Veni, vidi, vici: Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung 9783896788788

"Gerne glauben die Menschen das, was sie wollen." Caesar, Der Gallische Krieg Caesar steht für überragende mil

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German Pages 144 [154] Year 2014

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Table of contents :
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Inhalt
Vorwort
Das Corpus Caesarianum: Caesar als Schriftsteller
Unter Seeräubern: Der erste große Coup
Die Nonen des Dezember: Caesar und Catilina
Die Schlacht an der Sambre: Caesar als Feldherr
Der letzte Gallier: Vercingetorix und Caesar
Alea iacta est: Der Würfel ist gefallen
Caesars göttliche Helferinnen: Clementia, Fortuna und Venus
Familien-Bande: Pompeius und Caesar
Veni, vidi, vici: Ich kam, sah, siegte
Eroberer unter sich: Caesar und Alexander
Idibus Martiis: Die letzte Inszenierung
Das lange Nachleben: 2000 Jahre Caesar
Zeittafel
Anmerkungen
Literatur
Bildnachweis
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Veni, vidi, vici: Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung
 9783896788788

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Veni, vidi, vici

[G E S C H I C H T E E R Z  H LT] Herausgegeben von Kai Brodersen, Uwe A. Oster, Thomas Scharff und Ute Schneider Bd. 1, Die Welt Homers, ISBN 978-3-89678-319-6 Bd. 2, Hexenjagd in Deutschland, ISBN 978-3-89678-320-2 Bd. 3, Der knigliche Kaufmann oder wie man ein Knigreich saniert, ISBN 978-3-89678324-0 Bd. 4, Zechen und Bechern. Eine Kulturgeschichte des Trinkens und Betrinkens, ISBN 978-3-89678-323-3 Bd. 5, Hinter Klostermauern. Alltag im mittelalterlichen Kloster, ISBN 978-3-89678-321-9 Bd. 6, Krieg in der Antike, ISBN 978-3-89678-339-4 Bd. 7, CARE-Paket & Co. Von der Liebesgabe zum Westpaket, ISBN 978-3-89678-344-8 Bd. 8, Unter dem Vesuv. Alltag in Pompeji, ISBN 978-3-89678-340-0 Bd. 9, Baden, spielen, lachen. Wie die Rmer ihre Freizeit verbrachten, ISBN 978-3-89678-346-2 Bd. 10, Seide, Pfeffer und Kanonen.Globalisierung im Mittelalter, ISBN 978-3-89678-322-6 Bd. 11,Veni, vidi, vici. Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung, ISBN 978-3-89678-333-2 Bd. 12, Napoleons Soldaten. Alltag in der Grande Arme, ISBN 978-3-89678-366-0

Wolfgang Will

Veni, vidi, vici Caesar und die Kunst der Selbstdarstellung

[G ES C H IC H TE E R Z H LT]

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Fr Karl Christ

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulssig. Das gilt insbesondere fr Vervielfltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

c 2008 by Primus Verlag, Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermglicht. Gedruckt auf surefreiem und alterungsbestndigem Papier Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt Einbandabbildung: Gaius Julius Caesar (13.7.100 v. Chr. – 15.3.44 v. Chr.), rmisches Mnzbildnis (44 v. Chr.). Foto: akg-images Layout: Petra Bachmann,Weinheim Gestaltung und Satz: Hagedorn Kommunikation,Viernheim Printed in Germany

www.primusverlag.de ISBN:

978-3-89678-333-2

Inhalt 7 Vorwort

8 Das Corpus Caesarianum: Caesar als Schriftsteller

22 Unter Seerubern: Der erste große Coup

27 Die Nonen des Dezember: Caesar und Catilina

38 Die Schlacht an der Sambre: Caesar als Feldherr

56 Der letzte Gallier: Vercingetorix und Caesar

72 Alea iacta est: Der Wrfel ist gefallen

82 Caesars gttliche Helferinnen: Clementia, Fortuna und Venus

94 Familien-Bande: Pompeius und Caesar

105 Veni, vidi, vici: Ich kam, sah, siegte

109 Eroberer unter sich: Caesar und Alexander

115 Idibus Martiis: Die letzte Inszenierung

129 Das lange Nachleben: 2000 Jahre Caesar

138 Zeittafel

144 Anmerkungen

148 Literatur

152 Bildnachweis

Vorwort

om Ruhme der berhmtesten Mnner gehrt immer

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etwas der Bldsichtigkeit (= Schchternheit) der Bewunderer zu.“ Der Aphorismus stammt von Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) und er ist auf Caesar zugeschnitten. Durch seine Taten schchterte er die Zeitgenossen ein, durch die Darstellung seiner Taten die Nachwelt. Ruhm entsteht durch die Propagierung von Taten und den Glauben an sie. So kommt dem Medium entscheidende Bedeutung zu. Der Darsteller wird zum Helden. Odysseus ist niemand ohne Homer. Caesar wollte seinen Nachruhm nicht den rmischen Geschichtsschreibern berlassen und schrieb selbst Commentarii. Er war groß in seinen Taten, aber er war ebenso groß in ihrer propagandistischen Verbreitung. Caesar scheiterte mit allen seinen Plnen. Das tat ihm bei der Nachwelt keinen Abbruch. Es war der Weg, Caesars Aufstieg und Sturz, der sie faszinierte. Dass er in Chaos und Brgerkrieg endete, steigerte das Interesse nur noch. Caesar vermochte immer wieder, es anzuheizen. Wenn er große Worte sprach, sorgte er dafr, dass sie alle hrten. Wenn er khne Taten vollbrachte, sollten sie auch alle erfahren. Wie niemand sonst in der untergehenden Republik verstand er es, seine Taten zu berhhen. Er ging Risiken ein, aber sie waren selten so hoch, wie er behauptete. Was ihn am Ende glaubhaft machte, war seine Ermordung. Ohne die Iden des Mrz gbe es keinen Nimbus Caesar.

Das Corpus Caesarianum: Caesar als Schriftsteller

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aesar hat der Nachwelt ein Erbe hinterlassen, das sich fr und gegen ihn verwenden lsst: seine Schrif-

ten. Mit dem Corpus Caesarianum liegt eine Sammlung von fnf Monographien vor, die noch im Jahre 44 v. Chr. angelegt wurde und die in der heutigen Form bereits der Biograph Sueton im 2. Jahrhundert n. Chr. kannte. 1 Allesamt sind es Kriegsbeschreibungen (bella), die in chronologischer Abfolge die Ereignisse seit Beginn von Caesars Prokonsulat im Jahre 58 bis hin zu seinem Sieg ber die Shne des Pompeius im Jahre 46 abhandeln. Die acht Bcher des Gallischen Krieges mnden in die dreibndigen Commentarii zum Brgerkrieg gegen Pompeius, die von den Ereignissen zwischen Januar 49 und Oktober 48 berichten. Es folgen das Bellum Alexandrinum, der Krieg in Alexandria, und das Bellum Africum, der Afrikanische Krieg. Sie schildern die Kmpfe zwischen November 48 und September 47 bzw. Dezember 47 und Juli 46. Das Bellum Hispaniense schließt das Corpus mit einem Bericht ber die Vorgnge vom Dezember 46 bis zum April 45 ab. Caesars Feldzge sind damit ber einen Zeitraum von dreizehn Jahren nahezu lckenlos dokumentiert. Aus Caesars Hand stammen die ersten sieben Bcher des Bellum Gallicum und das Bellum civile. Das achte Buch des Gallischen Krieges, das mit den Ereignissen der Jahre 51 und

Caesar als Schriftsteller

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50 im schon weitgehend befriedeten Gallien die berleitung zum Rubiconbergang herstellt, schrieb im Auftrag Caesars Aulus Hirtius, seit etwa 54 als Legat vor Ort ein Kenner der gallischen Verhltnisse. Er unternahm es auch, nach dem Tode seines Vorgesetzten die Feldzugsberichte bis zur Schlacht von Munda weiterzufhren. Die Wahl zum Konsul und der frhe Tod im Kampf gegen Antonius am 21. April 43 unterbrachen bzw. beendeten das Vorhaben. Lediglich das Bellum Alexandrinum ist Aulus Hirtius noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zuzuweisen, die beiden folgenden Commentarii stammen von unbekannten Verfassern. Schlussredaktion und Publikation lagen in den Hnden von Caesars Kanzleichef Cornelius Balbus. Er ist auch der Adressat eines fiktiven Briefes,

Brief an Balbus

D eine unaufhrlichen Bitten, lieber Balbus, haben mich bestimmt, an eine ußerst schwierige Arbeit zu gehen, da man sonst meine tgliche Weigerung nicht mit der Schwierigkeit der Sache entschuldigen, sondern auf das Konto meiner Trgheit setzen mchte. Ich habe nmlich die Denkwrdigkeiten unseres Caesar ber die gallischen Feldzge seinen zusammenhangslosen frheren und spteren Schriften eingereiht und sein letztes unvollendetes Buch vom alexandrischen Feldzug an fortgefhrt, wenn auch nicht bis zum Ende des Brgerkrieges, das noch nicht abzusehen ist, so doch bis zum Lebensende Caesars. Mchten doch meine Leser sich vorstellen knnen, wie ungern ich an diese Arbeit gegangen bin; sie wrden dann sicherlich nicht den Vorwurf trichter Anmaßung gegen mich erheben, dass ich mich mitten in die Schriften Caesars eingeschoben habe. A ULUS H IRTIUS, Bellum Gallicum, Buch 8, Vorwort 1–3

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Caesar als Schriftsteller

den noch Hirtius verfasste. berliefert ist dieser als Einleitung zum achten Buch des Bellum Gallicum, er sollte aber wohl das Vorwort zum gesamten Corpus Caesarianum bilden. Die Berichte ber den afrikanischen bzw. den spanischen Krieg wurden offenkundig von Augenzeugen geschrieben. Sie sind unter Caesars Offizieren zu suchen, und ohne Zweifel spiegeln sie seine Sicht der Dinge wider. Somit sind auch diese Monographien, wenn auch begrenzt durch Darstellungskraft, -kunst und -absicht der anonymen Verfasser, Zeugnisse fr die Ziele Caesars.

Commentarii rerum gestarum

Caesar nannte seine Kriegsberichte Commentarii rerum gestarum. Damit legt er sich und die spteren Interpreten bereits zweifach fest. Zum Ersten leistet der Autor einer Erwartung Vorschub. Sein Werk wird sich streng auf die res gestae, d. h. auf die Kriegstaten, beschrnken. Die politischen Auseinandersetzungen um den Gallienkrieg interessieren nicht. Caesar verengt seine Rolle auf die des Feldherrn. Zum Zweiten weist er mit dem Titel den Anspruch zurck, als Historiker zu schreiben. Deren Werke hießen historiae. Caesar gibt sich bescheiden. Historiae waren fr die Rmer große Literatur, Commentarii dagegen nur etwas Vorlufiges, Protokolle, die dem Schreiber als Gedchtnissttze dienten, so z. B. den Magistraten, die Fragen zu ihrer Dienstzeit im Senat beantworten mussten. Ein Beispiel fr das, was ein Commentarius beinhalten konnte, gibt Cicero. Als er im Jahre 51 – ganz gegen seinen Willen – Statthalter im kleinasiatischen Kilikien war, wnschte er sich in der dortigen Einde nichts mehr als Nachrichten ber die Vorgnge in Rom. Er erhielt sie in Form eines commentarius rerum urbanarum von einem Vertrauten, dem Senator

Commentarii rerum gestarum

Ohne Kommentar.

M. Caelius. Was dieser brieflich zu berichten hatte, war zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt. Es umfasste nach Angabe des Verfassers vielerlei politische Meinungen,„was jeder so ußere“, dazu einiges, was man sich schenken knne, „wie das Auspfeifen bei den Spielen, Leichenbegngnisse und sonstige Albernheiten“, dann aber „auch vieles Wissenswerte“. 2 Caelius bot also unter dem Titel des Commentarius ein Sammelsurium an Neuigkeiten, das die Nutzanwendung ganz dem Adressaten berantwortete. Daneben ließen sich mit Commentarii auch Memoiren bezeichnen. Der Diktator Sulla schrieb solche in 22 (nicht erhaltenen) Bchern, whrend sich Cicero mit einem begngte. So hieß er den Bericht ber sein Konsulatsjahr Commentarius und schickte ihn an den damals berhmten griechischen Historiker Poseidonios mit der Bitte, ihn zu einem Geschichtswerk auszuarbeiten. Das Thema sollte laut Cicero „ausgeschmckter“ (ornatius) behandelt werden.3 Ob er das ernst meinte, wissen wir nicht. Dem Wunsch zugrunde liegt aber dasselbe Verstndnis, das Cicero spter von Caesars Commentarii haben wird: eine Stoffsammlung fr Leute, die Geschichte zu schreiben (scribere historiam) beabsichtigen. 4

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Caesar als Schriftsteller

Der Diktator Sulla

S ulla ist als der große Gegenspieler des popularen Politikers und Feldherrn Marius in die Geschichte eingegangen. Marius bekleidete zwischen 107 und 100 v. Chr. sechsmal das Konsulat und bewahrte Rom vor dem Ansturm germanischer Vlker. Zum großen Konflikt zwischen beiden kam es im Jahre 88 v. Chr., als Sulla den Oberbefehl im Krieg gegen den pontischen Knig Mithridates erhielt, der Roms Reich im Osten bedrohte. Auf Betreiben des Marius wurde ihm dieses Kommando entzogen, doch Sulla widersetzte sich mit einem illegalen Marsch auf Rom. Er fhrte den Krieg gegen Mithridates und gewann ihn. Nach seiner Rckkehr und dem Sieg ber seine inneren Gegner, die inzwischen die Macht in Rom bernommen hatten, ließ er fast 5000 Anhnger des inzwischen verstorbenen Marius chten und liquidieren. Im Jahre 82 machte er sich selbst zum Diktator, um mit einer Reihe von Maßnahmen und Gesetzen die Herrschaft des Senats zu festigen. 79 dankte er ab, 78 starb er.

Abfassung und Verffentlichung

Wann Caesar seine Commentarii an die ffentlichkeit brachte, ist unsicher. Von den sieben Bchern ber den gallischen Feldzug umfasste jedes ganz unabhngig von der Ereignisdichte ein Kriegsjahr, beginnend mit dem Bellum Helveticum im Jahre 58 und endend mit dem Sieg ber Vercingetorix 52. Dies legt zunchst eine jahrweise Verffentlichung nahe. Es gibt jedoch keinerlei Zeugnisse aus den fnfziger Jahren, die das besttigen. Insbesondere Cicero, von dem wir zahlreiche Reden und Briefe aus diesem Jahrzehnt haben, schweigt. So spricht alle Wahrscheinlichkeit dafr, dass Caesar sein Bellum

Die Sprache

Gallicum im Winter 52/51 oder im folgenden Sommer in einem Zug schrieb und sofort nach Rom sandte. Die Zeit dazu besaß er: Gallien galt als erobert; was noch zu tun war, taten seine Unterfeldherren. Dazu passt, was Aulus Hirtius in seinem Vorwort behauptet: Caesar habe seine Commentarii leicht und schnell verfasst. Wo das Material knapp wurde, ließen sich Lcken mit ethnographischen Schilderungen anderer Autoren auffllen. Dem Autor lagen zudem bei der Niederschrift die Berichte seiner Legati vor, er selbst hatte in der Form von litterae Jahr fr Jahr Rapporte an den Senat geschickt. Die Rapporte lagen in Archiven der Hauptstadt, Abschriften gab es im Sommerlager. Bei der Niederschrift der Brgerkriegskommentare besaß Caesar hnliche Muße nicht. Hier war Eile gefordert. Mit berschreitung des Rubicon musste er sein Handeln rechtfertigen, vor Volk und Senat, und vor allem schnell. So sind die ersten beiden Bcher des Bellum civile vermutlich noch vor dem Feldzug in Griechenland (48) geschrieben worden. Es ist ihnen anzumerken, dass sie nur oberflchlich redigiert sind. ber ihnen liegt ein Schleier von Propaganda, Halbwahrheit und verdeckter Rechtfertigung. Brillante Gehssigkeiten wechseln mit geschickten Verdrehungen oder gelegentlichen Auslassungen. In der Eile ließen sich auch Widersprche nicht ganz beseitigen. Das dritte Buch des Bellum civile kann Caesar erst nach der Schlacht von Pharsalos (August 48) abgeschlossen haben. Die Verffentlichung fiel dann wohl in den Herbst 47.

Die Sprache

Caesar verfasste seine Commentarii nicht fr eine ferne Zukunft, sondern fr die Gegenwart. Es interessierte ihn wenig, ob sich Historiker dereinst des Materials annehmen und ein

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Caesar als Schriftsteller

stilistisch ausgefeiltes Werk aus ihm machen wrden. Caesar schrieb, wie gesagt, schnell. Es fehlte ihm, dem Feldherrn und Staatsmann, die Gelegenheit, lange Jahre an der Darstellung zu feilen. Trotzdem schuf er seinen eigenen Stil. Cicero nennt ihn unverhllt, sachlich und zugleich anmutig, jeglichen rhetorischen Schmuckes entkleidet. Caesars Sprache ist bewusst klar und einfach, sie meidet Synonyme, der Wortschatz ist auf das Minimale reduziert. Der Verfasser kommt in sieben Bchern mit 1200 hufiger gebrauchten Wrtern (insgesamt sind es 2600) aus. So wirken die Commentarii zum Gallischen Krieg auf den modernen Leser geradezu aufrichtig. Es erscheint unmglich, dass sich hinter der Unmissverstndlichkeit der Stze doppelte Wahrheiten verbergen knnten. Die Hauptstze sind kurz, packend, energisch, sofort bei der Sache. Der Autor ahmt mit ihnen das eigene Handeln nach. Die Sprache ist, was Caesar ist. Er spiegelt sich in ihr. Nach einem Ausspruch Herders wird Caesars Leichtigkeit zu siegen an seiner Schreibart kenntlich. 5

Ziel und Zweck

Die Frage, wen eigentlich die Commentarii erreichen sollten, wird unterschiedlich beantwortet. Vermutlich schrieb Caesar fr alle, d. h. fr den gesamten populus Romanus. Zunchst dachte er wohl an seine Standesgenossen und damit an den Senat. Dort wurden seine Maßnahmen in Gallien diskutiert und Entscheidungen gefllt, die seine Mglichkeiten als Feldherr einschrnken oder erweitern konnten. Es war klug, den Senatoren seine Sicht darzulegen, auch wenn ihm nur eine Minderheit glaubte. Die Honoratioren der italischen Landstdte, vornehmlich Ritter, besaßen Gewicht bei den Wahlen, und selbstverstndlich musste sich ein Popularer wie Caesar auch

Ziel und Zweck

um die hauptstdtische Plebs kmmern. In Rom war das Analphabetentum zweifellos niedriger als auf dem Land. In den Tabernae und auf den Mrkten erfuhr zudem auch der von Caesars Leistungen, der nicht oder nur wenig lesen konnte. Zudem liefen solche Informationen schnell um und wurden durch Weitererzhlen noch spannender. Auffllig an den Commentarii ist jedenfalls, dass aristokratische Offiziere wenig gut wegkommen, der Held des Krieges ist neben dem Autor der gewhnliche Zenturio. Caesar soll alle mit Namen gekannt haben (zumindest legt er das ganz bewusst nahe), und das waren im Laufe der Kmpfe mehrere Hundert. Dass sich dagegen die Legati nicht recht gewrdigt sahen, verrt das Beispiel des Labienus. Caesars wichtigster Mann in Gallien lief bei Beginn des Brgerkrieges sofort zu Pompeius ber. Whrend Caesar noch an seinem Werk schrieb, verschrfte sich in Rom der Streit um seine gallische Statthalterschaft. So liegt es auf der Hand, dass sich Caesar mit seiner Darstellung auch fr kommende Auseinandersetzungen rstete. Er plante, nach Beendigung der Amtszeit erneut fr das Konsulat zu kandidieren. Dafr war Werbung in Buchform sicherlich hilfreich, wenn er sich auch nicht allzu viel davon versprochen haben kann. Darber hinaus war Caesar einfach entschlossen, das publizistische Feld nicht seinen Feinden wie Cato zu berlassen. Wenn er Rechenschaft ber seine Taten in Gallien abgab, blieb er in der Offensive. Caesar musste die Ereignisse so darstellen, dass sich seinen Gegnern keine Handhabe bot, gegen ihn vorzugehen. Als Statthalter konnte er nicht nach eigenem Gutdnken Krieg fhren. So macht er alle seine Angriffshandlungen zu Defensivmaßnahmen mit dem einzigen Ziel, Rom und seine Provinzen zu schtzen.

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Caesar als Schriftsteller

Wahrheit und Dichtung

Der Historiker Asinius Pollio, Begleiter Caesars auf vielen Etappen des Brgerkrieges, will wissen, dass dieser es mit der unverflschten Wahrheit (integra veritas) nicht so genau (parum diligenter) nahm.6 Er habe manche seiner Taten, sei es absichtlich, sei es durch das Gedchtnis getuscht, falsch dargestellt. So habe Caesar sich auch mit dem Vorsatz getragen, das Geschriebene umzuarbeiten und zu verbessern. Sofern diese Aussage stimmt, kann sie sich nur auf das Bellum civile beziehen. Das Bellum Gallicum ist in der berlieferten Form trotz des Vorlufigkeit suggerierenden Titels eine Ausgabe letzter Hand. Caesar legte seine Wahrheit dar, die er zweifelsohne nicht fr eine halbe hielt. Die Commentarii entsprachen den Berichten, die er Jahr fr Jahr dem Senat gesandt hatte und die Grundlage fr die Dankfeste waren, die ihm zu Ehren beschlossen wurden. Caesar hielt sich in seinem Werk an das, was der Titel ankndigte. Er beschnigte nichts (ausgenommen die eigenen Verluste). Wenn er Gegnern die Hnde abhacken ließ, sie in Massen ttete oder in die Sklaverei verkaufte, sagt er das auch so. Das erstaunt moderne Leser, die die Verbrmung solcher Handlungen gewohnt sind. Doch Caesar wusste seine Handlungen gedeckt. Es gab keine Instanz, vor der er sich verantworten musste, solange die Getteten Gallier und Germanen waren, Barbari also. Wenn manche Senatoren seine Kriegsfhrung angriffen, geschah dies aus innenpolitischem Kalkl. Solange Caesars Kriegsfhrung dem Wohle Roms diente, Senatoren, Publicani und die Plebs urbana davon profitierten, wurde sie gebilligt. Die Vorwrfe, Caesar habe die Ereignisse grob entstellt,verdreht und verflscht, sind nicht zu belegen. Er brauchte es im Bellum Gallicum gar nicht. Der Autor beherrschte die Kunst des Weglassens. Sofern Kritik trifft, ist es allein die, dass er

Anticato und Briefe

ber viele Zusammenhnge schweigt. Dies freilich ist das Wesen einer genialen Propagandaschrift, und das Bellum Gallicum war eine Selbstdarstellung. Ein Staatsmann wirbt fr sich und seine Sache, ohne etwas ber seine wahren Ziele zu sagen.

Anticato und Briefe

Zur Kenntlichkeit gebracht hat Caesar seine Absichten nur in einem zwei Bcher umfassenden Pamphlet, das er im Feldlager von Munda Anfang 45 schrieb, dem sogenannten Anticato. Hier gibt er sich unverhllt, verzichtet auf die Maske des stoischen Staatsmannes. Der Titel verrt, um was es geht. Caesar antwortete mit seiner Schrift einer Laudatio auf Cato, die Cicero im Sommer 46 publiziert hatte. Catos Selbstmord, begangen im April 46 in Utica, war Auslser eines regelrechten Propagandakrieges um die Ideale der Republik geworden, in den auch andere Senatoren (Brutus fr, Aulus Hirtius gegen Cato) eingriffen. Caesar war der Streit aber so wichtig, dass er sich selbst ußern wollte. Nicht einmal der endgltige Sieg im Brgerkrieg konnte seinen Zorn dmpfen. Die Schrift ist verloren, nur wenige Fragmente blieben erhalten, doch diese zeigen genug von der Schrfe, mit der Caesar seinen Feind angriff. Plutarch lag das Verdikt noch vor, und von ihm erfahren wir, dass Caesar offenbar Cato auf dessen ureigener Domne angriff, auf dem Feld der Moral.7 Hier entfaltet Polemik jedoch wenig Wirkung, glaubhaft erscheint Caesar am ehesten dort, wo er die politische Mittelmßigkeit des Gegners betont. Die Cato-Verehrung, die mit Sallusts spter Catilina-Monographie einsetzt und bis in die Zeiten der Franzsischen Revolution fhrt, hat jedenfalls keine Basis. Letztlich aber stellte Caesars Anticato – auf unterschiedliche Weise – beiden Kontrahenten kein gutes Zeugnis aus.

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Caesar als Schriftsteller

Caesar und Cato

Z u meiner Zeit freilich lebten zwei Mnner von außerordentlicher Tchtigkeit, doch verschiedener Wesensart: Marcus Cato und Gaius Caesar. Da mich nun mein Gegenstand auf sie gebracht hat, ist es nicht meine Absicht, sie mit Schweigen zu bergehen, ohne eines jeden Wesen und Charakter zu analysieren, soweit ich es mit meiner Einsicht vermag. Bei ihnen also waren Adel, Alter und Beredsamkeit beinahe gleich, ihre Seelengrße war dieselbe, ebenso ihre Berhmtheit, freilich bei jedem in anderer Weise. Caesar galt wegen seiner Wohltaten und Freigebigkeit als groß, wegen der Lauterkeit seines Lebenswandels Cato. Jener war durch Milde und Mitgefhl bekannt geworden, diesem hatte seine Strenge Ansehen verschafft. Caesar erlangte Ruhm durch Geben, Untersttzen, Verzeihen, Cato dadurch, dass er keine Spenden gab. Im einen fanden Unglckliche ihre Zuflucht, im anderen Schlechte ihr Verderben. An jenem rhmte man die Umgnglichkeit, an diesem die Festigkeit. Caesar schließlich hatte zu seinem Grundsatz gemacht, rastlos ttig zu sein, sich fr die Belange der Freunde einzusetzen und die eigenen hintanzustellen, nichts, was ein Geschenk verdiente, zu verweigern; fr sich wnschte er große Befehlsgewalt, ein Heer, einen neuen Krieg, wo sich seine Tatkraft glnzend zeigen knne. Catos Streben dagegen war auf Selbstzucht, Anstand, vor allem aber auf ernste Haltung gerichtet; er wetteiferte nicht mit dem Reichen um Reichtum, mit dem Parteimann um Parteigeltung, sondern mit dem Tchtigen um Tatkraft, mit dem Beherrschten um Zurckhaltung, mit dem Redlichen um Unbestechlichkeit; er wollte lieber gut sein als gut scheinen; so folgte ihm der Ruhm um so mehr, je weniger er nach ihm strebte. S ALLUST, Catilina 53–54

Der andere Caesar

Grßere Beachtung verdienen andere Dokumente der Selbstdarstellung. Es sind fnf Briefe Caesars, die sich versteckt in Ciceros Korrespondenz mit Atticus erhalten haben. 8 Sie sind an den Redner und an Caesars Freund Oppius adressiert und beleuchten Caesars Politik im ersten Brgerkriegsjahr 49. Die Briefe waren zur Verffentlichung oder zumindest zur Weitergabe bestimmt und belegen daher, wie sich Caesar in dieser entscheidenden Phase seines politischen Lebens gesehen wissen wollte. Nicht erhalten ist dagegen ein lngeres poetisches Werk, Iter, das die Reise von Rom nach Spanien im Jahre 46 schildert, sowie ein sprachwissenschaftliches Opus, De analogia.

Der andere Caesar

Caesars Schriften zeigen, wie er sich selbst sehen wollte, die erhaltenen Biographien zeichnen das frhkaiserzeitliche Bild. In beiden Fllen erscheint er als die große Ausnahme, ein Mann fr die Stunden, in denen die Entscheidungen fallen. Ein einziges Zeugnis beleuchtet den Alltag des Diktators, lsst erahnen, wie er sich fr die Menschen seiner Umgebung darstellte. Es ist ein Brief Ciceros, geschrieben unter dem frischen Eindruck einer Begegnung mit Caesar einige Wochen vor den Iden des Mrz, die den Blick auf Caesar vernderten. Der Brief zeigt Ciceros Sicht, aber allzu sehr kann diese sich von der seiner Standesgenossen nicht unterschieden haben. Was wir sehen, ist ein Mann, der nur noch mit großem Gefolge auftritt, der umso einsamer erscheint, je mehr Vasallen ihn umgeben. Er vollzieht die tglichen Riten ffentlich, tafelt ungeniert. Die Nachricht vom Tode eines einstigen Freundes lsst ihn unberhrt (zumindest in der Gegenwart anderer), der Geschftsgang wird nicht unterbrochen.

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Caesar als Schriftsteller

Caesar regiert das Imperium im Verborgenen, Informanten bringen Nachrichten, Gefolgsleute erhalten Anweisungen. Selbst Cicero erfhrt nichts ber die Themen. Bei Tisch spricht der Diktator ber Literatur: kein Wort zur Politik. Er teilt die Macht mit niemandem, Ratschlge wren Einmischung. Der entspannte Ton des Briefes versteckt die Demtigung. In Caesars Umgebung gab es nur ein Gefhl: Ohnmacht. Cicero grßt Atticus Was fr ein unsympathischer Gast! Und doch ist es mir nicht

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leid; er war nmlich ußerst nett. Also, am zweiten Saturnalientag traf er abends bei Philippus ein, und gleich war dessen Haus derartig von Soldaten mit Beschlag belegt, dass sich in dem Speisezimmer, wo Caesar selbst speisen sollte, kaum noch ein Platz fand; es waren nmlich 2000 Mann. Mir wurde ziemlich bange, wie das anderen Tags gehen wrde; aber Barba Cassius sprang mir bei. Der stellte mir Posten; Biwak auf freiem Felde, mein Anwesen wurde abgesperrt. Er blieb am dritten Saturnalientage bis 1 Uhr bei Philippus; vorgelassen wurde niemand; wahrscheinlich finanzielle Besprechungen mit Balbus. Den Weg von dort zu mir machte er zu Fuß am Strande entlang. Nach 2 Uhr ins Bad; dabei hrte er von Mamurra; er verzog keine Miene. Dann ließ er sich salben und kam zu Tisch. Er hatte vor, ein Vomitiv zu nehmen; so aß und trank er denn auch unbekmmert und mit Appetit, und es war auch ein ganz glnzendes, prachtvolles Mahl, und nicht nur das, sondern auch „gut gekocht und gut gewrzt, von wackeren Reden begleitet und, wenn du’s wissen willst, behaglich“. Außerdem wurde sein Gefolge an drei Tafeln sehr anstndig aufgenommen. Schon den weniger vornehmen Freigelassenen und den Sklaven fehlte es an nichts; die angeseheneren wurden geradezu exquisit bewirtet. Kurz und

Der andere Caesar

gut: Ich glaube in Ehren bestanden zu haben. Freilich der Gast nicht so, dass man ihm htte sagen mgen: „Komm doch bitte wieder herein, wenn du vorbeikommst!“ Einmal gengte mir gerade. In der Unterhaltung kein ernsthaftes Wort, viel Literatur. Genug! Er hatte sein Vergngen und fhlte sich behaglich. Einen Tag wollte er noch in Puteoli bleiben, einen in Baiae. Da hast du den Verlauf des Besuches bzw. der Einquartierung, mir, wie gesagt, zuwider, aber nicht unwillkommen. Puteoli, 19. Dezember 459

„Die Trompete des Senats“. Cicero-Bste aus den Uffizien.

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Unter Seerubern: Der erste große Coup

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aesars frhe Karriere verlief so wie die anderer begabter Aristokraten, die einen Konsul zu ihren Vor-

fahren zhlten. Sie erhielten eine militrische und rhetorische Ausbildung, wurden im Alter von 30 Jahren zu Qustoren gewhlt und rckten als Hinterbnkler in den Senat ein. Die Bekleidung weiterer mter, ob (außer der Reihe) Volkstribun oder (in der traditionellen mterlaufbahn) dil und Prtor, hing von Beziehungen, Geldmitteln und schließlich von den Whlern ab. Caesar hatte zunchst etwas Pech, denn er befand sich auf der falschen Seite, als Sulla 81 den Brgerkrieg gewann. Er war mit einer Tochter des Rivalen Cinna, mit Cornelia, verheiratet und weigerte sich ehrenhaft, in die Scheidung einzuwilligen. Stattdessen begab er sich ins Ausland. Im griechischen Osten konnte er Rhetorik studieren, sich militrisch auszeichnen, Geld verdienen, vor allem aber direkter politischer Pression entgehen. Dieser Weg war nicht ungewhnlich und also auch kaum erwhnenswert. Entsprechend wissen wir von Caesars erster Reise im Jahre 80 nur wenig, die zweite jedoch wird zum Ereignis. Caesars Seefahrt zur Insel Rhodos im Jahre 75 ist die ausfhrlichste Episode, die wir aus den ersten immerhin 37 Jahren seines Lebens kennen. Die Geschichte handelt von einer un-

Caesars Geschichte

sanften Begegnung mit Seerubern, und sie zeigt bereits exemplarisch, was Caesar spter auszeichnen wird: eine scheinbar aussichtslose Lage zu seinem Vorteil zu wenden. Erhalten haben sich nicht weniger als vier Versionen der Geschichte. Sie sind unterschiedlich lang, stimmen aber, von erkennbaren Ausschmckungen im Detail und von Differenzen in der relativen Chronologie abgesehen, durchaus berein. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehen sie alle auf eine einzige Biographie zurck, die nicht lange nach Caesars Tod entstand. Sie zeigte sicherlich das offizise, von Kritik kaum angekrnkelte Bild Caesars. Die Seeruberepisode ist, wenn auch durch sptere Biographen vermittelt, das erste Zeugnis der Selbstdarstellungskunst Caesars. Was ber ihn gesagt wurde, stammt auch von ihm, denn außer ihm konnte niemand davon wissen. Ob aber die Vorgnge so abliefen, wie sie geschildert werden, wissen wir nicht. Sicher ist nur, dass Caesar sie so erzhlte.

Caesars Geschichte

Die Geschichte, die er in Rom verbreiten ließ, beginnt im Winter des Jahres 75. Sulla ist bereits vier Jahre tot. Es kommt die ra des Crassus und des Pompeius, die finanziell und politisch zu den Nutznießern der Diktatur zhlten, sich aber nun von den restaurativen Zielen des toten Diktators abwenden. Fr den aufstrebenden Caesar gilt es, sich als Anwalt in Prozessen zu profilieren, fr einen Senatssitz ist er noch zu jung. Er zieht zwei Sullaner vor Gericht, die Prozesse kann er nicht gewinnen, doch er verschafft sich, in der Tradition seiner Familie, erstes Ansehen als popularer Politiker. Fr grßere Karriereschritte ist es zu frh, und so fasst er den Plan, nochmals in den Osten zu reisen. Die Ausbildung bei dem

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Unter Seerubern

berhmten Rhetoriklehrer Apollonios auf Rhodos gibt er als Grund an, doch Caesar erreicht die Insel erst gar nicht. Obwohl im Winter die Piratengefahr als gering eingeschtzt wird, kapern Seeruber das Schiff bei der Insel Pharmakussa, sdlich des reichen Milet. Caesar wird als gewinnversprechende Geisel festgehalten. Ein junger rmischer Nobilis war nicht billig. Doch die Piraten unterschtzten Caesar – wrtlich genommen. Unsere Quellen zeigen ihn als einen selbstbewussten Mann. Die Seeruber taxieren ihn auf 20 Talente Lsegeld. Caesar scheint das zu wenig. Er korrigiert sie lachend, sie wssten ja gar nicht, was sie fr einen Fang getan htten. Er sei 50 Talente wert. Caesar schickt seine Begleiter an die kleinasiatische Kste, damit diese in den einzelnen Gemeinden die geforderte Summe eintreiben. Er selbst bleibt als Geisel unter den „kilikischen Mordbrennern“ zurck. Plutarch berichtet, wie der Gefangene sich die Zeit verkrzte: Dabei trieb er es so weit, dass er ihnen in seinem Hochmut

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Befehl schickte, sich ruhig zu verhalten, wenn er schlafe. Whrend der 38 Tage, da er sich in ihrer Gewalt befand, spielte und turnte er ohne alle Furcht mit ihnen, als ob er nicht Gefangener, sondern sie seine Trabanten wren. Er verfasste Gedichte und Reden und las sie ihnen vor, und wenn sie ihm keine Bewunderung zollten, schalt er sie unverblmt Barbaren ohne Bildung und Kultur. Oft stieß er lachend die Drohung aus, er werde sie aufknpfen lassen – und die Kerle hatten ihre Freude daran, hielten sie ihn doch fr einen harmlosen, lustigen Patron, der die losen Reden

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nicht lassen konnte.

Caesar und sein Biograph erzhlen das nicht ohne Komik. Der junge Bertolt Brecht war von Plutarchs Bericht so angetan, dass

Caesars Geschichte

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Plutarch von Chaironeia

D er populrwissenschaftliche Philosoph, Literat und Biograph verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in der Zurckgezogenheit seines botischen Heimatstdtchens. Der Katalog seiner Werke umfasste 227 Titel unterschiedlichster Art. Seine Caesarmonographie gehrt in die Reihe der Parallelviten, in der jeweils ein Exponent des Griechen- und des Rmertums miteinander verglichen werden. Griechisch-makedonischer Widerpart Caesars ist Alexander. Plutarch verstand sich nicht als Historiker, er wollte Lebensbilder zeichnen. Art der Darstellung und Auswahl des Materials unterstreichen seine pdagogisch-ethischen Absichten. Die Helden besitzen meist Vorbildcharakter. So bemht sich Plutarch entsprechende Eigenschaften herauszustellen, unterdrckte Kritik jedoch nicht. Kampfdarstellungen interessieren den Biographen nicht, fr ihn sind Geschichten wichtig, welche den Charakter des Portrtierten zeigen. Es gibt keinen anderen antiken Autor, der so spannend und pointiert zu erzhlen weiß wie Plutarch. Das Bild, das sich die Neuzeit von der Antike macht, beruht wesentlich auf den von ihm verfassten Biographien.

er aus dem Stoff eine Komdie machen wollte: „Caesar bei den Seerubern.“ Im weiteren Verlauf vergeht aber zuerst den Seerubern, dann den Lesern der Spaß. Caesar handelt nun. hnlich Grillparzers Leon in Wehe dem, der lgt tut Caesar nun im Ernst, was er scheinbar im Scherz angekndigt hat. Noch in der Nacht, nachdem er durch ffentliche Gelder der kleinasiatischen Stdte freigekauft worden ist, chartert er eine kleine Flotte von Kstenschiffen und kehrt an den Ort seiner Geiselnahme zurck. Er versenkt einen Teil der Piraten-

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Unter Seerubern

schiffe und kapert einen anderen Teil. Nur einige entkommen. Die Seeruber werden ans Festland gebracht. Offenbar strker gekrnkt, als er zugeben will, ersucht Caesar den Prokonsul Iunius Iuncus, Statthalter von Asien und Bithynien, um die Genehmigung, die Gefangenen hinrichten zu lassen. Dieser verweigert die Erlaubnis. Gefangene ließen sich verkaufen und zu Geld machen. Vielleicht stand er auch in besseren Beziehungen zu den Piraten, als es fr einen rmischen Beamten schicklich war, denn Seeruber belieferten den großen Sklavenmarkt auf der Insel Delos: ein eintrgliches Geschft. So agiert Caesar weiter auf eigene Faust. Bevor eine Anordnung des Statthalters eintreffen kann, gibt er den Befehl, alle Gefangenen zu kreuzigen. Er selbst kehrt seine Milde heraus, denn er lsst die Piraten erdrosseln, bevor sie ans Kreuz geschlagen werden. Caesar trieb sicher nicht allein Rache. Das Unternehmen brachte ihm auch pekuniren Gewinn. Die Piraten hatten Beute gehortet, die nun als Prise Caesar gehrte. Das Lsegeld fiel zudem in seine Hnde zurck. Nachtrglich lsst sich verstehen, warum er auf dessen Erhhung bestanden hatte. Er erstattete es schwerlich den kleinasiatischen Stdten zurck, denn sie hatten ihre Aufgabe, die Sicherung der Kstenschifffahrt, vernachlssigt. Caesar kehrte mit vollen Kassen, vor allem aber mit einer werbewirksamen Geschichte zurck. Er hatte sich so gut ins Gesprch gebracht, dass sogar die Moderne noch staunt. Selbst Christian Meier ist in seiner Caesar-Biographie voll von der Bewunderung, die der Held selbst von sich hegte: „Solche Selbststndigkeit, Selbstherrlichkeit, solch entschiedenes Handeln im Namen, jedenfalls im Sinne der rmischen Herrschaft, im Sinne durchschlagender Effizienz, einer Demonstration der Macht; und mit solcher Energie!“ 1

Die Nonen des Dezember: Caesar und Catilina

D

ie Sitzung, die der rmische Senat an den Nonen des Dezember (5.12.) 63 v. Chr. im Tempel der Concor-

dia abhielt, war nicht nur wegen des Tagungsortes ungewhnlich. Sie ist die am besten dokumentierte Senatssitzung in der ber tausendjhrigen Geschichte dieser Institution und nicht zufllig eine der spannendsten. Zweimal nahm die Diskussion eine berraschende Wende und fhrte letztlich zu einem Beschluss, der die Weichen fr eine weitere Radikalisierung der rmischen Innenpolitik stellte. Von den Nonen des Dezember fhrte ein direkter Weg zu den Iden des Mrz. Beide Daten bilden zudem die Eckpunkte in Caesars Karriere: Aufstieg und Fall. Der Mann, um den es ging, hieß Catilina und wurde dank Ciceros Reden fr ber 2000 Jahre zum Inbegriff gesellschaftlicher Verworfenheit. Politische Desperados, Umstrzler, mittellose Dichter oder unbotmßige Schler durften sich in die Kategorie der„Catilinarischen Existenz“ einreihen. Bismarck nannte seine Gegner so, Heinrich Manns „Professor Unrat“ seine Schler und Fontane sich selbst. 1 Die Einschtzungen waren zu Lebzeiten Caesars nicht weniger unterschiedlich und kurios, und die Historie streitet bis heute ber den Charakter und die Bedeutung dieser sogenannten Verschwrung. Unbestritten groß war diese nur fr

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Die Nonen des Dezember

Die Catilinarische Verschwrung

H inter dem, was als Verschwrung des Catilina bezeichnet wird, verbarg sich zunchst nichts anderes als der Versuch eines ehrgeizigen Patriziers, mit allen damals verfgbaren Mitteln zum Konsul gewhlt zu werden. Catilina kandidierte 66, 64 und 63 vergebens fr dieses Amt. Dabei warb er vor allem um die Stimmen der Unzufriedenen und der Verlierer der Sullanischen Reformen. Als er schließlich sah, dass er am fanatischen Widerstand des homo novus Cicero, des Konsuls von 63, endgltig scheitern wrde, unternahm er – allerdings erst geraume Zeit, nachdem ihn Cicero der Verschwrung bezichtigt hatte – das verzweifelte Wagnis, durch einen gewaltsamen Umsturz an die Macht zu gelangen. Eine wirkliche Gefahr fr die republikanische Staatsordnung bestand zu keinem Zeitpunkt. Sie ist eine Erfindung Ciceros, mit der er sich zum Retter des Staates stilisierte.

Catilina, Cicero und Caesar. Der Althistoriker H. Strasburger sieht in dem Ereignis sogar „Caesars Eintritt in die Geschichte“. Caesar war im Jahre 66 zum dil gewhlt worden, dem dritthchsten Amt der Republik. Mit Spenden und großzgig finanzierten Spielen warb er um Whlerstimmen fr die Prtur. Er kandidierte – seiner Familientradition folgend – als popularer (und populrer) Politiker. Sullas restaurative Gesetze (siehe S. 12) hatten die politischen Probleme der Republik nicht gelst und die sozialen verschrft. Die Unzufriedenheit, nicht nur der Plebs, wuchs innerhalb und außerhalb von Rom. Catilina war kein Sozialrevolutionr, aber er stand in Opposition zu den meisten Senatoren. Er bentigte eine Klientel und die fand er in der Plebs und in verarmten oder von Schulden bedrohten Aristokraten. Seine Versprechungen waren zu groß, als dass er

Die Nonen des Dezember

sie jemals htte halten knnen, doch sie wurden ihm geglaubt. Catilina fand im Volk Anhnger ber den Tod hinaus. Sie waren zweifellos in der selben Gefolgschaft zu suchen, aus der auch Caesars Whler kamen. Dies erklrt vieles an Caesars Auftreten in jenem Jahr 63. Cicero behauptet in einem autobiographischen Fragment De consiliis suis („ber ihre Plne“), Caesar und dazu Crassus htten im Jahre 64 Catilina bei der Bewerbung um das Konsulat untersttzt. Das ließe sich als bliche Quengelei des Redners abtun, aber es ist mehr, denn es besitzt eine innere Wahrscheinlichkeit. Vermutlich setzte Catilina schon bei seiner ersten Kandidatur im Jahre 66 auf die Hilfe der beiden, und diese distanzierten sich schwerlich bei der dritten Bewerbung von 63. Es gab auch keinen Grund, dies zu tun, denn zumindest solange Catilina kandidierte, gab es die Umsturzplne nur in Ciceros Reden. Die Lage nderte sich erst im November 63, als Catilina Rom verließ, um einen Aufstand in Etrurien anzufhren. Dort war es zu Unruhen gekommen, da die Landbevlkerung infolge von Sullas Siedlungspolitik, infolge von Misswirtschaft und infolge der Konkurrenz von Großbetrieben, die billig produzierten, zusehends verarmte. Whrend Catilinas Abwesenheit in Etrurien agierten seine „Mitverschwrer“ in Rom hilflos. Cicero, dem Konsul, gelang es, einen an Catilina adressierten Brief abzufangen. Auslndische Gesandte, die unvorsichtig in Umsturzplne eingeweiht worden waren, sagten vor dem Senat aus und so konnten fnf wichtige Catilinarier, darunter ein amtierender Prtor, Cornelius Lentulus, festgenommen werden. Das geschah am 3. Dezember. Als sich die Nachricht verbreitete, brachen Unruhen in Rom aus. Der Senat wollte nun schnell handeln und setzte eine Abstimmung ber die Gefangenen am 5. Dezember an.

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Die Nonen des Dezember

Schon in der Sitzung vom 4. Dezember war Caesar von fhrenden Optimaten scharf angegriffen worden. Sie zweifelten ebenso wenig wie Cicero, der dies als homo novus aber damals nicht allzu laut zu sagen wagte, daran, dass er unter die Verschwrer oder zumindest deren Sympathisanten einzureihen war. Die Situation war schwierig, aber nicht eigentlich gefhrlich. Das wurde sie erst in der spteren Wahrnehmung. Caesar befand sich in einer Zwickmhle. Verteidigte er die Catilinarier, erhrtete er den Verdacht gegen sich, schloss er sich der großen Mehrheit an, sank sein Ansehen bei der Plebs. Fernbleiben schien hier die einfachste Lsung. Crassus whlte sie, doch dem Popularen Caesar war ein solcher Ausweg verstellt. Im brigen zeichneten ihn zwei Dinge aus. Er wich Risiken nicht aus und verstand es anschließend, sie wirkungsvoll zu bertreiben. So machte sich Caesar zum einsamen Helden des 5. Dezember. In der Gunst der Plebs wurde er zusammen mit dem Volkstribunen von 58, Clodius Pulcher, zum Nachfolger Catilinas.

Im Abseits: Cicero beschuldigt Catilina im Senat der Verschwrung, Fresko Cesare Maccaris (1889), Palazzo Madama, Rom.

Die Nonen des Dezember

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Parteien und Schichten

O ptimaten: „Die Besten“, Selbstbezeichnung des Senatorenstandes, vor allem aber im engeren Sinne der Politiker, die sich im Gegensatz zu den Popularen zur Durchsetzung ihrer Politik des Senats bedienten und seine Autoritt gegenber Magistraten und Volksversammlung verteidigten. Populares: „Volksmnner“, Politiker (wie die Optimaten Angehrige des Senatorenstandes), die ihre politischen Ziele mithilfe des Volkstribunats und der Volksversammlungen (concilia plebis, Tributkomitien) gegen die Senatsmehrheit durchzusetzen versuchten. Traditionelles Programm popularer Politik war die Interessenvertretung der breiten Bevlkerung (Acker- und Getreidegesetze, Mietminderung, Schuldenerlasse). Homo novus: „Neuling“, einer, der als erster seiner Familie Mitglied des Senats wurde, im engeren Sinne derjenige, der als erster das Konsulat bekleidete und damit fr seine Familie (gens) die Zugehrigkeit zur Nobilitt begrndete. Nobilitt: Im Sprachgebrauch der spten Republik der aus dem Senatorenstand herausgehobene kleine Kreis der fhrenden patrizischen und plebejischen Familien, die unter ihren Angehrigen und Vorfahren wenigstens einen Konsul hatten.

Whrend der Senat zu tagen begann, sammelten sich auf dem Forum Anhnger und Neugierige. Die tabernarii schlossen ihre Lden, die Senatoren riefen ihre Klienten herbei, die Gefolgsleute Catilinas mischten sich unter die Menge, agitierten in den Wohnvierteln (vici) und versuchten Handwerker und Sklaven (opifices atque servitia) aufzuhetzen. Sie hofften immer noch, nach Anbruch der Nacht ihre Fhrer, die in privater Haft auf die Huser verschiedener Prtoren verteilt worden waren, befreien zu knnen. Den Tempel der Concordia

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Die Nonen des Dezember

hatte der Senat aus Sicherheitsgrnden als Versammlungsort gewhlt. Wachen zogen auf und umstellten ihn, bewaffnete Ritter hielten sich auf dem Forum und am Capitolinischen Hgel bereit. Die Stimmung war aufgeheizt, die Senatoren konnten die Rufe bis in den Tempel hren. Trotzdem schien das Todesurteil beschlossene Sache. Der amtierende Konsul Cicero hatte die Versammlung einberufen und leitete das Verfahren nun mit seinem Bericht ein. Nach der blichen Ordnung ußerte dann zunchst der Princeps senatus, der designierte Konsul Silanus, seine Meinung (sententia) und pldierte fr die Hchststrafe: ultima poena, und das war zweifellos der Tod. Es folgten streng in der Reihenfolge der mter und des Wahljahres die weiteren gewesenen Magistrate: Konsulare vor Prtoriern, dilizier vor Tribuniziern, diese vor Qustoriern. Der zweite designierte Konsul und 14 Konsulare bejahten den Antrag des Silanus. Niemand widersprach.

Der einsame Unbeugsame

Dann kam Caesar, und er sprach praetorio loco. Er war designierter Prtor, sollte sein Amt am 1. Januar antreten und durfte daher im Gegensatz zu den Amtsinhabern einen Antrag stellen, und zwar noch vor den Prtoriern. Die Abstimmung, die schon entschieden schien, nahm eine pltzliche Wende. Caesar stritt, ohne die Catilinarier zu verteidigen, entschieden gegen die sofortige Verhngung der Todesstrafe und verlangte, die Festgenommenen in italische Landstdte zu schicken, sie dort in immerwhrender Haft zu halten und ihr Vermgen einzuziehen. Die Folgenden,wie Caesar designierte Prtoren, befanden, als htten sie das Vorhergehende nicht gehrt, Caesars Vorschlag sei der beste. Auch Quintus Cicero, der Bruder des Konsuls, war unter ihnen. Einer, der es sich mit niemandem verderben wollte,

Der einsame Unbeugsame

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beantragte Vertagung. Dies konnte der Konsul nicht hinnehmen. Er unterbrach und referierte nochmals die Situation. Danach geschah berraschendes. Silanus, der den ersten Antrag gestellt hatte, verkndete nun, er habe mit „hrtester Strafe“ nicht den Tod gemeint, sondern genau das, was Caesar vorgeschlagen habe. Auch die anderen Konsulare wollten das nun so gesehen haben. Allein der Exkonsul Catulus widersprach. Er gehrte zu denen, die bereits im Vorfeld heftige Stimmungsmache gegen Caesar betrieben hatten und ihn der Teilnahme an der Verschwrung bezichtigten. Kurz vorher war Catulus nmlich Caesar bei der Wahl zum Pontifex maximus unterlegen. Nach Catulus waren weiterhin alle designierten Prtoren und Prtorier, dile und dilizier fr Caesars Antrag. Alles schien nun Formsache, denn diejenigen, die noch sprachen, waren politisch ohne großes Ansehen. Es kamen die designierten Tribunen und die Tribunizier und mit ihnen Cato, der Enkel jenes Cato, der Karthago um jeden Preis hatte zerstren wollen. Mit Catos Rede nahm eine Feindschaft ihren Anfang,

Ein Vergleich

N ach Flgels Bemerkung nimmt das Lachen immer mehr ab, je nher die Menschen den Polen (= Polkappen) wohnen. Auf den zwei Polen knnten also zwei Kato, der ltere und der jngere, sitzen. Aber die Skurrilitt der Grnlnder und Kamtschadalen entkrftet jenen Satz.“ J EAN PAUL, Leben des Quintus Fixlein. Postscriptum Cato Maior (234 –149 v. Chr.), der das erste lateinische Geschichtswerk verfasste, wurde bekannt durch sittenstrenges Verhalten und seinen Aufruf zur bedingungslosen Zerstrung Karthagos.

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Die Nonen des Dezember

die selbst den Tod berdauern sollte, wie Caesars postumes Pamphlet gegen seinen Gegner zeigt. Der junge Cato geißelte die Angst seiner Mitsenatoren vor der definitiven Entscheidung und forderte erneut die Todesstrafe. Caesar wurde ein weiteres Mal der Verschwrung bezichtigt. Die Senatoren bekamen Angst vor ihrer Angst und waren nun in ihrer großen Mehrheit fr Catos sententia. Caesar wagte noch Widerspruch, doch dieser ging in Tumulten unter. So sah er sich gezwungen, die Volkstribunen anzurufen, ihn zu schtzen. Als er den Tempel der Concordia verlassen wollte, strzten sich Ritter, die als Posten aufgestellt waren, mit gezckten Schwertern auf ihn. Erst als ein Begleiter den Bedrohten in seine Toga hllte, konnte er den Verfolgern entkommen. Fr die Plebs wurde er dadurch zum Helden. Das Volk hing ber die Maßen an ihm, schreibt Plutarch in diesem Zusammenhang. Die Nonen des Dezember sind die Geschichte eines einsamen Unbeugsamen. Und so erzhlen es die Berichte auch, die entstanden, als der nachmalige Diktator tot und vergttlicht war, die Legenden fr und gegen ihn lngst Wurzeln geschlagen hatten. Fr die Zeitgenossen stellte sich das Geschehen nicht so dramatisch dar. Plutarch betont ausdrcklich, in Ciceros Schrift ber die Ereignisse stehe kein Wort von einer Bedrohung Caesars. Selbst ein Mann wie der Caesarmrder Brutus hielt in einem von Cicero zitierten Brief Caesars Antrag fr so streng (tam severa), dass die Voten der Konsulare demgegenber nur htten mild ausfallen knnen, und er glaubt, die Senatsmehrheit sei allein deswegen Catos Antrag gefolgt, weil dieser ihn ausfhrlicher begrndet habe.

Die Geburt einer Legende

Die Geburt einer Legende

Tatschlich tat Caesar an jenem 5. Dezember nichts wirklich Außergewhnliches. Vermutlich htten es zwar die allerwenigsten Senatoren gewagt, in einem so frhen Stadium ihrer Karriere gegen eine nahezu geschlossene Meinung der Nobilitt anzutreten und obendrein den hohen Herren auch noch Angst zu machen. Dazu bedurfte es eines Caesar. Aber die Rede, die er hielt, war weder khn noch revolutionr. Caesar verteidigte die Verschwrer keineswegs und wies jede Gemeinsamkeit mit ihnen von sich: Gewahrsam statt Tod sei nur die klgere und letztlich auch hrtere Strafe. Damit verteidigte er aber fast nebenbei ein Grundprinzip popularer Politik, das auf Gaius Gracchus zurckging. 123 v. Chr. hatte dieser ein Gesetz erlassen, wonach jeder, der einen rmischen Brger ohne rechtmßiges Urteil, d. h. ohne Urteil eines vom Volk, nicht durch Senatsbeschluss eingesetzten Gerichts, gettet habe, verbannt werden solle. Whrend Cicero sich in seinen Maßnahmen als Konsul durch das senatus consultum ultimum (SCU) vom Oktober 63 gedeckt fhlte, ging es fr die Plebs um die alte Frage, ob dieses, der „ußerste Senatsbeschluss“, das Recht der provocatio (Anrufung der Hilfe des Volkes) außer Kraft setze oder nicht. Eben jenes Recht galt es zu verteidigen, denn es war nicht nur ein Schutz gegen mgliche Willkr der Magistrate, sondern darber hinaus ein Sinnbild der libertas (Freiheit) des Volkes. Caesars Einspruch gegen die Hinrichtungen schtzte dieses Recht. Das war populare Politik und schrfte sein Profil als Wahrer der Interessen des Volkes. Caesar brauchte die Abstimmung nicht zu gewinnen, seine Haltung war der Sieg. Die Stunde freilich gehrte Cicero, der als Retter des Vaterlandes gefeiert wurde. Nach Ende der Sitzung ließ er es sich nicht nehmen, unter Begleitung zahlreicher Standesgenossen

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Die Nonen des Dezember

Cicero am 5. Dezember 63 v. Chr.

E s war schon Abend, und Cicero ging ber den Markt zu seinem Hause hinauf, wobei ihn nun die Brger nicht mehr schweigend und in Ordnung geleiteten, sondern mit Zurufen und Hndeklatschen empfingen, wohin er auch kam, und als Retter und Neubegrnder des Vaterlandes begrßten. Die Gassen waren hell erleuchtet von den Lmpchen und Fackeln, die sie an den Tren anbrachten, und die Frauen leuchteten von den Dchern herab, um den Mann zu ehren und zu sehen, der da im Geleit der Edelsten in Glanz und Wrde emporstieg. Die meisten von diesen hatten große Kriege ausgefochten, waren im Triumph eingezogen, hatten zu Wasser und zu Lande das Reich erweitert, und nun schritten sie daher und gestanden einander, dass vielen der Fhrer und Feldherren von damals das rmische Volk Dank schulde fr Reichtum, Beute und Machtgewinn, fr Sicherheit und Rettung aber allein dem Cicero, der eine so große und furchtbare Gefahr von ihm abgewehrt habe. Denn nicht dass er, was im Werke war, vereitelt und diejenigen, die das bse Werk vollbringen wollten, bestraft hatte, erschien so wunderbar, als dass dieser Mann den grßten Umsturzversuch aller Zeiten unter den geringsten Opfern, ohne Aufruhr und Brgerkrieg erstickt hatte. Denn die meisten derer, die zu Catilina zusammengestrmt waren, verließen ihn auf die Kunde, was mit Lentulus und Cethegus geschehen war, und liefen davon. Mit denen, die bei ihm ausgeharrt hatten, lieferte er dem Antonius die Entscheidungsschlacht und fand mitsamt seinem Heere den Tod. P LUTARCH, Cicero 22 2

den wichtigsten Gefangenen selbst abzuholen und ihn unter dem Schweigen zahlreicher Zuschauer ber die via Sacra und das Forum zur Hinrichtungssttte am Kapitol zu bringen.

Die Geburt einer Legende

Lentulus und die anderen wurden dort ins sogenannte Tullianum, einen Raum zwlf Fuß unter dem Erdboden, hinuntergelassen und von einem Henker erdrosselt. Auf dem Forum standen immer noch zahlreiche Anhnger, die ber das Schicksal ihrer Anfhrer im Unklaren waren. Cicero machte dem Warten ein Ende, indem er der Menge das berhmt gewordene Vixerunt (sie haben gelebt) zurief. Die Hinrichtung des Prtors und der brigen Catilinarier hatte aus dem, was bisher nur vage Vermutungen waren, eine tatschliche Verschwrung gemacht. Bis zu den Nonen des Dezember war in Rom nichts geschehen, obwohl Cicero ein Blutbad und die Einscherung der ganzen Stadt prophezeit hatte. Der dies exiti ac fati, der Tag des Verhngnisses und des Untergangs, war nicht, wie angekndigt fr Rom, sondern fr die Catilinarier gekommen.3 An den Nonen des Dezember kursierten viele Gerchte. Das Unwissen begnstigte Mythen; Legenden entstanden. Cicero hat in zahlreichen Reden und Schriften seinen Teil dazu beigetragen. Unaufflliger, aber wirksam, verbreitete Caesar seine Version. Das Epos von dem Einen, der sich im Senat einer Welt von Feinden stellte, stammt von ihm und seinen Anhngern. Es trug nicht zum wenigsten dazu bei, ihm in dem entscheidenden Jahr 59, in dem er als Konsul die fr seine Karriere wichtigen Beschlsse in den Komitien durchsetzte, die Gunst des Volkes zu sichern. Bis hin zum Mrz 44, als Antonius seine berhmte Rede vor dem aufgebahrten Leichnam Caesars hielt, gehrte ihm die Sympathie der Plebs.4

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Die Schlacht an der Sambre: Caesar als Feldherr s gibt kein Ereignis in den Commentarii, ob nun zum Gallischen oder zum Brgerkrieg, in dem Caesar als

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Feldherr so prsent ist wie in der Schlacht gegen das belgische Volk der Nervier. Ansonsten wirkt er meist im Hintergrund, zieht die Fden, koordiniert, entscheidet. In der Schlacht mit den Nerviern ist dies anders. Die Lage zwingt ihn zum ttigen Eingreifen an vorderster Front. Caesar konnte den Sieg als einen ganz persnlichen betrachten und er hat dies dann auch zu einer großartigen Selbstdarstellung genutzt. Im ersten Buch des Bellum Gallicum schildert Caesar die Kmpfe gegen Helvetier und Sueben, im zweiten den Konflikt mit den Belgern. Caesar gibt nur Streiflichter des Feldzuges. Er betont die zahlenmßige berlegenheit des Gegners und die Schwierigkeiten der Auseinandersetzung. Alle Aufmerksamkeit liegt auf den Kmpfen, an denen Caesar selbst beteiligt ist. Im Jahre 57 wurde aber auch an anderen Fronten gekmpft. P. Crassus, einer der Legaten, unterwarf die Seevlker am Atlantik, in der Bretagne und in der Normandie, und brachte sie, so der Terminus technicus, unter die Herrschaft des rmischen Volkes. Caesar braucht fr diese Nachricht fnf Zeilen. Die restlichen vierhundert des zweiten Buches gehren ihm. Die Legaten, die er sonst erwhnt, sind nur Befehlsempfnger, ihre Leistung ist die des Imperators.

Caesar als Feldherr

Im Zentrum des zweiten Buches steht der Konflikt mit dem Volk der Nervier. Die Darstellung erstreckt sich ber die Kapitel 15 bis 28. Das ist die knappe Hlfte des Buches. Zentrum des Zentrums ist das Schlachtgeschehen. Dabei widmet Caesar ein Drittel des Buchumfanges einem Vorgang, der nur wenige Stunden dauerte. Alles, was sonst noch geschieht, ist darauf ausgerichtet. Das Vorausgehende (Kap. 1–14) rechtfertigt den Feldzug und schildert die ersten, noch weitgehend unblutigen Konfrontationen mit den belgischen Vlkern. Es ist in gewisser Weise nicht mehr als ein langes Vorwort zur Nervierschlacht. Caesar beginnt mit einer kurzen Begrndung seines Feldzuges (2.1). Nach Abschluss des Unternehmens gegen den Suebenknig Ariovist hatte er sich in seine Provinz in Oberitalien begeben. Als Statthalter musste er sich um deren Verwaltung kmmern und Gerichtstage abhalten. Seine Legionen waren derweil in Gallien stationiert, wahrscheinlich in der Gegend von Vesontio (Besan on). Plutarch fasst unbertrefflich zusammen, was Caesar zwischen zwei Feldzgen in Gallien tat: Caesar selber begab sich, um das politische Leben in Rom

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besser verfolgen zu knnen, in die Poebene, welche zu seiner Provinz gehrte; denn der Rubico bildet die Grenze zwischen dem diesseits der Alpen gelegenen Gallien und dem eigentlichen Italien. Whrend seines Aufenthaltes in dieser Gegend entfaltete er eine rege Ttigkeit, um neue Anhnger zu gewinnen. Er empfing zahlreiche Besucher aus der Hauptstadt und gab jedem, was er verlangte. Keinen entließ er, der nicht seine Wnsche erfllt gesehen oder wenigstens die Hoffnung auf Erfllung mitgenommen htte. So brachte er es fertig, whrend der ganzen Dauer des Gallischen Krieges mit den Truppen, die ihm die Brger

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Caesar als Feldherr

gaben, die Feinde zu unterwerfen und mit dem Geld, das er den Feinden abnahm, die Brger zu gewinnen und sich

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gefgig zu machen.1

Whrend Caesar in Oberitalien weilte, schlossen sich die Belger zusammen, stellten untereinander Geiseln, denn so ganz trauten die einzelnen Vlker einander nicht, und suchten das Bndnis mit den Germanen. Sie empfanden Caesars Vordringen in Gallien als Bedrohung und wollten sich gegen eine Invasion wappnen. Caesar fasste dies anders auf. Fr ihn war die belgische Koalition eine Bedrohung des rmischen Volkes. Und Aufgabe des Prokonsuls war es, diese abzuwehren. So behauptet er, die Belger htten sich gegen die Freiheit des rmischen Volkes verschworen (coniurare). Die Grnde fr diese Verschwrung aber seien die folgenden: Erstens frchteten die Belger, dass nach der Befriedung ganz Galliens (Gallia pacata) das rmische Heer gegen sie gefhrt wrde. Zweitens htten einige Gallier sie aufgehetzt, die zwar keine Germanen auf ihrem Gebiet sehen wollten, aber auch nicht wnschten, dass die Rmer sich auf Dauer dort festsetzten. Die Wortwahl zeigt bereits das Feindbild. Innerhalb nur einer Zeile nennt Caesar die belgische Defensivallianz zweimal eine Verschwrung. Nur kurz vorher hatte Cicero eine andere Verschwrung gegen die Republik niedergeschlagen und sich in vielerlei Schriften und Reden darber geußert. Das rmische Publikum wusste also, unter welchem Gesindel Verschwrer zu finden waren und welche Absichten sie hegten.

Belgisches Vorspiel

Mehr sagt Caesar nicht darber. Ab Kapitel 2 tut er das, was ihm gemß ist: Er handelt. Caesar prsentiert seine umfassenden Kompetenzen als Kriegsherr, ohne dass es bereits zu

Belgisches Vorspiel

grßeren Kmpfen kommt. Indirekt wird der Leser auf den Hauptteil eingestimmt. Der Feldherr beweist zunchst seine militrische Voraussicht. Er hebt zwei neue Legionen aus und hat nun insgesamt acht, doppelt so viele, wie ihm Senat und Volk hatten zugestehen wollen. Danach zeigt er seine diplomatische Umsicht. Es gelingt ihm, die belgische Koalition zu spalten. Ein Teil der Belger tritt auf seine Seite, ein anderer Teil unterwirft sich, als er in belgisches Gebiet einmarschiert. Das Volk der Remer bietet ihm Sttzpunkte. Bei Caesar verwenden selbst die Feinde Caesars Terminologie, und so sprechen auch die belgischen Remer von einer Verschwrung. Es gibt niemanden, der Caesar berzeugender Recht geben knnte als der Gegner. Schließlich kommt es zur Feindberhrung, stehen sich Rmer und belgische Kontingente direkt gegenber. Nur ein Sumpf trennt sie. Bei Caesar hat jede Handlungsweise ihre Zeit. In dieser Situation kommt es nun nicht auf Draufgngertum an, sondern auf ruhige Vorsicht. Er zgert die Schlacht hinaus, denn die Feinde sind in ungeheuerlicher Zahl erschienen. Caesar beschreibt das anschaulich. Der Rauch, der aus den Lagerfeuern der Feinde hochsteigt, verteilt sich ber eine Entfernung von acht Meilen. Es kommt zu kleineren Gefechten, die große Schlacht bleibt aus. Der Leser erkennt schnell, dass Caesar das Richtige tut. Wegen Getreidemangels lsen sich die feindlichen Verbnde auf, kehren in ihre Wohnsitze zurck. Die Rmer knnen die Verfolgung der getrennten Kontingente aufnehmen, eigene Verluste vermeiden und die Nachhut der Feinde dezimieren. Danach steht der Zugang zu belgischen Stdten offen. Caesar erobert zwei besonders wichtige: Noviodunum und Bratuspantium (Soissons und Beauvais?). Er rhmt die rmische Militrtechnologie und die eigene Schnelligkeit. Zusammen sind sie unschlagbar. Niemand eroberte so rasch feindliche Festungen wie Caesar.2 Mit

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Caesar als Feldherr

dem Bericht ber diese ersten, ohne eigene Verluste errungenen Erfolge auf belgischem Gebiet schließt die Vorbereitung auf die Nervierschlacht ab. Der Autor macht hier eine Zsur, indem er ein neues Vorwort einschiebt, das geschickt an dasjenige zum Gesamtkrieg anschließt. 3 Dort hatte Caesar in Anknpfung an eine zeitgenssische Kulturtheorie behauptet, von allen Galliern seien die Belger die tapfersten. Sie seien nmlich von der rmischen Kultur und Zivilisation am weitesten entfernt. Nur selten kmen Kaufleute mit Luxuswaren zu ihnen. Nun steigert Caesar die Charakteristik. Zu den Nerviern htte kein einziger Kaufmann Zutritt. Sie seien wild und außerordentlich tapfer: die Belger der Belger also. Sie beklagten die Kapitulation der anderen Vlker, bezichtigten sie der Feigheit sowie des Verrats am Vaterland und erklrten mit Entschiedenheit, so behauptet Caesar, selbst keine Gesandten zu schicken und kein Friedensangebot anzunehmen. Jetzt weiß der Leser, es wird zum Kampf auf Leben und Tod kommen. Danach widmet sich der Autor den Planungen und berlegungen beider Parteien (2.17). Caesar lsst erkennen, wie gut seine eigene Aufklrung funktioniert. Er ist ber die Feindbewegungen bestens unterrichtet. Er kennt die Verbndeten der Nervier, er weiß, welcher Zuzug an Verstrkung noch zu erwarten ist, wo die Nervier lagern und wohin sie Frauen, Kinder und Greise evakuiert haben. Er besitzt alle Informationen, whrend umgekehrt die Nervier Tuschungen unterliegen. Ihr Angriff wird spter auf falschen Voraussetzungen beruhen. Den militrischen Vorbedingungen folgen die topographischen. Caesar berichtet von einem Phnomen, das spter die Leitung der Schlacht sehr erschweren wird, da es die bersicht ber das Gelnde verhindert. Die Nervier hatten in ihrem gesamten Gebiet Brombeer- und Dornhecken angepflanzt, die sie – wie eine Mauer – vor Reiterangriffen schtzen sollten.

Belgisches Vorspiel

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Die Schlacht mit den Nerviern in Caesars Darstellung: Der 1. Akt 17. Caesar sendet Spher aus, um einen geeigneten Ort fr das Lager zu erkunden. Keltische berlufer verraten den Nerviern die rmische Marschordnung. 18. Beschreibung des Schlachtortes: zwei Anhhen, zwischen denen die Sabis (Sambre) fließt. 19. In der Nhe des Feindes verndert Caesar die Marschordnung. Die rmische Reiterei berquert den Fluss, die feindliche zieht sich in die Wlder zurck, in denen die Fußtruppen der Nervier lagern. Inzwischen beginnen die rmischen Legionre mit dem Bau des Lagers. Fr die Nervier (und die mit ihnen verbndeten Vlker der Atrebaten und Veromanduer) ist dies das Zeichen, ihre Verstecke zu verlassen. Sie schlagen die rmische Reiterei in die Flucht, durchstoßen den Fluss und strmen den gegenberliegenden Hgel hinauf. 20. Caesar erscheint. Er kann nur die wichtigsten Anweisungen geben und verlsst sich auf die Erfahrung seiner Veteranen und Unterfeldherren. Diese ergreifen von sich aus die erforderlichen Maßnahmen. 21. Caesar reitet an die vorderste Front. Er trifft auf die Soldaten der zehnten Legion und ermuntert sie zum Angriff. Von dort eilt er zum anderen Flgel. Die Schlacht hat inzwischen begonnen. Die rmischen Soldaten kmpfen, ohne ihre Abteilungen zu suchen, dort, wo sie sich gerade bei der Schanzarbeit aufhalten.

Zuletzt schildert Caesar die Bhne seines Ruhms, das Gelnde, auf dem er den Sieg erringen wird. Der Ort der Schlacht wird aus der Perspektive des Feldherrn gesehen, der Leser so unmittelbar in das Geschehen einbezogen:

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Caesar als Feldherr

Eine Anhhe fiel in gleichmßiger Neigung zum Fluss Sabis

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ab. Vom Fluss aus stieg ein weiterer Hgel mit gleicher Neigung an, der dem ersten gegenber lag und sein Gegenstck bildete. Sein unterer Teil war etwa auf 200 Schritt hin unbewaldet, whrend er in der Hhe mit Bumen bestanden war, die die Sicht erschwerten. In diesen Wldern hielten sich die Feinde verborgen. Im freien Gelnde, am Fluss entlang, wurden nur einzelne Reiter-

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posten beobachtet. Der Fluss war ungefhr drei Fuß tief.4

Der Leser muss das Gelnde vor Augen haben, in dem Caesar nun auftritt. Nur so kann er die Leistung des Feldherrn verstehen und wrdigen. Die nun folgende Schilderung der Schlacht weist drei Phasen auf. In der ersten und dritten steht Caesar im Mittelpunkt, alle rmischen Aktivitten gehen von ihm aus. Dazwischen liegt der Abschnitt, in dem sich die Darstellung der Vorgnge in Einzelkmpfe zersplittert. Niemand besitzt hier bersicht ber den Schlachtverlauf. Gerchte gehen um, provozieren falsches Verhalten. Es ist die Krisis der Schlacht, die erst durch Caesars neuerliches Erscheinen auf der Kampfsttte berwunden wird. Mit der Beschreibung des Schlachtortes in Kapitel 18 sind die Voraussetzungen fr die Schilderung des Kampfgeschehens erfllt. Mit nur wenigen Zeilen bereitet Caesar dieses nun vor (Kap. 19). Die Reiterei bildet die Spitze des Zuges, dann folgt er selbst mit sechs Legionen in Kampfbereitschaft. Der Tross schließt sich an, abgesichert von zwei weiteren Legionen. Der Tag der Schlacht wird nicht genau bestimmt. Caesar macht nie genaue Zeitangaben. Er ist kein Historiker, der sich um eine genaue Datierung bemhen muss. Ihm geht es nur darum zu zeigen, wie schnell er handelt. Dazu reicht eine relative Chronologie. Der Leser erfhrt nur, dass der vierte Tag nach Beginn

Belgisches Vorspiel

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der Invasion im Nervierland angebrochen ist, als es zum Kampf kommt. In Caesars Darstellung entwickeln sich die Dinge dann rasch. Die rmischen Reiter durchqueren den Fluss, verwickeln sich in Kmpfe mit den gegnerischen Reitern. Inzwischen kommen die Legionre auf dem beschriebenen Hgel am Ufer der Sabis an und beginnen mit der Schanzarbeit fr das Lager. Es soll auf der Stelle errichtet werden, von der aus in Kapitel 18 Caesars Blick auf den Fluss fllt. Offenbar rechnen die Legionre nicht mit einem Angriff der Feinde. Der aber bricht in dem Augenblick los, als die Schanzarbeiten beginnen. Die Nervier haben die Ankunft des Trosses als Signal vereinbart, und so greifen sie nun an, obwohl statt der erwarteten einen Die Schlacht mit den Nerviern in Caesars Darstellung: Der 2. Akt 22. Der berraschende Angriff der Feinde lsst eine geordnete Schlachtaufstellung nicht zu. Dornendickichte behindern die Sicht, sodass sich die Reserven nicht an erforderlicher Stelle einsetzen lassen. Das Schlachtglck wechselt. 23. Die neunte und die zehnte Legion werfen die Atrebaten ber den Fluss zurck und schlagen sie in die Flucht. Der achten und der elften Legion gelingt ein hnlicher Erfolg gegen die Veromanduer. Die Nervier konzentrieren inzwischen ihren Hauptangriff auf das ungedeckte rmische Lager. 24. Die rmischen Reiter und die Leichtbewaffneten, die ins Lager zurckgekehrt sind, fliehen daraufhin. Ebenso wenden sich Trossknechte und Schleuderer zur Flucht. Das Lager fllt sich mit Feinden, die dort befindlichen Legionre sind eingekesselt. Als erste Reaktion geben die mit Caesar verbndeten Reiter der Treverer die Schlacht verloren. Sie reiten in ihre Heimat und melden, die Rmer seien vollstndig geschlagen.

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Caesar als Feldherr

Legion, die dem Tross vorausgehen sollte, bereits deren sechs eingetroffen sind. Vielleicht bauten sie dennoch auf das berraschungsmoment. Der Angriff der Belger wird bei Caesar zu einem fulminanten Ereignis. Sie kommen nicht einfach aus den Wldern heraus, in denen sie sich versteckt halten: „Sie fliegen hervor“, schreibt Caesar, und es ist das einzige Mal im gesamten Werk, dass er dieses Verb provolare benutzt. Die rmischen Reiter werden mhelos geschlagen und vertrieben. Die Nervier brauchen nicht einmal anzuhalten. Mit „unglaublicher Geschwindigkeit“ (incredibilis ist ein Adjektiv, an dem Caesar sonst spart) Die Schlacht mit den Nerviern in Caesars Darstellung: Der 3. Akt 25. Caesar trifft am rechten Flgel ein. Er findet dort die zwlfte Legion in verzweifeltem Kampf. Zahlreiche Zenturionen sind tot oder verwundet, die Feldzeichen verloren, ein Adlertrger ist gettet, Teile der Nachhut fliehen, Reserven knnen nicht eingesetzt werden. Caesar entreißt einem Soldaten den Schild, strmt in die erste Reihe, ermuntert die verbliebenen Zenturionen mit namentlichem Aufruf. Der Angriff der Feinde gert ins Stocken. 26. Caesar stabilisiert die gefhrdete siebte Legion. Aus der Nachhut treffen zwei frische Legionen auf dem Kampfplatz ein. Gleichzeitig kommt auch die zehnte Legion zurck, die inzwischen das feindliche Lager erobert hat. 27. Ihr Erscheinen verndert die Lage vollkommen. Selbst die verwundeten rmischen Soldaten nehmen den Kampf wieder auf, diejenigen, die schon geflohen sind, kehren zurck. In dieser Situation kmpfen die Nervier mit beispielloser Tapferkeit. Leichenberge trmen sich auf dem Schlachtfeld. Caesar lobt den nun besiegten Gegner.

Belgisches Vorspiel

strmen sie weiter. Caesar gebraucht nun ein Bild, das an die Darstellung in Comicstrips erinnert. Es habe so ausgesehen, als befnden sie sich beinahe gleichzeitig am Waldrand, im Fluss und im Handgemenge mit den rmischen Soldaten. Mit derselben Geschwindigkeit, mit der sie das eine Ufer hinabgestrzt sind, laufen sie nun das gegenberliegende hinauf. Dort arbeiten die berraschten Legionre am Lager. Binnen Minuten hat sich die Lage dramatisch zugespitzt. Damit hlt der Autor inne, und es beginnt ein neues Kapitel. An seinem Anfang steht ein Name wie ein Fels unter den anbrandenden Feinden: Caesar. Alles hngt in dieser gefhrlichen Situation an ihm. Er berichtet: Caesar htte alle Maßnahmen gleichzeitig treffen mssen: Die Fahne hissen, die signalisierte, dass man zu den Waffen

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greifen msse, mit der Tuba Alarm geben, die Soldaten, die sich etwas weiter entfernt hatten, um Material fr den

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Lagerwall zu beschaffen, von der Arbeit abrufen und herbeiholen, das Heer zur Schlacht aufstellen, die Soldaten anfeuern und das Zeichen zum Angriff geben.5

Caesar spricht zwar im Irrealis, aber der Leser zweifelt keine Sekunde daran, dass er auch tut, was er nach seinen Worten tun msste. Er ist der Fixpunkt, und selbst in Augenblicken, in denen er im Getmmel des Kampfes nicht direkt wirken kann, wird seine ordnende Hand erkennbar. Die Soldaten sind gut gebt, die Legaten am richtigen Ort aufgestellt, sodass sie erste Maßnahmen treffen knnen, ohne die Befehle des Imperators abwarten zu mssen (vgl. Phase 1, S. 48). Caesar gibt die Anweisungen, die er noch geben kann, dann verlsst er seinen Platz oben am Hgel, um direkt einzugreifen und seine Soldaten, wo immer er sie auch trifft, anzufeuern. Nun beginnt aber auch der Zufall eine Rolle zu spielen.

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Caesar als Feldherr

Caesar siegt an der Sambre: Eine Schlacht in drei Phasen, Phase 1: Angriff der Belger.

Caesar fhrt er zunchst auf den linken Flgel zu seiner EliteLegion, der legio decima. Von dort gibt er nach kurzer Ansprache das Zeichen zum Angriff und wendet sich zur anderen Flanke. Damit verschwindet er fr dreieinhalb Kapitel aus der Schlacht, die sich in den Commentarii in eine Reihe von Einzelgefechten auflst. Die sechs Legionen stehen sozusagen paarweise gegen die feindlichen Attacken. Auf dem linken Flgel treiben die neunte und die zehnte Legion die Atrebaten zurck in den Fluss und berschreiten ihn im Gegenangriff. Auch die achte und die elfte Legion sind erfolgreich und zwingen die Viromanduer zurck ins Tal. Schwierigkeiten haben dagegen die zwlfte und die siebte Legion auf dem rechten Flgel, die den Hauptstoß der Feinde auffangen mssen und in die Defensive geraten (Phase 2 auf S. 49).

Belgisches Vorspiel

Phase 2 der Schlacht an der Sambre: Gegenwehr der Rmer.

Fr sich betrachtet, vermittelt das Kapitel 23 eine eher ausgeglichene Kampfsituation, vielleicht sogar mit leichten Vorteilen fr die Rmer. Immerhin sind sie mit zwei Dritteln ihrer kmpfenden Truppen in der Vorwrtsbewegung. Doch der Autor will einen anderen Eindruck erzeugen. Das beginnt schon im Kapitel 21. Der Feind kommt so berraschend, dass keine Zeit bleibt, die Abzeichen anzuheften, die Helme aufzusetzen, ja nicht einmal die Hllen von den Schilden zu streifen. Die Legionre stellen sich nicht nach militrischen Regeln auf, sondern wie es Zeit und Gelnde erlauben. Die erwhnten Dornendickichte behindern die Sicht, Reserven lassen sich nicht in den Kampf werfen, niemand kann das Geschehen berblicken. Im Kapitel 24 spitzt sich die Lage dann weiter zu. Caesar verlangsamt das Erzhltempo, eine Art historiographisches

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Caesar als Feldherr

Ritardando, und er schiebt einen Exkurs ein, der den Leser hinhlt, um die Spannung zu steigern. Der Autor inszeniert eine Panik, die er ganz beherrscht. Es gilt, das Ansehen seiner Legionre nicht durch den Vorwurf der Feigheit zu beschdigen und trotzdem die Lage als nahezu hoffnungslos hinzustellen. Caesar gelingt auch das. Verwirrung und Flucht beginnen bei den Reitern, die von Verbndeten gestellt wurden. Sie sind bereits am Fluss geschlagen worden, in der Rckwrtsbewegung treffen sie nun im Lager unerwartet wieder auf Feinde und fliehen jetzt in die andere Richtung. Ihnen gleich tun es die Leichtbewaffneten. 6 Die nchsten, die Hals ber Kopf fliehen, sind Sklaven, die Trossknechte, dann die Treiber und Fhrer des Zugviehs, die gerade ankommen. Mut kann von ihnen nicht erwartet werden, wohl aber von der Reiterei der mit Rom verbndeten Treverer, die in Gallien den Ruf einzigartiger Tapferkeit genießen. Doch auch sie lassen Caesar im Stich. So behauptet er jedenfalls: Als sie sahen, wie sich unser Lager mit unzhligen Feinden fllte, dass die Legionen schwer bedrngt wurden und vllig

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eingekesselt waren, als sie zudem bemerkten, dass die Trossknechte, Reiter, Schleuderer und Numider aufgelst

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und zerstreut in alle Richtungen flohen, gaben sie unsere Sache verloren. 7

Die Zweittapfersten der Gallier (die erste Stelle nehmen ja die Nervier ein) reiten ohne Blick zurck heimwrts und verbreiten die Botschaft, die Rmer seien vollstndig besiegt: pulsos superatosque. Es gibt keinen strkeren Ausdruck. Die Nachricht von der (vermeintlichen) rmischen Niederlage stammt somit nicht von Feinden, die sich ihrer Erfolge rhmen wollen, sie kommt von den belgischen amici der Rmer. Niemand hat Grund, an der Richtigkeit zu zweifeln.

Der Mann der Stunde

Der Mann der Stunde

Caesar inszeniert in den Commentarii ein Drama. Seine Darstellung hnelt einem Theaterstck. Die Boten (d. h. die Treverer) haben die Nachricht von der Niederlage gebracht. Der Akt endet, auf der Bhne wird es dunkel, lastvolle Stille tritt ein. In ihr vollzieht sich, ohne dass der Leser es wissen kann, der Wendepunkt des Dramas. Pltzlich flammt ein Licht auf, beleuchtet – niemand sonst ist auf der Bhne – einen einzelnen Mann: CAESAR. Der Name, der nun nach langem Schweigen wieder genannt wird, erffnet die lngste Satzperiode der Commentarii. Sie dauert so lange wie die Wende im Kampf. Der Passus beginnt mit einem Partizip, das den Leser an die Stelle zurckfhrt, an der Caesar zum letzten Mal gesehen wurde, im Kapitel 21 nmlich, auf der linken Flanke bei der zehnten Legion, und setzt mit einem nicht enden wollenden, mit der Konjunktion ubi (sobald) eingeleiteten Nebensatz fort, dessen zwei, mit einer Reihe von absoluten Ablativen und Infinitiven vollgestopfte ungleiche Teile jeweils als Prdikat vidit besitzen, bis sich schließlich die Spannung in der Fortsetzung des knappen mit „Caesar“ erffneten Hauptsatzes lst: in primam aciem processit. Caesar ist nach vorne in die erste Schlachtreihe gekommen, er hat gesehen und nun wird er siegen. Der lange Nebensatz enthlt die Bestandsaufnahme, das, was Caesar mit einem Blick, in einem Satz, berschaut: Die Soldaten der zwlften Legion, zu deren Untersttzung Caesar nun auf den rechten Flgel geeilt ist, sind zusammengedrngt, behindern sich gegenseitig im Kampf, alle Zenturionen der vierten Kohorte sind bereits gettet, der Feldzeichentrger ist gefallen, das Feldzeichen verloren, die Zenturionen der brigen Kohorten sind, wenn nicht tot, dann verletzt, die brigen Kmpfenden werden bereits langsamer, in den hintersten Reihen versuchen

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Caesar als Feldherr

sich einige aus dem Staub der Schlacht zu machen. Whrend der Feind ununterbrochen nach vorne drngt, sind die Rmer von beiden Seiten bedroht, keinerlei Truppen stehen mehr zur Untersttzung bereit. So bleibt Caesar nur noch einer, auf den er sich in der hchsten Verzweiflung verlassen kann: er selbst. Er entreißt also einem Soldaten aus den hinteren Reihen den Schild, dringt zur ersten Reihe vor, ruft alle Zenturionen bei ihrem Namen, feuert die brigen Soldaten an und gibt den Befehl zum Angriff. Schon wird ein erster Erfolg sichtbar. Der abschließende Satz des Kapitels 25 vermeldet in beruhigend dumpfem Tonfall, dass sich der Angriff der Feinde schon etwas abgeschwcht habe: paulum hostium impetus tardatus est. Noch einmal, ein letztes Mal, stellt sich der Autor in den Mittelpunkt. Er hat nun alles in der Hand, sieht, was nun vor sich geht (zum dritten Mal innerhalb weniger Zeilen benutzt

Phase 3 der Schlacht an der Sambre: Hhepunkt und Wende.

Der milde Sieger

er das Wort videre), gibt nochmals Befehle. Dann kann er abtreten. Seine und die rmische Sache sind geordnet, den Rest besorgen die Soldaten. Auf der einen Anhhe kommen die zwei Legionen in Sicht (XIII und XIV), die die Nachhut schtzen, auf der anderen hat der Legat Labienus mit der zehnten Legion das Lager der Feinde erobert und schickt nun die bisher ausgebliebene Hilfe (vgl. Phase 3 auf S. 52). Das Blatt hat sich vllig gewendet (tanta commutatio rerum): Die Soldaten, die bereits verwundet am Boden liegen, nehmen auf ihre Schilde gesttzt den Kampf wieder auf, die Trossknechte, die in Panik geflchtet waren, kmpfen nun unbewaffnet gegen Bewaffnete, die ebenso schndlich geflohenen Reiter bertreffen selbst die Legionre an Kampfeseifer.

Der milde Sieger

Fr den, der all dies durch sein bloßes Erscheinen bewirkt hat, bleibt nichts mehr zu tun als – den Feind zu loben. Die Schlacht endet mit einer langen Laudatio der Tapferkeit der Nervier. Sie erhalten ein Denkmal, das sie sich selbst bauen drfen: Wenn die erste Reihe gefallen war, stellten sich die Folgenden auf die am Boden Liegenden und kmpften von

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dort weiter. Sobald auch diese gefallen waren, warfen die berlebenden von diesem Hgel aus Leichen aus ihre

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Wurfgeschosse auf uns und schleuderten die Speere zurck, die sie von unserer Seite auffingen. 8

Caesar braucht nach dieser Aussage nicht mehr zu sagen, wie tapfer diejenigen sein mssen, die einen solch tapferen Feind besiegen. Rom wusste es, die Nachwelt weiß es. Er zieht stattdessen ein Fazit und wechselt die Rolle: vom entschlossenen Kriegsherren zum milden Staatsmann.

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Caesar als Feldherr

Als sich die vorher in die Moore und ins Watt evakuierten Greise, Frauen und Kinder bedingungslos ergeben, ist es sein hchstes Anliegen, wie er eigens betont, aller Welt zu zeigen, wie sich ein Sieger gegenber Unglcklichen und Schutzflehenden verhalten soll: Voll von Barmherzigkeit (misericordia)! Er fordert die berlebenden auf, weiterhin in ihrem Land und ihren Stdten zu leben, und warnt die Nachbarn, irgendetwas Bswilliges gegen sie zu unternehmen. Die Meldung der gegnerischen Verlustzahlen berlsst er den berlebenden Nerviern: von 600 Senatoren leben angeblich noch drei, von 60 000 Waffenfhigen noch 500. Caesar lsst diese Zahlen unkommentiert. Wir wissen nicht, ob er sie wegen der grßeren Glaubwrdigkeit dem Gegner in den Mund legt oder ob sie ihm so unglaubwrdig erschienen, dass er sie nicht wiederholen will. Schon drei Jahre spter jedenfalls kmpften wieder nervische Truppen auf gallischem Boden. Hohe Verlustzahlen des Feindes belegten hingegen die Schwierigkeit des Sieges. Unter 5000 getteten Gegnern bewilligte Rom keinen Triumphzug. Caesars Sieg, und in der Darstellung der Commentarii war es unbestreitbar Caesars Sieg und nicht der Roms, besitzt fr den Autor eine Kehrseite. Er musste immerhin zunchst in die bedrngte Lage kommen, aus der er sich dann so berzeugend befreite. Mit anderen Worten: Offenbar hatte er zunchst Fehler gemacht. Napoleon I. erffnete den Reigen moderner Kritiker. Durch Vernachlssigung erforderlicher Vorsichtsmaßnahmen habe Caesar seine Truppen in ernste Gefahr gebracht. Unbestritten vermittelt Caesars Schilderung beim ersten Lesen (und die große Mehrzahl der Zeitgenossen wird es dabei belassen haben) den Eindruck der berraschung und damit indirekt der mangelnden Vorbereitung. Ein genauerer Blick zeigt freilich anderes. An zweien der drei Gefechtsorte befanden sich die Rmer im Vormarsch, zwei frische Legionen wurden jeden

Der milde Sieger

Moment erwartet. Allein am rechten Flgel waren die zwlfte und die siebte Legion in grßeren Schwierigkeiten. Die Darstellung aber suggeriert, die dortige Situation gelte fr das Gesamtheer. Tatschlich war die Katastrophe, die im Kapitel 24 hereinzubrechen droht, viel weiter entfernt, als es der Autor den Leser glauben machen will. Auf dem Schlachtfeld hatte er die Lage offenbar besser im Griff, als es in den Commentarii erscheint. Damit ging Caesar das Risiko von Kritik um den Preis ein, seine Leistung auf dem Schlachtfeld selbst noch besser herausstellen zu knnen. Er konnte dies tun, denn er wusste, dass er als Feldherr schließlich nur am Erfolg gemessen wurde. Und der war um so glnzender, je grßer vorher die Gefahr der Niederlage gewesen war. Ohne Cannae htte Roms Triumph ber Hannibal nur den halben Glanz besessen. 9 Dank Caesars großer Darstellungskunst blieb die Nervierschlacht im Gedchtnis der Zeitgenossen und der Nachwelt. In der Antike sind es die Historiker und Biographen Valerius Maximus, Florus und Plutarch, die genau den Moment als schlachtentscheidend herausheben, in dem Caesar in die erste Reihe eilt. Vor allem Plutarch hat das Geschehen in kurzen Worten dramatisiert. In der englischen bersetzung von North las Shakespeare dies, und so fanden die Nervier Eingang in die berhmteste Rede des Dramenwerkes, die Rede, die Antonius nach den Iden des Mrz hielt: Jetzt, wenn ihr Trnen habt, macht euch bereit, sie zu vergießen. – Dieser Mantel da,

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Ihr alle kennt ihn, – ich weiß noch genau, wie Caesar ihn zum ersten Mal anzog; ein Sommerabend war’s in seinem Zelt, am Tag, als er die Nervier besiegte. 10

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Der letzte Gallier: Vercingetorix und Caesar

D

er Vercingetorix, den die Nachwelt kennt, ist ein Geschpf Caesars. Er hat ihn zunchst besiegt und

dann unsterblich gemacht. Die Person Vercingetorix bekommt Konturen allein durch den Kampf gegen Caesar, und ohne diesen wssten wir wenig oder gar nichts von ihr. Was wir wissen, ist nicht in allem glaubwrdig, denn Caesar entwirft ein Bild, das ganz seinen eigenen Absichten und Zielen entspricht. Ein persnliches Interesse an seinem Gegner besaß er nicht. Er macht Vercingetorix groß, um noch grßer erscheinen zu knnen. Das fiel ihm nicht allzu schwer, da Vercingetorix zu dem Zeitpunkt, als Caesar ber ihn schrieb, bereits besiegt war und im Tullianum auf seine letzte Aufgabe wartete: sein Mitwirken als Schauobjekt im Triumphzug des siegreichen Feldherrn. Vercingetorix ist der Held eines Sommers. Mehr Zeit gibt ihm Caesar nicht. In den ersten sechs Bchern der Commentarii erscheint Vercingetorix nicht. Caesar braucht ihn nur, um dem entscheidenden Kriegsjahr 52 Gestalt und Kontur zu verleihen. Fr das rmische Publikum bentigt Caesar einen Besiegten, einen Barbarenfrsten, der die festgefgten Urteile besttigt. So bekommt die hauptstdtische Plebs Vercingetorix zuerst als literarisches Geschpf (in den Commentarii), dann auch realiter. Beide Personen haben wenig miteinander gemein. Vercingetorix dient Caesar dazu, den Gallischen Krieg zu veranschau-

Der letzte Gallier

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Der Krieg in Gallien

C aesar teilte das „freie“ Gallien geographisch in drei Teile: Aquitania im Sdwesten, die Belgica im Nordosten und die Gallia Celtica in Ost- und Zentralgallien. Er begann den Krieg im Mrz 58 gegen das Volk der Helvetier und besiegte es noch im Sommer 58. Die verbleibende Zeit nutzte er fr einen weiteren Feldzug in das Oberelsass. Mit ihm zwang er den germanischen Heerknig Ariovist, sich in rechtsrheinisches Gebiet zurckzuziehen. Die Begrndung der Offensive war in beiden Fllen die gleiche: Verteidigung der gallischen Bundesgenossen und Schutz des rmischen Territoriums. Im Jahre 57 dehnte Caesar seine Eroberungen bis in belgisches Gebiet aus. Ende Juli besiegte er an der Sambre das Volk der Nervier. 56 wurde Aquitanien im Sdwesten besetzt, die Seevlker der Veneter, Menapier und Moriner besiegt. Die Eroberung Galliens schien weitgehend abgeschlossen. Schon ab dem Winter 54/53 gefhrdeten jedoch zahlreiche Aufstnde das bisher Erreichte. Es begannen die blutigsten Jahre des Krieges. Gegen den Eburonenknig Ambiorix, der mit einer Guerillataktik gegen die Rmer kmpfte, erlitt Caesar seine empfindlichste Niederlage: 15 Kohorten wurden aufgerieben. Das Jahr 52 brachte dann die Entscheidung mit dem Kampf gegen Vercingetorix.

lichen. Er leiht den vielfltigen militrischen Operationen in Gallien seinen Namen, gibt ihnen Sinn und Ziel. Der rmische Leser konnte sich unter Gallien, unter Land und Leuten, wenig vorstellen. Die zahlreichen Vlker waren, vielleicht abgesehen von den Hduern, unbekannt, Namen ohne Inhalt. So musste Caesar vereinfachen, und er lst das darstellerische Problem genial. Er konzentriert das zersplitterte Kampfgeschehen auf

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Der letzte Gallier

drei Stdte: Avaricum, Gergovia und vor allem Alesia, den gallischen Widerstand aber auf eine einzelne Person, auf Vercingetorix: Der Krieg wird gleichsam zum Duell. Der große gallische Aufstand begann, wenn wir Caesar glauben wollen, mit einem berfall auf die Stadt Cenabum, das sptere Orleans. Die in der Gegend ansssigen Carnuten drangen mitten in die Stadt ein und tteten die rmischen Hndler. Anlass waren die Unruhen, die in Rom nach der Ermordung des frheren Volkstribunen Clodius Pulcher ausgebrochen waren und die nach Meinung der Gallier Caesars Handlungsspielraum einengten, ja sogar verhinderten, dass er, der sich zur Zeit des Attentats in Oberitalien aufhielt, berhaupt zu seinen Legionen in Gallien gelangen konnte. Der tiefere Grund, den Caesar nicht verheimlicht, lag in der stetig wachsenden Erbitterung ber die rmische Fremdherrschaft.

Aufmarsch der Helden: Vercingetorix

Die Erhebung kam nicht unerwartet. Was Caesar berraschte, war die Wucht, mit der sie ausbrach und die Tatsache, dass sie beinahe ganz Gallien erfasste. Caesar stellt Cenabum heraus, um die Gallier von Anfang an ins Unrecht setzen zu knnen. Die Ermordung rmischer Brger macht sein Eingreifen zudem alternativlos. Fr Caesar ist der berfall auf Cenabum das Signal, auf das die Gallier gewartet haben. Binnen weniger Stunden sei die Kunde dank eines ausgeklgelten Nachrichtensystems in alle Regionen gelangt. Die Rebellion habe bei Sonnenaufgang begonnen, und noch vor der ersten Nachtwache htten auch die Arverner davon gehrt, deren Gebiet (die Auvergne) rund 240 Kilometer entfernt lag. Vercingetorix ist Arverner, und damit ist fr Caesar der Punkt gekommen, den Helden des siebten Buches vorzustellen.

Aufmarsch der Helden: Vercingetorix

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Vercingetorix – der gallische Hermann: Der Arverner vereinigte zahlreiche gallische Vlker in einem letzten Versuch, ihre Freiheit und Unabhngigkeit gegen das Rmische Reich zu verteidigen. Nationaldenkmal in Alesia.

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Der letzte Gallier

Noch ist er nur einer der vielen gallischen Frsten, aber er wird in nur wenigen Zeilen vom lokalen Adligen zum Anfhrer aller Gallier. Mit Kapitel 7.4 nimmt die kurze Karriere, die Vercingetorix zur Symbolfigur Galliens machte, ihren Anfang. Mit wenigen Strichen zeichnet Caesar das Portrt, das er braucht. In einem einzigen Absatz erfhrt der Leser dort mehr ber Vercingetorix und seine Ziele, als Caesar im ganzen Werk von sich selbst preisgibt. Die Einleitung hat nur sieben Worte und sagt schon Wesentliches: Vercingetorix, Celtilli filius, Arvernus, summae potentiae adulescens. Als adulescens kann Vercingetorix nicht lter als 30 Jahre gewesen sein, seine (summa) potentia, sein berragender Einfluss (Tacitus beschreibt mit diesem Wort die Vorherrschaft des Arminius bei den Cheruskern), erklrt sich aus der Stellung des Vaters Celtillus, der nach Caesar den ersten Platz in ganz Gallien eingenommen hatte, aber von Gegnern aus dem eigenen Volk umgebracht wurde, als er nach der Knigswrde, dem regnum, strebte (auch dies ist eine Parallele zu Arminius). Die Karriere geht nun in Sprngen voran. Caesar rafft in 26 Zeilen, was sich in wenigen Monaten des Jahres 52 tat: Vercingetorix ruft seine Anhnger nach Gergovia, dem wichtigsten Ort der Arverner, auf einem Hgel sdlich von Clermont-Ferrand gelegen. Doch dem eigenen Onkel und anderen Frsten ist die Sache zu heikel, vielleicht standen sie auch in Verbindung mit Caesar, wie auch Vercingetorix selbst schon in rmischen Diensten gestanden haben mag. Sie vertreiben Vercingetorix aus Gergovia, doch er kommt wieder. Auf dem Lande gewinnt er neue Anhnger, das Schlagwort von der gemeinsamen Freiheit zndet. Nun werden die Gegner im eigenen Lager verjagt. Vercingetorix’ Anhang ruft ihn zum Knig aus. Caesar schildert das nach einem Schema, das er schon einmal angewandt hat, beim Versuch den Helvetier Orgetorix zu dis-

Aufmarsch der Helden: Vercingetorix

kreditieren und seinen Krieg gegen dessen Volk zu rechtfertigen. Die Anmaßung des rex-Titels erinnert die Rmer an ihre eigene Vergangenheit. Vercingetorix war ein Tyrann wie Tarquinius Superbus es gewesen war, bevor ihn Brutus vertrieb und die Republik begrndete. Caesar konnte 52 nicht ahnen, dass sein eigenes Ende dereinst mit dieser Erinnerung verbunden sein wrde. Zunchst aber wird Vercingetorix’ Klientel herabgewrdigt: „Hergelaufene und verkrachte Existenzen, Mittellose und Heruntergekommene“: egentes et perditi. Nun als Herr im eigenen Haus forciert Vercingetorix (immer nach Caesar) die Entwicklung. Er schickt Gesandte in alle Teile Galliens und gewinnt eine Reihe von keltischen Vlkern fr sich und seine Plne. Einstimmig bertragen sie ihm den Oberbefehl. Und Vercingetorix nutzt seine neue Macht rasch. Er fordert von allen diesen Vlkern Geiseln, um sich ihrer Loyalitt in schwieriger Situation zu versichern, befiehlt die Stellung einsatzbereiter Soldaten, setzt Fristen fr die Bereitstellung von Waffen. In knappen kurzen Stzen vermittelt Caesar einen Eindruck von der Entschlossenheit und Handelsfhigkeit seines Gegners. Was mit hchstem Lob beginnt (summa diligentia), endet jedoch in einem massiven Angriff:1 Seine Befehlsgewalt verbindet hchste Sorgfalt mit grßter Strenge. Durch die Hrte der Strafen zwingt er Zgernde. Wer nmlich ein grßeres Vergehen begangen hat, den lsst

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er durch Feuer und alle Arten von Foltern tten. Wer sich eines leichteren Vergehens schuldig gemacht hat, dem lsst er die Ohren abschneiden oder ein Auge ausstechen. Dann schickt er den Bestraften nach Hause, damit er als Warnung diene und andere durch die Hrte der Strafe abschrecke.

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Der letzte Gallier

Livius und Hannibal

H annibal besaß die grßte Khnheit, Gefahren zu bernehmen, die grßte Besonnenheit in den Gefahren selbst. Durch keine Anstrengung konnte sein Krper ermdet oder sein Geist besiegt werden. Gleich war seine Ausdauer in Hitze und Klte; das Maß von Essen und Trinken war vom natrlichen Verlangen, nicht vom Vergngen bestimmt; die Zeit des Schlafens und des Wachens wurde nie durch Tag und Nacht geregelt; was ihm nach der Erledigung seiner Arbeit brigblieb, widmete er der Ruhe; aber auch sie wurde weder durch ein weiches Lager noch durch Stille herbeigezaubert; viele haben ihn oft nur mit einem Militrmantel bedeckt zwischen den Wachen und Posten der Soldaten auf der Erde liegen sehen. Seine Kleidung unterschied sich in nichts von der seiner Altersgenossen; seine Waffen und Pferde dagegen fielen auf. Er war der beste Soldat zu Fuß und zu Pferde; als erster ging er in den Kampf, als letzter ging er weg, nachdem die Schlacht geliefert war. Diesen so großen Vorzgen des Mannes hielten auf der anderen Seite ungeheure Fehler das Gleichgewicht: unmenschliche Grausamkeit, mehr als punische Treulosigkeit, nichts galt ihm Wahrheit, nichts war ihm heilig; er kannte keine Gottesfurcht, anerkannte keinen Eid und empfand keine religise Bindung. L IVIUS XXI 4

Caesar geht nach einem Muster vor, das der Historiker Livius spter in der Charakteristik Hannibals vollendet hat. Da die Grße des Erfolges im direkten Verhltnis zur Macht des Feindes steht, gilt es den Gegner stark zu machen, ohne ihn allzu positiv zu zeichnen. Zu diesem Zweck muss die Personencharakteristik an unblichem Platz stehen, am Anfang des Geschehens. Der Leser soll beeinflusst werden, solange er lenkbar ist und

Auftritt Caesar

bevor die Dynamik der Ereignisse ein Bild entstehen lsst, das der Autor nicht mehr kontrollieren kann. Caesar und Livius lsen das Problem, indem sie dem Gegner militrische Fhigkeiten attestieren, ihm aber gleichzeitig Charakterfehler wie zum Beispiel besondere Grausamkeit unterstellen. Er soll als fhig und gefhrlich erscheinen, aber keinesfalls sympathisch wirken.

Auftritt Caesar

Nach der Einfhrung des Vercingetorix ist der Boden fr die Darstellung des Zweikampfes bereitet, mit dem das Schicksal Galliens entschieden wird. Der zweite Duellant befindet sich noch nicht auf dem Schauplatz: Caesar weilt noch in Oberitalien. Die Nachrichten aus Gallien zwingen ihn zum raschen Aufbruch, doch schon drohen die ersten Schwierigkeiten. Es ist noch Winter, und Caesar muss seinen Weg durch feindliches Territorium nehmen. Indes, er lst alle Probleme glnzend. Caesar sichert zunchst die bedrohte Provinz Narbonensis, erscheint dann vllig berraschend nach einem Marsch ber die sechs Fuß tief verschneiten Cevennen im Gebiet der Arverner und zwingt somit Vercingetorix, alle anderweitigen Operationen abzubrechen, um seinen Landsleuten zu Hilfe zu kommen. Caesar darf seinen ersten Triumph genießen: Vercingetorix habe sich genau so verhalten, wie er es eingeschtzt habe. Er zieht unverhohlen eine Parallele zu einer der berhmtesten Leistungen der antiken Kriegsgeschichte, Hannibals frhwinterlicher berquerung der Alpen, der „Mauern Roms“. Noch niemals habe auch nur ein Einzelner einen Weg ber die Cevennen gefunden, schreibt er. So seien denn die Arverner vllig berrascht gewesen, als seine, Caesars, Reiter in ihr Gebiet eingefallen seien, denn sie glaubten sich durch die Berge wie durch eine Mauer geschtzt.

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Der letzte Gallier

Caesar lsst von vornherein keine Zweifel an seiner berlegenheit aufkommen. Das ist notwendig, denn er wird noch von einer Niederlage zu berichten haben. Doch zunchst folgen dem ersten Sieg weitere. Wenn Caesar Schwierigkeiten eingesteht, dann nur, weil er sie alsbald bewltigt. Binnen eines einzigen Kapitels, nmlich 7.12, erstrmt er zwei gallische Stdte: Vellaunodunum (Chateau-Landon?) und Cenabum. Die dritte, nmlich Noviodunum (im Gebiet des Cher), folgt bereits im nchsten Kapitel. Caesar braucht dafr lediglich 45 Zeilen. Sie sind quasi das Prludium zum eigentlichen Kampf, den Caesar wiederum auf drei Stdtebelagerungen reduziert. Sie nehmen fast das ganze restliche Buch in Anspruch und gliedern es: Avaricum (13–33), Gergovia (34–53), Alesia (68–89). Im Mai 52 steht Caesar vor Avaricum, dem heutigen Bourges. Die Stadt war von Flssen und Smpfen umgeben, und daher gegen den Plan des Vercingetorix nicht gerumt worden. Vercingetorix’ Strategie war wie fast alles, was er im Bellum Gallicum tut, radikal. Er forderte, Drfer, Gehfte, ja auch Stdte, die sich nicht gengend sichern ließen, anzuznden und zu verheeren, um den Rmern keinerlei Mglichkeit zur Proviantierung zu lassen und sie damit letztlich zum Rckzug zu zwingen. Die Taktik der verbrannten Erde war sptestens seit Alexanders Asienfeldzug bekannt, aber dennoch die ultima ratio. Nur konsequente Durchfhrung versprach Erfolg, und Vercingetorix scheitert, weil er sich zu einer Ausnahme erweichen lsst, eben Avaricum. Caesar kann nach lngerer Belagerung die Stadt erobern, Proviant und Waffen fallen in seine Hnde. Caesars Darstellung zeigt Vercingetorix dennoch als unumstrittenen Fhrer der Gallier. Er steht trotz oder eigentlich wegen der gallischen Niederlage im Mittelpunkt. Der eigene Erfolg ermglicht es Caesar, ohne Prestigeverlust dem Gegner (literarisch) viel Raum zu geben. Nicht weniger als drei Reden,

Auftritt Caesar

den weitaus grßten Teil davon in der Oratio obliqua, gehren Vercingetorix. Im Bellum Gallicum gibt es nichts Vergleichbares. Caesar begibt sich quasi als Zuhrer auf die gallische Seite, und tatschlich ist nicht daran zu zweifeln, dass er durch Agenten und berlufer stets bestens ber die Vorstellungen der Gegenseite informiert war. Ob er in den Commentarii freilich auch das berichtet, was er erfuhr, ist eine andere Frage. Es kommt Caesar darauf an,Vercingetorix weiterhin als beinahe ebenbrtigen Gegner herauszustellen. Und so geht der Gallier aus der Krise von Avaricum gestrkt hervor:

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In dem Maße, wie sonst ein Unglck das Ansehen von Heerfhrern mindert, wuchs bei ihm ganz im Gegenteil der Einfluss von Tag zu Tag, ungeachtet der Niederlage. 2

]

Es folgt Gergovia, der große Rckschlag fr Caesar. Er berschtzt seine Krfte und erleidet seine einzige Niederlage im gesamten Krieg. Zwar gab es schon vorher militrische Fehlschlge, aber die hatten Caesars Unterfeldherren zu verantworten. ber 700 Legionre und Zenturionen fallen. Caesar kann das nicht verschweigen, versucht aber, das Scheitern als strategischen Rckzug zu kaschieren. Als gleichzeitig die Hduer, seit nahezu 70 Jahren ergebene Verbndete der Rmer, zudem Caesars wichtigste außerrmische Sttze im Krieg, abfallen, scheint die rmische Herrschaft am Ende, der siebenjhrige Krieg um Gallien gescheitert. Die große Krise liegt kurz vor dem Ende des Krieges, und dies macht die Darstellung der Commentarii so spannend. Vercingetorix zwingt Caesar, alles auf eine Karte zu setzen. Der Krieg findet seinen Hhepunkt und Abschluss im Kampf um Alesia. Der Ausgang dieses Kampfes war fr die rmische Prsenz in Westeuropa ebenso entscheidend wie fr Caesars weitere Laufbahn.

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Der letzte Gallier

Der Kampf um Alesia

Bevor es zum entscheidenden Kampf kommt, begnstigen Caesar Glck und Knnen. Eine taktische Marschbewegung deuten die Gallier flschlich als Vorbereitung des Rckzuges, greifen mit der vermeintlich berlegenen Reiterei an und werden geschlagen. Aus der Niederlage resultiert eine Fehlentscheidung, der Entschluss, sich in das von Natur aus befestigte Alesia zurckzuziehen. Der Ort lag auf einem Hgel, der auf zwei Seiten von Flssen umgeben war, und galt als uneinnehmbar. Caesar wagt dennoch die Belagerung. Er lsst einen mehr als 16 Kilometer langen Wall errichten, um Zuzug oder Flucht zu verhindern. Den etwa 80 000 Belagerten standen Getreidevorrte fr ungefhr einen Monat zur Verfgung. In dieser Zeitspanne musste Entsatz durch gallische Hilfstruppen kommen. Dies ist der Hintergrund, vor dem die Hauptakteure ihren letzten Auftritt haben. Caesar beginnt seine Schilderung in Kapitel 62. Wie das Kampfgeschehen selbst entwickelt sich die Erzhlung nur langsam. Umstndliche Schilderung der Wallanlagen mit ihren Mauern, Brustwehren, Trmen, Zinnen und Wassergrben, der Fallgruben mit den im Boden versenkten Pfhlen und Pflcken, fr die die Legionre je nach Beschaffenheit eigene Namen wie Lilien, Ochsenstachel oder Leichensteine kreierten, stauen den Erzhlfluss.

Die Rede des Critognatus

Die Entscheidung wird schließlich (in den Commentarii) durch eine Rede vorbereitet, die Verzweiflung und Entschlossenheit der Belagerten dokumentiert. Dass es die lngste direkte Rede des gesamten Werkes ist, unterstreicht ihr Gewicht. Als Spre-

Die Rede des Critognatus

cher fungiert ein sonst unbekannter Gallier. Caesar nennt nur den Namen. Critognatus beginnt dramatisch: „Nichts“, gefolgt von einem Verbum dicendi (inquit) als Ausrufzeichen,3 „werde ich zur Meinung derer sagen, die mit dem Wort Kapitulation eigentlich nur schndlichste Knechtschaft meinen.“ Danach verwirft er die Vorschlge seiner Vorredner, wie der Lage Herr zu werden sei. Es knne keine Kapitulation geben, im Interesse ganz Galliens mssten die Belagerten aushalten. Dazu macht er einen Vorschlag, von dem sich Caesar in einem einleitenden Kommentar voll gespielten Entsetzens abwendet: Die Waffenfhigen sollten sich, sagt Critognatus, mit dem Fleisch derer am Leben halten, die nicht mehr kmpfen knnen. Danach folgt aus seinem Mund eine scharfe Verurteilung rmischer Expansionspolitik. „Nichts“, sprach Critognatus, „will ich ber den Antrag

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derer sagen, welche mit dem Wort Kapitulation eigentlich nur schimpflichste Sklaverei meinen, doch bin ich der Ansicht, dass solche Mnner unter uns keinen Platz haben und zum Kriegsrat gar nicht zugelassen werden drfen […]. Bei unserem Beschluss mssen wir auf ganz Gallien sehen, das wir zu unserer Rettung aufgeboten haben. Wie wird wohl, wenn 80 000 Mann an einer Stelle gefallen wren, unseren Angehrigen und Blutsverwandten zumute sein, wenn sie gezwungen werden, sozusagen auf unseren Leichen zum Entscheidungskampf anzutreten! Beraubt also nicht die eurer Hilfe, welche um eurer Rettung willen ihre eigene Gefahr missachtet haben, und richtet nicht aus Dummheit, Unbesonnenheit und Feigheit ganz Gallien zugrunde und strzt es nicht in ewige Knechtschaft! […] Was nun rate ich? Zu tun, was unsere Vorfahren bereits in dem durchaus nicht zu vergleichenden Kriege gegen die Kimbern und Teutonen

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Der letzte Gallier

getan haben! In die Stdte zurckgetrieben und von gleichem Mangel bedroht, haben sie mit den Leichen derer, die infolge ihres Alters kriegsuntauglich schienen, ihr Leben gefristet und sich den Feinden nicht ergeben. Wenn wir hierfr nicht schon das Beispiel htten, so msste das, so meine ich, der Freiheit wegen eingefhrt und als herrliche Tat den Nachfahren berliefert werden. Denn wie kann der heutige Krieg mit dem damaligen verglichen werden? Die Kimbern haben zwar Gallien verwstet und unserem Lande schweren Schaden zugefgt, aber es eines Tages wieder verlassen und andere Lnder aufgesucht. Recht, Gesetz, Felder und Freiheit haben sie uns gelassen. Was aber suchen und wnschen die Rmer denn anderes, als voller Neid im Lande und in den Staaten derer sich einzunisten und die in ewige Knechtschaft zu strzen, die sie als ruhmvoll und kriegstchtig erkannt haben? Noch niemals haben sie unter anderen Bedingungen Krieg gefhrt. Wenn ihr nicht wissen solltet, was in den weit abliegenden Nationen geschieht, so werfet einen Blick nur auf das Nachbargallien, welches, zur Provinz gemacht, nach Abnderung des Rechts und der Gesetze den Henkersbeilen ausgeliefert, in ewiger Knecht-

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schaft schmachtet!“4

Caesar mchte, dass die Rede fr authentisch gehalten wird, obwohl der rmische Leser um die Fiktionalitt der in Geschichtswerken eingeschobenen Reden weiß. So betont er ausdrcklich, die Rede nicht bergehen zu drfen und gibt ihr mit der abschließenden Romkritik den Anschein der Glaubwrdigkeit. Caesar zeichnet die Gallier als ebenso unerbittliche wie grausame Gegner und rechtfertigt damit nochmals den Krieg. Es sind Barbaren außerhalb menschlicher Gesetze.

Die Rede des Critognatus

Ob eine solche oder eine hnliche Rede in Alesia gehalten wurde, wissen wir nicht. Ihre Ausformung und Gestaltung gehrt in jedem Falle ganz allein Caesar. Dies verrt den zweiten Zweck der Rede, die nach allen Regeln der rmischen Redekunst aufgebaut ist und alle Stilelemente und rhetorischen Figuren enthlt, die das Lehrbuch der Beredsamkeit vorschreibt. 5 Caesar zeigt sich seinem Publikum an dieser so heiklen Stelle als der große Redner, der er im ffentlichen Leben Roms war. Das Finale des Kampfes um Alesia und um die Vorherrschaft in Gallien erffnet Caesar selbstverstndlich mit einem eigenen Auftritt: im weißen, weithin sichtbaren Mantel des Feldherrn. Das letzte Wort behlt aber in doppeltem Sinne der Verlierer. Gegen seine eigene Absicht wird Caesar, vielleicht nicht in den Augen seiner rmischen Mitbrger, aber sicherlich in denen der Nachwelt zu einer Nebenfigur. Große Verlierer sind weniger langweilig. Caesar war es gelungen, das pan-gallische Entsatzheer abzuwehren, das mit 250 000 Fußsoldaten und 8000 Reitern nach Alesia gekommen sein soll. In drei Angriffen konnten die Gallier den doppelten Wall der Rmer, die selbst in ihrer

Spitzpfhle, Fallgruben und Erddmme: Rekonstruktion der rmischen Befestigungen von Alesia.

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Der letzte Gallier

Befestigungsanlage eingeschlossen waren, nicht berwinden und mussten abziehen. Das Schicksal der Verteidiger Alesias war damit besiegelt. Das letzte Kapitel des Kampfes (und das vorletzte des Buches) ist ein Kapitel von großartiger Schlichtheit. Caesar bedeutet dem Leser, dass der Krieg keinen anderen Ausgang nehmen konnte. Niemand außer ihm konnte siegen. Vercingetorix darf die Niederlage verknden, Caesar hat es nicht ntig, den eigenen Sieg expressis verbis zu betonen. So richtet sich sein Blick auf die Eingeschlossenen von Alesia: Am nchsten Tag berief Vercingetorix eine Versammlung (der gallischen Frsten) ein, in der er betonte, er habe den

[

Krieg nicht um eigener Interessen Willen unternommen, sondern zur Verteidigung der gemeinsamen Freiheit. Nun

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msse man sich dem Schicksal beugen, und so biete er sich ihnen fr beides an, ob sie nun durch seinen Tod die Rmer gndig stimmen oder ihn lebend ausliefern wollten.

Danach bernimmt wieder Caesar das Wort, wenn er auch von sich selbst wie von einem weitlufigen Verwandten spricht. „In dieser Sache wurden Gesandte zu Caesar geschickt“, sagt er und tut, was er am besten kann: befehlen. „Iubet arma tradi, principes produci. Ipse in munitione pro castris consedit; eo duces producuntur.“ In der deutschen bersetzung gelingt die lakonische Krze des Originals nur ungefhr. „(Caesar) befahl, die Waffen auszuliefern und die Frsten vorzufhren. Er selbst nahm auf dem Wall vor dem Lager Platz. Dort wurden ihm die Fhrer vorgefhrt.“ Vercingetorix deditur, arma proiciuntur: „Vercingetorix wird ausgeliefert, die Waffen werden gestreckt.“ Der wichtigste Satz des Bellum Gallicum besteht aus vier Wrtern. Mit einer passivischen Konstruktion verzichtet der Autor sogar auf seine eigene Beteiligung. Die Krze verrt die

Die Rede des Critognatus

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Tigranes und Pompeius

T igranes zog in Begleitung seiner Freunde und Verwandten Pompeius entgegen, um sich zu unterwerfen. Als er zu Pferde zum Lager der Rmer kam, traten ihm zwei Liktoren entgegen und forderten ihn auf, abzusteigen und zu Fuß weiterzugehen: noch niemals habe man in einem rmischen Lager einen Menschen zu Pferde sitzen sehen. Tigranes tat wie ihm befohlen, nahm auch sein Schwert ab und bergab es ihnen. Endlich, als er vor Pompeius selbst erschien, nahm er den Knigsturban vom Haupt und schickte sich an, ihn Pompeius zu Fßen zu legen. Das Schimpflichste aber war, dass er sich vor Pompeius auf die Erde werfen wollte. Doch dieser kam ihm zuvor, ergriff ihn bei der Rechten und zog ihn zu sich heran. So ließ er ihn neben sich auf der einen Seite Platz nehmen, den Sohn auf der anderen Seite. 6

Lnge der Bearbeitung. Caesar hat die Szene bewusst nach einem Vorbild gestaltet. 15 Jahre zuvor hatte Pompeius den armenischen Prinzen Tigranes zur Kapitulation gezwungen, Theophanes, Historiker und Berater des Pompeius, die Szene eindrucksvoll fr das rmische Publikum festgehalten. Dies ist der Hintergrund, vor welchem die Kapitulation des Vercingetorix im Bellum Gallicum gelesen werden muss. Caesar bedurfte keines Berufshistorikers, um Pompeius auch auf diesem Feld zu schlagen. Was ihm bei kriegerischen Operationen Schnelligkeit war, bedeutete ihm in der Sprache Knappheit.

Alea iacta est: Der Wrfel ist gefallen

C

aesars berhmteste Worte leiten eine neue Epoche ein. Mit ihnen beginnen die unwiderruflich letzten

Jahre der rmischen Republik. Gesprochen wurden sie am Abend des 10. Januar 49 an einem Fluss, der damit zu den bekanntesten Europas wurde und von dem doch niemand genau weiß, wo er denn fließt. Caesar berquerte ihn, als er auf dem Weg von Ravenna nach Ariminum, dem heutigen Rimini, war. Das ist unbestritten. Zwischen beiden Stdten mnden aber mehrere Wasserlufe in die Adria, sodass sich derjenige, der in der Antike Rubicon hieß, nicht mehr zweifelsfrei identifizieren lsst. Caesars Rubicon war nur ein Flsschen. Ihn mit Truppen zu berqueren, bedeutete daher kein logistisches Problem. Aber es war ein juristisches. Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr., sptestens aber seit Sulla, markierte der Rubicon die Grenze zwischen der gallischen Provinz und Italia. An seinem sdlichen Ufer erlosch das Imperium, die Befehlsgewalt des Statthalters. Caesar war Prokonsul der Gallia Cisalpina, zwischen dem Po und den Alpen gelegen. In den Wintermonaten, wenn der Krieg in Gallien ruhte, hielt er dort Gerichtstage ab und kam seinen Aufgaben als Statthalter nach. Wollte er sich nach Rom begeben, so musste er sein Heer jenseits des Rubicon zurcklassen. Tat er dies nicht, so hieß das Brgerkrieg. Das ist der Hintergrund, vor dem seine berhmten Worte fielen.

Der Weg zum Rubicon

Wahrscheinlich hoffte er noch, den Ausbruch des bewaffneten Kampfes vermeiden, sich mit seinem Rivalen Pompeius einigen zu knnen. Sicherlich sah er nicht voraus, was tatschlich folgen sollte, nmlich 18 lange Jahre Brgerkrieg auf drei Erdteilen, Tausende von Toten und schließlich das Ende der Republik.

Der Weg zum Rubicon

Der Weg zum Rubicon ist lang gewesen. Er beginnt irgendwann Ende des Jahres 60. Drei Mnner schließen zu diesem Zeitpunkt ein heimliches Bndnis, um ihre Interessen auch gegen die Senatsmehrheit durchzusetzen: Das Triumvirat. Die Hauptlast dieses Versuchs trgt Caesar als amtierender Konsul des Jahres 59. Seine Gesetze sind zum Teil rechtlich anfechtbar, da sie ungeachtet des verfassungsmßig korrekten Einspruches seines Amtskollegen Bibulus beschlossen wurden. Die Senatsmehrheit betrachtete sie als illegal und suchte den Urheber vor Gericht zu ziehen. Solange Caesar ein Amt besaß, schtzte ihn dieses vor einer Verurteilung. Als sein Konsulat am 29.12.59 endete, folgte nahtlos die Statthalterschaft. Caesar musste sie so oft verlngern, bis er nach einer Zehnjahresfrist fr ein zweites Konsulat kandidieren konnte. Den Weg dazu ebneten ihm im Jahre 55 seine beiden Kollegen im Triumvirat, indem sie ein Gesetz einbrachten, demzufolge ber Caesars Provinzen nicht vor dem 1. Mrz 50 verhandelt werden durfte. Als Konsequenz dieses Gesetzes htte Caesar seine Statthalterschaft bis Ende des Jahres 49 verlngern und, sofern er in eben diesem Jahr gewhlt werden wrde, sein zweites Konsulat am 1. Januar 48 antreten knnen. So lautete der Plan, die Realitt jedoch war eine andere. Crassus fiel 53 im Kampf gegen die Parther, und das Bndnis der beiden ber-

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Alea iacta est

Das mare nostrum („Unser Meer“ = Mittelmeer) zur Zeit des Brgerkriegs.

lebenden wurde nach dem Tod der Julia, Caesars Tochter und Pompeius’ Gemahlin, brchig. Sptestens im Jahre 52, als Pompeius ein drittes Konsulat bekleidete und Caesar gerade in Gallien gegen Vercingetorix um die Entscheidung kmpfte, war der offene Bruch und mit ihm die Mglichkeit eines Brgerkrieges nur noch eine Frage der Zeit.

Der Weg zum Rubicon

Im Winter 50/49 hielt Caesar sich in der Cisalpina auf. Gallien galt als befriedet. Was noch zu tun war, berließ der Statthalter seinen Legaten. Rom lag ihm nun nher. Dort herrschte in den Debatten des Senats ein endloser Streit. Die Mehrheit pldierte dafr, Caesar das gallische Prokonsulat vorzeitig zu entziehen, um ihm, was kaum jemand offen sagte, an-

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Alea iacta est

schließend den Prozess machen zu knnen. Auf Caesars Seite agierten diplomatisch geschickte Volkstribunen, die mit Einsprchen und Gegenantrgen den Kampf lange offen hielten. Anfang Januar 49 aber spitzte sich die Lage zu, der Senat kam am 1., am 2., am. 4., am 5. und am 7. des Monats zusammen und fasste schließlich den endgltigen Beschluss, Caesar zurckzurufen. Um dies zu unterstreichen wurde gleichzeitig ein Nachfolger bestellt. Die Nachricht erreichte Caesar in Ravenna ungefhr drei Tage spter. Er war nicht berrascht. Bereits Ende des vorherigen Jahres hatte er eine Legion dorthin verlegen lassen, zwei weiteren, der achten und der zwlften, den Marschbefehl nach Oberitalien erteilt. So konnte er sofort handeln. Mit fnf Kohorten brach er unmittelbar nach Eintreffen der Boten nach Ariminum auf. Zwischen Ravenna und Ariminum lagen 40 Kilometer, der Rubicon und die Provinzgrenze.

Am Ufer des Rubicon

Caesar braucht, um diesen wichtigsten Weg seines Lebens zurckzulegen, in seinen Commentarii genau einen Satz. In den Inhaltsverzeichnissen heutiger Textausgaben steht unter Kapitel I 8: bergang ber den Rubicon. Caesar selbst sagt nichts davon. Er schreibt lapidar, wobei er in der dritten Person von sich spricht: Als Caesar sah, dass die Stimmung der Soldaten fr ihn war,

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marschierte er mit der [13.] Legion [von Ravenna] nach Ariminum, wo er die Volkstribunen vorfand, die zu ihm

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geflohen waren.

Ein Grund fr sein Schweigen scheint klar. Das Bellum civile war hastig geschrieben, es sollte sofort gelesen werden. Pathos

Am Ufer des Rubicon

war fehl am Platz. Caesar hatte bei der Niederschrift keine Zeit, sich um die Gefhle der Nachwelt zu kmmern. Das tat er jedoch, als er in der Nacht zum 11. Januar (republikanischer Zeitrechnung) zum Rubicon kam. Hier nahm er sich eine Stunde Zeit, eine geschichtliche Stunde. Der Biograph Plutarch hat sie ausfhrlich und genau festgehalten: Caesar hatte damals nicht mehr als dreihundert Reiter und

[

fnftausend Mann Fußvolk bei sich, das brige Heer stand noch jenseits der Alpen und musste von den Legaten, die er hingeschickt hatte, erst nach Italien gefhrt werden. Doch war ihm klar, dass er im Anfang seines Unternehmens und fr den ersten Angriff einer großen Kriegsmacht gar nicht bedrfe, vielmehr durch khnes und schnelles Zupacken den Gegner berraschen msse; denn es dnkte ihn leichter, die Feinde durch sein unerwartetes Erscheinen aus der Fassung zu bringen als durch einen wohlvorbereiteten Kriegszug niederzuzwingen. Deshalb erteilte er seinen Obersten und den brigen Offizieren Befehl, Ariminum zu besetzen, wobei er anordnete, dass sie nur das Schwert und sonst keine Waffe tragen und nach Mglichkeit Blutvergießen und Aufregung vermeiden sollten. Zum Fhrer der Truppen bestimmte er den Hortensius. Er selber zeigte sich den Tag ber in der ffentlichkeit und hielt sich bei den Gladiatoren auf, deren bungen er als Zuschauer verfolgte. Gegen Abend begab er sich ins Bad und danach in den Speisesaal, wo er sich eine Weile mit den geladenen Gsten unterhielt. Als es dunkel wurde, stand er auf, verabschiedete sich mit freundlichen Worten von den Anwesenden und bat sie zu bleiben, da er bald zurckkommen werde. Einige seiner Freunde hatten schon vorher Weisung erhalten, ihm zu folgen, aber nicht alle zusammen, sondern jeder fr sich. Indes bestieg er einen Mietwagen und fuhr zunchst in anderer Richtung, dann

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Alea iacta est

schlug er den Weg nach Ariminum ein. Als er an den Fluss gelangte, welcher die Grenze bildet zwischen der Gallischen Provinz diesseits der Alpen und dem eigentlichen Italien (er heißt Rubicon), fiel er in tiefes Sinnen. Denn die furchtbare Entscheidung trat nun an ihn heran, und ihn schwindelte vor der Grße des Wagnisses. Er ließ den Wagen anhalten und erwog schweigend, in sich gekehrt, noch einmal seinen Plan, prfte ihn hin und her, fasste einen Entschluss und verwarf ihn wieder. Lange beriet er dann mit den Freunden in seinem Gefolge – auch Asinius Pollio war unter ihnen – und sann dem Gedanken nach, wieviel Unglck ber alle Menschen kommen msse, wenn er den Fluss berschritte, und wie die Nachwelt wohl ber ihn urteilen werde. Schließlich aber schob er in leidenschaftlicher Bewegung die Zweifel von sich und tat den Schritt in die Zukunft mit dem Wort, das schon so vielen ber die Lippen gekommen ist, die einem ungewissen Schicksal und khnen Wagnis entgegengingen: „Der Wrfel soll geworfen sein!“ So berschritt er den Fluss, und nachdem er den Rest des Wegs in rascher Fahrt zurckgelegt hatte, drang er noch vor dem Morgengrauen in

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Ariminum ein und besetzte die Stadt. (32)

Der Gang ber den Rubicon

Der Brgerkrieg beginnt hier als Kriminalstck. Bei Nacht und Nebel, mit Irrefhrungen und geheimen Vorauskommandos. Wen Caesar eigentlich tuschen will, bleibt unklar: In jedem Fall gelingt es ihm. Der Rest ist wieder ein Theatercoup. Die Truppen sind lngst in Marsch gesetzt, doch Caesar lsst den Wagen anhalten und verfllt in tiefes Brten. Der Plan ist lngst gefasst, die Order zum Angriff erteilt, Verstrkungen sind bereits auf dem Weg nach Ravenna.

Der Gang ber den Rubicon

Caesar freilich gibt eine Vorstellung. Wie Atlas das Himmelsgewlbe trgt, trgt er das Geschick des Imperium Romanum auf den Schultern. So verweilt er am Ufer eines Baches und berprft mit Freunden aus dem Gefolge, ob er auch die Lasten zu tragen vermag, die das kommende Jahr (weiter dachte er wohl nicht) ihm aufbrden wrde. Plutarch berichtet pointiert. Er hat die Ereignisse, wie es sein Knnen erlaubt, konzentriert und zugespitzt. Der Biograph bringt auch Anekdoten, wenn es gilt, den Charakter eines Helden zu beleuchten. Doch er hlt sich strikt an seine Quellen, wenn er glaubwrdige Historiker als Vorlage hat. So ist an seiner Darstellung wenig zu bekritteln, denn er besitzt einen Gewhrsmann, den er an dieser Stelle auch nennt. Es ist der Historiker Asinius Pollio, der spter eine Geschichte der Caesarischen Zeit, beginnend mit dem ersten Triumvirat im Jahre 60, schreiben wird, und dabei auch immer seine Prsenz als Augenoder Ohrenzeuge betont. Niemand zweifelt heute daran, dass Asinius Pollio richtig hrte. Caesar zitierte Griechisch, und zwar einen Halbvers des Menander aus der Komdie Die Symboltrgerin oder AulosSpielerin, den er gut kannte. „` \ nerri´@uv ky´boß“ (anerrphtho ky´bos), sagt Caesar verkrzend. Menander schickte, wie ein fragmentarisches Zitat bei Athenaios (13.559E) belegt, noch voraus: „Die Sache ist beschlossen.“ Es ist der Augenblick im Spiel, in dem der Wrfel die Hand verlsst, aber noch nicht gefallen ist. Caesar hat das Wagnis auf sich genommen, die Entscheidung aber steht noch aus. In der gngigen berlieferung des Rubicon-berganges, die auf den Biographen Sueton zurckgeht, ist – anders als bei Plutarch – der Wrfel bereits gefallen. Sueton bersetzt das griechische Zitat falsch, aber er tut dies nicht grundlos. In seiner Version der Ereignisse geht dem Ausspruch ein Wunderzeichen

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Alea iacta est

Quellenfragen

D er Biograph Gaius Suetonius Tranquillus verfasste in der ersten Hlfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. die Biographien von elf Kaisern, beginnend bei Augustus und endend bei Domitian. Die zwlfte Biographie – chronologisch die erste – ist diejenige Caesars. Die Viten enthalten einen erzhlenden Teil, in dem das Leben des Helden von der Geburt bis zum Tod geschildert wird, und einen eher beschreibenden Teil, der nach Rubriken geordnet Ttigkeitsbereiche, Charakterzge und Lebensgewohnheiten beinhaltet. Suetons Bild von Caesar ist gespalten. Es enthlt die negativen Zge republikanischer Kritik, aber auch die positiven Aspekte der Caesarianischen Selbstdarstellung. Sueton benutzte literarische Quellen, konnte aber auch die kaiserlichen Archive einsehen. Abgesehen von einer nderung fußt auch Sueton in seiner Darstellung des Rubiconberganges auf Asinius Pollio. Vermutlich ist Plutarch bzw. Asinius Pollio sogar genauer als Caesar selbst. Die Ansprache an das Heer, um es zum Krieg zu motivieren, hielt Caesar wahrscheinlich nicht in Ravenna vor dem Rubicon-bergang, wie er selbst behauptet, sondern erst danach in Ariminum, wie Plutarch im Anschluss an Asinius Pollio sagt.

voraus, das Caesar als Wink der Gtter interpretiert. Der Biograph kann daher seinen Helden nicht mehr selbst die Entscheidung suchen lassen. Die Gtter haben sie bereits gefllt: Alea iacta est. Caesars Auftritt wre ohne seinen spteren Sieg vorbergehend geblieben. Die großen Worte waren ohnehin nur an seinen engeren Stab gerichtet. Der gemeine Soldat verstand

Epilog

griechische Zitate nicht. Im Falle des Scheiterns htte sich niemand mehr an den Auftritt am Rubicon erinnern mgen. Erst Diktatur, Brgerkrieg und der Prinzipat des Augustus gaben ihm das Gewicht, das ihn fr die Nachwelt interessant machte. Der Sturz der Republik besaß nun einen genau datierbaren Anfang und einen lokalisierbaren Ort. Dass weder das eine noch das andere wirklich stimmte, war unerheblich. Der Brgerkrieg war schon vorher ins Auge gefasst worden, und er htte auch nach berschreiten des Rubicon noch vermieden oder zumindest rasch beendet werden knnen. Da dies nicht geschah, schuf Caesar mit nur zwei Worten, die nicht einmal ihm gehrten, eine welthistorische Zsur.

Epilog

Der Brgerkrieg gegen Pompeius, der nach Caesars Willen am Abend jenes 10. Januar am Ufer des Rubicon mit einem griechischen Vers seinen Ausgang nahm, endete auch mit einem griechischen Satz. Wieder kennen wir Ort und Zeit. Es ist der spte Nachmittag des 9. August im Jahre 48. In der Ebene von Pharsalos im griechischen Thessalien hatte Caesar die Truppen seiner Gegner, des Pompeius und des Senats, besiegt. 15 000 waren gefallen. Die Schuldfrage, die Caesar am Rubicon ausgeklammert hat, lst er nun. Er tut dies wieder in griechischer Sprache fr die Offiziere in seiner Umgebung, wieder ist Asinius Pollio dabei, und wieder zitiert ihn Sueton in einer Rckbersetzung:

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Das haben sie gewollt! Nach allen meinen großen Taten wre ich, Gaius Caesar, verurteilt worden, wenn ich nicht beim Heere Hilfe gesucht htte.1

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Caesars gttliche Helferinnen: Clementia, Fortuna und Venus

D

ie mittelalterlichen Kaiser entlehnten von Caesar nicht allein ihren Titel. Auch ihre wichtigste Herr-

schertugend, die clementia, die Milde, ging auf ihn zurck. Caesar machte clementia zum politischen Programm, sein Adoptivsohn Augustus krte sie zu einer der vier virtutes (Tugenden), die seine Regentschaft auszeichneten. In seinem Tatenbericht (res gestae), der als steinerne Inschrift an einem Tempel der Roma und des Augustus in Ancyra erhalten blieb, berichtet der Princeps mit Stolz, Senat und Volk htten ihn ob seiner Gerechtigkeit und Hingabe, seiner Tapferkeit und Milde geehrt.1 Clementia gehrte noch nicht zum Tugendkatalog der rmischen Republik. Mit ihr war kein Weltreich zu erobern. Die Promagistrate, Feldherrn und Statthalter bten severitas und crudelitas, Strenge und Grausamkeit. Milde setzt etwas voraus, was die Magistrate der Republik nur eingeschrnkt besaßen: Macht. Sie waren nur ein Jahr im Amt, sie bten es, vom ebenfalls befristet ttigen Diktator abgesehen, nicht allein aus und sie waren Volk und Senat rechenschaftspflichtig. So war Milde im republikanischen Rom vor allem ein innenpolitisches Thema. Die popularen Politiker warben mit der Forderung nach billigem Getreide, Schuldenerlass oder gnstiger Miete um die Stimmen der plebs urbana. Zu ihrem politischen Programm gehrte der Schutz vor der Willkr optimatischer Magistrate.

Caesars gttliche Helferinnen

Deren crudelitas stellten sie als propagandistisches Schlagwort die eigene clementia gegenber. In Ciceros Reden der sechziger Jahre findet sich die Formel vom „homo clemens et popularis“. 2 Caesar stand als Schwiegersohn des Cinna und Neffe des Marius, wie gesehen, in der popularen Tradition. Sein Auftreten im Prozess gegen die Catilinarier hatte dies bewiesen. Milde im Krieg mit keltischen und germanischen Barbaren und Milde gegenber rmischen Brgern waren zweierlei. Propagandistischen Charakter hatte Milde in beiden Fllen und sie war im bellum externum wie im bellum civile fr Caesar ein Geschft auf Gegenseitigkeit. Der Unterschied lag darin, dass im ersten Fall der Gegner, im zweiten Caesar die Vorleistung erbrachte. In Gallien gab er sich viel Mhe, ber die rmischen Klientelvlker und Verbndeten die Kunde (rumor) seiner ttigen Milde zu verbreiten. Clementia ac mansuetudo, lenitas et clementia, clemetia atque humanitas (Milde und Gte, Milde und Großherzigkeit, Milde und Menschlichkeit) waren feste Schlagwrter. 3 Caesar operierte mit Abschreckung und Milde. Der Gegner, der rechtzeitig kapitulierte, ihm Zeit, Geld und Soldaten sparte, wurde geschont. Im anderen Fall drohten Hinrichtung, Sklaverei oder Verstmmelung. Bekannt ist das Beispiel von Uxellodunum, einem kleinen keltischen Ort an der Dordogne. In ihm bndelte sich nach der Kapitulation des Vercingetorix der verbliebene gallische Widerstand. Caesar selbst musste eingreifen und konnte den Ort erst nach einer schwierigen Belagerung erobern. Die Gallier streckten zu spt die Waffen, Caesar schrnkte seine Milde ein. Er begnadigte die berlebenden, ließ ihnen aber zur Abschreckung die Hnde abhacken. 4 Grausamkeiten dieser Art waren im Brgerkrieg unmglich. Caesar kmpfte nicht nur gegen seine optimatischen Gegner, er kmpfte auch um sein Ansehen beim Volk. Er riskierte viel, um seine clementia zu erweisen. Seine Feinde haben es

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Caesars gttliche Helferinnen

Die „Milde“ von Uxellodunum

D a Caesar wußte, dass seine Milde allbekannt war, brauchte er nicht den Eindruck zu frchten, er verfahre aufgrund angeborener Grausamkeit allzu hart. Da er aber den Erfolg seiner Plne in Frage gestellt sah, wenn in hnlicher Weise an verschiedenen Orten noch mehr Feinde gegen ihn Anschlge schmiedeten, glaubte er die brigen durch eine exemplarische Strafe abschrecken zu mssen. Er befahl, allen, die Waffen getragen hatten, die Hnde abzuhauen. Dann schenkte er ihnen das Leben, damit die Bestrafung bswilliger Aufstndischer umso strker ins Auge falle.“ A ULUS H IRTIUS, Bellum Gallicum 8.44.1.

ihm nicht gedankt, und sptestens mit den Iden des Mrz erwies sich die Politik der Milde als gescheitert. Nicht wenige der Verschwrer gehrten zu denen, die Caesar begnadigt und gefrdert hatte. Vielleicht besaß er sogar die Hoffnung, durch eine Politik der clementia den Brgerkrieg eindmmen und frhzeitig beenden zu knnen. Er hat sie jedenfalls von Anfang an betrieben und zu einem Hauptpunkt seiner Propaganda gemacht. Das Beispiel, das Aufsehen unter den Zeitgenossen erregte, war Corfinium.

Die Milde von Corfinium

Am spten Abend des 10. Januar 49 hatte Caesar bekanntlich den Rubicon berschritten. Noch ehe es hell wurde, besetzte er am 11. Januar die Stadt Ariminum. Bevor Pompeius ihm Truppen entgegenstellen konnte, marschierte er an der Adriakste nach Sden. Pisaurum, Fanum, Ancona fielen. Caesars Legionre stießen ins Landesinnere nach Arretium (Arezzo) in Etrurien

Die Milde von Corfinium

vor, nach Iguvium in Umbrien, nach Auximum in Picenum. Nennenswerten Widerstand gab es erst in Corfinium. Dort hatte Domitius Ahenobarbus, Caesars langjhriger Feind, 20 000 Mann zusammengezogen. Am 14. Februar war die Stadt eingekreist. Die Belagerer legten Wall und Graben an, vergebens schickte Domitius ein Hilfegesuch an Pompeius. Dieser hatte inzwischen mit sich selbst genug zu tun. Er musste Italien Richtung Osten verlassen, bevor Caesar alle Adriahfen kontrollierte. Was im Folgenden geschah, wissen wir nur von Caesar selbst. Wie er die Kunst verstand, sich selbst zu erhhen, so auch die, den Feind herabzusetzen. Er zeichnet das Bild eines Gegners, der nur an die Rettung des eigenen Lebens denkt, seine Soldaten aber ohne Skrupel der Gefahr aussetzt. So sind es schließlich die eigenen Legionre, die Domitius festnehmen und die Stadt bergeben, bevor der Kommandant fliehen kann. Caesar wartete die Nacht ab, um Plnderungen vorzubeugen. In Corfinium befanden sich nicht weniger als 50 Senatoren und Ritter, die sich auf Pompeius’ Seite geschlagen hatten, neben Domitius mit Lentulus Spinther sogar noch ein zweiter Exkonsul. Caesars Legionre standen „Mann neben Mann“ auf dem Wall, seine Offiziere eilten umher, um voreilige Aktionen zu verhindern. Niemand war so mde oder trge, in dieser Nacht ein Auge zu schließen, berichtet Caesar. In den Commentarii bereitet er den grßten Propagandaerfolg des Brgerkrieges nochmals effektvoll nach: Die Spannung, wie die Dinge nunmehr ausgehen wrden, war so groß, dass sich ein jeder in andere Richtung, gerade

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so wie es ihm Verstand und Gefhl eingaben, Gedanken machte, welches Schicksal die Einwohner von Corfinium haben wrden, was mit Domitius, was mit Lentulus, was mit den anderen geschehen und wie jeder von diesen den Ausgang des Ereignisses aufnehmen wrde. 5

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Caesars gttliche Helferinnen

Die Angst vor Caesar ging unter den adligen Standesgenossen um. Sie frchteten Rache fr den Hass, mit dem sie ihn verfolgt hatten. Selbst eigene Leute, wie der Volkstribun Curio, hielten einen gereizten Caesar allerhand Grausamkeiten fr fhig. In Corfinium wurden Testamente gemacht, die Senatoren spielten mit dem Gedanken des heroischen Selbstmordes, Domitius ließ sich von seinem Arzt einen Gifttrunk mischen, der sich spter aber dann doch nur als Schlafmittel entpuppte. Als der Morgen des 21. Februar gekommen war, befahl Caesar, die gefangenen Senatoren, Kriegstribunen und Ritter aus der Stadt zu fhren. Ihr Weg fhrte durch ein Spalier einfacher Soldaten. Caesar verhinderte bergriffe. Die Demtigung, die er seinen Feinden bereitete, war wesentlich grßer: Er begnadigte sie. Doch nicht nur das. Obwohl er sich selbst in finanziell angespannter Lage befand, beließ er Domitius die Kriegskasse von sechs Millionen Sesterzen. Das war eine Investition in die Zukunft. Caesar war alles das, was seine Gegner nicht waren, und er verwischte damit die Erinnerung an Marius und Sulla. Er bestahl niemanden und ttete niemanden. Noch in Corfinium erklrte er, nur um sich gegen die schimpfliche Behandlung durch seine Gegner zu wehren und das rmische Volk von der Willkr Weniger zu befreien, habe er seine Provinz verlassen.6 Es waren aber die Taten, nicht die Worte, die ihm den Sieg im Propagandakampf einbrachten. Die clementia Corfiniensis, „die Milde von Corfinium“, wurde zum geflgelten Wort. Caesar war seinen Gegnern nicht nur als Militr berlegen, sondern auch als Selbstdarsteller. „Du kennst mich ja auch gut genug“, schrieb er voll Genugtuung ber sich an Cicero, „nichts liegt mir ferner als Grausamkeit. Schon das Geschehnis an sich [Die Milde von Corfinium] gibt mir große Befriedigung; dass aber meine Maßnahmen nun auch Deinen Beifall finden, darber bin ich außer mir vor Freude. Die, die

Die Milde von Corfinium

ich habe laufen lassen, haben sich allerdings, wie es heißt, davongemacht, um weiter gegen mich zu kmpfen. Aber das ficht mich nicht an; ist es doch mein herzlichster Wunsch, dass ich mir treu bleibe und sie sich.“ Ciceros Briefe an seinen Freund Atticus aus dem Jahre 49 spiegeln in einzigartiger Weise die Stimmung in der rmischen Aristokratie. Der Redner stand mit dem Gefhl aufseiten des Pompeius, mit der Ratio aufseiten Caesars: Aber ich bitte Dich, gibt es etwas Erbrmlicheres als diesen Zustand, wo der eine in einer beraus unanstndigen Sache

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um Beifall buhlt, der andere in der besten von der Welt es darauf anlegt, berall Anstoß zu erregen? Der eine in dem

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Rufe steht, seinen persnlichen Feinden ihr Leben zu gnnen, der andere, seine Freunde preiszugeben?

Mehr als Caesars Legionen frchtete Cicero seine Milde: Aber siehst Du, was fr ein Mann das ist, dem der Staat in

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die Hnde gefallen ist? Wie scharfsinnig, wie rege, wie wohlvorbereitet! Wenn er nur niemanden ermordet, niemanden ausplndert, werden die, die ihn am meisten gefrchtet haben, ihn weiß Gott noch am meisten lieben. Oft unterhalten sich Leute aus der Kleinstadt und vom Lande mit mir: ihnen ist es berhaupt nur um ihre Felder, ihre Katen und ihr bisschen Geld zu tun. Sieh nur, wie sich das Blatt gewendet hat: den andern, dem sie frher ihr Vertrauen schenkten, frchten sie jetzt, whrend sie diesen

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lieben, vor dem sie bisher Angst hatten.

Cicero selbst traute Caesar nicht. Dieses ganze Gerede von Milde sei auf den einen großen Akt der Grausamkeit angelegt, teilte er Atticus mit. 7 Caesar belehrte ihn bald eines besseren, als er ihn, der schließlich zu Pompeius bergegangen war,

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Caesars gttliche Helferinnen

begnadigte. Zumindest Caesar glaubte an seine Propaganda und berzeugte damit. Sein Biograph Plutarch rhmt, 8 dass er seinen Feinden nicht nur verziehen, sondern sogar hohe mter verliehen habe. Indem er die umgestrzten Standbilder des Pompeius aufstellte, habe er seine errichtet, sagte Cicero, bevor er zu den Attenttern wechselte. Noch im Jahre 44 wurde der Bau eines Tempels der Clementia zu Ehren Caesars beschlossen. Aufgestellt waren darin Statuen der Clementia und Caesars, die einander die Hand reichten.9

Caesar und sein Glck

Am 21. Februar hatte Caesar Corfinium erobert, am 9. Mrz stand er vor Brundisium. Diesmal war er aber nicht schnell genug gewesen. Pompeius hatte sein Versprechen, wo immer er in Italien mit dem Fuß auf den Boden stampfe, wrden Fußsoldaten und Reiter emporsteigen, zwar nicht eingelst; immerhin kam er aber vor Caesar in der Hafenstadt an. Der Weg nach Osten war frei, um von dort aus Krieg gegen Caesar zu fhren. Diesem mangelte es an Schiffen, um die Verfolgung aufzunehmen. So suchte er erst, die Gefahr zu bannen, die von den pompeianischen Legionen in Spanien ausging. Es verging fast ein Jahr, bis Caesar im Januar 48 erste Truppen nach Griechenland bersetzen konnte. Er besetzte die Stdte Oricum und Apollonia, Pompeius hielt das wichtige Dyrrhachion. Beide warteten ab. Caesar brauchte dringend Nachschub und frische Truppen, doch die berfahrt ber das adriatische Meer war gefhrlich, denn an der epeirotisch-illyrischen Kste patrouillierten die Schiffe des Pompeius. Caesar saß in der Falle. Plutarch schreibt, die Lage sei ußerst bedrohlich gewesen, eine Lage also, aus der Geschichten gemacht werden. Es ist nur eine kleine Geschichte, und doch scheint sie Caesars Charakter wie keine andere zu

Caesar und sein Glck

erklren und fand in unterschiedlich ausfhrlichen Versionen Eingang in fast alle Quellen. Die Episode zeigt Caesars Bereitschaft zum Risiko, anders als die meisten Feldherren delegierte er Gefahr nicht. Vielleicht fehlte ein Bote mit der erforderlichen Autoritt, vielleicht traute Caesar niemandem anderen zu, das Problem zu lsen, jedenfalls beschloss er, allein und inkognito ber die Adria nach Brindisium zurckzukehren, um selbst den Nachschub zu organisieren. Ein einzelnes Fischerboot konnte leichter unbemerkt bleiben und so die Blockade der gegnerischen Schiffe durchbrechen. Appian und Plutarch gestalten das Geschehen dramatisch. Es ist eine Winternacht, als Caesar den Befehl gibt, auf dem Fluss Aoos, nahe Apollonia, einen Schnellsegler fr eine berfahrt nach Italien zu rsten, um dort einen Kurier an Land zu setzen. Caesar tafelt an diesem Abend mit seinen Freunden, entfernt sich aber mitten im Essen unter dem Vorwand, mde zu sein. Nicht viel anders ging es beim bergang ber den Rubicon zu. Vermummt erreicht Caesar den Schnellsegler, wo er sich als sein eigener Kurier ausgibt. Wie ein Passagier dritter Klasse kauert er sich in einen Winkel, um zu schlafen. Plutarch berichtet: Whrend der Fahrt den Aoos herunter, trieb der Landwind,

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der bis zum Morgen weht, die Nacht ber die Meereswogen an der Mndung zurck und ließ das Schiff ruhig den Fluss heruntergleiten. Gegen Morgen schlug der Wind um, und es kam eine frische Brise von See her auf. So fluteten die Wogen des Meeres gegen die Wellen des Flusses, und das Wasser bildete brausende Strudel. Bei dem harten Wellengang konnte der Steuermann den Kurs nicht mehr halten und befahl den Ruderern zu wenden.

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Caesars gttliche Helferinnen

Caesar erwacht, erfasst die Situation und gibt sich zu erkennen: „Frchte Dich nicht, Du fhrst Caesar und sein Glck.“ Ruderer und Steuermann fassen nochmals Mut und bringen das Boot ber die Mndung hinaus ins offene Meer. Doch der Wellengang ist zu stark, das Schiff droht vollzuschlagen. Als der Tag anbricht und die Entdeckung durch die feindliche Kstenwache bevorsteht, gibt Caesar den Befehl zur Umkehr.10 Caesar erwhnt die Geschichte in seinen Commentarii nicht. Warum sollte er auch? Sein Bellum civile war eine Werbeschrift. Wenn schon von gescheiterten Unternehmen die Rede war, dann von denen der Gegner. Zudem besagte die Episode nichts ber den Kriegsverlauf. Ihr Reiz aber liegt nicht zuletzt darin, dass sie entkrftet, was sie belegen soll. Appian hat das gesehen, und so schimpft bei ihm Caesar mit seinem Daimonion wie mit einem ungezogenen Kind. Dieser Genius unterlag einer schwankenden Tagesform und war im Krieg daher nur bedingt brauchbar. Damit freilich tut Appian Caesar und seinem Daimonion Unrecht. Er ist kein Wettergott, der Strme losbrechen lsst oder den Winden Stille gebietet. Die Geschichte kreist um Caesars Wagemut (tolme), um seine Entschlossenheit und das Selbstvertrauen, das ihm sein guter Stern gibt. Daran ndert nichts, dass die berfahrt scheitert. Caesar hat sich und den Seinen bewiesen, zu was er fhig ist. Und im brigen geschieht letztlich alles so, wie er es gewnscht hat, nur etwas verzgert und ohne sein persnliches Eingreifen.

Den Tapferen hilft das Glck

Ein Gutteil der Forschung hlt die Geschichte fr authentisch. Das ist sie zweifellos zumindest in dem Sinne, dass sie, sofern sie nicht von Caesar oder seiner Umgebung expressis verbis in die Welt gesetzt wurde, wenigstens Ausfluss seiner Selbstdarstel-

Den Tapferen hilft das Glck

lung ist. ber seine Weltanschauung oder seine Religiositt besagt sie dagegen nichts. Sicher ist nur, dass mit „Caesars Glck“ keine Vorsehung gemeint ist. Sie blieb spteren Diktatoren vorbehalten. Wem genau sich Caesar anvertraute, ist unklar. Ist es seine Fors, Fortuna, Felicitas, Tyche, sein Daimonion oder Genius? Die Quellen sind sich terminologisch uneins. Bei Plutarch lesen wir Tyche, Lucan liefert das lateinische quivalent Fortuna. Die als Gttin verehrte Tyche verkrpert das blinde Schicksal. Sie ist ohne Mitleid, ohne Verlass, ohne Moralitt. Was sie zu verteilen hat, gibt sie ohne Ansehen des Ranges, der Person, des Namens. Dem Verlierer nimmt die Tyche die Brde der Verantwortung, dem Sieger stiehlt sie den Verdienst des Triumphes. Sich auf eine solche Art Glck zu berufen, kann nicht Caesars Sache gewesen sein. Er glaubte an das Glck, das seinen Fhigkeiten entsprang und durch seine Leistungen bewiesen wurde. Das ist keine Fortuna, die nach dem Prinzip des Zufalls (casus) verfhrt, sie gibt dem, der es sich verdient. Fortis (fortes) fortuna adiuvat, den Tapferen hilft das Glck, formulierte der Komdiendichter Terenz bereits im frhen 2. Jahrhundert v. Chr. 11 Zu Caesars Zeiten war dies Allgemeingut, wie Cicero belegt: „Den Tapferen hilft nicht nur das Glck, wie es in einem alten Sprichwort heißt, sondern viel mehr die Vernunft.“12 Cicero htte sich die Belehrung sparen knnen. Diese Fortuna besitzt Vernunft. Es ist die Fortuna Felicitas, das gute Glck, griechisch Eutychia (die „gute“) Tyche. Augustinus definiert in seinem „Gottesstaat“ die feinen, aber wesentlichen Unterschiede. Glck [felicitas] ist, sagt man, was den Guten zuteil wird, die

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es sich verdient haben. Geschick jedoch, das man gut heißt, widerfhrt den Menschen, sowohl guten als bsen, ohne Rcksicht auf Verdienst rein zufllig. Deswegen heißt es auch Fortuna. (4.18)

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Caesars gttliche Helferinnen

Wie in anderem ging auch hier Sulla Caesar voran. Er hielt sich fr einen Gnstling des Glckes (felicitas) und gab sich den Beinamen Felix. Eine vergoldete Reiterstatue auf der Rednerbhne in Rom trug die Inschrift: Cornelio Sullae dictatori felici. 13 Fr die Griechen bersetzte Sulla in offiziellen Schreiben das „Felix“ mit „Epaphroditos“ (Gnstling der Aphrodite), und Plutarch entzifferte tatschlich auf der Siegessule in der Nhe seiner Heimatstadt Chaironeia die Inschrift ,Lucius Cornelius Sulla Epaphroditos‘(34). Caesar, der sich wie andere Rmer als Nachfahre trojanischer Flchtlinge sah, betrachtete Aphrodite, die Mutter des Aeneas, als seine Ahnherrin und hatte so doppeltes Anrecht auf den Schutz der Gttin in Gefahren. Sulla legte Wert darauf, seine Siege weniger dem Glck zu verdanken als seiner Klugheit und Tapferkeit. 14 In dieser Vorstellung bedingte das eine das andere. Glck ergab sich aus der Summe der Feldherrntugenden, nmlich der angestrengten Ttigkeit im Dienst, der Beherztheit in Gefahren, der Rhrigkeit beim Handeln, der Schnelligkeit bei der Ausfhrung, dem Weitblick in der Planung oder krzer: der Mßigung, der Verlsslichkeit, der Umgnglichkeit, der Begabung, der auctoritas, der humanitas. Cicero trennt von diesem Katalog noch das Glck ab 15 , dies aber kann Caesar nicht getan haben. Felicitas war ein Teil seiner Feldherrnbegabung. Das musste er zumindest seinen Soldaten so vermitteln. An die rmischen Gttinnen glaubte der Skeptiker selbst nicht, aber er glaubte wohl an ihre Wirkung auf andere. Dies zeigt sein Verhalten sptestens nach dem Gallischen Krieg. Die Erfolge gaben ihm das Recht, sich als Begnstigter des Glcks darzustellen, vor allem aber machten sie diese Darstellung glaubhaft. Er hatte bewiesen, worauf er Anspruch erhob. Mit Fortuna Felicitas als Kombattantin kmpfte es sich fr jeden Soldaten leichter. Offenkundig ist,

Den Tapferen hilft das Glck

dass Caesar sie seit dem Rubiconbergang bewusst einsetzte. In allen drei großen Schlachten des Brgerkrieges spielte Fortuna (Felicitas) eine Rolle. Beim thessalischen Pharsalos vor der entscheidenden Schlacht gegen Pompeius stellte Caesar sich in einem mitternchtlichen Opfer unter den Schutz der sieg- und glckbringenden Aphrodite/Venus, seiner Stammmutter, und gelobte ihr einen Tempel. 16 Vor Thapsos, als Caesar in Nordafrika den Legionen der Republik und seines alten Feindes Cato gegenberstand, erffnete er selbst den Kampf mit dem Schlachtruf „felicitas“, und im letzten Gefecht der Republik beim spanischen Munda lautete die Parole der caesarischen Kmpfer „Venus“. Wie Sulla Felix vertraute Caesar der glckbringenden Aphrodite. 17 Caesar gewann auch diese Schlacht, und nur wenige Jahre spter, unter Augustus, war sein Glck sprichwrtlich geworden. 18 Bei Velleius, dem Historiker aus der Zeit des Tiberius, siegt er mit gewohntem Glck (fortuna sua). Um erfolgreich zu sein, gengt es ihm, seinem Glck zu folgen. 19 So kann der Historiker Florus in seiner Historia Romana die Geschichte von Caesars missglckter berfahrt zu einer lakonischen Anekdote raffen: „Bekannt ist immer noch, was Caesar dem Steuermann sagte, der sich ob der Grße der Gefahr ngstigte: ,Was frchtest Du? Du fhrst Caesar‘.“20 Velleius brauchte das Glck nicht mehr zu erwhnen. Caesar und sein Glck waren lngst eins geworden. 21

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Familien-Bande: Pompeius und Caesar einen grßten Sieg ber Pompeius feierte Caesar nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem Pa-

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pier. Er war es, der das Bild seines anfnglichen (politischen) Freundes und spteren Feindes bis in die Moderne hinein wesentlich prgte. Pompeius’ große Siege in den sechziger Jahren, seine Erfolge in Rom nach dem Ende der kurzen Sullanischen ra, seine Verdienste fr Roms Aristokratie verblassten bei Zeitgenossen wie bei der Nachwelt gegenber den Leistungen Caesars, da jener sich nicht wie dieser zu prsentieren verstand. Beide scheiterten, doch nur fr Pompeius schlug das zum Nachteil aus. Selbst das dramatische Ende beider wurde unterschiedlich bewertet. Pompeius’ Ermordung war eine Farce, die Caesars eine Tragdie. Caesar und Pompeius waren sich politisch zu hnlich und in ihrem Werdegang zu verschieden, um sich gegenseitig anerkennen zu knnen. Als Pompeius seinen ersten Triumph feierte, war Caesar gerade 20 Jahre alt. Von einem Senatssitz trennte ihn noch ein ganzes Dezennium. Umgekehrt war Pompeius’ Stern im Sinken, als Caesar im Jahre 58 als Prokonsul mit der Eroberung Galliens begann. Nicht Caesars Tochter Julia, Ehefrau des Pompeius, band beide kurzzeitig aneinander, sondern die Gegnerschaft zum Senat. Pompeius wollte erster Mann Roms sein, Caesar ihn bertreffen. In seiner Sprache hieß das,

Pompeius und Caesar

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Der Brgerkrieg

A m 10. Januar 49 berschritt Caesar den Rubicon. Der Marsch auf Rom begann. Whrend Caesar an der Adriakste nach Sden vorrckte, verließ das Gros der Senatoren Rom, um sich in Griechenland in Sicherheit zu bringen. Caesar verfolgte die Fliehenden nicht, sondern wandte sich nach Spanien, wo sieben Legionen seines Gegners Pompeius standen. Am 2. August siegte er bei Ilerda und bannte damit die Gefahr einer militrischen Einkreisung. Am 5. Januar 48 setzte er nach Epirus ber, wo Pompeius Truppen gesammelt hatte. Es begann ein langwieriger Stellungskrieg, der schließlich am 9. August in Thessalien in einer offenen Feldschlacht endete. Caesar siegte, Pompeius floh nach gypten, wo er wenige Tage vor Caesars Ankunft (2. Oktober) ermordet wurde. Caesar wurde nun in den gyptischen Thronstreit verwickelt, in dem er Partei fr Kleopatra ergriff. Erst Anfang Oktober 47 war er zurck in Rom. Ende desselben Jahres begab er sich nach Afrika, wo seine senatorischen Gegner neue Legionen aufgestellt hatten. Am 6. April 46 besiegte Caesar sie bei Thapsos, sein entschlossenster Widersacher, der jngere Cato, suchte in Utica den Freitod. Den letzten Feldzug fhrte Caesar gegen die Shne des Pompeius, die sich ihm in Spanien zum Kampf stellten. Sie wurden am 17. Mrz 45 in der Nhe von Munda besiegt.

die gleiche dignitas genießen. Selbst die minimale Einigung, auf die sie sich im Triumvirat (zusammen mit Crassus) verschworen hatten, bedeutete fr solche Ziele noch zu viel Gemeinsamkeit. Beide arbeiteten zuerst heimlich gegeneinander, spter auch ffentlich. Caesar nutzte alle propagandistischen Mglichkeiten, die ihm die Zeit bot. Mit Buch, Brief, Rede, Gercht verbreitete er seine Position. Unter Ciceros Korrespondenz finden

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sich auch noch epistulae (Briefe) aus Caesars Kanzlei, die zeigen, wie er das Handwerk der Selbststilisierung beherrschte und damit sogar Cicero beeinflussen konnte, der sich der scheinbar rationalen Argumentation Caesars oftmals nicht entziehen konnte, obwohl er eigentlich Pompeius nher stand. So gelangte auch ber ihn, und sicherlich gegen seinen Willen, Caesars Bild des spten Pompeius an die Nachwelt.

Krieg der Kpfe

Caesar besaß eine eigene Kanzlei, die whrend seiner Abwesenheit von Rom seine Interessen dort vertrat. Sie kmmerte sich um wirtschaftliche Dinge, vor allem aber auch um propagandistische. Aus Ciceros Briefwerk sind zwei Namen bekannt: Cornelius Balbus und Oppius. Wir knnen das, was sie leiteten, durchaus ein „Bro fr Desinformation“ nennen. Die Sache war bekannt. Plutarch bediente sich der Nachrichtenbrse des Oppius, doch er tat es mit Einschrnkungen. Nur mit aller Vorsicht sei ihm Glauben zu schenken, „wenn er von Caesars Freunden und Feinden spricht“. 2 Besser als seine Konkurrenten erkannte Caesar, wie wichtig es war, seinen Standpunkt und seine Sichtweise den Standesgenossen zu vermitteln und in den Kpfen der hauptstdtischen Whler durchzusetzen. Er kaufte dafr Politiker wie den hochbegabten Volkstribunen Curio. Billiger aber war es, die richtigen Verbindungen zu knpfen und die richtigen Nachrichten zu lancieren. Alle Informationen von und nach Gallien flossen ber sein Bro. Spter bernahm dieses Propagandaaufgaben im Brgerkrieg. Oppius und Balbus versandten offene und vertrauliche Briefe, fhrten Unterhandlungen mit unschlssigen Senatoren, organisierten Spontankundgebungen fr Caesar. 3

Krieg der Kpfe

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Die propagandistischen Klischees sprechen aus den Briefen Sallusts, spiegeln sich in Ciceros Korrespondenz oder lassen sich aus dem ableiten, was Caesar verffentlichte. Das Bellum civile, teilweise wohl noch whrend der Kmpfe diktiert, whrend des Alexandriaaufenthaltes niedergeschrieben und anschließend publiziert, hatte bereits die Funktion, Pompeius zum Verantwortlichen fr die Brgerkriegsgreuel zu stempeln. Hinter dem scheinbar sachlichen Ton verstecken sich die Affekte nur unzureichend, gelegentlich bricht die Polemik durch. Das Bemhen, die Gegner menschlich herabzusetzen, ist kaum maskiert. Vielleicht hoffte Caesar auch zeitweise, ber die Ver-

Cicero ber Caesar

B itte, was heißt das? Was ist los? Denn ich tappe im Dunkeln. Cingulum, heißt es, haben wir noch, Ancona ist verloren; Labienus ist von Caesar abgefallen. Reden wir hier eigentlich von einem Imperator des rmischen Volkes oder von Hannibal? Dieser elende, wahnsinnige Kerl, der niemals auch nur einen Hauch des Edlen versprt hat! Und da sagt er noch, er tue dies alles, um seine Ehre zu wahren. Aber was heißt Ehre ohne Anstand? Ist es etwa anstndig, ein Heer in der Hand zu haben, das einem nicht der Staat gegeben hat? Brgerstdte zu besetzen, um leichter an die Vaterstadt heranzukommen? Schuldenerlass, Rckfhrung der Verbannten und tausenderlei andere Verbrechen im Schilde zu fhren, ,erringt er nur die grßte Gttin sich, die Macht‘? Nun, ich gnne ihm sein Glck! Mir ist weiß Gott ein einziges Sonnenbad in Deiner Gratis-Sonne lieber als jede derartige Gewaltherrschaft; nein, ich mchte lieber tausendmal sterben als auch nur einen Augenblick mich an solch einen Gedanken verlieren.“ C ICERO, Brief an Atticus (7.11.1) vom 21.1.49

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unglimpfung des seit Oktober 48 ohnehin toten Pompeius und die damit verbundene Schonung anderer Kritiker eine Vershnung mit den Optimaten erreichen zu knnen. Fr seinen Staat fehlte ihm nmlich die Elite. Er msse schon in den Hades gehen, um sie zu finden, schrieb Cicero. Zu Pompeius’ Lebzeiten lagen die Dinge anders. Hier spielte Caesar in der ersten Phase des Brgerkrieges ein doppeltes Spiel. Es galt Pompeius zu diffamieren, aber gleichzeitig, so lange es mglich schien, den Weg zu einer Umkehr nicht gnzlich zu verbauen. So entstand ein widersprchliches Bild des Pompeius. Es findet sich so hnlich auch bei Cicero, und deshalb wurde es konstituierend fr die Kaiserzeit. In seiner Darstellung des Brgerkrieges parallelisiert Caesar zunchst beide Rollen. Er selbst vertritt die Rechte des Volkes, Pompeius ist Anfhrer der Senatspartei. Diese Frontziehung erfordert, Pompeius’ Abkehr von der langjhrigen gemeinsamen amicitia, von Freundschaft und Bndnis, zu erklren. Caesar sucht die Grnde außerhalb. Feinde und Intriganten htten Pompeius Verleumdungen eingeflstert und gegen ihn aufgehetzt.4 Caesar wirft ihm Neid und Missgunst vor: er dulde keinen Gleichwertigen neben sich. 5 Der Pompeius, der im Bellum civile erscheint, ist gleichzeitig stark und schwach. Fr seine eigene Person verteidigt Caesar die Ehre, die er anderen abspricht. Um sie zurckzugewinnen, erffnet er sogar einen Brgerkrieg. Die Behauptung, es sei ihm der Rang verweigert worden, der ihm ob seiner Verdienste fr Rom zustehe, gehrt zu seinen Begrndungen fr den Gang ber den Rubicon.6 Sie konkurriert mit dem Motiv der Uneigenntzigkeit, das Caesar zwingt, die Mehrheit der Senatoren zu einer Minderheit zu stempeln. Dazu bedient er sich des Vokabulars der Tyrannentopik. Seine Gegner sind nicht mehr als eine Clique aus einigen Wenigen, eine factio paucorum, die das rmische

Krieg der Kpfe

Volk unterdrcke und ihm die Freiheit raube (die wiederzugewinnen Caesar ausgezogen ist). Pompeius erscheint als Tyrann, seine auf Waffen beruhende dominatio (Willkrherrschaft) als die große Gefahr fr den Staat: „Alles gttliche und menschliche Recht treten sie [Caesars Gegner] mit Fßen“ (omnia divina humanaque iura permiscentur).7 Diese Schreckenspropaganda war weit verbreitet. Sie findet sich nicht nur bei Caesar, sondern in beinahe allen berlieferten zeitgenssischen Zeugnissen: bei Sallust, bei Aulus Hirtius und selbst bei Cicero. 8 Dort spiegelt sich der ideologische Kampf am deutlichsten, denn Ciceros Briefe sind aktuell, er kommentiert mit Ironie und Witz und ohne eine Spur von Selbstkritik, was beide Lager verlautbaren lassen. Als Begriff fr Tyrannei wechseln regnum und dominatio. Cicero denkt an die Vergangenheit, an die Herrschaft Sullas und seines Gegners Cinna. Von Oppius und Balbus ber die aktuelle Lage informiert, schreibt er, an seinen Freund Atticus am 13. Mrz 49, Pompeius sei versessen auf eine Gewaltherrschaft nach dem Modell Sullas. Fr Caesar nahm er das Cinnanum tempus als Vorbild an. Cicero hielt immerhin so viel Distanz zu Caesars Unterstellungen, dass er beiden das Schlimmste zutraute. 9 Beide streben nur nach Gewaltherrschaft, und nicht darauf

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ist es abgesehen, dass das Volk glcklich und anstndig lebe. Frwahr, nicht weil er die Hauptstadt nicht htte schtzen knnen, hat er sie gerumt, nicht weil er aus Italien vertrieben wurde, hat er es aufgegeben, nein, von Anfang an hat er nur den einen Gedanken gehabt, die ganze Welt und alle Meere in Bewegung zu setzen. Barbarenfrsten aufzuwiegeln, wilde Vlker in Waffen nach Italien zu fhren und Riesenarmeen auf die Beine zu bringen […] Oder meinst Du, ein Abkommen zwischen ihnen sei unmglich gewesen,

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Pompeius und Caesar

sie htten sich nicht einigen knnen? Noch heute ist es mglich. Aber beide streben nur nach der Alleinherrschaft,

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unser Glck ist ihnen gleichgltig. 10

Die Schlacht von Pharsalos

Caesars Bild vom Putschisten Pompeius verblasste schon bald, dagegen blieb das vom unfhigen Feldherrn bis in die Moderne frisch. Zwei Dinge schadeten Pompeius bei der Nachwelt. In Caesars Darstellung sprach der Zeitzeuge schlechthin, alle augusteischen Historiker mussten sich an ihm orientieren. Zudem berichtete mit Caesar der Sieger, und auch in der Antike war nichts berzeugender als der Erfolg. Erst ab der Mitte des 1. Jahrhunderts kamen pompeiusfreundliche Versionen in Umlauf. Caesars Bericht ber die Schlacht von Pharsalos hingegen ist eine einzige Explosion von Gehssigkeiten. Was er ber weiteste Strecken der Commentarii unterdrckte, was allenfalls in gelegentlichen kurzen polemischen Ausfllen sprbar wurde, bricht nun ungehindert hervor. Die Furcht der nahezu 20 ungewissen Monate wandelt sich in Triumph. Als Caesar ber Pharsalos schreibt, weiß er, dass er den Kampf zunchst gewonnen hat. Aber die Zeit der Anspannung hatte ihre Spuren hinterlassen, dem Sieger fehlte es an dem Gleichmut, seinen Gegner dem Urteil der Geschichte zu berlassen. Er fllt es selbst. So nimmt die Vorgeschichte der Schlacht grßeren Raum ein als die Entscheidung an sich. Am 29. Juli 48 lagerte Caesar in der Ebene des thessalischen Pharsalos. Die Ernte war schon reif, schreibt er,11 und der Platz schien ihm geeignet fr eine Schlacht. So wartete er hier auf die Ankunft des Pompeius, nicht sicher freilich, ob dieser den Kampf annehmen oder mehr auf eine Zermrbungsstrategie setzen wrde.

Die Schlacht von Pharsalos

Pompeius kommt und vereinigt seine Truppen mit denen des Scipio. Caesar beginnt mit einigen kurzen sachlichen Bemerkungen, in denen aber schon der Hohn aufblitzt ber die trichten Gegner, die sich angesichts des kommenden Untergangs ihres Erfolges trotzdem so sicher waren. Schon ldt Pompeius die Soldaten ein, sich ihren Anteil an Beute und Belohnung zu sichern. Die Siegeszuversicht steigt derart, dass jede verstrichene Stunde als unwillkommene Verzgerung der Heimkehr erscheint. Die Senatoren beginnen bereits ber knftige Befehlsstellen und Priestermter zu streiten, das Konsulat wird auf Jahre hinaus vergeben. Die einen verteilen die Huser, die anderen die Grundstcke der Caesarianer. Als die Schlacht nher rckt, zanken die Fhrer der Gegenpartei in aller ffentlichkeit, der Postenschacher wird ohne Beschnigung ausgetragen. Der eine beruft sich auf sein Alter, der andere auf seine Beliebtheit, der dritte auf seinen Rang, der vierte auf seine Verwandtschaft. Nach dem unzweifelhaften Sieg sollen Richtertfelchen ausgegeben werden, um ber alle abzustimmen, die in der Etappe zurckblieben: Freispruch, Geldstrafe oder Tod. „Kurz, alle sprachen nur noch von den eigenen Ehrenstellen, Belohnung durch Geld und Verfolgung persnlicher Feinde, dachten aber nicht daran, wie sie siegen knnten, sondern nur wie man den Sieg ntzen solle“, schließt Caesar (3.83). Er selbst tut von allem das Gegenteil. Er bereitet sich sorgfltig auf die Auseinandersetzung vor, motiviert seine Soldaten. Eine Kluft ffnet sich zwischen ihnen und den Legionren des Pompeius. Diese kmpfen fr Belohnung und Beute, jene fr die Ehre und Caesar. Dieser illustriert das mit der Geschichte vom Primipilar Crastinus, der mit nur 120 Freiwilligen den gegnerischen Flgel strmt. Der Zenturio steht dabei im Kontrast zu den dekadenten Jungrittern der Gegenseite, die vor allem

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Pompeius und Caesar

die Sorge um entstellende Gesichtsverletzungen plagt. Caesars Umsicht hebt sich gegen die fehlende Einsicht des Pompeius ab. Selbst elementare Feldherrnregeln beherrscht dieser nicht. Caesar zeichnet ein trauriges Bild von Roms einst grßtem Feldherrn: Ohne Ingenium, ohne Fortne, ohne Selbstvertrauen. Pompeius, genannt Magnus, macht sich buchstblich aus dem Schlachtstaub. Genauer gesagt, er stiehlt sich davon, whrend sein Gegenber, weithin sichtbar im bekannten weißen Feldherrnmantel, an vorderster Front kmpft. Rasch hat er mit gebtem Blick des Pompeius Taktik erkannt. Wie von ihm vorausgesehen, leiten die als besondere Reserve in vierter Linie gegen die pompeianischen Reiter aufgestellten Kohorten den Sieg ein. Das ist (bei Caesar) der Moment, der das Schicksal des Pompeius besiegelt. Noch whrend gekmpft wird, verlsst dieser ohne Vertrauen zu sich und seinen Elitetruppen die Feldstatt, reitet ins Lager und zieht sich, letzte sinnlose Anweisungen gebend, in sein Zelt zurck. Plutarch hat Caesars Version auf den dramatischen Punkt gebracht. Er erkennt zweifellos Caesars Absicht zu diffamieren, geht aber nicht darauf ein: Als Pompeius von seinem Flgel her seine Reiterei flucht-

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artig auseinanderstieben sah, verlor er alle Fassung. Er vergaß, dass er Pompeius der Große war. Als habe ein Gott ihn geschlagen, ging er wortlos in sein Zelt. Da saß er nieder und wartete, was kommen wrde, bis endlich die Flucht allgemein wurde und die Feinde gegen das Lager vorgingen, ja schon mit der Lagerbesatzung sich herumschlugen. Erst in diesem Augenblick erwachte er aus seiner Betubung und sprach das eine Wort: ,Also sogar bis ins Lager‘. Dann vertauschte er das prchtige Gewand des Feldherrn mit einer schlichten Tracht, wie sie dem Flchtling ziemte, und entfernte sich.12

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Die Schlacht von Pharsalos

Caesar lsst seinem einstigen Schwiegersohn eine solche Wrde nicht. Als die „Unseren“ ins gegnerische Lager vorstoßen, legt Pompeius in seiner Darstellung eilends die Feldherrninsignien ab, wirft sich auf das erstbeste Pferd und sprengt davon. Ohne den Ritt bei Nacht zu unterbrechen, erreicht er von panischer Furcht getrieben und unter stndigen Klagen das Meer und ein Frachtschiff, das ihn außer Reichweite der Verfolger bringt. Pompeius wird nicht mehr hren, was Caesar noch in Alexandria ihm belwollendes nachruft. Es ist ganz bewusst gegen ihn gerichtet, denn Caesar spricht vom Lager des Pompeius, wohl wissend, dass hier von der gesamten Senatsfraktion zu reden war. Im Lager des Pompeius konnte man kunstvolle Lauben

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sehen, offen herumliegendes Silbergeschirr in Massen, mit frischem Rasen ausgelegte Zelte, die Zelte des Lucius Lentulus und einiger anderer sogar mit Efeu umwunden und daneben noch vieles, was auf bergroßen Luxus und allzu hohe Siegeszuversicht hinwies, woraus man leicht schließen durfte, dass diejenigen nichts vom Ausgang dieses

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Tages frchteten, die so berflssige Freuden suchten.

Monate nach dem Ereignis geschrieben, verraten diese Zeilen noch Einiges ber Caesars Wut: „Aber ausgerechnet sie warfen dem rmlichen und gengsamen Heer Caesars, dem doch stets alles Notwendige fehlte, ppigkeit vor.“ 13 Die diffamierende Darstellung des Gegners ist die eine Seite der caesarianischen Propaganda. Eine Vershnungspolitik, die umsetzte, was sie ankndigte, ist die andere. berzeugender als die Kritik war ihre Rcknahme. Caesar versprach nach Pharsalos jedem Begnadigung und Freiheit, der zu ihm komme. Auch hier bewies er ein Talent fr große Effekte. Mit einer großzgigen Geste, die die Nachwelt fast mehr beein-

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druckte als der Sieg, gab er Befehl, die gesamte Korrespondenz des Pompeius zu verbrennen. Er verzichtete darauf, die Akten der Gegner zu nutzen, um ihr Wohlverhalten zu erpressen. Dies war eine so singulre Handlung, dass sie kaum Glauben fand. Der Historiker Cassius Dio betont eigens, Caesar habe die Korrespondenz auch nicht gelesen oder vor der Verbrennung Abschriften anfertigen lassen.14 Nach der Abrechnung mit Pompeius in den Kapiteln 3.92–96 des Bellum civile wollte Caesar dessen endgltiges Schicksal nicht weiter kommentieren. Er konstatiert nur mit unbewegten Worten, bei der Einfahrt in den Hafen von Alexandria sei Pompeius von den Abgesandten des Pharao freundlich begrßt und anschließend niedergestochen worden (3.104). Caesars Bro in Rom verbreitete derweilen die offizielle Version. Voller Entsetzen habe Caesar sich abgewandt, als ihm nach seiner Ankunft in gypten das abgeschlagene Haupt des Pompeius berreicht wurde. Nur den Siegelring des Toten, eingraviert ein Lwe, das Schwert in der Tatze, habe er angenommen, mit Trnen in den Augen.15

Veni, vidi, vici: Ich kam, sah, siegte

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n seinen Kriegen fr und gegen Rom verzeichnete Caesar eine Reihe großer Erfolge. Im Jahre 58 bezwang

er die Helvetier und den Germanenknig Ariovist, im Folgejahr das belgische Volk der Nervier, 55 die germanischen Usipeter und Tencterer, schließlich 52 die verbndeten Gallier unter Vercingetorix. ber seine innenpolitischen Gegner siegte er am 9. August 48 bei Pharsalos in Griechenland, am 6. April 46 bei Thapsus in Nordafrika und am 17. Mrz 45 bei Munda in Spanien. Es sind die militrischen Stationen einer einzigartigen Karriere vom Offizier in Kleinasien zum Diktator in Rom. Caesar war stolz auf seine Leistungen als Feldherr und hob sie gebhrend hervor. Seine Kommentare wurden durch seine Siege unsterblich, doch in einem Fall war es auch umgekehrt. Eine sekundre Schlacht am Rande des Brgerkriegsgeschehens blieb in Erinnerung, weil Caesar seine Leistung in der unbertrefflichen Prgnanz und Krze beschrieb, die ihm seine Muttersprache erlaubte. Caesar befand sich auf dem langen Marsch von gypten nach Rom und nahm sich fr seinen Sieg ber den pontischen Knig Pharnakes II. gerade einmal vier Stunden Zeit. Viel mehr besaß er auch nicht, denn er hatte sich am Nil so lange aufgehalten, dass seine Gegner in Rom bereits das Gercht ausstreuten, er sei tot.

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Veni, vidi, vici

Im November 48 war Caesar auf der Verfolgung des flchtenden Pompeius in Alexandria eingetroffen. Die gypter berreichten ihm Kopf und Siegelring des Gesuchten. Sie hassten Caesar nicht weniger, doch frchteten sie ihn mehr. Caesar nahm im gyptischen Thronstreit Partei fr Kleopatra, brannte (mglicherweise) die berhmte Bibliothek von Alexandria mit ihren geschtzten 400 000 Buchrollen nieder und siegte schließlich. Am 27. Mrz 47 nahm er Alexandria ein. Caesar war nun bereits ein halbes Jahr in gypten und blieb trotzdem noch fast drei Monate, bis er die Abreise nicht weiter aufschieben konnte. Seit Dezember 48 war Rom ohne Nachricht von ihm. 1 In Kleinasien versuchte whrenddessen Pharnakes, der Sohn des großen Mithridates, die gyptischen Verwicklungen zu nutzen und das Reich seines Vaters zu reorganisieren. Er besetzte die Kolchis, armenisches und kappadokisches Territorium und eroberte Stdte an der Sdkste des Schwarzen Meeres. Caesar rckte inzwischen ber Syrien, Kilikien und Kappadokien nach Pontos vor. Dabei ordnete er die Verhltnisse in den asiatischen Provinzen neu. Pharnakes bot ihm Verhandlungen an, doch Caesar forderte den bedingungslosen Abzug und wagte damit die Schlacht, da Pharnakes diese Forderung ablehnen musste. Bei Zela, einer Stadt, die in der Ebene lag, durch Stadtmauern und natrliche Erhhungen aber geschtzt war, lagen sich die Heere gegenber. Der Bericht ber den Kampf stammt nicht von Caesar. Er findet sich im Bellum Alexandrinum. Der Autor bleibt anonym, er muss sich aber in der Nhe des Feldherrn aufgehalten haben, denn er notiert dessen Reaktionen.2 Der Leser lernt Caesar so von einer Seite kennen, die in dessen Eigendarstellung nicht vorkommt, nmlich von einer unernsten. Als Pharnakes in berschtzung seiner Krfte an-

Ein Brief an die Nachwelt

greift, ist Caesar geraume Zeit belustigt. Ein Gegner, der seine Soldaten an einem solchen Ort zusammenballt, knne nicht ganz bei Sinnen sein. Das Amsement ber die „unglaubliche Torheit“ des Pharnakes weicht dem Staunen ber das Selbstvertrauen des Gegners und schließlich der Erkenntnis, auf einen solchen Angriff nicht richtig vorbereitet zu sein. Doch das erhellt nur eine Strke Caesars: die Improvisation. Der anonyme Autor schildert Caesar nun so, wie dieser sich zum Beispiel in der Schlacht gegen die Nervier selbst darstellte. „In ein und demselben Augenblick rief er die Soldaten von der Arbeit ab, ließ die Waffen ergreifen, stellte die Legionen auf und ordnete die Schlachtreihe.“ Die Sichelwagen des Pharnakes werden aufgehalten, und die Veteranen Caesars erzwingen binnen kurzem die Entscheidung. Sie brechen auch den letzten Widerstand und strmen das gegnerische Lager. Pharnakes flieht daraufhin mit wenigen Reitern.

Ein Brief an die Nachwelt

Die Wahrnehmung des Geschehens ist zwischen den Augenzeugen freilich unterschiedlich. Der anonyme Autor schreibt den Sieg Caesars ordnender Hand zu, aber auch dem gnstigen Gelnde, dem Einsatz der sechsten Legion und vor allem der Gunst der Gtter, „die in allen Kriegslagen helfen, und ganz besonders dann, wenn mit Vernunft und Berechnung allein nichts mehr auszurichten ist“. Caesar selbst sah das anders. Nimmt man ihn ernst, so hatte er nicht einmal einen Koch dabei: „Ich kam, ich sah, ich siegte.“ Pharnakes war kein Mithridates und kein gleichwertiger Gegner. Was Caesar so von sich berzeugte, war das Gefhl, eine unerwartete Gefahrensituation schnell und taktisch klug gemeistert zu haben.

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Veni, vidi, vici

Obwohl Caesar schon viele Siege errungen hatte, erfllte ihn dieser mit besonderer Freude, weil er ein so großes Kriegs-

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unternehmen mit solcher Schnelligkeit beendet hatte. Und noch grßer war seine Freude, wenn er sich daran erinnerte,

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nach welchen pltzlich auftauchenden Gefahren, welchen Schwierigkeiten, ihm dieser Sieg zuteil geworden war.3

So berichtet der Augenzeuge, aber er weiß nichts von ußerungen Caesars nach der Schlacht. Vielleicht war dieser auch zu erschpft, um unvergessliche Worte zu finden. Das berhmte veni, vidi, vici ist, wie Plutarch erzhlt, ein Briefzitat. Caesar richtete den Brief an seinen Freund Matius, Kriegsbegleiter aus gallischen Tagen. Der erste Adressat des Zitats war also ein Leser, und die Nachwelt erfuhr davon gar zuerst in \ griechischer Sprache: „yluon, ezdon, nkhsa (lthon, edon, enkesa).“ Der Biograph Plutarch muss das Besondere des Zitates seinem griechischen Publikum noch erklren: „Im Lateinischen reimen sich diese Worte brigens und sind von einer unbertrefflichen, packenden Krze.“4 Plutarch zog fr seine rmischen Biographien verschiedene Briefwechsel heran. So kennen wir den Ursprung des Zitats. Dass das geflgelte Wort unter den Freunden kursierte, gengte Caesar aber nicht. Ein solches Wortspiel dreier syntaktisch gleichgeordneter, gleich an- und gleich ablautender Verben konnte nicht jede Sprache und jeder Feldherr bieten. Es bedurfte eines grßeren Publikums. Als Caesar nach Beendigung des Brgerkrieges vom 20. September bis zum 1. Oktober vier große Triumphe – ber Gallien und gypten sowie die Knige Pharnakes und Juba - feierte, konnten die Zuschauer nicht nur die blichen Kriegsgefangenen und Beutestcke sehen; den pontischen Triumph prludierten große Schautafeln, auf denen fr die, die es konnten, zu lesen war: VENI VIDI VICI

Eroberer unter sich: Caesar und Alexander

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nter den vergleichenden Biographien Plutarchs ist die Zusammenstellung von Caesar mit Alexander

die stimmigste. Parallelen zwischen beiden glaubten schon die Historiker der augusteischen Zeit sehen zu knnen, und daran hat sich in 2000 Jahren nichts gendert. Als große Eroberer und Kriegsherren, die im politischen Bereich versagten, sind sich der Makedone und der Rmer hnlich. Fr den jungen Caesar mag Alexander ein Vorbild gewesen sein: Dessen Vita besaß die abenteuerlichen und romantischen Zge, aus denen Heldenverehrung kommt. Shne rmischer Aristokraten hatten zweifellos Idole; vermutlich waren es in erster Linie aber berhmte Mnner des eigenen Volkes. Caesar musste nicht weit suchen: Der große Marius (siehe S. 12) gehrte zu seinen direkten Verwandten. Berhmt ist ein Ausspruch, der Sulla in den Mund gelegt wird, als er angeblich den noch minderjhrigen Caesar beseitigen wollte: Ein Tor wre, wer nicht she, dass in diesem Knaben mehr als ein Marius stecke. 1 Sicherlich gab es auch griechische Helden. Der Zeitgenosse Cornelius Nepos hat mit seiner Sammlung Kurzbiographien, den viri illustres, einen Katalog vorgelegt, der von Themistokles bis Alkibiades und weiter reicht. Nher lag fr Rom aber ein Afrikaner: Hannibal. In der spten Republik existierten sogar schon Hannibal-Statuen in Rom. Die große Renaissance

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Caesar und Alexander

des Karthagers war aber der Kaiserzeit vorbehalten. Offene Bewunderung fr einen Mann, der nach den Aussagen annalistischer Historiker Rom vernichten wollte, schien in republikanischer Zeit noch schwierig. Dagegen war Alexander, dem Makedonen, schon Ende des 3., Anfang des 2. Jahrhunderts in den Komdien des Plautus der Ehrenname „Magnus“ verliehen worden.2 Der erste Rmer, der mit Alexander in Verbindung gebracht wurde, war Cornelius Scipio Africanus, dessen Sohn Karthago zerstrte. Die Parallelen sahen aber nur die Historiker, Scipio selbst knpfte noch keine Verbindung. Erst Pompeius berief sich auf Alexander, und er tat dies wirkungsvoll. Als er im September 61 einen bombastischen Triumph fr seine Siege im Osten feierte, zog er im Feldherrnmantel Alexanders, den er unter den Schtzen des Knigs Mithridates von Pontos zu finden geglaubt hatte, in Rom ein. Das makedonische Weltreich gehrte den Rmern. Seine Anhnger feierten ihn, Pompeius Magnus, als Alexander redivivus. Pompeius’ berhmter Portrtkopf zitiert in aufflliger Weise die Alexanderbildnisse. 3 Caesar verschloss sich dem Zeitgeist nicht. Cassius Dio berichtet bekanntlich, er habe Pompeius gleichkommen wollen. Das allein war ein begrenztes Ziel, pragmatisch und langweilig. Andere Senatoren wollten das auch. Der Wunsch, ein neuer Alexander zu werden, war Caesars Jugendtraum, der Glaube, es zu sein, eine Altersphantasmagorie. Die Quellen behaupten, Caesar habe sich durch die Lektre einer Alexanderbiographie anregen lassen und liefern die Anekdote gleich mit. Sie wird einmal in die Zeit der Qustur gelegt, einmal in die Zeit der Prtur, beide Male ereignete sich das Erweckungserlebnis in Spanien. Nach den Fassungen des Cassius Dio und des Sueton besuchte Caesar den HeraklesTempel in Gades und erblickte dort ein Bildnis Alexanders des

Caesar und Alexander

Pompeius und Alexander: Zwei Eroberer, eine Frisur.

Großen. Im Angesicht der Statue beklagte er seine eigene Tatenlosigkeit: Er habe in dem Alter, in dem Alexander schon den Erdkreis erobert habe, noch nichts Denkwrdiges vollbracht. Mit dieser Geschichte verbinden die Quellen einen Inzesttraum, den die Seher als Prophezeiung der Weltherrschaft auslegten, denn die Mutter, die Caesar im Traum gesehen habe, sei die Erde. Das ist eine Art vaticinium ex eventu, die beiden Anekdoten sollen den frhen Ehrgeiz Caesars belegen. Das wird auch bei Plutarch deutlich, der die Alexander-Geschichte mit einer nicht weniger berhmten verbindet: Auf seiner Reise durch die Alpen kam Caesar an einem kleinen Stdtchen vorbei, das von wenigen armseligen Barbaren bewohnt wurde. Lachend stellten seine Begleiter

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im Scherz die Frage: „Ob man sich hier auch wohl ehrgeizig um Rang und Amt streitet und die Großen sich gegenseitig beneiden?“ Aber Caesar entgegnete ihnen mit ernster Miene: „Ich mchte jedenfalls lieber hier der Erste sein, als in Rom der Zweite.“

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Caesar und Alexander

Das sind Legenden, aber nichts spricht dagegen, dass sie noch zu Lebzeiten Caesars erfunden wurden. 4 Dass Caesars Pferd dem berhmten Bukephalos Alexanders hnelte, ist eine Fabel, welche die Anhnger des Diktators sicher gerne verbreiteten. 5 Der neronische Dichter Lucan bezeugt einen Besuch der Grabsttte Alexanders in Alexandria. Alle Sehenswrdigkeiten und allen Glanz der Stadt ignorierend sei Caesar voll Spannung in das Gruftgewlbe unter der Erde hinabgestiegen, in dessen Allerheiligstem die Gebeine des Makedonen ruhten, den der Dichter an dieser Stelle den „geisteskranken Sohn Philipps“ nennt, einen „erfolgsgekrnten Ruber, den das Schicksal dahinraffte, um die Welt zu rchen“. Die Nachricht wird bezweifelt. Jedoch zu Unrecht. Fr Kleopatra, die letzte Nachfahrin des Ptolemaios, war Alexanders Krypta der wichtigste Ort der Stadt, denn auf dem toten Knig ruhte der Herrschaftsanspruch ihrer Familie. Spter gab sie dem Sohn, den sie mit Antonius hatte, auch den Namen Alexander. Was im Epos des Lucan berrascht, ist allein der Ton, in dem der Dichter ber Alexander spricht. Die bereinstimmung, die er zwischen dem makedonischen und dem rmischen Feldherrn sah, war eine ganz andere, als diejenige, welche Caesar oder Kleopatra vorschwebte. 6 Als ausdrckliche Nachahmung Alexanders fhrt der Geograph Strabon Caesars Wohltaten gegenber den Einwohnern von Troja an. Alexander hatte im Jahre 334 seinen Kleinasienfeldzug eigens unterbrochen, um den berhmten Ort zu besuchen und am Grab Achills zu opfern. Caesar besaß noch andere Grnde fr sein Verhalten. Trojanische Flchtlinge galten den Rmern und insbesondere der Gens Iulia als Vorfahren. Wenn Strabon Caesar aber geradezu einen Philalexandros nennt, muss er noch andere Beispiele gekannt haben, welche die Alexanderverehrung Caesars belegten. 7

Ein neuer Alexander?

Ein neuer Alexander?

Sicherlich wollte Caesar Alexander nicht kopieren. In diesem Sinne kann nicht von einer imitatio gesprochen werden. Alexander besaß kein Konzept, das der Rmer htte bernehmen knnen. Der Makedone eroberte ein Weltreich, das nur so lange Bestand hatte, wie es weiter expandierte. Jeder Stillstand musste es zu Fall bringen. In dem Augenblick, in dem Alexander starb (wenige Tage vor Beginn der großen ArabienExpedition), begann der Zerfall. Das Alexanderreich hat seinen Schpfer keine Minute berlebt. Caesars Situation war nicht unhnlich. Seine Herrschaft musste sich auflsen, wenn es keine ußeren Kriege mehr gab, die die inneren Schwierigkeiten verdeckten. Der Plan eines langjhrigen Feldzuges gegen die Parther hatte auch hierin seine Wurzeln. Trotz dieser Parallele gab es aber nichts, was Caesar von Alexander htte lernen knnen außer militrischen Erfolg. Die beiden Weltreiche waren zu unterschiedlich, das rmische so gefestigt, dass es einen Caesar berlebte und spter auch wahnsinnige Kaiser. Caesar wollte am Glanze Alexanders partizipieren. Dieser verkrperte wie kein Zweiter Eroberertum, die Idee der Weltherrschaft war mit ihm verknpft. Alexander war gegen die Perser gezogen, um sie fr das Niederbrennen griechischer Tempel zu strafen. Caesar deklarierte seinen Zug gegen die Parther als Rachekrieg fr die vernichtende Niederlage, die der Prokonsul Crassus im Jahre 53 bei Carrhae in Mesopotamien erlitten hatte. Doch Caesars Plne reichten ber eine bloße Invasion des Partherreiches hinaus. Der Rckmarsch sollte durch Hyrkanien am Kaspischen Meer, am Kaukasus entlang, vorbei am Schwarzen Meer, zu den Nachbarlndern der Germanen, wohl die Donau aufwrts, bis Gallien fhren. Von dort nach Britannien, das Caesar schon einmal vergebens zu erobern versuchte hatte.

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Caesar und Alexander

All dies weckte Erinnerungen an Alexander den Großen. Es scheint, dass Caesar vollenden wollte, was diesem nicht gelang, die Eroberung der Oikoumene vom Indischen bis zum Atlantischen Ozean. Den Zeitgenossen und der nachfolgenden Generation war dies bewusst. Die Dichter, Epiker und Historiker der augusteischen Zeit stellten Caesar, genau wie dieser es in seiner Eigendarstellung bezweckte, wie selbstverstndlich in die Tradition Alexanders. Der Augustus-Biograph Nikolaos von Damaskus erweitert Caesars Plne konsequent um den Zug nach Indien, wo Alexander den Knig Poros mit seinen Elefanten besiegte.8 Horaz wnscht sich von Augustus, was Caesar nicht mehr vergnnt war, die Chinesen (Serer) und Inder im Lande des Sonnenaufgangs zu Paaren zu treiben, und Vergil sieht seinen Frderer das Reich ausdehnen bis hin zu den (libyschen) Garamanten, den Indern und noch darber hinaus. Caesar wollte als zweiter Alexander bewundert werden. Daran kann kein Zweifel herrschen, denn er wollte dies auch ußerlich dokumentiert sehen. So nherte er sich dem Mummenschanz, den Pompeius betrieb. Nach dem Sieg im Brgerkrieg stellte Caesar seine Reiterstatue auf dem Forum Iulium auf. Es war ein ganz besonderes Monument, wie der Dichter Papinius Statius, ein Neapolitaner des spten 1. Jahrhunderts n. Chr., zuverlssig berliefert. Der Diktator ließ kein neues Denkmal anfertigen. Er verwandte stattdessen eine Alexanderstatue des Lysipp und ließ lediglich deren Kopf durch sein eigenes Portrtbildnis ersetzen. So wurde er kein neuer Alexander, sondern nur ein falscher.9

Idibus Martiis: Die letzte Inszenierung

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m Mrz 45 gewann Caesar auch die dritte große Brgerkriegsschlacht. Er war der Sieger, wusste aber nichts mit

dem Sieg anzufangen. Er wusste nicht einmal, wie er regieren wollte. Er versuchte es als Konsul, und er versuchte es als Diktator auf Zeit. Schließlich ließ er sich im Februar 44 zum Dictator perpetuus bestimmen. Er hatte da noch ziemlich genau einen Monat zu leben. Das Amt eines Diktators auf Lebenszeit war im republikanischen Rom nicht vorgesehen. Das Wesen des Diktatorenamtes bestand in seiner Kurzfristigkeit. Caesar karikierte mit diesem Novum eine Institution, mit deren Hilfe die Stadt in Krisenzeiten gefhrt werden sollte. Nur der Name blieb davon, ansonsten war Caesar nun ein Rex, auch wenn er diesen Titel nicht fhren wollte, der seit Zeiten, an die sich niemand mehr erinnern konnte, verhasst war. Auch fr die einfltigsten Senatoren wurde nun klar, dass es die Rckkehr zu einem Regiment des Senats nicht mehr geben wrde. Dabei spielte es keine Rolle, dass ohnehin nur die wenigsten von ihnen Macht ber ihren Landbesitz hinaus besaßen. Caesar hatte die bernahme des Knigstitels erwogen. Die ablehnende Haltung des Senats war ihm sicher. So beschftigte ihn mehr die mgliche Reaktion des Volkes, und er erprobte sie. Am Luperkalienfest des Jahres 44 trat er, lorbeerbekrnzt und mit der Purpur-Toga angetan, dem Ornat der altrmischen

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Die letzte Inszenierung

Knige, in der ffentlichkeit auf. Es war der 15. Februar und der erste Tag, an dem er, nach unserem Wissen, auch sein neues Amt als Diktator auf Lebenszeit ausbte. Auf dem Hhepunkt der Feier trat Marcus Antonius, der Konsul, zu Caesar, der auf der Rednerbhne auf einem goldenen Thron saß, um ihm das Diadem, das Signum hellenistischer Monarchen, aufs Haupt zu setzen. Antonius wollte spontanen Applaus provozieren, stattdessen waren auf dem Forum Buhrufe zu hren. Caesar scheint darauf vorbereitet gewesen zu sein. Er nahm das Diadem ab: Knig der Rmer sei Jupiter allein. Im Staatskalender ließ er notieren, der Dictator perpetuus habe die ihm vom Volk angetragene Knigswrde zurckgewiesen. Cicero war Augenzeuge und nutzte das Ereignis spter fr seine Tiraden gegen Antonius. 1 Jener habe bereits am Luperkalienfest Caesar gettet. Sicherlich war es der spteste Zeitpunkt, zu dem die Verschwrer wussten, dass es eine legale Rckkehr zur Republik nicht mehr geben wrde. Es waren insgesamt 60 Senatoren, die sich zum Attentat entschlossen hatten. Sie sahen in Caesar die Inkarnation aller bel der Zeit und hingen dem Glauben an, mit seinem Tod wrden auch diese verschwinden. Sie personalisierten den Staat in Caesar und verkannten dabei, dass die alte Republik unwiderruflich untergegangen war und Caesar schon die neue Militrmonarchie verkrperte. Wer Caesar beerben wrde, konnte niemand vorhersagen. Allein, der Senat wrde es nicht sein. Cicero erkannte richtig, dass Antonius die große Gefahr darstellte: „Gewiss, Mannesmut haben wir bewiesen, aber, glaub’s nur, Kinderverstand. Gekappt ist der Baum, aber nicht mit der Wurzel ausgerottet“, schrieb er nach den Iden. 2 Marcus Antonius war Caesars eigentlicher Nachfolger: Erbe und Schler gleichzeitig. Er war es politisch und vor allem auch propagandistisch. Nach der Ermordung des Dikta-

Die letzte Inszenierung

tors war er der Einzige, der handelte. Er und seine Anhnger, die vormals diejenigen Caesars waren, machten das so stmperhaft ausgefhrte Attentat erst zu dem tragischen Ereignis, das die Zeitgenossen und die Nachwelt bewegte. Wre Caesar auf dem Partherzug verschollen oder wie sein Kollege im Triumvirat, Crassus, schmhlich gettet worden, sein Nimbus erstrahlte nicht halb so hell. Antonius brauchte einen großen Toten, der ihm das Erbe sicherte und der ihn schtzte. Noch in der Mordnacht begann er ihn zu schaffen. Er gab das Bild vor, das die berlieferung, fassbar in Sueton und Plutarch, Appian und Cassius Dio, dann noch um mancherlei Detail bereicherte. Wenn Große sterben, schickt der Himmel seine Vorzeichen. Pompeius musste ihrer entbehren, doch Caesar besaß sie, ebenso wie vor ihm schon Alexander Magnus. Feuer flammten am Firmament, Donner drhnte weithin durch die Nacht. Vgel verließen ihre Einde und ließen sich auf viel besuchten Marktpltzen nieder. Die Rosse, die Caesar anlsslich des bergangs ber den Rubicon den Gttern geweiht hatte, vergossen Trnen, ein Zaunknig, der mit einem Lorbeerzweig im Schnabel in die Curia flog, wurde von anderen Vgeln verfolgt und zerrissen. In Capua fanden Kolonisten, die dank Caesar dort Land erhalten hatten, beim Umpflgen alter Grber im Monument des Stadtgrnders Capys eine Erztafel, auf der in griechischer Schrift und Sprache eine Prophezeiung stand: Wenn dereinst die Gebeine des Capys ans Licht der Welt kmen, werde ein Spross des Iulus von der Hand eines Blutsverwandten sterben, sein Tod aber bald durch schreckliche Heimsuchungen Italiens gercht werden.3 Einige dieser Omina sind die blichen Zutaten, andere sichtbar auf Caesar zugeschnitten. Caesars Propagandisten stellten nach den Iden ihre Arbeit nicht ein. Es wurden weiter

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Die letzte Inszenierung

Gerchte gestreut und verbreitet. So unterbricht der Biograph Sueton seine Aufzhlung der Vorzeichen, um eigens mitzuteilen, niemand drfe das Omen aus Capua fr fabelhaft oder erdichtet halten, kein geringerer als Cornelius Balbus, der familiarissimus Caesaris, sei sein Gewhrsmann. 4 Balbus leitete bekanntlich Caesars Informationsbro.

Die Ermordung Caesars

Am 18. Mrz wollte Caesar zu seinem Zug gegen das Reich der Parther aufbrechen. Vor drei Jahren wrde er nicht mehr nach Rom zurckkehren. Ein Erstarken seiner Gegner frchtete er dennoch nicht. Die mter waren auf Jahre hinaus an seine Gefolgsleute vergeben. Das Heer war bei ihm und auf ihn verpflichtet. 16 Legionen standen bereit und 10 000 Reiter. Die Plne reichten, wie gesehen, ber eine Invasion des Partherreiches hinaus. Ein Reich vom einen Ende der bewohnten Welt bis zum anderen sollte entstehen; zumindest sollte seine Entstehung suggeriert werden. Caesars Weltreichsphantasien mischten sich mit Gerchten, die seine Anhnger ausstreuten. Ein solch gigantisches Unternehmen, das seinesgleichen in der rmischen Geschichte suchte, und eine so lange Abwesenheit des Diktators frderten Klatsch und Erfindungen. Caesars Gegner behaupteten, er plane eine Verlegung der Hauptstadt nach Troja, dem Herkunftsort seiner Ahnen, oder nach Alexandria, wo Kleopatra residierte. Die Caesarianer ließen verbreiten, in den Sybillinischen Bchern stehe zu lesen, die Parther knnten nur durch einen Knig besiegt werden. Ein Gercht produzierte das andere. Caesar wolle sich in der Senatssitzung vom 15. Mrz, dem viertletzten Tag vor seiner Abreise, zum Knig krnen lassen, war das nchste.

Die Ermordung Caesars

Wo Gefahren lauern, mangelt es nicht an Warnungen. Ihrem Wesen nach sind sie, da post eventum entstanden, vergeblich. Sie dienen nur dazu, das Geschehen zu berhhen. Die erste Legende gebiert die Tat selbst, weitere folgen. Je lnger das Ereignis zurckliegt, desto mehr wissen die Quellen ber seine Vorgeschichte. Probates Mittel zur Steigerung der Spannung sind Trume. Die griechische Literatur hat die Person des Warners erfunden. Er wird großen Persnlichkeiten beigegeben, um sie (vergebens) von schwerwiegenden Fehlern abzuhalten. Der Perserknig Xerxes, der die Warnungen des aus Sparta geflchteten Knigs Damaratos vor einer Invasion Griechenlands ausschlug, ist ein Beispiel. Entsprechend Caesars Bedeutung dramatisiert eine Flle von Warnungen das Geschehen vor den Iden. Die ersten Nachrichten sind so, dass sie aus Caesars Umfeld kommen konnten. Am Tag vor den Iden sinnierte er angeblich bei einem Gastmahl ber den schnsten Tod und befand, dies sei der unerwartete. In der Nacht vor dem Attentat sprangen Tren und Fenster auf, heller Mondschein fiel ins Schlafzimmer. Er erwachte und hrte seine Frau Calpurnia in tiefem Schlaf unverstndliche Worte ausstoßen. Sie trumte, der Giebel des Hauses strze ein und – einer anderen Version zufolge – ihr Gemahl werde in ihren Armen erdolcht. Caesar selbst sah sich in einem Traum ber den Wolken schweben und Jupiter die Hand reichen. 5 Am Morgen des Attentats entschloss sich Caesar tatschlich, der Senatssitzung fernzubleiben. Er fhlte sich nicht wohl. Erst Decimus Brutus, einer der Attentter, drngte ihn, die versammelten Senatoren nicht warten zu lassen, und so machte er sich schließlich doch auf den Weg. Es war die fnfte Stunde, etwa 11 Uhr vormittags. Auf dem Weg wurde ihm ein Billet zugereicht, das ihn ber die Verschwrung informieren sollte.

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Die letzte Inszenierung

Achtlos steckte er es zu den Akten, die er in der linken Hand hielt. Die letzte Warnung wurde nicht mehr gelesen. Es war nicht zufllig Antonius, der Caesar in diesen letzten Stunden begleitete. Er sollte zunchst die Sitzung absagen, doch Caesar widerrief seinen ersten Entschluss. Allein Antonius htte Caesar noch retten knnen, der seine Leibwache schon lngst entlassen hatte. So glaubte es Cicero, so glaubten es die Verschwrer, so hat es vermutlich Antonius selbst verbreiten lassen. Als Caesar den Senat betrat, erhoben sich die Anwesenden ehrerbietig von ihren Sitzen. Plutarchs Schilderung der letzten Minuten der Republik ist, wie so oft, die anspruchsvollste. Caesar begab sich zu seinem Platz, vor der Tre zum Saal fing einer der Verschwrer Antonius ab und verwickelte ihn in ein Gesprch. Hinter Caesars Sessel hatten sich bereits vorher einige Verschwrer platziert, andere begleiteten den Senator Tullius Cimber, der zum Schein ein Bittgesuch an Caesar richten wollte. Dieser schlug die Bitte barsch ab und verbat sich alle weiteren Nachfragen. Seine Antwort sei endgltig. Schließlich fasste Tullius, so Plutarch, Caesars Toga mit beiden Hnden und riss sie ihm vom Hals. Dies war das verabredete Signal. Der erste Dolch

Die Caesar-Mrder interpretieren ihre Tat: Auf der Vorderseite der Mnze aus dem Jahre 43/42 v. Chr. befindet sich der Kopf des Brutus, die Freiheitsmtze zwischen den Dolchen auf der Rckseite.

Die Ermordung Caesars

traf ihn im Nacken. Er glitt ab. Zu sehr zitterte die Hand des Attentters. Caesar vermochte ihn abzuwehren. Aber es waren zu viele Verschwrer. Sie umringten ihn und stachen mit den Schwertern, die sie unter dem Gewand verborgen hatten, auf ihn ein. Dreiundzwanzigmal wurde er getroffen. Die nicht eingeweihten Senatoren sahen erstarrt zu und flohen nach der Tat. ber den letzten Augenblick gehen die Meinungen auseinander. Caesar soll so lange Widerstand geleistet haben, bis er Brutus unter den Attenttern erblickte. Dann habe er die Toga ber den Kopf gezogen und sich in den Tod ergeben. Hier erwartet der Leser noch die Geschichte der letzten Worte: „Auch Du, Brutus!“ Sie blieben ungesprochen. Caesar hatte nicht mehr den Atem dafr. Sie sind eine spte Erfindung. Cassius Dio und Sueton, die dieses Zitat berliefern, bezeichnen es ausdrcklich als falsch. Caesar brach lautlos zusammen. 6 Er starb zu Fßen des Sockels, auf dem die Pompeius-Statue stand. Sie wurde wiedergefunden und steht heute restauriert im Palazzo Spada. Auf keiner der spten Darstellungen des Geschehens fehlt sie. Als der Verlierer Pompeius in der frhen Kaiserzeit an Sympathie gewann, wurde der Zufall zum verspteten Menetekel umgedeutet, Pompeius’ steinerne Anwesenheit zum letzten Triumph des Besiegten stilisiert. Kein Zweifel sei daran erlaubt, schreibt Plutarch, dass es gttliches Geschick war, das den Platz vor Pompeius’ Standbild als Richtsttte Caesars whlte. Als dessen Anhnger nach dem Sieg von Pharsalos alle Statuen des Pompeius umstrzten, hatte Caesar selbst den Befehl gegeben, sie wieder aufzustellen. Die berlieferung bekundet kein Wohlwollen fr die Verschwrer. Eher scheint so etwas wie bser Spott durch. 60 Senatoren schaffen es nur mit berraschung und Mhe, einen unbewaffneten Einzelnen niederzustechen. Dabei rufen sie um Hilfe und verwunden sich gegenseitig. Dass Caesar eini-

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Die letzte Inszenierung

Zu Fßen des Pompeius: Caesar wird unsterblich, Gemlde von Vincenzo Camuccini (1798), Museo Nazionale di Capodimonte, Neapel.

gen von ihnen besonders vertraute, ihnen mter gab, sie frderte und sogar im Testament bedachte, verbesserte ihr Ansehen nicht. Mit der Sache, die solche Mnner vertraten, konnte es nicht zum Besten stehen. Das Gerede vom Auftrag der Geschichte, vom Eid des Republikgrnders Brutus, der das Volk verpflichtete, niemals mehr einen Knig zu dulden, war hohl, das Schlagwort von der Wiederherstellung der verlorenen Freiheit abgedroschen. Die Verschwrer waren Verlierer, waren gescheitert. Die nach-caesarianische Propaganda hatte leichtes Spiel mit ihnen. Es waren Caesars Erben, die das Bild seines tragischen Todes prgten. Die Allmacht des Diktators reichte nicht ber die Iden hinaus.

Der kurze Abschied

Art und Umstnde des Todes geben noch einem anderen Gedanken Raum: Caesar habe – ein letzter großer Showdown, der ihn unsterblich machen sollte – seinen eigenen Tod inszeniert. Diese

Der kurze Abschied

Vorstellung ist so abenteuerlich, dass die Wissenschaft den Gedanken nicht zugelassen hat. Er wurde in die Literatur verbannt. Walter Jens, Professor fr Allgemeine Rhetorik, verffentlichte 1966 sein als Fernsehspiel bezeichnetes Stck Die Verschwrung. In ihm darf Caesar das, was ihm die Wissenschaft verweigert, nmlich eines planvollen Todes sterben. Niemand muss das glauben. Nur Caesar knnte den Beleg liefern, und die Erfahrung des Lebenswillens steht dagegen. Die Frage ist anders zu formulieren. Hat Caesar seinen Tod zugelassen? Dafr gibt es Anzeichen. Das haben schon die Zeitgenossen so gesehen, Caesars eigene Umgebung hat es ausgesprochen, wie wir durch Sueton 7 wissen: „Bei manchen der Seinen hinterließ Caesar die Vermutung, er habe nicht lnger leben wollen und keine Vorsorge getragen, weil er zuletzt nicht recht gesund war.“ Wenn Caesar die Vorzeichen nicht beachtete, wundert das nicht. Sie erschienen nur in der postumen Literatur. Warnungen jedoch gab es. Vermutlich waren es nicht so viele, wie spter behauptet wurde. Aber selbstverstndlich verfgte ein Diktator ber einen Geheimdienst, wie auch immer er genannt wurde. Es gab ausreichend Gerchte in Rom, die berprft werden mussten. Wenn berhaupt ein Attentat durchgefhrt werden sollte, musste dies bis zum 17. Mrz geschehen. Danach war Caesar auf unabsehbare Zeit bei seinen loyalen Truppen. Er selbst wusste um seine Gegner. Schon lngst machte er sich keine Illusionen mehr um die Haltung der Optimaten. Fr sie gab es keine Vershnung, allenfalls Anpassung, wie sie ein Cicero betrieb. Sechzig, wie die Ereignisse whrend des Attentats zeigten, meist ngstliche Verschwrer waren eingeweiht, die Planungen liefen ber Wochen. Es ist unmglich, dass niemand aus Caesars mchtigem Apparat davon erfahren haben sollte. Der Diktator

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Die letzte Inszenierung

mag seine gewohnte Vorsicht vergessen haben, da er unmittelbar vor einer Reise stand, die seine letzte sein wrde. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Warnungen ihn nicht interessierten, er ignorierte sie bewusst. Schon hatte er seine spanische Leibwache entlassen, trotz aller Bitten aus seiner Umgebung auch keine neue berufen. Caesar war krank. Drei Jahrzehnte im Feld, davon 15 Jahre ununterbrochener Krieg, der ihn stndig an vorderster Front sah, hatten seine Gesundheit zerrttet. Wir wissen von epileptischen Anfllen. Er hatte alle Kriege gewonnen, aber politisch war er gescheitert. Er wusste nicht mehr weiter, wusste nicht einmal, welchen Namen seine Herrschaft haben sollte. Bis eine neue, funktionierende gefunden wurde, sollte es noch Jahre dauern, bedurfte es weiterer Brgerkriege und des Geschicks des Augustus, der aus Caesars Scheitern lernen konnte. Die letzten ußerungen Caesars lassen auf tiefe Resignation schließen, hinter der sich Angst verbarg. Es sei besser, sich den von allen Seiten drohenden Nachstellungen ein fr allemal preiszugeben, als stndig auf der Hut sein zu mssen. Der Partherkrieg schien ein Ausweg. Was fr Tiberius der Rckzug auf eine Felsspitze der Insel Capua war, war fr Caesar der Feldzug in den fernen Osten. Der Krieg wurde ohne militrische Notwendigkeit geplant und relativ rasch vorbereitet. Caesar wollte am Ende seines Lebens das tun, was er am besten konnte, Krieg fhren. Er habe bereits Macht und Ruhm im bermaß erlangt, ußerte er in jenen Tagen. 8 So rstete er sich fr die Unsterblichkeit. Caesar wre aus diesem jahrelangen Krieg – die mter in Rom hatte er auf fnf Jahre im Voraus vergeben – nicht zurckgekehrt. Dazu war er zu krank. Cicero sprach es aus, allerdings erst nach dem Attentat: „Die Iden des Mrz freuen mich nicht. ER wre doch nie zurckgekehrt.“ 9

Der Erbe: Caesar und Antonius

Caesar wusste von der Verschwrung. Daran kann kein Zweifel sein. Vielleicht kannte er nicht Tag und Stunde, vielleicht unterschtzte er auch die Verzweiflung seiner Gegner. Zudem lenkte ihn eine andere Furcht ab: Mit einer Niederlage im kommenden Krieg seinen sorgfltig gepflegten Feldherrnnimbus zu gefhrden. Im brigen kam ihm die Verschwrung gelegen. Sie erhhte die Spannung in einer ohnehin angespannten Atmosphre. Caesar inszenierte seinen Abschied von Rom. Dazu war er auch bereit, ein großes Risiko einzugehen. Letztlich verkalkulierte er sich nur um drei Tage.

Der Erbe: Caesar und Antonius

Antonius’ große Stunde kam fnf Tage nach Caesars Tod. Er erwies sich als guter Schler Caesars, jedenfalls hatte er gelernt, seine Auftritte geschickt vorzubereiten und wirkungsvoll zu gestalten. In Walter Jens’ Verschwrung gibt Caesar selbst ihm noch alle Anweisungen fr die ffentliche Verkndigung des Testaments. Antonius hatte dies freilich nicht ntig, seine Rede vom 20. Mrz ist, zumindest in der Wirkung, eine der bedeutendsten der ganzen Antike. Er stellte damit die Weichen gegen die Caesarmrder und – ohne sein Wissen und Wollen – fr Octavian, den spteren Kaiser Augustus. Unmittelbar nach dem Mord war Antonius zunchst geflohen. Er konnte die Strke der Caesarmrder nicht einschtzen. Aber noch in derselben Nacht ließ er den Staatsschatz aus dem Tempel der Ops in sein Privathaus schaffen, Calpurnia vertraute ihm Caesars Papiere an. Seine Lage verbesserte sich weiter, als immer mehr Veteranen in die Stadt strmten. Sie brauchten einen neuen Patron, der sich ihrer Versorgung annahm. Als einzigem verbliebenem Konsul lag die Exekutive bei Antonius, und so berief er fr den 17. Mrz den Senat in

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Die letzte Inszenierung

den Tempel der Tellus. Vor dem drohenden Brgerkrieg schtzte nur noch ein Kompromiss. Antonius ging ihn so ein, dass alle Vorteile auf seiner Seite lagen. Die Stimmung des Volkes war gegen die Caesarmrder. Vor allem aber saßen sie „ideologisch“ in der Falle. Um ihre Tat als Akt der Befreiung stilisieren zu knnen, musste der Senat Caesar zum Tyrannen erklren. Dann aber besaßen alle seine Maßnahmen keine Gesetzeskraft mehr. Wer ein Amt hatte, verlor es, die bereits auf Jahre designierten Magistrate htten sich erneut bewerben mssen, nun vermutlich mit geringen Chancen. So blieben auf Senatsbeschluss Caesars Anordnungen in Kraft, das Attentat war damit keine Befreiung, sondern Mord. Statt gefeiert zu werden, wurden die Verschwrer nur amnestiert. Antonius organisierte Caesars Leichenbegngnis als das grßte Massenspektakel der Republik. Er vergaß nichts, was seinem Ziel dienen konnte, sich als Nachfolger Caesars zu prsentieren. Der tote Diktator wurde verhllt auf der Rednerbhne aufgebahrt, fr das Publikum war eigens eine Nachbildung aus Wachs angefertigt worden. Antonius hatte darauf bestanden, auch die 23 Wunden mit abzubilden. Er fhrte Regie. Es war seine Stunde. Stimmung gegen die Caesarmrder zu machen, fiel nicht mehr schwer, nachdem Caesars Testament verffentlicht war, in dem er jedem Brger ein Geldgeschenk von 300 Sesterzen vermachte. Zum Redner bestimmt, sprach Antonius „als Konsul fr den Konsul, als Freund fr den Freund, als Verwandter fr den Verwandten“. Appian hat die Rede in ihren Grundzgen berliefert, auch wie sich Antonius immer wieder unterbrach, Ehrenbeschlsse fr Caesar vorlesen ließ, auf die Leiche wies und am Wachsbild die Verwundungen zeigte. Es spricht nichts dagegen, dass der Historiker das Original der Rede vor sich hatte. Leichenreden, die laudationes funebres, wurden hufig

Der Erbe: Caesar und Antonius

verffentlicht, und Appian lebte und schrieb an dem Ort, an dem Antonius sein letztes Jahrzehnt verbrachte, in Alexandria. Shakespeare besaß neben Plutarchs Viten auch eine englische bersetzung von Appians „Brgerkrieg“, und er verdichtete, was dieser schrieb, zu einer großartigen Rede. Caesar lieferte ein letztes Mal den Stoff fr große Dramen. 10 Antonius: Landsleute, Rmer, Freunde, hrt mich an;

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Begraben will ich Caesar, nicht ihn rhmen. Was Menschen Bses tun, das berlebt sie, Das Gute fllt ins Grab mit ihren Knochen. So sei’s mit Caesar auch. Der edle Brutus Hat euch gesagt, Caesar war herrschschtig. Und war das so, so war’s ein bittrer Fehler, Und bitter hat ihn Caesar auch geshnt. Hier, mit Verlaub von Brutus und den andern (Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann, Wie alle; alles ehrenwerte Mnner!), Will ich nun Caesars Leichenrede halten. Er war mein Freund, treu und gerecht zu mir; Und doch sagt Brutus, er war herrschschtig, Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann. – Gefangene viel hat er nach Rom gebracht, Ihr Lsegeld fllte der Gemeinde Sckel: Sah das an Caesar wohl nach Herrschsucht aus? Und wenn die Armen schrien, weinte Caesar, Die Herrschsucht sollt’ aus hrtrem Holz geschnitzt sein; Und doch sagt Brutus, er war herrschschtig, Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann. Ihr alle saht, wie bei den Luperkalien Ich dreimal ihm die Knigskrone anbot, Die schob er dreimal fort. War das die Herrschsucht?

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Die letzte Inszenierung

Und doch sagt Brutus, er war herrschschtig, Und er ist sicherlich ein ehrenwerter Mann. Ich spreche nicht, Brutus zu widersprechen, Ich steh nur hier, zu sagen, was ich weiß. – Ihr alle hattet ihn einst lieb, nicht grundlos. Nun, welcher Grund hemmt euch, um ihn zu trauern? O Urteilskraft, du flohst zum blden Vieh, Und Menschen sind von Sinnen! – Habt Geduld, Mein Herz ist dort in diesem Sarg bei Caesar, Und ich muss warten, ob es wiederkommt. 11

]

Das lange Nachleben: 2000 Jahre Caesar

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er Name Caesar steht heute fr zwei langjhrige Prozesse von epochaler Bedeutung, fr die der Dik-

tator zwar den Anstoß gab, die aber nicht sein Verdienst sind: Die Kalenderreform und die Romanisierung Mitteleuropas. Der Rest ist Legende, Ergebnis geschickter Selbstinszenierung und Eigendarstellung, augusteischer Propaganda und senatorischer Kritik. Caesar war rmischer Beamter, was er tat, tat er in dieser Funktion. Als Oberpriester oblag ihm die Sorge fr den Kalender, und in dieser Eigenschaft fhrte er dann mit dem 1. Januar 45 v. Chr. auch das Sonnenjahr ein. Die Verwirrungen im republikanischen Kalender strten die jhrliche Bestimmung der Magistrate und waren somit ein Unsicherheitsfaktor im Staat des Diktators Caesar. Das neue Jahr wurde um zehn Tage auf 365 verlngert und die noch bestehende Differenz zum Sonnenjahr durch Doppelzhlung des 24. Februar alle vier Jahre ausgeglichen. Der neue Kalender wurde von dem gyptischen Mathematiker Sosigenes errechnet, doch er trgt den Familiennamen Caesars und regelt, ergnzt um die winzige Korrektur des Papstes Gregor im Jahre 1582, noch immer den Alltag eines Großteils der Menschheit. Als Statthalter der Gallia Cisalpina in Oberitalien eroberte Caesar das freie Gallien und verband dabei private Interessen, die Mehrung seiner dignitas, seines gesellschaftlichen Ansehens

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2000 Jahre Caesar

Wie ihn die Attentter sahen: die einzige zeitgenssische Bste Caesars, Museo di Antichit, Turin.

2000 Jahre Caesar

also, mit staatlichen. Caesar verschob die Staatsgrenzen nach Norden und Westen, arrondierte das Eroberte durch Vorstße an den Rhein und machte den Fluss zur Vlkerscheide zwischen Kelten und Germanen. Seine Feldzge erschlossen dem rmischen Handel ein großes Territorium mit wirtschaftlich interessanten Exportgtern. Die Dezimierung der Bevlkerung (mehr durch Hunger als durch das Schwert), der Kollaps aller politischen Strukturen und der Aufstieg neuer, von Rom begnstigter Eliten bereitete die Romanisierung Galliens und Mitteleuropas vor, die heute als Grundstein eines einheitlichen Europas betrachtet wird. Insofern der Abriss des alten Gebudes dem Neubau vorangehen muss, lsst sich hier ein Verdienst Caesars reklamieren. Caesar zeichneten zwei Dinge aus: kompromissloses Machtdenken und die Fhigkeit zur genialen Selbstdarstellung. Erst die Verknpfung beider verhalf ihm zu der welthistorischen Rolle, die ihm die Nachwelt zusprach. Der Nimbus Caesar beruht nicht zuletzt darauf, dass er oft aus der Position des Unterlegenen handelte, ja gelegentlich sich aus scheinbar aussichtsloser Lage befreien musste. Das war bereits zu Beginn seiner Laufbahn so, als er mit Mhe der Verfolgung des Diktators Sulla entkam; es setzte sich fort in den siebziger Jahren, als er sich lange Wochen in der Gefangenschaft kleinasiatischer Seeruber befand. Als politischer Neuling stand er im Prozess gegen die Catilinarier der Mehrheit der Senatoren und Ritter gegenber, legte aber ungeachtet einer Abstimmungsniederlage mit seinem Auftreten den Grundstein fr eine rasche Karriere. Als Außenseiter ging er in die Wahlen zum Pontifex maximus und zum Konsulat, als Gewinner ging er aus beiden hervor. Im Gallischen wie im Brgerkrieg stand er oft einem berlegenem Feind gegenber. Allein Schnelligkeit, Feldherrngenie, spter auch Erfahrung retteten ihn aus der numerischen Unterlegenheit.

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2000 Jahre Caesar

Caesars Stern erlosch erst, als er – Diktator auf Lebenszeit – keine Gegner mehr hatte. Was sein Leben spannend macht, ist, dass er jede seiner Schlachten, die politischen wie die militrischen, auch htte verlieren knnen, und dies doch erst in der allerletzten, an den Iden des Mrz 44, geschah. Ihren Hhepunkt erreichte Caesars Karriere am 20. Mrz des Jahres 44. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits seit fnf Tagen tot, aber niemals zuvor und niemals spter, bis in die ra Mussolinis, besaß er in Rom so wenig Feinde und so viele Freunde. Das Wunder gelang dem Mitkonsul Marcus Antonius. Nach der Verlesung des Testaments, in dem Caesar jedem Brger der Stadt 300 Sesterzen vermachte, hielt Antonius im Angesicht des aufgebahrten Toten auf dem Forum jene Rede, die zu den grßten der Weltgeschichte gehrt. Um eine Vorstellung von ihr zu geben, bedurfte es eines Shakespeares. Als das Volk danach die Leiche auf das Kapitol trug, um den Ermordeten unter die Gtter einzureihen, war Caesars Unsterblichkeit gesichert. Augustus’ Leben war erfolg- und folgenreicher, Caesars spannender.

Kaiserzeit und Sptantike

Mit der Erhebung unter die Gtter fhrte Caesars Weg bei den Menschen bergab. Der erste, der sich – noch vorsichtig – von ihm distanzierte, war der frhere Volkstribun und sptere Historiker Sallust, der seinen Aufstieg zu temporrer Macht allein Caesar verdankte. Im Jahre 42 v. Chr. erschien sein Buch ber die Catilinarische Verschwrung des Jahres 63, und der lngst vergessene Staatsputsch wurde ihm zum Anlass, eine Vershnung der seit den Brgerkriegen gespaltenen rmischen Gesellschaft zu propagieren. Caesar darf hier noch seine große Rolle spielen, doch aus dem Schatten der Niederlage

Kaiserzeit und Sptantike

tritt schon sein stetiger Widersacher Cato, der Selbstmrder von Utica, und macht ihm die Gunst der Nachwelt streitig, die Cato sptestens in Lucans (39–65 n. Chr.) Versepos ber den Brgerkrieg erringen konnte. Caesar wird bei Lucan zum skrupellosen Verbrecher, der „vom thessalischen Blutbad“1 , d. h. vom Sieg ber Pompeius bei Pharsalos, besudelt ist. Octavius, der sptere Princeps Augustus, der seit seiner Adoption Caesars Namen trug, grndete seinen Aufstieg auf diese Verwandtschaft, begann aber schon bald nach seinem Sieg ber Antonius, sich von der Politik des Vaters zu entfernen. Von Caesar blieb bald nur noch der Name. Er vererbte sich als Teil der Kaisertitulatur, und bis in die Zeit Konstantins trugen Thronerben oder „Unterkaiser“ diesen Namen. Er verschwand danach, lebte aber seit dem 9. Jahrhundert als eines der ltesten Lehnwrter des Germanischen aus der lateinischen Sprache wieder auf. Caesar, griechisch Kaisar, mutierte zu Kaiser (mittelhochdeutsch: keiser, althochdeutsch: keisur, keisar). Ein kurzfristiges Interesse fr Caesar entwickelte sich unter den Adoptivkaisern im 2. nachchristlichen Jahrhundert. Die Daker- und Partherkriege Trajans riefen den Gallischen Krieg wieder ins Bewusstsein. Sueton und Plutarch schrieben die Biographien, die Caesars Bild in der Neuzeit konstituierten. Gleichzeitig erffneten sie den Blick auf die Privatperson, den Caesars eigene Schriften geradezu verstellt hatten. Dem Verdrngen in der frhen Kaiserzeit folgte nach dieser kurzen Renaissance das Vergessen in der Sptantike. Fr das christliche Denken besaß Caesar keine Bedeutung. In seiner Geschichte gegen die Heiden (historiae adversus paganos), die der Presbyter Orosius 417/8 verffentlichte, ist Caesar nicht mehr als eines der „abschreckenden Beispiele“ des heidnischen Hochmuts, freilich auch das letzte, denn danach wird Christus als „Lehrer der Demut“ geboren. 2

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2000 Jahre Caesar

Mittelalter und Neuzeit

Das Mittelalter bezog seine Vorstellungen ber eben jenen Orosius oder die Kurzvita des sptantiken Historikers Eutropius, die wichtige Biographie Plutarchs existierte nur noch in Byzanz und kam erst im 15. Jahrhundert wieder in den Westen. Caesars lateinische Commentarii htten gelesen werden knnen, sie interessierten aber schon in der rmischen Kaiserzeit wenig. Was ber den Gallischen Krieg geschrieben wurde, beruhte schon damals meist auf sekundren Quellen. Obwohl (oder auch weil) das Wissen um Caesar gering war, stieg er zum Archegeten mittelalterlichen Knigs- und Kaiserverstndnisses auf. Ende des 11. Jahrhunderts ging er als Weltherrscher in das Annolied3 ein. Caesar war dem deutschen Mittelalter aber mehr Name als Person. Einen neuen Weg wies in der romanischen Literatur am ehesten Petrarca (1304–1374). Nach dem Vorgang Dantes, der Caesar als militrischen Fhrer rhmt, zeichnet er innerhalb seiner Sammelbiographie De viris illustribus (nach 1353) auch ein Bild Caesars als historische Persnlichkeit. Erstmals kommen mit Petrarca Caesars Commentarii aus der Versenkung, in der sie seit Jahrhunderten verschwunden waren. Kein antiker Autor maß ihnen die Bedeutung bei, die sie in der Moderne besitzen. Im 5. Jahrhundert hielt Orosius (und nicht nur er) den Biographen Sueton fr den Verfasser des „Gallischen Krieges“. 1469 erschien in Rom die erste gedruckte Ausgabe der Commentarii. Melanchthon lobte Caesars Sprachkunst und Erasmus von Rotterdam empfahl ihn gar fr die Schule. Der Durchbruch dort gelang allerdings erst viel spter, nmlich im 19. Jahrhundert, als Caesars Werk zur meistgelesenen altsprachigen Schullektre wurde, fr viele der Einstieg in die Antike.

Mittelalter und Neuzeit

Caesar behauptete seinen Ruhm seit der Renaissance aber auch abseits seiner Schriften. Er verdankt ihn in besonderem Maße Plutarch, dessen Viten im 16. Jahrhundert bersetzt wurden und das Interesse namentlich an der untergehenden rmischen Republik stark befrderten. 1559 erschien die franzsische bertragung von J. Amyot, darauf basierend 1579 die englische von Th. North. Nun war die Basis gelegt fr die große Bearbeitung des Stoffes durch Shakespeare, dessen entheroisierter Julius Caesar (daneben Brutus und Antonius) 1598/99 erschien. M. E. de Montaigne las die Commentarii und wrdigte Caesar in seinen Essays (1580–1595) ebenso wie F. Bacon. Die Dramenbearbeitungen nahmen im 17. und 18. Jahrhundert u. a. mit Adaptionen von Corneille, Voltaire und J. J. Bodmer ihren Fortgang; F. Hndel komponierte 1724 seine Oper Julius Caesar. Mit Rousseau wurde erneut der alte Gegensatz zwischen Caesar und Cato (bzw. Brutus) zum Kampf zwischen Freiheit und Tyrannei stilisiert, whrend J. G. Herder aus dem Geist der Zeit in seinen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784–1791) das Leiden der Besiegten betonte. Ch. M. Wieland, der Caesar aus seinen bersetzungen der Dramen Shakespeares und der Briefe Ciceros kannte, sah in Caesar den Machtpolitiker. Bei ihm spielte bereits das Napoleon-Erlebnis eine Rolle. Caesars neuzeitlicher Nachruhm erreichte schließlich in den knapp eineinhalb Jahrhunderten, die zwischen den Epochen zweier Machtpolitiker jeweils eigener Art liegen, zwischen Napoleon und Hitler, seinen Hhepunkt. Mit dem Aufstieg Napoleons I. prgte dessen Wirken auch das Bild Caesars. Es wurde unmglich, ber Caesar zu schreiben, ohne ihn mit Napoleon, selbst ein Bewunderer des Rmers, zu vergleichen. Fr G. W. F. Hegel erfllte (wie schon fr Montesquieu) Caesar eine welthistorische Aufgabe, nmlich die gewaltsame Abwick-

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2000 Jahre Caesar

lung der zum Untergang verurteilten Republik (Berliner Vorlesungen 1822–1831). Mehr Legitimitt konnte Caesar fr sein Handeln nicht attestiert werden. Was Caesar tat und wollte, besaß fr Hegel „die hhere Berechtigung des Weltgeistes fr sich und muss[te] den Sieg davontragen“. Aus Th. Mommsens Rmischer Geschichte ragt als einzige Person turmhoch die Gestalt Caesars, vor der alle Konkurrenten und Gegner, vom Autor bewusst bagatellisiert, klein werden. Bekannt ist das Verdikt ber Cicero als den Mann „ohne Einsicht, Ansicht und Absicht“. Caesar erscheint als der Baumeister einer fernen Geschichte, als der Mann, dem es zu danken ist, „dass Westeuropa romanisch, das germanische Europa klassisch ist“. Caesars Werk habe Jahrtausende berdauert, sein Bau stehe fr das aufrecht, „was wir Ewigkeit nennen“ 4 . In den postum verffentlichten Historischen Fragmenten des Schweizer Kulturphilosophen J. Burckhardt findet sich noch ein Halbsatz, der von Caesar „als dem Grßten der Sterblichen“ spricht. Wenn der Autor Caesar damit berragende Bedeutung beimessen wollte, so wurde dies freilich schon in den Weltgeschichtlichen Betrachtungen konterkariert, in denen die Grße großer Mnner eine Relativierung erfuhr.

Zwei Diktatoren

Der Tag, der zum großen Einschnitt in Caesars Nachruhm werden sollte, war der 30. Januar 1933. Neue Diktatoren fordern den Vergleich mit alten heraus. H. Strasburger, der große deutsche Althistoriker, begegnete nach dem Erlebnis des Zweiten Weltkrieges dem vorher – als „wissenschaftlicher Knirps“ – noch bewunderten Caesar mit deutlicher Skepsis. „Wer einmal bei den Spnen war, als Mnner, die Geschichte machen, hobelten“, der sieht auch die andere Seite der Herrschaft Caesars.

Zwei Diktatoren

Fr Bertolt Brecht brauchte es die Erfahrung des Krieges nicht. Noch 1937 begann er im Pariser Exil seinen Roman ber Caesar. Brecht suchte in der Diktatur Caesars Erklrungen fr die Hitlers. Sein Interesse galt nicht allein der Person Caesar, sondern mehr noch den Verhltnissen, unter denen dieser Macht gewinnen konnte. Der Autor hlt Abstand zu seinem Helden, er will ihn nur beobachten, kein Urteil ber seinen Charakter fllen. Ihm gengt es nicht, die Vorzeichen zu vertauschen und sogenannte große Mnner zu enttarnen. Caesar bedeutete ihm durchaus einen relativen Fortschritt: Der Legionr wurde durch die Pax Romana, die der Eroberung Galliens folgte, vom Hndler abgelst. Der Dichter und Exulant Joseph Roth brachte auf eine knappe Formel, was Caesar gegenber anderen Machthabern auszeichnete: „Caesar war der letzte Diktator, der seine Muttersprache beherrschte“, heißt es im Tagebuch des Schriftstellers von 1937. Tatschlich verstand es kein Staatsmann, sich in seinen Schriften auf einem so hohen Niveau zu inszenieren wie Caesar. Das ist sein bleibendes Verdienst.5

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Zeittafel

100

Am 13. Quintilis (Juli) wird Caesar geboren.

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Caesars Vater stirbt. Wahl zum Juppiterpriester (Flamen Dialis). Trennung von der Verlobten Cossutia. Ehe mit Cinnas Tochter

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Cornelia. Geburt der Julia. Schwierigkeiten mit dem Diktator

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Sulla. Militrdienst beim Statthalter von Asia. Teilnahme an der Eroberung Mitylenes, Auszeichnung mit der

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corona civica (Brgerkrone). Kriegsdienst beim Prokonsul von Kilikien. Rckkehr

75?

nach Rom. Fahrt nach Rhodos (November). Caesar fllt unter die Seeruber. Er nimmt die Seeruber fest (Februar).

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Caesar wird zum Pontifex kooptiert und kehrt nach Rom zurck.

72 Wahl zum Militrtribunen. 73–71 Beteiligung am Kampf gegen Spartacus (?). 69(68)? Caesars Tante Julia und seine Gattin Cornelia sterben. 67

Caesar geht als Qustor nach Spanien. Heirat mit Pompeia. Curator der Via Appia. Die lex Gabinia gibt dem Pompeius das Oberkommando gegen die Seeruber. Caesar untersttzt das Gesetz.

Zeittafel

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Caesar wird Kurulischer dil. Großzgige Veranstaltung von Spielen.

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Cicero Konsul. Caesar wird zum Pontifex maximus gewhlt. Geburt des Gaius Octavius (spter Augustus). Verschwrung Catilinas. 5. Dezember: Exekution der fnf Catilinarier. Tod des Mithridates. Pompeius’ Neuordnung des Ostens.

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Niederlage und Tod Catilinas. Bona Dea-Skandal in Caesars Haus (Dezember). Pompeius landet in Italien und entlsst sein Heer. Der Senat widersetzt sich den Forderungen des Pompeius und des Crassus. Caesar ist Proprtor in der

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Hispania Ulterior. Ankunft Caesars in Rom zur Konsulatsbewerbung (Anfang Juni). Wahlbndnis mit Lucceius. Caesar und Bibulus werden zu Konsuln gewhlt (Juli). Erstes Triumvirat zwischen Caesar, Crassus und Pompeius

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(Ende des Jahres). Caesar Konsul: 1. Agrargesetz Caesars (lex Iulia agraria). Herabsetzung der Pachtsumme fr die Provinz Asia (lex Iulia de publicanis). Besttigung von Pompeius’ Anordnungen im Osten (lex Iulia de actis Cn. Pompei confirmandis). Anerkennung Ptolemaios’ XII. als Knig von gypten (lex Iulia de rege Alexandrino). 2. Agrargesetz Caesars (lex Iulia agraria Campana). Hochzeit des Pompeius mit Julia (April). Die Lex Vatinia gibt Caesar das diesseitige Gallien und Illyricum fr fnf Jahre, der Senat fgt das jenseitige Gallien (Narbonensis) hinzu (Mai-Juni). Vettius-Affre (Juli). Clodius wird Volkstribun (10.12.): Promulgation des Getreide-, Obnuntation-, Kollegien- und Zensurgesetzes.

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Anhang

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Lucius Calpurnius Piso und Aulus Gabinius Konsuln. Cato reist zur Annexion Zyperns ab, Caesar bricht nach Geneva auf. Cicero flieht aus Rom. Gallien: Caesar besiegt zunchst die Helvetier (Juni)

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und dann den Germanenknig Ariovist (September). Rckkehr Ciceros nach Rom (5.9.). Pompeius wird mit der cura annonae betraut (2.10.). Gallien: Caesar fllt in das Gebiet der Belger ein. Unterwerfung der Suessionen, Bellovacer, Nervier,

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Atuatucer und anderer Vlker. Cicero versucht, das Triumvirat zu sprengen; Rede in Vatinium. Sogenannte Konferenz von Lucca: Erneuerung des Triumvirats (April). Der Senat bert ber Caesars Provinzen (Juni). Gallien: Siege Caesars und seiner Feldherren ber die keltischen Vlker der Atlantikkste.

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Verschleppung der Wahlen. Pompeius und Crassus zum zweiten Male Konsuln. Lex Trebonia gibt Pompeius Spanien, Crassus Syrien, jeweils fr fnf Jahre. Lex Pompeia Licinia verlngert Caesars Kommando in Gallien um weitere fnf Jahre. Cicero verteidigt Vatinius. Gallien: Caesar besiegt germanische Vlker. 1. Rheinbergang bei Neuwied (August). 1. berfahrt

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nach Britannien. Unruhen und Skandale verzgern die Konsulwahlen lange. Tod von Caesars Tochter Julia, Gattin des Pompeius (August). Gallien: 2. Britannien-Expedition Caesars. Eroberungen in Sdengland. Friedensschluss (Juni-Oktober).

Zeittafel

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Straßenschlachten zwischen den Anhngern des Clodius und des Annius Milo. Niederlage und Tod des Crassus bei Carrhae in Mesopotamien. Gallien: Aufstand germanischer und gallischer Vlker gegen die rmische Herrschaft. 15 Kohorten werden vernichtet.

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Ermordung des Clodius (Januar), Unruhen. Pompeius alleiniger Konsul (bis August). Er stellt die Ordnung wieder her. Plebiszit der zehn Tribune verleiht Caesar das Privileg, seine Kandidatur um das Konsulat in absentia anzumelden (Frhjahr). Pompeius heiratet Metellus’ Tochter Cornelia. Er beantragt ein Gesetz, das Konsuln und Prtoren die Bekleidung der Promagistratur erst fnf Jahre nach Ablauf ihrer Amtszeit gestattet (lex Pompeia de provinciis). Ein weiteres Gesetz des Pompeius verlangt von allen Amtsbewerbern Anwesenheit in Rom (lex Pompeia de iure magistratuum). Pompeius kooptiert Metellus zum Mitkonsul (1.8.). Gallien: Allgemeine Erhebung in Gallien unter Vercingetorix, der schließlich in Alesia kapituliert.

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Der Versuch des Konsuls Marcus Marcellus, Caesar abzuberufen, scheitert. Ciceros Schrift De re publica. Cicero wird Statthalter von Kilikien. Der Senat beschließt, ab dem 1. Mrz 50 (als frhestem Zeitpunkt) ber die konsularischen Provinzen zu verhandeln. Caesar droht damit die Abberufung aus Gallien

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(29.9.). Der Tribun Curio vereitelt Versuche, Caesar abzuberufen (November). Rckkehr Ciceros nach Rom.

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Anhang

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Caesar berschreitet den Rubicon (10./11.1.) und erffnet damit den Brgerkrieg. Vormarsch entlang der Adriakste. Pompeius verlsst erst Rom und dann Italien (Mrz). Nach einem Aufenthalt in Rom zieht Caesar nach Spanien, um die dort stationierten Truppen des Pompeius zu bekriegen. Kapitulation der Pompeianer (August/September). Eroberung von

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Massilia (Oktober). Caesar folgt Pompeius nach Griechenland. Nach ersten Kmpfen in Epirus besiegt er ihn am 9. August bei Pharsalos. Pompeius flieht nach gypten und wird dort ermordet (28.9). Caesar erreicht Alexandria. Einmischung in den Thronfolgestreit zwischen Kleopatra und Ptolemaios XIV: Alexandrinischer Krieg.

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Kmpfe in gypten. Aufbruch Caesars nach Syrien (Juni). Sieg ber Pharnakes (2.8.). Rckkehr nach Rom

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Afrikanischer Krieg. Caesar besiegt Metellus Scipio und Knig Juba bei Thapsos (6.4.); Selbstmord Catos

(September). bergang nach Afrika (Dezember).

in Utica. Rckkehr nach Rom (Juli–November). Er feiert vier Triumphe. Erneuter Aufbruch nach Spanien (Dezember). 45

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Spanischer Krieg: Caesar besiegt die Shne des Pompeius bei Munda (17.3.). Ciceros Cato, Caesars Anticato. Ein Volksbeschluss bertrgt Caesar die Fhrung des Partherkrieges und das Recht, die Beamten fr die Jahre 43–41 zu bestellen. Wahl der Beamten fr 43. Caesar wird dictator perpetuus (Februar). 15. Mrz: Caesar wird ermordet. Marcus Antonius der berlebende Konsul, Publius Dolabella consul suffectus. Auftreten des Octavius (bald „Octavian“). Cicero

Zeittafel

bricht mit Antonius. Sein Pakt mit Octavian. Er erreicht im Senat staatliche Vollmachten fr Octavian und Decimus Brutus (Dezember). Er wird der inoffizielle Leiter des Staates. 43

Brgerkrieg (bellum Mutinense). Ciceros Philippiken. Octavian und die Konsuln Hirtius und Pansa besiegen Antonius vor Modena. Tod beider Konsuln. Antonius, zum Staatsfeind erklrt, entkommt ber die Alpen und gewinnt Armeen in Gallien. Octavian besetzt Rom, wird zum Konsul gewhlt (August). Er chtet Caesars Mrder, rehabilitiert Antonius. Triumvirat Octavians mit Antonius und Lepidus (November); Proskriptio-

nen. 7. Dezember: Ermordung Ciceros. 43–33 Triumvirat zwischen Octavian, Antonius und Lepidus. 31 27

Schlacht bei Actium. Octavian erhlt ein prokonsularisches Imperium. „Beginn“ des Prinzipats.1

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Anmerkungen Das Corpus Caesarianum: Caesar als Schriftsteller 1 Sueton Caes. 56.1. 2 Cicero fam. 8.11.4. 3 Att. 2.1.2. 4 Brutus 262. 5 „Jeder Satz ist auf ein Ziel gespannt, auf eine Handlung, die alles Voraufgehende anzieht.“ Meier, Caesar 317. 6 Sueton Caes. 56.4. 7 Plutarch Cato 11.7, 36.4–5, 52.5–7, 54.1–2. 8 Cicero Att. 9.6a, 9.7c, 9.13a, 9.16, 10.8b. 9 Cicero. Att. 13.52. Unter Seerubern: Der erste große Coup 1 Quellen zur Seeruberepisode: Sueton, Caesar 4.1ff., 74.1; Plutarch, Caesar 1.8, 2.1–7; Velleius 2.41.3–42.3; Vir. ill. 28.3. Zitat: Meier, Caesar 141. Die Nonen des Dezember: Caesar und Catilina 1 Bismarck in der Abendsitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 30.9.1862; Fontane-Brief (an Friedrich Stephany, 9.12.1883; HF IV. 3. 293). 2 bers. K. Ziegler. Die bersetzungen folgen den im Anhang genannten Ausgaben. 3 Plutarch ber die Sitzung: Caesar 7–8; Brutus: Cicero Att. 12.21.1; Ciceros Abschlussworte: Plu-

tarch, Cicero 22; Sallust, Catilina 55.3–5; dies exiti ac fati: Cicero, Catilinarische Reden 3.10,17. Quellen: Dio Cassius 37.10, 25–42; Plutarch, Cicero 10–24.4, Plutarch, Caesar 5–8; Appian, Bella Civilia 2.2–7; Velleius 2.34.3–35, Florus 2.1–12; Cicero, Catilinarische Reden 1–4. 4 Sallust schließlich erweiterte die Fiktion. Nach dem Tode seines Frderers Caesar, als die Entwicklung, die die Republik nehmen sollte, noch offen und die Rckkehr der Senatsherrschaft noch mglich schien, wollte er sich fr alle Eventualitten absichern und schuf eine dritte Legende, die vom aufrechten Republikaner Cato. So brachten die Nonen des Dezember viererlei Heroen hervor: Catilina, den verratenen Helden, Cato, den Helden der Optimaten, Caesar, den Helden des Volkes und Cicero, den Helden seiner selbst.

Die Schlacht an der Sambre: Caesar als Feldherr 1 Plutarch, Caesar 20. 2 Eindrucksvoll belegt der Autor dies im Epilog zur Nervierschlacht. Die dort geschilderte Einnahme des Hauptortes der Atuatucer ist ein einziges Lob rmischer Belagerungskunst (2.29–33). 3 Caesar Bell. Gall. 1.1; vgl. 24.8.

Anmerkungen

4 Bell. Gall. 2.18. 5 Bell. Gall. 20.1. 6 Die Reiterei Caesars rekrutierte sich anfangs aus den Reihen der gallischen Verbndeten. Auch die genannten Fußsoldaten gehren zu den nichtrmischen Hilfstruppen. Es sind die Schleuderer (funditores) und Bogenschtzen (sagitarii), die schon vorher erwhnt werden (Bell. Gall. 19.4). Ihre Flucht tangiert die rmische Ehre nicht. Sie sind aus den Provinzen angeworben. 7 Bell. Gall. 24.4. 8 Bell. Gall. 27.3–4. 9 Bell. Gall. 2. 15–27; vgl. Valerius Maximus 3.2.19; Orosius 6.7.11; Florus 1.45.4, Appian Kelt. 1.10–11; Cassius Dio 39.3.1–2, Livius per. 104. S. vor allem H. P. Kohns, „Der Verlauf der Nervierschlacht. Zu Caesars Bellum Gallicum 2,15–27“, Gymnasium 76, 1969, 1–17; G. Maurach, Caesar. Der Geschichtsschreiber, 2003, 55–72, P. Huber, „Die Glaubwrdigkeit Caesars in seinem Bericht ber den Gallischen Krieg“, 21931, 57–61. 10 Julius Caesar III/2.

Der letzte Gallier: Vercingetorix und Caesar 1 Bell. Gall. 4.9–10. 2 Bell. Gall. 7.30.3. 3 Zum effektvollen Gebrauch des „Nichts“ s. den Schluss von A. Schopenhauers Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung. Smtliche Werke, hrsg. v. W. Frhr. v. Lhneysen, Frankfurt/M. 1986, I 558. 4 Bell. Gall. 7.77. 5 R. Schieffer, „Die Rede des Critognatus (B. G. VII 77) und Caesars Urteil ber den Gallischen Krieg“, Gymnasium 79, 1972, 477–494. 6 Plutarchs Fassung in der Pompeius-Biographie (33) lsst das

Original, den Bericht des Theophanes, noch erkennen.

Alea iacta est: Der Wrfel ist gefallen 1 Sueton 30.4, Plutarch 46: Die Stelle bei Plutarch hat zu großer Verwirrung und noch grßeren Diskussionen gefhrt, da Plutarch sagt, Caesar habe Lateinisch gesprochen und Asinius Pollio habe ihn ins Griechische bersetzt. Dass Plutarch ausdrcklich vermerkt, Caesar habe sich in seiner Muttersprache an sein rmisches Gefolge gewandt, verwundert. Eine Vertauschung der beiden Adjektive korrigiert den Allerweltsfehler der Abschreiber und bringt alles ins Lot. S. E. Hohl, „Caesar am Rubico“, Hermes 80, 1952, 246–249. Caesars gttliche Helferinnen: Clementia, Fortuna und Venus 1 Monumentum Ancyranum 34. 2 Cicero Rab. 13. 3 Bell. Gall. 2.14, 2.31, 8.21, Bell. Afr. 86, 92. 4 Bell. Gall. 8.44. Die Caesar-Biographen bewegt die Frage, ob die Milde zu Caesars Wesen gehrte oder ob sie eine Maske war, hinter der er die eigenen Ziele erfolgreicher verfolgen konnte. Mit dem Charakter Caesars lsst sich die rmische Welt aber nicht erklren. So bleibt die Frage mßig. Sie ist von der Nachwelt nicht zu beantworten und die Zeitgenossen, die in den Genuss der clementia kamen, interessierte wenig, ob sie dies einer „inneren Eigenart“ Caesars zu verdanken hatten. 5 Bell. civ. 1.18–23. 6 Bell. civ. 1.22.5. 7 Cicero ber Caesar: Att. 10.4.8, 8.9.4 (Caesars Grausamkeit), Att. 9.16.1 (Milde), Att. 8.9.3, 8.13 (Pompeius und Caesar).

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8 Plutarch Caes. 57. 9 Appian bell. civ. 2.443. 10 Plutarch Caes. 38, bell. civ. 2.231–239. 11 Phormio I 4,V 203. 12 Tusc. disp. II 4.11. 13 Appian bell. civ. 1.451. 14 Plutarch Sulla 19. 15 Cn. Pomp. 29,36, 43–48. 16 Appian bell. civ. 2.281. Caesar selbst berliefert den Lesern der Commentarii eine Ansprache, mit der er die in unsicherer Lage aufkommende Panik in den Truppen zu bekmpfen suchte. In indirekter Rede verfasst, auf ganze 23 Zeilen komprimiert, wird das Glck zum Hauptmotiv. Caesar spricht von Felicitas als vom glcklichen Gelingen und von der Fortuna, die auch um einen verdienten Sieg bringen kann. Diese Fortuna aber lsst sich beeinflussen. Laufe nicht alles nach Wunsch ab, knne dem Glck durch Anstrengung nachgeholfen wird. Tatendrang (industria) verwandelt Fortuna in Felicitas (bell. civ. 73). 17 Bell Afr. 83, Appian bell. civ. 430. 18 Bmer (s. u.) 93. 19 Velleius 2.55.1. 20 Florus 2.13.37. 21 Die nicht wenigen Arbeiten ber Caesars Glck widersprechen sich in den meisten Punkten und sind nicht zuletzt deshalb alle lesenswert. S. W. H. Friedrich, Caesar, Cato und Fortuna bei Lucan, Hamburg 1938 (vgl. Hermes 1938, 391–423); H. Erkell, „Caesar und sein Glck“, Eranos 42, 1944, 57–69 (= Wege d. Forsch., Bd. 43, Darmstadt 1967, 48–60); H. Erkell, Augustus, Felicitas, Fortuna, Diss. Gteborg 1952; W. H. Friedrich, „Caesar und sein Glck“, Festschr. Kapp, Mnchen 1954, 1–24; C. Brutscher, „Csar und

sein Glck“, MH 15, 1958, 75–83; E. Bickel, „Das Glck der Großen. Caesars Knigsplan und sein Glck“, Festschr. Wili, Bern 1960, 65–75; G. Schweicher, Schicksal und Glck in den Werken Sallusts und Caesars, Diss. Kln 1963; F. Bmer, „Caesar und sein Glck“, Gymnasium 73, 1965, 63–85 (= Wege d. Forsch., Bd. 43, Darmstadt 1967, 89–115).

Familien-Bande: Pompeius und Caesar 1 Eone nomine, urbis o piissimei, Soccer generque, perdistis omnia? „Aus diesem Grunde habt ihr alles ganz zerstrt, Ehrenmnner, Schwiegervater und der Schwiegersohn?“ Catull c. 29, 23–24. 2 Plutarch Pomp. 10. 3 Quellen bei J. Fndling, NPl 8, 2000, 1265f. 4 Bell. civ. 1.4.4: ab inimicis Caesaris incitatus. 5 Neminem dignitate secum exaequari volebat (bell. civ. 1.4.44); invidia atque obtrectatione (bell. civ. 1.7.1). 6 Bell. civ. 1.9.3, 1.9.1, 1.9.2. Dass er seine Ehre dem Staatswohl hintanstellen wolle (1.9.1,5), sagt er nur zu Beginn des Krieges. 7 Bell. civ. 1.22.5 bzw. 1.6.8. 8 Aulus Hirtius Bell. Gall. 8.52.5; Sallust ep. 2.3.2,6. Der Streit um die Echtheit der Briefe ist hier belanglos. Selbst wenn sie Produkte von Rhetorenschulen wren, spiegelten sie die Propaganda der fingierten Zeit. 9 Att. 9.7. vgl. Att. 7.7. 10 Att. 8.11.2. 11 Bell. civ. 3.88.3. 12 Pomp. 45. 13 Bell. civ. 3.96.1–2. 14 Bell. civ. 41.63.5–6. 15 Plutarch Caes. 48, Pomp. 80.

Anmerkungen

Veni, vidi, vici: Ich kam, sah, siegte 1 Cicero Att. 11.17a.3. 2 S. Wirth, Brgerkrieg 221. 3 Zitate: Bell. Alex. 75.1, 75.3, 77.1. 4 Plutarch Caes. 50. Eroberer unter sich: Caesar und Alexander 1 Plutarch Caes. 1; Sueton Caes. 1. 2 Plautus most. 775. 3 Das besondere Merkmal ist die bernahme der „aufgestrubten Locken“ (Anastole), die fr das Signum einer lwenhaften Natur gehalten wurden. S. L. Giuliani, Bildnis und Botschaft. Hermeneutische Untersuchungen zur Bildniskunst der rmischen Republik, Frankfurt/M. 1986, 70f. Quellen: Plutarch Pomp. 2.2–3,34.7,46.1–2; Appian Mith. 117.577. 4 Sueton Caes. 7; Cassius Dio 37.52.2; Plutarch Caes. 11. 5 Sueton Caes. 61, Cassius Dio 37.54.2, Plinius Nat. 8.155. 6 Lucan 10.18–24. 7 Strabon 13.1.27. 8 Weltreichsplne und Partherzug: Plut. Caes. 58.6–7, Nikolaos v. Damaskos FGrHist 90 F 130.95, Horaz Carmina 1.12.53–56, Vergil Aeneis 6.793–796. S. O. Weippert, Alexander-Imitatio und rmische Politik in republikanischer Zeit, Augsburg 1972, 107–192. 9 Statius Silvae 1.186f. Idibus Martiis: Die letzte Inszenierung 1 Phil. 2.85–87, 13.41. 2 Cicero Att. 15.4.2. 3 Vorzeichen: Plutarch Caes. 63.1ff.; Sueton Caes. 81.1f.; Cassius Dio 44.17.1, 18.4.

4 Sueton Caes. 81.2. 5 Plutarch Caes. 63; Sueton Caes. 81.3. 6 Sueton Caes. 82.2; Cassius Dio 44.19.5. 7 Caes. 86. 8 Sueton Caes. 86.2. 9 Att. 15.4.3 vom 24. Mai 44. 10 Appian bell. civ. 2.598–616. Ernest Schanzer (Hg.), Shakespeare’s Appian: a selection from the Tudor translation of Appian’s „Civil wars”, Liverpool 1956. 11 Caesar III/2 bers. E. Fried.

Das lange Nachleben: 2000 Jahre Caesar 1 10.73f. 2 6.17.9-10. 3 Das Annolied ist eine Dichtung zum Lob des Klner Erzbischofs Anno, die mit einem Gang durch die Weltgeschichte einsetzt. 4 III 301. 5 Zu Caesars Nachleben grundlegend: K. Christ und F. Gundolf (Anhang); weiterhin: A. Heuß, RAC II, 1954, 822–826; W. Richter u. a. 19, H. Strasburger, Studien zur Alten Geschichte I 1982, 181–329, 343–423, 521–522. Dante, Paradiso 6.55–72; G. Hegel,Vorl. . d. Philos. der Gesch., Frankf., XII, 1986, 377; J. Roth,Werke 3, Das journalistische Werk 1929–1939, 1991, 732; W. Jeske, Brechts Poetik des poetischen Romans, 1984. Zeittafel 1 Nach Ch. Habicht, Cicero der Politiker, Mnchen 1990,W. Will, Der rmische Mob, Darmstadt 1991,W. Will, Caesar, Stuttgart 1992.

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Literatur Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts war das Interesse an der Person Caesars stets groß. Einen frhen Hhepunkt bildete die Rmische Geschichte von Theodor Mommsen, die in drei Bnden zwischen 1854 und 1856 erschien und fr die der Verfasser fast ein halbes Jahrhundert spter den Literaturnobelpreis erhielt. Mommsen legt den Akzent auf das letzte Jahrhundert der Republik. Dessen Darstellung macht fast zwei Drittel des Gesamtumfangs aus und gruppiert sich sozusagen um die Person Caesars. Sie endet nicht zufllig mit der Schlacht von Thapsos im Jahre 46, denn sie ist der Hhepunkt in Caesars Karriere. Den kurzen Niedergang behandelt der Autor nicht mehr. Fr Mommsen war Caesar der „vollendete Staatsmann“ schlechthin, ein „geborener Herrscher“ von gewaltiger Schpferkraft und doch zugleich von „durchdringendstem Verstand“. Gegen Mommsen wandte sich 1918 polemisch Eduard Meyer mit seiner Monographie, ohne freilich ganz von Mommsens Urteilen abzurcken. Der Akzent liegt hier auf der Innenpolitik zwischen der Mitte der sechziger und der vierziger Jahre. Pompeius und Cicero bekommen breiteren Raum. Nur drei Jahre nach Meyer erschien die erste Fassung der Monographie von Matthias Gelzer, die nach verschiedenen Korrekturen und Neubearbeitungen wie der von 1940 erst knapp vierzig Jahre spter, im Jahre 1960, ihre endgltige Gestalt bekommen sollte. In dieser ist sie bis heute, ergnzt durch eine Pompeius- und eine Cicero-Biographie des Verfassers, eingestanden oder uneingestanden die Grundlage aller neuen Arbeiten ber Caesar. Es ist die Flle der im Apparat bestens dokumentierten Fakten, die diesem Buch seinen Rang und Wert gibt und gleichzeitig seine Lektre erschwert. Wer sich intensiver mit Caesar beschftigen will, kann auf Gelzer nicht verzichten. Der Umbruch, den der Zweite Weltkrieg im Verstndnis Caesars bewirkte, zeigt sich am besten in den von Hermann Strasburger vor und nach dieser Zsur verffentlichten Arbeiten, die in zunehmendem Maße die Schattenseiten der Herrschaft Caesars betonen. Es sind die Aufrichtigkeit und die Bereitschaft, einmal gefasste Meinungen auch aufzugeben, die bei Strasburger berzeugen. Nach vielfltigen Vorarbeiten, zu denen neben theoretischen Aufstzen sowohl die Dissertation als auch die Habilitationsarbeit gezhlt werden drfen, publizierte Christian Meier 1982 seine fulminante Biographie, die zu Recht Aufsehen erregte. Meier verstand es, einen Helden zu schaffen, dessen Schicksal ungeachtet des bekannten Ausganges von Lebensstation zu Lebensstation, von Kapitel zu Kapitel, immer wieder Neugier und Interesse weckt. Es ist die Spannung, die dieses Buch heraushebt. Ob dagegen das vom Autor gezeichnete Bild eines großen Außenseiters der berprfung standhlt, muss offen bleiben. Der bedeutende amerikani-

Literatur

sche Althistoriker E. Badian hat das in einer ausfhrlichen, von Meier akzeptierten Rezension bestritten. Eine Art Gegenentwurf zu Meier stellt das nicht minder faszinierende Buch von Werner Dahlheim dar, der Caesar gleichsam wieder auf die Fße stellt. Dahlheims Held bewegt sich ganz im Denken und Wollen seiner Zeit und seiner Klasse. Im Mittelpunkt steht ein rmischer Nobilis, der die Erfllung seines Lebens, „seinen Himmel und seine Hlle“, dort findet, wo er allein erfolgreich ist, im Krieg, der ihm zur Verteidigung seiner dignitas, verknappt Ehre, dient. Gleichzeitig vergisst Dahlheim in der Tradition Strasburgers auch die „Leiden der Unzhligen“ nicht. Er stellt alle Seiten des Kampfes dar, und das letzte Jahrhundert der Republik war ein Jahrhundert der Umbrche, Brgergemetzel, Attentate und Pogrome. Mit Luciano Canforas Der demokratische Diktator liegt die Arbeit eines renommierten italienischen Forschers vor. Die Strke des Buches ist die Quellennhe. Canfora benennt die Zeugnisse in extenso und lsst den Leser an seiner Interpretation teilnehmen. Allerdings fhrt dieser philologische Ansatz gelegentlich zu einer gewissen Kleinteiligkeit und ist mit dem Verzicht auf eine weitrumige historische Einordnung erkauft. Zahlreiche bersetzungsfehler fhren zudem zu Missverstndnissen. Hinter dem Caesar von Helga Gesche verbirgt sich ein Forschungsbericht, der ber 1900 Titel bercksichtigt. Der Autorin gelingt das Unmgliche. Aus einer Diskussion der widerstreitenden Forschungsmeinungen entwickelt sie eine Caesar-Biographie sui generis, die auch heute nicht veraltet ist. Karl Christ, der bedeutende Kenner der rmischen Republik, bietet mit seinen Annherungen an einen Diktator einen großartigen berblick ber Wandlungen und Vernderungen des Caesar-Bildes, angefangen bei Zeitgenossen wie Sallust und Cicero ber die kaiserzeitlichen Autoren, Sptantike und Mittelalter bis hin zur modernen Wissenschaftsgeschichte. Sergej L. Uttschenko versucht eine marxistische Einordnung des Phnomens, whrend Martin Jehne, auf wichtigen eigenen Forschungen und Publikationen grndend, den kompetenten Einstieg in das Thema gibt. Das etwas veraltete Bchlein von Hans Oppermann, dem verdienstvollen Herausgeber der Werke von Wilhelm Raabe, liefert dazu das Bildmaterial.

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Anhang

Canfora, L., Caesar. Der demokratische Diktator, Mnchen 2001.

Cicero, Politische Reden, bers. v. M. Fuhrmann, 7 Bde., Mnchen 1970–1982.

Christ, K., Caesar. Annherungen an einen Diktator, Mnchen 1994.

Cicero, An seine Freunde, bers. v. H. Kasten, Mnchen 1964.

Dahlheim,W., Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates, Paderborn 2005.

Cicero, Atticus-Briefe, bers. v. H. Kasten, Mnchen 1959.

Monographien

Gelzer, M., Caesar. Der Politiker und Staatsmann,Wiesbaden 6. Aufl. 1960. Gesche, H., Caesar, Darmstadt 1976. Jehne, M., Caesar, Mnchen 1997. Meier, Chr., Caesar, Berlin 1982. Meyer, E., Caesars Monarchie und das Principat des Pompejus. Innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v. Chr., 3. Aufl. 1922 (Nachdruck Darmstadt 1978). Mommsen, Th., Rmische Geschichte, Berlin 9. Aufl. 1902–1904 (= TB-Ausgabe Mnchen 1976; darin Bd. 4 u. 5). Oppermann H., Julius Caesar in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1968. Strasburger, H., Caesars Eintritt in die Geschichte, Mnchen 1938 (Nachdruck Darmstadt 1965).

Lukan, Der Brgerkrieg, bers. v. G. Luck, Berlin 2. Aufl. 1989. Nikolaos von Damaskus, Leben des Kaisers Augustus, bers. v. J. Malitz, Darmstadt 2003. Plutarch, Große Griechen und Rmer, 6 Bde., bers. v. K. Ziegler, Zrich/ Stuttgart 1955. Sallust,Werke, bers. v. W. Eisenhut, J. Lindauer, 2. Aufl. Mnchen/Zrich 1994. Sueton, Kaiserbiographien, bers. v. O. Wittstock, Berlin 1993. Caesar als Quelle Textausgaben: A. Klotz, Bellum Gallicum, Leipzig 5. Aufl. 1957. O. Seel, Bellum Gallicum, Leipzig 2. Aufl. 1968.

Uttschenko, S. L., Caesar, Berlin 1982.

O. Klotz, Bellum Civile, Leipzig 1950.

Will,W., Julius Caesar. Eine Bilanz, Stuttgart 1992.

A. Klotz, Bellum Alexandrinum-Africum-Hispaniense, Stuttgart 1966.

Quellen Appian von Alexandria, Rmische Geschichte, 2 Bde., bers. v. O. Veh, Stuttgart 1987–1989. Augustus, Meine Taten, bers. v. E. Weber, 2. Aufl. Mnchen 1974. Cassius Dio, Rmische Geschichte, bers. v. O. Veh, eingel. v. G. Wirth, Zrich/Mnchen 1985–1987. Catull, Gedichte, bers. v. V. Ebersbach, Leipzig 1974.

Text mit Kommentar: F. Kraner,W. Dittenberger, H. Meusel, C. Iulii Caesaris Commmentarii de bello Gallico, 3 Bde. Zrich: I 23. Aufl. 1975, II 23. Aufl. 1972, III 20. Aufl. 1966. – C. Iulii Caesaris Commmentarii de bello civili, Zrich 15. Aufl. 1979. bersetzungen: Caesar, Der Gallische Krieg, bers. v. V. Stegemann, Mnchen 5. Aufl. 1985. Caesar, Die Brgerkriege, bers. v. G. Wirth, Reinbek 1966.

Literatur

Caesar, Smtliche Werke, bers. v. K. Blmel u. W. Stammler, Essen/Stuttgart o. J. Zweisprachige Ausgaben: Caesar, Der Gallische Krieg, bers. v. M. Deissmann, Stuttgart 1981. Caesar, Der Gallische Krieg, bers. v. G. Dorminger, Mnchen/Zrich 8. Aufl. 1990. Caesar, Der Brgerkrieg, bers. von O. Schnberger, Mnchen/Zrich 2. Aufl. 1990. Caesar und die rmische Republik Dahlheim,W., Gewalt und Herrschaft. Das provinziale Herrschaftssystem der rmischen Republik, Berlin 1977. Dettenhofer, M. H., Perdita Iuventus. Zwischen den Generationen von Caesar und Augustus, Mnchen 1992. Jehne, M., Der Staat des Dictators Caesar, Kln/Wien 1987. Maier, U., Caesars Feldzge in Gallien (58–51 v. Chr.) in ihrem Zusammenhang mit der stadtrmischen Politik, Bonn 1978. Malitz, J., „Die Kanzlei Caesars – Herrschaftsorganisation zwischen Republik und Prinzipat“, Historia 36, 1987, 51–72. Meier, Chr., Res publica amissa. Eine Studie zur Verfassung und Geschichte der spten Republik, 3. Aufl. Frankfurt a. M. 1997. Raaflaub, K., Dignitatis contentio. Studien zur Motivation und politi-

schen Taktik im Brgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius, Mnchen 1974. Yavetz, Z., Caesar in der ffentlichen Meinung, Dsseldorf 1979. Caesar als Schriftsteller Adcock, F. E., Caesar als Schriftsteller, Gttingen 1957. Barwick, K., Caesars Bellum civile. Tendenz, Abfassungszeit und Stil, Ber. Schs. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 99.1, Berlin 1951. Barwick, K., „Zur Entstehungsgeschichte des Bellum Gallicum“, RhM 98, 1955, 41ff. Mensching, E., Caesars Bellum Gallicum, Frankfurt/M. 1988. Mutschler, F.-H., Erzhlstil und Propaganda in Caesars Kommentarien, Heidelberg 1975. Rambaud, M., L’art de la dformation historique dans les Commentaires de Csar, Paris 2. Aufl. 1966. Richter,W., Caesar als Darsteller seiner Taten, Heidelberg 1977. Rezeption Donie, P., Untersuchungen zum Caesarbild in der rmischen Kaiserzeit, Hamburg 1996. Gundolf, F., Caesar. Geschichte seines Ruhms, Berlin 1924. Tschiedel, H. J., „Faszination und Provokation. Begegnungen des europischen Geistes mit Caesars Grße“, Gymnasium 109, 2002, 1–19.

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Bildnachweis S. 11: nach Albert Uderzo / Ren Goscinny, Asterix und der Arvernerschild, Bd. 11, 8. Aufl. Kln 1986; S. 21: akg-images / Rabatti-Domingie; S. 30: akg-images; S. 48, 49, 52: nach H.-P. Kohns, Der Verlauf der Nervierschlacht. Zu Caesar Bellum Gallicum 2, 15–27, Gymnasium 76, 1969; S. 59: nach David Potter, Emperors of Rome, London 2007; S. 69: akg-images / Peter Connolly; S. 74, 75: nach Jane Penrose, Rom und seine Feinde, Stuttgart 2007; S. 111: akg-images (links), nach Luca Giuliani, Bildnis und Botschaft, Frankfurt 1986 (rechts); S. 120: akg-images; S. 122: Museo Nazionale di Capodimonte, Neapel; S. 130: Museo di Antichit , Turin

Dank Fr Durchsicht und Korrektur danke ich Jan-Markus Ktter und Jan Timmer. Kai Brodersen danke ich sowieso und Frau Regine Gamm fr die hervorragende Lektoratsarbeit.

PD Dr. Wolfgang Will, ist Akademischer Oberrat am Seminar fr Alte Geschichte in Bonn. Zahlreiche Verffentlichungen zu Caesar und seiner Zeit, u. a.: Julius Caesar. Eine Bilanz, Der rmische Mob, Caesar-Artikel im Neuen Pauly. In dem 2006 bei Primus erschienenen Titel Hhepunkte der Antike hat er das Kapitel „Unter dem Kapitol: Der Tod des Vercingetorix“ verfasst.