Unternehmenskultur gestalten: Systematisch zum nachhaltigen Unternehmenserfolg [1. Aufl.] 9783662595008, 9783662595015

Erfahren Sie mit diesem Buch, wie Sie eine erfolgreiche Unternehmenskultur gestalten Unternehmenskultur gilt als wichti

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German Pages XIII, 180 [184] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIII
Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor (Josef Herget)....Pages 1-26
Unternehmenskultur kann gestaltet werden (Josef Herget)....Pages 27-35
Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz (Josef Herget)....Pages 37-52
Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln (Josef Herget)....Pages 53-71
Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur (Josef Herget)....Pages 73-81
Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell (Josef Herget)....Pages 83-97
Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung (Josef Herget)....Pages 99-107
Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention (Josef Herget)....Pages 109-131
Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling (Josef Herget)....Pages 133-142
Integrative Sicht: Das Konzept der Culture Excellence (Josef Herget)....Pages 143-147
Im Projekt des Kulturwandels nicht scheitern: Do’s und Don’ts (Josef Herget)....Pages 149-155
Die besondere Rolle von Leadership (Josef Herget)....Pages 157-163
Unternehmenskultur leben (Josef Herget)....Pages 165-170
Herausforderungen an die Unternehmenskultur: Heute und Morgen (Josef Herget)....Pages 171-181
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Unternehmenskultur gestalten: Systematisch zum nachhaltigen Unternehmenserfolg [1. Aufl.]
 9783662595008, 9783662595015

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Josef Herget

Unternehmenskultur gestalten Systematisch zum nachhaltigen Unternehmenserfolg

Unternehmenskultur gestalten

Josef Herget

Unternehmenskultur gestalten Systematisch zum nachhaltigen Unternehmenserfolg

Josef Herget Excellence Institute Wien, Österreich

ISBN 978-3-662-59500-8    ISBN 978-3-662-59501-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort

Wir leben in einer volatilen, unsicheren, komplexen und ambiguitären Welt. Diese Zustandsbeschreibung schreckt heutzutage niemanden mehr, ist sie doch zu einer allgemeinen Kennzeichnung der täglichen Lebenserfahrung und Wahrnehmung geworden. Dies trifft besonders auf den unternehmerischen und volkswirtschaftlichen Kontext zu. Zur zentralen Herausforderung avanciert folglich für Unternehmen, und insbesondere für die dort tätigen Führungskräfte aller Hierarchiestufen die Frage, wie sie in dieser Welt erfolgreich wirken können – und das nicht auf Sicht von wenigen Quartalen, sondern nach Möglichkeit für viele Jahre. „Culture eats strategy for breakfast“: Dieses gern zitierte Bonmot weist den Weg: es ist die Unternehmenskultur, die nachhaltig bestimmt, wie sich Unternehmen künftig entwickeln. Die Unternehmenskultur ist die Basis, der Humus sozusagen, der den Möglichkeitsraum für Unternehmen schafft und eröffnet: Innovation, Kundenorientierung, Vertrauen, Wertschätzung und Effizienz – beispielhafte Faktoren einer Unternehmenskultur – können diese auszeichnen. Die Unternehmenskultur fördert diese oder sie verhindert sie. Die Botschaft: „Arbeiten Sie an der Unternehmenskultur“ klingt einfach. Doch wie sieht die Realität hierzu aus? Bemühen wir ein paar Zahlen aus einer Untersuchung von Deloitte (2016). Demnach glauben nur 28 % der Führungskräfte, die eigene Unternehmenskultur gut zu verstehen. Gerade einmal 19  % gehen davon aus, dass ihre Organisation die „richtige“ Unternehmenskultur besitzt, obwohl 82 % der befragten Führungskräfte die Unternehmenskultur als relevanten Wettbewerbsfaktor ansehen. Welch ein Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit! Die gerade stattfindende digitale Transformation unseres gesamten Wirtschaftslebens vergrößert noch dieses Dilemma, wie zahlreiche weitere Untersuchungen belegen. Führungskräfte dürsten geradezu nach Konzepten, wie sie den digitalen Wandel durch eine fördernde Unternehmenskultur nachhaltig unterstützen können! Es fehlen offensichtlich das Wissen und die Kompetenz, wie eine zukunftsfähige Unternehmenskultur entwickelt und implementiert werden kann. Hochglanzbroschüren zu V

VI

Vorwort

Leitbildern und Werten gibt es zuhauf in den Unternehmen, was aber in der Praxis oftmals fehlt, sind konkrete Modelle, Methoden und Ansätze, wie die Unternehmenskultur unmittelbar verändert und gestaltet werden kann. Hier setzt dieses praxisorientierte Buch an: Nach einer kurzen Einführung in die Begriffswelt und Konzepte der Unternehmenskultur, wird deren Bedeutung für den Unternehmenserfolg herausgearbeitet. Unternehmenskultur wird dazu in einem Architektur-­Modell in drei Ebenen betrachtet: neben einer strategischen Ebene und ihrer Bedeutung für das relevante Mindset wird auf die unmittelbare Umsetzung als geübtes Verhalten in den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit rekurriert. Die dritte Ebene der sogenannten „Culture Hacks“ dient als Klammer dieser beiden Ebenen. Dieses direkte Reflexionsinstrument sichert die Ausprägung der gewünschten Unternehmenskultur, die im täglichen Handeln und Erleben erfahren wird, denn eine neue Unternehmenskultur muss erst zur Gewohnheit werden. Danach wird ein 6-Phasen-Prozess vorgestellt, der systematisch von der Bestimmung der wichtigsten Faktoren der unternehmensindividuellen Kultur ausgeht, deren Diagnosemöglichkeit aufzeigt, eine Reifegradeinordnung ermöglicht, eine Strategieableitung unterstützt, mögliche Methoden und Interventionsmöglichkeiten vorstellt und über eine Roadmap einen Change-Prozess umreißt, mit dem eine erfolgreiche Kulturveränderung gesteuert werden kann. Ein begleitendes illustrierendes Beispiel verdeutlicht die einzelnen Phasen und veranschaulicht die mögliche Umsetzung in die eigene Unternehmenspraxis. Empfehlungen zur erfolgreichen Durchführung von Kulturwandel-Projekten und zur Bedeutung von Leadership folgen. Das Buch schließt mit Ausführungen zur nachhaltigen Etablierung einer gelebten Unternehmenskultur und wirft einen Blick auf zukünftige relevante Entwicklungen im Kontext der Unternehmenskultur. Es empfiehlt sich zunächst das gesamte Buch durchzuarbeiten, denn viele Hinweise zu erfolgreichen Kulturwandel-Projekten finden sich in den hinteren Kapiteln, deren Berücksichtigung bereits bei der Planung und Umsetzung hilfreich sein dürfte. Danach können die jeweils relevanten Kapitel unmittelbar als möglicher Ratgeber und Anleitung bei konkreten Projekten herangezogen werden. Der gesamte Kontext und die Einordnung der einzelnen Arbeitsschritte dürften dann bei einer erfolgreichen Umsetzung hoffentlich von großem Nutzen sein. Das Credo dieses Buches lautet: Unternehmenskultur ist gestaltbar, sie kann verändert und in eine gewünschte Richtung entwickelt werden. Das ist in der Regel allerdings kein leichtes und oftmals auch kein schnelles Unterfangen. Dennoch kann dieser Prozess wohl gelingen. Wichtig erscheint eine systematische Vorgehensweise, die eine strukturierte Orientierung bietet und der unmittelbar gefolgt werden kann. Und diese soll durch möglichst einfach anwendbare Methoden unterstützt werden. Soweit also der Anspruch: theoretisch fundiert und pragmatisch orientiert zu einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Unternehmenskultur beizutragen, die letztendlich in einem höheren Unternehmenserfolg resultiert.

Vorwort

VII

Unternehmenskultur ist der wichtigste und zentrale Erfolgsfaktor für nachhaltig erfolgreiche Organisationen. Sie betrifft alle im Unternehmen tätigen Manager aller Hierarchiestufen. Begreift man die Unternehmenskultur als eine gestaltbare Lebensrealität in Unternehmen, avanciert sie zum entscheidenden Management-Instrument für alle Führungskräfte. Viele spannende Einsichten beim Lesen und vor allem, viel Erfolg beim Umsetzen wünscht Ihnen Josef Herget www.excellence-institute.at

Literatur Deloitte (2016) Global Human Capital Trends 2016. https://www2.deloitte.com/content/dam/ Deloitte/at/Documents/human-capital/hc-trends-2016.pdf. Zugegriffen am 17.11.2019

Inhaltsverzeichnis

1 Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1 1.1 Was ist überhaupt Unternehmenskultur?������������������������������������������������������   2 1.1.1 Vertiefte Illustrationen des Begriffes Unternehmenskultur��������������   4 1.1.2 Funktionen der Unternehmenskultur������������������������������������������������   7 1.1.3 Wo liegen die Ansatzpunkte?������������������������������������������������������������   9 1.2 Wann ist eine Unternehmenskultur gut? ������������������������������������������������������  10 1.3 Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor����������������������������������������������������������  11 1.3.1 Eine starke Unternehmenskultur führt zu finanziell erfolgreicheren Unternehmen ����������������������������������������������������������  12 1.3.2 Unternehmenskultur als wichtigste Ursache für den Unternehmenserfolg��������������������������������������������������������������������������  13 1.4 Was sind die Treiber der Unternehmenskultur?��������������������������������������������  14 1.5 Neue Ansätze zur Unternehmenskultur��������������������������������������������������������  17 1.5.1 Verhaltensökonomische Ansätze������������������������������������������������������  17 1.5.2 Neurowissenschaftliche Ansätze������������������������������������������������������  20 1.6 Gute Praktiken machen den Unterschied – Eine Analogie ��������������������������  21 1.7 Zur Einstimmung: Welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen das Management der Unternehmenskultur ein? Ein Selbsttest ��������������������������  22 1.8 Der Weg lohnt sich – Schaffen Sie die Unternehmenskultur mit der Sie nachhaltig erfolgreich werden����������������������������������������������������������������������  24 1.9 Key Points ����������������������������������������������������������������������������������������������������  24 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  25 2 Unternehmenskultur kann gestaltet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  27 2.1 Zur Dynamik des Phänomens Unternehmenskultur ������������������������������������  28 2.2 Gleichzeitigkeit verschiedener Unternehmenskulturen��������������������������������  29 2.3 Ambidextrie – Unterschiedliche parallele Unternehmenskulturen bewusst nutzen������������������������������������������������������������������������������������������������������������  31 2.4 Integration und Adaption – zentrale Ansätze zur Entwicklung der Unternehmenskultur��������������������������������������������������������������������������������������  32

IX

X

Inhaltsverzeichnis

2.5 Zur „Machbarkeit“ der Unternehmenskultur – Systemische Vorbehalte und Mut zum Handeln����������������������������������������������������������������������������������  34 2.6 Key Points ����������������������������������������������������������������������������������������������������  34 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  35 3 Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  37 3.1 Der Komplexität der Unternehmenskultur durch Systematik begegnen������  38 3.2 Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell����������������������������  39 3.2.1 Die strategische Ebene: Vision und Strategien ��������������������������������  39 3.2.2 Die Handlungsebene: Maßnahmen und Prozesse ����������������������������  42 3.2.3 Die Reflexionsebene: Culture Hacks als ständiger Kompass ����������  44 3.3 Ein Ansatz zur Gestaltung der Unternehmenskultur: Der Culture Excellence Prozess����������������������������������������������������������������������������������������  48 3.3.1 Die einzelnen Phasen des Culture Excellence Prozesses������������������  48 3.3.2 Der Culture Excellence Prozess als zentrales Management-­ Instrument zur Gestaltung der Unternehmenskultur������������������������  51 3.4 Key Points ����������������������������������������������������������������������������������������������������  51 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  52 4 Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  53 4.1 Warum ist ein Modell zur Diskussion der Unternehmenskultur wesentlich?����������������������������������������������������������������������������������������������������  54 4.2 Kurze Synopsis verschiedener Unternehmenskultur-Modelle����������������������  55 4.2.1 Entwicklungsorientierte Modelle: Das Graves-Modell��������������������  55 4.2.2 Generische Modelle: Das Organisationskulturmodell von Denison und das OCI Modell��������������������������������������������������������������������������  55 4.2.3 Problembasierte und spezifizierte Modelle��������������������������������������  56 4.3 Ein eigenes Modell der Unternehmenskultur entwickeln – Integration verschiedener Perspektiven��������������������������������������������������������������������������  57 4.3.1 Verschiedenen Perspektiven Rechnung tragen ��������������������������������  57 4.3.2 Integration der Sichten – Basis des eigenen Unternehmenskultur-­ Modells ��������������������������������������������������������������������������������������������  61 4.4 Das Kultur-Diamant-Modell: Vorgehenskonzept zur Identifikation der eigenen Unternehmenskultur������������������������������������������������������������������������  61 4.4.1 Ein Beispiel: Erfassung kulturrelevanter Faktoren ��������������������������  65 4.4.2 Ein Beispiel: Verdichtung auf unternehmensindividuelle Kulturfaktoren����������������������������������������������������������������������������������  67 4.5 Alignment der Unternehmenskultur mit der Unternehmensstrategie ����������  68 4.6 Key Points ����������������������������������������������������������������������������������������������������  70 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  71

Inhaltsverzeichnis

XI

5 Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  73 5.1 Das Unternehmenskultur-Audit – zum Begriff und Konzept ����������������������  74 5.2 Erhebung und Auswertung����������������������������������������������������������������������������  75 5.3 Ableitung und Priorisierung von Zielen�������������������������������������������������������  78 5.4 Ein Beispiel zur Illustration��������������������������������������������������������������������������  78 5.5 Key Points ����������������������������������������������������������������������������������������������������  81 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  81 6 Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  83 6.1 Bedeutung und Funktion von Reifegrad-Modellen��������������������������������������  84 6.2 Konzept des Reifegrad-Modells��������������������������������������������������������������������  86 6.2.1 Stufen im Reifegrad-Modell ������������������������������������������������������������  86 6.2.2 Optionen zur Durchführung der Bestimmung des Reifegrades��������  88 6.3 Vorgehensmodell zur strategischen Positionierung��������������������������������������  90 6.4 Beispiel eines Reifegrad-Modells zur Unternehmenskultur ������������������������  92 6.5 Key Points ����������������������������������������������������������������������������������������������������  96 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������  97 7 Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung . . . . . . . . . . .  99 7.1 Systematik zur Entwicklung von Strategien ������������������������������������������������ 100 7.1.1 Generische Strategien ���������������������������������������������������������������������� 101 7.1.2 Spezifische Strategien ���������������������������������������������������������������������� 103 7.2 Strategie-Optionen des Kulturwandels �������������������������������������������������������� 104 7.3 Controlling der Strategie-Prämissen ������������������������������������������������������������ 106 7.4 Key Points ���������������������������������������������������������������������������������������������������� 106 8 Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8.1 Einsatz von Interventionen und Methoden im Architektur-Modell�������������� 111 8.1.1 Mindset und Verhalten – Die strategische Ebene des Architektur-­Modells�������������������������������������������������������������������������� 111 8.1.2 Von der Strategie ins Tun kommen – Die operative Ebene des Architektur-Modells�������������������������������������������������������������������������� 112 8.1.3 Culture Hacks – Die punktuelle Ebene des Architektur-Modells���� 116 8.2 Klassische Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur�������������������� 120 8.3 Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur�������������������������� 121 8.3.1 Interventionen und Methoden – Eine Charakterisierung������������������ 122 8.3.2 Eignungspotenzial für das eigene Unternehmen������������������������������ 128 8.4 Key Points ���������������������������������������������������������������������������������������������������� 130 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 130 9 Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 9.1 Vorgehenskonzept festlegen�������������������������������������������������������������������������� 134

XII

Inhaltsverzeichnis

9.2 Abhängigkeiten zwischen den Maßnahmen evaluieren�������������������������������� 136 9.3 Vom Methoden-Portfolio zu einer Roadmap kommen �������������������������������� 137 9.4 Projektmanagement installieren�������������������������������������������������������������������� 138 9.5 Implementierungserfolg messen und bewerten�������������������������������������������� 139 9.6 Roll-Out sicherstellen ���������������������������������������������������������������������������������� 140 9.7 Learnings sammeln und verarbeiten ������������������������������������������������������������ 140 9.8 Eine Warnung und Ermutigung zugleich!���������������������������������������������������� 141 9.9 Key Points ���������������������������������������������������������������������������������������������������� 141 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 142 10 Integrative Sicht: Das Konzept der Culture Excellence. . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 10.1 Die einzelnen Bausteine der Culture Excellence���������������������������������������� 144 10.2 Integration der einzelnen Bausteine in das Konzept der Culture Excellence – Ansatz und Vorteile���������������������������������������������������������������� 144 10.3 Der Kulturgestaltungsprozess als rekursives Modell���������������������������������� 146 10.4 Key Points �������������������������������������������������������������������������������������������������� 147 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 147 11 Im Projekt des Kulturwandels nicht scheitern: Do’s und Don’ts. . . . . . . . . . . 149 11.1 Warum ist die Gestaltung einer Unternehmenskultur ein sensibles Unterfangen?���������������������������������������������������������������������������������������������� 150 11.2 Do’s: Diese Vorgehensweisen versprechen Erfolg�������������������������������������� 150 11.3 Don’ts: Diese Vorgehensweisen am besten vermeiden������������������������������ 153 11.4 Key Points �������������������������������������������������������������������������������������������������� 155 12 Die besondere Rolle von Leadership. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 12.1 Bedeutung des Leadership – Führung und Management���������������������������� 157 12.2 Vorbildverhalten als der wichtigste Einflussfaktor bei der Entwicklung der Unternehmenskultur������������������������������������������������������������������������������ 158 12.3 Management im Sandwich�������������������������������������������������������������������������� 160 12.4 Wer ist Vorbild im demokratischen Unternehmen?������������������������������������ 160 12.5 Key Points �������������������������������������������������������������������������������������������������� 162 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 163 13 Unternehmenskultur leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 13.1 Gewohnheiten entstehen lassen������������������������������������������������������������������ 166 13.2 Reflexion der Unternehmenskultur in den Alltag einfließen lassen������������ 166 13.3 Unternehmenskultur als dynamische Entwicklung zulassen���������������������� 167 13.4 Unternehmenskultur – zwischen einer „never ending Story“ oder „das Leben bietet noch viele spannende Momente“ ������������������������������������������ 168 13.5 Unternehmenskultur bewusst feiern – und Stolz entwickeln���������������������� 168 13.6 Key Points �������������������������������������������������������������������������������������������������� 169 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 170

Inhaltsverzeichnis

XIII

14 Herausforderungen an die Unternehmenskultur: Heute und Morgen. . . . . . 171 14.1 Welches sind die künftigen Herausforderungen an die Unternehmenskultur?���������������������������������������������������������������������������������� 172 14.2 Key Points �������������������������������������������������������������������������������������������������� 179 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 180

1

Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Zusammenfassung

Jedes Unternehmen, jede Organisation verfügt über eine Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur definiert den Möglichkeitsraum und die Handlungsoptionen von Unternehmen. Ihr kommt daher elementare Bedeutung für eine erfolgreiche unternehmerische Entwicklung zu. Gleichzeitig limitiert eine nicht adäquate Unternehmenskultur die Prosperitätsaussichten von Unternehmen. Die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur ist somit für jedes Unternehmen wichtig. Die zentrale Verantwortung für die Unternehmenskultur liegt beim Top-Management. Sie zeigt sich jedoch auf allen Ebenen des Unternehmens, somit sind sämtliche Führungskräfte für die vorherrschende Unternehmenskultur gleichermaßen verantwortlich und zuständig. Dieses Kapitel führt in das Themengebiet der Unternehmenskultur ein und verdeutlicht ihre ökonomische Relevanz. Die Vielschichtigkeit des Themas verlangt nach Fokussierung: die Unternehmenskultur wird als ein betriebswirtschaftlich-organisationales Phänomen verstanden, das einer Analyse, Gestaltung und Entwicklung offensteht. Diese pragmatische Sichtweise eröffnet einen Zugang, der es Führungskräften erlaubt, Unternehmenskultur als das veränderungs- und anpassungsfähige Innenleben von Organisationen zu begreifen. Damit wird die Möglichkeit verbunden, Interventionen zu entwickeln, um zu einer gewünschten Unternehmenskultur zu gelangen. Ein einführender Selbst-Test zur Analyse der eigenen Aktivitäten bezüglich der Unternehmenskultur zeigt den aktuellen Stellenwert und verdeutlicht den möglichen Handlungsbedarf im Unternehmen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_1

1

2

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Unternehmen ohne eine eigene Unternehmenskultur gibt es nicht. Aber welche Unternehmenskultur herrscht vor, wie ist sie entstanden, ist das die „richtige“ und förderliche, wie kann sie verändert, wie gestaltet werden? Führungskräfte sollten diese Fragen für das gesamte Unternehmen und auch den eigenen Verantwortungsbereich adressieren. Zu Anfang fehlt allerdings häufig eine gemeinsame Gesprächsgrundlage: Jeder weiß im Grunde, wie sich Unternehmenskultur anfühlt und jeder hat eine Vorstellung von ihr. Aber, sind diese Annahmen auch gut kommunizierbar? Verfügen wir alle über ähnliche semantische Interpretationen? Diese zu schaffen ist das Anliegen dieses Kapitels.

1.1

Was ist überhaupt Unternehmenskultur?

Kaum ein Managementbegriff wird so gerne und häufig in den Mund genommen wie Unternehmenskultur. Über die Bedeutung der Unternehmenskultur als zentralen Faktor erfolgreicher Unternehmen ist man sich schnell einig und dessen auch bereits seit langem bewusst. Seit Jahren rangiert Unternehmenskultur in diversen Studien ganz oben als eines der wichtigsten Themen der Unternehmensführung. So halten aktuell 47 % von Entscheidern in deutschsprachigen Ländern die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur für das Top-Thema (Hays 2017, S. 10). Eine Untersuchung von Deloitte (2016) zur Bedeutung von Trends des Humankapitals illustriert das noch deutlicher: 82  % der befragten Manager betrachten Unternehmenskultur als potenziellen Wettbewerbsfaktor. Seit nun fast 40 Jahren steht die Unternehmenskultur im Fokus wissenschaftlicher und praktischer Betrachtung. Zeit genug, möchte man meinen, alle Facetten des Konzeptes ausgeleuchtet und für die Praxis bestens operationalisiert zu haben. An der Popularität des Begriffes im Sprachgebrauch mangelt es jedenfalls nicht. Damit korrespondierend liegt es nahe, den Begriff Unternehmenskultur für alles und jedes in Anspruch zu nehmen – er ist ja so herrlich unverbindlich. Der semantische Interpretationsspielraum des Begriffes scheint groß, die Zuständigkeit gemeinschaftlich und so lässt sich auch die Verantwortung vor allem für Misserfolge gerne auf eben die Unternehmenskultur schieben, für die man ja nicht (alleine) verantwortlich ist. Der konsequente Missbrauch des Begriffes und auch des Konzeptes für alle Unzulänglichkeiten ist gewaltig. Anmerkung an dieser Stelle: Der Begriff Unternehmenskultur gilt nicht nur für den Unternehmensbereich, ebenso verfügen Verwaltungen, Non-Profit-­Organisationen, Kirchen, Parteien, Vereine … über eine eigene Organisationskultur, die die Erfüllung des Zwecks der Existenz dieser Organisationen sichern soll. Die Begriffe Unternehmens- und Organisationskultur werden daher synonym verwendet, der Einfachheit halber wird zumeist jedoch der Begriff Unternehmenskultur verwendet.

Gleichzeitig ist es erstaunlich, in wie wenigen Unternehmen konkrete, gesamthafte Initiativen zum Thema Unternehmenskultur anzutreffen sind. Ein Blick in die Deloitte-­ Studie (ebd.) offenbart es: nur 28 % der befragten Manager glauben, die eigene Unternehmenskultur gut zu verstehen und gerade 19 % gehen davon aus, dass ihre Organisation die

1.1  Was ist überhaupt Unternehmenskultur?

3

„richtige“ Unternehmenskultur besitzt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Gartner (2018): demnach gehen nur 31  % der Personalverantwortlichen davon aus, die richtige Kultur zu besitzen, um zukünftigen Geschäftserfolg sicherzustellen, nur 32 % der Personalverantwortlichen sind davon überzeugt, dass ihr Unternehmen in der Lage ist, die richtige Unternehmenskultur in den täglichen Alltag zu implementieren. Gerade einmal 24 % der Mitarbeiter bestätigen, dass die Unternehmenskultur ihr tägliches Handeln bestimmt. Das Bild wird aber noch unzulänglicher: 69 % der Mitarbeiter wissen nicht, welche Kultur das Unternehmen haben sollte, 87 % glauben nicht an die propagierte Unternehmenskultur und gar 90 % der Mitarbeiter unternehmen zudem keine Bestrebungen, mit ihrem Verhalten die notwendige Unternehmenskultur zu fördern (Gartner 2018). Welch ein Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit! Wenn etwas als so wichtig für den Erfolg von Unternehmen wahrgenommen wird, warum wird dann erstaunlicherweise so wenig unternommen, um die Unternehmenskultur systematisch zu entwickeln? Eine naheliegende Antwort liegt im diffusen Begriff begründet, nur sehr schwer lassen sich konkrete Anhaltspunkte, wie und womit denn die Unternehmenskultur nun beeinflusst und gestaltet werden könnte, finden. Zumeist fehlt es bereits an der Zielsetzung – welche Kultur möchte man denn haben? Oder anders gefragt, ist die Kultur, die sich entwickelt hat – wenn man sie denn überhaupt genau kennt – die richtige? Was ist denn überhaupt eine gute Unternehmenskultur? Wodurch wird sie gekennzeichnet und gilt sie immer und überall? Eine Unternehmenskultur gewährleistet das Funktionieren eines Unternehmens, das ist der alltägliche Normalfall. Bemühen wir nun Darwins Evolutionstheorie (1859) so wissen wir jedoch: nur diejenigen, die sich an ihre jeweilige Umwelt anpassen können („survival of the fittest“), überleben als Spezies und eröffnen sich weitere Zukunftschancen. Diese der Evolution entliehene Metapher passt gut für die Unternehmenspraxis: eine „normale“ Unternehmenskultur ermöglicht das Überleben von Unternehmen. Eine „gute“ Unternehmenskultur schafft im Vergleich zu anderen Unternehmen im Wettbewerbsumfeld besondere Mehrwerte – doch weiß man in den Unternehmen, was das Spezielle sein sollte, das dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile sichern könnte? Ist es eine Unternehmenskultur, die besonders hohe Kreativität, Innovation, Qualität, Kundennähe, Kostendenken, Schnelligkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Vertrauen, Agilität … ermöglicht? Welche ­Eigenschaften weist so eine Kultur auf und wie können diese entwickelt werden? Fragen, auf die Verantwortliche in Unternehmen eine Antwort haben sollten. Die Unternehmenskultur definiert den Möglichkeitsraum, in dem etwas geschehen kann – oder eben nicht geschehen kann. Sie definiert das positiv-sanktionierte Verhalten – und das negativ-sanktionierte. Sie schafft den Raum für Bewährtes und Neues. Die Unternehmenskultur entscheidet darüber, wie und wohin sich ein Organismus, wie es ein Unternehmen oder eine Organisation darstellen, zukünftig entwickeln wird.

4

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

cc Unternehmenskultur repräsentiert Normen, Werte und Verhalten, die in einer Organisation von einer Vielzahl von Mitarbeitern akzeptiert und geteilt werden. Die Unternehmenskultur stellt somit eine soziale Norm dar, die erwünschtes Verhalten belohnt und unerwünschtes Verhalten sanktioniert. Sie wird als Erwartungshaltung an das Verhalten von Organisationsmitgliedern betrachtet. Die Macht der Unternehmenskultur wird durch folgendes, gern zitiertes Bonmot deutlich: „Culture eats strategy for breakfast“. Es ist also die Unternehmenskultur, die nachhaltig bestimmt, wie sich Unternehmen künftig entwickeln. Die Unternehmenskultur stellt die Basis, den Humus sozusagen, die den Möglichkeitsraum für Unternehmen schafft und eröffnet. Die Kultur befördert bestimmte Denk- und Verhaltensweisen oder sie be- oder gar verhindert diese. So einfach ist also die Botschaft: „Wollen Sie langfristig erfolgreich sein, arbeiten Sie an der Unternehmenskultur“. Die faktische Praxis vermittelt, wie die Zahlen oben offenbaren, eine andere, eine sehr ernüchternde Realität. Zwischen der wahrgenommenen Bedeutung von Unternehmenskultur und einer gezielten Beeinflussung und Entwicklung dieser herrschen große Gräben. Es fehlen offensichtlich das Wissen und die Kompetenz, wie eine zukunftsfähige Unternehmenskultur entwickelt und implementiert werden kann.

1.1.1 Vertiefte Illustrationen des Begriffes Unternehmenskultur Unternehmenskultur beschreibt den Lebensraum einer Organisation. Lebensraum umfasst dabei den Mikrokosmos, wie er von den Organisationsangehörigen erlebt und gelebt wird. Dieser steht natürlich in einem steten Austausch mit verbundenen Umwelten, dennoch kristallisieren sich spezifische, kollektive Mindsets im Sinne vorherrschender Denk- und Interpretationsmuster heraus, die sich auf das Verhalten der Organisationsmitglieder auswirken. Diese Mindsets führen zu organisationalen (akzeptierten oder missbilligten) Verhaltensmustern. Damit wird der zentrale Stellenwert von Unternehmenskultur deutlich: sie definiert den Raum, in dem Ideen entstehen oder unterdrückt werden, Initiative befördert oder erstickt, Motivation gefördert oder vernichtet, Engagement belohnt oder entmutigt, Zusammenarbeit unterstützt oder behindert wird. Kurz gesagt, Unternehmenskultur schafft die Grundvoraussetzungen, unter denen erfolgreiches Arbeiten ermöglicht oder verunmöglicht wird. Definitionen zur Anwendbarkeit führen Unter Unternehmenskultur verstehen wir die Summe aller Qualitäten, d. h. Werte, Einstellungen, Normen, Verhaltensweisen, Rituale, Umgangsformen bis hin zu sichtbaren Ausprägungen wie Gebäude- und Büroeinrichtung oder Ablauf von Besprechungen, die sich in sozialen Organisationen entwickelt und ausgeprägt haben. Sie repräsentiert also die gelebte und häufig unbewusst wahrgenommene Realität. Nur einen Teil, den wesentlich geringeren, kann man von außen beobachten. Vor allem die Geschichten als existierende

1.1  Was ist überhaupt Unternehmenskultur?

5

Interpretationsfilter und die kollektiven Wahrnehmungs- und Deutungsmuster machen die jeweilige Unternehmenskultur einer Organisation aus. Es sind also die Narrative, die eine Unternehmenskultur begründen. Ausgangspunkt der Überlegung ist zunächst eine Betrachtung dessen, was die Unternehmenskultur ausmacht. Dabei betrachten wir fünf Ebenen, die eine Unternehmenskultur manifestieren (Abb. 1.1). Träger der Unternehmenskultur sind Menschen mit ihren Grundannahmen über den Sinn des Lebens, der Arbeit, der Existenz des Unternehmens, zwischenmenschliche Beziehungen im Arbeitsleben, Prioritäten, Rollen, Autoritäten und die Stellung im Unternehmen. Diese Ausprägungen werden verfestigt durch kollektive Strukturen, die sich im kommunikativen Austausch gebildet haben, durch Geschichten, Erlebnisse und Erfahrungen, die ein gemeinsames organisationales Gedächtnis bilden. Diese Annahmen sind meist unbewusst, sie entsprechen dem Gefühl: „So sind wir“. Werte sind explizite Selbstdeutungen, die häufig im Leitbild, in der Vision, Mission oder in Wertekatalogen festgehalten werden. Sie sind explizite Verlautbarungen, wie das Unternehmen sich selbst, die eigene Verortung in Wirtschaft und Gesellschaft, den gesellschaftlichen und marktlichen Beitrag und den Umgang der Menschen innerhalb des Unternehmens sowie mit Partnern außerhalb sehen und gestalten möchte: „So wollen wir gesehen werden“.

Abb. 1.1  Ebenen der Unternehmenskultur (in Anlehnung an Schein 1995, S.  30; Sackmann 2004, S. 27)

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1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Normen und Regeln bilden den Rahmen für das tägliche Wirken in Unternehmen. Es sind die positiven wie negativen Sanktionssysteme, Verhaltensrichtlinien, Verträge, die den Leistungsbeitrag und die Entlohnung dokumentieren, aber auch Hinweise, wie die Arbeit zu erledigen ist: „So sollten wir es machen“. Schein (1995) behandelt Werte und Normen als eine Kategorie. In Erweiterung des klassischen Modells von Schein (1995) und von Sackmann (2004) führen wir bewusst eine zusätzliche Ebene, das Verhalten, als eigene Betrachtungsebene, in unser Modell ein. Das Verhalten der Organisationsmitglieder zeigt sich in ihrem sichtbaren Agieren bei der Verfolgung ihrer Aufgaben und Ziele. Es kann mit vielen Interventionsmethoden direkt adressiert werden, es ist somit der adäquate Ansatzpunkt, um auf den gelebten Unternehmensalltag einzuwirken. Das prädestiniert es, als eine eigene Kategorie herausgestellt zu werden. Das Verhalten folgt geübter Praxis – daher wird auch oft von Praktiken gesprochen -, verfestigt sich und wird durch Bestätigung oder Ablehnung gelenkt oder verändert. Das Verhalten entspricht dem positiv sanktionierten „So machen wir es“. Artefakte sind schließlich die sichtbaren Zeichen, wie Umgangsformen, Kleidung, Sprache, Rituale, Mythen, Büroräume, Ausstattung und weitere wahrnehmbare Formen der Institutionalisierung, kennzeichnend ist: „So ist es hier und so läuft das hier“. Mit diesem Grundkonzept der Unternehmenskultur werden zwei Aspekte deutlich: • die fünf Ebenen wirken von unten nach oben, können aber auch von oben nach unten beeinflussen und so eine Wechselwirkung auslösen; • die Ausprägungen der einzelnen Ebenen entsprechen einem unterschiedlichen Grad an Formung und Rigidität, sie weisen ungleiche Stabilitäten auf und ihre Veränderbarkeit erfordert differenzierte zeitliche und inhaltliche Maßnahmen. Im Weiteren wird dieser in der Literatur vorherrschende Definitionsansatz konzentriert und damit handhabbar für die betriebliche Praxis betrachtet. Gartner (2018) fasst die Dimensionen in zwei Bereiche: das Mindset und das Verhalten. Das Mindset umfasst dabei die ersten drei Ebenen unseres ausdifferenzierteren Modells, das Verhalten die Ebenen 4 und 5. Der Begriff Mindset wird in Ermangelung eines entsprechend prägnanten deutschen Wortes auch in den folgenden Ausführungen verwendet. Dahinter verbergen sich etwa die Konstrukte: Einstellung, Denkweise, Denkart, Gesinnung, geistige Haltung oder auch Mentalität. Folgen wir dem Gartner-Ansatz, lassen sich die verschiedenen Ausprägungen durchaus in diese beiden Kategorien fassen: Grundannahmen, Werte und Normen stellen das ­individuelle und kollektive Mindset dar, das Verhalten und die Artefakte entsprechen der Kategorie Verhalten (Gartner spricht von Praktiken, der Einfachheit halber belassen wir es beim Begriff Verhalten). Jegliche Unternehmenskultur lässt sich also in der Gleichung:

1.1  Was ist überhaupt Unternehmenskultur?



7

Kultur = ( Mindset + Verhalten )

beschreiben. Zur Veränderung der Unternehmenskultur können also jeweils das Mindset und/ oder das Verhalten adressiert werden. Des Weiteren führen Methoden im Sinne von Interventionen, Instrumenten, Tools oder Technologien dazu, die Art und Weise der Zusammenarbeit und somit die Unternehmenskultur zu verändern. Daraus ergeben sich schließlich neue Fähigkeiten der Organisation, die zu verbesserten Resultaten des Unternehmens führen können:

( Mindset + Verhalten ) x Methoden

= Fähigkeiten einer Organisation, bessere Ergebnisse zu erzielen.

Diese Gleichung (Gartner 2018) ist durchaus fruchtbar, da unmittelbar deutlich wird, dass jegliche Maßnahmen zur Kulturveränderung ohne eine Anpassung des Mindsets und/oder des Verhaltens erfolglos sein werden. Kurzfristige Effekte sind natürlich möglich, ohne aber vom Mindset getragen zu werden und ohne eine Änderung des Verhaltens wird jede neu eingesetzte Methode scheitern. Damit wird nachdrücklich der Dreiklang zwischen dem Denken (Mindset), Handeln (Verhalten) und Methoden ins Bewusstsein gerückt: Das sind die Ebenen, die im Rahmen von Kulturveränderungsprozessen zu adressieren sind, um Unternehmen entsprechend weiter zu entwickeln. Weiter vereinfachend könnte man das Mindset auch als das „Wollen“ bezeichnen, das Verhalten als „Können“ und die Methoden schließlich als „Dürfen“, die das Umfeld bezeichnen, in denen das Wollen und Können zur Anwendung gebracht werden sollen. Diese Betrachtung kann hilfreich sein, wenn über die Unternehmenskultur diskutiert wird und durch diese plakativen Begriffe diese auf den Boden gebracht werden.

1.1.2 Funktionen der Unternehmenskultur Welche Funktion kommt der Unternehmenskultur überhaupt zu, warum ist eine Auseinandersetzung mit ihr nicht nur hilfreich, sondern notwendig für Unternehmen? Zum einen lässt sich eine Unternehmenskultur gar nicht vermeiden, alle sozialen Systeme prägen eine bestimmte Kultur aus. Ein Unternehmen kann nicht keine Kultur haben. Alle institutionalisierten gesellschaftlichen Subsysteme – nichts Anderes stellen Unternehmen und andere Organisationen dar – entwickeln aufgrund ihrer spezifischen Rahmenbedingungen und der Interaktion unterschiedlicher Subjekte immer auch individuelle Kulturen, die sich von anderen Unternehmenskulturen unterscheiden. Das Ziel von Unternehmen sollte folglich sein, eine Kultur zu etablieren, in der das eigene Potenzial zur besten Entfaltung kommen kann. Damit nähern wir uns der Frage nach der Güte, der Qualität von Unternehmenskultur – wann ermöglicht diese die Erbringung nachhaltig nachgefragter Leistungen für den Markt, als letztendlicher Instanz und Existenzgrundlage, die das Überleben sichert?

8

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Somit kristallisiert sich bereits eine notwendige Bedingung für die Qualität einer Unternehmenskultur heraus. Die Unternehmenskultur muss die Adaption an Veränderungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems ermöglichen. Adaptionsfähigkeit bedeutet, dass Umweltbedingungen und -veränderungen im Inneren der Organisation wahrgenommen, reflektiert und ihnen durch adäquate Entwicklungen begegnet wird  – Unternehmen folglich anpassungsfähig im Austausch mit der Umwelt gehalten werden. Sie sollte also eine Offenheit zu den relevanten umgebenden Systemen aufweisen: eine komplexe und ausdifferenzierte Umwelt erfordert daher eine nach Möglichkeit ebenso komplexe und ausdifferenzierte Anpassungsfähigkeit, die durch die interne Kultur zu gewährleisten ist. Sie sollte mindestens über die Fähigkeit verfügen, mit dieser Umwelt im Sinne von Ashby’s Law (1956) zu korrespondieren: Dynamik und Veränderung, die von außen kommen, erfordern innen im Unternehmen Fähigkeiten zur Absorption und damit zur Bewältigung der neuen Anforderungen – die Varietät der beiden Systeme sollte vergleichbar sein. Eine natürlich für die einzelnen Unternehmen nicht einfach umzusetzende Forderung. Allerdings wird eine wesentlich einfacher strukturierte oder rigide interne Kultur kaum in der Lage sein, komplexen externen Zuständen adäquat zu begegnen. Eine entsprechend disponierte, ermöglichende Kultur zu entwickeln bleibt eine wichtige Herausforderung für jedes Unternehmen. Der Vorteil einer Organisation liegt freilich darin, dass sie fokussierter als die Umwelt agieren kann, daher auch beherrschbarer sein wird. Damit ist die zweite und ergänzende Bedeutung und Funktion der Unternehmenskultur genannt, die der Integration. Sie integriert interne Strukturen und Prozesse nach Möglichkeit in eine gemeinsame Ausrichtung aller Aktivitäten  – eine Grundvoraussetzung, um neue Dynamiken und Veränderungen überhaupt bewältigen zu können. Je effektiver und effizienter sie das schafft, umso „besser“ ist die Unternehmenskultur. Die Unternehmen stehen somit vor folgenden Fragen: • Welche Unternehmenskultur ist notwendig, um den gegenwärtigen und künftigen He­ rausforderungen des Marktes, der Technologien und der Gesellschaft zu begegnen und die eigene Vision und Mission – ihre Existenzberechtigung – durch das Anbieten von Produkten oder Dienstleistungen realisieren zu können? • Über welche Unternehmenskultur verfügt derzeit das Unternehmen überhaupt und entspricht sie dem Bild, das für die Zukunft als adäquat angesehen wird? • Wenn es einen „Gap“ zwischen der Soll- und der Ist-Kultur gibt, durch welche Maßnahmen kann eine Anpassung und Weiterentwicklung erfolgen? • Wie können diese Maßnahmen erfolgreich und nachhaltig umgesetzt werden? • Wie kann ein permanentes System zur Adaption und Integration institutionalisiert werden, um ein langfristiges Überleben des Unternehmens zu ermöglichen? Wie kann der Weg von einem Reparaturbetrieb (die ersten vier Fragen) zu einem sich selbst emergent anpassenden System gefördert werden?

1.1  Was ist überhaupt Unternehmenskultur?

9

1.1.3 Wo liegen die Ansatzpunkte? Das Problem, warum die Unternehmenskultur häufig als Management-Instrument weder begriffen noch gestaltet wird, liegt in ihrer diffusen Bedeutung: sowohl vom Begriff und Verständnis her als auch von den möglichen Ansatzpunkten. Jedes Unternehmen, jede Organisation hat eine eigene Unternehmenskultur entwickelt und das in der Regel ohne jedes bewusste Zutun. Es gibt allerdings klare Mechanismen, wie eine Kultur entsteht und wie sie beeinflusst wird – und wenn wir das verstehen, können wir sie auch verändern und in eine gewünschte Richtung gestalten. Damit unterliegen wir allerdings nicht einem naiven Veränderungsglauben; Unternehmenskultur lässt sich nicht einfach direkt gestalten, sie muss systemisch betrachtet werden und nicht nur zahlreiche Faktoren und Variablen wirken auf sie, häufig genug entzieht sie sich direkten Gestaltungsmaßnahmen. Sie lässt sich nicht einfach verordnen. Allerdings wäre jede Kapitulation vor einer Veränderungsfähigkeit fehl am Platze – Unternehmenskultur ist entstanden und gewachsen, sie kann folglich auch fortentwickelt und damit gestaltet werden. Leider sind in der Praxis häufig Ansatzpunkte, Methoden und Instrumente noch zu wenig bekannt, die systematisch und strukturiert verwendet werden können. Nur wenige Organisationen wissen, welche Unternehmenskultur sie derzeit charakterisiert und noch weniger wissen sie, welche Unternehmenskultur sie eigentlich anstreben sollten, um nachhaltig erfolgreich zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass natürlich in einem Unternehmen mehrere parallelen Unternehmenskulturen vorherrschen können, je größer das Unternehmen, umso wahrscheinlicher die interne Vielfalt an Kulturen. Aber auch innerhalb von Abteilungen kann es zu unterschiedlichen (Sub-)Kulturen kommen. Wenn hier postuliert wird, die Unternehmenskultur stelle die allgemein akzeptierten Normen dar, ist ebenso klar, dass verschiedene Mitarbeiter nicht unbedingt die gleiche Kultur mittragen werden. Deswegen wird es notwendig, dass jede Führungskraft hier ihren jeweiligen Part übernimmt und individuell auf die Mitarbeiter eingeht, um eine möglichst homogene Unternehmenskultur im eigenen Verantwortungsbereich zu etablieren. Die primären Ansatzpunkte zur aktiv gestaltenden Kulturveränderung stellen daher dar: • das Mindset der Mitarbeiter, also die Wahrnehmung und Deutung der „Welt“ aus der Unternehmensperspektive, • das Verhalten und die jeweiligen Praktiken in der Ausübung der Geschäftsprozesse, • die Methoden, die die Art und Weise des Arbeitens und der Kollaboration bestimmen. Das sind die Grundpfeiler, auf die die Kulturveränderungsmaßnahmen abzielen werden. Zuvor müssen jedoch die „richtigen“ Kulturfaktoren bestimmt werden, die dann operationalisiert werden können.

10

1.2

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Wann ist eine Unternehmenskultur gut?

Kotter und Heskett (1992) konnten in ihrem „Klassiker“ überzeugend darlegen, dass die Frage nach einer guten Unternehmenskultur differenziert werden muss. In ihrer Untersuchung haben sie herausgestellt, dass 1. Unternehmen mit einer starken Unternehmenskultur tendenziell einen höheren wirtschaftlichen Erfolg aufwiesen. Gleichzeitig konnten sie allerdings auch feststellen, dass Unternehmen mit einer stark ausgeprägten Unternehmenskultur wenig erfolgreich sein konnten. Eine starke Unternehmenskultur kann also auch bedeuten, dass die Unternehmen sich in eine falsche Richtung bewegen konnten. Halten wir hier zunächst fest: Starke Unternehmenskulturen sind tendenziell erfolgreicher als Unternehmen mit schwach ausgeprägten Unternehmenskulturen. Starke Unternehmenskulturen können gleichzeitig aber durch die fehlende Anpassung an die relevanten Umwelten den unternehmerischen Erfolg schwächen bis gar gefährden. 2. Die zweite untersuchte These stellte dann die Frage, ob es einen positiven Zusammenhang zwischen strategisch adäquaten Unternehmenskulturen und dem Unternehmenserfolg gibt. Unternehmenskulturen also, die auf die sich verändernden Rahmenbedingungen zu reagieren in der Lage sind. Dieser Nachweis konnte gelingen. Unternehmen mit einer starken Unternehmenskultur, die zugleich als „strategisch adäquat“ eingestuft wurde, waren in der Gruppe der wirtschaftlich Erfolgreichen vertreten. Hingegen waren Unternehmen, die zwar eine starke Unternehmenskultur aufwiesen, deren „fit“ mit den Rahmenbedingungen (Märkte, Kunden, Technologien, Mitarbeiter, Finanzmärkte und Kapitalgeber) als nicht adäquat bewertet wurde, auch die wirtschaftlich weniger Erfolgreichen. Langfristiger Erfolg erfordert eine starke Unternehmenskultur, die jedoch strategisch adäquat ist in Relation zu den jeweiligen wettbewerblich relevanten Rahmenbedingungen. Die nunmehr weniger erfolgreichen Unternehmen waren allerdings in der Vergangenheit durchaus erfolgreich. Was führt nun dazu, dass Unternehmen ihre Kultur an die sich rasch wandelnden Rahmenbedingungen besser anpassen können und sich erfolgreich weiterentwickeln im Gegensatz zu Unternehmen, die diesen Anpassungswandel nicht schaffen? 3. Dieses führte zur dritten These, dass nur Unternehmenskulturen, die die Unternehmen dabei unterstützen, proaktiv wechselnde Rahmenbedingungen antizipativ anzugehen und eine Anpassung daran ermöglichen, langfristig überragende wirtschaftliche Ergebnisse aufweisen. Im untersuchten Sample von 22 Unternehmen, alle mit starker Unternehmenskultur, davon aber nur 12 langfristig überdurchschnittlich erfolgreich und 10 unterdurchschnittlich erfolgreich, konnte diese These eindrucksvoll gestützt werden. Was sind nun die Merkmale der Unternehmen, die über eine starke und adaptive Unternehmenskultur verfügen? Dies lässt sich an folgenden Merkmalen festmachen: Eine ­Unternehmenskultur führt dann zu langfristig erfolgreichen Unternehmen, wenn das Unternehmen ausgewogen in seinen Fokus stellt:

1.3  Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

• • • •

11

Die Kunden und ihre Bedürfnisse, die Mitarbeiter und ihre Bedürfnisse, die Kapitalgeber mit ihren Renditeerwartungen. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Führung (Leadership) zu. Das Management auf allen Hierarchieebenen muss diese Werte vorleben und den stetigen Wandel initiieren.

Durch die enge Verzahnung dieser vier Bereiche wird auch das Risiko minimiert, den Wandel nur um des Wandels willen anzugehen. Was machen nun die Unternehmen falsch, die gleichsam über eine starke Unternehmenskultur verfügen, es aber nicht schaffen, diese adaptiv an die sich ändernden Rahmenbedingungen anzupassen? Auch hierzu liefern Kotter und Heskett (1992) eine deutliche Antwort: Das Unternehmen ist mit sich selbst beschäftigt oder die Manager kümmern sich vor allem um ihre eigene Karriere oder ihren eigenen Zuständigkeitsbereich. Ebenso kann auch nur auf eine Technologie gesetzt werden und der eigene Fokus wird dadurch eingeschränkt mit der Folge, die langfristige Prosperität zu gefährden. Ein Blick auf den gegenwärtigen Zustand der deutschen Automobilindustrie zeugt geradezu lehrbuchhaft von der Aktualität dieses Befundes. cc

Conclusio  Auch in Zeiten von Agilität und Digitalisierung kennen wir die Ingredienzen einer guten Unternehmenskultur. Die einzelnen Komponenten sind vor allem:



1. Die Kunden und Märkte mit ihren wechselnden Bedürfnissen. Dies sichert Innovation und Wachstum. 2. Die Mitarbeiter mit ihren Bedürfnissen nach sinnvollen, motivierenden und fairen Arbeitsbedingungen. Dies gewährleistet Mitwirkung und eine hohe Produktivität. 3. Die Kapitalgeber mit ihren Erwartungen an ein profitables Investment. Dies sichert Effizienz und sinnvolle Allokation von Ressourcen. 4. Ein Management, das auf allen Hierarchieebenen aktives Unternehmertum vorlebt. Es sucht nach Veränderungsnotwendigkeiten und initiiert proaktiv den Wandel. Die Verantwortung hierzu beginnt auf der obersten Ebene – oder wird von dort zerstört. Eine gute Unternehmenskultur fängt mit einer oder ganz wenigen prägenden Personen an und muss alle Managementebenen durchdringen. Das Management muss dabei auf die strikte Einhaltung der Werte achten und Abweichungen nicht dulden. Gerade der langjährige wirtschaftliche Erfolg kann zu Arroganz, Bürokratisierung und „Selbstbeschäftigung“ („Ausruhen auf dem Erfolg“) führen. Dem gilt es entschieden zu begegnen.



1.3

Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

Die überragende Bedeutung der Unternehmenskultur in der Wahrnehmung von Führungskräften für den Unternehmenserfolg wurde bereits angeführt. Aber lässt sich das auch empirisch nachweisen und wenn, nicht nur als korrelativer Zusammenhang, sondern auch kausal interpretieren?

12

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Den Einfluss der Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg können wir in zwei Begründungssträngen untersuchen: zum einen als unmittelbar ablesbar am finanziellen Erfolg von Unternehmen. Verglichen werden dabei Unternehmen, die über eine „stärkere“ Unternehmenskultur verfügen im Unterschied zu Unternehmen, deren Kultur als „schwächer“ bewertet wird. Zum anderen stellen wir Erklärungsmuster vor, die statistisch die Wirkung und den Erklärungsgehalt von Unternehmenskultur auf den Unternehmenserfolg bestimmen. Zu beiden Argumentationsansätzen gibt es überzeugende Nachweise. Zu einer ausführlichen Übersicht zum Thema siehe auch Baetge et al. (2007); Bauschke (2014) und Sackmann (2006).

1.3.1 E  ine starke Unternehmenskultur führt zu finanziell erfolgreicheren Unternehmen Die Analyse einer Vielzahl von Studien zum Zusammenhang von Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg durch Sackmann (2006) führte zu einer Verdichtung auf 12 Dimensionen. Diese Dimensionen, wir können auch von Faktoren (oder Faktorenbündeln) sprechen, weisen einen empirischen Zusammenhang zwischen einer „starken“ Unternehmenskultur und den Auswirkungen auf finanzielle Kennzahlen auf. Zwischen diesen Faktoren und der Unternehmenskultur besteht folglich eine Korrelation. Sackmann (ebd., S. 7) gliedert diese nach einer Inhaltsdimension und nach Gütemaßen, welche die Funktionalität oder Qualität einer Unternehmenskultur beschreiben. Diese zwölf Dimensionen – die allerdings nicht unabhängig voneinander sind – können mit einer Reihe unterschiedlicher Indikatoren erfasst werden. Sie ergeben aber einen sehr guten Überblick, welche Faktoren nachweisbare Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben. Inhaltliche Dimensionen . Klare und kommunizierte Identität 1 2. Durchgängige strategische (Ziel-)Orientierung 3. Kundenorientierung 4. Lern-, und Anpassungsfähigkeit 5. Innovationsfähigkeit 6. Nutzen der Potenziale der Mitarbeiter 7. Partnerschaftliche und kulturkonforme Führung – offene Kommunikation 8. Leistungsorientierung/Leistungsbereitschaft und -fähigkeit 9. Balancierte Stakeholder-Orientierung Gütemaße 10. Strategische Passung (hoher Grad an Übereinstimmung zwischen der vorhandenen unternehmenskulturellen Ausprägung und der notwendigen strategischen Orientierung) 11. Multidimensionale Orientierung (gleichzeitige Berücksichtigung und Ausprägung verschiedener Faktoren-Konstellationen) 12. Konsistenz zwischen normativem Anspruch und gelebtem Verhalten.

1.3  Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor

13

Eine weitere Studie soll stellvertretend etwas detaillierter vorgestellt werden, um die Ergebnisse in ihrer Konkretheit zu verdeutlichen. So liefern die bereits zitierten Kotter und Heskett (1992) überzeugende Argumente, der Unternehmenskultur ein besonderes Augenmerk zu widmen. Sie haben in einer umfangreichen Untersuchung Auswirkungen unterschiedlicher Kulturen auf den Unternehmenserfolg untersucht. Dabei untersuchten sie die Frage, was eigentlich eine gute Unternehmenskultur auszeichnet, d. h. eine herrschende Unternehmenskultur, die sich letztlich am Unternehmensergebnis ablesen lässt. Kotter und Heskett haben in ihrem Forschungsansatz einen Vergleich über einen langjährigen Zeitraum (11 Jahre) von 207 US-amerikanische Unternehmen der verschiedensten Branchen vorgenommen und entwickelten einen Index der kulturellen Stärke. Ihr Modell legt nahe, dass sich eine starke Unternehmenskultur vor allem dann entwickeln kann, wenn bestimmte Werte von der Mehrheit der Mitarbeiter geteilt werden. Demzufolge unterscheiden sich Unternehmen mit einer „starken“ im Gegensatz zu einer „weniger starken“ Unternehmenskultur bezüglich zentraler betriebswirtschaftlicher Kenngrößen signifikant, wie der Tab. 1.1 entnommen werden kann. Eine aktive Gestaltung der Unternehmenskultur schlägt sich folglich eindeutig messbar in positiven Unternehmensergebnissen nieder. Die Begründung haben wir bereits weiter oben angesprochen: eine „starke“ Unternehmenskultur zeichnet sich durch eine gute ­interne Zusammenarbeit (Integration) und eine hohe Adaption an wechselnde Umweltbedingungen aus.

1.3.2 U  nternehmenskultur als wichtigste Ursache für den Unternehmenserfolg Eine andere Erklärungsrichtung orientiert sich an einer plausiblen Ursache-Wirkungs-­ Beziehung. Gemessen wird hier, wie viel statistische Varianz auf die Unternehmenskultur – als unabhängige Variable – als Zuschreibung für den Unternehmenserfolg entfällt. Folgende drei Untersuchungen liefern uns Ergebnisse: Nach einer Untersuchung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS 2008) lassen sich 31 % der Varianz des Unternehmenserfolges auf die Unternehmenskultur zurückführen. In anderen Worten: Der Unternehmenserfolg kann durch die Unternehmenskultur als verursachender Faktor zu einem knappen Drittel erklärt werden. Tab. 1.1  Wirkung einer „guten“ Unternehmenskultur auf ausgewählte Kennzahlen über einen Zeitraum von 11 Jahren (nach Kotter und Heskett 1992, S. 11) Umsatz Mitarbeiterstand Aktienkurs Nettogewinn

Stärkere Kultur +682 % +282 % +901 % +756 %

Schwächere Kultur +166 % +36 % +74 % +1 %

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1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Einer weiteren Studie von Herrmann et al. (2004) zufolge, werden 23 % der Varianz des Unternehmenserfolges durch kulturelle Variablen erklärt. Ebenso führt die internationale Untersuchung von Bailom et  al. (2013, S.  43  ff.) zu weiteren interessanten Ergebnissen. Die Autoren entwickeln auf der Basis eines statistischen Ansatzes, basierend auf Partial Least Square (PLS), ein Modell, das Kausalitäten zwischen verschiedenen untersuchten Erfolgsvariablen ermitteln soll. Durch das Modell als Gesamtkonstrukt von acht unterschiedlichen Erfolgsfaktoren, lassen sich insgesamt zwar „nur“ 48 % des Unternehmenserfolges erklären, die Interpretation der Autoren ist jedoch eindeutig. Die untersuchten Variablen umfassten zwei kulturelle Aspekte, einmal die Entrepreneurship-Kultur, zum anderen die Stärke der Unternehmenskultur. Beide Faktoren konnten mit diesem Verfahren zwar nicht in eine direkte Kausalbeziehung zum Unternehmenserfolg gebracht werden, dennoch ist ihre Bedeutung als „vorgeschaltete“ Treiber für andere erfolgsrelevante Variablen eindeutig. Bailom et  al. (2013, S.  50): „Der Erfolg eines Unternehmens entscheidet sich nicht so sehr am Markt, sondern im Innern des Unternehmens“ und weiter, es seien „nicht einzelne Managementmethoden und In­ strumente, sondern letztendlich sind es die Einstellungen, Werte, Denkmuster und Verhaltensweisen des Top-Management-Teams, die die Grundlagen für einen nachhaltigen Erfolg bilden“ (ebd.,S. 51). Die Rolle der Unternehmenskultur und des Top-Managements wird also auch im Ergebnis dieser umfassenden empirischen Untersuchung als zentral erachtet. Die Bedeutung der Unternehmenskultur als integraler Faktor erfolgreicher Unternehmen wird nachdrücklich durch die Ergebnisse zahlreicher Studien unter Beweis gestellt.

1.4

Was sind die Treiber der Unternehmenskultur?

Eine interessante Ergänzung zur ökonomischen Relevanz der Unternehmenskultur liefern Guiso et al. (2015) in ihrer Analyse. Als erstes kommen sie zum Ergebnis, dass die bloße Bekanntgabe von Werten eines Unternehmens keinerlei Auswirkungen auf den messbaren Unternehmenserfolg hatte. Öffentlich proklamierte Werte wie Integrität, Teamwork, Innovation, Respekt, Qualität, Sicherheit, Corporate Social Responsibility, Kommunikation und Leistung wiesen keinerlei Korrelation mit dem Unternehmenserfolg auf (ebd. S. 63–65). Hingegen konnte eine positive Korrelation des Wertes Integrität (Synonym verwendet für: Ethik, Verantwortung, Vertrauen, Ehrlichkeit, Transparenz etc.) ausgedrückt durch die Variable „Die Aktivitäten des Managements stimmen mit ihren Werten überein“ zum finanziellen Unternehmenserfolg festgestellt werden (ebd., S. 72–75). Diese Analyse bezog sich auf die Bewertung durch Mitarbeiter, wie sie in den Studien zum „Great Place to Work“ alljährlich stattfinden. Die Daten beziehen sich dabei auf die USA und umfassen

1.4  Was sind die Treiber der Unternehmenskultur?

15

Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern. Die Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg waren bei nicht öffentlich gelisteten Unternehmen noch stärker ausgeprägt. Mit diesen Ergebnissen wird die herausragende Rolle des Managements, wie bereits von Kotter und Heskett (1992) herausgestellt auch durch neuere Untersuchungen betont. Das Vorbildverhalten des Managements wirkt sich auf die Mitarbeiter und in Folge auch auf den Unternehmenserfolg aus. Eine weitere Untersuchung von Jost (2003) hebt ebenfalls die Vorbildwirkung Vorgesetzter als Treiber der Unternehmenskultur hervor (Abb. 1.2). Gartner (2018) bietet zu diesem Themenkomplex eine weitere und sehr aufschlussreiche Ausdifferenzierung, die zu einer wesentlichen Vertiefung der bisherigen Ergebnisse führt. Die Vorbildwirkung bleibt eine Notwendigkeit, der größte Effekt in der Umsetzung einer neuen Unternehmenskultur kommt jedoch der Operationalisierung des gewünschten Verhaltens in der täglichen Arbeit zu. Erst das Herunterbrechen der gewünschten Kultureigenschaften auf konkret messbare Indikatoren und die Etablierung dieser als Maßstab zur Bewertung der jeweiligen Prozesse führt mit Abstand zur größten Umsetzungswirkung (Abb. 1.3). Die Methodik hierzu wird an späterer Stelle im Kap. 3 vorgestellt.

Abb. 1.2  Treiber der Unternehmenskultur (in Anlehnung an Jost 2003)

16

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

„Sagen“

„Tun“

„Umsetzen“

Führungskräfte kommunizieren Die Bedeutung der Unternehmenskultur

Führungskräfte passen ihr Verhalten an, um konsistent mit der Unternehmenskultur zu sein

Führungskräfte gestalten die Prozesse, Budgets, Strukturen und Maßnahmen basierend auf der Unternehmenskultur

Prozentzahl der Organisationen, in denen Führungskräfte diese Aktivitäten konsistent anwenden

83 %

29 %

19 %

Auswirkung auf das MitarbeiterUnternehmenskultur Alignment

1%

5%

18 %

Abb. 1.3  Einfluss vom Tun auf die Umsetzung der Unternehmenskultur. (Quelle: Gartner 2018)

Es wird deutlich, dass sich die meisten Führungskräfte auf die Kommunikation der Bedeutung von Unternehmenskultur beschränken und davon ausgehen, dass ihr Verhalten als Rollenmodell ausreicht. Dem ist aber nicht so, erst die konsequente Umsetzung der gewünschten Kulturparameter in die tägliche Praxis im konkreten Verhalten und in Praktiken mit messbaren Prioritäten und Metriken führen zur signifikanten Kulturveränderung. Bloße Kommunikation hat den geringsten Effekt. Führungskräfte müssen, um die Auswirkung auf die Performanz zu maximieren, den Dreiklang gehen: Sagen, Tun und Umsetzen (Gartner, ebd.) Die präsentierten Ergebnisse zeigen auf, dass die Wichtigkeit, die diesem „weichen“ Thema von den Führungskräften beigemessen wird, auch durch die tatsächliche Bedeutung für „harte“ Fakten gerechtfertigt wird. Eine hoch ausgeprägte Unternehmenskultur führt offensichtlich zu wirtschaftlich besseren Ergebnissen. Dennoch müssen wir hier erneut verdeutlichen, jedes Unternehmen hat eine eigene Geschichte, Mission, Struktur, Strategie sowie Produkt- oder Dienstleistungsangebot und bewegt sich in unterschiedlichen Branchen- und Wettbewerbsumfeldern. Eine Kultur, die in stabilen, wenig dynamischen Märkten erfolgreich ist, kann in volatilen und dynamischen Märkten dysfunktional sein. Hier ist eben nicht eine die Stabilität fördernde Kultur gefragt, sondern eine agile und flexible, die rasch auf Marktveränderungen zu reagieren in der Lage ist. In volatilen Zeiten zu leben heißt aber auch, dass stabile Märkte durch Disruptionen, wie sie beispielsweise gegenwärtig durch die Corona-Krise und die digitale Transformation verursacht werden, sehr schnell ihre Bedingungen radikal verändern können. Die Erfolgsrezepte von gestern und heute können somit den Erfolg von morgen gefährden. Solche Entwicklungen rechtzeitig zu antizipieren zeichnet aber eine gute Unternehmenskultur aus.

1.5  Neue Ansätze zur Unternehmenskultur

1.5

17

Neue Ansätze zur Unternehmenskultur

1.5.1 Verhaltensökonomische Ansätze Die Verhaltensökonomie hat in den letzten Jahren einige interessante Ansätze zum Thema der Unternehmenskultur beigetragen. Im Folgenden sollen fünf dieser Ansätze näher betrachtet werden.

1.5.1.1 Kooperation und Feedback als Schlüssel zur Optimierung der Unternehmenskultur Die Grundlage der verhaltensökonomischen Betrachtung liegt im Verständnis der Unternehmenskultur als erwartete soziale Normen in Unternehmen. Damit wird die Verankerung der Unternehmenskultur in der gegenseitigen Erwartung an das jeweilige Verhalten postuliert. Die darin zum Ausdruck kommenden normativen Prinzipien drücken sich in der jeweiligen Ausprägung der Unternehmenskultur aus. Zugleich wird die Wichtigkeit des wahrnehmbaren Interagierens deutlich – und dessen Beeinflussbarkeit durch das reale Verhalten. Negative und positive Abweichungen vom erwünschten Verhalten haben Konsequenzen auf das zukünftige Verhalten. Die Kooperationsbereitschaft innerhalb von Organisationen wird daher als ein Gestaltungsraum begriffen, der durch Maßnahmen beeinflusst werden kann. Ernst Fehr (2018) betont die Bedeutung von Sanktionsmechanismen zur Aufrechterhaltung und zur Erhöhung der Kooperationsbereitschaft. Er zeigt auf, dass ohne entsprechende Mechanismen die Kooperationsbereitschaft der Organisationsmitglieder fast zwangsläufig abnimmt. Als Regulativ hebt er vor allem das konstruktive Feedback als notwendige Maßnahme hervor, um die Kooperationsbereitschaft zu stärken. Die möglichen Ansätze zum Feedback werden im Methodenteil (Kap. 8) noch näher vorgestellt. Ebenso hebt Fehr (ebd.) die Wichtigkeit der Personalauswahl hervor, bei der vor allem kooperationswillige Bewerber auserkoren werden sollten. Auf diesen Umstand hat bereits der legendäre Jack Welch, ehemaliger CEO von General Electric, hingewiesen mit seinem viel zitierten Ausspruch: „Hire for character, train for skills“. Darüber hinaus wird ebenso in diesem Ansatz dem Vorbildverhalten der Führungskräfte eine wichtige Rolle zugemessen. 1.5.1.2 Vertrauen als Schlüssel Der Verhaltensökonom Michael Kosfeld stellt das Vertrauen als Vorbedingung für Kooperation ins Zentrum seiner Forschungen. Ausgangspunkt ist dabei die These, dass Vertrauen eine kritische Vorleistung darstellt mit der Folge, dass die Betroffenen dadurch einen ­gemeinsamen Vorteil generieren. Generell sind aus der Empirie vor allem sowohl der Typus des „Trittbrettfahrers“, der seinen individuellen Nutzen maximieren möchte, als auch des „Kooperationswilligen“, der den gemeinsamen Nutzen maximieren möchte, bekannt. Beide Phänomene sind in der Realität anzutreffen. In Organisationen mit gemeinsamer

18

1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Zielsetzung ist es daher wichtig, ein Klima zu befördern, das Vertrauen priorisiert, denn Vertrauen motiviert, Misstrauen demotiviert (Kosfeld 2018). Wichtig für das Management – das selbst einen der prägendsten Faktoren darstellt – ist, die Nicht-Kooperativen zu motivieren, ohne die Kooperativen zu demotivieren. Dabei gilt das Paradoxon, wer nicht vertraut, wird keiner vertrauenswürdigen Person begegnen (Kosfeld 2018). Es bleibt ebenso festzuhalten, dass Kooperation über die Zeit instabil ist. Auch ist diese in Teams mit bekannten Kollegen höher ausgeprägt als bei Fremden, wie empirische Untersuchungen nahelegen. Für Unternehmen bleibt als Schlussfolgerung, zum einen die „Trittbrettfahrer“ zu disziplinieren, dann kooperieren die „bedingt Kooperationswilligen“ auch freiwillig weiter (Kosfeld 2018). Damit rückt das Konsequenzenmanagement, verstanden als Sanktionierung nicht-kooperativen Verhaltens, als Führungsaufgabe ins Zentrum des organisationalen Managements. Das Vertrauen ergänzt daher die Kontrolle und stellt eine sinnvolle Vorbedingung gemeinsamer Aktivitäten in Organisationen dar. Auf eine Kurzformel gebracht lautet diese: „Vertrauen als Vorschuss lohnt sich“.

1.5.1.3 Vorbildfunktion Führungskräfte So selbstverständlich ist die Vorbildwirkung des obersten Managements allerdings in der Praxis nicht: zahlreich sind die Verfehlungen von Top-Managern in den obersten Etagen großer Konzerne. Price und Waterhouse schätzen in einer Studie den Anteil der internationalen Führungskräfte, die wegen rechtlicher oder ethischer Fehltritte den Chefsessel räumen mussten im Jahr 2017 auf ca. 5 % (PWC 2017). In der deutschsprachigen Region wird der Anteil geringer, nämlich nur auf 2 % veranschlagt. Der Anteil der Führungskräfte bei kleineren Unternehmen, die nicht so im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, dürfte auch nicht geringer ausfallen. Dabei werden oftmals im Bewusstsein und in der Wahrnehmung der Mitarbeiter die Fehltritte nicht alleine den Managern angelastet, sondern auch den Strukturen, die das Fehlverhalten ermöglicht haben. Ein Vertrauensverlust im gesamten Unternehmen kann dann die Folge sein, offensichtlich haben Governance und Compliance nicht die wünschenswerten Effekte erbracht und die gegenseitige „Kontrolle“, auch im Management, steht nicht mehr als ein positives Beispiel einer Feedbackkultur da. 1.5.1.4 Die Bedeutung des Peer-Feedbacks Nicht nur das Verhalten der Führungskräfte, wie bereits dargestellt, sondern auch dass der Kollegen (Peers) spielt eine große Rolle bei der Ausprägung von Unternehmenskultur. So wünschenswert die Etablierung hoher interner gemeinschaftlicher Normen auch ist, sehr wohl kann aber auch ein gegenteiliger Effekt eintreten. Zunehmend wird der Einfluss von „negativ“ eingestellten Mitarbeitern und deren zerstörerische Wirkung auf eine positive Unternehmenskultur diskutiert. Dimmock und Gerken (2018) kommen in ihrer Unter­ suchung zur Wirkung von schlechten Beispielen zum folgenden Schluss: „Among Co-­ Workers, it appears easier to learn bad behavior than good“. Welche Ansätze zum „Kurieren“ von „toxischen“ Mitarbeitern sind erfolgreich? Curnow-­Chavez (2018) hebt als entscheidenden Faktor die Qualität der Beziehungen in

1.5  Neue Ansätze zur Unternehmenskultur

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einem Team hervor. 70 % der Varianz zwischen schlecht- und bestfunktionierenden Teams ließen sich auf die Unterschiede in ihrer Gesamtheit erklären. Auch sie hebt hervor: „It breeds cynicism when companies espouse values and norms of behavior, but don’t hold some employees to the same standards.“ Dass hier Management durch die Sanktionsmacht handeln muss, ist evident. Was können jedoch Peers selbst machen, um das Verhalten dieser Mitarbeiter zu „heilen“? Curnow-Chavez empfiehlt folgende vier Vorgehensmöglichkeiten: . Have an honest candid conversation with the person 1 2. Raise your own game, and keep your ego in check 3. Talk with your boss 4. Take care of yourself Nach Cornerstone (2015) führt bereits ein toxischer Mitarbeiter in einem Team zu einem Leistungsabfall des gesamten Teams in der Höhe von 30–40 %. Wie verbreitet sind nun toxische Mitarbeiter in der realen Welt? Cornerstone (2015) schätzt den Anteil der toxischen Mitarbeiter in ihrer Untersuchung auf eine Größenordnung von 3–5 % aller Mitarbeiter.

1.5.1.5 Nudging oder positiv intendierte Beeinflussung Dem Dilemma der individuellen Entscheidungsfreiheit und der „richtigen“ Entscheidung widmet sich das Konzept des Nudging, das vor allem von Richard Thaler und Cass Sunstein (2008) vor gut 10 Jahren eingeführt wurde. Dabei werden die Rahmenbedingungen von Entscheidungsoptionen (Entscheidungsarchitekturen) verändert, so dass eine gewünschte Handlungsempfehlung zum eigenen und gemeinschaftlichen Nutzen gewählt wird. Dabei soll diese sublime „Entscheidungsunterstützung“ nicht als Manipulation verstanden werden. Dennoch stößt dieses Konzept wegen des inhärenten manipulativen Charakters auch auf Kritik. Danach impliziert das Nudging im Grunde einen libertären Paternalismus, bei dem die Entscheidungsalternativen dem nur „eingeschränkt rational entscheidungsfähigen Subjekt“ mit unterschiedlichen Anreizen präsentiert werden, um dessen Wahl einer Entscheidung letztendlich zu beeinflussen. Das Konzept des Nudging, für das Robert Thaler 2017 den Nobelpreis erhielt, erfreut sich vor allem in der Politikberatung einer zunehmenden Popularität, es findet aber auch stärkere Beachtung und Verwendung im Bereich der Unternehmenskultur. Mit seiner Anwendung sollen einige Faktoren der Unternehmenskultur beeinflusst werden, beispielsweise werden im Rahmen von Innovationsaktivitäten entsprechende Räume farblich gestaltet, um die Kreativität zu steigern, Räumlichkeiten in den Gebäuden (z. B. Toiletten, Cafeterias) so angeordnet, dass sie Mitarbeitern die Möglichkeit von zufälligen ­Begegnungen bieten oder in dem die Dauer von Sitzungen verkürzt und konzentriert werden, in dem sich in den Besprechungsräumen nur noch Stehtische finden. Eine Übersicht über den Nutzen von Nudging im betrieblichen Einsatz findet sich bei Güntner et al. (2019).

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1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

1.5.2 Neurowissenschaftliche Ansätze Seit gut 10 Jahren werden zunehmend auch die Erkenntnisse der Neurowissenschaft diskutiert und für das Management fruchtbar adaptiert. Der bekannte Neurowissenschaftler Gerald Hüther (2013, 2018) erinnert in seinen zahlreichen Publikationen unermüdlich an die Bedeutung von Zugehörigkeit und dem persönlichen Wachstum als Triebfeder gesunder sozialer Systeme. Purps-Pardigol (2015) führt den Ansatz des gehirngerechten Führens weiter, der den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt, wie sie die Neurowissenschaft identifiziert hat. Reisyan (2013) als ein weiterer Vertreter dieses Ansatzes beschäftigt sich mit neurowissenschaftlichen Grundlagen, wie z. B. Wahrnehmung, Gedächtnis und Lernen und macht mit Konstrukten, wie etwa Emotion, Stress, kognitiver Dissonanz, Intelligenz, Aufmerksamkeit und Kreativität im neurobiologischen Kontext vertraut. Damit liefert er ein Verständnis von kulturellen Phänomenen und menschlichem Verhalten, die für die Kulturarbeit genutzt werden können. Fabritius und Hagemann (2017) integrieren die Ergebnisse neurowissenschaftlicher Forschung in die Führungsarbeit mit dem Fokus auf die Erzielung von Hochleistungen in Teams. Amy Edmondson (2018) betont vor allem die Bedeutung der psychologischen Sicherheit in Unternehmen, die es dem einzelnen ermöglicht, das Potenzial voll einzubringen und Teams zur Entfaltung ihres Leistungsvermögens zu führen. Angstfreie Organisationen zu schaffen ist dabei wesentlich die Aufgabe einer entsprechenden Unternehmenskultur. Peters und Ghadiri (2011) haben in ihrer Publikation die folgenden Grundbedürfnisse des Menschen in den Fokus gerückt: • • • •

Lustgewinn und Unlustvermeidung Bindung und Zugehörigkeit Orientierung und Kontrolle Selbstwerterhöhung und -schutz.

Deutlich wird damit die Wichtigkeit der Verankerung dieser Bedürfnisse in die Unternehmenskultur, die diese konstituiert und auf diese zurückreflektiert. Die neurowissenschaftlichen Ansätze ergänzen das Wissen um die Wirkungsweise einzelner Faktoren für die Ausprägung einer bestimmten Unternehmenskultur. Insbesondere die gestreiften Ansätze zu Vertrauen, Zugehörigkeit und Selbstwirksamkeit verdienen in kulturellen Kontexten eine besondere Aufmerksamkeit. Auf einige dieser Phänomene verweisen bereits ältere Ansätze, wie der von Antonovsky (1997) zur Salutogenese, den er bereits in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts vorgestellt hat. Das Konzept der Salutogenese stellt die Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit als Grundlage von gesundheitsstärkenden Arbeitskontexten in den Vordergrund. Neuere Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Forschung scheinen die Gültigkeit dieses Modell zu bestätigen.

1.6  Gute Praktiken machen den Unterschied – Eine Analogie

1.6

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Gute Praktiken machen den Unterschied – Eine Analogie

Warum ist ein „gutes Management“ der Unternehmenskultur wichtig? Die aktuelle Forschung legt nahe, Produktivitätsunterschiede zwischen Unternehmen auf den unterschiedlichen Einsatz fortgeschrittener Management-Praktiken zurück zu führen. Bloom et al. (2012) bezeichnen diesen Wettbewerbsvorteil durch den Einsatz von fortgeschrittenen Managementtechniken (-praktiken) als „Management capital“. Was besonders ins Auge fällt: Laut Selbsteinschätzung bezeichnen 79  % aller Unternehmen (von über 8000 untersuchten Unternehmen in 20 Ländern) ihre Management-Praktiken als überdurchschnittlich. Nach der Analyse der Forscher, die 18 Management-Praktiken aus den drei Kategorien Ziele, Anreize und Monitoring evaluierten, waren jedoch nur 15 % der US-amerikanischen und gar weniger als 5 % der sonstigen oberhalb des Wertes von 4 auf einer 5-stufigen Skala, welche die Güte von Management-Praktiken maß. Dieses Ergebnis lässt auf einen Bias der Selbstüberschätzung schließen (Bloom et al. 2012). Die untersuchten Branchen im Sample umfassten Produktion, Handel, Gesundheit und Bildung. Die Steigerung der Qualität von Management-Praktiken hat jedoch erhebliche Ergebnisverbesserungen zur Folge: bei Unternehmen des produzierenden Gewerbes resultierte bereits eine Verbesserung um eine Stufe auf der 5-stufigen Skala in einer um 23 % höheren Produktivität, 14 % höheren Marktkapitalisierung und 1,4 % höheren jährlichen Umsatzzuwachsrate. Vergleicht man die 10 % besten Unternehmen mit den 10 % schlechtesten Unternehmen bezüglich des Unternehmenserfolges, zeichnen gute Management-Praktiken für 18 % des Unterschiedes verantwortlich, im Vergleich hierzu erklären Forschung und Entwicklung 17 %, Mitarbeiterqualifikation 11 % und IT-Ausgaben 8 %. Folglich erklärt das „gute Management“ den größten Unterschied im Unternehmenserfolg (Bloom et al. 2017). Zusammenfassend lässt sich festhalten: • qualitativ besserer Einsatz von Management-Praktiken steigert die Profitabilität von Unternehmen • die Selbsteinschätzung weicht erheblich von einer „objektiven“ Fremdeinschätzung ab, es herrscht zum nicht unerheblichen Teil eine gefährliche Selbstüberschätzung der eigenen Management-Praktiken • eine Steigerung der Managementqualität führt zu signifikanten Verbesserungen der Profitabilität. Wir übertragen diese empirisch validen Ergebnisse auf die Unternehmenskultur und wagen die plausible These: eine gut gemanagte Unternehmenskultur führt zu erfolgreicheren Unternehmen. Im nächsten Abschnitt können Sie nun den Stand der Management-­ Praktiken bezüglich der Unternehmenskultur in ihrem Unternehmen bewerten.

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1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

1.7

 ur Einstimmung: Welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen das Z Management der Unternehmenskultur ein? Ein Selbsttest

Der folgende Test gibt einen ersten Überblick darüber, wie gut (oder eben schlecht) die Unternehmenskultur in ihrem Unternehmen bisher gemanagt wird. Die gestellten Fragen können auf einer 7-stufigen Skala beantwortet werden. Der Wert 1 ist der niedrigste, der Wert 7 der beste. Die Abstufungen können sich an der Legende orientieren:

Legende zur Antwort-Skala (sinngemäß zu adaptieren)

1 Unternehmenskultur wird nicht adressiert und nicht als Gestaltungsfaktor begriffen. 3 Die Wichtigkeit der Unternehmenskultur ist dem Management bewusst, allerdings ist weder der Ist- noch der angestrebte Soll-Zustand bekannt. Erste Überlegungen zur Gestaltung der Unternehmenskultur finden statt. 5 Unternehmenskultur wird als Erfolgs- und Gestaltungsfaktor erkannt, sie wird bewusst adressiert, Maßnahme werden gesetzt, bei der Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitern wird ihr ein hoher Stellenwert zugemessen. 7 Das Management sieht in der Unternehmenskultur den wichtigsten Erfolgsfaktor. Die Unternehmenskultur wird systematisch gemanagt und strategisch weiterentwickelt, Maßnahmen werden gesetzt und evaluiert, eine stringente Unternehmenskultur wird im gesamten Unternehmen gelebt. Das Unternehmen verfügt über die gewünschte Unternehmenskultur. Die Werte in den Feldern 2,4 und 6 sind Zwischenwerte und als Kontinuum zu den anderen Ausprägungen zu bewerten.

Die 20 gestellten Fragen werden vier Ebenen (Tab. 1.2) zugeordnet, die selbsterklärend sind. Fangen Sie an! Nun haben Sie eine erste grobe Übersicht, wo ihr Unternehmen bezüglich des Managements der Unternehmenskultur steht. Ebenso wird deutlich, in welchen Ebenen besondere Stärken – oder eher häufiger, wo besondere Defizite vorliegen und zu verändern sind. Mit dieser Analyse kann im Unternehmen eine erste Einstimmung auf das Thema stattfinden. Der Bedarf nach einem guten Management der Unternehmenskultur kann evident und in den Fokus genommen werden. Das Projekt „Unternehmenskultur“ kann priorisiert und auf die Agenda gebracht werden. Dieser Selbsttest kann beliebig in gewissen Zeitabständen wiederholt werden, das Ergebnis kann aufzeigen, auf welchen Ebenen ein besonderer Handlungsbedarf besteht. Wie das alles geplant, organisiert und implementiert werden kann, ist Gegenstand der folgenden Kapitel. Die Reise kann beginnen.

1.7  Zur Einstimmung: Welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen das Management der…

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Tab. 1.2  Selbsttest: Management der Unternehmenskultur 1 2 3 4 5 6 7 1. Policy, Ziele, Strategien, Monitoring 1.1. Die Unternehmenskultur stellt im Bewusstsein der Führungskräfte einen zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung dar. 1.2. Die unternehmensindividuellen Kulturfaktoren sind bekannt 1.3. Strategien zur Entwicklung der Unternehmenskultur sind vorhanden und verankert. 1.4. Der Stand der Unternehmenskultur in seiner aktuellen Ausprägung ist bekannt, der Ziel-Zustand ist erhoben. 1.5. Das Management der Unternehmenskultur ist als „Center of Competence“ (oder ähnliche Kompetenzstelle) mit dem notwendigen internen/externen Know-how vorhanden. Durchschnittswert zu 1. 2. Umsetzung und Implementierung 2.1. Ein Projekt zur Kulturgestaltung und zum Kulturwandel ist schriftlich fixiert. 2.2. Methoden und Instrumente zur Evaluierung und Entwicklung der Unternehmenskultur werden systematisch eingesetzt. 2.3. Es existiert eine Roadmap zur konkreten Veränderung/Gestaltung der Unternehmenskultur, die abgearbeitet wird. 2.4. Pilotanwendungen und/oder Rollouts zur Unternehmenskultur werden systematisch geplant. 2.5. Behinderungen der Unternehmenskultur werden systematisch identifiziert, analysiert und Gegenmaßnahmen werden entwickelt und umgesetzt. Durchschnittswert zu 2. 3. Organisationsentwicklung und Personalentwicklung 3.1. Unternehmenskultur wird diskutiert, reflektiert und sanktioniert (z. B. Konsequenzen-Management). 3.2. Unternehmenskultur wird in der Weiterbildung adressiert. 3.3. Unternehmenskultur wird im Teambuilding explizit berücksichtigt. 3.4. Unternehmenskultur und der persönliche „Fit“ ist im Recruiting, in der persönlichen Karriereplanung und -entwicklung explizit berücksichtigt. 3.5. Die persönlich gelebte Unternehmenskultur ist Bestandteil von Beurteilungssystemen. Durchschnittswert zu 3. 4. Auswirkungen und Kompetenzen 4.1. Die Unternehmenskultur wird als Benchmark gemessen und verglichen, intern und falls möglich extern. 4.2. Engagement, Fluktuation, Krankheitsstände werden korreliert mit der herrschenden Unternehmenskultur. 4.3. Employer Branding und Unternehmenskultur werden bewusst eingesetzt. 4.4. Innovationsfähigkeit und Unternehmenskultur werden systematisch abgeglichen. (Fortsetzung)

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1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Tab. 1.2 (Fortsetzung) 1 2 3 4 5 6 7 4.5. Unternehmenskultur ist als KPI im Unternehmen verankert. Durchschnittswert zu 4. Gesamtbewertung (1–4)

1.8

 er Weg lohnt sich – Schaffen Sie die Unternehmenskultur D mit der Sie nachhaltig erfolgreich werden

Die Beschäftigung mit der Unternehmenskultur ist für Unternehmen elementar und wird zukünftig sogar noch an Wichtigkeit gewinnen. Trotz aller beschriebenen Unzulänglichkeiten in der Beschreibung, Modellierung und einem – so scheint es – eingeschränkten, eher indirekten Interventionspotenzial bleibt die Gestaltung der Unternehmenskultur eine permanente und ureigene Aufgabe des Managements auf allen Ebenen. Das erfordert aber auch die Reflexion der eigenen Person, des eigenen Verhaltens, der eigenen Werte und Grundannahmen – und wie diese zu den anderen Personen und zum System Organisation als Ganzes stehen. Eine Kompatibilität ist zum erfolgreichen Miteinander erforderlich, sonst winken Kollateralschäden – für das Unternehmen oder die Person. Das vorliegende Buch umfasst zahlreiche Ansatzpunkte und viele Anregungen, wie diese Aufgabe angegangen und bewältigt werden kann. Es ist eine Reise, die auch Sprints beinhalten kann. Und auch diese Reise fängt mit einem ersten Schritt an.

1.9

Key Points

1. Die Bedeutung, Wichtigkeit und Erfolgsrelevanz von Unternehmenskultur ist heute allgemein anerkannt. Was vor allem noch fehlt, sind gut erprobte Ansätze zur Gestaltung der Unternehmenskultur. 2. Sowohl die Mitarbeiter als auch die Führungskräfte glauben großteils nicht an die Richtigkeit der aktuell gelebten Unternehmenskultur. 3. Die Unternehmenskultur stellt die akzeptierte Erwartungshaltung an das Verhalten von Organisationsmitgliedern dar. 4. „Culture Eats Strategy for Breakfast“ 5. Das Mindset und das Verhalten repräsentieren, in eine Kurzformel gebracht, die Unternehmenskultur – sie stellen die Ansatzpunkte für valide Veränderungen dar. 6. Die Unternehmenskultur muss die Komplexität der Umwelt agil und kohärent absorbieren können, Vielfalt erfordert Vielfalt. 7. Eine gute Unternehmenskultur zeichnet sich durch einen integrierenden Fokus auf Kunden, Märkte und Umwelt, Mitarbeiter, Kapitalgeber und das Management aus. 8. Eine gute Unternehmenskultur führt zu wirtschaftlich überragenden Ergebnissen und sie stellt den wichtigsten Erfolgsfaktor dar.

Literatur

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9. Kooperation, Vertrauen, Vorbildverhalten, Feedback und Nudging sind als neue verhaltensökonomisch motivierte Formen der Kulturbeeinflussung zu berücksichtigen. 10. Aus neurowissenschaftlicher Perspektive kommen der Bindung, Zugehörigkeit, Orientierung und persönlichem Wachstum eine hohe Bedeutung zu. 11. Gutes Management der Unternehmenskultur stellt eine wichtige Voraussetzung dar, um die Kultur zu erhalten, die angestrebt wird. 12. Manager überschätzen in der Regel die Qualität ihrer Praktiken.

Literatur Antonovsky A (1997) Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit. dgvt, Tübingen Ashby WR (1956) An introduction to cybernetics. Wiley, New York Baetge J et  al (2007) Unternehmenskultur und Unternehmenserfolg: Stand der empirischen Forschung und Konsequenzen für die Entwicklung eines Messkonzeptes. J Betriebswirtsch 57(3–4):183–219 Bailom F, Matzler K, Tschermernjak D (2013) Was Top-Unternehmen anders machen: Mit Strategie, Innovation und Leadership zum nachhaltigen Erfolg. Linde, Wien Bauschke R (2014) Unternehmenskutlur und Unternehmenserfolg. In: Homma N et al (Hrsg) Einführung in die Unternehmenskultur. Springer, Wiesbaden Bloom N, Sadun R, van Reenen J (2012) Does Management really work? Har Bus Rev 90(11):70–80, 82, 148 Bloom N, Van Reenen J, Brynjolfsson E (2017) Good management predicts a firm’s success better than IT, R&D, or even employee skills. Har Bus Rev, April 10 BMAS (2008) Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Abschlussbericht Forschungsprojekt Nr. 18/05, Berlin Cornerstone (2015) Toxic employees in the workplace. Hidden costs and how to spot them. Conerstone on demand research, Santa Monica Curnow-Chavez A (2018) 4 ways to deal with a toxic coworker. Har Bus Rev, April 10 Darwin C (1859) On the origin of species. Faksimile der Erstausgabe. Harvard University Press, Cambridge, MA. 1974 Deloitte (2016) Global human capital trends 2016. https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/at/Documents/human-capital/hc-trends-2016.pdf. Zugegriffen am 17.11.2019 Dimmock S, Gerken WC (2018) How one bad employee can corrupt a whole team. Har Bus Rev, March 05 Edmondson AC (2018) The fearless organization: creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. Wiley, Hoboken Fabritius F, Hagemann HW (2017) The leading brain. Powerful science-based strategies for achieving peak performance. Penguin Random House, New York Fehr E (2018) Behavioral foundations of corporate culture. UBS center public paper no. 7, Zurich Gartner (2018) Culture in action. The role of leaders in making culture perform. https://www.gartner.com/en/executive-guidance/culture.html. Zugegriffen am 22.08.2019 Guiso L, Sapienza P, Zingales L (2015) The value of corporate culture. J Financ Econ 117(1):60–76 Güntner A, Lucks K, Sperling-Magro J (2019) Lessons from the front line of corporate nudging, McKinsey Quarterly, January. https://www.mckinsey.com/business-functions/organization/ our-insights/lessons-from-the-front-line-of-corporate-nudging. Zugegriffen am 21.08.2019

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1  Unternehmenskultur – Der zentrale Erfolgsfaktor

Hays: HR-Report (2017) Schwerpunkt Kompetenzen für eine digitale Welt. Herausgegeben von Hays AG und Institut für Beschäftigung und Employability IBE Herrmann A, Schönborn G, Peetz S (2004) Von den Besten lernen: der Einfluss der Wertekultur auf den Unternehmenserfolg. In: Bentele G, Piwinger M, Schönborn G (Hrsg) Kommunikationsmanagement. Strategien, Wissen, Lösungen (Loseblattwerk). Einzelbeiträge KM.  Luchterhand, Neuwied/Kriftel Hüther G (2013) Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher. Fischer, Berlin Hüther G (2018) Würde: Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft. Knaus, München Jost HR (2003) Unternehmenskultur: Wie weiche Faktoren zu harten Fakten werden. Orell Fuessli, Zürich Kosfeld M (2018) Wieso Vertrauen? Vortrag, Vienna Behavioral Economics Network (VBEN), (11.09.2018). https://www.youtube.com/watch?v=HM0anjrvPO0. Zugegriffen am 17.11.2019 Kotter JP, Heskett JL (1992) Corporate culture and performance. Free Press, New York Peters T, Ghadiri A (2011) Neuroleadership – Grundlagen, Konzepte, Beispiele: Erkenntnisse der Neurowissenschaften für die Mitarbeiterführung. Gabler, Wiesbaden Purps-Pardigol S (2015) Führen mit Hirn: Mitarbeiter begeistern und Unternehmenserfolg steigern. Campus, Frankfurt am Main PWC (2017) CEO success study 2017. https://www.strategyand.pwc.com/at/de/presse/oesterreichs-ceos.html. Zugegriffen am 17.11.2019 Reisyan GD (2013) Neuro-Organisationskultur. Moderne Führung orientiert an Hirn- und Emotionsforschung. Springer Gabler, Wiesbaden Sackmann SA (2004) Erfolgsfaktor Unternehmenskultur. Gabler, Wiesbaden Sackmann SA (2006) Welche kulturellen Faktoren beeinflussen den Unternehmenserfolg? https:// www.dgfp.de/hr-wiki/Betriebsvergleich_Unternehmenskultur_-_Welche_kulturellen_Faktoren_ beeinflussen_den_Unternehmenserfolg_.pdf. Zugegriffen am 17.11.2019 Schein E (1995) Unternehmenskultur: Ein Handbuch für Führungskräfte. Campus, Frankfurt am Main Thaler RH, Sunstein CR (2008) Nudge: improving decisions about health, wealth, and happiness. Yale University Press, New Haven

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Unternehmenskultur kann gestaltet werden

Zusammenfassung

Jedes Unternehmen besitzt eine individuelle Unternehmenskultur. Unternehmenskultur entwickelt sich über die Zeit. Sie entsteht mit der Gründung des Unternehmens, verändert sich, passt sich an, wird fortentwickelt. Sie ist unsichtbar, jedoch zu einem gewissen Teil beobachtbar. Unternehmenskultur ist nicht statisch, sie entwickelt sich dynamisch. Wesentlich ist das Postulat der Veränderbarkeit – Unternehmenskultur ist nicht gegeben, sie entsteht durch das Interagieren zahlreicher Menschen in einer Organisation. Für Unternehmen bleibt die entscheidende Frage, ob die vorherrschende Unternehmenskultur auch diejenige ist, die das Unternehmen in ihrer spezifischen Situation und in Zukunft am besten unterstützt. Damit bleibt die Frage zentral, ob, wie und in welchem Zeitrahmen eine Unternehmenskultur gestaltet und weiterentwickelt werden kann. Ein Unternehmen kann, je nach Größe und Komplexität des Unternehmens, zeitgleich über verschiedene parallele Unternehmenskulturen verfügen. Gerade in Zeiten der digitalen Transformation kommt auch der Ambidextrie, der gleichzeitig vorhandenen und sich nach Möglichkeit synergetisch befruchtenden Symbiose solch verschiedener Unternehmenskulturen eine wichtige Bedeutung zu.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_2

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2  Unternehmenskultur kann gestaltet werden

Unternehmenskultur ist ein dynamisches Phänomen. Wichtig ist, ihre Genese zu verstehen, denn durch dieses Verständnis wird auch die Möglichkeit zur Gestaltung und Veränderung deutlich. Kulturen entstehen und entwickeln sich weiter. Wie dieser Prozess von statten geht, wird in diesem Kapitel adressiert.

2.1

Zur Dynamik des Phänomens Unternehmenskultur

Wie entsteht eigentlich Unternehmenskultur? Und wie kommt es, dass jedes Unternehmen eine eigene Unternehmenskultur aufweist? Es wird kaum zwei Unternehmen mit vollständig identen Unternehmenskulturen geben. Damit wird deutlich, dass Unternehmenskulturen immer individuell, im Sinne von organisationsspezifisch, sind. Die Entstehung der Unternehmenskultur erfolgt bereits bei der Gründung eines Unternehmens, zumeist geprägt von den Gründern, also Personen, die eine Idee haben und mit dieser auf dem Markt eine vorhandene oder latente Nachfrage befriedigen wollen. Dies wird etwa deutlich im wegleitenden Anspruch und Leitsatz von Adi Dassler, dem Gründer von Adidas: „Jeder Sportler sollte für seine Disziplin den optimal angepassten Schuh erhalten“. Diesem Leitsatz fühlt sich auch nach knapp 100 Jahren das Unternehmen Adidas verpflichtet, er bietet Orientierung und Rahmen. Das Agieren der Gründer, ihr Umgang miteinander und zu anderen Mitarbeitern, der vorherrschende Kommunikationsstil intern, mit Partnern und Kunden, ihr Entscheidungsverhalten, all das prägt die Unternehmenskultur. Die neu hinzukommenden Mitarbeiter orientieren sich vor allem an den Personen, denen die Macht zur Durchsetzung von Ideen zuerkannt wird. Wiederholungen von erfolgreichem Verhalten führen zur Entstehung von Gewohnheiten, die nicht mehr hinterfragt werden. Es bilden sich Erzählungen, Geschichten, also Narrative heraus, ein Bewusstsein entsteht, wie das Leben in dieser Organisation am besten funktioniert, welches Verhalten geschätzt, welches missbilligt wird. Lernerfahrungen, das mögen Erfolge oder eben auch das Scheitern sein, bieten weitere Möglichkeiten, bisher Praktiziertes in Frage zu stellen und gegebenenfalls umzulernen. Wachstumsbrüche in einem Unternehmen, seien es Übernahmen, neue Standorte, neue oder zusätzliche Kapitaleigner, neue Produktlinien, neue Kundensegmente, neue Technologien und Prozesse und ähnliches können das Bisherige in Frage stellen. Es können Situationen entstehen, in denen Unsicherheiten Einzug halten oder etablierte Muster von allgemein anerkannten Verhaltensweisen noch nicht verankert sind. Das sind Phasen, in denen neue Unternehmenskulturen leichter entstehen können. Schwieriger wird es, wenn es keinen äußeren oder inneren Grund gibt, warum die etablierten Routinen des Miteinander für die Zukunft nicht mehr funktionieren sollten. Etablierte Routinen auf ihre Zweckmäßigkeit zu hinterfragen, bleibt eine stete Herausforderung. Hier ist das Management gefragt, das Mindset und das Verhalten der Mitarbeiter entsprechend zu sensibilisieren und zu beeinflussen, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Die typischen Standardsätze: „Das haben wir noch nie so gemacht“ oder: „Das haben wir schon immer so gemacht“, kenn-

2.1  Zur Dynamik des Phänomens Unternehmenskultur

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zeichnen diese resistente Konstellation. Deutlich wird jedoch, dass es immer Chancen oder Entwicklungen gibt, die eine Anpassung oder Veränderung der Unternehmenskultur ermöglichen. Diese können von außen kommen, aber auch von innen heraus. Es ist die Aufgabe der Führungskräfte, hier vor allem des Top-Managements, die Veränderungsnotwendigkeit und den Veränderungswillen dafür zu schaffen. Das zu verinnerlichende Credo zur Gestaltung der Unternehmenskultur sollte daher sein: was entsteht wandelt sich und kann folglich auch bewusst verändert werden. Unternehmenskultur ist folglich das real gelebte Resultat der vielfach unbewussten oder bewussten Annahmen, Prämissen, Werthaltungen, Normen, Verhaltensweisen und Artefakte in einer Organisation. So weit so gut. Die zentrale Frage für mit Kulturfragen in Organisationen befasste Personen – und das sind zumindest alle Führungskräfte – ist, wie eine gewünschte (oder gar als notwendig erachtete) Unternehmenskultur entwickelt werden kann, wenn die aktuelle als nicht den Erfordernissen adäquate betrachtet wird. Damit ist die Frage nach einem Prozess des Kulturwandels aufgeworfen, der Gegenstand dieses Buches ist. Unterschiedliche Ansätze zur Veränderung von Unternehmenskultur gibt es in der Literatur zahlreich. In pragmatischer Absicht stellen beispielsweise Kotter und Heskett (1992) vor allem Systeme in den Vordergrund, die als Belohnungs- und Sanktionssysteme wirken oder Prozessabläufe, die in Organisationen etabliert werden und somit unmittelbar einen starken Einfluss auf das Verhalten in Unternehmen haben. Geradezu radikal geht Radatz (2009) vor. Sie reklamiert mit ihrem relationalen Ansatz eine sofortige Änderbarkeit von Strukturen und Abläufen in Organisationen. Wir sehen also, Unternehmenskulturen sind veränderbar, denn sie sind entstanden vor allem durch die interpersonalen Dynamiken in Organisationen und in Prozessabläufen. Storytelling, also die Geschichten, die man sich erzählt, das Vorleben und Verhalten („Walk your Talk“) der Führungskräfte, die eingesetzten Managementsysteme und ein klares Bild davon, wie man gemeinsam die Realität gestalten möchte – als ein paar herausgegriffene Hebel  – zeigen auf, wie Unternehmenskulturen in ihrer Entwicklungsrichtung beeinflusst werden können. Was entsteht, kann also auch im weiteren Verlauf weiterentwickelt oder auch verändert werden. Kommunikation ist dabei das konstituierende Element von sozialen Systemen, wie bereits Luhmann (1984) herausgestellt hat.

2.2

Gleichzeitigkeit verschiedener Unternehmenskulturen

Die Annahme, es gäbe nur eine Unternehmenskultur in einer Organisation, wäre in der Regel eine unzutreffende Vermutung. Allenfalls in kleinen und mittleren Unternehmen mag dies unter Umständen noch der Fall sein, wenn sich aber die Organisation ausdifferenziert in unterschiedliche Abteilungen oder Standorte, bilden diese dann Subsysteme,

30

2  Unternehmenskultur kann gestaltet werden

die mehr in- und aufeinander bezogen sind und diese entwickeln daraus ihre besonders geprägte spezifische Unternehmenskultur. In der Regel gibt es zwar eine dominante und bestimmende Unternehmenskultur als Rahmenkultur, allerdings kommt es dann vor allem auf die Größe, Heterogenität und Ausdifferenziertheit einer Organisation an: Generell kann gesagt werden, je größer eine Organisation, je mehr Standorte, je umfassender die Wertschöpfungstiefe und -breite, je mehr Kundensegmente, je unterschiedlicher die versammelten Professionen, je komplexer die Struktur, desto mehr voneinander abweichende Unternehmenskulturen werden parallel vorhanden sein. In kleinen, vor allem inhabergeführten Unternehmen mit bis ca. 50 Mitarbeitern wird sehr wohl eine Unternehmenskultur vorherrschend sein. Bei einem Konzern mit über 10.000 Mitarbeitern mit Standorten in verschiedenen Ländern und einem umfassenden Produktsortiment werden möglicherweise mehrere Dutzend Subkulturen parallel anzutreffen sein. Dennoch bleibt es auch hier wichtig, eine von allen wahrnehmbare, alles überlagernde Unternehmenskultur als einende, Zusammengehörigkeit vermittelnde Klammer – auch nach außen – zu etablieren und in Folge wahrnehmbar zu spüren. Diese Herausforderung wird beispielsweise besonders deutlich bei Mergers & Acquisitions. Hier werden zwei Unternehmen mit unterschiedlich gewachsenen Kulturen vereinigt. Das birgt natürlich zahlreiche Konflikte, da es in der Regel einen dominanteren Partner gibt, dessen Kultur zur Referenzkultur mutiert. Andererseits wird gegenwärtig zunehmend bewusst eine Parallelität unterschiedlicher Kulturen nicht nur zugelassen, sondern sogar gefördert. Beispielsweise in einzelnen Abteilungen oder Projekten, die dann Teileinheiten aus der klassischen Hierarchie ausgliedern und diese als „Labs“ oder „Hubs“ bezeichnen. Ebenso erfolgen etwa Übernahmen von Start-Ups mit dem Ziel, neben dem Zugriff auf neue, innovative Produkte, bewusst eine andere Kultur (den „Spirit“ des Aufbruchs) zumindest in Teilbereichen zu etablieren, mit allen Risiken und Konfliktpotenzialen, die das in sich birgt. Die Vorteile der Start-Ups wie Geschwindigkeit, ungezwungene Kommunikation und Kooperation, die hierarchie-­übergreifende Verständigung und das Empowerment der einzelnen Mitarbeiter sollen mit den Vorteilen von größeren Unternehmen, wie Stabilität, eingeführte Prozesse, Skalierungsfähigkeit etc. integriert werden. Welche Facetten können Subkulturen nun annehmen? Wir können unterscheiden (vgl. auch Schein 2010, S. 1 f.): a) Makro-Kulturen: diese unterscheiden sich beispielsweise nach Ländern, Ethnien, Religionszugehörigkeit oder auch Berufsgruppen. Diese Makro-Kulturen weisen Gemeinsamkeiten auf, wie sich beispielsweise bei Ingenieuren, Medizinern oder Juristen deutlich zeigt. b) Organisationale Subkulturen: darunter werden vor allem standortgeprägte Kulturen in multinationalen oder globalen Unternehmen verstanden. Aber auch ausgeprägtes Bereichs- oder Abteilungsdenken kann zu organisationalen Subkulturen führen.

2.3  Ambidextrie – Unterschiedliche parallele Unternehmenskulturen bewusst nutzen

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c) Mikro-Kulturen: das sind Gruppierungen innerhalb von Organisationen, deren Interaktionshäufigkeit gewachsenere Strukturen nach Innen und Abgrenzungen nach Außen produzieren: Teams, Abteilungen, Bereiche, Standorte, informelle Gruppen, hierarchische Ebenen usw. Die Herausforderung besteht darin, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, gewisse Elemente der Unternehmenskultur überall zu etablieren und ein „Gegeneinander“ zu vermeiden. Ziel muss es sein, ein produktives Miteinander zu ermöglichen, einende Visionen und Zukunftsstrategien spürbar werden zu lassen. Die Metapher „Wir alle sitzen in einem Boot“ ist hier sehr hilfreich. Trotz unterschiedlicher Rahmenbedingungen und Funktionen sind gemeinsame Absichten und Ziele zu betonen. Das Set von leitenden, spezifischen Unternehmenskulturfaktoren wird kaskadenhaft vom Top-Management bis in die tieferen Management-Ebenen jeweils auszuhandeln sein. Methodisches Vorgehen hierzu folgt im Kap. 4.

2.3

 mbidextrie – Unterschiedliche parallele A Unternehmenskulturen bewusst nutzen

Ambidextrie ist besonders im Zusammenhang mit der Start-up-Kultur und dem Innovationsverhalten von Großunternehmen zu einem Modebegriff avanciert. Vor allem auch im Bereich der digitalen Transformation gelangt er in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus. Ambidextrie bezeichnet dabei, angelehnt an die Ursprungsbedeutung als Beidhändigkeit oder die hohe Geschicklichkeit beider Hände, den Aspekt, dass ein Unternehmen in verschiedenen (oder sogar gleichen) Funktionsbereichen unterschiedliche Unternehmenskulturen aufweisen sollte, um erfolgreich zu sein. Ein ähnliches Konstrukt ist unter dem Begriff Bimodalität für den IT Bereich eingeführt worden, der hier ebenso fruchtbar werden kann. Bimodalität bedeutet, neben einer IT-Infrastruktur, die für den reibungslosen operativen Ablauf ausgelegt ist, einen zweiten Bereich, der agil und experimentell abseits der Erfordernisse der Aufrechterhaltung des Betriebes, neue und innovative Anwendungen konzipieren und testen kann. Dieses Modell kann auch in der Unternehmenskultur genutzt werden: beispielsweise wo schnelle, agile Teams sehr rasch (noch experimentelle) ­Anwendungen für den Markt realisieren sollen. Für diese Entwicklungsteams empfiehlt sich gegebenenfalls eine andere Unternehmenskultur. Wenn dann die neuen Systeme oder Prozesse schließlich in den Regelbetrieb übernommen werden, dann kann wieder eine stabilere Kultur zum Zuge kommen. Der Unterschied zu gewachsenen Sub- oder Mikro-­ Kulturen besteht darin, dass die Ambidextrie häufig in gleichartigen Bereichen bewusst eingesetzt werden kann. Neben der IT sind etwa die Innovationsabteilungen, Marketingund Kommunikationsabteilungen oder auch bestimmte Stabstätigkeiten geeignet, zwei unterschiedliche Modi der praktizierten Unternehmenskultur aufzuweisen.

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2  Unternehmenskultur kann gestaltet werden

Warum wird Ambidextrie vor allem im Innovationsbereich diskutiert? Im schnelllebigen Wettbewerb ist besonders im Innovationsbereich zu beobachten, dass über viele Jahre entwickelte Methoden in großen Unternehmen einfach zu langsam geworden sind, um auf Marktveränderungen zeitnah reagieren zu können und mit der Entwicklungsgeschwindigkeit von agilen Start-Ups mitzuhalten. Vorherrschende Hierarchien, notwendige Entscheidungswege, eingesetzte Methoden, auf Sicherheit getrimmte Markterprobungen führen oftmals in der Projekt-Zeitachse zu einem Mehrfachen an Zeitbedarf. In einer Zeit, in der Schnelligkeit zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor wird, versucht man daher bewusst in einigen Teams oder Abteilungen gleichzeitig unterschiedliche Kulturen zu etablieren, zu fördern oder zuzulassen (zum Beispiel nach Übernahmen oder Kooperationen mit Start-Ups). Die damit möglicherweise verbundenen Probleme sind offensichtlich: Die Attraktivität der Kulturen für Mitarbeiter kann differieren, gegenseitiges Verständnis schwinden oder es entstehen unterschiedliche Erwartungen mit Konfliktpotenzial, die unnötig die Zusammenarbeit erschweren. Dennoch können neue Impulse hilfreich sein und parallele Unternehmenskulturen sich als eine mögliche gegenseitige Lernquelle erweisen. Wichtig ist, dass auch dieser Prozess gut geplant wird, um Konflikte im Vorhinein zu begrenzen. Im Unterschied zu den weiter oben beschriebenen entwickelten Subkulturen, subsumieren wir die verschiedenen Facetten der Unternehmenskultur im Rahmen der Ambidextrie als geplant, beabsichtigt und gewollt. Viele Großunternehmen können somit durch diesen Lernumweg profitieren, die unter Umständen etwas behäbig gewordene Unternehmenskultur mit frischen Impulsen anzureichern und in Folge zu verändern. Die Boston Consulting Group (2013) erwartet jedenfalls, dass sich die Fähigkeit zur Ambidextrie für Unternehmen als künftig immer notwendiger erweisen wird, um den raschen technologischen Wandel und die steigende Dynamik des geschäftlichen Umfeldes erfolgreich nutzen zu können. Eder (2013) zeigt Möglichkeiten auf, wie organische, dezentrale, flache und agile Organisationsstrukturen mit raschen Entscheidungen, eine konstruktive Zusammenarbeit mit etablierten, gewachsenen, hierarchisch stärker strukturierten und mit umfassenden Qualitätsansprüchen ausgestatteten Organisationseinheiten eingehen können. Durch die Minimierung von Routine sollen Kreativität, Spontanität und Unabhängigkeit erhalten bleiben.

2.4

I ntegration und Adaption – zentrale Ansätze zur Entwicklung der Unternehmenskultur

Die Unternehmenskultur gründet sich  – wie bereits an früherer Stelle ausgeführt  – vor allem auf zwei unterschiedliche Bereiche: zum einen auf die interne Integration, also die Art und Weise, wie im Inneren einer Organisation die Abwicklung von Geschäftsprozessen und das Alltagsleben funktionieren, es betrifft folglich die Strukturen und Prozesse.

2.4  Integration und Adaption – zentrale Ansätze zur Entwicklung der…

33

Hier geht es vor allem um das „Innenleben“ und die gegenseitige Abstimmung und Entwicklung. Damit bietet sich dieser Gestaltungsbereich vor allem dann an, wenn Defizite in der Art und Weise, wie im Unternehmen gearbeitet wird, festgestellt werden. Durch Veränderung, gegründet auf dem Mindset, dem Verhalten oder den eingesetzten Methoden lässt sich vieles bewirken. Im Unterschied dazu umfasst der Begriff Adaption die Anpassung an externe Rahmenbedingungen, wie sie durch die Umwelt repräsentiert werden. Also an den Markt, Kunden, Technologien, Partner, Plattformen und so weiter. Es geht um die Schnittstelle von innen nach außen oder von außen nach innen. Eine Organisation kann nur überleben, wenn sie die externen Entwicklungen im Inneren widerspiegeln kann. Geht der Austausch verloren, werden also Signale der Umwelt auf ihre Relevanz für das Unternehmen nicht mehr wahrgenommen und verarbeitet, wird sich das Unternehmen an den Entwicklungen des Marktes vorbei entwickeln, respektive diese verabsäumen. Besonders deutlich wird das, wenn eine Technologie verschlafen wird: zahlreich sind hier die Beispiele etwa aus der Uhrenindustrie, der Fotoentwicklung, der Touchscreens am Smartphone oder jetzt der Digitalisierung und E-Mobilität. Eine nicht rechtzeitige Adaption an Technologien oder Erwartungen der Kunden können unmittelbar zum Verschwinden von ganzen Unternehmen führen, die teils über Dekaden eine Branche dominiert haben, nur weil eine Entwicklung in ihrer Relevanz für das eigene Geschäft nicht oder zu spät erkannt wird. Der zweite Ansatz zur Anpassung der Unternehmenskultur muss also den Austausch mit der Umwelt in den Fokus nehmen. Auch in diesem Kontext spielen das Mindset, das Verhalten, und die eingesetzten Methoden eine wichtige Rolle: Engere Kooperation in adäquaten Ökosysteme mit Kunden, Lieferanten, Partnern, Forschungseinrichtungen, Hochschulen etc. können wichtige Impulse liefern. Die Bedeutung von Diversität für den Unternehmenserfolg findet beispielsweise auch hier eine Begründung: das Zusammenführen verschiedener Geschlechter, Altersgruppen, Ausbildungen, Lebensstile, Ethnien, Mentalitäten und so weiter repräsentiert viel eher die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Dadurch werden bessere Voraussetzungen zur Adaptierung von Entwicklungen der Umwelt geschaffen. Die äußeren Signale können in der Organisation leichter rezipiert werden. Vielfalt schafft mehr Kanäle nach außen, die Chance, externe Entwicklungen wahrzunehmen steigt durch ebendiese Vielfalt. Bei der Gestaltung der Unternehmenskultur müssen wir folglich diese zwei zentralen Blickrichtungen öffnen: • Welche Veränderungen sind im inneren der Organisation notwendig, wichtig und wünschenswert? • Wie können wir die Adaptionsfähigkeit an die Entwicklungen der Umwelt im Inneren des Unternehmens sicherstellen? Diese beiden Sichtweisen haben ihre Berechtigung und sie sind im Ansatz nicht deckungsgleich, daher erscheint eine jeweilige Fokussierung als produktiv.

34

2  Unternehmenskultur kann gestaltet werden

In der Regel sind freilich immer beide Bereiche bei Kulturveränderungsprozessen betroffen und werden auch gleichzeitig adressiert.

2.5

 ur „Machbarkeit“ der Unternehmenskultur – Systemische Z Vorbehalte und Mut zum Handeln

Unternehmenskultur kann zu jedem Zeitpunkt neu beeinflusst werden. Sie ist einerseits das Ergebnis eines gelernten Prozesses, der durch Narrative, vorherrschende Mindsets und Gewohnheiten gestützt wird und das bisherige Leben und die Erfahrungen in einer Organisation repräsentiert. Andererseits kann eine Unternehmenskultur durch neue Geschichten und Ereignisse lernen oder auch bewusst durch Interventionen gestaltet und verändert werden. Die Bereitschaft zur Veränderung nimmt im Zeitablauf in der Regel eher ab, Routinen und Gewohnheiten entwickeln sich kontinuierlich weiter, hatten und haben durchaus ihre Berechtigung, manifestieren jedoch zunehmend eine Veränderungsresistenz. Dennoch: Trotz der zahlreichen Abhängigkeiten und wechselseitigen Beeinflussbarkeit können sich Mindsets neu orientieren, Verhalten kann verändert werden. Neue Methoden und Interventionen wirken auf das Verhalten und neue Gewohnheiten können sich hieraus entfalten. Wichtig erscheint ein systematischer Ansatz, der sowohl auf der strategischen Ebene entwickelt und auf der operationalen Ebene klar kommuniziert, welche Kultur angestrebt wird. Das Herunterbrechen der gewünschten Kultur und die Einbettung in tägliche Prozesse eines jeden Mitarbeiters, verbunden mit der Vergegenwärtigung eines kulturkonformen Verhaltens, sichert erfolgreiche Veränderungsprozesse. Die Berücksichtigung systemischer Aspekte (Daimler 2008, S. 43–62; Gaudart und Herget 2018, S. 234–236) bei der Konstruktion neuer Arbeits- und Sozialrealitäten sollte dabei selbstverständlich sein. Wie dies im Einzelnen geschehen kann, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.

2.6

Key Points

1. Unternehmenskultur wird geprägt durch die Interaktionen der mit formeller und informeller Macht ausgestatteten Personen. 2. Umbrüche bieten die Gelegenheit zur Veränderung und Anpassung der Unternehmenskultur. 3. Verschiedene Möglichkeiten und Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur sind adressierbar, das Vorbildverhalten der Vorgesetzten gilt insbesondere als stark kulturbildend. 4. Es gibt nicht die eine Unternehmenskultur, Unternehmen verfügen ab einer gewissen Größe über mehrere Subkulturen. 5. Das Konzept der Ambidextrie nutzt gezielt das Potenzial verschiedener Unternehmenskulturen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. 6. Die interne Integration von Strukturen und Prozessen schafft Effizienz.

Literatur

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7. Die Adaption gewährleistet den Austausch des Unternehmens mit der Unterneh mensumwelt. 8. Unternehmenskultur ist jederzeit gestaltbar! Das heißt jedoch nicht, dass das leicht zu bewerkstelligen ist. Mutiges Agieren ist durchaus gefordert.

Literatur Boston Consulting Group (2013) Ambidexterity: the art of thriving in complex environments. https://www.bcg.com/publications/2013/strategy-growth-ambidexterity-art-thriving-complex-environments.aspx. Zugegriffen am 17.11.2019 Daimler R (2008) Basics der Systemischen Strukturaufstellungen. Kösel, München Eder M (2013) Organisationale Ambidextrie. Conference paper: conference: disruptive technologies & innovation minds. https://www.researchgate.net/publication/292298897_ORGANISATIONALE_AMBIDEXTRIE. Zugegriffen am 17.11.2019 Gaudart A, Herget J (2018) Organisationsaufstellungen – Eine systemische Methode zur Diagnose von Konflikten, Treibern und Barrieren im Kulturentwicklungsprozess. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen – Methoden – Best Practices. Springer, Wiesbaden Kotter JP, Heskett JL (1992) Corporate culture and performance. Free Press, New York Luhmann N (1984) Soziale Systeme. Suhrkamp, Frankfurt Radatz S (2009) Veränderung verändern: Das relationale Veränderungsmanagement: Die zukunftsweisende 4. Schule des Veränderungsmanagements. Literatur VSM, Wien Schein E (2010) Organizational culture and leadership, 4. Aufl. Jossey-Bass, San Francisco

3

Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

Zusammenfassung

Unternehmenskultur lässt sich gestalten und entwickeln. In diesem Kapitel wird zunächst ein wegleitendes Architektur-Modell zur Unternehmenskultur erarbeitet. Dieses Modell und dessen Umsetzung bilden die Basis für eine zielgerichtete und nachhaltige Gestaltung der Unternehmenskultur. Wir unterscheiden dabei drei Ebenen: die erste Ebene, hier strategische Ebene genannt, identifiziert die Gesamtheit und die einzelnen Elemente der gewünschten Unternehmenskultur. Die Sicht ist ganzheitlich, das gesamte Unternehmen umfassend. Die zweite Ebene bezeichnen wir als die Handlungsebene, in der inkremental, partiell oder gesamthaft Maßnahmen zur Gestaltung der Unternehmenskultur getroffen werden. Hier werden die einzelnen Zielvorgaben aus der strategischen Ebene in die tägliche Praxis übertragen. Sie berücksichtigt also die Prozesse, Rahmenbedingungen, Strukturen und Evaluationssysteme. Die dritte Ebene bezeichnen wir als die punktuelle Ebene. Damit wird das Konzept der Culture Hacks umfasst, deren Aufgabe es ist, den Arbeitsalltag immer wieder auf seine Konformität mit den Zielen der Unternehmenskultur zu fokussieren, zu überprüfen und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen. Diese drei Ebenen sollten immer zusammen gedacht werden und erst ihr Zusammenspiel erbringt den maximalen Nutzen. Abschließend wird ein generisches Vorgehensmodell vorgestellt. Dieses bietet eine Systematik an, die umfassend von der Konzeption, Planung, Implementierung bis zur Evaluation und Controlling sämtliche Aspekte von Change-Prozessen berücksichtigt. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Phasen beschrieben und diskutiert. Der Culture Excellence Prozess ist in der Praxis bewährt und bietet die Grundlage für das in diesem Buch entwickelte Konzept zur Gestaltung der Unternehmenskultur.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_3

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38

3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

Ein planvolles Vorgehen in Veränderungsprozessen verlangt nach klaren Prämissen und einem systematischen Ansatz. Diese Aufgabe erfüllen Referenzmodelle: Sie stellen einen Orientierungsrahmen dar, der als Grundlage und Blaupause in entsprechenden Projekten genutzt werden kann. Eine klare Architektur des gewählten Modells schafft zudem eine Übersicht und vermittelt die Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Ebenen. Schließlich bietet ein generisches Prozess-Modell Sicherheit in den einzelnen Phasen. Diese Grundlagen werden in diesem Kapitel ausgebreitet.

3.1

 er Komplexität der Unternehmenskultur durch D Systematik begegnen

Unternehmenskultur lässt sich gestalten und entwickeln. Um jedoch von einer Beliebigkeit und Zufälligkeit der Entwicklung zu einem bewusst gesteuerten Managementprozess zu gelangen, empfehlen sich konzeptionelle und methodische Bausteine, die zum einen theoretisch begründet und zum anderen sich in der Praxis bewährt haben. Diese Systematik und deren Umsetzung ist von grundsätzlicher Bedeutung für eine strategische Gestaltung der Unternehmenskultur. Unternehmenskultur gilt zurecht als diffus und nicht leicht fassbar. Umso wichtiger ist es, die einzelnen Ebenen der Unternehmenskultur analytisch zu trennen, damit diese zielgenau adressiert werden können. Verbleibt man bei Konzepten zur Gestaltung der Unternehmenskultur auf einer allgemeinen Betrachtungsebene, besteht die Gefahr, sich in Teil­ aspekten zu verlieren und dabei etwa strategische und operative Gesichtspunkte zu vermischen. Dadurch kann ein klares Bild der jeweilig opportunen Handlungsebene leicht verloren gehen. Daher wird hier auf die Architektur des Phänomens Unternehmenskultur fokussiert, wie sie sich aus der Gestaltungsperspektive darstellt. Gleichzeitig handelt es sich auch um ein Framework, also einen theoretischen Bezugsrahmen, der die einzelnen Initiativen, Strategien, Maßnahmen und Evaluationen klar verortet und somit nachvollziehbar den unterschiedlichen Handlungsebenen zuordnet. Auf dieser Basis wird ein generisches Vorgehensmodell entwickelt. Der sich darin dokumentierende Prozess bietet eine Systematik an, die umfassend von der Konzeption, Planung, Implementierung bis zur Evaluation und Controlling sämtliche Aspekte der Change-­ Prozesse berücksichtigt. Diese Gesamtsicht auf den Prozess der Kulturentwicklung verdeutlicht die verschiedenen Phasen mit ihren jeweiligen Zielen und Aufgaben. Der Culture Excellence Prozess wurde bereits häufig in der Praxis eingesetzt, er hat sich bewährt und bietet die Grundlage für das in diesem Buch entwickelte Konzept zur Gestaltung der Unternehmenskultur.

3.2 Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell

3.2

39

Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell

Das integrierte Architektur-Modell der Unternehmenskultur besteht aus drei Ebenen. Diese Ebenen erscheinen zunächst relativ unabhängig voneinander, will man jedoch möglichst hohen Effekt im nachhaltigen Kulturwandel erzielen, sollten sie integriert ­betrachtet werden  – denn erst im Zusammenwirken entfalten sie ihr volles Potenzial. Zudem bedingen sie einander, die oberen Ebenen bestimmen den Rahmen für die nachfolgenden. Das Modell verbindet die Konzeption mit realem Verhalten und ermöglicht eine unmittelbare Reflexion, die einen permanenten Abgleich von beidem ermöglicht, von der Konzeption und dem Verhalten. Die Orientierung am Architektur-Modell verhindert, dass die Kulturinitiativen auf der strategischen Ebene verbleiben oder sich in zusammenhanglosen Einzelinitiativen verlieren. In Abb. 3.1 wird das Modell mit seinen drei Ebenen vorgestellt und in seinen wesentlichen Aussagerichtungen und Wirkungen zusammengefasst. Die Explikation der einzelnen Elemente erfolgt danach in den folgenden Kapiteln.

3.2.1 Die strategische Ebene: Vision und Strategien Ohne ein umfassendes Bild der gewünschten Unternehmenskultur verbleiben alle Anstrengungen Stückwerk. Natürlich kann es in manchen Situationen Sinn machen, einzelne, dringliche und wichtige Aspekte auszuwählen und unmittelbar daran zu arbeiten, dennoch ist es zielführender, einem systematischen Vorgehen den Vorzug zu geben. Der Aufwand Fokus

Ebene

Ansatz

Methoden

Voraussetzung

Gemeinsame Werte und Verständnis

Leitbild und Werte; Audit; Strategie

Ausgewählte Operativ Verhalten Bereiche der inkremental, Kulturveränderung partiell

Direkter Ansatz im Verantwortungsbereich

Prozesse der Kulturveränderung; KPI

Gelebter Alltag, Unmittelbares Verhalten

Klarheit über gewünschtes Verhalten; Mut der Führungskräfte

Vision, Ganzes Unternehmen

Strategisch Mindset ganzheitlich, total

Punktuell Reflexion

Mindset

Abb. 3.1  Das Architektur-Modell zur Kulturveränderung

Culture Hacks

Erfolgstendenz

Wirkung langsam

schnell

sofort

40

3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

hierzu ist übersichtlich und diese strategische Ebene ist vor allem auch wesentlich, um die Wichtigkeit des Themas im Unternehmen zu verdeutlichen und allen Mitarbeitern verständlich und nachvollziehbar zu machen. Es gibt in der Literatur einige Standard-­Modelle, die eine solche Vision einer umfassenden Unternehmenskultur vorgeben. Allerdings wird hier die Auffassung vertreten, dass Unternehmenskultur immer etwas sehr Individuelles sein sollte, Standards mit allgemeingültigem Anspruch lassen sich nach der hier vertretenen Auffassung nicht überzeugend über ein spezifisches Unternehmen stülpen. Das konkrete Vorgehen der Konzeption der strategischen Ebene wird im anschließenden Kapitel ausführlich vorgestellt.

3.2.1.1 Fokus: Vision Je größer und komplexer eine Organisation ist, umso mehr unterschiedliche Unternehmenskulturen werden vorzufinden sein. Dennoch sollte nach Möglichkeit ein harmonisiertes Bild angestrebt werden, um übereinstimmend die Frage zu beantworten, was dieses Unternehmen denn eigentlich ausmacht und ausmachen soll. Dazu ist es unerlässlich, das Unternehmen in seiner Ganzheit zu begreifen und zu evaluieren, wie die gegenwärtig vorherrschende Unternehmenskultur ausgeprägt ist, wo ihre Stärken und Schwächen liegen und welche Unternehmenskultur in welchen spezifischen Aspekten angestrebt wird. Alle daraus abgeleiteten Maßnahmen in organisationalen Teilbereichen sollten sich aus diesem Bild ergeben. Folglich bildet es den Referenzpunkt für die im Unternehmen zu verankernde Unternehmenskultur. Es stellt sozusagen das Mantra des Managements, das bei jeder Gelegenheit nicht nur ausgesprochen, sondern auch vorgelebt werden sollte – von allen Führungskräften.

3.2.1.2 Ebene: Strategie Eine strategische Ausrichtung setzt voraus, dass aus der Vision Ziele abgeleitet werden, eine Priorisierung stattfindet und entsprechende Ressourcen zur Realisierung bereitgestellt werden. In der Kulturarbeit sollte ebenso mit längeren Zeithorizonten gearbeitet werden. Viele Maßnahmen werden sich bereits in Tagen oder Monaten umsetzen lassen, eine veränderte, gewachsene Unternehmenskultur wird aber Jahre benötigen. Wenn aus der Vision kein Chaos an Aktivitäten werden soll, wird gerade eine Strategie benötigt, die die Prioritäten in einer Roadmap zusammenfasst. Alle Führungskräfte sollten diese Gesamtstrategie kennen und die Strategien für ihren jeweiligen Teilbereich daraus weiter kaskadenförmig entwickeln. 3.2.1.3 Ansatz: Mindset Adressat der strategischen Ebene ist vor allem das Mindset: also die Einstellung als Grundlage und Ausgangspunkt des Handelns. Das Mindset konstruiert den Rahmen, bildet das Paradigma für das zu wählende Vorgehen und Verhalten. Das produzierte Bild der anzustrebenden Unternehmenskultur sollte eine breite Akzeptanz finden, sowohl beim Management, als auch bei sämtlichen Mitarbeitern. Ohne ein Verständnis der Motivation hinter der Kul-

3.2 Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell

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turreise, ohne das Nachvollziehen der betonten einzelnen Kultureigenschaften wird eine Verbindung zu einzelnen konkreten Maßnahmen nicht zu erzielen sein. An dieser Stelle werden das Wissen und das Wollen fokussiert, also der Kopf und das Herz. Es muss verständlich werden, warum und auf Grund welcher Umstände eine Änderung notwendig ist, warum die bisherige Kultur nicht mehr adäquat ist, warum die avisierte Kultur überlegen ist, und was passiert, wenn nichts passiert, also nichts verändert würde. Das Ziel liegt darin, ein „ja“ zur angestrebten Unternehmenskultur zu erhalten, ein gemeinsames Commitment, von allen Führungsebenen und von allen Mitarbeitern. Es wird immer einige Mitarbeiter geben (und Führungskräfte), die nicht voll hinter der Vision und Strategie stehen werden, diese sollten dann im Zeitablauf nach Möglichkeit durch die Ergebnisse überzeugt werden, wenngleich deren aktive Mitwirkung beim Change immer eingefordert werden muss.

3.2.1.4 Voraussetzung: Gemeinsame Werte Die Unternehmenskultur betrifft die Grundverfassung einer Organisation. Nicht alle Facetten der Unternehmenskultur können expliziert werden. Für die Darstellung der Unternehmenskultur wird gerne das Eisberg-Modell bemüht, demnach das Sichtbare nur einen kleinen Teil der Unternehmenskultur ausmacht. Es verdeutlicht gleichzeitig, dass viele Facetten der Unternehmenskultur eher unsichtbarer und unbewusster Natur sind. In der formulierten Vision der Unternehmenskultur sollten sich nach Möglichkeit alle Mitarbeiter wiederfinden. Eine breite Diskussion der als notwendig erachteten Kultureigenschaften sollte auf allen Ebenen stattfinden. Dabei sind unabdingbar sämtliche Hierarchieebenen einzubeziehen. Das stellt besondere Anforderungen an alle Führungskräfte, die für diese Aufgabe auch gezielt geschult werden sollten. Kulturarbeit ist immer sensibel, denn es geht um die Förderung von Verstehen, und das entsprechende Einfühlungsvermögen dafür muss entwickelt werden, es kann nicht per se vorausgesetzt werden. Gemeinsame Werte sind der Kanon eines darauf basierenden gemeinsamen Verständnisses der Unternehmenskonzeption und -realität. 3.2.1.5 Methoden: Leitbild, Audit und Strategie Zum Einsatz kommen hier vor allem drei zentrale Instrumente. Zum einen die Konzipierung der gewünschten Unternehmenskultur, also das systematische Herausarbeiten der einzelnen gewünschten Kultureigenschaften. Das Ergebnis dient als Leitbild und Referenzpunkt der künftigen Kulturarbeit. Dieses muss dann im späteren Verlauf auf die einzelnen Bereiche (Funktionsbereiche, Standorte, etc.) kaskadiert und adaptiert werden. Zum zweiten wird zur Eruierung des aktuellen Standes ein Audit vorgeschlagen. Das Audit als eine systematische Bestandsaufnahme zeigt auf, wo man gegenwärtig steht, wo Stärken, aber auch Schwächen oder Defizite bestehen und zeigt damit gleichzeitig den notwendigen Veränderungsbedarf auf. Schließlich wird im dritten Schritt der Kulturprozess in eine Strategie gegossen. Ziele, Strategien, Prioritäten, Ressourcenbedarf, zeitliche Dimension, Evaluationen, Roll-out Konzepte werden in einer Roadmap als Kulturreise evident. Um im Sprachbild zu bleiben, alle Mitarbeiter wissen, wohin die Reise geht und was von ihnen gefordert sein wird, um zum Ziel zu kommen.

42

3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

3.2.1.6 Erfolgstendenz Unter Erfolgstendenz soll hier der unmittelbare Einfluss dieser Architekturebene auf eine Veränderung der Unternehmenskultur umrissen werden. Diese strategische Ebene umfasst eine grundlegend notwendige, aber eben nicht hinreichende Aktivität dar. Ohne Sie werden die meisten Initiativen in der Zufälligkeit oder schlimmer noch, im Chaos enden mit frustrierten Managern und Mitarbeitern. Diese Aktivität adressiert zwar das Mindset, eine Veränderung im Alltagsleben wird sich aber erst in der folgenden Konkretisierung in den nachfolgenden Ebenen zeigen. Um es noch deutlicher zu sagen: diese Aktivität verändert noch nichts Erkennbares (oder noch wenig), ohne sie kann jedoch eine nachhaltige Veränderung überhaupt nicht stattfinden. Daher wird ihre Erfolgstendenz in der unmittelbaren Auswirkung auf die Unternehmenskultur als neutral eingestuft. 3.2.1.7 Wirkung Der nachhaltige Erfolg dieser Maßnahme wird sich erst in längerfristigen Zeiträumen messen lassen, ihre unmittelbare Wirkung entfaltet sie allerdings in den nächsten beiden Ebenen. Natürlich sollte eine partielle Veränderung bereits in Quartalen beobachtbar sein, es ist aber eine längerfristige Reise. Es wird Geduld gefordert, möglicherweise Nach­ justierung und Verschieben der Prioritäten, es sollte dennoch dieses avisierte Bild der gewünschten Unternehmenskultur nie aus den Augen verloren werden.

3.2.2 Die Handlungsebene: Maßnahmen und Prozesse Von der Vision zum täglichen Tun, das ist die nächste Ebene der Kulturarbeit. Hier wird umgesetzt, was als Vision angedacht und angestrebt wird. Wie wirkt sich der Kulturwandel aus auf die Prozesse, was wird anders zur Vergangenheit, welche Erwartungen werden an das Management und die Mitarbeiter gestellt, wie sehen die konkreten Maßnahmen aus, woran wird der Erfolg der einzelnen Prozesse gemessen? Alle diese Fragen werden hier beantwortet. Die konkrete Methodik wird im Kap.  8 ausführlich behandelt.

3.2.2.1 Fokus: Ausgewählte Bereiche der Kulturveränderung Aus dem entwickelten Bild, der Vision der gewünschten Unternehmenskultur sind nun jene Bereiche auszuwählen und in den Fokus zu stellen, die in der jeweiligen Umsetzungs-­ Phase strategisch vorrangig angegangen werden sollen. Die Organisation mit ihren Teilbereichen darf nicht überfordert werden, nicht alles wird sich gleichzeitig verändern lassen. Hier ist vor allem das Management der unterschiedlichen hierarchischen Ebenen gefragt. Sie müssen festlegen, was im eigenen Verantwortungsbereich wann umgesetzt werden soll. Dazu müssen die bestehenden Prozesse evaluiert und die notwendigen Anpassungen identifiziert werden.

3.2 Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell

43

3.2.2.2 Ebene: Handlung Die Kulturveränderung erfordert eine Anpassung der Prozesse und Strukturen. Dies erfolgt am besten unter aktiver Mitwirkung sämtlicher betroffenen Mitarbeiter. An dieser Stelle wird die Kulturarbeit konkret: was ändert sich, welche neuen Verhaltensweisen sind adäquat? Auf dieser zweiten Ebene erfolgt die Verknüpfung des Mindsets mit aktivem Tun. Es sind die an den jeweiligen Prozessen beteiligten Mitarbeiter gefragt, die coachende Rolle der Führungskräfte ist enorm, diese leiten den Prozess, steuern ihn und haben dafür Sorge zu tragen, dass er zieladäquat erfolgt. Die Umsetzung erfolgt also immer partiell und der Prozess zur Optimierung kann inkremental sein. Ein konkreter Ansatz zur Anwendung wird an späterer Stelle demonstriert. 3.2.2.3 Ansatz: Verhalten Neue Routinen müssen entwickelt, neue Kollaborationen eingeübt, gegebenenfalls neue Strukturen für die einzelnen Prozesse etabliert werden. Die Erwartungshaltung an die Mitarbeiter und an die Kollegen müssen sich im täglichen Verhalten beweisen. Dies wird nicht reibungslos ablaufen, eine gewisse Anpassungszeit wird notwendig sind. Das neue Verhalten muss auch erst erprobt werden, Raum für Anpassungen und Lernprozesse sollte vorhanden sein. Neue Handlungsroutinen müssen zunächst ausgeprägt und etabliert werden. Bisherige Bewertungsschemata müssen häufig überarbeitet werden, denn jetzt sollten neue Verhaltensweisen in den Vordergrund rücken, diese sind einem Feedback zu unterziehen. Auf den alten Zustand zugeschnittene Beurteilungsmaßstäbe erweisen sich als eher hinderlich, um den kulturellen Veränderungsprozess zu unterstützen. 3.2.2.4 Voraussetzung: Direkter Ansatz im Verantwortungsbereich Das Management sämtlicher hierarchischen Stufen ist auf dieser Architekturebene gefordert. Alle Prozesse und Strukturen im eigenen Verantwortungsbereich sollten einer Evaluation unterzogen werden: sind diese noch zielkonform mit der Vision der neuen Unternehmenskultur? Wo ist der Anpassungsbedarf am größten? Was sollte geändert werden? Wie sind die Mitarbeiter zu beteiligen, damit bei diesen nicht der Eindruck entsteht, es würde etwas über sie gestülpt? Aber auch der übergreifende Bereich, das Zusammenwirken zwischen verschiedenen Verantwortungsbereichen ist auf das Veränderungspotenzial hin zu analysieren, denn dieses wird genauso von einer Kulturanpassung betroffen sein. Entsprechende Anpassungen sollten evaluiert und formuliert werden. 3.2.2.5 Methoden: Prozesse der Kulturveränderung und KPIs Als Methodik eignet sich hier ein Vorgehen, das systematisch die einzelnen Prozesse analysiert und gegebenenfalls ein Re-Design erarbeitet. Auch dieses Vorgehen wird an späterer Stelle (Kap. 8) genauer vorgestellt. Wichtig ist nicht nur eine Beteiligung der Mitarbeiter, sondern deren Federführung bei der Neukonzeption und eine klare Herausarbeitung, was sich bisher bewährt hat und was neu anders gemacht werden soll.

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3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

Als zweiter methodischer Bereich sind vor allem die KPIs, also die Key Performance Indikatoren, als die Messgrößen zur Bewertung der einzelnen Prozesse zu adressieren. Durch die Wahl der KPIs wird festgelegt, worauf die Mitarbeiter ihre besondere Aufmerksamkeit legen. Hier müssen sich die gewünschten Verhaltensweisen unmittelbar widerspiegeln. Wenn mehr Risikofreude erwünscht ist, dann muss dieses auch als Erfolgskriterium einen Raum finden. Wenn mehr Vertrauen gefordert wird, muss auch dieses als Maßstab berücksichtigt werden. Das ist ein kreativer Prozess, der vermutlich auch in mehreren iterativen Schleifen angepasst werden muss, um eine optimale Konfiguration zu finden.

3.2.2.6 Erfolgstendenz Diese Architekturebene Aspekt stellt das Herzstück der Kulturarbeit dar. Hier wird die Unternehmenskultur gelebt, in diesem Bereich müssen sich die Ergebnisse zeigen. Wird das „warum“ aus der Vision verstanden und akzeptiert, wird an dieser Stelle das „wie“ geliefert. Dieser Schritt hat folglich eine hohe Relevanz und einen unmittelbar resultierenden Erfolgsbeitrag. 3.2.2.7 Wirkung Die Konzipierung neuer Abläufe und Strukturen erfordert Zeit, benötigt auch eine gewisse Dauer zum Ausprobieren und Feinjustieren, dann sollten die Ergebnisse jedoch unmittelbar eine Wirkung entfalten. Die Resultate sind schnell verfügbar, dennoch kann eine ­geraume Zeit veranschlagt werden, bis es zu einer Entwicklung der neuen Routinen kommt. Der Wirkungsgrad wird jedoch innerhalb von Tagen und Wochen sichtbar – bis es allerdings zu einer natürlichen Gewohnheit wird in neuen Prozessen und Strukturen zu leben, werden einige Monate vergehen.

3.2.3 Die Reflexionsebene: Culture Hacks als ständiger Kompass Wie schafft man es, die sich unter Umständen einschleichenden Routinen der Vergangenheit abzuwehren, wie bleibt das Bewusstsein für ständige Kulturarbeit aufrecht, wie schafft man es, einen Kompass zu implementieren, der permanent aufzeigt, ob man noch auf dem richtigen Weg ist? Diese wichtige Funktion in der dritten Ebene des Architekturmodells übernehmen die sogenannten Culture Hacks. Unter Culture Hacks wird eine „spontane“ Intervention verstanden, die das aktuelle Verhalten mit dem angestrebten in Relation bringt mit dem Ziel, Divergenzen zu erkennen und dadurch eine Reflexion auszulösen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, das Mindset zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (Herget 2020). Beispiel eines Culture Hacks

Eine Gesprächssequenz aus einer Routinesitzung des Projektteams Unternehmenskultur mit dem Vorstand (CEO) eines international agierenden Konzerns (Purps-Pardigol 2019, sinngemäß transkribiert):

3.2 Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell

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Team: „Wir wollen die Mitarbeiter befragen nach den Kulturproblemen in der Holding.“ CEO: „Quatsch, wir betreiben den Kulturwandel doch schon länger, das wissen wir, brauchen wir nicht.“ Team: „Doch, wir wollen das aber, wir halten das für sinnvoll, finden wir gut.“ CEO: „Ich will das nicht, habt ihr das nicht verstanden? Ich möchte nicht, dass ihr die Mitarbeiter befragt.“ Team: „Sag mal, CEO, spinnst du? Du hast gesagt, wir sollen den Prozess für dich machen, du hast uns empowered das zu tun. Wir machen das einfach.“ Und das Team ist aus der Sitzung gegangen. Wie ging die Geschichte weiter? Das Team hat die Befragung gemacht und ist mit den Ergebnissen in die gleiche Runde gekommen. Und das erste, was der CEO gesagt hat, war: CEO: „Hört mal zu, ich muss mich erst einmal entschuldigen, wie komme ich dazu, euch zu sagen, ihr sollt etwas nicht tun, wo ich vorher gebeten habe, diese Prozesshoheit zu übernehmen. Tut mir leid. Es ist egal, was dabei rausgekommen ist, es tut mir leid. Und das sage ich in der gleichen Runde ganz bewusst, weil ich nicht möchte, dass der Eindruck entsteht, ich wollte, keiner kriegt das mit. Und ich muss mich ein zweites Mal für das ganze Gremium entschuldigen, nicht nur für mich, wie kommt denn das Gremium dazu nicht zu sagen, Mensch Alexander …“ Zugegeben, das Beispiel gibt einen ungewohnt massiven Culture Hack wieder, der sogar von den Mitarbeitern in Richtung Vorgesetzte geht. Er verdeutlicht gleichzeitig die Möglichkeit dieses Instruments: Das angestrebte Verhalten, wie es im Mindset verankert wurde, wird mit dem tatsächlich geübten Verhalten konfrontiert. Auch wird aus dem Beispiel die Lernkonsequenz sehr deutlich. Die Intervention erfolgte auch nicht als ein bewusst gesetzter Culture Hack, hatte jedoch die gleiche Wirkung. Eine nähere Beschreibung der Methode findet sich im Kap. 8. Culture Hacks sind der „Reminder“, der dafür sorgt, dass Kulturarbeit als ständiger Prozess im Bewusstsein bleibt, der dafür sorgt, ein Meta-Feedback zu geben im Sinne von „ist das aktuelle Verhalten angemessen und zielkonform“? In dieser Ebene sind vor allem alle Führungskräfte gefragt. Denn sie müssen die richtigen Culture Hacks entwickeln, ohne eine gezielte Schulung wird auch das in aller Regel nicht ohne Weiteres gelingen. Eine ausgereifte Unternehmenskultur wird aber auch daran sichtbar, dass Culture Hacks selbst von Mitarbeitern bei der Teamarbeit, oder auch der individuellen Arbeit eingesetzt werden. Sie sind ein mächtiges Instrument bei der Abstimmung zwischen dem Mindset und dem Verhalten. Sie sorgen dafür, dass eine Kongruenz gewahrt bleibt.

3.2.3.1 Fokus: Gelebter Alltag Eine neue Unternehmenskultur muss jeden Tag gelebt werden, sie sollte zur neuen Gewohnheit werden, will sie nachhaltig wirken. Dennoch ist die Beharrlichkeit, das Rückfallen in alte Muster und Gewohnheiten omnipräsent. Schließlich muss zum Teil jahrelang gelebtes Verhalten verändert werden, das lässt sich nicht auf Zuruf oder Verordnung un-

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3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

mittelbar bewerkstelligen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, wie es so schön heißt, er braucht also eine längere Zeit um ein neues Verhalten zu erlernen oder bestehendes zu verlernen. Diese Lern- und Verhaltensprozesse sind nicht trivial, sie bedürfen gewisser Triggerpunkte, um immer wieder ins Bewusstsein zu kommen, eine Art Erinnerung, die einen überprüfen lässt, ob man auch im neuen Paradigma agiert. Dafür eignen sich die Culture Hacks bestens.

3.2.3.2 Ebene: Reflexion Durch Culture Hacks wird unmittelbar und spontan das eigene Verhalten, oder das von Teams, hinterfragt. Es wird abgeglichen, ob das geübte Verhalten mit dem Normvorsatz, also der gewünschten Unternehmenskultur, übereinstimmt. Damit werden Reflexionen in Gang gesetzt, die überprüfen, ob die Einstellung im Sinne des Mindsets und das Verhalten kongruent sind. Sie werden vor allem von Führungskräften immer dann eingesetzt, wenn man ein vom gewünschten Verhalten abweichendes Verhalten vermutet. Man „ertappt“ somit die Mitarbeiter in einer Situation, in der von der beabsichtigten Unternehmenskultur abgewichen wird. Durch die Bewusstwerdung des abweichenden Verhaltens wird auf die Einstellung reflektiert, der Lernprozess kann nachgeschärft werden. Culture Hacks werden punktuell eingesetzt. 3.2.3.3 Ansatz: Mindset Die Culture Hacks adressieren das jeweilige Mindset. Stimmt das aktuelle Handeln mit den gewünschten Prämissen überein? Der jeweilige Zusammenhang sollte immer klar und eindeutig sein: das unmittelbare Verhalten wird aktuell hinterfragt, es ist ein sofortiges Feedback auf ein gezeigtes Verhalten, ohne irgendwelche zeitlichen Verzögerungen. Der Lerneffekt wirkt unmittelbar, durch die sofort angestoßene Reflexion bietet sich die Möglichkeit, das eigene Verhalten zu hinterfragen und anzupassen. Das gezeigte Verhalten ist der Anlass, aber es werden das Denken und die Einstellung angesprochen, der Rückgriff auf das Verhalten wird selbstevident. Culture Hacks wirken folglich unmittelbar auf das Mindset und erst dann in Konsequenz auf das Verhalten. 3.2.3.4 Voraussetzung: Klarheit und Mut Culture Hacks funktionieren nicht in diffusen, mehrdeutigen Situationen. Es muss zunächst klar sein, welches Denken und welche Einstellung erforderlich sind, um kongruent zu handeln. Über die gewünschte Kultur und ein dementsprechendes Verhalten bei den Mitarbeitern sollte Klarheit herrschen. Die einzelnen Eigenschaften der angestrebten Unternehmenskultur, ob hohe Innovativität, ausgeprägte Kollaboration, Mut und Initiative, Kundenorientierung und so weiter sollten im Bewusstsein verankert sein und mitgetragen werden. Erst dann wirken Culture Hacks, wenn das aktuelle Verhalten konfrontativ unmittelbar hinterfragt wird: ist es, um bei den obigen Beispielen zu bleiben, innovativ, kollaborativ, mutig und kundenorientiert?

3.2 Das integrative Unternehmenskultur-Architektur-Modell

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Zum anderen erfordert der Einsatz von Culture Hacks Mut bei denjenigen, die sie verwenden. Das sind zumindest im Anfangsstadium überwiegend die Führungskräfte. Diese müssen den Mut haben, auch zunächst sicherlich irritierende und damit unangenehme Situationen hervorzurufen, sie sollten das „Ertappen“ der Mitarbeiter aushalten können. In konstruktiven Arbeitsumgebungen werden solche Interventionen produktiv sein, diese Umgebungen müssen aber häufig erst geschaffen werden. Führungskräfte werden die Konstruktion, den Einsatz und das Feedback zu Culture Hacks ebenso erst erlernen müssen, um eine Scheu abzulegen, sie auch anzuwenden. Dennoch wird einiger Mut erforderlich sein, diese zur Gewohnheit werden zu lassen und zumindest in der Anfangsphase des Kulturveränderungsprozesses auch häufig und wirksam einzusetzen. Hätten Sie den Mut gehabt, wie im Eingangsbeispiel dargestellt, dem Vorsitzenden des Vorstandes zu widersprechen?

3.2.3.5 Methoden: Culture Hacks Culture Hacks sind eine Methode, die zunächst Irritationen auslöst. Culture Hacks stellen das gerade geübte Verhalten in Frage und in einen Zusammenhang mit der gewünschten Unternehmenskultur. Culture Hacks eignen sich für den Einsatz in nahezu allen Bereichen des Unternehmens. Überall, wo Diskrepanzen zwischen der verabschiedeten Unternehmenskultur und dem tatsächlichen geübten Verhalten auftreten, erzielen sie ihre Wirkung. Irritierende Methoden werden in vielen Bereichen der Psychotherapie bereits seit langem erfolgreich eingesetzt. Eine hohe Popularität genießen beispielsweise die „Paradoxe Interventionen“. 3.2.3.6 Erfolgstendenz Culture Hacks eignen sich  – überlegt und kongruent eingesetzt  – als hervorragendes Feedback-­Instrument. Sie zeigen unmittelbar auf, ob das ausgeübte Verhalten den gesteckten Zielen entspricht. Sie dienen unmittelbar zur Reflexion und bieten damit die Möglichkeit, Lernprozesse zu initiieren oder nach zu schärfen. In einem konstruktiven Klima angewandt wirken sie sofort und helfen, die neue, gewünschte Unternehmenskultur unmittelbar zu verinnerlichen und nachhaltig in einer Organisation zu verankern. Ihre Wirkung ist hoch  – vorausgesetzt, sie werden klug eingesetzt und die Unternehmenskultur lässt solche unmittelbaren Interventionen bereits zu. 3.2.3.7 Wirkung Der große Vorteil von Culture Hacks ist durch den spontanen Einsatz ihre ungleich schnelle Wirkung. Das adressierte Thema wird unmittelbar reflektiert, das eigene oder das Teamverhalten kann sofort überprüft und die beabsichtigten Konsequenzen ergeben sich fast von selbst, ohne große notwendige Interpretationsnotwendigkeit der Führungskraft oder der sie einsetzenden Mitarbeiter. Culture Hacks wirken sofort – das macht sie zum wichtigen Instrument in der Architektur der Kulturarbeit.

48

3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

3.3

 in Ansatz zur Gestaltung der Unternehmenskultur: Der E Culture Excellence Prozess

Wir haben zuvor die einzelnen Ebenen der Kulturarbeit systematisch in einem Architektur-­ Modell dargestellt, nun betrachten wir die einzelnen Phasen der Kulturgestaltung. Diese sind einerseits zeitlich zu sehen, als Phasen, die in einer bestimmten Reihenfolge stattfinden sollten. Zum anderen methodisch, sie fokussieren unterschiedliche Aspekte der ­Kulturgestaltung mit unterschiedlichem Adressatenkreis. Deren Ergebnisse sind ihrerseits Voraussetzungen und Grundlagen für die nächstfolgende Phase. In der Regel wird ebenso die nächste Phase erst begonnen, wenn die vorhergehende abgeschlossen ist, gewisse iterative Schleifen und Rückgriffe mit eventuellen Feinjustierungen können durchaus sinnvoll werden. Die Flexibilität des Vorgehensmodells ist zwar gegeben, unter Umständen können auch einzelne Phasen ausgelassen werden, eine systematische Erarbeitung dürfte jedoch nachhaltig den höchsten Nutzen erbringen. Dieser Prozess wird als Culture Excellence Prozess bezeichnet. Er verdeutlicht den Ablauf möglicher Kulturgestaltungsprojekte von der ersten Phase bis zum Abschluss (den es allerdings nie geben wird, da Kulturarbeit ein ständiger Prozess ist) und sichert ein planvolles und ganzheitliches Vorgehen, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. In Abb. 3.2 ist der Prozess abgebildet:

3.3.1 Die einzelnen Phasen des Culture Excellence Prozesses Der skizzierte Culture Excellence Prozess folgt einem generischen Vorgehensmodell: Von der Zielsetzung bis zur Evaluation. Im Folgenden charakterisieren wir kurz die einzelnen Phasen. Die folgenden Kapitel dieses Buches widmen sich jeweils jeder einzelnen Phase gesondert und vertiefend.

1

4

3

ModellEntwicklung

AuditKonzept

ReifegradModell

StrategieMethodenEntwicklung Selektion

Analyse der relevanten Faktoren

Diagnose und Priorisierung

Auswertung Potentiale

Generisch Spezifisch

Aktionsplan Detailplanung

Milestones Review & Anpassung

Diamant-Modell TriptychonExzellenz-Modell

Culture Excellence Audit

Culture ExcellenceReifegrad

Strategie-Ableitung Roadmap

Methoden zur Kulturveränderung Change Prozess

Begleitung Change Management

Abb. 3.2 Der Culture Excellence Prozess

5

6

2

Implement & Control

3.3 Ein Ansatz zur Gestaltung der Unternehmenskultur: Der Culture Excellence Prozess

49

3.3.1.1 Modell-Entwicklung Das Grundanliegen des hier entwickelten Konzeptes liegt in der individuellen Betrachtung der Unternehmenskultur. Im Unterschied zu den meisten anderen Modellen sollen nicht Standardmodelle die Grundlage zur Gestaltung der Unternehmenskultur bilden, sondern das individuelle Unternehmen mit seiner einzigartigen Positionierung und den eigenen Rahmenbedingungen und Anforderungen. In dieser Phase werden die relevanten Kulturfaktoren identifiziert, die für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich zeichnen. Dazu werden als methodische Instrumente bewährte Werkzeuge verwendet. Mit diesen werden die relevanten Kulturfaktoren systematisch auf drei Ebenen strukturiert: der Umwelt, dem internen Bereich und der Individual- und Teamperformanz. In der Umwelt-Interaktion wird die Adaptionsfähigkeit an die Rahmenbedingungen ins Zentrum gestellt, im internen Bereich der Effektivität und Effizienz geht es vor allem um die Funktion der Koordination und Integration und im Bereich der individuell- und Teamperformanz steht die Förderung von Spitzenleistung durch die Schaffung entsprechender Kontextfaktoren. Das ergänzende Kultur-Diamant-Modell integriert diese unterschiedlichen Perspektiven bei der Herausarbeitung des unternehmensindividuellen Kultur-Modells. Dieses Vorgehen kann sowohl auf der Ebene des Gesamtunternehmens als auch kas­ kadierend auf den unterschiedlichen Management- und Funktionsbereichen stattfinden. Wenngleich einige Kulturfaktoren durchgehend für das gesamte Unternehmen gelten sollten, wird es immer einige sehr spezifische Faktoren geben, die für den Erfolg von Bereichen oder Abteilungen verantwortlich zeichnen. Auch hier ist ein Mut zur ­Individualisierung gefragt. Das Ziel liegt jeweils in der Verdichtung auf möglichst wenige Kulturfaktoren. Nach Möglichkeit sollte die Zahl einstellig sein, ansonsten dürfte das Projekt ausufern durch einen zu hohen Anspruch. 3.3.1.2 Audit-Konzept Das Audit-Konzept dient der Analyse der Ausprägung der oben identifizierten wichtigen Kulturfaktoren im Unternehmen. Eine anschließende Diagnose – hierzu stehen verschiedene weitere Methoden und Vorgehensweisen zur Verfügung – und Priorisierung ist essenziell für das weitere Vorgehen im Projekt zur Kulturgestaltung. Das Audit entfacht in den Unternehmen, ebenso wie die Modell-Entwicklung überhaupt, wohl zum ersten Mal eine intensive Diskussion über die Unternehmenskultur in den jeweiligen organisatorischen Teilbereichen. Dieser Prozess kann extrem hilfreich sein, die Sensibilität für das Thema zu schaffen und zu schärfen. 3.3.1.3 Reifegrad-Modell Im Anschluss an die Analyse können die selektierten Kulturfaktoren in einem Reifegrad-­ Modell verortet werden. Das Reifegrad-Modell stellt neben anderen Auswertungsmethoden ein weiteres Diagnose-Instrument dar. Auch diese Einordnung kann von zahlreichen Diskussionen begleitet sein und sich dadurch als ein äußerst konstruktiver Prozess erweisen.

50

3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

Das Reifegrad-Modell dient der Verortung der aktuellen Ausprägung der einzelnen Kulturfaktoren bezüglich verschiedener Entwicklungsstadien der Professionalisierung. Als Ergebnis wird deutlich, wo man steht  – und ebenso bedeutsam, wohin man sich entwickeln möchte. Das Reifegrad-Modell bietet einen guten Benchmark als Markierung auf der Kulturreise. Auch dieses Reifegrad-Modell sollte kaskadenhaft im Unternehmen umgesetzt werden.

3.3.1.4 Strategie-Entwicklung Der Prozess der Strategie-Entwicklung, also der Ableitung von Zielen und entsprechender Strategien, dient als Basis für die darauffolgende Maßnahmenentwicklung. Aus der Verortung im Reifegrad-Modell und der gewünschten Entwicklung ergeben sich generisch optionale Strategien. Zum anderen stellt dies jedoch auch einen kreativen Prozess dar. Durch die Wechselwirkungen einzelner Strategien und Maßnahmen sind vielfache Auswirkungen zu erwarten, so dass auch sogenannte Hebel identifiziert werden können, die gleichzeitig bei mehreren Kulturfaktoren wirken. Die selektierten Strategien können gut in einer Übersichts-Roadmap verortet werden. 3.3.1.5 Methoden-Selektion Wir bereits mehrfach ausgeführt, beeinflussen Interventionen, Methoden, Werkzeuge und Tools ebenso das Mindset und das Verhalten der Organisationsmitglieder. Daher ist dieses Kapitel von zentraler Bedeutung, es füllt sozusagen die Kulturreise mit konkretem Leben. Denn Methoden (als Sammelbegriff für alle Interventionsmaßnahmen) können Mindsets beeinflussen oder zu einem veränderten Verhalten führen. Sie sind also ein wichtiger Schlüssel für die Gestaltung der Unternehmenskultur. In diesem Abschnitt werden aus der Vielzahl möglicher Maßnahmen und Methoden einige wenige vorgestellt, um exemplarisch darzustellen, welche Interventionsmöglichkeiten aus dem umfangreichen Repertoire zur Verfügung stehen. Die Methoden stellen die Basis für den folgenden Change Prozess dar. 3.3.1.6 Implement & Control Alle Ergebnisse zeigen sich erst durch die Umsetzung mit anschließender Evaluation. Auch hier wird es wichtig sein, gut zu selektieren: Wo sind welche Pilot projekte geeignet, um danach einen umfassenden Roll-out zu ermöglichen, wo erfolgt gleich eine flächendeckende Umsetzung im gesamten Unternehmen. Wie bei jeder Umsetzung sollte auch der Erfolg kontrolliert werden, um mögliche Nachjustierungen rechtzeitig vornehmen zu können oder das Projekt insgesamt anzupassen. Die Kulturreise ist aufgrund der zahlreichen Wechselwirkungen und der sich verändernden Rahmenbedingungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens nur eingeschränkt genau prognostizierbar. Hohe Flexibilität wird beim Projektmanagement notwendig sein. Als zentrale Steuerungsinstrumente, auch um eine Transparenz des gesamten Projektes sicherzustel-

3.4 Key Points

51

len, werden hier sinnvollerweise Roadmaps zum Einsatz kommen, die auch Milestones beinhalten, die zur Grundlage für ein Controlling oder eine Evaluation dienen können. Eine Projektbegleitung durch individuelles Coaching und ein institutionalisierter Erfahrungsaustausch für die verantwortlichen Manager dürfte den Erfolg wesentlich steigern helfen.

3.3.2 Der Culture Excellence Prozess als zentrales Management-­Instrument zur Gestaltung der Unternehmenskultur Der Culture Excellence Prozess mit seinen jeweiligen Phasen stellt ein wichtiges Management-­Instrument für die Gestaltung der Unternehmenskultur dar. Es ist die Aufgabe des obersten Managements, diesen Prozess aufzugleisen, zu steuern und zu evaluieren. Gleichzeitig stellt dieser Prozess auf der obersten Management-Ebene das Modell dar, das auf den unteren Management-Ebenen zu kaskadieren und zu adaptieren ist, um eine einheitliche Unternehmenskultur zu gewährleisten. Schematisch ist die jeweilige Adaption in Abb. 3.3 wiedergegeben:

3.4

Key Points

1. Zur Gestaltung der Unternehmenskultur wird ein strukturierter und systematischer Prozess empfohlen. 2. Das integrierte Architektur-Modell der Unternehmenskultur erlaubt einen ganzheitlichen Ansatz zur Gestaltung der Unternehmenskultur.

Abb. 3.3  Kaskadierende Adaption des Culture Excellence Prozesses

52

3  Architektur der Unternehmenskultur – Ein operationaler Gestaltungsansatz

3. Die strategische Ebene zeichnet das gewünschte Bild der Unternehmenskultur für das gesamte Unternehmen und die einzelnen Teilbereiche. Sie stellt die Basis für das Mindset aller Beteiligten. 4. Die operative Handlungsebene übersetzt die gewünschte Unternehmenskultur in tägliches Tun. 5. Culture Hacks bilden ein ständiges Reflexionsinstrument um Divergenzen zwischen dem gewünschten Mindset und dem gezeigten Verhalten zu identifizieren und Lernprozesse anzustoßen und zu ermöglichen. 6. Der Culture Excellence Prozess definiert ein generisches Vorgehensmodell zur Gestaltung der Unternehmenskultur. 7. Der Culture Excellence Prozess dient auf allen Managementebenen als zentrales Management-­Instrument und hält den Prozess am Laufen.

Literatur Herget J (2020) Culture Hacks  – Strategisch einsetzen! Mit gezielter Irritation zur gewünschten Unternehmenskultur. Springer Gabler, Wiesbaden (im Druck) Purps-Pardigol S (2019) Kulturwandel 4.0 bei der Otto Group: Tobias Krüger im Gespräch mit Sebastian Purps-Pardigol. https://www.youtube.com/watch?v=cCNqvdd5Pu0&t=1971s. Ab Min 31:15. Zugegriffen am 11.11.2019

4

Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

Zusammenfassung

Welche Unternehmenskultur herrscht in einem Unternehmen vor? Welche wäre erwünscht? Um diese Fragen zu beantworten ist es grundlegend, ein Modell der verschiedenen relevanten Faktoren einer Unternehmenskultur zu entwickeln. In der Wissenschaft und Praxis sind verschiedene Standardmodelle vorzufinden, die sich durchaus zur Bestimmung der Unternehmenskultur eignen. Einige dieser Modelle werden in diesem Abschnitt vorgestellt und diskutiert. Allerdings erscheint ein individuelles, auf das jeweilige Unternehmen abgestimmte Modell den Standardmodellen überlegen. Jedes Unternehmen besitzt seine eigene spezifische Unternehmenskultur und diesem Umstand wird durch die Individualisierung Rechnung getragen. In diesem Abschnitt wird eine konkrete Vorgehensweise vorgeschlagen. Diese basiert auf dem Kultur-­ Diamant-­Modell, das durch die inhärente Offenheit eine unternehmensindividuelle Entwicklung und Anpassung ermöglicht. Dadurch kann es zukünftig jederzeit an neue Bedingungen und Anforderungen angepasst werden. Mit diesem Modell erhält jedes Unternehmen ein eigenes, individuelles Unternehmenskultur-Modell. Die selektierten individuellen Kulturfaktoren sind auf ihre Kongruenz und Unterstützung der aktuellen und zukünftigen Unternehmensziele und -strategien abzugleichen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_4

53

54

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

Wie lässt sich die eigene Unternehmenskultur beschreiben? Welches sind die Kulturfaktoren, die bewusst gelebt werden sollen? Wo sind Prioritäten zu setzen, was begründet den Erfolg des Unternehmens, was schätzen die Kunden am Unternehmen, was die Mitarbeiter und die Partner? Wir sehen, die Kulturfaktoren dürften für jedes Unternehmen unterschiedlich sein. Ein entsprechendes Modell als eine adäquate Abbildung der Realität zu konstruieren ist allerdings alles andere als trivial. Diese selektierten Kulturfaktoren sollten zudem eine allgemeine Akzeptanz im Unternehmen finden und die Unternehmensziele und -strategien unterstützen. Mit diesen Fragen beschäftigt sich das folgende Kapitel.

4.1

 arum ist ein Modell zur Diskussion der W Unternehmenskultur wesentlich?

Modelle stellen vereinfachte Abbildungen der Realität dar. Ihr konstruktiver Beitrag liegt vor allem in der Auswahl eines Ausschnitts aus der sozialen Realität und der Verdichtung auf die wesentlichen Faktoren, die zur Erklärung des Geschehens dienen sollen. Die Gefahren sind offenkundig: Realität ist komplex und besteht aus einer Vielzahl von Determinanten und den zwischen ihnen bestehenden Interdependenzen. Jede willkürliche Auswahl birgt daher das Risiko, die Realität nur unzureichend zu erklären und wichtige Zusammenhänge zu vernachlässigen. Andererseits erfordert die erwünschte Fokussierung eine Reduktion der Vielzahl von Faktoren auf eine übersichtliche und handhabbare Anzahl. Wohlwissend um diese Begrenzungen, wird ein pragmatischer Ansatz zur Entwicklung eines unternehmensindividuellen Modells präsentiert. Dieses dient dazu, die Komplexität der Realität für den Unternehmensalltag soweit zu reduzieren, dass entsprechende Strategien von den Führungskräften analysiert, diagnostiziert, geplant und implementiert werden können. Der Detaillierungsgrad der Modelle hängt immer auch von der vorhandenen Kompetenz der Organisation ab: bei einem Großkonzern mit eigenen Stabsabteilungen werden andere Ansprüche gesetzt als vom Inhaber eines 20-Personen-Unternehmens. Den Anspruch, erfolgreich die Zukunft des Unternehmens zu gestalten, haben jedoch beide gleichermaßen. Gerade darin liegt die Stärke der Modellierung: sie macht vor allem situativ und individuell Sinn, erfordert dennoch zur besseren Fokussierung Referenzmodelle, an denen sie sich orientieren kann. Ein weiterer Aspekt erscheint wichtig: die Modelle sind offene und entwicklungsnotwendige Realitätsausschnitte. Sie sind nur so gut, wie sie auch die wichtigen Parameter der internen und externen Umwelt repräsentieren können. Dies lässt sich allerdings nur ex-post bestimmen, wenn später realisiert wird, dass einige Entwicklungen nicht gesehen, also „nicht auf dem Radar“ waren. Wird das vorzustellende Kultur-Diamant-Modell als ein lebendes, dynamisches und stets anpassungsfähiges Surrogat betrachtet, kann es sich zu einem wertvollen Management-Werkzeug entwickeln. Diese Ausführungen verstehen sich als ein Plädoyer für den Mut, ein angepasstes Modell für das eigene Unternehmen selbst zu entwickeln. Damit erhöhen sich die Chancen beträchtlich, dieses als einen integrierenden Bestandteil und als Ausdruck der eigenen Unternehmenskul-

4.2  Kurze Synopsis verschiedener Unternehmenskultur-Modelle

55

tur zu betrachten. In der Anwendung ist das Modell als Diagnose- und Planungsmodell einsetzbar und lässt sich zur kontinuierlichen Unternehmensentwicklung nutzen.

4.2

Kurze Synopsis verschiedener Unternehmenskultur-Modelle

Zur Analyse, Beschreibung und möglicher Gestaltung der Unternehmenskultur sind verschiedene Modelle entwickelt worden. Einige prototypische Modelle, denen in der Praxis eine gewisse Relevanz zugemessen werden kann, sollen hier kurz vorgestellt werden.

4.2.1 Entwicklungsorientierte Modelle: Das Graves-Modell Das Graves-Value-System-Modell geht auf den Entwicklungspsychologen (und Kollegen von Abraham Maslow) Clare Graves (2002) zurück, eine Weiterentwicklung seines Ansatzes unter der Bezeichnung Spiral Dynamics wurde von Beck und Cowan (2007) verfasst. Dieses Modell bietet die Grundlage für einige deutschsprachige Beratungskonzepte auf dem Gebiet der Unternehmenskultur wie das von Bär et al. (2010) oder von Sagmeister (2016). Es stellt ebenso eine wichtige Grundlage für das Modell von Laloux (2015) dar, der mit seinem Buch „Reinventing Organizations“ einen internationalen Bestseller landete. Das Graves-Modell geht von einer evolutionären Perspektive aus, nach der die menschliche Zusammenarbeit in Organisationen verschiedene Entwicklungsphasen einnehmen kann. Graves hat hierzu acht Phasen identifiziert, die er alle als gleichwertig betrachtet. Die Unternehmen durchlaufen diesem Modell entsprechend die einzelnen Phasen; wenn die erreichte Stufe es nicht mehr erlaubt, auf die aktuellen Herausforderungen problemgerecht zu reagieren, wird die nächste Stufe avisiert. Das Konzept ist als ein Stufenmodell zu verstehen, dessen Übergänge sich befördern lassen. Das Modell gibt eine Entwicklungslinie vor, die eine Orientierung bietet. Für die Zwecke einer punktuellen und agilen Gestaltung der Unternehmenskultur erscheint das Modell zu deskriptiv orientiert, zu schwerfällig, zu langsam in der Beeinflussung und auch zu wenig zielgenau für spezifische Aspekte der gewünschten Unternehmenskultur zu sein.

4.2.2 G  enerische Modelle: Das Organisationskulturmodell von Denison und das OCI Modell Eine andere Gruppe von Modellen orientiert sich an als allgemein erfolgreich definierten Kulturattributen und gibt diese als Basis zur Bewertung vor. Zwei bedeutende Repräsentanten sind zum einen das von Denison (2006) entwickelte Modell, das vor allem in der Praxis insbesondere in den USA sehr verbreitet ist und das Organisational Culture Inventory, das von Human Synergistics (Schuster 2006) angeboten wird. Beiden Modellen ist gemein, dass sie auf einem vorbestimmten Set von Kulturmerkmalen beruhen, die in einem standardisierten Verfahren erhoben werden. Das Modell von Denison (2006, ­

56

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

S. 14 ff.) bewertet beispielsweise die folgenden vier Kulturmerkmale mit den jeweiligen Indikatoren: Mitwirkung • Übertragung von Verantwortung • Teamorientierung • Kompetenzentwicklung Kontinuität • Kernwerte • Übereinstimmung • Koordination und Integration Anpassungsfähigkeit • Wandel schaffen • Kundenorientierung • Organisationales Lernen Mission • Strategische Ausrichtung und Absicht • Ziele und Richtwerte • Vision Die unbestrittenen Stärken dieser Modelle bestehen in ihrer schnellen Einsetzbarkeit und vor allem darin, einen Benchmark für innerorganisationale Vergleiche, vor allem aber auch Benchmarks mit Branchenunternehmen oder generell mit anderen Unternehmen zu ermöglichen. Der große Nachteil liegt jedoch in ihrer generischen Natur: alle Unternehmen werden mit den gleichen Kulturmerkmalen gemessen, unabhängig davon, wie bedeutsam diese für das Unternehmen tatsächlich auch sind. Hier wird jedoch die Ansicht vertreten, dass nur eine individuelle Unternehmenskultur zum größtmöglichen Erfolg führen kann. Auch nur dann werden sich die Mitarbeiter mit dieser Kultur identifizieren können, wenn diese aus dem eigenen Erleben heraus beschrieben und entwickelt wird.

4.2.3 Problembasierte und spezifizierte Modelle Unter diese Klasse rechnen wir Modelle, die eine gewisse Flexibilität in der Auswahl der zu bewertenden Kulturfaktoren zulassen. Darunter fällt etwa das Repertory Grid (Krafft

4.3  Ein eigenes Modell der Unternehmenskultur entwickeln – Integration …

57

2006) und das Kulturassessment von Sackmann (2006). Diese Modelle leiten sich vom Bedarf der zu untersuchenden Unternehmen ab und sind zu einem gewissen Grad offen angelegt, sie basieren auf flexiblen Erhebungsmethoden (Fragebögen, Interviews, Gruppendiskussionen, Workshops). Der Vorteil der hohen Individualität wird ermöglicht, freilich verbunden mit dem Nachteil, das stringente überbetriebliche Vergleiche mit anderen Unternehmen nicht möglich sein werden. Darauf kommt es aus der hier vertretenen Sicht jedoch auch nicht an. Ein weiteres, sehr agiles Modell wird von Hermann und Pfläging (2019) vorgestellt. Ihr Vorgehenskonzept kreiert eine Architektur für Transformation und basiert auf der Methode Open Space. Diese Methode wird vor allem in Großgruppen im Rahmen der Moderation eingesetzt, ihr Schwerpunkt liegt in der Strukturierung und thematischen Bearbeitung selbst gewählter Inhalte. Das Ziel liegt darin, innerhalb von 90 Tagen Unternehmen an neue Anforderungen grundlegend auszurichten. Dabei steht nicht explizit die Orientierung an den spezifischen Kulturfaktoren im Vordergrund, aber sie werden bei diesem radikalen Transformationskonzept zu durchgehender Selbstorganisation, Teamautonomie und Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnis natürlich wesentlich tangiert. Jedenfalls wird durch dieses Vorgehen die überragende Bedeutung von Kommunikation und Beteiligung verdeutlicht. Das in diesem Buch vorgestellte Konzept „Culture Excellence“ lässt sich in diese Kategorie einreihen: es ist offen, flexibel, bietet einen strukturierten Ansatz und eine Vorgehensmethodik an. Gleichzeitig lässt es sich je nach den Bedürfnissen skalieren und kann auch sehr agil eingesetzt werden. Dieses Modell wird in den nächsten Abschnitten vorgestellt.

4.3

 in eigenes Modell der Unternehmenskultur entwickeln – E Integration verschiedener Perspektiven

Unternehmenskultur betrifft das gesamte Unternehmen. Wichtig ist es daher, alle Bereiche in die Betrachtung zu integrieren, denn mögliche partielle Optimierungen können zwar ihre Berechtigung haben, bleiben in ihrer Wirkung jedoch limitiert. Um der Gefahr eines eingeschränkten Blickwinkels zu entgehen, sollten systematisch bei der Identifizierung der Kulturfaktoren unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden.

4.3.1 Verschiedenen Perspektiven Rechnung tragen Zur Bestimmung der individuellen Kulturfaktoren empfiehlt sich das systematische Einnehmen unterschiedlicher Sichten als Ausgangspunkt an. Folgende drei Perspektiven zur systematischen Betrachtung bieten sich an:

58

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

• Das Unternehmen als Ganzes im Wirkungsfeld mit der Umwelt (Schwerpunkt: Adaption) • Das Unternehmen als System der Leistungserbringung im Wirkungsfeld des inneren Funktionierens (Schwerpunkt: Integration und Koordination) • Das Unternehmen als High-Performance-Organisation mit persönlicher und kollaborativer Leistungserbringung. Dieser Ansatz, der gleichzeitig als Fokussierung und Filter wirkt, erlaubt es konzen­ triert diejenigen Kulturfaktoren zu identifizieren, die in der jeweiligen Perspektive von Bedeutung sind. Das Ziel liegt jedenfalls nicht darin, möglichst viele Faktoren zu identifizieren, sondern zu reduzieren und zu verdichten, so können pro Perspektive zum Beispiel auch nur 2–5 Faktoren vollkommen ausreichend sein.

4.3.1.1 Die Perspektive des Unternehmens als Ganzes Erfolg hängt von zahlreichen Faktoren ab, für jedes Unternehmen ist eine unterschiedliche Konstellation an Erfolgsmustern zu vermuten. Zu unterschiedlich sind die Produkte, Prozesse, Kompetenzen und die verfolgten Strategien, vor allem aber sind die Rahmenbedingungen, das Marktumfeld und die Konkurrenzsituation verschieden. Jede Organisation muss daher eine Auswahl der Kultur-Faktoren treffen, von denen die größte ausgehende Wirkung angenommen wird. Die in den zahlreichen Studien zur Unternehmenskultur identifizierten Erfolgsfaktoren geben eine erste Orientierungshilfe. Ein Unternehmen kann daher beispielsweise durch folgende Kulturfaktoren charakterisiert werden: • Profitabilität (angemessene Gewinnentwicklung und Rentabilität, Beteiligung der Mitarbeiter) • Innovationsfähigkeit (Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle erfindend und optimierend) • Agilität (pro- und reaktionsfähig auf Marktentwicklungen) • Vertrauenskultur und Corporate Social Responsibility (intern und nach außen) • Lernende Organisation (kompetenzerhöhende Wissensorganisation) • Sinnstiftung (Werteorientierung nach innen und außen). Diese beispielhaften Faktoren (die erweitert oder reduziert werden können) verankern wir auf der Makroebene. Sie gelten für das gesamte Unternehmen und haben eine Wirkkraft sowohl nach Innen als auch nach Außen und stellen ein Aktions- und Reaktionsmuster des Unternehmens im Wettbewerbsgefüge dar. Sie sollten überall spürbar sein und das Handeln der Mitarbeiter leiten.

4.3.1.2 Das Unternehmen als System der Leistungserbringung Innerhalb dieser Rahmenbedingungen vollzieht jedes Unternehmen seine Leistungsprozesse, diese sollten nach Möglichkeit effektiv und effizient erbracht werden, um eine herausragende Wertschöpfung zu generieren. Die möglichen Effektivitäts- und Effizi-

4.3  Ein eigenes Modell der Unternehmenskultur entwickeln – Integration …

59

enzfaktoren, aus denen sich die Kulturfaktoren ableiten lassen, richten sich in erster Linie nach den im Unternehmen angewendeten Management-, Steuerungs- und Organisations-­ Systemen. Strukturen und Prozesse stellen dabei die Architektur der Wertschöpfung dar. Je nach Reifegrad, Struktur, Organisation und Größe des Unternehmens können die im Unternehmen vorhandenen Effizienz- und Steuerungs-Parameter (Standards, Kennzahlen und Benchmarks) eine valide Basis zur Bestimmung wichtiger Kulturfaktoren bilden. Potentielle Faktoren (siehe stellvertretend Malik 2014) können beispielsweise die folgenden sein: • Planen & Ziele setzen (Beteiligung an Zielbildung? Ziele und Strategien überhaupt bekannt? Planungsprozess akzeptiert?) • Aufgaben & Abläufe organisieren (Transparenz, Zuständigkeit und Verantwortung?) • Ziele & Pläne umsetzen (Anreize, Freiheitsgrade, Empowerment und Kommunikation?) • Ergebnisse kontrollieren & rückmelden (Prioritäten, Feedback, Belohnungs- und Sanktionssysteme?) • Entscheiden (Klarheit, Beteiligungsmöglichkeit?) • Zusammenarbeit koordinieren (Unterstützung, Kooperationswilligkeit und Kollaborationsfähigkeit?) • Informieren & kommunizieren (Informations- und Kommunikationswege, Schnelligkeit, Vertrauen, Authentizität, Wahrhaftigkeit?) • Mitarbeiter entwickeln (Weiterbildung, Karriereplanung?) Auch hier gilt es diejenigen Faktoren zu extrahieren, die kulturstiftend wirken, spezifisch sind und nachhaltig zum Wettbewerbserfolg beitragen.

4.3.1.3 High-Performance-Organisation als Resultat individueller und kollaborativer Leistungserbringung Die vorgenannten Faktoren sowohl des Gesamtunternehmens einerseits als auch der Effektivität und Effizienz andererseits wirken unmittelbar auf die Performanz von Unternehmen, sie sind eine Art „Enabler“ (Befähiger), die den Rahmen für optimale Arbeitsbedingungen schaffen. Sie stellen also die Rahmenbedingungen dar, mit einem noch fehlenden Aspekt, nämlich sowohl der individuellen wie der teambasierten Leistungseinbringung. Einen zentralen Schalthebel zur Entwicklung organisationaler High-Performance bildet die individuelle und kollektive Bereitschaft und Fähigkeit zur bestmöglichen Leistung. Damit kristallisieren sich folgende Zusammenhänge zwischen den Schlüsselfaktoren heraus: • Ziel ist High Performance im Sinne von gewählten Standards und Benchmarks • Zentral beeinflussende Wirk-Variable zur Erzielung von High Performance stellt der Faktor Unternehmenskultur (Vorbildverhalten, Kommunikation, Vertrauen etc.) dar

60

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

• Notwendiger Wirk-Faktor ist einerseits das Ausmaß der Verbindung der individuellen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit mit dem Unternehmen (Wahrnehmung, Wertschätzung, Zugehörigkeit, individuelle Identifizierung, kollektive Identifizierung) • Notwendiger Wirk-Faktor ist andererseits das individuelle Lernen und Wachsen (persönliche Entwicklung, Autonomie, Empowerment, Wachstum, Expertentum) als Vo­raussetzung für das Lernen und die Weiterentwicklung im Team und im gesamten Unternehmen Gerade die Einbeziehung des Individuums in diese Wirk-Faktoren zeigt die unmittelbare Wechselwirkung von Unternehmenskultur auf das individuelle Verhalten und das Einbringen des vorhandenen und zu entwickelnden Potenzials zur gemeinsamen Zielerreichung. Erst diese individuelle Einbeziehung jedes einzelnen Mitarbeiters in die Betrachtung komplettiert die Sicht.

Abb. 4.1  Triptychon-Exzellenz Modell – Wege zur High Performance (Herget 2018)

4.4  Das Kultur-Diamant-Modell: Vorgehenskonzept zur Identifikation der eigenen …

61

4.3.2 I ntegration der Sichten – Basis des eigenen Unternehmenskultur-Modells Für die Integration dieser drei skizzierten Sichten bietet sich das Triptychon-Exzellenz-­ Modell (Herget 2018) an: Die interdependenten Beziehungen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung – sowohl horizontal als auch vertikal – können durch die Verknüpfung der drei Ebenen berücksichtigt, zielgerichtet adressiert und entwickelt werden (siehe Abb. 4.1). Basis aller erfassten relevanten Kulturfaktoren für eine nachhaltige Erfolgskonstellation ist der Grundgedanke eines integrativen Miteinanders für alle an diesem Prozess Beteiligten. Erst diese integrative Sicht ermöglicht eine gesamthafte Berücksichtigung aller relevanten Kulturfaktoren, verhindert dadurch unkoordinierte, partielle und möglicherweise suboptimale Maßnahmenableitung und ermöglicht somit stabile Erfolgskonstellationen für das Unternehmen. Wie dieses Vorgehen zur Analyse und Bestimmung der unternehmensspezifischen Kulturfaktoren genutzt werden kann, wird im nächsten Abschnitt vorgestellt.

4.4

 as Kultur-Diamant-Modell: Vorgehenskonzept zur D Identifikation der eigenen Unternehmenskultur

Als Vorgehensmodell zur Eruierung der eigenen spezifischen Kulturfaktoren eignet sich gut das folgende Modell des Kultur-Diamanten (Abb. 4.2). Dieses sollte alle drei vorhin skizzierte Perspektiven jeweils umfassen. Natürlich kann dieses Modell auch als einzige Sicht genutzt werden, wenn nicht weiter in die drei Perspektiven Unternehmen, internes System sowie Individuum und Kollektiv differenziert werden soll. Für kleine und mittlere Unternehmen kann dies durchaus ausreichend sein. Angelehnt an die Form eines Diamanten teilen wir es in sechs verschiedene Bereiche ein: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Vergangenheit Unsere Stärken Unsere Schwächen Chancen Risiken Unsere Zukunft

Daran anschließend sollten (in Diskussionen, Interviews, Workshops, Befragungen) zu den jeweiligen Bereichen Fragen beantwortet werden, die Hinweise auf die wichti-

62

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln • • • •

• • • •

Warum kaufen unsere … Was schätzen … Was macht uns attraktiv … …

• • • •

Warum verlieren wir … Warum bewerben sich … Warum kündigen … …

Was werden Kunden … Wodurch warden … Was werden die Mitarbeiter … ...

Zukunft

Stärken

Chancen

Schwächen

Risiken

Vergangenheit

• • • •

• • • •

Welche Möglichkeiten … … neue Kooperationen? … neue Kundengruppen? …

• • • •

Welche Gefahren … … Technologien? … Kooperationen? …

Was ist der Kern … Welche Werte … Warum wurden wir gegründet … …

Abb. 4.2  Das Kultur-Diamant-Modell

gen Kulturfaktoren liefern. Dabei können noch zusätzlich weitere vier Perspektiven eingenommen werden: Aus der Sicht der Eigentümer/des Managements, der Führungskräfte und Mitarbeiter, der Kunden, der externen Stakeholder (und sogar Konkurrenten). Die Fragen dienen der Unterstützung bei der Suche und der Vergegenwärtigung der relevanten Kulturfaktoren, sie können spezifisch ergänzt werden. Die aufgeführten Fragen dienen einer ersten Orientierung und sollten natürlich an das eigene Unternehmen adaptiert werden. Das mögliche Fragenset ist bewusst breit angelegt und geht über eigentliche Kulturfaktoren hinaus, dennoch lassen sich aus den Antworten wichtige Kultureigenschaften herauskristallisieren, hier ist also eine Übersetzungsleistung immer nötig. Vergangenheit (Was hat zu unserem Wachstum geführt und unsere Marktposition begründet?) • • • • • • • •

Was ist der Kern unseres Unternehmens (Vision, Mission, was macht uns aus)? Welche Werte haben uns geleitet? Warum wurden wir gegründet? Was war die Gründungsidee? Wo ist der Sinn unserer Existenz? Wodurch bereichern wir die Welt? Was hat uns stark gemacht? Warum kauften unsere Kunden bei uns und nicht bei der Konkurrenz? Was haben wir besser gemacht als die Konkurrenz? Was funktionierte bei uns gut, was wurde tradiert?

4.4  Das Kultur-Diamant-Modell: Vorgehenskonzept zur Identifikation der eigenen …

• • • •

63

Was funktionierte bei uns nicht gut, wurde jedoch trotzdem tradiert? Welche etablierten Rituale stärken uns? Welcher Mindset herrschte bei uns vor? Welche Bedeutung kam dem einzelnen Mitarbeiter, dem Team, zu? Unsere Stärken (Was sollten wir ausbauen, halten?)

• • • • • • • • • • • •

Warum kaufen unsere Kunden bei uns ein? Was schätzen unsere Stammkunden an uns? Was macht uns für Neukunden attraktiv? Was macht unsere Produkte und unser Angebot aus? Was macht unser Geschäftsmodell so robust? Wo haben wir Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz? Warum arbeiten unsere Mitarbeiter gerne bei uns? Warum sind wir für Bewerber attraktiv? Was funktioniert bei uns im internen Bereich besonders gut? Welche Rituale bewähren sich? Welcher Mindset stärkt uns? Wie wird der Beitrag von Mitarbeitern und Teams gewürdigt?

Unsere Schwächen (Wo sind starke Verbesserungspotenziale vorhanden, wo lie­ gen unsere „Pain Points“, wo besteht Handlungsbedarf)? • • • • • • • • •

Warum verlieren wir Kunden an die Konkurrenz? Warum bewerben sich Talente nicht bei uns? Warum kündigen unsere Mitarbeiter? Wo ist die Konkurrenz besser? Was funktioniert intern nicht gut? Wo gibt es Reibungsverluste, Ineffizienzen, Sand im Getriebe? Welche Rituale entsprechen nicht den gegenwärtigen Anforderungen? Welcher Mindset behindert unsere Entwicklung? Wo nutzen wir das Potenzial der Mitarbeiter und Teams nicht aus? Chancen (Welche Gelegenheiten ergeben sich für uns aus der Umweltentwick­lung?)

• • • • • • •

Welche Möglichkeiten können sich aus neuen Technologien ergeben? Welche Möglichkeiten können sich aus neuen Kooperationen ergeben? Welche Möglichkeiten können sich aus neuen Kundengruppen ergeben? Welche Möglichkeiten können sich aus veränderten Wertschöpfungsstrukturen ergeben? Welche Möglichkeiten können sich aus einer Geschäftsmodell Veränderung ergeben? Welche Möglichkeiten können sich aus guten internen Abläufen ergeben? Welche Möglichkeiten können sich durch neue Mitarbeiter ergeben?

64

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

Risiken (Welche Gefahren ergeben sich für uns aus der Umweltentwicklung?) • • • • • • •

Welche Gefahren können sich aus neuen Technologien ergeben? Welche Gefahren können sich aus neuen Kooperationen ergeben? Welche Gefahren können sich aus neuen Kundengruppen ergeben? Welche Gefahren können sich aus veränderten Wertschöpfungsstrukturen ergeben? Welche Gefahren können sich aus einer Geschäftsmodell Veränderung ergeben? Welche Gefahren können sich aus mangelhaften internen Abläufen ergeben? Welche Gefahren können sich aus mangelnder Attraktivität für Mitarbeiter und Geschäftspartner ergeben?

Zukunft (So sichern wir in Zukunft unsere Wettbewerbsposition; welche Kultur­ eigenschaften sollten wir besonders pflegen?) • Was werden Kunden an uns und unserem Angebot in der Zukunft schätzen? • Wodurch sollen sich unsere Produkte und der bereitgestellte Kundennutzen insbesondere auszeichnen? • Was werden die Mitarbeiter an uns in der Zukunft schätzen? • Bei welchen internen Abläufen sind wir vorbildhaft? • Was macht uns zum attraktiven Arbeitgeber in der Zukunft? • Wofür beneidet uns die Konkurrenz? • Was sollen andere Stakeholder (Kapitalgeber, Öffentlichkeit, …) an uns zukünftig schätzen? • Wie sieht der Kern unserer Zusammenarbeit, die gemeinsame Leistungserbringung aus? So ausführlich die Diskussion zur Eruierung der Kulturfaktoren auf den ersten Blick erscheinen mag, das Ziel liegt in einer Verdichtung auf die wesentlichen Faktoren: Dieser Diskurs sollte dazu führen, dass für das eigene Unternehmen etwa fünf bis maximal 10 solcher Kulturfaktoren in einem Auswahlprozess priorisiert werden. Es ist durchaus möglich, in weiteren „Runden“ neue Kulturfaktoren aufzunehmen (oder bisherige, die entweder obsolet werden oder das angestrebte Niveau bereits erreicht haben, auszuscheiden, respektive aus dem Fokus zu nehmen). Besonders in den Fokus rücken sollten daher Kulturfaktoren, die einer möglichst kon­ trollierten Beeinflussbarkeit unterliegen. Auch dazu gibt es, falls hier Unsicherheiten bestehen, weitere unterstützende Methoden, wie beispielsweise die von Frederic Vester entwickelte Einflussmatrix, die eine Ursache-Wirkungs-Beziehung herstellt und in aktive (andere Objekte beeinflussend) oder passive (von anderen Objekten beeinflusst) Faktoren untergliedert (Vester 1970, S. 165; siehe hierzu auch Abschn. 9.2).

4.4  Das Kultur-Diamant-Modell: Vorgehenskonzept zur Identifikation der eigenen …

65

4.4.1 Ein Beispiel: Erfassung kulturrelevanter Faktoren Ein kurzes Beispiel soll im Folgenden eine mögliche Anwendung skizzieren, um das Vorgehen plastischer werden zu lassen. Wir nehmen als relativ einfaches Beispiel ein kleines Medienunternehmen mit ca. 20 Mitarbeitern, das seit 10 Jahren auf dem Markt aktiv ist und Unternehmen bei der digitalen Transformation berät und entsprechende digitale Präsenzen und Kommunikations- und Interaktionskanäle konzipiert und betreut.

4.4.1.1 Das Kultur-Diamant-Modell: Perspektive Unternehmen Als Ergebnisse von Gruppendiskussionen in der Fokussierung auf die Perspektive „Unternehmen“ ergeben sich folgende relevante Kulturfaktoren: Vergangenheit: • Kundennähe • Gemeinsame Entwicklungen mit dem Kunden • Kommunikationsstärke, Übersetzung des technisch Möglichen ins betriebswirtschaftlich Sinnvolle • Gemeinsame Projektteams Stärken: • Gute Referenzen • Vertrauensbeziehung zu Kunden Schwächen: • Kein Innovationsführer • Geringe Multiplikation von Lösungen Chancen: • Kooperation mit Agenturen • Kooperation mit Technologielieferanten (Tool-Box) Risiken: • Zu geringe Adaption neuer technologischer Entwicklungen

66

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

Zukunft: • Verlässlichkeit als Partner • Stabile Lösungen • Gutes Arbeitsklima, Wertschätzung von Mitarbeitern, Entwicklungsmöglichkeit

4.4.1.2 Das Kultur-Diamant-Modell: Perspektive Internes System Als Ergebnisse von Gruppendiskussionen in der Fokussierung auf die Perspektive „Internes System“ ergeben sich folgende relevante Kulturfaktoren: Vergangenheit: • Hohe Transparenz • Gemeinsame Zielsetzung und Planung • Schnelle Kommunikation Stärken: • Kurze Wege • Vertrauen Schwächen • Zu wenig Standards im Ablauf • Kollaboration ist zufälliger, nicht systematischer und unterstützter Prozess Chancen: • Know-how-Austausch mit Externen verbessern Risiken: • Zu wenig systematische Weiterbildung Zukunft: • Gelebter Individualismus im Team • Hohe Beteiligung der Mitarbeiter an der Zukunftsgestaltung • Empowerment, Intrapreneurship

4.4  Das Kultur-Diamant-Modell: Vorgehenskonzept zur Identifikation der eigenen …

67

4.4.1.3 Das Kultur-Diamant-Modell: Perspektive Individuum Als Ergebnisse von Gruppendiskussionen in der Fokussierung auf die Perspektive „Individuum“ ergeben sich folgende relevante Kulturfaktoren: Vergangenheit: • Hohe Identifikation • Gemeinsame Erfolge Stärken: • Wertschätzung des Einzelnen • Vertrauen Schwächen: • Zu wenig Spezialisierung, Know-how-Entwicklung • Zu wenig unterstützte Kollaboration Chancen: • Mitarbeiter Rotation mit Partnern (Hospitanz) • Mentoring Risiken: • Vernachlässigung der internen Entwicklung Zukunft: • Mitbeteiligung am Erfolg • Soziokratische Modelle • Identifikation durch hohe Beteiligung am Unternehmensgeschehen

4.4.2 E  in Beispiel: Verdichtung auf unternehmensindividuelle Kulturfaktoren Die oben beispielhaft abgeleiteten erfolgsrelevanten Kulturfaktoren sollten dann in einem zweiten Verdichtungsprozess weiter kondensiert werden. Als mögliche Unternehmenskulturfaktoren mit hoher Priorität und Relevanz könnten dann die Folgenden selektiert werden:

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• • • • • • • • • •

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

Ausgeprägte Kundennähe und -orientierung Partnerschaftliche Entwicklungen mit unseren Kunden Vertrauensbeziehungen zu Kunden und Partnern Gelebte Kooperation mit unseren Partnern Innovationsstärke Interne Kollaboration leben Hohes Vertrauen im Unternehmen Hohe Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensentwicklung Empowerment der Mitarbeiter Fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeiter

Mit diesen hypothetisch identifizierten Unternehmenskulturfaktoren kann das Unternehmen dann die nächsten Schritte zur Gestaltung und zu einer Optimierung der Unternehmenskultur planen. Dieser Prozess der Auswahl der relevanten Kulturfaktoren ist erfolgskritisch. Beispielsweise wurden im oberen Beispiel die meisten Kulturfaktoren aus den positiven Zustandsbeschreibungen herauskristallisiert, der Kulturfaktor Innovationsstärke jedoch aus einem eher empfundenen Defizit heraus, gleiches gilt für die interne Kollaboration. Diese rücken damit in den Fokus und können bewusst adressiert werden und erhalten die als wichtig empfundene Aufmerksamkeit, um ihre als wichtig erachtete Rolle in der Zukunft wahrnehmen zu können. Bei dem Prozess der Auswahl der Kulturfaktoren kann auch mit verschiedenen Prioritäten gearbeitet werden. Es können also etwa in einem ersten Auswahlverfahren viele Kulturfaktoren identifiziert werden und dann mit Prioritäten 1-3 bewertet werden. Danach werden die höchstbewerteten (Priorität 1) ausgewählt, die anderen stellen dann Kandidaten für die nächsten Runden dar. Wie schon angemerkt, sollte dieser Prozess auf den verschiedenen Unternehmensbereichen durchgeführt werden, damit jeder Subbereich „sein“ Unternehmenskultur-Modell erhält.

4.5

 lignment der Unternehmenskultur mit A der Unternehmensstrategie

Das Alignment, also die Abstimmung und Ausrichtung verfolgter Ziele und Strategien, ist der letzte Schritt in der Konzeption des unternehmensindividuellen Kulturmodells. Die ausgewählten Kulturfaktoren sollten vor allem auch ihre Zukunftsbezogenheit ­demonstrieren. Das ist zum einen notwendig, um das Unternehmen nachhaltig in der Wettbewerbsstärke zu unterstützen, zum anderen dient das auch als Begründung für das entsprechende Kulturprojekt. Das Unternehmen soll ja zukunftsfit gestaltet werden. Dazu wird in einer Abstimmung mit der Geschäftsstrategie analysiert, ob die selektierten

4.5  Alignment der Unternehmenskultur mit der Unternehmensstrategie

69

Kulturfaktoren auch eine unmittelbare Unterstützung der Unternehmensstrategie ver­ spre­chen. Dabei sollte jeder selektierte Kulturfaktor mit den aktuellen Unternehmenszielen und -strategien abgeglichen werden. Fördern die Kulturfaktoren die Ziele und Strategien? Oder sind sie indifferent, also ohne Einfluss oder stehen sie gar im Konflikt mit diesen? Dieses Alignment ist durchaus als erfolgskritisch zu betrachten. Dadurch können eventuell bislang nicht priorisierte Kulturfaktoren vorgereiht werden, andere eher zurückgestellt werden. Beispiel zum Alignment

Im Unternehmensziel unseres Beispielunternehmens ist formuliert, künftig strategische Partnerschaften mit Unternehmen unterschiedlicher Wertschöpfung zu suchen. Damit erhält der Kulturfaktor „Gelebte Kooperation mit unseren Partnern“ eine herausragende Bedeutung und kann weiter priorisiert werden. Denn die darin zu entwickelnden optimierten Praktiken können bei möglichen strategischen Partnerschaften von großem Vorteil sein, um rasch Kooperationspotenziale zu realisieren. Der Prozess zur Entwicklung eines individuellen Kulturmodells kann folglich verschiedene Filterverfahren durchlaufen. Eine Kondensierung auf wenige Faktoren ist in der Regel angeraten, häufig werden in der ersten Analyse zu viele relevante Kulturfaktoren bestimmt, deren gleichzeitige Fokussierung in den anschließenden Phasen die Organisation überfordern kann. Folgende Filter sind im Verdichtungsprozess sinnvoll: 1 . Priorisierung nach eigenen Kriterien (im Team) 2. Vernetzungsmatrix (zur Auswahl besonders wirksamer Kulturfaktoren) 3. Alignment (Abstimmung und Ausrichtung) mit Unternehmenszielen und der -strategie (zur Akzeptanz und Zukunftsbezogenheit) 4. Kombination der obigen Möglichkeiten. Dieser Auswahlprozess sollte bei größeren Unternehmen genauso auf die jeweiligen Standorte, Bereiche, Abteilungen und Teams entsprechend adaptiert werden. Nur so wird gewährleistet, dass sich die Mitarbeiter in ihrem Arbeitsumfeld mit den lokalisierten Kulturfaktoren auch identifizieren können. Vor schematischen Ableitungen von Kulturfaktoren, die sich womöglich aus generellen Best-Practice-Faktoren anderer Unternehmen herausdestillieren lassen, wird hier nachdrücklich gewarnt. Jede identifizierte Unternehmenskultur sollte ein Höchstmaß an Individualität aufweisen, in der sich die Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft widerspiegeln. Erst dann wird sie ihre große Wirkung zur Identitätsstiftung und Motivation leisten können. Das Unternehmenskultur-­Modell des Beispielunternehmens kann wie in Abb. 4.3 visualisiert werden.

70

4  Ein eigenes Kultur-Modell entwickeln

Innovationsstärke Hohe Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensentwicklung

Empowerment

Ausgeprägte Kundennähe und -orientierung

Partnerschaftliche Entwicklungen mit unseren Kunden

Fachliche und persönliche Mitarbeiterentwicklung Hohes Vertrauen im Unternehmen

Gelebte Kooperation mit unseren Partnern

Interne Kollaboration leben

Vertrauensbeziehungen zu Kunden und Partnern

Abb. 4.3  Kultur-Modell des Beispielunternehmens

4.6

Key Points

1. Die Konzeption eines individuellen Modells der Unternehmenskultur verspricht die besten und nachhaltigsten Ergebnisse. 2. Standardmodelle erlauben zwar innerbetriebliche Vergleiche, es mangelt ihnen jedoch am unternehmensindividuellen Zuschnitt, die Identifikation mit einem solchen Kulturmodell wird in der Regel nicht in vollem Umfang gegeben sein. 3. Zur Erfassung der relevanten Kulturfaktoren ist die Einnahme verschiedener Perspektiven wichtig: Die Unternehmenssicht als Ganzes, das interne System der Leistungserbringung und die individuelle und kollektive Leistungserbringung. 4. Die Integration der verschiedenen Perspektiven erlaubt ein ausgewogenes und gesamthaftes Bild der Unternehmenskultur. 5. Das Kultur-Diamant-Modell schafft einen Rahmen für die Ableitung unternehmensspezifischer Kulturfaktoren. Es integriert die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in die Betrachtung und schafft somit gute Voraussetzungen zur allgemeinen Akzeptanz. 6. Der Prozess der Erfassung der Kulturfaktoren kann auf verschiedene Weise stattfinden. Wichtig erscheint ein Prozess unter Beteiligung vieler Mitarbeiter, Gruppendiskussionen sind ein vielversprechendes Instrument hierzu. 7. Eine Verdichtung auf 5–10 Kulturfaktoren ermöglicht eine Fokussierung und schafft die Voraussetzungen, um den Prozess der Gestaltung und Entwicklung der Unternehmenskultur handhabbar zu machen. 8. Der Prozess zur Bestimmung der Kulturfaktoren sollte ebenso auf allen Ebenen und in allen Bereichen stattfinden, für die eine abweichende, individuelle Unternehmenskul-

Literatur

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tur als wichtig erscheint. Eine Harmonisierung mit der unternehmerischen Leitkultur sollte natürlich gewährleistet werden. 9. Eine Überprüfung und Abstimmung der ausgewählten Kulturfaktoren mit den verfolgten Unternehmenszielen und -strategien ist stets vorzunehmen. Die selektierten Kulturfaktoren sollten die Unternehmensstrategie unterstützen.

Literatur Bär M, Krumm R, Wiehle H (2010) Unternehmen verstehen, gestalten, verändern. Das Graves-­ Value-­System in der Praxis. Gabler, Wiesbaden Beck DE, Cowan CC (2007) Spiral Dynamics – Leadership, Werte und Wandel. J. Kamphausen, Bielefeld Denison DR (2006) Verbindung von Organisationskultur und unternehmerischem Erfolg: Ein kurzer Überblick. In: Bertelsmannstiftung (Hrsg) Messen, werten, optimieren. Erfolg durch Unternehmenskultur. Ein Leitfaden für die Praxis. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/ BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Messen_werten_optimieren.pdf. Zugegriffen am 17.11.2019 Graves CW (2002) Levels of human existence. ECLET Publishing, Santa Barbara Herget J (2018) Das Triptychon-Exzellenz-Modell – Grundlagen, Konzept und Implentierung. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Springer Gabler, Wiesbaden Hermann S, Pfläging N (2019) OpenSpace Beta: Das Handbuch für organisationale Transformation in nur 90 Tagen. Vahlen, Münschen Krafft A (2006) Die Repertory Grid-TechnikErhebung der relevanten kulturellen Faktoren zur nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens. In: Bertelsmannstiftung (Hrsg) Messen, werten, optimieren. Erfolg durch Unternehmenskultur. Ein Leitfaden für die Praxis. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Messen_ werten_optimieren.pdf. Zugegriffen am 17.11.2019 Laloux F (2015) Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen, München Malik F (2014) Führen Leisten Leben: Wirksames Management für eine neue Welt. Campus, Frankfurt/New York Sackmann SA (2006) Welche kulturellen Faktoren beeinflussen den Unternehmenserfolg? https:// www.dgfp.de/wissen/personalwissen-direkt/dokument/84192/herunterladen. Zugegriffen am 11.05.2016 Sagmeister S (2016) Business culture design. Campus, Frankfurt Schuster C (2006) Organizational Culture Inventory. Nutzung von Kultur als Treiber erfolgreichen Wandels. In: Bertelsmannstiftung (Hrsg) Messen, werten, optimieren. Erfolg durch Unternehmenskultur. Ein Leitfaden für die Praxis. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/ BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Messen_werten_optimieren.pdf. Zugegriffen am 17.11.2019 Vester F (1970) Die Kunst vernetzt zu denken. dtv, München

5

Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur

Zusammenfassung

Die in ihrer Organisation vorherrschende Unternehmenskultur ist den meisten Managern nur intuitiv bewusst. Eine solche Einschätzung kann korrekt sein, sie bietet aber eine unzureichende Basis, um einerseits systematisch Schwachstellen und Stärken zu identifizieren und zum anderen eine erste belastbare Diskussionsgrundlage zwischen verschiedenen Organisationsmitgliedern zu bieten. Zur Analyse und Diagnose in einem Unternehmen eignen sich Auditkonzepte. In diesem Kapitel werden die Grundlagen von Audits besprochen und ein Audit-Konzept zur Erfassung der Unternehmenskultur vorgestellt. Dieses bietet eine gute Möglichkeit, eine empirisch basierte Diagnose der Unternehmenskultur vorzunehmen. Neben der Ist-Situation wird dabei auch die Einschätzung einer erwünschten Unternehmenskultur durch die Organisationsmitglieder ermöglicht. Die unterschiedlichen vorgeschlagenen Vorgehensweisen werden detailliert vorgestellt. Ebenso werden verschiedene Auswertungsmöglichkeiten der erzielten Ergebnisse diskutiert. Das Unternehmenskultur-Audit ist ein praxiserprobtes Instrument, das an die verschiedensten Unternehmen und Unternehmensbereiche angepasst werden kann. Peter Drucker, „If you can’t measure it – you can’t manage it“. Henry Mintzberg: „If you can’t measure it, you especially have to manage it.“

Vom Intuitiven zum faktenbasiert Belastbaren, damit ist der Ausgangspunkt dieses Kapitels gut umrissen. Erst konkrete Einschätzungen und Messungen schaffen eine gute Basis für weiterführende Diskussionen. Wenige Themen auf dem Gebiet des Manage-

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_5

73

74

5  Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur

ments werden in der Praxis so im Spekulativen geführt wie das Phänomen der Unternehmenskultur. Das muss so nicht bleiben, das folgende Kapitel zeigt mögliche methodische Wege, um den Diskursen eine belastbare Basis zu bieten. Die Altmeister des Managements, Peter Drucker und Henry Mintzberg, kommen so auch zu ihrem Recht, wie die eingangs angeführten Zitate belegen.

5.1

Das Unternehmenskultur-Audit – zum Begriff und Konzept

Nachdem im letzten Kapitel der Frage nachgegangen wurde, welches nun die relevanten unternehmensindividuellen Kulturfaktoren seien und wie diese elizitiert werden können, gilt es nun den Fokus auf den Prozess der Erhebung des Standes und der jeweiligen Ausprägung zu legen. Das Unternehmenskultur-Audit1 stellt eine Methode zur Analyse der Ausprägung der gegenwärtigen Unternehmenskultur dar. Gleichzeitig kann mit dieser Methode auch der Wunschzustand der jeweiligen Ausprägung erhoben werden. Unter Audit wird eine systematische Bestandsaufnahme verstanden. Diese setzt zwei Ansatzpunkte voraus: • Die Objekte der Analyse (was genau soll analysiert werden?) sollten begründet sein und Relevanz aufweisen für den beabsichtigten Zweck. Ein mögliches Vorgehen hierzu wurde im letzten Kapitel dargelegt. • Gleichzeitig sollten diese Objekte in einem graduell abgestuften System verortet werden. Dieses soll Aussagen ermöglichen über den Grad oder die Güte der Bewertung der einzelnen Kulturfaktoren. Dies kann erfolgen in dem eine Skala vorgegeben wird, beispielsweise eine Intervallskala mit einer 5er, 7er oder 10er Skala mit einer Bezeichnung der jeweiligen Endpunkte (z. B. unzureichend – ausgezeichnet). Ebenso erfüllen ordinalskalierte Bewertungen ihren Zweck, sie sind jedoch in ihrer statistischen Auswertbarkeit eingeschränkt. Der Beurteilungsspielraum, der durch Individuen in Form einer Befragung, eines Interviews oder in Gruppendiskussionen als Konsens erfolgen kann, orientiert sich dabei an den eigenen Wahrnehmungen, die sich etwa an externen Vergleichen oder internen Benchmarks orientieren können. Eine alternative Bewertung (ordinalskaliert) kann auch unmittelbar in einem plausiblen Modell erfolgen. Ein solches Modell kann beispielsweise ein Reifegrad-Modell darstellen. Diese werden in ­verschiedene Entwicklungsstufen (gebräuchlich sind vor allem 4- oder 5-Stufen) differenziert (siehe hierzu Kap. 6). Was ist nun der Zweck von Audits? Audits sollen primär den derzeitigen Stand erheben, der transparent und dadurch nachvollziehbar werden soll. Aus der Bestimmung des 1

 Dieses Kapitel basiert zum Teil auf Herget und Mader (2018).

5.2  Erhebung und Auswertung

75

aktuellen Standes lassen sich dann Maßnahmen ableiten, die die künftige Entwicklung in eine gewünschte Richtung beeinflussen sollen. Ein Audit in diesem Sinne ist also ein Management-­Instrument, dessen Anwendung Hinweise über künftige Gestaltungsmöglichkeiten liefern kann. Um einen möglichst hohen Nutzen aus der Anwendung von Audits zu generieren, ist – wie im vorigen Kapitel ausgeführt – die Bestimmung der zu analysierenden Objekte von zentraler Bedeutung. Für Initiativen zum Kulturwandel ist das Ergebnis eines Unternehmenskultur-Audits eine wichtige Grundlage und Ausgangspunkt für Maßnahmen. Es gibt im Umfeld von Veränderungsmanagement ein breites Methodenrepertoire  – und wenig Methodik zur Frage, für welche besonderen Themen und Herausforderungen sowie Kontexte welche der Methoden besser oder weniger gut geeignet sind. Für die Auswahl von Interventionen und Maßnahmen zum Kulturwandel kann mit dem Unternehmenskultur-Audit eine erste Grundlage geschaffen werden, indem daraus ein Überblick über die jeweils zu verändernden Spezifika der Unternehmenskultur ersichtlich werden.

5.2

Erhebung und Auswertung

Die Erhebung und Bewertung kann in verschiedenen Formen und Formaten erfolgen: Interviews, Workshops, Gruppendiskussionen, Großgruppenmethoden (z. B. Open Space), schriftliche Befragungen und anderes mehr. Die jeweiligen Vor- und Nachteile sind dabei situativ abzuwägen. Zum einen kann eine umfassende Erhebung bei den Mitarbeitern und Führungskräften vorgenommen werden, zum anderen können auch in einem Workshop-­ Format von einem repräsentativ zusammengesetzten Teilnehmerkreis entsprechende Analysen vorgenommen werden. Dabei können Auffassungsunterschiede diskutiert und dadurch auch gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Eine unmittelbare bloße schriftlich erhobene Befragung kann einen solchen Erkenntnis- und Verständnis-Prozess nicht ersetzen. Eine Kombination von Methoden kann sich folglich durchaus empfehlen. So kann durch eine umfangreiche Basiserhebung bei allen Mitarbeitern bzw. einem größeren Teilnehmer-­Kreis (anonym) durchgeführt werden, um einerseits möglicherweise im persönlichen Austausch nicht geäußerte Bewertungen zusätzlich einzufangen, andererseits möglichst vielen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, an diesem Prozess teilzuhaben. Alleine die Bewertung der jeweiligen Kulturfaktoren wird zu wichtigen Reflexionsprozessen bei den Mitarbeitern führen. Die Bewertung der jeweiligen Ausprägungen der ausgewählten Faktoren der Unternehmenskultur erfolgt in einem auf das Unternehmen abgestimmten Instrument (z. B. Fragebogen, Interviewleitfaden, Bewertungspunkte auf einer Tafel). Beispielhaft können ­Auditfragebögen sowohl als Workshop-Leitfaden dienen oder in adaptierter Form als (Online-) Fragebögen oder Interviewleitfäden genutzt werden (siehe Abb. 5.1).

76

5  Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur

Abb. 5.1  Unternehmenskultur-Audit Template

Ein Kernelement des hier gewählten Ansatzes, der auf der Methode der Erfolgsfaktorenforschung (Lehner 1990, 2008) basiert, ist die Differenzierung bei der Erhebung des Standes der Ausprägung eines Kulturfaktors. Dies erfolgt in zwei Stufen: • Zunächst wird gefragt: Wie gut ist der Faktor X in ihrem Unternehmen ausgeprägt (z. B. Skala 1–10)? • Danach wird gefragt: Wie wichtig ist der Faktor X für ihr Unternehmen (z. B. Skala 1–10)? Aus der Differenzierung zwischen der Einschätzung der aktuellen Ausprägung eines Kulturfaktors einerseits und der Wichtigkeit und Bedeutung andererseits, lassen sich in der Auswertung zahlreiche interessante Interpretationen ziehen. Durch diese Synchronizität wird gleichzeitig die gegenwärtige und die als wichtig empfundene zukünftige Kulturausprägung erhoben. In dieser Unterscheidung liegt die Besonderheit dieses Vorgehens, das sich in der Praxis gut bewährt hat.

5.2  Erhebung und Auswertung

77

Je nach gewähltem Format im Erhebungsbogen selbst lässt sich das Ergebnis auf verschiedene Weisen darstellen: in einer Radargrafik (im Falle einer einfachen Bewertungs­ skala mit einem Punktesystem) oder in einem Quadranten-System (im Falle einer Bewertung nach dem Format einer Erfolgsfaktorenanalyse mit einer Bewertung nach Wichtigkeit (Priorität) und Leistung (Performanz) der jeweiligen Faktoren). In beiden Fällen werden die relevanten Handlungsfelder klar ausgewiesen. Bei einem Quadranten-System werden die Achsen mit ihren Ausprägungen Ist-Zustand: niedrig – hoch und Ziel-Zustand: weniger wichtig – wichtig unterschieden (siehe Abb. 5.2). Für das Unternehmenskultur-Audit bietet sich ein Mehr-Methoden-Mix an, in dem die Durchführung des Audits im Rahmen eines Workshops und/oder durch eine ergänzende schriftliche oder mündliche Befragung erfolgen kann. Das Vorgehen ermöglicht ebenso die Kombination der Analyseschritte zur Bestimmung der Ist- und der Ziel-Kultur. Die Anwendung der Methode durch versierte interne (und/oder externe) Projektmitarbeiter sensibilisiert zugleich die Wahrnehmung und Erwartungen der Projektteilnehmer. Bereits dadurch wird eine erhöhte Aufmerksamkeit erzielt und somit unmittelbar die Unternehmenskultur im Unternehmensalltag beeinflusst. Neben diesem relativ direkt adressierbaren Ansatz zur Erhebung der Unternehmenskultur sind auch weitere, offenere methodische Vorgehensweisen möglich. Beispielsweise können qualitative Verfahren wie die Erhebung von kollektiven Mustern durch Gruppendiskussionen eingesetzt werden. Diese bieten sich vor allem in sehr komplexen organisationalen Situationen an und bedürfen aufgrund ihrer methodischen Anforderungen in der Regel einer externen Unterstützung. Diese Methoden sind allerdings langwieriger in der Durchführung, sie können jedoch zu weiteren Einsichten führen, die über die hier beschriebenen Aussagen hinausgehen (siehe hierzu ausführlich Luttenberger 2018).

Abb. 5.2  Auswertungsmethoden Quadranten-System oder Radargrafik

78

5  Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur

5.3

Ableitung und Priorisierung von Zielen

Ausgehend vom Ergebnis der Auswertung wird empfohlen, zu den identifizierten Handlungsfeldern vor der Ableitung von Maßnahmen die jeweiligen Ziele zu formulieren, um sicherzustellen, dass klar festgelegt wird, wohin die Richtung der Entwicklung gehen soll. Das hier beschriebene Vorgehen stellt sicher, dass die Vorgehensmethodik, ausgehend vom individuellen Modell der Unternehmenskultur, dem strategischen Alignment mit der Unternehmensstrategie, über die IST-Analyse, die SOLL-Konzeption und die Zielformulierung bis zur Maßnahmenwahl konsequent systematisch erfolgt. Bei der Zielsetzung wird auch eine Priorisierung zu treffen sein, welche Aspekte der Unternehmenskultur vorrangig adressiert werden sollen. Dazu liefert die Auswertung eine gute Grundlage.

5.4

Ein Beispiel zur Illustration

Im Folgenden wird das Beispiel aus dem Kap. 4 weitergeführt, um den Einsatz dieses Instrumentes besser demonstrieren zu können. Folgende unternehmensspezifischen Kulturfaktoren wurden im vorigen Kapitel selektiert: • • • • • • • • • •

Ausgeprägte Kundennähe und -orientierung Partnerschaftliche Entwicklungen mit unseren Kunden Vertrauensbeziehungen zu Kunden und Partnern Gelebte Kooperation mit unseren Partnern Innovationsstärke Interne Kollaboration leben Hohes Vertrauen im Unternehmen Hohe Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensentwicklung Empowerment der Mitarbeiter Fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeiter

Entsprechend dem Audit werden die Fragen, unabhängig davon ob nun als Online-­ Fragebogen, schriftlicher Fragebogen, Interviewleitfaden oder Leitfaden in einer Gruppendiskussion wie folgt formuliert: Beispiel

1a) Wie gut wird in unserem Unternehmen die Kundenorientierung und -nähe gelebt? 1b) Wie wichtig ist für unser Unternehmen eine hohe Kundenorientierung und -nähe? 2a) Wie gut entwickeln wir gemeinsam mit unseren Kunden neue Lösungen? 2b) Wie wichtig ist es für uns, gemeinsam mit unseren Kunden neuen Lösungen zu entwickeln?

5.4  Ein Beispiel zur Illustration

79

3a) Wie vertrauensvoll verhalten wir uns gegenüber unseren Kunden und Partnern? 3b) Wie wichtig ist ein vertrauensvolles Verhältnis zu unseren Kunden und Partnern? 4a) Wie gut kooperieren wir mit unseren Partnern bei der Entwicklung neuer Lösungen? 4b) Wie wichtig ist eine gute Kooperation mit unseren Partnern bei der Entwicklung neuer Lösungen? 5a) Wie innovationsstark sind wir als Unternehmen? 5b) Wie wichtig ist für uns als Unternehmen eine hohe Innovationsstärke? 6a) Wie gut kollaborieren wir systematisch intern bei Projekten? 6b) Wie wichtig ist eine systematische interne Kollaboration? 7a) Wie gut vertrauen wir uns gegenseitig im Unternehmen, unabhängig von der Hierarchieebene? 7b) Wie wichtig ist ein hohes Vertrauen im Unternehmen, unabhängig von der Hierarchieebene? 8a)  Wie gut werden die Mitarbeiter in die Entwicklung unseres Unternehmens einbezogen? 8b) Wie wichtig ist es für unser Unternehmen, die Mitarbeiter in die Entwicklung des Unternehmens einzubeziehen? 9a) Wie gut werden die Eigenverantwortlichkeit und Kompetenzübertragung in unserem Unternehmen gelebt? 9b) Wie wichtig ist es für unser Unternehmen, Verantwortung und Kompetenzen an unsere Mitarbeiter zu übertragen? 10a) Wie gut fördern wir im Unternehmen die fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeiter? 10b) Wie wichtig ist die fachliche und persönliche Förderung der Entwicklung unserer Mitarbeiter für unser Unternehmen? Die einzelnen Fragen können dann beispielsweise auf einer Skala von 1 (gar nicht, nicht vorhanden) bis 10 (ausgezeichnet, sehr hoch) bewertet werden (individuell oder durch Konsens im Team). Die Ergebnisse können danach beispielsweise in einem Quadranten-System und/oder einer Radargrafik dargestellt werden (als Durchschnittswert der einzelnen Bewertungen). Wenn beispielsweise nach Abteilungen oder Standorten differenziert werden soll, empfiehlt sich eine Abfrage dieses Strukturmerkmals. Danach können interessante Vergleiche angestellt werden oder auch interne Best-Practices identifiziert werden. Deutlich

80

5  Analyse und Diagnose der Unternehmenskultur

wird auch beispielsweise bei den Fragen 3 und 7, dass unter Umständen eine Differenzierung in jeweils zwei Fragen angeraten sein könnte (falls es Unterschiede in der Kooperation mit Kunden und Partnern gibt oder falls das Vertrauen im Unternehmen im Team anders gelebt wird als zwischen den Hierarchien). Diese Feinheiten müssen immer im aktuellen Kontext bedacht und beantwortet werden. Stellt man sich ein großes Unternehmen mit vielen Standorten und zahlreichen Bereichen und Abteilungen vor, wird deutlich, dass das bereits öfters angesprochene kaskadenförmige Vorgehen viele Adaptionen notwendig machen wird. Die jeweils ermittelte Unternehmenskultur muss für den betroffenen, abgrenzbaren Teil der Mitarbeiter Sinn machen und sich nicht im Abstrakten und Unverbindlichen verlieren. Das fiktive Ergebnis einer solchen Erhebung könnte zu einem Resultat führen, wie in Tab. 5.1 dargestellt. Das Ergebnis erlaubt mehrere Interpretationsrichtungen: • zum einen zeigt sich, wie die gegenwärtige Ausprägung der jeweiligen Kulturfaktoren bewertet wird, • zum anderen wird die eingeschätzte zukünftige Wichtigkeit des Kulturfaktors sichtbar. Aus der Gegenüberstellung der beiden Werte wird die wahrgenommene Diskrepanz deutlich: Je größer das Delta, umso höher der offensichtlich bestehende Handlungsbedarf. Damit bietet das Ergebnis eine gute Basis für weitere Entscheidungen: Welche Prioritäten bestehen, welche Ziele sollten formuliert werden, welche Strategien bieten sich an. Diese bieten die Basis für die alsdann auszuwählenden Methoden zur Kulturintervention und für das Change Management. Allerdings kann unter Umständen deutlich werden, bei welchen Kulturfaktoren noch Diskussions- und Überzeugungsbedarf besteht. Es kann durchaus Tab. 5.1  Auswertung eines Unternehmenskultur-Audit (Bewertung in 10er Skala) Kultur-Faktor Ausgeprägte Kundennähe und -orientierung Partnerschaftliche Entwicklungen mit unseren Kunden Vertrauensbeziehungen zu Kunden und Partnern Gelebte Kooperation mit unseren Partnern Innovationsstärke Interne Kollaboration leben Hohes Vertrauen im Unternehmen Hohe Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensentwicklung Empowerment der Mitarbeiter Fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeiter

Leistung (Ist) 7,8 8,1

Wichtigkeit (Soll) 8,5 9,0

Delta (Differenz) 0,7 0,9

5,8 6,5 4,8 4,2 7,1 6,1

7,6 7,3 8,1 9,0 8,5 7,7

1,8 0,8 3,3 4,8 1,4 1,6

7,0 6,8

9,5 7,8

2,5 1,0

Literatur

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auch ein negatives Delta geben, das bietet dann Hinweise darauf, dass die Wichtigkeit und entsprechende Aktivitäten zur Steigerung dieses Kulturfaktors nicht gesehen werden. Keinesfalls sollte die Wichtigkeit dieses Bewertungsprozesses für den Diskurs zum Thema Unternehmenskultur unterschätzt werden. Für die meisten Unternehmen wird es überhaupt die erste systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Unternehmenskultur sein. Der oftmals als schwammig wahrgenommene Begriff wird für alle ­Teilnehmenden mit konkretem Leben aus der alltäglichen Praxis gefüllt und sogar in der gegenwärtigen Ausprägung und zukünftigen Wichtigkeit bewertet. Die Diskussion, nach Möglichkeit auch abteilungs- und fachbereichsübergreifend wird ebenso einen wichtigen Beitrag zur Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und dessen Identität bieten.

5.5

Key Points

1. Das Unternehmenskultur-Audit ist ein systematischer Prozess zur Bewertung der Ausprägung der jeweiligen unternehmensspezifischen Kulturfaktoren aus Managementund Mitarbeitersicht. 2. Das Unternehmenskultur-Audit bietet den Ausgangspunkt für daraus abzuleitende Strategien zur Gestaltung der Unternehmenskultur. 3. Die Erhebung der Unternehmenskultur kann durch verschiedene Methoden erfolgen. Neben Interviews und schriftlichen (Online-) Befragungen sind auch Gruppendiskussionen geeignete empirische Methoden. Häufig empfiehlt sich ein Mehr-Methodenmix, um die besten Resultate zu erzielen. 4. Die Auswertung des Kultur-Audits kann grafisch und/oder in Tabellenform erfolgen. Die Auswertung bietet die Basis für umfassende Diskurse und für weitere Strategie­ entwicklungen. 5. Die Auswertung des Kultur-Audits bietet eine gute Basis zur Ableitung von Zielen der Unternehmenskultur und ihrer Abstimmung mit den Unternehmenszielen und -strategien.

Literatur Herget J, Mader I (2018) CultureExcellence: Das Unternehmenskultur-Audit – ein Werkzeug zur systematischen Bestimmung der Unternehmenskultur. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen – Methoden – Best Practices. Springer, Wiesbaden Lehner F (1990) Die Erfolgsfaktoren-Analyse als Instrument des Informationsmanagements – Erfahrungen bei der praktischen Anwendung. In: Herget J, Kuhlen R (Hrsg) Pragmatische Aspekte beim Entwurf und Betrieb von Informationssystemen. UVK, Konstanz Lehner F (2008) KnowMetrix. Ein neuer Ansatz zur Erfolgsmessung im Wissensmanagement und erste Praxiserfahrungen. KnowTech, Frankfurt am Main Luttenberger I (2018) Kulturbarometer: Führung, Engagement, Kommunikation. Konzeption, Datengrundlagen und Implementierung. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen – Methoden – Best Practices. Springer, Wiesbaden

6

Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

Zusammenfassung

Reifegrade bieten eine geeignete Möglichkeit, die Verortung der eigenen Unternehmenskultur anhand wichtiger Kulturfaktoren vorzunehmen. Dabei wird einerseits die unternehmensindividuelle Situation widergespiegelt, zum anderen wird durch das inhärente Benchmarking auch ein Vergleich zur Good- und Best-Practice ermöglicht. Gleichzeitig bieten Reifegrade eine gute Möglichkeit, systematisch Strategien zur Optimierung der aktuellen Situation abzuleiten. Wichtig erscheint es, ein Reifegrad-­ Modell an den Bedürfnissen des eigenen Unternehmens zu entwickeln und entsprechend zu adaptieren. Reifegrade bieten gleichzeitig eine Basis für Diskussionen und Reflexionen innerhalb eines Unternehmens, denn die attestierten Reifegrade entsprechen auch immer persönlichen Interpretationen. Reifegrade stellen eine mögliche Erweiterung und sinnvolle Ergänzung von Audit-Konzepten dar.

In diesem Abschnitt wird die Entwicklung eines Reifegrad-Modells für die Unternehmenskultur vorgestellt. Das Gedankengerüst der Reifegrade setzt bei den Audit-­Konzepten an, es geht ebenso um eine systematische Verortung des Entwicklungsstandes eines Unternehmens bezüglich der Unternehmenskultur. Dieses Konzept wird je nach erfolgter Operationalisierung und Beschreibung der einzelnen Stufen im Reifegrad-Modell allerdings wesentlich weitergeführt und ermöglicht dadurch gute Optionen für die anschließende Generierung von Strategien und Maßnahmen. Das Modell der Reifegrade bietet die Grundlage zu einer detaillierten Bewertung der gegenwärtigen Unternehmenskultur, wie sie bezüglich verschiedener, für den Erfolg potenziell bedeutsamer Aspekte getroffen werden kann. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_6

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6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

Dieser Abschnitt beantwortet die folgenden Fragen: • Wie können Unternehmen den eigenen Stand der Ausprägung der Unternehmenskultur hinsichtlich der verschiedenen Dimensionen bewerten? • Wie können Unternehmen eigene Stärken und Schwächen in der Unternehmenskultur identifizieren? • Welche Entwicklungspfade und -inhalte können zu deren Optimierung eingeschlagen werden? • Wie können daraus Ziele und Strategien für die weitere Entwicklung bestimmt werden? • Welche Vorgehensvarianten zur Erfassung der Unternehmenskultur bieten sich an?

6.1

Bedeutung und Funktion von Reifegrad-Modellen

Das Ziel von Reifegrad-Modellen liegt darin, einen Entwicklungspfad zu skizzieren, der die Professionalisierung eines Unternehmens – hier im Sinne der Entwicklung der Unternehmenskultur – vorzeichnet. Die zugrunde liegende Hypothese impliziert, dass ein fortgeschrittener Reifegrad der Unternehmenskultur auch eine bessere Unternehmensqualität und somit höhere Wettbewerbsfähigkeit zur Folge hat. Eine Weiterentwicklung im Reifegrad ist somit prinzipiell anzustreben. Das Reifegrad-Modell bietet eine gute Möglichkeit als Ausgangspunkt für das Change Management im Rahmen von Kulturveränderungsprozessen. Es kann eine Vision der Wirkung von Gestaltungsmaßnahmen entfalten und diese antizipativ vornehmen. Der skizzierte mögliche Entwicklungspfad verdeutlicht die potenziellen positiven Veränderungen im Rahmen der Kulturarbeit. Die Auseinandersetzung mit den spezifischen Charakteristika der betrachteten Kulturfaktoren in den unterschiedlichen Stufen des Reifegrades führt zugleich in eine vertiefte Diskussion und Reflexion und illustriert die inhärenten Potenziale der Kulturgestaltung auf. Dadurch entfaltet das Reifegrad-Modell gleichzeitig eine hohe Motivationswirkung für die weitere Projektarbeit. Wie verhält sich nun das Reifegrad-Modell zum im letzten Kapitel beschriebenen Unternehmenskultur-­Audit? Das Reifegrad-Modell kann einerseits als ein alternatives und detailreicheres Vorgehen zur Ermittlung der Unternehmenskultur verwendet werden. Das Audit bewertet in der Regel den Kulturfaktor, wie er auf einer Skala in einem Kontinuum eingeschätzt wird. Das Reifegrad-Modell hingegen beschreibt sämtliche Stufen mit ihren charakteristischen Eigenschaften. Dazu sind natürlich umfangreiche Vorarbeiten notwendig. Ein fachlich kompetentes Team muss für die selektierten Kulturfaktoren entsprechende Stufen im Reifegrad erarbeiten. Die Bewertung der einzelnen Kulturfaktoren kann in eine solche Ausarbeitung unmittelbar anhand der entsprechenden Charakteristika der einzelnen Stu-

6.1 Bedeutung und Funktion von Reifegrad-Modellen

85

fen im Reifegrad in der Ausprägung der einzelnen Kulturfaktoren vorgenommen werden. Dabei ergibt sich zudem der Vorteil, dass die einzelnen Kulturfaktoren beliebig weiter ausdifferenziert werden können, wenn sich das im Rahmen der Bewertung als nützlich erweisen sollte. Dem sind beim Audit-Konzept in der Regel durch die semantische Verkürzung engere Grenzen gesetzt. Gleichzeitig kann durch ein vom Projektteam ­ausgearbeitetes Reifegrad-Modell für die Unternehmenskultur, das die einzelnen Phasen inhaltsreich beschreibt, eine Art Roadmap über den möglichen weiteren Weg zur Optimierung der Unternehmenskultur verdeutlicht werden. Dieses Vorgehen ist jedoch zeitintensiver und erfordert mehr Aufwand, wenn man große Teile der Mitarbeiter beteiligen möchte. Andererseits kann der Einsatz des Reifegrad-Modells ergänzend zum Audit-Konzept verwendet werden. Die Bewertungen im Rahmen des Audits können schematisch in das Reifegrad-Modell übertragen werden und nutzen auf diese Weise auch die Vorteile dieses Modells. Hier wird für den dualen Einsatz plädiert, sowohl das Kultur-Audit als auch die anschließende Übertragung in ein Reifegrad-Modell nutzen die Vorteile beider Methoden unmittelbar aus. Das Reifegrad-Modell kann auch weiter kaskadiert und zum Beispiel auf Abteilungsebene individuell ausdifferenziert und unmittelbar bewertet werden. Die Kombinationsmöglichkeiten sollten situationsadäquat genutzt werden, beide Konzepte weisen viele Vorzüge aus, die es gilt im Rahmen des Kulturveränderungsprozesses zu nutzen. Wichtig zu betonen erscheint noch, dass es nicht auf eine möglichst exakte Einordnung ankommt, es geht vielmehr um eine konsensuale Bewertung, in der sich möglichst viele Mitarbeiter mit ihren gemachten Erfahrungen wiederfinden können. Reifegrad-Modelle unterstützen somit Unternehmen bei der Weiterentwicklung der eigenen Unternehmenskultur unmittelbar. Sie dienen zugleich als strategisches Instrument der systematischen zukünftigen Weiterentwicklung der Unternehmenskultur mit dem Ziel der Wettbewerbssicherung und -stärkung. Der avisierte Horizont zur Entwicklung der Unternehmenskultur umfasst dabei durchaus eine Periode von mehreren Jahren, besonders bei größeren Unternehmen. Mit einer Optimierung und Weiterentwicklung im Reifegrad-Modell sind oftmals Befürchtungen vorhanden, ein Voranschreiten würde beispielsweise durch zunehmende Systematisierung und Strukturierung viele Ad-hoc-Entscheidungen und situatives Reagieren und Improvisieren reduzieren, ein größerer Formalismus würde Einzug halten. Diese Befürchtungen gehen in der Regel fehl, durch klarere Entwicklung und Vorgabe von adäquaten Strukturen und Mechanismen werden keine Einbußen an Flexibilität, Kreativität und Leistung gefördert. Ganz im Gegenteil, eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur schafft vielmehr durch angepasste Regeln, unterstützende Systeme und höhere Transparenz ein Mehr an Orientierung und Sicherheit für den einzelnen Mitarbeiter im täglichen Bewältigen der sich stellenden Aufgaben.

86

6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

Im Folgenden wird das Konstrukt des Reifegrad-Modells beschrieben und operati­ onalisiert.

6.2

Konzept des Reifegrad-Modells

Reifegrad-Modelle1 werden durch verschiedene evolutiv zu durchlaufende Stufen charakterisiert. Reifegrad-Modelle sind vor allem in der Führungslehre, dem Umfeld der Softwareentwicklung (z. B. SPICE: Software Process Improvement and Capability Determination) und der Produktentwicklung/Serviceerbringung (z. B. CMMI: Capability Maturity Model Integration) seit längerem bekannt. Mittlerweile werden Reifegrad-Modelle häufig auch zur Darstellung einer Ausprägung bestimmter betrieblicher Funktionen, wie Informationsmanagement, Wissensmanagement, Digitalisierung, Beschaffung, Marketing etc. verwendet. Das Konzept wird hier nun auf das Gebiet der Unternehmenskultur übertragen. Die erste Stufe im Reifegrad wird dabei als die Eingangsstufe verstanden, die am Anfang eines Lern- und Entwicklungsprozesses steht. Mit zunehmendem Kompetenzerwerb und einer Weiterentwicklung und Verfeinerung der eingesetzten Instrumente, Methoden und Systeme werden fortschrittlichere Wachstumsebenen erreicht. Die letzte Stufe eines Reifegrad-Modells kann als eine Phase der Exzellenz verstanden werden. Die Systeme sind ausgereift, das Unternehmen befindet sich – nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens – im höchsten Maturitätsgrad. Die Position im Reifegrad-Modell kann auch als ein Benchmark zur eigenen Entwicklung im Zeitablauf oder zum unmittelbaren Vergleich unterschiedlicher Abteilungen und Standorte, aber auch mit der Konkurrenz betrachtet werden.

6.2.1 Stufen im Reifegrad-Modell Die in diesem Konzept verwendeten sechs Stufen (häufig werden auch 5-Stufen-Modelle verwendet) lassen sich folgendermaßen beschreiben: 1. Stufe: Nicht existent Eine reflektierte Beschäftigung mit der Art und Qualität der Durchführung bestimmter Maßnahmen findet nicht statt. Das heißt, eine Auseinandersetzung, warum etwas genau so getan wird, wie es getan wird, ist noch nicht erfolgt. Alternativen zur gegenwärtigen Praxis wurden nicht evaluiert, systematische Veränderungen nicht vorgenommen. Diese Phase findet sich häufig zu Beginn einer Geschäftstätigkeit und bildet den Ausgangspunkt erster Optimierungsmaßnahmen.

 Vergleiche hierzu ausführlicher Ennsfellner et al. 2014, S. 167 ff. Diese Ausführungen dienen als Basis zur Adaption auf den Themenbereich Unternehmenskultur.

1

6.2 Konzept des Reifegrad-Modells

87

2. Stufe: Initial Erste Beschäftigung mit der Art und Weise eines bestimmten Verhaltens und Handelns wurden vorgenommen. Analysen, Prozessbeschreibungen, Geschäftsregeln werden auf ihre Tauglichkeit hin evaluiert und erste Schritte zu deren Implementierung vorgenommen. 3. Stufe: Entwickelt Vorgaben, Richtlinien, Sanktionssysteme, Prozessbeschreibungen zur Abwicklung von Geschäftsvorgängen liegen vor, Maßnahmen erfolgen nach ­vorgegebenen Mustern, eigene Good-Practices liegen vor, die den Maßstab zum Handeln liefern. 4. Stufe: Definiert Neben klar geregelten Vorgaben und Geschäftsprozessen sind die Zuständigkeiten und Ausnahmeregelungen fixiert, Benchmarks und Ziele wurden erarbeitet, eine kontinuierliche Verbesserung in der Aufgabendurchführung und Kollaboration wird angestrebt. 5. Stufe: Managed Die Geschäftsvorgänge werden systematisch evaluiert und mit den Vorgaben verglichen, Abweichungsanalysen werden durchgeführt, optimierende Maßnahmen ergriffen und auf ihre Wirkung überprüft. Reporting über Abweichungen und Zielerreichung sind eingeführt und bilden den Ausgangspunkt stetiger Optimierungen. 6. Stufe: Optimiert Eine permanente Orientierung an Best-Practices innerhalb und außerhalb des Unternehmens liegt vor, sämtliche Geschäftsprozesse werden permanent evaluiert und optimiert. Abb. 6.1 verdeutlicht das Konzept des Reifegrad-Modells und die Sicht auf die einzelnen Stufen, die einen zunehmenden Professionalisierungsgrad aufweisen. In diesem Kontext weisen spätere Stufen auf einen höher entwickelten Zustand hin.

Optimiert Managed Definiert Entwickelt

Strategische Weiterentwicklung

Gemeinsame Vision

Konsolidiert & Integriert

Etabliert

Initial Grundlagen

Nicht-existent Ad-hoc

Stufe1

Stufe 2

Stufe 3

Abb. 6.1  Konzept des Reifegrad-Modells

Stufe 4

Stufe 5

Stufe 6

88

6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

Die Positionierung im Reifegrad-Modell kann je nach gewählter Perspektive in unterschiedlichem Abstraktionslevel erfolgen und beliebig zu größeren Objektbereichen (z. B. Kollaboration als Gesamtfunktion) aggregiert – oder eben ausdifferenziert werden (z. B. Zusammenarbeit mit externen Partnern, anderen Abteilungen, im Team oder individuelle Zusammenarbeit). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einstufungen in der Regel durchaus subjektiv unterschiedlich bewertet werden können. Dem Diskurs und der Konsensfindung kommen daher eine hohe Bedeutung zu. Unterschiedliche, jeweils einzeln betrachtete Kulturfaktoren können dabei durchaus in verschiedenen organisatorischen Teilbereichen zugleich in unterschiedlichen Entwicklungsstufen verortet werden.

6.2.2 Optionen zur Durchführung der Bestimmung des Reifegrades Grundsätzlich sind zur Bestimmung des Reifegrades verschiedene Vorgehensweisen möglich. Zum einen kann es sich um eine Selbstevaluation handeln, diese wird durch interne Personen oder Projektteams durchgeführt, was allerdings zu einem gewissen Bias führen kann, da unter Umständen das eigene Wirken bewertet wird. Trotz dieser Gefahr wird dieses Vorgehen der Regelfall sein. Zum anderen kann die Bewertung durch eine externe Evaluation erfolgen, also eine Fremdevaluation. Diese wird durch externe Fachleute durchgeführt, die ausschließlich die Leistung anderer bewerten. Dabei kann es sich durchaus auch um Mitarbeiter anderer Abteilungen handeln, die eine professionelle Distanz zur evaluierten Organisationseinheit wahren. Hierzu bieten sich auch die Mitglieder des Kernteams des Kulturwandel-­Projektes an. Schließlich sind gemischte Formen denkbar, die die beiden Ausprägungen kombinieren. Beispielsweise könnte ein extern moderierter Workshop zur Bestimmung des Reifegrades stattfinden. Bei der Entscheidung für eine bestimmte Vorgehensweise spielen vor allem Aspekte der gewünschten Objektivität und der verfügbaren zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcen eine Rolle. In der Praxis zeigt sich, dass eine kritische Selbstevaluation durchaus ihren Zweck sehr gut erfüllen kann. Als Methoden und Instrumente können Checklisten oder Fragebögen herangezogen werden. Die Durchführung der Evaluation kann aber auch im Rahmen von Interviews oder Workshops stattfinden. Kombinationen sind auch hier möglich und oftmals sehr sinnvoll, vor allem, wenn es sich um größere Unternehmen handelt. Zur Operationalisierung und Messung der Ausprägung einzelner Kulturfaktoren können interne oder externe Benchmarks verwendet werden. Eine Orientierung an eigenen Benchmarks kann in zeitlicher, abteilungs- oder standortübergreifend vergleichender Weise erfolgen. Häufig kann ebenso auf die Erfahrungen von Mitarbeitern, die diese in anderen Unternehmen gesammelt haben, zurückgegriffen werden.

6.2 Konzept des Reifegrad-Modells

89

Tab. 6.1  Optionen zur Reifegrad-Bestimmung (morphologische Systematik) Merkmal Durchführungsform Standardisierungsgrad Methoden/ Instrumente Operationalisierung Frequenz Zeitdauer

Ausprägungsmöglichkeit Selbstevaluation Mischform Standardisiert Semi-standardisiert Checkliste/Fragebogen Interviews Interne Benchmarks Regelmäßig Quick-Check

Fremdevaluation Individuell Workshops

Mischform Externe Benchmarks Anlassbezogen Unregelmäßig Mittlere Projektdauer Längere Projektdauer

Eine weitere Variable zur Bestimmung des Reifegrades betrifft die notwendige Zeitdauer dieser Aktivität. Dieser Prozess kann von wenigen Stunden (Quick-Check) bis zu mehreren Tagen und Wochen dauern. Dies ist auch davon abhängig, welche Erfahrungen mit den Instrumenten bereits im Unternehmen vorliegen. Bei der ersten Durchführung wird der Prozess in der Regel länger dauern, bei einer wiederholten Anwendung wird dies aufgrund bereits vorliegender Erfahrungen und gegebenenfalls bereits entwickelten In­ strumenten entsprechend kürzer sein können. Auch die Frequenz zur Durchführung hängt von situativen Faktoren ab. Die Zyklen können sich im Zeitablauf durchaus ändern. Zu Beginn mag die erste Wiederholung bereits nach einem Vierteljahr sinnvoll sein, später vielleicht nur jedes Jahr. Abhängig ist dies vor allem vom Umfang und Wirkungszeitraum der Maßnahmen und Veränderungen, die nach einer Reifegradbestimmung geplant und umgesetzt werden. Das Gesagte kann in Form einer morphologischen Systematik (Tab. 6.1) zusammengefasst werden.  Die zu wählende Vorgehensweise zur Reifegrad-Bestimmung ist individuell und situativ zu treffen. Einige Hinweise hierzu wurden bereits ausführlicher formuliert. Der wesentliche Bestimmungsfaktor wird dabei die Größe und die Ausdifferenzierung des Unternehmens bilden. Beispiel

Im vorliegenden Fall des gewählten Beispiel-Unternehmens wird folgende Vorgehensweise gewählt: • • • • • •

Selbstevaluation Individuell Workshops Externe Benchmarks Unregelmäßig Mittlere Projektdauer

Das konkrete Vorgehensmodell stellen wir im nächsten Abschnitt vor.

90

6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

6.3

Vorgehensmodell zur strategischen Positionierung

Zur Bestimmung des Reifegrades wird ein Vorgehensmodell vorgestellt, das aus den oben beschriebenen Elementen entwickelt wird. Die aus der Positionsbestimmung folgenden möglichen Aktivitäten werden im nächsten Kapitel ausgeführt. Der Ablauf zur Bestimmung eines adäquaten Vorgehens wird in Abb. 6.2 schematisch dargestellt. Im Folgenden werden die sieben Schritte des Vorgehensmodells näher ausgeführt: 1. Bestimmen Sie die für das Unternehmen relevanten Kulturfaktoren Aus diesen unternehmensspezifischen Kulturfaktoren (siehe Kap. 4) werden geeignete Kriterien, gegebenenfalls weitere Subkriterien, abgeleitet. Dabei ist es wichtig, einen sinnvollen Differenzierungsgrad auszuarbeiten. Diese stellen die jeweilige Bewertungsebene dar. Hilfreich ist dabei die Verwendung von Verhaltens-­Beschreibungen. Je differenzierter die einzelnen Kulturfaktoren aufgeschlüsselt werden, umso eher ist es möglich, die sich im Anschluss ergebenden Strategiemaßnahmen spezifischer zu ­bestimmen. Der sinnvolle Differenzierungsgrad ist situativ unterschiedlich. Es kann durchaus sein, dass in einem Fall der gewählte Kulturfaktor gar nicht mehr in Teilkriterien unterteilt werden muss, bei anderen Situationen kann dieser, um die Exaktheit des zu evaluierenden Kulturfaktors vorzunehmen, durchaus in mehreren Subkriterien analysiert werden (vergleiche das früher erwähnte Beispiel mit der „Kollaboration“). Der richtige Differenzierungsgrad ist wesentlich für alle folgenden Schritte. Stellt sich beim Bewerten heraus, dass eine feinere Untergliederung sinnvoll wäre, kann das natürlich im Durchführungsprozess immer noch iterativ vorgenommen werden.

Abb. 6.2  Vorgehensmodell zur Positionierung

6.3 Vorgehensmodell zur strategischen Positionierung

91

2. Bestimmen Sie die Durchführungsform Legen Sie fest, ob Sie: a) Selbstevaluation (Einzelpersonen oder Teams), b) Fremdevaluation ((abteilungs-)externe Fachleute) oder c) eine Mischform bevorzugen. 3. Legen Sie Instrumente zur Durchführung der Evaluation fest Sie können die hier beispielhaft präsentierte Darstellung des Reifegrad-Modells (Tabelle 6.2) als Vorlage verwenden und auf der Basis ihres Modells der Kulturfaktoren (Kap. 4) entsprechend für alle Kulturfaktoren spezifisch aufbereiten. Das sollte dann unter Beteiligung von Mitarbeitern, deren Tätigkeit von den spezifischen Kulturfaktoren im Besonderen tangiert wird, eine Teamleistung sein. Das ist die bevorzugte Variante. Ebenso sind „Lean-Varianten“ geeignet: z. B. nur die Stufen 1 und 6 inhaltlich zu kennzeichnen, die Abstufungen mit ihren Deutungsinhalten bleiben dann den Bewertern überlassen. In dieser Form entspräche dies einer Intervallskala. Es können aber auch mehrere Felder skizzenhaft inhaltlich umrissen werden, um den Bewertern mehr Anhaltspunkte zu liefern. Dann handelt es sich allerdings um eine Ordinalskala, die keine Durchschnittsbildung (im strikten statistischen Sinne) mehr zulässt. Solche statistischen Überlegungen sollten bei der Festlegung der Methodik aber nicht überbewertet werden. Insofern gibt es zahlreiche Varianten, aus denen gewählt werden kann. Jede Organisation sollte he­ rausfinden, was als adäquat erscheint und sich schließlich praktikabel zeigt. 4. Führen Sie die Reifegrad-Bestimmung durch Erstellen Sie einen Projektplan, legen Sie die Beteiligten fest, informieren Sie über die Inhalte, den Ablauf, Nutzen und die Konsequenzen, terminieren Sie Befragungen, Interviews oder Workshops. 5. Bewerten Sie die Ergebnisse in einer geeigneten Skalierung Die Darstellung kann je nach gewählter Form als Zahlenwert (z. B. in 1–100 %) erfolgen, nach einem Schulnotensystem, in der Skala z. B. 1–10 oder auch nur in ordinalen Skalen wie im vorgeschlagenen Reifegrad-Modell (Tab.  6.2). Zur Darstellungsform kann sich ein Polaritätsprofil anbieten (siehe z.  B.  Abb.  6.4), vor allem, wenn diese Bewertung wiederholt und somit ein Vergleich in der zeitlichen Entwicklung angestrebt wird. Diese Darstellung erlaubt auch eine schnelle Identifikation von Benchmarking-Partnern, wenn verschiedene Abteilungen differenziert werden. Die Kommunikationswirkung der visuellen Darstellungen sollte nicht unterschätzt werden. 6. Interpretieren Sie die Ergebnisse Was bedeutet die jeweilige Bewertung der Kulturfaktoren für Ihr Unternehmen? Warum fallen die Bewertungen in verschiedenen Standorten, Abteilungen oder Teams unterschiedlich

92

6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

aus? Was sind die Ursachen? Sind diese Bewertungen überraschend oder entsprechen sie den Erwartungen? Handelt es sich um historisch gewachsene Ergebnisse oder sind sie die Folgen realisierter Strategien? Was folgt aus der Interpretation, welche neuen Einsichten über das Unternehmen mit den Wechselbeziehungen zu Kunden und Partnern lassen sich daraus ableiten, auch unterschiedlich für Standorte, Abteilungen oder Teams? 7. Entwickeln Sie Strategien und Maßnahmen Welche Reifegradstufe streben Sie zukünftig für die einzelnen Kulturfaktoren an? Welche Ziele, Strategien und Maßnahmen leiten Sie aus den Ergebnissen ab? Welche Schwächen können mit welchen Maßnahmen vermindert, welche Stärken können ausgebaut, welche neuen Chancen ergeben sich, welche Gefahren gilt es zu vermeiden? Das zu entwickelnde Strategiekonzept fußt auf diesen Ergebnissen und ihrer Interpretation. Mögliche Strategien können sich bereits aus der Beschreibung entwickelter Stufen des Reifegrad-Modells unmittelbar ergeben. Grundsätzliche Strategieoptionen werden im folgenden Kapitel ausführlich diskutiert. Das aufgezeigte Vorgehen eignet sich prinzipiell für sämtliche Unternehmensgrößen, es kann mit geringem Aufwand auf die situative Konstellation angepasst werden. Im nächsten Abschnitt wird die Anwendung von Reifegrad-Modellen mit einem exemplarischen Beispiel verdeutlicht.

6.4

Beispiel eines Reifegrad-Modells zur Unternehmenskultur

Die zu betrachtenden unternehmensspezifischen Kulturfaktoren wurden bereits im Kap. 4 selektiert. Diese sollen nun beispielhaft mit wenigen Stichworten zur besseren Illustrierung der folgenden Anwendung skizziert werden: Ausgeprägte Kundennähe und -orientierung: Der Kunde steht im Mittelpunkt, seine Bedürfnisse sind bekannt, Kundenwünsche werden systematisch erhoben, Kundenpflege hat einen hohen Stellenwert, regelmäßige Kundenevents werden veranstaltet. Kundenloyalität und Stammkundenanteil sind wichtige KPIs. Partnerschaftliche Entwicklungen mit unseren Kunden: Kunden werden in Entwicklungsprojekte systematisch einbezogen, es finden regelmäßige gemeinsame Sitzungen statt, (Zwischen-)Evaluationen mit den Kunden sind im Projekt verankert, Beta-Tests werden systematisch begleitet, Feedback eingeholt, Zusammenarbeit wird umfassend evaluiert. Vertrauensbeziehungen zu Kunden und Partnern: Authentische und wahrhaftige Kommunikation nach außen hat hohen Stellenwert, „lieber Geld verlieren als einen

6.4 Beispiel eines Reifegrad-Modells zur Unternehmenskultur

Kunden verlieren“ als Maxime, regelmäßiger Erfahrungsaustausch findet statt, Kunden und Partner werden intern regelmäßig evaluiert und auf Verbesserungspotenzial analysiert. Gelebte Kooperation mit unseren Partnern: Unsere Technologielieferanten werden selektiert, eine offene und konstruktive Zusammenarbeit angestrebt, wir bieten uns als Partner für neue Entwicklungen an, wir unterstützen die gemeinsame Zusammenarbeit in innovativen Projekten, gemeinsames Lernen wird ermöglicht. Innovationsstärke: Wir scannen regelmäßig neue Entwicklungen und überprüfen diese systematischen auf einen produktiven Einsatz, wir analysieren systematisch die Märkte, Konkurrenten und Geschäftsmodelle auf Veränderungspotenziale hin, wir nutzen Pilotanwendungen um zu lernen, wir etablieren Labs als gemeinsame Lernplattform intern und mit Partnern, Mitarbeiter werden regelmäßig geschult, wir publizieren und präsentieren auf Konferenzen und Kongressen, veranstalten Schulungen, suchen systematisch Mitarbeiter mit neuem Know-how, wir kooperieren mit Hochschulen. Interne Kollaboration leben: Wir pflegen eine von gegenseitiger Wertschätzung getragene Zusammenarbeit, internes Kunden-Lieferanten Verhältnis, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit wird durch gemeinsame Events, Austausch und Hospitanz gepflegt, gegenseitiges Feedback geben und nehmen ist Pflicht. Hohes Vertrauen im Unternehmen: „Walk your Talk“ als Unternehmensmaxime, gegenseitige Beurteilungen und Feedback, offene und frühzeitige Kommunikation wird gelebt, Hierarchieübergreifende Kommunikation und Feedback ist jederzeit möglich, Information ist sowohl Bring- als auch Holschuld, regelmäßige Meetings mit der Agenda zur Verbesserung der Zusammenarbeit und des Vertrauens finden statt. Hohe Beteiligung von Mitarbeitern an der Unternehmensentwicklung: Rechtzeitige Information, Meinungseinholung ad hoc und systematisch, gemeinsame Strategieentwicklungen, Einbeziehung sämtlicher relevanter Mitarbeiter in Planungsprozesse wird angestrebt, Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmensergebnis. Empowerment der Mitarbeiter: Kompetenz und Verantwortung gehören zusammen, Intrapreneurship als Ziel, selbstrekrutierende Projektteams werden angestrebt, agile Methoden werden gelebt, Mitarbeiter haben hohen Entscheidungsspielraum bezüglich eigener Entwicklung. Fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeiter: Persönliche Entwicklung und fachliche Weiterbildung werden als gleichgewichtig betrachtet, Karrierepfade werden vereinbart, Lernen und Lehren werden als gemeinsame Lernorte definiert, Mentoring findet statt, Expertentum und Themenführerschaft sind institutionalisiert, Wissensmanagement wird gepflegt, Sabbaticals sollen ermöglicht werden.

93

Nicht existent Ad-hoc Zusammenarbeit erfolgt fallweise, intuitiv und auf Nachfrage

Initial Grundlagen Prozesse sind definiert, Schnittstellen zeigen auf, wo Zusammenarbeit zu erfolgen hat, Information ist Holschuld, Kommunikation muss oftmals eingefordert werden, Kooperation erfolgt nicht systematisch

Entwickelt Etabliert Wichtigkeit einer geregelten Kollaboration wird erkannt, Informations- und Kommunikationswege sind bestimmt, Zusammenarbeit wird gepflegt, Sitzungen im Rahmen der Kollaboration finden statt, jedoch keine systematische Kollaboration über das Projekt-Team hinaus, Fähigkeit zur Kollaboration wird als Kompetenz anerkannt und gefördert

Definiert Konsolidiert & integriert Standards der Kollaboration sind definiert, Kunden-Lieferanten-­ Verhältnis mit definierten Anforderungen sind die Regel, es findet regelmäßig Austausch im Team zur Kollaboration statt, Bereitschaft zur Kollaboration findet Berücksichtigung im Sanktionssystem, es gibt Training und Schulungen

Tab. 6.2  Der Kulturfaktor „Interne Kollaboration leben“ im Reifegrad-Modell Managed Gemeinsame Vision Kollaboration wird gelebt, gemeinsame Erfolge werden gefeiert, systematisches Feedback findet statt, emotionale und fachliche Aspekte finden in der Evaluation regelmäßig Berücksichtigung, Kollaboration wird abteilungsübergreifend bewusst durch Events unterstützt, Optimierungen finden statt, Schulung und Training ist kompetenz-­ orientiert systematisiert

Optimiert Strategische Weiterentwicklung Höchste gegenseitige hierarchieübergreifende Wertschätzung, offene und transparente Kommunikation, Kollaboration wird unternehmensweit gebenchmarked, gegenseitiges Feedback, Evaluation findet systematisch statt, „Wir-Gefühl“, gemeinsame Events auch mit Externen, Austausch und Hospitanz als Regelfall, …

94 6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

6.4 Beispiel eines Reifegrad-Modells zur Unternehmenskultur

95

Diese hier betrachteten Kulturfaktoren werden dann auf die einzelnen Stufen des Reifegrad-­Modells übertragen. Wo es notwendig erscheint können die einzelnen Kulturfaktoren auch weiter ausdifferenziert werden, wenn es in einzelnen Teilbereichen des Kulturfaktors zu unterschiedlichen Ausprägungen im Reifegraden kommen würde. Als Beispiel hierzu wurden die Faktoren Vertrauen und Kollaboration an früherer Stelle erwähnt. Die beispielhafte Umsetzung des Reifegrad-Modells soll nun am Kulturfaktor „Interne Kollaboration leben“ illustriert werden (siehe hierzu Tab. 6.2). Zur weiteren Illustration sollen noch zwei weitere Möglichkeiten der Auswertung in Form einer Visualisierung dienen. Zum einen können die Ergebnisse in der Darstellung eines Reifegrad-Modells mit den verschiedenen Stufen mit ihrer jeweiligen Ausprägung präsentiert werden. Hierzu werden die unternehmensspezifischen Kulturfaktoren aufgetragen und diese mit einem Balken (oder einer verbindenden Linie) in der erreichten Stufe visualisiert. Ein Beispiel findet sich in Abb. 6.3. Eine andere Darstellung wird in Form einen Netzdiagramms (Polaritätsprofil) vorgenommen. Ein Vorteil liegt darin, dass die jeweilige Ausprägung über mehrere Zeiträume (z. B. Quartale, Jahre) in diesem Diagramm aufgetragen werden kann. Die Übersichtlichkeit geht nicht verloren und es kann sehr gut kommuniziert werden, wie sich die Entwick-

Nicht existent Ad-hoc

Initial

Grundlagen

Entwickelt Etabliert

Kundenorientierung Vertrauensbeziehungen Kooperation Innovationsstärke Interne Kollaboration MitarbeiterBeteiligung Empowerment …

Abb. 6.3  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

Definiert

Konsolidiert & integriert

Managed

Gemeinsame Vision

Optimiert

Strategische Weiterentwicklung

96

6  Unternehmenskultur im Reifegrad-Modell

Abb. 6.4  Unternehmenskultur im Netzdiagramm

lung der Unternehmenskultur im Zeitablauf (hoffentlich) verbessert. Ein Beispiel ist in der Abb. 6.4 wiedergegeben. Visualisierungen sind ein hilfreiches Instrument im Prozess des Kulturwandels. Sie sind Basis für Diskussionen, Reflexionen und dienen zugleich als Steuerungs- und Con­ trollinginstrument. Vor allem bieten sie aber die Grundlage für die nun folgende Strategiearbeit, die im folgenden Kapitel ausgeführt wird.

6.5

Key Points

1. Reifegrad-Modelle stellen ein bewährtes Konzept zur Einschätzung und Bewertung des Entwicklungsstandes der relevanten Kulturfaktoren im Unternehmen dar. 2. Sie sind in der Anwendung flexibel und hochgradig situativ adaptierbar. Sowohl der Abstraktions- als auch Aggregationsgrad sind je nach Zweck beliebig bestimmbar. 3. Reifegrade zeigen den möglichen Entwicklungsweg in der Optimierung der Unternehmenskultur auf.

Literatur

97

4. Vorgeschlagen werden 6 Stufen im Reifegrad-Modell, von „nicht existent“ bis „optimiert“. Die inhaltliche Charakterisierung der einzelnen Stufen stellt zugleich ein geeignetes Sensibilisierungsinstrument für die Bedeutung und Potenziale des Kulturwandels dar. 5. Zur Bestimmung des Reifegrades bieten sich mehrere Gestaltungsoptionen an, die situativ gewählt werden können. 6. Das Ergebnis der Bestimmung des Reifegrades liefert die Grundlagen für die Strategieableitung. Es lassen sich sowohl generische als auch spezifische Strategien fundiert ableiten. 7. Reifegrad-Modelle stellen ein geeignetes Kommunikationsinstrument dar, um den Stand, die Stärken und Schwächen und mögliche Entwicklungsstrategien nachvollziehbar zu demonstrieren.

Literatur Ennsfellner I, Bodenstein R, Herget J (2014) Exzellenz in der Unternehmensberatung. Springer Gabler, Wiesbaden

7

Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung

Zusammenfassung

Systematische Strategie-Entwicklung ist wichtig  – trotz der natürlich nicht absolut planbaren Gestaltung der gewünschten Unternehmenskultur. Eine klare Vorstellung davon, wohin die Reise gehen soll, ist für die angestrebte konsistente Planung eines Entwicklungspfades zentral. Nachdem bereits ein guter Ausgangspunkt zum Stand der bisherigen Unternehmenskultur eruiert und die Richtung einer gewünschten Fortentwicklung skizziert wurde, können nunmehr die Prioritäten festgelegt werden. Welche Aspekte der Unternehmenskultur sollen gestaltet werden, welche sind wichtig, welche dringlich? Die Strategie dient dazu, das ganze Projekt der Gestaltung und Entwicklung von Unternehmenskultur in ihrem Gesamtzusammenhang darzustellen, Prioritäten herauszuarbeiten und den notwendigen Ressourcenbedarf zu veranschlagen. Strategien stellen die Grundlage dar, um zielgerichtet Aktivitäten, Interventionen, Maßnahmen oder Methoden zum gewünschten Kulturwandel auswählen und bestimmen zu können.

Nach den Phasen der Analysen, Diagnosen und Interpretationen rückt nun die Generierung von Strategien zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur in den Fokus. Dabei kann auf guten Grundlagen und Modellen aufgesetzt werden: • das Kultur-Diamant-Modell (Kap. 4) ist ein geeignetes Werkzeug zur Identifikation relevanter Kulturfaktoren, • das unternehmensspezifische Kultur-Modell (Kap. 4) umfasst die selektierten und priorisierten Kulturfaktoren,

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_7

99

100

7  Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung

• das Audit-Konzept (Kap. 5) bildet das aktuelle Leistungsvermögen und den Erfüllungsgrad der bewerteten Kulturfaktoren ab und, das ist einer der Kernpunkte, durch die Einschätzung der zukünftigen Wichtigkeit dieser Kulturfaktoren wird auch aus Sicht der Führungskräfte und Mitarbeiter ein Handlungsbedarf aufgezeigt, • das Reifegrad-Modell (Kap. 6) ermöglicht nach der erfolgten Verortung der aktuellen Entwicklungsstufe die Formulierung von zukünftig notwendigen Strategien, um auf den nächsten Level des Reifegrades zu gelangen. In diesem Kapitel wird die Systematik verdeutlicht, die durch den Einsatz dieser In­ strumente erzielt werden kann. Wie bei allen zukünftigen Planungsprozessen kommt jedoch der Kreativität der beteiligten Mitarbeiter auch eine hohe Bedeutung zu, die es im Rahmen von Strategiebildungsprozessen jedenfalls zu berücksichtigen gilt.

7.1

Systematik zur Entwicklung von Strategien

Wie lassen sich die bisherigen Ergebnisse aus den Konzeptionen, Analysen, Diagnosen und Interpretationen für die künftige Kulturentwicklung nutzen? Wir konzentrieren uns nunmehr auf die letzten beiden Konzepte, da diese auf selektierten und bewerteten Kulturfaktoren beruhen, die für das Unternehmen als essenziell identifiziert wurden. Wenn die selektierten Kulturfaktoren ergänzt oder verändert werden sollen, bietet sich hierzu das Kap. 4 an mit der dort vorgestellten Methodik. Unternehmenskultur lebt und neue Herausforderungen werden dazu führen, dass neue Kulturfaktoren in ihrer Relevanz zunehmen werden und dann systematisch gemanagt werden sollten. Andere Kulturfaktoren mögen an Bedeutung verlieren oder sie sind bereits so gut ausgeprägt, dass sie anderen Kulturfaktoren eine höhere Priorität einräumen, die nunmehr einer größeren Aufmerksamkeit bedürfen. Diese immerwährende Aufgabe wird iterativ stets durch die zuständigen Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern für ihren Bereich wahrzunehmen sein. Eine gewisse Konstanz ist anzuraten, damit es nicht zu einem Karussell der jeweils relevanten Kulturfaktoren kommt. Die Ergebnisse der bisherigen Analysen aus dem Audit-Konzept und dem Reifegrad-­ Modell bilden jedenfalls eine geeignete Grundlage zur künftigen unternehmerischen Weiterentwicklung. Aus den Resultaten müssen zunächst Ziele formuliert werden, in dem die entsprechend zu optimierenden Kulturfaktoren herausdestilliert werden und mit einer angestrebten Zielvorgabe formuliert werden. Die Zielformulierung kann sich dabei am weithin bewährten SMART-Konzept orientieren. Die Ziele sollten spezifisch, messbar, ausführbar, realistisch und terminierbar sein. Daran anschließend findet der Strategiebildungsprozess statt, Strategien bilden und gestalten den Weg zur Zielerreichung.

7.1  Systematik zur Entwicklung von Strategien

101

Ein Beispiel

In den nächsten 3 Monaten werden bei allen Kundenprojekten vorab Schnittstellen definiert, bei denen der Kunde in den Entwicklungsprozess unmittelbar einbezogen wird. Zur Strategieentwicklung bietet sich aus den beiden vorgestellten Modellen resultierend die Entwicklung von generischen und spezifischen Strategien an.

7.1.1 Generische Strategien Den generischen Strategien liegt das Denkmuster aus der bekannten SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Chances) zugrunde, denn es gilt aus dem festgestellten Profil den Handlungsrahmen abzuleiten und zu bestimmen. Die generischen Strategien entwickeln sich entlang des Musters:

• • • •

Schwächen reduzieren Stärken ausbauen Gefahren vorbeugen Chancen ergreifen

Dazu können aus dem Audit-Konzept unmittelbar die Differenzen in der Einschätzung der Wichtigkeit und der Performanz genutzt werden: Wird ein Kulturfaktor in der ­Bedeutung als wichtiger wahrgenommen im Vergleich zum jetzigen Erfüllungsgrad, können hier entsprechende Strategien formuliert werden. Was ist zu tun, um diesen neuen anzustrebenden Stellenwert mit Leben zu füllen? Welche Strategien und strategische Maßnahmen bieten sich hierzu an? Generische Strategien folgen vor allem einem inkrementalen Handlungsmuster, ein aktueller Zustand wird als unbefriedigend oder optimierungswürdig empfunden und es werden Überlegungen angestellt, durch welche Maßnahmen dies erfolgreich bewerkstelligt werden könnte. Häufig reicht es bereits, all die Unzulänglichkeiten abzustellen, die die Mitarbeiter bei der Bewältigung ihrer Arbeit behindern. Die Identifikation sogenannter „Pain Points“ ist ein erster wichtiger Schritt im Rahmen dieses Prozesses. Alleine die Frage, „was hindert Sie dabei, ‚Ihre Arbeit‘ bestmöglich erledigen zu können?“ wird zu zahlreichen Vorschlägen führen. Auch ein Brainstorming, wie ein verbesserungswürdiger Zustand optimiert werden könnte, wird mehrere Anregungen generieren. „Ihre Arbeit“

102

7  Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung

steht dabei als Platzhalter für den jeweiligen Kulturfaktor, z. B. innovativer, kollaborativer, kundenfreundlicher. Oftmals handelt es sich also um ein Re-Design von etablierten Prozessen. Dieses Vorgehen entspricht in vielen Fällen dem als Kaizen (oder KVP: kontinuierlicher Verbesserungsprozess) bekannten Konzept aus dem Qualitätsmanagement. Es sind also häufig nicht die großen Maßnahmen, die eine Unternehmenskultur zum Besseren entwickeln, es sind oftmals die vielen kleinen, den Mitarbeitern bereits bekannte Maßnahmen, die sehr schnell gute Resultate zeigen, sowohl in der Produktivität als auch in der Zufriedenheit und in Folge daher auch im Unternehmensklima. Ein Beispiel

In der Tab. 5.1 des Kap. 5 wird die Differenz beim Faktor „Innovationsstärke“ mit dem Wert von 3,3 ausgewiesen. Die Bedeutung der Innovationsstärke wird also von den Mitarbeitern weitaus höher eingeschätzt, als gegenwärtig die aktuelle Performanz wahrgenommen wird. Es wird deutlich, dass hier eine Schwäche besteht und die Stärkung der Innovation eine wesentliche strategische Ausrichtung erfahren sollte. Der Ausbau der Innovationsstärke ist folglich mit einer hohen Priorität belegt, damit kann generisch eine Strategie formuliert werden. Ebenso kann an die anderen bewerteten Kulturfaktoren herangegangen werden und daraus strategische Optionen konzipiert werden. Was die Strategien nun umfassen sollten, lässt sich nur situationsspezifisch beantworten, hier ist vor allem das Projektteam und das Management gefragt, eine Beteiligung der betroffenen Mitarbeiter sollte natürlich ebenso angestrebt werden, schließlich wissen diese am besten, wo die Defizite liegen und was erfüllt sein sollte, damit dieser Faktor künftig mit einem guten Wert eingeschätzt werden kann.

Ein zweites Beispiel

Der Kulturfaktor „Interne Kollaboration leben“ zeigt ebenso einen Handlungsbedarf auf (Tab. 5.1). Das oben Gesagte gilt hier entsprechend, nun zeigt sich aber wie hilfreich die Konzipierung von Reifegrad-Modellen zur Generierung von Strategien sein kann: wenn die Ausprägung dieses Faktors beispielsweise in der Phase 3 (Entwickelt) verortet wird (Tab. 6.2), ermöglicht die Analyse und Beschreibung der Charakteristika für die Phase 4 (Definiert) in der Gegenüberstellung, welche Strategien notwendig erscheinen, um auf diesen nächsten Level zu gelangen. Beispielsweise bieten sich hieraus die folgenden Strategien unmittelbar an: • Definition von Standards für die Kollaboration • Einführung eines Kunden-Lieferanten-Verhältnisses mit definierten Anforderungen

7.1  Systematik zur Entwicklung von Strategien

103

• Einführung eines regelmäßigen Austausches zum Thema der Kollaboration im Team • Kollaborationsbereitschaft wird Bewertungskriterium im Beurteilungssystem. ◄ Wenn das Reifegrad-Modell in den einzelnen Phasen inhaltsreich und verhaltensspezifisch beschrieben wird, gilt es dann gleichzeitig als eine Art Strategie-Generator. Wichtig anzumerken ist, dass die Beschreibungen der Reifegrade ein „lebendes“ Dokument werden, das iterativ fortentwickelt werden sollte. Neue Erfahrungen, Einsichten, Benchmarking-­Betrachtungen und so fort erweitern stets den Fokus und das Dokument wird sich immer besser als Blaupause eignen und diesen Zweck erfüllen. Die möglichen Zukünfte werden immer greifbarer und plastischer. Das Reifegrad-Modell bietet also unmittelbar die Möglichkeit, aktuell notwendige Strategien aus der Analyse der nächstfolgenden Phase abzuleiten. In der Regel sollte immer die nächste Phase angestrebt werden, eine Phase zu überspringen und gleich die Exzellenz anzustreben kann die Organisation überfordern. Aber natürlich ist auch der Sprung über zwei Phasen denkbar, wenn dies besonders wichtig für das Unternehmen und entsprechend aufgesetzt wird. Das anzustrebende Zielniveau ergibt sich folglich prinzipiell aus der Einschätzung des Reifegrades: Welche Maturitätsstufe haben die einzelnen betrachteten Kulturfaktoren erreicht, gibt es Unterschiede in den – falls verwendet – Subkriterien (z. B. Kollaboration auf verschiedenen Ebenen, in unterschiedlichen Teams oder Abteilungen)? In welchen Bereichen wird eine Stabilisierung angestrebt, in welchen Bereichen eine Optimierung? Die Strategieentwürfe und daraus generierte Maßnahmen müssen im Planungsprozess mit den verfügbaren Ressourcen in Einklang gebracht werden. Auch wenn es reizvoll erscheint, einige Stufen abzukürzen respektive zu überspringen: das gelingt nur mit besonderer Anstrengung, in der Regel sollten alle Stufen kontinuierlich durchlaufen werden, denn sie ermöglichen das Sammeln wichtiger Erfahrungen auf dem Weg zur weiteren Optimierung. Angestrebte Sprünge können unter Umständen die Organisation überfordern, besonders dann, wenn gleichzeitig mehrere Kulturfaktoren optimiert werden sollen.

7.1.2 Spezifische Strategien Spezifische Strategien haben ihren Ursprung nicht in der unmittelbaren Ableitung aus einem festgestellten Defizit oder einem auszubauenden besonderen Wettbewerbsvorteil. Vielmehr können sie • einem kreativen Prozess entspringen • aus einem Benchmarking heraus resultieren

104

7  Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung

• aus der Einführung einer neuen Methode (z.  B.  Scrum, Design Thinking, Lean Management Methoden, …) abgeleitet werden (siehe Kap. 8) • betrieblichen Innovationen, wie Home Office oder Elementen von „New Work“ entstammen • Potenziale bieten aus der Einführung neuer Systeme und Strukturen (Mergers & Acquisitions, neues Bonussystem, veränderte Managementmethoden, Digitalisierung etc.). Die spezifischen Strategien werden in der Regel Auswirkungen auf verschiedene Kulturfaktoren haben, sie sind also in der Wirkung nicht exakt antizipierbar und entspringen nicht unmittelbar einem systematisch geplanten Prozess des Kulturwandels, wie bei den generischen Strategien. Die Innovationshöhe für das Unternehmen ist bei spezifischen Strategien in der Regel größer als bei generischen Strategien. Das mit ihrer Einführung verbundene Risiko, angestrebte Ziele zu erreichen, ist auch generell höher und mit größerer Unsicherheit verbunden. Ein Beispiel

In der Tab. 5.1 (Kap. 5) wird der Kulturfaktor „Partnerschaftliche Entwicklungen mit unseren Kunden“ als einer der wichtigsten Faktoren überhaupt genannt. Das Team entscheidet, künftig diesen Faktor systematischer zu entwickeln und hierzu die Methode des „Co-Creation“ zu adaptieren. Innerhalb dieses Ansatzes soll zudem die Methode „Lego Serious Play“ künftig Verwendung finden. Um dies zu realisieren sind zum einen Schulungen notwendig, zweitens müssen entsprechende Personen als Projektleiter ausgewählt und qualifiziert werden und drittens müssen sich diese Methoden in Piloten bewähren, um die Akzeptanz auf der Seite von Mitarbeitern, aber auch Kunden zu finden. Die spezifischen Strategien strahlen umfangreicher auf die Organisation aus, ihre Nebeneffekte sind größer und der Erfolg ungewisser. Beim erfolgreichen Einsatz dürfte der Entwicklungssprung für das Unternehmen jedoch größer sein als bei inkrementalen Strategien.

7.2

Strategie-Optionen des Kulturwandels

Insgesamt geht es im Planungsprozess des Kulturwandels um eine Balance der einzelnen Strategiemöglichkeiten, eine Kombination der Maßnahmen, um mit den verfügbaren Ressourcen die eigene Unternehmenskultur nachhaltig zu optimieren. Folglich gilt es Muster zu konzipieren, die auf die eigene Situation abgestimmt sind, und die Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren mit der eigenen Positionierung und Vision unter Berücksichtigung der Ressourcenverfügbarkeit in Einklang zu bringen und zukunftsbezogen auszugestalten.

7.2  Strategie-Optionen des Kulturwandels

105

Generische Strategien ermöglichen in der Regel eine gut planbare inkrementale Verbesserung, spezifische Strategien können hingegen einen höheren Innovationsgehalt aufweisen und umfassender wirken. Die Verbindung zwischen den Ergebnissen des Kultur-Audits, der Reifegrad-­ Bestimmung und der Ableitung von Strategien, respektive von Maßnahmen (abhängig vor allem vom Abstraktionsniveau der Intervention), wird in Abb. 7.1 verdeutlicht. Die Entwicklung der strategischen Optionen und die Ableitung von Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Unternehmenskultur mit dem Ziel einer Stärkung der Wettbewerbs­ position stellen einen Kernprozess der Kulturarbeit dar. Mit diesem Prozess wird ein ständiger Beitrag zur kontinuierlichen Optimierung der Unternehmenskultur gewährleistet. Mit diesen Instrumenten wird die Unternehmenskultur aktiv gemanagt, die mehr oder weniger zufällige Entwicklung der Unternehmenskultur gehört der Vergangenheit an. Eine Auswahl der zu verfolgenden Strategien setzt voraus, die Prioritäten zu bestimmen und den Ressourcenbedarf abzuschätzen. Erst dann kann bei knappen Ressourcen festgelegt werden, welche Ziele und in Folge dessen welche Strategien verfolgt werden sollen. Diese Priorisierung und zeitliche Reihung der Strategien kann bereits hier in einer ersten Roadmap verortet werden. Welche Strategien sind wann und wo (welche betrieblichen Teilbereiche) mit welchem voraussichtlichen Aufwand umzusetzen. Ebenso kann bereits festgelegt werden, wann geeignete Zeitpunkte zur Evaluation der jeweiligen Strategieumsetzung angeraten scheinen. Eine skizzenhafte Roadmap findet sich in Abb. 7.2.

Kulturfaktor

Strategien/Maßnahmen

Reifegrad

Interne Kollaboration Kundenorientierung Vertrauensbeziehungen Kooperation Innovationsstärke Mitarbeiterbeteiligung Empowerment … …

Abb. 7.1  Exemplarisches Strategie-Szenario

• • •

Standards definieren Training anbieten Systematisches Feedback

• •

Kundenevents Big-Data-Strategie

106

7  Entwicklung der Unternehmenskultur: Strategie-Generierung

Unternehmenskultur Strategie-Roadmap Januar Standards definieren

Februar

März

April

Prozesse adaptieren

Qualifizierungsstrategie

Mai

Juni Evaluation und Anpassung

Einführung

Schulung

Schulung

FeedbackSchulung

FeedbackSchulung

Konzept Kunden-Events

FeedbackSchulung

Kunden-Event

Abb. 7.2 Strategie-Roadmap

7.3

Controlling der Strategie-Prämissen

Die Strategieentwicklung, -bestimmung und -ausführung orientieren sich an den internen Kompetenzen, Kapazitäten und Ressourcen. Kulturarbeit geht nicht einfach so „nebenbei“. Die formulierten Ziele und Strategien werden im Rahmen des Projektmanagements (Kap. 9) zur Grundlage der weiteren Projektplanung. Wichtig bleibt aber auch ein sporadisches Controlling der Prämissen, die den jeweils angestrebten Strategien zu Grunde liegen. Das Strategie-Konzept mit den verfolgten Zielen sollte stets im Blick bleiben und darauf überprüft werden, ob die getroffenen Annahmen immer noch zutreffen und der avisierte Weg den aktuellen Notwendigkeiten entspricht. In einer volatilen, agilen und dynamischen Welt sollten auch die sich generell eher langsam verändernden Bereiche, wie es die Unternehmenskultur nun einmal häufig darstellt, dennoch einer Steuerung und Überwachung unterliegen. Bereits kleine Veränderungen des Geschäftsmodells können immense Auswirkungen auf die aktuelle oder eben dann just benötigte Unternehmenskultur haben. Das aufgezeigte Strategie-Szenario bietet diese notwendige Übersicht.

7.4

Key Points

1. Die Strategie-Entwicklung basiert zu einem wichtigen Teil auf den bisher erarbeiteten Konzepten und Modellen. 2. Die zu entwickelnden Strategien sollten zuvor als Ziele formuliert werden, die den Inhalt, das angestrebte Ausmaß und die zeitliche Periode zur Realisierung konkretisieren.

7.4  Key Points

107

3. Generische Strategien zur Kulturentwicklung ergeben sich aus den Resultaten des Audits und des Reifegrad-Modells. Sie stellen vor allem inkrementale Verbesserungen dar. 4. Spezifische Strategien sind häufig übergreifende Strategien, die Auswirkungen auf mehrere Kulturfaktoren haben können. Sie werden häufig durch die Einführung neuer Methoden realisiert. 5. Die Bestimmung der sich anbietenden Strategie-Optionen wird durch eine Priorisierung und die Abschätzung des Ressourcenbedarfs ergänzt. 6. Eine Strategie-Roadmap stellt ein geeignetes Controlling- und Evaluationsinstru ment dar.

8

Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Zusammenfassung

Unternehmenskulturen können durch Interventionen und Implementierung neuer Methoden gezielt verändert werden – das ist Credo und Ausgangspunkt dieses Kapitels. Wichtig ist es zunächst, die Ebenen, auf denen die Interaktionen wirken sollen, möglichst trennscharf zu bestimmen. Damit rückt wieder das Architektur-Modell aus dem Kap.  3 in den Fokus: es werden Methoden zur Veränderung des Mindsets und des Verhaltens betrachtet. Aber auch der Weg zur Umsetzung in die tägliche Praxis bedarf eines angepassten Vorgehens. Schließlich soll das Konzept der Culture Hacks nun näher ausgeführt werden. Sie sind das notwendige Bindeglied zwischen den Strategien und dem täglichen Handeln. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Kapitel auf Methoden und Instrumente gelegt, die schnell zum Ziel führen können. Eine Unternehmenskultur zu verändern braucht Zeit, häufig wird in Literatur und Praxis sogar von bis zu einer Dekade gesprochen. Diese Zeit haben die Unternehmen aber immer weniger, um notwendige Anpassungsprozesse zu vollziehen. Veränderungen in der Kultur müssen oftmals sofort oder innerhalb kürzester Zeit realisiert werden, damit Unternehmen erfolgreich geführt oder Projekte gewinnbringend umgesetzt werden können. Dieses Kapitel illustriert daher vor allem Methoden, die eine rasche, agile Anpassung oder Veränderung ermöglichen. Diese Methoden sind auf den unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenskultur angesiedelt: bei täglichen Ritualen, den praktizierten Verhaltensweisen, Strukturen, Prozessen, aber auch in Normen, Wertesystemen und in Einstellungen. Eine Übersicht ausgewählter möglicher Methoden, deren Bewertung zum Einsatz und ein idealtypischer Implementierungsprozess komplettieren die Ausführungen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_8

109

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8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Unternehmenskulturen können durch Interventionen und Implementierung neuer Methoden gezielt verändert werden – das ist Credo und Ausgangspunkt dieses Kapitels. Wichtig ist es zunächst, die Ebenen, auf denen die Interaktionen wirken sollen, möglichst trennscharf zu bestimmen. Damit rückt wieder das Architektur-­ Modell aus dem Kap. 3 in den Fokus: es werden Methoden zur Veränderung des Mindsets und des Verhaltens betrachtet. Aber auch der Weg zur Umsetzung in die tägliche Praxis bedarf eines angepassten Vorgehens. Schließlich soll das Konzept der Culture Hacks nun näher ausgeführt werden. Sie sind das notwendige Bindeglied zwischen den Strategien und dem täglichen Handeln. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Kapitel auf Methoden und Instrumente gelegt, die schnell zum Ziel führen können. Eine Unternehmenskultur zu verändern braucht Zeit, häufig wird in Literatur und Praxis sogar von bis zu einer Dekade gesprochen. Diese Zeit haben die Unternehmen aber immer weniger, um notwendige Anpassungsprozesse zu vollziehen. Veränderungen in der Kultur müssen oftmals sofort oder innerhalb kürzester Zeit realisiert werden, damit Unternehmen erfolgreich geführt oder Projekte gewinnbringend umgesetzt werden können. Dieses Kapitel illustriert daher vor allem Methoden, die eine rasche, agile Anpassung oder Veränderung ermöglichen. Diese Methoden sind auf den unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenskultur angesiedelt: bei täglichen Ritualen, den praktizierten Verhaltensweisen, Strukturen, Prozessen, aber auch in Normen, Wertesystemen und in Einstellungen. Eine Übersicht ausgewählter möglicher Methoden, deren Bewertung zum Einsatz und ein idealtypischer Implementierungsprozess komplettieren die Ausführungen.

Es herrscht sowohl in Theorie als auch Praxis immer noch weitverbreitet das Narrativ vor, Unternehmenskulturen wären kaum und wenn überhaupt, dann nur sehr langfristig veränderbar. Unternehmenskulturen seien schließlich das Produkt von existenten, historisch gewachsenen Lebensrealitäten in Organisationen und reflektierten die Werthaltungen, Normen, Verhaltensweisen, Artefakte, Praktiken sowie formelle wie informelle Strukturen, Prozesse und Kommunikationsstile. Dem wird hier allerdings der Zirkelschluss entgegen gehalten: was entstanden ist und sich entwickelt hat, kann auch verändert werden. Es stellt sich somit vor allem die Frage, auf welchen Ebenen und mit welchen Methoden und Instrumenten ein Kulturwandel  – in welcher Ausprägung auch immer – bewirkt werden kann und nach der zeitlichen Komponente: wie lange benötigt ein Unternehmen, um einen neuen oder veränderten kulturellen Raum zu erschaffen? Machbarkeit und zeitliche Realisierbarkeit sollen bei der beispielhaften Charakterisierung einzelner ausgewählter Methoden im Fokus stehen. Das Methodenreservoir an möglichen Interventionsinstrumenten ist viel zu groß, um hier auch nur einen ansatzweise kompletten Überblick anzustreben. Die hier präsentierte Übersicht versteht sich vielmehr als eine Einladung, Unternehmenskultur als etwas Fluides zu betrachten und explorativ Ansätze zur ­Gestaltung anzudenken. Überraschend einfach mögen einige der vorgeschla-

8.1  Einsatz von Interventionen und Methoden im Architektur-Modell

111

genen Instrumente anmuten, manche werden im eigenen Kontext vielleicht als nicht realisierbar erlebt – aber doch werden sie alle das kreative Potenzial verdeutlichen, das in ihnen steckt. Die Implementierung von Methoden zur Kulturveränderung ergänzt das im letzten Kapitel erarbeitete Vorgehen, bei dem vor allem generische Strategien vorgestellt wurden, die insbesondere inkremental wirken. Die Anwendung der nun zu referierenden Methoden ermöglicht die Kulturgestaltung durch ihre inhärenten Potenziale. Ihr Einsatz erfolgt vorwiegend im Sinne von spezifischen Strategien.

8.1

 insatz von Interventionen und Methoden im E Architektur-Modell

8.1.1 M  indset und Verhalten – Die strategische Ebene des Architektur-Modells In unseren gegenwärtigen Wirtschaftsstrukturen, die durch Globalisierung, weiter zunehmende Arbeitsteilung, Digitalisierung und Automatisierung gekennzeichnet sind, wird von Unternehmen mehr und mehr eine hohe Flexibilität gefragt, um rasch und adäquat auf Markterfordernisse reagieren zu können. Agilität ist hierfür ein weitverbreitetes Schlagwort. Es impliziert eine schnelle Anpassungsfähigkeit und Veränderbarkeit, um neuen Anforderungen gerecht werden zu können. Die Unternehmenskultur steht somit vor neuen Herausforderungen. Gefragt sind Ansätze, wie Unternehmenskulturen, z.  B. auch partielle Sub-Kulturen in Organisationen, Teams oder Projekten, entwickelt oder verändert werden können. Diese strategische Ebene mit der Entwicklung der gewünschten unternehmensindividuellen Kulturfaktoren wurde intensiv in den Kap. 4 und 5 behandelt. Die dort identifizierten Kulturfaktoren bilden die Basis für die weitere Arbeit an der Unternehmenskultur. Sie bieten die Vision und Strategie, die es zu realisieren gilt. Ihre Übersetzung in den Arbeitsalltag erfolgt durch die daraus ableitbaren Maßnahmen und Methoden. Es empfiehlt sich zur Einordnung der möglichen Strategien erneut das bereits in Abschn.  1.1.1 angeführte Modell der Ebenen der Unternehmenskultur heranzuziehen. Der Blick auf die Unternehmenskultur mit ihren einzelnen Ebenen schärft den Fokus und umreißt die Anforderungen an die möglichen Methoden und Interventionen, die eine Veränderung bewirken sollen. Die Veränderung von Grundannahmen, Werten und Normen, also der individuelle Blick auf die Welt und Organisation, das Mindset, wird anders zu adressieren sein als die Beeinflussung von Verhalten und die Gestaltung von Artefakten. Nach einer Vorstellung der einzelnen Methoden werden an späterer Stelle (Abb. 8.2) die skiz-

112

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

zierten Methoden näherungsweise den einzelnen Kulturebenen und somit ihrer intendierten Entfaltungsrichtung zugeordnet.

8.1.2 V  on der Strategie ins Tun kommen – Die operative Ebene des Architektur-Modells Die Konkretisierung dieser Ebene, also der Umsetzung der Strategie ins operative Geschehen, vollzieht sich über die im Rahmen der Strategieentwicklung formulierten Aktivitäten und Methoden. Diese bieten die Grundlage für die sich nun anschließende Arbeit.

8.1.2.1 Unternehmenskultur in Anwendung bringen – Kultur lebt im Alltag! Die wesentliche Frage bei der Gestaltung der Unternehmenskultur ist, wie man die formulierte Strategie ins tägliche Leben und Verhalten übersetzt. Bei dieser Frage handelt es sich um die zweite Ebene des in Kap. 3 vorgestellten Architektur-Modells. Es geht also um die konkreten Prozesse und Strukturen, die entsprechend der Vision angepasst werden. Im nachfolgenden wird ein mögliches Vorgehen skizziert. 8.1.2.2 Das Vorgehensmodell zur nachhaltigen Umsetzung Das folgende Vorgehensmodell orientiert sich an der von Gartner (2018b) vorgeschlagenen Vorgehensweise. Das systematische Vorgehen lässt sich gut in Teams bearbeiten und es führt somit zu einem gemeinsamen Ergebnis. Besonders wichtig ist, die nächsten Schritte durch die Mitarbeiter entwickeln zu lassen. Der Vorgesetzte sollte allenfalls als Coach den Prozess initiieren, an der Durchführung selbst jedoch nicht beteiligt sein. Das Ergebnis stellt als Resultat einen Vorschlag der Mitarbeiter dar, die von diesen Prozessen auch unmittelbar selbst betroffen sind, Die Mitarbeiter können ihr Wissen um den Prozess, bestehende Hindernisse und mögliche Lösungen unmittelbar einbringen. 8.1.2.3 Das „Warum“ erarbeiten Das Vorgehen kann in drei Phasen gegliedert werden. In der ersten Phase wird das „Warum“ – weshalb ist es notwendig, eine bestimmte Kultureigenschaft zu leben – beantwortet. Also, warum (hilfsweise können auch die Fragen „wofür“ oder „wozu“ verwendet werden) Agilität, Kollaboration, Kundenorientierung, Innovationsfreude und so weiter. Die Antwort darauf sollte sehr überzeugend und möglichst konkret ausfallen, um das notwendige Motivationspotenzial zu entfalten. Beispiele

Wir müssen Agilität leben, damit wir (ich, wir als Team, wir als Unternehmen) dem Kunden maßgeschneiderte Lösungen schnell und effektiv bereitstellen können (je individueller und konkreter, desto besser!).

8.1  Einsatz von Interventionen und Methoden im Architektur-Modell

113

Wir müssen kollaborativ arbeiten, damit wir (ich, wir als Team, wir als Unternehmen) umfassendes Know-how integrieren und Synergien unterschiedlicher Kompetenzen kreativ in eine gemeinsame Problemlösung einbringen können, um den Kundennutzen zu steigern (je individueller und konkreter, desto besser!). Wir müssen Kundenorientierung leben, damit wir (ich, wir als Team, wir als Unternehmen) die Bedürfnisse des Marktes antizipieren und eine hohe Kundenzufriedenheit und -loyalität schaffen (je individueller und konkreter, desto besser!). Wir müssen eine hohe Innovationsfähigkeit entwickeln, damit wir im Wettbewerb unseren Kunden aktuellste Problemlösungen zur Deckung ihrer Bedürfnisse unter Einsatz modernster Technologien zur Sicherung unseres Wettbewerbsvorsprungs anbieten können (je individueller und konkreter, desto besser!).

8.1.2.4 Das „Wohin“ erarbeiten In der zweiten Phase wird herausgearbeitet, welche Verhaltensweisen (Prozesse, Routinen, Strukturen, Arbeitsweisen) notwendig sind, damit diese Kultureigenschaft gelebt werden kann. Beispiel

Um agil zu werden, sollten wir folgendes Verhalten leben: • • • • • •

schnelle Entscheidungswege Kompetenzverlagerung nach unten Kunden rechtzeitig integrieren Neue agile Arbeitsweisen (z. B. Scrum, Kanban) einführen Kollaboration stärken …

8.1.2.5 Das „Woher“ erarbeiten In der dritten Phase erarbeiten wir das Woher im Vergleich zu Wohin. Es wird ja bereits ein Verhalten an den Tag gelegt, das sollte dem angestrebten gegenübergestellt werden: aus dieser Zusammenstellung und dem ermöglichten Abgleich wird deutlich, wo sich Verhaltensweisen und Prozesse ändern sollten. Gleichzeitig wird ersichtlich, was sich bewährt hat und was einer möglichen Kulturänderung nicht im Wege steht, sondern im Gegenteil, worauf aufgebaut werden kann. Dies ist auch aus systemischer Sicht wichtig, nicht alles muss neu gemacht werden, das Alte und Bewährte behält seinen Platz und erfährt seine Würdigung und Anerkennung.

114

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Beispiel

Bisher werden folgende Verhaltensweisen gelebt: • Langwierige und mehrstufige Entscheidungswege • Zentralisierte Kompetenzen • Kunden werden erst beim Produkttest beteiligt • Projektmanagement-Methoden werden phasenorientiert eingesetzt • Zusammenarbeit erfolgt bei definierten Schnittstellen, nicht fortlaufend • … Diese Analyse macht nunmehr den notwendigen Transformationsbedarf ersichtlich: Was muss sich ändern, damit die neue Unternehmenskultur gelebt werden kann. Wie man dieses Konzept in die tägliche Praxis übersetzt, wird im übernächsten Abschnitt (8.1.2.7) gezeigt.

8.1.2.6 Schematische Darstellung Die einzelnen Phasen lassen sich gut im folgenden Schema darstellen (Abb. 8.1): . Phase: Warum ist eine Veränderung notwendig? 1 2. Phase: Welche neuen oder geänderten Verhaltensweisen ermöglichen diese angestrebte Veränderung? 3. Phase: Welches sind die gegenwärtigen Verhaltensweisen, die praktiziert werden?

3. Phase

Woher (von)

2. Phase

Wohin (zu)

1. Phase

Warum

Langwierige und mehrstufige Entscheidungswege

Schnelle Entscheidungswege

Wir müssen Agilität leben,

Kompetenzverlagerung nach unten

damit wir dem Kunden

Zentralisierte Kompetenzen

Kunden rechtzeitig integrieren

maßgeschneiderte

Kunden werden erst beim Produkttest beteiligt

Neue Arbeitsweisen einführen

Lösungen schnell und effektiv

Kollaboration stärken

bereitstellen können

Projektmanagement starr Zusammenarbeit punktuell nicht fortlaufend

Abb. 8.1  Umsetzung der Unternehmenskultur ins Tun

8.1  Einsatz von Interventionen und Methoden im Architektur-Modell

115

Aus der Gegenüberstellung der Ergebnisse der Phasen 2 und 3 wird der Transformationsbedarf ersichtlich. Es empfiehlt sich, diesen Prozess durch die Mitarbeiter selbst durchführen zu lassen. Das erarbeitete Ergebnis hat dann eine viel größere Chance auf Akzeptanz und in Folge dessen auf Umsetzung. Diese Übersetzungsarbeit sollte kaskadenförmig in jedem organisationalen Teilbereich erfolgen. Eine Abstimmung nach „oben“ und „unten“ bei übergreifenden Prozessen sollte natürlich gewährleistet sein.

8.1.2.7 Implementierung in die tägliche Praxis Aus dem Katalog der geforderten zukünftigen Verhaltensweisen (= Wohin) sollten nun betroffene Mitarbeiter einige wenige (zwei bis drei) herausgreifen und in den laufenden Projekten oder Prozessen konsequent anwenden. Beispielsweise könnte von einem Mitarbeiter die neue Verhaltensweise „Kollaboration stärken“ ausgewählt werden. Der Mitarbeiter wird nun in laufenden Projekten überlegen, an welchen Stellen diese neue Verhaltensweise umgesetzt werden kann. Gleichzeitig wird er gebeten vorzuschlagen, wie denn der Erfolg dieser neuen Verhaltensweise (= Kollaboration stärken) gemessen werden kann. Es wird also ein neues KPI (Key Performance Indicator) bestimmt und gemessen, um den Fortschritt in der Veränderung der Verhaltensweisen nachvollziehbar verfolgen zu können. Hierbei sollte der Vorgesetzte für die nächsten 4 bis 6 Monate alle zwei Wochen mit dem Mitarbeiter ein Gespräch führen, in dem der Fortschritt, die gemachten Erfahrungen, der Anpassungsbedarf, der notwendige Unterstützungsbedarf und so weiter thematisiert werden. Dieser exemplarische Lernprozess am Beispiel einiger weniger neuer Verhaltensweisen wird über das gesamte Team gleichzeitig eingeführt und die gesammelten Erfahrungen werden auch kollektiv reflektiert. Auf diese Art und Weise lässt sich die Unternehmenskultur von der Strategie auf die tägliche Aufgabenebene übertragen. Wesentlich dabei ist, dass dies im Unternehmen kaskadenförmig passiert. Jede Führungskraft ist gefordert, den notwendigen Kulturwandel im eigenen Bereich zu initiieren. Auch die Führungskräfte sollten sich austauschen, um beste Praktiken zu identifizieren und von diesen zu lernen. Der Prozess der Kulturveränderung kann auf diese Weise strukturiert und systematisch in die operativen Prozesse umgesetzt werden. Niemand wird überfordert, es findet eher in einem experimentellen, offenen Lernraum statt, dem Erfahrungsaustausch kommt eine hohe Bedeutung zu, das gesamte Unternehmen befindet sich gemeinsam auf einer Kulturreise. Die (hoffentlich) guten Erfahrungen werden berichtet und werden andere Kollegen zur Nachahmung anregen. Die neuen Verhaltensweisen sollten sich zur Zielerreichung als überlegen gegenüber den bisherigen erweisen – dann kommt eine Ausbreitung der neuen Praktiken viel leichter in Bewegung. Allfällige, im Prozess generell unvermeidbare Fehler nützen in einem offenen, konstruktiven Klima dem Wissenserwerb aller und führen nicht zu Schuldzuweisungen.

116

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Solcherart erfolgreich implementierte neue Prozesse können dann in gültige Standards übertragen werden, an denen sich alle Mitarbeiter orientieren sollten.

8.1.3 Culture Hacks – Die punktuelle Ebene des Architektur-Modells 8.1.3.1 Was sind Culture Hacks? Seit einigen Jahren wird viel von Hacks im Zusammenhang mit verschiedenen Konzepten gesprochen, z. B. Computer Hacks, Life Hacks, Body Hacks und vielen weiteren Anwendungsbereichen. Damit sind vor allem Bestrebungen gemeint, eine (auch ungewöhnliche) Lösung für ein Problem zu finden, eine Leistungssteigerung auf kreative Art und Weise zu erreichen oder durch Experimentierfreude zu neuartigen Lösungen zu kommen. Es handelt sich also um eine Art „Tipps und Tricks“. Der Begriff wird nunmehr auch zunehmend für den Bereich Unternehmenskultur verwendet. Darunter wird im Folgenden eine Intervention verstanden, mit der das Bewusstsein geschärft wird mit dem Ziel, das aktuell gezeigte Handeln (oder Reden) mit dem im Rahmen einer Strategie oder einer Unternehmenskultur vereinbarten oder gewünschten Verhalten zu kontrastieren. Culture Hacks zielen folglich darauf ab, eine Frage zu reflektieren oder einen Reflexionsprozess zu initiieren und damit zu hinterfragen, ob das gezeigte Verhalten kongruent zum gewünschten ist. Sie werden immer dann eingesetzt, wenn eine Diskrepanz offensichtlich wird. Der Einsatz von Culture Hacks erscheint immer ungeplant und spontan eingesetzt. Die Mitarbeiter werden durch einen Culture Hack überraschend „erwischt“, sie können wie im Spiegel die alten Denk- und Verhaltensmuster erkennen. Ein Culture Hack wird durch folgende vier Merkmale gekennzeichnet (Gartner 2018a, S. 15; Herget 2020): • Er ist emotional, die Beteiligten verlassen ihre Komfortzone, dadurch wirkt er unangenehm. • Er wird sofort und unmittelbar nach einem Anlassfall eingesetzt, ohne eine zeitliche Verzögerung. • Für die Beteiligten wird das zugrunde liegende Problem sicht- und erfahrbar, der Anlass ist stets konkret. • Der Einsatz erfordert vom Einsetzenden einen hohen Mut, wenngleich dies mit wenig Aufwand zu erreichen ist. Die Voraussetzung für den effektiven Einsatz von Culture Hacks sind eine klare Kenntnis der gewünschten Werte, Ziele oder Strategien. Ihr Einsatz zielt als eine Art „Reminder“ darauf ab, das gezeigte Verhalten bezüglich der Kongruenz zu eben den erwarteten und bekannten Werten, Zielen und Strategien zu reflektieren. Damit wird einer nicht adäquaten Routineentwicklung vorgebeugt. Zu Beginn werden hauptsächlich die Führungskräfte und Vorgesetzten diese Methode einsetzen, im weiteren Verlauf ist es wünschenswert, das Cul-

8.1  Einsatz von Interventionen und Methoden im Architektur-Modell

117

ture Hacks auch von Kollegen in Besprechungen oder in der Zusammenarbeit verwendet werden, wenn ihnen ein nicht adäquates Verhalten begegnet. Das erfordert jedoch eine bereits reife und entwickelte Unternehmenskultur, damit dieses Verhalten nicht als unkollegial oder die Zusammenarbeit belastend empfunden wird. Ein Beispiel eines Culture Hack von Mitarbeitern sogar gegenüber einem Vorstand wurde als Beispiel im Abschn.  3.2.3 angeführt. Diesen Mut gegenüber Vorgesetzten aufzubringen wird zunächst nur wenigen Mitarbeitern gelingen, das Beispiel zeigt aber auf, wie durch solch gelungene Verwendungen die Unternehmenskultur nachhaltig sensibilisiert und verändert werden kann. Sind alle beteiligten Parteien vor allem dem Wohl des Unternehmens verpflichtet und wollen ihren persönlichen Leistungsbeitrag immer besser einbringen, sind Culture Hacks ein hervorragendes Korrektiv. Der produktive und effektive Einsatz erfordert daher: • Das Wissen, wie Culture Hacks konstruiert werden können. • Das Gefühl und die Klarheit für Situationen, wann Culture Hacks zur Fortentwicklung der Unternehmenskultur beitragen können. • Das positive Sanktionieren, also belohnen des Mutes von Mitarbeitern, die Culture Hacks einsetzen. • Die gute Kenntnis der Werte, Ziele und Strategien im Unternehmen bei den Mitarbeitern. • Die gemeinsame Reflexion des Ergebnisses dieser Intervention, eine Art Lessons Learned für zukünftiges Verhalten. Zur Verdeutlichung werden im folgenden Abschnitt einige Beispiel aufgeführt, wie Culture Hacks in der Praxis verwendet werden könnten.

8.1.3.2 Eine dringende Warnung vorweg! Culture Hacks können allerdings auch unbeabsichtigt eine kontraproduktive Wirkung entfalten. Der Einsatz von Culture Hacks in der täglichen Praxis setzt folgende drei Prämissen voraus: • Es besteht eine konstruktive, positiv gestimmte Unternehmenskultur im entsprechenden Unternehmensbereich; Misstrauen, Mobbing, starkes Konkurrenzverhalten etc. sollten jedenfalls nicht vorherrschen. • Der Reifegrad der Organisation in der Kommunikation und im Feedback sollten eine direkte Ansprache ermöglichen. • Die Kultur sollte von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung getragen sein. Beim Fehlen dieser Voraussetzungen sollte vom Einsatz (noch) abgesehen werden. Culture Hacks würden zu häufig missverstanden werden, eine zu hohe Irritation auslösen und dadurch eine eher kontraproduktive oder gar destruktive Atmosphäre noch verstärken. Allerdings sollte dann in diesen Fällen dringend an der Unternehmenskultur gearbeitet werden.

118

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

8.1.3.3 Culture Hacks im täglichen Einsatz – einige Beispiele Zur Verdeutlichung des Einsatzes von Culture Hacks sollen einige Beispiele aus unterschiedlichen Arbeitskontexten dienen, die einen Bezug zur fiktiven Unternehmenskultur in einem beliebigen Unternehmen postulieren: Ein Ziel der Unternehmenskultur ist beispielsweise eine hohe Innovationsfreudigkeit

In einer Besprechung wird ein schiefgelaufenes Projekt stark kritisiert, die Diskussion entwickelt sich zunehmend zu einer Suche nach den Schuldigen. Die Führungskraft unterbricht diese Diskussion mit den Worten: „Meine Damen und Herren, ein Ziel unserer Unternehmenskultur besteht darin, innovativer werden zu wollen. Innovationen können und sind natürlich fehleranfällig, wer etwas Neues versucht, kann auch scheitern. Lassen Sie uns doch jetzt viel mehr die Aspekte diskutieren, welche Fehler oder Fehlannahmen im Projekt getroffen wurden und wie wir diese künftig vermeiden können. Dazu ist es wichtig, möglichst genau die Entscheidungsbeweggründe zu kennen. Ich danke für die offene Diskussion und Darlegung der Vorgehensweise, denn nur so lernen wir gemeinsam weiter und können alle aus den Fehlern möglichst viel lernen. Wir wollen innovationsfreudiger werden, das beinhaltet auch die Möglichkeit zu scheitern oder Fehler zu machen.“ Eine andere Möglichkeit hier wäre beispielsweise, die verantwortliche Person (oder das Team) einzuladen, bei einem Meeting über das gescheiterte Projekt zu referieren und die sich ergebenden Lessons Learned für die Zukunft zu thematisieren. Damit wird dokumentiert, dass das offene Umgehen mit Fehlern positiv betrachtet und gewürdigt wird, da es eine hervorragende Möglichkeit bietet, gemeinsam aus Erfahrungen zu lernen. Ein zweites Beispiel kommt ebenso aus einer Besprechungssituation heraus. Ein Ziel der Unternehmenskultur liegt in einer hohen Kundenorientierung

In einer Besprechung wird über die „unmöglichen oder überzogenen“ Erwartungen eines Kunden in einem konkreten Auftrag gesprochen. In der Diskussion wird ­zunehmend negativ über die Kunden gesprochen. Die Führungskraft unterbricht die Diskussion mit den Worten: „Liebe Kollegen, lassen Sie uns besser verstehen, was der Kunde eigentlich will und warum wir seine Anforderungen momentan nicht recht nachvollziehen können. Sind diese Anforderungen denn wirklich unsinnig? In unserer Unternehmenskultur kommt der Kundenorientierung eine große Bedeutung zu. Wir sollten den Kunden also zunächst verstehen wollen, vielleicht liegt das Problem ja auch an unserer Kommunikation zum Kunden.“

8.1  Einsatz von Interventionen und Methoden im Architektur-Modell

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Ein drittes Beispiel (Sanchez Reina 2019) mag etwas überspitzt anmuten, es soll aber vor allem die Breite des möglichen Anwendungsspektrums demonstrieren. Jedenfalls verdeutlicht dieses konstruierte Beispiel auch die erforderliche Courage der Führungskraft, wenn der Ausgang der Intervention vollkommen offen ist. Es zeigt sich in diesem Beispiel ebenso, dass Culture Hacks auch dann wirken, wenn keine Diskrepanz zwischen aktuellem und erwartetem Verhalten vorliegt. Ein Ziel der Unternehmenskultur liegt auf klarer Fokussierung zur Umsetzung deraktuellen Strategie

Sie gehen als Führungskraft in die Kaffee-Ecke, holen sich einen Kaffee und auf dem Rückweg kommen Sie an einem Besprechungsraum vorbei. Sie sehen dort mehrere ihrer Mitarbeiter diskutieren. Sie öffnen die Tür zum Besprechungsraum und fragen: „Können Sie mir bitte sagen, welche Bedeutung ihr Besprechungsgegenstand für unsere Strategieerreichung hat?“

Und sie schauen alle Mitarbeiter direkt an. Falls Sie im ersten Moment betretene Blicke, die nach unten gerichtet sind, ernten und keine Antworten kommen, dann halten Sie schweigend die Pause bis fast schon ins Unangenehme. Dann stellen Sie fest: „Ich sehe, das, was Sie jetzt hier besprechen hat offensichtlich keinen Strategiebezug zu unseren Zielen und ist demnach nicht wichtig. Ich löse dieses Meeting hiermit auf. Konzentrieren wir uns bitte gemeinsam auf das für uns alle jetzt Wichtigste.“

Sollte hingegen eine Antwort kommen, die aufzeigt, dass die Besprechung eine Strategieorientierung aufweist, dann fragen Sie kurz für Ihr Verständnis nach, geben unmittelbar danach kurz allfälliges sachliches Feedback und kommentieren kurz positiv würdigend in dem Sie für diese selbstverantwortliche gemeinsame Initiative und das Engagement danken und gutes Vorankommen wünschen. Diese Beispiele verdeutlichen den Einsatz und Nutzen von Culture Hacks. Sie alle berühren emotional, es entsteht ein Gänsehautgefühl bei den Betroffenen, man fühlt sich „ertappt“. Der Anlass ist spontan, sofort und unmittelbar und folgt auf einen konkreten Bezug, der jedem Beteiligten klar ist. Jeder weiß sofort, worum es geht, was das zugrunde liegende Anliegen ist, es wird direkt emotional erfahrbar. Und der Einsatz der Culture Hacks erfordert von den Führungskräften Mut, eben auch im ersten Moment als unangenehm empfundene Situationen zu provozieren und sie auszuhalten, die aber einen hervorragenden Beitrag zur Vergegenwärtigung und Entwicklung der gewünschten Unternehmenskultur liefern können.

120

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

8.1.3.4 Culture Hacks – Das Bindeglied zwischen Mindset und Verhalten Wie an früherer Stelle im Architektur-Modell zur Unternehmenskultur dargelegt, sind es die kleinen Impulse, die eine Verbindung zwischen dem Verhalten und dem Mindset herstellen. Sie sind unverzichtbare Schubser („Stiche“), um die gewünschte Unternehmenskultur im Bewusstsein zu halten und daran das konkrete Verhalten immer wieder zu überprüfen. Ihre Bedeutung zur Entwicklung einer nachhaltig wirkenden Unternehmenskultur kann nicht hoch genug betont werden. Die Culture Hacks schaffen auf diese Weise das Bindeglied zwischen der kommunizierten Unternehmenskultur und der gelebten unternehmerischen Praxis im Alltag. Sie sind notwendige Interventionen, die unter Umständen sich nicht adäquat entwickelnde Routinen im Ansatz unterbrechen und das gewünschte Verhalten thematisieren. Sie dienen unmittelbar der Reflexion in einem konkreten Aufgabenkontext, der Lerneffekt ist immens. Eine volle Entfaltung der Wirkung von Culture Hacks erfordert eine Klarheit über die gewünschte Unternehmenskultur (erste Ebene des Modells) und eine operationale Umsetzung in den täglichen Prozessen (zweite Ebene). Isoliert angewendet können Culture Hacks auch wirken, sie wirken dann unter Umständen willkürlich, besonders wenn der Zusammenhang zur gewünschten Unternehmenskultur nicht deutlich wird. Culture Hacks stellen ein relativ neues Instrument zur Entwicklung der Unternehmenskultur dar. Ihr Einsatz in der Praxis dürfte jedenfalls als Katalysator bei der Ausprägung der gewünschten Unternehmenskultur wirken.

8.2

 lassische Ansätze zur Veränderung K der Unternehmenskultur

Ein geraffter Blick auf die klassischen, umfassenden Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur verdeutlicht die Komplexität des Kulturwandels1. Damit werden die Unterschiede zu den später diskutierten einzelnen, zum Teil agilen Methoden deutlich. Einer der bekannten Ansätze zur umfassenden Veränderung der Unternehmenskultur stammt von Cameron und Quinn (2006). Dieser Ansatz liegt auch dem Konzept von Bremer (2012) zugrunde. Er beruht auf dem weit verbreiteten Organizational Culture Assessment Instrument (OCAI) (Cameron und Quinn 2006; Bremer 2012). Der Prozess zur Veränderung der Unternehmenskultur wird dabei in sechs Schritten vorgenommen (Cameron und Quinn 2006, S. 90 ff.), der hier um einen wichtigen siebten ergänzt wird: • Schaffe Konsens über die gegenwärtige Unternehmenskultur • Erziele Konsens über die gewünschte zukünftige Unternehmenskultur 1

 Die folgenden Ausführungen basieren vor allem auf Herget (2018).

8.3  Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur

• • • • •

121

Bestimme, was der Wandel bedeutet – und was nicht Identifiziere illustrierende Geschichten Entwickle einen strategischen Aktionsplan Entwickle einen Implementierungsplan Erziele Quick Wins und kommuniziere diese breit

Dieser Prozess des Kulturwandels entspricht als Orientierungsrahmen auch dem in diesem Buch beschriebenen umfassenden Konzept der Kulturgestaltung. Die zukünftige Unternehmenskultur wird dabei mit einem Zeithorizont von 5 Jahren angestrebt. Kotter (2011, S. 11), der sich der Analyse und Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisationen wie kein anderer gewidmet hat, entwickelte einen 8-stufigen Ansatz, für den er bei umfassenden Themen bis zu deren Verankerung in der Unternehmenskultur insgesamt etwa drei bis zehn Jahre veranschlagt. Weitere Ansätze zur ganzheitlichen Transformation von Organisationen stammen beispielsweise von Bär et al. (2010); Drennan (1992); Edmonds (2014); Gibbons (2015) und Sagmeister (2016). Aber auch hier sind umfassende und langwierige Veränderungsschritte vorgesehen, um die gesamte Organisation neu auszurichten. Es gibt also durchaus bewährte Ansätze und Methoden, mit denen ein grundlegender und ganzheitlicher Wandel zur Veränderung der Unternehmenskultur angegangen werden kann. Die meisten dieser Ansätze werden allerdings nicht der aktuellen Forderung nach einer agilen und schnellen Veränderung und Anpassung der Unternehmenskultur gerecht. Mögliche Konzepte hierzu werden im folgenden Kapitel diskutiert.

8.3

Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur

Im Unterschied dazu sollen im Folgenden jedoch vor allem Methoden und Instrumente thematisiert werden, die nicht nur in einem Gesamtkonzept, sondern ebenso als isolierte Maßnahmen eingesetzt werden können. Die Implementierung dieser Methoden kann jedenfalls zu einem schnellen Kulturwandel führen. Dabei kann kein genauer Zeithorizont angegeben werden, betrachtet werden jedoch Methoden, die eine rasche Veränderung oder Anpassung versprechen. Damit können auch erste Schritte in eine umfassende Kulturveränderung verbunden sein. Diese Methoden werden häufig zunächst in organisatorischen Teilbereichen (z. B. Teams, Projektgruppen etc.) eingesetzt, dadurch kann ein (partieller) Kulturwandel bereits ad hoc, in Tagen oder Wochen angestrebt werden. Jedenfalls ist der Zeithorizont unterjährig – folglich eine spannende Auseinandersetzung mit der Frage, wie über viele Jahre entstandene Einstellungen und Verhaltensweisen unmittelbar adressiert und verändert werden können. Die nachhaltige Wirkung dieser zumeist relativ neuen Instrumente ist vielversprechend, wie immer hängt sie jedoch von der Qualität der Vorbereitung

122

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

und Einführung ab. Die bislang gemachten und referierten Erfahrungen stimmen jedenfalls optimistisch. Das soll die Experimentierfreude anregen – Neues darf und sollte durchaus ausprobiert werden. Schließlich bietet auch das Risiko des Scheiterns wertvollen Input für weitere organisationale Lernprozesse – erfolgreiche Change Prozesse lassen sich nur selten genau prognostizieren, da diese emergierende Notwendigkeiten laufend integrieren.

8.3.1 Interventionen und Methoden – Eine Charakterisierung Die folgenden Ausführungen setzen an dem Modell der Ebenen der Unternehmenskultur (Abb. 1.1). an. Welche Methoden und Instrumente setzen auf welcher Ebene an und können folglich die jeweils dort prägenden Muster der Unternehmenskultur verändern? Dabei gilt es weiterhin zu berücksichtigen, dass zwischen einzelnen Aktivitäten, Interventionen, Maßnahmen und Methoden ein Kontinuum besteht. Methoden, wie sie hier nun präsentiert werden, zeichnen sich im Unterschied zu Aktivitäten, Interventionen und Maßnahmen, die vor allem einer kontinuierlichen Verbesserung dienen, durch eine höhere Komplexität aus, deren Implementierung umfangreichere Vorarbeiten im Unternehmen erfordert. All diese unterschiedlichen Ansätze zur Optimierung der Unternehmenskultur werden im Konzept der Culture Excellence unter dem Begriff „Toolbox“ zusammengefasst. Wie schon an früherer Stelle erwähnt, sollen aus der Vielzahl von Organisationsentwicklungsmaßnahmen vor allem einige sogenannte „agile“ Methoden vorgestellt werden und darüber hinaus solche, die sich aus dem Kontext der bisherigen Aussagen dieses Buches als besonders relevant herauskristallisiert haben. Zunächst soll daher kurz der Begriff Agilität geklärt werden. Unter Agilität verstehen wir im Folgenden ein mehrdeutiges Konzept mit den Elementen: • • • • •

Schnelligkeit Flexibilität Anpassungsfähigkeit Produktivität und Wahrnehmungsfähigkeit.

Agile Methoden folgen in dieser Betrachtung einem doppelten Charakter und Anspruch: sie selbst sollen die Kriterien der Agilität erfüllen, um als solche klassifiziert zu werden. Gleichzeitig soll durch ihren Einsatz auch die Organisation eine agilere werden. Einige der agilen Methoden entstammen der Software-Entwicklung oder der industriellen Produktion (z. B. Scrum, Kanban, Lean), finden aber über diesen Bereich hinaus zunehmend Verbreitung in der gesamten Organisation für unterschiedliche Anwendungsfelder. Als agile Methoden im engeren Sinne sollen hier jene Ansätze, Methoden und Instrumente angesprochen werden, die vor allem gewährleisten, dass sie (auch) auf organisatorische Teilbereiche eingrenzbar sind, relativ schnell implementierbar und durch regelmäßige Feedback-Schleifen einen organisationalen Lernprozess ermöglichen.

8.3  Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur

123

Als eine Auswahl aus der Vielzahl agiler Ansätze, Methoden und Instrumente erscheinen die nachfolgenden einer näheren Betrachtung wert: • • • • • • • • • • • • • •

New Work-Konzepte System-Anpassung Transformationsmanagement Relationaler Ansatz Scrum Kanban Lean Design Thinking Strategisches Vertrauen Lösungsfokussierung Theorie U Organisationsaufstellung Feedback-Formen Nudging

In dieser Aufzählung bleiben natürlich viele andere, auch relevante Methoden (beispielsweise Co-Creation, LEGO® Serious Play® oder die weiteren von Doug Rose (2019) vorgestellten Methoden unerwähnt. Die hier aufgeführten Methoden sollen stellvertretend das inhärente Potenzial verdeutlichen, Eine vertiefte Beschäftigung mit den Methoden wird bei einem geplanten Einsatz ohnehin unausweichlich werden. Im Folgenden werden die ausgewählten Methoden kurz skizziert. New Work-Konzepte: Dahinter verbergen sich eine Vielzahl von möglichen räumlichen und interaktiven Ausgestaltungen der Zusammenarbeit (Kombination von Mensch, Raum und Technologie). Von der Kaffee-Ecke über das Home-Office bis zur Auflösung fester Bürostrukturen, wie es im Rahmen von New Work beispielsweise von Microsoft propagiert wird (Microsoft 2019). Des Weiteren können ebenso Konzepte der Job Rotation als eine entsprechende Maßnahme angesehen werden, um Mitarbeiter aus ihren gewohnten Umgebungen heraus zu holen und mit anderen Kollegen und Organisationsbereichen zusammen zu bringen, mit denen bislang wenig oder kaum Kontakt bestand. Eine veränderte Meeting-Kultur (Eppler und Kernbach 2018) gliedern wir ebenso unter diese Konzepte ein. Ein Beispiel

Ein CEO eines schweizerischen Internet-Unternehmens mit über 100 Mitarbeitern hat sein Büro aufgelöst und sich fortan jeden Tag einen anderen (mobilen) Arbeitsplatz gesucht, mitten unter den Arbeitskollegen. Nach seiner Aussage hat dies die ­Kommunikation und Zusammenarbeit ganz wesentlich verändert – nicht nur in Bezug auf seine Person, sondern im gesamten Unternehmen. Sein Beispiel diente als Katalysator.

124

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Ein weiteres Beispiel

Bei einem internationalen Großkonzern mit Zehntausenden von Mitarbeitern findet einmal pro Woche ein Frühstück von Vorstandsmitgliedern mit immer neu eingeladenen Vertretern des gesamten Unternehmens statt, von entfernten Produktionsstätten bis zum administrativen Personal. Der Vorstand kennt dadurch die Probleme der Belegschaft, erfährt viel über Stimmungen und Befürchtungen und kann seinerseits das Agieren auf dem Markt, die Strategien und die Herausforderungen des Konzerns erläutern.

Ein letztes Beispiel

Der CEO eines Unternehmens mit über 1000 Mitarbeitern lässt es sich nicht nehmen, einmal pro Woche durch die Produktionshalle zu gehen und sich mit Mitarbeitern zu unterhalten (Management by Walking Around), nach Problemen und Verbesserungsmöglichkeiten zu fragen. Er ist davon überzeugt, dass gerade das zu einem besonders guten Betriebsklima und einer offenen Gesprächskultur beiträgt. Nur am Rande sei erwähnt, dass er jedem, der Geburtstag hat, persönlich – direkt am jeweiligen Arbeitsplatz, z. B. in der Produktionshalle – gratuliert. Auch hier ist er davon überzeugt, dass es ein besonders gutes Zeitinvestment ist. System-Anpassung: In pragmatischer Absicht stellen beispielsweise Kotter und Heskett (1992) vor allem Systeme in den Vordergrund, die als Belohnungs- und Sanktionssysteme oder Prozessabläufe in Organisationen etabliert werden und somit einen starken ­Einfluss auf das unmittelbare Verhalten in Unternehmen haben. Eine System- oder Ablauf­ änderung führt unmittelbar zu einem veränderten Verhalten. Dieser Ansatz in der hier vorgestellten Diktion wurde im deutschsprachigen Raum auch von Sprenger (2012) popularisiert, der dabei von der Anpassung eines institutionellen Rahmens spricht. Der institutionelle Rahmen wirkt dabei als eine unpersönliche Führung. Transformationsmanagement: Hauptvertreter des Transformationsansatzes ist Karl Prammer (2009). Er verbindet die Ansätze von Organisationsentwicklung und Veränderungsmanagement zu einer Vorgehensweise, die mithilfe verschiedener Techniken die Teilnehmenden des Veränderungsprozesses einbezieht und zu Mitgestaltern der Ergebnisse macht. Relationaler Ansatz: Sonja Radatz (2009) hat diesen Ansatz entwickelt und verbreitet. Im Transformations- und Change-Umfeld sicher einer der radikalsten Ansätze, aber durchaus mit Berechtigung und Erfolg – wenn auch freilich nicht für alle Umfelder geeignet. Radatz geht hierbei davon aus, dass die in der Vergangenheit liegenden Ursachen für Probleme nicht weiterhelfen, und noch weniger, deren Urheber zu identifizieren. Damit ­würden nur eine Problem-Trance und Sündenböcke geschaffen, was letztlich Veränderung blockiere. Vielmehr beginnt die Veränderung in diesem Vorgehensmodell damit, dass eine

8.3  Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur

125

gemeinsame Vision einer Zukunft entworfen und deren konsequente Umsetzung geplant und vereinbart wird. Diese akkordierte Vision enthält einerseits Ziele und andererseits neue Verhaltensweisen. Diese neuen Verhaltensweisen werden unmittelbar und sofort eingeführt. Scrum: Dies ist ein Vorgehensmodell, das aus der agilen Softwareentwicklung stammt (Glogger 2017; Rose 2019). Scrum bedeutet Gedränge – und genau ein solches soll mit dieser Methode verhindert werden. Der Vorgehensweise zugrunde liegt die realistische Annahme, dass komplexe Projekte nicht bis ins letzte Detail planbar und formulierbar sind – und dass es bei penibelster Beschreibung immer noch Verständnis- und Interpretationsdifferenzen geben wird. Deshalb verfolgt die Planung das Prinzip der schrittweisen Annäherung an das Endresultat. In einer stark verflachten Hierarchie werden dazu regelmäßige Abstimmungsmeetings der Scrum-Teams gehalten, um neue Aktivitäten zu priorisieren und diese dann zügig selbststeuernd der Reihe nach (und nicht zu viele parallel) abzuarbeiten. Das Scrum-Konzept lässt sich auch außerhalb von Software-Projekten einsetzen – überall dort, wo in Projekten gearbeitet wird. Kanban: Eine aus Japan kommende Methode in der Softwareentwicklung, die dem Scrum ähnlich ist. Kanban geht davon aus, dass die Anzahl paralleler Arbeiten auf wenige beschränkt werden sollte, um konzentriertes Arbeiten und möglichst hohe Produktivität und Durchlaufzeiten zu erreichen (Rose 2019). Die Tasks werden zumeist auf Tafeln gruppiert – in mindestens 3 Kategorien: To Do (Tasks, die auf Erledigung warten), Doing (in Arbeit, genannt: „Work in progress“) und Done (erledigt, bzw. fertig für die weitere Bearbeitung). Ersteller der Leistung nehmen den nächsten Task in Eigenregie in die Spalte „Doing“. Damit kann sichergestellt werden, dass sich eine überschaubare Menge an Tasks beim Bearbeiter befindet und die Auftraggeber sehen, wann ihre Tasks in Arbeit sind. Die Priorisierung erfolgt in kurzen Abständen (täglich morgens, wöchentlich, je nach Umfeld) zumeist im Team. Auch diese Methode lässt sich generell überall einsetzen, wo Projekte durchgeführt werden. Lean: Bezeichnet eine Denkrichtung, die aus dem Umfeld von Six Sigma entstanden ist und sämtliche Methoden und Funktionen auf das Mindestmaß reduziert. Dazu wurden zahlreiche Methoden und Instrumente entwickelt, die nicht nur im technischen Produktionsbereich sondern auch im Administrativen erfolgreich eingesetzt werden (siehe z. B. Gorecki und Pautsch 2016). Design Thinking: Die tatsächlich dem Designprozess entlehnte Methode versetzt die beteiligten Mitarbeiter in die Position, sowohl über die Bedarfe der Kunden als auch jene des eigenen Unternehmens zu reflektieren. Auf Basis dieser Betrachtung werden Ideen generiert und priorisiert sowie die präferierte Lösung konkret als Prototyp umgesetzt. Der Prototyp kann dabei ein mit einfachen Methoden und Materialien gebautes Modell sein oder auch eine Zeichnung auf einem Flipchart (siehe z. B. Uebernickel et al. 2015).

126

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Mit diesem Vorgehen werden mehrere für „gesunde“ Unternehmenskultur bedeutsame Vorgänge, Verhalten und Abläufe trainiert und als vorteilhaft erlebt: • Kundenperspektive einnehmen: zu häufig setzt sich in Organisationen die Optimierung der Vorgänge durch, die für die Organisation praktisch sind, für interne oder externe Kunden allerdings aufwendiger als nötig. Die Pain Points des Kunden werden hier klar adressiert. • Perspektive der Organisationsstrategie einnehmen. • Lernen, dass viele Ideen nicht die „Wunschliste an den Weihnachtsmann“ sind, sondern nötig, um zu einer möglichst optimalen Lösung zu kommen. Eine professionelle Moderation des Design-Thinking-Prozesses lässt diesen Aspekt bewusst mit einfließen, um Frustrationen zu vermeiden, die daraus entstehen, dass letztlich der Vorschlag von anderen umgesetzt wird. Schließlich sind an der Ausarbeitung des gewählten Lösungsweges dann wieder alle beteiligt. • Vorteile von Kollaboration erleben: Im Laufe des Prozesses wird beim gemeinsamen Tun erlebt und damit erlernt, dass gemeinsame Ergebnisse in der Regel besser zum Erfolg führen als allein erarbeitete. Strategisches Vertrauen: Wir können hier vor allem auf Covey (2009) und Sprenger (2007) verweisen. Fehlendes Vertrauen in der Gesellschaft erfordert hohe Transaktionskosten und vor allem Zeit und Kontrolle. Das gleiche lässt sich in Unternehmen aufzeigen. Wo kein Vertrauen herrscht, werden Informationen vorenthalten, entsteht Unsicherheit, laufen im Hintergrund Machtspiele und das gemeinsame Arbeiten wird erschwert. Als strategisches Vertrauen bezeichnen wir ein Konzept, bei dem radikal die Voreinstellung getroffen wird, in Kommunikation und Kollaboration ab sofort mit maximalem Vertrauen zu arbeiten – wenn dieses nicht gewährt oder entgegengebracht wird, wird das sofort negativ sanktioniert. Das lässt sich gut in Teams oder Projekten sofort einführen, die Quick Wins können sehr überzeugend sein. Lösungsfokussierung: Steve de Shazer und Insoo Kim Berg sind die Begründer der sogenannten Milwaukee-Schule und haben das Konzept der Lösungsfokussierung maßgeblich und über Jahrzehnte international geprägt. Der lösungsfokussierte Ansatz beschäftigt sich nicht mit Problemanalysen oder Problemursachen sondern stellt unmittelbar die möglichen Lösungen in den Vordergrund. Leitend ist dabei die „Wunderfrage“: „Stellen Sie sich vor, heute Nacht geschieht ein Wunder, und das Problem, über das wir gerade sprechen, ist gelöst! – Woran würden Sie es merken, was ist anders?“ Das aus der Kurzzeittherapie stammende Verfahren lässt sich ohne weiteres in der Unternehmenspraxis bei sehr vielen Anlässen einsetzen. Das Ziel ist es, die Stärken und die Resilienz von Personen und Organisationen zu aktivieren, um Lösungen für vorgefundene Problem zu finden und durchzuführen (de Shazer und Dolan 2016). Die Lösungsfokussierung kann sehr wesentlich zu einem veränderten Umgang mit Fehlern und Problemen in Organisationen beitragen.

8.3  Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur

127

Theorie U: Der Soziologe Otto Scharmer (2014) hat diesen Ansatz am MIT entwickelt, als er sich der Frage widmete: Was macht den Unterschied aus zwischen Managern, die erfolgreich Transformationsprozesse leiten und denjenigen, die dabei scheitern. Mit der Theorie U hat Scharmer ein Grundlagenwerk geschaffen, das Nachhaltigkeit und globale Verantwortung in der Führung mithilfe konkreter Führungsinstrumente verankert. Der zentrale Ankerpunkt dabei ist, dass die Qualität von Ergebnissen und Lösungen maßgeblich von der Herangehensweise bestimmt wird. Ein besonderer Schwerpunkt dabei liegt auf dem so genannten Presencing, der Fähigkeit zu Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für einen bestimmten Vorgang und die beteiligten und betroffenen Personen. Diese Methode beschäftigt sich sehr stark mit der Zukunft und der Frage, wie kann das Neue in die Welt kommen – oder eben auch in das Unternehmen. Organisationsaufstellung: Organisationsaufstellungen sind eine systemische Methode zur Diagnose und zum Auffinden von Konfliktursachen und Lösungen für Management-­ Probleme. Der große Vorteil der Methode ist vor allem die Schnelligkeit. Um intransparente, scheinbar ausweglose Probleme und Verstrickungen zu lösen, wird selten mehr als ein halber Tag benötigt. Diese Lösungseffizienz macht das Verfahren zunehmend auch in der Unternehmenspraxis beliebt. Die Organisationsaufstellungen sind vor allem mit den Namen Gunter Weber, Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibed verknüpft, die methodische Grundlagenarbeit geleistet haben. Der ausführliche Beitrag von Gaudart und Herget (2018) zeigt Anwendungsszenarien und prototypische Vorgehensweisen auf. Die Organisationsaufstellungen verfügen über das Potenzial, die Unternehmenskultur durch neue Einsichten grundlegend zu ändern, bis zur Infragestellung bisheriger Grundannahmen. Damit kann dieser in der Regel nur sehr langsam veränderbare Prozess rasant beschleunigt werden. Feedback-Formen: Das Feedback ist zentral für das bereits des Öfteren angesprochene Konsequenzen-Management. Die besondere Herausforderung liegt beim Feedback in der Hierarchie und Feedback unter Peers, also gleichgestellten Kollegen. Feedback geben und nehmen sollte jedenfalls gelernt werden, irrtümlicherweise wird häufig angenommen, es handelte sich um eine allgemein verfügbare Kompetenz. Beim konstruktiven Feedback-­Prozess sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, die in (internen) Schulungen vermittelt werden sollten. Dabei weist die weitverbreitete und aus dem Coaching bekannte Technik des sogenannten Sandwich-Feedbacks (bei dem das Feedback in einen positiven, negativen und wieder positiven Teil zerlegt wird) mehrere Unzulänglichkeiten auf. Gut angewandtes Feedback erhöht nicht nur die Motivation sondern auch die Produktivität, wie mehrere Studien aufgezeigt haben (Feedback 2019). Auch die von Rosenberg formulierten Prinzipien gewaltfreier Kommunikation bewähren sich beim Feedback bestens (Rosenberg 2016). Nudging: Erfreut sich gerade einer hohen Popularität und geht auf das Buch „Nudge. Wie man kluge Entscheidungen anstößt“ der Autoren Thaler und Sunstein (2014) in der

128

8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

Genese der Unternehmenskultur

Artefakte Verhalten Normen

Werte Grundannahmen

Veränderungsgeschwindigkeit

Ansatzpunkte zur Veränderung

Sehr schnell

Ritualanpassung (Casual Friday, E-Mailfreie Zeit, Besprechungsdramaturgie, Umgangsregeln z. B. "Du") …

Schnell

Raumkonzepte, New Work, Anreizsysteme, Methoden (Lösungsfokussierung, Design Thinking, Nudging, Co-Creation)

Mittel bis schnell

Systeme, Regeln, Prozesse, Feedback, Lean, Scrum, Kanban …

Langsam

Leitbid, Vision, Mission, Transformationsansatz, Relationaler Ansatz, strategisches Vertrauen …

Sehr langsam

Achtsamkeitsrituale, Organisationsaufstellung …

durch Vorbilder, Kommunikation

Bestätigung, Quick Wins sind wichtig

Implementierung, Transparenz

Vorbilder, Narrative. Kritische Ereignisse oder Dringlichkeit können schnellen Wandel auslösen

Kritische Ereignisse können schnelle Veränderung auslösen

Abb. 8.2  Veränderungsmodell der Unternehmenskultur

Erstauflage aus dem Jahr 2008 zurück. Die Verhaltensökonomie geht davon aus, dass Menschen von Natur aus nur begrenzt rationale Wesen sind und nicht stets vernünftig handeln. Die Beforschung kognitiver Fallen führte auch zur Entwicklung von Konzepten, die es leichter machen, aus Eigenem bessere Entscheidungen zu treffen, ohne bevormundet werden zu müssen. Dies erfolgt durch eine Beeinflussung ihres Kontextes, was als Entscheidungsarchitektur bezeichnet wird. Klassische Beispiele kommen aus dem Gesundheitsbereich (Sport, Gewicht, gesunde Ernährung, …). Dieser Ansatz setzt das Verhalten von Personen (und Personengruppen) in den Fokus der Betrachtung und wirkt „sanft“ durch eine entsprechende Ausgestaltung ihres Kontextes auf diese ein. Gerade dieser potenziell manipulative Charakter des Ansatzes erfordert in Unternehmen eine verantwortliche Handhabung, um ein gewünschtes Verhalten zu befördern. Trotz eines möglichen ethischen Spagats wird dieser Ansatz („libertärer Paternalismus“) nicht nur in der Politik und Gesundheit, sondern zunehmend auch in Unternehmen zur Leistungssteigerung eingesetzt. Verorten wir die Methoden bezüglich ihres Ansatzpunktes auf den verschiedenen Ebenen der Unternehmenskultur, ergibt sich die Zuordnung in Abb. 8.2.

8.3.2 Eignungspotenzial für das eigene Unternehmen Welche Methoden eignen sich nun für den Einsatz im eigenen Unternehmen? An dieser Stelle kann ein Vorschlag für ein Bewertungs-Portfolio formuliert werden. In diesem Portfolio unterscheiden wir einmal nach dem Problemgrad: beim 1. Grad sprechen wir von der Optimierung bestehender Systeme. Sie werden angepasst, verbessert, aber nicht grund-

8.3  Neuere Ansätze zur Veränderung der Unternehmenskultur

129

Problemgrad Organisationsaufstellung Transformation (2. Grad)

Co-Creation



Scrum

Optimierung (1. Grad)

Nudging



hoch



niedrig

Organisationsakzeptanz

Abb. 8.3  Bewertungs-Portfolio zur Einordnung agiler Methoden

sätzlich zu etwas ganz anderem gemacht. Sie entsprechen dem Vorgehen, das als Kaizen oder KVP (siehe Abschn. 7.1.1) beschrieben wird. Bei einer grundsätzlich anderen Lösung sprechen wir vom 2. Grad. Er entspricht der Transformation und hat das Potenzial, die Art und Weise, wie etwas bisher gemacht wurde, grundsätzlich zu ändern. Die zweite Achse beschäftigt sich mit der Akzeptanz in der Organisation. Ist eine Bereitschaft für den Einsatz dieser Methode vorhanden? Bestehen Anknüpfungspunkte, ist eine Wahrnehmung verbunden mit entsprechender Bereitwilligkeit vorhanden, der Methode eine Realisierungschance zu gewähren? Liegen die notwendigen Kompetenzen vor, um die Methode einzuführen? Mit diesem Werkzeug kann eine erste Einordnung vorgestellter (und weiterer möglicher) Instrumente vorgenommen werden, um entsprechende Kandidaten auszuwählen und im Unternehmen zu implementieren. Auf diese Art kann natürlich auch eine organisationale Teileinheit identifiziert werden, die für neue Methoden aufgeschlossener ist, als Pilot fungiert und einen Roll-Out initiiert. Abb. 8.3 stellt den Rahmen vor, für jede Organisation kann eine Auswahl der oben präsentierten (und weiterer) Methoden vorgenommen und mit dem potenziellen Einsatzzweck verknüpft werden. In diesem Kapitel wird deutlich, dass es neben etablierten Methoden der Organisationsentwicklung zur umfassenden Kulturanpassung in Unternehmen zunehmend auch agile Methoden und Instrumente gibt, die einen schnellen Kulturwandel bewirken können. Dieser muss – je nach gewähltem Ansatz – zunächst noch keine Auswirkung auf die Gesam-

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8  Methoden zur Kulturentwicklung – Ebenen und Maßnahmen der Intervention

torganisation haben, kann aber durchaus in Teilen des Unternehmens als Katalysator einer Entwicklung dienen und zu sehr schnellen Quick-Wins führen, was den Weg zu einem umfassenderen Kulturveränderungsprojekt ebnen kann.

8.4

Key Points

1. Kulturwandel ist möglich. Methoden und Interventionen verändern die Realität in Unternehmen und führen zur veränderten Unternehmenskultur. 2. Die unterschiedlichen Ebenen der Unternehmenskultur müssen mit geeigneten Methoden und Interventionen angesprochen werden. 3. Beim Einsatz von Methoden ist es hilfreich, die drei Ebenen des Architektur-Modells zu berücksichtigen. 4. Die angestrebte Unternehmenskultur muss in den Alltag verankert werden. Dazu muss konkret das „warum“, „wohin“ und „woher“ erarbeitet werden. Eine enge Begleitung bei der Implementierung durch Führungskräfte ist wichtig, um zur nachhaltigen Verankerung und Akzeptanz zu gelangen. 5. Culture Hacks stellen eine neue Form der Intervention dar. Sie sind emotional, sofort und unmittelbar, sicht- und erfahrbar und ihr Einsatz erfordert Mut. Sie sind das Bindeglied zwischen der Strategie und der gelebten Praxis. Sie stellen ein sehr wirksames Reflexionsinstrument dar. 6. Neben klassischen Maßnahmen der Organisationsentwicklung rücken vor allem agile Methoden der Kulturveränderung zunehmend in den Blickpunkt. 7. Methoden der Kulturveränderung können unternehmensspezifisch verortet und in einem Portfolio dargestellt werden. Dieses bietet eine Orientierung über den angestrebten Problemlösungsgrad und das Ausmaß der erwarteten Akzeptanz im Unternehmen.

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Literatur

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Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling

Zusammenfassung

Der Erfolg sämtlicher Change-Maßnahmen im Rahmen von Gestaltungs- und Veränderungsprozessen lässt sich schlussendlich am Grad der erfolgreichen Einführung und Überführung in die täglichen Routinen messen. Nach dem der Auswahlprozess der neu einzuführenden (oder zu verändernden) Maßnahmen und Methoden abgeschlossen wurde, kommt der Einführungsplanung grundlegende Bedeutung zu. Wann sind welche Maßnahmen in welchen Bereichen einzuführen, wann sind diese flächendeckend auszurollen, wie wird deren Erfolg gemessen und wann sind korrigierende Eingriffe notwendig. Das Portfolio der einzusetzenden Maßnahmen und Methoden ist dabei dynamisch und vernetzt zu betrachten – häufig hängt der Erfolg einzelner Aktivitäten auch vom Einsatz anderer Methoden ab. Diese Sensibilität für mögliche Abhängigkeiten ist wichtig bei der Erstellung einer Roadmap und beim Controlling der Einführung der verschiedenen Maßnahmen.

Change Projekte laufen nicht von alleine. Vor allem dann nicht, wenn deren Dringlichkeit und Notwendigkeit nicht gut kommuniziert wird. Es gilt daher bisherige Routinen aufzubrechen und neue Verhaltensweisen zu erlernen und zu praktizieren. Sämtliche Veränderungsprozesse sind immer mit einer Unsicherheit behaftet, die Mitarbeiter und die Führungskräfte sind dabei besonders gefordert. Häufig muss die bisherige Komfortzone verlassen werden. Das sind alles Anforderungen, die im Umsetzungsprozess zu berücksichtigen sind. In vielen Unternehmen existieren jedoch gute Kompetenzen im Projektund HR-Management, die hier gut zur Anwendung kommen können. Eine zentrale Herausforderung bei Change Projekten zur Kulturveränderung besteht in der Skalierung und Projektkoordination: Wie groß sollen die Projekte sein, auf welche

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_9

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9  Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling

organisatorische Teilbereiche sind sie gegebenenfalls einzuschränken, sind Pilotanwendungen wichtig bevor ausgerollt wird, wer sind die Promotoren, wer die Botschafter des Kulturwandels, wer vertrauenswürdige Ansprechpartner für die Mitarbeiter in ihren eigenen Bereichen? Diese Fragen verdeutlichen es bereits, es kann keine generelle Empfehlung für alle geben. Zu sehr ist dies von der konkreten Organisation abhängig, von der Größe, den Standorten, der Wertschöpfungsbreite und vielen anderen Faktoren mehr. Die Verantwortlichen im Projektmanagement müssen hier ein gutes, passendes und stimmiges Projekt aufsetzen. An diese Aufgabe sollte durchaus mit Experimentierfreude und Risikobereitschaft herangetreten werden. Diese beiden Haltungen sind ohnehin für die meisten Unternehmenskulturen bedeutsam, so können sie also auch hier bereits experimentell ausprobiert werden. Konkrete Kulturprojekte sind für das Unternehmen in der Regel innovativ, es fehlen Routinen und diesbezügliche Erfahrungen. Damit sollte durchaus offensiv umgegangen werden, es ist ein gemeinsames Lernen, sowohl die Umsetzung und Implementierung der Methoden als auch das Projektmanagement hierzu. In diesem Kapitel sollen ein paar nützliche Hinweise diese Arbeit erleichtern und die wesentlichen Schritte verdeutlichen.

9.1

Vorgehenskonzept festlegen

Alleine aus Transparenzgründen bleibt es immer wichtig, sämtliche Projekte und Teilprojekte im Gesamten zu betrachten und zu verorten. Damit kann das Projektmanagement stets ohne zu große Detaillierung die jeweilige Phase mit den entsprechenden Maßnahmen adressieren. Ein grobes Vorgehenskonzept sollte die folgenden Phasen umfassen: 1. Identifikation des Problemgrades Dabei geht es darum, Anwendungsgebiete und -kreise zu bestimmen, die einen hohen Nutzen und gleichzeitig eine entsprechende Dringlichkeit vermuten lassen, dies gilt es zu überprüfen. Dabei ist der Fokus der vorgesehenen Maßnahmen zu schärfen, der Umfang des Projektes zu begrenzen und die zur Implementierung vorgesehene Zeit zu veranschlagen. Wichtig dabei ist, einen Bedarf auf der Seite der Mitarbeiter zu ­evozieren (Kotter 2009), dies sollte ein guter Priorisierungsgrund sein für eine Anwendung oder eben auch für den organisatorischen Teilbereich, der als Pilot in Frage kommt. 2. Reifegrad der Organisation Hier geht es um die Passung der gewählten Methoden und Maßnahmen zum Entwicklungsstand des organisatorischen (Teil-)Bereiches. Ist die Organisation „reif“ für diese Methode, stößt diese auf Akzeptanz oder sind weitere vorbereitende Maßnahmen notwendig? Dabei sind das Management, die Mitarbeiter aber auch deren Umwelt (Partner, Technologien etc.) zu berücksichtigen.

9.1  Vorgehenskonzept festlegen

135

3. Methodenauswahl Folgt man dem systematischen Ansatz dieses Buches, wird es keinen Mangel an zu implementierenden Methoden und Maßnahmen geben. Folglich kommt der Methodenauswahl eine hohe Bedeutung zu. Dabei sind die vorherigen Schritte maßgebend: die Abklärung des Problemdrucks und der organisatorischen Reife für diese Maßnahme. Diese stellen wichtige Voraussetzungen dar, um ein erfolgreiches Projekt aufzugleisen. Zu berücksichtigen sind also die konkreten Anforderungen, die Selektion der Methoden, die den größten Erfolg versprechen und deren Operationalisierung für die konkreten Gegebenheiten im Anwendungsgebiet. 4. Implementierung Dazu sind einige Grundsatzentscheidungen nötig: erfolgt ein Pilotprojekt, in welchen Bereichen, wie ist dieses terminiert, wann ist der Go-live vorgesehen, wie ist der breite Roll-out geplant, findet dieser zeitgleich in der gesamten Organisation statt oder partiell nach den unterschiedlichen Bereichen? 5. Evaluation Die Umsetzung wird nicht immer unmittelbar die volle Wirkung entfalten: eine Evaluation des Projektes und eine Überprüfung des Erfüllungsgrades der Projektziele und der ­gemachten Erfahrungen ist in der Regel sinnvoll. Dabei können Lessons Learned für weitere Projekte abgeleitet werden, Maßnahmen zur Nachjustierung und Feinabstimmung bestimmt, gegebenenfalls sogar eine Neu-Initiierung mit verändertem Design oder angepassten Methoden notwendig werden. Dieser Vorgehensvorschlag ist in Abb. 9.1 dargestellt.

Vorgehenskonzept 1. Identifikation Problemgrad Fokus – Umfang – Zeit

2. Reifegrad der Organisation Mitarbeiter – Management – Umwelt 3. Methodenauswahl Anforderung – Selektion - Operationalisierung 4. Implementierung Strategie – Pilot – Roll-Out 5. Evaluation Erfüllungsgrad – Nachjustierung – Neu-Initiierung

Abb. 9.1  Vorgehenskonzept zur Implementierung von Maßnahmen und Methoden

136

9.2

9  Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling

Abhängigkeiten zwischen den Maßnahmen evaluieren

Ein weiteres Tool für den Planungsprozess kann eine Vernetzungsmatrix der ausgewählten Methoden darstellen. Um die Wechselwirkung von Methoden zu eruieren, die unterstützend, indifferent, also ohne gegenseitigen Einfluss, oder gar konfligierend sein können im Vorfeld abzuklären, empfiehlt sich eine entsprechende Vernetzungsmatrix. Als deren Resultat kann beispielsweise eine zeitliche Verschiebung der einzelnen Maßnahmen sinnvoll sein oder auch entsprechende zusätzliche begleitende Maßnahmen konzipiert werden. Bei einer Vernetzungsmatrix werden sämtliche Maßnahmen auf der X- und Y-Achse aufgetragen und dann beurteilt, ob eine kritische Wechselwirkung stattfindet. Hier bietet sich etwa an mit folgenden Bewertungskategorien vorzugehen: 0 = Keine Wechselwirkung 1 = Schwache Wechselwirkung 2 = Starke Wechselwirkung Es wird folgendermaßen bewertet: Methode a hat Auswirkung auf Methode b, c, d, e; Methode b hat Auswirkung auf Methode c, d, e und so weiter. Das Erstellen dieser Matrix und ihr Ergebnis führen zu einer höheren Sensibilisierung für die einzelnen Methoden und ihre Auswirkung auf die Organisation, also auf die Strukturen, Prozesse, Führungskräfte und Mitarbeiter. Sie hilft dabei antizipativ vorbeugende oder stärkende Maßnahmen zu entwerfen. Ein rudimentäres Beispiel ist in Abb. 9.2 wiedergegeben.

Abb. 9.2  Beispiel einer Vernetzungsmatrix

9.3  Vom Methoden-Portfolio zu einer Roadmap kommen

137

Bei der Bewertung sollte zugleich die Qualität der Wechselwirkung analysiert werden: sind diese als positiv/unterstützend oder negativ/kritisch zu werten? Eine besondere Betrachtung muss vor allem den Methoden gewidmet werden, die eine starke Wechselwirkung, sowohl als aktiver, d. h. beeinflussender Faktor oder auch als passiver, stark beeinflusster Faktor, aufweisen. Deren Beherrschbarkeit sollte sichergestellt sein.

9.3

Vom Methoden-Portfolio zu einer Roadmap kommen

Der Weg in die tägliche Praxis ist im Rahmen von Veränderungsprojekten grundlegend für die nachhaltige Umsetzung in die gelebte Arbeitsrealität. Vor allem sind dabei vier wesentliche Entscheidungen zu treffen: • Welche Methoden und Interventionen sind umzusetzen? • In welchen Bereichen der Organisation sollen diese eingeführt werden? Hier kann zwischen einem Team, einer Abteilung, einem Bereich oder einer ganzen Organisation simultan variiert werden. Diese Frage lässt sich nur im konkreten Fall beantworten. • Wann sind die jeweiligen Implementierungen vorzunehmen? • Wie sichern wir entsprechend des Architekturmodells die Verzahnung der drei Ebenen? Also der strategischen Ebene mit der konkreten Arbeitsebene und den Culture Hacks. Die Roadmap bietet ein geeignetes Instrument zur Planung und Kommunikation dieser Aktivitäten. Sie sorgt für Transparenz und Orientierung. Dazu ist es notwendig, die zu implementierenden Methoden und Maßnahmen auszuwählen, den Einführungszeitaufwand abzuschätzen, Zeitpunkte zur Evaluation zu bestimmen, ob als Zwischen- oder Endevaluation hängt von der Komplexität der jeweiligen Maßnahmen ab. Nach einer erfolgreichen Einführung wird dann vereinbart, in welchen anderen Bereichen diese Methoden ebenso ausgerollt werden können, falls zunächst keine organisationsweite Einführung erfolgt. Eine örtlich begrenzte Einführung macht immer dann Sinn, wenn die Komplexität der Maßnahme hoch ist und zunächst Erfahrungen gesammelt werden sollen, auch um inkrementelle Verbesserungen am Prozess vorzunehmen  – oder gar, eine Methode als nicht geeignet zu klassifizieren und zu verwerfen. Die Roadmap stellt die einzelnen einzuführenden Methoden auf einer Zeitachse dar (siehe Abb. 9.3). Ebenso ist es möglich, neben einer generellen Roadmap für das gesamte Unternehmen auch jeweils eine Roadmap für einen organisatorischen Teilbereich

138

9  Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling

Roadmap Standards für Kollaboration definieren Systematisches Feedback

Konzept Kunden-Events

Rollout in Prozessen

Feb



BeurteilungsSystem neu

… …

Rollout

Mar

Anpassung & Erweiterung

Evaluation



Big Data Strategie

Jan

Evaluation

Rollout Standards

Apr

Abb. 9.3  Vereinfachte Methoden-Roadmap

zu entwerfen. Damit erhält jeder Bereich seine „eigene“ Routenplanung auf der Kulturreise. Eine umfassendere Visualisierung könnte auch durch eine detailliertere Informationsgrafik erfolgen, die als Repräsentation von Gesamtzusammenhängen dienen kann.

9.4

Projektmanagement installieren

Change Prozesse erfordern professionelles Vorgehen. Jede Umsetzung von Maßnahmen sollte daher den normalen Projektmanagement-Standards folgen. Je komplexer das Unternehmen und das Projekt, desto bessere Planung ist notwendig. In kleinen Unternehmen wird der Projektleiter (oder der Unternehmer) dies ohne große Projektmanagementplanung nur mit einer Roadmap und wenigen Arbeitspaketen bewerkstelligen können, in großen Organisationen bei umfangreicheren Projekten wird ein Multiprojektmanagement mit einem Projektoffice unter Umständen angeraten sein. Das Ineinandergreifen der verschiedenen Phasen bedarf jedenfalls einer professionellen Planung, am besten mit den in den Unternehmen jeweils bewährten Instrumenten des Projektmanagements, wie sie beispielsweise von den großen Projektmanagement-Organisationen (IPMA, PMI oder Axelos (Prince2)) vorgeschlagen werden. Ebenso sollten Rollen im Rahmen von Kulturprojekten vergeben und besetzt werden. Neben einem Projektsponsor, das sollte in der Regel das oberste Management sein, sollten auch weitere wichtige Rollen vergeben werden. Der Projektleiter kann die Rolle eines Change Beauftragten einnehmen, der ein Team von Change Ambassadoren (Botschafter) um sich sammelt, die gleichzeitig als Ansprechpartner für alle Mitarbeiter wirken.

9.5  Implementierungserfolg messen und bewerten

9.5

139

Implementierungserfolg messen und bewerten

Die Kulturreise erfordert einen steten Erfahrungsaustausch. Es empfiehlt sich daher, diesen zu institutionalisieren und die gemachten Erfahrungen in bestimmten zeitlichen Abständen zum fixen Punkt in Besprechungen auf den verschiedenen Ebenen zu verorten. Der Kulturwandel wird für die meisten Mitarbeiter, insbesondere auch die Manager, Neuland sein. Einen Raum anzubieten, in dem die Erfolge, Lösungen, Probleme oder auch eben die Misserfolge als Lernmöglichkeiten reflektiert werden können, erweist sich als sehr zweckmäßig. Dort sollten auch mögliche weitere Strategien und Maßnahmen, die sich aus der laufenden Implementierung ergeben, diskutiert werden können. Zudem kann sogar ein Coaching der Führungskräfte durch Externe, falls intern diese Kompetenzen nicht vorliegen, sehr sinnvoll sein. Um diesen Prozess in Gang zu setzen und zu halten, sollten in der Projektplanung fixe Zeitpunkte gesetzt werden, bei denen der bisherige Implementierungserfolg gemessen und bewertet werden sollte. Häufig werden durch das Berichten über die gemachten Erfahrungen sinnvolle Nachjustierungen und Verfeinerungen vorgenommen werden können. Das kann so weit gehen, dass sich als untauglich erweisende Maßnahmen und Projekte allenfalls verworfen werden können. Diese Offenheit sollte möglich sein, immerhin sind die konzipierten Maßnahmen und Projekte als Innovationen in der Organisation zu betrachten und diesen wohnt nun einmal auch das Risiko des Misserfolgs inne. Je offener an das Veränderungsmanagement herangetreten wird, umso flexibler lassen sich die Maßnahmen zum Kulturwandel gestalten. Neben einer formativen Evaluation, also einer Zwischenevaluation mit dem Ziel, sinnvolle korrigierende Maßnahmen zu ermöglichen, kann die summative Evaluation eingesetzt werden, die einen Abschluss mit anschließender Freigabe (oder eben Rückweisung) einer abgeschlossenen Methodeneinführung markiert. Auch hier bleibt es wichtig, kaskadenhaft vorzugehen, der Change Prozess umfasst verschiedene Managementebenen und Verantwortungsbereiche, die Gelegenheit zum Austausch untereinander erhalten sollten. Sollte die Offenheit in den Teams nicht im erforderlichen Ausmaß vorhanden sein, könnte auch ein digitaler „Kummerkasten“ eingerichtet werden, in dem Anregungen, Kritiken und Ähnliches von den Mitarbeitern hinterlassen werden können. Auch wenn es einer guten, offenen Unternehmenskultur widerspricht, kann dies gegebenenfalls in anonymer Form erfolgen. Diese Hinweise sind dann aufzugreifen und im entsprechenden Rahmen zu diskutieren. Aus diesen Anregungen können allfällige Lösungen erarbeitet werden. Bei Führungskräften mit einer vorherrschenden Vertrauenskultur sollten anonyme Foren allerdings nicht notwendig werden, das wäre ohnehin ein deutliches Zeichen dafür, dass einiges suboptimal läuft. Jedenfalls wäre das ein Indikator dafür, das entsprechende Projekt einer Evaluation zu unterziehen.

140

9.6

9  Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling

Roll-Out sicherstellen

Nur wenige Maßnahmen werden zeitgleich im gesamten Unternehmen in allen betroffenen Bereichen simultan zur Anwendung kommen. Es bleibt daher wichtig, Pionierbereiche zu identifizieren, die als erstes mit den Maßnahmen anfangen und ihre Erfahrungen in den weiter optimierten Prozess einbringen. Wenn eine Methodeneinführung schließlich mit Erfolg implementiert wurde, sollte der Roll-Out auf die anderen Bereiche, für die diese Methode eine hohe Relevanz aufweist, geplant werden. Auch dies kann kaskadenhaft nach den unterschiedlichen Management- und Verantwortungsbereichen erfolgen. Ein weiterer Erfahrungsaustausch sollte jedenfalls gewährleistet werden. Wo Neuland betreten wird, herrscht häufig Unsicherheit und die Möglichkeit zur Kommunikation und zum Coaching ist wichtig, um zu den erwünschten Resultaten zu kommen. Mit welchen Bereichen sollte man sowohl für den Piloten als auch für das Roll-out beginnen? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten: Zum einen in den Anwendungsdomänen, in denen die Beteiligten einen Wandel sehen möchten, in dem eine große Offenheit für Veränderungen vorherrscht. Zum anderen bieten sich Bereiche mit einem besonders hohen Leidensdruck an, wenn eine Verbesserung der als belastend empfundenen Situation erhofft wird. Wenn beides zusammenkommt, umso besser. Und natürlich lassen sich beide Pole dieser Antwort durch geschicktes Management verstärken. Der „Sense of Urgency“ (Kotter 2009) lässt sich durchaus befördern. Eine gute Kommunikationspolitik des Managements wird dabei behilflich sein. Zudem bietet es sich an, mit Szenarien zu arbeiten (zum Beispiel: „Was passiert, wenn nichts passiert“).

9.7

Learnings sammeln und verarbeiten

Es wurde bereits des Öfteren angesprochen: ein Change Prozess zur Kulturveränderung stellt keinen Routineprozess für das betroffene Unternehmen und die involvierten Mitarbeiter dar. Viele der neu anzuwendenden Methoden, zum Beispiel das Culture Hack, erfordern von den Mitarbeitern das Erwerben neuer Kompetenzen: wie werden sinnvolle Culture Hacks gebildet, wann sind sie einzusetzen, wie ist mit den aufkommenden Reaktionen umzugehen? Gleiches gilt für den motivierenden Feedback-Prozess. Dies wird auch viele Führungskräfte vor neue Probleme stellen. Die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für das Change Projekt dürfte sich bei größeren Projekten als sinnvoll erweisen. Das kann eine Person in Form des Projektleiters sein, ein Projektteam oder sogar Coaches, die als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

9.9  Key Points

141

Die betroffenen Mitarbeiter sollten wissen, im Rahmen dieses Prozesses eine möglichst umfassende Unterstützung erhalten zu können. Integriert werden sollte ein institutionalisierter Erfahrungsaustausch, bei dem nach Möglichkeit offen über die gemachten Erfahrungen gesprochen werden kann. Dieser sollte auf jeder Managementebene und in jedem Verantwortungsbereich stattfinden und für die Führungskräfte ebenso kaskadenhaft mit ihren Peers und ihrer jeweiligen Führungskraft. Change für das gesamte Unternehmen gelingt nur, wenn sämtliche Bereiche mitmachen. Diese neue Kollaboration kann dabei übrigens bereits eine äußerst wichtige Erfahrung einer neuen, gelebten Unternehmenskultur bilden. Kulturfragen gehören regelmäßig auf die Besprechungsagenda. Auch wenn es nach einem hohen Zeitaufwand klingt, das muss es nicht sein und die Zeit ist gut investiert. Es ist jedenfalls günstiger und besser gut vorzubeugen als einen möglichen Schaden im Anschluss mit vielen Aktivitäten wieder einzufangen.

9.8

Eine Warnung und Ermutigung zugleich!

Auch wenn vieles in diesem Kapitel jetzt technisch klingen mag: Optimismus, Zuversicht und Freude am Experimentieren sollten im gesamten Prozess des Kulturwandels nicht verloren gehen. Freude, wenn etwas geklappt hat und eine „jetzt versuchen wir es anders“ Einstellung, wenn etwas nicht geklappt hat. Denn der Misserfolg kann gerade auch in der Kulturarbeit ein sehr guter Lehrmeister sein. Kann man den Kulturwandel auch klein anfangen, beschränkt auf einen Bereich? Häufig wird betont, auch in diesem Buch, wie wichtig Top-Management-Support für den gesamten Weg der Kulturarbeit ist. Das ist zweifelsohne auch richtig. Nur, was können Sie tun, wenn Sie sich als Führungskraft nicht in der Lage sehen, das ganze Unternehmen für den Kulturwandel zu begeistern? Dann fangen Sie einfach in ihrem eigenen Bereich an, den Sie verantworten: sei es in einer Abteilung oder auch nur in einem Team. Überall kann man als „Insel“ anfangen, die Unternehmenskultur zu verbessern. Der unternehmensweite Ansatz ist dazu nicht Voraussetzung. Lassen Sie sich also nicht entmutigen, wenn keine Mitstreiter gefunden werden. Nehmen Sie ihren Verantwortungsbereich und legen Sie los. Niemand hindert Sie! Sie werden bald feststellen, dass sich Nachahmer finden werden.

9.9

Key Points

1. Ein phasenorientiertes Vorgehenskonzept kann bei der Auswahl und Implementierung von Methoden als Roadmap visualisiert und verwendet werden. 2. Eine gegenseitige Abhängigkeit der eingesetzten Methoden wird die Regel sein, eine Vernetzungsanalyse schafft bessere Handlungsgrundlagen.

142

9  Kulturwandel-Projekte richtig aufsetzen: Implementierung und Controlling

. Visualisierung des Kulturwandels durch eine Roadmap schafft Orientierung. 3 4. Ein gut strukturiertes Projektmanagement mit klaren Rollen erleichtert den Kultur­wandel. 5. Der Erfolg der implementierten Maßnahmen sollte einer Evaluation unterzogen werden. Je nach Komplexität kann dies formativ oder summativ erfolgen. 6. Der Erfolg des Kulturwandels hängt wesentlich von der Auswahl der Unternehmensbereiche ab, in denen die verschiedenen Methoden als erstes eingeführt werden. Erfolg führt zur Nachahmung, Misserfolg macht vorsichtig. Kulturveränderung sollte nicht überstülpt werden, sondern gewünscht sein. 7. Erfahrungsaustausch und Fortbildung sind wichtig: wo Neuland betreten wird, herrscht erhöhte Unsicherheit. Sowohl das Management als auch die Mitarbeiter sollten Raum erhalten, über ihre Ideen, Konzepte und Erfahrungen zu reflektieren. 8. Freude am Gestalten und Mut für das Neue sollten diesen Prozess leiten. Jeder kann in seinem Verantwortungsbereich beginnen. 9. Verlieren Sie nicht die Experimentierfreude, Lust am Ausprobieren, lassen Sie sich von Misserfolgen nicht entmutigen, haben Sie Freude am Lernen und Gestalten. Legen Sie los!

Literatur Kotter JP (2009) Das Prinzip Dringlichkeit: Schnell und konsequent handeln im Management. Campus, Hamburg

Integrative Sicht: Das Konzept der Culture Excellence

10

Zusammenfassung

Das Konzept zur Gestaltung der Unternehmenskultur basiert auf mehreren Phasen und der Anwendung verschiedener Modelle und zahlreicher Methoden. Die daraus erzielten Ergebnisse bilden die Grundlage zur Generierung von Strategien und der Verortung von Maßnahmen auf verschiedenen Architektur-Ebenen. Die Aktivitäten werden durch ein Projektmanagement und Controlling des Fortschritts begleitet, Das Ziel liegt in der Ermöglichung neuer oder veränderter Mindsets und Verhaltensweisen. Wichtig bleibt eine integrative Sicht auf die Kulturprozesse eines Unternehmens: von der Analyse über die Gestaltung bis zur Überführung in die Alltagspraxis. Dieses Kapitel schärft den Blick auf das Zusammenwirken dieser verschiedenen Teilaspekte, wie sie zuvor erarbeitet wurden. Das Konzept Culture Excellence ist ein integriertes Modell und ein methodischer Ansatz, mit dem Kulturveränderungsprozesse gemanagt werden können.

Die Unternehmenskultur gestalten zu wollen ist eine komplexe Aufgabe. Das bisherige Geschäftsmodell und die verfolgten Unternehmensziele und Strategien stellen den Ausgangspunkt dar. Die avisierte Kultur muss an das bestehende System nicht nur adaptierbar sein, sondern diese in der Zielverfolgung fördern und unterstützen. Das Durchlaufen der einzelnen Phasen im Rahmen dieses Gestaltungsprozesses ist wichtig, deren angestrebte Tiefe orientiert sich dabei immer situativ am eigenen Unternehmen. Ein Unternehmen mit vielen Tausend Mitarbeitern wird das Projekt Unternehmenskultur anders aufgleisen müssen als ein Unternehmen mit 50 Mitarbeitern. Dennoch sind die einzelnen Vorgehensschritte, so wie sie in diesem Buch skizziert werden, weitestgehend ähnlich anwendbar. Es obliegt der Kreativität der verantwortlichen Führungskraft daraus ein individuelles Konzept zu erstellen, das die Anforderungen vollumfänglich erfüllen kann. In diesem Kapitel

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_10

143

144

10  Integrative Sicht: Das Konzept der Culture Excellence

fassen wir die wichtigsten Aspekte des dargebotenen methodischen Spektrums unter diesem Gesichtspunkt zusammen.

10.1 Die einzelnen Bausteine der Culture Excellence Als Culture Excellence wird ein integratives Konzept zur Gestaltung der Unternehmenskultur bezeichnet. Das Ziel liegt darin, das Management der Unternehmenskultur systematisch angehen zu können, die Interdependenzen zu verdeutlichen und diesen Kulturgestaltungsprozess strategisch aufsetzen und mit dem laufenden Betrieb synchronisieren zu können. Damit wird auch ein permanenter Abgleich mit den Anforderungen des Unternehmens ermöglicht. Wichtig ist eine enge Verzahnung mit dem laufenden Geschäftsbetrieb. Die einzelnen Bausteine der Culture Excellence sind die folgenden: 1. Verankerung des Vorgehens im Architekturmodell der Unternehmenskultur (Kap. 3) 2. Integration des Phasenmodells des Culture Excellence Prozesses (Abschn. 3.3) 3. Anwendung der Modell-Entwicklung und Priorisierung (unternehmensindividuelles Kulturmodell) (Kap. 4) 4. Abstimmung des Modells mit den Unternehmenszielen und -strategien im Sinne eines „Alignment“ (Abschn. 4.5) 5. Anwendung der Analyse-Methoden und ihre Interpretation (Kultur-Audit und Reife­ grad-­Modell) (Kap. 5 und 6) 6. Durchführung der Strategie-Entwicklung (Kap. 7) 7. Integration des Auswahlprozesses an Methoden, Maßnahmen und Interventionen (Tool-Box) (Kap. 8) 8. Implementierung des Projektmanagements (Kap. 9) 9. Evaluation und Steuerung der Implementierung (Kap. 9) 10. Integration von Piloten und Roll-Out (Kap. 9) Die angesprochenen Bausteine bilden den Kern der Aktivitäten des Culture Excellence Konzeptes.

10.2 I ntegration der einzelnen Bausteine in das Konzept der Culture Excellence – Ansatz und Vorteile Der Ansatz der Culture Excellence ist ein übergreifendes Konzept und integriert die einzelnen Phasen, Modelle und Methoden und die Implementierung der Strategien in die täglichen Geschäftsprozesse (siehe Abb.  10.1). Es basiert auf den in diesem Buch be-

10.2  Integration der einzelnen Bausteine in das Konzept der Culture Excellence – …

145

Unternehmenskultur-Prozess Modell

Unternehmenskultur Audit & Auswertung

Strategie & Tools

Roadmap & Projekt-Mgmt

Implementierung & Prozess-Management

UnternehmensStrategie

Evaluation

Gewählte Methoden in Prozesse integrieren

Abb. 10.1  Das Konzept der Culture Excellence

schriebenen Bausteinen und eignet sich durch die unternehmensindividuelle Anpassung und die kollaborative Herangehensweise ebenso für die grundlegende Sensibilisierung für das Thema im gesamten Unternehmen. Bedeutsam ist dabei die Abstimmung mit den bisher etablierten Prozessen und eine Einbettung in die aktuellen und künftigen Rahmenbedingungen des Unternehmens. Die Gestaltung der Unternehmenskultur darf kein isoliertes Eigenleben innerhalb des Unternehmens entwickeln. Ebenso sollte sichergestellt werden, dass das zentrale individuelle Unternehmenskulturmodell mit den Geschäftszielen und -strategien eng abgestimmt ist. Erst dadurch werden eine hohe Akzeptanz und Nachhaltigkeit sichergestellt. Die einzelnen selektierten Kulturfaktoren sind vorweg darauf hin zu überprüfen, inwieweit sie die Unternehmensstrategie unterstützen. Damit wird auch eine bessere Priorisierung ermöglicht. Gleichzeitig birgt dieses natürlich auch ein gewisses Konfliktpotenzial: die Geschäftsziele und -strategien werden in ihrer Bedeutung und Auswirkungen vor allem dem (Top-)Management bewusst sein, häufig werden diese erst verzögert – wenn überhaupt – den Mitarbeitern bekannt gegeben. Hingegen erfolgt eine Priorisierung der Kulturfaktoren nach deren gegenwärtiger und zukünftiger Bedeutung vor allem durch die Mitarbeiter. Es kann daher vorkommen, dass im Unternehmen unterschiedliche Priorisierungen getroffen werden. Hier steht das Management in der Verantwortung, die anschließende Moderation und Abstimmung der Priorisierungen intensiv mit zu gestalten. Gleichzeitig verdeutlicht die Anwendung der Instrumente zum Unternehmenskultur-Audit die Wichtigkeit, eine klare Kommunikation über die Ziele und Strategien zu praktizieren. Auf diesem Wege kann die Gestaltung der Unternehmenskultur auch zu einem besseren Strategieverständnis im Unternehmen beitragen, ein nicht zu unterschätzender Mehrwert.

146

10  Integrative Sicht: Das Konzept der Culture Excellence

Die Vorteile eines systematischen und strukturierten Vorgehens sind offensichtlich: • • • • • •

Sicherheit in der Planung der Kulturgestaltung in den einzelnen Phasen Integration der Mitarbeiter und damit gute Kommunizierbarkeit des Vorgehens Verdeutlichung der Komplexität – zugleich aber Machbarkeit – des Vorhabens Grundlage zur Auswahl abgestimmter und angepasster Modelle und Methoden Basis für das Commitment des Managements und Übernahme des Sponsorship Grundlage des Controllings des Kulturgestaltungsprozesses

Das skizzierte Vorgehen entspricht einem generischen Konzept und kann situativ stets angepasst werden (vgl. auch Herget und Mader 2018). Das Konzept der Culture Excellence ist in der Anwendung flexibel, es ist vor allem der Systematik verpflichtet.

10.3 Der Kulturgestaltungsprozess als rekursives Modell Nach der Kulturarbeit ist vor der Kulturarbeit – diese sich provokant anmutende Aussage wird die Realität widerspiegeln, denn in einer dynamischen Welt des Marktes wird nur wenig beständig sein. Je fluider der Prozess der Anpassung der jeweils benötigten Unternehmenskultur bewältigt wird, umso selbstverständlicher wird die Kulturarbeit. Begreift man die Unternehmenskultur wesentlich auch als Verdeutlichung und Übersetzung des Sinnes von Unternehmertum und Identität des Unternehmens, kann dies immer auch die Organisation von neuem energisieren. Daher bleibt es wichtig, einen unmittelbaren Feedback-Prozess innerhalb der Kulturgestaltung zu ermöglichen und zu etablieren. Dies hat nicht nur nach Abschluss des Projektes zu erfolgen, sondern auch in den einzelnen Phasen selbst. Zielformulierungen in den einzelnen Phasen bilden dabei den Ausgangspunkt der jeweiligen Feedbackschleifen. In diesen sollte analysiert und reflektiert werden, ob die angestrebten Ziele erreicht wurden und welche Maßnahmen gegebenenfalls steuernd zu ergreifen sind. Auch wenn das Vorgehen eine hohe Autonomie und Transparenz für die Projektbeteiligten bietet, erscheint es dennoch nicht angeraten, einen so heiklen und diffizilen Prozess wie einen Kulturwandel ohne erfahrene Mitarbeiter in Eigenregie oder gar als Erstprojekt im Umfeld von Changemanagement anzugehen. Die Arbeit an und mit Systemen gehört zu den heikelsten Unterfangen, die in einer Organisation vorgenommen werden können. Deshalb kann es sich hier empfehlen, erfahrene Experten, die diesen Prozess begleiten, hinzuzuziehen. Das hier beschriebene Vorgehen stellt sicher, dass die Vorgehensmethodik, ausgehend vom strategischen Alignment über die IST-Analyse und die Zielformulierung bis zur Maß-

Literatur

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nahmenauswahl konsequent systematisch erfolgt. Die Culture Excellence dient somit auch als ein Instrument zur Abkehr von der oft anzutreffenden Beliebigkeit in der Maßnahmenselektion. Abschließend soll noch die Bedeutung eines Wissensmanagements betont werden: De-Briefing nach erfolgten Prozessschritten, Lessons Learned und Wissensweitergabe (auch um eine kaskadenförmige Ausbereitung zu ermöglichen) sollten institutionell eta­ bliert werden. Auch dieses wird wesentlich den vorgestellten rekursiven Prozess immer weiter zu perfektionieren helfen und das Vorgehen professionalisieren.

10.4 Key Points 1. Der Kulturentwicklungsprozess wird strukturiert und systematisiert durch eine ganzheitliche Betrachtung im Konzept der Culture Excellence. 2. Die einzelnen Bausteine sind sowohl chronologisch als auch durch Wechselbeziehungen miteinander verbunden. Sie liefern einerseits Input für spätere Phasen, zum anderen werden sie durch andere Ergebnisse zugleich beeinflusst. 3. Die Culture Excellence integriert die einzelnen Bausteine um den Prozess der Gestaltung der Unternehmenskultur besser managen zu können. 4. Das Konzept der Culture Excellence gibt den einzelnen Phasen des Kulturgestaltungsprozesses einen Rahmen in einem kohärenten Vorgehensmodell. 5. Die Culture Excellence ermöglicht beliebige Skalierbarkeit sowohl der Methode selbst als auch ihrer unternehmensinternen Verwendung, sie stellt einen Referenzpunkt in der systematischen Herangehensweise an Unternehmenskultur dar. 6. Der methodenoffene Zugang hinsichtlich der Auswahl der Interventionen etabliert die Culture Excellence als ein Meta-Instrument, das von der Erhebung über Analyse und Zielformulierung zu einer systematischen Methodenselektion leitet und damit sicherstellt, dass die gewählten Interventionen ausschließlich aufgrund ihrer Passung und nicht aus bestimmten Vorlieben für Methoden gewählt werden. 7. In einem stark mit Emotionen aufgeladenen Feld wie der Unternehmenskultur sorgt die Culture Excellence durch ihre inhärente Systematik für ein geordnetes und abgestimmtes Vorgehen, das für den Vertrauensaufbau im Kontext einer Kulturänderung besonders dienlich ist. Ein experimenteller oder zufälliger Charakter fällt damit vom Prozess der Methodenselektion ab, was für die Akzeptanz der gewählten Methode ebenfalls förderlich wirkt.

Literatur Herget J, Mader I (2018) CultureExcellence: Das Unternehmenskultur-Audit – ein Werkzeug zur systematischen Bestimmung der Unternehmenskultur. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen – Methoden – Best Practices. Springer, Wiesbaden

Im Projekt des Kulturwandels nicht scheitern: Do’s und Don’ts

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Zusammenfassung

Unternehmenskultur gestalten zu wollen ist immer ein heikles Unterfangen, denn es stellt das Selbstverständnis von Organisationen, von Teams und von Personen in Frage. Werte und Verhalten sind zentral angesprochen: warum handeln wir so wie wir handeln und was bewirkt dieses Handeln bei anderen Personen. Es ist also ein wechselseitiger Prozess, dabei wird naturgemäß ein nur distanzierter Zugang zum Thema nicht erfolgreich sein können. Verstand, Gefühle und Handeln sind gleichermaßen angesprochen: Kopf, Herz und Hand sind bei Prozessen des Kulturwandels integrativ einzubeziehen. In diesem Abschnitt betrachten wir fördernde Ansätze zum Entwicklungsprozess einer Unternehmenskultur, diskutieren aber auch Vorgehensweisen, die das Gegenteil bewirken können.

Unternehmenskultur zu gestalten ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben in Unternehmen. Obwohl Unternehmenskultur in den Geschäftsmodellen nicht explizit vorkommt, werden die meisten Geschäftsmodelle ohne eine adäquate Unternehmenskultur nicht nachhaltig e­ rfolgreich sein. Wie geht man nun an diese Aufgabe heran, die mehr bedeutet als nur Fachwissen zu erwerben? Diese Aufgabe fordert den ganzen Menschen, es geht häufig um Persönlichkeitsentwicklung und um emotionale und soziale Intelligenz. Diese drei Aspekte werden in der Aus- und Fortbildung meistens vernachlässigt. Insofern sind Projekte des Kulturwandels, denen diese Aspekte inhärent innewohnen, von einem Risiko des Scheiterns begleitet. In diesem Kapitel sollen einige Hinweise gegeben werden, mit denen die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Projekte steigt bei gleichzeitiger Verdeutlichung einiger Klippen, die zum Scheitern führen könnten.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_11

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11  Im Projekt des Kulturwandels nicht scheitern: Do’s und Don’ts

11.1 W  arum ist die Gestaltung einer Unternehmenskultur ein sensibles Unterfangen? Kultur wird manifestiert durch Werte, Normen, Glaubenssätze, Grundannahmen, Überzeugungen, Verhalten und beobachtbare Artefakte. Wir haben dies auf die Grundformel Mindset und Verhalten reduziert. Menschen werden alarmiert, wenn sie das Gefühl haben, dass nicht nur eine bestimmte Leistung von ihnen gefordert wird, für deren Leistungserbringung sie im Austausch eine Vergütung erhalten, sondern wenn von Ihnen auch eine bestimmte „Denke“ oder eine veränderte Verhaltensweise erwartet wird. Damit wird die erprobte und individuell zumeist für gut befundene Vergangenheit in Frage gestellt. Diese Erwartungshaltung kann dann leicht als manipulativer Versuch gedeutet werden – mit der Folge, einen inneren Widerstand zu erzeugen („Meinen Kopf, den kriegt ihr nicht“). So lange keine guten neuen Erfahrungen gesammelt werden, wird ein vorsichtiges und abwartendes Agieren die Regel sein. Erst durch positive Erfahrungen wird die Bereitschaft wachsen, den neuen Leitlinien und Erwartungen bereitwilliger zu folgen. Dieser sensible individuelle Prozess des Lernens, der Entwicklung und der Veränderung muss daher mit großer kommunikativer Überzeugungsarbeit und mit gutem Beispiel begleitet und unterstützt werden. Kulturwandel umfasst immer Kopf, Herz und Hand, um es zwar plakativ, aber treffend zusammenzufassen. Die Kulturreise geht über die klassische Kompetenzvermittlung hinaus, bei der Fachkenntnisse vermittelt werden – bei der Unternehmenskultur ist der Mensch als Wesen mit seiner Individualität, seinen Überzeugungen und seiner Persönlichkeit gefordert. Und das ist einiges! Im Folgenden werden einige Hinweise gegeben, die ein erfolgreiches Agieren versprechen und solche, die eher zu einem Misserfolg führen dürften.

11.2 Do’s: Diese Vorgehensweisen versprechen Erfolg Folgende Verhaltensweisen versprechen das erfolgreiche Durchführen von Kulturveränderungsprozessen: 1. Mit dem „Why“ anfangen: Das Warum sollte klar die Motivation für den Kulturwandel umreißen. Warum eine Kulturveränderung, warum wird die bisherige Unternehmenskultur den Herausforderungen nicht mehr gerecht, was hat sich bewährt und bleibt erhalten, was hindert, schadet und ist nicht mehr zeitgemäß und wie sieht das neue Verhalten aus? Das sind leitende Fragen, deren Beantwortung den Prozess und seine Akzeptanz wesentlich unterstützen werden. 2. Einsicht in Veränderungsnotwendigkeit erzeugen: Hier stehen die beiden Pole zur Verfügung, zum einen durch den empfundenen Leidensdruck, der die aktuellen Defi-

11.2  Do’s: Diese Vorgehensweisen versprechen Erfolg

151

zite aufzeigt und dass die bisher gepflegte Unternehmenskultur das Unternehmen nicht nachhaltig wettbewerbs- und damit überlebensfähig erhält. Damit wird ein „Push“ zur Veränderung intendiert. Zum anderen durch das Entwerfen des Bildes einer besseren, produktiveren, erfolgreicheren Arbeitsweise, durch die das Zukunftsbild einen „Pull“ erzeugen kann. Die Attraktivität und der Sinn der zukünftigen Unternehmenskultur motivieren die Mitarbeiter, sich auf den Weg zu begeben. 3. Transparenz über Ziele, Prozesse, Ablauf und Support: Eine Orientierung zu geben über die Absichten, Vorgehensweisen, den notwendigen Einsatz und die angebotene Begleitung sollten Vertrauen zum Projekt des Kulturwandels schaffen. Durch das Aufzeigen von Unterstützungsmaßnahmen sollte auch vermittelt werden, jeden einzelnen mitnehmen zu wollen. 4. Offenheit im Prozess: Authentisches Vertreten der neuen Unternehmenskultur durch die Führungskräfte ist essenziell. Die Gestaltung der Unternehmenskultur sollte nicht wie eine neue Management-Mode daherkommen sondern das Anliegen sollte ehrlich transportiert werden – durch das flankierende Beispielgeben kann diese sehr überzeugend und zum Nachahmen animieren. 5. Think big: Eine hohe Aspiration sollte sichtbar werden, aber sie sollte als machbar erscheinen, nicht als überfordernd. Das „Big Picture“ sollte der Leitstern für alle kleinen Maßnahmen sein, diese sollten sich dort als ein notwendiger Beitrag wiederfinden. 6. Würdigung des Vergangenen: Aus systemischer Sicht ist es wichtig, bisher Praktiziertes nicht abzuwerten, sondern als nicht mehr adäquat zu betrachten und daher durch Neues zu ersetzen. Vergangenes sollte verabschiedet werden als ein bisher guter Wegbegleiter. Alles, was sich bis jetzt als Verhalten bewährt hat, sollte nicht leichtfertig über Bord geworfen werden, sondern behutsam in neue Strategien integriert werden. 7. Skalieren bis auf Team- und Mitarbeiter-Ebene: Eine große Vision sollte formuliert werden und ein Gesamtbild der gewünschten Unternehmenskultur klar werden, letztlich muss es jedoch kaskadenmäßig bis auf jeden einzelnen Mitarbeiter herunter skaliert werden: Der Mitarbeiter sollte im Laufe des Prozesses wissen, was es für ihn selbst bedeutet, was von ihm erwartet wird und welche Verhaltensanpassungen notwendig sein werden. 8. Die drei Ebenen des Architekturmodells stets bedenken und anwenden: Wichtig ist alle drei Ebenen im Blick zu behalten: das Modell der gewünschten Unternehmenskultur mit den einzelnen priorisierten Kulturfaktoren, die Umsetzung in konkreten Prozessen mit den notwendigen Verhaltensanpassungen und schließlich auch die

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11  Im Projekt des Kulturwandels nicht scheitern: Do’s und Don’ts

steten Reminder bei abweichendem Verhalten durch Culture Hacks. Diese integrative Sicht schafft den gewünschten Kulturwandel, jede Maßnahme für sich alleine produziert nicht nachhaltiges Stückwerk. 9. Mindset matters: Das Verstehen und Akzeptieren des für wichtig gehaltenen, neuen Denk-Paradigmas bleibt eine wichtige Aufgabe im Unternehmen, für die vor allem die Führungskräfte verantwortlich sind. Es wird auch Phasen geben, in denen der Mindset erst durch ein praktiziertes Verhalten, also quasi im Nachhinein den Erkenntnis- und Akzeptanzprozess nachvollziehen wird. Dieses „Probieren statt Studieren“ und dann die Ergebnisse sprechen lassen, sollte durchaus auch eingesetzt werden. „Worte belehren, Beispiele überzeugen“ kann vielfach den Nutzen der Kulturveränderung verdeutlichen. 10. Verhalten und Praktiken entscheiden: Das Ergebnis wird immer am konkreten Tun sichtbar. Sämtliche Kulturänderungen manifestieren sich in einem bestimmten Verhalten oder Praktiken, es geht also nicht um einen Mind-Control, sondern darum, abgestimmtes, erwünschtes Verhalten hervorzubringen. Wenn das Tun in Übereinstimmung mit dem Denken und Wollen steht, umso besser. 11. Culture Hacks verinnerlichen: In der Anfangsphase der Kulturveränderung werden die Culture Hacks vor allem von den direkten Führungskräften eingesetzt. Im Laufe der Zeit und bei einer Weiterentwicklung der Unternehmenskultur sollten dann auch die Mitarbeiter Culture Hacks untereinander verwenden, aber auch zum Beispiel gegenüber Vorgesetzten, wenn sie abweichendes Verhalten bemerken. Somit kann der Einsatz von Culture Hacks zum „Sport“ avancieren und mit gegenseitigem Schmunzeln quittiert werden. Dann werden sie als kollegialer und freundlicher Reminder wahrgenommen. 12. Betroffene sind Beteiligte: Dieser klassische Anspruch sämtlicher Veränderungsprozesse gilt nirgends mehr als hier. Aufoktroyieren wäre der falsche Weg, die Mitarbeiter sind in sämtlichen Phasen einzubeziehen, die angestrebten Optimierungen und neuen Verhaltensweisen sollten nach Möglichkeit als Vorschläge der Mitarbeiter kommen, wie im Prozess der zweiten Ebene des Architekturmodells ausgeführt (Abschn. 8.2). Je weniger die Führungskräfte Direktiven vorgeben, umso besser für die Akzeptanz. 13. Flow kultivieren und Erfolge feiern: Die Kulturreise sollte sich, zumindest in der Anfangsphase, zum bewusst wahrgenommenen permanenten Prozess entwickeln. Und jede erreichte Etappe sollte gewürdigt, gefeiert werden als ein erfolgreicher Zwischenabschnitt auf dem Weg. Etappensiege sind essenziell für die Aufrechterhaltung des Momentums im Kulturwandel.

11.3  Don’ts: Diese Vorgehensweisen am besten vermeiden

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14. Kommunizieren: Das ist die conditio sine qua non, ohne Kommunikation gelingt kein Kulturwandel. Das betrifft nicht nur die Führungskräfte aller Ebenen, auch die Kommunikation über den Kulturveränderungsprozess durch die Mitarbeiter muss gefördert werden. Introvertierte Mitarbeiter sollten sich ebenso in diesen Prozess einbringen, die Führungskräfte und Kollegen haben hier eine Bringschuld, diese zu ­ermuntern, trotz unterschiedlicher Charaktere. Kulturwandel ist ein gemeinsamer Prozess. Diese Hinweise können als eine Erinnerung immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden, um sich zu vergegenwärtigen, nicht etwas Wichtiges zu vernachlässigen.

11.3 Don’ts: Diese Vorgehensweisen am besten vermeiden Hingegen gilt es nach Möglichkeit die folgenden Verhaltensweisen zu unterlassen, da sie den Projekterfolg verunmöglichen oder zumindest stark beeinträchtigen können: 1. Keine bloßen Lippenbekenntnisse: „Walk your Talk“ ist entscheidend. Die Mitarbeiter merken sehr schnell, ob der Kulturwandel nur von oben nach unten delegiert wird oder ob es ein gemeinsames Unterfangen des gesamten Unternehmens ist – und erst das schafft die Voraussetzung für den erfolgreichen Kulturwandel. 2. Keine Hidden Agenda: Hinter einem Kulturwandel sollte das Bestreben nach einer verbesserten und nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit stehen und keine anderen, nicht artikulierten, verdeckten Ziele stecken. Wird das ruchbar, verliert das gesamte Projekt an Glaubwürdigkeit und wird auf keine Akzeptanz durch die Mitarbeiter mehr stoßen. 3. Die „Do it right – first time“ Attitüde funktioniert nicht: Eine Kulturreise muss Raum zum Ausprobieren, zum Experimentieren, zum Verwerfen eingeschlagener Wege geben und wenn sich diese als unzulänglich erweisen, muss auch das Scheitern möglich sein. Stets sollte zum Entwickeln neuer Zugänge ermuntert werden. Eine hohe Flexibilität in der Suche nach der besseren Lösung ist wichtig. 4. Kein Schwarzer Peter Spiel: Es geht nicht um die Suche nach Sündenböcken, warum etwas nicht funktioniert, wer schuld ist, wer etwas falsch macht. Es geht darum, neue Verhaltensweisen einzuüben, die das gesamte Unternehmen voranbringen. In diesen Prozess sind alle zu beteiligen, das Wissen und die Erfahrung aller ist gefragt.

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11  Im Projekt des Kulturwandels nicht scheitern: Do’s und Don’ts

5. Zu viel wollen: Die Kulturreise darf nicht überfordern, sonst scheitert sie bereits vor dem Start des Aufbruchs. Sie sollte immer am Bestehenden, am Bewährten andocken und von dort weiter gehen. Das Ziel darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, eine Orientierung, welche Maßnahme welchen Abschnitt auf dem Weg zum Ziel markiert, erleichtert das Unterfangen. 6. Alles auf einmal wollen: Änderungen des Mindsets und des Verhaltens kann seine Zeit brauchen. Neue Gewohnheiten entstehen nicht auf Knopfdruck und schon gar nicht, wenn etwas neu beschlossen wird. Es muss über einen längeren Zeitraum eingeübt werden, es muss viel Erfahrungsaustausch stattfinden. Bis ein neues Verhalten zur Gewohnheit wird, kann durchaus ein Vierteljahr vergehen und es wird vielleicht eine 60-malige Ausführung notwendig sein, bis diese in Fleisch und Blut übergeht und als die neue Normalität wahrgenommen wird. Geduld ist gefragt. 7. Alles sofort wollen: Gute Pfade zu legen, die ineinandergreifen und sich weiter entwickeln ist eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Es macht durchaus Sinn, dass einzelne Mitarbeiter mit bestimmten Teilaspekten anfangen, andere Mitarbeiter mit anderen und das durch die gesammelten Erfahrungen nach einer gewissen Phase ein erprobtes neues Verhalten einfacher übernommen werden kann. 8. Kultur befehlen: Kultur ist ein lebendiger Prozess, der sich weiter entwickeln muss. Anreize und Erfolge sind dabei die richtigen Motivationsgeber auf dieser Reise. Freude an der wahrgenommenen Weiterentwicklung des Organismus Unternehmen ist der beste Begleiter. 9. Nicht einschlafen lassen: Nicht alle Phasen werden reibungslos ablaufen, manche Erfahrungen werden mit Frustrationen verbunden sein, neue Hürden werden sich auftun, umso wichtiger wird es sein, dran zu bleiben. Wenn ein partielles Scheitern als Herausforderung für die Suche nach besseren Lösungen verstanden wird, ist man auf dem besten Weg. Durchhalten und immer wieder Probieren erlangt eine wichtige Qualität. 10. Nicht auf Erfolg ausruhen: Ein Kulturwandel ist eine permanente Reise, das Ziel wird im Laufe der Zeit immer weiter nach vorne verschoben. Wenn man das jedoch mit einer Weitung des Horizontes garniert, dann wird der Weg gerne beschritten. Das erfolgreiche Erreichen eines Etappenziels dient dann als Kraftquelle, um sich mit gesteigertem Selbstvertrauen und Vertrauen in die eigene Wirksamkeit auf den weiteren Weg zu begeben. 11. Keine Beliebigkeit akzeptieren: Systematik und Struktur bleiben wichtig, um die Orientierung zu behalten. Emergente Entwicklungen bei der Kulturreise werden

11.4  Key Points

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ebenso stattfinden, diese gilt es zu integrieren. Je besser sich die Kultur entwickelt, je experimentierfreudiger sich die Kultur darstellt, umso mehr werden ungeplante, emergente Entwicklungen zu verzeichnen sein. Das ist dann ein willkommener Nebeneffekt eines erfolgreichen Kulturwandels. 12. Auf Messen verzichten: Auch das weiche Thema der Unternehmenskultur kann gemessen werden – und zwar auf allen drei Ebenen des Architekturmodells. Das Kultur-­ Audit ermöglicht Zeitpunktvergleiche, die Übersetzung in Prozesse mit den richtigen Key Performance Indikators zeigt den Weg und der Einsatz von Culture Hacks und die Verbreitung dieser bietet ebenso einen guten Maßstab für die Entwicklung der Unternehmenskultur. Eine Angst vor dem Messen sollte gar nicht erst entstehen, denn „you can not manage it, unless you can measure it.“ Das gilt auch für die Unternehmenskultur. 13. Keine Helden produzieren: „The Team is the Champion“: Kulturveränderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, es gibt zwar einen Initiator, zum Gelingen eines erfolgreichen Kulturwandels haben alle etwas beigetragen. Die Kultur gehört allen, daher sollte der Erfolg auch allen gehören. Hier gilt der Spruch tatsächlich: der Erfolg hat viele Väter und Mütter. Durch das Vermeiden dieser als Don’ts apostrophierten Vorgehensweisen lässt sich der Erfolg des Kulturwandels beträchtlich steigern. Diese Hinweise können immer wieder als eine Art Checkliste durchgescannt werden, denn vieles kann schnell in Vergessenheit geraten – Nobody is perfect!

11.4 Key Points 1. Unternehmenskultur greift in das Denken und Verhalten der Mitarbeiter ein. Dieses zu beeinflussen ist ein anspruchsvolles Ansinnen, das über bloße Vermittlung von Fachkenntnissen weit hinausgeht. 2. Es gibt zahlreiche Tipps, wie Projekte des Kulturwandels gelingen können, diese sollten beherzigt werden. Sie betreffen sowohl die Projektplanung als auch das Verhalten der Führungskräfte. 3. Aufgrund der Sensibilität des Themas gibt es viele mögliche Fettnäpfchen, die den Projekterfolg der Kulturreise in Frage stellen. Auch diese sollten als Warnhinweise und Begleiter des Managements auf dem Wege der Kulturveränderung vergegenwärtigt werden. 4. Kulturentwicklung ist ein gemeinsamer Lernprozess. 5. Erfolgreiche Entwicklung der Unternehmenskultur ist eine Gemeinschaftsaufgabe und als solche zu würdigen.

Die besondere Rolle von Leadership

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Zusammenfassung

Unternehmenskultur muss vorgelebt werden. Rollenmodelle und Vorbilder sind ge­ fragt. Unternehmenskultur predigen, ohne sie zu leben, verurteilt sämtliche Bemühungen zur Gestaltung einer gewünschten Unternehmenskultur zum Scheitern. In diesem Kapitel diskutieren wir einige wesentliche Aspekte des Führungsverhaltens und beleuch­ten die unterschiedlichen Funktionen verschiedener Managementhierarchien. Ebenso werden neue organisatorische Formen thematisiert und es wird aufgezeigt, dass Hierarchien und Holokratien jeweils unterschiedliche Antworten erfordern.

Die Arbeit an der Unternehmenskultur ist vor allem eine Führungsaufgabe. Bereits im ersten Kapitel wurde verdeutlicht, wie wichtig die Kommunikation, das Verhalten und auch die Übertragung in die täglichen Prozesse ist. Für diese Aufgaben ist vor allem das Management zuständig. Die Initiative zur Gestaltung der Unternehmenskultur sollte idealerweise auch vom Management kommen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten des Leaderships.

12.1 Bedeutung des Leadership – Führung und Management Der Unterschied zwischen Leadership und Management wird gerne mit der Differenzierung in • Arbeiten am System (Leadership) • Arbeiten im System (Management)

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_12

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12  Die besondere Rolle von Leadership

vorgenommen. Diese Unterscheidung verdeutlicht beide Rollen, zeigt aber zugleich, dass die Unternehmenskultur beide Rollen tangiert. Die aktive Gestaltung der Unternehmenskultur umfasst zunächst das Arbeiten am System Organisation, es wird eine Richtung formuliert, angestrebt und unabhängig von konkreten Leistungsprozessen verfolgt. Es ist eine Ausformung des Organismus Unternehmen, wie im ersten Kapitel in den Grundlagen aufgezeigt. Dazu gehört, dass ein Mindset geprägt und erwartetes Verhalten konstruiert wird. Das bloße „managen“ im System reicht daher für die Rolle der Führungskraft nicht mehr aus, wenn die Unternehmenskultur als ein aktives Managementinstrument verstanden wird. Zum einen muss die angestrebte Unternehmenskultur auf den eigenen Verantwortungsbereich übersetzt und adaptiert werden, zum anderen müssen die neuen Verhaltensweisen vorgelebt sowie implementiert und zum dritten mittels Culture Hacks Reflexionsprozesse evoziert werden. Das betrifft Führungskräfte aller Hierarchieebenen. Neben der Fachexpertise wird von den Vorgesetzten im Rahmen des Kulturwandels auch ein Mindestmaß an kultureller Kompetenz, das heißt Gestaltung von dynamischen, interpersonalen sozialen Systemen mit einem hohen Anteil an emotionaler, kognitiver, verhaltensmäßiger und sozialer Kompetenz erwartet. Das erfordert eine persönliche Reife der Führungskräfte, die gefördert werden muss. Ohne eine entsprechende Schulung, Vorbereitung und Unterstützung werden viele Manager mit dieser Aufgabe überfordert sein. Nur wenige werden qua ihrer Persönlichkeit und Erfahrung das notwendige Rüstzeug mitbringen. Aber das Beherrschen dieses Instrumentariums ist auch kein Hexenwerk, es kann zumindest in wesentlichen Teilen erlernt werden. Wenn die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit akzeptiert wird, werden die Mitarbeiter den Kulturwandel als eine Lernreise ansehen, bei der sie auch von den Führungskräften nicht erwarten werden, bereits eine perfekte Begleitung zu erhalten. Die Führungskraft ist bei diesen Prozessen vor allem auch Moderator des Wandels, die dazu anregt, bei den Mitarbeitern entsprechende Entwicklungsprozesse anzustoßen. Eine zu hohe Erwartungshaltung an das Management sollte daher vermieden werden, da sie bei diesem eher Befürchtungen wecken und Unsicherheit erzeugen würde. Die Metapher einer gemeinsamen Reise dürfte dabei durchaus behilflich sein.

12.2 V  orbildverhalten als der wichtigste Einflussfaktor bei der Entwicklung der Unternehmenskultur Bereits anfangs wurde die Bedeutung des Vorbildverhaltens für die Ausprägung einer gewünschten Unternehmenskultur herausgestellt. Gleichzeitig wurde auch darauf hingewiesen, dass Vorbildverhalten alleine nicht ausreicht, um eine Unternehmenskultur nachhaltig zu prägen. Allerdings klappt es ohne Vorbildverhalten gar nicht. Die zentralen Aufgaben von Führungskräften sind daher:

12.3  Management im Sandwich

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• Kommunizieren der Werte der Unternehmenskultur: ständige Kommunikation, das Integrieren der Werte in unternehmerische Narrative als Grundlage für den gewünschten Mindset ist elementar. Diese Unternehmenserzählungen stellen heraus, wie das Unternehmen tickt, was die Mitarbeiter erfolgreich macht und was besonders wertgeschätzt wird. • Vorleben der Werte im Rahmen der Aufgabenerfüllung. An die Führungskräfte werden hohe ethische Erwartungen gesetzt. Das Management wird von den Mitarbeitern genauestens begutachtet im täglichen Tun. Jede Abweichung der formulierten Norm wird erklärungsbedürftig, ansonsten verlieren die Maßnahmen ihre Glaubwürdigkeit. Dieses Vorleben kann dann auch von allen Mitarbeitern in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich erwartet werden. • Die Führungskräfte müssen aber noch weiter gehen und die Werte der Unternehmenskultur gemeinsam mit den Mitarbeitern in die täglichen Prozesse übertragen. Die Belohnungs- und Sanktionssysteme sollten angepasst werden: die Fokussierung auf die neuen Kulturfaktoren muss durch entsprechende Priorisierung und Messung unterstützt werden. • Die Führungskräfte haben aber auch dafür zu sorgen, dass durch den Einsatz von Culture Hacks die angestrebten Werte ständig im Bewusstsein bleiben. Jedes Abweichen von der Norm sollte durch eine direkte Ansprache, am besten wiederum durch Culture Hacks, thematisiert werden. Dadurch werden die notwendigen Reflexionsprozesse befördert und die Einsicht in die gewünschten Verhaltensmuster unterstützt. • Zugleich kommt dem Management eine wichtige Aufgabe beim sogenannten Konsequenzen-Management zu. Die Führungskräfte sollten eine starke Sensibilität für Kollegialität in ihren Teams entwickeln: Trittbrettfahren, unkooperatives Verhalten, Vertrauensbrüche, Egoismen und weitere nicht das Gesamtwohl (im Sinne von Motivation und Produktivität) des Teams und des Gesamtunternehmens fördernde Verhaltensweisen sind unmittelbar zu sanktionieren, um sie zu unterbinden. Das bedeutet auch, dass das Feedbackverhalten erlernt werden muss, um auch in diesen emotional durchaus belastenden direkten Situationen die richtigen Worte und Taten zu finden. Auch das wird ohne eine entsprechende Vorbereitung nicht ohne weiteres zu bewerkstelligen sein. Wie an früherer Stelle bereits ausgeführt, sind jedoch „toxische“ Mitarbeiter eine große Gefahr und Belastung für funktionierende Teams. Die Rolle der Führungskräfte erweitert sich also - und das hat kaskadenförmig vom Top-Management bis zu den unteren Management-Ebenen seine Gültigkeit.

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12  Die besondere Rolle von Leadership

12.3 Management im Sandwich Gerade das mittlere Management findet sich bei Kulturprozessen in einer Doppelrolle wieder: einerseits Führungskraft und zuständig für die Gestaltung und Entwicklung der Unternehmenskultur im jeweiligen Zuständigkeitsbereich, zum anderen aber auch in der Rolle des Mitarbeiters, dessen Vorgesetzter seinerseits die Unternehmenskultur in seinem Verantwortungskreis umzusetzen hat. Im positiven Sinne kann also das mittlere Management gleichzeitig vom guten Beispiel der Vorgesetzten lernen und gleichzeitig diese Praktiken an seine Mitarbeiter entsprechend weitergeben. Das Gesagte gilt natürlich auch im negativen Falle: die Fehler des Vorgesetzten müssen nicht repliziert werden, aus diesen kann man lernen und das eigene Verhalten entsprechend disponieren. Wertvoll wird gerade in dieser Gruppe die Bedeutung des Erfahrungsaustausches in der Peer-Gruppe. Die Reflexionsprozesse in der Rolle als Mitarbeiter und gleichzeitig als Vorgesetzter gilt es produktiv zu nutzen. Gleichzeitig wird auch die Wichtigkeit der Unterstützung gerade der Führungskräfte in der Gestaltung der Unternehmenskultur verdeutlicht. Das Management, das gilt unabhängig von der Hierarchieebene, sollte sich dabei des „Kulturbeauftragten“ und seines Kernteams  – soweit es dieses gibt  – bedienen. Diese könnten als Coaches für die innovativen Entwicklungsprozesse in Anspruch genommen werden. Das Management wird für den Erfolg der Umsetzung der entscheidende Faktor sein, es sollte eben auch bestmöglich unterstützt werden. Bei kleineren Unternehmen ohne ein internes, gut geschultes Kernteam, sollte dann unter Umständen auf externe Coaches zurückgegriffen werden. Gut geschulte und unterstützte Führungskräfte sind für erfolgreichen Kulturwandel essenziell. Und diese Führungskräfte können gleichzeitig, wie bei der Umsetzung der zweiten Ebene des Architekturmodells verdeutlicht, ihrerseits als Coaches ihrer Mitarbeiter wirken. Das mittlere Management verdient daher eine besondere Unterstützung im Rahmen von Veränderungsprozessen.

12.4 Wer ist Vorbild im demokratischen Unternehmen? In zunehmend mehr Unternehmen werden verstärkt kooperative Führungsstile eingeführt und gepflegt, die sogar so weit gehen, dass die Mitarbeiter die Vorgesetzten selbst für eine bestimmte Dauer wählen. Dieser Trend scheint durch die neue Generation, die in den Arbeitsmarkt drängt, zuzunehmen (siehe hierzu Kap. 14). Konzepte wie die Holokratie (Laloux 2015; Pircher 2018) erfreuen sich einer größer werdenden Aufmerksamkeit und auch Beliebtheit. Unabhängig davon, ob die Unternehmen diesen Weg gehen, zeigt die Diskussion dieses Trends bezüglich der Unternehmenskultur einige interessante Aspekte auf. So stellt sich die Frage, wer denn in einem demokratisch geführten Unternehmen nun

12.4  Wer ist Vorbild im demokratischen Unternehmen?

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Vorbild ist. Man kann einwenden, dass auch in diesen Strukturen Vorgesetzte gewählt werden, also diesen das Vorbildverhalten zufällt. Das ist zweifelsohne richtig, da oftmals aber solche Funktionen nur auf Zeit oder die Dauer eines Projektes anfallen, ist zu befürchten, dass diese „Vorgesetzten auf Zeit“ diese Funktion nur ungern ausüben möchten, da sie ja in Bälde wieder auf der Stufe ihrer Kollegen sein können und das zu späteren Konflikten führen könnte. Das entspricht durchaus der Erfahrung in Bereichen, bei denen eine Kollegialverwaltung etabliert ist. Folgende Ansätze könnten eine Antwort auf die Herausforderungen bieten: • Kollegen (Peers) sollten vermehrt in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und der darin enthaltenen Schnittstellen gegenseitig auf die Einhaltung der erwarteten Werte und Verhaltensweisen achten. Es setzt also ein Empowerment der Mitarbeiter voraus, die Kraft ihrer Kompetenz und der klaren Aufgabenzuweisung und der damit verbundenen Rollen und Funktionen selbst regulativ im Sinne des Gesamtunternehmens tätig werden. • Dieses Verhalten kann verstärkt durch die Einführung eines Mentoren-Systems gefördert werden. Die länger im Unternehmen Beschäftigten oder die Erfahreneren sollten dadurch auf natürliche Weise ihre gewachsene Autorität und Kompetenz zum Wohle des Gesamtunternehmens einsetzen. • Institutionalisierte Feedbacksysteme (durch Vorgesetzte, Kollegen, formelle, informelle, fallweise oder systematische wie die 360 Grad Beurteilung) können wichtige Impulse für den Einzelnen vermitteln. • Um diese Peer-to-Peer Feedbacks zu ermöglichen, sollten auch entsprechende Formate in der Besprechungskultur eingeführt, ergänzt und gefördert werden. Damit wird einem Mitarbeiter die Sicht der Kollegen auf die Aufgabenerfüllung transparent und das sollten der Vorgesetzte, die Gruppe oder auch einzelne betroffene Mitarbeiter artikulieren können und eine eventuelle Verhaltensänderung einfordern. Hierzu könnte beispielsweise auf die Techniken der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg (2016) zurückgegriffen werden, wie im Kap. 8 angemerkt. Kein leichtes Unterfangen, aber erfolgreiche Unternehmen werden sich durch ein offenes und konstruktives, durchaus kritisches Gesprächsklima mit einem Konsequenzen-Management auszeichnen. • Erforderlich ist dabei eine hohe Courage der einzelnen Mitarbeiter. Diese Courage, im Sinne von beherzt zu handeln – denn das steckt im Wort Courage, ist zu einem Unternehmenswert zu erklären. Der Mitarbeiter sollte selbstbewusst seine Rolle im Unternehmen wahrnehmen und keine Nachteile für ein offenes, kritisch-konstruktives Verhalten befürchten müssen. Entsprechende Kompetenzen zum gegenseitigen Feedback-Geben sollten dann besonders gefördert werden und Bestandteil innerbetrieblicher Schulungs- und Entwicklungskonzepte sein.

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12  Die besondere Rolle von Leadership

Zur Illustration des Gesagten kann eine Geschichte wiedergegeben werden, die Tony Robbins, einer der weltweit bekanntesten Coaches, gerne weitergibt. So sei er von einem Kommandanten der US-amerikanischen Navy Seals, also einer Eliteeinheit der Armee, auf ein Problem angesprochen worden. Wenn einzelne Navy Seals die aktive Truppe verlassen, würde dies oftmals im Laufe der Zeit schleichend mit einem sozialen Abstieg begleitet sein, der bis hin zum Alkoholismus oder Drogenmissbrauch der ehemaligen Seals führte. Seine Frage war, woran das denn läge – und was man dagegen unternehmen könnte. Die Erklärung von Tony Robbins zeigte es deutlich: Im aktiven Dienst spielt die gegenseitige Erwartungshaltung an das Denken und Verhalten eine maßgebliche Rolle. Alle Seals in ihrem Selbstverständnis als Mitglieder einer Elitetruppe wollen dazu gehören, die Kameradschaft ist notwendig, das Verlassen auf die anderen ist unumgänglich, eine Unterstützung wird dem gewährt, der sie benötigt. Es ist praktiziertes Teamwork mit einem hohen Arbeitsethos und hoher Erwartung an das Verhalten der anderen. Keiner will die Erwartungshaltung der anderen Peers enttäuschen, das führt zu einer hohen Disziplinierung und Verpflichtung gegenüber dem Ethos der Zusammenarbeit. Jeder erwartet vom anderen, dass er seinen Job bestmöglich erfüllt oder dafür sorgt, dass es zum Besten aller ist. Wenn das nicht erfolgt, wird das auch unmittelbar kundgetan und sanktioniert – es wird nicht übergegangen. Fällt diese gegenseitige Erwartung dann nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst weg, fällt es dem Einzelnen schwer, diesem hohen Anspruch und der früheren Selbstdisziplin auch weiterhin gerecht zu werden. Eine Spirale nach unten setzt bei vielen ein, die die Seals verlassen und nur noch die eigenen Ansprüche oder die einer nicht so fordernden Umwelt an sich richten. Die gegenseitige Erwartung stellt daher einen gewichtigen Maßstab für das eigene Verhalten dar. Mit dieser Geschichte soll eines deutlich werden: in Unternehmen mit einer hoch entwickelten Unternehmenskultur ist jeder Mitarbeiter in der Verantwortung, das Arbeitsethos hochzuhalten und damit das eigene Verhalten und das Verhalten der Kollegen zu beeinflussen – zum Wohle aller.

12.5 Key Points 1. Führungskräfte spielen die zentrale Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung von Kulturveränderungsprozessen in den Unternehmen. 2. Führungsprozesse beinhalten vor allem emotionale und soziale Elemente, diesen kommt in der Kulturarbeit eine höhere Bedeutung zu als Fachkompetenzen. 3. Das Vorbildverhalten der Führungskräfte wirkt kulturprägend, im positiven wie negativen Sinn. 4. Das Konsequenzen-Management zur Aufrechterhaltung und Förderung der Motivation und Produktivität im Team erfordert herausragender Kompetenz im (auch unangenehmen) Feedback-Geben.

Literatur

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5. Das mittlere Management findet sich in einer Doppelrolle wieder. Diese gilt es positiv zu nutzen. Die Führungskraft wird in der Regel Unterstützung und Coaching bedürfen, gleichzeitig wird sie auch als Coach für die eigenen Mitarbeiter wirken müssen. 6. Neue Organisationskonzepte und -modelle wie die Holokratie stellen weitere Herausforderungen an die Mitarbeiter. In hierarchiefreien Unternehmen kommt den Peer-to-­ Peer-Prozessen eine besondere Bedeutung zu. Das umfassende Feedback untereinander (und in den jeweils spezifischen Rollen) wird noch wichtiger.

Literatur Laloux L (2015) Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen, München Pircher R (2018) Agilstabile Organisationen: Der Weg zum dynamischen Unternehmen und verteilten Leadership. Vahlen, München Rosenberg MB (2016) Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens Taschenbuch. Junfermann, Paderborn

Unternehmenskultur leben

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Zusammenfassung

Unternehmenskultur lebt! Und sie sollte bewusst entwickelt und gelebt werden. Der Erfolg sämtlicher Bemühungen zur Gestaltung einer adäquaten, gewünschten Unternehmenskultur dokumentiert sich im erfahrenen, praktizierten betrieblichen Alltagsleben. Die Unternehmenskultur spiegelt die täglich gelebte Normalität wider. Im folgenden Kapitel werden Hinweise zur nachhaltigen Implementierung der gewünschten Unternehmenskultur formuliert. Eine aktive Unternehmenskultur verlangt, trotz aller Normalisierungsbemühungen, dass sich jeder einzelne berufen fühlt, diese mit Leben zu füllen und möglichen Fehlentwicklungen rechtzeitig korrigierend zu begegnen.

Unternehmenskultur ist immer das, was von den einzelnen Mitarbeitern im täglichen betrieblichen Alltag erfahren und gelebt wird. Sie wird geprägt durch die kollektiven Deutungsmuster, die durch die verbreiteten Narrative genährt werden. Es ist der betriebliche Lebensraum, der zulässt oder missbilligt, der Neues ermöglicht oder behindert. Der Mensch strebt nach homöostatischen Zuständen, das bedeutet, auch einmal ankommen zu dürfen bevor es wieder weiter geht. Wenn die Kulturreise so ähnlich abgelaufen ist, wie in den letzten Kapiteln skizziert, sollte der erreichte Zustand, sofern er das erfüllt, was man angestrebt hatte, durchaus auch nach Möglichkeit eine Zeit lang kultiviert werden. Das Entstehen und Verfestigen von Gewohnheiten, das Entwickeln von Routinen, das Genießen eines erreichten Professionalisierungsgrades verdienen es.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_13

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13  Unternehmenskultur leben

13.1 Gewohnheiten entstehen lassen Das Entwickeln eines „neuen“ Mindsets (Dweck 2017), also neue Denkrichtungen einzunehmen, erfordert immer wieder Impulse zur Vergegenwärtigung und zur Verstärkung. Gerade auch die Belohnung des neuen Verhaltens hilft bei der Entwicklung neuer Routinen (Duhigg 2014). Das Zurückfallen in alte Denkmuster sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Dazu wird Geduld aufzubringen sein, denn das Umlernen dauert einige Zeit. Immer wieder Reminder zu setzen ist essenziell. Genauso verhält es sich mit einem neu erlernten Verhalten. Auch hier ist es notwendig, das neue Verhalten immer wieder zu reflektieren und die Vorteile herauszustellen. Erforderlich ist hierzu über einen längeren Zeitraum, etwa über drei Monate, nach Möglichkeit wöchentlich eine einstündige Sitzung mit der Führungskraft und/oder im Kreise der Kollegen zu veranschlagen, um sich über die gemachten Erfahrungen, über wahrgenommene Probleme etc. auszutauschen. Dass ein neues Mindset und ein neues Verhalten reibungslos und willig akzeptiert werden, dürfte eher die Ausnahme sein. Ein stetes Vergegenwärtigen der Vorteile, die aus dem neuen Verhalten für alle resultieren, bestärken im praktizierten Vorgehen. Gemeinsam sollten auftretende Probleme besprochen und Lösungswege identifiziert und angegangen werden. Nach gut drei Monaten dürften die notwendigen Besprechungsfrequenzen reduziert werden – dennoch sollte der Kulturwandel auf der Agenda bleiben. Damit wird allen Mitarbeitern deutlich, dass es damit ernst gemeint ist. Wird dem Kulturwandel keine hohe Priorität beigemessen, ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns groß.

13.2 R  eflexion der Unternehmenskultur in den Alltag einfließen lassen Als sinnvoll erweist sich auch das Vergleichen der „alten“ Unternehmenskultur mit der neuen. Dabei sollten – sofern gegeben – stets die Vorzüge der neuen Unternehmenskultur herausgestellt werden. Es geht dabei nicht darum, die alte Unternehmenskultur als geringwertiger darzustellen oder abzuqualifizieren, wichtig ist, die Entwicklung der Unternehmenskultur als einen positiven Lernprozess zu begreifen, der allen Beteiligten nützt – den Mitarbeitern, den Kunden, aber auch dem Unternehmen als Ganzes. Zur Reflexion bieten sich immer Meetings, Mitarbeitergespräche oder Projektbesprechungen an. Insbesondere ist der Einsatz von Culture Hacks auch hier noch einmal zu betonen: Culture Hacks sollten vor allem dann verwendet werden, wenn eine Abweichung von der gewünschten Unternehmenskultur festgestellt wird. Die neue Unternehmenskultur sollte immer in ­Erinnerung gerufen werden, die Culture Hacks stellen ein taugliches Instrument zur Schärfung des Mindsets dar. Wird die neue Unternehmenskultur von den Mitarbeitern akzeptiert, sind diese Reminder äußerst wertvoll. Freilich nützen Culture Hacks wenig und dürften eher zynisch aufgenommen werden, wenn die neue Unternehmenskultur auf keine Akzeptanz der Mitarbeiter stößt. Die Einsicht in die Notwendigkeit und die Akzeptanz für das neue Denken und Verhalten sind eine Grundvoraussetzung für den effektiven Einsatz dieser Interventionstechniken. Im

13.3  Unternehmenskultur als dynamische Entwicklung zulassen

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fortgeschrittenen Stadium werden die Culture Hacks nicht nur von den Führungskräften eingesetzt, sondern auch unter Kollegen. Wenn dazu ein positives Understatement wie „jetzt haben wir uns erwischt beim ‚alten‘ Denken oder Handeln“ dazukommt und dies mit einem konstruktiven Aha-Effekt quittiert wird, dann hat man den richtigen Reifegrad erreicht.

13.3 Unternehmenskultur als dynamische Entwicklung zulassen Die Gestaltung der Unternehmenskultur ist eines der schwierigsten Vorhaben, die eine Organisation vornehmen kann. Dies begründet sich unter anderem in folgenden Aspekten: • Oftmals wird nicht offen kommuniziert, Vorbehalte und Ablehnungen werden aufgrund der asymmetrischen Machtverteilung in Unternehmen nicht offen artikuliert. • Unterstellen wir die Gültigkeit der weit beachteten Gallup-Umfragen (Gallup 2018), verrichten in Deutschland weit über zwei Drittel der Mitarbeiter (71 %) „Dienst nach Vorschrift“ und weitere 14 % haben gar keine emotionale Bindung zum Arbeitgeber, diese haben mittlerweile „innerlich gekündigt“. Diese beiden Mitarbeitergruppen werden eher nicht ohne weiteres ihr Mindset verändern wollen, denn eigentlich wollen sie nur ihren Job ordentlich machen und dafür bezahlt werden, ein hohes Engagement für das Unternehmen ist nicht vorhanden und wird auch nicht aufgebracht. • Bestehende Subkulturen und unterschiedliche Mitarbeitergruppen ziehen nicht immer am gleichen Strang, pflegen gerne ihre „Animositäten“ und lassen gerne andere Kollegen oder Abteilungen „auflaufen“. • Die meisten der Maßnahmen zur Änderung der Unternehmenskultur weisen sehr viele Wechselwirkungen zu anderen Aktivitäten auf, die sich eher nur selten antizipieren lassen. Es wird daher notwendig sein, ein hohes Ausmaß an Flexibilität walten zu lassen, Frustrationstoleranz zu entwickeln und mit Unzulänglichkeiten zumindest in der Anfangsphase des Kulturveränderungsprozesses zu leben. Diese Faktoren setzen der Machbarkeit und planmäßigen Gestaltung der Kulturveränderung enge Grenzen: Kulturveränderungsprozesse sind Lernreisen, die Freude an neuen Erfahrungen und an neuen Erfolgen muss gepflegt werden. Steuerungsmaßnahmen, Nachjustierungen, Projektplan-Adaptionen werden notwendig werden und diese sollten in einem offenen, fehlertoleranten und konstruktiven Klima auch angegangen werden. Wichtig bleibt, der Fraktion der „Besserwisser“, die sich zumeist nicht verhindern lässt, eben jenes das Neue diskriminierende „Das haben wir schon immer gesagt“ nicht durchgehen zu lassen. Auch hier sind wieder zentral die Führungskräfte in ihrer Führungskompetenz gefragt.

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13  Unternehmenskultur leben

13.4 U  nternehmenskultur – zwischen einer „never ending Story“ oder „das Leben bietet noch viele spannende Momente“ Mit einem einmaligen Prozess ist die Gestaltung der Unternehmenskultur nicht getan – der Prozess wird iterativ durchlaufen werden müssen, denn nicht alle Kulturfaktoren behalten über eine lange Zeitdauer ihre Bedeutung bei. Es wird Kulturfaktoren geben, die eine lange zeitliche Stabilität und Konstanz aufweisen werden, wie zum Beispiel der Faktor „Vertrauen“. Allerdings kann es sein, dass in einer aktuellen Situation andere Faktoren eine höhere Bedeutung und Aufmerksamkeit erhalten können. Gerade im Zeitalter der digitalen Transformation wird eine hohe Flexibilität und Agilität zunehmend wichtiger. Die Änderungen von Geschäftsmodellen können die ganzen Koordinaten der Unternehmen verschieben, so dass neue, bedeutsamere Kulturfaktoren in den Vordergrund rücken werden, ohne dass die „alten“ Kulturfaktoren an Bedeutung einbüßen. Das Plädoyer muss also lauten, die Kulturreise anzutreten und dann immer wieder den Fortschritt zu messen, neue Maßnahmen zu veranlassen, durch neue Kultur-Audits den Zielerreichungsgrad zu überprüfen und wieder angepasste Maßnahmen vorzunehmen. Die notwendigen Instrumente hierzu sind lebendig und anpassbar. Das individuelle Kulturmodell, das Kultur-­ Audit und die Verankerung der Ergebnisse im Reifegrad-Modell bieten eine gute Grundlage, um diesen Prozess immer weiter zu entwickeln und auch wieder von neuem zu starten. Natürlich werden der Umfang und das Ausmaß der notwendigen Maßnahmen in der Regel abnehmen, es können dann auch „abgespeckte“ Vorgehensweisen in Betracht gezogen werden. Ebenso ist es bedeutsam, dass die einzelnen Management-Ebenen und Funktionsbereiche ihren eigenen Fahrplan entwickeln, eine gewisse Abkoppelung in der Frequenz der Durchführung vom gesamten Unternehmen kann durchaus sinnvoll werden, bewegen sich doch die einzelnen Unternehmensteile in unterschiedlichen Kontexten, was Stabilität und Umweltdynamik anbelangt. Die Letztverantwortung für diesen Prozess verbleibt bei den Führungskräften, denn ein Teil ihrer Managementaktivitäten muss  – wie bereits ausgeführt – dem Arbeiten am System vorbehalten sein, dafür sind sie verantwortlich. Um es noch einmal deutlich zu sagen, der Engpass bei der erfolgreichen Umsetzung des Kulturwandels wird das Management sein – angefangen beim Top-Management bis hin zu den Teamleitern. Hier sollten die notwendige Unterstützung, Schulung und Coaching ansetzen.

13.5 Unternehmenskultur bewusst feiern – und Stolz entwickeln Die Entwicklung der Unternehmenskultur ist keine triviale Veranstaltung, das sollte immer wieder gewürdigt und ein Stolz mit dem Erzielten in den einzelnen Etappen gefördert werden. Das Entwickeln der Unternehmenskultur wird gleichzeitig auch ein wichtiger Prozess der Persönlichkeitsentwicklung für die Mitarbeiter und für das Management sein. Mindsets in Frage zu stellen, Verhalten zu verlernen und neues zu erlernen stellen an jeden

13.6  Key Points

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Abb. 13.1 Facebook-Posting

einzelnen Mitarbeiter eine hohe Anforderung. Reflexion, Achtsamkeit, Komfortzonen zu verlassen, sich auf Neues einzulassen, einen Experimentiergeist zu entwickeln, wird vielen nicht leichtfallen. Umso mehr gilt es Zwischenetappen und die Erreichung von Zwischenzielen wahrzunehmen, zu kommunizieren und auch zu feiern. Gemeinsame Entwicklung kann die Formierung einer gemeinsamen Identität verstärken. Wenn die Mitarbeiter stolz auf ihr Unternehmen sind, gerne davon in ihrem Familien- und Freundeskreis erzählen, ist es gleichzeitig das beste Employer-Branding, das sich ein Unternehmen wünschen kann. Dies dokumentiert sich dann beispielsweise in einem realen Facebook-­ Posting des IT-Leiters eines mittelständischen Unternehmens, das in Abb. 13.1 wiedergeben werden darf.

13.6 Key Points 1. Gewohnheiten benötigen zu ihrer Entfaltung Zeit, um sich nachhaltig zu verankern und durch die ihnen innewohnende Routine den Professionalisierungsgrad zu erhöhen. Dieser Prozess muss gepflegt und unterstützt werden.

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13  Unternehmenskultur leben

2. Der Kulturentwicklungsprozess bedarf der Reflexion. Diese basiert vor allem auf Kommunikation, dieser muss ein hoher Stellenwert im Rahmen von Veränderungsprozessen eingeräumt werden. 3. Kulturveränderungen sind Lernreisen, Offenheit und Konstruktivität sind ihre besten Begleiter. 4. Durchhaltevermögen und Disziplin bleiben wichtig, Flexibilität und Agilität erfordern aber auch der systematischen Überprüfung der getroffenen Prämissen. Die notwendige Kongruenz sollte gegebenenfalls angepasst werden. 5. Die Gestaltung und Entwicklung der Unternehmenskultur stellen große Herausforderungen für die Mitarbeiter dar. Umso mehr ist es wichtig, Fortschritte auf dem Weg, das Erreichen von Zwischenetappen und von gesetzten Zielen zu würdigen und zu feiern. Das Erzielen einer Kulturveränderung darf nicht als Selbstverständlichkeit hingenommen werden – die Motivation wird es danken.

Literatur Duhigg C (2014) Die Macht der Gewohnheit. Warum wir tun, was wir tun. Piper, München Dweck CS (2017) Mindset. Changing the way you think to fulfil your potential. Robinson, London Gallup (2018) Engagement index Deutschland. https://www.gallup.de/file/245471/Pressemeldung_ Gallup_Engagement_Index_2018.pdf. Zugegriffen am 20.10.2019

Herausforderungen an die Unternehmenskultur: Heute und Morgen

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Zusammenfassung

Dynamik, Veränderungsgeschwindigkeit, Globalisierung, demografischer Wandel, Fach­ kräftemangel, digitale Transformation, Plattformökonomie und Künstliche Intelligenz sind nur wenige der aktuellen Schlagwörter, die das Umfeld der Unternehmen umreißen. Alle diese Faktoren berühren zentrale Aspekte der Unternehmenskultur. Das erfolgreiche Navigieren in diesen Umwelten stellt die Unternehmenskultur immer wieder vor neue Herausforderungen, unbestritten kommt der Unternehmenskultur bei der erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen ein wichtiger Stellenwert zu. Einige der Schlagworte sollen im folgenden Kapitel mit Leben gefüllt und in ihrer Bedeutung für und ihren Auswirkungen auf die Unternehmenskultur diskutiert werden.

Wir leben in einer volatilen Welt mit immensen Auswirkungen auf die Unternehmen. Das Wettbewerbsumfeld ändert sich ständig, neue Technologien verändern radikal Märkte, aber auch die Unternehmen selbst. Viele Konzepte des traditionellen Managements stehen gegenwärtig zur Disposition. Wie entwickelt sich Führung, welche Bedeutung haben der demografische Wandel, welche Auswirkungen auf die Leistungserbringung bringt die voranschreitende Automatisierung? Und vor allem, wie beeinflussen diese Phänomene die Unternehmenskultur oder eher anders gefragt, wie kann die Unternehmenskultur dazu beitragen, diese Veränderungen erfolgreich zu bewältigen? Wie entfaltet sie noch weitreichender sowohl ihre adaptive als auch koordinative Funktion, um einen nachhaltigen Unternehmenserfolg zu sichern?

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Herget, Unternehmenskultur gestalten, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59501-5_14

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14.1 W  elches sind die künftigen Herausforderungen an die Unternehmenskultur? Im letzten Kapitel wollen wir einen Ausblick auf Entwicklungen wagen, die für die Unternehmenskultur, respektive deren Erforschung neue Herausforderungen darstellen. Hier sind noch manche blinde Flecken zu vergegenwärtigen, es besteht weiterer Forschungsbedarf, denn wir wissen noch (zu) wenig, um bewährte praxeologische Hilfestellung geben zu können. Im Folgenden skizzieren wir verschiedene Entwicklungen und formulieren diese als Fragen oder Thesen zu Zukunftsherausforderungen auf dem Gebiet der Unternehmenskultur. Einige Antwortversuche sollen dennoch nicht fehlen und zur weiteren Diskussion anregen.1 1. Unternehmenskultur in Netzwerken Das klassische Spannungsgebiet der Betriebswirtschaft kennzeichnet den Gegensatz von Hierarchie und Markt, wie der spätere Nobelpreisträger Coase (1937) bereits in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts ausführte. Hierarchie bedeutet, dass die Leistungserbringung in einer Organisation vollzogen wird, die einer hierarchischen Strukturierung unterliegt. Den Gegensatz hierzu bildet der Markt, auf dem die benötigten Produkte und Dienstleistungen hinzugekauft werden. Wann lohnt es sich, Kompetenzen in einem Unternehmen intern aufzubauen, wann sollen diese Kompetenzen am Markt hinzugekauft werden? Die Transaktionskosten, also die Kosten der Anbahnung, Vertragsaushandlung, Beschaffung und Kontrolle bilden den großen Unterschied zwischen den beiden Polen des „make“ oder „buy“. Die derzeitige Entwicklung geht immer mehr in Richtung der Plattformökonomie und der „Verschlankung (Lean)“ der eigenen Wertschöpfungsstruktur. Temporäre Dienstleister und Produkte werden auf dem Markt zunehmend hinzugekauft. Aber auch Kooperationen – zum Teil mit (partiellen) Wettbewerbern, unter dem Kunstwort „Coopetition“ (Cooperation and Competition) etablieren sich. Diese vernetzten Kompetenzen in Netzwerken zur Wertschöpfung werden immer bedeutender, auch sie verfügen und entwickeln eine temporäre Unternehmenskultur. Unter welchen Bedingungen und Einflussfaktoren kann die jeweilige – die gemeinsame Zusammenarbeit förderliche oder hemmende – Unternehmenskultur ausgebildet und entwickelt werden? Wie können verschiedene Unternehmenskulturen mehrerer Partner zu einer produktiven (temporären) Unternehmenskultur integriert werden? Auch hierbei dürften die einzelnen Stufen des Prozesses, wie er in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben wurde, durchaus einsetzbar sein. Auch eine temporäre Organisation sollte jedenfalls Zeit für eine gewünschte „individuelle“ Unternehmenskultur investieren. 2. Unternehmenskultur für digitale Führung und Zusammenarbeit Ein anderes an Bedeutung gewinnendes Phänomen umfasst die sich rasant ausbreitende Digitalisierung der Wertschöpfungsprozesse, die eine zunehmend alokale und asynchrone 1

 Die ersten sieben Trends wurden vom Autor teilweise in Buchinger und Herget (2018) diskutiert.

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Leistungserbringung ermöglicht. Führungskräfte haben teilweise eine breitere Führungsspanne und weniger persönlichen Kontakt zu ihren Mitarbeitern, die oftmals beispielsweise vermehrt im Home-Office arbeiten. Der Zeitfaktor, im Sinne von Anwesenheitszeit, als Grundlage zur Entlohnung verliert damit an Bedeutung. Auch die Mitarbeiter haben durch diese neue Form des sogenannten New Work weniger persönlichen Kontakt zu ihren Kollegen, gemeinsame Anwesenheitszeiten im Büro reduzieren sich. Wie kann unter diesen Bedingungen eine produktive Unternehmenskultur unterstützt werden? Auch diese Herausforderung kann mit dem vorgestellten Instrumentarium systematisch angegangen werden. Die Anforderungen der Mitarbeiter an eine Führung und Kollaboration können durch die selektierten Kulturfaktoren abgebildet werden. Die Corona-Krise hat hier als ein Beschleuniger gewirkt und bereits zu zahlreichen Learnings geführt. Dabei hat sich das in diesem Buch skizzierte Vorgehen bestens bewährt. 3. Unternehmenskultur und digitale Transformation Digitale Transformation (Herget 2018) wirkt sich unmittelbar auf die Unternehmen aus: Organisationen werden flacher, interdisziplinäre Projektarbeit hält vermehrt Einzug, Kommunikation erfolgt digital, es wird mehr mit externen Partnern kollaboriert, feste Berufsbilder verschwimmen, langfristige Arbeitsbeziehungen weichen befristeten Verträgen, Weiterbildung und lebenslanges Lernen werden zur Normalität, gewachsene Strukturen in Gruppen und Abteilungen verlieren an Bedeutung, die Mitarbeiter müssen zunehmend für ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit (Employability) sorgen, Sicherheit weicht mehr und mehr der Unsicherheit, die Planbarkeit des Berufslebens (und damit verbunden auch des Privatlebens) wird eingeschränkt, die Angst vor Arbeitsplatzverlust (und damit einem befürchteten sozialen Abstieg) verfestigt sich. Bisherige habituelle Sicherheit wird zunehmend aufgelöst. Zwischen den Arbeitsgenerationen ergeben sich teils wesentliche Kompetenzunterschiede, häufig werden die Begriffe der „Digital Immigrants“ (für die sogenannten Babyboomer und die Generation X) und der „Digital Natives“ (für die Generation Y und Z) genutzt, die einen unterschiedlichen Grad der Vertrautheit im Umgang mit der Digitaltechnologie bezeichnen. Die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung stößt in der Unternehmenspraxis auf ein ambivalentes Verhältnis: die Markterfordernisse der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens einerseits und die mögliche Verunsicherung und Angst bei einem Teil der Mitarbeiter vor Rationalisierung, einem möglichen Arbeitsplatzverlust oder der Entwertung b­isheriger Qualifikationen und Kompetenzen. In diesem Spannungsbogen wird deutlich, dass die digitale Transformation keinesfalls nur eine überwiegend technologische Dimension aufweist, sondern vor allem als kulturelle und soziale Dimension auftritt, die über die Akzeptanz der digital induzierten Innovationen entscheiden wird. Es zeigt sich deutlich, dass das Bewältigen der digitalen Transformation Auswirkungen auf die Unternehmenskultur haben wird: Umgang mit Komplexität, mit Unsicherheit und Risiko sowie das Denken in Zusammenhängen entwickeln sich zu zentralen Faktoren

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e­ rfolgreicher Unternehmenskulturen. Das Vorgehen in digitalen Transformationsprojekten sollte natürlich in die bestehende Unternehmenskultur passen. Häufig wird diese entsprechend weiter zu entwickeln sein, um über einen adäquaten Reifegrad zu verfügen. Diese Schlussfolgerungen werden auch von Ergebnissen einschlägiger Studien bestätigt: „Der CEO muss die Mitarbeiter für die Notwendigkeit des Wandels sensibilisieren und zum größten Fürsprecher der Digitalisierung im Unternehmen werden. Durch klare Kommunikation auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern können Verständnis erzeugt und Ängste abgebaut werden. Neue Formen der Führung und der Zusammenarbeit sind die logische Konsequenz. Auf das Unternehmen bezogen ist mit dem Erfolg bei der Digitalisierung gleichzeitig ein Wandel in der Unternehmenskultur untrennbar verbunden“ (etventure 2017, S. 21). 4. Unternehmenskultur in zunehmend spezialisierten Expertenorganisationen Die Ausdifferenzierung der Berufsbilder und des Spezialistentums schreitet mittlerweile seit Jahrhunderten voran. Expertenkulturen stellen in Unternehmen sogenannte Makrokulturen dar, sie verfügen über eigene Denkparadigmen und Fachsprachen. Die bekanntesten Makrokulturen in nahezu allen Unternehmen sind die zwischen den „produzierenden“ und den „administrativen“ Bereichen, die häufig als Kulturen von Technikern und Kaufleuten bezeichnet werden. Durch die zunehmende Spezialisierung werden sich in großen Unternehmen Dutzende von Makro-, Sub- und Mikrokulturen etablieren. Ein Beispiel: in der Marktforschung werden zunehmend sogenannte Datenanalysten Einzug halten, auch diese unterscheiden sich durch ihre Ausbildung und Kompetenz von den bisherigen klassischen Marktforschern, die sich ihrerseits von anderen Marketingmitarbeitern unterscheiden. Eine zunehmend wichtige Aufgabe der Unternehmenskultur wird es sein, trotz dieser weiteren Ausdifferenzierung das Gemeinsame zu fokussieren und die Tätigkeit auch darauf auszurichten. 5. Unternehmenskultur für globalisierte Unternehmen Die weltweit zunehmende Globalisierung spiegelt sich mehr und mehr auch in den einzelnen Unternehmen wider. Sowohl innerhalb von Organisationen rekrutieren sich die Mitarbeiter aus verschiedenen Kulturkreisen mit unterschiedlich das Zusammenarbeiten prägenden Makrokulturen, aber auch die Verteilung von Organisationseinheiten auf verschiedene Länder und Kontinente begründen das Entstehen von lokalen, regionalen, ­nationalen bis zu interkontinentalen Organisationskulturen. Diversität ist ein weiterer Aspekt, der zu mehr heterogenen Beschäftigten führt. Um diese verschiedenen Unternehmenskulturen zu einem gedeihlichen Miteinander zu führen bedarf es weiterführender Konzepte zur Entwicklung von integrierenden Unternehmenskulturen. Es werden mehr Makro-, Sub-, und Mikrokulturen nebeneinander entstehen, den verbindenden Aspekten wird eine größere Aufmerksamkeit beigemessen werden müssen.

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6. Unternehmenskultur in hybriden Organisationen Gegenwärtig erfreuen sich neue Organisationskonzepte wie Soziokratie, Selbstorganisation, Holokratie (stellvertretend für neuere Konzepte Laloux 2015) oder auch neue Kooperationsformen einer breiten Aufmerksamkeit. Kennzeichen dieser Konzepte ist das Ersetzen der hierarchischen Machtautorität durch neue Strukturen und Formen – mit einer großen Auswirkung auf die herrschende Unternehmenskultur. Auch hier öffnet sich noch ein hoher Forschungsbedarf, um den Übergang, das Entwickeln und Steuern neuer Organisationsformen aus unternehmenskultureller Perspektive produktiv zu begleiten. Hierzu wurden im Kap. 12 einige Aussagen getroffen, um dieses Phänomen auch unter unternehmenskulturellen Aspekten produktiv anzugehen. Die Bedeutung von Peer-to-Peer Feedbacks rückt hier wesentlich in den Vordergrund. 7. Der Algorithmus und der intelligente Kollege Roboter und deren Einfluss auf die Unternehmenskultur Die Automatisierung und Mechanisierung schreitet unvermindert fort, allerdings mit einer wesentlichen Veränderung: es sind nicht mehr nur Routinevorgänge mit eindeutigen Algorithmen. Neue Systeme und künftige „Roboter“ verfügen über eine ausgeprägte „kognitive“ Komponente, die auf Technologien der künstlichen Intelligenz basieren. Über die Auswirkung auf die Arbeitsplätze in den nächsten Jahren gibt es unterschiedliche Berechnungen, die von gefährdeten Jobs in einer Größenordnung von 50 % (Frey und Osborne 2013) oder „nur“ 9 % (Nagl et al. 2017) ausgehen. Eines ist jedoch schon jetzt Realität, Algorithmen steuern bereits gegenwärtig Arbeitsprozesse und der Kollege Roboter wird in wenigen Jahren erlebter Alltag in Unternehmen sein. Deren hauptsächliches Unterscheidungskriterium zum Menschen wird die fehlende Fehleranfälligkeit sein. Viele Arbeitsplätze werden einen Paradigmenwechsel vornehmen: nicht mehr der Algorithmus oder der Roboter assistiert dem Menschen, sondern der Mensch dem System und Robotern. Mit zunehmender humanoider Ausgestaltung der Roboter wird dies auch zu einer anderen Unternehmenskultur führen. Auch hier müssen entsprechende Konzepte der Unternehmenskultur theoretisch fundiert entwickelt werden. 8. Generation Z drängt in den Arbeitsmarkt Die Generation der Jahrgänge ab 1995 drängt zunehmend in den Arbeitsprozess. Diese „Generation Z“ genießt bei vielen Personalverantwortlichen, glaubt man den diversen Umfragen, allerdings keinen besonders guten Ruf. Sie wäre vor allem auf ihr persönliches Wohlergehen aus, nicht leicht zu integrieren und nur wenig an betrieblicher Weiterentwicklung interessiert. Gerade auch aufgrund des Fachkräftemangels kommt dieser Generation für die künftige Beschäftigungssicherung und wirtschaftliche Entwicklung eine wichtige Rolle zu. Die Integration und Potenzialentwicklung dieser Generation ist vor allem – wenig überraschend – auch eine Frage der Unternehmenskultur. Im Folgenden sollen einige

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Hinweise zu einer guten Integration formuliert werden, um diese sich gerade und in naher Zukunft stellende neue Herausforderung besser bewältigen zu können. • Sinn vermitteln Warum gibt es das Unternehmen, welchen gesellschaftlichen Beitrag erbringt es durch die Produkte und Dienstleistungen? Was würde der Welt fehlen, wenn es genau dieses Unternehmen nicht gäbe? Entwickeln Sie Geschichten und erzählen diese, allzu oft ist dieses nämlich leider in Vergessenheit geraten. Was bewog die Unternehmensgründer genau dazu, das Unternehmen ins Leben zu rufen? Unterschätzen Sie nicht die mächtige Bedeutung der Sinngebung – und das trifft übrigens auch für alle Mitarbeiter der anderen Generationen zu. Die Generation Z will ihre Lebenszeit für Sinnvolles einsetzen. • Feedback-Kultur einführen Geben – und nehmen – Sie Feedback, unmittelbar und anlassbezogen. Das aber nicht als bloße Krittelei, sondern eingebettet in ein konstruktives (auch kurzes) Gespräch: welches Verhalten war gut, was genau könnte verbessert werden und vor allem wie. Und bitte nicht nur hierarchisch von „oben“ nach „unten“, haben Sie den Mut auch Feedback von „unten“ einzufordern und anzunehmen ohne sich zu rechtfertigen und vor allem auch zwischen den Hierarchien (und Abteilungen) – das wird eine der größten Innovationswellen im Unternehmen auslösen. Die Generation Z ist es gewohnt Aktivitäten und Sachen zu bewerten, denken Sie nur an die „Likes“ bei Facebook oder die verschiedenen Bewertungsportale. In diesem Verhalten steckt ein mächtiges Optimierungspotenzial für eingelaufene Prozesse! • Instant-Gratification Loben Sie sofort, wenn etwas gut gelingt. Jährliche Mitarbeitergespräche als zentrales Personalführungsinstrument sind passé, nicht aber im Sinne eines stetigen individuellen Coachings. Feiern Sie die Erfolge (und suchen diese auch), ein „High 5“ (also das Abklatschen) wirkt unmittelbar, schafft Verbundenheit und vermittelt Stolz. Die Generation Z will sofort wissen, woran Sie ist. Sie lebt mehr denn alle Generationen bisher im „Jetzt und Hier“ – davon können auch alle anderen etwas lernen. • Experimentelles und agiles Arbeiten Versuchen Sie möglichst viel mit Projekten und Experimenten zu arbeiten. Das bedeutet, nicht langwierige Planungen und phasenweisen Umsetzungen. Richten Sie eine Pro-

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jektgruppe ein, die sich eines Problems annimmt, dieses analysiert, Vorschläge formuliert und gleich einiges umsetzt – mit raschem Feedback der Betroffenen, ob interne oder externe Kunden. Wenn es funktioniert, wird es ausgerollt, wenn nicht, wird eben weiter versucht. Erfolgreiche Firmen wie Google, Facebook und Apple arbeiten bereits seit langem so – mit großem Erfolg, wie man unschwer feststellen kann. Nicht nur sind sie die Börsenstars, sondern auch die begehrtesten Arbeitgeber. Routineprozesse und Abläufe ohne ein schnelles Feedback der getroffenen Maßnahmen langweilen die Generation Z, sie möchte anpacken, verändern und die Resultate sofort sehen. Nicht das Burn-out sondern eher das Bored-Out, also die Langeweile dürfte das größere Problem der Generation werden. Sie möchte sich einbringen, beteiligt werden, Erfahrungen sammeln und neue Kompetenzen erwerben! • Arbeit als Event organisieren Versuchen Sie viele Arbeitsaufgaben als Projekte und Events zu organisieren. Mischen Sie Teams, Aufgaben und Rollen, schaffen Sie die Möglichkeit für rasche Erfolge. Fordern Sie kreatives Arbeiten – Sie werden überrascht sein, welchen positiven Virus Sie ins Leben rufen. Agile Methoden, z. B. Kanban und Scrum sind hierzu bestens geeignet. Übersichtliche Aufgaben, Sprints, kreative und unorthodoxe Vorgehensweisen locken das Potenzial der jungen Generation heraus. • Nutzen Sie Co-Working Spaces Bieten Sie Ihren Mitarbeitern Abwechslung auch in räumlicher Hinsicht. Mieten Sie sich in einem Co-Working Space, einem Technologiezentrum oder einem Innovation Lab ein. Ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern für Wochen oder Monate dorthin zu wechseln und in neuer Umgebung mit anderen Firmen in Kontakt zu kommen. Für viele Jobs ist das mit relativ geringem Aufwand möglich, denn der Computer stellt ja das zentrale Arbeitswerkzeug dar. Neue Umgebungen, kreative und unkonventionelle Räume und Begegnungen entsprechen dem Lebensgefühl der Generation Z, die dann auch gerne in den eigenen Raum zurück kommt. Neuartige Lösungen für Ihr Unternehmen, neue Sichten und Perspektiven können eine wertvolle Folge sein. • Leben Sie den psychologischen Vertrag Neben dem formalen Arbeitsvertrag ist insbesondere der psychologische Vertrag besonders wichtig, denn er ist ungeschrieben, jedoch entscheidend dafür, ob Mitarbeiter loyal und motiviert sind. Er regelt alles Ungesagte: was sind die individuellen Erwartun-

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gen, wie wurden die Versprechen verstanden und wie wird deren Einlösung erlebt? Das bedeutet konkret für Sie, reden Sie mit den Mitarbeitern über deren aktuellen Status und die Perspektiven. Fragen Sie danach, was nicht gut läuft, wo Enttäuschungen liegen und finden Sie gemeinsame konstruktive Wege, damit nicht nur die berufliche Zukunft weiter gelingen kann. Der junge Mitarbeiter will genau wissen, wo er steht. Und ob das, was ihm versprochen wurde und was er erwartet, auch eintreten wird! • Feelgood-Officer einsetzen Das mag für viele anfangs etwas befremdlich wirken, zahlt sich aber langfristig aus. Fühlen sich die Mitarbeiter gut am Arbeitsplatz, sind sie gar glücklich? Wenn wir ehrlich sind, hat sich darum formell bislang niemand gekümmert und wir haben dadurch sehr viel Potenzial ungenutzt gelassen. Wie sagt doch der Wirtschaftsnobelpreisträger von 2006, Edmund Phelps (2014): „95  % des persönlichen Glücks werden durch die Arbeitswelt bestimmt“. Das sollten wir nicht dem Zufall überlassen, erfolgreiche Firmen setzen sogenannte Happiness Officer ein, die sich um ein gutes Betriebsklima, gemeinsame Aktivitäten, Inklusion aller Mitarbeiter, das Entwickeln eines gemeinsamen Spirits kümmern. Wenn Mitarbeiter gerne zur Arbeit gehen (und wiederkommen) profitiert das ganze Unternehmen davon, Motivation und gegenseitige Unterstützung nehmen zu, Krankheitsquote und Fluktuation nehmen ab. Wenn das Unternehmen zu klein erscheint, kann gerne jemand mit dieser Aufgabe ergänzend betraut werden. Für die junge Generation ist Gemeinschaft sehr wichtig. Eine positiv wahrgenommene Gemeinschaft bedarf gemeinsamer Aktivitäten und darüber hinaus führt auch beispielsweise die Integration der Lebenspartner und Familien in einige Aktivitäten zu einer Ausprägung einer stärkeren Identifikation mit dem Unternehmen. Der Wunsch nach Zugehörigkeit und Kohäsion wird gelebt! • Work-Life-Balance neu interpretieren Die sogenannte Work-Life-Balance wird oft bemüht und auch missverstanden. Es geht dabei nicht um eine strikte Trennung von Beruf und Arbeit, eine Vermischung wird es eher immer mehr geben – sie sollte aber nicht zu Lasten der Arbeitnehmer führen. Einige Maßnahmen, wie das Einführen von Home-Office-Tagen nehmen gerade viel Stress von jungen Müttern und Vätern, ermöglichen mehr zeitliche Autonomie und selbstbestimmtes Arbeiten. Und fast alle Studien zeigen, dass die Mitarbeiter auch produktiver sind, wenn Sie an manchen Tagen von zu Hause aus arbeiten dürfen. Gerade das Wegfallen des Pendelns und des damit verbundenen Zeitaufwandes können große Erleichterung bringen. Das Einrichten von Betriebskindergärten (oder Tagesmüttern) kann auch hier zum stressfreieren Leben beitragen.

14.2  Key Points

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Die junge Generation möchte mehr Selbstbestimmtheit und Autonomie, die größere Bedeutung von Familie und Freundeskreis resultiert ja gerade aus der erlebten Erfahrung ihrer (Helikopter-) Eltern, sie möchte es besser machen. Der Job ist eben nicht mehr alles und die Familie und der Freundeskreis kommen nicht immer an zweiter Stelle, so wie es häufig bei den eigenen Eltern erlebt wurde. Da möchte die Generation Z anders sein. • Mentoren! In den nächsten 15 Jahren werden etwa 50 % der Arbeitskräfte aus dem Arbeitsprozess ausscheiden – das Sichern von Erfahrungswissen und Know-how wird für viele Unternehmen überlebenswichtig. Aber nicht nur das, die Integration von jungen Mitarbeitern geschieht am besten, wenn ihnen ältere Kollegen an die Seite gestellt werden, mit denen man sich zunächst in regelmäßigen zeitlichen Intervallen austauschen kann. Was sind die ungeschriebenen Gesetze im Unternehmen, wie läuft der Hase hier? Also nicht die Mitarbeiter alles im mühsamen Trial-and-Error-Prozess selbst herausfinden lassen, es sei denn, diese wollen genau das, sondern durch einen erfahrenen Mitarbeiter einführen. Das dürfte für die Unternehmen eine der besten Investitionen in die jungen Mitarbeiter überhaupt sein – gleichzeitig freuen sich alle „Älteren“, ihr angesammeltes Wissen und auch ihre Lebenserfahrung weitergeben zu können. Bessere Synergien gibt es kaum, dabei können durchaus mehrere sozialkompetente Mentoren gleichzeitig eingesetzt werden, ein Fachmentor, der für die Weitergabe des Fachwissens zuständig ist, aber auch ein Karrierementor, der das Einleben und Weiterkommen im Unternehmen befördert. Die Generation Z strebt nach Halt und Orientierung. Erfahrene Mitarbeiter können hier ein hervorragendes Rollenmodell bieten. Sie wirken als Coach und stellen einen wertvollen Begleiter auf dem Weg zur Entfaltung des eigenen Potenzials dar. Damit kann das Senioritätsprinzip neu kollegial gelebt werden und wertvolles, ungeschriebenes Wissen weitergegeben werden. Damit wird gleichzeitig die Loyalität zum Unternehmen gesteigert. Die Unternehmenskultur kann zur Integration dieser Generation Z jedenfalls eine Menge beitragen.

14.2 Key Points 1. Die Unternehmenskultur muss ebenso über den betriebsindividuellen Rahmen hinaus zunehmend in temporären Partnerschaften mit externen Partnern weiter entwickelt und gelebt werden. 2. Digitale Führung ersetzt immer häufiger den persönlichen Kontakt. Dieses Vakuum muss durch entsprechende kompensierende Maßnahmen gefüllt werden.

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3. Digitale Transformation bedarf neuer Kompetenzen mit Komplexität und Unsicherheit umzugehen. Die Vermittlung von Gesamtzusammenhängen und eine experimentelle Arbeitsweise werden wichtiger. 4. Globalisierung und Diversität führen zu vermehrten Makro-, Sub- und Mikrokulturen in Unternehmen. Diese gilt es zu integrieren und eine gemeinsame Ausrichtung stärker zu fokussieren. 5. Zunehmende Demokratisierung und partnerschaftliche Teilhabe an Unternehmensentwicklungsprozessen lassen Partizipation, Empowerment und Peer-to-Peer Feedback zu wichtigen Aspekten der Unternehmenskulturen arrivieren. 6. Der Algorithmus und der Roboter werden zunehmend das Selbstverständnis vieler Mitarbeiter verändern. Nicht mehr der Mensch steht immer im Zentrum, sondern er wird häufig zum Erfüllungsgehilfen von Systemen und Maschinen. Dieses neue Zusammenwirken muss wohlüberlegt und kulturell begleitet werden. 7. Die Generation Z wird die Arbeitswelt nachhaltig verändern. Diese Veränderungen können zum Positiven für alle Mitarbeiter beitragen. Die gelebte Unternehmenskultur wird für diese Generation noch wichtiger.

Literatur Buchinger L, Herget J (2018) Unternehmenskultur – Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen – Methoden – Best Practices. Springer Gabler, Wiesbaden Coase RH (1937) The nature of the firm. Economica. Blackwell Publishing 4(16):386–405 etventure (2017) Studie: Digitale Transformation und Zusammenarbeit mit Startups in Großunternehmen in Deutschland und den USA. http://www.etventure.de/files/studien/etventure-studie2017. pdf. Zugegriffen am 21.10.2019 Frey CB, Osborne MA (2013) The future of employment: how susceptible are jobs to computerisation? http://www.oxfordmartin.ox.ac.uk/downloads/academic/The_Future_of_Employment.pdf. Zugegriffen am 21.10.2019 Herget J (2018) Die Rolle der Unternehmenskultur in digitalen Transformationsprozessen. In: Herget J, Strobl H (Hrsg) Unternehmenskultur in der Praxis. Grundlagen  – Methoden  – Best Practices. Springer Gabler, Wiesbaden Laloux F (2015) Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen, München Nagl W, Titelbach G, Valkova K (2017) Digitalisierung der Arbeit: Substituierbarkeit von Berufen im Zuge der Automatisierung durch Industrie 4.0. IHS Vienna. http://www.ihs.ac.at/fileadmin/ public/2016_Files/Documents/20170412_IHS-Bericht_2017_Digitalisierung_Endbericht.pdf. Zugegriffen am 21.10.2019 Phelps E (2014) Wir brauchen in Europa die kreative Zerstörung. Die Welt. https://www.welt.de/ wirtschaft/article131569597/Wir-brauchen-in-Europa-die-kreative-Zerstoerung.html. Zugegriffen am 24.11.2019