, daß sie eine vom progressiven Steuersatz unabhängige Begünstigungsmöglichkeit schafft.

Zweites Kapitel Die Vorstellung der Parteienfinanzierungentscheidung vom 09.04.1992 Im Rahmen der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 standen verschiedene parteien- und steuerrechtliche Vorschriften in Streit. Es handelte sich dabei um § 18 Abs. 6 PartG, der einen an jede Partei in gleicher Höhe auszukehrenden Sockelbetrag vorsah, die Chancenausgleichsregelung des § 22 a PartG, § 25 Abs. 2 PartG, der das Einsetzen der Grenze der Veröffentlichungspflicht für Parteispenden regelt, sowie die steuerrechtlichen Regelungen der §§ 34 g, 10 b EStG und § 9 Nr. 3 KStG. Die Partei "Die Grünen" - zunächst unterstützt durch eine Verfassungsbeschwerde der freien Wählergemeinschaft Weinheim27 - hatte im Rahmen eines Organstreitverfahrens gegen Bundestag und Bundesrat verschiedene Neuerungen des Fünften Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze aus dem Jahr 1988 beanstandet. Durch den gemäß § 18 Abs. 6 PartG eingeführten Sockelbetrag sei das Recht der Partei auf Chancengleichheit insofern verletzt, als diese Norm Parteien, die sich lediglich regional begrenzt zur Wahl stellen, ungerechtfertigt in gleicher Weise begünstige, wie die 2 5 So die Definition der mittelbaren Parteienfinanzierung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 8, 51 (62 f.). 2 6 Vgl. im einzelnen u. S. 50. 2 7 AZ: 2 BvR 2033/89. Diese Verfassungsbeschwerde hatte im späteren Hauptverfahren keine Bedeutung mehr.

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auf Bundesebene agierende Antragstellerin.28 In einer für das Chancenausgleichsverfahren gemäß § 22 a PartG neu eingeführten Berechnungsmethode wurde eine Beeinträchtigung der Staatsfreiheit 29 sowie eine Verletzung des Rechtes auf Chancengleichheit30 gesehen. Ferner verstoße der Chancenausgleich gegen das Transparenzgebot.31 Durch die Festlegung der Obergrenze für die steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden auf DM 60.000 gemäß §§ 10 b EStG und 9 Nr. 3 KStG werde eine Privilegierung Besserverdienender bewirkt. Dies rufe einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit hervorrufe, weil die Antragstellerin einen derartigen Wählerkreis nicht anspräche.32 In der Anhebung der Publizitätsgrenze auf DM 40.000 in § 25 Abs. 2 PartG liege schließlich ein Verstoß gegen das in Art. 21 Abs. 1 S. 4 festgeschriebene Transparenzgebot.33 In ihren jeweiligen Gegenäußerungen hielten sowohl der Deutsche Bundestag34 als auch die gesondert Stellung beziehende SPD 35 die von der Antragstellerin angemahnten Verstöße für unzutreffend und deren Antrag für nicht gegeben. Erster Abschnitt

Die Verwerfung des § 18 Abs. 6 PartG (Sockelbetrag) 36 Das Bundesverfassungsgericht befaßt sich im Bereich der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung vornehmlich mit der Verfassungsmäßigkeit des Sockelbetrages gemäß § 18 Abs. 6 PartG. Es nutzt die Entscheidung, um die unmittelbare Parteienfinanzierung auf eine rechtlich völlig neue Grundlage zu stellen. Allerdings muß sich das Gericht die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu Grundsatzfragen der Parteienfinanzierung im Rahmen seiner Ausführungen zu § 18 Abs. 6 PartG erst schaffen. Es prüft die Verfassungsmäßigkeit des § 18 Abs. 6 PartG umfassend, obwohl die Antragstellerin diese Norm nur in einem Detailbereich beanstandet hatte. Das Gericht fühlt sich an den Antrag jedoch nicht gebunden. Es sieht seine Prü-

2 8 BVerfGE 85, 264 (275 f.). Es ging der Antragstellerin namentlich um eine Besserstellung der nur im Bundesland Bayern agierenden CSU. 2 9 BVerfGE 85, 264 (274). 3 0 BVerfGE 85, 264 (275). 31 BVerfGE 85, 264 (274 f.). 3 2 BVerfGE 85, 264 (276 f.). 33 BVerfGE 85,264 (276). 3 4 BVerfGE 85, 264 (277 ff.). 35 BVerfGE 85, 264 (281 f.). 3 6 [B.I] des Urteils, S. 283 - 295.

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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fung als legitimiert an, weil die Sockelbetragsregelung von der Antragstellerin überhaupt in zulässiger Weise zum Gegenstand des Organstreitverfahrens gemacht wurde.37 Nach einer kurzen Vorstellung der Sockelbetragsregelung sind die weitreichenden Konsequenzen aufzuzeigen, die mit deren Verwerfung verbunden sind.

A. Der Sockelbetrag Durch § 18 Abs. 6 PartG (1988) führte der Gesetzgeber einen sogenannten Sockelbetrag ein. Dieser war gemäß S. 1 der Norm allen Parteien zu gewähren, die über 2 vom Hundert der gültigen Zweitstimmen erhielten. Gemäß § 18 Abs. 6 S. 2 PartG trat der Sockelbetrag als Bestandteil der Wahlkampfkostenerstattung neben die Wahlkampfkostenpauschale. Damit war er der unmittelbaren Parteienfinanzierung zugeordnet und erfolgsunabhängig zu gewähren. In § 18 Abs. 6 S. 4 PartG war eine Plafonierungsvorschrift vorgesehen, wonach der Sockelbetrag nicht mehr als 80 vom Hundert des Anteils an der Wahlkampfkostenpauschale einer Partei ausmachen durfte. 38

B. Die Ausführungen des Gerichts zum Sockelbetrag Der Senat stellt einen Verstoß des § 18 Abs. 6 PartG gegen Art. 21 Abs. 1 GG sowie den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien fest, da die Norm eine nicht erfolgsabhängige Zuweisung staatlicher Mittel an die Parteien festschreibe. 39 Mit dieser unspektakulär klingenden Feststellung verbindet der Senat eine völlige Neuausrichtung seiner Parteienfinanzierungsdogmatik. Bei der Verwerfung des § 18 Abs. 6 PartG stellt das Gericht unvermittelt die Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung zugunsten eines Teilallgemeinfinanzierungsmodells in den Mittelpunkt seiner Rechtsausführungen. Das in diesem Rahmen entwickelte neue Parteienfinanzierungsmodell soll in einer Gegenüberstellung zum aufgegebenen Konzept, dem Dogma der Wahlkampfkostenerstattung, vorgestellt werden.

37 38 3 9

BVerfGE 85, 264 (284). Siehe dazu eingehend: H.H. v.Arnim, Neue Parteienfinanzierung, S. 59 ff. BVerfGE 85, 264 (283).

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I. Das überkommene Staatsfreiheitsverständnis und das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung Das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung wurde vom Bundesverfassungsgericht 1966 4 0 in seiner ersten Grundsatzentscheidung zur unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung entwickelt. Es basierte auf einem besonderen Staatsfreiheitsverständnis. 1. Die Entwicklung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung durch das Bundesverfassungsgericht Für das Staatsfreiheitsverständnis des Bundesverfassungsgerichts war damals eine strikte Trennung der politischen Willensbildung in Volks- und Staatswillensbildung41 entscheidend. Diese wollte das Gericht auch für die Tätigkeit der Parteien eingehalten wissen.42 Die Differenzierung wurde durch eine Gegenüberstellung der Begriffe Volks Willensbildung gemäß Art. 21 Abs. 1 G G 4 3 und Staatswillensbildung gemäß Art. 20 Abs. 2 G G 4 4 erreicht 45. Dem Grundgesetz, so das Gericht im Jahr 1966, liege die Idee eines freien und offenen Prozesses der Meinungs- und Willensbildung innerhalb des Volkes zugrunde. Diese müsse sich frei, offen und unreglementiert vollziehen. Insofern sei grundsätzlich eine strikte Trennung zwischen Volks- und Staatswillensbildung erforderlich. Diese dürfe lediglich in dem Fall durchbrochen werden, für den das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG eine Verschmelzung der Prozesse der Volks- und Staatswillensbildung vorgebe. Dies sei gegeben, wenn das Volk als Kreationsorgan 46 im Wege von Wahlen selbst Staatsgewalt ausübe.47 Das Gericht erkannte jedoch an, daß der überwiegende Teil der Volkswillensbildung nicht in dem kleinen Schnittbereich von Art. 21 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 2 GG angesiedelt ist. Diese unterliege vielmehr einem ständigen Prozeß, 4 0 BVerfGE 20, 56 (113 ff.). Siehe zu dieser Entscheidung: E. Menzel, DÖV 1966, 585 (585 ff.); F.K. Fromme, Aus Pol & Z G B 23/69, 3 (5 ff.); H. Zwirnen AÖR 93 Bd. (68), S. 81 (81 ff.); P. Häberle, JuS 1967, 563 (563 ff.); C. Peter, JuS 1969, 563 (563 ff.). 41 BVerfGE 20, 56 (98). Die Unterscheidung fand sich erstmals in BVerfGE 8, 104 (113). 4 2 BVerfGE 20, 56 (98 f.). 4 3 "Willensbildung des Volkes". 4 4 "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." 4 5 Diese Differenzierung erfolgte in einem anderen Zusammenhang bereits in BVerfGE 8, 104 (113). 4 6 Vgl. hierzu BVerfGE 1, 208 (225) unter Berufung auf G. Radbruch, Staatsrecht, S. 290. Begründet wurde der Begriff des "Kreationsorgans" von G. Jellinek. Vgl. dessen Staatslehre, S. 545. Kritisch zur Verwendung des Begriffs im Sinne Jellineks durch das Bundesverfassungsgericht, K.-R. Titzcky Verfassungsfragen, S. 75 Fn. 3. 4 7 BVerfGE 20, 56 (97 f.).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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auf den durch verschiedenste gesellschaftliche Strömungen Einfluß genommen werde. Allerdings sei den Parteien eine besondere Bedeutung bei der Prägung dieses Prozesses zugewiesen, weil ihnen die Aufgabe eines ständigen Mittlers zwischen Volk und Staatsorganen zufalle. Damit ging das Gericht bereits im Jahre 1966 von einer vielfältigen Verschränkung der Bereiche von Staats- und Volkswillensbildung aus. 48 Allerdings vertrat es die Ansicht, daß sich der Willensbildungsprozeß nach der Idee des Grundgesetzes trotz dieser Verschränkung ausschließlich vom Volk zu den Staatsorganen, in einem linearen Prozeß von unten nach oben vollziehe. Daß die politische Willensbildung innerhalb des Volkes die Staatsorgane erst hervorbringe, bedeute zugleich, daß es dem Staat versagt sei, am "staatsfreien" Prozeß der Volkswillensbildung teilzuhaben. Staatliche Einwirkungen seien nur bei Vorliegen eines "verfassungsrechtlich legitimierenden Grund(es)" zu rechtfertigen. Für die Parteienfinanzierung bedeute das, daß diese nicht auf die im Bereich der Volkswillensbildung anzusiedelnde allgemeine Parteitätigkeit ausgedehnt werden dürfe. Jene sei einer staatlichen Einflußnahme verschlossen. Eine staatliche Finanzierung der gesamten politischen Tätigkeit - wie vom Senat im Jahr 1958 noch für zulässig erklärt - würde zu einer Verquickung von Parteien und Staatsorganen führen und die Parteien der staatlichen Vorsorge überantworten. Dies wiederum stelle ein Einwirken des Staates auf den staatsfreien Bereich der Volkswillensbildung dar. 49 Nach der Konzeption des Grundgesetzes obliege die Finanzierung der Parteien aber der Gesellschaft. Das Risiko des Fehlschlagens eigener Finanzierungsbemühungen der Parteien nehme das Grundgesetz bewußt in Kauf, weil es dem System der freiheitlichen Demokratie immanent sei. 50 Selbstverständlich zulässig sei demgegenüber jegliche Betätigung der Staatsorgane im Bereich der Staatswillensbildung. Dort stehe ausschließlich die Willensbildung innerhalb der Staatsorgane in Rede. Wegen ihres späteren Bedeutungswechsels51 verlangt die 1966 hinter der Entwicklung des Grundsatzes der Staatsfreiheit stehende Idee gesonderte Erwähnung: Nach der Aussage der Entscheidung im zwanzigsten Band bedürfen staatliche Eingriffe in den Bereich der Volks Willensbildung einer besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation.52 Das Gericht stellte den Grundsatz der Staatsfreiheit auf, um eine klare Trennung zwischen Volks- und Staatswillensbildung zu erreichen und der Gefahr zu starker Eingriffe der Staatsorgane in diesen Bereich Einhalt zu gebieten. Dies hielt es für erforderlich, 4 8 4 9 5 0 51 5 2

BVerfGE 20, 56 (101 f.). BVerfGE 20, 56 (102). BVerfGE 20, 56 (102). BVerfG 85, 264 (287 ff.). BVerfGE 20, 56 (99 f.).

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rstellung der Entscheidung

weil die Volkswillensbildung der freien Entwicklung der gesellschaftlichen Kräfte vorbehalten bleiben müsse. Damit wird deutlich, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit im Jahr 1966 den Parteien primär als Abwehrrecht gegen Eingriffe aus dem Bereich der Staatsorganisation dienen sollte. Mit der dargestellten Festlegung seines Verständnisses von der Staatsfreiheit der Parteien hatte das Bundesverfassungsgericht den Grundstein für das sogenannte Dogma der Wahlkampfkostenerstattung gelegt. Dieses basierte auf dem Gedanken, daß die Parteien beim Abhalten von Wahlen im Bereich der organisierten Staatlichkeit wirken. Die Durchführung von Wahlen, die für die Willensbildung im demokratischen Staat den entscheidenden Akt darstellen, sei eine öffentliche Aufgabe und in einer Massendemokratie ohne die Mithilfe von Parteien unmöglich. Das Gericht strich in diesem Zusammenhang die vornehmliche Funktion der Parteien als Wahlvorbereitungsorganisationen 53 heraus. In der Konsequenz dessen sah es die Erstattung der Kosten eines angemessenen Wahlkampfes als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an 5 4 . Das Gericht erklärte jedoch, anders als noch im Jahr 1958 55 , das Organisieren der Wahlen zur einzigen staatlich finanzierungsfähigen Aufgabe 56. Den Wahlkampf hielt der Senat bei einer nahe bevorstehenden Wahl für gegeben.57 Das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung wurde schließlich hinsichtlich des Maßstabes, der vom Gesetzgeber bei der Verteilung der Mittel zu beachten war, konkretisiert. Bei der Zuwendung der Gelder selbst müsse der streng formal zu verstehende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gewahrt bleiben. Dieser erstrecke sich auf das gesamte Vorfeld der Wahlen, sei also insbesondere auch bei der gesetzlichen Regelung der Wahlkampfkostenerstattung einzuhalten.58 In den Genuß der Wahlkampfkostenerstattung sollten nur Parteien kommen, die sich am Wahlkampf beteiligt hatten. Einen Schutz kleiner Parteien nahm das Gericht insofern vor, als es auch diese für grundsätzlich erstattungsberechtigt erklärte. Gleichwohl sei eine Mindestquote für die Teilhabe an der Wahlkampfkostenerstattung zulässig, um der Entstehung von Splitterparteien entgegenwirken zu können. Diese müsse jedoch deutlich unter 5 vom Hundert liegen. Der Benachteiligungseffekt der 5 vom Hundert-Klausel, die für den Einzug in

53

(280). 5 4 5 5 5 6 5 7 58

BVerfGE 20, 56 (113) und bereits früher in BVerfGE 4, 27 (30); E 8, 51 (63); E 12, 276 BVerfGE 20, 56 (113). BVerfGE 8, 51 (63). BVerfGE 20, 56 (96 f.). BVerfGE 20, 56 (114). BVerfGE 20, 56 (116).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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ein Parlament erforderlich ist, solle durch das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung nicht verschärft werden.59 Bezüglich der Höhe der Wahlkampfkostenerstattung hob das Gericht hervor, daß nur erstattungsfähig sein könne, was nach den jeweiligen Verhältnissen zur Führung eines angemessenen Wahlkampfes notwendig sei. Die Festlegung eines objektiven Maßstabes zu dessen Berechnung obliege indes dem Gesetzgeber und könne nicht von den Parteien festgelegt werden. 60 Zum konkreten Umfang der Wahlkampfkostenerstattung machte das Gericht keine Vorgaben. Es hielt eine Differenzierung, die sich an der Bedeutung der Parteien orientiert, für möglich. Zu berücksichtigen sei jedoch, daß Parteien, die bislang nicht im Bundestag vertreten gewesen seien, noch nicht an der staatlichen Parteienfinanzierung teilhaben konnten.61 2. Die Umsetzung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung durch den Gesetzgeber im Jahr 1967 Nachdem das Bundesverfassungsgericht die staatliche Parteienfinanzierung an die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage geknüpft hatte 62 , reagierte der Gesetzgeber zügig. 63 Mit dem Inkraftsetzen des Parteiengesetzes zum 25.07.1967 64 kam er nach über achtzehnjähriger Verzögerung seinem Verfassungsauftrag aus Art. 21 Abs. 3 GG nach. In diesem Regelungswerk kam der Frage der staatlichen Parteienfinanzierung eine zentrale Bedeutung zu. Der Gesetzgeber stellte in § 18 Abs. 1 S. 1 PartG dem Normenkomplex zur unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung die Aussage des Bundesverfassungsgerichtes voran, wonach den an der Bundestagswahl beteiligten Parteien die Kosten eines angemessenen Wahlkampfes zu erstatten waren. 65 Die Erstattung

5 9 BVerfGE 20, 56 (117 f.) In BVerfGE 41, 399 (415 f.), der "Daniels-Entscheidung", wurde auch einem parteiunabhängigen Einzelbewerber das Recht auf Teilhabe an der Wahlkampfkostenerstattung zugesprochen und das Dogma insgesamt bekräftigt (a.a.O. 413 ff.), nachdem das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 44, 187 (191) Zweifel an der sachlichen Abgrenzbarkeit von Wahlkampfkosten und übrigen Parteiausgaben angemeldet hatte. 6 0 BVerfGE 20, 56 (115 f.). 61 BVerfGE 20, 56 (118 f.). 6 2 BVerfGE 20, 56 (96 ff.). 63 Vgl. zu den Hintergründen: H. Kaack, Parteiensystem, S. 367. 6 4 BGBl. 1967 Teil I, S. 773 ff. Siehe zum Gesetzesentwurf: U. Scheuner, DÖV 1967, 343

(343 ff.) und zum Gesetz dens.: DÖV 1968, 88 (88 ff.). 6 5

§ 18 Abs. 1 PartG i.d.F.v. 24.07.1967 in Anlehnung an BVerfGE 20, 56 ( 113).

3 Schwartmann

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rstellung der Entscheidung

dieser, gemäß § 21 PartG im Bundeshaushaltsplan auszubringenden, Mittel für den Wahlkampf sollte über ein Pauschalierungsverfahren erfolgen. In § 18 Abs. 2 S. 2 PartG wurde die sogenannte Wahlkampfkostenpauschale normiert. Danach war ein Pauschalbetrag von insgesamt D M 2,50 je Wahlberechtigtem auszukehren. Bei der Verteilung dieses Betrages auf die jeweils erstattungsberechtigten Parteien differenzierte man, um dem Grundsatz der Chancengleichheit zu genügen, wie folgt: Parteien, die 2,5 vom Hundert der im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zweitstimmen erhielten, sollten anteilig nach dem Verhältnis der von ihnen erreichten Zweitstimmen alimentiert werden; (jeweils Nr. 1 der Abs. 2 und 3 des § 18 PartG). An Parteien, die zwar nicht über die 2,5 vom HundertHürde im gesamten Wahlgebiet gelangen, wohl aber in einem Wahlkreis 10 vom Hundert der Erststimmen auf sich vereinigen konnten, sollte pro Erststimme, die von der jeweiligen Partei in Wahlkreisen, in denen sie mindestens 10 vom Hundert der Erstimmen erreichen würde, ein Betrag von D M 2,50 gezahlt werden; (jeweils Nr. 2 der Abs. 2 und 3 des § 18 PartG). Mit der Berücksichtigung des voraufgegangenen Wahlerfolges fand der in § 5 Abs. 1 S. 2 PartG festgelegte und gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 PartG abstufbare Grundsatz der Chancengleichheit bei der Mittelverteilung Beachtung. Zudem wurde den gemäß § 18 Abs. 2 PartG erstattungsberechtigten Parteien in § 20 Abs. 1 PartG die Möglichkeit zur Beantragung von Abschlagszahlungen auf den ihnen zustehenden Erstattungsbetrag an der Wahlkampfkostenpauschale eröffnet. Der Abschlag konnte beim Bundestagspräsidenten bereits ab dem zweiten Jahr der Wahlperiode beantragt werden. Die Abschlagszahlungen waren so gestaffelt, daß sie sich bei heranrückender Wahl erhöhten. Im zweiten Jahr nach der vorangegangenen Wahl konnten maximal 10 vom Hundert, im Jahr darauf höchstens 15 vom Hundert und im Wahljahr nicht mehr als 35 vom Hundert des einer Partei letztlich zustehenden Erstattungsbetrages vorab gezahlt werden (§ 20 Abs. 1 S. 2 PartG). Der noch ausstehende Restanteil war nach Abschluß des Bundestagswahlkampfes auszuzahlen. Schließlich enthielt das Parteiengesetz in § 22 eine Ermächtigung an die Länder, im Rahmen der §§ 18 bis 20 eine Erstattung von Wahlkampfkosten bei Landtagswahlen vorzunehmen.

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

3. Die Überprüfung der Umsetzung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung durch das Bundesverfassungsgericht

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im Jahr 196

Mit dieser Umsetzung seiner Vorgaben zur staatlichen Parteienfinanzierung hatte sich das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1968 erneut zu befassen. 66 Hier behandelte es zunächst die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Wahlkampfkostenpauschale gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 PartG. Das Pauschalierungsverfahren erklärte das Gericht für verfassungsgemäß. Diese Form der Erstattung stelle eine Verfahrensvereinfachung dar und diene aufgrund ihrer Objektivität letztlich dem innerpolitischen Frieden. 67 Eine vom Gericht für unwahrscheinlich gehaltene (!) Möglichkeit von Zuvielzahlungen könne nicht zur Verfassungswidrigkeit des Prinzips der Pauschalierung führen. 68 Auch wurde die Verteilung der Mittel unter Berücksichtigung der Anzahl der Wahlberechtigten bei der vorausgegangenen Wahl gebilligt. Hierbei handele es sich um einen objektiven Maßstab, der einerseits den Parteibelangen Rechnung trage und andererseits die Parteienfinanzierung nach oben begrenze. 69 Das Gericht sah jedoch in dem gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 PartG bei 2,5 vom Hundert angesiedelten Quorum für die Partizipation an der Wahlkampfkostenerstattung einen Verstoß gegen den streng formal zu verstehenden Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. 70 Dieser lasse eine Differenzierung nur bei Vorliegen eines besonderen, zwingenden Grundes zu 7 1 . Zur Teilhabe an der Wahlkampfkostenerstattung seien lediglich solche Parteien berechtigt, die die Ernsthaftigkeit ihrer Wahlkampfbemühungen nachweisen könnten. Das Mindestquorum sei zwar notwendig und geeignet, der Gefahr entgegenzuwirken, daß Parteien sich nur um der Teilhabe an der Wahlkampfkostenerstattung willen an einer Wahl beteiligen würden. Gleichwohl dürfe der Mindeststimmenanteil nicht so hoch angesetzt werden, daß kleine Parteien eine übergroße Benachteiligung erführen. Angesichts dessen errechnete das Gericht, daß erst eine Untergrenze von 0,5 vom Hundert zum Ausschluß einer Partei von der Partizipation an der Wahlkampfkostenerstattung zwingt. 72 Es erklärte § 18 PartG damit insofern für verfassungswidrig, als er das Quorum bei 2,5 vom Hundert festsetzte.

6 6 6 7 6 8 6 9 7 0 71 7 2

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BVerfGE 24, 300 (334 ff.). BVerfGE 24, 300 (335). BVerfGE 24, 300 (335 f.). BVerfGE 24, 300 (338 f.). BVerfGE 24, 300 (343). Vgl. dazu: BVerfGE 20, 56 ( 117 f.). BVerfGE 24, 300 (340).

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rstellung der Entscheidung

Allerdings sei die Festlegung der Mindestgrenze von 10 vom Hundert bei Parteien, die aufgrund der in einem Wahlkreis erlangten Erststimmen in den Genuß der Wahlkampfkostenerstattung gelangen sollten (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 PartG), niedrig genug angesetzt und daher nicht zu beanstanden. Diese sei auch für nur auf lokaler Ebene in Erscheinung tretende Parteien erreichbar und deswegen verhältnismäßig, weil bei diesen eine erhöhte Mißbrauchsgefahr bestehe.73 Das Gericht ließ bemerkenswerterweise auch die in § 20 Abs. 1 PartG vorgesehene Ausgestaltung des Verfahrens für die Abschlagszahlungen unbeanstandet. In Anbetracht der langfristigen und bereits in den Jahren vor der Wahl kostenintensiven Wahlvorbereitungen sei eine Zahlung von Abschlägen für eine sinnvolle Wahlvorbereitung unerläßlich. Hier sei durch das abgestufte Auszahlungsverfahren eine sachgerechte Lösung getroffen. 74 Praktische Probleme hinsichtlich der Möglichkeit einer Trennung zwischen Wahlkampfkosten und Kosten für die allgemeine Parteitätigkeit sah der Senat nicht. 75 Zudem hielt er die gemäß § 20 Abs. 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 PartG vorgesehene Anknüpfung an den Wahlerfolg auch bei Bemessung der Abschlagszahlungen für sachgerecht. 76 Die Regelung des § 20 Abs. 1 PartG sei jedoch wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit insoweit verfassungswidrig, als hierin auf § 18 Abs. 2 Nr. 1 PartG Bezug genommen werde. 77 Darüber hinaus ließ das Gericht die Regelung des § 22 PartG unbeanstandet, die eine Ermächtigung der Länder zur Wahlkampfkostenerstattung im Rahmen von Landtagswahlen vorsah. Die Kompetenz zur Regelung der Wahlkampfkostenerstattung sei nicht dem Wahlrecht, sondern dem Parteienrecht zuzuordnen. Für dieses weise Art. 21 Abs. 3 GG dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu, die die Kompetenz zur Ermächtigung der Länder einschließe.78

I I . Die Umakzentuierung des Grundsatzes der Staatsfreiheit und die Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 Den Aussagen zum Grundsatz der Staatsfreiheit aus den Jahren 1966 und 1968 stehen die 1992 getroffenen Feststellungen entgegen. Das Gericht befaßt sich in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 im Rahmen seiner 7 3 7 4 7 5 7 6 7 7 7 8

BVerfGE 24, 300 (343 f.). BVerfGE 24, 300 (348 ff.). BVerfGE 24, 300 (350), so auch bereits BVerfGE 20, 56 ( 114). BVerfGE 24, 300 (352 f.). BVerfGE 24, 300 (350 f.). BVerfGE 24, 300 (353 f.).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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Ausführungen zum Sockelbetrag zunächst mit der Aufgabe der Parteien im Staatsgefiige und bestimmt unter Berücksichtigung dessen einen Modus für die Begrenzung der Parteienfinanzierung. Dies macht eine Umakzentuierung des Grundsatzes der Staatsfreiheit erforderlich, die zur Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung führt. Der Senat betont in Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung die herausgehobene Stellung der Parteien für das Wahlrecht. Allerdings seien diese nicht ausschließlich in ihrer Funktion als Wahlvorbereitungsorganisationen für die demokratische Ordnung unerläßlich. 79 Der Senat kehrt also insoweit zum Ausgangspunkt seiner Parteienfinanzierungsrechtsprechung im Jahr 1958 zurück. 80 Das Gericht bestätigt weiterhin seine seit dem zwanzigsten Band ständige Rechtsprechung, wonach eine vielfältige Verknüpfung der an sich zu trennenden Bereiche von Staats- und Volks Willensbildung im täglichen politischen Leben existiert. 81 Allerdings zieht der Senat aus dieser überkommenen Prämisse nicht mehr die Konsequenz eines grundsätzlichen Verbotes staatlicher Parteienfinanzierung. Da die Richter die allgemeine Tätigkeit der Parteien während und außerhalb des Wahlkampfes als eng miteinander verknüpft anerkennen, wird nunmehr unter ausdrücklicher Abkehr von der voraufgegangenen Spruchpraxis eine staatliche Alimentierung der Parteien für alle ihnen allgemein nach dem Grundgesetz obliegenden Aufgaben für zulässig erachtet. 82 Dies sei angebracht, da die den Parteien über Art. 21 GG gewährte Mitwirkung am Verfassungsleben nicht auf die allgemeine Wahlvorbereitung beschränkt sei, sondern sich bruchlos in das sonstige Parteiwirken einfüge. 83 Das Gericht sieht demnach die Grenzen der Parteienfinanzierung nicht mehr in der Erstattung von Wahlkampfkosten, von der sich die Praxis ohnehin längst gelöst habe. 84 Die sachliche Begrenzung der Staatszuwendungen auf Wahlkampfkostenerstattung sei nicht praxistauglich gewesen.85 Der Senat gibt damit nach beinahe 26 Jahren das 1966 entwickelte Dogma der Wahlkampfkostenerstattung auf. 86

7 9

BVerfGE 85, 264 (284). BVerfGE 8, 51 (63). 81 BVerfGE 85, 264 (284 f.). 82 BVerfGE 85,264 (285). 83 BVerfGE 85, 264 (286). 8 4 BVerfGE 85, 264 (286). 85 BVerfGE 85, 264 (288). 86 Vgl. hierzu bereits den 2. Leitsatz der Entscheidung: BVerfGE 85, 264 (264). Siehe eingehend zu Verfassungsfragen der Wahlkampfkostenerstattung, K.-R. Titzck, Verfassungsfragen, S. 64 ff. 8 0

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rstellung der Entscheidung

I I I . Die Fortentwicklung des Grundsatzes der Staatsfreiheit Weil nach der Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung eine verfassungsrechtliche Gundlage für die unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung fehlt, befaßt sich der Senat mit der Entwicklung einer neuen verfassungsrechtlichen Basis hierfür. Dies geschieht durch eine Fortentwicklung des Grundsatzes der Staatsfreiheit der Parteien. Dieser gewähre zum einen deren auch finanzielle Unabhängigkeit vom Staat, schreibe aber zum anderen die Verankerung der Parteien als frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen vor. 87 Beide Aspekte verdeutlichten, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit eine Begrenzung der staatlichen Parteienfinanzierung erfordere. Zugleich stehe er aber einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Finanzierung der allgemeinen Tätigkeit der Parteien nicht entgegen. Allerdings sei unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Staatsfreiheit lediglich eine teilweise Finanzierung der allgemeinen Parteitätigkeit frei von verfassungsrechtlichen Bedenken. Nur so sei sicher gestellt, daß die Parteien nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich auf die Unterstützung der Bürger angewiesen blieben. Verletzt sei der hiermit neu definierte Grundsatz der Staatsfreiheit, sobald sich die Parteien nicht mehr um finanzielle Unterstützung innerhalb der Wählerschaft bemühen müßten.88 Um diesen praxistauglich zu gestalten, leitet das Gericht aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit Maßgaben hinsichtlich einer Begrenzung des Umfangs der allgemeinen staatlichen Parteienfinanzierung und hinsichtlich der Verteilung staatlicher Mittel ab. 8 9 Den Umfang möchte das Gericht durch ein Zusammenspiel zweier neu entwickelter Obergrenzen eingeschränkt wissen. Es handelt sich hierbei um die relative und die absolute Obergrenze. 1. Die relative Obergrenze der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung Hinter der relativen Obergrenze steht die Idee, daß die Parteien den Umfang ihrer Finanzierung grundsätzlich selbst bestimmen. Sie errechnet sich für jede Partei aus dem Verhältnis der von ihr selbst erwirtschafteten zu den staatlich gewährten Einnahmen. Entscheidend ist dabei, daß das Gesamtvolumen der staatlichen Alimentierung die Summe der von einer Partei selbst erwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten darf. Dies entspricht der sogenannten 50vom-Hundert-Regel, die der Senat bereits in der Entscheidung aus dem Jahr 1966 entwickelt hatte. Aufgrund des Grundsatzes der Staatsfreiheit durfte der 87 88 8 9

BVerfGE 85, 264 (287). BVerfGE 85, 264 (287). BVerfGE 85, 264 (288 ff.).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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Staatsanteil an der Parteienfinanzierung weder den gesamten noch den überwiegenden Finanzbedarf der Parteien decken.90 In diesem Zusammenhang weist das Gericht auf die bereits geltende Rechtslage hin, nach der gewährleistet ist, daß der Staatsanteil an der Parteienfinanzierung den von den Parteien selbst aufzubringenden Anteil nicht übersteigt.91 Allerdings sollen lediglich die den Parteien unmittelbar durch den Staat zugewandten Mittel in die Berechnung der relativen Obergrenze einbezogen werden. Sowohl Kredite als auch Zuwendungen an Fraktionen und parteinahe Stiftungen sowie die im Wege der mittelbaren Parteienfinanzierung zugewandten Mittel sollen keinen Eingang in die Berechnung der relativen Obergrenze finden 9 2 2. Die absolute Obergrenze der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung Das Gericht sieht jedoch, daß die Parteien ihr gesteigertes Augenmerk auf die Erlangung der Mittel legen können, die dieser relativen Obergrenze nicht unterfallen. Insofern bestehe die Gefahr, daß durch die Steigerung dieser Einnahmen der Umfang der Staatsfinanzierung weiter ausgebaut werde. Konsequenz dessen könnte sein, daß der durch die relative Obergrenze erreichte Effekt umgangen werde. Dieser Gefahr ist nach Ansicht des Gerichts wegen des, sich aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit ergebenden, generellen Vorrangs der Eigen- vor der Staatsfinanzierung entgegenzutreten. Dies ergebe sich zum einen aus dem generellen Gebot zur sparsamen Verwendung staatlicher Mittel, zum anderen aus der Notwendigkeit der Erhaltung der Funktionsfahigkeit der Parteien. Letztere sei gefährdet, wenn beim Bürger der Eindruck entstünde, daß bei den Parteien eine Selbstbedienungsmentalität vorherrsche. Der Staat müsse deshalb darauf beschränkt sein, den Parteien das zu einer sparsamen Aufgabenerfüllung Notwendige zu erstatten. Allerdings begnügt sich der Senat nicht mehr, wie noch 1966 93 , damit, dem Gesetzgeber die Festlegung dieser Grenze zu überlassen. Vielmehr entwickelt er gleichsam zur Absicherung der relativen Obergrenze die sogenannte absolute Obergrenze. Diese stellt eine konkrete und als nach oben hin nicht überschreitbar konzipierte Grenze der gesamten staatlichen Parteienfinanzierung dar. 94 Für im Rahmen der staatlichen Parteienfi9 0 91 9 2 9 3 9 4

BVerfGE 20, 56 (102). Vgl. insoweit § 24 Abs. 2 Nr. 1 -4 und § 8 PartG (88). BVerfGE 85,264 (289 f.). Siehe O.S. 33. BVerfGE 85, 264 (290). Siehe hierzu u. S. 121 ff.

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nanzierung auskehrbar, erklärt das Gericht den Mittelwert der den Parteien in den Jahren 1989 bis 1992 gewährten Zuwendungen. Als Grundlage der Berechnung nennt der Senat die Zuwendungen, die den Parteien nach der bisherigen Rechtslage aus der Wahlkampfkostenerstattung sowie aus dem Chancenausgleich einschließlich des durch die Entscheidung nunmehr für verfassungswidrig erklärten Sockelbetrages gewährt wurden. 95 Die Berechnung dieses Betrages wurde von der Verwaltung des Deutschen Bundestages durchgeführt. Er beläuft sich auf D M 230.000.051,28.96 Allerdings ist die Geltung der absoluten Obergrenze unter zwei Vorbehalte gestellt: Zum einen gilt sie nur, "solange die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Änderung erfahren". 97 Zur Beurteilung der Frage, ob eine die Erhöhung des Gesamtvolumens staatlicher Zuwendungen rechtfertigende, einschneidende Änderung der Verhältnisse eingetreten sei, könne sich der Gesetzgeber unabhängigen Sachverstandes bedienen. Denn "ähnlich wie bei der Festlegung der Bezüge der Abgeordneten und sonstigen Inhabern politischer Ämter ermangel(e) das Gesetzgebungsverfahren in diesem Bereich (dem der Parteienfinanzierung R.S.) regelmäßig des korrigierenden Elements gegenläufiger politischer Interessen, ein Umstand, dem durch die Einschaltung objektiven Sachverstandes abzuhelfen deshalb nahe lieg(e)." 98 Zum anderen sei es dem Gesetzgeber unbenommen, "die mit Rücksicht auf Veränderungen des Geldwertes etwa notwendigen Anpassungen" vorzunehmen. 99 Diesbezüglich könne ein Index festgelegt werden, "der sich auf die Entwicklung der für die Erfüllung der Aufgaben der Parteien relevanten Preise bezieh(e)." 100 3. Die Maßgaben für die Mittelverteilung Neben der Umfangsbegrenzung leitet der Senat aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit einen weiteren Mechanismus zur Sicherung seines Teilallgemeinfinanzierungsmodells ab. Hierzu legt er fest, daß der Erfolg einer Partei auch bei der Verteilung staatlicher Mittel berücksichtigt werden müsse. Nur über diese Bindung der Mittel Verteilung an den Erfolg in der Wählerschaft könne dem Erfordernis der Verwurzelung Rechnung getragen werden. Aus der Verfassung sei abzuleiten, daß sich der Erfolg einer Partei am Wahlerfolg sowie 9 5 9 6 9 7 9 8 9 9 100

BVerfGE 85, 264 (291). Vgl. Tabelle 9 im Anhang an Bericht 1993. BVerfGE 85,264 (291). BVerfGE 85, 264 (291 f.). BVerfGE 85, 264 (291). BVerfGE 85, 264 (291).

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am Spenden- und Beitragsaufkommen messen lasse. 101 Die Entwicklung eines Verteilungsschlüssels, der die drei genannten Kriterien miteinander verknüpfe, obliege dem Gesetzgeber. Um die Chancengleichheit der Parteien und das Recht des Bürgers auf Gleichbehandlung bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung nicht zu verletzen, dürfe dieser allerdings Spenden und Beiträge nur in einem Maße berücksichtigen, das für alle Parteien erreichbar sei. 1 0 2 Zur Umgehung der Verstöße gegen den parteienrechtlichen Gleichheitssatz habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, für kleinere Parteien einen differenzierenden Verteilungsmodus zu schaffen, der den Wahlerfolg gegenüber den Einnahmen aus Spenden und Beiträgen in ein angemessenes Verhältnis setzen könne. 103

IV. Fazit Nach der Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit ist das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung aufgegeben und eine plafonierte Teilfinanzierung an dessen Stelle getreten. Diese erfährt ihre Anpassung an die Erfordernisse des Verfassungsrechts durch den Modus der Mittelverteilung. Die Verteilung der zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel ist nunmehr streng am Erfolg der Parteien bei Mitgliedern und Spendern auszurichten. Das Bundesverfassungsgericht hat damit im Rahmen der Verwerfung des § 18 Abs. 6 PartG mit der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption eine neue dogmatische Grundlage für die staatliche Parteienfinanzierung entwickelt. Zweiter Abschnitt

§ 22 a PartG (Chancenausgleich)104 Das Gericht schließt der Prüfung des § 18 Abs. 6 PartG die des § 22 a PartG an. Im Zentrum dieser Ausführungen zur mittelbaren Parteienfinanzierung steht die Überprüfung der gesamten Konzeption des Chancenausgleichsverfahrens in der Fassung von 1988. 1 0 5

101 102 103 104 105

BVerfGE 85, 264 (292). BVerfGE 85, 264 (293 f.). BVerfGE 85, 264 (294). [B.II] des Urteils, S. 296 - 312. BVerfGE 85, 264 (296).

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A. Der Chancenausgleich Der Chancenausgleich wurde durch das Änderungsgesetz zum Parteiengesetz vom 22.12.1983 106 im Jahre 1984 eingeführt. Er gehörte einem 1984 verabschiedeten Normenpaket an. Nach einer Korrektur des Bundesverfassungsgerichts von 1986 1 0 7 wurde er im Jahre 1988 1 0 8 neu gefaßt.

I. Der Chancenausgleich in der Fassung von 1984 Die Einführung der Chancenausgleichsregelung, die systematisch dem Bereich der mittelbaren Parteienfinanzierung zugeordnet ist, war das Kernstück der Parteienfinanzierungsreform aus dem Jahre 1983. 1. Die Ausdehnung der Möglichkeit zur steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen Den Angelpunkt 109 der Regelung von 1984 bildete die Einführung einer steuerlichen Abzugsfähigkeit von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen nach festen Prozentsätzen. 110 Der Gesetzgeber hatte einen ähnlichen Versuch bereits im Jahre 1955 1 1 1 unternommen, war aber damit auf die Ablehnung des Bundesverfassungsgerichts gestoßen.112 Den Verstoß der damals einschlägigen §§ 10 b EStG, 11 Nr. 5 KStG 1 1 3 gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien leitete das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1958 aus dem Gedanken ab, daß die in Streit stehenden Normen nach ihrem Wortlaut zwar jeder Partei die gleichen Chancen gäben, Spenden zu erhalten. Eine Ungleichbehandlung ergebe sich allerdings in deren praktischer Auswirkung, auf die entscheidend abzustellen sei. 1 1 4 Wegen des progressiven Einkommen- und des generell hohen Körperschaftsteuersatzes - so der Senat im Urteil von 1958 - habe die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden in erster Linie eine Anreizwirkung auf 106

BGBl. I, S. 1577. BVerfGE 73,40 (70 ff.). 108 Siehe dazu eingehend: H.H.v. Arnim, Neue Parteienfinanzierung, S. 24 ff. 109 So H.H. v.Arnim y JA 1985, 121 (126). 110 Diese war in BVerfGE 8, 51 (63 ff.) wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verworfen worden. 111 § 10 b EStG i.d.F. v. 21.12.1954, BGBl. I, S. 441 und § 11 Ziff. 5 KStG i.d.F. v. 21.12.1954, BGBl. I, S. 467. 112 BVerfGE 8,51 (63 ff.). 113 Siehe zum Regelungsgehalt dieser Normen u. S. 62 f. 114 BVerfGE 8,51 (64). 107

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Einkommensteuerpflichtige mit hohem Einkommen und auf körperschaftsteuerpflichtige Spender. Verglichen mit der vorherigen Rechtslage würden diese im Falle einer Geltung der Normen in die Lage versetzt, ihre Zuwendungen deutlich zu erhöhen, ohne eigene Mehraufwendungen zu verzeichnen. Demgegenüber böten die §§ 10 b EStG, 11 Nr. 5 KStG für Spender, die wegen ihres geringen Einkommens lediglich lohnsteuerpflichtig seien, keinerlei erhöhten Spendenanreiz. Der Spendenbetrag, den diese Gruppe zuwenden könne, sei nämlich in der Regel so gering, daß nichtmals der für Sonderausgaben vorgesehene Pauschalbetrag überschritten werde. 115 Angesichts der Tatsache, daß Spenden an politische Parteien immer auch politisch motiviert seien, müsse berücksichtigt werden, daß Parteien, die aufgrund ihrer Ausrichtung solvente Wähler und damit potentielle Spender größerer Beträge ansprächen, gegenüber solchen Parteien bevorzugt seien, die sich an einen weniger kapitalkräftigen Wählerkreis wendeten. Zwar bestehe keine staatliche Verpflichtung für den Staat, soziologische und aufgrund der jeweiligen Parteistruktur angelegte Unterschiede zwischen den Parteien auszugleichen. Allerdings sei es dem Gesetzgeber nicht gestattet, Regelungen zu treffen, die die faktisch gleichwohl bestehende Ungleichheit der Wettbewerbschancen unter den Parteien verschärfen. 1 1 6 Greife der Gesetzgeber durch Regelungen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes mittelbar in die Chancengleichheit der Parteien ein, so sei er vielmehr an den Grundsatz der formalen Gleichbehandlung117 gebunden. Diesen leitete das Gericht aus der demokratisch-egalitären Grundlage der Verfassungsordnung 118 her. Eine Ungleichbehandlung, die nicht durch einen besonderen "zwingenden Grund" geboten sei, stelle einen Verstoß gegen diesen Grundsatz dar. 1 1 9 Sorge der Staat durch eine gesetzliche Regelung finanziell für die Parteien, so müsse diese Regelung insbesondere auch im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit verfassungskonform sein. Keinesfalls dürfe eine staatliche Regelung, die die Parteienfinanzierung in mittelbarer oder unmittelbarer Form zum Inhalt habe, zur Begünstigung einer bestimmten Partei führen. 120 Dies jedoch werde bei Geltung der §§ 10 b EStG, 11 Nr. 5 KStG zu-

115

BVerfGE 8,51 (65 f.) BVerfGE 8, 51 (66 f.) 117 Vgl. zu einer differenzierten Betrachtung des formalen Gleichheitssatzes eingehend: H.H. v.Arnim, DÖV 1984, 85 (87 ff.). 118 BVerfGE 8,51 (64 f.). 119 BVerfGE 8,51 (64 f.). 120 BVerfGE 8,51 (65). 116

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gunsten solcher Parteien bewirkt, die aufgrund ihrer Ausrichtung kapitalkräftige Kreise ansprächen 121. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahre 1957 122 bereits § 49 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung vom 21.12.1955 wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien für verfassungswidrig erklärt. Dieser beschränkte sich nämlich auf in Bundes- und Landesparlamenten vertretene Parteien. Hierin hatte man eine Benachteiligung kleiner Parteien gesehen.123 Neben dem Verstoß gegen das Recht der Parteien auf Chancengleichheit setzte sich das Gericht in der Entscheidung des Jahres 1958 mit einer weiteren, in Bezug auf den Gleichheitssatz verfassungsrechtlich problematischen Facette der steuerlichen Begünstigung von Parteispenden und Mitgliederbeiträgen auseinander. Während es zunächst um die staatliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung der politischen Parteien ging, wurden die Regelungen des Einkommen· und Körperschaftsteuergesetzes im zweiten Teil der Entscheidung von 1958 auf einen Verstoß gegen das Gebot zur Gleichbehandlung der Bürger bei deren Teilhabe an der politischen Willensbildung überprüft. 124 Vorweg legte das Gericht die Reichweite dieser Spezialausprägung des Gleichheitsgebotes fest. Da mit einer Spende, die an eine bestimmte Partei geleistet werde, zugleich auch immer eine Einflußnahme auf die politische Willensbildung verbunden sei, werde durch eine finanzielle Zuwendung im Vorfeld einer Wahl bereits in ähnlicher Weise Einfluß auf die politische Willensbildung genommen, wie dies bei der Stimmabgabe selbst der Fall sei. Hieraus lasse sich der Schluß ziehen, daß der formale Gleichheitssatz nicht lediglich für den engen Bereich des Wahlrechts, sondern bereits in dessen Vorfeld, bei der Berücksichtigung von Zuwendungen seitens der Parteianhänger, Geltung beanspruchen müsse. Nur so sei gewährleistet, daß der Bürger ungeachtet aller sozialen Unterschiede absolut gleichbehandelt werde. 125 Zugleich merkte das Gericht jedoch an, daß Differenzierungen, die zur Durchbrechung des Gleichheitssatzes führen müßten, auch in diesem Anwendungsbereich des formalen Gleichheitssatzes aus zwingenden Gründen zulässig seien.126

121 122 123 124 125 126

BVerfGE 8, 51 (63 ff.) BVerfGE 6, 273 ff. Vgl. dazu eingehend: R. Horn, Parteienfinanzierung, S. 4 ff. BVerfGE 6, 273 (280 f.). BVerfGE 8, 51 (68 ff.). BVerfGE 8, 51 (68 f.). BVerfGE 8, 51 (68 f.).

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Den konkreten Verstoß gegen das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung sah das Gericht im Jahr 1958 aufgrund der Geltung des progressiven Steuersatzes gegeben. Mit der Höhe des dem einzelnen Bürger zur Verfügung stehenden Einkommens steige dessen Möglichkeit, einer Partei hohe Spenden zuführen zu können. Wegen der bedeutenden Rolle, die dem Geld im Rahmen des Wahlkampfes zukomme, könne ein finanzkräftiger Bürger der von ihm favorisierten Partei zu einer besseren Werbekraft verhelfen, als dies ein finanzschwacher Bürger könne. Dieses Problem werde bei Geltung der in Streit stehenden Normen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes insofern verschärft, als aufgrund der Geltung des progressiven Steuersatzes die politische Auffassung eines finanzstarken Spenders wegen der mit dem Einkommen proportional ansteigenden Möglichkeit zur Steuerersparnis quasi prämiert werde. In dieser, durch ein Gesetz hervorgerufenen, steuerrechtlichen Ungleichbehandlung bei der Einflußnahme des Bürgers auf die politische Willensbildung sah das Gericht einen Verstoß gegen den Grundsatz der formalen Gleichheit. 127 Um dem Problem Rechnung zu tragen, daß die steuerliche Begünstigung privater Zuwendungen zu einer staatlichen Prämierung bestimmter politischer Auffassungen führen kann, wurde in der Entscheidung des Jahres 1958 im Ergebnis also der Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgebots in zweifacher Weise ausgedehnt: Zum einen in zeitlicher Hinsicht auf die Phase der Wahlvorbereitung und zum anderen in sachlicher Hinsicht auf das Verhältnis des Bürgers gegenüber den Parteien. 2. Das Vierte Änderungsgesetz zum Parteiengesetz von 1984 Trotz dieser ausdrücklichen Aussage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1958, die in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1979 unmißverständlich bestätigt worden war 1 2 8 , wurde im Rahmen der Reform der Parteienfinanzierung von 1984 erneut versucht, eine steuerliche Abzugsfähigkeit nach festen Prozentsätzen einzuführen. Dies wurde regelungstechnisch durch eine Gleichstellung von Spenden und Beiträgen an Parteien mit Spenden an gemeinnützige Organisationen gemäß § 10 b Abs. 2 EStG beziehungsweise § 9 Nr. 3 a K S t G 1 2 9 erreicht. Natürliche Personen konnten Parteispenden und Mitgliedsbeiträge nunmehr als Sonderabgaben bis zur Höhe von 5 vom Hundert von der Einkommensteuer absetzen. Spenden von Körperschaften waren bis zu einer Höhe von 2 vom Tausend der Summe der Löhne 127 128 129

BVerfGE 8, 51 (69). BVerfGE 52,63 (93 f.). Jeweils in der Fassung vom 22.12.1983.

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und Gehälter körperschaftsteuerlich absetzbar. 130 Diese Regelung entsprach derjenigen der Steuergesetze von 1957, die das Gericht im Jahre 1958 für verfassungswidrig erklärt hatte. 131 Betrachtete man diese Steuerrechtsnormen, so lag darin ein Verstoß gegen zwei Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes zur Parteienfinanzierung. Zum einen hatte dieses seit 1958 in ständiger Rechtsprechung vertreten, daß die steuerliche Absetzbarkeit von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen nach festen und in der Höhe unbegrenzten Prozentsätzen sowohl einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien als auch gegen das Gebot zur Gleichbehandlung des Bürgers bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung darstelle. 132 Zum anderen hatte es noch im Jahre 1979 ausdrücklich einer Gleichstellung von Parteien und gemeinnützigen Organisationen eine Absage erteilt. 133 Weil die finanzielle Ausstattung der Parteien zu Beginn der achtziger Jahre namentlich von diesen selbst als nicht mehr aufgabenadäquat empfunden wurde, 134 sahen sie sich, nachdem ihr Vorstoß beim Bundesverfassungsgericht im Jahr 1979 gescheitert war, dazu veranlaßt, ihren Finanzbedarf auf strafrechtlich relevanten Umwegen zu dekken. 135 Eine Umwegfinanzierung erfolgte hauptsächlich durch Scheingeschäfte im Sinne des § 41 Abs. 2 AO, über Berufsverbände, Staatsbürgerliche Vereinigungen und gemeinnützige Organisationen.136 Angesichts dieser Entwicklung an den Rand der Legaltät herrschte parteiübergreifender Konsens, daß die Parteienfinanzierung einer neuen gesetzlichen Grundlage bedürfe. Deshalb setzte der Bundespräsident auf Anregung aller Vorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien am 04.03.1982 eine Sachverständigenkommission zur Neuordnung der Parteienfinanzierung ein, die aus erfahrenen und sachkundigen Persönlichkeiten verschiedener gesellschaftlicher Bereiche zusammengesetzt war. 137 Bei den von K. Carstens berufenen Kommissionsmitgliedem handelte es sich um Prof. Dr. W. Fürst, Dr. H. Maassen, Prof. Dr. H. Kaack, Prof. Dr. 130 Auch insoweit folgte der Gesetzgeber den Vorschlägen der Kommission. Vgl. Bericht 1983, S. 197 ff. 131 BVerfGE 8, 51 (66 f.). 132 Vgl. dazu o. S. 41 ff. 133 BVerfGE 52, 63 (93 f.). So bereits BVerfGE 8, 51 (67); 20, 56 (107). Für eine solche Gleichstellung hatte sich im Vorfeld der Parteienfinanzierungsreform sehr entschieden insbesondere der spätere Bundesverfassungsrichter und Berichterstatter der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 H.H. Klein in einem Aufsatz mit dem Titel: "Parteien sind gemeinnützig", NJW 1982, 735 (737) ausgesprochen. 134 Yg| ( j a z u 4i e einlesende Problemskizzierung im Koalitionsentwurf zu einem Parteienfinanzierungsgesetz in Bundestags-Drucksachen 10/183 vom 23.06.1983 S.l. 135 ygj z u Jen Ursachen und Ausprägungen der diversen Umwegfinanzierungsmöglichkeiten, P. Külitz, Unternehmerspenden, S. 76; R. Horn, Parteienfinanzierung, S. 143 ff. 136 Vgl. hierzu den Kurzüberblick bei J. Lang, StuW 1984,15 (27 ff.) und eingehend P. Külitz, Unternehmerspenden, S. 76 ff., ferner G. Wewer, ZRP 1983, 86 (86 ff.); H. Schäfer, wistra 1983, 177 (177 ff.). 137 K. Koch, DStZ 1983, 244 (244 f.)

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H.-P. Schneider und Prof. Dr. H. Vogel. Die Kommission legte ihren Bericht am 18.04.1983 vor. 138 Ihre Vorschläge sollten zum einen der Herbeiführung einer transparenten Ausgestaltung der Parteienfinanzierung dienen. Zum anderen entwarf die Kommission ein neues System der staatlichen Parteienfinanzierung, das Aspekte der unmittelbaren und mittelbaren Parteienfinanzierung in Beziehung zueinander setzte.139 Staatliche Parteienfinanzierung sollte danach aus den Quellen: Wahlkampfkostengrundbetrag, Bürgerbonus140 und Restmittel Verteilung erfolgen. 141 Der Gesetzgeber nahm wesentliche Aussagen des Kommissionsentwurfs in das 4. Änderungsgesetz zum Parteiengesetz auf. Hierzu gehörte insbesondere die erwähnte Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden nach festen Prozentsätzen. Die Sachverständigenkommission proklamierte trotz der entgegenstehenden Aussagen des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1958 und 1979 die Vereinbarkeit ihrer Vorschläge mit der verfassungsrechtlichen Lage in der Interpretation der Parteienfinanzierungsurteile des Bundesverfassungsgerichtes. 142 Dies geschah, weil die Kommision davon ausging, daß die durch die Regelung begründeten Verstöße durch ein besonderes Konzept geheilt werden konnten. Gleichsam zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der erwähnten Abweichungen von eindeutig entgegenstehenden Aussagen des Gerichts aus den Jahren 1958 und 1979 hinsichtlich einer steuerlichen Absetzbarkeit von Parteispenden nach festen Prozentsätzen, wurden in das Parteienfinanzierungssystem Mechanismen zur Wiederherstellung der Verfassungsmäßigkeit des neu entwickelten Systems eingebunden. Erst in seiner Gesamtkonzeption, die von einer Heilung zuvor herbeigeführter Verfassungsverstöße ausging, sollte das Chancenausgleichskonzept eine taugliche und verfassungsrechtlich akzeptable Lösung darstellen. 143 Von der Verfassungswidrigkeit der isoliert betrachteten Gleichsetzung von Parteien mit gemeinnützigen Organisationen und der hierzu sanktionierten prozentualen Absetz138 Dieser hat den Titel "Vom Staat zum Bürger" und ist als Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 97 v. 26.05.1983 veröffentlicht. Ein Überblick über die Vorschläge des umfangreichen Kommissionsberichts findet sich bei K. Koch, DStZ 1983, 244 (244 ff.). Vgl. mit einer kritischen Stellungnahme hierzu H.H. Arnim, Aktuelle Probleme, S. 7 ff. Siehe dazu dens., DÖV 1983, 486 (486 ff.). Es handelte sich hierbei um die zweite Einberufung einer derartigen Kommission. Bereits vor der Schaffung des Parteiengesetzes hatte der Bundesinnenminister Schröder eine Sachverständigenkommission mit der Anfertigung eines Berichts beauftragt, der am 09.07.1957 vorgelegt wurde und den Titel: "Rechtliche Ordnung des Parteiwesens" trägt. Siehe zu diesem Bericht: W. Henke, DÖV 1958, 646 (646 ff.). 139 Ygj z u Ausführungen zur Reform des Parteiengesetzes aus dem Jahr 1983 u. S. 48 ff. 140 Siehe zu diesem Ansatz bereits Bericht 57, S. 213 ff sowie jüngst eingehend V. Schütte, Bürgernahe Parteienfinanzierung, S. 96 ff; ders., KJ 1993, 87 (92). 141 Bericht 1983, S. 219. 142 Vgl. Bericht 1983, S. 169. 143 Vgl. dazu K.H. Friauf, Aus Pol & ZG. Β 8/84 S. 3 (6 ff.); / Lang, StuW 1984, 15 (18).

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barkeit von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen ging auch die Sachverständigenkommission aus. 144 Der Heilungserfolg sollte durch ein Zusammenspiel von § 22 a PartG und § 10 b EStG sowie § 9 Nr. 3 KStG herbeigeführt werden. a) Die Einführung des Chancenausgleichs durch § 22 a PartG Die Kompensation der durch die einkünfte- oder umsatz- beziehungsweise lohnaufwandabhängigen Steuervergünstigungen gemäß § 10 b EStG und § 9 Nr. 3 KStG begründeten Verfassungsverstöße sollte im wesentlichen durch den sogenannten Chancenausgleich nach § 22 a PartG bewirkt werden. Beabsichtigt war, durch eine Chancenausgleichszahlung alle Parteien so zu stellen, als hätten sie in Relation zu ihrer politischen Stärke ein in etwa gleich hohes Steuersubventionsvolumen erlangt. Zweck der Ausgleichszahlung sollte es damit vereinfacht ausgedrückt sein, den Vorteil zu kompensieren, der für die spendenstärkeren Parteien dadurch entstand, daß sich der Staat bei diesen infolge der durch den Steuerverzicht hervorgerufenen stärkeren mittelbaren Beteiligung an Privatspenden in größerem Maße am Spendenaufkommen beteiligte, als bei spendenschwächeren Parteien. Die Ermittlung der Chancenausgleichszahlung gestaltete sich sehr vereinfacht dargestellt wie folgt: Zugrunde gelegt wurde ein Steueranteil von 40 vom Hundert der eingeworbenen Spenden und Mitgliedsbeiträge. Zur Teilhabe am Chancenausgleichsverfahren waren solche Parteien berechtigt, die bei der vorausgegangenen Bundestagswahl mehr als 5 vom Hundert der Zweitstimmen erreicht hatten. Im Rahmen der Errechnung des Chancenausgleichs wurde für jede teilnahmeberechtigte Partei das Verhältnis von Steuersubventionsvolumen und Wählerstimmen ermittelt. Der sich hierbei ergebende höchste Betrag stellte den sogenannten Maßstabsmultiplikator dar. Dieser war aus den Verhältnissen der am höchsten steuerlich begünstigten, sogenannten Maßstabspartei zu errechnen. Sodann erfolgte eine Multiplikation von Wählerstimmen und Maßstabsmultiplikator. Hieraus gewann man das sogenannte Soll-Subventionsvolumen. Dieses stimmte bei der Maßstabspartei mit dem sogenannten Ist-Subventionsvolumen überein. Bei den anderen Parteien lag jenes jedoch über dem Ist-Subventionsvolumen. Die Chancenausgleichszahlung errechnete sich aus der Differenz zwischen Ist- und Soll-Subventionsvolumen. Die Maßstabspartei sollte keine Zuschüsse aus dem Chancenausgleich erhalten. Die Einführung dieser Chancenausgleichsregelung ging auf den Vorschlag der Sachverständigenkommission zurück. 145 Warum die gesetzgeberische Ausgestaltung der Chancenausgleichsregelung in § 22 a PartG durchweg als überaus kompliziert be144 145

Vgl. Bericht 1983, S. 201. Vgl. Bericht 1983, S. 197 f., 201 ff.

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zeichnet wurde und warum sie nur wenigen Fachleuten durchsichtig war, 1 4 6 führt die bloße Lektüre der Norm eindrucksvoll vor Augen. § 22 a Abs. 1 und 2 PartG lauten: "(1) Parteien, die nach dem endgültigen Wahlergebnis der letzten vor dem 31. Dezember (Stichtag) liegenden Bundestagswahl mindestens 0,5 vom Hundert der gültigen Zweitstimmen erreicht haben, erhalten jährlich einen Betrag aus dem Chancenausgleich. (2) Der Chancenausgleich wird wie folgt errechnet: Für jede Partei, die bei der letzten vor dem Stichtag liegenden Bundestagswahl mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erreicht hat, werden Ausgangsbeträge in Höhe von 40 vom Hundert des Gesamtbetrages der in dem Rechenschaftsbericht (§ 24) des vorausgegangenen Kalendeijahres angegebenen Mitgliedsbeiträge, geteilt durch die Zahl der im selben Rechenschaftsbericht angegebenen Mitglieder, sowie der Spenden, geteilt durch die Zahl der auf die Partei entfallenden gültigen Zweitstimmen, festgestellt. Der jeweils höchste der Ausgangsbeträge wird mit der Zahl der Mitglieder beziehungsweise der erreichten gültigen Zweitstimmen jeder Partei im Sinne des Absatzes 1 vervielfacht. Die sich nach beiden Berechnungen ergebenden Differenzen zwischen den Ergebnissen nach Satz 2 und 40 vom Hundert des Gesamtbetrages der einer Partei zugeflossenen Mitgliedsbeiträge beziehungsweise Spenden im Sinne des Satzes 1 werden addiert und durch zwei geteilt und ergeben den an die jeweilige Partei als Chancenausgleich zu zahlenden Betrag. Dieser Betrag darf 10 vom Hundert der Gesamtsumme der nach dem Ergebnis der vorausgegangenen Wahl der anspruchsberechtigten Partei zu erstattenden Wahlkampfkosten nicht übersteigen." Bereits die Verfassungsmäßigkeit der Chancenausgleichsregelung an sich und damit erst recht ihre Tauglichkeit zur Heilung von Verfassungsverstößen, wurde in der Literatur angezweifelt. 147 b) Die Heilung durch die Kleinbetragsbegünstigung gemäß § 34 g EStG Zur Egalisierung des durch die Einführung der prozentualen Absetzbarkeit von Spenden herbeigeführten Verstoßes gegen das Gebot zur Gleichbehandlung des Bürgers bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung 148 sollte durch die Einfügung von § 34 g in das Einkommensteuergesetz die Möglichkeit geschaffen werden, an Parteien gespendete Kleinbeträge in der Höhe von D M 146 Das Senatsmitglied E.W. Böckenförde wird im FAZ-Magazin, Heft 737 v. 15.04.1994, S. 14 (18) mit folgender Aussage in einer Vorlesung zitiert: "Was glauben Sie, wie lange wir beim Gericht gebraucht haben, um die Regelung des Chancenausgleichs in all ihren Windungen und Facetten zu verstehen". Zu einem besseren Verständnis mag bei Bedarf J. Ipsen, JZ 1984, 1060 (1060 ff.) beitragen. 147 Vgl. etwa H.H. v.Arnim, JA 1985, 121 (127) oder / Lang, StuW 1984, 15 (22 f.). 148 Vgl. dazu o. S. 43 f.

4 Schwartmann

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1200 beziehungsweise D M 2400 bei zusammen veranlagten Ehegatten mit 50 vom Hundert von der Einkommensteuer abzuziehen. Dahinter steckte die Idee, durch eine künstliche Egalisierung der Auswirkungen des progressiven Steuersatzes, es auch einkommenschwächeren Bürgern zu ermöglichen, ihrer Spende durch eine staatliche Beteiligung von 50 vom Hundert die doppelte finanzielle Wirkungskraft zu verschaffen. 149 Da nach § 34 g EStG nicht das zu versteuerende Einkommen, sondern bis zu einer Höhe von D M 600 beziehungsweise D M 1200 die Steuerschuld unmittelbar gemindert wurde, sanktionierte die Norm ein steuerrechtliches Novum. c) Die Heilung durch einen lediglich im Falle der Veröffentlichung von Großspenden möglichen Steuerabzug Weiterhin gehörten § 10 b EStG und § 9 Nr. 3 KStG dem Heilungskonzept an. Hiernach war die Gewährung der steuerlichen Vergünstigung bei Großspenden an deren Publizierung geknüpft. § 10 b Abs. 2 EStG beziehungsweise § 9 Nr. 3 S. 4 KStG bestimmten, daß eine steuerliche Begünstigung von Spenden ab D M 20.000,- nur eintreten sollte, wenn die jeweilige Partei Namen und Anschrift des Spenders sowie die Spendenhöhe in ihrem Rechenschaftsbericht veröffentlichte. Diese Regelungen gingen nicht auf die Empfehlung der Sachverständigenkommission zurück. Sie wurden aufgrund eines gemeinsamenen Gesetzesentwurfes von Mitgliedern der aus CDU und F.D.P. bestehenden Regierungskoalition sowie der SPD vom 26.10.1983 eingeführt. Beachtung verdient, daß in der Parteienfinanzierungsreform des Jahres 1983 die vom Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahre 1966 1 5 0 erwähnte und daraufhin bestärkte 151 sogenannte 50 vom Hundert-Regel der Parteienfinanzierung 1 5 2 in § 18 Abs. 6 PartG gesetzlich verankert wurde. Nach dieser Regelung darf der Staatsanteil an der Parteienfinanzierung den von den Parteien erwirtschafteten Eigenanteil nicht überwiegen.

149 ygi dazu di e Ausführungen der Sachverständigenkommission, Bericht 1983, S. 203. BVerfGE 20, 56(102). 151 BVerfGE 52, 63 (85). 152 Diese gesetzliche Festschreibung der anerkannten Regelung zur Begrenzung der Parteienfinanzierung hatte auch die Sachverständigenkommission befürwortet; vgl. Bericht 1983, S. 223. 150

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3. Die Beurteilung des Vierten Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz von 1984 Nach einer verfassungsrechtlichen Einordnung der vom Gesetzgeber angebotenen Mechanismen zur Heilung der zuvor herbeigeführten Verstöße ist der Frage nachzugehen, ob hierdurch die vorgesehene Heilungswirkung erreicht werden konnte. a) Die Regelung des § 34 g EStG Die Einführung einer steuerlichen Begünstigung von Kleinbeträgen mit einem Prozentsatz von 50 vom Hundert war für sich gesehen nicht zu beanstanden. Durch die hierdurch bewirkte Steuerersparnis von D M 600,- beziehungsweise D M 1200,- war kein Verstoß gegen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Grundsätze zur mittelbaren Parteienfinanzierung festzustellen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Bürger bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung konnte bei den in Rede stehenden Kleinbeträgen insofern nicht ernsthaft befürchtet werden, als dieser Betrag für die Mehrzahl der spendenwilligen Bürger aufzubringen war. So kamen Finanzschwächeren auch praktisch dieselben Einwirkungsmöglichkeiten zu wie Finanzstärkeren. Aus demselben Grund verstieß die Norm nicht gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Die sogenannten Spenderparteien waren aufgrund der nur geringen Höhe der Beträge gegenüber den sogenannten Mitgliederparteien nicht bevorzugt. Da § 34 EStG nicht die Möglichkeit zu einer nach oben hin unbegrenzten Absetzbarkeit gab, sondern durch die Festlegung maximal zu begünstigender Beträge von geringer Höhe eine Gleichbehandlung von Parteien und Bürgern gewährleistete, stand dessen Verfassungsmäßigkeit genauso außer Frage wie die des § 10 b EStG in der bis zum Jahr 1984 geltenden Fassung. Daß hierbei nicht das zu versteuerende Einkommen, sondern die Steuerschuld direkt gemindert wurde, war angesichts der geringen Höhe und der nicht zu erwartenden faktischen Beeinträchtigungen für Parteien- und Bürgergleichheit unschädlich. Da die begünstigten Beträge auch nach der Addition noch so niedrig blieben, daß sie vom Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers umfaßt waren, bewegte sich die Absetzbarkeit gemäß § 10 b und § 34 g EStG auch nicht aufgrund der möglichen Kumulation in einen verfassungsrechtlich problematischen Bereich. Von der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 34 g EStG losgelöst muß allerdings die nach der Tauglichkeit dieser Vorschrift zur Heilung des Verstoßes gegen den Grundsatz zur Gleichbehandlung der Bürger bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung beantwortet werden. Die Spendern mit kleinem Einkommen angepaßte Regelung war nur relativ gesehen ein taug4*

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licher Ausgleich. Zwar bezuschußte der Staat in beiden Fällen die gespendeten Beträge mit circa 50 vom Hundert. Absolut betrachtet stand bei Anwendung des § 34 g EStG aber eine Steuerbegünstigung von maximal D M 1200 einer nach oben unbegrenzten Begünstigung von Großspenden gegenüber. In der Praxis erreichte diese nicht selten Summen von einigen D M 100.000. Dies war mit dem Gleichheitssatz153, der bei Anwendung auf den Bürger streng formal zu verstehen ist 1 5 4 , nicht in Einklang zu bringen. b) Die Herstellung eines Junktims zwischen Publizierung und Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung gemäß § 10 b EStG und § 9 Nr. 3 KStG Der Gesetzgeber machte die Gewährung der steuerlichen Vergünstigung in § 10 b Abs. 2 S. 2 EStG und § 9 Nr. 3 S. 4 KStG zudem von einer Veröffentlichung dieser Einnahmen im Rechenschaftsbericht abhängig. Diese Publizierungspflicht entstand, sobald die Zuwendungen eine Höhe von D M 20.000 erreichten. Die genannten Regelungen waren hinsichtlich des Erfordernisses zur Herbeiführung erhöhter Transparenz fraglos begrüßenswert. 155 Gleichwohl konnte auch bei ihnen nicht von einem ausgleichenden Äquivalent gesprochen werden, das den Verfassungsverstoß hätte heilen können, der durch die Einführung der nach oben unbegrenzten prozentualen Absetzbarkeit begründet worden war. c) Die Chancenausgleichsregelung des § 22 a PartG Den entscheidenden Ausschlag im System zur Wiederherstellung der Verfassungsmäßigkeit sollte die Chancenausgleichsregelung des § 22 a PartG geben. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Norm hielt man freilich

153 Den Verstoß gegen den Gleichheitssatz mag folgendes Rechenbeispiel von H.H. v.Arnim, JA 1985, 121 (127) veranschaulichen: Der Bezieher eines Jahreseinkommens von DM 20 Mio. hatte nach der Regelung der Parteigesetzreform von 1983 die Möglichkeit DM 1 Mio. steuerbegünstigt zu Spenden. Machte er von dieser Möglichkeit Gebrauch, so zwang er den Staat beim geltenden Einkommenssteuersatz von 56 v.H. zu einem Einkommensteuerverzicht von DM 560.000. Der Spender selbst brauchte von diesen DM 1.000.000 also lediglich DM 440.000 allein zu finanzieren. Angesichts dessen wird deutlich, daß der Staat im Falle des § 34 g EStG zwar theoretisch auch die Hälfte des Betrages tragen mußte, daß sich aber ein Vergleich wegen der in diesem Fall von Anfang an festliegenden maximalen Begünstigungsmöglichkeit von DM 1200 nach § 34 g EStG verbieten mußte. 154 Vgl. hierzu eingehend H.H. v.Arnim,, DÖV 1984, 85 (87 ff.). 155 So H.H. v.Arnim, JA 1985, 121 (128). Vgl. mit einem ähnlichen Vorschlag bereits: P. Külitz, Unternehmerspenden, S. 149 f.

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teilweise bereits bei deren isolierter - also von ihrer Tauglichkeit zur Heilung der Verfassungsverstoße losgelöster - Betrachtung für nicht gegeben. Moniert wurde in diesem Zusammenhang, daß in die Berechnung der Ausgleichsbeiträge auch die steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen einginge156, sowie daß die steuerliche Förderung einen überproportionalen Spendenanreiz schaffe. 157 Ferner wurde beanstandet, daß der Ausschluß von Kleinparteien an den Ausgleichszahlungen diese ungerechtfertigt benachteilige.158 Die Frage der isolierten Verfassungsmäßigkeit der Chancenausgleichsregelung konnte allerdings dahinstehen, sollte sich deren Untauglichkeit zur Herbeiführung des vorgesehenen Heilungszwecks ergeben. Auch diesbezüglich bestanden erhebliche Zweifel. § 22 a PartG war ausschließlich für das Verhältnis der Parteien untereinander konzipiert. Es konnte hierdurch also bestenfalls ein Ausgleich hinsichtlich des Verstoßes gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien erreicht werden. Bereits hiergegen konnte man allerdings wegen der bei 40 vom Hundert recht niedrigen Ansetzung des Steuersubventionsvolumens berechtigte Zweifel hegen. 159 Insbesondere ist aber nicht ersichtlich, wie das in § 22 a PartG vorgesehene Ausgleichsverfahren den durch das Parteienfinanzierungsgesetz herbeigeführten Verstoß gegen die Bürgergleichheit hätte auffangen können. Die durch die Erweiterung der steuerlichen Begünstigung vergrößerte Einflußnahmemöglichkeit für Großspender und die dadurch herbeigeführte Prämierung der politischen Anschauung dieser Bevölkerungsgruppe blieb auch unter der Geltung dieser Regelung gänzlich erhalten. Insofern war § 22 a PartG unabhängig von dessen isoliert zu betrachtenden Verfassungsmäßigkeit zur Heilung der durch die Neuregelung herbeigeführten Verstöße nicht geeignet.

I I . Die Beurteilung des Chancenausgleichskonzepts durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1986 Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahre 1986 über das dreigliedrige Chancenausgleichsmodell zu entscheiden.160

156 157 158 159 160

Abg. D. Spöri in Anhörung (1983), S. 28 f. H.H. v.Arnim, Aktuelle Probleme, S. 15. J. Ipsen, JZ 1984, 1060 (1063). So J. Lang, StuW 1984, 15 (21). BVerfGE 73,40. Siehe dazu J. Ipsen, in: Wewer, Parteienfinanzierung, S. 74 ff.

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Zugrunde lag ein Organstreitverfahren der Partei "Die Grünen", das das Gericht mit der Verfassungsbeschwerde einer Privatperson verband. Angegriffen wurden insbesondere die Regelungen, die eine Absetzbarkeit von Parteispenden nach festen Prozentsätzen vorsahen, sowie die Chancenausgleichsregelung und die Festschreibung der 50 vom Hundert-Grenze der staatlichen Parteienfinanzierung in § 18 Abs. 6 PartG. Bei der Überprüfung des Chancenausgleichskonzepts stellte das Gericht zunächst in Einklang mit seiner früheren Rechtsprechung161 die Verfassungswidrigkeit der Absetzbarkeit von Spenden und Mitgliedsbeiträgen nach feststehenden Prozentsätzen 162 wegen eines Verstoßes gegen das Gebot zur Gleichbehandlung aller Bürger bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung fest. 163 Es stelle sich aber im Rahmen des neu eingeführten und vom Gericht grundsätzlich anerkannten neuen Regelungszusammenhanges die Frage nach der Aufhebung dieser Verstöße. 164 Diese Aufhebung der Verstöße gegen die Bürger- und Parteiengleichheit sollten nach der Konzeption des Gesetzes durch § 34 g EStG, § 22 a PartG und durch die Bindung der Gewährung der Vergünstigung von Spenden ab einer gewissen Höhe an deren Publizierung herbeigeführt werden (§ 10 b Abs. 2 S. 2 EStG und § 9 Nr. 3 S. 4 KStG). 165 1. Die Aufhebung der Verstöße durch die Einführung der Begünstigung gemäß §34 g EStG Bei der Untersuchung einer Egalisierung der Verstöße durch § 34 g EStG wurde zunächst die Verfassungsmäßigkeit des Ausgleichsmodells als solches behandelt. Dies geschah in zwei Schritten. Das Gericht erklärte zunächst § 34 g EStG, der mit einer maximalen Absetzbarkeit von D M 600 beziehungsweise D M 1200 lediglich eine Begünstigung von Parteispenden bis zu einer für die Mehrzahl der Bürger ausschöpfbaren Grenze vorsah, für verfassungsgemäß. 166 Im Rahmen der §§ 10 b Abs. 1 EStG und 9 Nr. 3 S. 1 KStG war jedoch zusätzlich die Möglichkeit einer Absetzbarkeit nach Prozentsätzen vorgesehen. 167 Hierin sah das Gericht eine nicht hinnehmbare Differenzierung zwischen den

161 162 163 164 165 166 167

BVerfGE 8, 51 (67 ff.); E 24, 300 (360 0; E 52, 63 (93 f.). Siehe § 10 b Abs. 1 EStG und § 9 Nr.3 Satz 1 KStG in der Fassung von 1984. BVerfGE 73,40(71). BVerfGE 73, 40 (73 f.). Siehe o. S. 49 f. BVerfGE 73,40 (75 f.). Siehe o. S.41 ff.

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Beziehern kleinerer und größerer Einkommen und damit einen Verstoß gegen das Gebot zur Gleichbehandlung der Bürger. 168 Es stellte den Verstoß gegen die Bürgergleichheit eindrucksvoll auf Grundlage einer Berechnung fest. In deren Rahmen wurde die steuerliche Begünstigung spendenschwacher und spendenstarker Bürger verglichen. Sie veranschaulicht, daß ein Spender mit Gesamteinkünften von DM 18.000 bei einer gemäß § 34 g und § 10 b EStG maximal begünstigten Zuwendung von DM 2100 einen Steuervorteil von DM 731 erlangte. Dem stand ein solcher von DM 28.421 bei einem Spender gegenüber, der bei Gesamteinkünften von DM 1 Mio. in der Lage war, DM 51.200 steuerlich begünstigt zu spenden. 169 Der festgestellte Verstoß werde insofern verstärkt, als Unternehmern im Gegensatz zu nicht unternehmerisch tätigen Bürgern ein Wahlrecht zukomme, ob diese 5 vom Hundert ihrer Einkünfte oder aber 2 vom Tausend der gesamten Jahresumsätze des Unternehmens zuzüglich der in diesem Zeitraum aufgewandten Löhne und Gehälter steuerlich geltend machen wollten. 170 Allerdings hielt der Senat die Einbeziehung juristischer Personen in die steuerliche Begünstigung von Zuwendungen an politische Parteien grundsätzlich für verfassungsgemäß.171 In diesem Punkt stimmte der Richter E.W. Böckenförde nicht mit der Mehrheit der Senatsmitglieder überein. Er vertrat seinen abweichenden Standpunkt in einem Sondervotum, dem sich der Richter E.G. Mahrenholz anschloß.172 Böckenförde sah in der Einbeziehung juristischer Personen nach § 9 Nr. 3 KStG einen Verstoß gegen die Bürgergleichheit. Gewähre der Staat dem Bürger, woran auch Böckenförde ihn nicht gehindert sah, steuerliche Vergünstigungen, so sei er an den streng formal zu verstehenden Gleichheitssatz gebunden.173 Dies habe jedoch zur Folge, daß eine Teilhabe an der steuerlichen Begünstigung nur natürlichen Personen zukommen dürfe. Dies sei der Fall, da juristischen Personen auch ansonsten keine politischen Mitwirkungsrechte, insbesondere nicht das Wahlrecht zustünden. Zudem sei, namentlich im Falle der Ein-MannGmbH, eine gleichheitswidrige Doppelbegünstigung, einmal für die natürliche Person,

168

BVerfGE 73,40 (78 ff.). BVerfGE 73,40 (77 f.). 170 BVerfGE 73,40 (79). 171 BVerfGE 73,40 (79 f.) mit Verweis auf BVerfGE 20,56 (105). 172 BVerfGE 73,40 (103 ff.). 173 BVerfGE 73, 40 (105). Eine steuerliche Begünstigung dürfe daher nicht nach unbegrenzbaren vom Hundert-Sätzen erfolgen, sondern müsse nach oben begrenzt werden. Insoweit stimmte E.W. Böckenförde der Mehrheitsentscheidung zu; allerdings vertrat er auch in diesem Punkt eine abweichende Meinung zur Höhe des Begrenzungsbetrags. Siehe u. S. 57 f. 169

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das andere Mal für die juristische Person, möglich;174 zugleich werde hierdurch der aus dem Demokratieprinzip erwachsende Grundsatz "one man, one vote" verletzt. 175 Bökkenförde sah also das Problem nicht in der Unterstützung der Parteien durch juristische Personen überhaupt, sondern in der staatlichen Begünstigung solcher Zuwendungen. Zwar habe das Gericht in früheren Entscheidungen die Einbeziehung juristischer Personen in die steuerliche Begünstigung nicht beanstandet. In diesem Falle sei die Begünstigung jedoch auf DM 600 begrenzt gewesen. Daher war er in Anwendung des Grundsatzes "minima non curat praetor" nicht zu beanstanden gewesen. Nunmehr gehe es demgegenüber um eine prinzipiell unbegrenzte steuerliche Begünstigung.176 Insbesondere aufgrund der Möglichkeit, mit Hilfe der Neuregelung Umwegfinanzierungen zu verhindern, sah Böckenförde keine Legitimation zur Einbeziehung juristischer Personen in die steuerliche Begünstigung.177 Damit führte nach Auffassung des Gerichts auch das Zusammenspiel der neu eingeführten Regelungen in der vom Gesetzgeber gewählten Form zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bürger. 178 Insofern wird deutlich, daß dieses den neugeschaffenen Regelungszusammenhang zumindest insoweit nicht als ausreichend zur Heilung des durch die Neuregelung herbeigeführten Verstoßes gegen die Bürgergleichheit anerkannte. 2. Die Aufhebung des Verstoßes gegen die Bürgergleichheit durch die Einführung der Chancenausgleichsregelung gemäß § 22 a PartG Konnte § 34 g EStG den Heilungserfolg nach Auffassung des Gerichts also nicht bewirken, so blieb es zu untersuchen, ob die Chancenausgleichsregelung des § 22 a PartG eine Heilung des verfassungswidrigen Zustandes herbeiführen konnte. In diesem Zusammenhang strich der Senat zunächst heraus, daß der Chancenausgleich selbst zumindest insoweit die Chancengleichheit der Parteien nicht beeinträchtige, als der Bürger aufgrund des Ausschüttungsverfahrens gezwungen werde zu dulden, daß mit staatlichen Mitteln auch von ihm nicht für unterstützungswürdig gehaltene Parteien bezuschußt würden. Die politische Betätigungsfreiheit des Bürgers gewähre keinen Anspruch darauf, daß nur die eigene Partei mittelbar unterstützt werde. 179

174 BVerfGE 73, 40 (105). E.W. Böckenförde verweist insoweit auf H.H. v.Arnim, JA 1985, 121 (129). 175 BVerfGE 73, 40 (108). 176 BVerfGE 73,40 (106). 177 BVerfGE 73,40 (107). 178 BVerfGE 73, 40 (76). 179 BVerfGE 73, 40 (81 f.).

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Das Gericht stellte fest, daß die Einführung der Chancenausgleichsregelung den Verstoß gegen das Gebot zur Gleichbehandlung des Bürgers zwar nicht aufhebe, aber mildere. 180 Die Regelungen der §§ 10 b Abs. 1 EStG und 9 Nr. 3 S. 1 KStG gewährten zwar die Gleichbehandlung von Großspendern, führten jedoch zu einer Benachteiligung von Kleinspendern und begründeten deshalb einen Verstoß gegen die Bürgergleichheit. In Einklang mit seiner überkommenen Rechtsprechung führte der Senat aus, daß durch die Einführung der prozentualen Absetzbarkeit von Parteispenden die politische Meinung des spendenkräftigeren Bürgers insoweit prämiert werde, als dieser mit seiner hohen Spende größeren politischen Einfluß ausüben könne als ein finanzschwächerer Bürger. 181 Zwar liege es letzlich in der Hand der Parteien, sachwidrigem Einfluß kapitalkräftiger Kreise zu widerstehen. Dennoch dürfe der Staat die infolge der Geltung des progressiven Steuersatzes im Parteienfinanzierungssystem angelegte Gefahrenlage nicht verschärfen. 182 Die eingeführte steuerliche Begünstigung von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen hielt das Gericht demnach ohne weitere Vorkehrungen für verfassungswidrig. Allerdings sah der Senat die aufgrund der Geltung der Neuregelung festgestellten Verstöße als behebbar an. Die erforderliche Anpassung der in Rede stehenden Steuerrechtsnormen an die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Gebotes zur Gleichbehandlung der Bürger nahm er dem Gesetzgeber ab. 1 8 3 Dies geschah durch die Festlegung eines Höchstbetrages für die steuerliche Abzugsfahigkeit von Spenden und Beiträgen, der für alle Steuerpflichtigen gleichermaßen gelte und den das Gericht auf D M 100.000 bezifferte. Eine Beeinträchtigung der Bürgergleichheit sei erst bei einer Absetzbarkeit über diese Summe hinaus festzustellen, da nur in diesem Fall ein durch den Staat begünstigter bestimmender Einfluß einzelner Bürger zu besorgen sei. 1 8 4 Für den Fall, daß der Gesetzgeber diesen Vorgaben nachkam, sah der Senat das Chancenausgleichskonzept als heilungstauglich an. Auch gegen die Höhe dieser Grenze wandte sich der Richter E.W. Böckenförde in seinem abweichenden Votum. 185 Auch in diesem Punkt Schloß sich ihm der Richter E.G. Mahrenholz an. Da die vorgesehene Höchstgrenze sich auf das etwa zweieinhalbbis dreifache des Jahresdurchschnittseinkommens belaufe 186, sei sie zur Behebung des Verstoßes gegen die Bürgergleichheit ungeeignet. Da der Chancenausgleich lediglich 180 181 182 183 184 185 186

BVerfGE 73,40(82). BVerfGE 73,40 (81). BVerfGE 73,40(83). BVerfGE 73,40 (83 f.). BVerfGE 73,40 (84). BVerfGE 73,40 (109 ff.). BVerfGE 73,40 (113).

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rstellung der Entscheidung

innerhalb der Parteien wirke 187 und nichts an der Prämierung bestimmter Bürgeransichten ändere 188, sei nicht ersichtlich, inwiefern durch die Chancenausgleichsregelung des § 22 a PartG auch der Verstoß gegen das Gebot zur Gleichbehandlung der Bürger beseitigt werden könne. Daß der Senat die Beachtung des formalen Gleichheitssatzes in Bezug auf die Bürgergleichheit außer acht lasse, führe zu einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Überbewertung der Parteiengleichheit. Die Verletzung der Bürgergleichheit könne auf diese Weise nicht kompensiert werden. 189 Auch hier trage die Gefahr von Umwegfinanzierungen nicht zur Rechtfertigung der Verfassungsverstöße bei, da den Parteien außer den Spendeneinnahmen noch genügend andere Finanzquellen zur Verfügung stünden. 3. Die Beanstandung des in §22 a PartG vorgesehenen Chancenausgleichsverfahrens Die Antragsteller der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1986 hatten zudem Einwände gegen das in § 22 a PartG für den Chancenausgleich gewählte Ausgleichsverfahren erhoben. Der durch § 10 b EStG und § 9 Nr. 3 KStG zugunsten von "Spenderparteien" herbeigeführte Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit werde durch § 22 a PartG nicht geheilt.190 Angesichts eines Spitzensteuersatzes von 56 vom Hundert, von dem bei Großspendem regelmäßig ausgegangen werden müsse, sei der Chancenausgleich auf der Grundlage einer angenommenen Steuersubvention von 40 vom Hundert zu niedrig angesetzt.191 Diese Bedenken teilt das Gericht nicht. Es führt aus, daß der Grundsatz der Chancengleichheit dem Staat verbiete, bestimmte Parteien zu benachteiligen und bestehende Ungleichheiten zu verschärfen. 192 § 22 a PartG sei jedoch weder auf Benachteiligung noch auf Verschärfung angelegt, sondern diene in tauglicher Weise einem Ausgleich zwischen den Parteien. 193 Ob der VomHundertsatz mit 40 zu niedrig angesetzt sei, entziehe sich wegen des zu akzeptierenden Prognosespielraums des Gesetzgebers der gerichtlichen Beurteilung. Die in § 22 a PartG gewählte Festsetzung stelle daher zunächst keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit dar. 1 9 4 Erweise sich die Prognose 187 188 189 190 191 192 193 194

BVerfGE 73, 40 (109). BVerfGE 73, 40 (111). BVerfGE 73,40 (112). BVerfGE 73,40 (88). BVerfGE 73,40 (90). BVerfGE 73,40(89). BVerfGE 73,40(90). BVerfGE 73,40 (90 f.).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

59

im Lauf der Zeit als unzutreffend, so sei der Gesetzgeber zur Korrektur verpflichtet. 195

I I I . Das modifizierte Chancenausgleichsverfahren in der Fassung von 1988 Unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts von 1986 legte der Gesetzgeber einen neuen Berechnungsmodus für den Chancenausgleich fest. Die Idee des Chancenausgleiches war es gewesen, den sogenannten spendenärmeren "Mitgliederparteien" von staatlicher Seite einen Ausgleich für Spenden zu verschaffen, die diesen aufgrund ihrer politischen Ausrichtung vorenthalten wurden. Entgegen der Intention bei Einführung der Regelung hatte die Praxis indes gezeigt, daß der Chancenausgleich in seiner seit 1984 geltenden Berechnungsmethode ein Profitieren der sogenannten "Spenderparteien" 196 bewirkt hatte. 197 Diesem Umstand beabsichtigte der Gesetzgeber im geänderten § 22 a Abs. 2 PartG durch eine Differenzierung bei der Berechnung des Chancenausgleichs Abhilfe zu schaffen. 198 Es wurde nunmehr eine getrennte Berechnung für Spenden und Beiträge eingeführt. Das neue Berechnungsmodell, welches das bis dahin geltende an Kompliziertheit noch übertraf 199 , sollte die Parteien neben einem verhältnismäßig gleichen Spendenaufkommen an ein verhältnismäßig gleiches Beitragsaufkommen heranführen. 200

B. Die Ausführungen des Gerichts zum Chancenausgleichskonzept in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 In der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 hatte sich der Senat ein zweites Mal mit dem Chancenausgleich gemäß § 22 a PartG zu befassen. Seine Ausführungen unterscheiden sich grundlegend von denen des Jahres 1986. Das Gericht räumt nunmehr unter Abkehr von seiner diesbezüglichen Aussage aus 195

BVerfGE 73,40 (94). Als eine solche gilt namentlich die SPD, die aufgrund ihrer programmatischen Ausrichtung seit jeher vornehmlich vergleichsweise weniger kapitalkräftige Bevölkerungskreise anspricht. 197 Vgl. dazu: H.H. v.Arnim, Neue Parteienfinanzierung, S. 17 ff., 22 ff. 198 Ygj z u e i n e m kurzen Überblick über die Berechnungsmethode: J. Ipsen, JZ 1992, 753 (755). 199 vgl. // // v Arnim, Neue Parteienfinanzierung, S. 26 ff., mit einem Versuch, die Rechenschritte zu verdeutlichen. 2 0 0 J. ipsen, JZ 1992, 753 (755). 196

. el:

60

rstellung der Entscheidung

dem Jahr 1986 eine Beeinflussung der Wettbewerbslage durch die Chancenausgleichszahlungen ein. Es stellt diese, wie Eingriffe in die Chancengleichheit der Parteien generell, unter den Vorbehalt eines rechtfertigenden Grundes. Da es das Ziel des modifizierten Chancenausgleichsverfahrens war, die durch den staatlichen Steuerverzicht bei Mitgliedsbeiträgen und Spenden hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen aufzuheben, wird die Tauglichkeit des § 22 a PartG zur Erreichung dieses Zieles untersucht.

I. Die differenzierte Berechnung für Beiträge und Spenden Das Gericht erklärt zunächst die gesonderte steuerliche Absetzbarkeit von Beiträgen, wie sie das Chancenausgleichsverfahren von 1986 vorgesehen hatte, für nicht erforderlich. 201 Dies liege in der Größenordnung der Steuerersparnis, die durch Beitragseinnahmen erreicht werde, begründet, die deutlich unterhalb der Grenze des § 34 g EStG liege. Da die im Rahmen dieser Norm geschaffene Begünstigung für alle Beitragszahler gleich hoch ausfalle und hierdurch keine Größenordnung erreicht werde, die eine Bevorzugung einkommenstarker Bevölkerungskreise besorgen ließe, entstehe durch die Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen kein Ausgleichsbedarf, der einen Chancenausgleich für Mitgliedsbeiträge rechtfertigen könne. 202 Auch daß nicht einkommensteuerpflichtige Beitragszahler von dieser Form der steuerlichen Begünstigung ausgeschlossen seien, vermöge aufgrund der nur geringen Höhe der insoweit in Rede stehenden Beträge keine Wettbewerbs Verzerrungen zu begründen. 203

I I . Die Eignung des Chancenausgleichs Das Gericht befaßt sich zudem eingehend mit der Eignung des Chancenausgleichsverfahrens zur Herbeiführung eines Ausgleichs von Beitrags- und Spendenvorteilen. 204 Diese hält es für nicht gegeben und stellt darüber hinaus die Schaffung neuer Ungleichheiten durch die Regelung fest. Den nunmehr angenommenen Verfassungsverstoß führt der Senat in erster Linie auf den § 22 a PartG zugrundeliegenden Berechnungsmodus für den Chancenausgleich zurück

2 0 1 2 0 2 2 0 3 2 0 4

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

85, 264 (298 ff.). 85, 264 (300). 85,264 (300 f.). 85, 264 (301 ff.).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

61

und weist dessen Untauglichkeit sowohl für den Bereich der Spenden- 205 als auch für den der Beitragsbegünstigung206 nach. Die angemahnte Untauglichkeit des § 22 a PartG zur Erreichung des Regelungszwecks wird unter Bezugnahme auf den Berechnungsmodus am Beispiel des Jahres 1990 unter Berücksichtigung der in diesem Zeitraum erfolgten Zuwendungen errechnet. 207 Damit trägt das Gericht den mit der Chancenausgleichsregelung verbundenen Problemen Rechnung und erteilt nunmehr der 1984 eingeführten und 1988 modifizierten Konzeption in erneuter Abkehr von seiner Entscheidung aus dem Jahr 1986 eine Absage, nachdem sich deren Praxisuntauglichkeit erwiesen hat. Interessant ist, daß in diesem Punkt lediglich der Berichterstatter der Parteienfinanzierungsentscheidung, der Richter H.H. Klein 208 , seine Rechtsauffassung ändern mußte. Die Richter E.W. Böckenförde 209 und E.G. Mahrenholz210 hatten bereits 1986 abweichend votiert. Die Amtszeit der Richterin K. Graßhof sowie der Richter B. Sommer, K. Winter, K. Kruis und P. Kirchhof begann erst nachdem die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1986 gefällt wurde. 211

I I I . Die Möglichkeit zur Umklassifizierung von Spenden Das Gericht meldet aufgrund des Zusammenspiels des Abs. 2 von § 22 a PartG mit § 27 Abs. 1 PartG weitere verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Chancenausgleichsregelung an. Diese läßt es allerdings in Anbetracht der bereits festgestellten verfassungsrechtlichen Mängel der Chancenausgleichsregelung für die Beantwortung der Frage der VerfassungsWidrigkeit der Norm dahinstehen.212 Da die Klassifizierung einer Zuwendung als Beitrag lediglich an die formalen Merkmale der Regelmäßigkeit und der satzungsrechtlichen Begründung 2 0 5

BVerfGE 85,264 (303 ff). BVerfGE 85, 264 (307 f.). 2 0 7 Vgl. hierzu im einzelnen BVerfGE 85, 264 (301 ff.). 2 0 8 Beginn der Amtszeit war der 20.12.1983. 2 0 9 Beginn der Amtszeit war ebenfalls der 20.12.1983. 2 1 0 Beginn der Amtszeit als Richter war der 06.07.1981, der als Vizepräsident der 16.11.1987. 211 K. Graßhof 08.10.1986, K. Kruis 16.11.1987, K. Winter 28.11.1989 und B. Sommer 12.07.1991. 2 1 2 BVerfGE 85, 264 (311 f.). 2 0 6

. el:

62

rstellung der Entscheidung

geknüpft sei, obliege deren Einordnung letztlich den Parteien. Weil sich die Berechnung des Chancenausgleichs bei Spenden und Beiträgen unterscheide, eröffne sich diesen jedoch die Möglichkeit, die Berechnung des Chancenausgleichs zu beeinflussen. Diese Gestaltungsmöglichkeit, die namentlich bei den in beträchtlicher Höhe erhobenen Mandatsträgerabgaben Bedeutung erlangen könne, sei mit dem von § 22 a PartG verfolgten Ausgleichszweck nicht zu vereinbaren. 213 Das Gericht hebt schließlich hervor, daß nach der bisherigen gesetzlichen Regelung eine Benachteiligung von unabhängigen Wählergemeinschaften, die insbesondere auf kommunaler Ebene mit den Parteien konkurrieren, gegeben war. 2 1 4 Die Teilfinanzierung der allgemeinen Parteitätigkeit komme auch der kommunalpolitischen Tätigkeit der Parteien zugute. Ungeachtet der weiterhin nicht gesehenen Notwendigkeit, die unabhängigen Wählergemeinschaften mit den Parteien verfassungsrechtlich gleichzustellen,215 obliege es dem Gesetzgeber, einen Ausgleich für diese Benachteiligung zu schaffen. 216 Dritter Abschnitt

Die Prüfung der §§ 10 b, 34 g EStG und § 9 N r . 3 K S t G 2 1 7 Der Senat befaßt sich darüber hinaus mit der Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Begünstigung von Parteispenden und Mitgliedsbeiträgen. 218 Die einschlägigen Normen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes hält das Gericht auch nach ihrer Herauslösung aus der Heilungskonzeption für verfassungsrechtlich unbedenklich. Dies sei der Fall, weil sie den verfassungsrechtlichen Grenzen, die sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit und dem Recht der Bürger auf Gleichbehandlung bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung jeweils gemäß Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, hinreichend Rechnung trügen. 219 Die Idee einer Kleinbetragsbegünstigung war bereits Bestandteil des Parteiengesetzes in der Urfassung von 1967 gewesen. Da sich das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1958 nicht gegen die generelle verfassungsrechtliche Zulässigkeit der mittelbaren Parteienfinanzierung durch eine steuerliche Begünstigung von Parteispenden und Mit2 1 3 2 1 4 2 1 5 2 1 6 2 1 7 2 1 8 2 1 9

BVerfGE 85, 264 (312). BVerfGE 85, 264 (328). BVerfGE 78, 350 (358f.). BVerfGE 85, 264 (293 f.). [B.III.] des Urteils, S. 312 - 318. BVerfGE 85, 264 (312 ff.). BVerfGE 85, 264 (315).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

63

gliedsbeiträgen ausgesprochen hatte 220 , sondern lediglich die mit der Gleichsetzung von Privatzuwendungen an Parteien mit solchen an sonstige gemeinnützige Organisationen verbundene Absetzbarkeit nach festen Vom-Hundert-Sätzen aufgrund von Verstößen sowohl gegen die Parteien- als auch gegen die Bürgergleichheit für verfassungswidrig erklärt hatte, hatte der Gesetzgeber in §§ 34, 35 des Parteiengesetzes von 1967 einen Vorstoß in diese Richtung unternommen. Es wurde durch § 34 PartG (1967) eine erweiternde Änderung des § 10 b EStG dahingehend vorgenommen, daß Parteispenden und Mitgliedsbeiträge jährlich in der Höhe von DM 600 beziehungsweise DM 1200 bei zusammenveranlagten Ehegatten von der Einkommensteuer abgezogen werden konnten [§ 10 b Abs. 2 EStG, eingeführt durch § 34 PartG (1967)]. Eine entsprechende Erweiterung wurde für § 11 Nr. 5 KStG vorgenommen. Nach dem durch § 35 PartG (1967) eingefugten § 11 Nr. 5 a KStG sollten auch Spenden von Körperschaften bis zu einer Höhe von DM 600 steuerabzugsfähig sein. Diese Höchstgrenze wurde freilich bis zur Fassung des PartG von 1988 einige Male erhöht. Zuletzt galt eine Begünstigung von DM 60.000 beziehungsweise DM 120.000 für zusammenveranlagte Ehegatten.221 Der Senat geht auch in der Entscheidung aus dem Jahr 1992 von der grundsätzlichen Zulässigkeit der überkommenen Prämisse einer Zulässigkeit der Kleinbetragsbegünstigung aus. Er zieht jedoch neue Konsequenzen hinsichtlich der Höhe der begünstigungsfähigen Beträge.

A. Die Festsetzung der Höchstgrenze für die Absetzbarkeit bei D M 60.000 beziehungsweise D M 120.000 gemäß § 10 b EStG Die Zulässigkeit einer steuerlichen Begünstigung von Parteien stoße an ihre Grenze, wo sie ein Ausmaß erreiche, das geeignet sei, die Wettbewerbslage unter den Parteien in ernsthaft ins Gewicht fallender Weise zu beeinträchtigen. Dies sei solange nicht der Fall, wie die Mehrzahl der Steuerzahler den Nutzen der Begünstigung in gleicher Weise ausschöpfen könnten. Die gemäß § 10 b EStG vorgesehene Obergrenze von D M 60.000 beziehungsweise D M 120.000 bei zusammenveranlagten Ehegatten sei jedoch nur von einer sehr geringen, überaus finanzstarken Bevölkerungsgruppe voll auszuschöpfen. Deshalb verstoße sie gegen das Gebot zur Gleichbehandlung des Bürgers bei dessen Teilhabe an der politischen Willensbildung. Hiermit sei deshalb ein Verstoß gegen die Chancengleichheit der Parteien verbunden, da die steuerrechtliche Regelung zu einer Bevorzugung solcher Parteien führe, deren Wählerschaft in finanzstarken Kreisen angesiedelt sei. Zwar habe der Gesetzgeber diesen Verstoß gesehen und durch die Regelung des § 22 a PartG zu heilen versucht. Da dieser 2 2 0 2 2 1

BVerfGE 8, 51 (63 ff, 68 ff.). BGBl. 1988/1. S. 2616.

. el:

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rstellung der Entscheidung

Versuch allerdings mißlungen sei und deshalb die Konzeption der Chancenausgleichsregelung für verfassungswidrig erklärt wurde, stehe die überhöhte Absetzbarkeit nunmehr isoliert und halte den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr stand. 222 Auch in dieser zentralen Frage verwirft der Senat damit einstimmig einen im Jahre 1986 von der Senatsmehrheit, der aus der Reihe der an der Entscheidung von 1992 beteiligten Richter nur der Berichterstatter angehört, vertretenen Standpunkt.223

B. Die steuerliche Begünstigung von Körperschaftsspenden gemäß § 9 Nr. 3 KStG Der Senat nimmt desweiteren zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Begünstigung von Körperschaftsspenden Stellung. Bei der Frage der Zulässigkeit der steuerlichen Begünstigung von Parteispenden differenziert das Gericht nunmehr zwischen natürlichen und juristischen Personen. Es erklärt die Möglichkeit zur steuerlichen Begünstigung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des § 1 Abs. 1 KStG gemäß § 9 Nr. 3 KStG wegen eines Verstoßes gegen den formalen Gleichheitssatz für verfassungswidrig. Den hinter den juristischen stehenden natürlichen Personen werde durch die zusätzliche Möglichkeit zur steuerlichen Absetzbarkeit eine Bevorzugung zuteil, da diese sowohl in ihrer Eigenschaft als Privatperson als auch in ihrer Eigenschaft als Organ der Körperschaft spenden könnten. Ein zwingender Grund, der die dadurch bewirkte Durchbrechung des formalen Gleichheitssatzes legitimiere, bestehe nicht. 224 Auch in diesem Punkt wendet sich der Senat damit einstimmig von der Auffassung der Senatsmehrheit aus dem Jahr 1986 a b . 2 2 5

C. Die Nichtbeanstandung des § 34 g EStG Unbeanstandet läßt das Gericht schließlich § 34 g EStG. Diese Norm läßt eine auf D M 1200 beziehungsweise D M 2400 bei zusammen veranlagten Ehegatten beschränkte steuerliche Abzugsfähigkeit zu, die sich unabhängig vom 2 2 2

BVerfGE 85, 264 (313 f.). 223 vgl. im Sinne der jetzigen Entscheidung damals bereits das Sondervotum der Richter E.W. Böckenförde und E.G. Mahrenholz in BVerfGE 73, 40 (104 f.). 2 2 4 BVerfGE 85, 264 (314 f.). 2 2 5 Nur die Richter E.W. Böckenförde und E.G. Mahrenholz hatten in ihrem abweichenden Votum der steuerrechtlichen Gleichbehandlung von Unternehmer- und Privatspenden widersprochen: BVerfGE 73, 40 (106).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

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progressiven Steuersatz auf 50 vom Hundert beläuft. Der Senat begründet seine Rechtsauffassung damit, daß die insoweit begünstigten Beträge auch für die Bezieher durchschnittlicher Einkommen erreichbar seien. 226 § 34 g EStG sei auch nicht deswegen zu beanstanden, weil die hierdurch gewährte Begünstigungsmöglichkeit lediglich Einkommensteuerpflichtigen zugute käme. Eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der Bürgergleichheit sei hierdurch bereits deshalb nicht zu besorgen, weil die geringe Höhe der Zuwendungen keine politische Einflußnahme befürchten lasse. 227 Insofern entspricht die Entscheidung des Jahres 1992 der überkommenen Rechtsprechung des Senats, der die steuerliche Begünstigung geringer Summen aufgrund ihrer Unschädlichkeit sowohl für die Chancen- als auch für die Bürgergleichheit stets im Einklang mit der Verfassung gesehen hatte. Damit unterstreicht das Gericht die Funktion des strikt zu verstehenden Gleichheitssatzes228 als verfassungsrechtliche Barriere sowohl gegen Beeinträchtigungen des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien und unabhängiger Wählergemeinschaften, als auch des Gebotes zur Gleichbehandlung der Bürger bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung. Vierter Abschnitt

Das Einsetzen der Publizitätsgrenze bei D M 40.000 gemäß § 25 Abs. 2 P a r t G 2 2 9 Das Gericht befaßt sich schließlich mit der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Anhebung der Grenze einer Veröffentlichungspflicht für Parteispenden gemäß Art. 1 Nr. 7 des 5. ÄndG zum PartG von 1988 von D M 20.000 auf D M 40.000. 2 3 0 Diese Norm mißt der Senat am Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG. Durch Art. 1 Nr. 7 des 5. ÄndG zum PartG von 1988 war unter Berufung auf die Geldentwertung im Bereich der nicht staatlichen Parteienfinanzierung die Pflicht zur

2 2 6 2 2 7 2 2 8 2 2 9 2 3 0

BVerfGE 85, 264 (316). BVerfGE 85, 264 (316 f.). BVerfGE 85, 264 (315). [B.IV.] des Urteils, S. 318 - 326. BVerfGE 85, 264 (318 ff.)

5 Schwartmann

66

. el:

rstellung der Entscheidung

Veröffentlichung von Spenden gemäß § 25 Abs. 2 PartG von DM 20.000 auf DM 40.000 heraufgesetzt worden. 231 Das Gericht verweist in diesem Zusammenhang vorweg auf seine bisherige Rechtsprechung zum Publizitätsgebot gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG, wonach eine möglichst vollständige Rechenschaftslegung erforderlich sei. Zweck der Norm sei es zu gewährleisten, daß der Wähler sich über Großspender informieren könne, um sich so ein eigenes Bild über deren Einflußnahmemöglichkeiten auf die Politik zu machen. Zugleich sei es die Aufgabe der Veröffentlichungspflicht, zur Chancengleichheit der Parteien beizutragen. 232 Erforderlich werde eine Rechenschaftslegung, sobald eine Spende ins Gewicht fallende Bedeutung erlange. Die Bestimmung dieser Grenze obliege dem Gesetzgeber. 233 Allerdings sei eine Anhebung der Publizitätsgrenze über den Betrag von D M 20.000 hinaus verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar und verletze den Status der Antragstellerin "Die Grünen" als Partei, dessen Schutz Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG diene; denn bei Überschreitung dieser Grenze entstehe zumindest auf lokaler Ebene die Möglichkeit zu nicht unerheblicher Einflußnahme finanzkräftiger Kreise auf die Politik. 234 Dem sei durch die geeignete Ausgestaltung der Veröffentlichungspflicht entgegenzutreten. Der Senat führt weiterhin aus, daß entgegen seiner Entscheidung aus dem Jahr 1968 2 3 5 nicht nur solche Spenden der Veröffentlichungspflicht unterlägen, die für die Politik der Gesamtpartei erheblich seien. Andererseits sei aber auch eine unbedingte Berücksichtigung kleinster Parteien nicht geboten. Aufgrund ihres oft marginalen Einflusses erwüchsen diesen auch dann keine gewichtigen Einflußnahmemöglichkeiten, wenn es einem Geldgeber gelänge, sich eine Kleinstpartei gefügig zu machen. 236 Um einer Umgehung der Publizitätspflicht vorzubeugen, erstreckt das Gericht die Geltung der Offenlegungspflicht über Parteispenden im eigentlichen Sinne hinaus auf Zuwendungen an Mandatsträger. Es begründet dies mit der Feststellung, daß auch solche Zahlungen letztlich der hinter diesen stehenden Partei zugute kämen. Dies gelte auch für solche Mittel, die einem Abgeordneten ausdrücklich zur Finanzierung eigener politischer Aufgaben zugewandt würden, sofern diese die Veröffentlichungsgrenze erreichten und vom 2 3 1

Vgl. BT-Drucks. 11/2421, S. 6 sowie die Stellungnahme des Deutschen Bundestages in seinem Verfahren gegen die Pateienfinanzierungsnovelle aus dem Jahr 1988 in BVerfGE 85, 264 (281). 2 3 2 BVerfGE 85, 264 (319 f.). 2 3 3 BVerfGE 85, 264 (321 f.). 2 3 4 BVerfGE 85, 264 (323). 2 3 5 BVerfGE 24, 300 ff. 2 3 6 BVerfGE 85, 264 (322).

2. Kapitel: Vorstellung der Entscheidung

67

Empfänger zumindest auch zum Vorteil seiner Partei eingesetzt würden. Hier könne sich mit Blick auf Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, der die Unabhängigkeit des Abgeordenten verfassungsrechtlich verbrieft, nichts gegenteiliges ergeben, da anderenfalls auch insoweit die Gefahr einer Umgehung der Publizitätspflicht entstünde.237 Hierdurch schließt der Senat eine bislang bestehende Publizitätslücke. Nach § 4 Abs. 2 der Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete waren Spenden an Mandatsträger ab einer Höhe von DM 10.000 lediglich dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen, nicht aber zu veröffentlichen. 238 Dieses Vorgehen des Gerichts ist angemessen, da eine Spende an einen einzelnen Abgeordneten mehr Einfuß haben kann, als eine solche in entsprechender Höhe an eine Partei. 239 Insgesamt betont der Senat aber, daß es angesichts der nur begrenzt rechtlich faßbaren Einflußnahmemöglichkeiten letztlich in der Verantwortung der Parteien liege, sachwidrigen Einfluß von sachgerechtem zu unterscheiden und appelliert zugleich an das Verantwortungsbewußtsein des Gesetzgebers, wenn es um eine sachgerechte Ausgestaltung der Transparenzerfordernisse gehe. 240 Fünfter Abschnitt

Fazit und weiterer Gang der Untersuchung Seit der ersten Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung vom 19.07.1966 241 sind in der Rechtsprechung des zuständigen Zweiten Senats Maßstäbe für die verfassungsrechtliche Überprüfung der Parteienfinanzierung entwickelt worden. Es handelt sich dabei um den Grundsatz der Staats- oder Parteienfreiheit, den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und den Grundsatz des Rechts des Bürgers auf Gleichbehandlung bei der Teilhabe an der politischen Willensbildung 242 Hinzu kommt das im Grundgesetz selbst statuierte, an die Parteien gerichtete Gebot des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG, über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen Rechenschaft abzulegen. Betrachtet man die Rechtsprechung des Senats bezüglich der drei zuletzt genannten Grundsätze, so 2 3 7

BVerfGE 85, 264 (324 f.). 238 vgl hierzu bereits kritisch G. Wewer in: Wewer, Parteienfinanzierung, S. 420 (443); C. Landfried, Parteifinanzen, (1990) S. 143 ff.; E.G. Mahrenholz, 40 Jahre GG, S. 93 (100); H.H. v.Arnim, Die Partei, S. 22 ff. 2 3 9 K. v.Bey me. Politische Klasse, S. 180. 2 4 0 BVerfGE 85, 264 (326). 241 BVerfGE 20, 56. 2 4 2 Siehe zu den Verstößen gegen die Parteien- und Bürgergleichheit sowie das Transparenzgebot, o. S. 42 f. 5*

. el:

68

rstellung der Entscheidung

fällt auf, daß diese zwar in Reaktion auf Strömungen in Politik und Zeitgeist regelmäßig zu verschiedenen Auslegungsergebnissen führte. Die den Grundsätzen zugrundeliegende Idee sowie der dogmatische Ansatz ist jedoch nach der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 unverändert geblieben. In den Ausführungen zu den neben der Teilallgemeinfinanzierung einschlägigen Sachfragen legte der Senat die Normen des Parteiengesetzes aus, ohne neue dogmatische Ansätze zu entwickeln. 243 So bedeutend diese gerichtlichen Aussagen für die Gestaltung der Parteienfinanzierung durch den Gesetzgeber sind, so wenig Einfluß haben sie auf die Verfassungsdogmatik. Dem Grundsatz der Staatsfreiheit hat das Gericht demgegenüber in der zu untersuchenden Entscheidung eine neue Prägung verliehen, die ihm eine Umorientierung im Bereich der Parteienfinanzierung ermöglichte und die eine beachtliche dogmatische Neuerung darstellt. Verfassungsrechtlich ist die Wahlvorbereitung nicht mehr - wie dies seit der ersten Grundsatzentscheidung zur Parteienfinanzierung aus dem Jahre 1966 ständig vertreten wurde - als einzig finanzierungsfähiger Aufgabenbereich anzusehen. Das Dogma der Wahlkampfkostenerstattung ist aufgegeben und eine staatliche Parteienfinanzierung für jeden Bereich der Tätigkeit politischer Parteien im Grundsatz für zulässig erklärt worden. 244 Die vorliegende Untersuchung befaßt sich im folgenden mit den Implikationen dieses Paradigmenwechsels in der Rechtsprechung für das Verfassungsrecht und die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien. Ihr liegt im folgenden eine Zweiteilung zugrunde. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Herleitung der Parteienfinanzierungsdogmatik aus dem Grundgesetz nachvollzogen und auf ihre Haltbarkeit aus methodischer Sicht überprüft. Im darauffolgenden dritten Teil werden die Auswirkungen des neu entwickelten Parteienfinanzierungsmodells für das Verfassungsrecht aufgezeigt und dessen Vereinbarkeit mit der Verfassung untersucht. 245 Im Rahmen dessen wird zunächst die aktuelle Aussage des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Parteienfinanzierung in ihrem dogmatischen Gehalt aufbereitet. 246 Daran anschließend kann diese Aussage des Gerichts an den Vorgaben der Verfassung gemessen werden. 247

2 4 3 2 4 4 2 4 5 2 4 6 2 4 7

Siehe u. S. 71 ff. Siehe hierzu eingehend u. S. 84 ff. Siehe u. S. 105 ff. Siehe u. S. 105 ff. Siehe u. S. 127 ff.

Z w e i t e r

T e i l

Methodenfragen der Parteienfinanzierungskonzeption des Jahres 1992

Namentlich der absoluten Obergrenze als dem Kernstück1 der neuen Parteienfinanzierungskonzeption des Bundesverfassungsgerichts wird ein Defizit hinsichtlich der Beachtung methodischer Anforderungen bei dessen Herleitung aus dem Grundgesetz vorgeworfen. 2 Es gilt daher herauszuarbeiten, inwieweit dieses Manko tatsächlich besteht.

Erstes Kapitel D i e Ausgestaltung d e r B i n d u n g des Bundesverfassungsgerichts a n methodisches V o r g e h e n Hierzu ist es unerläßlich, zunächst die Anforderungen herauszuarbeiten, die aus methodologischer Sicht an die Rechtsfindung des Bundesverfassungsgerichts zu stellen sind. Daran anschließend soll die Entstehung des Parteienfinanzierungsmodells des Jahres 1992 schrittweise nach vollzogen und an den herausgearbeiteten Anforderungen gemessen werden. Erster Abschnitt Der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts zur Methode der eigenen Rechtsfindung Das Bundesverfassungsgericht hat zur grundsätzlichen Frage der Bestimmung des Regelungsgehalts einer Norm folgendes ausgeführt: "Während die subjektive Theorie auf den historischen Willen des Gesetzgebers (= 1

Siehe hierzu u. S. 120 f. Statt vieler mit besonderem Nachdruck: U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (328 f.) sowie H. Sendler, NJW 1994, 365 (366); ders., Anhörung 93, S. 123: "so etwas wie Willkür"; W. Kaltefleiter y Bitburger Gespräche 1993, S. 53 (57). 2

2. Teil: Methodenfragen

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Gesetzesverfassers), auf dessen Motive in ihrem geschichtlichen Zusammenhang abstellt, ist nach der objektiven Theorie ... Gegenstand der Auslegung das Gesetz selbst, der im Gesetz objektivierte Wille des Gesetzgebers. 'Der Staat spricht nicht in den persönlichen Äußerungen der an der Entstehung des Gesetzes Beteiligten, sondern nur im Gesetz selbst. Der Wille des Gesetzgebers fallt zusammen mit dem Willen des Gesetzes' (Radbruch, Rechtsphilosophie, 4. A. 1950, S. 210 f.)". 3 Die Ermittlung dieses Willens soll unter Anwendung von bestimmten Interpretationsmethoden erfolgen." Diesem Auslegungsziel dienen die Auslegung nach dem Wortlaut der Norm, die grammatische Auslegung, aus ihrem Zusammenhang, die systematische Auslegung, aus ihrem Zweck, die teleologische Auslegung und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die historische Auslegung. Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen sind alle diese Auslegungsmethoden erlaubt. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Freilich sind die 'Vorarbeiten eines Gesetzes für dessen Auslegung immer nur mit einer gewissen Zurückhaltung, in der Regel bloß unterstützend zu verwerten.'(RGZ 128, 111). Sie dürfen nicht dazu verleiten, die Vorstellung der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (z.B. schon RGZ 27, 411). Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat. ... Der 'Wille des Gesetzgebers' ist der im Gesetz objektivierte Wille." 4 Grundsätzlich ist für das Gericht bei der Auslegung vom Wortlaut auszugehen, denn das Wort ist das dem Gesetz in erster Linie zur Verfügung stehende Mittel, um Sinngehalte mitzuteilen. "Am Wortlaut der Norm braucht der Richter aber nicht halt zu machen. Seine Bindung an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG) bedeutet nicht Bindung an dessen Buchstaben mit dem Zwang wörtlicher Auslegung, sondern Gebundensein an Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Interpretation ist Methode und Weg, auf dem der Richter den Inhalt einer Gesetzesbestimmung unter Berücksichtigung ihrer Einordnung in die gesamte Rechtsordnung erforscht, ohne durch den formalen Wortlaut des Gesetzes begrenzt zu sein. [BVerfGE 8, 210 (221)]. Zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter der verschiedenen, insbesondere der systematischen und der teleologischen Auslegungsmethoden gleichzeitig und nebeneinander bedienen. Sie stehen zur grammatischen Auslegung im Verhältnis gegenseitiger Ergänzung. 3 4

BVerfGE 11, 126 (129 f.). BVerfGE 11, 126 (130 f.).

1. Kapitel: Bindung an Methode

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Dabei kann gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz, ihr sachlogischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften den Sinn und Zweck der Norm, ihre wahre Bedeutung, freilegen." 5 Das Gericht steht damit ausdrücklich und formell auf dem Boden der von F.K. v. Savigny begründeten6 und unter Geltung des Grundgesetzes insbesondere von E. Forsthoff weiterentwickelten7 "klassischen Auslegungsmethode". Innerhalb dieser Methode verleiht es unter Hintanstellen des Wortlautes und des historischen Elements insbesondere dem systematischen und teleologischen Auslegungsmoment eine besondere Bedeutung.8 Die Wirklichkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings oft weit von der Einhaltung dieser Grundsätze entfernt. Das Gericht nimmt sich die Freiheit, Auslegungsregeln je nach Bedarf und Bedürfnis anzuwenden.9 Dabei bedient es sich über die Anwendung der "klassischen Auslegungsmethode" hinaus aus dem gesamten Fundus10 der in der Staatsrechtswissenschaft vertretenen Methodenlehren.11 Am Parteienfinanzierungsurteil des Jahres 1992 kann dieser "Methodenpluralismus" anschaulich belegt werden. Allein innerhalb dieser Entscheidung finden sich insgesamt drei methodische Ansätze. Im Rahmen des Organstreitverfahrens mißt der Senat unter Β. I . 1 2 zunächst § 18 Abs. 6 PartG ("Sockelbetrag") an Art. 21 GG und dem Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien, den er seit jeher aus Art. 21 Abs. 1 und 20 Abs. 2 GG herleitet. 13 Diese Passage ist von der Uminterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit dominiert. Das Gericht orientiert sich merklich an der Idee der Gewährleistung eines funktionsfähigen Parteiensystems. Dies erfolgt, um unmittelbar die Interpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit und mittelbar die Wahrung der Funk5

BVerfGE 35,263 (278 f.). Vgl.: F.K. v. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I (1840), S. 212 ff. 7 Vgl.: E. Forsthoff, C. Schmitt-FS., S. 35 ff.; ders., Problematik der Verfassungsauslegung, S. 11 ff. 8 Vgl.: BVerfGE 11, 126 (130) sowie zuvor bereits in BVerfGE 1, 299 (312) und später in BVerfGE 40, 353 (365). E.W. Böckenförde , NJW 1976, 2089 (2090) Fn. 9., weist darauf hin, daß gerade die für das Bundesverfassungsgericht wichtige teleologische Auslegung erst von Forsthoff vertreten wird, bei Savigny demgegenüber weder in der systematischen Auslegung aufgeht noch ein eigenständiges Auslegungselement darstellt. 9 Siehe zur "Theorielosigkeit" des Bundesverfassungsgerichts: R. Alexy, Theorie, S. 18; E.W. Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1530); U. Fink, Selbstbestimmung, S. 45. 10 Vgl. zu diesem "Methodenpluralismus": K. Hesse, Grundzüge, § 2 Rn. 58; G. Roellecke, Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, S. 22 (24 ff.) und bereits H. Ehmke, VVDStRL 20 (1963) S. 53 ff. sowie ebendort P. Schneider, S. 1 ff. 11 Vgl. zu einem instruktiven Überblick über die derzeit zu beobachtenden Richtungen E.W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 (2090 ff.). 12 BVerfGE 85,264 (283-295). 13 I. v.Münch, StaatsR. I, Rn. 258. 6

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2. Teil: Methodenfragen

tionsfähigkeit des Parteiensystems herbeiführen zu können.14 Insofern erinnert die hier angewandte Methode an den "topisch-problemorientierten" 15 Ansatz, wonach ausgehend "vom jeweils vorgegebenen Problem eine System-Auslese erfolgen muß, die so lange sucht, bis sie eine angemessene, 'passende Lösung' gefunden hat." 16 Unter Β. II. wird eine Überprüfung des § 22 a PartG (Chancenausgleich) an Art. 21 Abs. 1 GG und 3 Abs. 1 GG, aus dem die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb hergeleitet wird, vorgenommen.17 Das Gericht argumentiert in diesem Zusammenhang sehr pragmatisch. Es belegt seine Argumentation anhand ausführlicher Berechnungen, deren Ergebnis zunächst die Verfassungswidrigkeit des 1988 eingeführten Beitragsausgleichs und schließlich die Untauglichkeit des gesamten Systems des Chancenausgleichsverfahrens dokumentiert. Die Einordnung dieser Vorgehensweise in ein Raster methodischer Ansätze läßt sich nicht ohne weiteres vornehmen. Der Politikwissenschaftler K. v. Beyme beschreibt diese methodische Vorgehensweise wie folgt: "Was an theoretischer Widerspruchsfreiheit nicht geleistet werden konnte, weil die Fragestellung eines Gerichts begrenzt ist und auch durch 'obiter dicta' nicht beliebig ausgewertet werden kann, das wurde an methodischer Stringenz eingeholt. Selten hat einem Urteil ein solcher Aufwand an empirischer Arbeit mit Zahlen zugrundegelegen. Das Urteil hebt sich positiv von der summarischen Faktenanalyse ab, die früheren Entscheidungen zugrundelag - etwa bei den Kriegsdienstverweigerungs - und Abtreibungsentscheidungen. Für die Anerkennung einer beachtlichen wissenschaftlichen Leistung neben der normativen - gehört eigentlich nur noch, daß das Gericht sich angewöhnt, die Quellen zu zitieren, aus denen es schöpft und die es in diesem Urteil gelegentlich sogar mit kleinen Fehlern reproduziert." 18 Damit mag zwar eine zutreffende Charakterisierung der methodischen Vorgehensweise vorliegen. Schleierhaft bleibt aber die methodische Einordnung der

14 Hinzu kommt, worauf U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (329) zutreffend hinweist, daß die gesamte Argumentation und damit die gesamte Entwicklung der neuen Parteienfinanzierungssystematik im Rahmem eines obiter dictums erfolgt. Damit weist die Entscheidung eine Gemeinsamkeit mit der Entscheidung aus dem Jahre 1958 auf, in der das Gericht in einem ebenfalls ausführlichen obiter dictum zum ersten mal die Zulässigkeit der Allgemeinfînanzierung bejaht hatte. Siehe dazu M. Kriele, NJW 1976, III (779) Fn. 21. 15 Die Bezeichnung stammt von E.W. Böckenförde , NJW 1976, 2089 (2091), s. dazu auch W.R. Schenke, NJW 1979, 1321 (1323), grundlegend zur Topik: T. Viehweg, Topik und Jurisprudenz, S. 15 ff. 16 H. Ehmke, VVDStRL 20 (1963) S. 53 (55). 17 BVerfGE 85, 264 (296-312). 18 K. v.Beyme, Politische Klasse, S. 181 f. Hervorhebungen hinzugefügt.

1. Kapitel: Bindung an Methode

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(rechts?)wissenschaftlichen Leistung, die das Gericht neben der normativen erbringt. Unter B. III. untersucht der Senat zum einen die Vereinbarkeit der steuerrechtlichen Normen der §§ 10 b EStG und 9 Nr. 3 KStG. Erstgenannte Norm legte die Grenze der steuerlichen Abzugsfähigkeit von der Einkommensteuer bei D M 60.000 beziehungsweise 120.000 bei zusammen veranlagten Ehegatten fest. Die zweitgenannte regelte die steuerliche Begünstigung von Körperschaftsspenden. Desweiteren überprüft er § 9 Nr. 3 b KStG, der die Möglichkeit zur steuerlichen Begünstigung von Parteispenden juristischer Personen vorsah. 19 Die der Auslegung in dieser Passage der Entscheidung zugrundeliegende Argumentation orientiert sich an Sinn und Zweck des formalen Gleichheitssatzes. Insofern läßt sich die insoweit gewählte Vorgehensweise mit ihrer Betonung des teleologischen Elements bei der Gesetzesauslegung dem ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht vertretenen "klassischen" Ansatz zuordnen. Schließlich wird unter Β. IV. § 25 Abs. 2 PartG (1988), wonach die Grenze der Publizitätspflicht bei D M 40.000 liegen sollte, am Tranzparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG gemessen.20 Auch die in diesem Zusammenhang angewandte Auslegungsmethode ist recht eindeutig dem "klassischen" Ansatz zuzuordnen, dessen Anwendung der Senat transparent macht. Ausgehend vom Wortlaut 21 rekurriert das Gericht, verschiedene verfassungsrechtlich problematische Facetten des § 25 Abs. 2 PartG beleuchtend, auf die historischen Wurzeln der Norm 2 2 , um daraufhin auf deren Sinn und Zweck abzuheben 23 und schließlich auf die systematische Stellung einzugehen24. Die an dieser Verschmelzung der methodischen Ansätze bisweilen geübte Kritik 2 5 kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Statt dessen soll ein Standpunkt zu der Frage bezogen werden, welche Anforderungen an die Ausgestaltung der Bindung des Bundesverfassungsgerichts an methodische Grundsätze zu stellen sind. Die folgenden Ausführungen dienen als Gerüst für eine methodologische Einordnung und Analyse der zu untersuchenden Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1992. 19

BVerfGE 85, 264 (312-318). BVerfGE 85, 264 (318-326). 21 BVerfGE 85, 264 (319). 2 2 BVerfGE 85, 264 (319 f.). 23 BVerfGE 85, 264 (321 f.). 2 4 BVerfGE 85, 264 (324 f.). 25 Vgl. zu einer generellen, recht harschen Kritik hieran insbesondere F. Müller, Juristische Methodik, S. 34 ff. und diesem folgend B. Schlink, Der Staat 19 (1980), 73 (77, 90, 95). Gemäßigter etwa K. Hesse, Grundzüge, § 2 Rn. 58 ff. 2 0

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2. Teil: Methodenfragen

Zweiter Abschnitt

Die Anforderungen an methodisches Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts Sieht man die Verfassung aufgrund ihrer politischen Dimension als Rahmen an, so ist bei ihrer Auslegung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten insbesondere darauf zu achten, diesen Rahmen mit den Mitteln der Interpretation zu bestimmen. Allerdings verlangt die machtbegrenzende Funktion der Verfassung eine zuverlässige und voraussehbare Bestimmung des Rahmens.26 Berücksichtigt man den Freiraum, der dem Bundesverfassungsgericht bei der Interpretation gerade von "offenen" Normen in einer rahmenartigen Verfassung bleiben muß, wird man diesem bei der Ausfüllung des Rahmens einen recht großen Freiraum zubilligen. Angesichts dessen könnten pragmatische Erwägungen dafür sprechen, den "authentischen Interpreten der Verfassung" mit der grundgesetzlich zugewiesenen Kompetenz zur letztverbindlichen Entscheidung von streitigen verfassungsrechtlichen Fragen von einer exakt festgelegten Methode zu entbinden, weil dessen Kompetenz letztlich auch die Festlegung der Methodenwahl umfaßt. Allerdings wäre damit lediglich etwas über die Ausgestaltung der angewandten Methode, jedoch nichts über die Frage ausgesagt, ob das Bundesverfassungsgericht überhaupt methodisch nachvollziehbar vorgehen muß. Dies aber verlangt gerade die besondere Position des Gerichts als letztverbindlicher Verfassungsinterpret, für den sich Auslegungsfragen besonders drängend stellen, weil er sich nicht mehr auf eine höhere Autorität stützen kann 27 und der schon von daher bei der Verfassungsauslegung besonders sorgfältig vorgehen muß. In seiner Eigenschaft als Kritiker des Gesetzgebers ist das Bundesverfassungsgericht auf überlegene Rationalität angewiesen und muß der Autorität seiner Entscheidung aus methodologischer Sicht die Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidung und letztlich auch die inhaltliche Überzeugungskraft seiner Argumente entgegensetzen.28 Nicht zuletzt weil das Gericht als authentischer Interpret der Verfassung naturgemäß auf die Standards der Interpretation einen bedeutenden Einfluß hat 29 , ist es auf rationale sowie nachprüf-

2 6 Die Ausfüllung des Rahmens ist demgegenüber eine Frage politischer Opportunität, die von den Ideen der an der Gesetzgebung Beteiligten, von Parteiprogrammen, den zur Verfügung stehenden Mitteln (...), nicht jedoch vom Bundesverfassungsgericht bestimmt wird. C. Starck, HStR VII, § 164 Rn. 7. 2 7 G. Roellecke, BVerfG-FS., S. 22 (22 f.). 2 8 P. Henseler, AÖR 108 (1983), 489 (558). 2 9 Siehe dazu R. Alexy, Theorie, S. 17; U. Fink, Selbstbestimmung, S. 45.

1. Kapitel: Bindung an Methode

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bare Methoden und Standards juristischer Herleitung und Begründung verpflichtet. 30 Festzuhalten bleibt damit, daß Entscheidungen der Verfassungsgerichtsbarkeit methodisch geleitet sein und darüber hinaus auf möglichst festen Standards fußen müssen.31 Es liegt in der Verantwortung und der Macht des Bundesverfassungsgerichts, für die Wahrung dieser Standards zu sorgen. 32 Ihre Einhaltung ist erforderlich, damit der zu konstatierende und möglicherweise bisweilen erforderliche aber gleichwohl "anarchisch anmutende"33 Methodenpluralismus nicht zu "einer normativen Destabilisierung des Staatsrechts"34 führt. Gleichwohl ist die sich dem Gericht stellende Schwierigkeit offenkundig. Das Problem liegt zunächst in der Herausarbeitung methodisch hinreichender zugleich aber praxistauglicher Standards. Bei deren Festlegung wird man verschiedene Besonderheiten zu berücksichtigen haben. Diese liegen sowohl in der "Offenheit" der Verfassungsnormen beziehungsweise im "rahmenartigen" Charakter des Grundgesetzes35 als auch in der Nähe des Verfassungsrechts zur Politik 3 6 begründet. Die offene und unbestimmte Formulierung des vorliegend insbesondere relevanten Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG muß diese Erwägung genauso veranlassen, wie die durch die Wendung "politische Willensbildung des Volkes" bereits in die Norm aufgenommene Bezugnahme zur Politik. 37 Gerade die Offenheit des Verfassungsrechts und dessen Nähe zum Politischen machen aber zugleich die Unerläßlichkeit einer gesicherten juristischen Methode deut3 0 In diesem Sinne auch Κ Schiaich,, VVDStRL 39 (1981), 99 (126 ff.).; E. Benda , ZRP 1977, 1 (5); E.W. Böckenförde, Scupin-FS., S. 317 (330); H.U. Scupin, Broermann-FS., S. 555 (555 ff.) Auch der spätere Berichterstatter in der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1992 Η. H. Klein räumte - obschon aus der Stellung des Gerichts kompetenzielle Besonderheiten herleitend bezüglich dieser grundsätzlichen Frage ein, daß das Bundesverfassungsgericht nicht von den allgemeinen Auslegungsregeln dispensiert sei und sich dessen "Erkenntnistätigkeit" immerhin "nicht wesentlich von der der übrigen Gerichte" unterscheide. H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 40, 16 ff. 31 In diesem Sinne auch das Bundesverfassungsgericht im "Rechtsfortbildungsbeschluß": BVerfGE 34, 269 (287). 3 2 In diesem Sinne auch E. W. Böckenförde, Scupin-FS., S. 317 (331 ). 33 E.W. Böckenförde, Scupin-FS., S. 317 (331). 3 4 E. W. Böckenförde, Scupin-FS., S. 317 (331 ). 35 R. Wahl weist zutreffend darauf hin, daß eigentlich nicht die Verfassung "offen" ist, sondern das, was im Rahmen der Verfassung möglich ist und vom Gesetzgeber heute so und morgen so entschieden werden kann. R. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (507) Fn. 74. Vgl. zur Offenheit der Verfassung ferner etwa E.W. Böckenförde, Scupin-FS., S. 317 (319 ff.) 3 6 Siehe dazu U. Fink, Selbstbestimmung, S. 37; W. Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 77 ff. 37 Vgl. hierzu etwa K. Stern, StR I, S. 125, der unter Bezugnahme auf R. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, (1928) S. 133, die Berücksichtigung des Charakters des Politischen als Wesenselement auch der Verfassungsauslegung hervorhebt.

2. Teil: Methodenfragen

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lieh. Natürlich kann eine Verfassungsauslegung, die sich darauf versteift, eine strikte Trennung von rechtlichem und politischem Element vorzunehmen, und damit das Auslegungsprinzip der "Rücksicht auf das Politische"38 negiert, nicht sachgerecht sein. 39 Auf der anderen Seite spricht aber gerade die Tatsache, daß die Entscheidungsfindung des Bundesverfassungsgerichts häufig intuitiv sein und bisweilen auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen wird 40 , für die Berechtigung der Forderung nach einem methodisch streng geleiteten Vorgehen. Damit es nicht zum Betreiben von Politik mit anderen Mitteln oder in einem anderen Gewand kommt, ist es für die Verfassungsinterpretation besonders wichtig, eine gesicherte und vor allem kontrollierbare Methode zu haben, die einen Begründungszusammenhang zwischen Ausgangspunkt und Ziel erkennen läßt. 41 Nur so kann die Methode als Gegengewicht zu einer drohenden politischen Funktionalisierung und Indienstnahme des Verfassungsrechts taugen.42 Daß diesbezüglich auch gerade in den Reihen des Bundesverfassungsgerichts selbst Mißstände und Gefahren gesehen werden, zeigen die Ausführungen der Bundesverfassungsrichter W. Rupp- v. Brünneck und H. Simon in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Einführung der Gruppenuniversität. 43 In einem Sondervotum führen die Richter aus: "Sie (die Senatsmehrheit R.S.) erhebt Zweckmäßigkeitserwägungen, die der Gesetzgeber bei seiner Willensbildung anzustellen hat und denen ... durchaus Gewicht gebührt, unzulässig zu unabdingbaren, ... durchsetzbaren Postulaten. ... Dieses Vorgehen erscheint nicht zuletzt deshalb bedenklich, weil verfassungsgerichtliche Verbote im Unterschied zu inhaltsgleichen Gesetzesregelungen auch in ihren Fehleinschätzungen nur schwer korrigierbar sind und die weitere (in diesem Falle R.S.) hochschulpolitische Entwicklung in einer krisenhaften Übergangsphase festschreiben, in der sich der Freiheitsgedanke eher in zukunftsoffener Flexibilität bewähren müßte." Damit ist die besondere Schwierigkeit der bundesverfassungsgerichtlichen Verfassungsauslegung umrissen. Das Gericht hat es einerseits mit offenem, politischen Recht zu tun, andererseits ist es im Sinne der Wahrung seiner für den Verfassungsstaat elementaren Autorität dazu verpflichtet, höchsten Anforderungen an methodische Standards gerecht zu werden. Es muß das Kunststück 38

Vgl. dazu bereits H. TriepeU Staatsrecht und Politik (1927), S. 19, 37. E.W Böckenförde, Scupin- FS., S. 317 (329); J. Isensee, HStR. VII, § 162 Rn. 83. So auch F. Klein, Politische Fragen, S. 26. 4 0 J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 201. 41 In diesem Sinn E.W. Böckenförde, Scupin-FS., S. 317 (329). 4 2 Siehe hierzu B. Schlink, Der Staat 19 (1980), 73 (73 ff.). 4 3 BVerfGE 35, 79 (148 ff.; 150). 3 9

1. Kapitel: Bindung an Methode

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vollbringen, aus einer offenen Materie ein dem konkreten Sachverhalt angemessenes Ergebnis nachvollziehbar abzuleiten, und dabei der Gefahr widerstehen, ein juristisches Problem wie einen gordischen Knoten zu lösen. Dies ist wichtig, weil die Auslegungsmethode des Bundesverfassungsgerichts mehr ist als ein Kanon der richterlichen Rechtsbildung. Das Gericht legt mit der Wahl seiner Methode nämlich zugleich eine Grenzbestimmung für seine Kontrollund Entscheidungskompetenz fest. 44 Die Beantwortung der Frage nach der Grenze der zulässigen Verfassungsauslegung muß angesichts der aufgezeigten Schwierigkeiten bis zu einem bestimmten Grad vage bleiben. Auch dem Bundesverfassungsgericht ist zugute zu halten, daß eine Grenze naturgemäß nicht bestimmter sein kann als der durch sie eingegrenzte Verfassungsbereich. 45 Allerdings wird es neben den Fällen, in denen eine Beurteilung schwer fallen muß, auch solche geben, in denen deutlich wird, daß der Boden des im Rahmen von Verfassungsauslegung Herleitbaren verlassen wurde. Den nunmehr festzulegenden Kriterien für methodisch geleitetes Vorgehen muß es damit in erster Linie darum gehen, ein Erkennen des Grenzübertritts zu ermöglichen. Hierbei ist es angesichts der Rahmenhaftigkeit der zugrundeliegenden Materie und der Vielzahl der Auffassungen von einer richtigen Methode wichtig, nach Möglichkeit von einem Konsens aus zu argumentieren, auf dessen Grundlage nach den "essentialia negotii" einer Verfassungsauslegung gesucht werden kann. Ein Konsens für die Grundlage einer Argumentation läßt sich hinsichtlich der Aufgabe der Verfassungsinterpretation festmachen.

A. Die rationale Nachvollziehbarkeit als positives Kriterium Für K. Hesse etwa ist es "Aufgabe der Interpretation ..., das verfassungsmässig 'richtige' Ergebnis in einem rational nachvollziehbaren Verfahren zu finden, dieses Ergebnis rational und kontrollierbar zu begründen und auf diese Weise Rechtsgewißheit und Voraussehbarkeit zu schaffen (und) - nicht etwa nur um der Entscheidung willen zu entscheiden."46 Nach K. Stern geht es der Verfassungsauslegung "darum, einen Rechtsbegriff, einen Rechtssatz mit den Mitteln der Interpretation in einem wissenschaftlich gesicherten und nachvollziehbaren Verfahren klarzulegen." 47 Für G. Roellecke ist das Kriterium der ge-

4 4 4 5 4 6 4 7

P. Badura, BVerfG-FS, S. 1(1). M. Kleuker, Gesetzgebungsaufträge, S. 25. K. Hesse, Grundzüge, § 2 Rn. 51. Hervorhebungen hinzugefügt. K. Stern, StR I, S. 130.

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2. Teil: Methodenfragen

danklichen Nachvollziehbarkeit und Rationalität der Entscheidung gar das einzig Wesentliche. "Grundsätzlich ist gegen das 'Prinzip der Prinzipienlosigkeit' methodologisch ... nichts einzuwenden, solange man verständlich und die eigene Autorität erhalten bleibt. Wenn man ... der Zuverlässigkeit der Sprache mißtraut, kann es für eine vernünftige Interpretation nur noch auf diese beiden Bedingungen ankommen."48 Damit ist der Konnex zwischen Rationalität49 und Autoritätserhaltung angesprochen, auf die der Staat des Grundgesetzes angewiesen ist. Die Autorität des Bundesverfassungsgerichts kann nur solange erhalten bleiben, wie dessen Argumentation nachvollziehbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei, daß sich die Feststellung der Nachvollziehbarkeit nicht mit den Gesetzen der Logik begnügen kann.50 Zweifelhafte Auslegungsfragen lassen sich nicht ausschließlich innerhalb einer logischen Operation lösen. Dies liegt daran, daß Bewertung und Begriffsbildung, die auch der Rechtsfindung der Verfassungsgerichtsbarkeit zugrundeliegen, letztlich Fragen der menschlichen Einsichtsfahig- und -Willigkeit sind.51 Dennoch wird die logische Herleitbarkeit eines gefundenen Ergebnisses sofern sie möglich ist - dessen Nachvollziehbarkeit unterstreichen und seine Glaubwürdigkeit unterstützen. Das Kriterium der logischen Nachvollziehbarkeit kann damit insbesondere zur Selbstkontrolle des Interpreten nützlich sein. Sobald ein Auslegungsergebnis nicht mehr gedanklich nachvollziehbar ist, wird seine dauerhafte Akzeptanz in Frage gestellt sein. Die Autoritätserhaltung des Bundesverfassungsgerichts hängt insofern von der rationalen Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidungen ab. Bundesverfassungsgerichtliche Rechtsfindung mag zwar in gewissem Maße mit politischer Rechtsbildung der Legislative bisweilen Irrationalität und Zweckgerichtetheit gemeinsam haben müssen. Was das Bundesverfassungsgericht allerdings vom Gesetzgeber unterscheiden muß, ist die rationale Nachvollziehbarkeit der Rechtsfindung. 52 Spätestens, sobald sich eine verfassungsgerichtliche Entscheidung in ihrer Beschränkung auf Irrationalität oder Zweckgerichtetheit zu erkennen gibt, hebt sich das Gericht nicht mehr vom Gesetzgeber ab. Es betreibt in diesem Fall lediglich als Verfassungsrecht getarnte Politik. Ein häufiges Offenbarwerden dessen muß auf Dauer die Autorität des Verfassungsgerichts und die spezifische Legitimation seiner Rechtsprechung untergraben. 53 Dem kann letztlich nur das Bundesverfassungsgericht selbst entgegenwirken, indem es der Auto4 8 4 9 5 0 51 5 2 53

G. Roellecke, BVerfG-FS, S. 22 (48). Vgl. dazu G. Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 173 f. Siehe dazu U. Fink., Selbstbestimmung, S. 39 f. Vgl. dazu auch G. Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 173. A.A. allerdings M. Drath, VVDStRL 9 (1952), S. 17 (96). Ähnlich J. Ipse η, Rechtsfolgen, S. 201.

1. Kapitel: Bindung an Methode

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rität, die seiner Entscheidung im Sinne eines funktionierenden Staatswesens zukommen muß, die Nachvollziehbarkeit seiner Argumentation entgegen-54 und diese damit zugleich zur Erhaltung der Autorität einsetzt. Die Wissenschaft indes kann angesichts dessen nicht mehr leisten, als das Gericht durch die Kraft ihrer Argumente - mehr oder minder effektiv - auf Mißstände und die Bedeutung der Einhaltung methodischer Anforderungen hinzuweisen.55 Damit ist die rationale Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung als erstes Kriterium festgelegt, das das Bundesverfassungsgericht bei seiner Rechtsfindung beachten muß.

B. Die Nichtberücksichtigung der inhaltlichen Überzeugungskraft als negatives Kriterium Die Frage der inhaltlichen Überzeugungskraft der bundesverfassungsgerichtlichen Aussagen und deren inhaltliche Konsensfähigkeit ist demgegenüber aus methodischer Sicht zweitrangig. Sie sollte nach Möglichkeit bei der Untersuchung methodologischen Herleitbarkeit unberücksichtigt bleiben. 56 Im Zusammenhang mit der methodischen Herleitbarkeit kommt es nicht auf den Inhalt einer Aussage an, sondern darauf, daß eine bestimmte Problematik in Fachkreisen rational diskutiert 57 und nachvollzogen werden kann. 58 Maßgebend ist letztlich, daß der Verfassungsinterpret sein Ergebnis mit dem Anspruch darauf begründet, daß diese Begründung vernünftigen und fachlich gebildeten Menschen einsichtig ist und ein solchermaßen geeigneter Gesprächspartner diesen Anspruch anerkennen kann. Irrelevant ist hingegen, ob dieser die gewählte Begründung für stichhaltig oder das Ergebnis für falsch beziehungsweise richtig hält. 59 Eine Berücksichtigung des Inhalts würde lediglich das eigene Vorverständnis des Interpreten in die methodologische Analyse vorver-

5 4

Sicherlich wird, wie P. Henseler, AÖR 108 (1983), 489 (558) dies fordert, auf Dauer nur eine auch inhaltlich überzeugungskräftige Argumentation des Bundesverfassungsgerichts die "überlegene Rationalität" einer Entscheidung beweisen und deren Autoritätserhaltung sichern können. Dieser Aspekt hat aber im Rahmen der methodologischen Analyse unberücksichtigt zu bleiben. Siehe dazu sogleich u. S. 79 f. 5 5 Zur Aufgabe der Wissenschaft in diesem Zusammenhang: M. Kloepfer, BettermannSeminar, S. 53 (72 ff.). 5 6 Siehe hierzu G. Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 173. 5 7 G. Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 173. 58 Dies ist bei der Frage der Parteienfinanzierung der Fall. Dazu, ob dies aufgrund der Besonderheit der Entscheidung in eigener Sache möglich ist, siehe u. S. 146 ff. 59 Vgl. in diesem Sinne auch G. Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 173.

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lagern und damit den Blick auf die Methode versperren. 60 Hieraus und aus der Tatsache, daß der Rechtsfindung insbesondere mit den Regeln der Logik letztlich nicht gerecht zu werden ist, 61 erklärt sich, daß der Entscheidungsfindung aus methodischer Sicht durchaus subjektive Elemente zugrundeliegen können 62 , die auf dem Vorverständnis der jeweils auslegenden Richter beruhen. 63 Bei dem Vorverständnis handelt es sich um ein in der Rechtstheorie allgemein anerkanntes Phänomen.64 Als solches ist es für die Methodenlehre zu akzeptieren. H. Schiedermair weist überzeugend darauf hin, daß eine Voreingenommenheit des Richters keineswegs als Vorurteil im negativen Sinne 65 verstanden werden muß, sondern sogar für eine besondere Befähigung sprechen kann. 66 Damit läßt sich festhalten, daß die Überprüfung der Verfassungsinterpretation sich letztlich nur mit einer Kontrolle der Schlüssigkeit der vorgetragenen Argumentation begnügen kann und dabei nach Möglichkeit inhaltliche Aspekte unberücksichtigt lassen muß. Dieses negative Kriterium trägt der Offenheit der auszulegenden Rechtsmaterie Rechnung.

C. Die Abstraktheit des Ergebnisses als Kontrolle Das Ergebnis einer Verfassungsauslegung durch das Bundesverfassungsgericht kann - auch wenn hierbei ein dezisionistisches Element unabdingbar und erlaubt ist 6 7 - immer nur abstrakt sein. Der Versuch, Details oder konkrete Lösungen durch Auslegung aus der rahmenartig konzipierten Verfassung abzuleiten, "überanstrengt" 68 diese. Dieser Versuch führt bei offenen Normen insbesondere deshalb zu Problemen, weil er - zumal wenn durch die Autorität des bundesverfassungsgerichtlichen Diktums bestärkt - vorgibt, das aufgrund der 6 0 Seinen berechtigten Ort hat die inhaltliche Überzeugungskraft allerdings im Rahmen einer inhaltlichen Analyse des Ergebnisses der Rechtsfindung. 61 G. Roellecke, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 173. 6 2 Vgl. die Ableitung des Erfordernisses der Umfangsbegrenzung aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung vor der Staatsfinanzierung im Rahmen der Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit, die jedenfalls logisch nicht nachvollziehbar ist. Siehe dazu u. S. 90 ff. 6 3 Siehe zur Bedeutung des Vorverständnisses in der Rechtswissenschaft etwa: J. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 133 ff.; K. Larenz, Methodenlehre, S. 185. 6 4 U. Fink, Selbstbestimmung, S. 38. 6 5 Gegen den negativen Gehalt des Begriffs Vorurteil wendet sich auch H.G. Gadamer , Wahrheit und Methode, S. 256 ff., der darauf hinweist, daß der - sowohl für die "außeijuristische" als auch für die jurisitische Hermeneutik elementare - Begriff des Vorurteils eine "Rehabilitierung" verdient. 6 6 H Schiedermair, Annales, Bd. 104 (1982), S. 15 (18). 6 7 S. dazu M. Kriele, Theorie, S. 191 ff., ders., NJW 1976, 777 (778). 6 8 Κ . Hesse, H. Huber-FS, S. 261 (270); H J. Vogel DÖV 1978, 665 (667); M. Kleuker, Gesetzgebungsaufträge, S. 24.

1. Kapitel: Bindung an Methode

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offenen Konzeption der Verfassungsnormen nicht Mögliche leisten zu können. Die Ableitung eines zu konkreten Details kann daher nur behauptet, in seiner Herleitung aus der Verfassung aber gedanklich nicht nachvollzogen werden. Versucht das Bundesverfassungsgericht das aufgrund der Konzeption des Grundgesetzes insofern Unmögliche zu oft, so wird hierunter nicht nur seine Akzeptanz und Autorität als Kontrollorgan leiden, sondern letztlich auch die Verfassung in ihrer Eigenschaft als Kontrollmaßstab an Kontur verlieren. 69 Darüber hinaus birgt die Behauptung der Ableitung von konkreten Ergebnissen aus der Verfassung insofern Gefahren, als hierdurch die Konsensgewinnung im politischen Verfahren ersetzt wird. Behauptet das Gericht das Vorhandensein einer konsentierten Problemlösung bereits in der Verfassung, so verengt es allein hierdurch den Raum einer freien Entscheidungsfindung des Gesetzgebers. Sind damit konkrete Details durch Verfassungsauslegung nicht zu ermitteln, so liegt der Umkehrschluß nahe, daß der Grad der Abstraktheit eines Ergebnisses als Indiz für eine anforderungsgerecht vorgenommene Auslegung herangezogen werden kann. Je abstrakter eine Aussage ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Ableitbarkeit. Insofern kann der Grad der Abstraktheit einer Aussage als ergänzende Kontrolle einer kunstgerechten Ableitung gelten.

D. Fazit Es läßt sich damit festhalten, daß es bei Methodenfragen der verfassungsgerichtlichen Entscheidungsfindung letztlich auf Rationalität und Nachvollziehbarkeit unter Nichtberücksichtigung inhaltlicher Aspekte ankommt. Durch eine derart vorgenommene Rechtsfindung wird die Autorität des Bundesverfassungsgerichts gewahrt und zugleich die Offenheit des Auslegungsgegenstandes berücksichtigt. Das Ergebnis einer im beschriebenen Sinne vorgenommenen Entscheidungsfindung kann letztlich nur abstrakt sein. Ein abstraktes Ergebnis kann als Indiz für die Nachvollziehbarkeit der Rechtsfindung dienen. Die Bestimmung dieser Kriterien zur Festlegung einer methodisch hinreichenden Verfassungsauslegung beschränkt sich der Natur der Sache nach angemessen auf eine Festlegung von Minimalanforderungen. Um so wichtiger ist allerdings die gewissenhafte Durchführung der beschriebenen Schlüssigkeitskontrolle. Es handelt sich insoweit um die hinreichende, aber zugleich notwendige Bedingung, die an die Ausgestaltung der Bindung des Bundesverfassungsgerichts an methodische Standards zu knüpfen ist.

6 9

M. Kleuker, Gesetzgebungsaufträge, S. 24 f.

6 Schwartmann

82

2. Teil: Methodenfragen

Zu untersuchen bleibt, ob das Gericht bei der Herleitung seines Teilallgemeinfinanzierungsmodells den hier zugrundegelegten Anforderungen Rechnung getragen hat. Diese Frage soll unter Anwendung der herausgearbeiteten Überprüfungsmethode beantwortet werden. Hierzu ist die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts bei Aufstellung der Parteienfinanzierungskonzeption nachzuzeichnen und in ihrem Gedankengang nachzuvollziehen.

Zweites Kapitel Die Ableitung der Parteienfinanzierungssystematik aus dem Grundgesetz Der Senat entnimmt dem Grundgesetz im Rahmen der Überprüfung des § 18 Abs. 6 PartG an Art. 21 GG und dem Grundsatz der Staatsfreiheit 70, deren Ergebnis die Verwerfung des Sockelbetrages ist, ein neues System für die staatliche Parteienfinanzierung und erarbeitet zugleich eine dogmatische Grundlage hierfür. 71 Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die - für die Dogmatik allein entscheidende - Untersuchung dieser Grundlage des neuen Teilallgemeinfinanzierungsmodells. 72 Um die Herleitung der neuen Systematik der Parteienfinanzierung im Sinne der aufgestellten Kriterien 73 untersuchen zu können, ist der gedankliche Weg des Senats nachzuvollziehen und auf seine Begehbarkeit zu überprüfen. Die Konzeption für die neue verfassungsrechtliche Grundlage der staatlichen Parteienfinanzierung läßt sich durch eine Unterteilung in eine Primär- oder Originärebene und eine Sekundär- oder Derivativebene veranschaulichen. Auf der Primärebene werden die dogmatischen Grundlagen der Parteienfinanzierung dargelegt und der neue Grundsatz der Staatsfreiheit [VS. 7 4 ] herausgearbeitet. Auf der Sekundärebene leitet der Senat aus dem [VS.] weitere Maßgaben für die staatliche Parteienfinanzierung ab. Hierdurch wird das auf der ersten Ebene entwickelte Grundkonzept unter Berücksichtigung der Anforderungen der Praxis präzisiert. Die auf der Sekundärebene aus dem [VS.] abgeleiteten Maßgaben betreffen den Umfang der allgemeinen staatlichen Parteienfinanzierung [VS.* 1 a] und die Kriterien, nach denen staatliche Mittel nunmehr an Parteien verteilt werden können [VS.* 1 b].

7 0 71 7 2 7 3 7 4

[B.I.] des Urteils. Siehe hierzu bereits den Überblick, o. S. 38 ff. Siehe zum übrigen Inhalt der Entscheidung, o. S. 27 ff. Siehe o. S. 74 ff. [VS.] steht für Grundsatz der Staatsfreiheit als Verfassungssatz.

83

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

Den Überlick über das bei der Untersuchung gewählte Vorgehen mag nachfolgende Übersicht erleichtern.

(Ableitung)

Beschränkung d u r c h r i c h t i g e A r t und Weise d e r M i t t e i e r b r i n g u n g bzw. -Zuwendung

Beschränkung a u f Teilfinanzierung

absolute Obergrenze

relative Obergrenze

Kriterien für die A r t und Weise d e r Mittelverteilung

[VS*lbj

[VS*la]

ι

maximal

50 ν.H.

vom S t a a t

Wahlerfolg abstrakt

konkret

ι

ι

Funktionserhaltendes

*

S t a t u s quo und Summanden

ι Spenden

ι Beiträge

84

2. Teil: Methodenfragen

Erster Abschnitt

Die Primärebene Auf der Primärebene entwickelt der Senat ein neues Modell für die Gewährung staatlicher Zuschüsse an Parteien. Er wendet sich dabei ausdrücklich von dem bis dahin vertretenen Konzept ab. Dies erfolgt im Rahmen der Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit. Staatliche Parteienfinanzierung ist nun in Form einer Teilallgemeinfinanzierung verfassungsrechtlich zulässig.75

A. Die Argumentation des Senats Das Ergebnis der Uminterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit läßt sich schlagwortartig mit: "Allgemeinfînanzierung als verfassungsrechtlich gelenkte Teilfinanzierung" umschreiben.

I. Allgemeinfinanzierung... Der Senat beginnt seine Ausführungen zum Grundsatz der Staatsfreiheit 76 mit einer Einordnung der Aufgabe der Parteien im Staat. 77 Obwohl Art. 21 GG deren herausgehobene Stellung im Wahlrecht rechtfertige, seien sie nicht bloße Wahlvorbereitungsorganisationen. Ihre Sache sei auch die für den Prozeß der politischen Willensbildung entscheidende Rückkopplung zwischen Staatsorganen und Volk, die sich nicht auf den Akt der Parlamentswahl beschränke. Die Rolle, die Art. 21 GG den Parteien zuweise, verlange deren ständige Wirksamgkeit nach innen, wie sich aus Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG ergebe, und nach außen. Ihre gesamte Tätigkeit "dien(e) dem Zweck, dem Bürger die politischen Ziele der Parteien zu vermitteln und ihn für sie zu gewinnen, also an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG)". Dieser Zweck werde verfehlt, wenn die Parteien nicht darauf bedacht wären, auch zwischen den Wahlen Einfluß auf die Entscheidungen oberster Staatsorgane zu nehmen. Daher beschränke sich die Mitwirkung an der Volks Willensbildung nicht auf die Wahlvorbereitung, welche sich allenfalls organisatorisch, nicht jedoch sachlich-inhaltlich von der allgemeinen Parteitätigkeit trennen lasse. 7 5

Siehe hierzu bereits den Kurzüberblick o. S. 38 ff. Siehe zum überkommenen Staatsfreiheitsverständnis instruktiv: E. Bärmeier, Aus Pol & ZG Β 9-10/90, 32 (33 ff). 7 7 BVerfGE 85, 264 (284 f.), Gliederungspunkt [B.I. 1.] des Urteils. 7 6

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

85

Die Abgrenzung der beiden Bereiche entbehre - beziehe man sie auf die Aufgabe der Mitwirkung an der Volkswillensbildung - der sachlichen Berechtigung. Daher gebiete es die Verfassung nicht, die Grenze der staatlichen Parteienfinanzierung weiterhin in der Wahlkampfkostenerstattung zu suchen. Hiervon habe sich die "Wirklichkeit ... - mit grundsätzlicher Billigung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch längst gelöst".78

I L . . . aber Teilfinanzierung Allerdings erfordert der Grundsatz der Staatsfreiheit auch weiterhin eine Verhinderung mittelbarer Einflußnahme des Staates auf die Parteien und damit zugleich eine Begrenzung der finanziellen Zuwendungen an diese. 79 Den Ansatz für diese Begrenzung sieht der Senat nunmehr in der Beschränkung der direkten staatlichen Parteienfinanzierung auf eine Teilfinanzierung. 1. Die Abwehr staatlicher Eingriffe Diese Teilfinanzierung geht für den Senat mit einer speziellen Form der Art und Weise der Mittelverteilung einher. "... - unbeschadet der ... Verschränkung der Willensbildung des Volkes mit der Willensbildung in den Staatsorganen -", so die Argumentation des Gerichts, untersage der Grundsatz der Staatsfreiheit in Zukunft nämlich "eine Einflußnahme des Staates auf die Willensbildung in den Parteien und damit auf den Prozeß der politischen Willensbildung insgesamt". Der Gefahr einer möglichen mittelbaren Einflußnahme des Staates auf die Parteien sei nunmehr durch die Art und Weise der Mittelerbringung zu begegnen. 2. Das Gebot der Basisanbindung Der Grundsatz der Staatsfreiheit erfordere aber nicht nur - quasi negativ - die Gewährung der Unabhängigkeit der Parteien vom Staat, sondern zudem gleichsam positiv - die Wahrung ihres Charakters als im gesellschaftlich politischen Bereich wurzelnde Gruppen. Die Parteien müßten nicht nur politisch sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürger angewiesen bleiben. Das Risiko des Fehlschlagens ihrer Bemühungen um diese Unterstützung dürfe ihnen durch öffentliche Mittel nicht 7 8 7 9

BVerfGE 85,264 (285 f.), Gliederungspunkt [B.I.2.] des Urteils. BVerfGE 85, 264 (287 f.), Gliederungspunkt [B.I.3.] des Urteils.

2. Teil: Methodenfragen

86

abgenommen werden. Mithin werde auch der Grundsatz der Staatsfreiheit dann verletzt, wenn die Parteien durch die Gewährung finanzieller Zuwendungen der Notwendigkeit enthoben würden, sich um finanzielle Unterstützung ihrer Aktivitäten durch Mitglieder und ihnen nahestehende Bürger zu bemühen und damit Gefahr liefen, sich aus ihrer gesellschaftlichen Verwurzelung zu lösen. Ihre Aufgabe bei der Mitwirkung an der Volkswillensbildung im Rahmen des von Art. 21 GG vorausgesetzten Staatsaufbaus könnten die Parteien nämlich nur erfüllen, wenn sich deren Führung und Organisation der mitgliedschaftlichen Basis und der Bürgerschaft insgesamt nicht entfremde. Eine dahingehende Entwicklung könne nicht durch die Beschränkung der Parteienfinanzierung auf bestimmte Tätigkeiten, sondern nur durch die richtige Art und Weise der Mittelgewährung herbeigeführt werden. Die Gewährung der Zuwendungen habe deshalb zu beachten, daß der "politische Prozeß offen, der Parteienwettbewerb erhalten und die Riickbindung der Parteiführungen an ihre gesellschaftliche sis erhalten bleibe(). (Grimm in Benda/Maihofer/Volgel (Hrsg.), HbVerfR, 1983, S. 352)." Bei vorwiegender oder gar völliger Deckung des Finanzbedarfs der Parteien aus öffentlichen Mitteln "wären die Parteien in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise vom Staat abhängig. (Vgl. BVerfGE 20, 56 [102]; 73, 40 [86]." 80 3. Der doppelte Bedeutungsgehalt des Grundsatzes der Staatsfreiheit nach der Entscheidung von 1992 Es wird damit deutlich, daß das neue Verständnis der Staatsfreiheit [VS.] zwei Mechanismen enthält, mit denen sowohl der staatlichen Einflußnahme auf die Parteien als auch dem Erfordernis der Basisbindung Rechnung getragen werden soll. Es handelt sich dabei zum einen um den Teilfinanzierungsoder Finanzierungsumfangsaspekt und zum anderen um den Aspekt der Art und Weise der Mittelgewährung oder -erbringung. Diese beiden Aspekte werden in der Argumentation miteinander verknüpft 81, so daß hieraus ein zweigleisiger Ansatz erkennbar wird, mit dessen Hilfe den Gefahren, die bei der allgemeinen staatlichen Parteienfinanzierung drohen, entgegengewirkt werden soll.

8 0

BVerfGE 85, 264 (288). Hervorhebungen hinzugefügt. Siehe insofern BVerfGE 85, 264 (287) "Einer Gefahr (...) nicht abgenommen werden." Sowie S. 288 "... dadurch das (...) vom Staat abhängig." 81

Ba-

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

87

B. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit der Herleitung des Grundsatzes der Staatsfreiheit [VS.] Legt man für die methodologische Beurteilung dieser Argumentation den Maßstab der Rationalität und Nachvollziehbarkeit an, so ergibt sich bis zu dieser Stelle folgendes: Die Argumentation des Gerichts, die sich insbesondere mit Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG auseinandersetzt, ist schlüssig. Die angesichts der Funktion der Parteien vorgenommene Aufgabe der sachlichen Trennung von Wahlkampf- und allgemeiner Parteitätigkeit und die infolgedessen erfolgte Preisgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung ist verständlich und nachvollziehbar. Das neue Verständnis des Grundsatzes der Staatsfreiheit verlangt die Unabhängigkeit der Parteien vom Staat zu wahren. Im Ansatz dem Überkommenen ähnlich, betont es deren Verwurzelung in der Gesellschaft. Diese soll aber nunmehr - und hierin liegt ein wesentlicher Unterschied - nicht mehr durch eine sachliche Abgrenzung der finanzierungsfähigen Aufgaben, sondern durch die Art und Weise der Mittelzuwendung innerhalb eines quantitativ auf Teilfinanzierung begrenzten Rahmens bewirkt werden. Damit soll die umfangsbegrenzende Wirkung, die nach der verworfenen Konzeption der Begrenzung der Zuwendungen auf Wahlkampfkostenerstattung zukommen sollte, 82 nunmehr durch eine erfolgsabhängige Mittelverteilung bewirkt werden. Dieses Zusammenspiel aus Modus der Mittelerbringung unter Sicherstellung von politischer, organisatorischer sowie wirtschaftlicher Abhängigkeit und Umfangsbegrenzung der Finanzierung, das zum einen einer mittelbaren Einflußnahme durch staatliche Parteienfinanzierung entgegenwirken und zum anderen die gesellschaftliche Verwurzelung der Parteien sichern soll, macht hinsichtlich seiner gedanklichen Nachvollziehbarkeit keine Schwierigkeiten. Insbesondere die in diesem Zusammenhang herangezogene Erwägung, daß eine erfolgsunabhängige Finanzierung einer Entwurzelung der Parteien aus ihrer Basis Vorschub leistet, ist schlüssig. Zugleich macht dieser Gedanke deutlich, daß das Gericht die Finanzierungsfrage für einen zentralen Ansatzpunkt hinsichtlich des Rückschlusses auf die gesellschaftliche Akzeptanz der Parteien hält. Hiermit weist der Senat ihr eine qualitativ neue und besondere Bedeutung zu. 8 3 Nach dem neuen Konzept sollen die Parteien mit Hilfe der durch den Zuwendungsmodus gesteuerten Teilfinanzierung also auch deshalb zur Basisbindung angehalten werden, weil sie anderenfalls ihre verfassungsrechtlich zuge-

82 83

Siehe o. S. 29 ff. Siehe hierzu eingehend u. S. 108 ff.

88

2. Teil: Methodenfragen

wiesenen Aufgaben nicht erfüllen können.84 Sinnvolle Aufgabenwahrnehmung - so kann man schließen - ist für den Senat nur durch "gesunde" Parteien möglich. Auch diese Erwägung fügt sich in das Gesamtkonzept homogen und gedanklich nachvollziehbar ein. Das entwickelte Ergebnis ist - bis zu diesem Punkt - abstrakt gefaßt. Es intendiert keine Festlegung des Gesetzgebers auf eine bestimmte Umsetzung, was unterstreicht, daß die methodologische Herleitung der Entscheidung bis zu dieser Stelle nicht zu beanstanden ist. Zweiter Abschnitt

Die Sekundärebene Allerdings bleibt es nicht bei dieser abstrakten Formulierung der verfassungsrechtlichen Vorgabe für die staatliche Parteienfinanzierung. Vielmehr fährt der Senat darin fort 85 , aus dem nunmehr aufgestellten Grundsatz der Staatsfreiheit oder Staatsferne 86 [VS.] weitere Maßgaben für die staatliche Parteienfinanzierung abzuleiten. Er nimmt insofern eine Umsetzung der Grundkonzeption vor und eröffnet hierbei eine zweite Ebene, die so zu bezeichnende Derivativ- oder Umsetzungsebene. Bei den abgeleiteten Maßnahmen handelt es sich zunächst um solche, die den Umfangsbegrenzungsaspekt [VS.* I 8 7 ] konkretisieren. Diese betreffen eine relative [VS.* 1 a ] 8 8 sowie eine absolute Obergrenze [VS.* 1 b] 8 9 . Zum anderen handelt es sich um Maßgaben, die die Art und Weise der Mittelerbringung [VS.* 2] konkretisieren. Diese geben Aufschluß über die Kriterien, nach denen die für die staatliche Parteienfinanzierung zur Verfügung stehenden Mittel zu verteilen sind 90 .

A. Die relative Obergrenze Der Senat zieht der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung zunächst eine sogenannte relative Obergrenze.

8 4

BVerfGE 85, 264 (287 f.). BVerfGE 85, 264 (288 ff.), Gliederungspunkt [B.I.4.] des Urteils. 8 6 BVerfGE 85, 264 (283). 87 Der * steht für die Ableitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.], die nachfolgenden Zahlen [1) und 2)] und Buchstaben [a) und b)] für die konkret vorgenommene Ableitung. 88 BVerfGE 85, 264 (289 f.), Gliederungspunkt [B.I.4.a)] des Urteils. 89 BVerfGE 85, 264 (290 ff.), Gliederungspunkt [B.I.4.b)] des Urteils. 9 0 BVerfGE 85, 264 (292 ff.), Gliederungspunkt [B.I.4.c)] des Urteils. 85

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

89

I. Die Argumentation des Senats Bei der Ableitung der relativen Obergrenze aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit beruft sich das Gericht auf ein verfassungsrechtliches Erfordernis, Vorkehrungen gegen das Eintreten einer Abhängigkeit der Parteien vom Staat zu treffen. 91 Es stellt daraufhin unvermittelt fest, daß die Selbstfinanzierung der Parteien Vorrang vor der Staatsfinanzierung habe. Daraus folgert es, daß eine relative Obergrenze für die unmittelbare Zuwendung staatlicher Mittel an die Parteien bestehe. Diese sei für jede Partei nach dem Verhältnis ihrer selbst erwirtschafteten Einnahmen zu den unmittelbaren Staatszuschüssen zu bestimmen. Das Gesamtvolumen der Staatszuschüsse dürfe dabei die Summe der selbsterwirtschafteten Einnahmen nicht übersteigen.92

I I . Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit der Herleitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] Der somit hergestellte Zusammenhang zwischen den Einnahmequellen Selbst- und Staatsfinanzierung bewirkt es, daß die Selbsteinnahmen einer Partei nunmehr den Maßstab für die an sie auskehrbaren staatlichen Zuschüsse, und damit eine relative Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung bilden. Angesichts der auf der 1. Ebene entwickelten neuen Grundlage besticht die Konsequenz und Schlüssigkeit dieser Argumentation. Wurde dort zunächst nur eine Teilfinanzierung der Parteien als verfassungsgemäß erachtet, so erfolgt nunmehr die präzisierende Fortentwicklung dieses Teilfinanzierungsaspekts. Teilfinanzierung, so wird deutlich, meint, daß der Teil der Parteienfinanzierung, den der Staat tragen darf, höchstens die Hälfte des insgesamt an die Parteien auskehrbaren Betrages ausmacht. Die Gedankenkette vom Teilfinanzierungsaspekt des Grundsatzes der Staatsfreiheit, über den Vorrang der Selbstfinanzierung zur Begrenzung der staatlichen Einnahmen durch die Höhe der Eigeneinnahmen im Sinne der relativen Obergrenze ergibt sich nahezu von selbst. Der im Rahmen der ersten Ebene angelegte Teilfinanzierungsaspekt wird über den Gedanken des Vorrangs der Selbstfinanzierung erhellt und die Errichtung der relativen Obergrenze damit transparent. Indem die Eigeneinnahmen der Parteien deren Verwurzelung in der Basis indizieren, geben sie den Ausschlag für die Höhe der staatlichen Gesamtzuwendungen an Parteien. Hierdurch wird 91 9 2

So bereits im Zusammenhang mit der Aufstellung des [VS.]: BVerfGE 85, 264 (287). BVerfGE 85, 264 (290).

90

2. Teil: Methodenfragen

zugleich die überkommene "50 vom Hundert Regel", die nunmehr mit der synonym zu verstehenden Wendung "Vorrang der Selbstfinanzierung der Parteien vor der Staatsfinanzierung" umschrieben wird, homogen in den neuen Kontext eingebunden. Der dem Vorrang der Selbstfinanzierung immanente Gedanke einer Begrenzung der staatlichen Zuwendungen durch die Eigeneinnahmen fügt sich zwanglos in die auf das Kriterium der Basisanbindung aufbauende Argumentation ein, die der Senat bei der Herleitung des Grundsatzes der Staatsfreiheit wählte.

B. Die abstrakte absolute Obergrenze Weiterhin leitet der Senat eine absolute Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit ab. Diese absolute Obergrenze wird zunächst abstrakt gezogen.

I. Die Argumentation des Senats Die abstrakte absolute Obergrenze leitet der Senat auf Seite 290 wie die relative Obergrenze über den Gedanken des Vorranges der Selbstfinanzierung vor der Staatsfinanzierung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit ab: "Daraus (aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung) folgt indes nicht nur, daß das Gesamtvolumen staatlicher Zuwendungen an die Parteien die Summe ihrer selbsterwirtschafteten Einnahmen nicht übersteigen darf, sondern auch, daß eine Steigerung dieser Einnahmen nicht ohne weiteres dazu führen darf, daß der Umfang der Staatsfinanzierung der Parteien weiter anschwillt."

I I . Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit der Herleitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] Damit wird deutlich, daß der Vorrang der Selbstfinanzierung nicht nur einen Maßstab für das Verhältnis von Eigeneinnahmen zu unmittelbaren Staatszuwendungen enthält, sondern auch die Gesamthöhe der an die Parteien auskehrbaren Zuwendungen bestimmen können soll. Warum sich aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung neben der relativen Umfangsbegrenzung der Staatsfinanzierung auf einen Teilbetrag auch eine Obergrenze für die insgesamt den Parteien zustehenden Mittel ergeben soll, ist zunächst nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Der Vorrang der Selbstfinanzierung kann bei herkömmlicher Betrachtung wie sie insbesondere auch der Überkommemen "50 vom Hundert Regel" zu-

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

91

grundelag - zunächst nur besagen, daß die den Parteien von staatlicher Seite zuwendbaren Mittel nicht über die selbst erwirtschafteten Einnahmen hinausgehen dürfen. Denn wenn staatliche Zuwendungen in diesem Sinne den Vorrang vor den Eigeneinnahmen genießen, darf den Parteien keinesfalls mehr als die Hälfte vom Staat zugeschossen werden. Andernfalls entstünde ein Übergewicht und damit ein Vorrang der Staatsfinanzierung. Dennoch behauptet der Senat eine aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung ableitbare Einflußnahme des Grundsatzes der Staatsfreiheit auf den Gesamtumfang der den Parteien vom Staat zuwendbaren Mittel. Daß diese, durch die jeweilige Rückführung auf den Vorrang der Selbstfinanzierung, herbeigeführte Verbindung von relativer und absoluter Finanzierungsbegrenzung methodisch zulässig ist, wird deutlich, wenn man der weiteren Argumentation des Senats folgt. "Der Umfang der Staatsfinanzierung", so heißt es nämlich, "muß sich auf das beschränken, was zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien unerläßlich ist und von den Parteien nicht selbst aufgebracht werden kann," 93 Insofern wird der Grundsatz der Staatsfreiheit durch zwei weitere Kriterien präzisiert. Diese betreffen die Funktionserhaltung der Parteien und die Subsidiarität der staatlichen Einstandsmöglichkeit. 1. Staatliche Parteienfinanzierung nur noch als Finanzierung des zur Funktionserhaltung Erforderlichen möglich Die Begrenzung des Umfangs der staatlichen Parteienfinanzierung durch ein Gebot, der Staat müsse sich bei der Finanzierung auf das zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit erforderliche beschränken, läßt sich über den Gedanken des Vorranges der Selbstfinanzierung aus dem Teilfinanzierungsaspekt des [VS.] herleiten. Die Herleitung dieses Überflußverbotes wird nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, daß der Senat den Begriff "Staatliche Parteienfinanzierung" nun in einem neuen Sinn verstanden wissen will. Diese kann vor der Verfassung nur noch bestehen, wenn sie sich auf die Finanzierung dessen beschränkt, was die Parteien benötigen, um funktionsfähig zu bleiben. Darüber hinausgehende Finanzierung führt nach Ansicht des Gerichts zu einer Beschädigung der Parteien. Dies verdeutlicht der Satz: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesen Aufgaben zu erfüllen." 94 Legt man dieses Verständnis von verfassungsrechtlich zulässiger Staat9 3 9 4

BVerfGE 85, 264 (290). Hervorhebungen hinzugefügt. BVerfGE 85, 264 (290).

2. Teil: Methodenfragen

92

licher Parteienfinanzierung zugrunde, so wird deutlich, daß die Obergrenze dessen, was von staatlicher Seite insgesamt an Parteien auskehrbar ist, bei einer Überschreitung der Grenze erreicht ist, ab der der Staat diesen ein zu Ansehensverlust führendes und damit zersetzendes Leben in Überfluß ermöglicht. Die argumentative Verknüpfung von Ansehensverlust beim Bürger und Funktionsfähigkeit der Parteien - ersteres bedingt letzteres - muß zunächst insofern verwundern, als sie für die Herleitung der absolut wirkenden Oberbegrenzung nicht erforderlich zu sein scheint. Gleichwohl ist sie für die Herleitung der abstrakten absoluten Obergrenze von elementarer Bedeutung. Die Argumentation beinhaltet an dieser Stelle nämlich eine Berücksichtigung ihrer Folgen für das Wohl der Parteien und damit mittelbar für das Wohl des Staates.95 Reduziert man die staatliche Parteienfinanzierung bezüglich ihres Gesamtumfangs nicht auf das Notwendige, so droht eine Gefahr für das Parteiensystem, das es wegen seiner Bedeutung für die repräsentative Demokratie zu erhalten gilt. 9 6 Damit wird an dieser Stelle das Gebot zur Folgenberücksichtigung als Verfassungsauslegungsmaxime97 herangezogen. Rechnet man den Aspekt der Folgenberücksichtigung ein, so wird die Erforderlichkeit der Festlegung einer absolut wirkenden Umfangsbegrenzung besonders deutlich. Berücksichtigt man dies, so läßt sich die abstrakte absolute Obergrenze rational nachvollziehbar über den Gedanken des Vorranges der Selbstfinanzierung aus dem Teilfinanzierungsaspekt des Grundsatzes der Staatsfreiheit ableiten.98 2. Staatliche Parteienfinanzierung

nur noch subsidiär möglich

Darüber hinaus ist unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung nur dann zulässig, wenn sie auf das beschränkt ist, was von den Parteien selbst nicht aufgebracht werden kann. 99 Der bei der Herleitung der absoluten Obergrenze insofern eingeführte Subsidiaritätsaspekt läßt sich gedanklich aus der Idee des Vorranges der Selbstfinanzierung herleiten. Insofern wird neben dem Umfangsbegrenzungsaspekt, der dem Vorrang der Selbstfinanzierung innewohnt, auch auf einen Vorrang der Selbsterhaltungspflicht der Parteien hingewiesen. 9 5

Siehe dazu eingehend u. S. 163 ff. Siehe hierzu im einzelnen u. S. 165 ff. 97 J. Isensee, HStR, VII, § 162 Rn. 80. Vgl. zum Gedanken der Folgenberücksichtigung auch H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 32; W. Geiger, Schriftenreihe d. Jur. Studiengesellschaft Hannover, Heft 3, S. 5 (11). H. Höpker-Aschof y Das Bundesverfassungsgericht (1963), S. 1 (3) ; H.U. Scupin, Broermann-FS., S. 555 (559 f.). Siehe auch hierzu eingehend u. S. 151 ff. 9 8 Diesbezüglich unzutreffend U. Volkmann ZRP 1992, 325 (328), der lediglich die relative Obergrenze für herleitbar hält. 9 9 BVerfGE 85, 264 (290). 9 6

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

93

Der aus der Teilfinanzierung erwachsende Aspekt des Vorranges der Selbstfinanzierung erfordert damit nicht nur eine Umfangsbegrenzung der Staatsfinanzierung auf die Hälfte, sondern auch, daß eine Einstandspflicht des Staates erst nachrangig entstehen darf. Diese doppelte Ausprägung läßt sich dem Gedanken der Teilfinanzierung im Wege der Interpretation entnehmen und komplettiert das Gesamtbild einer präzisen Konzeption der Teilfinanzierung. 3. Das Staatshaushaltsrecht als Untermauerung der Festlegung einer abstrakten absoluten Obergrenze Der Senat untermauert die somit aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] entwickelte absolute Obergrenze mit staatshaushaltsrechtlichen Erwägungen. "Der Finanzbedarf der Parteien", so der Senat, "muß sich am Einnahmerahmen ausrichten. Der Staat darf den Parteien nicht mehr zuwenden, als sie unter Beachtung des Gebots sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel, die ja im wesentlichen aus den von den Bürgern erhobenen Abgaben bestehen, zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen." Durch den Rückgriff auf das gewichtige Argument des Finanzverfassungsrechts verleiht der Senat seiner Argumentation nicht nur eine besondere Bedeutung und Berechtigung, sondern erhellt zugleich den Ansatz seiner Konzeption ein weiteres Mal und macht auch insofern die Ableitung der abstrakten absoluten Obergrenze aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit anschaulich. 4. Fazit Die Erwägung, daß verfassungswidrige staatliche Parteienfinanzierung dort beginnt, wo Parteien Geld über das Erforderliche hinaus erhalten, und die Gesamtumfangsbegrenzung an eben diesem Punkt einsetzt, ist damit aus methodischer Sicht insgesamt nicht zu beanstanden. Bis zu dieser Stelle leitet der Senat aus der Verfassung methodisch nachvollziehbar eine abstrakte absolute Obergrenze ab.

C. Die konkretisierte absolute Obergrenze Aus dem damit festgestellten verfassungsrechtlichen Erfordernis einer absoluten Begrenzung der unmittelbaren Staatszuwendungen an die Parteien zieht der Senat weitere Folgerungen. Diese befassen sich mit der Frage, wo die Grenze des zur Funktionserhaltung Erforderlichen zu ziehen ist. Der Senat stellt insofern zum einen fest, daß der Umfang der staatlichen Parteienfinanzie-

2. Teil: Methodenfragen

94

rung aufgrund des Vorranges der Selbstfinanzierung nicht mehr weiter anschwellen darf. Auf der Grundlage dieser Aussage legt er fest, wie dieser Status Quo zu errechnen ist. Es gilt zu untersuchen, ob das Vorgehen des Senats auch insoweit den Anforderungen an methodisch einwandfreie Rechtsfindung entspricht.

L Die Herleitbarkeit der Festlegung der absoluten Obergrenze auf den Status Quo des Zeitpunktes der Entscheidung Zu untersuchen ist zunächst, ob der Senat die Höhe der den Parteien aus Staatsmitteln direkt auskehrbaren Zuwendungen in methodisch nachvollziehbarer Weise aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit abgeleitet hat. 7. Die Argumentation des Senats Für den Senat folgt aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung der Parteien vor der Staatsfinanzierung, daß eine Steigerung der Eigeneinnahmen nicht dazu führen darf, daß der Umfang der Staatsfinanzierung "weiter anschwillt" 100 . Insofern leitet er aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit nicht nur das grundsätzliche Erfordernis einer absolut wirkenden Umfangsbegrenzung her. Er legt darüber hinaus zugleich eine konkrete Größe fest, die diesen abstrakten Punkt beschreibt. Der Umfang der staatlichen Parteienfinanzierung darf nicht weiter also über das, was den Parteien zum Zeitpunkt der Entscheidung zustand - anwachsen. Den Parteien soll somit für die Zukunft das an finanzieller Unterstützung belassen werden, was "ihnen in dem vergangenen Vierjahreszeitraum zustand" 101 . Die absolute Obergrenze ist damit auf den "Status Quo des 9. April 1992" festgelegt. 2. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Ableitbarkeit aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit Zu überprüfen ist, inwiefern sich diese Bestimmung einer konkreten Grenze über den Gedanken des Vorrangs der Selbstfinanzierung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit ableiten läßt. Bei der Untersuchung der Herleitbarkeit einer konkreten Grenze ist sowohl die Offenheit des Verfassungsrechts als auch des-

100

BVerfGE 85, 264 (290). Berichterstatter H.H. Klein in einem Schreiben an die Senatsmitglieder: Bl. 743 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. 101

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

95

sen politische Dimension zu berücksichtigen. 102 Allerdings ändert auch die Offenheit der Verfassungsnormen nichts daran, daß eine als Rahmen zu begreifende Verfassung keine juristisch faßbaren Kriterien für die Frage der Erreichung einer minimalen, optimalen oder in einem sonstigen Grad ausdrückbaren Verfassungsausfüllung enthalten kann. 103 Rahmenverständnis heißt, bewußt Gestaltungsspielräume aufzudecken und zu formulieren; was innerhalb des Rahmens liegt, muß aber immer als eine Alternative von mehreren möglichen verstanden werden. Eine als Rahmen begriffene Verfassungsnorm als Maßstab für ein Gesetz einzusetzen kann nicht bedeuten, mit Hilfe der Norm darüber zu entscheiden, ob der Mittel-, Höhe- oder Optimalpunkt getroffen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob das konkrete Gesetz ebenso "innerhalb des Rahmens" liegt, wie andere Ausgestaltungen auch darin liegen könnten. 104 Nichts anderes kann für den Fall gelten, in dem das Bundesverfassungsgericht es übernimmt, aus der Verfassung Maßstäbe herzuleiten. Da hier nicht bloß eine Norm - vorliegend § 18 Abs. 6 PartG - negativ am Grundgesetz gemessen und aufgrund einer möglichen Unvereinbarkeit kassiert wird, sondern die Verfassung darüber hinaus als Grundlage für die positive Aufstellung eines neuen Maßstabes fungiert, muß bereits dieses Mehr zu besonders sorgfältiger Einhaltung methodischer Standards verpflichten. 105 Insofern lassen sich die Zweifel an der Herleitbarkeit der absoluten Obergrenze auf den Status Quo auch unter Berücksichtigung der Offenheit des Grundgesetzes nicht ausräumen. Der Ableitung des Status Quo als absolute Obergrenze einer zulässigen staatlichen Parteienfinanzierung muß weiterhin der besondere Charakter des Verfassungsrechts zugute gehalten werden. Stellt man nicht in Abrede, daß zwischen Recht und Politik eine Grenzlinie existiert, dann läßt diese sich, so M. Kriele, wohl richtigerweise nicht durch den Gegensatz: "Hier methodische Ableitung, dort Entscheidung" kennzeichnen.106 Dem folgend, soll auch hier eine Berechtigung des Bundesverfassungsgerichts zur Dezision aus methodologischer Sicht keineswegs bestritten werden. Gleichwohl gibt es eine Grenzlinie zwischen gesetzgeberisch und gerichtlich zulässiger Dezision. Der Unterschied zwischen Gesetzgeber und Gericht läßt sich durch den Gegensatz: "Hier juristisch begründbare Entscheidung, dort nur politisch begründbare Entscheidung" fas-

102

Siehe hierzu o. S. 74 ff. C. StarcK HStR VII, § 164 Rn. 7. 104 R. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (507). Diese Unterscheidung von verfassungsrechtlichem Rahmen und politischer Gestaltungsfreiheit ist zugleich eine notwendige Voraussetzung für die Einhaltung der Funktionsabgrenzung zwischen Gesetzgebung und Verfassungsgerichtsbarkeit. 105 C. StarcK HStR VII, § 164 Rn. 7. 106 M. Kriele, NJW 1976, 777 (778). 103

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sen. 1 0 7 Gerade die durch das Gericht im Rahmen der Herleitung seines Teilallgemeinfinanzierungsmodells angewandte topische Auslegungsmethode108 verleitet aber zu einer Vermengung von rechtlichen und politischen Erwägungen, weil sie es ermöglicht, unabhängig von einem logisch-deduktiven Vorgehen ein Ergebnis allein durch eine problem- und ergebnisorientierte Auslegung herbeizuführen. Aufgrund dieser mit der topischen Methode verbundenen Gefahr ist es wichtig, die Grenze zwischen politischer Gestaltung und verfassungsgerichtlicher Interpretation sauber zu ziehen. Hierbei ist zu beachten, daß es dem Bundesverfassungsgericht insbesondere verwehrt ist, ein Gesetz unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit zu überprüfen, oder etwa danach zu fragen, ob ihm eine Regelung sinnvoll erscheint. 109 Der die Begrenzung auf den Status Quo tragende Hinweis auf die Notwendigkeit der Erhaltung eines funktionsfähigen Parteiensystems wird aber vorliegend, neben dem Verweis auf das Verfassungshaushaltsrecht, erkennbar mit einer politischen Einschätzung des Senats begründet. 110 Diese geht dahin, daß ein steigender Ansehensverlust der Parteien letztlich zu einer Destabilisierung des Parteiensystems führen wird. Zugleich ist die politische Einschätzung von der Erkenntnis geprägt, daß die nur abstrakte absolute Begrenzung aufgrund des Phänomens, daß die Parlamentarier bei der Finanzierung der Parteien letztlich in eigener Sache entscheiden, ein stumpfes Schwert bleiben muß, wenn sie nicht weiter konkretisiert wird. 1 1 1 Während - wie gezeigt - das abstrakt begründete Erfordernis einer absolut wirkenden Grenzziehung nachvollzogen werden kann, ist dies für die Konkretisierung der Grenze auf den Status Quo zum Zeitpunkt der Entscheidung problematisch. Die Praxisuntauglichkeit einer allein abstrakt wirkenden Grenze ist für sich gesehen jedenfalls kein rechtlich relevantes Argument für die Herleitung des neuen Ansatzes durch den Senat zur Herbeiführung einer verfassungsgerechten Ausgestaltung der staatlichen Parteienfinanzierung. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, daß gerade das Phänomen der Entscheidung in eigener Sache nach Aussage des Bundesverfassungsgerichts 112 vom 107

So M. Kriele, NJW 1976, 777 (778). Siehe hierzu o. S. 71 f. 109 BVerfGE 35, 79 (150); W.R. Schenke, NJW 1979, 1321 (1323); ähnlich W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken, S. 59. 110 Das bedeutet freilich nicht, daß es dem Gericht versagt ist, ein auch von politischen Einschätzungen geprägtes Vorverständnis in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. S. zur Zulässigkeit und Erforderlichkeit der Anerkennung des Einflusses von Vorverständnis: H. Schiedermair, Annales Bd. 104 (1982), S. 15 (18); U. Fink, Selbstbestimmung, S. 38 ff. 111 Siehe hierzu u.S. 121 ff. 112 BVerfGE 40, 296 (327). 108

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

97

Grundgesetz als systemimmanent anerkannt ist. 113 Hätte der Senat dieses Phänomen für die Herleitung der konkreten absoluten Obergrenze fruchtbar machen wollen, so wäre eine Auseinandersetzung mit der sogenannten Diätenentscheidung114 unausweichlich gewesen. Auf Grundlage der geltenden Verfassungsauslegung jedenfalls läßt sich aus dem Phänomen der Entscheidung in eigener Sache kein Honig hinsichtlich der Herleitung der konkreten absoluten Obergrenze saugen. Die Einschätzung des Senats, die der juristisch nachvollziehbaren Begründung bedarf, läßt sich weder mit dem Hinweis auf die Erforderlichkeit eines funktionstüchtigen Parteiensystems noch mit dem diesem zugrundegelegten Argument begründen, daß auch bei der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung die finanzverfassungsrechtliche Verpflichtung zu sparsamer Haushaltswirtschaft zu beachten ist. Ersteres stellt letztlich die Berufung auf einen Wert dar. 1 1 5 Diese mehr oder minder steoreotype Beschwörung der Funktionsfähigkeit des Parteiensystems kann das Verlassen des aus methodischer Sicht gangbaren Weges nicht legitimieren. Sehr wohl ist die dieser Einschätzung zugrunde liegende Annahme einer elementaren Bedeutung der Parteien für die Demokratie ein verfassungsrechtlich gewichtiger Erklärungsansatz. Der Weg, den die methodisch geleitete Verfassungsauslegung insoweit ebnet, endet aber an einer Stelle, die das Bundesverfassungsgericht ignoriert. Legt man - wie hier - das Kriterium der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit an, so kann die Ziehung der Grenze, jenseits derer die Funktionsfähigkeit des Parteiensystems gestört ist, nicht begründet werden. Begründen läßt sich nur, daß es - nach Einschätzung des Gerichts - ab Überschreitung einer bestimmten, aber - unter Zugrundelegung des methodischen Erfordernisses der gedanklichen Nachvollziehbarkeit - nicht verfassungsrechtlich bestimmbaren Schwelle funktionsunfähig wird. Aus der Verfassung läßt sich insbesondere begründen, daß das Verfassungshaushaltsrecht zur Festlegung dieser Schwelle verpflichtet. Eine sich aus den Ausführungen erschließende Begründung dafür, warum das Verfassungshaushaltsrecht gerade zur Festlegung dieser konkreten Schwelle verpflichtet, bleibt der Senat jedoch schuldig. Selbst wenn man so weit geht, mit Rücksicht auf den gesellschaftspolitischen Kontext der Entscheidung, ein generelles Auslegungsprinzip der "Rücksicht auf das Politische" zu formulieren 116, so suspendiert dies den Verfassungsinterpreten nicht von der Einhaltung 113

Siehe hierzu u. S. 151 ff. BVerfGE 40, 296. 115 Vgl. zur Erläuterung der nur begrenzten argumentativen Kraft einer Berufung auf Werte: G. Roellecke, BVerfG-FS, S. 22 (37 ff.) und hierzu insgesamt E. Denninger, JZ 1975, 545 (547). 116 So 7. Isensee, HStR VII, § 162 Rn. 83 in Anlehung an H. Triepel, Staatsrecht und Politik (1927), S. 19, 37. 114

7 Schwartmann

2. Teil: Methodenfragen

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methodischer Standards. 117 Auch insoweit kann es nur darum gehen, politische Erwägungen mit logisch-11 Normaler Begriffsarbeit zu koppeln. 119 Das formale Element bei der Rechtsfindung ganz unberücksichtigt zu lassen kann nicht angehen, da es auch bei der Auslegung politischen Rechts nicht darum geht, "die Grenzen des positiven Verfassungsrechts zu verschieben, sondern (darum) mit juristischen Methoden seine Implikationen, Gestaltungsmodalitäten und Voraussetzungen aufzudecken." 120 Eine wichtige Funktion der Methodenlehre liegt darin, das Gericht zum ständigen Bemühen um die rechtliche Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidung zu veranlassen. Hierdurch sichert es die Erhaltung seiner Autorität. Gerade diese Chance konterkarriert der Senat, indem er die Festschreibung der direkten Staatszuwendungen auf den Status Quo von 1992 für rechtlich herleitbar erklärt. Damit kann die methodologische Kritik an der Ziehung der absoluten Obergrenze auf den Status Quo des Jahres 1992 weder mit der mangelnden Berücksichtigung der "Offenheit" der Verfassung, noch mit dem Argument der Außerachtlassung der politischen Dimension des Verfassungsrechts entkräftet werden. So wenig die Herleitung der absoluten Obergrenze unter methodologischen Gesichtspunkten nachvollziehbar ist, so offensichtlich ist demgegenüber die zugrundeliegende Motivation des Senats, einen Maßstab 121 dafür festzulegen, wann die staatliche Parteienfinanzierung die Schwelle des verfassungsrechtlich Zulässigen übersteigt. Sein Vorgehen ermöglicht es ihm, die Handhabbarkeit der absoluten Obergrenze sicher zu stellen und auf diese Weise den Gefahren einer übergebührlichen Parteienfinanzierung begegnen zu können. 122 Dem Expertenkommissionsbericht des Jahres 1993 läßt sich folgende lakonische Kommentierung der Festlegung der absoluten Obergrenze auf den Status Quo des Jahres 1992 entnehmen: "Als Bremse soll nunmehr ersichtlich insbesondere die ... dekretierte absolute Obergrenze einer staatlichen Parteienfinanzierung ... wirken, die deren Umfang auf den inzwischen erreichten, durchaus unterschreitbaren Höchststand einfriert. Dieser Obergrenze hat das Bundesverfassungsgericht die Funktion einer Bremse offenbar deswegen zugewiesen,

117

Siehe dazu o. S. 74 ff. Das Element des Logischen halte ich als eigenständigen Maßstab für verzichtbar. Siehe o. S. 78. 119 H. Triepel Staatsrecht und Politik (1927), S. 37. 120 J. Isensee, HStR VII, § 162 Rn. 83. 121 BVerfGE 85, 264 (291): "Gemessen an diesem Maßstab, muß der Umfang ...". 122 Siehe u. S. 230 ff. 118

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

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weil ein anderes aufgaben- und damit ausgabenlimitierendes Instrumentarium weder zur Verfügung steht noch ersichtlich ist." 1 2 3 3. Fazit Die Festlegung der absoluten Obergrenze für die Parteienfinanzierung auf den "Status Quo des Jahres 1992" unter Zugrundelegung der herausgearbeiteten Anforderungen an methodisches Vorgehen ist nicht aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit herleitbar.

I I . Die Festlegung der absoluten Obergrenze auf eine konkret errechenbare Zahlenvorgabe Der Senat läßt es allerdings nicht bei der Festlegung der absoluten Obergrenze auf den Status Quo des 9. April 1992 bewenden. 1. Die Argumentation des Senats Er führt darüber hinausgehend aus, daß sich der Umfang der staatlichen Parteienfinanzierung - einschneidende Veränderungen der zugrundeliegenden Verhältnisse 124 und Inflation außen vor gelassen - an dem zuvor aufgestellten Maßstab gemessen, aus den Zuwendungen errechne, die den Parteien in den Jahren 1989 bis 1992 aus der Staatskasse zugewandt worden seien. Daraufhin stellt er die Summanden vor, aus deren Addition sich die Höchstgrenze der an die Parteien auskehrbaren Staatszuwendungen errechnen läßt. Aufgrund der Festlegung des Berechnungszeitraumes und der Nennung der in die Berechnung einzubeziehenden Größen, nämlich Chancenausgleichszahlungen und Wahlkampfkostenerstattung - ausdrücklich inklusive des verworfenen Sockelbetrages (!) - unter genauer Angabe der im Rahmen der Berechnung zugrundezulegenden Wahlen, ist eine Summe der zuwendbaren Zuschüsse bestimmt. Der vom Parteienfinanzierungsreferat der Bundestags Verwaltung errechnete Wert, von dem allgemein ausgegangen wird, beläuft sich auf D M

123

Bericht 1993, S. 29. Gemeint ist damit etwa das Anwachsen der Zahl der Wahlberechtigten durch die Einführung des Ausländerwahlrechts oder doppelter Staatsangehörigkeiten - so W. Kalteßeiter/K. -H. Naßmacher, ZParl 1994, 253 (256) - oder eine Vergrößerung des Wahlgebietes, so H.H. Klein, Bl. 745 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. 124

7*

100

2. Teil: Methodenfragen

230.000.051,28. 125 Darüber hinaus leitet der Senat aus dem Verbot eines weiteren Anschwellens der Parteienfinanzierung über den Status Quo zum Entscheidungszeitpunkt hinaus noch einen besonderen Anrechnungsmodus für die Wahlkampfkostenerstattung und Besonderheiten für die neuen Bundesländer ab.126 2. Die Schlüssigkeit der Argumentation und die rationale Nachvollziehbarkeit ihrer Herleitung Konnte bereits die Festlegung der absoluten Grenze auf den "Status Quo des Jahres 1992" aus methodischer Sicht nicht nachvollzogen werden, so gilt dies um so mehr für die Festsetzung der Summanden für die Errechnung einer Gesamtsumme der maximal auskehrbaren Staatszuschüsse. Unter Zugrundelegung der Mittel der Verfassungsauslegung läßt sich schlicht nicht ergründen, inwiefern diese Kriterien aus der Verfassung ableitbar sind. Der durch das Gericht letztlich für die Herleitung der Gesamtsumme angeführte Teilfinanzierungsaspekt des Grundsatzes der Staatsfreiheit [VS.] über den Vorrang der Selbstfinanzierung kann nicht verfangen, da hier etwas an einem Maßstab gemessen wird, der selbst bereits nicht in methodisch nachvollziehbarer Weise begründet werden kann. 1 2 7 Ungeachtet ihrer mangelnden Nachvollziehbarkeit in der Herleitung und unbeschadet der "hermeneutischen Unmöglichkeit, aus Rechtsnormen konkrete Zahlen abzuleiten" 128 haben derartige Zahlengrenzen gerade in der Parteienfinanzierungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine gewisse Tradition 129. So führte der Senat bereits in der Entscheidung des Jahres 1968 aus, daß eine Wahlkampfkostenerstattung, die die Kosten des Bundestagswahlkampfes von 1965 - dies war damals ein Betrag von DM 95 Mio. - überschreitet, nicht erstattungsfähig ist. 1 3 0 In derselben Entscheidung wurde das Mindestquorum für die Berechtigung der Teilhabe an der Wahlkampfkostenerstattung von 2,5 v.H. auf 0,5 v.H. 1 3 1 gesenkt. W. Henke hielt diese Festlegung nicht für 12 ^ Siehe mit Nachweisen zur konkreten und als bindend intendierten absoluten Obergrenze u. S. 105 ff. Vgl. nunmehr auch § 18 Abs. 2 PaitG (94), der die absolute Obergrenze bei DM 230 Mio. festlegt. 126 BVerfG 85, 264 (291). 127 Siehe o. S. 94 ff. 128 J. ipsen, Bitburger Gespräche 1993, S. 85 (91 f.). 129 Insoweit unzutreffend: U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (327). S. hierzu auch J. Ipsen, Rechtsfolgen., S. 127 f. mit Querverbindung zum Gewaltenteilungsproblem auf S. 244. 130 BVerfGE 24, 300 (342); vgl. hierzu auch Bericht 1993, S. 6. Laut H.H. v.Arnim enthält die in der Entscheidung von 1992 gezogene absolute Gesamtobergrenze lediglich eine Übertragung dieser absoluten Obergrenze auf die Allgemeinfinanzierung. So H.H. v.Arnim, Beute, S. 273, vgl. dens., Die Partei, S. 291. 131 BVerfGE 24, 300(342).

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

101

eine echte Grenze, sondern lediglich für die beispielhafte Markierung einer "jedenfalls verfassungsgemäßen Höhe". 132 Die hier vertretene Auffassung teilt ausdrücklich J. Ipsen, der zur Festlegung des Mindestquorums ausführt: "Mit den Methoden rechtlicher Entscheidungsfindung ist nicht nachvollziehbar, wie das Gericht zu einem Grenzwert von 0,5 % gelangt ist. Deutlicherweise handelt es sich um eine verfassungsrichterliche Dezision, die an die Stelle der gesetzgeberischen trat. Vieles spricht allerdings dafür, daß der zunächst vorgesehene Prozentsatz von 2,5, der schon seinerzeit einem Anteil von rund 835.000 Wählerstimmen entsprach, mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar war. Warum aber der Grenzwert bei 0,5 % und nicht bei 0,4, 0,6, 0,8 oder gar bei einem Prozent der Stimmen anzusetzten war, bleibt unerfindlich." 133 Eine weitere absolute Untergrenze findet sich in der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1968. Hier wurde die Grenze der Veröffentlichungspflicht für Parteispenden von DM 200.000 auf DM 20.000 134 herabgesetzt. Auch in der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1986 legte die Senatsmehrheit eine absolute Höchstgrenze fest, indem sie ausführte, daß erst eine Parteispende ab der Höhe von DM 100.000 bestimmenden Einfluß auf die Bürgergleichheit ausüben könne und die steuerliche Begünstigung von Parteispenden erst ab dieser Summe verfassungsrechtlich unzulässig sei. 135 Neben der konkreten Festlegung der absoluten Obergrenze legt der Senat in seiner Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 weiterhin fest, daß die Pflicht für die Veröffentlichung von Parteispenden ab einer Spendenhöhe von DM 20.000 einsetzen müsse.136 Auch hierbei handelt es sich um eine methodisch nicht herleitbare Dezision. Neu ist freilich, daß eine solche absolute Obergrenze nunmehr zur Tragsäule der gesamten staatlichen Parteienfinanzierung gemacht wurde. 137 3. Fazit Eine Herleitung der konkreten absoluten Obergrenze aus der Verfassung ist so wenig möglich wie die der Festlegung der absoluten Obergrenze auf den Status Quo von 1992. Damit ist die tragende Säule 138 der Parteienfinanzierungssystematik ohne Herleitung aus dem Grundgesetz.

132

BK-Henke, Art. 21 Rn. 331. J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 252. 134 BVerfGE 24, 300 (355 ff.). 135 BVerfGE 73, 40 (102). Die wurde von J. Ipsen, in: Wewer, Parteienfinanzierung, S. 75 (78) als "judizieller Dezisionismus" bezeichnet. Ähnlich U. Günther, ZRP 1989, 265 (267): Mbloße() politischeO Dezision". 136 BVerfGE 85, 264 (319). 137 Siehe dazu u. S. 121 ff. 138 Siehe hierzu u. S. 121 f. 133

2. Teil: Methodenfragen

102

D. Die Kriterien für die Art und Weise der Mittelverteilung Neben der aus dem Teilfinanzierungsaspekt des Grundsatzes der Staatsfreiheit abgeleiteten relativen und absoluten Obergrenze zieht der Senat auch aus der Art und Weise der Mittelerbringung oder -gewährung weitere Folgerungen. Diese betreffen die Art und Weise der Mittelverteilung.

I. Die Argumentation des Senats Für den Senat sind der "Verfassung (auch) Maßgaben dafür zu entnehmen, wie die den Parteien zur Verfügung gestellten Mittel unter ihnen zu verteilen sind." Ob Geldzuweisungen nämlich die Gefahr der Entfremdung oder Lösung der Parteien von ihrer Basis hervorriefen beziehungsweise ob durch sie unmittelbare Abhängigkeiten der Parteien entstehen und damit Einflußnahmemöglichkeiten des Staates auf diese begründet werden könnten, hänge "entscheidend davon ab, nach welchen Kriterien die staatlichen Zuwendungen erfolg(t)en. Dem Gebot, auch durch die Art ihrer Finanzierung die gesellschaftliche Verwurzelung der Parteien zu festigen, (werde) Rechnung getragen, wenn der Erfolg, den eine Partei beim Wähler, den sie bei der Summe der Mitgliedsbeiträge sowie bei dem Umfang der von ihr eingeworbenen Spenden erziel(e), zu einem jeweils ins Gewicht fallenden, im einzelnen allerdings vom Gesetzgeber zu bestimmenden Anteil in den Verteilungsmaßstab eingeh(e)." 139 In einem diesen Anforderungen genügenden Finanzierungssystem seien die Parteien angehalten, sich um Zustimmung und aktive - auch finanzielle - Unterstützung aus der Bevölkerung zu bemühen. Die hierauf gerichteten Anstrengungen der Parteien seien aufgrund der Einbeziehung des Volkes in die politische Willensbildung erwünscht und geboten. 140 Ein so ausgestaltetes System für die Vergabe der Mittelverteilung belasse zudem die Letztentscheidung über "Ob" und "Umfang" staatlicher Leistungen an eine Partei beim Bürger. Es werde darüber hinaus der unterschiedlichen inneren Struktur der Parteien und ihren unterschiedlichen Erfolgsstrategien gerecht, weil es genügend Raum für freie Gestaltung lasse. 141

139 140 141

BVerfGE 85, 264 (292). BVerfGE 85, 264 (292). BVerfGE 85, 264 (292 f.).

2. Kapitel: Ableitung aus dem Grundgesetz

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I I . Die Schlüssigkeit der Argumentation und die Nachvollziehbarkeit ihrer Ableitung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit Der Senat leitet aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit damit zunächst den Grundsatz der verfassungsgemäßen Art und Weise der Mittelerbringung oder Zuwendung ab. Hieraus wiederum leitet er verschiedene Kriterien für die Art und Weise der Mittel Verteilung [VS.* 2] her. 1. Die Ableitung der Art und Weise der Mittelerbringung aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit Bereits bei der Entwicklung des Grundsatzes der Staatsfreiheit hatte der Senat festgestellt, daß dieser dann verletzt sei, wenn die Parteien von der Notwendigkeit entbunden würden, sich um vielschichtige Unterstützung aus der Gesellschaft zu bemühen. Ferner hatte er ausgeführt, daß dieser Verletzung des Grundsatzes der Staatsfreiheit sowie den Gefahren der nunmehr grundsätzlich erlaubten Teilfinanzierung durch den Modus der Gewährung der Zuwendungen begegnet werden müsse. 142 Es wird deutlich, daß das Gericht, welches mit der Festlegung der Kriterien für die Art und Weise der Mittelverteilung das System der staatlichen Parteienfinanzierung komplettieren will, eine wirksame Bindung der Parteien an die gesellschaftliche Basis nur für möglich hält, wenn sich auch der Modus für die Verteilung der auskehrbaren Mittel in dieses System einpaßt. Daß die Art und Weise der Mittelerbringung das Erfolgsstreben der Parteien beeinflussen kann, leuchtet ohne weiteres ein. Der Senat vertraut insoweit auf die lenkende Funktion einer Subventionierung. 143 Die Offenlegung der Erwägungen, die das Gericht zur Herausarbeitung der speziell gewählten Kriterien veranlaßt haben, verdeutlicht ferner die der Ableitung zugrundeliegende Motivation. Insoweit ist die Argumentation des Senats in dieser Passage schlüssig und stellt eine homogene Ergänzung des gewählten Finanzierungsmodells dar. 2. Die Ableitbarkeit der Verteilungskriterien [VS. * 2] aus dem Grundsatz der richtigen Art und Weise der Mittelerbringung oder -Zuwendung Zu untersuchen bleibt, ob sich der Senat bei der Festlegung der Kriterien zur Bestimmung des Wahlerfolgs und des Erfolgs bei Beitragszahlern und Spen142 143

BVerfGE 85, 264 (287 0Siehe zu diesem "Subventionscharakter": J. Ipsen, JZ 1992, 753 (757).

2. Teil: Methodenfragen

104

dem auf eine Ableitbarkeit aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] berufen kann. Die Festlegung von Kriterien für die Art und Weise der Mittelverteilung kann als spezielle Ausprägung des dem Grundsatz der Staatsfreiheit innewohnenden Gebots der richtigen Art und Weise der Mittelzuwendung oder -erbringung aufgefaßt werden. Insofern bereitet die grundsätzliche Rückführung des Gebotes der richtigen Verteilung der Mittel [VS.* 2] über den Gedanken der Begrenzung der Gefahren staatlicher Allgemeinfinanzierung der Parteien aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] keine Probleme. Auch die darüber hinaus vorgenommene Festlegung der Erfolgsindikatoren auf den Wahlerfolg, die Beitrags- sowie Spendeneinnahmen ist durch Ausführungen zum Grundsatz der Staatsfreiheit angelegt. Dort findet sich die Erwägung, daß eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Aufgabenerfüllung den Parteien nur möglich sei, wenn hinreichende Unterstützung von "nahestehenden Bürgern" 144 , "der mitgliedschaftlichen Basis und der Bürgerschaft insgesamt" 145 gewährt sei. Diese Definition der "unterstützungsfähigen Basis" läßt ein Abstellen sowohl auf Wähler, als auch auf Beitragszahler und Spender zu. Damit wird deutlich, daß die Ableitung der konkreten Indikatoren: Wahlerfolg, Spenden, Beiträge aus dem Grundgesetz methodisch einwandfrei ist.

E. Ergebnis des Zweiten Teils Die Untersuchung der Parteienfinanzierungskonzeption des Bundesverfassungsgerichts von 1992 hinsichtlich ihrer methodischen Herleitbarkeit hat ergeben, daß das aus der Verfassung abgeleitete Modell unter Zugrundelegung der an methodisch einwandfreies Vorgehen zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der relativen Obergrenze und der abstrakten absoluten Obergrenze in nicht zu beanstandender Weise hergeleitet ist. Dies gilt auch für die Maßnahmen hinsichtlich der Art und Weise der Mittelverteilung. Nicht gedanklich nachvollziehbar und damit unter Berücksichtigung der hier zugrundegelegten methodischen Anforderungen an bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungsfindung nicht herleitbar ist demgegenüber die konkrete absolute Obergrenze. Ist damit die Grenze der methodischen Herleitbarkeit des Parteienfinanzierungsmodells von 1992 festgestellt, so bleibt es, dieses auf seine materielle Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen.

144 145

BVerfGE 85, 264 (287). BVerfGE 85,264 (287 f.)

Dritter

Teil

Die Untersuchung der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption a u f i h r e V e r e i n b a r k e i t m i t d e m Grundgesetz

Während die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption im ersten Teil vorgestellt und im zweiten Teil die Grenze ihrer methodischen Herleitbarkeit bestimmt wurde, ist es Anliegen des dritten Teils, die neue Konzeption auf ihre verfassungsrechtliche Haltbarkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang soll insbesondere das neue Staatsfreiheitsverständnis einer Untersuchung auf seine materielle Verfassungsmäßigkeit unterzogen werden. Es gilt zunächst, die dem Teilallgemeinfinanzierungsmodell vom Bundesverfassungsgericht zugrundegelegten Verfassungsaussagen herauszuarbeiten. Im Anschluß daran ist nach der Übereinstimmung dieser Aussagen des Gerichts mit den Vorgaben des Grundgesetzes zu fragen.

Erstes Kapitel Die der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zugrundeliegenden Verfassungsvorgaben Das Bundesverfassungsgericht will mit seinem Teilallgemeinfinanzierungsmodell zum einen die Verankerung der Parteien in der Gesellschaft 1, zum anderen einen wirtschaftlich verantwortungsbewußten Umgang mit öffentlichen Mitteln 2 herbeiführen.

Siehe dazu u. S. 106 ff. Siehe dazu u. S. 108 ff.

106

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Erster Abschnitt

Das Gebot zur Sicherung der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft Der Senat beginnt seine Ausführungen zu den Entscheidungsgründen mit folgendem Satz: "Der Grundsatz der Staatsfreiheit enthält das Gebot der fortdauernden Verankerung der Parteien in der Gesellschaft und ihrer darauf beruhenden Staatsferne." 3 Es fügt an anderer Stelle hinzu: "Die Parteien können ihre Aufgaben der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes im Rahmen des demokratischen Staatsaufbaus, wie ihn Art. 21 GG voraussetzt, nur erfüllen, wenn ihre Führung und die ihr zur Verfügung stehende Organisation sich ihrer mitgliedschaftlichen Basis und der Bürgerschaft insgesamt nicht entfremden." 4 Das damit angesprochene Verankerungsgebot ist für das gewandelte Staatsfreiheitsverständnis von zentraler Bedeutung. Es macht den Wandel deutlich, den dieses durch die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 erfahren hat. Entsprechend seiner überkommenen Lesart untersagt der Grundsatz der Staatsfreiheit "unbeschadet der für den politischen Prozeß in der freiheitlichen Demokratie kennzeichnenden Verschränkung der Willensbildung des Volkes mit der Willensbildung in den Staatsorganen eine Einflußnahme des Staates auf die Willensbildung der Parteien und damit auf den Prozeß der politischen Willensbildung insgesamt"5. Insofern schützt der Grundsatz der Staatsfreiheit auch weiterhin die Freiheit der Parteien vor Beeinträchtigungen durch den Staat. Allerdings enthält der Grundsatz der Staatsfreiheit eine zusätzliche Funktion. Die Parteien sind nämlich nunmehr staatsfrei auch im Sinne von staatsfern. Diese Differenzierung ist in der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts6 für den Bereich der Parteienfinanzierung neu. Sie macht deutlich, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit seit der Entscheidung des Jahres 1992 mehr verlangt als die Volkswillensbildung von der Staatswillensbildung freizuhalten. Er hat die Aufgabe, die Parteien aus dem Bereich des Staates fernzuhalten, diese durch richtige Gewährung staatlicher Mittel 7 aktiv an ihre Basis in der Gesellschaft zu binden. Denn - und auch insofern harmonieren überkommene und neue Lesart des Grundsatzes der Staatsfreiheit -: "Die Parteien können ihre Aufgaben der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes im 3

BVerfGE 85,264 (283). BVerfGE 85, 264 (287 f.) 5 BVerfGE 85,264 (287). 6 H.H. v.Arnim hatte bereits 1982 in seiner Schrift: Parteienfinanzierung, S. 51 den Begriff "Bürgernähe" an Stelle von "Staatsfreiheit" vorgeschlagen. 7 BVerfGE 85, 264 (288). 4

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

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Rahmen des demokratischen Staatsaufbaus, wie ihn Art. 21 GG voraussetzt, nur erfüllen, wenn ihre Führung und die ihr zur Verfügung stehende Organisation sich ihrer mitgliedschaftlichen Basis und der Bürgerschaft insgesamt nicht entfremden." 8 Damit ist die Verankerung der Parteien in der Gesellschaft als ein diese zu Eigeninitiative anhaltender Prozeß zu begreifen, der die Parteien dauerhaft auf die Erhaltung ihrer Basisbindung verpflichten soll.9 Damit wird das gewandelte Staatsfreiheitsverständnis des Senats deutlich, das man als einen Paradigmenwechsel vom Schutz der Parteien vor staatlichen Eingriffen zum Schutz des Staates vor den zu Machtmißbrauch und Instrumentalisierung des Staates neigenden Parteien 10 begreifen kann. Das eigentlich Neue an dieser Staatsfreiheitskonzeption ist die darin zum Ausdruck gelangende Erkenntnis, daß ein Schutz der Parteien vor dem Staat weder den Realitäten des Parteienstaates gerecht wird, noch vom Grundgesetz verlangt ist. 11 In der Tat kann die Gefahr einer Beeinträchtigung der Parteien durch staatliche Eingriffe oder Beeinträchtigungen angesichts der Macht und Allgegenwart des existierenden "Parteienkartells" 12 kaum mehr angenommen werden. Der das überkommene Staatsfreiheitskonzept dominierende Schutzgedanke mag unter Geltung des jungen Grundgesetzes mit erst aufkommenden Parteien angemessen gewesen sein. In Anbetracht der Entwickung der Bundesrepublik zum Parteienstaat, in dem der "Staat als Beute der Parteien" 13 gesehen wird, hat es sich überlebt. 14 Es liegt in der Natur der Sache, daß die Parteien als Handlungsträger von staatlichen Abläufen 15 den Staat zum Instrument ihrer Interessen machen und nicht umgekehrt der für sich nicht handlungsfähige Staat die Parteien zu dem seinen. Allerdings besteht - dies ist Ausdruck des Grundsatzes der Staatsfreiheit in seiner überkommenen Lesart - auch unter Berücksichtigung der neuen Qualität des Grund8

BVerfGE 85, 264 (287 f.). Dies wird insbesondere durch die Verfassungswidrigkeit jeder nicht erfolgsorientierten Mittelzuwendung deutlich, die den Grund für die Verwerfung des Sockelbetrages nach § 18 Abs. 6 PartG (88) darstellte: BVerfGE 85, 264 (283 f.). 10 In diesem Sinne auch: H.H. v.Arnim, Beute, S. 271 und J. Ipsen, JZ 1992, 753 (756). Bei Ipsen finden sich Nachweise zur Richtigkeit dieser, nunmehr auch vom Senat vertretenen Auffassung, aus der Zeit vor der Entscheidung des Jahres 1992. 11 In diesem Sinne z.B. H.H. v.Arnim, Beute S. 270 ff.; ders. bereits in DÖV 1985, 593 (596); J. Ipsen, JZ 1992, 753 (756). 12 Dazu H.H. v.Arnim, DöV 1985, 593 (596) m.w.N. zur Problematik "politischer Kartelle". 13 R. V.Weizsäcker, Wird unsere Parteiendemokratie überleben? in: Die deutsche Geschichte geht weiter (5. Α., 1983), S. 154 ff. (155). Als Beleg dafür, daß hiermit die Einschätzung der Bevölkerung wiedergeben wird, mag an dieser Stelle lediglich der Hinweis darauf dienen, daß das Wort "Politikverdrossenheit" 1992 zum "Wort des Jahres" gewählt wurde. 14 Vgl. hierzu J. Ipsen, JZ 1992,753 (756). 15 Siehe zu den Parteien als staatlichen Handlungsträgern zunächst nur: E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS, S. 301 (325). 9

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

satzes eine Schutzpflicht des Staates für die Sicherung des Entstehens und Überlebens von Minderheiten im Parteiensystem fort. 16 Zweiter Abschnitt

Das Gebot zu verantwortungsbewußtem und wirtschaftlichem Umgang mit öffentlichen Mitteln Mit dem Teilallgemeinfinanzierungsmodell möchte der Senat - neben der Verplichtung zur Verankerung der Parteien in der Gesellschaft - einen verantwortungsbewußten Umgang mit öffentlichen Mitteln sicherstellen.17 Bei Nichteinhaltung dieses Gebots sieht er zwei Verfassungsverstöße. Der eine betrifft direkt das Verfassungshaushaltsrecht und das sich hieraus ergebende Gebot zu wirtschaftlich verantwortlicher Verwendung öffentlicher Mittel. Der andere Verfassungsverstoß hängt für das Gericht mit der Konsequenz eines wirtschaftlich verantwortungslosen Zugriffs auf öffentliche Mittel zusammen. Er ergibt sich durch die Herstellung eines Konnexes zwischen Verfassungshaushaltsrecht und dem Erfordernis funktionsfähiger Parteien in einer von Parteien geprägten Demokratie. Sorgt der Staat für die Einhaltung der Vorgaben des Verfassungshaushaltsrechts, dann ist die Funktionserhaltung der Parteien gesichert. Verhindert er Verstöße dagegen nicht, läuft das Parteiensystem Gefahr, seine Aufgaben im Staat nicht mehr angemessen wahrnehmen zu können. In diesem Fall laufen die Parteien zum einen Gefahr, ihre verfassungsgebotene gesellschaftliche Verwurzelung zu verlieren. Zum anderen beeinträchtigen sie hierdurch ihre Funktionsfähigkeit. Für das Gericht führt nämlich der ungehemmte Zugriff der Parteien auf Staatsmittel zu einer "Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Parteien bei der Erfüllung der diesen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben", die, so der Senat, "notwendige" Folge einer zu Ansehensverlust führenden Bedienung der Parteien aus der Staatskasse ist. 18 An dieser Stelle sei folgende Anmerkung zur Diktion des Gerichts hinsichtlich des Handelns des Staates und des Handelns der Parteien gestattet. Der Senat spricht teils ausdrücklich vom Handeln der Parteien19, teils vom Handeln des Staates20. Wenn das Gericht formal den Staat anspricht, wendet es sich letztlich auch an die Parteien. Anders als im Fall der Abgeordnetenfinanzierung ist dies, aufgrund der seitens des Senats unter16 17 18 19 2 0

Siehe zum Schutz der Parteien durch den Staat, u. S. 225 ff. Siehe hierzu bereits o. S. 105. BVerfGE 85,264 (290). Siehe hierzu auch u. S. 112 ff. So auf S. 290: "Gewönne der Bürger den Eindruck die Parteien 'bedienten' sich...". So im vorangehenden Satz: "Der Staat darf den Parteien...".

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

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strichenen Zugehörigkeit der Parteien zur Gesellschaft, nicht selbstverständlich. Denn die Abgeordneten sind als Träger eines öffentlichen Amtes Bestandteil des Staates und insofern Staatsorgane. Sie handeln als Staat. Demgegenüber sind die Parteien, zumindest nach der nunmehr ausdrücklichen Aussage des Bundesverfassungsgerichts, der Gesellschaft zuzuordnen. Ihnen kommt kein Staatsorganstatus zu. Dennoch kann die seitens des Bundesverfassungsgerichts vorgenommene begriffliche Verquickung, die letztlich die terminologische Grundlage der gesamten Diskussion um die Entscheidung in eigener Sache im Bereich der Parteienfinanzierungsproblematik ist, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet werden. Im Parteienstaat nimmt der Parlamentarier nämlich eine Doppelrolle wahr.21 Zwar ist er in letzter Konsequenz nach der ausdrücklichen Aussage des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG allein seinem Gewissen unterworfen. Allerdings ist er nach dem in Art. 21 GG zum Ausdruck gebrachten Willen der Verfassung zugleich nicht nur faktisch, sondern verfassungsrechtlich sanktioniert auch mit der "Seele seiner Partei" ausgestattet, die ihm im Rahmen des verfassungsrechtlich möglichen zu einer "Parteiraison" bringen können muß.22 Insofern ist der Abgeordnete zugleich auch auf einen Beitrag zur Erhaltung der Handlungsfähigkeit der Parteien und damit zum Handeln im Sinne der Partei verpflichtet. Diese Doppelrolle des Parlamentariers wird man realistischerweise als in der Konzeption der repräsentativen Demokratie angelegt begreifen, obwohl die Trennung von Amt und Person oder dienstlicher und privater Tätigkeit des Amtsträgers als die "wohl wichtigste Voraussetzung für Recht und Gerechtigkeit des Staatshandelns"23 begriffen werden kann.24 Diese Doppelrolle wirft nur dann Probleme auf, wenn das Grundgesetz es dem Parlamentarier gestattet, in eigener Sache zu entscheiden, und dieser hierbei in die Verlegenheit gerät, die Interessen seiner Gruppe vor die anderer Gruppen zu stellen. Entscheidungen in eigener Sache sind aber nicht notwendig problemanfällig. So werden bei einem klassischen Fall der Entscheidung in eigener Sache, der Festlegung der Geschäftsordnung des Bundestages, kaum Bedenken hinsichtlich einer Instrumentalisierung des Staates zu Lasten anderer entstehen. Verfassungsrechtlich problematisch wird eine Entscheidung in eigener Sache aber dann, wenn Zweifel an ihrer Orientierung am Gemeinwohl entstehen. Dies wird namentlich für den Fall der Parteienfinanzierung allenthalben beklagt und der "politischen Klasse"25 die Durchsetzung eigener Interessen und Machtansprüche zum Nachteil der übrigen Gesellschaft vorgeworfen. 26 Die im Grundgesetz angelegte Problematik der Entscheidung in 21

Vgl. zu dieser "Doppelrolle" des Pariametariers: E. Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 33. Instruktiv hierzu auch BK-Henke, Art. 21, Rn. 85 und 78. 2 2 Siehe zur Bedeutung und den Grenzen der "Parteiraison" nur R. Herzog, Parteienstaat, S. 20 ff., der die Frage, ob man "ein stabiles, auf innere Integration und inneren Interessenausgleich angelegtes Parteiensystem " oder ein solches, "in dem jeder Tag fern von personalpolitischen Überlegungen und Reibereien von substantiellen Debatten über die politische Programmatik erfüllt ist" bevorzugt, für die eigentliche "'Verfassungsfrage'" hält. A.a.O., S. 20. 23 In diesem Sinne: BK-Henke y Art. 21, Rn. 322. 2 4 Siehe hierzu u. S. 202 ff. 2 5 Der Ausdruck ist dem Titel eines Buches von Κ ν. Bey me, "Die politische Klasse im Parteienstaat" (1993) entlehnt. 2 6 Siehe zu den hiermit verbundenen Problemen u. S. 230 ff.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

eigener Sache beweist freilich auch, daß eine im einzelnen noch genauer zu untersuchende Verquickung der Bereiche von Staat und Gesellschaft im Grundgesetz angelegt ist. 27 Liegt aber die faktische Durchmischung von dienstlicher und privater Tätigkeit des Parlamentariers im System, so ist zum einen die oben angesprochene Diktion des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden, zum anderen ist es im Rahmen der Untersuchung zulässig, das rechtlich nicht in eins zu setzende Handeln von Parlamentarier als Staatsorgan und Parlamentarier als Parteimitglied zu vermengen. Sofern im Rahmen der Untersuchung dienstliche und private Entscheidungen des Parlamentariers nicht unterschieden werden, wird also nicht die elementare Bedeutung der Trennung dieser Bereiche übersehen oder gar in Frage gestellt, sondern dem Faktum der "Verwobenheit trotz Trennung" Rechnung getragen. Dies erkennt auch der Senat an, wenn er zwar grundsätzlich davon ausgeht, daß der Staat den Parteien nicht mehr zuwenden dürfe als das Verfassungshaushaltsrecht erlaube28, andererseits aber bei der Begründung der absoluten Obergrenze entscheidend auf die Entstehung des Eindrucks beim Bürger abhebt, die Parteien bedienten sich aus der Staatskasse29 und darüber hinaus berücksichtigt, daß es zwar theoretisch die Parlamentarier, faktisch aber die Parteien sind, die hier über die Verteilung staatlicher Gelder an sich selbst entscheiden.30

A. Das Gebot zu sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel Wirtschaftlich verantwortungsbewußter Umgang mit öffentlichen Mitteln hängt naturgemäß mit deren sparsamer und verantwortlicher Verwendung zusammen. Insofern weist der Senat den Staat zunächst auf seine Verpflichtung zu sparsamer Haushaltsführung hin. 31 Sparsam im Sinne von verantwortungsbewußt bedeutet nicht, daß der Staat im Rahmen seiner Wirtschaftsführung verpflichtet wäre, immer den preisgünstigsten Weg zu wählen. 32 Verantwortungsbewußter Umgang mit staatlichen Mitteln kann und darf durchaus kostspielig sein, wenn die Kosten der Sache angemessen sind und im rechten Verhältnis zum erzielten Ergebnis stehen.

2 7

Siehe dazu u.S. 127 ff. Auf Seite 290 Urteils: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien...". 2 9 Auf Seite 290 Urteils: "Der Staat darf...". 3 0 Rechtlich untermauern läßt sich dieser Gedanke der Bindung der Parteien über deren Handlungsträger im Parlament. Jeder Abgeordnete ist nach der Maßgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG unmittelbar auf, im wahrsten Sinne des Wortes, gewissenhafte Amtsführung verpflichtet. Nach der Idee des Grundgesetzes wirkt damit das Amtsethos "durch die Parteien hindurch". 31 BVerfGE 85, 264 (290): "Der Staat darf...". 3 2 Siehe dazu, B. Fischer, JZ 1986, 6 (7). 2 8

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

111

I. Sparsame Verwendung öffentlicher Mittel Das Gebot zu sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel beinhaltet die Verpflichtung des Staates, den Parteien "nicht mehr zu(zu)wenden, als sie ... zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen"33. Hieraus leitet der Senat die Aussage ab, daß der Umfang der Staatsfinanzierung sich auf das beschränken muß, "was zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien unerläßlich ist und von den Parteien nicht selber aufgebracht werden kann." 34 Diese Verpflichtung auf das Sparsamkeitsgebot ist mehr als ein bloßer Hinweis auf die Geltung des Verfassungshaushaltsrechts. Sie hat die Aufgabe, die Grenze festzulegen, ab der ein Mißbrauch öffentlicher Mittel einsetzt. Diese ist erreicht, sobald den Parteien mehr an staatlichen Mitteln zu Verfügung gestellt wird als diese zur Aufrechterhaltung ihrer Funktionstüchtigkeit benötigen.35 Das Gebot zu sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel enthält ferner eine verfassungsrechtliche Verankerung des im Vorrang der Selbstfinanzierung zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgebots. Dies ergibt sich daraus, daß nur das durch den Staat finanzierbar sein soll, was von den Parteien nicht selbst aufgebracht werden kann. 36

I I . Die rechtliche Kategorisierung Die rechtliche Einordnung dieses Bestandteils der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption bereitet keine Schwierigkeiten. Das Verbot der übergebührlichen Zuwendung öffentlicher Mittel an die Parteien läßt sich ohne weiteres dem Verfassungshaushaltsrecht zuordnen. 37 Das Gebot zur sachgerechten und wirtschaftlich verantwortungsbewußten Verwendung öffentlicher Mittel ist als finanzverfassungsrechtliches Gebot einzuordnen und insofern eine verfassungsrechtliche Größe.

33

BVerfGE 85, 264 (290). BVerfGE 85, 264 (290). 35 Siehe dazu o. S. 91 f. 3 6 Siehe dazu o. S. 92 f. 37 Zur Bindung des Gesetzgebers an dieses Gebot s. H.H. v.Arnim, S. 82 ff. m.w.N. 3 4

Wirtschaftlichkeit,

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

B. Das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien Der Senat legt seinem Gebot zum verantwortungsbewußten und wirtschaftlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln allerdings noch eine weitere Voraussetzung zugrunde. Er stellt eine Verbindung zwischen dem wirtschaftlich verantwortungsbewußten Umgang mit öffentlichen Mitteln und der unbeeinträchtigten Wahrnehmung der den Parteien von der Verfassung zugewiesenen Funktionen her. Nur wenn der Staat bei der direkten Finanzierung der Parteien aus staatlichen Mitteln sparsam und verantwortungsbewußt vorgeht, können diese in ihrer Fähigkeit zur Wahrnehmung der ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben unbeeinträchtigt bleiben. Denn wenn der Staat den Parteien mehr Steuergelder zuwendet als erforderlich, könnte dies beim Bürger den Eindruck einer Selbstbedienung der Parteien erwecken und dies wiederum würde notwendigerweise zum Ansehensverlust der Parteien und damit letzlich zu deren Funktionsbeeinträchtigung führen. 38 Diese der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zugrundeliegende Verknüpfung von Einhaltung des Staatshaushaltsrechts und Funktionserhaltung der Parteien wird zu recht als zentraler Punkt des Urteils angesehen. Die Motivation für das Vorgehen des Senats beschreibt H.H. von Arnim wie folgt: "Gelingt es nicht, die Mängel der Politikfinanzierung zu beheben, können sich Schäden ergeben, die weit über die finanzielle Belastung der staatlichen Haushalte hinausgehen, weil sie die Glaubwürdigkeit der Parteien und damit die Funktionsfähigkeit des politischen Systems als Ganzen beeinträchtigen. Mit den Worten des Gerichts: 'Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.'" 39 Das verfassungsrechtliche Mittel der absoluten Obergrenze wird man mit der Expertenkommission von 1993 als ultima ratio zur Eindämmung der staatlichen Überfinanzierung politischer Parteien begreifen können, der "das Bundesverfassungsgericht die Funktion einer zum Sparen zwingenden Grenze offenbar deswegen zugewiesen (hat), weil ein anderes aufgaben- und damit ausgabenlimitierendes Instrumentarium weder zur Verfügung steht noch ersichtlich ist." 40 Zugleich findet sich hier eine Kernaussage des Urteils: Die Parteien bleiben nur funktionsfähig, wenn der Staat die direkte staatliche Parteienfinanzierung auf die Summe begrenzt, die das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber vorgibt. Nur dann bleiben sie "gesund" und können im gesell38 3 9 4 0

BVerfGE 85, 264 (290) a.E.: Von "Der Staat darf..." bis "...Aufgaben zu erfüllen.". H.H. v.Arnim, Bericht 1993, S. 170 f. Bericht 1993, S. 29.

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

113

schaftlichen Bereich frei existieren. Diese Beschränkung ist zugleich das durch die Verfassung gebotene Mittel zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien. Zu beachten ist aber, daß der Satz: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen." 41 , in dem der Senat eine Verbindung zwischen übergebührlicher Parteienfinanzierung und Funktionsfähigkeit der Parteien herstellt, weist bei näherem Hinsehen verschiedene Besonderheiten aufweist. Diese veranlassen eine vertiefte Untersuchung. Die erwähnten Besonderheiten hängen mit der Art und Weise zusammen, in der das Gericht die Gefährdung der verfassungsrechtlich schwerwiegendenen Funktionsfähigerhaltung der Parteien in seine Rechtsausführungen einwebt und auf diese Weise zum Gegenstand der Konzeption für eine verfassungsgemäße direkte staatliche Parteienfinanzierung macht.

I. Die Besonderheiten in der Argumentation des Senats Für den Senat resultiert die Gefahr für die aufgrund Verfassungsgebots zu sichernde Funktionsfähigkeit der Parteien notwendig aus deren Ansehensverlust. Ist diesem, beziehungsweise der damit gleichzusetzenden Parteienverdrossenheit, abgeholfen, so bleibt nach Einschätzung des Gerichts die Funktionsfähigkeit der Parteien erhalten. Begreift man die Parteienverdrossenheit damit als das der drohenden Dysfunktionalisierung des Parteiensystems zugrundeliegende Übel, so ist es verfassungsrechtlich geboten, dieser Parteien Verdrossenheit entgegenzuwirken. Unabhängig von einer möglichen, keinesfalls aber als unbestreitbar zu begreifenden, politischen Indiziertheit 42 dieser Argumentation, weist das Vorgehen des Senats aus der Perspektive des Verfassungsrechts Besonderheiten auf. Diese gilt es aufzuzeigen und einzuordnen. Zunächst muß sich der Senat die Frage entgegenhalten lassen, inwiefern sich der Nachweis führen läßt, daß die Dysfunktionalisierung der Parteien tatsächlich zu der verfassungsverwehrten Folge, nämlich der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Parteiensystems, führt. Denn nur, wenn der Eintritt der Funktionsbeeinträchtigung sicher oder zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, kann die konkret festgelegte absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfi41

BVerfGE 85, 264 (290 a.E.). Aus den Reihen der Parteien und der dieser nahestehenden Wissenschaft wird auch weiterhin auf der Erforderlichkeit zunehmender staatlicher Zuwendungen insistiert. Siehe dazu nur die Ausführungen der Schatzmeister in der Anhörung 93, S. 53 ff. 4 2

8 Schwartmann

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

nanzierung die verfassungsgebotene Konsequenz sein. Anlaß zu Bedenken gibt darüber hinaus die rechtliche Kategorisierung dieses, der Erhaltung funktionsfähiger Parteien dienenden Begründungsansatzes. Einer Untersuchung bedarf zudem, ob das Gericht sich mit der konkreten Zahlenvorgabe seines eigenen oder aber des Instrumentariums des Gesetzgebers bedient. Auch ist zu fragen, ob der Senat erst dadurch, daß er eine Einschätzung der Entwicklung der Wirklichkeit - nämlich daß ein Ansehensverlust notwendig zu einer Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Parteien führt - zur Grundlage seiner Rechtsfindung macht, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Kompetenz seiner Entscheidung schafft. Insbesondere gilt es schließlich, die verfassungsrechtlichen Konsequenzen dieses Begründungsansatzes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien aufzuzeigen. 1. Die Funktionsbeeinträchtigung

als sichere Folge einer Überfinanzierung

Das Gericht legt seiner Argumentation die Einschätzung zugrunde, daß der Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität beim Bürger notwendig zu einem Ansehensverlust in der Bevölkerung führt und dadurch letztlich die Fähigkeit der Parteien bei der Erfüllung der diesen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben beeinträchtigt. Daß diese Einschätzung zutrifft - insbesondere, ob die Bürger den Parteien eine über D M 230 Mio. hinausgehende staatliche Parteienfinanzierung als Selbstbedienung auslegen - ist nicht zwingend. So gehen die Meinungen darüber, ob das Parteiensystem zu seiner Überlebensfähigkeit mehr oder weniger staatliche Unterstützung braucht, auseinander. Das, was die einen als Verschwendung staatlicher Mittel rügen und als Ursache für den Untergang der politischen Kultur anprangern, 43 schafft für andere erst die Voraussetzung für das Blühen und Funktionieren der Parteien. 44 Wieder andere halten die Parteien, verglichen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, für steuerrechtlich benachteiligt.45 Festzuhalten ist also, daß das Gericht insoweit eine nicht kalkulierbare zukünftige Entwicklung des gesellschaftlichen Geschehens zur Grundlage seiner Konzeption macht.

4 3 Siehe dazu für viele etwa: H.H. v.Arnim, Staat ohne Diener, S. 175 ff.; H. Hill, HelmrichFS., 513 (515); M. Stolleis, VVDStRL 44. Bd. (1985), 8 (16 ff.). 4 4 Zum Meinungsstand: R. Stöss, Aus Pol & ZG, Β 21, 1990, S. 15(17 ff.). 4 5 So etwa die Antragsteller in der im Rahmen der Entscheidung des Jahres 1979 eingereichten Antragsschrift, in der die Gleichsetzung der Möglichkeit zur steuerlichen Begünstigung von Parteien und "anderen" gemeinnützigen Organisationen gefordert worden war. Siehe hierzu auch - den Antragstellern energisch beitretend - den späteren Bundesverfassungsrichter und Berichterstatter der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1992: H.H. Klein, "Parteien sind gemeinnützig Das Problem der Parteienfinanzierung" in NJW 1982, 735 (735 ff.).

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

115

2. Die rechtliche Kategorisierung Zu der Unkalkulierbarkeit des Eintritts der Gefahr einer Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystems unter den durch das Gericht angenommenen Voraussetzungen tritt die Schwierigkeit, die Argumentation des Senats verfassungsrechtlich einzuordnen. a) Die Prognose einer gesellschaftlichen Entwicklung ... Während sich das Gebot der Verhinderung eines Mißbrauchs staatlicher Mittel zwanglos in den Bereich des Verfassungshaushaltsrechts einbinden läßt 46 , gestaltet sich eine derartige rechtliche Kategorisierung der "Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien" zur Abwehr ihres Ansehensverlusts ungleich problematischer. Bei der Aussage: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letzlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen." 47 , handelt es sich um eine zumindest nicht normativ faßbare Verfassungsaussage. Der Satz stellt zunächst eine Prognose des Gerichts hinsichtlich der Folgen einer bei den Parteien befürchteten 48 Neigung zu übergebührlicher Selbstbedienung aus öffentlichen Mitteln dar. Damit handelt es sich hierbei letztlich um die Vorhersage einer gesellschaftlichen Entwicklung. Allerdings hält der Senat die Realisierung der Gefahr ausdrücklich für eine notwendig eintretende Folge des Eindrucks von Selbstbedienungsmentalität. Da nach der Logik der Entscheidung die Selbstbedienungsmentalität mit der Funktionsfähigkeit der Parteien verknüpft wird, gebietet es die Verfassung, dieser entgegenzuwirken. Insofern wird eine normativ nicht faßbare Prognose zu einem qua Verfassungsgebot abzuwehrenden Zustand. Damit ist jedoch lediglich das Problem benannt, das darin liegt, den nicht-normativen Begründungsansatz verfassungsrechtlich einzufangen. Das entbindet allerdings nicht davon, im Rahmen der Entscheidungsanalyse eine derartige Einordnung zu versuchen.

4 6 4 7 4 8

8*

Siehe dazu o. S. 111. BVerfGE 85, 264 (290). Das Gericht wählt den Konjunktiv. "Gewönne der Bürger..., so führte dies notwendig...".

116

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

b)... als verfassungsrechtliche Kategorie Als authentischer Interpret der Verfassung ist das Bundesverfassungsgericht letztlich Herr über die Inhalte und Ausprägungen des Verfassungsrechts. 49 Es hat de facto die Macht, im Rahmen der Rechtsfindung neue rechtliche Kategorien hervorzubringen. Geschieht dies, so entsteht ein nicht-normativ faßbarer oder ein eigentlich nicht normativer Verfassungsinhalt. Nach einer derartigen Inhaltsbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht liegt eine Kategorie des Verfassungsrechts vor, die sich durch ihre normative Nichtfaßbarkeit auszeichnet. In deren Rahmen wandelt sich, vermittelt durch das Medium der Verfassungsauslegung, nicht Normatives "irgendwie, das heißt in systematisch nicht faßbare(r) Weise" 50 in normativ Faßbares. Dadurch, daß das Gericht den außerrechtlichen Begründungsansatz zur verfassungsrechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzung für das Teilallgemeinfinanzierungskonzept erklärt, verleiht es diesem kraft seiner Kompetenz die Weihe des Verfassungsrechts. Es entwikkelt damit zwar nur dadurch einen rechtlichen Maßstab, daß es eine politische Begründung zu einer rechtlichen erklärt. 51 Allerdings schafft es faktisch die dogmatisch abgesicherte Grundlage, um seiner Prognose verfassungsrechtliche Relevanz zu verleihen. 3. Die Wahl des Instrumentariums Eine konkrete Höhe für die maximal zulässige Parteienfinanzierung läßt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen.52 Gleichwohl empfindet der Senat offensichtlich Unbehagen bei einer über den Status Quo von 1992 hinausgehenden Finanzierung. 53 Deshalb bestimmt es diesen Status Quo zur absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung. Die Festlegung dieser Grenze resultiert aber aus einer Einschätzung der politischen Zweckmäßigkeit oder Gebotenheit, die prinzipiell vom Gesetzgeber vorzunehmen ist. Eine Rechtsentscheidung ist immer eine Frage des richterlichen Vorverständnisses, das naturgemäß auch Elemente der politischen Prägung des Richters enthält. 54 Die Übertragung der Grundsätze der Hermeneutik - die der erfahrene Praktiker freilich als eine "schwer erträgliche Fessel" der bundesverfassungsgerichtlichen 4 9 Beispiel ist die "Flexibilisierung" der Gewaltenteilungsdogmatik durch das Bundesverfassungsgericht. Siehe dazu E. Schmidt-Aßmann, HStR I, § 24 Rn. 49 f. 5 0 W. Geiger, Jur. Studiengesellschaft Hannover, H. 3, S. 11. 51 Siehe zu dieser Möglichkeit: J. Isensee, HStR, VII, § 162 Rn. 86. 5 2 Siehe hierzu o. S. 93 ff. 53 In diesem Sinne auch U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (328). 5 4 Siehe hierzu eingehend: F. Klein, Politische Fragen, S. 5 ff.

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

117

Methode begreift 55 - in den Bereich des Rechts und die richterliche Rechtsfindung hat gezeigt, daß die Ausschaltung des richterlichen Vorverständnisses unmöglich ist. 56 Insofern trifft der Hinweis zu, daß "im Verfassungsrecht ... politische Schritte und Verhältnisse Farbe vom Rechtlichen her (gewinnen), vor allem aber ... bei der Interpretation von Verfassungsrecht politisches Bewerten politischer Sachverhalte in die Inhaltsbestimmung der Verfassungsvorschrift (eindringt)." 57 Dies bedeutet allerdings nicht, daß der Richter seine persönliche politische Meinung zur Grundlage der Entscheidung machen58 oder diese gar in die Begründung seiner Entscheidung aufnehmen darf. Anders als die einer richterlichen Entscheidung zugrundeliegende Motivation, ist deren Umsetzung in eine rechtliche Begründung nach objektiven, rechtlich faßbaren Kriterien nachvollzieh- und überprüfbar. Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Begründbarkeit von Entscheidungen zu stellen sind, ist nach den staatlichen Handlungsträgern zu differenzieren. Das Erfordernis bloß "politischer Begründbarkeit" gilt für die Dezision des Gesetzgebers. Für die Dezision der Judikative gilt im Gegensatz dazu das Erfordernis "rechtlicher Begründbarkeit". 59 Vorliegend greift das Bundesverfassungsgericht aber auf eine ausschließlich politisch begründbare Dezision zurück, die nur deshalb zur rechtlichen wird, weil das Gericht bei der Interpretation der Verfassung neue Verfassungsaussagen entdecken kann, die sich sowohl auf den Inhalt der existierenden Verfassungsauslegung als auch auf die Standards der Methodenlehre erstrecken. 60 Gleichwohl macht der Senat bei der Ableitung des Grundsatzes der Staatsfreiheit die Prognose einer gesellschaftlichen Entwicklung zur Tragsäule seiner Entscheidung. Damit greift er auf ein Mittel der gesetzgeberischen Dezision zurück. 4. Die Erforderlichkeit der Feststellung der Funktionsbeeinträchtigung Parteiensystems zur Schaffung der Entscheidungsvoraussetzungen Für den Senat gebietet es die Verfassung nunmehr, die Parteien durch eine bestimmte Finanzierungsweise vor Funktionsbeeinträchtigung zu schützen.61 Bemerkenswert sind die Voraussetzungen, die nach Ansicht des Gerichts dem 5 5

W. Geiger, Jur. Studiengesellschaft Hannover, H. 3, S. 5 (8). In diesem Sinne: U. Fink, Selbstbestimmung, S. 38 f. 57 W. Geiger, Jur. Studiengesellschaft Hannover, H. 3, S. 5 ( 11 ). 58 So auch W. Geiger, Jur. Studiengesellschaft Hannover, H. 3, S. 19. 5 9 M. Kriele, NJW 1976, III (778). Siehe hierzu bereits o. S. 95 f. 6 0 Siehe dazu: J. Isensee, HStR, VII, § 162 Rn. 86. 61 Siehe o. S. 108 f. Ob und inwieweit das Grundgesetz die Funktionsfähigkeit der Parteien garantiert, soll im einzelnen an anderer Stelle behandelt werden. Siehe dazu u. S. 169 ff. 5 6

des

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

verfassungsverwehrten Zustand zugrunde liegen. Ist die Argumentation des Senats schon insofern auf Sand gebaut, als die einzelnen Begründungsschritte für sich genommen Anlaß zu Bedenken geben62, so muß erst recht die Verknüpfung dieser Einzelschritte Kritik hervorrufen. Über die Herstellung des Kausalzusammenhangs zwischen Ansehensverlust der Parteien und Dysfunktionalisierung der gesamten von Parteien geprägten repräsentativen Demokratie werden die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien als verfassungsrechtliche Vorgabe und eine befürchtete Steigerung ihres Ansehensverlusts als mißbilligenswertes Phänomen der Wirklichkeit miteinander verwoben. Das der Verfassung entnommene Gegenmittel ist die konkrete absolute Obergrenze. Gerade diese Herstellung eines Zusammenhanges zwischen den für sich bereits fragwürdigen Einzelvoraussetzungen kann das verfassungsrechtlich abwehrfähige Resultat, die Funktionsbeeinträchtigung des von Parteien geprägten politischen Systems, begründen. Damit schafft sich der Senat über die Verknüpfung von für sich betrachtet verfassungsrechtlich irrelevanten Vorgaben ein letztlich verfassungsrechtlich abwehrfähiges Rechtsgut, nämlich die Funktionsfähigkeit der Parteien. 63 Auf diese Weise führt er die Voraussetzungen für die Legitimation des methodisch nicht herleitbaren Abwehrmittels der konkreten absoluten Obergrenze herbei. Angesichts des unkonventionellen Vorgehens des Senats ist darauf hinzuweisen, daß auch theoretisch ausschließlich das Abstellen auf die drohende Dysfunktionalisierung des Parteienstaates die absolute Obergrenze in ihrer konkreten Form rechtfertigen kann. Der Satz: "Der Staat darf den Parteien nicht mehr zuwenden, als sie unter Beachtung des Gebots sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel ... zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen"64, beinhaltet für sich betrachtet lediglich eine Verpflichtung der staatlichen Handlungsträger auf das Verfassungshaushaltsrecht. Sie kann die methodisch nicht herleitbare absolute Obergrenze nicht hinreichend rechtfertigen, weil die Nichteinhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots zwar einen Verfassungsverstoß, aber keine direkte Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Staates bedeutet und damit keinen rechtlich konkret abwehrfähigen Schaden begründet, der darüber hinaus groß genug wäre, um die Rechtsfolge der absoluten Obergrenze verfassungsrechtlich rechtfertigen zu können.65 Demgegenüber würde die Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystems im Parteienstaat einen durchaus ernstzunehmenden Schaden für die Demokratie bedeuten. Insofern läßt sich über diese Befürchtung einer Ausnahmesituation das Verlassen des methodisch

6 2

Siehe hierzu o. S. 113 ff. Siehe zu der Frage, inwiefern es sich bei "den Parteien" tatsächlich um ein Schutzgut der Verfassung handelt, eingehend u. S. 164 ff. 6 4 BVerfGE 85, 264 (290). 6 5 Siehe zu dem seitens des Gerichts insofern erwarteten Notstand o. S. 114. 63

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

119

gangbaren Weges als ultima ratio erklären und gegebenenfalls auch damit legitimieren. 66

I I . Der Schutz der Parteien vor den Parteien als Konsequenz des besonderen Vorgehens des Senats Bevor auf eine Legitimation des bundesverfassungsgerichtlichen Vorgehens eingegangen wird, ist auf Konsequenzen hinzuweisen, die das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien mit sich bringt. Diese hängen damit zusammen, daß der Senat es im Sinne des Staatswohls für erforderlich und geboten hält, die Parteien vor ihrem Hang zu ansehensmindernder Selbstbedienung zu schützen. Nach Ansicht des Gerichts droht den Parteien ein zur Funktionsbeeinträchtigung des Systems führender Ansehensverlust für den Fall, daß beim Bürger der Eindruck entsteht, diese "'bedienten' sich aus der Staatskasse"67. Der an dieser Stelle im Urteil gewählte Konjunktiv darf nicht irritieren. An dem Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhinderung der Gefahr bereits im Zeitpunkt der Entscheidung vermag auch die im Konjunktiv gehaltene Formulierung nichts zu ändern, die sich davor verwahrt, den Parteien direkt eine Selbstbedienung vorzuwerfen und das Problem unmittelbar beim Bürger sieht, bei dem dieser - möglicherweise auch unberechtigte (?) - Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität entstehen könne.68 Der Senat spricht an dieser Stelle folgerichtig und zu Recht nicht - wie im vorangegangenen Satz 69 - vom Staat, sondern von den Parteien 70 als den Handelnden. Er setzt damit zutreffend nicht beim Gesetzgeber, sondern bei den Parteien an. Es ist offensichtlich, daß im Rahmen der Entscheidung des Abgeordneten für eine übergebührliche Parteienfinanzierung das Parteimitglied in diesem die Entscheidung trifft, während der durch den Amtseid auch auf die bestmögliche Verwirklichung der verfassungshaushaltsrechtlichen Vorgaben verpflichtete Parlamentarier schweigt. Dies macht deutlich, daß der Senat, will er die staatliche Mittelzuwendung durch die absolute Obergrenze eindämmen, letztlich nicht einen Schutz des Staates vor den Parteien, sondern einen Schutz der Parteien vor den Parteien bewirken muß. Dies ist prinzipiell nichts Neues. Ein Schutz der Parteien vor den Parteien ist jeder Form der Begrenzung 6 6 6 7 6 8 6 9 7 0

Siehe dazu u.S. 163 ff. BVerfGE 85, 264 (290). BVerfGE 85, 264 (290). "Der Staat darf...". "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich...".

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

staatlicher Parteienfinanzierung eigen. Insbesondere die sachliche Begrenzung der Parteienfinanzierung auf Wahlkampfkostenerstattung zeitigte diese Konzequenz. Dennoch unterscheidet sich das Teilallgemeinfinanzierungsmodell in seiner diesbezüglichen Qualität grundlegend vom zuvor vertretenen Dogma der Wahlkampfkostenerstattung. Unter der Geltung dieses Ansatzes sollte die konkrete Höhe der zuwendbaren Mittel nicht begrenzt sein. Die Entscheidung hierüber konnte und sollte im Rahmen des freien Mandats getroffen werden. 71 Diese Entscheidungsmöglichkeit versucht das Gericht unter Geltung der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption einzuschränken. An die Stelle der freien, dem Gewissen überantworteten Entscheidung setzt der Senat eine konkrete absolute Obergrenze. Damit will er verhindern, daß die Parlamentarier ihren Parteien mehr Geld zuwenden als deren Funktionserhaltung erfordert und zugleich verkraftet. Insbesondere die Erkenntnis, daß der Staat über die Vorgabe einer festen Grenze dazu gebracht werden muß, den Parteien nur so viel Haushaltsmittel zuzuwenden wie das Parteiensystem benötigt und insbesondere nicht mehr als es verkraftet, macht die neue Qualität des Grundsatzes der Staatsfreiheit aus.

I I I . Die Wirkungsweise des Gebotes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien Damit ist das Ziel des Senats definiert, das darin liegt, die Parteien durch die Festlegung der absoluten Obergrenze zur Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit zu zwingen. Im folgenden ist der Frage nachzugehen, wie dieses Ziel nach der Konzeption des Gerichts erreicht werden soll. /. Die Gewichtung von Umfangsbegrenzung Art und Weise der Mittelverteilung

und

Der Senat will die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien über zwei Mechanismen bewirken. Zum einen über die relative und absolute Obergrenze als Umfangsbegrenzungsmaßnahmen [VS.* I ] 7 2 , zum anderen über die erfolgsgebundene Art und Weise der Mittelverteilung [VS.* 2 ] . 7 3 Diese aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] abgeleiteten Parameter sind von unterschiedlichem Gewicht für die Wirksamkeit der Teilallgemeinfinanzierungskon71 7 2 73

Siehe BVerfGE 20, 56 ( 118 f.). Siehe o. S. 88 ff. Siehe o. S. 102 ff.

1. Kapitel : Verfassungs vorgaben

121

zeption. Es gilt das Verhältnis dieser Umsetzungsmechanismen zueinander zu bestimmen. Die Art und Weise der Mittelverteilung stellt eine Lenkungsmaßnahme dar, die auf den Subventionseffekt einer erfolgsorientierten Mittelverteilung baut. 74 Parteien, die größere Erfolge bei ihrer Anhängerschaft erreichen als andere, sollen ihren Erfolg honoriert erhalten. Daher müssen die dem Staat für die Parteienfinanzierung zur Verfügung stehenden Ressourcen in Höhe von D M 230 Mio. erfolgsabhängig verteilt werden. Die Höhe der Zuwendung muß sich nach dem Erfolg der Parteien bei Wählern, Mitgliedern und Spendern richten. 75 Dieser Modus für die Mittelverteilung allein kann aber die Ansehenssteigerung der Parteien nicht bewirken. Nach der Logik des Urteils steigt diese aufgrund der in der Bevölkerung insgesamt als überhöht und gemeinwohlwidrig empfundenen Parteienfinanzierung. Die bloße Erfolgsbindung der Zuwendungen kann diesem Problem nicht abhelfen. Sollte sich das Volumen der staatlichen Parteienfinanzierung weiter erhöhen, so wird dem Eindruck der Selbstbedienungsmentalität nicht dadurch entgegen gewirkt werden können, daß die überhöhten Zuwendungen immerhin erfolgsgebunden ausgeschüttet werden. Um die gebotene Ansehenssteigerung der Parteien zu bewirken, ist also ein konkreter Absolutplafond erforderlich. Nur dieser kann sicherstellen, daß die staatliche Parteienfinanzierung insgesamt hinter der Grenze der Selbstzersetzung der Parteien zurückbleibt. Damit wird aber deutlich, daß die absolute Umfangsbegrenzung die tragende Säule des Teilallgemeinfinanzierungsmodells ist. 76 Wird sie überschritten, dann ist das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien unterlaufen. Ihre "Funktion einer zum Sparen zwingenden Grenze" 77 kann die absolute Obergrenze aber nur dann erfüllen, wenn sie zum einen konkret festgelegt ist, und zum anderen, wenn sich der Gesetzgeber an diese Grenze gebunden fühlt. 2. Die Idee einer konkreten Grenze Daß die absolute Obergrenze ihre finanzierungshemmende Wirkung nur entfalten kann, wenn sie neben ihrer Verpflichtung zur NichtÜberschreitung des Status Quo auch eine konkrete Zahl für dessen Höhe vorgibt, liegt auf der Hand. Ein offengelassener Spielraum bezüglich der Frage der zulässigen Höhe 7 4

Siehe dazu J. ipsen, JZ 1992, 753 (757). BVerfGE 85, 264 (292). Siehe hierzu o. S. 102 ff. 7 6 So namentlich auch die Einschätzung der Expertenkommission von 1993: "Als Bremse soll nunmehr ersichtlich insbesondere die absolute Obergrenze einer staatlichen Parteienfinanzierung (...) wirken, die deren Umfang auf den inzwischen erreichten, durchaus unterschreitbaren Höchststand einfriert." Siehe Bericht 93, S. 29. 77 Bericht 1993, S. 29. 75

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

würde den in eigener Angelegenheit entscheidenden Parlamentariern die Möglichkeit geben, das Einfrieren der Staatszuwendungen beim Status Quo 1992 zu vereiteln. Geschähe dies, dann wäre das gesamte Teilallgemeinfinanzierungsmodell seiner Grundlage beraubt. Dem Gedanken einer konkreten Grenze könnte indes eine Wendung im Urteil entgegenstehen, wonach es dem Gesetzgeber gestattet ist, das Gesamtvolumen der staatlichen Zuwendungen bei einschneidender Veränderung der Verhältnisse zu erhöhen. 78 Allerdings sind damit nach der Aussage des Berichterstatters besondere, objektive Ereignisse außerhalb des Einflußbereichs des Gesetzgebers gemeint.79 Könnte dieser auf hierdurch bedingte Veränderungen nicht reagieren, so wäre er gezwungen, die staatlichen Zuwendungen an Parteien unter den Status Quo des Jahres 1992 sinken zu lassen. Dies jedoch widerspräche dem Urteil. In dessen Absicht lag es, "den Parteien das zu belassen, was ihnen in dem vergangenen Vierjahreszeitraum zustand."80 Damit wird deutlich, daß die Anhebung des Gesamtvolumens nur dazu erfolgen darf, die Aufrechterhaltung des Status Quo zu gewährleisten. Hiermit wird dem Gesetzgeber aber kein Gestaltungsspielraum eröffnet. Es wird lediglich sicher gestellt, daß dieser nicht durch den Eintritt außergewöhnlicher Ereignisse dazu gezwungen wird, den Parteien weniger zuzuwenden, als diesen von 1989 bis 1992 zustand. Gegen eine konkret gezogene Grenze könnte bei erstem Hinsehen ferner sprechen, daß das Gericht es dem Gesetzgeber nicht untersagt hat, einen Index festzulegen, der eine automatische Anpassung der absoluten Obergrenze ermöglicht. 81 Bei näherer Betrachtung erweist sich aber, daß auch hierdurch nur die Aussage des Senats untermauert wird, daß der Status Quo von 1992 das verfassungsgebotene Maß darstellt. Auch mit den geldwertbedingten Anhebungen dürfen nämlich lediglich Unwägbarkeiten abgefedert werden, die die Parteien auf Zahlungen unterhalb einer Grenze verweisen würde, die im Jahr 1992 einem Wert von D M 230 Mio. entsprochen hätten. Es zeigt sich also, daß dem Gesetzgeber nur dem Anschein nach eine Gestaltungsmöglichkeit belassen wurde. Tatsächlich stützt der Senat jedoch sein Konzept ab, wonach der Status Quo von 1992 die verfassungsrechtlich unbeanstandbare Zuwendungshöhe markiert. Der Berichterstatter der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1992, Bundes Verfassungsrichter H.H. Klein, befaßte sich noch nachträglich mit der Frage, wie konkret die ab7 8

BVerfGE 85, 264 (291). Der Berichterstatter nennt die Vergrößerung des Wahlgebietes nach dem Beitritt der ehemaligen DDR, Bl. 745 der Verfahrensakte. Siehe zum Fall der einschneidenden Veränderung auch: W. Kaltefleiter/ K.H. Naßmacher, ZParl 1994, 253 (256). 8 0 So der Berichterstatter in einer Mitteilung an die Senatsmitglieder auf Bl. 743 der Verfahrensakte. 81 BVerfGE 85, 264 (291). 7 9

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

123

solute Obergrenze ist, in einem Rundschreiben an die Senatsmitglieder, das der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte beilag. 82 In dem Schreiben vom 26.05.1992 ging es um die Beantwortung einer Anfrage des Leiters des Parteienfinanzierungsreferats der Bundestagsverwaltung vom 19.05.1992, in der dieser den Senat um Hilfe bei der "ordnungsgemäßen Umsetzung des Urteils"83 gebeten hatte. Die Ausführungen des Richters zu dieser Frage lauten wie folgt: "Insgesamt will ich nicht verschweigen, daß nach meiner Ansicht die verfassungsrechtliche Begründung der 'absoluten Obergrenze' mitnichten so präzise ist, daß daraus eine summenmäßig exakte Höchstgrenze staatlicher Zuwendungen an Parteien abgeleitet werden kann - ein Rahmen gewiß! Daß aber das Bundesverfassungsgericht zu einem späteren Zeitpunkt dem Gesetzgeber vorrechnete, 250 Mio. DM/Jahr wären verfassungsgemäß gewesen, 260 Mio. aber nicht, kann ich mir nicht vorstellen." 84 Gewiß ist also - nach den Worten des Berichterstatters - die Festlegung eines Rahmens, der Schwankungen von einigen Millionen Mark abfedert. Bereits der Festlegung eines derartigen Rahmens ist aber entgegenzuhalten, daß das Grundgesetz für keinerlei Summenvorgaben - also auch für nicht summenmäßig exakte Rahmenvorgaben - einen Ansatz bietet und sich zu D M 260 Mio. und zu D M 250 Mio. so beharrlich ausschweigt, wie zu jeder anderen Zahlenvorgabe. Allerdings überzeugt die Aussage, daß sich aus den Ausführungen zur absoluten Obergrenze lediglich eine Rahmenvorgabe ableiten lasse, nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum die seitens des Gerichts auf Seite 291 f. des Urteils vorgegebenen Summanden nicht die Errechnung einer exakten Zahl erlauben. 85 Spätestens nach Vornahme der geleisteten Umsetzungshilfe, in deren Rahmen verbliebene Unklarheiten beseitigt wurden 86 , sind die Summanden, aus denen sich die absolute Obergrenze errechnen läßt, genau bestimmt. Die Unwägbarkeiten, die einer exakten Berechnung entgegenstanden, waren damit ausgeräumt, und das Parteienfinanzierungsreferat der Bundestagsverwaltung konnte sie auf D M 230.000.051,2887 beziffern. Daß das Gericht im Ergebnis darauf verzichtet hat, die Zahlengrenze selbst auszurechnen und sich

82 Deren Einsichtnahme war dem Verfasser auf Anfrage vom Vorsitzenden des Zweiten Senats gestattet worden. 83 Bl. 715 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. 8 4 Bl. 744 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. Hervorhebung hinzugefügt. 85 In diesem Sinne auch H Hofmann , NJW 1994, 691 (694). 86 Bl. 715 der Verfahrensakte. 87 Siehe Tabelle 21 in Anhang an den Bericht 93. Dort läßt sich die konkrete Berechnung der absoluten Obergrenze problemlos nachvollziehen.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

darauf "beschränkte", die Summanden exakt vorzugeben88 sowie auf Anfrage die noch verbliebenen Unklarheiten für die endgültige Festlegung der entscheidenden Parameter ausräumte, kann nicht anders als die Festlegung einer konkreten Zahl gewertet werden. 89 Zur Untermauerung der hier vertretenen konkreten Ziehung einer absoluten Obergrenze durch das Gericht läßt sich nicht zuletzt das - nach Rücksprache mit den Mitgliedern des Senats versandte - offizielle Antwortschreiben des Berichterstatters vom 05.06.1992 an das Parteienfinanzierungsreferat heranziehen. Dort heißt es: "Die Festlegung der 'absoluten Obergrenze' auf S. 34 f . 9 0 des Urteils vom 9. April 1992 ist genau zu nehmen. Dem Gesetzgeber bleibt insoweit allenfalls ein eng bemessener Gestaltungsspielraum. Eine Überschreitung des an der genannten Stelle gesetzten Rahmens kann nur bei Eintreten außerordentlicher Umstände ('einschneidende Veränderung der Verhältnisse') in Betracht kommen."91 An einer anderen Stelle des Schreibens heißt es: "Die im Urteil vom 9. April 1992 (S. 3 5 ) 9 2 genannten Zahlungen bestimmen die absolute Obergrenze abschließend."93 Angesichts dieser abschließend bestimmten, exakten Festlegung der Berechnungsparameter dürfte sich dieser "allenfalls eng bemessene Spielraum" empfindlich nah gegen Null bewegen. 3. Die Idee einer bindenden Grenze Der Erfolg der Umfangsbegrenzungsvorgäbe [VS.* 1] lebt weiterhin davon, daß die vorgegebene Höchstgrenze vom Gesetzgeber eingehalten wird. Damit ist die Frage nach der Bindungswirkung der konkreten absoluten Obergrenze aufgeworfen. Eine Bindung des Gesetzgebers an eine exakte Vorgabe kann das Bundesverfassungsgericht durch eine Vollstreckungsanordnung erreichen. Derartige Vollstreckungsanordnungen sind gemäß § 35 BVerfGG als für einen Übergangszeitraum geltendes ein-

88

Vgl. die Ausführungen des Senats in BVerfGE 85, 264 (291). So auch H. Hofmann, DÖV 1994, 504 (506): "Das Gericht hat diese Grenze selbst ermittelt...". Siehe hierzu bereits o. S. 99 ff. 89 Für eine konkret festgelegte absolute Obergrenze auch H. Sendler, NJW 1994, 365 (365); V. Schütte, ZParl 1994, 262 (263); ähnlich auch W. Kaltefleiter/K.-H. Naßmacher, ZParl 1994, 253 (256 f.); H Hofmann, NJW 1994, 691 (694); ders., DÖV 1994, 504 (509), die jedoch den Begriff "Einfrieren" wegen der noch vorhandenen Anpassungsmöglichkeiten ablehnen. Dieser Begriff findet sich demgegenüber im Bericht 93, S. 29 und bei H.-P. Schneider, Bitburger Gespräche 1993, S. 73 (78). 9 0 Diese entspricht den Seiten 291 f. im 85. Band der amtlichen Sammlung. 91 Bl. 749 der Verfahrensakte. Hervorhebungen hinzugefügt. 9 2 Diese entspricht der Seite 291 im 85. Band der amtlichen Sammlung. 9 3 Bl. 750 der Verfahrensakte.

1. Kapitel: Verfassungsvorgaben

125

fachgesetzliches Recht vom Gesetzgeber zu übernehmen. Eine Vollstreckungsanordnung liegt im Fall der absoluten Obergrenze jedoch eindeutig nicht vor. 94 Die Frage der Bindungswirkung stellt sich grundsätzlich im Geltungsbereich des § 31 Abs. 1 BVerfGG. Hiernach binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Gegenstand der Bindungswirkung95 nach § 31 Abs. 1 BVerfGG ist grundsätzlich nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die "streitgegenständliche Frage". 96 Da es sich bei der absoluten Obergrenze nicht um eine Ausführung im Rahmen der streitgegenständlichen Frage handelt, spricht viel dafür, daß es sich bei der absoluten Obergrenze um einen Bestandteil eines obiter dictums handelt.97 Ein solches entfaltet aber zumindest nach herrschender Meinung keine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG. 98 Ob die absolute Obergrenze gleichwohl Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG entfalten kann, ist schwer zu beantworten. Für M. Kriele etwa knüpft die Bindungswirkung einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung an deren Ratio an. 9 9 Da die absolute Obergrenze für die Ratio der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zweifellos tragend ist, könnte sie aus diesem Gesichtspunkt heraus Bindungswirkung entfalten. Auch von B.-O. Bryde wird betont, daß das Bundesverfassungsgericht die seiner Kompetenz gezogene Grenze "nicht nur durch obiter dicta und Einlassung auf unzulässige Fragen 9 4 Als Beispiel für die Möglichkeiten, die das Bundesverfassungsgericht dem § 35 BVerfGG abtrotzt, kann die in der Schwangerschaftsabbruchentscheidung des Zweiten Senats vom 28.05.1993 getroffene Vollstreckungsanordnung dienen, BVerfGE 88, 203 (336). Kritisch dazu: W. Geiger, JVL Schriftenreihe, Heft 10, S. 33 (64 ff.); W. Kluth, FamRZ 1993, 1382 (1388 f.). 95 Bei der Untersuchung dieser Bindungswirkung ist eigentlich wiederum zwischen den Maßgaben bezüglich der Umfangsbegrenzung und den Maßgaben bezüglich der Mittelverteilung zu differenzieren. Für den vorliegenden Gedanken der absoluten Obergrenze als Bestandteil der Umfangsbegrenzung interessiert lediglich die Bindungswirkung dieser Maßgabe. Hierbei ist das Urteil zunächst auf Anhaltspunkte für die diesbezügliche Vorstellung des Senats zu untersuchen. Vgl. zur Bindungswirkung der Maßgaben für die Mittel Verteilung, J. Ipsen, JZ 1992, 753 (760). 9 6 K. Rennert, in Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31 Rn. 71. Vgl. zur Bindungswirkung: B.-O. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 413 ff. (422); J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 127 f., 245 ff. (247); P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 f.); E. Benda , ZRP 1977,1 (5); G. Leibholz, DVB1 1974, 396 (399); M. Kriele, NJW 1976, III (778 f.) Siehe ferner zur Kategorie einer faktischen Bindungswirkung von "obiter dicta" nur J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 127 f. und 247 ff. Dazu auch W.R. Schenke, NJW 1979, 1321 (1329). 97 So ausdrücklich U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (329), der die "obiter dicta-Eigenschaft" der gesamten Ausführungen des Gerichts zu § 18 Abs. 6 PartG 1988 betont. Anders allerdings H. Sendler, Anhörung 93, S. 123, der die Bindungswirkung der absoluten Obergrenze mit Nachdruck hervorhebt: "Wenn man die Grenze (gemeint ist die absolute Obergrenze, R.S.) ernst nimmt - das ist dann sicher kein obiter dictum -, dann gehört eben alles dazu." Ihre Einhaltung bezeichnet er als vom Bundesverfassungsgericht "ausdrücklich verlangt". Siehe hierzu H. Sendler, NJW 1994, 365 (365). Hervorhebungen hinzugefügt. 98 K. Rennert, Umbach/Clemens, § 31 Rn. 71 ff. m.w.N. 99 M. Kriele, Theorie, S. 269 ff.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

überschreiten (kann), sondern zudem durch die Wahl der tragenden Begründung" 100 . Auch als integralen Bestandteil der die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption tragenden Begründung wird man die absolute Obergrenze aber fraglos begreifen. 101 Die Frage nach der gemäß § 31 BVerfGG bindenden Wirkung der absoluten Obergrenze soll an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden, weil für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Funktionserhaltungsgebots allein die Intention des Senats entscheidend ist. Die Frage, ob der Gesetzgeber eine vorgegebene Grenze tatsächlich einhält, ist zwar letztlich für den Erfolg des Teilallgemeinfinanzierungsmodells von entscheidender Bedeutung. Gleichwohl kommt es für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Umfangsbegrenzungsmaßnahme nicht darauf an, ob das Gericht die Durchsetzung der Einhaltung dieser Grenze in letzter Konsequenz mit rechtlichen Mitteln erzwingen kann. Daß der Senat die Vorgabe der konkreten absoluten Obergrenze zumindest eingehalten wissen will, belegt der an entscheidender Stelle gewählte und besonders pointierte Urteilsstil. Das Gericht verwendet bei der Festlegung der Summanden für die absolute Obergrenze Formulierungen wie: "muß ... als hinreichend angesehen werden", "Es handelt sich um...", "ist...zuzurechnen", "Mittelwert... bildet das Gesamtvolumen".102 In seinem Schreiben an die Bundestagsverwaltung führte der Berichterstatter, nachdem er mit dem Senat Rücksprache gehalten hatte, klärend aus: "Die im Urteil genannten Zahlungen bestimmen die absolute Obergrenze abschließend."103 Jedenfalls dies macht deutlich, daß die Ausführungen nicht bloß als Feststellung der Rechtslage formuliert, sondern auch so gemeint sind.

10 0 B.-O. Ery de, Verfassungsentwicklung, S. 419. Siehe zu dieser Möglichkeit auch C. Pestalozzi Verfassungsprozeßrecht, § 20 Rn. 91. 101 Siehe o. S. 120 f. 102 BVerfGE 85, 264 (291). Als Gegenbeispiel mag eine andere Passage im Urteil dienen, wo der Gesetzgeber lediglich zur Überprüfung der Erforderlichkeit der Schaffung eines Ausgleiches für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit aufgefordert wird und der Senat insofern deutlich macht, daß es in diesem Fall nicht unbedingt auf eine Bindung des Gesetzgebers ankommt. Siehe dazu BVerfGE 85, 264 (294). Zur Bedeutung der Wortwahl im Rahmen der sprachlichen Gestaltung eines Urteils, B.-O. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 374. 103 So der Berichterstatter Bundes Verfassungsrichter H.H. Klein in dem erwähnten Schreiben an das Parteienfinanzierungsreferat auf Bl. 750 der Verfahrensakte.

2. Kapitel: Verankerung in der Gesellschaft

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Dritter Abschnitt

Fazit Die Untersuchung hat ergeben, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit für das Gericht nunmehr zum einen das Gebot zur Verankerung der Parteien in der Gesellschaft und zum anderen das eines verantwortungsbewußten und wirtschaftlichen Umgangs mit öffentlichen Mitteln enthält. Letzteres verpflichtet den Staat bei der Zuwendung öffentlicher Mittel an Parteien, die Vorgaben des Verfassungshaushaltsrechts einzuhalten und hierdurch die Funktionsfähigkeit der Parteien zu sichern. Besonderheiten weist vornehmlich das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien auf. Die Untersuchung hat gezeigt, daß der Senat hierdurch insbesondere bezweckt, die Parteien vor einer Funktionsbeeinträchtigung zu schützen, die nach seiner Auffassung mit einem weiteren Ansteigen der Parteienfinanzierung notwendig verbunden ist. Das Mittel mit dem dieser Zweck erreicht werden soll, ist die konkrete absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung. Im folgenden gilt es, die drei vorgestellten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Parteienfinanzierung auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu untersuchen.

Zweites Kapitel Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Gebotes zur Sicherung der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft Ob die seitens des Bundesverfassungsgerichts festgeschriebene Verankerung der Parteien in der Gesellschaft verfassungsrechtlich geboten ist, hängt von deren Standort innerhalb des Verfassungsgefüges ab. Sollten die Parteien im Bereich der organisierten Staatlichkeit zu verorten sein, so wäre eine Aussage diesen Inhalts verfassungsrechtlich problematisch. Insofern ist der Frage nachzugehen, inwieweit das Grundgesetz von einer Unterscheidung der Bereiche von Staat und Gesellschaft ausgeht.104 Daran anschließend kann zum Standort der Parteien innerhalb des Staatsgefüges Stellung bezogen werden.

104 Namentlich nach der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 wurde in der Literatur die Aufgabe der theoretischen Unterscheidung der Trennung von Staat und Gesellschaft durch das Bundesverfassungsgericht proklamiert. So ausdrücklich von: D. Tsatsos/H.-R. Schmidt/P. Steffen, ZRP 1993, 95 (96).

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Erster Abschnitt

Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft Trotz der Verwobenheit und vielfältigen Verschränkung von Staat und Gesellschaft geht das Grundgesetz von einer theoretischen Unterscheidung dieser Bereiche aus. 1 0 5 Dies wird besonders deutlich durch die klassische Konzeption der Grundrechte als freiheitssichernde Abwehrrechte und die Funktion des Gewaltenteilungsprinzips als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips106 belegt. Die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte 107 ist nur unter Zugrundelegung einer Unterscheidung von Staat und Gesellschaft erklärbar, da sich die Abwehrrechte gegen den Staat richten 108 und Eingriffe denknotwendig nur dann möglich sind, wenn sie einem Eingreifenden zugeordnet werden können, der vom Betroffenen unterscheidbar ist. 1 0 9 Der Bürger kann sich mit seinem Abwehrrecht nicht gegen sich selbst richten. Dies ist nicht nur logisch undenkbar, sondern widerspricht insbesondere der Konzeption des Art. 20 Abs. 2 GG. Wenn der Staat die Freiheit des Einzelnen beschränkt, so übt er zugleich Macht über diesen aus. Da Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG die Staatsgewalt allein in die Hand des Volkes legt, geschieht dies allerdings nicht aus einem ÜberUnterordnungsverhältnis heraus. Gleichwohl wird diese Macht durch den Staat ausgeübt, der sich insofern vom Volk unterscheidet. Dies zeigt Art. 20 Abs. 2 GG, der zwischen den staatlichen Handlungsträgern einerseits als den gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG "die Staatsgewalt Ausübenden" und dem Volk als dem "Quell der Staatsgewalt" andererseits, differenziert. Gerade weil das Grundgesetz die "staatliche Herrschaft zwar auf das Volk zurückführt, aber nicht von ihm ausüben läßt" 110 , geht es nicht von einer Identität von Regierenden und Regierten aus 1 1 1 , die die These von der Entbehrlichkeit eines 105 Siehe zu dieser herrschenden Auffassung nur: E.W. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 209 ff.; H.H. Klein, Die Grundrechte, S. 47 ff.; ders., Aus Pol. & ZG 1974/50, S. 3, (8); ders., Forsthoff-FS, S. 165 (169); ; B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 31 ff.; R. Herzog in M/D Art. 20 Abs. 1, Rn. 48.; G. König, Verfassungsbindung, S. 17 ff.; W. Henke, NVwZ 1985, 616 (618); D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 323-325; H.H. Rupp, HStR. I, § 28 Rn. 17 ff. 106 Siehe dazu u. S. 140 ff.; ferner H.H. Klein, Aus Pol. & ZG 1974/50, S. 3, (9); ders., JZ 1990, 53 (59); G. König, Verfassungsbindung, S. 19 f.; B. Kempen, Formen wahlfreiheit, S. 31.; M. Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), 63 (65). 107 Siehe dazu nur G. Jellinek, Staatslehre, S. 419 f.; vgl. zum frühen geistesgeschichtlichen Hintergrund nur: H. Schiedermair, Das Phänomen der Macht und die Idee des Rechts bei Gottfried Wilhelm Leibniz, S. 122 f. 108 Dazu K.H. Friauf DVB1 1971, 674 (675 f.); B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 31. 109 U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 92. 110 D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 323. 111 AK-Stein, Bd. I, S. 1271 f.

2. Kapitel: Verankerung in der Gesellschaft

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Dualismus von Staat und Gesellschaft stützen könnte. Insofern ergibt sich die Idee des Dualismus von Staat und Gesellschaft aus der Idee der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes, welches die Differenzierung zwischen Ursprung der Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG und Ausübung der Staatsgewalt gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG vorgibt. 112 Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ist freilich nicht als räumliche Trennung der beiden Bereiche zu denken. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein Verhältnis, das sich durch eine vielfältige Wechselseitigkeit auszeichnet113, die auch die Verwobenheit von Volks- und Staats Willensbildung erfaßt. 114 Diese Wechselseitigkeit besagt aber nicht, daß die Vor-aussetzungen einer Unterscheidung nicht vorliegen. 115 Nichts anderes ergibt sich aus der Parteienfinanzierungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1992, das nunmehr von einem wechselseitigen Prozeß von Volks- und Staatswillensbildung als eines in beide Richtungen, also "von unten nach oben und von oben nach unten", verlaufenden Prozesses ausgeht.116 Der Senat betont, daß die Parteien den Bürgerwillen gegenüber den Staatsorganen zur Geltung zu bringen haben 117 und stellt damit auch weiterhin Staat und Gesellschaft einander gegenüber. Dieses Erfordernis einer Vermittlung macht nur Sinn, wenn sie zwischen zwei Sphären stattfinden kann, die sich grundsätzlich unterscheiden.118 Verfassungsrechtlich sicherlich unzutreffend ist daher die Aussage: "Das Bundesverfassungsgericht hat in der Parteienfinanzierungentscheidung von 1992 die "theoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ... 1 1 9 aufgegeben." 120 Genauso wenig haltbar ist die Schlußfolgerung: "Also bleibt es dabei: Die Parteiinstitution nach Art. 21 GG stellt gerade die Überwindung der Trennung von Staat und Gesellschaft dar." 121

112

Dazu B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 35 f. Vgl. aus der Lit. statt vieler: H.H. Klein, Aus Pol. & ZG 1974/50, S. 3, (8); ders., Die Grundrechte im demokratischen Staat, (1972), S. 47 ff.; B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 33; G. König, Verfassungsbindung, S. 19. 114 BVerfGE 20, 156 (114); 44, 125 (139 f.); 73, 40 (85); 85, 264 (284 f.); H.H. Klein, Aus Pol. & ZG 1974/50, S. 3, (8); K. Stern, StR I, S. 459; D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 327; B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 35; G. König, Verfassungsbindung, S. 19. 115 H.H. Klein, Die Grundrechte, S. 51 \ders., Forsthoff-FS. (1972), 165 (169); B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 35; G. König, Verfassungsbindung, S. 19. 116 BVerfGE 85, 264 (284 f.). 117 BVerfGE 85, 264 (286). 118 Siehe zu einer möglichen gegenläufigen Konsequenz u. S. 227 f. 119 "... gemeinsam mit dem Dogma der Wahlkampfkostenerstattung ..." 120 D. Tsatsos/H.-P. Schmidt/R. Steffen, ZRP 1993, 95 (96). 121 D. Tsatsos/H.-P. Schmidt/R. Steffen, Jura, 1993, 194 (246). 113

9 Schwartmann

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Die Zugrundelegung des verfassungsrechtlichen Erfordernisses einer Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ist auch in der Lehre herrschend und wird mit den unterschiedlichsten Begründungen verfochten, unter Hinweis auf Art. 1 GG gar als "Gegenstand der unantastbaren Fundamentalnormen des Grundgesetzes" 122 aufgefaßt. So wird die Trennung von Staat und Gesellschaft nur vereinzelt bestritten 123. Den Verfechtern dieser Auffassung ist aber entschieden entgegenzutreten, da sie sich, wie gezeigt, "über ... die gewollte strukturelle Unterschiedenheit von Staat und Gesellschaft, damit über die erkennbaren Absichten des Verfassungsgebers 124 hinweg(setzen)."125 Zweiter Abschnitt

Der Standort der Parteien im Verfasstmgsgefüge Steht damit fest, daß sowohl die Verfassung als auch das Bundesverfassungsgericht nach wie vor von einer Unterscheidung von Staat und Gesellschaft ausgehen, so bleibt zu untersuchen, welchem dieser Bereiche die Parteien zugeordnet sind. Hierüber gibt Art. 21 GG Auskunft.

A. Die Aussage des Art. 21 GG Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG schreibt die Freiheit der Gründung der Parteien vor. Sie sollen als Vereine 126 mit dem Vereinszweck der Verfolgung politischer Ziele und der Ausrichtung auf die Beteiligung an Wahlen von jedermann gegründet werden können. Daß das Grundgesetz eine derartige Vereinsgründung 122

R. Herzog in M/D Ait. 20 Abs. 1, Rn. 48. Jüngst erst unter Bezugnahme auf die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 von D. Tsatsos/H.-P. Schmidt/R. Steffen, Jura, 1993, 194 (246), dies., ZRP 1993, 95 (96). Zuvor etwa: H. Ehmke, in: Smend FG S. 23 (24 f.); ders., Wirtschaft und Verfassung, S. 5; K.H. Naßmacher, Aus Pol. & ZG 1984/B 8, 27 (31). 124 So ausdrücklich auch H. Ridder, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften im Sozialstaat nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, 1960, S. 17. Zur Erforderlichkeit der Trennung von Staat und Gesellschaft ebda., S. 16 f., 18 f. 125 H.H. Klein, Forsthoff-FS 1972, 165 (171). Ein näheres Eingehen auf die differenzierten Begründungen für die Unterscheidbarkeit erweist sich wegen der übereinstimmenden Ergebnisse im vorliegenden Zusammenhang als entbehrlich. Siehe etwa: E.W. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 209 ff.; H.H. Klein, Die Grundrechte, S. 47 ff.; ders., Aus Pol. & ZG 1974/50, S. 3, (8); ders., in Forsthoff-FS, S. 165 (169); ; B. Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 31 ff.; R. Herzog, M/D Art. 20 Abs. 1, Rn. 48.; G. König, Verfassungsbindung, S. 17 ff.; W. Henke, NVwZ 1985, 616 (618); D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 323-325; H.H. Rupp, HStR. I, § 28 Rn. 17. 126 Zur Rechtsform der Parteien als privatrechtliche Vereine und den Besonderheiten: K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 110 ff.; H. Maurer, JuS 1991, 881 (887 ff.). P. Badura, HStR I, § 23, Rn. 32. 123

2. Kapitel: Verankerung in der Gesellschaft

131

im Bereich der organisierten Staatlichkeit zulassen wollte, ist angesichts des fest umschriebenen numerus clausus der Staats- und Verfassungsorgane schwer vorstellbar. Die Parteigründungsfreiheit legt vielmehr den Schluß nahe, daß der Idee des Grundgesetzes eine Parteigründung im gesellschaftlichen Raum und auf der Basis des privaten Rechts zugrundeliegt. Hierdurch soll es Teilen des Volkes, die ein gemeinsamer politischer Wille verbindet, ermöglicht werden, sich in einer Partei zu organisieren, um so politisch wirksam handeln zu können. 1 2 7 Gegen eine Verortung der Parteien innerhalb des Bereiches der organisierten Staatlichkeit spricht auch das in Art. 21 Abs. 2 GG vorgesehene Verbot von Parteien, die verfassungswidrige Ziele erstreben. Das Parteienprivileg ist seiner Intention nach auf Schutz der Parteien und auf die Wahrung ihrer Freiheit angelegt. Ein in Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG vorgesehener Schutz der Parteien vor voreiligen staatlichen Parteiverboten ist nur sinnvoll, wenn die Parteien der Gesellschaft zuzuordnen sind. Auch die Vorgaben in Art. 21 Abs. 1 S. 3 und 4 GG machen nur Sinn, wenn man die Parteien verfassungsrechtlich im Bereich der Gesellschaft ansiedelt. Wären diese der organisierten Staatlichkeit zuzuordnen, so würde den dort von der Verfassung getroffenen Aussagen insofern kein eigener Aussagegehalt zukommen, als der Staat ohnehin sowohl auf demokratische Grundsätze als auch auf öffentliche Rechenschaftslegung über Vermögen und Mittel Verwendung verpflichtet ist. Damit macht das Grundgesetz in Art. 21 Abs. 1 S. 1 die Parteien zwar zu Bestandteilen der politischen Verfassungsordnung, gibt aber nichts für eine Einbeziehung in den Staat und wenig für die Art und Weise der normativen Einbeziehung in das Verfassungsgefüge her. 1 2 8 Diesem Befund entspricht die Funktion der Parteien. Wenn Demokratie eine Form politischer Herrschaft oder Herrschaftsorganisation darstellen soll, dann ist es unerläßlich, daß sie eine Entscheidungs- und Wirkungseinheit bildet und ein System hervorbringt, welches zumindest eine relative Willensvereinheitlichung verwirklichen kann. 1 2 9 Diese Funktion wird unter der Geltung des Grundgesetzes von den Parteien wahrgenommen 130, weil diese "den Willen des Volkes gegenüber den Staatsorganen zur Geltung zu bringen und auf diese Weise zu verwirklichen" 131 haben. Gleichwohl verbietet die parteienstaatliche Demokratie des Grundgesetzes die Einfügung der Parteien in den Bereich der organisierten Staatlichkeit.132 Entsprechend des Kerns des grundgesetzlichen 127

K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 78. K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 78. 129 So H. Heller, Demokratie und soziale Homogenität, S. 10. 130 D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 323. 131 H Schiedermair, AÖR 104 (79), 200 (204 f.). 132 H. Schiedermair, AÖR 104 (79), 200 (205). In diesem Sinne auch G. Haverkate, Gegenseitigkeitsordnung, S. 343. 128

9*

132

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Bildes vom Wesen der Parteien ermöglichen diese die "politische() Selbstgestaltung des Volkes" 133 . Die vielfältige Verwobenheit von Staat und Gesellschaft und damit auch von Staat und Parteien steht dem Erfordernis und der Möglichkeit einer Zuordnung der Parteien ausschließlich in den Bereich der Gesellschaft nicht entgegen. Diese wirken zwar intensiv auf die Willensbildung in den obersten Staatsorganen ein und leben mit ihnen teilweise in der gemeinsamen Sphäre höchster politischer Willensbildung. Die Parteien erlassen aber keine Gesetze, fällen keine für den Staat oder die staatlichen Amtsträger verbindlichen Beschlüsse oder gar Urteile, noch treffen sie in sonstiger Weise staatliche Maßnahmen. Sie nehmen also dem Staat dienende Aufgaben wahr, ohne diesem anzugehören. Die Parteien treten im Rahmen ihrer Einwirkung auf die Staatswillensbildung damit an die Schwelle der Staatsorgane und Ämter und senden ihr Personal und ihren politischen Willen über die Schwelle des Staates in den Bereich der organisierten Staatlichkeit hinein. Rechtlich betrachtet können sie jedoch nicht in diesen Bereich eindringen. 134 Den Parteien ist damit zwar das Einwirken auf die Staatswillensbildung, nicht aber das Mitwirken daran erlaubt. Ein Mitwirken der Parteien kennt die Verfassung, wie sich aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ergibt, in deren eigenen Sphäre der Volkswillensbildung.135 Dies hat insofern seinen guten Grund, als die Parteien dem Volk nur dann Einfluß auf die staatlichen Entscheidungen verschaffen können, wenn sie diesem nicht selbst angehören 136 und ihn damit rechtlich betrachtet aus einer Distanz mit der Seele und im Interesse des Volkes auf das Gemeinwohl verpflichten können.

B. Inkurs: Die "Parteienstaatslehre" von Gerhard Leibholz und deren Auswirkungen Obwohl das Grundgesetz nach dieser Auslegung bereits in Art. 21 eine recht eindeutige Aussage über die Zuordnung der Parteien zur Gesellschaft enthält, wurde diese namentlich von G. Leibholz lange Zeit bestritten 137 und der Versuch unternommen, der Verfassung die Sanktonierung einer Parteienherrschaft zu entnehmen.

133

H. Krüger, VVDStRL 17 (1959), 103 (106), (Aussprache). Dazu BK-Henke § 21 Rn. 71. 135 Siehe zur Auslegung der Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG eingehend: R. Köppler, Mitwirkung, S. 38 ff. 136 Siehe dazu KH. Seifert, Politische Parteien, S. 79. 134

2. Kapitel: Verankerung in der Gesellschaft

133

I. Die Konzeption der repräsentativen Demokratie nach G. Leibholz Der leibholzschen Auffassung 138 lag ein besonderes Verständnis der Repräsentation zugrunde. Weil die Wirklichkeit des Grundgesetzes den "ParteienStaat" sanktioniert habe und dieser der Idee der Repräsentation unversöhnbar gegenüberstehe139, sei mit Aufnahme des Art. 21 in das Grundgesetz das Prinzip der Repräsentation durch das der Identität abgelöst worden. 140 Konsequenz dessen sei ein System der Identität von Staat, Parteien und Volk, durch das die Macht im Rahmen einer unmittelbaren Demokratie 141 ausgeübt werde. Diese zeichne sich durch die zwangsläufige Unmöglichkeit der Differenzierung zwischen "Parteimehrheitswillen" und "volonté générale der Volksgemeinschaft" 142 aus und sei in der "verfassungsmäßigen Legitimierung der Parteienherrschaft" grundgesetzlich sanktioniert. 143 Der moderne Parteienstaat ist nach der leibholzschen Konzeption seinem Wesen nach und von seiner Struktur her "eine rationalisierte Erscheinungsform der plebiszitären Demokratie, oder wenn man will, ein Surrogat der direkten Demokratie im modernen Flächenstaat".144 In dieser Form der unmittelbaren Demokratie ist Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in seiner Funktion dazu verkümmert, äußerste Konsequenzen eines massendemokratischen Parteienstaates abzuwenden.145 Insbesondere in diesem Verständnis der für die Idee der Repräsention nach dem Grundgesetz fundamentalen Norm des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG wurde der leibholzschen Konzeption bereits früh ein Widerspruch nachgewiesen und diesem überzeugend entgegengehalten, daß er mit seinem Repräsentationsverständnis dem mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG formulierten zentralen Satz des "positiven Verfassungsrechts Bedeutung und Inhalt" genommen habe. 146 Darüber hinaus ist der Standpunkt von Leibholz aus dem

137 So ausdrückllich G. Leibholz., Wesen, S. 245 f.: "Die politischen Parteien ... können in Wirklichkeit staatlich institutionalisiert, d.h. in den staatlichen Raum so eingebaut werden, daß ihr Wollen und Handeln in den hochpolitischen Fragen zugleich staatliches Wollen und Handeln darstellt." 138 Siehe etwa: G. Leibholz, DVB1. 1950, 194 (194 ff.).; dens., VVDStRL 24 Bd. (1966), 5 (5 ff.). 139 G. Leibholz, Wesen, S. 98 ff., 106 ff. 140 G. Leibholz, Verhandlungen des 38. DJT , S. C 9 f. 141 G. Leibholz, Wesen, S. 118. 142 G. Leibholz, Wesen, S. 119. 143 G. Leibholz., Wesen, S. 117 f. 144 G. Leibholz, Verhandlungen des 38. DJT, S. C 7 f.; ders., DVB1. 1951, 1 (3). 145 G. Leibholz, Verhandlungen des 38. DJT , S. C 16 ff.; ders., DVB1. 1951, 1 (6 f.). 146 H. Schiedermair, Mitt. d. Max-Planck-Ges. 1966, 272 (277 f.). Siehe zur Bedeutung des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG für die Idee der Repräsentation nach dem Grundgesetz u. S. 192 ff.

134

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

modernen Verständnis der Repräsentation 147 sowie der Funktion und Stellung politischer Parteien heraus nicht haltbar. 148 Er hat, wie schon der Blick auf Art. 21 GG zeigt, "ohne Zweifel mit den Absichten der Schöpfer des Grundgesetzes wenig gemein." 149

I L Der Einfluß G. Leibholz' auf die Parteienrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gleichwohl finden sich in den frühen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, das zunächst unter dem merklichen Einfluß von G. Leibholz stand 150 , Formulierungen, die an eine Zugehörigkeit der Parteien zum Bereich der organisierten Staatlichkeit denken lassen. Allerdings sprach das Gericht auch in diesen Entscheidungen nie von einer "Inkorporation" 151 oder einem "Einbau" 152 der Parteien in den Staat, sondern immer nur von einer solchen in den "Verfassungsaufbau" 153, das "Verfassungsgefüge" 154 oder die "Verfassung" 155. Das Grundgesetz habe die Parteien in den "Rang einer verfassungsrechtlichen" "Institution"156 erhoben. Eine Verortung der Parteien in der Verfassung oder deren Einbau in den Verfassungsaufbau läßt sich unter der Geltung des im Staatsorganisationsteil des Grundgesetzes befindlichen Art. 21 GG auch schwerlich bestreiten. Allerdings bedingt eine Eingliederung der Parteien in die Verfassungsordnung nicht deren Einbeziehung in die Staatsorganisation.157 Sie bedeutet vielmehr deren "Integration in den Gesellschaft und Staat übergreifenden Prozeß der politischen Willensbildung, in dem die Parteien nicht mehr als staatsfremde soziale Körper mit unmaßgeblichen Willensäußerungen erscheinen, sondern Staat und Parteien miteinander in bestimmte rechtliche 147

Eine überzeugende kritische Auseinandersetzung mit dem Repräsentationsmodell G. Leibholz'jüngeren Datums findet sich bei C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 139 ff.; vgl. hierzu auch K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 64 ff. 148 Siehe hierzu o. S. 130 ff. Zu weiterer, teilweise mit vehementer Kritik verbundener Ablehnung von G. Leibholz etwa: H.H. Rupp, Carstens-FS. (1984), 773 (785 f.); P. Schneider, Klug-FS., (1983) 157 (165 f.); K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 79; D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 332; BK-Henke Art. 21 Rn. 57 f.; U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 100 ff.; G. König, Verfassungsbindung, S. 23 ff. 149 D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 332. 150 Dazu K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 81. 151 BVerfGE 2, 1 (73). 152 BVerfGE 1, 208 (225). 153 BVerfGE 1,208 (225). 154 BVerfGE 2, 1 (73). 155 BVerfGE 1, 208 (225). 156 BVerfGE 2, 1 (73). 157 Siehe dazu insbesondere: K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 82 f.

2. Kapitel: Verankerung in der Gesellschaft

135

Beziehungen gesetzt sind." 158 Von einer Inkorporation der Parteien in den Staat sprach auch das Bundesverfassungsgericht mit gutem Grund selbst in den frühen, von Leibholz geprägten, Entscheidungen merklich nur sehr verhalten. So findet sich im 1. Band der amtlichen Sammlung die salomonische Formulierung, die Parteien stünden "nicht wie andere soziale Gebilde nur in einer verfassungsmäßig gesicherten Position dem Staate gegenüber" 159. Den Parteien komme eine - so das Gericht später - "organschaftliche Funktion im Bereich des Verfassungslebens" 160 zu; allerdings findet sich dort auch eine Formulierung, die von der "Aufgabe (der Parteien) als Verfassungsorgan" 161 ausgeht. Auch wenn man diese Terminologie als Versuch einer Abgrenzung zwischen einem engeren staatlich-institutionalisierten Bereich und einem weiteren verfassungsrechtlich-institutionalisierten Bereich 162 - dem die Parteien zuzuordnen wären - begreifen kann und mag, so bleibt sie angesichts der eindeutigen Aussage der Verfassung zumindest mißverständlich. Dem trug auch das Gericht Rechnung, als es sich beginnend mit der Parteienfmanzierungsentscheidung des Jahres 1966, an der es Leibholz aufgrund Befangenheit 163 versagt war, mitzuwirken 164 , von dieser Begriffs wähl ab wandte. Seither betont das Gericht die Nichtzugehörigkeit der Parteien zum Bereich der organisierten Staatlichkeit165 und seit der Entscheidung des Jahres 1992 mit besonderem Nachdruck das verfassungsrechtliche Erfordernis ihrer Verankerung in der Gesellschaft, für die der Staat nunmehr sogar aktiv Sorge zu tragen hat. 1 6 6

I I I . Mißverständliche Aussagen bis in die Gegenwart Darüber, daß die Parteien Bestandteile der Gesellschaft sind, sollte insbesondere nach der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 Einigkeit beste158

K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 63. BVerfGE 1, 208 (225). 160 BVerfGE 8, 51 (63). 161 BVerfGE 12,276 (280). 162 So H. Maurer, JuS 1991, 881 (888). 163 Dies hatte der Anwalt der NPD Freiherr von Stackelberg verlangt, weil Leibholz sich auf der im Oktober 1965 in Würzburg abgehaltenen Staatsrechtslehrertagung eindeutig für eine staatliche Parteienfinanzierung ausgesprochen hatte. Siehe dazu den Spiegel Nr. 31 v. 25.07.1966, S. 25. Leibholz hatte daraufhin seine Nichtmitwirkung in das Gespräch gebracht. Dies war von den übrigen Senatsmitgliedern kurzerhand als Wunsch zur "Selbstablehnung" gedeutet worden. Siehe dazu, V. Epping, DVB1 1994, 449 (450). 164 BVerfGE 20, 26 (29). 165 BVerfGE 20, 56 (101); 41, 399 (416); 44, 125 (145); 73, 40 (85), 85, 264 (287). 166 BVerfGE 85, 264 (281 f., 287, 288 ff.). 159

136

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

hen. Gerade die Verankerung der Parteien in der Gesellschaft ist für die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zentral. 167 Daher sei an dieser Stelle lediglich darauf hingewiesen, daß sich in der Literatur bis in die Gegenwart Stimmen finden, die von einer irgendwie gearteteten Einordnung der Parteien in den Bereich der organisierten Staatlichkeit auszugehen scheinen. So schreibt F. Giese: "Politische Parteien sind Staatsorgane, deren Staatsorganqualität nur vorliegt, wenn es um Parlamentswahlen geht" 168 . C.-F. Menger hält die Parteien für "Institutionen des öffentlichen Rechts" 169 . O. Bachof begreift sie als "teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Rechts" 170 . Für H.-P. Schneider sind sie "'Vereinigungen' des öffentlichen Rechts sui generis" 171. Auch W. Leisner bezeichnet die Parteien als "staatsorganähnliche Gebilde". 172 Sehr mißverständlich formulierten jüngst W. Kaltefleiter und K.H. Naßmacher: "Sie (die Parteien) sind dem Staat nicht nahe oder fern, sie sind zu einem großen Teil der Staat." 173 Es soll an dieser Stelle nicht untersucht werden, ob die genannten Autoren in letzter Konsequenz zu einer Einordnung der Parteien in den Bereich der organisierten Staatlichkeit kommen würden, sondern lediglich auf Beispiele mißverständlicher Terminologie hingewiesen werden, die wenigstens in dieser Hinsicht der eindeutigen Aussage der Verfassung widersprechen.

C. Ergebnis Damit geht die Verfassung davon aus, daß die Parteien in der Gesellschaft verankert sind. Hiermit übereinstimmend zeichnet das Bundesverfassungsgericht mit der Aufstellung des Gebotes der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft die von der Verfassung vorgegebene Linie nach. Daß der Senat den Staat nunmehr dazu verpflichtet, für die gesellschaftliche Verwurzelung der Parteien aktiv einzutreten, ist aus der Perspektive der Verfassung zu begrüßen. Dieses Ziel hat das Gericht durch die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption

167

BVerfGE 85, 264 (281 f., 287, 288 ff.), siehe dazu eingehend o. S. 105 ff. F. Giese, AöR 80, (1955/56), 377 (379): "Politische Parteien sind Staatorgane...". 169 C.-F. Menger, AöR 78 (1952/53), 149 (161 f.). 17 0 O. Bachof,; AöR 83 (1958), 208 (274 Fn. 88). 171 H.-P. Schneider in Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 151 (186). 172 IV. Leisner, Grundrechte im Privatrecht, S. 381. 17 3 W. Kaltefleiter/K.H. Naßmacher, ZfP 1992, 134(154). 168

3. Kapitel: Sparsame Verwendung öffentlicher Mittel

137

grundsätzlich erkennbar anvisiert. Ob es tatsächlich dazu beigetragen hat dieses zu erreichen, soll an dieser Stelle dahinstehen.174

Drittes Kapitel Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Gebots zu sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel Das Gebot des wirtschaftlichen und verantwortungsbewußten Umgangs mit öffentlichen Mitteln ist durch das Grundgesetz insofern vorgegeben, als es eine Konkretisierung des verfassungshaushaltsrechtlichen Gebots zur sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel darstellt. Der Senat nimmt innerhalb dieses Gebots eine Differenzierung vor. So ist nach der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zwischen der grundsätzlichen Verpflichtung des Staates auf das Sparsamkeitsgebot und der Festlegung der Grenze der Überschreitung dieses Gebots zu unterscheiden. Diese Grenze ist erreicht, sobald den Parteien mehr Mittel zugewandt werden, als zur Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit erforderlich ist. Das Gebot zur sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel legt der Senat durch den Satz: "Der Staat darf den Parteien nicht mehr zuwenden, als sie unter Beachtung des Gebots sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel ... zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen."175 fest. Was die Parteien benötigen, konkretisiert das Gericht zwei Sätze zuvor: "Der Umfang der Staatsfinanzierung muß sich auf das beschränken, was zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien unerläßlich ist und von diesen nicht selbst aufgebracht werden kann." 176 Der zunächst zitierte Satz stellt einen Hinweis auf die Pflicht zur Einhaltung des verfassungshaushaltsrechtlich vorgegebenen Wirtschaftlichkeitsgebots dar. Durch die Bezugnahme auf das Verfassungshaushaltsrecht wird der Staat verpflichtet, im konkreten Fall festzustellen, was die Parteien zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Der Satz enthält zugleich den Hinweis, daß eine direkte Zuwendung staatlicher Mittel an die Parteien in diesem Umfang gestattet ist. Den Maßstab für die Festsetzung dieses Betrages liefert der Senat, wenn er ausführt: "Der Finanzbedarf der Parteien zur Erfüllung der ihnen durch Verfassung und Parteiengesetz übertragenen Aufgaben muß sich an dem zur Verfügung stehenden Einnahmerahmen ausrichten" 177 und ist nicht etwa nach dem von den Parteien als erforderlich proklamierten Finanzbedarf zu 174 175 176 177

Siehe dazu u. S. 208 ff. BVerfGE 85, 264 (290). BVerfGE 85, 264 (290). BVerfGE 85, 264 (290).

138

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

bestimmen. Damit obliegt es dem Staat und nicht den Parteien, den Finanzbedarf der Parteien festzulegen, der im Rahmen der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung gedeckt werden kann. 1 7 8 Dieser Hinweis auf die Festsetzung der an die Parteien auskehrbaren Mittel, bestimmt durch Aspekte der sachgerechten Aufgabenerfüllung, harmoniert mit der Idee des verantwortungsbewußten Umgangs mit öffentlichen Mitteln. Insbesondere aus haushaltsrechtlichen Erwägungen ist es zu begrüßen, daß die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit in den Vordergrund gestellt und als Maßstab für den Umfang der Staatsfinanzierung betrachtet wird. Hier gebietet es das Gebot zum verantwortungsbewußten Umgang mit öffentlichen Mitteln, dem Staat freizustellen, den Parteien das zu gewähren, was er zur Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit für erforderlich hält. Dies gilt um so mehr, als diesem Aspekt die - aus dem Vorrang der Selbstfinanzierung abgeleitete - nur subsidiäre Einstandsmöglichkeit des Staates zur Seite gestellt wird. Diese sichert nicht nur das verfassungshaushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot ab, sondern konkretisiert zugleich das - verfassungsrechtlich vorgezeichnetete und durch den Senat bekräftgte - Gebot der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß sowohl das dem Gebot der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft als auch das des verantwortungsbewußten Umgangs mit öffentlichen Mitteln, sofern dieses deren sparsame Verwendung umfaßt, die Vorgaben der Verfassung hinsichtlich der Stellung der Parteien in nicht zu beanstandender Weise konkretisiert.

Viertes Kapitel Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Gebots zur Erhaltung der Funktionsfahigkeit der Parteien Die zweite Facette des Gebots zur Sicherung des verantwortungsbewußten Umgangs mit öffentlichen Mitteln stellt das Gebot der Erhaltung der Funktionsfahigkeit der Parteien dar. 1 7 9 Anlaß zu Bedenken gibt die Art und Weise, in der das Gericht diese Funktionserhaltung bewirken will. Das hier auftretende Problem hängt mit der besonderen Verknüpfung von Verfassungshaushaltsrecht und Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien zusammen. Diese Ver-

178 So schon das BVerfGE 20, 56 (115) für die Festlegung der Höhe der Wahlkampfkostenerstattung. 179 Siehe hierzu o. S. 112 ff.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

139

knüpfung zu analysieren und hinsichtlich ihrer Implikationen für die Verfassung auszuwerten, ist Gegenstand der folgenden Abschnitte. Erster Abschnitt

Die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Aufstellung des Gebots zur Funktionserhaltung der Parteien durch eine konkrete absolute Obergrenze Indem der Senat erklärt, daß der Staat den Parteien an Mitteln nur das zuwenden darf, was diese zum Funktionieren benötigen, macht er deutlich, daß das Verfassungshaushaltsrecht von entscheidender Bedeutung für die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung ist. Die sich unwillkürlich stellende, aber aus der Verfassung nicht zu beantwortende Frage, wie hoch die den Parteien zu gewährende Summe sein kann 1 8 0 , beantwortet das Gericht im Urteil selbst. Sie liegt bei D M 230 M i o . 1 8 1 Zu beachten ist aber, daß der Senat seinem Hinweis auf die verfassungshaushaltsrechtlich vorgegebene Begrenzung der staatlichen Parteienfinanzierung dadurch eine besondere Relevanz verleiht, daß er die Verminderung des Ansehens der Parteien beim Bürger in einen Kausalzusammenhang zu der Funktionsbeeinträchtigung der Parteien bringt. Hierdurch bewirkt er, daß dieser Ansehensverlust, der sich in der Parteienverdrossenheit der Wahlbevölkerung widerspiegelt, von Verfassungs wegen abzuwehren ist. Zu verhindern ist dieser Ansehensverlust also nicht nur, weil eine zu hohe Parteienfinanzierung verfassungshaushaltsrechtlich unzulässig wäre, sondern insbesondere weil der Verstoß gegen das Verfassungshaushaltsrecht nach der Logik des Urteils zugleich eine Funktionsbeeinträchtigung der Parteien bedingt. Damit wird deutlich, daß der Senat die von Verfassungs wegen gebotene Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien durch die Höhe der Zuwendungen steuern, beziehungsweise dem bei einem weiteren Anwachsen der staatlichen Parteienfinanzierung drohenden Schadenseintritt entgegenwirken will. Dies soll in erster Linie durch die absolute Umfangsbegrenzungsvorgabe sicher gestellt werden, die der Senat als einen der Verfassung zu entnehmenden Maßstab für den Umfang der Parteienfinanzierung auffaßt. 182 Diesen, vom Gericht als absolute Obergrenze bezeichneten Kernbestandteil des Teilallgemeinfinanzie-

180 181 182

Siehe dazu o. S. 96 ff. Siehe dazu o. S. 121 ff. BVerfGE 85, 264 (291). Siehe zur Wirkungsweise dieses Modells o. S. 120 ff.

140

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

rungsmodells gilt es aus der Perspektive der Verfassung zu beleuchten und auf seine verfassungsrechtliche Tragfähigkeit zu untersuchen. Die Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze ist zunächst aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG augenscheinlich problematisch. 183 Interessanterweise ist das Bundesverfassungsgericht selbst hinsichtlich seiner Kompetenz zur Normsetzung ausdrücklich und formal sehr zurückhaltend. Es lehnt eine Befugnis zur eigenen Normsetzung - um die es sich auch im Falle der konkreten absoluten Obergrenze faktisch handelt - gerade unter Berufung auf das Gewaltenteilungsprinzip strikt ab. 1 8 4 Es stellt sich daher die Frage nach der Berechtigung des Gerichts, die Ziehung einer konkreten absoluten Obergrenze dem für Dezisionen mit politischer Begründung zuständigen Gesetzgeber zu entziehen. Im Rahmen der bei Beantwortung dieser Frage anzustellenden Überlegungen ist die Einschätzung des Senats, daß das Unterlassen einer konkreten Grenzziehung notwendig zu einem weiteren Ansehensverlust der Parteien und letzlich zu einer Beeinträchtigung ihrer Funktionsfähigkeit führen soll, von entscheidender Bedeutung. Damit gilt es eine Aussage darüber zu treffen, wie sich das Gewaltenteilungsprinzip zur vorliegend getroffenen Dezision verhält. Bevor zur Kompetenz des Gerichts hinsichtlich der Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze mit dem Zweck, die Funktionsfähigkeit der Parteien zu erhalten, Stellung bezogen werden kann, gilt es, die grundgesetzliche Konzeption der Gewaltenteilung herauszuarbeiten.

A. Die Konzeption der Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG Das systematisch in der "Staatsfundamentalnorm" 185 des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verankerte Gewaltenteilungsprinzip steht im Zentrum der objektiven

183 In der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1966 war auch der Senat noch davon ausgegangen, daß die Bestimmung der Maßstäbe für die Festlegung des Umfanges der staatlichen Parteienfinanzierung dem Gesetzgeber obliegt: BVerfGE 20, 56 (115). 184 BVerfGE 1, 97 (100 f.); 8 , 28 (37); 22, 349 (361 f.); aus jüngerer Zeit 85, 80 (90); 85, 191 (211 f.); zur Entwicklung: C. Pestalozzi BVerfG.-FG Bd. 1 (1976), S. 519 (533 f.); W. Frenz, ZG 1993, 248 (252). 185 R. Herzog, M/D, Art. 20 Abs. 1, Rn. 8 f, 11 f, 14.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

141

Funktionenordnung des Grundgesetzes.186 Allerdings monopolisiert dieses Prinzip die Rechtserzeugung nach heute kaum bestrittener Überzeugung 187 nicht beim Gesetzgeber. 188 Dies erklärt sich daraus, daß dem Bundesverfassungsgericht eine weitreichende Kompetenz zur Kontrolle des Gesetzgebers zugewiesen ist und bereits damit ein "klassisches Gewaltenteilungsschema (ge)sprengt" ist. 1 8 9 Gleichwohl gibt das Gewaltenteilungsprinzip Schranken für die Schaffung von Richterrecht vor. 1 9 0 Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich darauf, die beiden maßgeblichen Ansätze zur Bestimmung dieser Schranken gegenüberzustellen.191

I. Das Gewaltenteilungsprinzip als institutionelle Freiheitssicherung Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gewaltenteilungsprinzip ist von der "Kernbereichslehre" 192 bestimmt. Dessen Bedeutung liegt darin, die Verteilung staatlicher Macht auf verschiedene Gewalten zu gewährleisten. 193 Seine Bestimmung ist es, die Freiheit des einzelnen durch Herbeiführung einer gegenseitigen Begrenzung und Kontrolle der Gewalten zu schützen.194 Damit kommt der Gewaltenteilung vornehmlich eine negative Funktion zu. Sie dient als Schutz der institutionellen Freiheitssicherung des

186 Diese stellt ihrerseits das zweite Teilsystem des Rechtsstaatsprinzips dar. Das erste Teilsystem des Rechtsstaatsprinzips markiert die subjektive Statusordnung des Grundgesetzes, in deren Mittelpunkt die Grundrechte stehen. Siehe zu dieser Einteilung: E. Schmidt-Aßmann, HStR I, § 24, Rn. 46 ff. 187 Siehe dazu M. Kriele, Theorie, S. 60 ff.; ferner/ Ipsen, Richterrecht, S. 129. 188 Dies entspricht der Aussage des Grundgesetzes. Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wird die Staatsgewalt "durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt." Insofern enthält die Verfassung in Art. 20 GG lediglich die nicht weiter differenzierte Aussage, daß von der Judikative Staatsgewalt ausgeübt wird. Weil hierdurch keine Aussage über mögliche Grenzen der Ausübung der Staatsgewalt durch die Judikative getroffen wird - und damit auch die Rechtssetzung umspannt ist -, steht dem auch der Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht entgegen. 189 G. Roellecke, HStR II, § 53 Rn. 34. 190 J. Ipsen, Richterrecht, S. 129. 191 Siehe zu einem Überblick über die Entwicklung der Gewaltenteilungskonzeption und den Stand der Diskussion: W. Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung, S. 86 ff. 192 Siehe die Darstellung bei B. Sinemus, Der Grundsatz der Gewaltenteilung in der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (1982), S. 100 ff. Dazu grundlegend F. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Α., 1928, S.12, den Κ Stern, Staatsrecht II, (1980), S. 542 Fn. 40, als den Wegbereiter der Kernbereichslehre nennt. 193 Grundlegend BVerfGE 3, 225 (247). 194 BVerfGE 9, 267 (279).

142

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

einzelnen 195 gegen Mißbrauch staatlicher Macht 1 9 6 . Von den Vertretern der Kernbereichslehre wird anerkannt, daß es in Ausnahmefällen Übergriffe der Gewaltenträger in einen anderen Bereich geben muß. Es kann und soll zu Verschränkungen der Gewalten kommen 197 , da "nicht absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten ... dem Verfassungsaufbau des Grundgesetzes zu entnehmen"198 sei. 1 9 9 Obwohl diese Konzeption nicht von einer absoluten Trennung der Gewalten ausgeht, liegt ihr dennoch die Idee einer grundsätzlichen Trennung der Funktionsbereiche zugrunde, die in der Regel einzuhalten ist. Geringfügige Durchbrechungen des Gewaltenteilungsgrundsatzes sind nach dieser klassischen Gewaltenteilungskonzeption deshalb unbedenklich,200 weil dieser nur schwerwiegende Verschränkungen zu verhindern hat 201 . Die Grenze der zulässigen Verschränkung ist der sogenannte Kernbereich der anderen staatlichen Funktionsträger. Diesen hält das Bundesverfassungsgericht für tangiert, wenn eine Gewalt ein Übergewicht über eine andere erlangt. 202 Die Feststellung, wann ein Eindringen in den Kernbereich einer anderen Gewalt vorliegt, muß letztlich Einzelfallfrage bleiben. Allerdings läßt sich aus der Funktion der institutionellen Freiheitssicherung ableiten, daß nur wirklich schwerwiegende Übergriffe eine Verletzung des Kernbereichs bewirken können. 203 Eine Beeinträchtigung der Freiheit des einzelnen wird nämlich letztlich nur angenommen werden können, wenn durch den Übergriff das Gewaltenteilungsprinzip als solches in Frage gestellt wird. Dies ist der Fall, wenn in einer staatlichen Stelle so viele gewichtige Staatsfunktionen vereinigt werden, daß dort ein Machtmonopol entsteht, welches unkontrollierte und ungehemmte Machtausübung ermöglicht. 204

195 Der Gedanke der institutionellen Freiheitssicherung findet sich bereits bei Ch. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze (I.), hrsg. v. E. Forsthoff, 1951, S. 215. 196 W. Schlüter, Obiter Dictum, S. 15. 197 BVerfGE 3, 225 (247); auch 9, 267 (279).; 34, 52 (59). 198 BVerfGE 34, 52 (59). 199 Dazu E. Schmidt-Aßmann, HStR, I, § 24, Rn. 49. 2 0 0 BVerfGE 4, 387 (400). 2 0 1 Siehe hierzu N. Achterberg, Funktionenlehre, S. 189 ff. 2 0 2 BVerfGE 9, 268 (279); 22, 106 (111). Dazu im einzelnen N. Achterberg, Funktionenlehre, S. 180 ff. 2 0 3 J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 191 f., weist daraufhin, daß das Bundesverfassungsgericht überhaupt nur in zwei Fällen einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 GG wegen Verletzung des Kernbereichs angenommen hat. 2 0 4 W. Schlüter, Obiter Dictum, S. 15.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

143

I I . Die Doppelfunktion des Gewaltenteilungsprinzips Der vorgestellte Ansatz, der die Funktion der Gewaltenteilung vornehmlich in der institutionellen Freiheitssicherung sieht, wird von der Lehre teilweise als unzureichend erachtet. 205 Dem Gewaltenteilungsprinzip komme neben der institutionellen Freiheitssicherung eine weitere Funktion, nämlich die der Gewähr sachgerechter Aufgabenwahrnehmung zu. Während nach der Kernbereichslehre des Bundesverfassungsgerichts im Grundsatz von einer Trennung der Gewalten auszugehen und eine Kompetenzverschränkung als Ausnahmesituation zu begreifen ist 2 0 6 , ist dem Gewaltenteilungsprinzip nach der Lehre von der "sachgerechten Aufgabenwahrnehmung" die Kategorisierung nach Trennung oder Nicht-Trennung im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses fremd. Dem Gewaltenteilungsprinzip "kommt danach rationalisierende Wirkung für die Bewältigung der Staatsaufgaben zu" 2 0 7 . Seine Aufgabe liegt nicht allein in der negativen Funktion, eine Abwehr des Mißbrauchs staatlicher Macht zu bewirken. Darüber hinaus ist es nämlich "Gegenstand der Gewaltenteilung (...), positiv 208 eine Ordnung menschlichen Zusammenwirkens (zu schaffen), die die einzelnen Gewalten konstituiert, ihre Kompetenzen bestimmt und begrenzt, ihre Zuordnung regelt und auf diese Weise zur Einheit - begrenzter - staatlicher Gewalt hinführen soll." 209 Nach dieser Lehre geht Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG von einem ausgewogenen und auf Funktionsfähikeit ausgerichteten Gesamtsystem der Gewalten- oder Funktionsträger aus, das grundsätzlich ein Gleichgewicht der Gewalten verlangt, in dem lediglich jeder Gewalt ihr eigentliches Lebenselement erhalten bleiben muß. 2 1 0 Nach diesem Ansatz, für den der Trennungsaspekt keine Kategorie des Gewaltenteilungsprinzips ist, wird dem Grundgesetz ein funktionales und auf richtige Entscheidung angelegtes Gewaltenteilungsverständnis entnommen. Konsequenz dessen ist, daß von Verfassungs wegen eine Pflicht zur Entscheidung des berufenen Funktionsträgers besteht. Ist diesem nach der Funktionenverteilung der Verfassung eine Kompetenz zugewiesen, so ist er verpflichtet, diese auszuüben. Dies liegt daran, daß der agierende Funktionsträger keine 20 5 E. Schmidt-Aßmann, HStR I, § 24 Rn 50; E.W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt, S. 80; J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 133 ff.; W. Schlüter, Obiter dictum, S. 15 ff.; W. Frenz, ZjG 1993, 248, (255), W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken, S.12 ff; K. Hesse, Grundzüge, Rn. 475 ff. 2 0 6 E. Schmidt-Aßmann, HStR I, § 24 Rn 49. 20 7 7. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 134. Ähnlich H.H. Klein, JZ 1990, 53 (59). 2 0 8 Mit den Kategorien positiv und negativ arbeitet neben K. Hesse ausdrücklich auch W. Schlüter, Obiter dictum, S. 17. 2 0 9 K. Hesse, Grundzüge, Rn. 475 ff.; 482. 2 1 0 W. Frenz, ZG 1993, 248 (255 f.).

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3. Teil: Teilallgemeinfnanzierungskonzeption und Grundgesetz

Kompetenz an sich zieht, sondern lediglich die grundgesetzlich vorgegebene Kompetenzordnung nachzeichnet und dieser Wirksamkeit verschafft. Insofern kommt es dem Bundesverfassungsgericht auch nicht zu, sich "aus eigenem Entschluß politischer Zurückhaltung gegenüber Regierung und Parlament, des sogenannten 'judicial-self-restraint', zu befleißigen. Selbstbescheidung wäre hier Selbstermächtigung"211 und damit nichts anderes als "Kompetenzusurpation". 2 1 2 Für die Träger der staatlichen Funktionen folgt damit aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht die Verpflichtung zu abstinenter oder zaudernder Ausübung ihrer Funktion, sondern die Verpflichtung zu verantwortungsbewußter Wahrnehmung ihrer Aufgaben und insofern die Verpflichtung, "Gewaltenteilung als Gewaltenverantwortung" 213 zu verstehen. Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat diese Auslegung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nunmehr Anklang gefunden. Das Gericht scheint die Doppelfunktion der Gewaltenteilung im Ergebnis zu akzeptieren, wenn es ausführt: "Die (...) als Grundsatz normierte Trennung der Gewalten dient zumal der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie der Kontrolle der Machtträger; sie zielt auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen, und will auf eine Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt hinwirken." 2 1 4

B. Die Bewertung der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG hinsichtlich der Gewaltenteilungskonzeptionen Die Lehre von der Doppelfunktion der Gewaltenteilung ist der Kernbereichslehre vorzuziehen. Letztgenannte greift insbesondere wegen ihres eingleisigen Abstellens auf die Funktion des Gewaltenteilungsprinzips als institutionelle Freiheitssicherung zu kurz. Sie überzeugt dogmatisch betrachtet nicht, weil es bei der staatlichen Funktionenwahrnehmung viel mehr auf das Erzielen sachgerechter Ergebnisse ankommt als auf die Einhaltung theoretisch getrennter Bereiche. Zudem beweist die grundgesetzlich vorgegebene vielfältige Überlappung der verschiedenen Funktionsbereiche, daß der der Kernbereichslehre letztlich zu Grunde liegende Gedanke einer grundsätzlichen Trennung in

211 2 1 2 2 1 3 2 1 4

J. Isensee, HStR VII, § 162, Rn. 85. D. Murswiek, DÖV 1982, 529 (532). E. Schmidt-Aßmann, HStR I, § 24, Rn. 50. BVerfGE 68, 1 (86). Hervorhebung hinzugefügt.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

145

der Verfassung nicht angelegt ist. Freilich ist zu berücksichtigen, daß unter Anwendung der Lehre von der Doppelfunktion des Gewaltenteilungsprinzips namentlich dem Bundesverfassungsgericht weitreichende Möglichkeiten zur Erschließung von Entscheidungsbereichen eröffnet sind. Hinzu kommt, daß dieses gerade in politischen Streitfragen insofern wenig Möglichkeit zur rechtlichen Argumentation hat, als die Verfassung bisweilen wenig taugliche Kriterien für ein richtiges Ergebnis enthält. Eine Entscheidung in diesem Bereich wird regelmäßig eine Frage der politischen und normativ schwer faßbaren Einschätzung der jeweils entscheidenden Richter sein, die damit immer in den Bereich der Legislative ragt. Trotz des Risikos einer Ausdehnung des Funktionsbereichs des Bundesverfassungsgerichts, ist die Lehre von der Doppelfunktion des Gewaltenteilungsprinzips die verfassungsnähere. Dafür, im Rahmen der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG namentlich dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit zu einer am richtigen Ergebnis orientierten Entscheidung zu geben, spricht vornehmlich dessen Entscheidungspflicht in politischen Fragen. Daß das Grundgesetz dem Bundesverfassungsgericht die Berufung auf eine "political-question-doctrine" vorenthält, bedeutet, daß dieses auch in politisch bedeutsamen Entscheidungen im rechtlichen, aber auch im politischen Sinn verantwortungsgerecht entscheiden muß. Räumt das Grundgesetz dem Verfassungsrichter das Recht zur politischen Entscheidung ein, so kann es ihm nicht zugleich die Befugnis absprechen, das politisch richtige Ergebnis zu wählen. Legt die Verfassung damit die Einhaltung der Grenze letzten Endes in die Verantwortung der Bundes Verfassungsrichter, so muß sie zwangsläufig in Kauf nehmen, daß es zu einer Ausdehnung der Grenze kommen kann, wenn das richtige Ergebnis dies erfordert. Überzeugt dieses Ergebnis im konkreten Fall nicht, so ist dies nicht bloß eine Frage des Verfassungsrechts, sondern zudem insbesondere ein Problem des verantwortungsbewußten Umgangs des Gerichts mit seiner Kompetenz. Damit kommt dem Bundesverfassungsgericht gegebenenfalls die Kompetenz zu, einen Bereich des Gesetzgebers für sich zu erschließen, wenn es nur auf diese Weise eine Entscheidung im Sinne der Verfassung für erreichbar hält. Die Gewaltenteilungskonzeption des Grundgesetzes steht der Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze damit nicht prinzipiell entgegen. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob das Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung auch eine politische Einschätzung zugrunde legen und diese sogar mit einer normativ nicht faßbaren Einschätzung einer gesellschaftlichen Entwicklung begründen darf. Eine Antwort hierauf ergibt sich, wenn man die Lehre von der Doppelfunktion des Gewaltenteilungsprinzips weiterdenkt. Kommt es dem Gewaltenteilungsprinzip hauptsächlich auf die sachgerechte und verantwor10 Schwartmann

146

3. Teil: Teilallgemeinfnanzierungskonzeption und Grundgesetz

tungsbewußte Aufgabenwahrnehmung im Sinne einer möglichst richtigen Entscheidung215 an, so muß die Frage nach der Kompetenz zum Handeln im Funktionsbereich des Gesetzgebers berücksichtigen, was eine verantwortungsbewußte Kompetenzwahrnehmung erfordert. Freilich verweist der Rechtsstaat aber gerade das Bundesverfassungsgericht bei der Wahl der Mittel zur Lösung politisch relevanter Lebenssachverhalte darauf, diese Wahl an den Vorgaben der Verfassung auszurichten. Dies gilt um so mehr, wenn das Gericht sich zu einer politischen Gestaltung aufgerufen fühlt. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht "kraft seiner Kompetenz in rechtlichen Angelegenheiten darüber (bestimmt), ob eine Angelegenheit politischer oder rechtlicher Natur ist" 2 1 6 , ist diese Kompetenz von den Vorgaben des Verfassungsrechts bestimmt. Daher gilt es herauszuarbeiten, wie sich das Grundgesetz im zugrundeliegenden Fall zur Kompetenz des Gerichts für die Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze verhält.

C. Die Begründung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze Es ist offensichtlich, daß das Bundesverfassungsgericht mit der Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze seine Entscheidungskompetenz tief ausschöpft und daß für dieses Vorgehen besondere rechtfertigende Umstände erkennbar sein müssen. Als ein solcher Umstand kommt der besondere Entscheidungsgegenstand in Betracht.

I. Die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts aufgrund des Entscheidungsgegenstandes Das Phänomen der Entscheidung in eigener Sache als besonderer Gegenstand der Diäten- und Parteienfinanzierungsrechtsprechung 217 wird hinsichtlich der kompetenziellen Befugnisse des Gerichts interessanterweise zu diametral entgegengesetzten Argumentationen verwandt. Es wird sowohl zur Begründung einer extensiven Ausdehnung der Kompetenz 218 als auch dazu angeführt, dem

2 1 5 2 1 6 2 1 7 2 1 8

BVerfGE 68, 1 (86). J. Isensee, HStR, VII, § 162, Rn. 86. Zur Parallelität der dogmatisch streng zu trennenden Bereiche, siehe o. S. 127 ff. P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 f.); H.H. vArnim, Beute, S. 278.

4. Kapitel : Erhaltung der Funktionsfähigkeit

147

Bundesverfassungsgericht die kompetenzielle Befugnis zur Entscheidung über die Parteienfinanzierung insgesamt abzusprechen219. 7. Die funktionelle Stärkung des Bundesverfassungsgerichts bei Entscheidungen in eigener Sache In der Literatur wird das Phänomen der Entscheidung in eigener Sache teilweise zur Begründung einer funktionellen Stärkung des Bundesverfassungsgerichts als politisches Gegengewicht zum befangenen Gesetzgeber herangezogen. 2 2 0 Die funktionellrechtliche Arbeitsteilung zwischen Bundesverfassungsgericht und Gesetzgeber, so die dogmatische Begründung für die These von der funktionellen Stärkung des Bundesverfassungsgerichts, "variier(e): je nach Sachgebiet, Problembereich und Interessenbalance. ... Die 'Befangenheit' einer Staatsfunktion durch eigene Interessenverstrickung bed(ü)rf(e) der Kompensierung durch eine funktionelle Stärkung des Gegengewichts des Verfassungsgerichts (Akzentverschiebung in der 'normalen' Gewaltenteilung), weil die Interessenbalance sonst nicht mehr gewahrt (sei)." 221 Dem Bundesverfassungsgericht wird auf diese Weise ausdrücklich die Kompetenz zum Betreiben von "Richtlinienpolitik" attestiert. 222 Dieser namentlich von P. Häberle vertretene Ansatz vermittelt dem Gericht zwar die Befugnis zum umfassenden Anstellen politischer Erwägungen. Er vermag jedoch dogmatisch nur schwerlich zu überzeugen. Die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts je nach Problemlage variieren zu lassen, wird zwar praktikabel in Hinblick auf das Erreichen eines gewünschten Ergebnisses sein. Ein derartiges Vorgehen bezieht aber unzulässigerweise die Verfassungspolitik in die Verfassungsdogmatik ein. 2 2 3 Eine Grenze zwischen Verfassungsrecht und Politik läßt sich unter Zugrundelegung dieses Ansatzes insofern nicht mehr ziehen, als dem Bundesverfassungsgericht die prinzipielle Kompetenz zukäme, politische Erwägungen nach Gusto in seine Rechtsfindung einzubeziehen. Dies mag zwar faktisch kaum vermieden werden können und wird aufgrund der von der Verfassung vorgegebenen "Kompetenz-Kompetenz" des Bundesverfas-

2 1 9

BK-Henke, Art. 21 Rn. 321 ,ders., Der Staat 31 (1992), 98 (102 ff.). P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 f.); speziell zur Entscheidung des Jahres 1992: H.H. v.Arnim, Beute, S. 278; ders., Die Partei, S. 284 f. 22 1 P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 f.); im Ergebnis übereinstimmend, aber ohne nähere Begründung: H.H. v.Arnim, Beute, S. 278; ders., Die Partei, S. 284 f. 2 2 2 P. Häberle, NJW 1976, 537 (542). 2 2 3 Siehe zur Grenzziehung etwa: F. Klein, Politische Fragen, S. 22 ff.. 2 2 0

10*

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

sungsgerichts - zumindest in Extremsituationen 224 - möglicherweise auch rechtlich hinzunehmen sein. Das Phänomen der Entscheidung in eigener Sache zur generellen Ausdehnung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts auf ausschließlich politisch geleitete Entscheidungen heranzuziehen, ist indessen nicht haltbar. Das Grundgesetz geht von einer normativ richtigen, nicht von einer politisch richtigen, Wahrnehmung der Aufgaben durch die staatlichen Funktionsträger aus. Häberles Ansatz legt demgegenüber letztlich das dogmatische Fundament dafür, den Entscheidungsgegenstand dem politisch richtigen Funktionsträger zuzuweisen. Eine Kompetenzzuweisung nach diesem Kriterium ist dem Verfassungsrecht indes fremd. Dieser Ansatz läßt sich daher nicht zur Begründung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts fruchtbar machen. 225 2. lnkurs: Die "Auslagerung" der Parteienfinanzierungsproblematik als Gebot des Art. 20 Abs. 2S.2GG Auch W. Henke zieht aus dem besonderen Entscheidungsgegenstand der Parteienfinanzierungrechtsprechung Konsequenzen aus dem Gewaltenteilungsprinzip. Allerdings läuft sein Ansatz dem vorgenannten insofern diametral entgegen, als Henke aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips die Entscheidungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts beim "Insichgeschäft" Parteienfinanzierung ablehnt. Auf diesen Standpunkt soll im Rahmen eines Inkurses eingegangen werden. Das Bundesverfassungsgericht - so Henke - sei aus Kompetenzgründen nur zur Festlegung allgemeiner Grundsätze in der Lage. Daraus ergibt sich für ihn die Konsequenz, daß neben dem befangenen Gesetzgeber auch dem Bundesverfassungsgericht die Entscheidung über die Problematik der Parteienfinanzierung untersagt sei. 2 2 6 Das Rechtsstaatsprinzip gebiete es, diesen Problembereich aufgrund der Entscheidung in eigener Sache einem unabhängigen Sachverständigengremium mit eigenen Entscheidungsbefugnissen zu übertragen. 227 Für Henke ist eine Entscheidung in eigener Sache wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip nach geltender Rechtslage verfassungswidrig und stellt einen Konstruktionsmangel der Verfassung dar 2 2 8 , da nämlich - so Henke - in 2 2 4 2 2 5 2 2 6 22 7 2 2 8

Siehe dazu sogleich, S. 151 ff. Zweifelnd auch J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 252. Insofern ähnlich zu verstehen: W. Schlüter, Obiter dictum, S. 18. BK-Henke, Art. 21 Rn. 321; ders.. Der Staat 31 (1992), 98 (102 ff.). W. Henke, Der Staat 31 (1992), 98 (108).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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diesem Falle das üblicherweise wirkende Kontrollsystem zwischen Regierung und Opposition ausgehebelt sei. 2 2 9 Das verfassungsrechtliche Problem sei im Spannungsfeld zwischen Rechtsstaats- und Demokratiegebot angesiedelt. Bei einer Entscheidung in eigener Sache müsse die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen demokratisch und rechtsstaatlich jeweils richtiger Entscheidung zugunsten der Rechtsstaatlichkeit durch eine "Auslagerung" erfolgen. 2 3 0 Dies sei erforderlich, da die Parteien hier die ihnen von Verfassungs wegen eingeräumte Mittlerstellung verließen und notwendiger-, zumindest vermuteterweise, gerade ohne Rücksicht auf den Volkswillen 231 und damit amtswidrig entschieden. Die Entscheidung über Struktur und Höhe der Parteienfinanzierung sei, so Henke, keine politische Willenserklärung, sondern eine nach sachlichen Kriterien zu treffende Entscheidung. Diese sei - da es an der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts fehle - von einer unabhängigen Instanz mit eigener, verbindlicher Entscheidungsbefugnis zu treffen, der die Parteienfinanzierungsfrage zu übertragen sei. Als einfachgesetzlichen Ansatzpunkt nennt Henke § 18 Abs. 8 PartG (1988), der von "Änderungen in der Struktur" spreche, was vor allem die "Höhe der Wahlkampfkostenerstattung" betreffe. Als verfassungsrechtlich vorgegebenen Parallelfall nennt er Art. 113 GG, der den Erlaß finanzwirksamer, haushaltsüberschreitender Gesetze von der Zustimmung der Bundesregierung abhängig macht.232 An die Stelle der Zustimmung der Regierung soll in der Frage der Parteienfinanzierung die des unabhängigen Sachverständigengremiums treten. Als bereits vorhandenen Parallelfall nennt Henke die unabhängige Bundesbank, die nach § 12 BBankG die Regierungspolitik zwar unterstützen soll, die aber die Währungssicherung in eigener Verantwortung wahrzunehmen hat. 233 Das Bundesverfassungsgericht lehnt den Ansatz Henkes in allen Bereichen, in denen eine Entscheidung in eigener Sache zu Problemen führen kann, ab. Namentlich in der Diätenentscheidung234 - auf die der Senat sich im Rahmen der Parteienfinanzierungsentscheidung aus 1992 allerdings einzugehen hütet hatte das Gericht die Entscheidung in eigener Sache - jedenfalls für den Bereich der Abgeordnetenentschädigung - als für in der parlamentarischen Demokratie vom Grundgesetz unvermeidbar hingenommen erklärt. Aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip hatte es dort lediglich das Gebot zu Transparenz

2 2 9 2 3 0 23 1 2 3 2 2 3 3 2 3 4

BK-Henke, Art. 21 Rn. 322. W. Henke, Der Staat 31 (1992), 98 (102 f.). W. Henke, Der Staat 31 (1992), 98 (103 f.). Siehe dazu H.-W. Arndt, JuS 1990, 343 (345). Vgl. dazu H. Hahn, Währungsrecht, S. 255 ff. BVerfGE 40, 296.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

und Öffentlichkeit abgeleitet.235 Auch in der Parteienfinanzierungsrechtsprechung wurde eine Auslagerung erwogen. Während das Gericht in früheren Parteienfinanzierungsentscheidungen die Erforderlichkeit zur Konsultation unabhängigen Sachverstandes gar nicht erwähnt hatte, entschied sich der Zweite Senat nunmehr dazu, dem Gesetzgeber die Konsultation "beratenden Sachverstandes" ohne eigene Entscheidungsbefugnis nahezulegen.236 2 3 7 Im Rahmen einer Stellungnahme ist Henke zunächst insofern zu widersprechen, als die Entscheidung über die Höhe der Parteienfinanzierung, im Unterschied zu der über ihre grundsätzliche Zulässigkeit, nur eine politische Frage sein kann und bereits insofern prinzipiell dem Gesetzgeber obliegt. 238 Dies gilt schon deshalb, weil die Verfassung weder in Art. 21 GG noch in Art. 48 GG oder an einer anderen Stelle zur Höhe der Parteienfinanzierung eine Aussage trifft und treffen will. Auch darüber hinaus sprechen gewichtige Gründe gegen den Vorschlag Henkes. Zum einen stellt es ein beachtliches Problem dar, ein Gremium aus "unpolitisch" entscheidenden Sachverständigen einzuberufen. 239 Zum anderen würde ein Sachverständigengremium, anders als der über die Parteienfinanzierung entscheidende Abgeordnete, keinerlei politischer 240 und demokratischer Verantwortung für seine Entscheidung ausgesetzt sein. Zudem wäre, was auch Henke einräumt 241 , zur Übertragung der Parteienfinanzierungsfrage auf ein mit verbindlicher Entscheidungsbefugnis handelndes Gremium wegen des numerus clausus der Verfassungsorgane eine Grundgesetzänderung erforderlich. 242 Ob diese verfassungsrechtlich zulässig wäre, unterliegt erheblichen Zweifeln. Hiergegen spricht insbesondere eine Aussage der Diätenentscheidung, die die in Art. 48 Abs. 3 GG vorgesehene Regelung der Diätenfrage durch die Parlamentarier "... zu den Essentialen des demokratischen Prinzips..." erklärt 243 und diese damit gemäß Art. 79 Abs. 3 GG wohl sogar dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen hat. Dieser Gedanke ist nach 2 3 5

BVerfGE 40, 296 (327), vgl. hierzu auch H.H. Rupp, ZG 1992, 285 (288). BVerfGE 85, 264 (291 f.). 2 3 7 Anders gelagert ist der Fall bei der Entscheidung der Rundfunkanstalten über die Höhe der Gebühren. Dies ist mit dem Fall der Parteien- oder Abgeordnetenfinanzierung nicht vergleichbar, weil es hier nicht um die Verteilung von Staatsmitteln, sondern um eine Belastung der Gebührenzahler geht. Siehe hierzu jüngst die Rundfunkgebührenentscheidung vom 22.02.1994, BVerfG JZ 1994, 515 ff. Dazu T. Oppermann, JZ 1994, 499 (499 ff.); H. Goerlich, DVB1. 1994, 579 (579 ff.). 2 3 8 In diesem Sinne auch H.H. Rupp, ZG, 1992, 285 (291). 2 3 9 Siehe zu diesem vielbeklagten Problem eingehend nur M. Kloepfer, Bettermann-Seminar (1984), S. 53 (72 ff.) 2 4 0 Bericht 1993, S. 144. 241 W. Henke, Der Staat 31 (1992), 98 (101). 2 4 2 Bericht 1993, S. 144; H.H. Rupp, ZG 1992, 285 (290 f.). 2 4 3 BVerfGE 40, 296 (319). 2 3 6

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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zutreffender Ansicht der Expertenkommission von 1993 auf die Frage der Parteienfinanzierung zu übertragen. 244 Weiterhin widerspräche eine Auslagerung der Parteienfinanzierung im Sinne Henkes der Gewaltenteilungskonzeption des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. Diese verpflichtet das Bundesverfassungsgericht nicht zu einer abstinenten, sondern zu einer verantwortungsbewußten und verfassungsrechtlich richtigen Kompetenzwahrnehmung.245 Insofern gebietet das Rechtsstaatsprinzip die Übertragung der Parteienfinanzierungsfrage auf ein unabhängiges Gremium mit Entscheidungsbefugnissen nicht. 246

I I . Die besondere Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Verhinderung einer Notlage Im Gegensatz zu W. Henkes Ansatz wird von anderer Seite für eine Ausdehnung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts plädiert. Anders als nach der Idee P. Häberles 247 wird hier aber nicht unter Bezugnahme auf den Entscheidungsgegenstand für eine Kompetenzausdehnung argumentiert. Die besondere Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts soll sich vielmehr aufgrund der schädlichen Folgen ergeben, die dem Staat im Falle einer zu kurz greifenden Entscheidung drohen könnten. Dieser Ansatz findet sich in der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1992 wieder. 1. Problemstellung Wie sich aus dem Satz: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesen Aufgaben zu erfüllen" 248 ergibt, geht der Senat davon aus, daß ein weiterer ungebremster Zugriff der Parteien auf den Staatshaushalt notwendig zum Eskalieren des Ansehensverlusts und im Ergebnis zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Parteien führen würde. 249 Da diesen nach dem Grundgesetz unbestreitbar eine wichtige Rolle zukommt, könnte mit 2 4 4

Bericht 93, S. 144 f. E. Schmidt-Aßmann, HStR I, § 24, Rn. 50. 2 4 6 So auch Bericht 1993, S. 144 f.; D. Grimm, in: Schneider/Zeh, § 6 Rn. 41 (S. 215 f.); H.H. Rupp y ZG 1992, 285 (289 ff.); H.H. v.Arnim, Beute, S. 372; M. Kloepfer y Bettermann-Seminar (1984), S. 53 (72 ff.); wie W. Henke wohl: HJ. Vogel y ZG 1992, 293 (300 f.). 2 4 7 Siehe hierzu o. S. 146 f. 2 4 8 BVerfGE 85,264 (290). 2 4 9 Siehe dazu eingehend o. S. 114. 2 4 5

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

einer Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystems eine Störung der gesamten staatlichen Ordnung verbunden sein und der Staat in eine prekäre Lage geraten, die eine Notstandskompetenz begründen könnte. Der Schutz der Parteien vor einer Funktionsbeeinträchtigung durch Überfinanzierung ist kein Fall, der der geschriebenen Notstandsverfassung unterfällt. 250 Daher stellt sich die Frage, ob dem Bundesverfassungsgericht vorliegend eine ungeschriebene Notstandskompetenz erwachsen kann. 251 Diese könnte sich aus dem Gesichtspunkt der "Staatsraison"252 ergeben. 2. Der Ansatz Hans Hugo Kleins Daß dem Bundesverfassungsgericht aus dem Gesichtspunkt der Staatsraison in Situationen, die für den Staat existenzbedrohend sind, besondere Kompetenzen erwachsen müssen, hat H.H. Klein dargetan 253 und im Ergebnis nur wenig Widerspruch erfahren. 254 Die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zu einer dann gegebenenfalls auch zulässigerweise politisch motivierten Entscheidung ergibt sich nach H.H. Klein daraus, daß Verfassungsnormen für den Normalfall gemacht sind, und in Ausnahmefällen - wie etwa Krisensituationen - keine sachgemäßen Ergebnisse erbringen. 255 Dies ruft für Klein das Bundesverfassungsgericht auf den Plan 2 5 6 , das bei seiner Entscheidung zugleich zu einer Reflexion ihrer Folgen für den Staat verpflichtet i s t 2 5 7 und diesen durch "eigene

2 5 0

Siehe hierzu u. S. 175. Siehe zu diesem Topos: E . Klein, HStR, VII, § 169, Rn. 61 ff.; J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 253 ff. jeweils m.w.N. 2 5 2 Diese Diktion geht auf H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison (1968) zurück. Dieser begreift die Staatsraison als einen der Verfassung immanenten Grundsatz, der dem Staat und damit dem Bundesverfassungsgericht in Notlagen die ungeschriebene Kompetenz zur Wahrung der Verfassung verleiht. Der Begriff "Staatsraison" wird im Folgenden in diesem Sinne verwendet. Zu einer Ausleuchtung des Hintergrundes des Begriffes sei auf H. Münkler, Im Namen des Staates, S. 165 ff. verwiesen. 25 3 H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 34 ff. Diesem zustimmend, Benda/Klein, BVerfGG Rn. 1270; J. Isensee, HStR VII, § 162, Rn. 80 ff.; E. Klein, HStR VII, § 169, Rn. 61 ff.; C. Böckenförde, Nichtigkeit, S. 34; für die Kompetenz bei Vorliegen eines "Chaos" auch J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 254 f., der jedoch die Ableitbarkeit aus dem Gedanken der Staatsraison ablehnt. 2 5 4 Ablehnend K. Schiaich, VVDStRL, Bd. 39 (1981), 99 (136 ff.), kritisch auch R. Herzog, Der Staat 4 (1965), 37 (45). 25 5 H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 30. Siehe in diesem Sinne bereits C. Schmitt, Politische Theologie, S. 19 f. 2 5 6 H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 30. 2 5 7 Zu dem Gedanken der Folgenberücksichtigung bereits: H. Höpker-Aschof Das Bundesverfassungsgericht, 1963, S.l (3 0; W. Geiger, Schriftenreihe d. Jur. Studiengesellschaft Hannover, Heft 3, S. 5(13); auch J. Isensee, HStR VII, § 162, Rn. 80 ff. 251

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

153

Aktivität" zu begegnen hat. 2 5 8 Denn: "Wo sein Rechtsspruch für den Staat le-, bensbedrohend ist," - und das ist er möglicherweise dann, wenn das Gericht einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Parteien nicht entgegenwirkt "hat das Gericht zugleich Vorsorge zu treffen, um den Staat, dessen Funktionsfähigkeit heute mehr denn je Voraussetzung von Existenz und Freiheit ist, vor den Folgen dieses Spruches zu schützen."259 Denn seine Aufgabe ist es, "den Staat in Form, nicht ihn umzubringen" 260. Eine derartige Maßnahme zur Erhaltung der Verfassung ist nach Klein 2 6 1 bereits im Vorfeld des Notstandes möglich, damit das Gericht einem Mißstand bereits frühzeitig effektiv entgegentreten kann. 3. Die Übertragung des Ansatzes Hans Hugo Kleins auf die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 Überträgt man den vom Berichterstatter der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 im Jahre 1968 vorgestellten Ansatz auf den vorliegenden Sachverhalt, so ergibt sich folgendes: Eine die Folgenreflexion auslösende Ausnahmesituation wird man nach der Logik des Urteils vorliegend daran festmachen können, daß mit einem Ansteigen der staatlichen Parteienfinanzierung über den Status Quo hinaus notwendig die Eskalation des Ansehensverlusts der Parteien einhergeht. Die Notsituation besteht darin, daß eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Parteien und damit letztlich eine Gefahr für die von den Parteien getragene repräsentative Demokratie des Grundgesetzes entsteht. Der für die Begründung der Kompetenz entscheidende Passus im Urteil lautet damit: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der 2 5 8

H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 30. H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 32; in diesem Sinne auch H. Höpker-Aschof\ Das Bundesverfassungsgericht, 1963, S.l (3 0; W. Geiger, Schriftenreihe d. Jur. Studiengesellschaft Hannover, Heft 3, S. 5 (13). 2 6 0 H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 33. 26 1 H.H. Klein, VVDStRL (37), S. 99 ff; S. 104. Diese Kompetenz des Gerichts entspricht der sogenannten "Kontrolloperation" des Bundesverfassungsgerichts. Im Rahmen dieser Kontrolloperation fragt sich das Gericht nach Aussage des Bundesverfassungsrichters W. Geiger: "...'führt die vorläufig gefundene - Auslegung zu unerträglichen Konsequenzen, konkreter zum Ruin des Staates, zur Zerrüttung der Finanzen, zur Lähmung einer ganzen Verwaltung, zur akuten und aktuellen Gefährdung der staatlichen Existenz?' und nimmt bejahendenfalls seine Entscheidung im Tenor so weit zurück, daß jene Folge nicht eintritt."W. Geiger, Schriftenreihe d. Jur. Studiengesellschaft Hannover, Heft 3, S. 5(13). Diese Kontrolloperation stellt nach Aussage Geigers zugleich eine charakteristische Auslegungsregel für die Verfassungsgerichtsbarkeit dar und wird von jedem Richter an das Ende seiner juristischen (!) Überlegungen gestellt. Allerdings erweisen sich die Ausführungen des ersten Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, auf die Geiger sich beruft, um einiges gemäßigter als seine eigenen Ausführungen. Vgl. H. Höpker-AschofDas Bundesverfassungsgericht, S. 1 (3 f.). 2 5 9

154

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesen Aufgaben zu erfüllen." 262 Würde der Senat also auf die konkrete absolute Obergrenze verzichten, dann wäre nach dessen Logik die Funktionserhaltung der Parteien gefährdet. Dies wiederum würde eine Krise der "Parteiendemokratie" begründen. 4. Stellungnahme zum Ansatz Hans Hugo Kleins Überträgt man diesen Notstandsgedanken auf die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992, dann sprechen gewichtige Gründe dafür, die Kompetenz des Gerichts zur Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze zu bejahen. Zwar liegt es auf der Hand, daß sich eine Kompetenz des Gerichts zur Abwicklung von Notlagen nur über ein - als Ausnahme zu begreifendes und durch die besondere Situation bedingtes und legitimierbares - Zurückdrängen der Gerichtsqualität des Bundesverfassungsgerichts erreichen läßt. Dies ist jedoch verfassungsrechtlich haltbar, wenn man das Augenmerk auf die tatsächliche Stellung des Gerichts im politischen Prozeß legt. Es ist beinahe zur fast ständigen Übung der politischen Organe geworden, den Streit um politisch brisante Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht auszutragen und diesem somit de facto die letzte Entscheidung zu übertragen. Ein Gesetzgebungsverfahren, das eine poltisch brisante Thematik zum Gegenstand hat, findet faktisch nicht mehr in der Verkündigung nach Art. 82 GG seinen Abschluß, sondern in einer Normenkontrollentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dies wird man beklagen, aber aus rechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstanden können, da das Grundgesetz den politischen Handlungsträgem im Staat hierzu die Möglichkeit einräumt. Dem Bundesverfassungsgericht versagt es dementsprechend die Möglichkeit der Abstinenz in politischen Fragen. 263 Damit kommt dem Bundesverfassungsgericht mutatis mutandis eine äußerst umfassende "Mittelpunkts- und Letztentscheidungsfunktion" 264 zu, die - auch in kompetenzieller Hinsicht - auf einen bedeutenden Handlungsspielraum des Gerichts bei der Abwicklung von verfassungsrechtlichen Ausnahmesituationen

2 6 2 2 6 3 2 6 4

BVerfGE 85, 264 (290). Siehe dazu o. S. 145. J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 255.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

155

hinweist. 265 Für einen dahingehenden Willen der Verfassung spricht nicht zuletzt die mit dem Handlungsfreiraum verbundene Organisationsrationalität. Insofern entspricht es durchaus einer sinnvollen Ausfüllung des Grundgesetzes, dem Organ die Entscheidungskompetenz zuwachsen zu lassen, das - sofern es hiermit beauftragt wird - ohnehin die letzte Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung fällt. 2 6 6 Zutreffend stellt H.H. Klein fest: "Welchem Organ auch immer die Verfassung das letzte Wort gibt, dem überträgt sie auch die letzte Verantwortung." 267 Dieses Resultat entspricht insbesondere auch der Konzeption der Doppelfunktion des Gewaltenteilungsprinzips, das von der Zuweisung der Kompetenz an das sachlich richtige Organ ausgeht. Untermauert werden kann dieses Ergebnis durch eine Aussage des einfachen Rechts. Gemäß § 11 Abs. 1 BVerfGG werden die Bundesverfassungsrichter auf die "getreuliche Wahrung" des Grundgesetzes vereidigt. Auch hier steht die nach der Argumentation H.H. Kleins in den Vordergrund gerückte Verpflichtung zur Erhaltung des Grundgesetzes, die eine Bedingung für die Erhaltung eines verfassungsgerechten und "in Form" befindlichen Staates ist, im Mittelpunkt. Damit ist es auch unter Berücksichtigung des Gewaltenteilungsprinzips grundsätzlich möglich, dem Bundesverfassungsgericht in der entsprechenden besonderen Situation die Kompetenz zur politisch motivierten Entscheidung für die konkrete absolute Obergrenze zuzusprechen und damit das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien als von der Verfassung sanktioniert zu erklären.

D. Der Ansatz Hans Hugo Kleins als taugliche Grundlage zur Begründung der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts für die konkrete absolute Obergrenze Damit ist eine verfassungsrechtlich tragfähige Konstruktion umrissen, die die Kompetenz zur Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze prinzipiell dogmatisch begründen kann. Im folgenden ist der Frage nachzugehen, ob dieses Fundament nur theoretisch trägt, oder ob es die konkret getroffene Ent-

26 5 J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 255. Nicht tiefergehend behandelt werden soll die hierdurch aufgeworfene Frage nach dem Sitz der Souveränität im Staat. Da nach der Definition C. Schmitts: "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet."(C. Schmitt, Politische Theologie, S. 11) läge diese zumindest nach dessen Auffassung beim Bundesverfassungsgericht und nicht beim Volk. 2 6 6 J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 256. 26 7 H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 35.; so auch E. Klein, HStR, VII, § 169 Rn. 64.

156

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Scheidung tatsächlich legitimiert. Zu untersuchen ist zunächst, ob im zugrunde liegenden Fall die grundsätzlich vorhandene verfassungspolitische Neutralität des Grundgesetzes überwunden werden kann, so daß der Weg für die auf einer politischen Einschätzung basierende absolute Obergrenze frei wird. Bedenken ergeben sich darüber hinaus im Hinblick auf die Parteien als dem unmittelbaren Objekt des Staatsschutzes268 und hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens der Voraussetzungen der nur politisch begründbaren Entscheidung für die konkrete absolute Obergrenze. 269

I. Das Problem der politisch motivierten und politisch begründeten Entscheidung für die konkrete absolute Obergrenze Eine besondere Brisanz der absoluten Obergrenze aus dem Blickwinkel der Gewaltenteilung liegt in der ihr zugrundeliegenden politischen Motivation. Es ist daher zu fragen, ob das Gewaltenteilungsprinzip unter den gegebenen Voraussetzungen speziell diesen unorthodoxen Zugriff auf die politisch motivierte und in ihrem normativen Gehalt nicht faßbare Dezision billigt. Zu berücksichtigen gilt es dabei, daß sich die Kompetenz zur Festlegung der konkreten Zahl nicht von der Frage der Kompetenz zur politisch motivierten und begründeten Entscheidung trennen läßt. Ist die Befugnis zur politischen Begründung gegeben, so ist zugleich auch die politische Motivation als deren Vorstufe und auch die Festlegung der Zahl als deren Mittel aus der Perspektive der Verfassung nicht zu beanstanden. In diesem Fall nämlich dürfte das Gericht - das tatsächliche Vorliegen einer den Handlungsspielraum eröffnenden Ausnahmesituation vorausgesetzt - wie der Gesetzgeber jede Zahl festschreiben. 1. Der Grundsatz der gesellschaftspolitischen

Neutralität

des Grundgesetzes

Eine von Gesichtspunkten der politischen Zweckmäßigkeit geprägte Rechtsentscheidung ist dem obersten Judikativorgan, welches das gesellschaftpolitisch neutrale Grundgesetz 270 interpretiert, verwehrt. Das Bundesverfassungsgericht kann seine Funktion als Sprachrohr der Verfassung regelmäßig nur aus einer Distanz zur Staatsleitung wahrnehmen 271 und "ist insbesondere nicht in der Lage, seine eigenen politischen Erwägungen an die Stelle der Erwägungen zu setzen, die die gesetzgebenden Instanzen zum Erlaß der Gesetze bestimmt 2 6 8 2 6 9 2 7 0 27 1

Siehe hierzu u. S. 163 ff. Siehe hierzu u. S. 175 ff. M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46, (74 f.) Κ Schiaich, VVDStRL 39 (1981), 99, (139).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

157

haben." 272 Grundsätzlich obliegt dem Gesetzgeber damit die Entscheidung darüber, ob eine Entwicklung - etwa die Dysfunktionalisierung des Parteiensystems - unter Zugrundelegung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse eintreten kann und wie sie gegebenenfalls zu verhindern ist. Lediglich die grundsätzliche Verpflichtung zur Beseitigung oder Verhinderung eines verfassungsverwehrten Zustandes - etwa in der Art: "Die Verfassung gebietet die Erhaltung der Funktionsfähigkeit von Parteien" - kann aus der Verfassung hergeleitet und unter normalen Umständen vom Bundesverfassungsgericht getroffen werden. 273 Der Senat hat vorliegend jedoch über das "Ob" des Eintritts einer Dysfunktionalisierung der derzeit etablierten Parteien und sehr konkret über das "Wie" der Abhilfe entschieden. Er hat eine politische Entwicklung antizipiert und die Verhinderung eines befürchteten Mißstandes zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht. Dabei hat es seine eigene Einschätzung, nämlich daß bei weiterer Überfinanzierung die Parteienverdrossenheit wächst und als Resultat dessen letztlich eine Beeinträchtigung der funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung durch die Parteien zu erwarten ist, zum Maßstab genommen. Der Senat hat damit nicht nur bei der Erarbeitung rechtlicher Maßstäbe auf politische Erwägungen abgestellt, sondern darüber hinaus - um dem prognostizierten Zustand selbst abhelfen zu können - eine konkrete Zahl für die Höhe der staatlichen Zuwendungen an Parteien festgeschrieben. Dies ist verfassungsrechtlich insofern bedenklich, als "das Recht, primär das Verfassungsrecht, der alleinige Maßstab (ist), an dem das Bundesverfassungsgericht die Akte der Staatsgewalt prüft." 274 Insofern liegen politische oder zumindest rechtlich nicht begründbare Wertungen insbesondere unter Berücksichtigung politischer Zweckmäßig- oder Notwendigkeit - um die es sich im Falle der Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze augenscheinlich handelt 275 - regelmäßig außerhalb der von Art. 93 GG vindizierten verfassungsgerichtlichen Zuständigkeit und Kompetenz 276 . Die verfassungsrechtliche Problematik dieses Vorgehens liegt auf der Hand: Das Bundesverfassungsgericht hat die politischen Einschätzungen und Entscheidungen der dafür zuständigen Staatsorgane zu respektieren 277 und sich dementsprechend selbst ausdrücklich zum Verzicht auf das Betreiben von Politik bekannt. Es hat es zu seinem Ziel erklärt, "den von der Verfassung für die Verfassungsorgane garantierten Raum freier politi27 2

G. Leibholz, DVB1. 1974, 396 (399). Siehe zur Begründung dieser Grenze der Herleitbarkeit o. S. 94 ff. 2 7 4 J. Isensee, HStR, VII, § 162, Rn. 85. 2 7 5 In diesem Sinne ausdrücklich auch U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (328). 27 6 J. Isensee, HStR, Bd. VII, § 162, Rn. 85. 277 ygi hierzu auch die Ausführungen zur Verfassungsinterpretation. Die Grenze zulässiger Verfassungsauslegung liegt in der rechtlichen Herleitbarkeit einer Entscheidung. Siehe o. S. 95 f. 2 7 3

158

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

scher Gestaltung offenzuhalten" 278. So führte bereits der erste Präsident des Bundesverfassungsgerichts, H. Höpker-Aschof, in seiner Ansprache zur Eröffnung des Gerichts aus: "Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, in den politischen Kämpfen zu entscheiden, sondern nur darüber zu wachen, daß in solchen Kämpfen die alle verpflichtenden Normen des Grundgesetzes beachtet werden. ... Wir dürfen nicht der Versuchung erliegen, unsere politisch-sachlichen Erwägungen an Stelle der politisch-sachlichen Erwägungen des Gesetzgebers zu stellen - der Versuchung, selbst den Gesetzgeber spielen zu wollen - wir haben nur darüber zu wachen, daß die Normen des Grundgesetzes auch von dem Gesetzgeber eingehalten werden." 279 An dieses Gebot zur Anerkennung der gesellschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes hat sich der Senat in der Parteienfinanzierungentscheidung des Jahres 1992 nicht gehalten. Zu untersuchen ist damit, ob von diesem Gebot vorliegend eine Ausnahme zu machen ist, ob also die Verfassung dem Bundesverfassungsgericht im speziellen Fall den Zugriff auf das mit der Ziehung der konkreten absoluten Obergrenze gewählte Instrumentarium des Gesetzgebers gestattet. 2. Ausnahmen vom Grundsatz der gesellschaftspolitischen

Neutralität

Für eine Ausnahme vom Grundsatz der gesellschaftspolitischen Neutralität lassen sich vorliegend zwei Gründe anführen. Zum einen ein wiederholter offensichtlicher Ermessensmißbrauchs des Gesetzgebers, zum anderen die Pflicht des Bundesverfassungsgerichts zur Staatserhaltung. a) Die Ausnahme aufgrund eines wiederholten offensichtlichen Ermessensmißbrauchs des Gesetzgebers In der Lehre wird eine Ausnahme vom Grundsatz des Verzichts auf das Betreiben von Politik durch das Bundesverfassungsgericht für den Fall diskutiert, daß der Gesetzgeber das ihm für die Gesetzgebung eingeräumte Ermessen 280 wiederholt offenbar mißbräulich anwendet. 281 Um mit dieser Begründung eine

2 7 8

BVerfGE, 34, 1 (14 f.). H. Höpker-Aschof \ Das Bundesverfassungsgericht, S. 1 (2 f.) in der Eröffnungsansprache für das Gericht am 28.09.1951. 2 8 0 Der Begriff "Ermessen" wird hier im Sinne der zitierten Autoren verwendet. Gemeint ist das Gestaltungsermessen des Gesetzgebers bei der Gesetzgebung. 2 8 1 G. Leibholz, DVB1 1974, 396 (399); W. Geiger, Schriftenreihe d. Jur. Studiengesellschaft Hannover, Heft 3, S. 5(15). 27 9

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

159

Ausnahme vom Grundsatz der gesellschaftspolitischen Neutralität annehmen zu können, müßte zunächst eine eindeutige Aussage über den Mißbrauch des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums getroffen werden können. Bereits dies ist aber vorliegend unmöglich. Die Entscheidung darüber, ob es sich im Falle der Parteienfinanzierungsgesetzgebung um den Fall eines offensichtlichen gesetzgeberischen Ermessensmißbrauchs handelt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Dies erweist sich, wenn man die verschiedenen Ansichten der in den diversen Anhörungen vor den jeweils zuständigen Ausschüssen zu Wort gekommenen Sachverständigen einander gegenüberstellt. Während etwa in der Anhörung des Jahres 1983 die Sachverständigen H.-P. Schneider 282 und K.H. Friauf 2 8 3 von der Verfassungsmäßigkeit der in diesem Rahmen diskutierten Chancenausgleichsregelung ausgingen, proklamierten die Sachverständigen H.H. v. Arnim 2 8 4 , J. Isensee 285 und K.H. Seifert 286 so vehement das Gegenteil, daß der Gedanke an einen offensichtlichen Mißbrauch des gesetzgeberischen Ermessens und letztlich eines Verfassungsverstoßes durchaus erlaubt ist. Nicht anders verhielt es sich in der Anhörung zum Sechsten Änderungsgesetz zum Parteiengesetz von 1994, wo die Lager abermals geteilt waren. 287 Liest man die Stellungnahme der Sachverständigen H. Sendler 288 und H.H. von Arnim 2 8 9 , so drängt sich auch der Gedanke einer Wiederholung des offensichtlichen Ermessensmißbrauchs geradezu auf. Dieser relativiert sich freilich, wenn man etwa die Stellungnahme der Sachverständigen P. Badura 290 oder J. Ipsen 2 9 1 zur selben Fragestellung liest, die hierdurch keine größeren verfassungsrechtlichen Probleme begründet sahen. Diese sich widersprechenden Aussagen machen deutlich, daß sich ein wiederholter, offensichtlicher Ermessensmißbrauch zumindest nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisen läßt. Bereits deswegen entfällt dieses Kriterium zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Ausnahme vom Grundsatz der gesellschaftspolitischen Neutralität.

2 8 2

Anhörung 83, S. 7 ff. Anhörung 83, S. 2 ff. Allerdings ein "verfassungsrechtliches Restrisiko" einräumend. A.a.O., S. 94. 2 8 4 Anhörung 83, S. 14 ff. 2 8 5 Anhörung 83, S. 10 ff., 108. 2 8 6 Anhörung 83, S. 21 f. 2 8 7 Anhörung 1993, S. 10 ff. Siehe hierzu u. S. 210 ff. 2 8 8 H. Sendler, NJW 1994, 365 ff. 2 8 9 H.H. ν Arnim, Anhörung 93, S. 27 ff. 2 9 0 Anhörung 1993, S. 14 ff. So im Ergebnis auch: H. Hofmann, DÖV 1994, 501 (515). 29 1 J. Ipsen, Anhörung 93, S. 34 ff. 2 8 3

160

3. Teil: Teilallgemeinfinanziengskonzeption und Grundgesetz

b) Die Ausnahme aufgrund eines Notstandes Zu untersuchen bleibt damit, ob ein bei Unterlassen der Plafonierung möglicherweise entstehender Notstand zu einer Ausnahme vom Grundsatz der gesellschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes führt. Hier wird der bereits vorgestellte Ansatz H.H. Kleins 292 zur Überprüfung der Legitimation einer nur politisch begründbaren Entscheidung - hier der konkreten absoluten Obergrenze - relevant. Es ist anerkannt, daß die gesellschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes nicht absolut ist und etwa dann an ihre Grenze stößt, wenn der Staat in Not, genauer in die Gefahr einer Existenzbedrohung, gerät. Daß es zu einer Zerstörung des Staates kommt, verhindert die Staatsraison als integrales Element des Verfassungsrechts. 293 Liegt ein Notstand vor oder droht ein solcher, dann muß es dem Staat möglich sein, diesem Zustand abzuhelfen, oder, sofern er noch nicht eingetreten ist, dessen Entstehung zu verhindern. Daß nach der Einschätzung des Gerichts ein derartiger Notstand in Form der Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystems drohen soll, bringt der Senat durch den Satz: "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse, so führte dies notwendig zu einer Verminderung ihres Ansehens und würde letztlich ihre Fähigkeit beeinträchtigen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen" 294 zum Ausdruck. 295 Die Instandhaltung der Funktionsfähigkeit des Staates ist nicht nur, wie in Art. 20 Abs. 4 GG festgelegt, das Recht eines jeden Bürgers, sondern insbesondere das des Bundesverfassungsgerichts als dem "Hüter der Verfassung". Die Verpflichtung zur Wahrung des Grundgesetzes ist Bestandteil des Amtseides der Bundesverfassungsrichter und ist diesen aufgrund ihrer Verpflichtung zur getreulichen Wahrung der Verfassung geboten. Gilt es, einem Notstand abzuhelfen, oder ihn nur zu verhüten, so muß erwogen werden, ob das Grundgesetz in diesem Fall dem Bundesverfassungsgericht aufgrund übergeordneter Interessen der Staatserhaltung das Recht zur Ziehung der politisch begründeten konkreten absoluten Obergrenze zuspricht.

2 9 2

Siehe o. S. 152 ff. H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 33; zustimmend J. Isensee, HStR, VII, § 162, Rn. 80. Dies hob man bereits früh hervor: "Das Bundesverfassungsgericht... darf ... der Frage nicht ausweichen, ob nicht durch seine Entscheidungen ein gesetzloser Zustand herbeigeführt werden kann, der eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates bedeutet." So der erste Präsident des Bundesverfassungsgerichts H. Höpker-AschofDas Bundesverfassungsgericht, S. 1 (3 f.) in der Eröffnungsansprache für das Gericht am 28.09.1951. 2 9 4 BVerfGE 85, 264 (290). 2 9 5 Siehe hierzu o. S. 114 f. 2 9 3

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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aa) Die Überwindung der verfassungspolitischen Neutralität im Falle einer Gefährdung des Staates "Aus dem Grundgesetz", so heißt es bei M. Kriele, "können sich unantastbare Prinzipien ergeben, die den Rahmen für die demokratische Auseinandersetzung abstecken. Eine Grenze der gesellschaftspolitischen ... Neutralität liegt da, wo die Demokratie als Staatsform gefährdet ist. Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Legitimität der demokratischen Staatsverfassung zu bewahren und zu stärken, sind vom demokratischen Prinzip im Grundgesetz gerechtfertigt und, wenn sie (...) erforderlich sind, geboten. Der Verfassungsinterpret darf nicht wirklichkeitsblind oder schüchtern mit Berufung auf die 'weise Zurückhaltung' des Verfassungsinterpreten vor Erosion der demokratischen Legitimität oder gar der Verfassungszerstörung kapitulieren." 296 Im Falle der Gefährdung der Demokratie wird man dann von einem Erreichen der "Grenze der verfassungspolitischen Neutralität des Grundgesetzes" ausgehen müssen. 297 Dies kann nach J. Isensee im Ergebnis sogar zur Preisgabe des Geltungsanspruches der Verfassung führen. "An den Grenzen der Handlungsfähigkeit der deutschen Staatsgewalt bricht sich der Geltungsanspruch der Verfassung; fehlt die Handlungsfähigkeit, muß eine an sich mit der Verfassung unvereinbare Regelung hingenommen werden, wenn sie näher am Grundgesetz liegt als der frühere Zustand."298 Diese Formulierung von der Hinnehmbarkeit eines verfassungswidrigen Zustandes, der näher an der Verfassung liegt als der vorherige, erinnert an die sogenannte "Annährungsrechtsprechung"299 des Bundesverfassungsgerichts 300. Insofern liegt der Gedanke nicht fem, daß auch das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 hinzunehmen ist, weil es eine Lösung bringt, die zumindest näher an der Verfassung liegt als der vorherige Zustand: Nämlich die vom Bundesverfassungsgericht nunmehr als verfassungswidrig eingeschätzte Überfinanzierung. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß die "Annährungstheorie" vorliegend nicht angewandt werden kann, da sie lediglich für Fälle gilt, in denen das Bundesverfassungsgericht handeln muß, weil der Legislative die Schaffung eines verfassungskonformen Zustandes a priori unmöglich ist. 301 Im Falle der Parteienfinanzierung mit der Problematik der Entscheidung in eigener Sache ist dem Gesetzgeber eine verfassungskonforme Regelung sehr

2 9 6

M. Kriele,, VVDStRL 29 (1971), S. 46 (74 f.). M. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46 (74 f.). 2 9 8 J. Isensee, HStR, VII, § 162, Rn 83. 2 9 9 Siehe dazu insgesamt: P. Lerche, DÖV 1979, 721 ff. und W. Frenz, ZG 1993, 248 (258 ff.). 3 0 0 BVerfGE 4, 157 (159 f. Saarurteil, grundlegend) auch E 12, 281 (290 ff.); 14, 1 (7 ff.); 15, 337 (348 ff.); 18, 353 (365); 27, 253 (281). 301 Siehe dazu W. Frenz, ZG 1993, 248 (259). 29 7

11 Schwartmann

162

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

wohl möglich und insbesondere auch zuzumuten, sie wurde bislang lediglich nicht getroffen. bb) Stellungnahme Für H.H. Klein gebietet es die Staatsraison als "integrales Element des Verfassungsrechts" 302 dem Bundesverfassungsgericht, sich einer drohenden Zersetzung der Demokratie entgegenzustemmen. Dem wird man beipflichten können. Sich gegen Gefahren von innen zu schützen, gehört zum politischen Selbsterhaltungsrecht des Staates, das man diesem nicht abstreiten wird. 3 0 3 Dafür spricht aus der Perspektive des Grundgesetzes insbesondere dessen stark rechtsstaatliche Ausrichtung. 304 Daß sich der Staat in einer Situation, in der er einem Angriff von innen ausgesetzt ist 3 0 5 , verteidigen darf, belegt neben Art. 20 Abs. 4 auch Art. 21 Abs. 2 GG und kann im Grundsatz nicht ernsthaft bestritten werden. Es läßt sich damit festhalten, daß dem Bundesverfassungsgericht in einer Notsituation das erlaubt sein muß, was den Staat "in Form" hält. Folgerichtig ist es in diesem Fall auch zulässig, wenn das Gericht hierbei auf eine Begründung zurückgreift, die in ihrem normativen Gehalt nicht faßbar ist. Zu berücksichtigen ist, daß der Senat vorliegend politisch entscheidet, weil er die Funktionsfähigkeit der Parteien - für ihn notwendig aus dem durch Überfinanzierung resultierenden Ansehensverlust der Parteien folgend - für ernsthaft gefährdet hält. Weil das Gericht aber eine Dysfunktionalisierung des von Parteien geprägten Systems für sicher hält, wenn es der Entscheidung mit den erwähnten Besonderheiten entsagt, ist es unzulässig, diesem in einer konkreten Notsituation aus prinzipiellen Erwägungen heraus zu versagen, auf das Instrumentarium der Politik zuzugreifen. Andernfalls würde ihm letztlich das Recht in Abrede gestellt, seine Aufgabe der Staatserhaltung wahrzunehmen und im Sinne seiner "Funktionenverantwortung" zu entscheiden. Es würde dazu verpflichtet in Kauf zu nehmen, den Staat "um- anstatt (...) in Form (zu) bringen". 306 Das hier vertretene Verständnis von der Gewaltenteilung als Gewaltenverantwortung 307 steht diesem Befund nicht entgegen. Nach der Konzeption des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist dem Funktionsträger kompetenziell erlaubt, was die verantwortungs- und sachgerechte Ausfüllung der diesem zuge3 0 2

H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 33. E.W. Böckenförde, Sittlicher Staat, S. 26. 3 0 4 K.H. Friauf Kind, S. 346 f. 3 0 5 Diskutiert wurde dies für das sog. "Radikalenproblem". Dazu E.W. Böckenförde, Staat, S. 26 f. 3 0 6 H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 33. 3 0 7 Siehe hierzu o. S. 144 ff. 30 3

Sittlicher

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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wiesenen Funktion erforderlich macht und was sich im Rahmen der Verfassung hält, der vom Gesichtspunkt der Staatsraison bestimmt ist. Dies umspannt in einem Notfall auch die Befugnis zu einer nur politisch nachvollzieh- und begründbaren Entscheidung. Wenn sachgemäße und verantwortungsbewußte Wahrnehmung seiner Kompetenz das Gericht zwingt, politische Erwägungen in die Verfassungsrechtsfindung aufzunehmen, dann kann diesem unter Berufung auf das Gewaltenteilungsprinzip nicht das Recht streitig gemacht werden, eine derartige Entscheidung zu treffen. Im Gegenteil: Die Befugnis zur Disposition über die eigene Kompetenz hat das Gericht, das im Rahmen seiner Entscheidungsfindung lediglich die von der Verfassung vorgegebene Kompetenzverteilung nach vollzieht, nicht. 308 Damit wird deutlich, daß die Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Festlegung einer konkreten absoluten Obergrenze bei Vorliegen einer tatsächlichen Krisensituation verfassungsrechtlich sanktioniert ist. Verfassungsrechtlich verwehrt ist es demgegenüber, wenn das Gericht aufgrund eines bloßen verfassungspolitischen Bedürfnisses seine kompetenziellen Befugnisse erweitert. 309

I I . Die Möglichkeit des Eintritts eines Notstandes aufgrund einer drohenden Gefährdung der Parteien Bis hierhin wurde dargestellt, daß das Gericht von der normativ faßbaren Begründung entbunden sein kann, wenn dies in einer besonderen Situation um des richtigen Ergebnisses willen geboten ist. Allerdings bedeutet dies nicht, daß es dem Bundesverfassungsgericht erlaubt wäre den Satz, "Not kennt kein Gebot" beziehungsweise "das Recht kennt keine Grenzen" zur Verfassungsmaxime zu erheben. 310 Die Berufung auf die Staatsraison darf nicht zur Konsequenz haben, den Verfassungsinterpreten von der Einhaltung der Verfassung zu dispensieren. 311 Diese enthält gerade für Krisensituationen deutliche Vorgaben. 3 1 2 Hierzu gehört insbesondere die Direktive, den Staatsschutz auf existentielle Verfassungsgüter zu beschränken. 313 Angesichts dessen gibt das Gebot zur Funktionserhaltung der Parteien Anlaß zu Bedenken. Objekt des Staatsschutzes ist vorliegend nur mittelbar der Staat, unmittelbar aber sind es die politischen Parteien. Zu untersuchen ist damit, inwiefern die Parteien - als 30 8 3 0 9 3 1 0 311 3 1 2 3 1 3

1*

J. Isensee, HStR, VII, § 162, Rn. 85. BVerfGE 22, 293 (298). E. Klein, HStR VII, § 169 Rn. 64. Siehe hierzu eingehend: Κ Doehring, Carstens-FS, S. 527 (528 ff.). Siehe zu diesen Notstandsdirektiven der Verfassung: E. Klein, HStR VII, § 169 Rn. 64. E. Klein, HStR VII, § 169 Rn. 64.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Bestandteile der Gesellschaft - überhaupt als existentielles Verfassungselement begriffen werden können. Dies wiederum hängt davon ab, welche Bedeutung die Verfassung den Parteien zuweist. Ein Schutz der Parteien vor Gefahren, denen diese sich selbst aussetzen, ist dann zulässig, wenn die Parteien nach der Konzeption des Grundgesetzes für die Funktionsfähigkeit des Staates unentbehrlich sind. Sollte sich erweisen, daß die Parteien ein taugliches Objekt des Schutzes vor Gefahren von innen sind, muß die Frage beantwortet werden, ob die Voraussetzungen für die besonders gelagerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im konkreten Fall vorliegen. Wäre auch dies zu bejahen, so käme dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zur politisch motivierten und in ihrer normativen Begründung nicht faßbaren, sondern lediglich politisch erklärbaren, Ziehung der konkreten absoluten Obergrenze zu. Das Vorgehen des Gerichts entspräche dann den Vorgaben des Gewaltenteilungsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG. 1. Die Schutzobjektqualität

der Parteien

Das Agieren des Gerichts unmittelbar zum Schutz der Parteien vor Gefahren von innen agiert, wäre unproblematisch, wenn durch die Parteienfinanzierungentscheidung von 1992 die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft aufgehoben worden wäre und damit der Schutz des Staates einem Schutz der Parteien gleich käme. Auch wäre ein über die Parteien vermittelter Staatsschutz problemlos möglich, wenn die Parteien innerhalb der organisierten Staatlichkeit stünden. Dies ist jedoch, wie die obige Untersuchung 314 gezeigt hat, nicht der Fall. Insofern ist die Übertragung des Staatsschutzgedankens auf die Parteien verfassungsrechtlich keine Selbstverständlichkeit. Daher gilt es, die Zulässigkeit dieses mittelbaren Staatsschutzes zu überprüfen. a) Problemstellung Anerkannt ist, daß "aus der Perspektive des Grundgesetzes (...) der Bestand des Staates selbst ein Schutzobjekt der Verfassung (ist). Er wird als solches genannt, gemeinsam mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in Vorkehrungen der wehrhaften Demokratie (Art. 21 Abs. 2, Art. 91 Abs. 1 GG)." 3 1 5 Dies ist keine Besonderheit gerade der Verfassungsmaterie des Grundgesetzes. Ganz allgemein sind Existenz, Struktur und Organisation der Staatlichkeit integrale Elemente im Ordnungsplan einer Verfassung. Weil die 3 1 4 31 5

Siehe o. S. 127 ff. J. Isensee, HStR, I, § 13, Rn. 173; Seifert/Hömig,

GG, Art. 91 Rn 1.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

165

Verfassung dem Staat den Auftrag erteilt, die Freiheit und die Lebensbedingungen der Bürger zu ermöglichen 316, dient der Schutz des Bestandes des Staates als Mittel zum Zweck der Freiheitssicherung und stellt insofern keineswegs einen bloßen Selbstzweck dar. Fraglich ist, ob sich dieser Gedanke auf die Parteien übertragen läßt. Nach J. Isensee lassen sich in der Verfassung allgemeine Prinzipien erkennen, die vom Verfassungsinterpreten - damit vornehmlich vom Bundesverfassungsgericht - die Reflexion über möglicherweise staatsgefährdende Folgen einer Auslegung fordern. Es handelt sich dabei um den "Bestand des Staates und seine Elementarstrukturen als Verfassungsvoraussetzungen" und "die Funktionsfähigkeit der Verfassungsinstitutionen." 317 Gemeint war damit bislang die Funktionsfähigkeit staatlicher Institutionen wie des Parlaments 318, der Regierung 319 oder der Bundeswehr. 320 3 2 1 Dem Bereich der Gesellschaft zuzuordnende Vereinigungen, wie die politischen Parteien, fielen nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht unter die Güter, deren Funktionsbeeinträchtigung eine Folgenreflexion erforderlich machte. Nun jedoch sieht der Senat eine Gefährdung des Staates aufgrund einer drohenden Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystem als gegeben an und nimmt konsequenterweise auch in diesem Fall eine Folgenreflexion vor. Insofern schaltet er dem Schutz des Staates vor von innen drohenden Gefahren nunmehr den Schutz der Parteien vor Gefahren von innen zwischen. Damit stellt sich die Frage, ob ein Notfall in einer der beschriebenen Ausprägungen im Falle der Betroffenheit der Parteien als staatsfernen Gebilden überhaupt vorliegen kann. Dies wäre der Fall, wenn die Parteien trotz ihres Standortes außerhalb des Bereiches der organisierten Staatlichkeit für die Demokratie unentbehrlich wären. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der Bedeutung der Parteien für den Staat des Grundgesetzes. b) Die Bedeutung der Parteien für den Staat Die elementare Bedeutung der Parteien für die Demokratie wird im Grundsatz nicht bestritten und wurde bereits von der Weimarer Verfassung hoch angesetzt.

3 1 6 31 7 3 1 8 3 1 9 3 2 0 321

So J. Isensee, HStR, I, § 13, Rn. 173. J. Isensee, HStR, VII, § 162, Rn. 82. BVerfGE 1, 208 (248); 3, 383 (393); 6, 84 (92); 10,4 (13 f.); 14, 121 (136); 16, 6 (16). BVerfGE 1, 208 (248); 6, 84 (94); 9, 269 (281); 62, 1 (64). BVerfGE 28, 243 (261). J. Isensee, HStR, I, § 13, Rn. 173.

166

3. Teil: Teilallgemeinfinanziengskonzeption und Grundgesetz

aa) Die Bedeutung der Parteien unter Geltung der Weimarer Reichsverfassung Der damalige Stellenwert der Parteien ist zum einen durch Äußerungen in der Staatsrechtswissenschaft unter der Geltung der Weimarer Verfassung 322 belegt. Neben H. Triepel 323 , H. Heller 3 2 4 , H. Nawiasky 325 , O. Koellreutter 326 und G. Radbruch 327 streicht insbesondere H. Kelsen die Bedeutung der Parteien heraus, indem er diese "als eines der bedeutendsten Elemente der realen Demokratie" begreift und ausführt: "Die moderne Demokratie beruht geradezu auf den politischen Parteien, deren Bedeutung um so größer ist, je stärker das demokratische Prinzip verwirklicht ist." 3 2 8 "Nur Selbsttäuschung oder Heuchelei kann vermeinen, daß Demokratie ohne politische Parteien möglich ist. Die Demokratie ist notwendig und unvermeidlich ein Parteienstaat." 329 Kelsen betrachtet die von Parteien geprägte Demokratie schlicht als ein Faktum, dem man sich zwar verschließen, an dessen Richtigkeit man aber nicht zweifeln kann: "Wenn die Verfassungen demokratischer Republiken - ... - den politischen Parteien die rechtliche Anerkennung verweigern, so kann dies nicht mehr - wie in der konstitutionellen Monarchie - die Bedeutung haben: die Realisierung der Demokratie zu hemmen, sondern nur mehr: vor Tatsachen die Augen zu verschließen." 330 Auch von der Weimarer Verfassung selbst wurden die Parteien in ihrer Bedeutung höher eingestuft, als dies die lediglich negative Erwähnung in Art. 130 Abs. 1 WRV vermuten läßt. Diese Norm enthielt den Hinweis darauf, daß die Beamten Diener der Gesamtheit und nicht einer Partei sind. Abgesehen davon, daß dieser Satz, der aufgrund der konkreten Umbruchsituation von der Monarchie zur parlamentarischen Demokratie in den Jahren 1918/1919 besonders indiziert erscheint, auch in der von Parteien Verdrossenheit geprägten Situation des ausklingenden 20. Jahrhunderts seinen besonderen Sinn hätte 331 , sagt er über eine parteienfeindliche Tendenz der Weimarer Verfassung nichts aus. Die Parteien waren zwar nicht positiv in einem eigenen 3 2 2 Siehe dazu: C. Gusy, Parteienstaat in der Weimarer Republik, S. 57; ders., Der Staat 32. Bd. (1993), S. 57 (57 ff.); R. Hofmann, Geschichte der deutschen Parteien, S. 111 ff. 3 2 3 H. Triepel mit der bekannt gewordenen Formulierung aus: "Die Staatsverfassung und die politischen Parteien" (1928), S. 8 von der "Stufenfolge in der Einstellung des Staates zu den Parteien". 3 2 4 H. Heller, Staatslehre, S. 213. 32 5 H. Nawiasky, Die Zukunft der politischen Parteien (1924), S. 8 ff. 3 2 6 O. Koellreutter, Der deutsche Staat als Bundesstaat und Parteienstaat (1927), S. 21 ff. 32 7 G. Radbruch, in: Anschütz-Thoma, HdbDStR I, (1930) S. 285 ff. 3 2 8 H. Kelsen, Wesen der Demokratie, S. 19. 3 2 9 H. Kelsen, Wesen der Demokratie, S. 20. 3 3 0 H. Kelsen, Wesen der Demokratie, S. 23. 331 Vgl. dazu H. Maurer, JuS 1991, 881 (881).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

167

Artikel erwähnt, dafür aber durch die allgemeine Vereinigungsfreiheit des Art. 124 WRV verfassungsrechtlich abgesichert. Auch die Tatsache, daß die Weimarer Reichsverfassung die ohne die Existenz politischer Parteien nicht durchführbare Verhältniswahl vorsah, macht den Stellenwert deutlich, den bereits der Vorläufer des Grundgesetzes den Parteien zusprach. 332 Folgerichtig erkannte W. Jellinek 1927: Das Parteiwesen ist "eine tatsächlich notwendige, seit Einführung der Verhältniswahl auch rechtlich vorausgesetzte Erscheinung des staatlichen Lebens." 333 bb) Die Bedeutung der Parteien nach dem Grundgesetz Das Grundgesetz knüpft hinsichtlich der Bedeutung der Parteien 334 an seinen Vorläufer an und macht in Art. 21 GG die Bedeutung der Parteien für den Staat deutlich. 335 Insofern wollte das Grundgesetz durch die Einführung des Parteienartikels keine Revolutionierung der Verfassungsordnung durch politische Parteien bewirken 336 , sondern eine begonnene Entwicklung fortsetzen. 337 Bei der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes handelt es sich um ein Staatswesen, dessen politisches und konstitutionelles Leben in maßgeblicher Weise durch die Existenz und die beherrschende und bestimmende Rolle der Parteien geprägt ist. 3 3 8 Wenn insofern gerne von der Bundesrepublik als Parteienstaat gesprochen wird, so trifft dies zu, sofern man dabei berücksichtigt, daß dieser insofern verfassungsrechtlich sanktioniert ist, als er aussagt, daß politische Willensbildung ohne Parteien für das Grundgesetz schwer denkbar ist. Sofern allerdings mit dem Begriff Parteienstaat eine Instrumentalisierung des Staates durch die Parteien in Verbindung gebracht wird, beschreibt er bloß noch einen verfassungswidrigen Zustand. 339 Die besondere Bedeutung der Parteien im Staat offenbart sich jedoch nicht bereits aus Art. 21 GG. Erst wenn man sich deren Aufgabe im repräsentativen System vor Augen führt, wird der Blick auf ihre eigentliche Bedeutung frei. 3 4 0 Wie jede Form der mittelbaren Demokratie ist auch die des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG auf einen Vermittlungspro3 3 2

In diesem Sinne E.G. Mahrenholz, 40 Jahre GG, S. 93 (95 f.). W. Jellinek, Verfassung und Verwaltung des Reichs und der Länder, 3. A. (1927), S. 47. 3 3 4 Siehe hierzu kurz: P. Kunig, Jura 1991, 247 (247 ff.). 3 3 5 Siehe zu einem Überblick über die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates zu den Parteien: W. Matz, DRZ 1950, 273 ff. 3 3 6 So allerdings G. Leibholz. Siehe hierzu o. S. 117 ff. m.w.N. 3 3 7 Siehe dazu K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 61 f. 33 8 W. Grewe, E. Kaufmann-FS., S. 65. 3 3 9 In diesem Sinne: J. Ipsen, StaatsR., Rn. 114. 3 4 0 Siehe hierzu eingehend C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 123 f. 33 3

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

zeß zwischen dem Volks - und dem Staatswillen angewiesen.341 Das Grundgesetz hat sich in Art. 21 GG ausdrücklich dafür entschieden, daß dieser für das Funktionieren der Demokratie entscheidende Vermittlungsprozeß unter maßgeblicher Mitwirkung der Parteien zu bewirken ist. Angesichts der Bedeutung der Parteien im Rahmen des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wird man den Begriff des "Mitwirkens" mit K. Stern als "konstitutionelles Understatement" begreifen. 342 Die Parteien "sind die politischen Handlungseinheiten, derer die Demokratie bedarf, um die Wähler zu aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen so überhaupt erst einen wirksamen Einfluß auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen." 343 Sie sind "das unentbehrliche Werkzeug ..., um das sich selbst organisierende Volk politisch aktionsfähig zu machen." 344 In der Parteienfinanzierungsentscheidung des Jahres 1992 hat auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich anerkannt, daß die Parteien "nicht bloße Wahlvorbereitungsorganisationen, und nicht nur in dieser Funktion (...) für die demokratische Ordnung unerläßlich" 345, sondern - das wird man schließen dürfen - auch darüber hinausgehend für die demokratische Ordnung elementar sind. Das parlamentarische Regierungssystem ist ohne Parteien nicht durchführbar. 346 Sie sind für die politische Willensbildung des Volkes nicht erläßlich 347 , speziell da, wo es um Repräsentation geht, sind Parteien gar unentbehrlich. 348 Insofern sind sie für die repräsentative und pluralistische Demokratie nicht zu ersetzen 349 und die Erhaltung der Voraussetzungen ihres Funktionierens ist ein unabdingbares Verfassungsgebot. 350 "Die repräsentative Demokratie in der vom Grundgesetz verwirklichten Gestalt der Parteiendemokratie ist (daher auch) kein 'Notbehelf der reinen Idee der Demokratie' sondern ein selbständiger, aus der Erkenntnis der (jedenfalls unter der Bedingung der modernen 341

E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (319). Κ Stern, StR I, (1984), S. 467. 3 4 3 So ausdrücklich die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 52, 63 (82). 3 4 4 H. Schiedermair, Mitt. d. Max-Planck-Ges. 1966, 272 ( 275) mit dem Hinweis auf G. Leibholz. 3 4 5 BVerfGE 85, 264 (284). 3 4 6 E.G. Mahrenholz., 40 Jahre GG, S. 96. 3 4 7 H. Schiedermair, AÖR 104 (1979), S. 200 (204). 34 8 K. Stern, StR I, S. 459. Siehe zur besonderen Bedeutung der Parteien für den Repräsentationsprozeß: C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 123 f. Siehe zu ihrer Funktion eingehend: U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 93 ff. m.w.N. 3 4 9 D. Grimm in Schneider/Zeh, § 7, Rn. 42. 3 5 0 In diesem Sinne: R. Scholz, Krise, S. 27 ff., 37 ff: "Konstitutionelle Repräsentation"; H. Maurer, JuS 1991, 881 (881): Art. 21 "trägt der zentralen Bedeutung der Parteien im demokratischparlamentarischen Staat der Gegenwart Rechnung, der ohne Parteien nicht denkbar wäre"; H. Krüger, Staatslehre, S. 368: "Die politischen Parteien haben dort eine Stätte, wo es um Repräsentation, und zwar um Repräsentation im Sinne des Instituts geht. Ist dies der Fall, so sind sie unentbehrlich." 3 4 2

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

169

Industriegesellschaft) utopischen - und potentiell totalitären - Natur der Vorstellung einer 'Partizipation aller Bürger am diskutant aufzuhellenden politischen Entscheidungsprozeß' entwickelter Typus demokratischer Staatlichkeit." 351 Die repräsentative Demokratie als Staatsform wird damit erst durch die Parteien handlungs- und entscheidungsfähig. 352 Damit stellt die Funktionsfähigkeit der Parteien eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie dar. Sind die Parteien aber für die grundgesetzliche Demokratie in ihrer Ausprägung der repräsentativen Demokratie derart elementar, so liegt es nicht fern, diese in den Staatsschutz einzubinden. Dies läuft insbesondere der Ablehnung der leibholzschen Parteienstaatsdroktrin nicht entgegen.353 Es ist verfassungsrechtlich ohne weiteres möglich, die Parteien als staatsfeme und dennoch für den Staat unentbehrliche Gebilde zu begreifen. Vergleichbar mit den das Gemeinwesen konstituierenden Bürgern sind die Parteien für die repräsentative Demokratie unabdingbar, obwohl sie nicht mit dem Staat identisch sind. 354 Ihre besondere Bedeutung, die sich aus ihrer Vermittlerfunktion zwischen Staatsorganisation und Bürger ergibt, darf und braucht nicht für eine Inkorporation der Parteien in das Staatsgefüge angeführt werden. Es ist somit nach dem bisherigen Stand der Untersuchung nicht zu beanstanden, daß das Bundesverfassungsgericht die Parteien in den Schutz des Staates vor Gefahren von innen einbezieht. c) Die rechtlichen Anknüpfungspunkte für die Einbeziehung der Parteien in den Staatsschutz Herauszuarbeiten gilt es jedoch, aus welcher Verfassungsnorm die Einbeziehung der Parteien in den Schutz vor Gefahren von innen hergeleitet werden kann. "Auch die parlamentarisch-parteienstaatliche Demokratie des Grundgesetzes ist Bestandteil der streitbaren Demokratie" 355 , lehrt R. Scholz, allerdings ohne weitere Begründung seines Standpunktes. Sie müßten insofern dem Schutz des Staates unterfallen. Zu untersuchen bleibt aber, wo genau dieser Schutz seinen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt finden kann. Legt man die von H.H. Klein 3 5 6 aufgezählten Schutzgüter des Verfassungsschutzes: Die freiheitlich demokratische Grundordnung, die Staatlichkeit von Bund und 351 3 5 2 3 5 3 3 5 4 35 5 35 6

H.H. Klein, Forsthoff-FS (1972), 165 (166). H.H. Klein, Helmrich-FS, S. 255 (258). Siehe o. S. 132 ff. Siehe zum Verhältnis von Identifikation und Identität u. S. 197 f. R. Scholz., Krise, S. 45. H.H. Klein, VVdStRL 37, (1979), S. 53 (55 ff.)

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Ländern, die Garantiezone des Art. 79 Abs. 3 G G 3 5 7 und schließlich die "Staatlichkeit des Staates"358 zugrunde, so kann man zum einen erwägen, die Parteien über den Gedanken der Repräsentation aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG dem Garantiebereich des Art. 79 Abs. 3 GG zuzuordnen. Zum anderen kann man sie, wie in § 1 Abs. 1 S. 1 PartG geschehen, als notwendigen Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung begreifen. aa) Die Parteien als Bestandteil der Garantiezone des Art. 79 Abs. 3 GG Wie nahe es liegt, die Parteien den in Art. 79 Abs. 3 GG als unabänderlich bestimmten Verfassungsgütern zuzuordnen, wird deutlich, wenn man sich deren Aufgabe im Prozeß der Repräsentation vergegenwärtigt. Bereits für H. Kelsen stand fest, daß "die demokratische Entwicklung (...) die Masse der isolierten Einzelindividuen sich zu politischen Parteien integrieren (läßt) und dadurch allererst soziale Kräfte entfesselt, die man eingermaßen als 'Volk' bezeichnen kann." 359 In diesem Sinne beschrieb H. Krüger den Volkswillensbildungsprozeß anschaulich als dialektische Auseinandersetzung des Volkes mit sich selbst. Danach "setzt" das Volk "Parteien aus sich heraus, um gewissermaßen mit sich selbst in ein geordnetes konzentrisches Gespräch zu kommen, aus dem ein einheitlicher, fester und richtiger Gesamtwillen hervorgehen soll". 3 6 0 Soll sich Volkswillensbildung nicht diffus sondern verbindlich und zielgerichtet artikulieren können, so ist dies ausschließlich durch das - mittels der Parteien zu ermöglichende - "konzentrische Gespräch" des Volkes mit sich selbst denkbar. 3 6 1 Begreift man die Volkswillensbildung in diesem Sinn, so verdeutlicht dies die Unabdingbarkeit der Parteien für das repräsentative System. Wenn das Volk die Parteien als seine Werkzeuge hervorbringt, um sich mit deren Hilfe gegenüber dem Staat erst wirksam sprach- und handlungsfähig machen zu können, so sind diese für die repräsentative Demokratie nicht zu entbehren. 362 Will das Volk sich Gehör verschaffen, so bedarf es dieses Verstärkers seiner Willensäußerungen mit der Möglichkeit zur Einwirkung auf die Staatswillensbildung. Eben weil die Demokratie des Grundgesetzes keine 35 7 H.H. Klein, VVdStRL, 37 (1979), S. 53 (57). Dort insgesamt zur Bedeutung des Art. 79 Abs. 3 GG als unangreifbaren Verfassungskern und zugleich zentraler Norm des Verfassungsschutzes. 3 5 8 Siehe zu diesem Topos: H.H. Klein, VVdStRL, 37 (1979), S. 53 (61 f.). 3 5 9 H. Kelsen, Wesen der Demokratie, S. 23. 3 6 0 H. Krüger, Staatslehre, S. 369. 361 Siehe zu diesem Prozeß auch E.W. Böckenförde, Sittlicher Staat, S. 38 f. 3 6 2 H. Krüger, Staatslehre, S. 368.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

171

unmittelbar-identitäre, sondern eine repräsentative ist, ist sie auf den - von den Parteien zu leistenden363 - Vermittlungsprozeß angewiesen364. Damit ist es verfassungsrechtlich möglich, die Parteien aufgrund ihrer Unentbehrlichkeit für die repräsentative Demokratie gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG in die Garantiezone des Art. 79 Abs. 3 GG einzubeziehen und sie daher als taugliche Objekte des Staatsschutzes zu begreifen. bb) Die Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung § 1 Abs. 1 S. 1 PartG erklärt die Parteien zu verfassungsrechtlich notwendigen Bestandteilen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Hierunter fallen die spezifisch liberalen und demokratischen Grundelemente der verfassungsmäßigen Ordnung. Diese enthält das, was für eine freiheitliche Demokratie wesensnotwendig ist. 3 6 5 Die Erwägungen, die zur Einbeziehung des Schutzes der Parteien in die Unantastbarkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG führten, belegen die verfassungsrechtliche Unbeanstandbarkeit dieser einfachgesetzlichen Aussage. 366 Funktionsfähige Parteien sind unter der Geltung einer repräsentativen Demokratie als Grundelement dieser Demokratieform anzusehen und damit Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung. d) Fazit Damit zeigt sich, daß aus der Perspektive der Verfassung viel dafür spricht, die Parteien zu deren Schutzgut zu erklären und dem Schutz des Staates vor Gefahren von innen den Schutz der Parteien vor Gefahren von innen vorzuschalten. Hierfür spricht insbesondere der Zweck des Schutzes eines Staates vor Selbstgefährdung, der darin liegt, Freiheit und optimale Lebensbedingungen der Bürger zu ermöglichen. 367 Den Parteien ist von der Verfassung die Aufgabe zugewiesen, den an sich unartikulierten Volkswillen zum Vorschein zu bringen, ihn zu bündeln und ihm dadurch zu Wirksamkeit zu verhelfen, um auf diese Weise die Freiheit der Bürger in der Praxis mit Leben zu füllen. In 36 3

D. Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel (1983), S. 323. E.W. Böckenforde, Eichenberger-FS, S. 301 (319). 36 5 Seifert/Hömig, Art. 21 GG, Rn. 13. 3 6 6 Teilweise wird in der Literatur der Gegenstand der freiheitlich demokratischen Grundordnung mit der Garantiezone des Art. 79 Abs. 3 GG für identisch gehalten. So von H.H. Klein, VVDStRL 53 (1979), 53 (55 ff, 111); WL Schmidt-Glaeser, Mißbrauch und Verwirkung von Grundrechten im politischen Meinungskampf, S. 46 ff. 3 6 7 Zu diesem Zweck: J. Isensee, HStR, I, § 13, Rn. 173. 3 6 4

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

dieser Funktion sind die Parteien für die Freiheitssicherung der Bürger und damit für die Demokratie elementar. Die verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte für einen über den Schutz der Parteien vermittelten Staatsschutz sind in Art. 79 Abs. 3 GG und der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu finden. Die Schaffung und Erhaltung der Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der Parteien unterfallen zum einen der Unantastbarkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG, zum anderen sind funktionsfähige Parteien als Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu begreifen. 2. Die Zulässigkeit eines vorbeugenden Eingreifens des Bundesverfassungsgerichts Vorliegend besteht jedoch ein weiteres Problem, das der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts zur Abwicklung einer Notstandslage entgegenstehen könnte. Es liegt darin begründet, daß das Gericht die absolute Obergrenze festlegt, ohne daß nach seiner Rechtsauffassung ein Verfassungsverstoß des Gesetzgebers vorliegt. Der Senat erhebt den vom Gesetzgeber gewählten Status Quo des Jahres 1992 gar zum Maßstab für eine verfassungskonforme Lösung. Die absolute Obergrenze wurde durch das Bundesverfassungsgericht aufgrund eines Verstoßes gegen § 18 Abs. 6 PartG (Sockelbetrag) eingeführt. Ein Verfassungsverstoß lag hier in der nicht erfolgsorientierten Mittelverteilung, also im gewählten Modus für die Art und Weise der Verwendung staatlicher Mittel in Form eines Sockelbetrages begründet. Eine insgesamt zu hohe Parteienfinanzierung war nicht angemahnt worden, so daß § 18 Abs. 6 PartG lediglich als Anknüpfungspunkt für die eigentlich nicht in Streit stehende Frage einer Absolutplafonierung herangezogen wurde. 368 Beachtlich ist aber, daß das Bundesverfassungsgericht einen Verfassungsverstoß hinsichtlich des Gesamtumfangs der staatlichen Parteienfinanzierung gerade nicht sieht. Gewährt der Staat den Parteien im Wege der direkten staatlichen Parteienfinanzierung nicht mehr als D M 230 Mio. jährlich, so sind verfassungsrechtliche Bedenken auch künftig nicht anzumelden. Dieses Vorgehen des Senats ist bemerkenswert. Ein Verfassungsverstoß liegt im Bereich der Art und Weise der Mittelverteilung [VS*2] vor. Hinsichtlich des Gesamtumfangsbereichs [VS*1] war die bis 1992 geltende Rechtslage jedoch einwandfrei. Entscheidend für die Wirksamkeit des Teilallgemeinfinanzierungsmodells ist aber letztlich der die absolute Obergrenze enthaltende Gesamtumfangsbereich. Über die Verknüpfung der beiden Ansatzpunkte zu einer Gesamtkonzeption der staatlichen Parteienfinanzierung methodisch abgesichert durch die Herleitung aus dem Grundsatz der Staatsfrei3 6 8

Insoweit zutreffend U. Volkmann, ZRP 1992, 325 (329).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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heit [VS] - kann dem Gesetzgeber damit ohne Verfassungsverstoß hinsichtlich des Umfangs der Parteienfinanzierung eine Umfangsbegrenzung vorgegeben werden. Damit soll der befürchtete - rechtlich freilich nicht faßbare - Verfassungsverstoß vorbeugend verhindert werden. Das Bundesverfassungsgericht beabsichtigt also letztlich einen vorbeugenden Schutz der Parteien vor sich selbst. In Betracht kämen künftige Verstöße gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit oder das Verfassungshaushaltsrecht. Ein konkreter Verstoß gegen das Verfassungshaushaltsrecht oder den Grundsatz der Staatsfreiheit wird sich aber auch zukünftig nicht feststellen lassen. Die Maßgabe der Verfassung ist hier das zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit Erforderliche. Wieviel das ist, läßt sich aus der Verfassung abstrakt über den Hinweis auf die Verpflichtung zu angemessener Haushaltsführung, konkret aber nur im Einzelfall und an dem Aufgabenprofil der Parteien messen. Eine Entscheidung des Gesetzgebers für eine höhere Finanzierung wäre verfassungshaushaltsrechtlich nicht ohne weiteres unvertretbar, nicht unbedingt willkürlich, je nach Standpunkt nichtmals unvernünftig. Bis zu welcher Höhe sich die staatliche Parteienfinanzierung noch im Rahmen eines verantwortungsvollen Umgangs mit staatlichen Mitteln hält, kann nicht festgelegt werden. Daher wäre selbst eine unvernünftige und willkürliche Größenordnung verfassungshaushaltsrechtlich schwer als nicht erforderlich einzustufen. Damit läßt sich ein konkreter Verfassungsverstoß aus dem Gesichtspunkt des Verfassungshaushaltsrechts nicht herleiten. Auch der aus Art. 21 GG abgeleitete Grundsatz der Staatsfreiheit hilft insofern nicht weiter, als er keine konkrete Größenordnung der verfassungsrechtlich zulässigen Parteienfinanzierung vorgibt. Damit stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit dieses vorbeugenden Staatsschutzes. Das Grundgesetz hat prinzipiell darauf verzichtet, den Ausnahmezustand als Mittel gegen Bedrohungen des Staates von innen zu regeln. 3 6 9 H.H. Klein hat daraus die zutreffende Folgerung gezogen, daß es dem Staat zum Ausgleich dafür im Normalzustand ein "weitgefächertes Instrumentarium" zur Verfügung stellt, um die "Entstehung einer Lage zu verhindern, zu deren Bewältigung es des verfassungsrechtlichen Ausnahmezustandes bedürfte". 370 Zumindest solange die "Normalität der Verhältnisse nicht so tiefgreifend gestört ist, daß die Normativität des geltenden Verfassungsrechts" vor den Anforderungen der Wirklichkeit kapitulieren müßte 371 , wird man mit dieser Grundentscheidung der Verfassung gut leben können. 372 Daß diese grundgesetzliche Entscheidung angemessen ist, beweist zum einen die Tatsache, daß 3 6 9 3 7 0 37 1 3 7 2

Dazu E.W. Böckenförde, NJW 1978, 1881 (1885 ff.); E. Klein, HStR, VII, § 169 Rn. 63. H.H. Klein, VVDStRL 37 (1979), S. 53 (100). H.H. Klein, VVDStRL 37 (1979), S. 53 (100). Siehe allerdings E.W. Böckenförde, NJW 1978, 1881 (1885 ff.).

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

den Staat ernsthaft gefährdende Notstände selten sein werden 373 und zum anderen der Hinweis darauf, daß nur die rechtzeitige Verhinderung einer Staatskrise überschießenden und unabgewogenen Reaktionen vorbauen kann, die sich aus der Eigendynamik des politischen Prozesses möglicherweise entwickeln können. 3 7 4 Daß das Gericht zur Abwehr eines erst drohenden Zustandes agiert, kann daher prinzipiell nicht beanstandet werden. Dennoch bleibt paradox, daß der Gesichtspunkt der Staatsraison bemüht wird, ohne daß der Gesetzgeber bislang verfassungswidrig gehandelt hat. Im Gegenteil hat dieser sein Beurteilungsermessen im Sinne der Verfassung ausgeübt; die Gewährung von Zuwendungen unter Beibehaltung des Status Quo ist nicht zu beanstanden. Beanstandet wird lediglich eine noch gar nicht getroffene, aber zukünftig befürchtete Entscheidung. Diese Einschätzung erklärt auch das Eingreifen des Gerichts zur Abwicklung einer besonderen Situation und vermag es im Ergebnis auch zu rechtfertigen. Zumindest verfängt der Hinweis E.W. Böckenfördes 375 nicht, daß ein unvorhersehbares Aufziehen Wesensmerkmal einer Krise ist. So wie für den Staat Krisen ohne besonderen Vorlauf entstehen können mögen 376 , wird es auch Mißstände geben, die sich unter Beobachtung der Staatsorgane und der Öffentlichkeit zu einer Krisensituation auswachsen können und insofern antizipierund verhinderbar sind. 377 Eine derartige Situation ist nach Einschätzung des Senats für den Fall eines fortgesetzten ungehemmten Zugriffs der Parteien auf die Staatskasse gegeben. Der Rückschluß von der mit der konkreten absoluten Obergrenze gewählten und als ultima ratio zu begreifenden Rechtsfolge zeigt darüber hinaus, daß das Gericht eine sehr hohe Gefahrenintensität für das hoch anzusiedelende Schutzgut Parteien sieht. Daß der Senat sich zur absoluten Kompetenzausschöpfung in einer Weise entschließt, die das gerichtliche Verfahren überfordert und daß die getroffene Maßnahme aus der Gerichtsqualität des Bundesverfassungsgerichts heraus kaum zu erklären ist, vermag dies nachdrücklich zu belegen. Hält des Gericht die Gefahr für die Parteien für so groß, wird man ihm ein Eingreifen zur Verhinderung der antizipierten Krise nicht versagen können, wenn die zu erwartende Situation entweder bereits tatsächlich die Voraussetzungen des Notstandes erfüllt, oder ihre Entstehung sich mit hinreichender Sicherheit nachweisen läßt. Es gilt damit, die gegenwärtige Si-

3 7 3 3 7 4 37 5 3 7 6 3 7 7

Siehe dazu J. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 254 f. H.H. Klein, VVDStRL 37 (1979), S. 53 (104). E.W. Böckenförde, NJW 1978, 1881 (1885). Wie etwa die Bedrohung durch den Terrorismus gegen Mitte der siebziger Jahre. Insoweit unzutreffend E.W. Böckenförde, NJW 1978, 1881 (1885).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

175

tuation zu analysieren und das Vorgehen des Senats auf seine verfassungsrechtliche Haltbarkeit zu überprüfen.

I I I . Die Überprüfung des tatsächlichen Vorliegens der Entscheidungsvoraussetzungen Fest steht zum einen, daß die Parteien Objekt des Schutzes vor Gefahren von innen sein können und zum anderen, daß es Ausnahmesituationen gibt, in denen das Gewaltenteilungsprinzip dem Bundesverfassungsgericht gebietet, seine Befugnisse im Rahmen einer verantwortungsgerechten Kompetenzwahrnehmung auch zum Schutz der Parteien einzusetzen. Allerdings kann das Bundesverfassungsgericht diese Notstandskompetenz nur wahrnehmen, wenn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit seiner Entscheidung auch tatsächlich vorliegen. Voraussetzung hierfür ist zum einen, daß der Senat das Objekt der Funktionsbeeinträchtigung zutreffend bestimmt hat 3 7 8 , zum anderen, daß die Gefahr, die dem Staat im Falle der Funktionsbeeinträchtigung des Schutzobjekts droht, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisbar ist. 3 7 9 7. Die Bestimmung des Gegenstandes der Funktionsbeeinträchtigung Für das Bundesverfassungsgericht bedeutet ein wachsender Ansehensverlust der politischen Parteien eine Gefahr für die Parteiendemokratie. 380 Bei der Bestimmung des Objekts der Funktionsbeeinträchtigung spricht der Senat ausschließlich von den Parteien; so etwa in den Formulierungen: "... der Umfang der Staatsfinanzierung muß sich auf das beschränken, was zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien unerläßlich ist und von diesen nicht selbst aufgebracht werden kann." 381 ; oder "Gewönne der Bürger den Eindruck, die Parteien 'bedienten' sich aus der Staatskasse..."382. Diese Formulierungen sind insofern unpräzise, als sie den Eindruck vermitteln, die Parteien seien derart generell ein Gegenstand des Staatsschutzes, wie dies die Funktionserhaltung der staatlichen Institutionen ist, denen das Bundesverfassungsgericht die Schutzobjektsqualität bislang ausdrücklich zuerkannt hat. 3 8 3 Hinsichtlich der 3 7 8

Siehe dazu sogleich S. 175 ff. Siehe dazu u. S. 186 ff. 3 8 0 BVerfGE 85, 264 (290 a.E.). 381 BVerfGE 85, 264 (290). Hervorhebungen hinzugefügt. 3 8 2 BVerfGE 85, 264 (290). Hervorhebungen hinzugefügt. 3 8 3 Es handelt sich dabei um das Parlament, siehe dazu BVerfGE 1, 208 (248); 3, 383 (393); 6, 84 (92); 10, 4 (13 f.); 14, 121 (136); 16, 6 (16), die Regierung, s. dazu BVerfGE 1, 208 (248); 6, 84 (94); 9, 269 (281); 62, 1 (64) und die Bundeswehr, siehe dazu BVerfGE 28,243 (261). 3 7 9

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3. Teil: Teilallgemeinfinanziengskonzeption und Grundgesetz

Schutzobjektsqualität der Parteien sind indessen Spezifizierungen erforderlich. Nachdem die Schutzfähigkeit der Parteien im Grundsatz festgestellt wurde, 3 8 4 bedarf es nunmehr deren Präzisierung. Objekt der Funktionsbeeinträchtigung oder, von der Kehrseite her gedacht, Objekt des Staatschutzes vor Gefahren von innen - könnten zum einen die Parteien als "gesellschaftliche Institution" sein. Darüber hinaus ist angesichts der Besonderheiten der zu untersuchenden Entscheidung die Möglichkeit eines Schutzes des zu einer bestimmten Zeit bestehenden Bestandes von Parteien als mögliches Schutzgut der Verfassung denkbar. Bevor darauf eingegangen werden kann, für welche Ausprägung der Parteien im vorliegenden Fall die Gefahr der Selbstgefährdung droht, gilt es die Frage nach der Anwendbarkeit des Gedankens eines Instituts- beziehungsweise Bestandsschutzes auf die Parteien zu stellen. a) Der institutionelle Gehalt des Art. 21 Abs. 1 GG Das Bundesverfassungsgericht begreift die Parteien als vom Grundgesetz in den "Rang einer verfassungsrechtlichen Institution" 385 erhoben und damit wegen ihrer Verankerung außerhalb des Bereichs der organisierten Staatlichkeit - gleichsam als gesellschaftliche Institution des Verfassungsrechts etabliert. Damit liegt die Erwägung nah, daß das Gericht dem Art. 21 GG eine objektive Einrichtungsgarantie hinsichtlich der Existenz von Parteien entnimmt. aa) Die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung Zu untersuchen ist daher, ob es zulässig ist, die Parteien in diesem Sinne als vom Grundgesetz garantierte Einrichtungen 386 zu begreifen. (1) Objektive Einrichtungsgarantien im Grundgesetz Neben den klassischen, auf Abwehr, Teilhabe und Schutz ausgerichteten subjektiven Funktionen kennen einige Grundrechte objektive Gewährleistungsdimensionen.387 Als Beispiele für Lebensbereiche, in denen die Grundrechte eine objektiv-institutionelle Bedeutung erlangen, werden die freiheitliche 3 8 4

Siehe o. S. 164 ff. BVerfGE 2, 1 (73); siehe dazu o. S. 134 f. 3 8 6 Siehe zur Terminologie nur K. Stern, StR III/l, S. 779 f. 38 7 K. Stern, Staatsrecht III/l, S. 754 ff. Ein Kurzüberblick findet sich bei /. v.Münch, v.Münch/Kunig, GG I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 23 f. 3 8 5

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

177

Vertrags-, Eigentums- und Erbordnung, die Ehe- und Familienordnung sowie die Vereins-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit genannt. 388 Hinsichtlich der Einordnung des objektiven Gewährleistungsgehalts der Grundrechte werden zwei Positionen vertreten. Einerseits wird zwischen Institutsgarantien zur Gewährleistung privatrechtlich gestalteter Lebensbereiche wie beispielsweise Ehe und Eigentum und institutionellen Garantien zur Gewährleistung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen, etwa des Berufsbeamtentums und der gemeindlichen Selbstverwaltung 389, unterschieden. Demgegenüber faßt man unter Zugrundelegung des institutionellen Grundrechtsverständnisses sowohl die Instituts- als auch die institutionellen Garantien unter eine "institutionelle Seite" der Grundrechte. 390 An dieser Stelle sei hierzu angemerkt, daß gegen die angesprochene begriffliche Differenzierung, welche im übrigen auch vom Bundesverfassungsgericht nicht eingehalten wird 3 9 1 , spricht, daß bestimmte Bereiche, wie etwa der der Presse, aber auch der des Eigentums, sowohl durch öffentlich- als auch privatrechtliche Normen geregelt werden und die terminologische Differenzierung zum einen dieser Gemengelage und zum anderen dem ohnehin theoretisch schwer faßbaren und nicht rein normativen Begriff der Institution nicht gerecht wird. K. Stern 392 bietet angesichts dessen an, den Begriff der "Einrichtungsgarantie" an die Stelle der überkommenen Differenzierung zu setzen und diese damit gegenstandslos zu machen. 393 Dem soll vorliegend gefolgt werden. Wenn im folgenden von "objektiven Einrichtungsgarantien" oder "institutioneller Betrachtungsweise" die Rede ist, so ist dies nicht im Sinne der begrifflichen Differenzierung zwischen Instituts- und institutioneller Garantie gemeint.

38 8

P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 70 f. Diese Teminologie lehnt sich an C. Schmitt, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung (1931), in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. A. (1973), S. 140 ff. an. Der entscheidende Unterschied zum grundgesetzlichen Institutsverständnis liegt in der Grundrechtsbezogenheit der unter der Geltung des Grundgesetzes geregelten Institute. Siehe dazu nur D. Dörr, Handelsflotte, S. 150 ff. 3 9 0 Ρ. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 70 f.; weitere Nachweise bei /. v.Münch, v.Münch/Kunig, GG I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 23. 391 Siehe dazu H.D. Jarass, AöR 110 (1985), 363 (370); Nachweise auch bei I. v.Münch, v.Münch/Kunig, GG I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 24. 3 9 2 Siehe zu den mit der Differenzierung verbundenen Problemen insofern m.w.N. nur K. Stern, StR III/1,S. 782 3 9 3 K. Stern, StR III/l, S. 782. Allerdings hält Stern trotz merklicher Sympathie für eine Preisgabe der begrifflichen Differenzierung letztlich an dieser fest, weil er dieser einen "begrenzten heuristischen Wert" zuspricht (a.a.O.). 3 8 9

12 Schwartmann

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

(2) Die Übertragbarkeit des Gedankens der Einrichtungsgarantie auf die Parteien Aus diesem institutionellen Grundrechtsverständnis lassen sich objektive Gewährleistungsgarantien herleiten. 394 Insofern hängt die Frage der objektiven Gewährleistungsdimension systematisch mit der Grundrechtslehre zusammen. Dafür, die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung zu begreifen, könnte, sofern gegeben, ein Grundrechtscharakter des Art. 21 GG sprechen. (a) Der Grundrechtscharakter des Art. 21 GG Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG hat auch nach der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 einen subjektiven, abwehrrechtlichen Gehalt zugunsten der Parteien gegen den Staat. 395 Folgerichtig steht die Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG neben dem einzelnen Bürger auch weiterhin den Parteien zu. So wie die Vereinsfreiheit neben dem einzelnen auch den Vereinen selbst zusteht 396 , müssen sich neben jedem Staatsbürger, dem die Parteienfreiheit primär zugedacht ist 3 9 7 , auch die Parteien als eigenständige Grundrechtsträger auf die Parteienfreiheit berufen können. 398 Insofern wird auch Art. 21 GG als Grundrecht der Parteien begriffen, das aus Art. 21 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 9 GG hergeleitet wird. 3 9 9 Der Standort der Parteien außerhalb des Bereiches der organisierten Staatlichkeit spricht insofern nicht gegen einen objektiven Gewährleistungsgehalt aus Art. 21 GG. Wie eine Einrichtungsgarantie gewährleistet Art. 21 GG einen privatrechtlich, nämlich in der Rechtsform des Vereins, zu gestaltenden Lebensbereich. Auch für die Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG steht der Charakter einer Einrichtungsgarantie fest 4 0 0 und kann wohl auch für die allgemeine Vereinsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 G G 4 0 1 erwogen werden. Aufgrund der Nähe des Art. 21 GG zu Art. 9 G G 4 0 2 liegt der Gedanke an die Übertragung der ob3 9 4

I. V.Münch, v.Münch/Kunig, GG I, Vorb. Art. 1-19, Rn. 23. Siehe zur verminderten Dominanz des abwehrrechtlichen Gehalts des Art. 21 GG o. S. 88 ff. die Ausführungen zum Wandel im Staatsfreiheitsverständnis. Auch J. Ipsen, JZ 1992, 753 (756) und H.H. v.Arnim, Beute, S. 271. 3 9 6 BVerfGE 4, 96 (101 f., 106); 13, 174 (175); 17, 319 (333); 19, 303 (312); 28, 295 (304); 30, 227 (241). 3 9 7 Allg. Meinung; vgl. dazu statt vieler: K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 111 m.w.N. 3 9 8 K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 112 f.; BK-Henke, Ait. 21 Rn. 217. 3 9 9 Siehe nur BK-Henke, Art. 21 Rn. 217 m. zahlreichen Nachweisen in Fn. 5. 4 0 0 K. Stern, StR III/l, S. 864. 4 0 1 K. Stern, StR III/l, S. 864. 4 0 2 Art. 21 GG ist eine Spezialnorm für die spezielle Form der gesellschaftlichen Vereinigung "Parteien". 3 9 5

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

179

jektiven Gewährleistung nicht fern. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, warum die Parteien in dieser Hinsicht einer anderen rechtlichen Einschätzung unterliegen sollten als Vereine. Die Parteienfreiheit gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG gewährt auf der einen Seite jedem Bürger ein subjektives Recht auf freie Gründung einer Partei. 403 Auf der anderen Seite gewährleistet sie aber zugleich objektiv das Bestehen der Parteien als Einrichtung der Verfassungsordnung. 404 Trotz der Zuordnung der Parteien zum Bereich der Gesellschaft, läßt sich der Gedanke der Einrichtungsgarantie aus Art. 21 GG ableiten. 405 Man kann die Parteien insofern als "gesellschaftliche Einrichtung" begreifen. In dieser Form garantiert sie das Grundgesetz als "verfassungsrechtliche Institution" 406 . (b) Die Mehrdimensionalität des objektiven Grundrechtsverständnisses Allerdings ist die Frage der Grundrechtseigenschaft keine zwingende Voraussetzung für die Existenz einer Einrichtungsgarantie. Dies wird bereits durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung deutlich, die aus Art. 28 Abs. 2 GG entnommen wird und die aufgrund der Inkorporation der Gemeinden in den Staatsaufbau nicht als Grundrecht zu begreifen ist. 4 0 7 Institutionell betrachtet bedeuten Grundrechte "die verfassungsrechtliche Gewährleistung freiheitlichgeordneter und ausgestalteter Lebensbereiche, die ihrer objektiv-institutionellen Bedeutung wegen sich nicht in das Schema individuelle Freiheit - Schranken der individuellen Freiheit einfangen lassen, sich nicht auf die eindimensionale Relation Individuum - Staat zwingen oder allein auf das Individuum radizieren lassen."408 Eine so verstandene institutionelle Betrachtungsweise erklärt trotz der unterschiedlichen Regelungsmaterie die "institutionelle Verfestigung" der Wissenschaftsfreiheit durch Art. 5 Abs. 3 G G 4 0 9 , den objektivrechtlichen Gehalt der Rundfunkfreiheit 410 und die Einrichtungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 G G 4 1 1 . Sie verdeutlicht darüber hinaus

4 0 3

K.H. Seifert, Politische Parteien, S. 111 f. KH Seifert, Politische Parteien, S. 113. 4 0 5 Ausdrücklich von einem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 21 GG spricht KH. Seifert, Politische Parteien, S. 113. 4 0 6 BVerfGE 2, 1 (73). 4 0 7 W. Roters, v.Münch, GG II, Art. 28 Rn. 33. 4 0 8 So P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 70 f. 4 0 9 Siehe dazu Κ Stern, StR III/l, S. 808 ff. 4 1 0 Siehe dazu U. Fink, DÖV 1992, 805 (810). 4 1 1 Siehe dazu K. Stern, StR III/l, S. 861 f. 4 0 4

1*

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3. Teil : Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

die Möglichkeit, auch Art. 21 GG eine Einrichtungsgarantie für Parteien zu entnehmen. bb) Fazit Sowohl der Grundrechtscharakter des Art. 21 GG als auch die beschriebene Mehrdimensionalität des institutionellen Grundrechtsverständnisses verdeutlichen, daß es zulässig ist, Art. 21 GG eine objektive Einrichtungsgarantie zugunsten der Parteien zu entnehmen. b) Der bestandsbegünstigende Gehalt des Art. 21 Abs. 1 GG Da die konkrete absolute Obergrenze faktisch einen Schutz der etablierten Parteien vor ihrer Zerstörung durch Selbstgefährdung bewirkt, bleibt zu untersuchen, wie sich Art. 21 GG hinsichtlich des Schutzes für bestehende Parteien auswirken kann. aa) Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand Neben der Partei als Einrichtung gibt es jeweils einen konkreten Bestand an politischen Parteien, die die abstrakt der Einrichtung zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Fraglich ist, inwiefern das Grundgesetz die Existenz der Parteien in dieser Eigenschaft schützt. Zu untersuchen ist damit, inwieweit aus der Einrichtungsgarantie etwas für eine "Bestands-" oder "Status-Quo-Garantie" der etablierten Parteien entnommen werden kann. bb) Bestandsgarantien im Grundgesetz Das Grundgesetz kennt objektivrechtliche Gewährleistungen eines konkreten Bestandes von Rechten. Namentlich gewährleistet Art. 14 Abs. 1 GG das Eigentum und Erbrecht und sichert damit den Bestand an konkreten Vermögenswerten Rechten in der Hand des jeweiligen Eigentümers. 412 Daß dieser Gedanke der Bestandsgarantie nicht auf die Parteien in einem aktuellen Bestand übertragen werden kann, erklärt sich bereits aus dem institutionellen Grundrechts Verständnis selbst. Anders als etwa Art. 14 Abs. 1 GG gewährt weder Art. 28 Abs. 2 GG der konkreten Gemeinde 413 , noch Art. 5 Abs. 3 GG der 4 1 2

B.-O. Bryde, v.Münch/Kunig, GG I, Art. 14, Rn. 31. BVerfGE 1, 167 (178); 23, 353 (367); W. Roters, v.Münch GG, II, Art. 28, Rn. 34; Seifert/Hömig, Art. 28 Rn. 4. 4 1 3

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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konkreten Hochschule414 oder Rundfunkanstalt die Erhaltung ihres Bestandes. Genauso wenig läßt sich der Status quo der Gemeinden oder Hochschulen sowie Rundfunkanstalten insgesamt begründen. cc) Die bestandsbegünstigende Wirkung des Art. 21 GG Allerdings kommt der objektiv-rechtliche Gehalt des Art. 21 GG und die Gewähr der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung letztlich auch den jeweils "amtierenden" Parteien zugute. Daß das Grundgesetz die Einrichtung der Parteien anerkennt, ist für den konkreten Bestand etwa insofern von Bedeutung und Vorteil, als die der Einrichtung zugewiesene Funktion vom konkreten Bestand der Parteien wahrgenommen wird und dieser insofern von den Privilegien profitieren kann, die die hervorgehobene verfassungsrechtliche Stellung der Einrichtung mit sich bringt. Es ist jedoch wichtig zu berücksichtigen, daß sich dieses Profitieren auf einer anderen Ebene auswirkt als der Schutz, den Art. 21 GG den Parteien als gesellschaftliche Einrichtung gewähren kann. Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand können aus dem der Erhaltung und Funktionsfähigkeit der Einrichtung gewährten Schutz keinen originären Schutz ableiten. Vielmehr wirkt sich der Schutz der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung nur diffus zugunsten der Funktionsfähigkeit aus und mag die Parteien in ihrem aktuellen Bestand auf diese Weise positiv beeinflussen. Ein grundrechtlicher Schutz der Parteien in ihrem aktuellen Bestand läßt sich aus dieser faktisch begünstigenden Wirkung allerdings nicht ableiten. Eine Gewährleistung der Erhaltung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand kennt das Grundgesetz genausowenig, wie es einen Bestandsschutz einzelner Gemeinden, Hochschulen oder Rundfunkanstalten kennt. c) Fazit Der Begriff der Partei hat damit zwei Facetten. Es läßt sich eine Differenzierung zwischen Parteien als gesellschaftliche Einrichtung und Parteien in ihrem aktuellen Bestand vornehmen. Über Art. 21 GG ist die Erhaltung und Schaffung der Funktionsfähigkeit ersterer objektiv-rechtlich gewährt. Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand unterliegen demgegenüber in jeder Hinsicht der freien Disposition des Wählers. Sie können in dieser Eigenschaft die diffus bestandsbegünstigende Auswirkung der Einrichtungsgarantie nicht für sich geltend machen. 4 1 4

BVerwG NJW 1987, 3017 (3018); Jarass/Pieroth,,

GG, Art. 5 Rn. 39.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Auch eine Abschaffung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand und eine Änderung des Status Quo durch deren Abwahl ist selbstredend ausschließlich dem Willen des Wählers überlassen. Die Frage der Abschaffung der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung ist demgegenüber der Disposition des Wählers und insbesondere auch der des Gesetzgebers entzogen, da sie in dieser Eigenschaft der Garantiezone des Art. 79 Abs. 3 GG unterfallen und Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes sind. Insofern sind sie in ihrer Eigenschaft als gesellschaftliche Einrichtung hinsichtlich der Frage ihrer Abschaffung - nicht anders als grundgesetzlich garantierte Institute wie Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG, Privatschule gemäß Art. 7 Abs. 4 GG, Eigentum und Erbrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, die gemeindliche Selbstverwaltung über Art. 28 Abs. 2 GG und das Berufsbeamtentum gemäß Art. 33 Abs. 5 GG - dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen.415 2. Die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung als Gegenstand des Schutzes vor Gefahren von innen Der Senat differenziert nicht zwischen den Parteien als gesellschaftliche Einrichtung und den Parteien in ihrem aktuellen Bestand. 416 Damit hält er den Staatsschutzgedanken sowohl bei einer Gefährdung der gesellschaftlichen Einrichtung, als auch bei einer Gefährdung des aktuellen Bestandes für aktivierbar. Es gilt zu untersuchen, ob diese Übertragung jeweils verfassungsrechtlich zulässig ist. Hierbei soll mit dem unproblematischen Fall der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung begonnen werden. Fraglich ist zunächst, ob die Parteien in dieser Form Objekt des Staatsschutzes vor Gefahren von innen sind. Sodann ist zu untersuchen, ob bei einer Beeinträchtigung der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung tatsächlich eine Gefährdung des Staates vorliegt. Das Grundgesetz schützt die Schaffung und Erhaltung der Voraussetzungen für die Existenz und das Funktionieren von Parteien. Es garantiert, daß Parteien sich etablieren können, um die Handlungsfähigkeit der Demokratie herbeizuführen. Die Verfassung garantiert darüber hinaus die Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit. Hierzu kann der Staat durch direkte Zuwendungen aus dem Staatshaushalt beitragen, sofern er sich bei der Mittelgewährung am Wirtschaftlichkeitsgebot orientiert und es vermeidet, den Parteien unnötigen Luxus zu ermöglichen. 417 Geschützt sind die Parteien als in der Gesellschaft verankerte gesellschaftliche Einrichtung, die von der Verfassung zur Mitwirkung an der Volkswillensbildung bestimmt und aufgerufen ist. Sie sind zugleich mit 4 1 5 4 1 6 4 1 7

Siehe dazu Pieroth/Schlink, Siehe o. S. 175 ff. BVerfGE 85,264 (290).

Staatsrecht II, Rn. 86.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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dem Recht zur Einwirkung auf die Staatswillensbildung ausgestattet und wenn auch nicht allein, so doch maßgeblich - mit dieser Aufgabe betraut. In diesem Sinne ist auch das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, wenn es die Parteien als vom Grundgesetz in den "Rang einer verfassungsrechtlichen Institution" erhoben begreift. 418 Bei dieser Institution handelt es sich um eine gesellschaftliche Institution des Verfassungsaufbaus, die die Verfassung zu ihrer Wirksamkeit benötigt. 419 Da die repräsentative Demokratie der Parteien in ihrer Eigenschaft als gesellschaftliche Einrichtung bedarf, um funktionsfähig zu sein, liegt es auf der Hand, daß deren Gefährdung mittelbar auch eine Gefährdung der Demokratie bedeutet. Entscheidend ist damit die Frage, ob den Parteien in ihrer Eigenschaft als gesellschaftliche Einrichtung unter den in der Entscheidung zugrundegelegten Voraussetzungen eine Gefahr drohen kann. Eine solche Gefahr würde bestehen, wenn der beim Wähler erwachsende Eindruck von Selbstbedienungsmentalität letztlich die Idee einer von Parteien handlungsfähig gemachten Demokratie gefährden könnte. Hierfür spricht indes nichts. Durch einen Ansehensverlust gefährdet ist - auch unter Berücksichtigung der Einschätzung des Senats - nicht die Idee der Parteiendemokratie als solche, sondern lediglich die Parteiendemokratie in ihrer aktuellen Ausprägung. Ein möglicher, drohender Ansehensverlust bei den etablierten Parteien kann schon deshalb die Idee der Parteiendemokratie nicht beeinträchtigen, weil diese aus einem Faktum heraus lebt. Die Bündelung des Volkswillens und das Erreichen von politischen Zielen ist in der repräsentativen Demokratie - und möglicherweise in jeder Staatsform - nur durch einen Zusammenschluß von Einzelnen in Gruppen zu bewirken, die das Grundgesetz in Übereinstimmung mit dem gewachsenen Sprachgebrauch Parteien nennt. Daß die politischen Ziele einer Gesellschaft nur im Zusammenwirken erreicht werden können, ist keine Erfindung der Parteiendemokratie des Grundgesetzes, sondern schlicht ein Faktum der Staatswillensbildung. Dieses könnte auch dann nicht beeinträchtigt werden, wenn der Eindruck von Selbstbedienungsmentalität beim Wähler eskalieren und die Parteien in ihrem aktuellen Bestand ernsthaft gefährdet würden. Ein auf dem Eindruck von

4 1 8

BVerfGE 2, 1 (73). Siehe dazu o. S. 134 f. Dies läßt sich aus Art. 91 GG belegen. Gemäß dieser Norm ist es dem Staat gestattet, sich vor Beeinträchtigungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu schützen. Da es sich bei den Parteien als gesellschaftliche Einrichtung um Bestandteile der freiheitlich demokratischen Grundordnung handelt, umspannt die in Art. 91 GG angeordnete Bestandssicherung auch Vorkehrungen gegen Gefährdungen für die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung. Damit sind diese aufgrund ihrer Unentbehrlichkeit für die repräsentative Demokratie Objekte des Schutzes des Staates vor Gefahren von innen. 4 1 9

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3. Teil: Teilallgemeinfnanzierungskonzeption und Grundgesetz

Selbstbedienungsmentalität beruhender Ansehensverlust bedroht die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung daher nicht. 3. Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand als Gegenstand des Schutzes vor Gefahren von innen Besteht damit keine Gefahr für die Parteien als gesellschaftliche Einrichtung, so bedeutet dies nicht, daß auch die Parteien in ihrem aktuellen Bestand vor einer auf Ansehensverlust beruhenden Gefährdung sicher sind. Die aktuelle Ausprägung eines Parteiensystems hängt in ihrem Bestand vom Gusto des Wählers ab. Wenn die Wähler sich von diesem abwenden, weil sie den Eindruck gewinnen daß die Parteien sich aus der Staatskasse bedienen, dann ist ein aktuell existierendes Parteiensystem in seiner Funktionsfähigkeit und seiner gesamten Existenz gefährdet. Daß es dem Bundesverfassungsgericht um einen Schutz der etablierten Parteien geht, verdeutlicht die offensichtlich nicht vorhandene Gefährdung der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung. Durch einen möglicherweise entstehenden Eindruck von Selbstbedienungsmentalität können sich ausschließlich die Parteien in ihrem aktuellen Bestand gefährden. Der Idee der Parteiendemokratie an sich droht durch die "Selbstbedienungsmentalität" der derzeit etablierten Parteien keinerlei Gefahr. Daher taugt die konkrete absolute Obergrenze ausschließlich zu einem Schutz des derzeitigen Parteiensystems. a) Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand als taugliches Schutzobjekt Weil die Parteien in ihrem aktuellen Bestand zur Disposition des Wählers stehen, muß bereits gefragt werden, ob die Parteien in dieser Eigenschaft überhaupt Objekt des Staatsschutzes vor Gefahren von innen sein können. Daß eine Einbeziehung der Parteien in ihrer aktuellen Ausprägung in den Schutz des Staates vor Gefahren von innen rechtlich möglich ist, beweist bereits eine logische Erwägung. Das Grundgesetz garantiert den Parteien als gesellschaftliche Einrichtung den Erhalt ihrer Funktionsfähigkeit. In ihrer Funktionsfähigkeit erhalten läßt sich die gesellschaftliche Einrichtung der Parteien aber nur über ihre konkrete Erscheinungsform, die Parteien in ihrem aktuellen Bestand. Art. 21 GG kommt insofern ein diffus wirkender bestandsbegünstigender Gehalt zu. Die Parteien in ihrem aktuellen Bestand sind also notwendig Nutznießer des Schutzes der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung vor Gefahren von innen.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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Eine andere Frage ist es aber, ob die Parteien in dieser Eigenschaft zugleich selbst Objekt des Staatsschutzes vor Gefahren von innen sein können. Entscheidend ist hierbei die Erwägung, daß die Parteien in ihrem aktuellen Bestand kein originäres Schutzgut der Verfassung sind, welches verfassungsrechtlich final geschützt werden könnte. Ihr Schutz ist vielmehr faktisch mit dem Schutz der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung verbunden. Letzterer wirkt nicht zielgerichtet, sondern betrifft die aktuell bestehenden Parteien lediglich. Eine Möglichkeit zur Ableitung eines Schutzes der Parteien in ihrem aktuellen Bestand vor Gefahren von innen besteht jedoch nicht. Der Schutz der Parteien in ihrem aktuellen Bestand hat also keine eigenständige rechtliche Bedeutung. Da ein amtierendes Parteiensystem von dem Schutz der Parteien als gesellschaftliche Einrichtung nur faktisch, nicht aber rechtlich begünstigt wird, können die Parteien in ihrem aktuellen Bestand hieraus also nicht aktiv einen Schutz vor Gefahren von innen herleiten. Dies läßt aber nicht den Umkehrschluß zu, daß ein faktisch dennoch bewirkter Schutz der Parteien in ihrem aktuellen Bestand von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Das Bundesverfassungsgericht leitet aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien ab und gewährt damit dem aktuellen Bestand der Parteien Schutz vor einer befürchteten Selbstzersetzung. Dies wäre aus der Perspektive der Verfassung - namentlich wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Chancengleichheit der Parteien 420 - dann problemtisch, wenn durch diesen Bestandsschutz der etablierten Parteien neu aufkommende Parteien entweder in ihrer Entstehung behindert, oder gar ganz vom Wettbewerb ausgeschlossen würden. Dies allerdings läßt sich nicht feststellen. Durch einen Schutz der etablierten Parteien wird das Aufkommen neuer politischer Gruppierungen nicht tangiert. Damit ist der vom Bundesverfassungsgericht durch die Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze gewährte Bestandsschutz aus grundsätzlichen Erwägungen heraus vorliegend nicht zu beanstanden. Der Senat hat die Parteien in ihrem aktuellen Bestand damit in nicht zu beanstandender Weise in die Reihe der Verfassungssgüter gestellt, die den Schutz der Verfassung vor Gefahren von innen aktivieren.

4 2 0

Siehe dazu o. S. 41 f.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

b) Die Erweislichkeit einer Gefährdung des Staates durch eine Funktionsbeeinträchtigung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand Allerdings hat die auf dem Notstand basierende Kompetenz zur Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze neben dieser rechtlichen Voraussetzung auch eine tatsächliche. Das Bundesverfassungsgericht kann aus seiner Pflicht zur Rettung des Staates nämlich nur dann eine besondere Kompetenz ableiten, wenn tatsächlich ein Notstand besteht oder dessen Eintritt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. 4 2 1 Der seitens des Senats zugrundegelegte Kausalzusammenhang weist indes an zwei Stellen Lücken auf. Diese betreffen zum einen den Zusammenhang von Parteienfinanzierung und Funktionsfähigkeit der Parteien und zum anderen den Eintritt einer Existenzbedrohung des Staates im Falle des Zusammenbruchs des Systems der etablierten Parteien. aa) Die Erweislichkeit eines Zusammenhanges zwischen Parteienfinanzierung und Funktionsbeeinträchtigung Das Gericht erklärt den Ansehensverlust der Parteien zu einer letztlich notwendigen Folge ihrer Überfinanzierung. 422 Ein Nachweis für das Bestehen dieses Kausalzusammenhanges findet sich in der Entscheidung nicht. Demgegenüber wurde die Erweislichkeit von negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Parteien 423 namentlich von U. Volkmann in einer eingehenden Analyse der Folgen direkter staatlicher Zuwendungen an politische Parteien 424 untersucht. Diese Untersuchung gelangt zu dem Ergebnis, daß "der Nachweis der Kausalität zwischen der Vergabe öffentlicher Leistungen und einer bestimmten Entwicklung des Parteiensystems (...) nicht führbar" ist. 4 2 5 Dem ist unter Verweis auf die umfassende und überzeugende Untersuchung Volkmanns zuzustimmen. Einzuräumen ist aber, daß zumindest eine recht hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß ein solcher Kausalzusammenhang besteht und hieraus zumindest Gefahren für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien in ihrem aktuellen Bestand erwachsen können. Dies räumt auch Volkmann ein 4 2 6 , der daraus zutreffend ein Zurückhaltungsgebot für den Staat bei 4 2 1 4 2 2 4 2 3

Siehe dazu o. S. 175 f. BVerfGE 85, 264 (290 a.E.). Untersuchungsgegenstand können hier lediglich die "Parteien in ihrem aktuellen Bestand"

sein. 4 2 4

U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 108 ff. U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 117. Im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 ders., ZRP 1992, 325 (328). 4 2 6 U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 121 4 2 5

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

187

der Vergabe öffentlicher Leistungen an Parteien ableitet 427 , das er für konkretisierbar 428 , aber nicht justiziabel hält. 4 2 9 Unter Zugrundelegung der hier vertretenen Auffassung, daß es dem Bundesverfassungsgericht erforderlichenfalls auch gestattet ist, im Falle eines bevorstehenden Schadenseintritts einzugreifen, um diesen verhindern zu können, reicht auch ein nur wahrscheinlicher Schadenseintritt aus, um das Handeln des Senats aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung zu legitimieren. Die Nichterweislichkeit des Zusammenhanges zwischen Parteienfinanzierung und Funktionsbeeinträchtigung allein würde dem Vorgehen des Gerichts damit nicht entgegenstehen. bb) Die Erweislichkeit einer Existenzbedrohung des Staates nach dem Zerfall der Parteien in ihrem aktuellen Bestand Fraglich ist aber darüber hinaus, ob eine Gefährdung des Staates im Falle der Funktionsbeeinträchtigung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand erweislich ist. Das Gelingen des Nachweises ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung der konkreten absoluten Obergrenze deshalb von entscheidender Bedeutung, weil das Gericht im Falle seines Mißlingens zukünftige und ungewisse Umstände zugrundegelegt hätte, die lediglich aufgrund seiner Einschätzung zum Notstand erhoben worden wären. In diesem Fall hätte der Senat schlicht eine politische Entwicklung prognostiziert und damit den Rahmen seiner kompetenziellen Befugnisse verlassen. 430 Daß die Selbstgefährdung der Parteien mit einer Gefährdung des Staates zusammen hängt, wird sich indes nicht nachweisen lassen. Allenfalls kann sich diese Einschätzung des Senats als zutreffend erweisen. Dies ändert freilich nichts daran, daß die insofern in Anspruch genommene Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts letztlich auf einer Einschätzung der Entwicklung gesellschaftlicher Verhältnisse beruht. Damit auf diesem Umstand eine Notstandskompetenz gegründet werden kann, ist es allerdings erforderlich, daß das Eintreten des Notfalles als zwingend prognostiziert werden muß. Nur dann kann sich die bloße politische Einschätzung zu einer rechtlichen Kategorie verdich-

4 2 7

U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 120 ff. U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 127 ff. 4 2 9 U. Volkmann, Öffentliche Leistungen, S. 142. Volkmann ist insoweit, für den Fall des Staatsnotstandes, grundsätzlich zuzustimmen, unter Zugrundelegung des hier vertretenen Gewaltenteilungsverständnisses jedoch zu widersprechen. Da die Gewaltenverantwortung dem Bundesverfassungsgericht in diesem Fall ein Eingreifen gebietet, kann die mangelnde Justiziabilität durch das Vorliegen der Notstandsvoraussetzungen kompensiert werden. 4 3 0 Siehe dazu F. Klein, Politische Fragen, S. 24 f. 4 2 8

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

ten. Ausschließlich in diesem Fall läßt sich der Verfassung im Rechtsstaat die besondere Kompetenz zur politisch motivierten und lediglich politisch begründbaren konkreten absoluten Obergrenze abtrotzen. Die Ansichten darüber, ob ein Schutz des Parteiensystems in seiner derzeitigen Ausprägung auf lange Sicht zur Erhaltung der Bundesrepublik unabdingbar ist, sind freilich geteilt. (1) Die Erforderlichkeit eines Schutzes des aktuellen Systems für die Erhaltung des Staates Daß eine Gefährdung der etablierten Parteien zu einer Gefährdung des Staates führen kann, gelangt namentlich aus den Reihen der etablierten Parteien selbst in die Diskussion. So wurde auf dem Münchener "Strategie-Gipfel" der Unionsparteien für das Wahljahr 1994 von einem Mitglied der Wahlkampfleitung verlautbart, daß der Slogan "Wir oder Weimar" als eine Art inoffizielles Wahlkampfmotto gelte 431 . Damit wird auf eine Gefahr hingewiesen, die bei einem vermehrten Auftreten von kleinen, möglicherweise kurzlebigen Alternativ- und Protestparteien mit unter Umständen unausgegorenen und von Populismus geprägten Programmen und Zielen entstehen soll. Angespielt wird hierbei insbesondere auf die Entwicklung der Demokratie unter der Geltung der Weimarer Verfassung, in der das Parlament aus zersplitterten Parteien zusammengesetzt war und aufgrund dessen eine mangelnde Funktionsfähigkeit des Reichstages zu beklagen war. 4 3 2 Aktuelle politische Relevanz erhält diese Argumentation durch das vermehrte Aufkommen rechtsextremer Parteien gegen Ende der achtziger Jahre. Daß die Demokratie der Weimarer Verfassung der Machtergreifung der Nationalsozialisten nichts entgegensetzen konnte, soll als Mahnung zur Erhaltung des etablierten Volksparteiensystems dienen. Unter Zugrundelegung dieses Standpunkts wird eine Gefährdung des Staates durch eine Gefähdung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand angenommen.433 Daß die Einschätzung, nur das überkommene Parteiensystem könne den Staat tragen, bereits zu Beginn der achtziger Jahre geteilt wurde, beweist die Untersuchung von R. Scholz mit dem Titel: "Krise der parteienstaatlichen Demokratie? 'Grüne und Alternative im Parlament'.434 Auch im politischen Kontext der neunziger Jahre wird eine Ge-

4 3 1

Dazu R. Leicht, Die Zeit, Nr. 5 v. 28.01.1994, S. 1. Zur Parlametarismuskrise gegen Ende der Weimarer Republik: C. Schmitt, Parlamentarismus, S. 41 ff. 4 3 3 In diese Richtung geht auch die Mahnung R. Herzogs, der bemerkt, daß ein sich auf Dauer etablierendes Fünf-Parteiensystem, "ganz unmerklich auch zur politischen Situation vom Anfang der Weimarer Republik zurückführen könnte." R. Herzog, Parteienstaat, S. 18 ff., 20. 4 3 4 R. Scholz,, Krise, insbes. S. 26 ff.; ähnlich O. Kimminich, DÖV 1983, 217 (217 ff.). 4 3 2

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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fährdung der Demokratie "von innen" gerade im Zusammenhang mit den Volksparteien angenommen. Dies belegt die Aussage von Vierhaus: "Staatliche Parteienüberfinanzierung ... gefährdet den repräsentativen Charakter des Parlaments und die ... Demokratie." 435 Auch R. Herzog befürchtet, daß eine Folge der Existenz des Volksparteiensystems ist, daß dieses "im Augenblick möglicherweise dabei ist, das gesamte System in die Krise zu führen" 4 3 6 In diese Richtung weist auch M. Dönhoff, wenn sie schreibt: "Die Befriedigung darüber, daß die beiden großen Parteien die Verwandlung von ideologischen Gruppierungen zu Volksparteien vollzogen haben, ist vielleicht nach dreißig Jahren überholt, denn viele der heutigen Probleme ... sind im Konkurrenzverfahren politischer Parteien einfach nicht zu lösen. Also kein Grund zur Beunruhigung? Doch: Der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß sich in dieser Entwicklung, wahrscheinlich unbeabsichtigt, eine Attacke auf die repräsentative Demokratie kundtut. Die Demokratie ist in unseren Breiten nicht durch einen Coup gefährdet oder durch Angriffe von außen, sondern außschließlich durch die Demokratie selbst".437 (2) Das Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte der Demokratie Dieser Einschätzung steht diejenige der Alternativ- und Protestparteien gegenüber, die sich durch die - mit der beschriebenen Entwicklung verbundene Parteien-, Politik- oder gar Demokratieverdrossenheit 438 auf den Plan gerufen sehen, um dieser entgegenzuwirken und damit nötigenfalls das etablierte System zu erneuern. Hierin sehen diese Parteien ihr staatsbürgerliches Recht aus Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG und berufen sich auf die Wahrnehmung ihres Verfassungsauftrages. In diesem Aufkommen von Alternativ- und Protestparteien wird auch in der öffentlichen Diskussion bisweilen eine für die Demokratie positive Entwicklung erblickt. Teilweise wird hierin sogar eine von der Demokratie geforderte Chance für eine erforderliche Umorientierung im Staat gesehen. Namentlich der der CDU angehörende und von 1984 bis 1994 als Bundespräsident amtierende R. v. Weizsäcker begreift das vermehrte in Erscheinung treten von Alternativ- und Protestparteien, die er nicht für eine Dauererscheinung 4 3 9 hält, als Ansporn für die etablierten Parteien im freien Wettbewerb. Insofern versteht er diese Entwicklung als heilsam für die Parteiendemokra-

4 3 5

H.-P. Vierhaus, ZRP 1991, 468 (474). R. Herzog, Parteienstaat, S. 18 ff. Er meint hiermit die Ablösung eines Drei- durch ein Fünfparteiensystem und somit die Gefahr der Entstehung von "Weimarer Verhältnissen". Siehe hierzu dens., Βitburger Gespräche 1993, S. 1 (5 ff.). 4 3 7 M. Dönhoff, Die Zeit v. 26.09.1993, S. 1. 4 3 8 An dieser Stelle sei statt sehr vieler nur auf E. u. U. Scheuch, Cliquen, S. 170 ff. verwiesen. 4 3 9 Siehe etwa zu den parteistrukturbedingten Problemen der Statt-Partei, die diese Einschätzung bestätigen: J. Buchsteiner, Die Zeit, Nr. 14 v. 01.04.1994, S. 6. 4 3 6

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

t i e 4 4 0 , mit deren Überlebenschancen er sich bereits zu Beginn der achtziger Jahre kritisch auseinandergesetzt hatte. 441 Darüber hinausgehend wird in dem von den etablierten Parteien beklagten Risiko für die Fortexistenz des etablierten Parteiensystems die als notwendig eingeschätzte Chance für eine Neuorientierung erblickt. Insofern wird eine "Renaissance der Politik" 442 gefordert: Lasse sich die Existenzberechtigung des etablierten Systems nicht mehr legitimieren, so müsse die Politik insgesamt neu begründet werden. 443 Das Verfahren der etablierten Parteien wird als "durchwursteln" begriffen, das dem Staat auf lange Sicht schadet, weil es einen unbefriedigenden Zustand auf Dauer zementiert und einen Ausweg aus der "Sackgasse" - in der sich die von den etablierten Parteien geprägte Demokratie befinde - verhindert. 444 Eine Gefährdung des Staates durch die Gefährdung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand ist von dieser Perspektive aus betrachtet nicht anzunehmen. Diese Gefährdung oder gar Dysfunktionalisierung der etablierten Parteien gibt lediglich den Weg für einen Neuanfang frei, der der staatlichen Entwicklung dient und für den die Demokratie offen ist. (3) Der Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts Auch das Bundesverfassungsgericht nimmt zur hier behandelten Frage indirekt Stellung. Dafür, daß der Senat von einer Gefährdung des Staates durch die Gefährdung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand ausgeht, spricht das Modell der plafonierten Teilallgemeinfinanzierung als solches. Von der Konzeption des Senats begünstigt sind auf lange Sicht ausschließlich die etablierten Parteien. Dies klingt angesichts der von den Parteien mehrheitlich beklagten und von der Öffentlichkeit allgemein begrüßten Eindämmung der Parteienfinanzierung auf eine feste Größe zunächst paradox. Daß die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption aber letztlich dem Erhalt des etablierten Systems dient und gerade diesem seine Funktionsfähigkeit erhält, wird durch den mit der konkreten absoluten Obergrenze beabsichtigten Schutz der Parteien vor Überfinanzie4 4 0

R. V.Weizsäcker, FASonntagsZ v. 13.03.1994, S. 4. R. V.Weizsäcker, "Wird die Parteiendemokratie überleben" in: "Die deutsche Geschichte geht weiter" S. 154 ff.; ders., Richard von Weizsäcker im Gespräch, S. 137 ff. Siehe dazu auch eingehend M. Stolleis, VVDStRL 44 Bd. (1985), 8 (16 ff.); D. Tsatsos, Bitburger Gespräche 1993, S. 13 (14 ff.). 4 4 2 W. Dettling, Die Zeit, Nr. 11 v. 11.03.1994, S. 14. 4 4 3 W. Dettling, Die Zeit, Nr. 11 v. 11.03.1994, S. 14. 4 4 4 So W. Dettling, Die Zeit, Nr. 11 v. 11.03.1994, S. 14. In der Einschätzung ähnlich etwa: H. Hamm-Brücher, Zeit-Punkte, Heft 1 1994, S. 43. 4 4 1

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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rung deutlich. Zwar wird hierdurch einerseits die Überfinanzierung der Parteien gedrosselt. Notwendige Konsequenz dessen ist aber auf der anderen Seite, daß die Parteien durch die Begrenzung des Zugriffs auf die Staatskasse daran gehindert werden, sich durch ihre Überfinanzierung in der Gunst des Wählers letztlich so weit herabzusetzen, daß dieser sich völlig von ihnen abwendet. (4) Die Aussage der Verfassung Es zeigt sich damit, daß die Frage der Gefährdung des Staates durch eine Funktionsbeeinträchtigung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand je nach Standpunkt unterschiedlich beantwortet wird. Dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts kommt insofern eine besondere Bedeutung und faktisch auch eine verfassungsrechtliche Relevanz zu, weil das Gericht de facto nicht daran gehindert werden kann, seinen politischen Einschätzungen verfassungsrechtlichen Gehalt beizumessen, weil es "kraft seiner Kompetenz in rechtlichen Angelegenheiten darüber (bestimmt), ob eine Angelegenheit rechtlicher oder politischer Natur ist." 445 Fest steht aber zugleich, daß die Verfassung für die Unabdingbarkeit eines Schutzes des Staats durch einen Schutz eines etablierten Parteiensystems nichts hergibt. Sicher ist das Grundgesetz unter dem Eindruck des nationalsozialistischen Terrorregimes entstanden und auf die Verhinderung einer erneuten Entstehung eines derartigen Systems hin konzipiert und daher stark von rechtsstaatlich sichernden Elementen geprägt. Unbestreitbar ist es ihr wichtigstes Anliegen, einen stabilen und funktionsfähigen Staat zu gewährleisten, der vor Gefahren von innen genauso gefeit ist wie vor Gefahren von außen. Daß die Verfassung aber davon ausgeht, der Staat bedürfe zu seiner Stabilität des Parteiensystems in seinem aktuellen Bestand, ist aus der Verfassung nicht begründbar. c) Ergebnis Damit kann weder der Zusammenhang zwischen einer Überfinanzierung der Parteien und einer Funktionsbeeinträchtigung des Parteiensystems noch die Unabdingbarkeit des derzeitigen Parteiensystems zur Staatserhaltung tatsächlich nachgewiesen werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien basiert auf einer Bewertung 4 4 5

J. Isensee, HStR, VII, § 162 Rn. 86. Siehe dazu bereits o. S. 145.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

der politischen Entwicklung und nicht auf tatsächlichen Erfordernissen. Sie beruht damit auf der Einschätzung des Gerichts, daß die Funktionsbeeinträchtigung des aktuell existierenden Parteiensystems notwendig eine Funktionsbeeinträchtigung des Staates begründet. Damit verleiht das Vorgehen des Senats einem verfassungspolitischen Bedürfnis Ausdruck. Hieraus läßt sich jedoch keine Notstandskompetenz des Bundesverfassungsgerichts ableiten, die den Senat zur Festlegung einer methodisch nicht herleitbaren absoluten Obergrenze berechtigen würde. Eine derartige Kompetenz weist das Grundgesetz dem Gericht bereits deshalb nicht zu, weil sich der Nachweis, daß die Funktionserhaltung des aktuellen Parteiensystems für die Existenz der repräsentativen Demokratie unabdingbar ist, nicht führen läßt. Damit hatte das Bundesverfassungsgericht mangels Vorliegens der Entscheidungsvoraussetzungen nicht die Kompetenz, mit dem Ziel der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien eine konkrete absolute Obergrenze, bis zu der staatliche Parteienfinanzierung zulässig ist, zu ziehen. Die Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze wird daher den Vorgaben des Gewaltenteilungsprinzips nicht gerecht. Die absolute Obergrenze ist indessen nicht bloß aus der Perspektive der Gewaltenteilung zu beanstanden. Sie stößt darüber hinaus in Hinblick auf das Prinzip der repräsentativen Demokratie auf verfassungsrechtliche Bedenken. Diesen gilt es im folgenden nachzugehen. Zweiter Abschnitt

Die konkrete absolute Obergrenze vor dem Hintergrund demokratischer Repräsentation Im Rahmen der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 hat sich das Bundesverfassungsgericht dafür entschieden, eine konkrete absolute Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung zu bestimmen und damit unzulässigerweise im Funktionsbereich des Gesetzgebers agiert. Im folgenden gilt es der Frage nachzugehen, ob der konkreten absoluten Obergrenze aus der Perspektive des materiellen Verfassungsrechts weitere Vorbehalte entgegenzubringen sind. Diese könnten sich mit der Demokratiekonzeption des Grundgesetzes begründen lassen.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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A. Demokratische Repräsentation nach dem Grundgesetz Die Wahl der Demokratie als Staats- und Regierungsform gründet auf der Entscheidung des Grundgesetzes für die Freiheit des Individuums. 446 Die repräsentative Demokratie ist die der modernen Industriegesellschaft angemessene und nach verbreiteter Auffassung die einzig mögliche Demokratieform 447 im Flächenstaat des 20. Jahrhunderts. Dies gilt, weil diese Staatsform das Postulat der Volkssouveränität dem Gesetz der kleinen Zahl anpaßt, dem alle Machtausübung unterliegt.448 Die repräsentative Demokratie kann daher insbesondere nicht als "Notbehelf der unmittelbaren Demokratie"449 begriffen werden. Dieser These, die auf dem Boden des Repräsentationsmodells C. Schmitts steht450, liegt die Uberzeugung zugrunde, daß das Repräsentative der Demokratie ihr Nichtdemokratisches, deshalb der demokratischen Idee fremd und daher zurückzudrängen sei. 451 Die Demokratiekonzeption der Verfassung geht daher von einer freien, selbstbestimmten und eigenverantworteten Herrschaft der Gemeinschaft der Bürger über sich selbst aus. Gleichwohl trägt sie zugleich der Tatsache Rechnung, daß ein Gemeinwesen nur funktionsfähig sein kann, wenn die Freiheit der einzelnen Bindungen unterworfen ist. "Das Grundgesetz als demokratische Ordnung sieht (also) vor, daß grundlegende staatliche Entscheidungen nach Maßgabe der Mehrheitsregel getroffen werden (...). Indes zieht es zugleich der Mehrheitsherrschaft rechtsstaatliche (...) Grenzen, (...) und sichert diese Grenzen über eine weitreichende Verfassungsgerichtsbarkeit" 452, der es obliegt, die

4 4 6 J. Isensee, HStR, I, § 13 Rn. 128; P. Kirchhof,i HStR, I, § 19 Rn. 30, 80 f. Siehe dazu auch E.W. Böckenförde, HStR, I, § 22 Rn. 8 ff. 4 4 7 Dazu E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (306); H.H. Klein, Forsthoff-FS. (1972), S, 165 (166), C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 75 ff. 4 4 8 Siehe dazu schon H. Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: Matz (Hrsg.), S. 10; ders., Staatslehre, S. 247 f. 4 4 9 So aber H R. Buschmann/ H. Ostendorf,i ZRP 1977, 153 (155), ähnlich Reuß, AöR 27. Bd. (1936), 1 (16). Dagegen insbesondere H.H. Klein,, Forsthoff-FS. (1972), S, 165 (166); C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 77 f. 4 5 0 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 218, 234; so auch H. Kelsen, Wesen, S. 14 und S.-m. Liu, Volksvertretung, S. 19. In diese Richtung argumentierend auch: R. Köppler, Mitwirkung, S. 65. 45 1 Siehe mit einer überzeugenden Widerlegung dieser These insbesondere E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (306 ff.), ferner eingehend C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 75 ff. 4 5 2 BVerfGE 44, 125 (140).

13 Schwartmann

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Grenzen der Freiheit für den konkreten Fall letztverbindlich zu bestimmen. 453 Dies ist im Rahmen der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 durch die Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze geschehen.

I. Die normative Einbindung der Repräsentation im Grundgesetz Als entscheidende Vorschriften für die Verankerung des Repräsentationsmodells im Grundgesetz lassen sich Art. 20 Abs. 2 S. 1 und 2 sowie Art. 38 Abs. 1 S. 2, in gewisser Weise auch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ausmachen.454 Der Repräsentationsgedanke des Grundgesetzes schlägt sich in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nieder. Während Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG das Prinzip der Volksherrschaft generell festlegt und Art. 20 Abs. 2 S. 2 HS. 1 GG die unmittelbare Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk auf Wahlen und Abstimmungen beschränkt, legt Art. 20 Abs. 2 S. 2 HS. 2 GG die Repräsentation als den Modus der Ausgestaltung der Volksherrschaft fest. 455 Art. 20 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 GG wiederum wird durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG konkretisiert. Zunächst dahingehend, daß die nach Maßgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG zu wählenden Repräsentanten das "ganze Volk vertreten", woraus geschlossen wird, daß diese ausschließlich dem Volk gegenüber verpflichtet sind. 4 5 6 Weiterhin legt das Grundgesetz in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG das sogenannte freie Mandat der Abgeordneten fest, das deren Weisungsfreiheit sichert. 457 Die Unabdingbarkeit der politischen Parteien für das Repräsentationskonzept des Grundgesetzes läßt sich mit dem Bild eines unerläßlichen Werkzeuges be4 5 3

Eine Folge dessen ist, daß das demokratische Prinzip des Grundgesetzes nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern insbesondere im Zusammenhang mit dem rechtsstaatlichen Prinzip zu sehen ist. So: H. Peters, Geschichtliche Entwicklung und Grundfragen der Verfassung, (1969), S. 166: "Im Begriff der Demokratie im Sinne des Grundgesetzes ist auch das Rechtsstaatsprinzip enthalten." Ähnlich K.H. Friauf\ Kind, S. 346. Durch diese Verbindung erfahrt es zugleich eine wesentliche Ausfüllung und innere Begrenzung. So K. Stern, StR I, 2. A. (1984), S. 623. Das als Gegenposition hierzu zu begreifende verfassungsrechtliche Erfordernis einer Trennung von politischen und rechtsstaatlichen Bestandteilen der Verfassung wurde in der deutschen Verfassungslehre insbesondere von C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 200, proklamiert und leistete der verhängnisvollen Auseinanderentwicklung von Demokratie und Rechtsstaat und damit der Katastrophe von 1933 Vorschub. Siehe dazu Κ Stern, StR I, 2. A. (1984), S. 624. Zur aktuellen Bedeutung dieser Begrenzung auch M. Dönhoff\ Die Zeit, Nr. 14 v. 01.04.1994, S. 1 sowie J. Fest, Schwierige Freiheit, S. 49 ff. 4 5 4 Siehe hierzu prägnant H.H. Klein, Forsthoff-FS., S, 165 (166 ff.); vgl. ferner die eingehenden und wortreichen Ausführungen von M. Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 138 ff. 4 5 5 F E. Schnapp, v.Münch/Kunig, GG I, Art. 20 Rn. 31. 4 5 6 Zu den Besonderheiten dieser Verpflichtung u. S. 197. Siehe hierzu ferner BK Henke, Art. 21 Rn. 79 f. Nicht anders ist der Hinweis in Art. 130 Abs. 1 WRV zu verstehen, der die Beamten zu Dienern des Volkes und nicht einer Partei erklärt und der sich auch heute noch in Art. 13 der Bayer. Verfassung findet. 4 5 7 Siehe dazu sogleich S. 198.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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schreiben, auf das die repräsentative Demokratie angewiesen ist, um funktionieren zu können. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ist insofern für das Repräsentationsmodell von zentraler Bedeutung, als er den von der Verfassung vorgegebenen und von Verfassungs wegen auch vorzuhaltenden Modus für die Umsetzung des Prozesses der Volkswillensbildung durch Parteien festschreibt. 458 Art. 21 GG trifft damit eine Aussage über die Vorstellung der Verfassung hinsichtlich der Art und Weise der Verwirklichung der repräsentativen Demokratie und kann damit als Ergänzung des Art. 38 Abs. 1 S. 2 G G 4 5 9 begriffen werden. Davon, daß das Grundgesetz die Parteien mit der Umsetzung des Volks- in den Staatswillen beauftragt, verspricht es sich eine optimale Vermittlung zwischen den Sphären von Staat und Gesellschaft. Den Parteien kommt in diesem Vermittlungsprozeß eine herausragende Bedeutung zu 4 6 0 Allerdings tragen neben diesen verschiedene weitere Faktoren zur Übermittlung des Volkswillens in die Sphäre des Staates bei. 461 Die Unabdingbarkeit der Parteien für die Verfassung gründet allerdings ausschließlich auf dieser Werkzeugeigenschaft. Ihre zentrale Bedeutung für die Repräsentation ist von dieser Hilfsfunktion geprägt und kann keine Einbindung des Art. 21 GG in die Normen der Verfassung, die den Kern der demokratischen Repräsentation bilden, bewirken. Die Parteien sind also für das Prinzip der repräsentativen Demokratie unabdingbar, aber nicht Bestandteil des Prinzips selbst. 462 Etwas anderes ergab sich nach der Parteienstaatslehre G. Leibholz', der aus der mit dem Wesen der Repräsentation unvereinbaren463 Abhängigkeit der Abgeordneten von ihrer Partei 464 den zur "Tatsache gewordenen Parteienstaat" konstatierte465 und allein hieraus eine Identität von Abgeordneten, Parteien und Staat folgerte. 466

4 5 8

Siehe dazu o. S. 171 f. Siehe zur Bedeutung des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Abgrenzung zu Art. 21 GG insbesondere unter Ablehnung von G. Leibholz, der den Widerspruch zwischen Art. 21 und 38 GG sah und dadurch auflösen wollte, daß er Art. 38 GG als "Rückzugsgefecht" liberaler Vorstellungen auffaßte, insbes. H. Schiedermair, Mitt. d. Max-Planck-Ges. 1966, 272 (277). Siehe dazu ferner H.H. Klein, HStR, II, § 41 Rn. 4 f.; BK-Henke, Art. 21 Rn. 84 m.w.N. 4 6 0 Siehe zur herausragenden Stellung der Parteien in der Repräsentation o. S. 167 ff.; ferner C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 123 f. 46 1 Siehe hierzu umfassend C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 81 ff. 4 6 2 Siehe dazu o. S. 169. 4 6 3 G. Leibholz., Wesen, S. 100. 4 6 4 G. Leibholz, Wesen, S. 99. 46 5 G. Leibholz, Wesen, S. 107. 4 6 6 Siehe hierzu o. S. 133 f. 4 5 9

1*

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Diesen Charakter der Parteien als erforderliches Werkzeug der repräsentativen Demokratie macht das, wegen seiner Eindimensionalität ansonsten nicht zutreffende, Bild des "Sprachrohrs" deutlich. 467

I I . Der doppelte Bedeutungsgehalt des Repräsentationsbegriffs Um eine Nichtberücksichtigung der Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG durch das Bundesverfassungsgericht nachweisen zu können, gilt es, die Ausgestaltung und Funktionsweise demokratischer Repräsentation näher zu beleuchten. Hierbei ist eine Unterscheidung nach formaler und inhaltlicher Repräsentation vorzunehmen, 468 die der formalen und inhaltlichen Legitimation staatlicher Entscheidungen korreliert. 1. Formale Repräsentation Formal betrachtet beansprucht eine staatliche Entscheidung Geltung, weil sie sich allein aufgrund der Einhaltung bestimmter vorgegebener Regeln aus dem Willen des Volkes ableitet. Dieser Ableitungszusammenhang begründet die sogenannte "formale demokratische Legitimation" 469 einer Entscheidung staatlicher Handlungsträger. Diesen formalen Legitimationszusammenhang beschreibt der Begriff formale Repräsentation. Der hiermit angesprochene Aspekt der Repräsentation kann als Volksvertretung kraft organisationsrechtlicher Kompetenzzuweisung470 bezeichnet werden. Hieran läßt sich die Rechtsnatur der Repräsentation verdeutlichen, bei der es sich um einen Sonderfall der Stellvertretung handelt, in dem das Parlament das Volk repräsentiert. 471 Die Beschlüsse der Staatsorgane muß das Volk, sofern sie unter bestimmten, von Verfassung und Geschäftsordnung festgelegten Verfahren zustande gekommen sind, als eigene Handlungen gegen sich gelten und sich zurechnen lassen.472 Repräsentation ist damit insbesondere anders als bürgerlich-rechtliche Stellvertretung zu begreifen, da die Erklärungen der Repräsentanten nicht im eigentlichen Sinne für und gegen die

4 6 7

Vgl. zu einer überzeugenden Kritik am Sprachrohrmodell: C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 122 f. Siehe dazu auch H. Krüger, Staatslehre, S. 369 f. 4 6 8 Zur Differenzierung nach inhaltlicher und formaler Repräsentation: E.W. Böckenförde, HStR, II, § 30 Rn. 18; ähnlich /. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 90 ff. 4 6 9 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 90. 4 7 0 M. Kriele, Staatslehre, S. 295. 47 1 M. Kriele, Staatslehre, S. 294. 4 7 2 BVerfGE 44, 308 (316); S. hierzu auch H.H. Klein, HStR, II, § 41, Rn. 3.

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Vertretenen gelten und die staatlichen Handlungsträger bei der Ausübung ihres freien Mandats nicht an Weisungen ihrer Auftraggeber gebunden sind. 473 2. Inhaltliche Repräsentation Eine gelungene Repräsentation begründet formal betrachtet die Legitimation staatlicher Herrschaft und verleiht einer staatlichen Entscheidung insoweit allein deshalb ihren Geltungsanspruch. Allerdings zieht die formale Legitimation einer staatlichen Entscheidung - die bei Einhaltung des verfassungsstaatlich vorgegebenen Rahmens von Verfassungs wegen vorliegt, ohne daß ihre Akzeptanz berücksichtigt werden muß - nicht notwendig auch inhaltliche Legitimation nach sich. 474 Diese hängt im Gegensatz zur formalen Legitimation von der Frage ab, ob das Volk sich von seinen Vertretern tatsächlich repräsentiert fühlt und deshalb bereit ist, deren Entscheidungen als eigene zu akzeptieren. Die besondere Relevanz der hiermit angesprochenen inhaltlichen Legitimation staatlicher Entscheidungen erklärt sich aus der Tatsache, daß diese, sollen sie zu einer dauerhaften Problemlösung taugen, einer möglichst breiten Anerkennung der konfligierenden gesellschaftlichen Gruppen bedürfen. Das Grundgesetz verlangt auch diese inhaltliche Anerkennung 475 und geht davon aus, daß sie dann vorhanden ist, wenn sich die Repräsentierten mit den Entscheidungen der Repräsentanten identifizieren und infolgedessen bereit sind, sich deren Entscheidungen als eigene Handlungen zurechnen zu lassen. Nur wenn die Gefolgschaft der Repräsentierten insgesamt betrachtet auf einer freien und bewußten Entscheidung beruht, besteht auch materiell gesehen ein legitimer Grund für die "Beherrschung" der Bürger durch die Regierenden. 476 Mit Identifikation ist nicht eine ohnehin unmögliche Identifikation mit allen einzelnen Entscheidungen der Regierenden gemeint. Es kommt vielmehr darauf an, daß sich das Volk "unter dem Strich" in den Entscheidungen der staatlichen Handlungsträger wiederfindet und diese insoweit als eigene Entscheidungen akzeptieren kann. Das Repräsentationskonzept des Grundgesetzes beschränkt sich hinsichtlich dieses Wiederfindens auf die Forderung nach Identifikation von Repräsentierten und Repräsentanten, weil ihm die Erkenntnis zugrundeliegt, daß eine Iden-

4 7 3 4 7 4

Siehe dazu sogleich u. S. 198 ff. Siehe hierzu J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 95 sowie H.H. Klein, Carstens-FS., S. 645

(650 f.). 4 7 5 4 7 6

In diesem Sinne: H.H. Klein, Carstens-FS, S. 645 (649). Dazu M. Sobolewski, Repräsentation, S. 435; H.H. Klein, Carstens-FS, S. 645 (649).

198

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

tität von Regierenden und Regierten Fiktion bleiben muß. 4 7 7 "Wo (aber) keine Identität von 'Herrschern' und 'Beherrschten', also keine 'wirkliche Selbstregierung der Regierten'... möglich ist, sollte wenigstens die Identifikation der letzten mit den ersten möglich sein." 478 Die Herstellung dieser Identifikation, die sich in der freiwilligen Gefolgschaft des Volkes äußert, ist Gegenstand der inhaltlichen Repräsentation. Nach M. Sobolewski ist diese als Vorgang gegenseitiger Anerkennung von staatlichen Entscheidungsträgern und Volk zu begreifen. Diese Anerkennung ist in ständiger, wechselseitiger Kommunikation zwischen Repräsentanten und Repräsentierten herbeizuführen. Sie erlaubt es, den Inhalt der Repräsentation stetig zu aktualisieren. 479 Ihr Ziel ist Herstellung einer Identifikation des Staats- mit dem Volkswillen. Es wird damit deutlich, daß inhaltliche Repräsentation nicht als statischer Zustand, sondern als ein dynamischer Prozeß zu begreifen ist, 4 8 0 in dessen Verlauf die Ansichten von Regierten und Regierenden einander angeglichen werden.

I I I . Das Mandatsverständnis des Grundgesetzes Gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG findet diese Anpassung des Willens von Repräsentierten und Repräsentanten ihre Grenze im freien Mandat der Repräsentanten. /. Das freie Mandat des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Es leuchtet ein, daß Rationalität und objektive Zweckmäßigkeit die parlamentarische Entscheidungsfindung eines funktionsfähigen Staates prägen müssen. 481 Dies entspricht dem Wesen der Demokratie, das davon bestimmt ist, den staatlichen Handlungsträgern politisch verantwortliche Entscheidungen zu ermöglichen. 482 Von dieser Erkenntnis ist das Mandatsverständnis des Art. 38 4 7 7 Den Repräsentationsmodellen von C. Schmitt und G. Leibholz liegt demgegenüber die Idee der Identität von Repräsentanten und Repräsentierten zugrunde. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 208 ff.; G. Leibholz, Wesen, S. 25 ff. 47 8 M. Drath, Volksrepräsentation, S. 296. In diesem Sinne auch M. Kriele, Staatslehre, S. 294 f. 4 7 9 M. Sobolewski, Repräsentation, S. 434 ff.: in Anlehnung an diesen C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 132. 4 8 0 Dazu E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS, S. 319; M. Sobolewski, Repräsentation, S. 434 ff.; C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 71 ff. 481 Siehe dazu R. Herzog, Parteienstaat, S. 29. 4 8 2 In diesem Sinne H.H. Klein, Forsthoff-FS, 165 (168) in Anlehnung an F. Neumann, Zum Begriff der politischen Freiheit, in: F. Neumann, Demokratischer und autoritärer Staat, S. 76 ff. (108).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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Abs. 1 S. 2 GG entscheidend geprägt. Das freie Mandat hat die Aufgabe, dem Abgeordneten eigene, flexible Handlungs- und Entscheidungsspielräume zu verschaffen, die er im Zusammenwirken mit den übrigen Repräsentanten wahrzunehmen hat. 4 8 3 Damit die Abgeordneten diesen Entscheidungsspielraum in Eigenverantwortung wahrnehmen können, garantiert ihnen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG die Freiheit von Weisungen und unterwirft sie allein ihrem Gewissen. 484 2. Die Gewissensunterwerfung

nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG

Das Gewissen hat - wie H.H. Klein feststellt - nicht nur "in sogenannten Gewissensfragen, sondern bei allen seinen Entscheidungen die alleinige Richtschnur des Handelns des Parlamentariers zu bilden." 485 Freilich muß auch die Gewissensunterwerfung nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG den Erforderlichkeiten parlamentarischer Entscheidungsfindung Rechnung tragen. a) Die Berücksichtigung der Rationalität Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG darf sich zunächst der Tatsache nicht verschließen, daß das Erzielen eines sachgerechten und der Funktionsfähigkeit des Staates dienlichen Ergebnisses ein maßgeblicher Bestandteil bei der Ausübung des freien Mandats ist. Anders als im Rahmen des Art. 4 GG sanktioniert das Grundgesetz in Art. 38 Abs. 1 S. 2 damit eine Gewissensunterwerfung, die den besonderen Erfordernissen der Staats Willensbildung angepaßt ist. 4 8 6 Dies erklärt sich aus dem unterschiedlichen Gegenstand der Gewissensentscheidungen. Die Gewährleistung der Gewissensfreiheit in Art. 4 Abs. 1 GG dient ausschließlich dem Schutz der ethischen Selbstbestimmung des Grundrechtsträgers. 487 Als freie Gewissensentscheidung wird dementsprechend "jede ernste sittliche, das heißt an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung..."488 geschützt. Daß dieser Gewissensbegriff dem Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht zugrunde liegen kann, erklärt sich

4 8 3

Siehe hierzu nur C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 165. Ein differenziertes Eingehen auf die diversen Mandatstheorien verbietet sich an dieser Stelle. Ein Überblick über den derzeitigen Stand findet sich bei C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 133 ff. 4 8 5 H.H. Klein, HStR, II, § 41 Rn. 3. 4 8 6 Mißverständlich daher der Verweis von Art. 38 GG auf Art. 4 GG bei Jarass/PierotK GG, Art. 38 Rn. 26. 4 8 7 Siehe zum Gewissensbegriff des Art. 4 Abs. 1 GG mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Schrifttum, W. Kluth, Jura 1993, 137 (142 f.). 4 8 8 "... ,die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfahrt, so daß er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln kann."; BVerfGE 12, 45 (54). 4 8 4

200

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

bereits daraus, daß die meisten Gegenstände der alltäglichen Entscheidungen im Parlament eine dergestalt vorzunehmende sittliche Wertung nicht zulassen.489 b) Die Definition der Unabhängigkeit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verlangt vom Parlamentarier die in dieser Eigenschaft getroffene Entscheidung vor seinem Gewissen als sachgerechte und vernünftige Entscheidung zu vertreten und zu verantworten. 490 Eine in diesem Sinne zu treffende Entscheidung wird primär das Resultat eines rationalen Abwägungsprozesses491 und einer moralischen Bewertung meist nur bedingt zugänglich sein. 492 Erkennt man an, daß das Wesen der Demokratie von der Ermöglichung politisch verantwortlicher und dem Entscheidungsgegenstand angemessener und insofern richtiger Entscheidungen geprägt ist, wird man nicht bestreiten, daß die Entscheidungen der staatlichen Handlungsträger zumindest im Regelfall nicht das Resultat einer reinen Gewissensanspannung sind und es nicht sein können. aa) Gewissen oder Überzeugung Angesichts der maßgeblichen Bedeutung der von Sachbezogenheit und Rationalität geprägten Entscheidung wurde vorgeschlagen, den Begriff Gewissen in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG durch Überzeugung zu ersetzen 493 oder ihn zumindest in diesem Sinne zu verstehen 494. Dies bringe die Rationalität der geforderten Entscheidung zum Ausdruck und mache ungerechtfertigtes Moralisieren vermeidbar. Dennoch bleibe es möglich, der Individualität der Entscheidung und damit der Mitverantwortlichkeit des Abgeordneten Rechnung zu tragen. 495 Diesem Vorschlag, den Begriff des Gewissens in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als synonym mit innerer Überzeugung zu begreifen, kann zugestimmt werden, sofern damit nicht die Auslösung ethischer Maßstäbe aus

4 8 9

Siehe dazu R. Herzog, Parteienstaat, S. 21 f. Zum Verantwortungsaspekt etwa J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 10; C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 167; ferner G. Klier, ZRP 1976, 232 (232); W. Steffani, ZParl 1981, 109 (122). 491 So E.-V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (52). 4 9 2 Siehe dazu R. Herzog, Parteienstaat, S. 28 f. 4 9 3 BK-Badura, Art. 38 Rn. 50. 4 9 4 C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 167. 4 9 5 C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 167. 4 9 0

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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dem Begriff der Gewissensentscheidung bewirkt werden soll. 4 9 6 Diese müssen Bestandteil der Gewissensentscheidung nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG bleiben, weil das Gewissen als Ausprägung einer vorrechtlichen Moral das einzig mögliche Korrektiv bei der Bildung einer inneren Überzeugung ist. 4 9 7 bb) Die Einbeziehung von Loyalitätserwartungen und Vorverständnis Weil das Grundgesetz anerkennt, daß die sachgerechte Lösung komplexer gesellschaftlicher Probleme ein hohes Maß an Sachverstand erfordert, der sich auf verschiedenste Bereiche des Parlaments verteilt, vergattert es die staatlichen Handlungsträger nicht dazu, als "letzte einsame Helden individueller Freiheit" 498 den untauglichen Versuch zu unternehmen, allein aus eigener Weisheit heraus getroffene Entscheidungen im Alleingang durchzusetzen. 499 Es setzt im Gegenteil darauf, daß sich der Sachverstand der staatlichen Handlungsträger ergänzt und sich im Zusammenwirken der Repräsentanten umfassend entfaltet. Auch erwartet das Grundgesetz nicht, daß der Abgeordnete bei seiner Entscheidung Loyalitätserwartungen, etwa seiner Partei oder anderer Gruppen, aus seiner Entscheidung eliminiert 500 und seine Voreingenommenheit ausblendet.501 Dies ergibt sich nicht nur bereits aus der Erkenntnis, daß es sich beim Vorverständnis um ein ontologisches und damit zu akzeptierendes Phänomen handelt, sondern es erklärt sich auch daraus, daß am Ende eines Abwägungsprozesses die Erkenntnis stehen kann, daß ein Votieren mit der Fraktionsmehrheit der in-neren Überzeugung entspricht. Diese kann auf der Anerkennung eines Expertenurteils beruhen, oder sich aus der Erkenntnis gebildet haben, daß eine Anpassung der Einzelentscheidung an

4 9 6 Zumindest mißverständlich daher BK-Badura, Art. 38 Rn. 50; C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 167. Die Gegenposition findet sich bei H.H. Klein, der das Gewissen in allen Entscheidungen als alleinige Richtschnur des Handelns der Parlamentarier begreift: HStR, II, § 41 Rn. 3; ders., ZParl 1983,402 (405). 4 9 7 So ausdrücklich auch: E.-V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (53), der das Gewissen als unentbehrliche Unterstützung des Amtsethos des Abegeordenten auffaßt; ähnlich J. Isensee, der von einer ethischen Determination der Macht durch das gewissensbestimmte Amt ausgeht: HStR, V, § 115 Rn. 121. In diesem Sinne auch, K. Kremer, Der Abgeordnete, S. 71 f. Siehe hierzu eingehend u. S. 204 f. 4 9 8 F. Hase, ZRP 1984, 86 (89). 4 9 9 Ähnlich C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 159. 5 0 0 Siehe dazu H. Sendler, NJW 1985, 1425 (1425 f.). 501 Siehe zur positiven Funktion des Vorverständnisses nur H. Schiedermair, Annales Bd. 104 (1982), S. 15(18).

202

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

einen übergeordneten Zusammenhang erforderlich und nach Abwägung der Vor- und Nachteile überzeugend ist. 5 0 2 3. Fazit zum Mandatsverständnis

des Grundgesetzes

Das Mandatsverständnis des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verlangt von den Abgeordneten eine Entscheidung, die der inneren Überzeugung ihrer Richtigkeit und Sachgerechtigkeit entspricht. Sie soll auf einem von Rationalität geprägten Abwägungsprozeß beruhen. Der Einfluß des Gewissens, begriffen als vorrechtliche, moralische Instanz, ist dem nicht fremd, sondern in den Prozeß der Entscheidungsfindung integriert und als ethisches Korrektiv bei der Herausbildung der Überzeugung erforderlich.

IV. Die ethische Legitimation des grundgesetzlichen Mandatsverständnisses Unter der Voraussetzung, daß eine Entscheidung staatlicher Handlungsträger den Anforderungen der formalen Legitimation gerecht wird, sanktioniert die Unabhängigkeit, die Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG dem freien Mandat zuweist, daß die Bürger sich die Mehrheitsentscheidung weniger staatlicher Entscheidungsträger zurechnen lassen können. Diese Entscheidung der Verfassung ist durch den Sachzwang vorgegeben, daß sich Gemeinwesen, sobald sie eine bestimmte Größenordnung erreicht haben, nur noch im Wege der repräsentativen Demokratie organisieren lassen. 503 /. Die legitimierende

Funktion der Gemeinwohlbindung aller Staatsgewalt

Gleichwohl bedürfen die Entscheidungen der staatlichen Handlungsträger auch in der mittelbaren Demokratie einer inhaltlichen Legitimation, die ein Mehr zur bloßen Legalität der Entscheidung bedeuten muß. 5 0 4 Weil sich in einer mittelbaren Demokratie - anders als in einer unmittelbaren - die Legitimation einer staatlichen Entscheidung nicht direkt aus einer Mehrheitsentscheidung des gesamten Volkes, sondern aus der Mehrheitsentscheidung der gewählten Repräsentanten ergibt, bedarf die Gewaltausübung der staatlichen Entscheidungsträger in der repräsentativen Demokratie einer besonderen 5 0 2 5 0 3 5 0 4

Siehe hierzu C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 167. Siehe dazu C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 75 ff. Siehe zu dieser Terminologie H.H. Klein, Carstens-FS., S. 645 (649 ff.).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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ethischen Rechtfertigung, die außerhalb des Bereiches der Staatsgewalt angesiedelt sein muß. Diese besondere Legitimation für die Herrschaftsausübung findet sich nach der Konzeption des Grundgesetzes in der Gemeinwohlbindung aller Staatsgewalt.505 2. Die Sicherung der Gemeinwohlbindung durch das Amtsprinzip Wie gesehen, wird die inhaltliche Legitimation einer staatlichen Entscheidung durch die unausweichliche Gemeinwohlbindung aller Staatsgewalt begründet. Freilich kann die Verfassung aber nur in der Theorie davon ausgehen, daß alle von den staatlichen Handlungsträgern getroffenen Entscheidungen das allgemeine Interesse verwirklichen und damit das Postulat des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG erfüllt wird. Dies sieht das Grundgesetz und sichert daher die Einhaltung der Gemeinwohlbindung ab. Es bedient sich hierzu der Konstruktion des Amtes. Dieses bildet einen begrenzten Kreis staatlicher Befugnisse, die ihrem Inhaber als Sachwalter der Allgemeinheit treuhänderisch überantwortet sind. Es übernimmt die Funktion, staatliche Macht in Verantwortung zu katalysieren. 506 Über das Prinzip des Amtes bereitet das Grundgesetz die Staatsorganisation dahin auf, den Bürgern gegenüber Pflichten zu übernehmen und fremdnützige Dienste zu erbringen. Es fordert hierzu die ausschließliche Orientierung der Amtsträger am Wohl der Allgemeinheit. Diese Gemeinwohlbindung verlangt die Wahrung einer Distanz zu Partikularinteressen. 507 Die damit angesprochene Definition des Amtes korreliert zwar dem Prototyp des Beamten, dessen Auftrag klar nach Vorgaben von Recht und Gesetz bestimmt ist. 5 0 8 Sie gilt aber letztlich auch für die Abgeordneten des deutschen Bundestages,509 die, wie das Grundgesetz in Art. 48 Abs. 2 GG ausdrücklich festlegt, ein Amt wahrnehmen. Dieses enthält den Auftrag, die parlamentarischen Aufgaben im Dienst der Allgemeinheit in persönlicher Verantwortung zu erfüllen. 510 Weil die parlamentarische Arbeit in der politischen Auseinandersetzung und Einigung liegt, die zumindest hinsichtlich ihrer Zielsetzung nicht 50 5 J. Isensee, HStR. III, § 57 Rn. 8. Siehe zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Gemeinwohlbindung in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG: H.H. Klein, Forsthoff-FS., S. 165 (168). 5 0 6 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 10, siehe dens., HStR, V, § 115 Rn. 21. 50 7 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 10. 5 0 8 Siehe grundlegend zum Amtsprinzp: W. Hennis , Smend-FG, 51 (51 ff); W. Henke, Recht und Staat, S. 387 ff. 5 0 9 Siehe zum Amt der Abgeordneten BVerfGE 40, 296 (216); 56, 396 (405); E.W. Böckenförde, HStR II, § 30 Rn. 19; H.H. Klein, HStR, II, § 41 Rn. 1; BK-Henke, Art. 21, Rn. 79 ff.; ders., DVB1. 1973, 553 (558 ff.); Abwägend J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 101. 5 1 0 In diesem Sinne: J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 101.

204

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

von vornherein rechtlich determiniert ist 5 1 1 , und der Dienst des Abgeordneten nicht im eigentlichen Sinne von Rechts wegen geschuldet wird 5 1 2 , wurde die Übertragung des Amtsprinzips auf die Abgeordneten vereinzelt in Frage gestellt. 513 Dies übersieht jedoch, daß das Amt keineswegs einer derartigen, aufgrund des freien Mandats unter der Geltung des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG schwer begründbaren, rechtlichen Verpflichtung bedarf, sondern daß sein Wesen vielmehr in einer ethischen Verpflichtung der Amtsträger in Parlament und Regierung liegt. 3. Die ethische Verpflichtung

der Repräsentanten

Die Amtspflicht der Abgeordneten liegt jedoch nicht in einer rechtlichen, sondern in einer ethisch verpflichtenden Wirkung. Während die Amtspflichten für die fachlichen Vollzugsämter in den Bereichen der Verwaltung und Gerichtsbarkeit - freilich ohne aufzuhören, auch amtsethische Pflichten zu sein weitgehend verrechtlicht und dienstrechtlich sanktioniert sind, haben die Amtspflichten der staatlichen Handlungsträger in den Reihen der politischen Leitungsorgane zur Herbeiführung des Gemeinwohls primär ethischen Charakter. 5 1 4 Damit kann das Amt die Überführung staatlicher Macht in persönliche Verantwortung zwar rechtlich definieren, aber nicht rechtlich determinieren. Determinieren kann es diese Überführung von Macht in Verantwortung nur ethisch. 515 Während das öffentliche Dienstrecht der in der Personalunion des Einzelnen als Amts- und Grundrechtsträger angelegten Inkompatibilität 516 Rechnung tragen und durch dienstrechtliche Sanktionen versuchen kann, hiergegen anzugehen517, ist eine derartige Möglichkeit bei den Abgeordneten auf-

51 1

J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 101. BVerfGE 40, 296 (316). 5 1 3 Zweifelnd etwa M. Schröder, Grundlagen des Anwendungsbereichs des Parlamentsrechts (1979), S. 142 ff., 280 ff. Auch in der führenden Kommentierung zur Weimarer Reichsverfassung zu Art. 21 WRV, der als Vorläufer des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG die Gewissensunterworfenheit des Abgeordneten normierte, findet sich der Satz: "Der Abgeordnete ist nicht bloß ethisch sondern rechtlich verpflichtet, bei Ausübung seines parlamentarischen Berufes nach bestem Wissen und Gewissen unter eigener Verantwortung... " zu entscheiden; G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, (1933), S. 182. Eine Aussage über die Beschaffenheit dieser rechtlichen Bindung findet sich dort allerdings nicht. Siehe hierzu insgesamt eingehend E.- V. Heyen, Der Staat, 25 (1986), 35 (49 ff.). 5 1 4 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 103. 5 1 5 Siehe hierzu J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 121. 5 1 6 Siehe zur Unvereinbarkeit des subjektiven Prinzips der grundrechtlichen Freiheit mit dem objektiven Prinzip des demokratischen Amtes nur W. Losc helder, Sonderbindung, S. 247 ff. 51 7 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 123. 5 1 2

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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grund des freien Mandats nicht möglich und dementsprechend nicht vorgesehen. Das Grundgesetz verzichtet bei den Abgeordneten gerade wegen des Fehlens einer rechtlich wirkenden Indienstnahme sogar grundsätzlich auf eine Vereidigung. Ausnahmen macht es gemäß Art. 56 Abs. 1 GG beim Bundespräsidenten und gemäß Art. 64 Abs. 2 GG bei den Mitgliedern der Bundesregierung.518 Die nur ethisch determinierte Gemeinwohlverpflichtung der Amtsträger in Parlament und Regierung verdeutlicht, daß der Staat des Grundgesetzes letztlich von der vorrechtlichen Instanz der politischen Moral abhängt 519 . Die Verfassung gibt damit zu erkennen, daß sie bezüglich einer gemeinwohlorientierten Amtsführung auf das Verständnis der Repräsentanten vertraut. 520 Dies bedeutet freilich nicht, daß die Verfassung nicht zugleich von den Amtsträgern verlangt, eine verfassungsgemäße Entscheidung zu treffen. Ob die Inhaber politischer Führungsämter in Parlament und Regierung dieses Amtsethos des Gemeinwohls auch tatsächlich wahrnehmen, beschreibt letztlich eine bloße Erwartungshaltung der Verfassung gegenüber den staatlichen Entscheidungsträgern. 521 4. Verfassungserwartungen

und Verfassungsvoraussetzungen

Ungeachtet der Tatsache, daß der Topos der Verfassungserwartung 522 außerhalb des grundgesetzlichen Normbereichs liegt, handelt es sich hierbei um eine verfassungsdogmatische Kategorie 523 . Unter Berücksichtigung seiner Eigenschaft als vorrechtliche Voraussetzung des Rechtsstaates, wurde er als wichtiges Thema der Staatsrechtslehre 524 bezeichnet. Diese Anerkennung der Verfassungserwartung als Bestandteil der Verfassungsdogmatik trägt der 5 1 8 J. Isensee weist darauf hin, daß die Amtseidvorschriften für die Mitglieder der Bundesregierung und den Bundespräsidenten das umfassende Gemeinwohlprogramm des Grundgesetzes enthalten und die Verfassung hierin den Bereich des Rechts schlechthin transzendiert und auf ihre ethischen Voraussetzungen verweist: J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 102. 5 1 9 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 68. 5 2 0 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 68. 52 1 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 257. 5 2 2 Siehe mit dieser Terminologie erstmals H. Krüger, Scheuner-FS, (1973), S. 285 (285 ff.). Aus jüngerer Zeit hierzu eingehend: J. Isensee, HStR, V, § 115: Grundrechtsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen an die Grundrechtsausübung. 52 3 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 6 ff. 5 2 4 Siehe dazu E.W. Böckenförde, HStR, I, § 22 Rn. 74 ff. Neben den "ethischen Voraussetzungen" nennt dieser weiterhin "sozio-kulturelle" a.a.O., Rn. 59 ff. und "politischstrukturelle" Voraussetzungen a.a.O. Rn. 69 ff. Allgemein zu den Voraussetzungen von Demokratie, a.a.O. Rn. 58; J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 23.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Erkenntnis Rechnung, daß die freiheitliche Verfassung auf der Voraussetzung gründet, daß die Gesellschaft das in der Verfassung bereitgehaltene Gemeinwohlpotential auch tatsächlich verwirklicht. 525 Sie muß die Aktivität und das Ethos entwickeln, deren das Gemeinwohl bedarf. 526 Dies gilt zunächst für das Volk als Ganzes. In der repräsentativen Demokratie muß dies aber insbesondere für die mit der Befugnis zur Machtausübung betrauten Repräsentanten gelten, weil die Sorge für das Schicksal der repräsentativen Demokratie unmittelbar in deren Hände gelegt ist. Dies führt aber zugleich zu der Erkenntnis, daß die Gemeinwohlorientierung der staatlichen Gewalt von dem Verständnis abhängt, das die Amtsträger in Regierung und Parlament ihrer Amtsausübung beimessen. Dies steht zum einen für die nur begrenzte Möglichkeit des Staates zur Hervorbringung einer mangelnden Gemeinwohlbindung der staatlichen Handlungsträger. Zum anderen zeigt es, wie stark der Verfassungsstaat von der vorrechtlichen Kategorie des Amtsethos 527 der Regierenden und damit von deren politischer Moral abhängt. 528 Dieses Ethos bestimmt nicht bloß das Geschick der Repräsentation. Es stellt insbesondere eine Verfassungserwartung für deren Gelingen dar. 5 2 9 a) Das Amtsethos der Gemeinwohlorientierung als Verfassungserwartung Abstrakt läßt sich der Inhalt des demokratischen Amtsethos dahingehend fassen, daß es, neben dem Anspruch zwischen rivalisierenden Gruppeninteressen, unparteiliche und gerechte Lösungen herbeizuführen, insbesondere den Anspruch auf Wahrung der Gesetze und des Gemeininteresses enthält. 530 Damit wird das Gemeinwohlethos der Repräsentanten durch deren Amt verkörpert. 531 Weil es nicht durch dienstrechtliche Normen unternetzt ist, handelt es sich bei den Amtspflichten um "genuin ethische Gebote" 532 , deren Einhaltung die Verfassung erwartet.

52 5

J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 86. E.W. Böckenförde, HStR, I, § 22 Rn. 74 ff., 78 ff.; J. Isensee, DÖV 1982, 609 (614 ff.). 5 2 7 Begriff von E.-V. Heyen, DÖV 1985, 772 (774). Siehe zur Bedeutung des Ethos für die Existenz des Parteienstaates: P. M. Huber, JZ 1994, 689 (695 f.). 52 8 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 68. 5 2 9 Siehe dazu eingehend E.-V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (51 f.), der insbesondere auf die grundsätzlich auch praktische Wirkungskraft des Ethos hinweist; a.a.O., S. 53 f. Hierzu auch E.W. Böckenförde, der vom Ethos als einer Voraussetzung der Demokratie spricht, HStR, I, § 22, Rn. 74 ff. 5 3 0 M. Kriele, Staatslehre, S. 295. 53 1 J. Isensee, HStR, III, $ 57 Rn. 64. 5 3 2 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 66. 5 2 6

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b) Die Gemeinwohlorientierung aller Staatsgewalt als Voraussetzung der repräsentativen Demokratie Die gemeinwohlorientierte Amtsführung, die die Verfassung von den staatlichen Entscheidungsträgern erwartet, ist zugleich eine Voraussetzung für das Gelingen der repräsentativen Demokratie und damit eine Voraussetzung der demokratischen Verfassung insgesamt.533 Dies erklärt sich daraus, daß die Gesamtheit der formal verfassungsmäßig zustandegekommenen demokratischen Entscheidungen - wenn sie auf Dauer angenommen werden und die erforderliche Identifikation von Repräsentanten und Repräsentierten bewirken sollen von ihrer Orientierung an der Idee des Gemeinwohls abhängen.534 Entscheidend auch für die inhaltliche Legitimation staatlicher Entscheidungen ist damit letztlich, daß die Regierten die Entscheidungen der staatlichen Handlungsträger als gemeinnützig anerkennen. Tun sie dies nicht, sondern entsteht statt dessen der Eindruck, die Entscheidungen der Repräsentanten erfolgten zur Durchsetzung von Partikularinteressen, dann wird nicht nur die ethische Legitimation der demokratischen Entscheidung in Zweifel gezogen. 535 In diesem Fall wird zugleich die Identifikation von Regierten und Regierenden unmöglich sein. Weil mit dem Fehlen von Identifikation zugleich eine Voraussetzung inhaltlicher Repräsentation entfällt, steht die repräsentative Demokratie in diesem Fall insgesamt vor einer heiklen Bewährungsprobe. 536 c) Fazit Da das freie Mandat keine rechtliche Bindung der Abgeordneten an Weisungen kennt, 537 ist es ein Gebot der politischen Klugheit und Verfassungsethik, daß die staatlichen Entscheidungsträger sich auch tatsächlich um das Gelingen der Rechtfertigung ihrer Machtausübung bemühen. 538 Auf diese Weise können sie es zum einen erreichen, die Erwartung der Verfassung in Hinblick auf das Gelingen der Repräsentation zu erfüllen. Zum anderen schaffen sie hierdurch die Voraussetzungen für das Entstehen der Funktionsfähigkeit der 5 3 3 Zur Ontologie dieser Wechselseitigkeit: H. Krüger, Scheuner-FS, (1973), S. 285 (286): "Das hier 'Verfassungserwartung' genannte Phänomen ist von der 'Verfassungsvoraussetzung' nicht scharf zu unterscheiden: Was vorausgesetzt wird, wird auch erwartet, und umgekehrt." 5 3 4 /. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 94. 5 3 5 Siehe dazu o. S. 192 ff. 5 3 6 Siehe mit ebendieser Einschätzung in Bezug auf die Parteien namentlich das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 85, 264 (290 a.E.). 53 7 BK-Badura, Ait. 38 Rn. 32 f. 53 8 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 94.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

repräsentativen Demokratie. Insofern vertraut die Verfassung darauf, daß der Überzeugung der Repräsentanten das stete und erfolgreiche Bemühen erwächst, im Rahmen ihres Mandats den "inhaltlichen, demokratie-ethischen Anspruch" zu verwirklichen, der ihr Handeln als Staatsorgane legitimiert 539 und der die für die Repräsentation erforderliche Identifikation zwischen ihnen und den Regierten herstellt, die deren Bereitschaft zur freiwilligen Gefolgschaft begründet und daher eine unabdingbare Voraussetzung für die Existenz des Staates ist. 5 4 0 Es liegt auf der Hand, daß dieses "system of trusts" 541 in Kalamitäten gerät, wenn die politische Klugheit und Verfassungsethik versagt und die "Spezialisten des Gemeinwohls"542 ihre Chance verspielen und das Vertrauen der Verfassung mißbrauchen, indem sie beginnen, Partikularinteressen nachzugehen. Darauf, daß der Eigennutz, der sich im Rahmen der privaten Grundrechtsausübung eines Amtsinhabers legitim entfalten kann, nicht auf dessen Amtsführung übergreift, kann der Verfassungsstaat nur vertrauen. 543 Hierbei nimmt er notwendig die Gefahr in Kauf, daß die intermediären Gewalten die Staatsfunktionen für ihre Belange mißbrauchen. Er "leistet (dagegen) in der gewaltenteiligen Staatsorganisation mit Hilfe des Prinzips des Amtes Widerstand." 544

B. Der Ansatz des Senats zur Herstellung der Gemeinwohlbindung und dessen Umsetzung im Rahmen des sechsten Änderungsgesetzes zum Parteiengesetz von 1994 Daß das Wohl des Staates wesentlich vom Grad der Gemeinwohlorientierung der staatlichen Entscheidungsträger bestimmt ist, sieht auch das Bundesverfassungsgericht sehr deutlich. Im Rahmen der Entscheidung vom 9. April 1992 kommt der Senat seinem Auftrag zur Hervorbringung des Gemeinwohls mit Hilfe der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption nach, die es im Wege einer Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit entwickelt. Von diesem Modell verspricht sich das Gericht, die Parteien 545 zu einem nach seiner Einschätzung gemeinwohlorientierten, oder zumindest gemeinwohlverträglichen 5 3 9

Siehe dazu E.W. Böckenförde,

HStR, II, § 30 Rn. 20; ferner J. Isensee, HStR, III, § 57

Rn. 95. 5 4 0

C. Wefelmeier, Repräsentation, S. 79 f. O. Kimminich, DÖV 1983, 217 (219). 5 4 2 H.H. Klein, Helmrich-FS., S. 255 (258). 5 4 3 Siehe hierzu J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 122 f. 5 4 4 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 93. 5 4 5 Unmittelbar kann sich diese Verpflichtung freilich nur an die staatlichen Entscheidungsträger richten.Siehe dazu, o. S. 108 ff. 54 1

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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Zugriff auf öffentliche Mittel zu bewegen. Diese Entscheidung ist das Resultat einer Auseinandersetzung des Senats mit dem Phänomen des Ausbleibens der Identifikation von Regierenden und Regierten und den hieraus erwachsenden Konsequenzen. Das Gericht spricht die Befürchtung aus, daß aufgrund der Finanzierungspraxis der Parteien bei den Bürgern der Eindruck einer Selbstbedienungsmentalität der Parteien entstehen kann. Dies würde für den Senat notwendig ein Eskalieren der Parteienverdrossenheit nach sich ziehen und soll letztlich eine Funktionsbeeinträchtigung der Parteien bewirken. 546 Die Ursache der durch diese Funktionsbeeinträchtigung hervorgerufenen Krisensituation liegt damit für das Gericht in der Abkehr der in Parteien organisierten staatlichen Entscheidungsträger vom Gemeinwohl begründet. Daß das Gericht diesen Eigennutz den Parteien vorwirft und die Ursache der befürchteten Krise dort sucht, ist angesichts der Entwicklung der Bundesrepublik zum Parteienstaat einleuchtend. Die intermediären Gewalten mit der Macht zum Mißbrauch der Staatsfunktionen sind in der Wirklichkeit der Bundesrepublik eben insbesondere die Parteien.547 Der Senat erkennt insofern zutreffend die durch den eskalierenden Ansehensverlust der Parteien indizierte Gefahr, die der repräsentativen Demokratie mit dem Wegfall der Gemeinwohlbindung als Verfassungsvoraussetzung droht. Wird eine Verfassungserwartung, hier die Hervorbringung der Gemeinwohlorientierung der in Parteien organisierten staatlichen Entscheidungsträger enttäuscht, dann ist notwendig der Staat gefordert, mit seinen Mitteln den Erfordernissen des Gemeinwohls genüge zu tun, weil er diesem unentrinnbar verpflichtet ist. 5 4 8 Auch dies erkennt das Gericht und wählt die konkrete absolute Obergrenze als sein Mittel zur Hervorbringung des Gemeinwohls. Indessen sind die Mittel, die dem Gericht zur Verfügung stehen, "um die Erfüllung (von Verfassungserwartungen) zu erzwingen oder die Nichterfüllung aus eigenen Mitteln zu kompensieren" 549, verfassungsnotwendig begrenzt. 550 Bevor darauf einzugehen ist, welche Mittel die Verfassung dem Bundesverfassungsgericht zur Hervorbringung des Gemeinwohls zur Verfügung stellt, soll untersucht

5 4 6

BVerfGE 85, 264 (290 a.E.). So J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 93. Von daher wäre ein Ansetzen beim einzelnen Repräsentanten zwar dogmatisch richtig, angesichts der Verfassungswirklichkeit aber untauglich gewesen. 54 8 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 186. 5 4 9 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 262. 5 5 0 P. Kirchhof, HStR, III, § 59 Rn. 1 f. Siehe dazu auch J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 78 ff.; 156 ff. 5 4 7

14 Schwartmann

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

werden, ob der Ansatz des Gerichts zur Hervorbringung von Gemeinwohlorientierung der Repräsentanten und gelungener Repräsentation gefruchtet hat.

I. Die Ziele der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption Der Senat verfolgt mit seinem Teilallgemeinfinanzierungsmodell, dessen tragendes Element die konkrete absolute Obergrenze ist 5 5 1 , kurzfristig das Ziel, den als übergebührlich empfundenen Zugriff auf öffentliche Mittel zu stoppen. Hierzu legt es die Höhe der zuwendbaren Mittel konkret auf D M 230 Mio. fest 5 5 2 und koppelt deren Zuwendung an den Erfolg der Parteien. 553 Langfristig zielt das Gericht mit seiner Konzeption darauf ab, einer Ansehensverminderung der Parteien entgegenzuwirken, die nach seiner Einschätzung zu einer Funktionsbeeinträchtigung der Parteien und damit zwangsläufig auch zu einer Funktionsstörung der Parteiendemokratie führt. Letzteres Ziel wird man angesichts der Konsequenzen seiner Nichterreichung als das vordringlichere auffassen müssen.

I I . Das Erreichen des kurzfristigen Zieles Zu untersuchen gilt es zunächst, ob der Senat mit seinem Ansatz sein primäres Ziel, nämlich den Zugriff auf öffentliche Mittel zu stoppen und durch erfolgsgebundene Teilallgemeinfinanzierung zu lenken, erreicht hat. Dies läßt sich nach einem Blick auf die Umsetzung des Urteils durch den Gesetzgeber beurteilen, der mit dem sechsten Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 28.01.1994 554 der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts zur Anpassung der Parteienfinanzierungsvorschriften nachkam. Der Neufassung des Parteiengesetzes, auf die sich die im 12. Bundestag vertretenen Fraktionen - mit Ausnahme der Gruppe "Bündnis 90/Die Grünen" 555 am 11.11.1993 geeinigt hatten, war am 18.10.1993 eine Sachverständigenanhörung vor dem Innenausschuß des Bundestages vorausgegangen, in der neben den Schatzmeistern der Parteien Politik- und Rechtswissenschaftler als Sachverständige eingeladen waren. In der Sitzung 551

Siehe dazu o. S. 120 f. Mit dieser Deutung auch H. Sendler, Anhörung 1993, S. 13: "Das Gericht war ersichtlich bestrebt, die ständige Steigerung der staatlichen Parteienfinanzierung zu stoppen, und hat deswegen die absolute Obergrenze festgelegt." 5 5 3 Siehe dazu o. S. 40. 5 5 4 BGBl. 1994, Teil I, 142. 5 5 5 Siehe den eigenen Antrag zur "Förderung der Selbstbeschränkung der Parteien durch eine transparente Neuregelung der staatlichen Parteienfinanzierung." BT. Drucks. 12/5777. 5 5 2

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

211

des Innenausschusses, in der die Professoren H.H. von Arnim, P. Badura, J. Ipsen, C. Landfried, H.-O. Mühleisen, K.-H. Nassmacher, W. Rudzio, H. Sendler und H. Steinberger anwesend waren, ging es um die Frage der verfassungsgerechten Umsetzung der bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben durch den von den Schatzmeistern der Fraktionen CDU/CSU, SPD und F.D.P. vorgelegten Gesetzesentwurf zur Neuordnung der Parteienfinanzierung. 556 Von besonderem Interesse war hierbei ein Vergleich der geplanten Neuregelung mit den Empfehlungen der vom Bundespräsidenten nach der Parteienfinanzierungsentscheidung vom April 1992 bestellten Sachverständigenkommission. Diese hatte R. v.Weizsäcker - wie bereits sein Vorgänger K. Carstens 1983 557 und 1957558 der Bundesinnenminister Schröder - im Jahr 1992 einberufen. Die Kommission hatte den Auftrag, Empfehlungen zu der Frage zu "unterbreiten, wie die Parteienfinanzierung unter Beachtung des grundgesetzlichen Auftrags der Parteien und unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 1992 neu geregelt werden soll" 559 . Der Kommission gehörten, neben dem Vorsitzenden H. Sendler, E. Breit, W. Kartte, S. Mann sowie die Staatsrechtslehrer H.H. von Arnim, H.-P. Schneider und K. Stem an. Sie war damit mit ausgewiesen Fachleuten sowie mit Repräsentanten wichtiger gesellschaftlicher Bereiche besetzt und begann ihre Arbeit am 03.09.1992. Ihr 190 Seiten starker Bericht 560 lag am 17.02.1993 vor. Neben der Kommission zur Parteienfinanzierung existierten zwei weitere Gremien, die sich mit dem Problem der Politikfinanzierung beschäftigten. Es handelte sich dabei um die von der Bundesregierung einberufene Kommission zu den Partei vermögen sowie um die von der Bundestagspräsidentin bestellte Kommission zum Abgeordnetenrecht. Das Parteiengesetz in seiner Fassung vom 31.01.1994 561 wurde nach der Gegenzeichnung des Bundespräsidenten gemäß Art. 82 Abs. 1 GG, die aufgrund einer materiellen verfassungsrechtlichen Prüfung verzögert worden war, am 04.02.1994 verkündet und trat entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 8 des sechsten Änderungsgesetzes rückwirkend zum 01.01.1994 in Kraft. Unabhängig von der Frage eines materiellen Prüfungsrechts des Bundespräsidenten läßt die letztendlich nicht verweigerte Ausfertigung des Gesetzes darauf schließen, daß im Falle des Parteiengesetzes zwar verfassungsrechtliche Bedenken des Bundespräsidenten an der Neuregelung bestanden haben, aber kein Fall eines offenkundigen oder zweifelsfreien Verfassungsverstoßes gesehen wurde. Dieser hätte nämlich nach der Pra5 5 6 Siehe den Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.: BT. Drucks. 12/5774. 5 5 7 Bericht 1983. Siehe hierzu bereits o. S. 47 f. 5 5 8 Bericht 1957. Siehe hierzu bereits o., S. 47 Fn. 138. 5 5 9 Vgl.: Bericht 1993, S. 2. 5 6 0 Siehe hierzu H. Düselder/M. Rieken/A. Rommeie, ZParl 1993, 179 (179 ff.); H.H. v.Arnim, Bitburger Gespräche 1993, S. 73 (79 ff.). 561 BGBl. 1994, Teil I, 149.

1*

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3. Teil : Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

xis der Bundespräsidenten eine Verweigerung der Ausfertigung des Gesetzes nach sich ziehen müssen.562 Die Neuregelungen lösen zunächst in verschiedener Hinsicht Zweifel an dem Erreichen des kurzfristigen Ziels - nämlich den Zugriff der Parteien auf staatliche Mittel auf D M 230 Mio. zu begrenzen - aus. 7. Das Unterlaufen

der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption

Ein Blick auf das geänderte Parteiengesetz563 verdeutlicht, daß die Vorgaben des neu geschaffenen Grundsatzes der Staatsfreiheit sowohl hinsichtlich des Umfangsbegrenzungsaspekts als auch hinsichtlich des Aspekts der verfassungsgerechten Art und Weise der Mittelzuwendung unterlaufen wurden. a) Die Umfangsbegrenzung Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, daß der auf einer mangelnden Identifikation beruhenden Parteienverdrossenheit durch die absolute Begrenzung des Zugriffs auf staatliche Mittel entgegengewirkt werden kann. Insofern lebt die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption von der strikten Einhaltung der konkreten absoluten Obergrenze. Folgerichtig war es Intention des Urteils, der staatlichen Parteienfinanzierung eine konkrete und als bindend konzipierte Höchstgrenze zu ziehen. 564 Das neu geschaffene Parteiengesetz läßt entgegen dieser Vorgabe die Möglichkeit zur Überschreitung der absoluten Obergrenze offen und sanktioniert für die Jahre 1994 und 1995 eine Ausschüttung von D M 245,1 Mio. Der Gesetzgeber bedient sich hierzu einer auf den ersten Blick nicht transparenten Regelungstechnik: Zwar legt § 18 Abs. 2 PartG (1994) fest, daß das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien ausgezahlt werden darf, 230 Millionen D M beträgt und schreibt in § 18 Abs. 6 PartG 5 6 2 Siehe dazu H. Hofmann, NJW 1994, 691 (696); dens., DÖV 1994, 504 (514). Zum Selbstverständnis der Bundespräsidenten bei der Wahrnehmung des materiellen Prüfungsrechts und dem Erfordernis eines offenkundigen und zweifelsfreien Verfassungsverstoßes, K. Schiaich, HStR, II, § 49, Fn. 85. 5 6 3 Überblick bei H Hofmann, NJW 1994, 691 (692 f.; 693 ff.) Eine Kurzvorstellung bietet B. Schulz, ZR? 1994, 122(122). 5 6 4 Siehe hierzu im einzelnen o. S. 105 ff. Zudem insbesondere den Berichterstatter H.H. Klein im Anwortschreiben auf die Anfrage des Parteienfinanzierungsreferats auf Bl. 749 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte: "Die Festlegung der "absoluten Obergrenze" auf S. 34 f. des Urteils vom 9. April 1992 ist genau zu nehmen. Dem Gesetzgeber bleibt allenfalls ein eng bemessener Gestaltungsspielraum. Eine Überschreitung des an der genannten Stelle gesetzten Rahmens kann nur bei Eintreten außerordentlicher Umstände ("einschneidende Veränderung der Verhältnisse") in Betracht kommen."

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

213

(1994) eine Kappung von Überschüssen vor. Diese Kappungsgrenze gilt aber nicht in jedem Fall. § 39 Abs. 1 Nr. 7 PartG (1994) sieht nämlich vor, daß Abschluß- und Chancenausgleichszahlungen nicht auf die absolute Obergrenze angerechnet werden. Daher können diese Zahlungen über den Absolutplafond hinaus ausgeschüttet werden. Diese Regelung wirkt sich folgendermaßen aus: In Übereinstimmung mit dem Urteil 5 6 5 ist der Chancenausgleich gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 2 PartG (1994) letztmalig für das Jahr 1993 durchzuführen. Dementsprechend wurde für die noch auskehrbaren Chancenausgleichszahlungen ein jährlicher Mittelwert in Höhe von rund D M 25,1 Mio. ermittelt, der bei Berechnung der Grenze auf D M 230 Mio. berücksichtigt wurde. 566 Weil aber - in Übereinstimmung mit dem Urteil - gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 PartG (1994) vorgesehen ist, den Parteien in den Jahren 1994 und 1995 den Chancenausgleich für die Jahre 1992 und 1993 auszuzahlen, ist es möglich, den Parteien den bereits in die absolute Obergrenze eingegangenen Betrag von D M 25,1 Mio. pro Jahr in den Jahren 1994 und 1995 über die absolute Obergrenze hinaus auszuzahlen und damit ein zweites Mal in Anschlag zu bringen. Damit wäre die absolute Obergrenze in den Jahren 1994 und 1995 um D M 50,2 Mio. überschritten. Voraussetzung einer Überschreitung der absoluten Obergrenze ist es aber, daß die Parteien Überschüsse erzielen, die der Kappungsgrenze des § 18 Abs. 6 PartG (1994) entzogen werden können. Dies wird durch § 18 Abs. 3 PartG (1994) sichergestellt. Hiernach erhalten die Parteien eine Deutsche Mark für jede auf sie entfallene Stimme (Nr. 1 und 2) und gemäß Nr. 3 fünfzig Pfennig für jede rechtmäßig eingeworbene Spenden- oder Beitragsmark. Der Vorsitzende der Expertenkommission von 1993 H. Sendler hat errechnet, daß diese Einsatzbeträge bei etwa gleichbleibender Wahlbeteiligung und etwa gleichbleibendem Spenden- und Beitragsaufkommen eine Überschreitung der DM 230 Mio.Grenze um fast DM 170 Mio. bewirken. 567 Das hierdurch geschaffene Polster garantiert den Parteien, daß die tatsächliche Möglichkeit zur Ausschüttung der für 1994 und 1995 anfallenden D M 50,2 Mio. gesichert ist. In den Jahren 1994 und 1995 erhalten die Parteien damit nicht - wie in § 18 Abs. 2 PartG (1994) vorgeschrieben - D M 230 Mio., sondern tatsächlich D M 245,1 Mio. Der Zugriff auf öffentliche Mittel konnte also

565 BVerfGE 85, 264 (327). Hiernach dürfen die den Chancenausgleich betreffenden Regeln bis zum Ablauf der Übergangsfrist zum Jahresende 1993 weiter angewendet werden. 5 6 6 Siehe die Tabelle 21 zur Berechnung der absoluten Obergrenze im Anhang an Bericht 93. 56 7 H. Sendler, Anhörung 1993 S. 147 f.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

durch die konkrete Festlegung der absoluten Obergrenze nicht auf 230 Millionen D M begrenzt werden. 568 b) Die Art und Weise der Mittelerbringung Schwerer als die Überschreitung der absoluten Obergrenze wiegt ein anderer Aspekt des § 18 Abs. 3 PartG (1994). aa) Die Egalisierung des Verankerungsgebots durch die Wahl der Einsatzbeträge in § 18 Abs. 3 PartG (1994) Unter Zugrundelegung der Parametertrias D M 1,00 - 0,50 - 0,50 wird nicht bloß das erwähnte Polster von annährend D M 170 Mio. Überschuß angelegt. Überprüft man die Trias unter dem Gesichtspunkt der erfolgsgebundenen Mittelzuwendung, so stellt man fest, daß sich das Polster - bei gleichbleibenden Spenden- und Beitragseinnahmen - erst bei Absinken der Wahlbeteiligung auf 30 vom Hundert abnutzt. 569 Erst in diesem Fall erhalten die Parteien den Maximalbetrag von D M 230 Mio. nicht mehr. Die durch die Wahlbeteiligung indizierte Parteienverdrossenheit und damit die Kluft zwischen Repräsentierten und Repräsentanten kann also noch erheblich anwachsen, ohne daß dies Konsequenzen für die Ausschüttung des Maximalbetrages hat. Damit wird die Wirkung des für die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption zentralen Gebots der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft egalisiert und durch den Gesetzgeber darüber hinaus in sein Gegenteil verkehrt, denn auch bei steigender Parteienverdrossenheit und deutlichem Rückgang der Bereitschaft zur Wahl kommt die steuernde Wirkung des Grundsatzes der verfassungsgerechten Mittelerbringung nicht zum Tragen. Anders als der Gesetzgeber hatte die Kommission Einsatzbeträge von DM 0,90 - 0,20 - 0,20 vorgeschlagen.570 Danach wäre die DM 230 Mio.-Grenze bei gleichbleibender Wahlbeteiligung und gleichbleibendem Spenden- und Beitragsaufkommen um knappe DM 10 Mio. DM unterschritten worden und das Verankerungsgebot zur Umsetzung gelangt, weil die Parteien ihren Erfolg minimal hätten steigern müssen, um die absolute Obergrenze auszuschöpfen. Um dem Verankerungsgedanken deutlicheres Gewicht zu verleihen, hatte sich das Kommissionsmitglied H.H. v.Arnim in einer von der Mehrheit abweichenden Empfehlung dafür ausgesprochen, nur DM 0,60 pro erhaltene Stimme 5 6 8 Siehe hierzu auch H. Sendler, Anhörung 1993, S. 11; ders., NJW 1994, 365 (365 f.); T. Drysch, NVwZ 1994, 218 (220 f.). 5 6 9 Siehe dazu T. Drysch, NVwZ 1994, 218 (222). 5 7 0 Bericht 1993, S. 76 f.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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auszuzahlen, so daß die absolute Obergrenze bei gleichbleibender Wahlbeteiligung um circa DM 50 Mio. unterschritten worden wäre. 571 In diesem Falle hätte die Wahlbeteiligung steigen müssen, um eine Ausschöpfung der absoluten Obergrenze zu erreichen. bb) Die Degressionsregelung des § 18 Abs. 2 S. 2 PartG (1994) Mit der sogenannten Degressionsregelung enthält das neugefaßte Parteiengesetz einen weiteren, hinsichtlich der Erfolgsbindung problematischen Aspekt. § 18 Abs. 2 S. 2 PartG (1994) legt fest, daß die Parteien für die ersten fünf Millionen Stimmen an Stelle des ansonsten vorgesehenen Betrages von D M 1,00 einen solchen von D M 1,30 erhalten. Diese Regelung ist zunächst hinsichtlich des Grundsatzes der Chancengleichheit der Parteien problematisch, weil sie kleinere Parteien gegenüber Großen insofern bevorzugt, als diese proportional gesehen einen weit höheren Prozentsatz ihrer Einnahmen mit D M 1,30 vergütet erhalten. Die Frage der Zulässigkeit dieser als "verkappter Sockel" bezeichneteten Regelung 572 unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit wurde im Rahmen der Sachverständigenanhörung vom 18.10.1993573 und im Plenum kontrovers diskutiert. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Abweichung vom streng formalen Gleichheitssatz hängt letztlich davon ab, ob man sie für verfassungsrechtlich zwingend geboten hält. 574 Weil die kleinen Parteien einen unverhältnismäßig hohen Anteil der ihnen zustehenden Mittel mit D M 1,30 bezuschußt erhalten, ist das Verankerungsgebot insofern noch deutlicher unterlaufen. Die Bereitschaft zu deren Wahl muß noch deutlicher unter 30 Prozent sinken, damit sich die Anreizwirkung der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption auswirkt. 2. Die Erhaltung potentieller Nebenhaushalte Neben dieser Umgehung der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption ermöglicht es das Parteiengesetz auch nach seiner Änderung den Parteien weitrei-

571

Bericht 1993, S. 164. Die von H. Sendler so bezeichnete "Liebesgabe an die kleinen Parteien der derzeitigen Koalition" erinnert ihn "verteufelt an den verfassungswidrigen Sockelbetrag"; H. Sendler, NJW 1994, 365 (366). 573 p ü r Verfassungswidrigkeit etwa H. Sendler, Anhörung 1993, S. 12 und der Schatzmeister von "Bündnis 90/Die Grünen" H. Selzer, ebda. S. 101 f. Gegen Verfassungswidrigkeit etwa J. Ipsen, ebda., S. 36 f. 5 7 2

5 7 4

Siehe hierzu die in Fn. 128 genannten Autoren sowie T. Drysch, NVwZ 1994, 218 (221).

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3. Teil: Teilallgemeinfnanzierungskonzeption und Grundgesetz

chend, von sogenannten Nebenhaushalten575 zu profitieren. In diesem Zusammenhang sind die Einnahmen der Parteien aus Mandatsträgerabgaben und das Profitieren an einer staatlichen Jugendorganisations-, Stiftungs- und Fraktionsfinanzierung zu nennen. 576 Die hier vom Staat zur Finanzierung parteinaher Bereiche aufgebrachten Mittel unterfallen nicht der absoluten Obergrenze. a) Die staatlichen Zuwendungen an Jugendorganisationen der Parteien § 24 Abs. 9 PartG (1994) sieht vor, daß öffentliche Zuschüsse, die den politischen Jugendorganisationen über den Ring politischer Jugend (RPJ) zufließen, bei der Ermittlung der absoluten und relativen Obergrenze unberücksichtigt bleiben. Dies ist verfassungsrechtlich insbesondere im Falle der Jungsozialisten problematisch, die organisatorisch ein Teil der SPD sind. Ob eine derartige Nichteinrechnung der Zuwendungen an Jugendorganisationen angesichts der tatsächlich bestehenden, vielfältigen Verknüpfung von Mutterparteien und Jugendorganisationen angemessen ist, soll dahinstehen. Aus der Erwägung heraus, daß die Parteien diese Zuwendungen durch ein Abtrennen der Jugendorganisation "legalisieren" könnten und offenbar in Anwendung des Grundsatzes "minima non curat praetor", hat sich jedenfalls der Berichterstatter der Entscheidung vom 09.04.1992 dafür ausgesprochen, die sich etwa auf DM 10 Mio. im Jahr belaufenden Zahlungen an die Jugendorganisationen nicht auf die absolute Obergrenze anzurechnen.577 Die im Urteil auf Seite 3 5 5 7 8 genannten Zahlungen bezeichnete er als die absolute Obergrenze abschließend bestimmend.579 Angesichts der Aufnahme des § 24 Abs. 9 in das PartG (1994) ist es nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber zukünftig weitere Möglichkeiten schafft, staatliche Gelder an der absoluten Obergrenze vorbei auf Randbereiche parteipolitischer Tätigkeit zu verteilen. 580

5 7 5

Siehe hierzu o. S. 25. Siehe dazu auch: H Hofmann , DÖV 1994, 504 (512). 5 7 7 Bl. 746 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. 5 7 8 Seite 35 entspricht der Seite 291 in der amtlichen Sammlung. 5 7 9 Bl. 750 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. 5 8 0 So wohl die Befürchtung H. Sendlers, Anhörung 1993, S. 123: "Was an Mitteln für die Jugendarbeit zweckgebunden aus staatlichen Mitteln zur Verfügung gestellt wird, das kann man morgen auch für andere Aufgaben - Frauenarbeit, Altenarbeit und dergleichen, zweckgebunden zuweisen." Kritisch hierzu auch T. Drysch, NVwZ 1994, 218 (221). 5 7 6

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

217

b) Die Stiftungsfinanzierung Beträchtliche Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln erhalten parteinahe Stiftungen. 581 Im Jahr 1992 beliefen sich diese, den Parteien freilich nur mehr oder weniger diffus zugute kommenden582, Zuwendungen auf D M 669,4 M i o . 5 8 3 Anläßlich der Änderung des Parteiengesetzes wäre es - entsprechend der Empfehlung der Expertenkommission von 1993 5 8 4 - dringend angezeigt gewesen, die Zulässigkeit dieser staatlichen Zuwendungen, die beinahe ein dreifaches dessen betragen, was das Bundesverfassungsgericht für die Finanzierung der allgemeinen Parteitätigkeit für erforderlich hält, an einen Gesetzesvorbehalt zu knüpfen 585 , um der Öffentlichkeit zumindest die hinreichende Möglichkeit einer Kenntnisnahme zu verschaffen und insofern eine erhöhte Transparenz über diesen verhältnismäßig hohen Posten im Haushaltsplan herbeizuführen. c) Die Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit einzelner Fraktionsmitglieder Auch die Zuwendungen des Staates an die Fraktionen des Deutschen Bundestages sind nicht in die Berechnung der absoluten Obergrenze einzubeziehen, weil die Fraktionen trotz ihrer Nähe zu den Parteien rechtlich von diesen zu trennen sind. 5 8 6 Allerdings hat die Finanzierung der Fraktionen durch das am 01.01.1995 in Kraft tretende 16. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz) vom 11.03.1994 Eingang in das Abgeordnetengesetz gefunden. 587 Die Zuwendung von Mitteln an Fraktionen ist nunmehr in § 50 AbgG (1995) 5 8 8 geregelt. Diese Norm legt fest, daß Fraktionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anspruch auf Geld- und Sachleistungen aus dem Bundeshaushalt haben. Gemäß § 47 Abs. 3 AbgG (1995) können die Fraktionen die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit unterrichten. Eine Festlegung der Höhe dieser Zuwendungen wird durch das Fraktionsgesetz nicht eingeführt, sondern gemäß

581 Siehe zur Zulässigkeit der Stiftungsfinanzierung BVerfGE 73, 1 (1 ff). Siehe hierzu ferner: H. Vieregge, Parteistiftungen, S. 153 ff.; H.H. v.Arnim, ZRP 1989, 257 (262 ff.). 5 8 2 Siehe dazu die Ausführungen im Bericht 93, S. 111 f. 5 8 3 Siehe Tabelle 24 im Anhang an Bericht 93. 5 8 4 Bericht 93, S. 126 f. 5 8 5 Offengelassen in BVerfGE 73, 1 (39). 5 8 6 BVerfGE 73, 1 (33); 80, 188 (219); 85, 264 (289). 5 8 7 Änderung des AbgG. durch G.v. 11.03.1994, BGBl. I, S. 526. Siehe hierzu auch den Gesetzesentwurf in BT Drucks. 12/4756 und die Beschlußempfehlung in BT Drucks. 12/6067. Siehe dazu insgesamt: W. Schreiber, Wahlrecht, § 50 Rn. 16. 5 8 8 Das Änderungsgesetz trat zum 01.01.1995 in kraft.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

§ 50 Abs. 3 AbgG (1995) durch einen Pauschaltitel im Haushaltsplan ausgewiesen. Sie beträgt derzeit D M 230 Mio. jährlich. 589 H.H. v.Arnim sieht durch die Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit für die einzelnen Fraktionsmitglieder eine Art "Überholspur" der Parteienfinanzierung eröffnet, weil diese Norm es dem einzelnen Abgeordneten ermöglicht, auf Fraktionskosten Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.590 Sollte ein entsprechender Fraktionsbeschluß getroffen werden, so würde dies in der Tat die Finanzierung des Wahlkampfes durch die Parteien entlasten. Die aus Fraktions-, Stiftungs- und Jugendorganisationsfinanzierung den parteinahen Bereichen zufließenden Mittel belaufen sich damit insgesamt auf D M 910 Mio. jährlich. Die im Rahmen der Fraktions- und Stiftungsfinanzierung ausgekehrten D M 680 Mio. können auch weiterhin ohne Gesetzesvorbehalt ausgeschüttet werden. 591 d) Die Mandatsträgerabgaben Das Parteiengesetz sieht darüber hinaus keine Regelung der sogenannten Mandatsträgerabgaben vor, die von exponierten Mitgliedern regelmäßig an deren Parteien geleistet werden. Die Einforderung derartiger "Parteisteuern" - zu deren Zahlung Abgeordnete und Ratsmitglieder durch entsprechende Regelungen in Fraktions- oder Parteisatzungen gleichsam gezwungen werden 592 - wird von den Parteien damit begründet, daß diese ihren Abgeordneten gegenüber in verschiedener Hinsicht geldwerte Leistungen erbringen. Sofern derartige Zuwendungen aus Diäten erbracht werden, was regelmäßig der Fall sein wird, sind sie verfassungswidrig. 593 Der Expertenkommission von 1993 war es nicht möglich, die Parteien zu exakten Angaben über die Höhe der auf diese Weise eingeworbenen Zuwendungen zu bewegen. 594 Aufgrund der vagen Information konnte sie lediglich unter Zugrundelegung einer Schätzung davon ausgehen, daß diese Einnahmen 20 bis 25 vom Hundert der Gesamteinnahmen aus Mitgliedsbeiträgen ausmachen.595 Diese Einnahmequelle belief

5 8 9

So H.H. v.Arnim, Die Zeit, Nr. 47 v. 19.11.1993, S. 12. H.H. vArnim, Die Zeit, Nr. 47 v. 19.11.1993, S. 12. 591 Siehe zu Möglichkeiten und Umfang der Parteienfinanzierung im Ausland die Kurzüberblicke bei K.-H. Naßmacher, Aus Pol & ZG 1984, B/8, 27 (27 ff.) und in Bitburger Gespräche 1993, S. 97 (97 ff.). 5 9 2 Siehe hierzu den Bericht 1993, S. 86 f. 5 9 3 So auch die Ansicht der Expertenkommission von 1993 in Bericht 1993, S. 86 f. 5 9 4 Vgl. hierzu Bericht 93, S. 41 f. 5 9 5 Bericht 1993, S. 42. 5 9 0

219

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

sich damit im Jahr 1991 bei Gesamteinnahmen aller Parteien aus Mitgliedsbeiträgen von DM 284,9 Mio. 5 9 6 auf einen Betrag zwischen DM 56,98 Mio. und DM 71,2 Mio. 3. Die steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen gemäß § 10 b Abs. 2 und § 34 g S. 2 EStG

und Spenden

Schließlich ist die im Änderungsgesetz vom 28.01.1994 vorgenommene Angleichung der Regelungen hinsichtlich597 der steuerlichen Begünstigung von Beiträgen und Spenden aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht frei von Zweifeln. Gemäß § 10 b EStG (1994) sind Zuwendungen - das heißt Mitgliedsbeiträge und Spenden an politische Parteien - im Kalenderjahr bis zu einer Höhe von D M 3000 beziehungsweise von D M 6000 bei zusammenveranlagten Ehegatten als Sonderausgaben von der Einkommensteuer abzugsfähig. Es ist möglich, in Addition zu dieser Begünstigung, die des § 34 g EStG (1994) in Anspruch zu nehmen. Diese Norm sieht nunmehr vor, daß Zuwendungen an politische Parteien und Wählervereinigungen zu 50 vom Hundert von der tariflichen Einkommensteuer abzugsfähig sind. Durch die Neuregelung wird die bisherige Grenze von D M 600 beziehungsweise D M 1200 auf D M 1500 beziehungsweise D M 3000 angehoben. Nach § 34 g EStG ist damit nunmehr eine direkte Reduzierung des zu versteuernden Einkommens durch Zuwendungen an Parteien und Wählervereinigungen in Höhe von D M 3000 beziehungsweise D M 6000 zur Hälfte dieser Beträge zulässig. Ein Sonderausgabenabzug nach § 10 b EStG ist wie bisher nur möglich, soweit die Zuwendungen Ausgaben übersteigen, die nach § 34 g EStG berücksichtigungsfähig sind. Diese können dann bis zu einer Höhe von weiteren D M 3000 beziehungsweise D M 6000 über § 10 b Abs. 2 EStG steuerlich geltend gemacht werden. Insgesamt sind Zuwendungen an politische Parteien damit im Kalenderjahr bis zu einer Höhe von D M 6000 beziehungsweise D M 12000 bei zusammen veranlagten Ehegatten steuerlich begünstigt. Die Sachverständigenkommission hatte demgegenüber eine maximale steuerliche Begünstigung von DM 2000 beziehungsweise DM 4000 empfohlen. 598 Laut Aussage des Vorsitzenden des Gremiums H. Sendler ging man in der Kommission davon aus, mit diesem Betrag an die Grenze der Verfassungswidrigkeit gelangt zu sein. Daher war die Höhe dieser Grenze umstritten gewesen. Letztlich entschied man sich dennoch, sie zu empfehlen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, "allzu kleinlich gewesen zu

5 9 6 5 9 7 5 9 8

Quelle hierfür ist die Tabelle 4 im Anhang zum Bericht 1993. Siehe zu den Neuerungen in diesem Bereich: A. Bogler, DB 1994, 250 (250 f.). Bericht 1993, S. 93 f.

220

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

sein."599 Zudem hatte die Kommission eine nur alternative Inanspruchnahme von § 34 g EStG beziehungsweise § 10 b EStG für angezeigt gehalten. Die Frage der Verfassungswidrigkeit der angesprochenen steuerrechtlichen Vorschriften braucht an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Es kann bei dem Hinweis darauf verbleiben, daß diese letztlich von der Einschätzung der Ratio einer Begrenzung der steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an Parteien und Wählergemeinschaften abhängt, die weder die Verfassung selbst noch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1992 eindeutig beantwortet. Im wesentlichen stehen sich hier zwei Standpunkte gegenüber. Sieht man die Verhinderung des Einflusses von Großspendern 600 oder eine ernsthaft zu befürchtende Veränderung der Wettbewerbslage durch einen mittels steuerlicher Begünstigung hervorgebrachten Spendenanreiz im Vordergrund 601 und will man bei der Frage der Ausschöpfbarkeit des maximalen Steuervorteils auf die theoretische Ausschöpfbarkeit für den Durchschnittsverdiener im Rahmen einer einmaligen Spende in der gesamten Legislaturperiode abstellen602, dann verfehlt die getroffene Regelung ihren Sinn "jedenfalls nicht offensichtlich" 603. Zumindest ein Verstoß gegen die Bürgergleichheit wäre damit beiseite argumentiert. Es blieben freilich auf kommunaler Ebene verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Parteiengleichheit bestehen, denn in einem kleinen Orts verband sind D M 12000 jährlich sicherlich ein Betrag, der beachtlich genug ist, um sowohl die Wettbewerbslage unter den Parteien zu verzerren, als auch um als Großspende zu gelten. Sieht man die Ratio einer Begrenzung der steuerlichen Begünstigung hingegen in der tatsächlichen Ausschöpfbarkeit der Grenze für den Durchschnittsverdiener 604 , dann wird ein Verstoß gegen die Bürgergleichheit bei einer maximalen Begünstigung von D M 12000 für ein zusammen veranlagtes Ehepaar nicht in Abrede gestellt werden können. Ein durchschnittlicher Einkommensempfänger und damit die große Mehrzahl aller Begünstigungsberechtigten wird nicht in der Lage sein, seiner Partei jährlich einen Betrag in dieser Höhe zuzuwenden. Legt man dieses Verständnis zugrunde, so liefe die getroffene Regelung der Aussage der Verfassung gründlich entgegen. 5 9 9

H. Sendler, Anhörung 93, S. 124. So C. Landfried, Anhörung 93, S. 111; für "nicht offensichtlich verfehlt" hielt auch P. Badura, Anhörung 93, S. 117 f., die Regelung, ähnlich K.H. Naßmacher, Anhörung 93, S. 120 f. 6 0 1 So P. Badura, Anhörung 93, S. 19. 6 0 2 So P. Badura, Anhörung 93, S. 18. 6 0 3 P. Badura, Anhörung 93, S. 118. 6 0 4 So H. Sendler, Anhörung 93, S. 13 und 124 mit Verweis auf die Ansicht der Kommission von 1993 und H.H. v.Arnim, ebda., S. 23. 6 0 0

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

221

Nur am Rande sei bemerkt, daß jedenfalls eine Berufung darauf, nach der vorherigen Regelung sei ein Zehnfaches dieses Betrages abzugsfähig gewesen, kein Argument für die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung sein kann. Schließlich geht es nicht um Schadensbegrenzung, sondern um die Einhaltung von Verfassungsvorgaben. 4. Ergebnis Bei der Frage der steuerlichen Begünstigung hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen recht weiten Gestaltungsspielraum gelassen. Da die Annahme eines Verfassungsverstoßes von der Ratio der Begrenzung der Absetzbarkeit abhängt und sich weder aus dem Urteil noch aus der Verfassung selbst eindeutig beantworten läßt, soll lediglich festgehalten werden, daß nach der Neuregelung zumindest Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Begünstigung bleiben. Hinsichtlich der Höhe der direkten staatlichen Parteienfinanzierung hatte das Urteil demgegenüber letztlich keinen Gestaltungsfreiraum lassen wollen. 6 0 5 Die Vorgaben für diesen Bereich der Parteienfinanzierung sind hinsichtlich des Umfangsbegrenzungsaspekts durch die Aufnahme der absoluten Obergrenze in § 1 8 Abs. 2 PartG (1994) teilweise eingehalten. Eine direkte Überschreitung des Plafonds läßt jedoch die Doppelberechnung der Chancenausgleichszahlungen zu, die möglich ist, weil die Kappungsnorm des § 18 Abs. 6 S. 2 PartG (1994) durch § 39 Abs. 1 Nr. 7 PartG (1994) für diesen Bereich ausgehebelt wurde. Es stehen zudem nach wie vor verschiedene Wege offen, die absolute Obergrenze durch Zugriff auf potentielle Nebenhaushalte zu unterlaufen. Das Offenlassen dieser Möglichkeiten deutet zwar nicht auf den Willen der Parteien zur Selbstbeschränkung hin. Es kann aber dem Gesetzgeber solange nicht als Verfassungs verstoß vorgeworfen werden, bis ein Zugriff auf dieses beträchtliche Finanzierungspotential feststellbar wird. Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist demgegenüber, daß der Gesetzgeber durch das hohe Ansetzen der Einsatzbeträge für die Art und Weise der Mittelzuwendung in § 18 Abs. 3 PartG (1994) die Intention der nur erfölgsgebundenen Zuwendung staatlicher Mittel egalisiert hat. Insoweit ist ein Verstoß gegen das aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit abgeleitete Gebot zur Verankerung der Parteien in der Gesellschaft festzustellen. Selbst wenn "es in der Absicht des Urteils war, den Parteien das zu belassen, was ihnen in dem vergangenen Vierjahreszeitraum zustand"606, so kann es nicht in der Absicht des Gerichts gelegen haben, die Höchstsumme der 6 0 5

Siehe hierzu o. S. 124 ff. So der Berichterstatter H.H. Klein in einer Mitteilung an die Senatsmitglieder auf Bl. 743 der bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrensakte. 6 0 6

222

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

staatlichen Parteienfinanzierung auch noch dann auszukehren, wenn die Wahlbeteiligung sinkt. Dies nämlich läuft der erfolgsorientierten Mittelzuwendung, die der Grundsatz der Staatsfreiheit in seiner seit 1992 bestehenden Lesart zum Fundamentalprinzip staatlicher Parteienfinanzierung erhoben hat, diametral entgegen. Nach der im Parteiengesetz nunmehr geltenden Regelung können die Parteien in der Gunst des Wählers noch erheblich tiefer sinken, kann die Wahlbeteiligung noch deutlich zurückgehen, die Parteienverdrossenheit und damit die Kluft zwischen Repräsentierten und Repräsentanten noch erheblich breiter werden, ohne daß die Parteien finanzielle Einbußen verzeichnen. In der Absicht des Urteils lag es demgegenüber, den Parteien den Maximalbertag von D M 230 Mio. unter der Bedingung zuzuwenden, daß sie Erfolge erzielen oder zumindest in der Wählergunst nicht weiter absinken. Vorausgesetzt, die Parteien halten die Größenordnung ihrer Spenden und Beitragseinnahmen bei, so erhalten sie nach der Regelung des § 18 Abs. 3 PartG den Maximalbetrag von D M 230 Mio. aber noch dann, wenn die Wahlbeteiligung auf 30 Prozent sinkt. Damit wird der Grundsatz, wonach die Auskehrung des Maximalbetrages unter der Bedingung der Erfolgssteigerung steht und insofern zu verdienen ist, völlig umgangen. Die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption kann in diesem entscheidenden Punkt keine Wirkung entfalten. Dies macht das Verfehlen des kurzfristigen Ziels des Senats, wonach der Zugriff auf die Staatskasse einzugrenzen und zugleich an den Erfolg der Parteien zu koppeln ist, besonders deutlich. Insofern verwundert es nicht, daß das Senatsmitglied E.W. Böckenförde eine erneute Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Parteienfinanzierung für so gut wie sicher hält. 6 0 7

I I I . Das Erreichen des langfristigen Zieles Ob der Ansatz des Senats das Erreichen seines langfristig anvisierten und vordringlichen Ziels, der Verhinderung eines weiteren Ansehensverlusts oder gar einer Steigerung des Ansehens der Parteien und einer erhöhten Basisbindung, bewirkt hat, läßt sich zwei Jahre nach Verkündung des Urteils nicht abschließend beurteilen. Eine spürbare Ansehenssteigerung der Parteien scheint die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bewirkt zu haben. Sollte sich eine solche dennoch künftig verzeichnen lassen, so wird es schwer sein, diese auf eine Selbstbeschränkung der Parteien beim Zugriff auf öffentliche Mittel, bewirkt durch eine Umsetzung des Urteils, zurückzuführen. 60 7

E.W. Böckenförde,

zitiert in FAZ-Magazin, Heft 737 v. 15.04.1994, S. 12 (18 f.).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

223

Es sei die Anmerkung erlaubt, daß es wenig wahrscheinlich erscheint, daß der Ansatz des Senats zukünftig fruchten kann. Angesichts der Tatsache, daß die Parteien unter dem Druck der - in der Öffentlichkeit als "Ohrfeige" aufgefaßten - Entscheidung keine Veranlassung zu einer verfassungsgerechten Regelung sahen, spricht wenig für einen Entschluß zur Selbstbeschränkung nach Abebben des besonderen Drucks im unmittelbaren Zusammenhang mit der Entscheidung. Darüber hinaus ist das Erreichen des langfristigen Ziels deshalb in Frage gestellt, weil nach der Änderung des Parteiengesetzes in der Öffentlichkeit auch weiterhin bisweilen herbe Kritik an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung geübt wird. 6 0 8 Für das Erreichen des langfristigen Ziels nämlich der Parteienverdrossenheit entgegenzuwirken - ist es nicht unbedingt relevant, ob es etwa tatsächlich zur verfassungswidrigen Verwendung der Mittel aus potentiellen Nebenhaushalten kommt oder weitere Umwege tatsächlich in Anspruch genommen werden. Weil in der Meinungsbildung des Volkes keine feinsinnige Differenzierung zwischen nur möglicher und tatsächlich feststellbarer Überschreitung des verfassungsrechtlich Möglichen stattfindet, wird die Parteienverdrossenheit bereits durch die an den Parteien insbesondere in Zusammenhang mit der Änderung des Parteiengesetzes öffentlich geübte Kritik geschürt, die in der "Beinah-Verweigerung" der Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten gipfelte. Damit wird deutlich, daß der Ansatz des Senats sein kurzfristiges Ziel nicht erreichen konnte. Darüber hinaus ist es unwahrscheinlich, daß die absolute Obergrenze als Kernstück der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption entscheidend zum Erreichen des langfristigen Ziels beitragen konnte. Im folgenden Abschnitt soll die konkrete absolute Obergrenze als das vom Bundesverfassungsgericht zur Funktionserhaltung der Parteien eingesetzte Mittel auf ihre weiteren Implikationen für das Verfassungsrecht untersucht und an den Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gemessen werden.

C. Verfassungsfragen der konkreten absoluten Obergrenze Die Teilallgemeinfinanzierungskonzeption lebt zum einen von der Umfangsbegrenzung der staatlichen Parteienfinanzierung 609, zum anderen von einer erfolgsorientierten Verteilung staatlicher Mittel. 6 1 0 Während der Senat mit dem Umfangsbegrenzungsaspekt letztlich eine Restriktion vornimmt, stellt der 6 0 8 Vgl. nur H. Sendler, 1994, 365 (365 ff.); T. Drysch, NVwZ 1994, 218 (218 ff.); A. Bogler, DB 1994, 250 (250 f.); H.H. v.Arnim, Die Zeit, Nr. 47 v. 19.11.1993, S. 12. 6 0 9 Siehe zur Herleitung dieses Ansatzes o. S.88 ff. 6 1 0 Siehe zur Herleitung dieses Ansatzes o. S. 103 f.

224

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Modus für die Mittelverteilung eine Lenkungsmaßnahme dar, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. 6 1 1 Im Rahmen des vorliegenden Vierten Kapitels geht es ausschließlich um die verfassungsrechtliche Untersuchung der absoluten Obergrenze als Kernstück des Teilallgemeinfinanzierungsmodells. 612 Mit der Plafonierung der staatlichen Zuwendungen sollte verhindert werden, daß die Parteien die staatliche Parteienfinanzierung immer weiter anheben und damit den bei ihrem Zerfall zu erwartenden Ruin des Parteienstaates forcieren. 6 1 3 Von der Einziehung des Plafonds versprach sich der Senat, die Parteien zu einem sparsameren Haushalten mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bewegen zu können, was wiederum der Identifikation von Parteien und Basis in der Bevölkerung zugute kommen und damit letztlich die Repräsentation stabilisieren sollte. Die konkrete Festlegung einer als bindend konzipierten absoluten Obergrenze ist der entscheidende Bestandteil der Konzeption, da nach dem Ansatz des Senats die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel die Bereitschaft zu deren sparsamer Verwendung bestimmt. 614 Indem die Parteienfinanzierung grundsätzlich für zulässig erklärt ist, ist nämlich zugleich die staatliche Fürsorge für die Parteien verfassungsrechtlich sanktioniert. Bevor der Frage nachgegangen wird, ob die konkrete absolute Obergrenze das geeignete Mittel zur Herstellung der Gemeinwohlbindung ist, soll auf Verfassungsfragen einer grundsätzlichen Zulässigkeit staatlicher Parteienfinanzierung eingegangen werden.

I. Verfassungsfragen der grundsätzlichen Zulässigkeit direkter staatlicher Parteienfinanzierung Während der Verfassung unter Geltung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung die Aussage entnommen wurde, daß staatliche Parteienfinanzierung grundsätzlich verboten und nur für den Ausnahmefall der Wahlkampfkostenerstattung zulässig ist, wird diese nunmehr gegenteilig ausgelegt. Staatliche Parteienfinanzierung ist nach der Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit im Grundsatz von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.615 Dieser Paradigmenwechsel zeitigt verfassungrechtliche Konsequenzen.

6 1 1 6 1 2 6 1 3 6 1 4 6 1 5

Siehe hierzu o. S. 103 f. Siehe zur zentralen Funktion der konkreten absoluten Obergrenze o. S. 121 f. Siehe hierzu o. S.210f. Siehe dazu o. S. 121 f. Siehe hierzu o. S. 38 ff.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

1. Die verfassungsrechtliche

225

Sanktionierung der staatlichen Sorge für Parteien

Daß sich aus der verfassungsrechtlichen Festschreibung einer grundsätzlichen Zulässigkeit der staatlichen Parteienfinanzierung folgern läßt, es bestehe eine Fürsorgepflicht des Staates für die Parteien, ist nur schwer zu bestreiten. Auch wenn diese Fürsorge angesichts der Bedeutung der Parteien für den Staat grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden kann, könnten die Parteien hierduch den Eindruck gewinnen, der Staat habe nunmehr für die Sicherung ihrer Existenz Vorsorge zu treffen. Immerhin sichert das Urteil den Parteien in einer von diesen selbst heraufbeschworenen Krisensituation eine beträchtliche staatliche Versorgung. a) Die Problematik der staatlichen Fürsorge Daß Versorgung gewogen macht und die Gefahr der Entstehung von Abhängigkeiten birgt, ist sprichwörtlich. Es wird kaum möglich sein, diese Auswirkung von Patronage für das Verhältnis von Staat und Parteien zu bestreiten. 6 1 6 Allerdings kehrt sich das Sprichtwort: "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing", im Falle der staatlichen Parteienfinanzierung auf eigentümliche Weise um. Denn hier besteht die Gefahr, daß der für die Alimentierung der Parteien sorgende Staat das Lied der Versorgten singt. Die Verstaatlichung wird insofern nicht vom Staat, dem nicht an einer übermäßigen Finanzierung der Parteien gelegen ist, forciert, sondern von den Parteien. Diese Möglichkeit der Instrumentalisierung des Versorgers durch den Versorgten kennt der Volksmund bislang nicht. Selbstverständlich gibt es Fälle - zu nennen sind etwa Privatschulen oder gemeinnützige Organisationen - in denen der Staat gesellschaftliche Bereiche finanziell erheblich stützt. Dies ist aber mit der Unterstützung der Parteien nicht zu vergleichen, weil diese Organisationen den Staat nicht für eigene Zwecke instrumentalisieren können. Weil die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer nicht unerheblichen Grundversorgung politischer Parteien durch den Staat nunmehr dogmatisch verankert ist, kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Parteien dies als Signal auffassen können, sich nunmehr im sicheren Schoß des für sie sorgenden

6 1 6 Mit dem Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Trennung von Staat und Gesellschaft und Allgemeinfinanzierung, sowie den darauf beruhenden Gefahren: W. Henke, NVWZ 1985, 616 (617). Kritisch zur Allgemeinfinanzierung auch R. Scholz, Krise, S. 27 f. In diese Richtung in Zusammenhang mit der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992: F.K. Fromme, FAZ v. 10.04.1992, S. 1, ders. in FAZ v. 11.04.1992, S. 2 und H. Schueler, Die Zeit v. 17.04.1992, S. 5.

15 Schwartmann

226

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

Staates zu befinden. 617 Die Entscheidung in diesem Sinne aufzunehmen, liefe dem Grundsatz der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft freilich diametral entgegen. b) Gewandelte Verfassungserwartungen Die Neuinterpretaion des Grundsatzes der Staatsfreiheit und die Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung macht zugleich einen Wandel in den Verfassungserwartungen an die Parteien deutlich. aa) Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien nicht mehr ohne Allgemeinfînanzierung möglich Bislang ging die Verfassung davon aus, daß die Parteien der Unterstützung des Staates grundsätzlich nicht bedürfen. Wie das Verbot der Allgemeinfînanzierung zeigte, lag dem Grundsatz der Staatsfreiheit die Erwartung zugrunde, daß die Existenz der Parteien grundsätzlich ohne staatliche Unterstützung gesichert ist. 6 1 8 Mit der Sanktionierung der grundsätzlichen Zulässigkeit staatlicher Parteienfinanzierung hat die Verfassung diese Erwartung aufgegeben. Sie erkennt an, daß der Staat die Parteien in jeder Hinsicht unterstützen dürfen muß. Die Anomalie der Entscheidung in eigener Sache, die eine "unvermeidliche und prekäre Ausnahme" von dem Grundsatz der Entscheidung über eigene Belange darstellt,619 hielt auch das Bundesverfassungsgericht bislang nur eines gewissen Ausgleichs zugänglich. Dieser sollte durch die Transparenz des Entscheidungsverfahrens und die Kontrolle durch die Öffentlichkeit bewirkt werden. 620 Auch diese Einschätzung hat sich - wie die Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit, auf die die absolute Obergrenze zurückgeht, beweist - gewandelt. Nunmehr tritt die Verfassung der Entscheidung in eigener Sache mit der absoluten Obergrenze entgegen. Allerdings wird diese dogmatisch

6 1 7 Diese Einschätzung teilt ausdrücklich auch K. v.Beyme, S. 181: "Daß zwischen Wahlkampfund Organisationskosten nicht mehr unterschieden wurde, war realistisch. Aber zugleich war damit die Grenze zwischen 'Staatsnähe' und 'Staatsferne' weiter in Richtung sNähe ygerückt." Hervorhebung hinzugefügt. Dies war auch die ausdrückliche Einschätzung des Senats in der Entscheidung des Jahres 1966. BVerfGE 20, 56 (102). Kritisch zur Allgemeinfînanzierung bereits vor Schaffung des Parteiengesetzes: W. Kewenig, DÖV 1964, 829 (835). 6 1 8 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 179. 6 1 9 J. Isensee, HStR, III, § 57, Rn. 59. 6 2 0 BVerfGE 40, 296 (327). Siehe dazu o. S. 149 f.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

227

nicht unmittelbar mit der Entscheidung in eigener Sache621, sondern mit einem andernfalls zu erwartenden Staatsnotstand begründet.622 bb) Die Mündigkeit der Parteien Eine weitere Verfassungserwartung ging bislang dahin, daß die Parteien sich selbst und infolgedessen den Staat aus eigener Kraft funktionsfähig erhalten können. Nunmehr sind die Parteien, sollen sie staatstragend bleiben, vor sich selbst zu schützen. Dies zeigt die absolute Obergrenze, die den Parteien einen Zugriff über das vom Bundesverfassungsgericht als zulässig erachtete Maß hinaus unmöglich machen soll. Auch die Erwartung der Verfassung, die repräsentative Demokratie könne von selbstbestimmten Parteien gelenkt und der Staat von diesen getragen werden, ist damit aufgegeben. c) Raum für Mißverständnisse hinsichtlich des Standortes der Parteien Durch die Zulassung der Allgemeinfinanzierung kann zudem die Unterscheidung zwischen Staat und Parteien als verwischt aufgefaßt werden. Wenn der Staat die Parteien grundsätzlich alimentieren darf, liegt der Gedanke eines sanktionierten Ineinandergreifens beider Bereiche nicht fern. Eine derartige Aussage ist deswegen problematisch, weil die von einer theoretischen Trennung bestimmte Verknüpfung von Staat und Gesellschaft einen hoch sensiblen Bereich darstellt 623 und diese theoretische Unterscheidung bisweilen bestritten wird. 6 2 4 Durch die Zulässigkeit der Allgemeinfinanzierung hat das Bundesverfassungsgericht zumindest Raum für Spekulationen geöffnet, der unter der Geltung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung verschlossen war. 6 2 5 Das Bestreiten der theoretischen Unterscheidung von Staat und Gesellschaft könnte zudem mit dem Argument gestützt werden, daß die Parteien nunmehr Objekt eines Schutzes vor Selbstzerstörung sind. Dieser Schutz vor Gefahren von innen wurde bislang nur auf Staatsorgane angewendet und gilt nunmehr auch für Parteien. Diese Gleichbehandlung von Staat und Parteien könnte durchaus Mißverständnisse hervorrufen. 621

Siehe zu den entsprechenden Ansätzen von P. Häberle, NJW 1976, 537 (542 ff.) und H.H. v.Arnim, Beute, S. 287; ders., Die Partei, S, 284 f., o. S. 146 ff. 6 2 2 Siehe o. S. 151 f. 6 2 3 Siehe hierzu o. S. 127 ff. 6 2 4 Siehe hierzu o. S. 135 f. 6 2 5 So findet sich etwa bei D. Tsatsos/H.-P. Schmidt/R. Steffen, ZRP 1993, 95 (96) folgende Interpretation des Urteils: "Das Bundesverfassungsgericht hat in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 die theoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft... aufgegeben." 1*

228

3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

2. Die Auswirkungen auf die verfassungsprozessuale

Stellung der Parteien

Da von der Stellung der Parteien in der Gesellschaft die Frage ihrer Beteiligtenfähigkeit im Organstreit abhängt und das Bundesverfassungsgericht insofern Raum für Spekulationen eröffnet hat, ist auch nach der Entscheidung vom 9. April 1992 eine eindeutige Aussage des Gerichts zu diesem verfassungsprozessualen Problemfeld nicht ohne weiteres möglich. 626 Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß es sich bei den Parteien um "andere Beteiligte" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG handelt. 627 Dies will angesichts der Verortung der Parteien außerhalb der organisierten Staatlichkeit, die zugleich ihre Staatsorganqualität ausschließt, zunächst nicht einleuchten. Das Gericht erklärt seinen Standpunkt aber wie folgt: Es unterscheidet zwei Verfassungsorganbegriffe. Einen engeren verfassungsrechtlichen und einen weiteren verfassungsprozessualen. 628 Unter letzteren fallen die Parteien, die das Gericht daher als "andere Beteiligte" im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG anerkennt. Es spricht diesen die Beteilgtenfähigkeit im Organstreitverfahren aber nur zu, sofern sie Rechte aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status heraus geltend machen. 629 Dies ist der Fall, wenn es um die Beteiligung an der staatlichen Parteienfinanzierung oder um die Wahrung der Chancengleichheit der Parteien gegenüber der Wahlwerbung der Regierung geht. 6 3 0 Dieser besondere Status kann nicht ins Feld geführt werden, wenn sich eine Partei etwa gegen eine Rundfunkanstalt richtet 631 , die nicht Verfassungsorgan im weiteren Sinne und damit im Organstreit nicht beteiligtenfähig ist. 6 3 2 In diesem Falle bleibt den Parteien, nach Ausschöpfen des Instanzenzuges, die Erhebung der Verfassungsbeschwerde. In der Literatur wird diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vielfach abgelehnt. Sie wurde als "störender Fremdkörper in der Verfassungsordnung" 633, als wegen der Aufgabe der Parteienstaatsdoktrin zum "verfassungsprozessualen Fos6 2 6 Mit der Einschätzung, daß diese Rechtsprechung nunmehr überholt ist allerdings G. Ress in einem am 05.11.1993 im Rahmen des dritten Kolloqiums für öffentliches Recht der Unversitäten Strasbourg und Saarbrücken gehaltenen Vortrages zum Thema: Die Finanzierung politischer Parteien in Deutschland. 6 2 7 St. Rspr. seit BVerfGE 4, 27 (29). Aus neuerer Zeit etwa: BVerfGE 44, 125 (137); 60, 53 (61 f.); 74, 44 (48 f.). 6 2 8 Siehe zur dogmatischen Unhaltbarkeit dieser Differenzierung: K. Schiaich, Bundesverfassungsgericht, Rn. 84; H. Maurer, JuS 1991, 881 (888). 6 2 9 Siehe zusammenfassend: KH. Seifert, Politische Parteien, S. 442 ff. 6 3 0 BVerfGE 11, 239 (242 f.); 20, 56 (130); 27, 152 (157); 44, 125 (136 f.). 6 3 1 BVerfGE 7, 99(103); 13, 204(205); 14, 121 (129); 27, 152(158); 47, 198 (222 ff.). 6 3 2 Erforderlich ist ein Streit zwischen zwei Verfassungsorganen. 6 3 3 W. Henke, NVwZ 1985, 616 (619).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

229

sii" 6 3 4 denaturiert 635 oder schlicht als "falsch" bezeichnet.636 Ferner wurde sie in ihrer Widersprüchlichkeit 637 sowie in ihrer verfassungsrechtlichen Unhaltbarkeit aufgedeckt. 638 Ihre verfassungsprozessuale Erforderlichkeit wird insbesondere aufgrund der Existenz der durch das Grundgesetz eingeführten Verfassungsbeschwerde als überflüssig erachtet, weil diese den Parteien ausreichenden Rechtschutz gewähren soll. 6 3 9 Die Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien aufrecht zu erhalten, würde zwar der dem Urteil primär zugrundeliegenden Intention - die Verankerung der Parteien in der Gesellschaft zu sichern - entgegenlaufen. Mit dem Hinweis auf die mögliche Verwischung der Grenze zwischen Staat und Parteien ließe sich aber auch künftig die Beteiligtenfähigkeit der Parteien im Organstreit begründen. Dafür ließe sich nicht zuletzt auch mit der dogmatischen Absicherung der grundsätzlichen Zulässigkeit staatlicher Allgemeinfinanzierung politischer Parteien argumentieren. Zwar ist den Parteien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Zugang zum Organstreit nur eröffnet, wenn es um die Durchsetzung ihres verfassungsrechtlichen Status aus Art. 21 GG geht. 6 4 0 Dazu gehörte allerdings aufgrund der Geltung des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung auch die Beteiligung an der staatlichen Parteienfinanzierung. Dies lag daran, daß die Parteien bei der Vorbereitung und Durchführung von Wahlen unter Geltung des aufgegebenen Dogmas öffentliche Aufgaben des Staates wahrnahmen und insofern für diesen besonderen Fall gewissermaßen die Schwelle zur organisierten Staatlichkeit überschritten. Die Wahlvorbereitung fügt sich nach der vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung des Jahres 1992 vertretenen Auffassung zwar sachlich inhaltlich bruchlos in die ständige Wirksamkeit der Parteien ein, allerdings kann sie in organisatorischer Hinsicht weiterhin als eigenständiger Teil betrachtet werden. 641 Insofern ist es auch nach der Aufgabe des Dogmas der Wahlkampfkostenerstattung für das Bundesverfassungsgericht nicht unbedingt 6 3 4

J. Isensee, Verhandlungen des 56. DJT (1986), S. Q 10. P. Kunig, HStR II, § 33, Rn. 84. 6 3 6 Κ Schiaich, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 84. 63 7 W. Henke, NVwZ 1985, 616 (619). 6 3 8 Κ Schlaich t Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 84: "Diese Rechtsprechung ... wird man hinnehmen müssen. Sie ist aber falsch, denn die Parteien sind gesellschaftliche Einrichtungen, die auf die Verfassungsbeschwerde zu verweisen sind."; K. Stern, StR II (2. A.) S. 465; H. Maurer, JuS 1991, 881 (888); ders., JuS 1992, 296 (296 f.). 6 3 9 Tsatsos/Morlok,, Paiteienrecht, S. 129 f.; J. Isensee, Verhandlungen des 56. DJT (1986), S. Q 10; H. Maurer, JuS 1991, 881 (888); P. Kunig, HStR II, § 33, Rn. 84. 6 4 0 Leibholz-Rinck, Art. 21, Rn. 6. 641 BVerfGE 85, 264 (286). 6 3 5

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

erforderlich, die Rechtsprechung hinsichtlich der Beteiligtenfähigkeit der Parteien im Organstreit zu ändern. Im Gegenteil ist der Widerspruch, der bislang aufgrund der Unzulässigerklärung staatlicher Parteienfinanzierung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Beteiligtenfähigkeit im Organstreit gesehen wurde 642 , nunmehr beseitigt. Staatliche Parteienfinanzierung ist zulässig. 3. Fazit Damit wird deutlich, daß die Entscheidung für die grundsätzliche Zulässigkeit einer staatlichen Parteienfinanzierung zwar verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden kann. Sie enthält gleichwohl Aspekte, die Anlaß zu Mißdeutungen geben können.

I I . Verfassungsfragen der Herstellung der Gemeinwohlbindung durch die konkrete absolute Obergrenze Seinem Auftrag zur Hervorbringung des Gemeinwohls versucht das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 mit Hilfe der konkreten absoluten Obergrenze nachzukommen. Der Ansatz des Senats soll an dieser Stelle kurz nachgezeichnet werden. Ihm liegt die zutreffende Erkenntnis zugrunde, daß die Gemeinwohlbindung der staatlichen Entscheidungsträger eine Identifikation von Regierenden und Regierten voraussetzt, die wiederum für eine gelungene inhaltliche Repräsentation steht. Das Gelingen der Repräsentation ist im Parteienstaat letztlich von der Funktionsfähigkeit der Parteien abhängig, die das Bundesverfassungsgericht nunmehr folgerichtig zum Verfassungsgebot erklärt hat. 6 4 3 Die Funktionserhaltung der Parteien wiederum soll über eine den Repräsentanten vorgegebene Plafonierung der an Parteien maximal auskehrbaren staatlichen Zuwendungen erreicht werden. 1. Die absolute Obergrenze und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Anders als im Zusammenhang mit der Herbeiführung der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft setzt der Senat bei der Umfangsbegrenzung nicht auf die Wirkung einer Lenkungsmaßnahme644, sondern auf die einer den Re6 4 2 W. Henke, NVwZ 1985, 616 (619); ähnlich H.H. Klein, Bundesverfassungsgericht und Staatsraison, S. 28. 6 4 3 Siehe hierzu o. S. 112 ff. 6 4 4 Siehe dazu o. S. 120 f.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

231

Präsentanten auferlegten Restriktion. Dies ist aus der Perspektive des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG problematisch. a) Die Pflicht des Staates zur Gemeinwohlhervorbringung Obwohl die grundsätzliche Verantwortung für das Gelingen der Repräsentation in der Sphäre der Gesellschaft und nicht in der des Staates liegt 6 4 5 , hat dieser - und damit das Bundesverfassungsgericht - die Aufgabe, auf die Gemeinwohlorientierung der Repräsentanten hinzuwirken, um den Erfordernissen des Gemeinwohls, dem jeder Staat unentrinnbar verpflichtet ist, mit seinen Mitteln genüge zu tun. 6 4 6 Anzuerkennen ist aber, daß die Mittel, die ihm zu ihrer Hervorbringung zur Verfügung stehen, verfassungsnotwendig begrenzt sind. 6 4 7 Die Ablösung der staatlichen Handlungsträger vom Gemeinwohl kann, wie das Fehlen einer Verfassungsvoraussetzung überhaupt, durch staatliche Interventionen nur sehr bedingt substituiert werden. Insbesondere kann der Staat die Hervorbringung einer ausbleibenden Verfassungserwartung nicht befehlen oder sie im Rahmen einer Ersatzvornahme ohne weiteres selbst herbeiführen. 648 b) Die Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Die Sanktionierung des freien Mandats steht einem Hinwirken des Staates auf die Hervorbringung der Gemeinwohlorientierung der staatlichen Entscheidungsträger nicht entgegen. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG läßt insbesondere auch stabilisierende Einwirkungen des Bundesverfassungsgerichts auf den Prozeß der Repräsentation zu. Dies jedoch nur, solange dieses Einwirken den staatlichen Entscheidungsträgern genügend Raum für eigenverantwortete Entscheidungen läßt. So kann sich das Bundesverfassungsgericht insbesondere auf Lenkungsmaßnahmen verlegen. Deswegen ist das auf der Erwartung des Eintritts eines Lenkungseffekts beruhende Mittel, dessen sich das Bundesverfassungsgericht zur Herbeiführung der Verankerung der Parteien in der Gesellschaft bediente, aus der Sicht des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu beanstanden.649 Die Idee der erfolgsgebundenen Zuwendung staatlicher Mittel war es, eine Steuerung des Finanzierungsverhaltens zu erreichen. Durch den Mo6 4 5

J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 233. J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 186. 64 7 P. Kirchhof HStR, III, § 59 Rn. 1 f.; J. Isensee y HStR, III, § 57 Rn. 78 ff.; 156 ff. 6 4 8 J. Isensee, HStR, V, § 115, Rn. 186. 6 4 9 So insbesondere auch die ausdrückliche Einschätzung durch den Senat selbst. BVerfGE 85, 264 (292). 6 4 6

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

dus für die Mittelverteilung sollte ein Anreiz für die Erhöhung der Basisanbindung geschaffen werden. Das Gericht versuchte also, sich durch eine höhere Alimentierung erfolgreicherer Parteien den Steuerungseffekt einer Subvention zunutze zu machen.650 Die Subventionierung des zur Erfüllung der Verfassungserwartung Erwünschten ist insbesondere als Mittel des Staates zur Hervorbringung einer Verfassungsvoraussetzung anerkannt.651 Durch die, für die Wirksamkeit des Umfangsbegrenzungsaspekts entscheidende 652 , konkrete Festlegung der absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung 653 will das Bundesverfassungsgericht den Entscheidungsträgern im Parlament in dieser Frage allerdings den diesen von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zugewiesenen Entscheidungsfreiraum nehmen. Weil das Gericht hiermit versucht, eine Weisung an die Abgeordneten auszusprechen, wird der Ansatz zur Herstellung der Gemeinwohlbindung über eine konkrete absolute Obergrenze den Anforderungen des freien Mandats gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht gerecht. 2. Ansatz unter Berücksichtigung der Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Zu untersuchen ist daher, welche Möglichkeiten Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zur Stabilisierung der Repräsentation offen läßt. a) Der Verweis des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auf das Ethos Wie sich aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ergibt, liegt der Verfassung die Erkenntnis zugrunde, daß das Gelingen der Repräsentation und damit die Erhaltung des Gemeinwohls vom Amtsethos der Abgeordneten abhängt und auschließlich hierdurch seine verfassungsrechtliche Absicherung erfährt. 654 Weil Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG den Staat letztlich dazu verpflichtet, auf eine gemeinwohlorientierte Amtsführung der Repräsentanten zu vertrauen, muß auch das Mittel, mit dem der Staat die Hervorbringung des Gemeinwohls bewirken will, der Unwägbarkeit, die jedem Vertrauen zugrundeliegt, Rechnung tragen. Die Weisungsungebundenheit des für das Gelingen der Repräsentation verantwortlichen Gewissens der Abgeordneten verdeutlicht, daß die Möglichkeiten, die Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG einer Stabilisierung der Repräsentation durch den 6 5 0 651 6 5 2 6 5 3 6 5 4

Dazu J. Ipsen, JZ 1992, 753 (757). Siehe hierzu: J. Isensee, HStR, V, § 115 Rn. 262. Siehe hierzu o. S. 120 f. Siehe hierzu o. S. 121 ff. Siehe o. S. 203 f.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfhigkeit

233

Staat offen läßt, verfassungsnotwendig ohne Zwang auskommen müssen. Der Staat bewegt sich insofern auf einem schmalen Grat, den er verläßt, sobald er versucht, die staatlichen Entscheidungsträger auf eine bestimmte Entscheidung festzulegen. Der auf das Ethos der Repräsentanten vertrauende Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG läßt insofern für eine Stabilisierung der Repräsentation nur ein Mittel zu, das die Entscheidungfreiheit der Repräsentanten achtet. Diese Entscheidung trifft das Grundgesetz aus der Erkenntnis heraus, daß allein das Ethos eine gemeinwohlorientierte und insofern gegenüber den Repräsentierten verantwortbare Entscheidung bewirken kann. Von dieser Erkenntnis muß auch das Mittel geprägt sein, das die Verfassung dem Staat zur Hervorbringung des Gemeinwohls zur Verfügung stellt. Dieses muß damit arbeiten, sowohl im Volk als auch bei den mit den staatlichen Entscheidungen betrauten Repräsentanten das Bewußtsein für die unabdingbare Erforderlichkeit der Gemeinwohlbindung zu schaffen und damit das Ethos der Repräsentanten zu sensibilisieren. Da die tatsächliche Entscheidung für gemeinwohlorientiertes Handeln letztlich ausschließlich vom Ethos der Repräsentanten und deren Bewußtsein von der Bedeutung und der Unausweichlichkeit und Unabdingbarkeit gemeinwohlorientierten Entscheidens abhängt, gilt es für den Staat, dieses Bewußtsein zu schaffen. Dies allerdings läßt sich nicht mit einem bevormundenden Übergehen der unter Wahrnehmung des freien Mandats zu treffenden Entscheidung der zuständigen Handlungsträger in Regierung und Parlament erreichen. Ein Ansatz, der hierauf zurückgreift, widerspricht nicht bloß den Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, sondern läßt die auch tatsächliche Unmöglichkeit der Erzwingung einer freien Entscheidung außer acht. Der Beitrag, den der Staat bei der Hervorbringung einer am Gemeinwohl orientierten Entscheidung leisten kann, muß sich angesichts dessen auf die Sensibilisierung des Gemeinwohlethos der Entscheidungsträger und die Schaffung eines Bewußtseins für die Notwendigkeit einer derartigen Entscheidung beschränken. Einer Bewußtseinsschaffung kann die auf einer freien Entscheidung beruhende Erfüllung einer Verfassungserwartung durch die staatlichen Entscheidungsträger nachfolgen. Es liegt in der Logik jeder weisungsfreien Entscheidung, daß die Sensibilisierung des Ethos der Repräsentanten einen positiven Einfluß auf die Repräsentation nicht garantieren kann. Verzichtet das Grundgesetz unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis sowohl auf dienstrechtliche Sanktionen655 nach einer festgestellten Gemeinwohlabwendung, als auch auf den besonderen inneren Zwang, den ein Amtseid den Abgeordneten 656 auf6 5 5 6 5 6

Siehe dazu J. Isensee, HStR, III, § 57, Rn. 102. Siehe zur Ausnahme für die Mitglieder der Bundesregierung Art. 64 Abs. 2 GG.

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

erlegen könnte, so verleiht es seiner in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG getroffenen Entscheidung für die Freiheit des Gewissens und damit zugleich für die Anerkennung ihres Risikos besonderen Nachdruck. 657 Bleibt die vom Bundesverfassungsgericht gewünschte und von diesem für richtig gehaltene Entscheidung in einem heiklen Fall dennoch aus, dann ist dies eine Ausprägung der Möglichkeit des Scheiterns der Demokratie. Diese ist eine denkbare Konsequenz des "Wagnisses der Freiheit" 658 , welches sich nicht institutionell aufhalten oder abfangen läßt. Die von diesem Wagnis herrührende Labilität gehört zur Eigenart der Demokratie, die man auf dem Boden dieser Staatsform nicht wegorganisieren kann. 6 5 9 Hier wird die systemimmanente Schwäche der repräsentativen Demokratie offenbar, die der "Abhängigkeit des Verfassungsstaates von vorverfassungsmäßigen Voraussetzungen der politischen Moral" 6 6 0 korreliert. Daß die Folgen, die diese Abhängigkeit mit sich bringt, fatale Auswirkungen für den Staat haben können, darf dabei nicht übersehen werden. Da die Gemeinwohlorientierung der staatlichen Handlungsträger nicht nur eine Verfassungserwartung, sondern zugleich eine Verfassungsvoraussetzung ist, wird der Verfassung bei ihrem Ausbleiben eine Voraussetzung entzogen. Dies wird zunächst das Fundament der repräsentativen Demokratie brüchig werden lassen und in letzter Konsequenz den Einsturz der Verfassung insgesamt ermöglichen. 661 Aufgrund der engen Verbindung von Ethos, Gemeinwohlorientierung und Gelingen inhaltlicher Repräsentation wird der Einfluß deutlich, den die Selbstgefälligkeit von Politikern auf die Struktur des demokratischen Systems haben kann. 662 In der staatsrechtlichen Literatur finden sich, soweit ersichtlich, zwei Abhandlungen, deren Thema ein Wegfall von Verfassungsvoraussetzungen in Anknüpfung an konkrete Sachverhalte ist. 663 In "Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus" wurde von C. Schmitt die These aufgestellt, daß Diskussion und Öffentlichkeit die Elemente 6 5 7 Siehe zur grundsätzlichen Wirkungskraft der im Amtsethos festgelegeten politischen Moral als Korrektiv für die im Rahmen des freien Mandats getroffenen Entscheidungen, E.-V. Heyen, Der Staat 25 (1986), 35 (53 f.). Die Unwirksamkeit der durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommenen konkreten Vorgabe am Ethos der Repräsentanten vorbei, belegt demgegenüber die Umsetzung des Urteils im Rahmen der Änderung des Parteiengesetzes von 1994 nachdrücklich. Siehe hierzu o. S. 210 ff. 6 5 8 J. Isensee, HStR V, § 115, Rn. 179. 6 5 9 E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (327). 6 6 0 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 68. 66 1 H. Krüger, Scheuner-FS. (1973), S. 285 (293). 6 6 2 Diesen Einfluß der Gemeinwohlabwendung der Repräsentanten auf die Struktur des demokratischen Systems bestreitend allerdings: H.H. Klein, Helmrich-FS., S. 255 (260). 6 6 3 Hierauf weist H. Krüger, Verfassungsvoraussetzungen und Verfassungserwartungen, Scheuner-FS. (1973), S. 285 (291) hin.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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sind, die Leben und Gedeihen des Parlamentarismus voraussetzen.664 Da er beide deshalb für entfallen hielt, weil die eigentliche Entscheidungsfindung nicht in öffentlicher Rede und Gegenrede im Plenum sondern vorab in nicht öffentlichen Gremien stattfindet, hielt er die entscheidende Voraussetzung des Parlamentarismus für entfallen. 665 In "Das Wesen der Repräsentation" proklamierte G. Leibholz das Ersetzen der repräsentativen Demokratie durch die Parteiendemokratie und damit gleichsam den Wegfall der Verfassungsvoraussetzung des weisungsfreien Mandats. Während die Unabhängigkeit der Repräsentanten vor Geltung des Art. 21 GG eine Verfassungs Voraussetzung der Demokratie dargestellt habe, sei diese unter Geltung dieser Norm durch die Herrschaft der Parteien ersetzt worden; Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG sei nur noch dazu erforderlich, äußerste Konsequenzen des Parteienstaates abzuwenden.666 Insofern geht Leibholz vom Wegfall der Verfassungs Voraussetzung des weisungsungebundenen Mandats durch das parteigebundene Mandat aus, hält es aber zugleich für durch die Parteienherrschaft ersetzt, so daß ersteres letztlich nur verdrängt wurde. 667 Die genaue Kenntnis der möglichen Folgen eines Ausbleibens der Gemeinwohlorientierung staatlicher Handlungsträger ist eine wichtige Voraussetzung für eine Bewußtseinsänderung bei Repräsentanten und Repräsentierten. Damit ist zu untersuchen, inwieweit das Bundesverfassungsgericht zur Schaffung dieses Bewußtseins beigetragen hat. b) Die Sensibilisierung des Ethos durch das Bundesverfassungsgericht Das Grundgesetz gibt dem Staat den Auftrag, mit der Sensibilisierung des Ethos, als dem Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG entsprechenden Mittel, die Gemeinwohlhervorbringung zu unterstützen und damit zur Stabilisierung der Repräsentation beizutragen. Zu untersuchen gilt es also, ob das Bundesverfassungsgericht diesen Auftrag in zureichender Weise umgesetzt hat. aa) Der prima facie Eindruck Die Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 vermittelt den Eindruck, daß ein finanzielles Kürzertreten der Parteien angezeigt ist. Das Einfrieren der Zuwendungen auf dem Stand von 1992 verbunden mit einem Modus zur ausschließlich erfolgsgebundenen Verteilung der staatlichen Zuwendungen, das verfassungshaushaltsgerechte Zurechtstutzen des Steuerrechts, die Anregung zur Konsultierung unabhängigen Sachverstandes, dies alles konnte und mußte 6 6 4

C. Schmitt, Parlamentarismus, S. 63. Schmitts These basiert allerdings auf der unzutreffenden Prämisse, daß Repräsentation und Mittelbarkeit als deren feindliche Elemente gelten. Sie soll hier mit E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (306 ff.) als überwunden betrachtet werden. 6 6 6 G. Leibholz, DVB1. 1951, 1 (6 f.). 6 6 7 Siehe zu einer Ablehnung der leibholzschen Konzeption, o. S. 133 ff. 6 6 5

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

als "Schuß vor den Bug" 6 6 8 der Parteien und damit auch als Apell an das Ethos der staatlichen Handlungsträger aufgefaßt werden. Bezogen auf eine Detailfrage, nämlich hinsichlich der Unterscheidung zwischen sachgerechtem und sachwidrigem Einfluß von Spenden auf die Politik, weist das Gericht die Parteien sogar ausdrücklich auf ihre Verantwortung in dieser Frage hin. Es verbindet dies mit dem Hinweis, daß die Art und Weise, in der die Parteien dieser Verantwortung gerecht werden, zu einem wesentlichen Teil ihr Ansehen und damit zugleich das des demokratischen Staates bestimmt. 669 An dieser Stelle wird deutlich, daß der Senat "krisenhafte Symptome der Parteiendemokratie erkannt" 670 hat und die Parteien in der Pflicht zur Abhilfe sieht. bb) Die nachhaltige Sensibilisierung des Ethos Fraglich ist aber, ob die Repräsentanten durch die Entscheidung nachhaltig zu einer tiefergreifenden Reflexion über die Folgen gemeinwohlwidriger Amtsführung veranlaßt werden konnten. Unter Berücksichtigung des in den Reihen der Parteien festgestellten Bedürfnisses zur Erhaltung und Maximierung von politischer Macht und den hierfür erforderlichen Besitzständen liegt es auf der Hand, daß es hierzu eines deutlich vernehmlichen Kassandrarufes bedarf, um die für erforderlich gehaltene Bewußtseinsanspannung zu aktivieren. Daß die Entscheidung dieser Anforderung hinreichend Rechnung trägt, ist mit erheblichen Zweifeln behaftet. (1) Die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher Parteienfinanzierung Durch die Sanktionierung der grundsätzlichen Zulässigkeit der staatlichen Parteienfinanzierung hat der Senat gleichzeitig die Fürsorge des Staates für die Parteien festgeschrieben. Hierin können die Parteien das Signal erblicken, der Staat unterstütze diese nicht nur dann noch, wenn sie ihre Funktionsfähigkeit aus eigener Kraft nicht mehr gewährleisten können, sondern darüber hinaus auch noch dann, wenn sie durch ihre Selbstzerstörung die Funktionsfähigkeit des Staates gefährden. Das hiervon ausgehende Signal wird größere Selbstzweifel der Parteien nicht veranlassen können. Insofern ist die Gestattung der Allgemeinfînanzierung dazu geeignet, den Parteien zu suggerieren, sie seien von einem tiefergehenden Überdenken ihrer Finanzierungspraxis entbunden. 66 8 6 6 9 6 7 0

R. Reifenrath, FR v. 10.04.1992. BVerfGE 85,264 (326). So auch J. Berkemann, JR 1992,450 (457).

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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(2) Die Höhe der Parteienfinanzierung Darüber hinaus spricht die Höhe der zugelassenen Zuwendungen gegen eine nachhaltige Sensibilisierung des Ethos der Repräsentanten. Mit der Einstufung des Status Quo der Jahre 1989 bis 1992 von D M 230 Mio. als verfassungsrechtlich unbedenklich, läßt das Gericht den Parteien einen Besitzstand, der das Ergebnis eines langen Prozesses immer weiter eskalierender Parteienfinanzierung ist. Gerade die Höhe dieser in weiten Teilen der Öffentlichkeit bereits als übergebührlich empfundenen Finanzierung, dürfte nach der Logik der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung von Parteienverdrossenheit geleistet haben. Daß der Senat den Parteien das an Zuwendungen beläßt, was den zu beklagenden Mißstand begründet hat, mußte bei den Parteien jedenfalls nicht unbedingt den Eindruck erwecken, daß ein deutliches Umdenken erforderlich ist. Die Festlegung der verfassungsrechtlich unbedenklichen Höhe beim Status Quo von 1992 nimmt der Begrenzung der Parteienfinanzierung vielmehr einiges von ihrer Schärfe. Die Parteien konnten das Urteil nämlich so verstehen, als sei unter Beibehaltung des Status Quo noch keine Gefahr für den Staat zu besorgen. Angesichts der aus der Entwicklung der Parteienfinanzierung resultierenden Erfahrungen kann dem Senat nicht die allzu naive Einschätzung unterstellt werden, die absolute Obergrenze bedeute nicht zugleich die absolute Untergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung. Für die Annahme eines deratigen Bewußtseinswandels in den Reihen der Repräsentanten fehlte dem Gericht jeglicher Anhaltspunkt. cc) Fazit Das Bundesverfassungsgericht beläßt die Parteien in dem Bewußtsein, daß bei Beibehaltung der Zuwendungen, sofern sie erfolgsgebunden verteilt werden, keine Gefahr für die Repräsentation droht und zugleich eine ausreichende Identifikation gewährleistet ist. Hierdurch vermittelt das Gericht den Parteien ein ambivalentes Signal. Einerseits soll die als überhöht empfundene Parteienfinanzierung den Staat gefährden, andererseits kann aber auf eine Senkung der Zuwendungshöhe verzichtet werden. Ein deutlicher Hinweis auf das mangels Identifikation drohende Ausbleiben der Repräsentation und den hieraus drohenden Folgen für das Schicksal der repräsentativen Demokratie unterbleibt. Statt dessen entscheidet sich der Senat unter Mißachtung der Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG dazu, eine konkrete absolute Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung zu ziehen. Im Ergebnis bleibt das Urteil damit hinsichtlich

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

der Sensibilisierung des Gemeinwohlethos der Repräsentanten deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück. 3. Die Fundierung des Ansatzes aus der Idee der repräsentativen

Demokratie

Es gilt den hier vorgeschlagenen Ansatz, der die Sensibilisierung des Gemeinwohlethos als Weg zur Stabilisierung der Repräsentation aufgezeigt hat, aus der Perspektive der repräsentativen Demokratie zu begründen. a) Das Risiko der repräsentativen Demokratie Da der Verfassungsstaat des Grundgesetzes die freie Selbstbestimmung und Entfaltung seiner Bürger ermöglichen will, ist die repräsentative Demokratie als Grundbedingung der Freiheit 671 die ihm adäquate Staatsform. Weil sie der Freiheit Rechnung trägt, zwingt die repräsentative Demokratie ein Gemeinwesen notwendig dazu, die Kraft und Bereitschaft aufzubringen, die mit der Entscheidung für die Freiheit verbundenen Risiken zu tragen. 672 Weil es als Gesetzmäßigkeit der Demokratie verstanden werden muß, daß deren Funktionieren rechtlich gesehen, das heißt durch rechtliche Vorkehrungen des Staates, zwar ermöglicht, nicht aber endgültig gewährleistet werden kann und - positiv wie negativ - im Handeln der Repräsentanten Gestalt gewinnen muß 6 7 3 , ist die Schaffung und Einhaltung "ethischer Voraussetzungen" im Volk und in den Reihen seiner Repräsentanten674 eine Erwartung der Verfassung an das Gemeinwesen.675 Die repräsentative Demokratie stellt ein Volk, das diese Staatsform gewählt hat, insofern auf eine ständige Bewährungsprobe. Dadurch, daß sie hinsichtlich der Repräsentation des Volkes auf die verantwortliche Entscheidung weniger vertraut und diesen die Verantwortung für das Gelingen der Repräsentation überantwortet, stellt sie zum einen ihr Vertrauen in die Freiheit unter Beweis. Zum anderen setzt sie sich aber zwangsläufig zugleich dem mit dieser Entscheidung verbundenen Risiko aus. Wenn das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung trifft, die der Hervorbringung des Gemeinwohls dienen soll, kommt es nicht umhin, die Begrenztheit der Mittel anzuerkennen, die dem Staat in der repräsentativen Demokratie hierfür zur Verfügung stehen. Insbe6 7 1 So K. Hesse, Grundzüge, Rn. 165. Dazu eingehend E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (301 ff.). 6 7 2 Dazu E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS. S. 301 (327); siehe auch dens. in HStR, II, § 30, Rn. 29. 67 3 E.W. Böckenförde, Eichenberger-FS., S. 301 (319). 6 7 4 Siehe dazu E.W. Böckenförde, HStR, I., § 22 Rn. 74 ff. 6 7 5 Siehe dazu o. S. 205 ff.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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sondere hat das Gericht anzuerkennen, daß die repräsentative Demokratie systemimmanente Risiken in sich birgt. Das Erfordernis der Inkaufnahme eines derartigen Risikos und damit zugleich die Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG hatte der Zweite Senat in einer anderen als krisenhaft aufgefaßten Situation im Jahr 1982 akzeptiert. 676 Nach einem erfolgreichen Mißtrauensvotum vom 01.10.1982 stellte Bundeskanzler H. Kohl am 13.12.1982 die Vertrauensfrage. Die am 17.12.1982 erfolgte Abstimmung ergab bei 482 abgegebenen Stimmen 5 Ja-Stimmen, 218 Nein-Stimmen und 248 Enthaltungen. Auf Vorschlag des Bundeskanzlers löste Bundespräsident K. Carstens mit Anordnung vom 06.01.1983 den 9. Bundestag gemäß Art. 68 GG auf 6 7 7 Hier wurde von den Antragstellern und deren Prozeßvertretern die Entstehung Weimarer Verhältnisse angemahnt678 und gar ein drohender Staatsstreich 679 in Betracht gezogen. 680 Damit war die damalige Situation der nunmehr beklagten insoweit vergleichbar, als hier wie dort eine Destabilisierung des Staates befürchtet wurde. 681 Trotz der Mahnungen hinsichtlich einer drohenden Krise entschied sich das Bundesverfassungsgericht 682 letztlich dafür, die von der Mehrheit der Abgeordneten beschlossene Auflösung des Bundestages gemäß Art. 68 GG unbeanstandet zu lassen. Allerdings nahm der Senat eine sogenannte materielle Auflösungslage nach Art. 68 Abs. 1 GG an. 6 8 3 Die Befugnis des Bundeskanzlers, ein Verfahren nach Art. 68 GG anzustreben, hielt das Gericht nur für den Fall für berechtigt, daß die "politischen Kräfteverhältnisse im Bundestag seine Handlungsfähigkeit so beeinträchtigen oder lähmen, daß er eine vom stetigen Vertrauen der Mehrheit getragene Politik nicht sinnvoll zu verfolgen" in der Lage ist. 6 8 4 Diese Voraussetzungen hielt der Senat für gegeben, obwohl der gesamte Verfahrensablauf des Regierungswechsels bereits in allen Einzelheiten fest-

6 7 6 BVerfGE 62, 1 (1 ff.) mit abweichenden Meinungen der Richter Zeidler, ebda. S.64 ff., Rinck, ebda. S. 70 ff. und Rottmann, ebda. S. 108 ff. 6 7 7 Siehe zu der Entwicklung der Krise: K. Bohnsack, ZParl 1983, 5 (5 ff.), ferner W. Zeh, ZParl 1983, 119 (119 f.). 6 7 8 Siehe dazu H.H. Klein., ZParl 1983, 402 (403). 6 7 9 Siehe dazu H.H. Klein,, ZParl 1983, 402 (403). 680 w i l l man das z u Beginn der neunziger Jahre beklagte Drohen von Weimarer Verhältnissen nicht ketzerisch als späte Folge des Koalitionswechsels von 1982 begreifen, dann hat sich diese Einschätzung spätestens in der Rückschau als unzutreffend erwiesen. 6 8 1 Damals freilich brauchte der Schutz des Staates nicht über den Weg eines Schutzes der Parteien vor sich selbst zu erfolgen. 6 8 2 BVerfGE 62, 1 (33 ff.). 6 8 3 BVerfGE 62, 1 (42 f.). 6 8 4 BVerfGE 62, 1 (44).

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3. Teil: Teilallgemeinfanzierungskonzeption und Grundgesetz

gelegt war, bevor die Vertrauensfrage überhaupt gestellt wurde. 685 Auch in diesem Fall war das Bundesverfassungsgericht also rasch mit der Annahme der Voraussetzungen einer Krisensituation bei der Hand. Allerdings vertraute es in dieser Situation - anders als in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 - auf eine schnelle Stabilisierung der politischen Lage unter der neuen Regierung und ließ der freien politischen Entwicklung ihren Lauf. Zutreffenderweise fand diese Entscheidung insbesondere unter Berufung auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Zustimmung. Das Verfassungsrecht - so wurde ausgeführt - könne einer Krisensituation zwar insofern entgegentreten, als es verhindern könne, "daß destruktive Mehrheiten die Auflösung des Parlaments oder den Sturz der Regierung herbeizuführen vermögen. Es (könne) jedoch die Entstehung solcher Mehrheiten nicht unterbinden oder umgekehrt erzwingen, daß sich eine konstruktive Mehrheit (bilde). ... Ein Parlament, das seine Aufgaben, ..., nicht mehr erfüllen (könne) oder (wolle) - was wegen der politischen Entscheidungsfreiheit der Mitglieder regelmäßig das gleiche (sei) - künstlich am Leben erhalten zu wollen 686 , (sei) eine sinnwidrige Vorstellung gerade dann, wenn man Stabilität und Handlungsfähigkeit als Ziele des geltenden Verfassungsrechts erkenn(e). Die organisationsrechtlichen Normen des Verfassungsrechts (hätten) die politischen Kräfte nicht in ein zu enges Korsett eingeschnürt." 687 Diese Ausführungen des späteren Berichterstatters der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 sind deshalb so beachtlich, weil sie begrüßen, daß das Bundesverfassungsgericht sich einen Eingriff in die Entscheidung der Repräsentanten versagte. Erkennt man aber an, daß der Staat dem Risiko einer Funktionsbeeinträchtigung des Parlaments aufgrund Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nur bedingt entgegentreten kann, so muß das nunmehr gefundene Ergebnis verwundern. b) Die Verantwortung des Gemeinwesens für die Nichtreal isierung des Risikos Realisiert sich das Risiko der Demokratie dadurch, daß die mit der Macht zur Entscheidung betrauten Amtsträger das Vertrauen der Verfassung enttäuschen, indem sie Entscheidungen treffen, die die Repräsentation auf lange Sicht gefährden, hängt es letztlich von der freien Entscheidung der Repräsentanten ab, ob sie diese Entscheidungen unterlassen und hierdurch die Funktionsfähigkeit des Staates gewährleisten. Zwar ist es angesichts der Gemeinwohlver6 8 5 Siehe hierzu das Sondervotum des Richters Rottmann, BVerfGE 62, 1 (113 ff.) Kritisch diesbezüglich auch: J. Ipsen, StaatsR, Rn. 417. 6 8 6 Diese Wendung bei K. Stern, StR II (1980), S. 72. 6 8 7 H.H. Klein, ZParl 1983, 402 (411 f., 413)

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

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pflichtung des Staates seine Aufgabe, die Schaffung dieses Bewußtseins anzuregen und die Reflexion über Mißstände anzustoßen; freilich ohne die Hervorbringung des Gemeinwohls erzwingen zu können. 688 Die Erkenntnis, daß es einer Stabilisierung der für die Funktionsfähigkeit des Staates erforderlichen Repräsentation bedarf, muß sich aber letztlich bei den staatlichen Entscheidungsträgern herausbilden. Weil es ein Faktum darstellt, daß das Dilemma der Freiheit nicht durch den noch so klugen Einsatz staatlicher Mittel gelöst werden kann, können die wesentlichen Impulse für eine Stabilisierung der Repräsentation nicht vom Staat kommen, sondern müssen vom Gemeinwesen ausgehen. 6 8 9 Eben weil sich die staatlichen Handlungsträger zu Entscheidungen, die eine Identifikation ermöglichen, letztlich nur auf den nachhaltigen Druck der Repräsentierten hin entschließen werden, von deren Entscheidung ihre Machtausübung abhängt, liegt gerade im Gemeinwesen das Potential für eine Stabilisierung der Repräsentation. Daher muß sich zunächst im Volk selbst die Erkenntnis und der Wille durchsetzen, daß die Hervorbringung des Gemeinwohls erforderlich ist. c) Die Voraussetzungen der Beseitigung eines Mangels der Repräsentation Weil ein sich diffus äußernder Wille noch keine Veränderung im Repräsentationsprozeß bewirken kann, bedarf es dessen Übertragung auf die staatlichen Entscheidungsträger. Die Übermittlung des hierauf gerichteten Volkswillens ist ein schwieriger, weil zäher und langwieriger Prozeß. Sein Gelingen stellt eine immense Herausforderung an eine Gesellschaft dar. Dieser Prozeß kann nicht dadurch in Gang geraten, daß das Gemeinwesen diffus Parteienverdrossenheit signalisiert. Hier ist von Seiten der Repräsentierten ein dauerhaftes und zähes Einfordern von Repräsentation erforderlich. Dieses kann das Bundesverfassungsgericht nicht dadurch ersetzen, daß es die in der Gesellschaft feststellbare Parteienverdrossenheit durch einen zu kurz greifenden und aus kompetenzieller Sicht unzulässigen, isolierten Eingriff in die Repräsentation zu bekämpfen sucht. Dieser, allein bei der Überfinanzierung ansetzende Eingriff kann sich nur mit dieser einzelnen Ursache der Parteienverdrossenheit auseinandersetzen. Die übrigen Wurzeln des vielschichtigen Phänomens, das auf der Verselbständi-

6 8 8 J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 78 ff. spricht daher von einer "arbeitsteiligen Verantwortung von Staat und Gesellschaft." 6 8 9 J. Isensee, HStR, V, § 115 Rn. 264.

16 Schwartmann

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

gung einer nicht mehr zum Dienst für das Volk bereiten politischen Klasse 690 basiert, kann er nicht berühren. Eine Ansehenssteigerung der Parteien kann indes nicht durch ein isoliertes Ansetzen bei einer Ausprägung des Phänomens Parteienverdrossenheit bewirkt werden, sondern setzt vielmehr eine Bewußtseinsänderung der staatlichen Handlungsträger in Regierung und Parlament sowie eine solche der Repräsentierten selbst voraus. Um diese Verbesserung des Ansehens der Parteien zu bewirken, ist eine gezielte sowie dauerhaft und konsequent gewollte und vollzogene Artikulation des Volkswillens erforderlich. Der Erfolg dieser Artikulation kann in der auf freier Entscheidung beruhenden Gemeinwohlorientierung der staatlichen Entscheidungsträger liegen. Daß diese Äußerung des Volkswillens in der als Parteiendemokratie konzipierten Demokratie des Grundgesetzes wiederum nur über die Parteien selbst möglich ist 6 9 1 , hat unbestreitbar Züge eines Dilemmas. Seine Tragweite verdeutlicht die von Parteienverdrossenheit geprägte gesellschaftliche Situation der Bundesrepublik zu Beginn der neunziger Jahre. Zugleich zeigt sich, wie behutsam und kritisch das Bundesverfassungsgericht als Anwalt der repräsentativen Demokratie die für den Staat unabdingbar erforderlichen und zugleich gefährlichen Parteien behandeln muß. Es erweist sich insofern, daß die Parteien, "wiewohl für die repräsentative und pluralistische Demokratie unersetzbar, doch eine der wesentlichen Schwachstellen des Systems bilden, gegen die überzeugende Abhilfen bisher nicht entdeckt worden sind." 692 d) Fazit Die Schwierigkeiten, welche die repräsentative Demokratie dem Gemeinwesen bereitet, liegen im Wesentlichen darin begründet, daß die Stabilisierung einer angeschlagenen Demokratie allein unter Berücksichtigung der Gesetzmäßigkeiten dieser von individueller Freiheit geprägten Staatsform möglich ist. Diese Gesetzmäßigkeiten bestehen zum einen darin, die von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in den Mittelpunkt der repräsentativen Demokratie gerückte freie Entscheidung der Repräsentanten zu akzeptieren. Jede Stabilisierung der repräsentativen Demokratie ist damit an die Einsicht der sich aus dem Gemeinwesen rekrutierenden staatlichen Handlungsträger gebunden. In der Parteiendemokratie ist sie mutatis mutandis zugleich nicht an der Entscheidung der Führungsgremien 6 9 0 E. W. Böckenförde weist darauf hin, daß die Politiker sich mittlerweile selbst als eigene Klasse definieren und stellt die Frage, ob diese "da nicht schon verloren" haben. FAZ-Magazin, Heft 737 v. 15.04.1994, S. 12 (22). Siehe mit einem ähnlichen Befund: P.M. Huber, JZ 1994, 689 (695 f.). 6 9 1 Siehe hierzu o. S. 167 ff. 6 9 2 D. Grimm, in: Schneider/Zeh, § 7, Rn. 42.

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfähigkeit

243

politischer Parteien vorbei möglich. Dieses Phänomen als Faktum zu akzeptieren und die Mittel zur Sicherung des Staates dieser Realität anzupassen, entspringt weder Fatalismus noch Naivität, noch bedeutet die Entscheidung hierzu eine Verurteilung des Staates zur Handlungsunfähigkeit. Dem hier vertretenen Standpunkt liegt vielmehr eine Besinnung auf das zugrunde, was in der repräsentativen Demokratie möglich und geboten ist. Er begreift es als Gesetzmäßigkeit, daß ein Wandel innerhalb eines freiheitlichen Staatssystems nur durch eine freibestimmte Entscheidung der Repräsentierten zum Wandel vonstatten geht, und diese wiederum nur nach einer erfolgreichen Vermittlung dieser Entscheidung an die Repräsentanten ihr Ziel erreicht. Der Standpunkt trägt damit der Erkenntnis Rechnung, daß die Verfassung Voraussetzungen lebt, die sie selbst um der Freiheit willen nicht garantieren kann. 6 9 3 Dies gilt, weil sie aus der Idee einer Integration freier Bürger lebt, die sie selbst nicht erzwingen kann. 6 9 4 Die repräsentative Demokratie ist auch in Krisensituationen in letzter Konsequenz auf das Vertrauen in das Ethos einer "großen Koalition von Vernünftigen" angewiesen.695 Das Grundgesetz fordert von einem Gemeinwesen daher, die Kraft aufzubringen, sich der Gefahr des eigenen Zerfalls in einer Weise anzunehmen, die den Vorgaben und Gesetzmäßigkeiten der repräsentativen Demokratie entspricht. Diesen Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 nicht Rechnung getragen, weil es versucht hat, die Funktionserhaltung der Parteien durch die konkrete Ziehung einer Höchstgrenze zulässiger staatlicher Parteienfinanzierung zu sichern.

I I I . Ergebnis des Zweiten Abschnitts Das Gemeinwohl beruht in der Verfassung eines freiheitlichen Staates auf heiklen Voraussetzungen, die außerhalb der Verfügungsmacht des Staates liegen und gegen deren Ausfall er keine Garantie übernehmen kann. 6 9 6 Für die Verfassungsgerichtsbarkeit ergibt sich hieraus, daß sie die Erwartungen der Verfassung zwar definieren und zu deren Erfüllung beitragen muß, daß sie aber nicht imstande ist, die Voraussetzungen der Verfassung umfassend zu schützen.697 Die Chance, die die repräsentative Demokratie sich gibt, liegt nicht in einer mit der Wirksamkeit nicht vorhandener Omnipotenz spekulieren6 9 3 6 9 4 6 9 5 6 9 6 6 9 7

16*

H.H. Klein, Carstens-FS., S. 645 (660); J. Isensee, HStR, V, § 115 Rn. 19. J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 56. Ausdruck v. W. Dettling, Die Zeit, Nr. 11 v. 11.03.1994, S. 14. E.W. Böckenförde, Sittlicher Staat, S. 36 f.; J. Isensee, HStR, III, § 57 Rn. 87. H Krüger, Scheuner-FS. (1973), S. 285 (285 ff.).

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

den Verfassungsgerichtsbarkeit, sondern vielmehr in der Optimierung der Repräsentation. Diese läßt sich letztlich nur durch das Gemeinwesen selbst hervorbringen. Der Ansatz, den die Verfassung vorgibt, liegt damit in der Sensibilisierung des Ethos des Volkes und der Volksvertreter. Weil sich in der Demokratie letztlich keine Verbesserung gesellschaftlicher Mißstände ohne die auf einem freien Entschluß beruhende und spürbar artikulierte Entscheidung der Repräsentierten herbeiführen läßt, können Interventionen des Staates in den freien demokratischen Willensbildungsprozeß die Niederlage des Parteienstaates nicht verhindern 698, sondern diese bestenfalls verzögern. So überzeugend die Intention des Bundesverfassungsgerichts, der Parteienverdrossenheit durch eine Rückführung der Parteien auf ihre Basis, verbunden mit einer reduzierten, erfolgsorientierten Parteienfinanzierung, entgegenzutreten, im Ansatz ist, so wenig überzeugend ist dessen Umsetzung. Ihr Fehler liegt darin, daß sie durch die Festlegung der konkreten absoluten Obergrenze die Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG umgeht und damit die Entscheidung der repräsentativen Demokratie für die Freiheit des Mandats der staatlichen Handlungsträger unterläuft. Hiermit unternimmt das Gericht den Versuch, den Repräsentationsprozeß durch eine den Repräsentanten auferlegte Restriktion zu beeinflussen. Ein demokratischer Staat muß indes mit dem Risiko der Dysfunktionalisierung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand leben. Unter der Voraussetzung, daß das Gemeinwesen sich mit den dieser Dysfunktionalisierung zugrundeliegenden Ursachen auseinandersetzt, kann es mit diesem Umstand umgehen und ihm möglicherweise abhelfen. Sieht das Bundesverfassungsgericht eine Gefahr für den Staat, weil sich die etablierten Parteien nach seiner Einschätzung selbst gefährden, so ist es von Verfassungs wegen darauf verwiesen, das Bewußtsein der Repräsentierten und der Repräsentanten für diesen Mißstand zu wecken. Ihm ist allerdings zugleich geboten, sich hierauf zu beschränken, weil es die von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vorgegebene Verantwortlichkeit der Repräsentanten für das Gelingen der Repräsentation zu akzeptieren hat. 6 9 9

6 9 8

H. Schiedermair, AÖR 104 (1979), 201 (224). Bezogen auf die Parteien erweist sich daher die Einschätzung H. Schiedermairs, AÖR 104 (1979), 201 (224) als zutreffend, der ausführt: "Wenn die parteienstaatliche Demokratie durch die mangelnde Funktionsfähigkeit der politischen Parteien gefährdet ist, können Korrekturen, die von der Staatsorganisation vorgenommen werden, die Gefahr nicht abwenden. Vielmehr führt eine erweiterte ... Kontrolle der staatlichen Gerichte über die politischen Parteien zu Interventionen ..., die die Niederlage der parteienstaatlichen Demokratie nicht verhindern, sondern nur beschleunigen können." 6 9 9

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfhigkeit

245

Dritter Abschnitt

Ergebnis des Dritten Teils Hinsichtlich der vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Neuinterpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit getroffenen Aussagen, deren verfassungsrechtliche Untersuchung Gegenstand des dritten Teils war, läßt sich folgendes Ergebnis formulieren.

A. Das Verfassungsgebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien Die Untersuchung hat ergeben, daß die verfassungsgerichtliche Umsetzung des Gebotes zur Funktionserhaltung der Parteien den Anforderungen des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht gerecht wird. Aufgrund der Gemeinwohlverpflichtung aller Staatsgewalt ist das Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet, zur Hervorbringung der Gemeinwohlorientierung der staatlichen Entscheidungsträger in Regierung, Parlament und politischen Parteien beizutragen. Um dieser Aufgabe nachzukommen, hat das Gericht in der Parteienfinanzierungsentscheidung von 1992 im Rahmen einer Teilallgemeinfinanzierungskonzeption das Gebot zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Parteien entwickelt, das es aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit [VS.] herleitet. Damit hat es sich zugleich zur Pflicht gemacht, einem wachsenden Ansehensverlust der Parteien entgegenzuwirken, um hierdurch die Repräsentation durch die Gemeinwohlorientierung der Repräsentanten zu stabilisieren. Dies ist aus der Perspektive der Gewaltenteilung zu beanstanden, weil sich ein Zusammenhang zwischen einer Funktionsbeeinträchtigung der Parteien und einer solchen des Staates nicht nachweisen läßt. Das vom Gericht zur Gewährleistung der Funktionserhaltung der Parteien gewählte Mittel, ist die konkrete absolute Obergrenze der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung. Die Untersuchung hat ergeben, daß das Bundesverfassungsgericht bei der Wahl dieses Mittels die Vorgaben des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht hinreichend beachtet hat.

B. Die Verfassungsgebote zur Verankerung der Parteien in der Gesellschaft und zur sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel Die im Rahmen der Teilallgemeinfinanzierungskonzeption aufgestellten Verfassungsgebote zur Verankerung der Parteien in der Gesellschaft und der

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3. Teil: Teilallgemeinfinanzierungskonzeption und Grundgesetz

sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel sind demgegenüber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Vierter Abschnitt

Zusammenfassung und Gesamtergebnis Die Untersuchung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung vom 09. 04. 1992 hat ergeben, daß das Gericht die einfachgesetzliche Rechtslage nach dem Fünften Änderungsgesetz zum Parteiengesetz von 1988 in entscheidenden Teilen für verfassungswidrig hielt. Das Gericht nutzte die Entscheidung des Jahres 1992 dazu, seinen Standpunkt hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung neu zu bestimmen. Diese ist nunmehr im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings verlangt der Grundsatz der Staatsfreiheit, der staatlichen Parteienfinanzierung eine relative und absolute Obergrenze zu ziehen, sowie eine streng erfolgsorientierte Verteilung der staatlichen Zuwendungen vorzunehmen. Die Überprüfung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Vorgaben an der Verfassung hat gezeigt, daß die relative Obergrenze und der Modus für die erfolgsgebundene Mittelverteilung methodisch einwandfrei aus der Verfassung abgeleitet wurden und nicht auf materiell-verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Bezüglich der absoluten Obergrenze hat sich indessen ergeben, daß diese nur in ihrer abstrakten Form den Vorgaben des Grundgesetzes entspricht. Die darüber hinaus gezogene konkrete absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung ist demgegenüber verfassungsrechtlich zu beanstanden. Diese ist nicht in methodisch nachvollziehbarer Weise aus der Verfassung abgeleitet worden. Zudem ist diese Vorgabe einer konkreten absoluten Obergrenze aus der Perspektive des materiellen Verfassungsrechts nicht zu halten, weil das Grundgesetz in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall dem Bundesverfassungsgericht die Kompetenz zur Ziehung einer konkreten Zahlengrenze nicht zuweist. Mit seinem Versuch, den Gesetzgeber gleichwohl auf eine konkrete Höhe der zulässigen staatlichen Parteienfinanzierung festzulegen, unterläuft das Gericht die Vorgabe des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, wonach die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung vom Gesetzgeber festzulegen ist. Eine hiervon abweichende Kompetenzzuweisung an das Bundesverfassungsgericht ergibt sich weder aus dem besonderen Entscheidungsgegenstand der Entscheidung in eigener Sache, noch aufgrund einer vom Gericht befürchteten Funktionsbeein-

4. Kapitel: Erhaltung der Funktionsfhigkeit

247

trächtigung des Staates für den Fall der Funktionsbeeinträchtigung der Parteien in ihrem aktuellen Bestand.

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