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German Pages [650] Year 2015
Violetta L. Waibel (Hg.)
Umwege Annäherungen an Immanuel Kant in Wien, in Österreich und in Osteuropa
Unter Mitwirkung von Max Brinnich, Sophie Gerber und Philipp Schaller
V& R unipress Vienna University Press
®
MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen
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FSC® C083411
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0480-3 ISBN 978-3-8470-0480-6 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0480-0 (V& R eLibrary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich, des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft der Republik Österreich, der DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung, der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien, der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) – Wissenschafts- und Forschungsförderung, dem Stift Melk und dem Vizerektorat für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Wien. Ó 2015, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Ó Sonja Priller Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Umwege – Einleitende Worte zum Lesebuch Umwege von Violetta L. Waibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kant und die Zensur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kant und die »österreichische Philosophie« – Eine Einführung von Alexander Wilfing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Die frühe österreichische Kant-Rezeption – Von Joseph II. bis Franz II. von Alexander Wilfing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Die staatlich erwirkte Kant-Zensur – Von Franz II. bis Graf Thun-Hohenstein von Alexander Wilfing . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Herbartianismus – Rembold, von Thun und Hohenstein, Exner, Zimmermann von Kurt Walter Zeidler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Lazarus Bendavid – Ein Autodidakt lehrt Kant in Wien von Olga Ring 47 Kant-Rezeption und Kant-Kritik in Ungarn am Ende des 18. Jahrhunderts – Die Lehrtätigkeit Anton Kreils von Eszter Dek . . 51 Anton Reyberger und die Kant-Rezeption im Stift Melk von Jakob Deibl, Johannes Deibl und Bernadette Kalteis . . . . . . . . 56 Kant und das Fürstentum Salzburg von Werner Sauer . . . . . . . . . 58 Kant und die katholische Theologie im Vormärz von Franz L. Fillafer . 74 Franz von Zeiller und der Kantianismus in der Rechtswissenschaft von Franz L. Fillafer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Ernst Topitsch und Kant von Franz L. Fillafer . . . . . . . . . . . . . . 95 Recht, Geschichte, Religion – Ein Bericht über zwei internationale Kant-Symposien in Wien 2004 und 2005 von Herta Nagl-Docekal . . . 102
Kant und Karl Leonhard Reinhold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Der erste Kantianer – Reinhold, ein Bürger Wiens von Philipp Schaller und Violetta L. Waibel . . . . . . . . . . . . . . . 111 Karl Leonhard Reinhold (1757–1823) von Martin Bondeli . . . . . . . 115
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Inhalt
Wiener Ouvertüren zur Kantisch-Reinholdischen Philosophie von Philipp Schaller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Leonhard Reinholds Weimarer Jahre, 1784–1787 von Guido Naschert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinholds Briefe über die Kantische Philosophie von Martin Bondeli Reinholds Briefwechsel mit Kant von Martin Bondeli . . . . . . . . Reinhold als Vermittler der kantischen Philosophie von Philipp Schaller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhold und die Kant-Rezeption im Klagenfurter Herbert-Kreis von Guido Naschert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Elementarphilosophie. Reinhold als Interpret von Kants Vernunftkritik und Wegbereiter des Deutschen Idealismus von Martin Bondeli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 120 . . 129 . 132 . . 142 . . 150 . . 161
. . 168
Kant und Osteuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Einzug der Philosophie Kants in Ländern Osteuropas von Olga Ring . Die Reform des Philosophieunterrichts – Das siebenbürgische Paradigma von P¦ter Egyed . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kant-Kritik des Ungarn Jûzsef Rozgonyi von B¦la Mester . . . . . Kroly Böhm – Systembildung und Werttheorie von Imre Ungvri-Zrnyi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der ungarische Neukantianismus bei Kroly Böhm und Bernt Alexander von Lszlû Perecz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kant-Rezeption bei Sndor Tavaszy und in der Klausenburger Schule von Mrton Tonk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kant-Rezeption in Rumänien (1818–1989) von Ma˘da˘lina Diaconu und Marin Diaconu . . . . . . . . . . . . . . . Tomsˇ Garrigue Masaryks kritisch distanzierte Auseinandersetzung mit Kant von Jan Zouhar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die intellektuelle Anschauung – Eine Kant-Interpretation des tschechischen Philosophen Vladimr Hoppe von Jindrˇich Karsek . . . Max Steiner, ein streitbarer Altkantianer aus Prag von Jörg Krappmann Kant in Slowenien von Jure Simoniti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kant-Rezeption in südslawischen Ländern von Jure Zovko . . . . . Die Rezeption der kantischen Philosophie in Polen – Ein Umriss von Jakub Kloc-Konkołowicz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kant und seine Dichter
181 186 196 208 212 218 223 231 237 245 250 257 266
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Kant und die deutsche Romantik bei Schriftstellern im Österreich des 19. Jahrhunderts von Alexander Wilfing . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
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Inhalt
Friedrich Schiller, ein kongenialer Leser Kants von Violetta L. Waibel . Franz Grillparzer – Zugänge zu Kant von Gabriele Geml . . . . . . . . Joseph Schreyvogel – Die kantische Moralphilosophie als Lebenskunst von Gabriele Geml . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Freiherr von Feuchtersleben – Kant und die Vorgeschichte der Psychotherapie in Österreich von Gabriele Geml . . . . . . . . . . . . Friedrich Schlegels Kant-Rezeption während seiner Wiener Zeit von Guido Naschert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adalbert Stifter und die Philosophie Kants von Max Beck . . . . . . . Kant und seine Dichter im Österreich des 20. Jahrhunderts von Christoph Leschanz und Violetta L. Waibel . . . . . . . . . . . . . Karl Kraus – Mit Kant gegen die Kriegspropaganda von Max Beck . . Kant, Rilke und die allzeit bereiten Geister von Christoph Leschanz und Philipp Schaller . . . . . . . . . . . . . . Spuren Immanuel Kants im Werk Friedells von Elisabeth Flucher . . . Kant im Werk Robert Musils von Christoph Leschanz . . . . . . . . . . Franz Kafka – Der vergessene Friede von Caroline Scholzen . . . . . . Der »Verfall« des Prager Kreises von Caroline Scholzen . . . . . . . . . Ingeborg Bachmann – Die Sprache der Gestirne von Caroline Scholzen Thomas Bernhards Immanuel Kant von Sebastian Schneck . . . . . . . Klagenfurter Kant-Rezeptionen im Spiegel zweier Romane der österreichischen Gegenwartsliteratur von Elisabeth Flucher . . . . . . Franz Schuh – Zwischen Kantstraße und Hegelhof von Elisabeth Flucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kehlmanns Vermessung der Welt – Die Neuerfindung eines Zeitalters von Elisabeth Flucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279 302 314 323 335 339 345 349 362 376 384 392 398 401 408 414 420 423
Kant und der Wiener Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Kant und der Wiener Kreis – Wer hat Angst vor dem synthetischen Apriori? von Bastian Stoppelkamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moritz Schlick – Eine kritische Abgrenzung von Kant von Olga Ring Edgar Zilsel – Kant als Verbündeter von Olga Ring . . . . . . . . . . Otto Neurath – Gegen Kant und den Sonderweg der deutschen Philosophie von Bastian Stoppelkamp . . . . . . . . . . . . . . . . . Rudolf Carnap (1891–1970) von Bastian Stoppelkamp . . . . . . . . Kantianismus im Wien des 20. Jahrhunderts von Kurt Walter Zeidler Kant, Kelsen und die Wiener rechtstheoretische Schule von Sophie Loidolt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 429 . 443 . 450 . 457 . 470 . 474 . 484
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Inhalt
Kant und die Phänomenologie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
Kant und die Phänomenologie in Österreich von Max Brinnich und Georg Heller . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Brentano (1838–1917) von Georg Heller . . . . . . . . . . . . . Franz Brentano – Philosophie als exakte Wissenschaft von Georg Heller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Brentano-Schule in Wien und Graz von Kurt Walter Zeidler . . . Edmund Husserl (1859–1938) von Marek Bozˇuk . . . . . . . . . . . Husserls Kantianismus im Spannungsbogen seiner Wiener Stationen von Marek Bozˇuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heideggers metaphysische Kant-Auslegung – Vernunft und Hermeneutik der Faktizität von Philipp Schmidt . . . . . . . . . . . Hönigswalds Verhältnis zu Kant und zur Phänomenologie von Max Brinnich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endnoten
. 493 . 496 . 499 . 509 . 516 . 522 . 532 . 539
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547
Zitierweise und Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647
Umwege – Einleitende Worte zum Lesebuch Umwege von Violetta L. Waibel
Im Rahmen des 12. Internationalen Kant-Kongresses 2015 an der Universität Wien vom 21. bis 25. September 2015 zum Thema »Natur und Freiheit« wird die Ausstellung »Umwege. Annäherungen an Immanuel Kant in Wien, in Österreich und in Osteuropa« in den Räumlichkeiten der Bibliothek der Universität Wien präsentiert, die bis zum Jahresende 2015 zu sehen sein wird. Dieser vorliegende Band ist ein Lesebuch dazu, das sich sehr viel umfangreicher auf die Thematik einlässt, als dies in der Ausstellung möglich ist. Es erscheint in deutscher und englischer Sprache. Der Fokus der Ausstellung und des Lesebuches richtet sich auf die KantRezeption in Wien und in Österreich, aber auch in Osteuropa insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert. Es werden aber auch Ausblicke auf die jüngere KantForschung im 20. und 21. Jahrhundert geboten. Der Internationale Kant-Kongress in Wien fällt mit dem Jahr der Jubiläumsfeiern um die Gründung der Universität Wien vor 650 Jahren, also 1365, zusammen. Dies war einer der Anlässe, im Rahmen des Internationalen KantKongresses in Wien nach der Geschichte der Beschäftigung mit Kant in Wien, aber auch in Österreich insgesamt und zudem in Osteuropa zu forschen, denn Wien und Österreich hatten und haben aufgrund ihrer geopolitischen Lage und ihrer Vergangenheit traditionell eine besondere Beziehung zum Osten Europas. Das Lesebuch wie die Ausstellung gliedern sich in sechs thematische Schwerpunkte, die von philosophiehistorischem Interesse für die Kant-Rezeption in Wien, Österreich und Osteuropa sind.
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Einleitende Worte
Abb. 1: Stadtplan von Wien (1798)
Die Themen dieses Lesebuchs und der Ausstellung – – – – – –
Kant und die Zensur Kant und Karl Leonhard Reinhold Kant und Osteuropa Kant und seine Dichter Kant und der Wiener Kreis Kant und die Phänomenologie
Das Thema »Kant und die Zensur« legt die verwickelte, daher auf Umwegen vollzogene Geschichte der Rezeption der Philosophie Kants in Wien und Österreich frei, die von Zensur überschattet war. Während Kant in den damaligen deutschen Ländern recht bald rezipiert und in seiner Bedeutung erkannt wurde, ist die Wahrnehmung Kants im damaligen Österreich durchaus ambivalent. Herrschte einerseits Zensur und wurde Kant teils scharf kritisiert, fand im »Untergrund« dennoch eine rege Beschäftigung mit Kants Philosophie statt. Die anfängliche Ambivalenz gegenüber Kant und ihre weiteren Folgen ver-
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ständlich zu machen beziehungsweise nachzuzeichnen, ist das Anliegen dieses ersten Kapitels. »Kant und Karl Leonhard Reinhold« gilt es in diesem Lesebuch zu beachten, da Reinhold in Wien geboren wurde und aufgewachsen ist. Das ist vielen kaum bekannt, die sich durchaus in der Forschung mit Reinhold als dem ersten bedeutenden Kantianer und Wegbereiter des nachkantischen Deutschen Idealismus auseinandersetzen. Seine bedeutendste und nachhaltigste Wirkung hatte Reinhold als Professor in Jena und als Wegbereiter der deutschen und österreichischen Kant-Rezeption. Zwar liegt der Fokus dieses Lesebuches auf der Auseinandersetzung mit Kant in Wien (sowie Österreich und Osteuropa), doch dem Wiener Bürger Reinhold soll hier ein angemessenes Forum geboten werden, auch in der Hoffnung, dass mancher Kant-Forscher Reinhold hierdurch in seiner Bedeutung entdecken mag. Durch seine geopolitische Stellung hat Wien, das zudem Kaiserhauptstadt der habsburgischen Donaumonarchie war, eine besondere Bedeutung für Osteuropa. Wien war, und ist in einem gewissen Sinn heute noch, das »Tor zum Osten«. Daher war es ein wichtiges Anliegen, das Thema »Kant und Osteuropa« in das Lesebuch wie auch in das Ausstellungsprojekt aufzunehmen. Wien stand durch seine historische Position in einem mehr oder weniger intensiven kulturellen Austausch mit Ländern in Osteuropa. Was dies für die Rezeption Kants zu bedeuten hat, war hier Gegenstand der Untersuchung. »Kant und seine Dichter« ist eines der Schwerpunktthemen des Kongresses, denn Wien ist nicht nur, woran man vielleicht primär denkt, eine Stadt der Musik aller Gattungen, sondern verfügt auch über sehr bedeutende Bühnen für das Theater in deutscher Sprache. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Musentempel anderer künstlerischer Sparten. So kann es nicht überraschen, dass die Ästhetik einen eigenen Forschungsschwerpunkt am Institut für Philosophie der Universität Wien bildet. Da sich nun zahlreiche Dichter und Schriftsteller von Kants Zeit an bis heute auf Kants Ästhetik und Teleologie, dessen Moralphilosophie und Erkenntnistheorie besonnen haben, um sie affirmierend, kritisierend, überbietend, bis zur Unkenntlichkeit verändernd in ihre Werke eingehen zu lassen, widmet sich diesem Forschungsdesiderat nicht nur einer der Schwerpunkte des Kant-Kongresses 2015, sondern auch ein umfängliches Kapitel dieses Lesebuchs. Ferner wird auch das Thema »Kant und der Wiener Kreis« in diesem Projekt behandelt. Der Wiener Kreis, der sich als philosophische und wissenschaftstheoretische Bewegung nach dem Ort seiner Entstehung benannte, ist heute ein wichtiger Forschungsgegenstand der Philosophie an der Universität Wien, was sich auch in einem eigenen Institut manifestiert. Ohne den Ausgang von Kant, ohne die Auseinandersetzung mit der Kritischen Philosophie ist die Philosophie des Wiener Kreises nicht denkbar. Diesem Themenfeld wird nicht nur im
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Rahmen des Kant-Kongresses 2015 und den 650-Jahr-Feiern der Universität Wien ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Es wird auch in einer zusammenfassenden Übersicht in diesem Lesebuch und der Ausstellung präsentiert. Ein weiteres Schwerpunktthema des Kongresses ist schließlich »Kant und die Phänomenologie«, das ebenfalls in diesem Lesebuch und dem Ausstellungsprojekt Berücksichtigung findet. Die Philosophie an der Universität Wien konzentrierte sich viele Jahrzehnte in ausgezeichneter Weise auf die Phänomenologie, eine philosophische Bewegung, die sich dem konkreten Dasein und den Phänomenen zugewandt hat, um sich aus den abstrakten Gefilden der kantischen Transzendentalphilosophie heraus und auf den Boden der Faktizität zu begeben. Die in Wien gut etablierte philosophische Tradition wird mit diesem Schwerpunkt des Kant-Kongresses 2015 einerseits und den Untersuchungen und Lesefrüchten dieses Kapitels in den Umwegen fortgedacht. Die Ausstellung und das Lesebuch richten sich nicht nur an Kant-Expertinnen und -Experten, sondern auch an Studierende geisteswissenschaftlicher Fachrichtungen, Schülerinnen und Schüler sowie die interessierte Öffentlichkeit, um Einblicke in die Rezeption eines der bedeutendsten westlichen Philosophen und seiner Spuren in Wien, Österreich und Osteuropa zu erhalten. Das Lesebuch kann fortlaufend gelesen werden, aber ebenso kann man hier und dort aufschlagen und schmökern.
Die Umwege, ein Projekt im Werden Das Lesebuch Umwege entstand im Kontext eines im Sommer 2014 abgehaltenen Forschungsseminars am Institut für Philosophie der Universität Wien mit einer Gruppe von hochmotivierten Doktorandinnen und Doktoranden sowie Masterstudierenden unter Leitung der Herausgeberin dieses Bandes. Zur ersten Kerngruppe dieses Projekts zählten Max Beck, Marek Bozˇuk, Max Brinnich, Elisabeth Flucher, Georg Heller, Christoph Leschanz, Olga Ring, Philipp Schaller, Caroline Scholzen, Bastian Stoppelkamp und Alexander Wilfing. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen mit Begeisterung ihren Kompetenzen und Interessen entsprechend fast alle Themen auf, um dazu zu recherchieren und Beiträge zu verfassen. In intensiver, gemeinsamer Arbeit und wechselseitiger Lektüre wurde vorgeschlagen, ausgewählt, sondiert und verworfen, bis dann an den entstehenden Beiträgen sprachlich, inhaltlich, schließlich auch redaktionell gemeinsam und mit gegenseitiger Hilfestellung gefeilt wurde. Durch den großen Einsatz der beteiligten Doktorandinnen, Doktoranden und Masterstudierenden konnten zahlreiche Themen des Projekts bearbeitet werden. Dennoch blieben einige Themen offen, die zu bearbeiten für ein stimmiges Bild des Ganzen notwendig erschienen, aber entweder verworfen werden mussten oder zu denen
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Abb. 2: Kant-Kartusche, Hauptgebäude der Universität Wien
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weitere Gastbeitragende einzuladen waren, was bei einigen offenen Fragestellungen gelang. Beim Thema »Kant und die Zensur« wurde das Team von Alexander Wilfing und Olga Ring (beide Wien) durch Franz Leander Fillafer (San Domenico di Fiesole) und Eszter Dek (Budapest) unterstützt. Obwohl in Österreich Zensur herrschte, gab es zeitweilig ein starkes Interesse an Kants Philosophie im Fürstentum Salzburg. Daher wurde ein Beitrag von Werner Sauer in stark gekürzter Form in den Band aufgenommen. Auch im Kloster Melk wurde Kant ungeachtet der offiziellen Linie intensiv studiert. Dazu findet sich ein Gemeinschaftsbeitrag von Bernadette Kalteis, Helmut Jakob Deibl und Johannes Deibl (alle Melk) im Band. Schließlich haben auch Herta Nagl-Docekal sowie Kurt Walter Zeidler (beide Wien) zu diesem Themenkomplex beigetragen. Dass Reinhold so umfangreich in diesem Lesebuch bedacht wird, obwohl er nur seine Jugendzeit in Wien verbracht hat, die Zeit seiner Reife und bedeutendsten Wirkung aber die seiner Professorenzeit in Jena, also in Deutschland (und später im damals dänischen Kiel) war, liegt auch daran, dass er ein »bekannter Unbekannter« ist. Dieses Lesebuch will dazu beitragen, Kant-Forscherinnen und -Forscher, die sich noch wenig mit Reinhold beschäftigt haben, dazu einzuladen, sich genauer auf ihn einzulassen. Zudem würde man Reinholds Bedeutung nicht gerecht werden, würde man nur den Reinhold vorstellen, dessen Werdegang in Wien seinen Anfang nahm. Es lag nahe, zu diesem Thema neben den Beiträgen von Philipp Schaller (Wien) vor allem den Reinhold-Forscher und Herausgeber seiner Werke, Martin Bondeli (Bern), einzuladen, der einen überwiegenden Teil der Beiträge beigesteuert hat. Weitere wichtige thematische Ergänzungen stammen von Guido Naschert (Weimar). Für das Thema »Kant in Osteuropa« fanden sich weder in der Studierendengruppe des Forschungsseminars noch sonst am Institut für Philosophie an der Universität Wien Expertinnen oder Experten, die Beiträge übernehmen konnten. Daher wurden Gäste aus zahlreichen Ländern in Osteuropa eingeladen, zur Kant-Rezeption in ihren Ländern Beiträge beizusteuern. Dass einzelne Länder stärker, andere weniger stark oder gar nicht vertreten sind, liegt vor allem an der Bereitschaft und zeitlichen Disposition der angeschriebenen Forscherinnen und Forscher. Das erfreuliche Ergebnis der Anfrage bei Forscherinnen und Forschern in den Ländern Osteuropas findet sich mit Beiträgen von Ma˘da˘lina Diaconu und Marin Diaconu (Bukarest) über Rumänien, Peter Egyed (Cluj-Napoca) über Ungarn, Jindrˇich Karsek (Prag) über Tschechien, Jakub Kloc-Konkołowicz (Warschau) über Polen, Jörg Krappmann (Olomouc) über Tschechien, B¦la Mester und Lszlû Perecz (beide Budapest) über Ungarn, Jure Simoniti (Ljubljana) über Slowenien, Mrton Tonk und Imre Ungvri-Zrinyi (beide Cluj-Napoca) über Ungarn, Jan Zouhar (Brno) über Tschechien und Jure Zovko (Zagreb/Zadar) über Kroatien in diesem Band versammelt. Da die Gäste
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aus Osteuropa zumeist weder Deutsch noch Englisch als Muttersprache sprechen, war es eine weitere Aufgabe für die Studierendengruppe des Forschungsseminars, die Texte genau zu bearbeiten und zu redigieren. Hier sei ganz besonders Philipp Schaller, aber auch Elisabeth Flucher für ihren großen Einsatz gedankt. »Kant und seine Dichter« fand unter den Studierenden einen außerordentlich starken Zuspruch, zumal bereits in einem früheren Semester, im Winter 2012/ 2013, ein erstes Forschungsseminar zum Thema »Dichter als Leser Kants« von der Herausgeberin dieses Lesebuchs an der Universität Wien durchgeführt wurde. Das Team des Forschungsseminars, das zu diesem Thema der Umwege arbeitete, bestand aus Max Beck, Elisabeth Flucher, Gabriele Geml, Christoph Leschanz, Philipp Schaller, Caroline Scholzen und Alexander Wilfing und wurde ergänzt durch Beiträge zu Friedrich Schlegels Zeit in Wien durch Guido Naschert (Weimar) und durch Sebastian Schneck (Wien), der sich in dem früheren Forschungsseminar zur Kant-Rezeption bei Dichtern mit einem Beitrag zu Thomas Bernhards Immanuel Kant profiliert hatte. Dass Friedrich Schiller in diesem Kontext ein breiterer Raum gegeben wird, ist darin begründet, dass diesem frühen begeisterten Leser Kants und Theoretiker einer ästhetischen Erziehung des Menschen im Anschluss an Kant herausragende Bedeutung dafür zukommt, dass Kant in Kreisen von Dichtern und Literaten in Deutschland aber eben auch in Österreich diskutiert wurde. Schiller gilt zwar immer noch als ein wichtiger Autor, doch ist er in der Forschung nicht mehr so präsent wie früher. Für Leserinnen und Leser, die sich eine erste Orientierung verschaffen wollen, werden in einem Beitrag von Violetta L. Waibel (Wien) die Grundzüge von Schillers Kant-Rezeption präsentiert. Das Thema »Kant und der Wiener Kreis« wurde vor allem durch Beiträge von Olga Ring und Bastian Stoppelkamp (beide Wien) bestritten, unterstützt durch Sophie Loidolt und Kurt Walter Zeidler (beide Wien). Zum Wiener Kreis gibt es eine intensive Forschung am Institut für Philosophie der Universität Wien, die im Jahr des 650. Universitätsjubiläums mit eigenen Veranstaltungen und Ausstellungen repräsentiert wird. Dort ist die Perspektive auf Kant weitgehend ausgeklammert. Diesem Desiderat wird durch die Beiträge in diesem Band entsprochen. Das Team des Forschungsseminars, das sich dem am Institut für Philosophie der Universität Wien so wichtigen Thema »Kant und die Phänomenologie« widmete, formierte sich aus Max Brinnich, Marek Bozˇuk, Georg Heller (alle Wien) und wurde verstärkt durch Kolleginnen und Kollegen am Institut für Philosophie in Wien, nämlich Sophie Loidolt, Philipp Schmidt und Kurt Walter Zeidler. Das Thema der Phänomenologie wurde mit einem Überblicksartikel zur Kant-Rezeption bei Martin Heidegger (von Philipp Schmidt) ergänzt, um den Leserinnen und Lesern, die sich damit nicht näher beschäftigt haben, eine erste
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Orientierung zu geben, obwohl Heidegger nur marginale Berührung mit Wien oder Österreich hatte, während ihm doch eine große Bedeutung für die Bewegung der Phänomenologie in Österreich zukommt.
Abb. 3: Karl Goetz, Immanuel Kant, Sibermedaille zum 200. Geburtstag mit Segelschiff auf wolkenumkränztem Erdball
Allen Autorinnen und Autoren, die Beiträge zu diesem Band verfasst haben, sei herzlich dafür gedankt. Als die Idee Realität zu werden begann, dass jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer des Internationalen Kant-Kongresses das Lesebuch der Umwege auf den Weg mitgegeben werden sollte, suchten wir nach einem Übersetzer- und Lektorenteam, das einen großen Teil der Texte, die nicht ohnehin in Englisch verfasst oder von den Autorinnen und Autoren bereits selbst übersetzt wurden, ins Englische übertrug. Hier sei daher auch auf Susanne Costa-Krivdic (Innsbruck) und ihr Team international hervorragender Übersetzerinnen und Übersetzer, Lektorinnen und Lektoren verwiesen, zu denen Dalbert Hallenstein (Verona), John Jamieson (Wellington), Linda Cassells (Auckland), Ren¦e von Paschen (Wien), Katharina Walter (Innsbruck) und Peter Waugh (Wien) zählen. Sie haben mit ihrem unermüdlichen Einsatz für dieses Projekt wertvolle Unterstützung geleistet. Dafür sei ihnen sehr herzlich gedankt. Es bleibt noch zu sagen, dass in diesem Lesebuch nicht durchgängig die weibliche und männliche Form gendergerecht explizit gemacht ist. An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies, wo es erforderlich ist, immer implizit mitgedacht ist. Mit einem außerordentlich großen Einsatz haben Max Brinnich (neben den eigenen Beiträgen sowie der Übersetzung einiger Texte übernahm er die formale Redaktion der beiden Bände in Deutsch und Englisch), Sophie Gerber (Koordination aller Kontakte mit Verlag, Autoren, Sponsoren und Förderern sowie persönlicher Treffen, ferner Mitarbeit an der formalen Redaktion) und Philipp Schaller (neben den eigenen Beiträgen sowie der Übersetzung eines Textes führte er umfangreiche sprachliche Redaktionen von Beiträgen durch) am Zu-
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standekommen der beiden Bände mitgewirkt. Ihnen sei sehr herzlich dafür gedankt. Schließlich gebührt auch ein sehr herzlicher Dank Sarah Caroline Jakobsohn, Florian Kolowrat und Artemis Linhart für ihre diversen Arbeiten im Zuge der Vorbereitung der Bände für die Publikation. Bei der Recherche von geeignetem Bildmaterial für das Buch- und Ausstellungsprojekt haben Aurelia Littig und Tamara Thiel wertvolle Unterstützung geleistet. Ohne den gemeinsamen großen Einsatz und das begeisterte Engagement aller Beteiligten für dieses Projekt hätten diese Bände nicht zustande kommen können. Der Universitätsbibliothek Wien, insbesondere Alexandra Matz und Pamela Stückler, sei herzlich gedankt für die hilfreiche Kooperation. Allen Archiven, Bibliotheken und Institutionen, die uns Bildmaterial zur Verfügung gestellt haben (siehe Abbildungsverzeichnis), sei gleichfalls sehr herzlich für die Zusammenarbeit gedankt. Das Projekt hat auch bei Förderern und Sponsoren begeisterte Zustimmung gefunden. Ohne die finanzielle Unterstützung, die das Buch- und Ausstellungsprojekt durch verschiedene Institutionen und Förderer erfahren hat, hätte dieses ehrgeizige Projekt nicht realisiert werden können. Der Dank gilt – dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich, – dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, – der ERSTE Stiftung, DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung, – der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien, – dem Kuratorium »Reinholds Gesammelte Schriften« der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, – der Stadt Wien und insbesondere der Magistratsabteilung 7 für Wissenschafts- und Forschungsförderung, – dem Stift Melk, – dem Verein »Philosophie und Kunst im Dialog« e.V. sowie – dem Vizerektorat für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Wien. Dem Verlag Vienna University Press sei sehr herzlich gedankt dafür, dass er diese Bände in sein Verlagsprogramm aufgenommen hat. Violetta L. Waibel, Wien im Juli 2015
Kant und die Zensur
Kant und die »österreichische Philosophie« – Eine Einführung von Alexander Wilfing Existiert eine spezifisch »österreichische Philosophie«, die sich durch positive sowie negative Merkmale als eigenständige Denktradition vom benachbarten Deutschland abgrenzen lässt? Diese Frage, die neben ihrer historischen Relevanz auch deutliche Merkmale einer nationalen Selbstvergewisserung aufweisen dürfte,1 ist bis heute nicht wirklich entschieden. Der unlängst verstorbene Philosoph Rudolf Haller, der sich dieser komplexen Thematik mehrfach widmete, hat die basalen Kriterien eines genuin österreichischen Philosophierens derartig resümiert: Als Positiva wurden von ihm eine »Forderung nach Wissenschaftlichkeit der Philosophie« und das damit verbundene »naturwissenschaftliche Forschungsideal«, eine empirische Methodik sowie eine sprachkritische Einstellung akzentuiert, die ein analytisches Philosophieren von Bernard Bolzano bis Ludwig Wittgenstein begünstigt habe.2 Die betreffenden negativen Merkmale, also die differenzierenden Charakteristika zwischen Deutschland und Österreich, lassen sich noch kürzer fassen: Österreich habe Kants Lehre und den Deutschen Idealismus dezidiert abgelehnt und damit eine autochthone philosophische Tradition begründet.3 Diese Ansicht wurde schon durch Otto Neurath vertreten, der mit Rudolf Carnap und Hans Hahn das Manifest Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis verfasst hatte, in dem auch eine historische Verankerung des logischen Positivismus unternommen wurde.4 In Neuraths Aufsatz Die Entwicklung des Wiener Kreises kann man die bis heute wirkende Hypothese eines österreichischen Anti-Kantianismus dann auch explizit studieren: »Österreich erspart[e] sich das Zwischenspiel mit Kant.«5 Neurath begründet die von ihm gesetzten Merkmale einer österreichischen Nationalphilosophie, die Hallers These einer »empiristisch«, »positivistisch« und »anti-metaphysisch« orientierten Ausrichtung antizipieren, mit einer soziologischen Grundannahme.6 Während der römische Katholizismus und seine
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Kant und die Zensur
»stark theologisch gefärbte Philosophie« die abstrakte Analyse von »logischen Operationen« eminent fördere, habe der deutsche Protestantismus – der die katholische Orthodoxie suspendiert und damit keine verbindliche Grundlage für alle weiteren philosophischen Fragestellungen gewährleisten könne – »halbmetaphysische, viertelmetaphysische Wendungen als Restbestand unvollkommen verdrängter Theologie« bewahrt.7 Der Deutsche Idealismus müsse somit stets eine neue positive Grundlage seiner spekulativen Überlegungen sondieren, während die katholische Dogmatik, »unbeschwert von metaphysischen Einzelheiten«, die fundierte Etablierung einer logischen Analyse möglich mache: »Die Bolzano, Herbart, Brentano vertraten eine logisierende Tradition, die sich immer wieder dem Kantianismus und der deutschen idealistischen Philosophie entgegenstemmte.«8 Ein Erbe dieser historischen Konstruktion, die die »grande narration« einer einheitlichen österreichischen Philosophie darstellen dürfte und daher höchst vorsichtig behandelt werden muss,9 war auch Roger Bauer. Seine These, die den religionssoziologischen Überlegungen Neuraths sehr nahe kommt,10 möchte ebenfalls belegen, dass Kants Lehre im Habsburgischen Machtbereich spärlich rezipiert wurde und »die geistige Entwicklung, die mit den kritischen Schriften Kants einsetzt, in Österreich eigentlich nicht nachvollzogen wird«.11 Bauers Tenor leitet damit direkt zu Rudolf Haller zurück, der die selbstständige Entwicklung und die eigenständige Charakteristik der österreichischen Philosophie durch jene bereits erwähnten Merkmale beschrieb, die dann auch verhinderten, »daß der Königsberger Denker und der preußische Staatsphilosoph, daß also Kant und Hegel innerhalb Kakaniens je zu beachtlicher Wirkung gelangen konnten.«12 Beiden Autoren – Neurath, der ohne empirische Darlegung und damit eklatant spekulativ verfuhr, kann hier getrost ignoriert werden –13 wurde jedoch vorgeworfen, bei der punktuellen Auswahl ihrer textlichen Zeugnisse äußerst selektiv vorzugehen. Betreffs Bauers Buch sprach Werner Sauer nicht ohne triftige Gründe von einer »wenig befriedigenden« Abhandlung, die die anfangs verbreitete Akzeptanz der kritischen Philosophie eindeutig verfälsche und eine mehr oder weniger bewusste »Verzeichnung der historischen Situation im Sinne der Erklärungshypothese« darstelle, die eine ungenügende Vereinfachung von komplexen Sachverhalten bewirke.14 Barbara Otto, die sich Sauers Urteil rundweg anschloss, machte weiters deutlich, dass sich Bauers Monographie – und neben dieser auch Schriften Robert Mühlhers15 und Herbert Seidlers16 – primär durch eine antiquierte ideenhistorische Methodologie auszeichnen, die die »obligate[] Geringschätzung einer Sozialgeschichte der Philosophie« und das »chronische[] Desinteresse am kulturinstitutionellen Umfeld dieser Wissenschaft« nach sich ziehe.17 Dieser sicher legitimen Reklamation wurden Hallers Studien jedoch insofern gerecht, als er die enorme Relevanz von (staatlichen) Institutionen mehrmals
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Abb. 1: Max Pollak, Blick über den Universitätsplatz gegen die Akademie der Wissenschaften und die Universitätskirche (um 1910)
betonte: Jegliche Philosophie, die eine überregionale Wirksamkeit erlangen wolle, bedürfe hierfür einer öffentlichen, organisierten oder universitären Förderung, um eine umfassende Schulbildung einzuleiten, wofür gewisse politische und ideologische Bedingungen nötig wären, die dafür sorgen, dass eine gewisse philosophische Konzeption zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Raum weitgehend akzeptiert werde: »Wissen wie Wissenschaft sind auf Überlieferung und Tradition angewiesen, weil alles Lernen auf der Übernahme von produzierten Wissen aufbaut.«18 Diesem Diktum schloss sich auch Werner Sauer an, der ebenso darauf hinwies, dass selbst philosophische Strömungen »eines institutionellen Rahmens, gebildet von Universitäten, Akademien oder auch […] bürgerlichen Öffentlichkeitsinstitutionen« bedürfen, »durch den Traditionsbildung und damit Entwicklung, Verfall usw. überhaupt erst möglich werden.«19 Sauers und Hallers Wege scheiden sich aber hier erneut, indem ersterer eindeutig demonstriert, dass die in Hallers Arbeiten angeführten universalen Kriterien einer »österreichischen Philosophie« auf die einzelnen Exponenten dieser vermeintlich einheitlichen Orientierung nicht durchweg anwendbar sind.20 Dies meint nicht lediglich fundamentale philosophische Differenzen in Epistemologie, Ästhetik, Logik, Ethik etc. von Bernard Bolzano über Franz Brentano bis hin zum Wiener Kreis, die wohl kaum verwundern, sondern ebenso das individuelle Verhältnis der diversen Positionen zur Ersten Kritik Kants.
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Sauer macht dies mit Brentanos Vier-Phasen-Schema vom Aufstieg und Verfall der Philosophie und einzelnen Vertretern des logischen Empirismus (Reichenbach und Carnap) deutlich: Brentano definiert Kants Lehre als erstes Zeugnis des philosophischen Niedergangs in der vierten Phase (Mystik und Schwärmerei) und macht damit klar, dass ihm die vorkritische, für ihn eigentlich »vordekadente« Philosophie (Leibniz und Wolff) überlegen scheint.21 Die Vertreter des Wiener Kreises hingegen begreifen Kants Kritik der reinen Vernunft als wesentlichen Höhepunkt eines mittlerweile veralteten Paradigmas, dessen wissenschaftlicher Grundausrichtung sie sich dennoch verpflichtet fühlen: »Kants theoretische Philosophie erscheint somit als verwandtes, aber durch den Erkenntnisfortschritt in der Naturwissenschaft überholtes Programm einer wissenschaftlichen Philosophie.«22 Hallers Antwort in seinem Aufsatz Gibt es eine österreichische Philosophie?, die sich auf die relativ schwache Maxime stützt, dass das »was unwichtig ist, auch keine Erwähnung bedarf«, scheint jedoch vorweg unbefriedigend:23 »Ich habe diese Beispiele nicht verschwiegen, weil ich damit unliebsame Widerlegungsinstanzen aus dem Blickfeld räumen wollte, sondern weil die Fälle, die man anführt oder anführen könnte, nicht von Gewicht sind.«24 Diese Distinktion zwischen »wichtigen« und »unwichtigen« Erscheinungen, die seine gezielten Aussparungen in der kontinuierlichen Fortentwicklung der »österreichischen Philosophie« – Haller nennt hier etwa Rudolf Kassner, Robert Reiniger, Carl Siegel und Othmar Spann – begründen soll, muss aber als subjektive Konstruktion bezeichnet werden. Erstens werden einige problematische Schriftsteller, die die vorab entworfenen Kriterien nicht oder nur partiell erfüllen, als vermeintlich unerheblich ausgeklammert und zweitens werden die von Hallers Kritikern plausibel gemachten Divergenzen zwischen inhaltlich unvereinbaren Philosophen durch interpretative Eingriffe schlichtweg eingeebnet, um die größere historische Erzählung beizubehalten. Beide Methoden müssen in eine hermeneutische Zirkelbewegung münden, die Sauers Bedenken keineswegs beseitigt, sondern diese sogar verstärkt. Doch Sauer betont selbst, dass im Habsburgischen Machtbereich eine freie Ausbreitung von Kants Lehre nicht wirklich vollzogen werden konnte und spricht dabei von dem »unbestreitbaren Tatbestand«, dass »in der österreichischen Philosophie keine kantianische […] Traditionsbildung stattgefunden hat.«25 Wenn auch die anfangs intensive Rezeption der kritischen Philosophie von ihm fraglos belegt wurde, zeigt dieser dabei aber auch, wie eine anfänglich fruchtbare Aufnahme Kants durch staatliche Eingriffe neuerlich beschnitten wurde.26 Individuelle Exponenten der kritischen Philosophie wären in der »österreichischen Denktradition« natürlich anzutreffen, aber eine eigentliche Schulbildung wäre niemals eingetreten, was auch einen fraglichen österreichischen Neukantianismus letztendlich einschließe.27 Hier zeigt sich klar, dass die
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betreffende Problematik nicht nur in einer mangelnden Aufarbeitung des vorhandenen Quellenmaterials, sondern auch in seiner jeweiligen Interpretation lokalisiert ist, die immer spekulative Momente inkludiert, sobald partikulare Analysen verlassen werden und das »große Bild« das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse dominiert. Dafür zeugt auch Sepp Domandl, der die von ihm benutzten Quellentexte wieder anders deutet: Österreich war für Kants Lehre »so sehr aufgeschlossen, daß die Regierung sich zu einem umständlichen amtlichen Verfahren gegen sie entschließen mußte.«28 Im Zuge dieses von ihm vorab entworfenen Deutungsrasters gerät somit jeder Autor, der sich nicht expressis verbis gegen die kritische Philosophie positioniert, zum verborgenen Kantianer, der nur wegen staatlicher Pressionen seine geheimen Sympathien verschweigt.
Abb. 2: Aula der alten Universität Wien, heute Akademie der Wissenschaften
Dass diese somit weiter ungelöste Problematik der österreichischen KantRezeption des neunzehnten Jahrhunderts auch von politischen Motivationen gesättigt ist, hat jüngst Johannes Feichtinger demonstriert,29 nachdem bereits Werner Sauer deren eminente Bedeutung in der verspäteten Bildung einer »nationalen Identität« betont hatte.30 Feichtinger akzentuiert dabei vor allem das
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100-jährige Jubiläum von Kants Tod, das zwei gänzlich disparate Beurteilungen dieser speziellen Thematik zeitigte. Im Jahr 1904 werden von Max Ortner zahlreiche instruktive Dokumente präsentiert, die eine enorme Skepsis österreichischer Schriftsteller, Philosophen und Politiker gegenüber Kants Lehre bewusst machen. Ortner resümiert anschließend reichlich lapidar : »Die österreichische Politik unter Franz II. war anti-kantisch bis ins Mark hinein.«31 Karl Wotke, der die relevanten amtlichen Dokumente von Rottenhans Kommission erstmals publizierte, deren unmittelbare Ergebnisse die kritische Philosophie von Österreichs Universitäten verdrängen sollte, zog ganz andere Schlüsse: »So dürfte doch endlich einmal die Behauptung verstummen, bei uns sei gegen Ende des XVIII. Jahrh. die Kantische Philosophie mit Feuer und Schwert verfolgt worden.«32 Wotke stütze sich hier auf die höchstens halbherzigen Bemühungen von einzelnen Diskutanten, die kantische Philosophie in die studentischen Lehrpläne »später einmal« einzubinden und übersieht gleichzeitig, dass das negative Resultat dieses fraglichen Vorhabens vorweg durch einen kaiserlichen Machtspruch unausführbar war. Wie in vielen anderen Fällen war der eigentliche Tatbestand zwischen diesen extremen Meinungen angesiedelt, die die eruierten Dokumente einseitig absolut setzen. Dass sich diese interpretativen Oppositionen überhaupt formierten, kann wohl der politischen Bedeutsamkeit der kantischen Philosophie beziehungsweise der ihr künstlich beigelegten Sprengkraft zugeschrieben werden, die sie zum »paradigmatischen Stellvertreter-Medium für politische Auseinandersetzungen« werden ließ: In den 1850er-Jahren bezichtigten die restaurativen Machthaber eine in Österreich angeblich übermächtige kantianische Aufklärungstradition der sozialen Aufwieglung. Ihre liberalen Widersacher hielten den Herrschenden wiederum entgegen, dass aufgrund der massiven Hetze gegen das Kantsche Denken im Vormärz eine solche Tradition nicht bestanden habe und auch nicht entstehen könnte, da die Lehre Kants nach wie vor unterdrückt würde.33
Während Graf Thun-Hohenstein, der wenig liberale Architekt des postrevolutionären Unterrichts-Ministeriums, die tatsächliche Wirkung der kantischen Philosophie im Habsburgischen Machtbereich bewusst übertrieb und damit »Aufklärung und Revolution kurzerhand verknüpfte[]«, um das »›verseuchte‹ vormärzliche Studiensystem« letztgültig abzuschaffen, wurde aus der anderen Perspektive das »liberale Narrativ« nicht weniger vehement verfochten:34 Georg Jellinek zeichnete die österreichische Philosophie als scholastisches Überbleibsel, als »kirchlich approbierte[] Doktrinen«, da »eine engherzige, kurzsichtige Kabinettspolitik im Bunde mit einer schlauen, wohlüberlegenden Priestersippe« die idealistische Entwicklung Deutschlands von den staatlich kontrollierten Lehrstühlen der österreichischen Universitäten verdrängt hatte
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Abb. 3: Universität Wien (2015)
oder diese vielmehr niemals einlassen sollte.35 Dass Jellinek den tatsächlichen Tatbestand rhetorisch überzeichnet, belegte bereits Alfred Wieser, der für die Jahre 1848–1938 ganze fünfzig Vorlesungen zu Kants Kritiken eruieren konnte, worauf Schopenhauer mit 29 und Aristoteles mit 20 an zweiter und dritter Stelle folgen,36 wobei jedoch unter Graf Thun-Hohenstein eine etwa zehnjährige Unterbrechung (1852–1861) verzeichnet werden muss.37 Für die gleichzeitig eingereichten Dissertationen gelten ähnliche Verhältnisse: Kant führt Wiesers Übersicht mit 39 Arbeiten an; darauf folgen Schopenhauer mit 17, Herbart mit 13, Spinoza mit 12, Nietzsche sowie Leibniz mit 11 und Plato mit 10 Schriften, während die restlichen Philosophen im einstelligen Zahlenbereich bleiben.38 Johannes Feichtinger resümiert folglich rechtens: »Im Zuge einer invention of tradition wurden durch Überzeichnung Traditionen erfunden, der eminent politische Zweck der mit ihrer Aktualisierung jeweils verbunden war, wurde aber übersehen.«39 Doch selbst wenn die heutige Forschung diese politischen Limitationen überwinden kann, die sich noch in den oben behandelten Ausführungen von
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Abb. 4: Dekret, das die ›Kritik der reinen Vernunft‹ verurteilt und verbietet (1827)
Ortner und Wotke deutlich zeigen, ist eine klare Antwort auf die hier behandelte Problematik höchst schwierig. Der Wirkung Kants in der österreichischen Geistesgeschichte ist nämlich zumeist die wenig ergiebige Hypothese einer »nationalen Philosophie« übergeordnet, die eine möglichst ausgewogene Abbildung der historischen Ereignisse entgegen ursprünglicher Intentionen keineswegs ermöglicht, sondern verstellt. Daneben sind aber auch noch wesentlich detailliertere Untersuchungen zu anderen geistigen Fachgebieten von der Rechtsgeschichte und Naturwissenschaft bis hin zur Psychologie, Biologie, Medizin usw. nötig, um das bisher rudimentäre Gesamtbild der österreichischen Kant-Rezeption abzurunden und mit einer möglichst objektiven Antwort fern jeder politischen Theorielast aufzuwarten. Ob sich aus den noch anstehenden Einzelanalysen ein homogener Eindruck von Österreichs Verhältnis zur kritischen Philosophie Kants zukünftig destillieren lässt, scheint durchaus ungewiss. Doch darf auch danach gefragt werden, ob eine derartig diversifizierte Problemstellung überhaupt durch einen abstrakten Überblick sinnvoll erörtert werden kann, ohne letztlich pauschale Antworten abzugeben. Eine mehrheitlich
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unvermittelte Darstellung von teilweise disparaten Wirkungsfeldern der kantischen Philosophie kann dabei vielleicht bessere Ansätze bieten, als die geglättete Vogelperspektive »der« österreichischen Kant-Rezeption.
Die frühe österreichische Kant-Rezeption – Von Joseph II. bis Franz II. von Alexander Wilfing Die Geschichte der österreichischen Kant-Rezeption ist eng mit der offiziellen Bildungspolitik des Habsburgischen Herrscherhauses von Joseph II. bis Franz Joseph I. verbunden. Inwiefern Zensur, Verbote und Regularien tatsächlich bewirkt haben, dass sich ein mehr oder weniger durchgehender Anti-Kantianismus als wesentliches Charakteristikum der österreichischen Philosophiegeschichte herausdestilliert habe, ist bis heute stark umstritten.40 Dies liegt nicht einzig daran, dass wesentliche historische Dokumente noch nicht eruiert werden konnten, sodass etwa noch nicht bekannt ist, welche Werke Kants Ende des achtzehnten Jahrhunderts wirklich zensuriert wurden. Nach Johann Adolf Goldfriedrichs Geschichte des Deutschen Buchhandels (4 Bände, Leipzig 1908–1913) wurden Kants Schriften 1798 generell verboten, was nach Werner Sauer aber auf dessen religionstheoretische und staatsphilosophische Abhandlungen beschränkt war, womit Kants Kritiken davon nicht betroffen gewesen wären.41 Das Problem dürfte ebenso dadurch entstehen, dass sich die manifesten Ergebnisse der offiziell eindeutig kantfeindlichen Bildungspolitik in den diversen fachlichen Disziplinen zu verschiedenen Zeitpunkten höchst ungleich ausgewirkt haben. Während Bernard Bolzano, der Prager Priester, Philosoph und Mathematiker wegen eines unbegründeten Pauschalvorwurfs42 des »gefährlichen« Kantianismus von seiner theologischen Lehrkanzel im Dezember 1819 entfernt wurde,43 erfreuten sich Kants Werke bei österreichischen Schriftstellern gleichzeitig größter Beliebtheit. Obwohl folglich die einzelnen Resultate des offiziellen Kant-Verbots aus dem Jahr 1798 noch wenig erforscht sind, konnte Werner Sauer zweifellos nachweisen, dass Kants Lehre im Habsburgischen Machtbereich eine ungemein positive Frührezeption erlebt hatte. Der Boden für eine philosophische Diskursöffnung wurde von den zwei theresianischen Unterrichtsreformen (1752/1774) bereitet, die zum graduellen Rückbau der katholischen Bindungen Österreichs führten und die vormals jesuitisch geleiteten Universitäten zunehmend staatlich organisierten.44 Die aristotelisch-thomistische Schulphilosophie – der sogenannte »schlendrianum scholasticum« (Abt Alexander Fixelmüller)45 – wurde durch die Philosophie von Wolff und Leibniz ersetzt, die für einige Jahrzehnte als »Leibniz-Wolff’sche Popularphilosophie«46
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– »popular« deshalb, da die rationalistische Metaphysik durch psychologische Fragestellungen aus ihrer früher zentralen Stellung entfernt wurde – an den Habsburgischen Universitäten regieren sollte.47 Die Krönung Josephs II. (1780) und der damit einhergehende »aufgeklärte Absolutismus«, der die politische Bildung des mittleren Standes zwecks staatlicher Modernisierung beförderte,48 wurde für den österreichischen Kantianismus insofern relevant, als das josephinische Staatssystem eine zumindest zeitweise Implementierung von Kants Lehre im Habsburgischen Herrschaftsgebiet möglich machte. Gottfried van Swieten, der von 1781 bis 1791 der kaiserlichen Studienkommission präsidierte, wurde ab dem Jahr 1782 auch die staatliche Zensurbehörde überantwortet,49 was eine merklich liberalere Anwendung der betreffenden Vorschriften nach sich zog.50 Die zuvor extrem pragmatischen Grundsätze der universitären Ausbildung, die sie zur rein beruflichen Schulung gemacht hatten, wurden von ihm nachhaltig revidiert und einem toleranteren Aufklärungsziel untergeordnet, das mit staatlichen Interessen harmonieren, aber trotz allem mündige Bürger erziehen sollte.51 Van Swieten und der ähnlich gesinnte Joseph von Sonnenfels propagierten zwar kein rückhaltloses Aufklärungsideal – der erwachsene Staatsbürger sollte sich aus freier Einsicht einer gerechten Monarchie unterordnen –,52 gestatteten für den universitären Unterricht aber ein erstmaliges Abweichen von den streng standardisierten Lehrbüchern.53 Im Jahr 1783 wurde von van Swieten ein konkreter Reformplan verfasst, der die philosophische Schulausbildung sukzessive verändern und den frontalen Lehrbetrieb um einige inhaltliche Freiheiten bereichern sollte, auf dass »die Jugend nicht blos Philosophie, sondern philosophieren« lerne und sich »zum eigenen Denken gewöhne«.54 Neben diesen indirekten Anreizen wurde van Swietens Position für den österreichischen Kantianismus insofern relevant, als dieser Anton Kreils Professur an der Pester Universität 1785 offiziell bewilligte und dessen riskante Berufung vermutlich persönlich forcierte.55 Dessen Sympathie für Kants Lehre führte auch dazu, dass von ihm schon sehr bald Kants Kritiken, speziell dessen Kritik der reinen Vernunft, öffentlich doziert wurden.56 Kreil selbst, der der Loge »Zur wahren Eintracht« angehörte, war bereits zuvor mit sieben Beiträgen für das Journal der Freymaurer hervorgetreten, in denen Kants System und dabei speziell seine kritische Beschränkung der rationalen Vernunft lobend besprochen wurden. Er ließ im Jahr 1789 ein Handbuch der Logik folgen, dessen kantische Inspiration deutlich scheint.57 Auch Johann Nepomuk Delling, der wohl bekannteste Leidtragende der bayrischen IlluminatenVerfolgung, der zum gleichen Zeitpunkt von van Swieten an die ungarische Universität Fünfkirchen berufen wurde, lehrte nach kantischen Grundsätzen.58 Diese zuerst liberale Haltung betreffs der kritischen Philosophie wurde sogar in
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Abb. 5: Franz Anton Zauner, Joseph II., Josefsplatz, Wien (1807)
der katholischen Moraltheologie eingeführt, die Anton Reyberger auf Betreiben Augustin Zippes ab dem Jahr 1788 nach teils kantischen Prinzipien vermittelte.59 Der eigentliche Kantianismus Österreichs war aber doch im privaten Bereich angesiedelt. Dies betraf ebenso die wissenschaftliche Forschung, die vom dogmatischen Lehrbetrieb striktest getrennt war, nur privat getätigt werden durfte und oft dem gebildeten Beamtenstand entstammte.60 Hierzu gehörte auch eine rigorose Trennung zwischen Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften, wobei letztere als relativ wertneutrale und praktisch anwendbare Forschungsfelder galten, während philosophische Disziplinen als potentiell gefährlich betrachtet wurden und später einer »beglückenden Finsternis« weichen sollten, die den status quo »zur positiven Norm erhob«.61 Dies führte dazu, dass neben Karl Leonhard Reinhold viele intellektuell interessierte Staatsbürger den Habsburgischen Machtbereich zeitweise verließen und den direkten Kontakt Kants suchten oder dessen Jenenser Hochburg bereisten (Johann Benjamin Erhard, Leopold Ritter Meißel, Gottfried Wenzel Graf Purgstall, Joseph Schreyvogel,
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Abb. 6: Kaspar Clemens Eduard Zumbusch, Franz Joseph I., Juristenstiege, Universität Wien (1886)
Cajetan Tschink etc.).62 Wie Werner Sauer prägnant feststellte: »Das am Aufklärungsdenken festhaltende und sich mit dessen Politisierung zum Frühliberalismus weiterentwickelnde Lager der kritischen Josephiner« war »die hauptsächliche Rezeptionsbasis der Kantischen Philosophie.«63 Besondere Bedeutung erlangte hierbei Franz Paul von Herbert, ein Klagenfurter Fabrikant, der einen kantischen Lesekreis gründete und wegen dieser »republikanischen Gesinnung« dann auch polizeilich verfolgt wurde.64 Deutliche kantische Einflüsse finden sich auch in der ungarischen Philosophie des frühen neunzehnten Jahrhunderts, in mehreren progressiven Lehrbüchern der 1790er Jahre und in der anonym erhobenen Forderung Stephan Tichys, Kants System universitär einzubinden (Philosophische Bemerkungen über das Studienwesen in Ungarn, 1792).65 Selbst die aufgeklärte Geistlichkeit rezipierte Kants Lehre durchaus positiv, wie der Wiener Bischof Matthias Steindl bezeugt, der seinen Schülern Kants Werke unverblümt anempfahl.66
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Schon 1786, also rund fünf Jahre nach ihrem ersten Erscheinen, waren Kants Kritik der reinen Vernunft und seine restlichen publizierten Schriften in den meisten Wiener Buchhandlungen käuflich erwerblich, obwohl sie noch zwölf Monate zuvor kaum ausfindig gemacht werden konnten.67 Im Juni 1788 sprach Paul Pepermann gegenüber Karl Leonard Reinhold sogar von einer buchstäblichen Überflutung mit kantbezogenen Veröffentlichungen, die man völlig sorglos beziehen könnte (Pepermann an Reinhold, 18. 06. 1788).68 Der Höhepunkt dieser kurzzeitigen Begeisterung für Kant dürfte etwa Mitte der 1790er Jahre erreicht gewesen sein, als ein Grazer Nachdruck von Kants Werken (1795–1797) erschien, der den historischen Wendepunkt dieser zunächst günstigen Rezeption markiert.69 Kants Leser wurden von den politischen Ereignissen, der Französischen Revolution und der Hinrichtung Ludwig XVI. (1793) eingeholt, die die wirksame Verbreitung von Kants Lehre nachdrücklich beeinflussten: Franz II., seit dem Jahr 1792 Kaiser Österreichs, der die politische Situation des revolutionären Frankreich keinesfalls importieren wollte, leitete einen reaktionären Gegenkurs ein, der aufklärerische Tendenzen unterbinden sollte, denen auch Kants System zugerechnet wurde.
Abb. 7: Pompeo Marchesi, Kaiser Franz II./ I., Innerer Burghof, Wien (1846)
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Diese Entwicklung zeigte sich etwa bei Lazarus Bendavids Vorlesungen über die kantische Philosophie (Wien 1793), die derartig ausgiebig frequentiert waren, dass selbst der große Hörsaal der alten Wiener Universität (der heutige historische Festsaal der »Österreichischen Akademie der Wissenschaften«) nicht alle interessierten Teilnehmer fassen konnte. Durch diese evidente Neugierde auf Kants Lehre mussten Bendavids äußerst populäre Vorträge sogar in das wesentlich größere Stadtpalais Graf Harrachs verlegt werden.70 Doch trotz – oder besser : gerade wegen – des gewaltigen Andrangs der Zuhörer, wurden die Vorlesungen Bendavids, der auch einen laienhaften Hörerkreis mit kantischen Gedanken vertraut machen konnte, während eines laufenden Zyklus staatlich untersagt und der Berliner Philosoph war 1797 gezwungen, aus der kaiserlichen Residenzstadt auszureisen.71 Damit brach das Habsburgische Herrscherhaus mit seiner früher relativ liberalen Haltung betreffs der kantischen Philosophie und schlug auf offizieller Ebene einen österreichischen »Sonderweg« ein, der eine kantische Schulbildung langfristig verhinderte.72
Abb. 8
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Die staatlich erwirkte Kant-Zensur – Von Franz II. bis Graf Thun-Hohenstein von Alexander Wilfing Wenn auch meistens fraglos akzeptiert wird, dass erst Kaiser Franz II. dafür sorgte, dass die zuvor liberalere Haltung der österreichischen Bildungspolitik aufgehoben wurde, war die vielleicht pragmatischere Grundhaltung Maria Theresias und ihres zeitweisen Mitregenten sowie direkten Nachfolgers Joseph II. wohl weniger tolerant als vielfach vermutet.73 Obwohl Metternich und Kaiser Franz immer wieder für eine verschärfte Gangart und die letztliche Etablierung eines regelrechten Polizeistaats verantwortlich gemacht werden,74 bestanden zensurelle Einrichtungen, die bis zur Revolution 1848 und darüber hinaus erhalten blieben, schon zur Zeit Maria Theresias.75 Das »System Metternich«, das die österreichische Vormärzära schlagwortartig charakterisieren dürfte, wurde bereits während der Regierung Josephs II. errichtet, sodass Kaiser Franz einzig dessen möglichst perfekte Durchführung einfordern musste:76 Der »geheime Dienst« (Gründung 1786), der bis zur Ersten Republik erhalten bleiben sollte, und die zentralisierte Polizeimacht unter Graf Pergen (1789) waren einigen restaurativen Maßnahmen Josephs II. geschuldet, der seinen anfänglichen Reformelan relativ rasch wieder einbüßte.77 Diese Rücknahme von zuvor bereitwillig erteilten bürgerlichen Freiheiten war der revolutionären Entwicklung Frankreichs geschuldet, in der Kants Lehre eine angeblich maßgebliche Bedeutung erlangt habe.78 Doch wieso waren Kants Werke, denen man eine radikale Verherrlichung der Französischen Revolution schwerlich vorwerfen kann, für die franziszeische Bildungspolitik derartig verdächtig? Dieses Urteil über die kritische Philosophie basierte vorweg auf der kantischen Vernunftkritik, die diverse politisch relevante Bereiche – Religion, Moral, Staat etc. – vom absolutistischen Normenkodex loslöste und damit hohes kritisches Potential entfalten konnte. Deshalb opponierte die österreichische Restauration folgerichtig gegen dessen aprioristischen Konstruktivismus, der eine zunehmende bürgerliche Emanzipation durch kritische Reflexion möglich machte und mit seiner riskanten »quidjuris«-Frage eine ernstliche Bedrohung für die etablierte Ordnung darstellte, die nun vor der menschlichen Vernunft und ihren keineswegs ständischen Gesetzen bestehen musste.79 Peter Miotti etwa teilte diese politischen Vorbehalte und wollte Kants Lehre endgültig verbieten und nur alle jene Denker gelten lassen, die »ihre Philosophie nach der existirenden Welt, nicht die existirende Welt nach ihrer Philosophie einrichten.«80 Andernfalls könnten mit Kants Denken, das im absolutistischen Ständestaat nun nicht mehr tragbar schien, soziale Umbrüche theoretisch begründet werden, zumal Kants Lehre als politische Philosophie
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schlechthin eingeschätzt wurde, deren umfassende Verbreitung jedenfalls verhindert werden musste. Dazu Werner Sauer : Als Philosophie des politischen Fortschritts par excellence, als zweifellos tiefster Beitrag zum Selbstverständnis des mit der Aufklärung begonnenen und in der Großen Revolution kulminierenden bürgerlichen Emanzipationsprozesses mußte Kants Philosophie, jedenfalls sobald ihre politische Dimension hervortrat, in einem System auf Widerstand stoßen, dessen ganze ratio essendi im Aufhalten und Zurückdrängen dieses Prozesses lag.81
Diese Tendenz schlug sich auch im schon damals umstrittenen FreimauererVerbot aus dem Jahr 1797 nieder,82 das die österreichische Aufklärung ihrer zentralsten Plattform für freien Austausch beraubte, wobei erste diesbezügliche Maßnahmen abermals wesentlich früher mit dem polizeilichen FreimauererPatent (1785) datiert werden können,83 das rigorose Eingriffe in die vormals unbehelligt agierenden Organisationen nach sich zog. Freimaurer-Logen waren zwar schon unter Maria Theresia zeitweilig verboten (1765–1780), erfuhren aber unter Joseph II. einen ungeahnten Aufschwung, da dieser sogar seine direkten Berater aus diesen aufgeklärten Rängen rekrutierte, was sich durch die geänderte Einschätzung radikal wandelte.84 Für reaktionäre Journalisten wie Alois Leopold Hoffmann (Wiener Zeitschrift) oder Felix Franz Hofstätter (Magazin der Kunst und Literatur) war die Französische Revolution eine gezielte freimaurerische Verschwörung, deren angeblich pervertierter Freiheitsgedanke sich auch in Kants Werken finden würde.85 Dies war für den österreichischen Kantianismus insofern schädlich, als Kants Lehre unter hiesigen Freimaurern tatsächlich verbreitet war, wie die zuvor erwähnten Artikel Kreils für das Journal der Freimaurer und seine engagierte Teilnahme an der Wiener Loge »Zur wahren Eintracht« bezeugen dürften.86 Dieses Klima, das Aufklärung, Freimaurerei, Französische Revolution und kantische Philosophie als faktische Synonyme betrachtete, kulminierte in der staatlichen Jakobiner-Verfolgung (1794), die eine kaiserlich angeordnete Pensionierung von Anton Kreil nach sich zog und zahlreiche Verhaftungen, Anprangerungen und Hinrichtungen bewirkte, die sogar ehemalige Mitarbeiter Leopolds II. direkt betraf.87 Anton Kreil und Johann Nepomuk Delling wurden beide mit der damit naheliegenden »Begründung« entlassen, dass »der Vortrag der kritischen Philosophie zum Atheismus führe.«88 Aktive Aufklärer wurden nun als »räudige Schaafe« (Zitat Franz II.)89 bezeichnet und diese aggressive Einstellung auch gegen Kants Person gewendet, der in dem populären Satireblatt Eipeldauerbriefe90 – das aus polizeilichen Fördergeldern gespeist wurde – als »Großpapa der Mordphilosophie« schlechthin firmierte.91 Diese »Kritik« Kants wurde neben Benedikt Sattlers Anti-Kant vor allem durch Peter Miottis Polemiken (Über die Nichtigkeit der Kantischen Grundsätze in der Philosophie, Wien 1798;
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Über die Falschheit und Gottlosigkeit des Kantischen Systems, Augsburg 1802) verschärft, die zur großen Freude des Wiener Nuntius Severoli die »perversen Grundsätze des Materialisten Kant« emphatisch bekämpften.92 In seinen Kantischen Grundsätzen forderte dieser dann auch eine vollständige Unterdrückung der kantischen Philosophie, die durch ihren ketzerischen Apriorismus die kirchliche Wahrheit und staatliche Ordnung leichtfertig zersetzen wolle. Abermals richtet sich Miottis Kritik nicht einzig gegen inhaltliche Aussagen Kants, sondern bereits gegen dessen methodisches Vorgehen, das der positiven Ausrichtung der österreichischen Unterrichtspolitik eindeutig widersprach, da die objektiven Gegebenheiten der staatlichen Autoritäten von ihm nicht zweifelsfrei anerkannt wurden: die heutigen Jakobiner, woher haben sie ihre Begriffe von Gleichheit und Freyheit, von Tyranen und Tyraney genommen? aus der Betrachtung dieser Welt? o! gewiß nicht; denn in dieser Welt hat man gar keine Spur von derjenigen Freyheit, Gleichheit und Tyraney, die sie so hoch prahlen; sie haben sich diese hohen Kenntnisse a priori verschafft; sie haben sie aus der Welt geschöpft, die sie sich in ihrer Einbildung nach Eigendünken erschaffen haben. Wenn nun aus willkührlichen Erkenntnissen, aus Erkenntnissen a priori so viel Unheil zu allen Zeiten entstanden ist, was hat man von einem Systeme zu erwarten, welches sich mit lauter transcendental Begriffen, mit lauter Erkenntnissen a priori beschäftiget?93
Wenn Kants Lehre wegen politischer Rücksichten also nicht mehr frei gestattet werden konnte, hatten viele Habsburgische Bildungsplaner dennoch triftige Bedenken gegen deren offizielle Untersagung, die das »Ansehen Österreichs in der gebildeten Welt« geschädigt und das ohnehin vorhandene Interesse lediglich vermehrt hätte.94 Doch konnte man wegen ihrer enormen Resonanz und ihrer vermeintlich gefährlichen Ausrichtung auch nicht darauf verzichten, eine zumindest mittelbare Beschränkung einzurichten, die ihrer vatikanischen Indizierung (1827) voraus ging. Der Polizeiminister Johann Anton Pergen regte daher im Jahr 1795 eine reformierte Studienkommission an, die dem Minister Heinrich Rottenhan unterstellt wurde und die das österreichische Bildungswesen im franziszeischen Regierungsgeist erneuern sollte, um »den Schaden wiedergutzumachen, den die Aufklärung in den Köpfen der österreichischen Bevölkerung angestiftet hatte.«95 Die Schule sollte einzig restaurativen Zielsetzungen dienen, von jeglicher wissenschaftlichen Nonkonformität gegenüber staatlichen und kirchlichen Vorgaben befreit werden und lediglich propädeutisch verfahren, da »die von der Philosophie ausgehende Gefahr für die bestehende Ordnung« einer »politischen Aktualisierung des humanwissenschaftlichen Denkens« geschuldet wäre.96 Rottenhans Programm, das bei dem allgemeinen philosophischen Vorbereitungsstudium – einem »studium generale« – besonders skeptisch ausfiel, wurde nach folgenden Kriterien verfasst:
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das Studium der Mathematik und der Physik, dann die positiven Wissenschaften [sollen] das Übergewicht über die sogenannten rationalen oder spekulativen Wissenschaften gewinnen […], damit dem Skeptizismus und der politischen und philosophischen Freidenkerei, die gegenwärtig den Geist der Gelehrsamkeit so sehr mit dem schlichten Menschenverstande entzweit haben, Grenzen gesetzt werden.97
Wie mit Kants Lehre verfahren werden sollte, die der offiziellen politischen Ausrichtung Österreichs offenkundig opponierte, wurde bei einer eigenen Sitzung vom 4. 7. 1798 entschieden,98 die die notwendige Reorganisation der philosophischen Lehrgänge betraf, die Graf Rottenhan als »die wichtigste aller […] Arbeiten« bezeichnete.99 Für diese politisch brisante Entscheidung wurden unabhängige Gutachten eingeholt, die die sozialpolitische Bedeutsamkeit der kritischen Philosophie umfassend eruieren sollten: Über kantische Philosophie mit Gutachten in Hinsicht auf erbländische Universitäten (anonymer Verfasser) und Gedanken über das einstweilige ratsamste Verhalten der Lehrer auf österreichischen Schulen in Anschauung der kantischen Philosophie (Samuel Karpe).100 Beide Gutachter weigerten sich aber, ein dezidiertes Kantverbot anzuraten, stimmten überein, dass dessen kritische Philosophie weder Staat noch Kirche direkt bedrohe und forderten sogar, dass auch altgediente Professoren deren transzendentale Methodik erlernen müssten, um den eben gewonnenen Anschluss an die deutsche Entwicklung nicht abermals einzubüßen. Eine Integration von Kants Lehre in den allgemeinen philosophischen Anfangsunterricht wurde dabei aber kategorisch ausgeschlossen, da dessen komplexe Argumentation die unerfahrenen Jugendlichen schlichtweg überfordere. Der bis heute anonym gebliebene Gutachter plädierte sogar gegen eine inhaltliche Erläuterung der kantischen Philosophie, die lediglich historisch besprochen werden sollte. Diese Urteile wurden der verantwortlichen Hofkommission aber nicht unmittelbar übergeben, sondern vom Zensor Franz Karl Hägelin genutzt, um sein wesentlich kritischeres Memorandum Bemerkungen über die Gedanken, die kantische Philosophie betreffend aufzusetzen, das den betreffenden Kommissaren anschließend vorgelegt wurde. Auch Hägelin war davon überzeugt, dass Kants Lehre keine religiösen Meinungen verletze, betonte jedoch gravierende politische Rücksichten: Während die damals etablierte Philosophie in der Tradition von Leibniz und Wolff die politische Verfassung scheinbar stütze, werde Kants Denken von radikalen Agitatoren verbreitet, sodass dieses selbst regulären Teilnehmern der philosophischen Studienrichtung lediglich äußerst behutsam vermittelt und somit einzig flüchtig »traktiert«, aber nicht tiefer geprüft werden dürfe. Bei einer geheimen Sitzung waren sich die verantwortlichen Diskussionsführer (von Hägelin, von Schilling, von Spendou und von Zippe)101 sehr bald darin einig, dass für das propädeutische Vorbereitungsstudium der bisherige Unterricht der dogmatischen Philosophie erhalten bleiben würde. Nur von Zippe, ein früherer Mitarbeiter Gottfried van Swietens, wollte einen eigens berufenen Dozenten für kanti-
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Abb. 9
sche Philosophie installieren, der einen freiwilligen Lehrkursus abhalten sollte, der aber erst nach einem regulären Studium besucht werden konnte. Interessierte Studenten sollten die anfallenden Zusatzkosten für diesen unbesoldeten Professor jedoch selbst begleichen, was für eine möglichst geringe Hörerzahl gesorgt, aber den erwünschten Augenschein von philosophischer Liberalität gewahrt hätte.102 Für die eigentliche akademische Philosophie wurde dann eine provisorische Bestimmung getroffen, die für etwa vierzig Jahre bestehen bleiben sollte: Während im allgemeinen Propädeutikum Kants Name nicht fallen sollte, durfte er im philosophischen Doktoratsstudium erwähnt, aber einzig polemisch behandelt werden.103 Damit wurde der modus vivendi im dauernden Umgang mit Kants Lehre begründet, der zwar kein offizielles, aber dennoch indirektes und damit nicht weniger faktisches Verbot bedeutete.
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Eine Lehrkanzel für kantische Philosophie, die ohnedies lediglich für die Prager Universität und die Alma Mater Rudolfensis halbherzig diskutiert wurde,104 sollte niemals bewilligt, aber eine weitere Professur für dogmatische Theologie errichtet werden,105 die der bekennende Anti-Kantianer Jakob Frint (1804) erhielt.106 Diese Prohibition währte sogar bis ins Jahr 1860,107 als der erbittertste Kantgegner des österreichischen Unterrichtsministeriums, Leopold Graf von Thun und Hohenstein, schließlich abdanken musste, welcher zuvor mit Franz Exner und Hermann Bonitz das Humboldt’sche Bildungssystem an den Habsburgischen Universitäten schrittweise eingeführt hatte,108 diese aber durch eine philosophiekritische Besetzungspolitik weiterhin kontrollierte.109 Wann das erste Verbot Kants jedoch genau erfolgte, scheint noch immer strittig: Während Domandl behauptet, dass dieses schon im Jahr 1793 verhängt wurde,110 beruft sich Werner Sauer auf Johann Goldfriedrichs Geschichte des Deutschen Buchhandels, die für das Jahr 1798 eine partielle Zensur von Kants, Fichtes und Schellings Schriften verzeichnet.111 Für Sauers Datierung spricht auch der bereits erwähnte Grazer Nachdruck von Kants Werken (1795/97), der dann trotz Sepp Domandls Angaben keine »Fehlleistung in dem perfekten, lückenlos funktionierenden System« Franz’ II. darstellen würde.112 Ernst Topitsch verlegt die erste Zensur von Kants Werken sogar auf das Jahr 1803, aus dem polizeiliche Dokumente über eine diesbezügliche Beschlagnahmung gefunden werden konnten.113
Abb. 10: Carl Kundmann, Franz Exner, Leopold Graf von Thun und Hohenstein, Hermann Bonitz, Arkadenhof, Universität Wien (1893)
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Doch selbst wenn die frühere Datierung Domandls zuträfe, müsste noch immer betont werden, dass Kants Werke nicht jener populären Literatur angehörten, auf deren umfassende Zensurierung dezidiert abgezielt wurde, sodass Domandls Beurteilung schwerlich tragfähig scheint. Eine allzu radikale Kontrolle von wissenschaftlichen Veröffentlichungen wäre mit der vornehmlich pragmatischen Orientierung des Habsburgischen Absolutismus vielmehr unvereinbar gewesen. Selbst im deutlich verschärften Zensurgesetz vom September 1819 wurde noch immer zwischen »Werke[n], welche ihr Inhalt und die Behandlung des Gegenstandes nur für Gelehrte, und den Wissenschaften sich widmende Menschen bestimmt, und zwischen Broschüren, Volksschriften, Unterhaltungsbüchern, und den Erzeugnissen des Witzes« unterschieden, wobei erstere von staatlichen Eingriffen überwiegend dispensiert waren.114 Wie sehr sich Franz’ Zensur, deren alleinige Kontrolle sich dieser sogar persönlich vorbehielt,115 an der potentiellen Massenwirkung von verdächtiger Literatur orientierte, wird auch dadurch bezeugt, dass teure Bücher die strengen Kontrollen problemloser passierten, als großteils populäre und damit meist billigere Schriften.116 Dass Kants Werke der ersteren Kategorie zugehörten und bis auf seine religionstheoretischen und staatsphilosophischen Abhandlungen117 wohl nicht völlig aus dem öffentlichen Buchhandel verschwanden, kann zwar lediglich vermutet werden, scheint jedoch trotz allem keineswegs unwahrscheinlich.
Herbartianismus – Rembold, von Thun und Hohenstein, Exner, Zimmermann von Kurt Walter Zeidler Am 24. Mai 1893 wurde im Rahmen einer großen Festveranstaltung die Denkmalgruppe für Leopold Graf von Thun und Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz im Arkadenhof der Universität Wien feierlich enthüllt.118 Die Universität ehrte mit Bonitz, Exner und dem Minister Thun-Hohenstein, der in seiner Amtszeit 1849–1860, so die lateinische Denkmalsinschrift, »Universitates et Gymnasia novis legibus institutisque feliciter reformavit«, drei Männer, die nach der 48er Revolution die längst überfällige Reform des Bildungswesens durchführten119 und nebenbei den Herbartianismus120 als gleichsam offizielle »Österreichische Philosophie« installierten. Hintergründe und Ursprünge dieses Herbartianismus erhellen sich aus den Lebenserinnerungen Ferdinand von Bauernfelds (1802–1890), der mit kräftigen Strichen die Um- und Zustände während seines Studiums an der Universität Wien (1819–1825) skizziert: »Ein ehemaliger, kaum erträglich metamorphosirter Pferdestall der P. P. Jesuiten war’s, wo wir die philosophischen Collegien hörten. […] Nur zwei von den Professoren wirkten geistig auf uns junge Leute: Vincenz Weintridt und Leopold
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Rembold.«121 Vincenz Weintridt (1778–1849),122 der »Religionswissenschaft« unterrichtete, war Weltpriester, aber auch Weltmann […], weniger tief wissenschaftlich als ästhetisch gebildet, schob er die vorgeschriebene Dogmatik nicht selten bei Seite, hielt freie Vorträge, halb aus dem Stegreif. […] Bereits im November 1819 hatte mir Weintridt anvertraut, es sei eine Anzeige gegen ihn eingelaufen, er führe die Studenten in Bierhäuser und singe ihnen Schelmlieder vor. Das klang nun allerdings lächerlich! Allein im Laufe des nächsten Winters wurde Professor Bolzano in Prag abgesetzt, und zwar seiner ›allzufreien Vorträge‹ wegen; Weintridt war von einem ähnlichen Schicksal bedroht, welches ihn auch bald nach dem ersten Semester 1820 ereilte. Seine Verbindung mit Bolzano war die Hauptanklage, die man gegen ihn erhob.123
Letztlich dürfte Weintridt zum Verhängnis geworden sein, dass er »gern den Meister unter seinen Jüngern [spielte]«,124 denn aus »den Akten […] geht hervor, daß alle gemaßregelten Professoren mit der Burschenschaftsbewegung in Zusammenhang gebracht wurden.«125 Seine »Verbindung mit Bolzano« weist auf die Bedeutung Prags, das Mitte des 19. Jahrhunderts zum Kristallisationszentrum des österreichischen Herbartianismus werden sollte. Angestoßen wurde diese Entwicklung von dem aus Südwestdeutschland stammenden Professor der Philosophie Leopold Rembold (1787–1844), »der, ursprünglich ein Anhänger Jacobi’s, von Herbart’s mathematischer Psychologie sich angezogen fühlte und als Lehrer Fr. Exner’s, den er auf diese aufmerksam machte, der eigentliche Begründer einer Herbart’schen Schule in Oesterreich geworden ist.«126 Rembold konnte Bauernfelds Schilderung zufolge beiläufig als Gegentheil des eleganten Religionsprofessors [Weintridt] gelten. […] Nur der junge Exner wurde in die unmittelbare Nähe des Professors gezogen, im Uebrigen sprach er immer zum gesammten Collegium, hielt sich auch, ohne besondere ästhetisch-literarische Abschweifung, strenge an den fortschreitenden Gang seiner Vorlesungen. Psychologie, Logik und Metaphysik, leider in lateinischer Sprache vorgetragen, erschlossen uns völlig neue Felder […]. Zur Speculation zeigte sich zwar nur wenig oder gar keine Anlage unter uns; von allen den Hunderten der Philosophie Beflissenen war es wohl nur der einzige Franz Exner (ein Jahr hinter mir), der aus Rembold’s Lehre einen wahren Vortheil zog […]. Als wir zur Moral-Philosophie gelangten, ging das wohl besser. Rembold war zwar eigentlich Eklektiker, aber sein Respect vor Kant war groß (wenn er ihn auch hie und da mit Herbart’schen Waffen bekämpfte), und so wußte er uns auch für den ›kategorischen Imperativ‹ gehörig zu begeistern.127
Im Metternichschen Polizei- und Spitzelstaat konnte derlei Begeisterung für die kantische Philosophie freilich nicht ungestraft hingehen, und ein kategorischer Imperativ, stärker als der Kant’sche, die allmächtige Polizei, hatte längst die skeptischen Worte des Philosophen belauert und sie im Stillen zu einem Anklageacte zusammengedreht. […] Professor Rembold
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wurde plötzlich von seiner Lehrkanzel entfernt, mit elenden vierhundert Gulden pensionirt, ein Geistlicher provisorisch mit der Lehrkanzel der Philosophie betraut. Trotz des Murrens der jungen Philosophen wurde die strenge Maßregel durchgeführt, und ein Studenten-Krawall, der darüber ausbrach, mit Hilfe der Polizei im Keim erstickt. […] Hatte uns Weintridt’s Fall geärgert, so steigerte der Sturz Rembold’s unseren Unmuth auf ’s Höchste. Das ist also das ›österreichische System!‹ riefen wir wie aus Einem Munde. Heuchelei, Pfaffenwesen und Brutalität, im Bunde gegen das Wissen, gegen die Gedankenwelt!128
Nachdem die 48er Revolution das »System Metternich« gestürzt, das »Kaiserthum Oesterreich« in seinen Grundfesten erschüttert und den politischen Akteuren den Reformbedarf drastisch vor Augen geführt hatte, schlug die Stunde der Bildungsreformer aus der Schule Herbarts.
Abb. 11: Konrad Geyer, Johann Friedrich Herbart
Leopold Graf von Thun und Hohenstein (1811–1888) Leopold Graf von Thun und Hohenstein wurde am 7. 4. 1811 in Tetschen (Böhmen) geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft (1827–31) an der
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Universität Prag und längeren Aufenthalten in London, Oxford und Paris, trat er 1836 in den Staatsdienst. Er übernahm Ende Juli 1849 das Ministerium für Cultus und Unterricht, das er bis Oktober 1860 leitete. Leopold Graf von Thun und Hohenstein starb am 17. 12. 1888 in Wien. Der Name Thun-Hohenstein ist mit tiefgreifenden Reformen des österreichischen Unterrichts- und Universitätswesens verbunden, die freilich bereits unter seinen Vorgängern in Angriff genommen wurden. Im März 1848 hatte der kurzeitige Minister für öffentlichen Unterricht Franz Seraph von Sommaruga (1780–1860) in der Aula der Alten Universität erklärt: Wir wollen ein Gebäude aufführen von fester Dauer, ähnlich […] jenen blühenden Hochschulen Deutschlands, die wir als Vorbilder gründlicher wissenschaftlicher Ausbildung verehren. Lern- und Lehrfreiheit, durch keine andere Schranke als jene constitutioneller Gesetze gebunden, wird ihre Grundlage sein.129
Noch unter Sommaruga wurde im April 1848 Franz Serafin Exner als wissenschaftlicher Beirat und dann als Ministerialrat aus Prag nach Wien berufen. Sowohl den liberalen Vorgaben und fortgeschrittenen Vorarbeiten, wie auch dem wissenschaftlichen Ansehen, dem Geschick und wohl nicht zuletzt der engen persönlichen Beziehung Exners zum Minister Thun-Hohenstein130 ist es zu danken, dass längst überfällige Reformen des österreichischen Unterrichtsund Universitätswesens durchgeführt wurden, die keineswegs den Vorstellungen des Ministers entsprachen. Als Vertreter des politischen Katholizismus und böhmischen Hochadels war Leopold Graf von Thun und Hohenstein weder ein Verehrer der »blühenden Hochschulen Deutschlands«, noch ein Vorkämpfer der »Lern- und Lehrfreiheit«. So beklagt die unter seiner Federführung im Jahr 1853 veröffentliche Denkschrift Die Neuordnung der österreichischen Universitäten: »An den protestantischen Universitäten Deutschlands artete die Wissenschaft in Monstrositäten aus, welche der schauderhafte Beweis sind, zu welchen Resultaten der Verstand gelangt, wenn er sich an den Thatsachen der Offenbarung nicht mehr orientirt«, weshalb denn auch der »hohe Zweck« der österreichischen Universitäten in der »Pflege der Wissenschaft im Einklang mit dem Geiste der Kirche und mit besonderer Beachtung des Staates« bestehen müsse.131 Unter solchen Voraussetzungen bot sich der blutleere Realismus Herbarts als das kleinste Übel an; er bediente – Herbart selbst hatte mit seiner Stellungnahme gegen die Göttinger Sieben den besten Beweis geliefert – den »nachmärzlichen Bedarf nach einer wissenschaftlich anspruchsvollen und zugleich akademisch Selbstbeschränkung übenden und propagierenden Philosophie«.132
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Abb. 12
Franz Serafin Exner (1802–1853) Franz Serafin Exner wurde am 28. 8. 1802 in Wien geboren und studierte daselbst von 1818 bis 1821 Philosophie und ab 1822 Rechtswissenschaft. Nach einem Studienaufenthalt in Padua (1823) und der Promotion in Wien (1827) unterrichtete er anstelle seines in Ungnaden entlassenen Lehrers Leopold Rembold als Lehrassistent Erziehungskunde und Philosophie an der Universität Wien. 1831 als Ordinarius für Philosophie an die Universität Prag berufen, verkehrte er mit führenden böhmischen Intellektuellen (Bernard Bolzano, Christian Doppler, Johann August Zimmermann) und Aristokraten, darunter dem späteren Minister Thun-Hohenstein. Ab 1844 betraute ihn die »Studienhofcommission« mit Gutachten zur Reorganisation des Unterrichtswesens. Im April 1848 von Minister Sommaruga als wissenschaftlicher Beirat und dann als Ministerialrat nach Wien berufen, erarbeitete er gemeinsam mit Hermann Bonitz (1811–1888), den er über Vermittlung des Herbartianers Gustav Hartenstein 1842 in Berlin kennengelernt hatte, den Organisationsentwurf für österreichische Gymnasien und
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Realschulen, der unter Minister Thun-Hohenstein 1849 ebenso umgesetzt wurde, wie seine Vorschläge zur Universitätsreform. Mit der Reorganisation des Unterrichtswesens in den italienischen Provinzen Österreichs betraut, starb Exner am 21. 6. 1853 in Padua. In der Philosophie hat sich Exner vor allem als scharfer Kritiker der Psychologie der Hegelschen Schule einen Namen gemacht. Drei Merkmale sind nach Exner für den Hegelianismus bezeichnend: das »Aufnehmen der Begriffe von Außen, während man sie für selbst erzeugte ausgibt. […] Die Willkühr in Handhabung der als einzig richtig adoptirten Methode«, sowie drittens die »Verunstaltung der Erfahrungsbegriffe bis zur Unkenntlichkeit«.133 Wenn hingegen ein einziges Blatt in Herbart’s psychologischen Werken richtig ist, so fällt das ganze Gebäude Hegel’scher Psychologie in Trümmer. Daß die Herbart’sche Philosophie überhaupt im entschiedensten Widerspruche steht mit der Hegel’schen, daß sie gegenwärtig allein in Deutschland die innere Lebenskraft besitzt, vermöge welcher sie in geschlossener Macht als ebenbürtige Gegnerin jener gegenübersteht: dieß ist selbst von Freunden des Hegel’schen Systems ausgesprochen und zugestanden worden. Zum Ignoriren ist es zu spät.134
Der Gegensatz von Hegel und Herbart, der die philosophische Diskussion in Deutschland bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidend bestimmte, war tatsächlich schwer zu ignorieren. Aber mit den Berufungen der Philosophen Franz Karl Lott (Wien 1849), Robert Zimmermann (Olmütz 1849, Prag 1852, Wien 1861), Wilhelm Volkmann (Prag 1860), Josef Wilhelm Nhlowsky (Graz 1862) und Josef Durdik (Prag 1874), sowie der Pädagogen Theodor Vogt (Wien 1871), Otto Willmann (Prag 1872) und Gustav Adolf Lindner (Prag 1878) avancierte der Herbartianismus in Österreich zur Staatsphilosophie als sein Stern in Deutschland bereits sank und der Neukantianismus zur führenden Universitätsphilosophie aufstieg. In Österreich geborene Vertreter des Neukantianismus (Alois Riehl, Richard Hönigswald, Johannes Volkelt, Emil Lask) machten darum ihre Karrieren im Deutschen Reich, während in Wien mit Robert Zimmermann der »letzte Herbartianer« über mehr als drei Jahrzehnte die Geschicke der Philosophie bestimmte.
Robert Zimmermann (1824–1898) Robert Zimmermann wurde am 2. 11. 1824 in Prag als Sohn des Gymnasialprofessors und späteren Beamten der Studienhofkommission Johann August Zimmermann (1793–1869) geboren. Neben dem Gymnasialunterricht erhielt er philosophischen und mathematischen Privatunterricht durch Bernard Bolzano,
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dem engen Freund seines Vaters. Ab 1840 studierte er unter anderem bei Franz Serafin Exner an der Universität Prag, ab 1844 setzt er seine Studien (Philosophie, Mathematik, Physik, Chemie und Astronomie) in Wien fort. Nach der Promotion (1846) arbeitete er als Assistent an der Universitätssternwarte (1847–49), während der Revolution 1848 war er Mitglied der akademischen Legion. Nach der Habilitation und Berufung als ao. Professor für Philosophie an die Universität Olmütz 1849 folgte 1852 bis 1861 eine ordentliche Professur an der Prager Karls-Universität, während dieser er 1860/61 die Position des Dekans innehatte. Von 1861 bis 1896 war er Professor an der Universität Wien und dort sowohl 1865/66 als auch 1876/77 Dekan und 1886/87 Rektor. Nachdem Franz Brentano seine Professur (1874–1880) zurücklegte, war er 15 Jahre lang der einzige Ordinarius für Philosophie. 1889 war er Mitbegründer und bis zum Tod Vorsitzender der Grillparzer-Gesellschaft. Anlässlich seines 72. Geburtstages wurde er in den Adelsstand erhoben. Zimmermann starb am 31. 8. 1898 in Prag.
Abb. 13: August Steininger, Robert Zimmermann (vor 1898)
Der Lieblingsschüler Bolzanos, der unter dem Einfluß Exners zum Herbartianismus konvertierte, hat seinen Werdegang und seine Position wie folgt charakterisiert:
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Herbart hat sich bekanntlich am Schlusse der Vorrede zu seiner im Jahre 1828 erschienen ›allgemeinen Metaphysik‹ einen ›Kantianer vom Jahre 1828‹ genannt. Wenn Schreiber dieses, der seine erste Anregung zum philosophischen Studium einem Gegner Kant’s (dem gerade vor hundert Jahren, am 5. October 1781 geborenen edlen Denker und Dulder Bolzano) und einem Freunde Herbart’s (dem scharfsinnigen Kritiker der Hegel’schen Psychologie, Exner) verdankt, heute, wo seit dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft gerade ein volles, seit jenem der allgemeinen Metaphysik mehr als ein halbes Jahrhundert verflossen ist, sich ›einen Herbartianer vom Jahre 1881‹ zu nennen unternimmt, so glaubt er damit sein Verhältniss zu Kant wie zu Herbart zutreffend bezeichnet zu haben.135
Die Selbstcharakterisierung Zimmermanns ist insoweit zutreffend, als »sein Verhältniss zu Kant wie zu Herbart« durch Bolzano bestimmt ist. Zimmermann verbindet den ausgesprochenen Anti-Kantianismus des »böhmischen Leibniz« Bolzano und den anti-idealistischen »Realismus« Herbarts, indem er auf Leibniz zurückgreift. In seiner Vergleichung der Monadologien von Leibniz und Herbart136 macht er Leibniz zum Sprachrohr seiner von Bolzano inspirierten Kritik an Herbart:137 Während der Mittelpunkt der Leibnizschen Monadenlehre in »der realen Welt der Monaden selbst [liegt], in der allmächtigen und allwirkenden Urmonas«, sei »der Mittelpunct der [Herbartschen] Realtheorie kein anderer […] als unser eigenes Ich. […] Herbart gelangt daher auf diesem Wege nur wenige Schritte weiter als Kant«.138 Trotz des gegen Herbart erhobenen Vorwurfs des Idealismus und Subjektivismus139 preist ihn Zimmermann aber als würdigen »Nachfolger des auch von ihm hochgehaltenen Leibnitz«, gebühre Herbart doch »das Verdienst, das forschende Denken von diesem […] seit Kants Auftreten […] ins Maßlose gehenden Schwärmen, in feste Schranken und zwar in die festesten, die mathematischen, zurückgelenkt zu haben«.140 Diese Würdigung Herbarts ist weniger eine »überraschende Wende von Bolzanos ›Herzensjungen‹«, der die Seiten wechseln mußte, wollte er nicht mit Bolzano »im akademischen Abseits landen.«141 Zimmermann folgt mit seiner Würdigung Herbarts vielmehr einer Vorgabe Bolzanos, der seinen logischen Objektivismus in § 21 der Wissenschaftslehre selbst in die Tradition Herbarts und Leibnizens gestellt hatte: Wenn nämlich Herbart fordert, »das Logische von aller Einmischung des Psychologischen« frei zu halten, dann wolle er »das Urtheil nicht als eine Erscheinung im Gemüthe, sondern als etwas Objectives, mithin nicht anders, als wie ich […] den Satz an sich betrachtet wissen«, wie auch »Leibnitz […] offenbar voraussetzt, daß er sich unter Sätzen Sätze an sich vorgestellt habe.«142 Dementsprechend betont Zimmermann im Vorwort zur zweiten Auflage seiner Philosophischen Propaedeutik, die über Jahrzehnte das verbreitetste Lehrbuch für das Fach Philosophie an den Gymnasien der Donaumonarchie war, den von »Herbart mit so grossem Recht hervorgehobene[n] Unterschied zwischen ›Begriff im psychologischen‹ und ›Begriff‹ im logischen Sinne‹«, wobei er aus-
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drücklich auf die Übereinstimmung »mit Bolzano’s Wissenschaftslehre« hinweist.143 Der logische Objektivismus Bolzanos bestimmt auch seine Kritik an Kant, wenn er etwa dessen »mathematisches Vorurtheil« zugunsten des synthetischen Charakters der mathematischen Urteile mit dem Hinweis und/oder Geständnis abfertigt, ich vermag nicht einzusehen, wie dadurch, dass ich jene Vereinigung von Sieben und Fünf in einer Summe denke, die Zwölf noch nicht gedacht sein soll, die ja eben gar nichts Anderes ist, als die mit einem eigenen Namen bezeichnete Summe von Sieben und Fünf! […] Das Urtheil 7+5=12 […] ist daher wirklich nicht blos analytisch, sondern sogar identisch, denn das Prädicat wiederholt das Subject, nur unter einem andern Namen!144
Zimmermanns bedeutendste philosophische Leistung liegt freilich nicht auf den Gebieten der Erkenntnislehre oder der Metaphysik, sondern auf dem der Ästhetik,145 wobei er auch hier den Herbartianismus anhand der Vorgaben Bolzanos modifiziert.146 Im philosophiehistorischen Rückblick ist festzuhalten, dass Zimmermanns eigentliche Bedeutung in einer Brückenfunktion besteht: indem er unter dem Mantel des Herbartianismus den logischen Objektivismus Bolzanos konservierte und die Berufung Brentanos nach Wien betrieb, schlug er eine Brücke zwischen Bolzano und Brentano, die – ohne sein Zutun – nicht nur zu einer entscheidenden Weichenstellung für die Brentano-Schule wurde, sondern auch für die spätere Entwicklung des Neopositivismus und der Analytischen Philosophie.
Lazarus Bendavid – Ein Autodidakt lehrt Kant in Wien von Olga Ring Lazarus Bendavid, am 18. 10. 1762 in Berlin geboren und dort am 28. 3. 1832 verstorben, wirkte als Philosoph, Mathematiker, Pädagoge, Journalist und als Historiker des Judentums. Er entstammte einer liberalen, gebildeten jüdischen Familie.147 Seine Mutter Eva Hirsch war eine Tochter von David Hirsch – des ersten Samtfabrikanten in Berlin. Sein Vater, David Lazarus, kam aus Braunschweig. Beide Eltern beherrschten die jüdische, deutsche und französische Sprache in Wort und Schrift. Auch Bendavid beherrschte diese drei Sprachen fließend.148 Er erhielt eine traditionelle jüdische Ausbildung in verschiedenen Talmudschulen, genoss darüber hinaus Privatunterricht in Deutsch, Französisch, Latein, Griechisch, Rechnen und eignete sich selbstständig Kenntnisse der arabischen und syrischen Grammatik an. »Ich hatte […] alles bunt durch einander gelesen, was mir vorkam: den Abulfeda und den Koran, das neue Testament und Rousseau’s Emil, Voltaires Pücelle und TherÀse philosophe, die
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deutschen Dichter und Wolfs Metaphysik, kabalistische und medizinische Bücher.«149 Wichtig für den Bildungsweg des Autodidakten waren seine frühen Kontakte zu den Aufklärern Johann Heinrich Lambert (1728–1777), Moses Mendelssohn (1728–1786) und Markus Herz (1747–1803). Nach einer kurzen Phase eifriger Religiosität verfiel Bendavid in einen religiösen Skeptizismus, der fortan seine unorthodoxe Haltung in Religionsfragen prägte: »Mit Aufgebung alles Positiven, behielt ich den Glauben an Gott, an Unsterblichkeit und eine bessre Zukunft; und nicht nach und nach, sondern auf einmal hörten meine jüdischen Andachtsübungen auf«.150 Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1789 brach er den Kontakt zur Synagoge für immer ab.
Abb. 14: Moses Samuel Lowe, Lazarus Bendavid
Zunächst widmete sich Bendavid der Mathematik und den Naturwissenschaften, wobei er unter Johann Elert Bode (1747–1826) vor allem astronomische Studien an der Berliner Sternwarte betrieb. Durch seine erste wissenschaftliche Abhandlung in der Berlinischen Monatsschrift über die Theorie der Farben: Ob die sieben Hauptfarben schon die einfachsten sind? (1785) und die im gleichen Jahr
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erschienene Theorie der Parallelen, kam er »sowohl mit vielen Berlinischen, als auch mit auswärtigen Gelehrten, unter andern mit Kästner in Bekanntschaft.«151 Als Begleiter und Mentor eines Medizinstudenten lernte er 1790 in Göttingen den Mathematiker Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800) auch persönlich kennen und besuchte dort u. a. eine Physikvorlesung bei Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799). Anschließend kam es in Halle zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Wolffianer Johann August Eberhard (1739–1809), die aufgrund der Hinwendung Bendavids zur Philosophie Kants allerdings bald endete. Ende 1791 nahm Bendavid eine Stelle als Hofmeister in Wien an und verkehrte hier in den Kreisen der josephinischen Aufklärer. Unter anderem unterrichtete er Graf Carl von Harrach in der kritischen Philosophie. Graf Harrach und Fürst Lichnowsky verschafften Bendavid Zutritt zu dem damaligen Polizeipräsidenten, Franz Josef Graf Saurau, der für Bendavid die Erlaubnis erwirkte, öffentliche Vorlesungen über Kants Philosophie halten zu dürfen. Allerdings benutzte der »Brotneid einiger Facultätsprofessoren […] den erwachenden Argwohn der Regierung, die Bendavid, nach allen seinen Attributen, wie er sich witzig ausdrückte, als philosophisch-kantisch-protestantisch-preußischem Juden mistraute«, so dass ihm verboten wurde, seine Vorlesungen weiter öffentlich an der Universität zu halten, worauf der »Graf v. Harrach, bei dem Bendavid wohnte, einen geräumigen Saal in seinem Hause [eröffnete], wo die Vorlesungen eine Zeitlang ihren Fortgang nahmen.«152 Auch war die Nachfrage nach Bendavids Büchern und seinem Privatunterricht in Wien weiterhin ungebrochen: »Ich war gleichsam Mode geworden, und es gehörte zum guten Ton von mir Unterricht zu erhalten. Daher hatte ich mehr Anfrage nach Stunden, als ich annehmen konnte und mochte. Es war mir nie ums Geldsammeln zu thun, und ich liebte meine Unabhängigkeit und meine Studien zu sehr«.153 In der Wiener Zeit veröffentlichte Bendavid den Versuch über das Vergnügen, 2 Bde. (1794), Vorlesungen über die Critik der reinen Vernunft (1795), Vorlesungen über die Critik der praktischen Vernunft (1796), Vorlesungen über die Critik der Urtheilskraft (1796), Beyträge zur Kritik des Geschmacks (1797). Bendavids eigene Intention bei der Abfassung seiner Vorlesungen zu Kants Kritik der reinen Vernunft, die sich an der zweiten Auflage orientierten, war »Kant also, und nur Ihn, in möglichem Zusammenhange, möglicher Kürze, und Popularität«154 vorzutragen und dabei »von Begriffen aus[zu]gehen, die gang und gäbe sind, um die Leser, für die ich eigentlich geschrieben, auf Erörterungen führen zu können, die ihnen nicht so geläufig seyn dürften.«155 Bendavid gesteht, dass er einige Beweise anders als Kant geordnet habe, auch habe er »den Schematismus zu Ende der Analytik der Grundsätze gebracht«,156 ansonsten stimmen aber Aufbau und Inhalt seiner Vorlesungen mit dem kantischen Text überein und sind sogar, wie Werner Sauer konstatiert, »im bemerkenswerten Ausmaß von den Dunkelheiten und Verwirrungen frei […] die in der Kantliteratur notorisch geworden sind.«157 Demnach liege »das Hauptverdienst der Vorlesungen über die Kritik der
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reinen Vernunft wohl darin, dass sie die kritische Lehre vom Ding an sich beziehungsweise Noumenon mit großer Klarheit herausstellen und dadurch in der zentralen Problematik der frühen Kantdiskussion der folgenschweren dogmatisch-ontologischen Deutung, von Jacobi und Reinhold in Gang gesetzt, keinen Platz lassen.«158 In seinen Vorlesungen über die Critik der praktischen Vernunft (1796) macht Bendavid offensichtlich Zugeständnisse an die Zeitumstände […] So läßt er Kant lehren› ›daß wenn Gott uns nicht die Gnade erzeigt hätte, sein Daseyn uns zu offenbaren, wir es nie durch Schlüße unserer schwachen Vernunft bis zur völligen Gewißheit herausbringen könnten; … daß wir … den Allschöpfer als den heiligen Gesetzgeber der Moralität betrachten müssen‹. Die erste Behauptung entspricht eher der Glaubensphilosophie Jacobis und Wizenmanns als dem Vernunftglauben Kants, und die zweite geht, unqualifiziert wie sie dasteht, gegen die Autonomie des kantischen Sittengesetzes.159
Karl Rosenkranz beschreibt die Bedeutung Bendavids für die Verbreitung der kantischen Philosophie in Wien folgendermaßen: Der eigentliche Lehrer der Wiener in derselben war Lazarus Bendavid, ihr Mendelssohn, der 1802 starb. Für ihn als Wiener Philosophen ist es bezeichnend, dass er 1794 mit einem Versuch über das Vergnügen in 2 Bden auftrat. Er wusste Kant’s sämmtliche Kritiken in elegante, deutliche, wohlgedruckte, mit empfehlenswerthen Registern ausgestattete Paragraphen zu zerlegen. […] – Doch, trotz Bendavid’s Vorlesungen, konnte sich die kritische Philosophie in Wien nie recht einwurzeln, noch weniger anderwärts in Österreich, ausser in kryptischen Formen.160
Im Jahr 1797 musste Bendavid schließlich Wien aufgrund amtlicher Anordnung verlassen. Er ging zunächst über Prag und Dresden nach Berlin, versuchte kurz darauf erneut in Wien Fuß zu fassen, scheiterte aber an einem polizeilichen Aufenthaltsverbot. Darum kehrte Bendavid Ende 1797 nach Berlin zurück, wo er kaufmännische und später auch journalistische Tätigkeiten übernahm. Zudem wurde er, ungeachtet seiner Abwendung vom traditionellen Judentum, Mitglied verschiedener jüdischer Vereinigungen: »Gesellschaft der Freunde der Humanität«, »Philomatische Gesellschaft«, »Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden«, und leitete von 1806 bis zu ihrer Schließung im Jahr 1825 die Jüdische Freischule. Auch in Berlin setzte Bendavid seine Vortragstätigkeit zunächst fort, musste aber »seine Vorlesungen, weil sie in die Rechte der eben gegründeten Universität eingriffen, wie er mit bitterm Scherze zu sagen pflegte, in demselben Jahre einstellen, als die Gewerbefreiheit das Zunftwesen aufhob.«161 In der Berliner Zeit veröffentlichte er noch einige philosophische Schriften: Vorlesungen über die metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1798), Versuch einer Geschmackslehre (1799), Philotheos, oder über den Ursprung unserer Erkenntniss (1802), Versuch einer Rechtslehre (1802).162 Für die Arbeit Über den Ursprung unserer Erkenntniss erhielt er sogar einen Preis der
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Berliner Akademie der Wissenschaften. An den Entwicklungen der Philosophie nach Kant nahm Bendavid nicht mehr aktiv teil, da sich seine literarischen und wissenschaftlichen Interessen zunehmend auf jüdische Themen konzentrierten. Sein Freund, Heinrich Heine widmete dem am 28. 3. 1832 in Berlin verstorbenen Bendavid posthum folgende Zeilen: Er war ein Weiser nach antikem Zuschnitt, umflossen vom Sonnenlicht griechischer Heiterkeit, ein Standbild der wahrsten Tugend und pflichtgehärtet wie der Marmor des kategorischen Imperativs seines Meisters Immanuel Kant. Bendavid war Zeit seines Lebens der eifrigste Anhänger der Kantischen Philosophie, für diese litt er in seiner Jugend die grössten Verfolgungen, und dennoch wollte er sich nie trennen von der alten Gemeinde des mosaischen Bekenntnisses, er wollte nie die äussere Glaubenscocarde ändern. Schon der Schein einer solchen Verleugnung erfüllte ihm mit Widerwillen und Ekel.163
Bendavids Erben übergaben den schriftlichen Nachlass dem jüdischen Philologen und Pädagogen Leopold Zunz. Bis 1939 an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin bilden diese Dokumente heute die Abteilung A des LeopoldZunz-Archivs der Jüdischen National- und Universitätsbibliothek Jerusalem.
Kant-Rezeption und Kant-Kritik in Ungarn am Ende des 18. Jahrhunderts – Die Lehrtätigkeit Anton Kreils von Eszter Deák Durch die Rezeption der kantischen Philosophie und durch die Kontroversen um Kants Lehren beginnt mit Ende des 18. Jahrhunderts in Ungarn die Verbreitung der philosophischen Kant-Literatur in einem breiteren Kreis.164 Die erste Phase der Kant-Rezeption fällt in die 90-er Jahre und beginnt mit dem Erscheinen des Werks von Jûzsef Rozgonyi (1756–1823). Der später reformierte Philosophieprofessor in Srospatak kritisierte Kant erstmals in seiner Schrift Dubia de initiis transcendentalis idealismi Kantiani. Ad viros clarissimos Jacob et Reinhold (Pest 1792). Der hervorragend gebildete Student machte sich während seiner Göttinger Studienjahre mit dem kantischen System bekannt. Danach hörte er in Jena Carl Leonhard Reinhold, den aus Österreich stammenden Philosophen der deutschen Aufklärung, dessen Briefe über die Kantische Philosophie (in Buchform 1790 erschienen) wesentlich zur Popularisierung des Kantianismus beigetragen hatten. Rozgonyis Werk, das Reinhold gewidmet war, ist eine korrekte, gemäßigte Kant-Kritik. Rozgonyi kannte Kants Werke gut und versuchte, das Wesen der kantischen Philosophie zu verstehen, aber bevorzugte selbst Humes Philosophie.165 1792 erschien ebenfalls das Werk von Istvn Tichy, der als katholischer Lehrer in Kassa tätig war. In seinen Philosophischen Be-
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merkungen über das Studienwesen in Ungarn (Pest-Kaschau, 1792) plädiert er für eine kritische Auseinandersetzung mit Kant.166 Die herausragendste Gestalt der kantischen Philosophie in Ungarn war Istvn Mrton (1760–1831), der im reformierten Kollegium von Ppa Philosphie im kantischen Geist unterrichtete, weshalb er die Bezeichnung »der Kant aus Ppa« erhielt. Sein Hauptwerk, das Lehrbuch Kereszty¦n Theolûgiai Morl Vagy-Is Erkölcstudomny (Christlich Theologische Moral oder Sittenlehre) aus dem Jahr 1796, zeugt von gründlichen Kenntnissen der kritischen Philosophie Kants. Pl Srvri (1765–1846) war Professor der Philosophie im reformierten Kollegium in Debrezin. Er wurde während seiner Studien in Göttingen bei Friedrich Ludewig Bouterwek mit der kantischen Philosophie bekannt. Kants Wirkung ist in seiner Dissertation sowie in dem späteren Hauptwerk bemerkbar, jedoch kann er nicht als echter Kantianer bezeichnet werden. Zu nennen sind als erster Teil die Schrift Moralis Philosophia (Moralische Philosophie), Pest 1802, und deren zweiter Teil: Filozofusi Ethika (Philosophie der Ethik), Nagyvrad 1804. In seiner Moralischen Philosophie stellt er im vierten Kapitel (A Forms Erköltsi Princzipiumrûl [Über das formale moralische Prinzip], 124–212) das ethische System Kants sehr eingehend dar.167 Zu den ersten Vertretern der kantischen Philosophie in Ungarn gehören zwei deutsche Professoren: Johann Delling (1764–1738) an der Akademie in Fünfkirchen und Anton Kreil (1757–1833) an der Universität von Pest, deren Tätigkeit aber bald aus politischen Gründen eingestellt wurde. Der in Passau geborene Kreil war bereits in seiner Heimat ein führender Illuminat. Als dieser Orden in Bayern verboten wurde, übersiedelte Kreil nach Wien, wo er in der Loge von Ignaz Born »Zur wahren Eintracht« tätig war. In der Logenarbeit vertrat er die Idee der wissenschaftlichen Maurerei und beschäftigte sich intensiv mit der Tradition der alten ägyptischen und griechischen Kultur. Diese Beschäftigungen spiegeln sich in den Vorträgen Kreils über den pythagoreischen Bund und über die eleusinischen Mysterien wider.168 Mit der Empfehlung von Ignaz Born kam Kreil 1785 nach Pest, wo er von Joseph II. zum Philosophieprofessor der Pester Universität ernannt wurde. Seine freimaurerisch-illuminatische Tätigkeit führte er auch in Ungarn fort. Er war Vorsitzender der Pester Loge »Zur Grossherzigkeit«. Unter den Professoren der Pester Universität war er mit dem Historiker Karl Koppi, mit dem Philosophie-Professor Istvn Szu˝ ts und vor allem mit dem Ästhetik-Professor Ludwig Schedius gut befreundet. Der aus einer lutherischen Familie aus Györ stammende Schedius (1768–1847) absolvierte in den Jahren 1788–1791 Studien der klassischen Philologie, Theologie, Geschichte und Statistik an der Göttinger Universität. Als er 1792 zum Professor der Ästhetik der Pester Universität ernannt wurde, wurde er nicht nur Anton Kreils Lehrerkollege. Die beiden besuchten auch gemeinsam die wissenschaftlichen und freimaurerischen Kreise von Pest-Ofen. Kreil bezwei-
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felte in seinen Vorträgen und Schriften die religiösen Dogmen, weshalb gegen ihn von den Behörden zuerst im Jahr 1790 die Anklage der Verbreitung von pantheistischen Lehren, Skeptizismus und Freidenkerei erhoben wurde. Die behördliche Untersuchung endete mit der Enthebung des Angeklagten. In den 90-ern Jahren geriet Kreil in eine enge Beziehung zu ungarischen radikalen politischen Kreisen und stand den ungarischen liberalen jakobinisch orientierten Kreisen nahe. Selbst die Übersetzung der Marseillaise ins Deutsche wird ihm zugeschrieben. Die zweite Untersuchung gegen die Universitätsprofessoren wurde nach der Entdeckung der ungarischen Jakobinerbewegung im Jahr 1795 eingeleitet. Selbst Schedius wurde mit seiner nahen Freundschaft zum hinge˝ z angeklagt, aber endlich freigesprochen. Kreil richteten Pester Juristen Pl O wurde neben dem Vorwurf des Kantianismus auch des Atheismus und Antimonarchismus angeklagt. Anknüpfend an den Prozess gegen die ungarischen Jakobiner hat die Statthalterei Untersuchungen gegen die mit der demokratischen Bewegung sympathisierenden Universitätslehrer veranlasst, da diese mit ihren radikalen politischen sowie antiklerikalen Ansichten gefährlich für die Jugend seien. Für die Behörden waren die kantianischen Ansichten bereits zu dieser Zeit auch politisch verdächtig. Der Historiograph Karl Koppi und Anton Kreil wurden pensioniert und mussten Pest-Ofen für immer verlassen. Kreil übersiedelte nach Wien, wo er sich der Buchhandlung des früheren Jakobiners Alois Blumauer anschloss und sich im Übrigen mit dem Verkauf von antiquarischen Büchern, darunter Bücher seiner eigenen Bibliothek, über Wasser hielt. Kreil blieb in reger Korrespondenz mit dem ehemaligen Pester Universitätskollegen und guten Freunden Schedius.169 Auf diese Weise konnte er mit ungarischen Kollegen und Gelehrten in Verbindung bleiben. Schedius war der Vermittler seiner Büchergeschäfte nach Ungarn, wobei Professoren, Lehrer und Gelehrte aus allen Fachgebieten die Käufer der Bücher waren. Die Bücherverzeichnisse in Kreils Briefen enthalten vor allem neue Editionen der alten griechischen und lateinischen Autoren, sowie moderne naturwissenschaftliche und philosophische Werke des 17. und 18. Jahrhunderts, unter denen die vielgelesenen kantianischen Autoren der Zeit, wie Johann Nikolaus Tetens und Christoph Gottfried Bardili, besonders stark repräsentiert waren. Der Briefwechsel von Kreil und Schedius dokumentiert weiters die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse in Wien sowie in Pest-Ofen. Die Briefe von Kreil aus dem Jahre 1796 können einen Eindruck von der zeitgenössischen Diskussion um Kants Lebenswerk in Österreich-Ungarn liefern. Kreil setzte seinen Kampf gegen die Antikantianer auch in Wien fort. Er kritisierte in seinen Briefen an Schedius die ungarische Kant-Rezeption, etwa die philosophische Schrift des Piaristen Joseph Grigely De concordia philosophiae cum religione (Über den Einklang der Philosophie mit der Religion), erschienen in Ofen 1796, dessen unbegründete Feststellungen nach Kreils Ansicht davon
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Abb. 15
zeugen, dass der Verfasser kein einziges Werk von Kant gelesen habe.170 Der kämpferisch eingestellte Kant-Anhänger Kreil will sein diesbezügliches kritisches Urteil veröffentlichen. Mit der Vermittlung von Alxinger möchte er seine Bemerkungen an die Redaktion der Allgemeinen Literatur-Zeitung senden, heißt es in seinem Brief, um damit die in der Regierung herrschenden Missverständnisse um Kants Werke zu klären: Ich werde aus diesem Grunde und mit diesen Bemerkungen die Abhandlung Alxinger übergeben: damit die Literaturzeitung diese jämmerlichen Irrthümer in facto, die der Kanzley und dem Hof zum Leitfaden in ihrer Legislation dienen, aufdecke und vielleicht dadurch Gutes stifte.171
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In den Jahrgängen 1796, 1797 und 1798 der Allgemeinen Literatur-Zeitung findet man Kreils Reflexionen jedoch nicht. Kreil reflektiert im Weiteren auf die antikantianischen Angriffe des ungarischen Jesuitenprofessors Jnos Horvth (1732–1800), eines der bekanntesten Philosophen in Ungarn am Ende des Jahrhunderts, dessen Mathematik- und Physiklehrbücher sehr populär waren. Horvth hat in seinem Werk Declaratio infirmitatis fundamentorum operis Kantiani Critik der reinen Vernunft. In supplementum metaphysicae suae elaborata (Budae 1797). Kants System und Kreils Handbuch der Logik (Wien 1789) aus religionstheorethischer Sicht angegriffen. Er kritisierte Kants Subjektivismus und Agnostizismus und bestimmte so den Grundton der Kant-Rezeption in Ungarn. Kreil hatte, wie aus seinen Briefen hervorgeht, auch mit dem österreichischen Theologen und Philosophen Peter Miotti (Pseudonym: Frommberger (†1804)) gestritten. Der Professor der Logik und Metaphysik war ein heftiger Gegner der kantischen Philosophie. Er ließ 1798 in Wien seine Schrift gegen Kant und Kreil erscheinen: Über die Nichtigkeit der Kantischen Grundsätze in der Philosophie nebst einer kurzen Rezension, der nach Kant geschriebenen Logik von Prof. Kreil. Im nächsten Jahr erschien Kreils Antwort auf Miottis Werk: Bemerkungen über die jüngste Schrift des Herrn Miotti, nebst einer Vergleichung der Lockischen, Leibnitzischen und Kantischen Philosophie (Wien 1799). Im Jahre 1801 erschien in Wien Kreils Verteidigung des kantischen Systems Vindicae systematis Kantiani (Die Verteidigung des kantischen Systems). Miotti veröffentlichte darauf sein umfangreiches Buch Über die Falschheit und Gottlosigkeit des kantischen Systems, nebst einer Antwort auf A. Kreil’s Bemerkungen über die jüngste Schrift des Herrn Miotti (Wien 1801). Der Exjesuit Miotti, der Kant ausführlich studierte und seine Thesen auch argumentativ begründete, sieht in der kantischen Philosophie eine Gefahr für die Kirche. »Aufklärer« »Kantianer« und »Jakobiner« bedeutet ein und dasselbe, behauptet er, nämlich einen Angriff gegen Religion und Thron.172 Miotti kann als der eigentliche Initiator des vatikanischen Antikantianismus gesehen werden. Das Urteil, dass Kants Philosophie »unverständlich«, »dunkel«, »gottlos« und »Gift für jeden guten Katholiken« sei, wurde auch von dem Wiener Hof angenommen. Im Jahr 1795, dem Jahr der Entdeckung der ungarischen Jakobinerbewegung und der Enthauptung der ungarischen Jakobiner, hat der Statthalterrat mit einem Hofdekret vom 23. Juni den Unterricht der kantischen Philosophie in den katholischen Schulen und an allen Lehrstühlen verboten. Dieses politische Milieu machte es möglich, dass 1801 in Debrezin das verblendet antikantianische Pamphlet, genannt Rosta (Das Sieb) (A Knt szer¦nt valû Filosûfinak Rostlgatsa Levelekbenn [Die Philosophie nach Kant in Briefen gesiebt]) erscheinen konnte, dessen Verfasser, Ferenc Budai, sich auf höhere politische Instanzen berief. Dieses Werk hatte die Verbreitung der kantischen Lehren in Ungarn lange
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Jahre gebremst. So wurde unter anderem die Tätigkeit des bedeutendsten kantianischen Philosophen in Ungarn, Istvn Mrton, bis 1817 eingestellt.173
Anton Reyberger und die Kant-Rezeption im Stift Melk von Jakob Deibl, Johannes Deibl und Bernadette Kalteis Ab den 1780er Jahren ist im Stift Melk wie auch in anderen Klöstern Österreichs eine Kant-Rezeption belegt. Diese steht in Verbindung mit aufklärerisch-josephinischem Gedankengut, das sich in dieser Zeit in den Klöstern ausbreitet.174 In der Bibliothek des Stiftes Melk finden sich nicht wenige der Werke Kants in Erst- oder Zweitauflage. Neben anderen Zeitschriften werden Wielands Teutscher Merkur, in dem Reinholds Briefe über die Kantische Philosophie veröffentlicht sind, und die für die aktuellen philosophischen Debatten wichtige Jenaer Allgemeine Literaturzeitung abonniert. Die Bibliothekare Gregor Mayer (1784–1786) und Benedikt Strattmann (1786–1793) gestalten die Bucheinkäufe ganz im Sinne der Aufklärung. Strattmanns Kant-Lektüre wird wie selbstverständlich vorausgesetzt, wenn es in einem Brief an Prior Ulrich Petrak vom 2. April 1788 heißt: »Wie lebt der liebe P. Bibliothekär? wie hat ihm die Kantische Philosophie behagt?«175 Dies bezieht sich wohl auf die 1788 erworbene zweite Auflage der Kritik der reinen Vernunft.
Abb. 16: Rosenstingl/Schmitner, Stift Melk (1736/1750)
Anton Reyberger und die Kant-Rezeption im Stift Melk
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Herausragend ist dabei die Person Anton Karl Reybergers (1757–1818), der von Gottfried van Swieten 1786 als Professor für Pastoraltheologie nach Pest und zwei Jahre später auf den Lehrstuhl für Moraltheologie an die Universität Wien berufen wurde, wo er auch als Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät (1800/01) und Rektor (1810/1811) wirkte. Von 1810 bis 1818 war er Abt des Stiftes Melk.176 Sepp Domandl befindet in seiner Studie Die Kantrezeption in Österreich, er sei der »bedeutendste geistliche Kantianer«177 jener Zeit gewesen. Reyberger konzipiert entsprechend der von der Studienhofkommission formulierten, von einer »geistigen Offenheit«178 getragenen Anleitung zur Verfassung eines zweckmäßigen Entwurfs der Moraltheologie für die öffentlichen theologischen Schulen in den k.k. Staaten aus dem Jahr 1787 ein eigenständiges universitäres Vorlesebuch für das Fachgebiet der Moraltheologie, das 1794 unter dem Titel Systematische Anleitung zur christlichen Sittenlehre oder Moraltheologie erscheint. In den Jahren 1805–1809 verfasst er, gemäß der Aufforderung, wieder zur lateinischen Sprache zurückzukehren, die Institutiones ethicae christianae seu theologiae moralis. Reybergers Konzeption löst sich von der gängigen Kasuistik und bietet eine systematisch-philosophische Grundlegung für eine Moraltheologie. Am Ende jedes Kapitels finden sich reiche Literaturangaben, welche neben aufgeklärt-katholischen Autoren vor allem zeitgenössische protestantische und philosophische Werke, darunter Immanuel Kant, Karl Leonhard Reinhold, Erhard Schmid, Johann Heinrich Abicht und Augustin Schelle, aber auch die Kant gegenüber ablehnend eingestellten Johann Georg Heinrich Feder und Christian Garve, anführen. Mit ihrem Erscheinungsjahr steht die Systematische Anleitung gerade an jener Schwelle, an der die kurze Phase einer Öffnung restaurativen Tendenzen weichen muss. In aufgeklärten Kreisen gut aufgenommen, stößt das Buch bald auf Widerstand von kirchlicher Seite, wobei nicht zuletzt der deutliche KantBezug kritisiert wird. In einem Gutachten des Wiener Erzbischofs Migazzi heißt es: Undeutlichkeit entspringt aus der philosophischen, aus kantischen Schriften entlehnten, Sprache, der er sich bedienet hat. Wer nicht die kantische Philosophie studirt, wird diese Sprache schwer verstehen; und ist es wohl räthlich, die Lesung einer Philosophie, wie die kantische ist, der Jugend anzuempfehlen, die von vielen der gelehrtesten, und ächten Katholiken angefochten, bestritten, und bösartig gehalten wird?179
In seiner Verteidigungsrede bekennt sich Reyberger zur Rezeption der kantischen Philosophie, wenngleich er in anderem Kontext auch Unterschiede deutlich macht: In unseren Zeiten entstand wieder ein neues philos. System durch Kant, das auch, wie alle vorigen, seine eigene Sprache und Terminologie hat. Wie man nun auch über die Gültigkeit oder Ungültigkeit dieses Systems urtheilen mag, so ist es doch unläugbare
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Thatsache, daß dasselbe seit mehreren Jahren allen Wissenschaften in den Schrifthen der Gelehrten eine ganz eigene Form und einen eigenen Ton gegeben hat. Wer nun heut zu Tage mit dem Geiste und der Sprache dieses Systems ganz unbekannt ist, wird freilich alle neueren wissenschaftlichen Schriften nur halb verstehen.180
Im Hinblick auf die Willensbestimmung allein um des moralischen Gesetzes willen grenzt sich Reyberger von Kant ab: Das Handeln des Menschen ist und muß immer ein Streben nach Glückseligkeit sein; […] aber es muß zugleich den billigen Forderungen der Vernunft gemäß sein. […] Hiermit entstünde aus dem allgemeinen Vernunftgesetze und Glückseligkeitsprinzip ein zusammengesetzter oberster Grundsatz der Sittlichkeit, der etwa so ausgedrückt werden könnte: Strebe so nach Glückseligkeit, daß deine Maxime die Billigkeit jedes vernünftigen Wesens verdiene.181
Drei der vier von Kollegen der Fakultät eingeholten Gutachten fallen positiv aus, sodass Reybergers Bücher – trotz wiederkehrender Kritik und kirchlicher Indizierung (1820) – bis in die dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts in Gebrauch bleiben.182
Kant und das Fürstentum Salzburg von Werner Sauer183 Die Kant-Rezeption im geistlichen Fürstentum Salzburg ist politisch und geistesgeschichtlich dem süddeutschen Frühkantianismus zugehörig. In Süddeutschland fand Kants Lehre gegen Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts vor allem an den Universitäten Bamberg, Mainz und Würzburg sowie in den Benediktinerklöstern Eingang.184 Bahnbrecher des Kantianismus in Bamberg war der Philosoph Georg Eduard Daum (1752–1800), von dem es später hieß, er habe mit unbefangenem Blick die ersten Vorlesungen über die Kritik der reinen Vernunft in einer Zeit eröffnet, da der Obskurantismus in jeder Silbe Kants Ketzerei und Verführung gewittert habe,185 was wohl auf den rabiaten bayrischen Kant-Gegner Benedikt Stattler (1728–1797) und dessen Anti-Kant (1788) gemünzt sein dürfte.186 An der Mainzer Universität waren es die späteren Mainzer Jakobiner Anton Joseph Dorsch (1758–1819) und Felix Anton Blau (1754–1798), jener Philosoph, dieser Theologe, die der Philosophie Kants zum Durchbruch verhalfen.187 In Würzburg vertrat sie Maternus Reuß (1751–1798) seit 1788. Zum großen Ansehen, das Reuß unter den Kant-Anhängern hatte, trug auch bei, dass er 1792 mit einem Stipendium des aufklärungsfreundlichen Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal (1730–1795), dem auch Bamberg unterstand, eine Reise zu Kant nach Königsberg unternahm, auf der ihn sein Benediktiner-Mitbruder Conrad Stang (?–1827) begleitete. Reuß stand auch mit Karl Leonhard Reinhold (1757–1823) in Kontakt.188
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1789 trat Reuß in der Schrift Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären? energisch für die Aufnahme Kants an den katholischen Hochschulen ein. Er versucht nachzuweisen, »daß Religion und Moral der kantischen Philosophie große Vortheile zu verdanken haben, und dieser keine gegründete Vorwürfe machen können«.189 Seine Absicht ist ähnlich der, die Reinhold in seinen Briefen über die Kantische Philosophie verfolgt hatte, auf die er in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich verweist.190 Die kantische Philosophie legt im praktischen Vernunftglauben an Gott und die Unsterblichkeit den unerschütterlichen moralischen Erkenntnisgrund der Religion frei und läutert dadurch die Theologie, denn »indem sie der Vernunfttheologie das von ihr so schlecht behauptete Vermögen, das Daseyn Gottes zu demonstriren abspricht, weist sie derselben die große Bestimmung an, den moralischen Glauben von den groben und feinern Irrthümern, die ihn bisher verdunkelt haben, zu reinigen, von der Ausartung in Aberglauben und Unglauben auf immer zu verwahren«.191 Zur Vermeidung sowohl einer drohenden Isolation der katholischen Universitäten von der wissenschaftlichen Entwicklung als auch einer nicht unproblematischen ungeregelten Beschäftigung der Studenten mit Kant fordert Reuß eine Art Privatdozentur für kantische Philosophie an jeder katholischen Universität, die dazu dienen soll, jenen Studenten, die den philosophischen Kurs bereits abgeschlossen haben und sich mit kantischer Philosophie beschäftigen wollen, eine fundierte Anleitung dazu anzubieten: »Diejenigen […], welche nach vollendetem philosophischen Curse andern Wissenschaften obliegen, und doch dabey um nebst ihrem Brodstudium den Zustand der neuern Philosophie kennen zu lernen, in das Innerste des kantischen Systems eindringen wollen […], müssen auf jeder wohl eingerichteten Universität einen Mann finden, der ihnen das so tief angelegte kantische System wenigstens in Privatvorlesungen erkläre«.192 Diese Schrift fand in die erste Materialiensammlung zur kantischen Philosophie, in Karl Gottlob Hausius’ (1754–1825) Materialien zur Geschichte der kritischen Philosophie (1793), Eingang. Augustin Zippes (1747–1816) 1798 in der Wiener Studienrevisionskommission abgelehnter Vorschlag zur Bestellung von Privatdozenten für kantische Philosophie an den österreichischen Universitäten könnte noch von dieser Schrift beeinflusst sein.
Die Oberdeutsche allgemeine Literaturzeitung Neben die anderen Zentren des süddeutschen Frühkantianismus trat ebenbürtig Salzburg, ja vielleicht wird man aufgrund der außergewöhnlichen publizistischen Bedeutung, die der hier erscheinenden Oberdeutschen allgemeinen Literaturzeitung bei der Verbreitung des kantischen Gedankenguts zukam, dem
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Erzstift sogar eine gewisse Sonderstellung einräumen müssen. Die Salzburger Kant-Rezeption bildete den Höhepunkt und Abschluss der Salzburger Aufklärung, die wie im übrigen katholischen Süddeutschland und in der Donaumonarchie etwa um die Jahrhundertmitte einzusetzen begann. An der Salzburger Benediktiner-Universität, ursprünglich einem strengen Thomismus verpflichtet, trat im Jahrzehnt zwischen 1740 und 1750 allmählich die Hinwendung zur neuzeitlichen Philosophie und Naturwissenschaft ein.193 Gleichzeitig mit der Auflösung der Scholastik begannen sich auch reformkatholische Bestrebungen im Erzbistum geltend zu machen.194 1772 brachte die Wahl von Hieronymus Graf Colloredo (1732–1812) zum Erzbischof den endgültigen Umschwung zur kirchlichen und weltlichen Aufklärung josephinischer Prägung. Eine erstaunlich lockere Handhabung der Zensur, die Ausbildung vieler Salzburger an protestantischen Universitäten, schließlich auch die Reaktion in Bayern, die sich in der Illuminatenverfolgung spektakulär manifestierte, führten den Aufschwung der Salzburger Aufklärung herbei. Durch die bayrische Reaktion kam der Ex-Jesuit Lorenz Hübner (1751–1807) nach Salzburg, der es verstand, einen Kreis fähiger Mitarbeiter um sich zu sammeln. Seit 1788 gab er zunächst gemeinsam mit Augustin Schelle (1742–1805), dem Salzburger Professor für Universalgeschichte und Ethik, ab 1790 allein die Oberdeutsche allgemeine Literaturzeitung heraus, die als Gegenstück zur Jenenser Allgemeinen Literatur-Zeitung zum bedeutendsten Organ der süddeutschen Aufklärung avancierte. Mitarbeiter waren unter anderem Blau, Dorsch und Erhard.195 Gleich 1788 erklärte die Zeitschrift, »Wir möchten gern zum Studium der Kantischen Philosophie, das in unserer Gegend noch wenig betrieben wird, aufmuntern«,196 und brachte Besprechungen der Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft und der Kritik der praktischen Vernunft. An Kants naturphilosophischem Hauptwerk hebt der Rezensent die Fruchtbarkeit des Ansatzes hervor, die sich daran zeige, »wie viel hier aus einem einzigen gegebenen Begriffe« – dem der Bewegung beziehungsweise der Materie als des Beweglichen im Raume – »nach den reinen Verstandesgesetzen a priori abgeleitet worden«.197 Er sieht in der Schrift eine wichtige Ergänzung zur Kritik der reinen Vernunft, »weil sowohl die Anwendung der transcendentalen Grundsätze der Kritik der reinen Vernunft auf die körperliche Natur, als die vielfältigen Rücksichten, welche Hr. Kant hier auf sein ganzes System fast bey jedem Schritt nehmen, und die Erläuterungen, die er darüber geben muß, ein Licht verbreiten, welches diese Grundsätze in ihrer Allgemeinheit unmöglich haben können«.198 Ausführlich und enthusiastisch ist die Besprechung der Kritik der praktischen Vernunft, mit der Kant »ein würdiges Gegenstück zu seiner Critik der speculativen Vernunft geliefert, und […] seinen Bemühungen um die Reform der Philosophie die Krone aufgesetzt« habe.199 Zur Vorbeugung eines groben, aber verbreiteten Missverständnisses, in Schillers bekannten, gewiss nicht ganz ernst
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gemeinten Distichen über Pflicht und Neigung drastisch ausgedrückt, betont der Rezensent, dass »es ein Hauptgegenstand der Critik der praktischen Vernunft ist, das Princip der eignen Glückseligkeit nicht zu verwerfen; sondern nur ihm seine wahre untergeordnete Stelle anzuweisen«.200 Nach einer langen Inhaltsangabe kommt er zum Schluss auf den berühmten Schlussabschnitt der zweiten Kritik über die beiden Gegenstände der Ehrfurcht, den bestirnten Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir, zu sprechen. »Nur ein Kant […] war im Stande«, fasst er die Lehre dieses Abschnittes, dass nur durch strenge Methodik der Vernunft die beiden Gegenstände der Ehrfurcht ihren adäquaten Ausdruck finden können und sonst bloß zu Aberglauben und Schwärmerei führen, mit scharfer Spitze gegen die Popularphilosophie zusammen, die Rechte und den Nutzen der Vernunft selbst in ihren am weitesten getriebenen Untersuchungen gegen diejenigen, welche sie so gerne in eigenwillig gesetzte Gränzen einschränken, und nach einer zu voreiligen Popularität abmessen möchten, so bestimmt, und so kurz zugleich auszudrücken; daher Beachtung dieser wenigen Worte besonders allen räsonnirenden Patronen der Seichtigkeit, welche ihr Maß von Vernunft dazu brauchen, um zu beweisen, daß ein größeres überall sowohl unnütz als unnöthig sey, zu empfehlen ist[.]201
Mit gleichem Beifall wird die Kritik der Urteilskraft aufgenommen, die eben »so voll neuer, tiefer, fruchtbarer, in engsten Zusammenhang gebrachter Gedanken« ist, »als die vorigen Schriften dieses neuen Gesetzgebers der Philosophie; eben so kritisch bescheiden auf dem schmahlen Mittelsteige zwischen Skepticism und Dogmatism beruhend: aber diese Gedanken eben so gedrängt, so ineinander geschoben vorgetragen, wie in den vorigen Schriften, wenn nicht noch mehr«.202 Nach der ebenfalls mit ungeteiltem Beifall durchgeführten Rezension von Kants Kleinen Schriften (1793) stand die Zeitschrift vor der heikel erscheinenden Aufgabe, zur Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft Stellung zu nehmen. Noch im Erscheinungsjahr 1793 brachte die Zeitschrift eine Rezension der Religionsschrift Kants, der sie wegen des von der Schrift erregten Interesses 1794 eine zweite, von einem anderen Rezensenten stammende nachschickte. Der erste Besprecher gesteht zwar ein, dass in den allgemeinen Anmerkungen zum zweiten bis vierten Stück der Schrift über die Wunder, die Geheimnisse und die Gnadenmittel »manche Behauptungen vorkommen, die mit den Dogmen mancher Religionsparteyen nicht so ganz harmoniren«, macht aber aus seiner positiven Einstellung zu der Schrift kein Hehl und schließt mit einem engagierten Bekenntnis: Übrigens wird jeder vernünftige Verehrer der christlichen Religion dem würdigen Greise warmen Dank zollen, der […] die noch in unsern Tagen verkannte Harmonie zwischen Vernunft, Religion und einem gewissen Glauben in ein so helles Licht setzte. Möchten doch die besten deutschen Köpfe ihre Kräfte mit diesem Manne vereinigen,
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seine Gedanken aufrichtig prüfen, und, wenn sie sie als wahr befunden haben, so viel als möglich, allgemein bekannt machen!203
Wenn auch die Oberdeutsche allgemeine Literaturzeitung in der zweiten Hälfte der 90er Jahre die Entwicklung zum nachkritischen Idealismus mitmachte und sich dem ›moderneren‹ Fichte anschloss, wurde Kant auch weiterhin sehr aufmerksam besprochen. Die kleine Schrift Zum ewigen Frieden wird enthusiastisch begrüßt. Der Rezensent betrachtet ihren Inhalt geradezu als Kriterium korrekten Philosophierens nach kritizistischen Prinzipien in der Rechtsphilosophie und wendet sich gegen die auch »von Seite kritischer Philosophen, welches man nicht vermuthet hätte«, geäußerte Ansicht, »daß Alles, ungeachtet der tiefen Blicke und der originellen Ansichten, welche dieses Werkchen durchaus charakterisiren, doch nur ein philosophischer Wunsch bleiben würde«.204 Etwas distanzierter ist die Beurteilung des Streits der Fakultäten, vor allem der berühmten These, die von der Französischen Revolution ausgelösten Bewusstseinsprozesse seien ein Beweis für den Fortschritt der Menschheit.205 Die wieder ungeteilte Zustimmung findende Anthropologie in pragmatischer Hinsicht schließlich wird als Abschluss von Kants Lebenswerk betrachtet, in dem der »Curs, den seine Leser, die ihm vom Anfange bis zu diesem jüngsten Produkte gefolgt sind, gemacht haben«, wieder »zu dem im Anfange vorgezeichneten Zweck« zurückführt, »sich für den Umgang mit Menschen (d. h. zum vernünftigen Menschen) zu bilden«.206 Wie im Allgemeinen, so ist auch in der Oberdeutschen allgemeinen Literaturzeitung Reinholds Elementarphilosophie das Zwischenglied zwischen Kant und Fichte. Reinholds Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens wird als Werk begrüßt, das »in der Geschichte der neuesten speculativen Philosophie Epoche machen muß«.207 Es sei »das wichtigste Product der neueren speculativen Philosophie seit Kants Reformen, nichts weniger, als Commentar der Kritik der Vernunft, sondern ein eigenes, aber mit dieser in schönster Harmonie zusammenhängendes Ganzes«, wodurch »das Reich der Philosophie auch mit einer unstreitig neuen Provinz, der Theorie des bloßen Vorstellungsvermögens, erweitert« und zur Behebung der »bisherigen Mißverständnisse der Kantischen Philosophie […] wenigstens große Annäherungsschritte gemacht worden sind«.208 Die Begeisterung für Reinhold dauerte nur kurz; 1794 hegte die Zeitschrift bei der Besprechung des zweiten Bandes der Beiträge keine Hoffnung mehr, dass die Elementarphilosophie den philosophischen Meinungsstreit beenden könnte.209 So geht auch die Oberdeutsche allgemeine Literaturzeitung folgerichtig zu Fichte über, dessen Wissenschaftslehre sogleich zustimmend aufgenommen wird. Als Kant sich 1799 in einer öffentlichen Erklärung von der Wissenschaftslehre distanzierte, ließ die Zeitschrift durchblicken, dass sie auf Fichtes Seite stand: Kommentarlos druckte sie Kants
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Erklärung ab und ließ ihr gleich zwei polemische Gegenerklärungen, deren eine von Schelling stammte, folgen.210
Abb. 17
In diesem Jahr übersiedelte die Oberdeutsche allgemeine Literaturzeitung nach München, wo mit dem Regierungsantritt Max Josephs I. die Reaktion ein Ende gefunden hatte. Ein Dutzend Jahre hindurch hatte die Zeitschrift durch ihr Wirken Salzburg zu einem Ausstrahlungspunkt ersten Ranges für das Gedankengut Kants und seiner wirkungsgeschichtlichen Nachfolger im süddeutschen Raum gemacht und damit einen würdigen Gegenpol zur Allgemeinen Literaturzeitung in Jena gebildet. So durfte sie auch nicht in dem kurzen, wahrscheinlich von Reuß stammenden Bericht über die süddeutsche Kant-Rezeption fehlen, den Kant ohne Nennung des Verfassers am 2. 10. 1793 Borowski mit der
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Bitte um Veröffentlichung in seinen biographischen Kollektaneen übermittelte und in dem es abschließend heißt, »Die Salzburgsche Literaturzeitung trägt auch zu weiterer Verbreitung viel bei«.211
Kant im Philosophieunterricht der Universität Salzburg An der Salzburger Universität wird der Einfluss Kants bald nach 1790 greifbar. So versuchte Schelle in der Schrift Über den Grund der Sittlichkeit (1791), der die Anerkennung zuteil wurde, in Hausius’ Sammlung aufgenommen zu werden, die alte und die neue Moralphilosophie einander näher zu bringen. Bei dem Streit der Parteien glaube ich eine nützliche […] Arbeit zu unternehmen, wenn ich beyde, gewiß einander nicht ganz entgegenstehende Systeme so nebeneinander hinstelle, daß man ein jedes leicht übersehen, und die Punkte, worin sie miteinander übereinstimmen, oder voneinander abweichen, bemerken kann […]. Vielleicht zeigt sich am Ende, daß wenigstens die Hauptsätze der beyden Systeme in der Anwendung könnten zusammengenommen werden. Meine Absicht hierbey ist 1) denen, welche durch die eigene Terminologie und andere Beschwerlichkeiten von Lesung der kantischen Schriften sich haben abhalten lassen, einen, soviel möglich, hinlänglichen Begrif vom Systeme der kantischen Sittenlehre beyzubringen, ihnen das Verstehen der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, und der Critik der praktischen Vernunft zu erleichtern, und sie zum Studium dieser und ähnlicher Schriften zu reitzen. 2) Den noch obwaltenden und vielleich bisher zu hitzig geführten Streit um einen Schritt dem Ziele näher zu bringen, dadurch daß ich zu neuen Erläuterungen und nähern Bestimmungen einiger Punkte Anlaß gebe. 3) Zu zeigen, wie wenigstens ein Theil von den kantischen Lehren schon jetzt könne benutzt werden, und immer werde benutzt werden können, wenn auch sein System ganz genommen, wie es jetzt vor Augen liegt, nie allgemein geltend werden sollte.212
Die Schrift gliedert sich nach diesen Punkten in drei Teile. Dem ersten, der einen Auszug aus der Analytik der Kritik der praktischen Vernunft bringt, schickt Schelle einige allgemeine Bemerkungen zur kantischen Moralphilosophie voraus, die als deren Kernpunkt die Einheit von moralischer Norm und Triebfeder herausstreichen: »Kant wollte und mußte« Schelle zufolge »zeigen, daß die Vernunft nicht bloß rein seyn, das ist Urtheile, und Grundsätze unabhängig von aller Erfahrung, ganz a priori hervorbringen könne; sondern auch, daß sie praktisch sey, d.i. daß diese a priori hervorgebrachten Grundsätze einen Bestimmungsgrund des Begehrungsvermögens enthalten«.213 Um diesen Zusammenhang von Sittengesetz und Triebfeder kreisen Schelles kritische Ausführungen im zweiten Teil, in der Absicht, ihm eine eudämonistische Wendung zu geben. Im dritten Teil der Schrift skizziert Schelle seine Konzeption der
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Glückseligkeitsmoral, die er in seinem zweibändigen Lehrbuch Praktische Philosophie zum Gebrauche akademischer Vorlesungen (1785) bereits ausführlich dargestellt hatte. Für sein höchstes Moralprinzip nimmt er in der hier behandelten Schrift von 1791 die Eigenschaften des kantischen in Anspruch, es lasse sich »rein und a priori darstellen, und gebietet kategorisch«. Dieses höchste Moralprinzip ist die Identität von Glückseligkeit und Vollkommenheit der Leibniz-Wolff ’schen Schule: »Es ist […] die Formel: Handle allzeit so, daß die Glückseligkeit am meisten befördert werde, ganz identisch mit der […]: Handle allzeit so, daß durch deine Handlung die Wirksamkeit der Kräfte im Ganzen mehr befördert, als gehindert werde«.214 Im abschließenden Vergleich der kantischen Pflicht- mit der Glückseligkeitsmoral votiert Schelle für einen Eklektizismus der Moralprinzipien in der praktischen Anwendung: »Was die Anwendung anbelangt, fährt man bald mit diesen, bald mit jenen leichter. Am Besten wird man thun, wenn man in zweifelhaften Fällen sowohl die erstern als die letztern zu Rathe zieht«, denn der Kategorische Imperativ, die Glückseligkeits- und die Vollkommenheitsformel »können einander wechselweise erläutern«.215 In der Vorerinnerung zur zweiten Auflage seiner Praktischen Philosophie (1792–1794) erklärt Schelle, er habe »besonders in der allgemeinen praktischen Philosophie so viel, von den kantischen Grundsätzen, die praktische Vernunft betreffend, angeführt, daß man sich daraus einen richtigen Begriff von dem Sittensystem dieses großen Philosophen zu machen im Stande seyn wird. Übrigens bin ich bey dieser zweyten, wie bey der ersten Auflage den Grundsätzen des Glückseligkeitssystems gefolgt, von welchen meines Dafürhaltens das Kantische nicht weit entfernt ist, wie ich in der Abhandlung über den Grund der Sittlichkeit zu beweisen versuchet habe«.216 Gelegentlich werden kantische Gedankengänge benützt, so zum Beispiel die Unterordnung der theoretischen unter die praktische Vernunft, und kantische Lehrstücke referiert, wie zum Beispiel Kants Freiheitsbegriff und die Formulierungen des Kategorischen Imperativs.217 Bernhard Stöger (1757–1815), 1785–1801 Professor der Logik und Metaphysik an der Salzburger Universität, auch Mitarbeiter bei der Oberdeutschen allgemeinen Literaturzeitung, machte seine Zuhörer mit der theoretischen Philosophie Kants bekannt, verhielt sich aber im Ganzen ablehnend. Insbesondere suchte er die natürliche Theologie und die rationale Psychologie gegen die kantischen Einwände zu verteidigen.218 Ämilian Miller (1763–1809) hielt beim Beginn seiner Vorlesungen 1796 eine Rede zugunsten des kantischen Sittenprinzips und benützte für seine Vorlesungen aus praktischer Philosophie die Rechts- und Sittenlehren Kants und Fichtes.219 Johann Evangelist Hofer (1757–1817), Professor der alt- und neutestamentlichen Exegese und der orientalischen Sprachen, griff mit dem Vortrag De Kantiana interpretationis lege
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(1800) in die seit der Veröffentlichung von Kants Religionsschrift in der protestantischen Theologie geführte Debatte um Kants Prinzip der moralischen Schriftauslegung ein. Er konfrontiert Kants Auslegungsprinzip mit den dagegen erhobenen Einwänden, von denen er den, es lasse der Willkür des Auslegers zu viel Spielraum, gelten lässt, während er andere, wie zum Beispiel es stelle einen Rückfall in die allegorische Methode dar, zurückweist.220 Cölestin Königsdorfer (1756–1840), 1790–1794 Professor der Physik, war gerade dabei, einen Kommentar zu den Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft fertigzustellen, als er 1794 zum Abt seines Klosters gewählt wurde und dadurch seine Arbeit nicht mehr beenden konnte.221 Es wäre überhaupt der erste Kommentar zu diesem Werk gewesen. Ulrich Peutinger (1751–1817), 1793–1804 Professor der Dogmatik, unternahm in der Schrift Religion, Offenbarung und Kirche (1795) einen Versuch, eine von Kant ausgehende, aber über die durch die Vernunftkritik abgesteckten Grenzen hinausgehende, bereits spekulativ-idealistische Züge aufweisende Vernunfttheorie zu entwerfen und daraus die apriorischen Strukturen der Heilsgeschichte abzuleiten.222
Kant und die Theologie der Universität Salzburg Peutinger gesteht Kant, »dem Philosophen unsers Jahrhunderts«, das »unschätzbare Verdienst um die Philosophie« zu, nach dem Skeptizismus Humes »alle Prädicamente, oder Categorien sammt den Bedingungen der Sinnlichkeit in der richtigsten Ordnung, im vollkommnen Systeme« legitimiert zu haben. Jedoch habe er den Fehler gemacht, diese Prinzipien der Erfahrung »von der Spontaneität des Denkens, von den Denkformen, und nicht vielmehr von dem Vorstellungsvermögen selbst« abzuleiten. Diese Lücke habe »sehr frühe der große Denker Karl Leonhard Reinhold« bemerkt und »in seiner vortrefflichen Theorie des Vorstellungsvermögens soviel als möglich auszufüllen« versucht. Insbesondere ist es »der bisher so sehr verkannte Satz des Bewußtseyns«, durch den Reinhold »an dem unverwelklichen Kranze, den die Nachwelt dem Reformator der Philosophie Herrn Kant zuerkennen wird, gewiß einen ehrenvollen Antheil sich versprechen darf«.223 Zu einer umfassenden Theorie der Vernunft haben aber Kant und Reinhold nur Bausteine geliefert. Verstand und Vorstellungsvermögen sind noch nicht hinreichend analysiert, vor allem aber [d]ie Vernunft als unser oberstes Vermögen der Einheit ist noch gar nie zur Ansprache gekommen. Wir kennen keine einzige ursprüngliche Handlungsweise von ihr : die untergeordnete theoretische Vernunft wird mit drey einzigen Ideen abgefertiget, ohne
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im geringsten anzuzeigen, wie sie in dem Erkenntnißvermögen mit den übrigen Ideen, Begriffen, und Vorstellungen zusammenhangen, und in einander greifen. Man muß also gestehen, daß das menschliche Erkenntnißvermögen so viel als gar nicht entwickelt sey, sondern daß wir vom Herrn Kant auf das Bedürfniß dieser Entwickelung bloß geführt, und vom Herrn Reinhold bloß über die Methode dieser Entwickelung (beydes ist großen Dankes werth) belehrt worden seyn.224
Peutingers hauptsächliche Kritik am bisherigen Stand der kantischen Philosophie geht dahin, dass sie die Vernunft nicht in ihrer Einheit qua Vernunft, sondern nur als je schon theoretische und praktische thematisiert habe, und er hofft, durch die Schließung dieser Lücke ein neues Fundament für Moral und Religion legen zu können. Der zentrale Gedankengang Peutingers ist der, dass die seiner Meinung nach von Kant vernachlässigte Einheit der Vernunft jenseits ihrer Differenzierung in theoretische und praktische die Setzung des Ideals Gottes erfordere und die reale Möglichkeit zumal von Religion und Offenbarung – der Kirchenbegriff wird nur kurz behandelt – sich in dieser Setzung verankern lasse. Eine Konsequenz der Vernunfttheorie Peutingers ist die Aufhebung der Autonomie der Moral: Gott und nicht wie bei Kant die Freiheit des moralischen Subjekts ist die ratio essendi des Sittengesetzes. Nicht nur die theoretische, auch die praktische Vernunft kann ihre Prinzipien nicht mehr aus sich selbst schöpfen, sondern muss sie von der höchsten Vernunfteinheit empfangen. Deren Eigenart aber ist es gerade, alle Ideen im Ideal Gottes als ihrem objektiven Korrelat zu vereinigen. Damit ist ihr Geschäft beendet, und sie kann nur noch »den reinsten, heiligsten Willen Gottes als gesetzgebend anerkennen. Gott ist jetzt im wahrsten Sinne oberster Gesetzgeber. Die Vernunft ist und wird es jetzt nur durch die Anerkennung dieser göttlichen Gesetzgebung, nur in so ferne sie dem Menschen befiehlt: Gehorche dem Heiligen«.225 Ein Kantianer »strenger Observanz« begegnet einem in Tiberius Sartori (1747–1798), 1790–1795 Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte.226 Seine Schrift Der Theolog nach dem Geiste der neuesten Literatur und den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit (1796) ist ein Appell an die angehenden jungen Geistlichen, ihr Studium und ihre künftigen Aufgaben im Geist der kantischen Philosophie zu gestalten. Das eigentliche humanum liegt in dem »Vermögen – das Sittengesetz zum Beweggrunde seiner Handlungen zu machen«,227 daher besteht »die höchste Würde des Menschen in der Moralität« und besitzt »die Handlungsweise aus Pflicht – einen eigenthümlichen, allgemeinen, unabhängigen, absolut-nothwendigen Werth«.228 Moral – und für Sartori verdient nur die Pflichtmoral diesen Namen, alles andere ist ihm bloße Interessensberechnung – zu verbreiten, »ist das wesentliche Geschäft des ganzen Priesterstandes. Der geistliche Stand ist einzig und allein dazu bestimmt, religiöse und moralische Irrthümer zu zer-
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streuen, die Nebel des Aberglaubens zu zernichten […], die Erkenntniß und uneigennützige Achtung des Moralgesetzes im Universum zu verbreiten, und die Menschen zu lehren, wie sie nicht bloß nach Gefühlen und eigennützigen Verstandes-Regeln, sondern nach reinen Vernunftgesetzen handeln, und den Trieb zur Glückseligkeit dem Streben nach Moralität unterordnen können und sollen«.229 Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, muss der Geistliche sowohl in der Theologie als auch in der Philosophie fundierte Kenntnisse besitzen.
Abb. 18: Benediktiner Universität in Salzburg (um 1912)
Sartori stellt der älteren Theologie die neuere, von der neuen Philosophie beeinflusste in effektvoller Antithese gegenüber. In gleicher Weise kontrastiert Sartori in der Philosophie. In der älteren Philosophie standen im permanenten Streit der Schulen Atheismus und Spiritualismus, dogmatischer Skeptizismus und dogmatischer Theismus einander gegenüber, und in der Moralphilosophie
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glaubte man in Ermangelung eines eigenen moralischen Erkenntnisgrundes, »daß die sittliche Vernunft eine bloße Dienstmagd der Selbstliebe und Neigungen seyn dürfe«.230 Die Ursache dieser Verwirrung lag darin, dass die philosophischen Theorien ohne Grundlagenklärung errichtet wurden; die Philosophen schrieben über Moralphilosophie, »ehe sie noch wußten, was Moral und Tugend sey. Sie erbauten metaphisische und religiöse Systeme, ehe sie wußten, ob wohl auch Metaphysik möglich sey, und was zum Begriff – Religion gehöre«.231 Hingegen hat »die in unsern Tagen sich immer mehr ausbreitende bessere Philosophie« diese Anarchie grundsätzlich überwunden »und die Vernunft zu ihrer wahren Selbsterkenntniß zurückgebracht […]. Die Gränzen unseres Wissens sind nun abgesteckt, und über diese dürfen wir nicht hinaus gehen, wenn wir uns nicht verirren wollen. An die Stelle des stolzen Wissens ist ein auf Vernunft gegründeter Glaube getreten«.232 Den größten Vorzug dieser neuen Philosophie sieht Sartori in ihrem anthropozentrischen, praxisorientierten Charakter. Sie untersucht, so umschreibt er Kants berühmte drei Fragen, was ich wissen könne, tun solle und hoffen dürfe, des Menschen »Anlagen der Sinnlichkeit, des Verstandes, der Vernunft, des Gefühls- und Willens-Vermögens […], sein Verhältniß gegen die Welt, seine Bestimmung im gegenwärtigen, und seine Erwartungen im künftigen Leben«.233 Für den Geistlichen ist es notwendig, sich diese Philosophie zur Bewältigung seiner volkserzieherischen Aufgaben gründlich anzueignen. Wie schon bei der Theologie widmet Sartori dem moralischen Teil das größte Augenmerk. Beredt schildert er die Vorzüge dieser Philosophie in Kontrast zu den vorher verbreiteten heteronomen Moralsystemen, die »mehr zum Eigennutz und Egoism, als zur wahren Moralität« führten, »die vielen moralischen Rechnungsmeister, die vor jeder, auch der mindesten Handlung, zuerst das Interesse berechnen« hervorbrachten und zu den »vielen traurigen Geschichten des Eigennutzes, und der Ungerechtigkeit im privat- und öffentlichen Leben, wo man zum Beispiel die Menschen wie das Vieh, ums Geld verkaufte«, beitrugen.234 So ist es nicht verwunderlich, »warum die alten Moralsysteme so plötzlich zusammenstürzten, als die Meisterhand des Königsberger Philosophen Immanuel Kant an denselben rüttelte. Ja! sie fielen, und werden von Tag zu Tag noch immer mehr fallen müssen, jemehr Critismus und die hieraus entspringende reinere Philosophie werden ausgebreitet werden«.235 Am Ende seiner Ausführungen zur philosophischen Moral betont Sartori nochmals eindringlich die Größe und Würde der Aufgabe, vor die die angehenden Geistlichen gestellt sind: »Sie meine jungen Freunde! haben also, um der reinen Tugend willen, deren Priester sie sind, die heilige Pflicht – das neuere – reinere Moralsystem gründlich einzustudieren, um es den unglücklichen Weltkindern bekannter zu machen, die so lange durch das sogenannte Glückseligkeits-System getäuscht worden sind«.236
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Begeisterung für Kant – Die kurze Ära Fingerlos Sartori war nicht der einzige Salzburger Lehrer, der sich bemühte, die angehenden Geistlichen zu einem vom kantischen Vernunftglauben geprägten Verständnis ihrer Aufgaben hinzuführen. Matthäus Fingerlos (1748–1817), 1788–1801 Regens des Salzburger Priesterhauses, führte hier 1793 die kantische Philosophie ein.237 Er soll durch den Exegeten Alois Sandbichler (1751–1820), einen Augustiner, der ein eifriger Mitarbeiter der Oberdeutschen allgemeinen Literaturzeitung war und hier die kantische Philosophie gegen die Angriffe Benedict Stattlers (1728–1797) verteidigte,238 zum Anhänger Kants geworden sein. Im Herbst 1787 reiste Fingerlos zum Kennenlernen der dortigen Klerikalseminare nach Bamberg und Würzburg, wo er sicherlich weitere Kontakte mit Kant-Anhängern knüpfte; jedenfalls stand er danach mit Reuß in Briefwechsel.239 Die Summe seiner Auffassungen vom wahren Geistlichen legte Fingerlos in der zweibändigen Schrift Wozu sind Geistliche da? (1801) nieder. »Die gegenwärtige Schrift«, sagt er in der Vorrede, »macht einen Theil jenes mündlichen Vortrages aus, den ich seit 1795 alle Jahre mit Anfange des Schuljahres vor der ganzen Versammlung der mir anvertrauten Zöglinge gehalten habe«.240 Fingerlos will in der Schrift einen jenseits der Ansichten des Unglaubens, des Aberglaubens und eines durch die Schule der Aufklärung gegangenen Konservativismus, der in der Geistlichkeit ein brauchbares Herrschaftsinstrument sieht, liegenden und von diesen Ansichten »ganz verschiedenen Zweck« des geistlichen Standes aufweisen, »einen Zweck, welcher edel, erhaben […] und der Menschheit selbst nothwendig sey«.241 Dieser Zweck fällt mit der eigentlichen Bestimmung des Menschen zusammen. Der höchste, von Christus und der Vernunft aufgestellte »Zweck des Menschen, der Menschheit, des Universums ist Sittlichkeit«,242 woraus sich ergibt, dass der eigentliche Zweck der Geistlichkeit nicht in der Verrichtung von Zeremonien, im Beten und dergleichen mehr liegen kann, sondern »die Beförderung guter Sitten durch Belehrung des Volks« ist.243 Die Begründung dieses Satzes bedarf aber, so Fingerlos, einer ausführlichen Erörterung seiner Bestandteile, von denen der Begriff der guten Sitten ihm sichtlich zentral erscheint und in der Erörterung den meisten Platz beansprucht. Eine Handlung ist nach Fingerlos dann sittlich gut, wenn sie sowohl der Materie nach, d. h. als Handlung selbst, durch die ein Zweck realisiert werden soll, als auch der Form nach, d. h. hinsichtlich des Beweggrundes, einer allgemeinen und notwendigen Regel folgt.244 Beide Bestimmungen sind notwendige Bedingungen, gemeinsam die hinreichende Bedingung moralischen Handelns: »Es ist demnach die ganze Handlung gut, wenn sie nicht nur ihrer Materie, sondern auch ihrer Form nach so beschaffen ist, wie sie es seyn sollte. Fehlet es an einem, oder dem andern, so hört sie auf gut zu seyn. Sie ist nicht gut, wenn
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zwar ihre Form, aber nicht auch ihre Materie gut ist; denn der Zweck heiliget die Mittel nicht […]. Eben so wenig ist sie gut, wenn die Handlung gut, aber der Beweggrund böse ist«.245 Die materielle Güte oder Legalität weist sich aus durch Befolgung »aller Pflichten gegen sich selbst, gegen den Nächsten und gegen Gott«.246 Hier macht Fingerlos anscheinend Konzessionen an die kirchliche Lehre, denn Kant kennt keine Pflichten gegen Gott.247 Für ein Formalprinzip der Moral stellt Fingerlos vier Kriterien auf, »I. Der Beweggrund der Handlungen darf nicht zu material bösen Handlungen verleiten […]. II. Er muß den Menschen nicht unter die Thiere herabwürdigen […] III. Er muß allgemein seyn […]. IV. Er muß nothwendig seyn, d. h. er muß auf eine moralische Nothwendigkeit gründen«.248 (I) soll also die Legalität garantieren, (II) ist ein emphatischer Ausdruck der Forderung, dass Vernunft praktisch sein soll, (III) drückt die Verallgemeinerungsforderung des Kategorischen Imperativs und (IV) den Nötigungscharakter des Sittengesetzes im Gegensatz zum Empfehlungscharakter eines hypothetischen Imperativs aus. Fingerlos ist davon überzeugt, dass es kein heteronomes Formalprinzip der Moral geben könne, am allerwenigsten auf eudämonistischer Basis. Seine Ablehnung der Glückseligkeitsmoral ist nicht weniger heftig als die Sartoris; die Glückseligkeit kann nicht nur keine Moralbegründung liefern, sie »ist vielmehr so beschaffen, daß sie, wenn sie zum höchsten Zweck gemacht wird, das Grab aller Sittlichkeit werden muß«.249 Nur die Achtung vor dem Gesetz als Triebfeder liefert ein adäquates Formalprinzip der Moral. Das Gesetz selbst, welches das Handeln gebiethet, muß zum Beweggrunde der Handlungen gemacht werden. Dieser Beweggrund allein ist es, der eine Handlung auch sittlich gut macht. Aus Achtung für das Gesetz muß gehandelt werden, wenn man sittlich gut handeln will. Nämlich ein Gesetz ist ein Urtheil, das die moralische Nothwendigkeit einer Handlung ausdrückt. Die Vorstellung dieses Urtheils erzeugt ein Gefühl. Das Gefühl, welches aus dieser Vorstellung entspringt, heißt Achtung für das Gesetz. Dieses Gefühl wird sodenn, wenn es zu einer genugsamen Stärke erhoben wird, zur Triebfeder gemacht, welche verursachet, daß dem Gesetze gemäß gehandelt wird. Diese Triebfeder erhält daher ihre Kraft selbst vom Gesetze. Wird nun auf diese Art auch wirklich gehandelt, so wird aus Achtung für das Gesetz gehandelt. Und diese Handlungsweise allein ist es, welche gute Sitten, auch formal gute Sitten hervorbringt; alle andere Arten von Beweggründen hingegen, und alle durch etwas anders in Bewegung gesetzten Triebfedern sind unfähig, formal gute Sitten hervorzubringen.250
Moralisches Handeln besteht demnach darin, dass das Bewusstsein der Pflichten gegen sich selbst, gegen den anderen und gegen Gott die Triebfeder der Befolgung dieser Pflichten ist. Wodurch aber werden diese Pflichten als solche erkannt? Kant hatte bereits in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten durch die Anwendung des Kategorischen Imperativs beispielhaft eine Reihe solcher Pflichten der beiden ersten Arten festzulegen versucht, und die Metaphysik der
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Sitten ist zu einem beträchtlichen Teil dieser Aufgabe gewidmet. Fingerlos beruft sich hier nur ganz allgemein auf die Gesetzgebung der Vernunft.251 Später, im zweiten Band der Schrift, wenn er nicht mehr den Zweck der Geistlichkeit in kantischer Gedankenführung entwickelt, sondern über die kantische Philosophie selbst spricht, wird aber klar, dass er Kant ganz beipflichtet; für die Erweiterung der Pflichten um die gegen Gott legt er, wie im nächsten Absatz zu sehen ist, noch im ersten Band den Grund. Da die Sittlichkeit der höchste Zweck der Menschheit ist, der dem Vernunftwesen als Pflicht aufgegeben ist und dessen Realisierung in einem unendlichen Fortschritt im moralischen Handeln besteht, müssen auch die Bedingungen gegeben sein, unter denen die Realisierung dieser Pflicht möglich ist: »Unsterblichkeit und Gott. Unsterblichkeit; denn nur in dieser kann ins Unendliche fortgehandelt werden. Gott; denn nur ein solches höchstes Wesen kann das Gelingen der Realisirung der Sittlichkeit bey endlichen Vernunftwesen sicher stellen«.252 Der kantischen Postulatenlehre entsprechend vermitteln diese Sätze kein Wissen, denn »ein Wissen findet nur da Statt, wo der Gegenstand durch eine sinnliche, oder intellektuelle Anschauung vorgewiesen wird«, sondern einen Glauben, »ein Fürwahrhalten aus subjectiven Gründen, die aber so stark sind, daß sie es so sicher stellen, als nur immer objective Gründe des Wissens sicher stellen können«.253 Ganz im Gegensatz zu Kant ist aber bei Fingerlos der Satz von der Existenz Gottes nicht nur ein dem Vernunftglauben zugehöriges Postulat, sondern involviert auch die Pflicht dieses Glaubens. Während Kant betont, dass dieser Glaube ein Bedürfnis sei und daher keine Pflicht sein könne, sagt Fingerlos: »Diesen Glauben zu haben ist für das Vernunftwesen Pflicht; denn es ist ihm zur Pflicht gemacht, nach der Realisirung des Ideals der Sittlichkeit zu streben, also ist es ihm auch Pflicht an Gott, an die Bedingung zu glauben, unter welcher das möglich ist«.254 Das ist natürlich genau die Folgerung, die Kant bestreitet; Fingerlos aber hat sich damit die Grundlage für Pflichten gegen Gott verschafft. Im zweiten Band der Schrift beschäftigt sich Fingerlos mit den Mitteln, die der Geistliche zur Erfüllung seiner Aufgabe besitzen muss. Diese Mittel sind Wissenschaften und gute Sitten. Dabei verwirft er die Idee einer eklektizistischen Ausbildung und besteht auf der Notwendigkeit, ein bestimmtes philosophisches System auszuwählen; nach der Forderung, »bey der Wahl eines philosophischen Systems genau nach der Regel zu verfahren, welche heißt: Wähle dasjenige, welches die Sittlichkeit am meisten befördert«,255 ist es notwendig, das System zu akzeptieren, »welches die kritische Philosophie liefert. Denn dieses allein ist so beschaffen, daß es die guten Sitten nicht nur nicht hindert, sondern sie vielmehr befördert. Dieses allein hat zu seinem letzten Endzweck die Beförderung guter Sitten, oder welches […] eines ist, die Beförderung der Religion«.256 Die Annahme der kantischen Philosophie ist demnach Pflicht für den
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Geistlichen, der sein Amt richtig begreift, wie Fingerlos das Ergebnis dieser Beweisführung an der folgenden Stelle, die als Höhepunkt der gesamten Schrift betrachtet werden kann und auch den Abschluss dieser Darstellung bilden soll, emphatisch zusammenfasst: Gab es demnach jemals ein philosophisches System, das gute Sitten und Religion befördert, das selbst den Zweck der Staaten befestigt, das auf diese Art für die Menschheit das wohlthätigste Geschenk ist, gab es je ein solches philosophisches System, so ist es das der kritischen Philosophie!257
Fingerlos’ Werben für die kantische Philosophie blieb sicherlich nicht ohne Erfolg. Manch einer seiner Schüler wird die Aufforderung, in seinen Belehrungen ihr zu folgen, ernst genommen haben. So heißt es 1828 in der Salzburger Chronik abfällig, die Priesterkandidaten seien unter der Regentie Fingerlos’ »mit dem Studium der Kantischen Philosophie hingehalten« worden, »die sie dann sogar in die öffentlichen Kanzelvorträge zum Ekel der Zuhörer übertrugen. Dieser Unfug hat, Gott lob, schon lange aufgehört«.258 Natürlich fehlt Fingerlos’ Name nicht in dem erwähnten Bericht über die süddeutsche Kant-Rezeption in der Kant-Biographie Borowskis.259 Stang schreibt in dem Brief an Kant vom 2. 10. 1796, im Vergleich zu Österreich gehe es in Salzburg »schon besser mit der kritischen Philosophie: besonders verwendet sich der würdige Regent des Priesterhauses dafür«.260 Eine höchst bemerkenswerte Nachricht von der Wertschätzung Fingerlos’ durch Kant selbst geht auf Gottlob Benjamin Jäsche (1762–1842), Herausgeber der gewöhnlich als LogikJäsche zitierten Logikvorlesung Kants, 1802–1839 Professor der Philosophie an der Universität Dorpat, zurück. Nach einer Aufzeichnung über ein von Jäsche geleitetes Kant-Kolloquium in Dorpat im Wintersemester 1817/1818 wurde dieser von seinen Hörern um eine Stellungnahme zum Einfluss der Philosophie Kants auf kirchlichem Gebiet und zu der Behauptung, dass nur Fichte Kant verstanden, aber missverstanden habe, gebeten. Jäsche teilte daraufhin mit, Kant habe ihm ausführlich erklärt, dass der Salzburger Priesterhausregent Fingerlos ihn richtig verstanden habe. Diese Erklärung habe ihm Kant noch vor dem Erscheinen der Schriften Fingerlos’ gegeben. Kant habe die Aufnahme seiner Philosophie in Salzburg mit lebhaftem Interesse verfolgt, da es seine Absicht gewesen sei, durch seine philosophische Religionslehre Einfluss auf die akademische Ausbildung der Theologen zu gewinnen. Ähnlich wie von Würzburg habe auch von Salzburg gegolten: Regiomontium in Borussia et Salisburgum per philosophiam unita.261 Als Informant Kants kommt eigentlich nur Reuß in Betracht. Nach diesem Bericht Jäsches sah Kant im Wirken Fingerlos’ eine Verwirklichung seines Vorschlages in der Vorrede zur ersten Auflage der Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, in der theologischen Ausbildung »nach Vollen-
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dung der akademischen Unterweisung in der biblischen Theologie jederzeit noch eine besondere Vorlesung über die reine philosophische Religionslehre […] nach einem Leitfaden, wie etwa dieses Buch […], als zur vollständigen Ausrüstung des Candidaten erforderlich, zum Beschlusse hinzuzufügen«.262 Dass Kant von der Tätigkeit Fingerlos’ beeindruckt war, ist leicht verständlich, schien damit doch das geistliche Fürstentum Salzburg zu verwirklichen, was im protestantischen Preußen seit dem Wöllner’schen Religionsedikt, zumal aber wegen der Maßregelung der Religionsschrift und des Verbotes, sie Lehrveranstaltungen zugrunde zu legen, um die Mitte der 90er Jahre nur ein Wunsch sein konnte. Stang schreibt anschließend an die vorhin zitierte Stelle in seinem Brief, Colloredo habe ein »Steckenpferd, nämlich aufgeklärt beym Auslande zu heisen. Dieses ist die Aegide der kritischen Philosophie in Salzburg, die sie aber wohl bey seinem Tode verliehren wird«.263 Tatsächlich hatte Fingerlos seit der Übernahme der Regentie des Priesterhauses wegen seines Kantianismus eine sehr rührige Gegnerschaft, die seine Entfernung forderte. Die Flucht Colloredos im Dezember 1800 war der Auftakt zum Ende der Salzburger Aufklärung, die nicht an einer inneren Reaktion, sondern an den äußeren Wirren und dem Verlust der politischen Selbständigkeit Salzburgs im Gefolge der napoleonischen Kriege zugrunde ging.
Kant und die katholische Theologie im Vormärz von Franz L. Fillafer Die Entwicklung der Wissenschaften in der Habsburgermonarchie des Vormärz wurde bisher wenig beachtet, dabei ist sie auch für die Geschichte der KantRezeption sehr aufschlussreich. Das Bild der Epoche hat man häufig in den düstersten Farben gemalt: angeblich herrschten Eigenbrötelei und Abschottung gegen das Ausland, die katholische Restauration lähmte das geistige Leben. Dazu kommt das Verdikt über die Ablehnung Kants. Kants Werke sollen nur auf Schleichwegen, als Schmuggelware in die habsburgischen Länder gelangt sein, die Zensur habe jede intellektuelle Entwicklung im Keim erstickt.264 Beide Behauptungen sind wenig überzeugend. Zu lange hat man die liberale Geschichtspolitik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fortgeschrieben und sich damit begnügt, ein sehr schmales Quellensegment auszuwerten. Die Dominanz der Bolzano-Forschung tat ein Übriges: Bernard Bolzano wird hier paradoxerweise als frühliberaler Märtyrer des Polizeistaats dargestellt, den seine Philosophie den Lehrstuhl gekostet habe, zugleich aber als Leibniz-Wolffscher Denker, der die von der Regierung gestützte philosophische Tradition vertreten haben soll.265 Schon hier zeigt sich, dass man die wissenschaftsgeschichtliche Tektonik kaum mit der nötigen Sorgfalt erfasst hat.266
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Der Fall Bolzano leitet über zur Geschichte des Kantianismus in der vormärzlichen Theologie. Dem Prager Professor der Religionswissenschaft Bernard Bolzano wurde vorgeworfen, er vertrete die kantianische Philosophie; diese Erklärung musste als Vorwand für seine Amtsenthebung dienen, die vornehmlich der »Demagogenverfolgung« nach den Karlsbader Beschlüssen geschuldet war. Mit Argwohn registrierte man Bolzanos Erbauungsreden vor einer wachsenden studentischen Hörerschaft. Faszinierend an der Affäre Bolzano ist die Verschleierung der Motive und die Beweislastumkehr. Bolzanos Schüler Robert Zimmermann hat in einem Aufsatz aus den 1890er Jahren auf diese Aspekte hingewiesen.267 Bolzano wurde vorgeworfen, er sei Kantianer, dahinter stand aber das Unbehagen darüber, dass er nicht nach dem offiziellen religionswissenschaftlichen Lehrbuch des Burgpfarrers Jakob Frint vortrug.268 Frint wirkte als einer der Architekten der katholischen Restauration, die theologischen Kernaussagen seines Lehrbuchs aber waren weit »kantianischer« als die Schriften Bolzanos. Das ist nicht weiter überraschend, war Kant doch um 1800 auch unter den katholischen Theologen der Habsburgermonarchie einer der meistgelesenen und meistgeschätzten Autoren.269 Bevor die Kant-Rezeption bei den Theologen des Vormärz etwas ausführlicher dargestellt wird, soll im ersten Abschnitt dieses Beitrags noch kurz das argumentative Umfeld skizziert werden: Welche Bedeutung hat die These über die Kant-Abstinenz für die Matrix der »österreichischen philosophischen Tradition«, wie kann man anhand des Kantianismus in den habsburgischen Ländern diese »Tradition« kritisch betrachten?
Traditionsgenese Die Geschichte des Kantianismus in Österreich ist eng mit den Autostereotypen des 19. Jahrhunderts verknüpft, besonders mit jener »österreichischen philosophischen Tradition«, die sich angeblich in panlogizistisch-objektivistischer Kontinuität von der Leibniz-Wolffschen Scholastik über Bernard Bolzano und Franz Brentano bis zum Wiener Kreis erstreckte. In dieser »Tradition« führte die Ablehnung der cartesianischen und kantianischen Scheidung (wyqisl|r) zwischen intelligibler Welt und Sinnenwelt dazu, dass die Welt nicht als Verifikationsbasis möglicher Erfahrung, sondern als aufklärungsmetaphysische und »univoke«, außersinnliche »objektive Realität« angesprochen wurde.270 Dieser Universalienrealismus, der im Stil der Spätscholastik zwischen mentalen oder sprachlichen Akten einerseits und objektiven Gegebenheiten andererseits unterschied, beruhte auf einem Ensemble antivoluntaristischer und antinominalistischer Prämissen: die objektiven Wahrheiten würden sich genauso verhalten, wenn Gott nicht existierte.271
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Aus diesen Versatzstücken entstand eine »Tradition« der »österreichischen Philosophie«, die im 19. und 20. Jahrhundert als Bollwerknarrativ fungierte. So heißt es, dieser nüchterne, klare und universale österreichische Objektivismus habe die Intelligenz der habsburgischen Länder gegen Kant und Hegel immunisiert; mit ihrem englischen Gegenstück darf sich die österreichische Tradition demnach rühmen, zu den »Achsenmächten« der analytischen Weltphilosophie zu gehören.272 Laut Otto Neurath soll sich diese »Tradition« von Bolzano über Herbart und Brentano bis zum Wiener Kreis fortgebildet haben.273 Schon Karl Wotke und Heinrich Gomperz haben im frühen 20. Jahrhundert gewichtige Einwände gegen diese »Genealogie« des Wiener Kreises formuliert; Heinrich Neider, ehemaliges Mitglied des Kreises, bezeichnete im Rückblick Neuraths Konstruktion von Ahnenreihen als »Privatvergnügung«.274 Gomperz hob die Bedeutung von Ernst Machs jugendlicher Lektüre der Kant’schen Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik hervor und stellte fest, dass Mach der Methode seines Denkens nach Kantianer gewesen sei, »nur hat er die Frage: Wie sind synthetische Urteile a priori möglich? ersetzt durch die anspruchslosere, aber allgemeinere Frage: Was sind synthetische Urteile?«275 Karl Wotke schließlich versuchte mit seinem Buch über den Wiener Erzbischof und Pädagogen Vinzenz Eduard Milde die Kant-Rezeption im Vormärz in ein neues Licht zu rücken.276 Wenn man nun die Philosopheme des Vormärz präzise ortet und sie nicht als Füllmasse für eine ihrem Gehalt nach vorausgesetzte »Tradition« behandelt,277 wird erkennbar, dass die Kohärenz dieser »österreichischen Philosophie« zu einem Gutteil einer Selbstbehauptungsgenealogie entsprang, die Gelehrte und Wissenschaftspolitiker nach 1848 entwickelten.278 Zur Zeit der Thun-Hohenstein’schen Universitätsreform galt es, Österreichs Ort im größeren Deutschland neu zu bestimmen und den idealistischen Systemarchitekturen eine eigenständige und ebenbürtige Alternative entgegenzusetzen. Für den Kreis um Unterrichtsminister Leopold Graf von Thun und Hohenstein ging es darum, die Quellen der Revolution von 1848 trockenzulegen, die angeblich im »rationalistischen« und »spekulativen« Denken lagen. Man wollte eine transpersonale, übersubjektive Philosophie für das sprachlich und religiös heterogene Gesamtvaterland verankern.279 Die konservativen Meinungsführer um Thun-Hohenstein machten den Kantianismus in Theologie und Jurisprudenz für die intellektuelle Misere der Monarchie und für die Revolution verantwortlich, während für die Liberalen der Vormärz ganz anders, als Inbegriff der Reaktion, codiert war. Diese Differenzen wurden aber durch die Modellierung einer archetypisch österreichischen anti-spekulativen philosophischen Tradition überspielt. Die Qualität und Tiefendimension der Auseinandersetzung mit Kant vor 1848 lässt sich nicht erfassen, wenn man den Maßstab dieser »Tradition« anlegt.
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Mein Eines und Alles, Kants System, hauen Sie mir ja ganz in Pfanne! Wo ist das Erhabene des Kant’schen Moralprincips? Ich bin aus meines Vaters Hause hinausgeschleudert und wo, wo, werde ich mich nun anbauen?280 Lorenz Leopold Haschka an Karl Leonhard Reinhold, 24. 7. 1804
Kant unter Theologen Um 1800 war Kants Philosophie in den Studierstuben, Lesekabinetten und Kaffeehäusern der Monarchie Tagesgespräch.281 Beim Juristen Franz von Zeiller, Redakteur des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, finden wir die autotelische Setzung der Sittlichkeit,282 bei Zeitgenossen die Beschäftigung mit Kants erfahrungskonstitutivem Verstandesbegriff, mit der Beziehung zwischen Prädikat und Subjekt in apriorischen und aposteriorischen Urteilen und mit der Konstruktion der Welt durch empirisch verankertes Hypothesenwissen. Theologen und Philosophen diskutierten Kants Postulatenlehre mit ihrer begründeten Hoffnung auf eine göttliche Instanz, die der unsterblichen Seele je nach moralischem Verdienst auf Erden Lohn oder Bestrafung zuteilwerden lasse.283 Kants philosophischer Chiliasmus der Perfektibilität des Menschengeschlechts, seine Thesen über den Sündenfall, das felix peccatum, und seine Neufassung der Frage nach dem Bösen, die nicht mehr von der privatio boni geprägt war, sondern auf eine »Realpugnanz« zwischen Gutem und Bösem hinauslief, wurden kritisch rezipiert.284 Wie war es um die Theologen bestellt? Kant gehörte zu den meistgelesenen Autoren in den Priesterseminaren der Monarchie, besonders das Wiener Alumnat galt als Bastion des Kantianismus.285 Josef Dobrovsky´, der als Vizerektor am Generalseminar in Olmütz lehrte, hatte seine Theologiestudenten mit Kants Philosophie vertraut gemacht. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793) galt vielen seiner ehemaligen Schüler als »Glaubensbekenntnis«.286 Diese jungen Theologen schwärmten um 1800 für die Französische Revolution, sie begeisterten sich für Kant und Rousseau. In ihren Manuskripten legten sie dar, dass der Glaube an Gott als äußere Instanz eine bloße Projektion sei. Wer die sittliche Letztverantwortung auf diese äußere Instanz abwälze, sei verderbt: wer sich auf diese Weise aus der Verantwortung stehle, besiegle damit seine Abweichung vom Sittengesetz. Unter Leopold II. waren die Generalseminare aufgehoben worden, der Auseinandersetzung mit Kant tat das aber keinen Abbruch. Franz Josef Hurdlek etwa, der ehemalige Rektor des Prager Generalseminars und spätere Bischof von Leitmeritz – er wurde 1822 im Zuge der Affäre rund um den Tugendbund des Bolzano-Schülers Michael Josef Fesl des Amtes enthoben – erinnert sich, seine »Hauptbeschäftigung« sei, wie er »wohl nur einem Freunde ins Ohr sagen« dürfe, »die kritische Philosophie« gewesen.287
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Der Blick auf den Vormärz zeigt auch, wie fragwürdig es ist, Kants Philosophie als Gütesiegel für einen diffusen »Radikalismus« zu benützen, der auf »Atheismus« oder »Republikanismus« zuläuft. Die Bausteine dieser Fertigteilideengeschichte stammen aus der Ismen-Spielecke, die Stringenzillusion eines kohärenten Kantianismus wird weder der Werkbiographie Kants gerecht noch der Verarbeitung von Impulsen, die von seinen Schriften ausgingen. Der auf der Basis einer petitio principii aufgebaute »Kantianismus« führt zum »Frühliberalismus«, man akkreditiert eine Riege »wahrer« Kantianer, von der die Wildfänge und Wechselbälger abgehoben werden, die Kants Werk verwässerten oder missverstanden: sie hätten sich auf die Sekundärausbeutung Kants beschränkt, ihn als wissenschaftstheoretischen Kategorienlieferanten missbraucht, in jedem Falle ihr eigenes Süppchen gekocht. Durch die Schneisenführung des liberalen Kantianismus lässt sich freilich nicht erfassen, dass Kant nicht nur für den deutschen »aufgeklärten Protestantismus« des Vormärz,288 etwa für Wilhelm T. Krug, ein wichtiger Referenzautor war. Auf die Bedeutung Kants für die jakobinischen Kleriker in den habsburgischen Ländern um 1800 wurde bereits oben hingewiesen, ebenso wichtig war er aber für die Theologen der katholischen Restauration im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. Kant und die Restauration: für dieses Thema lohnt es, wieder auf Bolzanos Widersacher Jakob Frint und seinen Kreis zurückzukommen. Hier soll uns zuerst Vinzenz Eduard Milde (1777–1853)289 interessieren. Der Theologe Milde, Sohn eines Brünner Buchbinders, wurde zu einem engen Mitarbeiter Frints.290 Er folgte Hurdlek als Bischof von Leitmeritz nach und bestieg bald darauf als erster Bürgerlicher den Wiener Fürsterzbischofsstuhl. Milde hatte von 1806 bis 1810 in Wien die erste Professur für Erziehungswissenschaft der Monarchie bekleidet, zwischen 1811 und 1813 legte er das pädagogische Lehrbuch vor, das bis 1848 an den Universitäten des Kaisertums vorgeschrieben blieb.291 Milde hielt an Kants Vermögenspsychologie fest, er trat gegen Johann Friedrich Herbarts »einfache Vorstellungen« auf, deren Speicherung im Unbewussten und Zusammenstellung zu komplexen psychischen Phänomenen die Psychologie auf dem Wege der kontrollierten Introspektion ergründen sollte. Milde sträubt sich auch gegen Herbarts Versuch, die kantischen Kategorien aus einfachen dinglichen Vorstellungen abzuleiten. Laut Herbart waren komplexere Bewusstseinsabläufe zerlegbar : nach dem Leitparadigma der Newtonschen Mechanik seien sie bewegungsgesetzartig als Resultate von Ballungen einfacher Vorgänge erfassbar und in Gleichungen darstellbar.292 Herbart entwarf eine Schwellenkunde reizstimulierter Vorstellungen, die um die Vorherrschaft wetteifern, wobei die nichtdominanten Vorstellungen in eine Latenzzone absinken, aus der sie aber wieder emporsteigen können. Zustimmend glossierte Milde Kants Ästhetik, der zufolge das Schöne ein Lustzustand des Subjekts sei, ein Harmonieverhältnis zwischen Verstand und Einbildungskraft; auch hier machte sich Milde die
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Kant’sche Theorie der Geschmacksurteile zu eigen und grenzte sich von Herbart ab, der die Objektgebundenheit des Schönheitsempfindens betonte. Empirisch erwiesen ist für Milde die Erkenntnis, dass das Erziehungsziel die Sittlichkeit im kantischen Sinne sein müsse: weil lenkende Erziehung unter den Voraussetzungen der transzendentalen Freiheit nicht möglich sei, habe das Erziehungsprinzip die Fähigkeit zur Selbstbildung zu vermitteln (»perfektible Selbsttätigkeit«).293
Abb. 19: Vinzenz Eduard Milde
Wie steht es um die Resonanz der kritischen Philosophie im Werk von Jakob Frint (1766–1834), dem Hofburgpfarrer, Beichtvater Kaiser Franz I. und späteren Bischof von St. Pölten? Frint hatte das Lehrbuch für das 1804 auf seine Anregung an den Universitäten der Monarchie neu eingerichtete Obligatfach der Religionswissenschaft verfasst,294 für jenes Fach, das Bolzano in Prag vortrug. In seinem Handbuch der Religionswissenschaft sicherte Frint die Wahrheiten des Glaubens mit kantianischen Kautelen: er betonte, dass die Gegenstände der sogenannten natürlichen Religion, »die Existenz der Gottheit, die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens«, nicht auf dem Wege der Vernunft gewusst, sondern bloß »aus praktischen Gründen geglaubt werden sollten.«295 Die »Entsündigung« bezeichnete Frint als »ein notwendiges Postulat der praktischen Vernunft.« Ohne sie wäre schließlich »der moralische Weltzweck an den Menschen unmöglich, welcher doch möglich sein muß, weil er uns von der praktischen Vernunft geboten wird, welche nichts Unmögliches gebieten
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kann.«296 Frint versuchte Lösungen für zwei Probleme der kantischen Philosophie zu formulieren: zum einen befasste er sich mit der Duplikation des unverbrüchlichen Naturgesetzes im Sittengesetz, das in der moralischen Welt allgemeingültig und absolut herrschen soll. Zum anderen beschäftigte Frint die Vermittlung zwischen dem intelligiblen »höheren« Ich und dem empirischen Ich, das Freiheitsproblem: bestand zwischen diesen beiden Welten eine Beziehung, die es erlaubte, durch die Willenskraft und durch sittliche Maximen die Vernunft über die Neigungen zu stellen? Hier rückte Frint die Kant’sche Philosophie an den Spinozismus heran. Was Frint umtrieb, war die Absenz einer Kausalbeziehung zwischen intelligiblem und empirischem Ich: der reine Wille des intelligiblen Ich wird durch die sinnlichen Anlagen und Neigungen gefährdet, zugleich soll dieser Wille aber in die Sinnenwelt hineinwirken, um Denken und Handeln veredelnd zu bestimmen. Nach Frint kommt der »Autonomie des Willens«, die von der Befriedigung des Dranges nach Glückseligkeit abgelöst ist, nur in einer Hinsicht »Wahrheit« zu: sofern diese Autonomie »in der Unabhängigkeit von einer Materie des Begehrens besteht«, sei sie in dem Sinne aufzufassen, dass »die Seligkeit des Menschen […] nicht als das Erste, als etwas Unbedingtes, oder als das Princip der Sittengesetze gedacht werden darf.« Diese Vorstellung der Seligkeit dürfe »u¨ ber den menschlichen Willen keine nöthigende, und pathologisch bestimmende Kraft« ausüben, weil sonst »keine Freyheit, keine Selbstbestimmbarkeit mehr möglich wäre«, und »alle Autonomie aufhören mu¨ ßte.«297 Ähnlich wie Frint mit seiner Kant-Adaption verfahren auch die Philosophielehrbücher der Restauration, die Elementa Philosophiae in usum Auditorum Philosophiae adumbrata des Piaristen Josef Calasanz Likawetz und der Religionsunterricht für Kandidaten der Philosophie von Johann Michael Leonhard.298 Likawetz folgt über weite Strecken werkgetreu der Tugendlehre aus Wilhelm Traugott Krugs System der praktischen Philosophie:299 Die philosophische Moral setzt bei Likawetz und Krug »zwar eine aktive und passive Verpflichtung in ein und dasselbe Subjekt«, sie tut dies »jedoch in verschiedener Hinsicht«. Das Subjekt verpflichtet sich selbst. Dieser Satz bedeute, dass die Vernunft als gesetzgebendes Vermögen den »auch anderweitig bestimmbaren Willen« des Subjekts »zu einer gewissen Handlungsweise« verpflichte. Die theologische Moral hingegen setze »die aktive Verpflichtung in Gott und die passive in den Menschen.« Man mag nun annehmen, »Gott habe seinen Willen dem Menschen ursprünglich ins Herz geschrieben oder späterhin durch Mittelspersonen bekannt gemacht (natürlich oder übernatürlich, unmittelbar oder mittelbar geoffenbart), so muß doch die Vernunft den Willen Gottes (das göttliche Gesetz) erkennen oder wenigstens anerkennen und sich dabei nach ihren eigentümlichen Prinzipien richten.« Beide Ansichten, die moralische und die religiöse, liefen »also im Grunde auf eins hinaus.«300 So liegt Likawetzs Analyse ein kan-
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tianisch camoufliertes Postulat zugrunde: die Ebenbürtigkeit von Naturreligion, Vernunftgründen und durch die Offenbarung vermittelten Glaubenswahrheiten. Diese erste Generation der Restauration war philosophisch-theologisch am Puls der Zeit, Kants kritische Philosophie konnte sie nicht entbehren. Um die Wende von den 1820er zu den 1830er Jahren wurden diese kantianisch gefärbten Kompromisskonstruktionen allmählich eingerissen. Hier verdient vor allem der aus Nordböhmen gebürtige Theologe Anton Günther (1783–1863) Erwähnung, neben Friedrich Schlegel war er die bedeutendste Schlüsselfigur der wissenschaftlichen Restauration.301 Der Priester Günther lebte nach kurzen Noviziaten bei den Jesuiten und bei den Redemptoristen als Privatgelehrter in Wien, wo er einen Kreis begabter und vielseitiger Schüler um sich scharte. Wiederholte Rufe auf Theologie-Lehrstühle in Deutschland lehnte er ab. Auch Günthers Lehre ist ohne Kants kritische Philosophie nicht denkbar, von den Kant-Bearbeitungen der frühen Restauration setzte er sich jedoch ab. In seinem Werk Euristheus und Heracles von 1843 rekonstruierte Günther die Kant-Begeisterung, die bei den katholischen Theologen fünfzig Jahre zuvor um sich gegriffen hatte. Diese KantEuphorie zeigte sich in zwei Varianten. Die erste Spielart war die Wiedergewinnung der positiven Religion, die eben nicht durch die Vernunft begründbar war, die Erkenntnisabstinenz in Fragen des Glaubens. Laut Günther gab es um 1800 eine Unzahl von Theologen, denen das kantische Nichtwissen in der theoretischen Philosophie zur guten Stunde kam, indem sie gerade diese Negativität zur Basis der positiven Offenbarung machten, und zwar fu¨ r das theoretische Wissen zunächst, hierdurch aber auch fu¨ r practisches Wissen als Gewissen. Sie fanden den Kriticismus zwar einen unbärtigen Landstreicher, aber der sich ohne viel Umstände auf der Herberge von katholischen Werbern den Hut sammt Federbusch aufsetzen und so in katholische Uniform stecken und adjustirt in’s Feld stellen ließ.302
Die zweite Variante des katholischen Kantianismus im frühen 19. Jahrhundert, die Günther ausmachte, versuchte den Materialismus durch eine Doppelstrategie in die Schranken zu weisen, indem sie nämlich die Suprematie des Verstandes in der Welterkenntnis und den Vorrang der praktischen Vernunft in der Erkenntnis der Glaubenswahrheiten begründete. Nun bestand für Günther das Problem Kants und der katholischen Kantianer darin, dass sie die Behauptung, das Naturgesetz und mit ihm die Kausalität sei ein Produkt des intelligiblen Ichs, unvermittelt neben die Rolle des Verstandes in der Gestaltung der Natur aus dem unübersichtlichen Sinnenmaterial stellten. Kant machte das transzendentale Erkenntnisobjekt »an sich« für die Theorie der Erfahrung bedeutungslos, indem er es für unerkennbar erklärte. Damit habe er die Möglichkeit ausgeschlossen, dass dieses Objekt das Erfahrungssubjekt in seinem empirischen Erkennen irgendwie determinieren könne: an eben dieser Stelle sollte aber laut Anton
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Günther das objektive Vermögen jedes Menschen stehen, seine Kreatürlichkeit vernunftmäßig zu begreifen. Die katholischen Kantianer, schreibt Günther in seinem Rückblick, unterschieden sehr wohl, wie zwischen der objectiven und subjectiven Sphäre des Daseins, so auch zwischen der Realität beider, die gleichbedeutend war mit dem sogenannten Ansich der Dinge in beiden Sphären. Und wenn die Kategorientafel als Inbegriff der Prädicabilien und als Inhalt der Subjectivität, keine Anwendung auf das objective Dasein (die Welt der Erscheinungen) hätte erleben sollen; wozu hätte dann Kant die altcartesische Bestimmung der gegensetzlichen Glieder im relativen Dasein, als Gedanke und Ausdehnung in der neuen Form und Materie […] umgesetzt, wenn er den Prädicabilien keine Anwendung auf das Gegebene als Dasein oder Erscheinung vorhinein zugedacht hätte? Weil er aber jene reinen Formen im Denksubjecte nur fu¨ r das Gegebene in der Sphäre des Objectiven als des blos Erscheinenden urspru¨ nglich bestimmt erklärte, um Einheit in die chaotische Masse der Sinneseindru¨ cke zu bringen; so hatte er sich freilich den Weg voreiligerweise abgeschnitten, um dem Erkennen im Denken des Ansich, im Wissen des Seins, die Krone aufzusetzen.303
Die Lehrbücher Frints und Likawetzs zerpflückte Günther in Gutachten, die er während der 1830er Jahre als k.k. Zensor theologischer und juristischer Schriften lieferte. Über Likawetz schrieb er pointiert: »Wie kann ein Kantianer von Gott als allerrealstem Wesen vor aller Anwendung und Uebertragung einer urspru¨ nglichen Denkform reden, da ja alle Realität aller Wesen erst durch und nach jener Anwendung zu Stande kommt, die aber nicht zu Stande kommt, wo die Erscheinung des Dings abgeht?!«304
Postrevolutionäres Nachspiel 1848 war auch für die Theologie ein Wendepunkt. Die auf die lange Bank geschobene Studienreform wurde in Angriff genommen, die bisherigen Lehrbücher ausgemustert. Anton Günther veröffentlichte in der neuen, von der Fakultät in Wien herausgegebenen Zeitschrift für die gesammte katholische Theologie die kleine Streitschrift Über den Vernunfthaß auf katholischem Gebiete.305 Günther las jenen Theologen die Leviten, welche die Bedeutung der Vernunft für die Gotteserkenntnis leugneten. Schrillere Töne waren in der Wiener Kirchenzeitung zu vernehmen. Im Juni 1850 erschien hier unter dem Titel Kants Nachzügler eine Glosse, in der von den »Kantianern« die Rede war, die in der »österreichischen Theologie« für lange Zeit eine keineswegs »segensreiche Rolle« gespielt hätten. Diese kantianischen Theologen wussten sich »ihrer Klugheit, Demuth und practischen Tüchtigkeit zu rühmen.« Sie hätten »gewisse Schlagwörter von ihrer Glaubensdemuth und angebeteten Vernunftgefangenschaft erfunden«, während sie den modernen Unglauben in die Theologie hineintrugen. Diese
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Kantianer »sind ganz von der christlichen welthistorischen Anschauung abgekommen: daß, bis der Zeiger der Weltuhr auf die Stunde der Verklärung am großen Auferstehungsmorgen weiset, unser Planet ein allgemeines Krankenund Todtenhaus mit bestimmten Zeitübeln sei; – und in diesem die vom himmlischen Arzte gegründete Heilanstalt, die katholische Kirche wirke.«306 Für eine kantianische Theologie war im katholischen Geistesleben nach 1848 ebenso wenig Platz wie für Bolzano- und Günther-Anhänger des Vormärz.307 An die Stelle der angeblich so rigiden »Restauration« sollte die Neoscholastik treten.
Franz von Zeiller und der Kantianismus in der Rechtswissenschaft von Franz L. Fillafer Franz von Zeiller (1751–1828)308 zählte zu den bedeutendsten Juristen der Habsburgermonarchie: Zeiller gehörte als Professor und Studiendirektor der Juristischen Fakultät an der Universität Wien an, deren Rektorat er zweimal bekleidete; er erneuerte den juristischen Studienplan und war für die Endredaktion des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) von 1811 verantwortlich,309 bis ins hohe Alter wirkte er als Mitglied der Hofkommission für Gesetzgebungssachen sowie der Obersten Justizstelle. Im 19. Jahrhundert flocht man dem Nestor der vormärzlichen Jurisprudenz und dem Schöpfer des ABGB Kränze, Zeiller galt als Kantianer und als »Frühliberaler«, 1891 wurde sein Denkmal im Arkadengang der Universität Wien enthüllt.310 Zeiller, heißt es, habe die bürgerliche Freiheit geschickt in das ABGB eingebaut und damit ein liberales Privatrecht geschaffen, das die Restauration unter Franz I. und Ferdinand I. unbeschadet überdauern konnte. Die Kodifikation habe das Tauwetter des Jahres 1848 ermöglicht und unterschwellig den modernen Verfassungsstaat vorgeprägt. In den letzten Jahren beginnt Karl Anton von Martini (1726–1800) seinem Schüler Zeiller den Rang abzulaufen: nun heißt es, Zeiller sei eher als Zieh- und Adoptivvater des ABGB anzusehen, das materiell aus Martinis Urentwurf schöpfe; er habe Martinis Grundrechtskatalog aus dem ABGB gekippt und seinen ehemaligen Mentor ausgebootet, der obendrein die österreichischen »Jakobiner« vor dem Galgen gerettet hatte.311 In den meisten Studien über diese Epoche um 1800 scheinen die Begriffe »Aufklärung« und »Reaktion« nach einem Zufallsschlüssel verteilt, wie die Gewinnaussichten von Jetons auf einem Roulettetisch. Wenn Martini als Vernunftrechtler, als Anhänger der Pflichtethik Christian Wolffs und der geometrischen Methode dargestellt wird, figuriert Zeiller als Gegenbild, als liberaler Kant-Anhänger ; bei Autoren, denen Martini als Verfechter der »Grundrechte« gilt, gerät Zeiller zum Parteigänger der Restauration, das ABGB erscheint als
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Abb. 20: Emanuel Pendl, Franz von Zeiller, Arkadenhof, Universität Wien (1891)
Gesetzbuch für eine neuständische Gesellschaft mit aufgeschminkten liberalen Zügen. Um bei der Roulettemetapher zu bleiben: hier gewinnt mit Sicherheit die Bank, über die eigentliche Frage, was Aufklärung und Kantianismus für die Jurisprudenz zu Zeillers Lebzeiten bedeuteten, erhält man auf diese Weise keinen Aufschluss. Das Klischee über die vom Kantianismus abgekapselte Monarchie, über die im eigenen Saft schmorende Intelligenz der habsburgischen Länder des Vormärz, bedarf einer tiefgreifenden Revision. In Vergessenheit geraten ist die Kant-Rezeption des frühen 19. Jahrhunderts durch die Erbeerzählung einer kantskeptischen, auf Leibniz-Wolffschen Grundlagen ruhenden »österreichischen philosophischen Tradition.«312 Auf den folgenden Seiten werden ausgehend von Zeillers Verhältnis zum Kantianismus die rechtsdogmatischen und rechtsphilosophischen Verästelungen der Zeit nachgezeichnet, aber auch die Kontexte der bisherigen Zeiller- und Kanthuldigungen skizziert. Dabei ist vorauszuschicken, dass der juristische Kantianismus erstaunlich lückenhaft erschlossen ist,313 auch für die lange als banausisch verschrieene österreichische
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Jurisprudenz des Vormärz muss man sich wichtige Anhaltspunkte erst erarbeiten. Die Debatte über Zeiller und Kant wird häufig als verkappte Kant-Diskussion geführt: Hier stehen sich zwei Kant-Bilder gegenüber, sie zeigen den »republikanischen« Patriarchen deutscher Geistesfreiheit und den staatsfrommen Duckmäuser.314 Die erste systematische Darstellung des Kantianers Zeiller veröffentlichte 1926 Ernst Swoboda, der später als hochdekorierter NS-Jurist Karriere machen sollte,315 sie hatte eine deutschnationale ideenpolitische Pointe: Zeiller wird hier als Künder des »deutschen Denkers« Kant präsentiert, Swoboda versuchte nachzuweisen, dass das ABGB dank Zeiller mit kantianischen Auffassungen »durchtränkt« sei.316 Diese Schlussfolgerung ist unhaltbar, man hat zurecht davor gewarnt, »Kants Einfluß auf Zeiller in materieller Hinsicht« zu überschätzen.317 Wenn man Zeillers »Kantianismus« sorgfältiger durchleuchten will, muss man zuerst seine Voraussetzungen klären. Hier kommt dem Naturrecht eine Schlüsselrolle zu.
Naturrecht und wissenschaftliche Methodenlehre bei Wolff und Kant Das Naturrecht bildet die Matrix für Zeillers Kant-Rezeption. Als Begründungswissen verband das frühneuzeitliche Naturrecht verschiedene Gegenstandsbereiche, als Scharnierkonzepte zwischen Theologie, Ökonomie, Staatswissenschaft und Jurisprudenz fungierten beispielsweise die natürlichen Rechte und die natürliche Religion, die Naturgeschichte des Menschengeschlechts, die natürliche Verteilung der Reichtümer und der natürliche Zinssatz.318 Dabei war das Naturrecht keine autarke oder präskriptive »politische Sprache«, eher ein Denkstil, der gewisse Argumentationsformen plausibel machte. Naturrechtliche Figuren wurden mit antiquarischen Argumenten und Rechtsinstituten aus dem römischrechtlichen usus modernus pandectarum verschnitten und unterlegt. Dabei lieferte das Naturrecht nicht nur Universalbegründungen des Rechts, es war weit mehr als eine Diskursstütze für die Aufmachersektion juristischer Literatur. Die Tiefenschärfe der Dogmatisierung von Rechtsinstituten im »natürlichen Privatrecht« ist beachtlich, neben die Ableitung ursprünglicher und derivativer Besitztypen nach dem usus modernus traten naturrechtliche Begründungen sämtlicher »natürlicher« und zivilrechtlicher Formen des Erwerbs, der Ersitzung und Verwirkung. Zeillers Rechtsstudium war geprägt vom Naturrecht in der Manier Christian Wolffs (1679–1754), das in Wien Karl Anton von Martini vortrug. Schon in den 1770er Jahren ergriffen Broschüren für und wider Martinis syllogistische Darstellungsweise Partei, die es angeblich erlaubte, die naturrechtsgemäße Moral im mathematischen Sinne als Funktion aus der untrüglichen Erkenntnis des Guten
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lückenlos abzuleiten.319 Kants Rechtslehre und seine rechtsphilosophischen Schriften richteten sich explizit gegen das Wolffsche Naturrecht. Vier Aspekte sind für Zeillers Auseinandersetzung mit Kant besonders relevant: Kants Revision der Wolffschen Systematik und Methodik, Kants Umprägung des Normgehalts des Rechts von der Pflicht zur Freiheit, seine Subversion des Wolffschen Tugendstaates, und schließlich die Kritik der Kantianer an der wolffianischen Verquickung von Recht und Tugend. Wolffs Theorie über die reale Wesens- und Attribut-Erkenntnis der Begriffe der Dinge (res/realitas) beruhte auf der angenommenen Harmonisierbarkeit logischer und transzendental-ontologischer Prädikate durch den Verstand, den Wolff als das Vermögen deutlicher Begriffe bezeichnete. Dabei wurde Wolff und Martini angekreidet, dass ihrem System zufolge Normdefinitionen nicht den Beweis ihrer Möglichkeit enthielten, der aber erst das Begreifen des Wesens der Sache erlaube: Wenn nun die Erkenntnisgegenstände überwiegend willkürliche, nicht notwendige Bestimmungen enthielten, zerfalle die Demonstration in ein Sammelsurium von Nominaldefinitionen, die eben nach Wolff kein philosophisches Wissen generieren könnten.320 Im Bereich der Normkonstituierung wurde Wolff die Vermengung (let\basir eQr %kko c]mor) von Seins- und Sollenaussagen vorgeworfen: die Ableitbarkeit von Normen aus Tatsachenaussagen stehe neben der Identifikation normativer Aussagen als Bestimmungen des Naturbegriffs, damit gerate bei Wolff und Martini das Aufstellen naturrechtlicher Normen zum Zirkelschluss.321 Kant entkleidete den Naturbegriff seiner Wertbestimmung, er kappte die Finalursache und die Wahrheitsfähigkeit von Zwecken, an die Stelle des Wahrheitskritieriums sollten in der Rechtslehre des 19. Jahrhunderts relationale Kausalitäten (Ursache/Wirkung) und Wertbeziehungen (Sein/Sollen) treten. Während bei Wolff das System dazu gedient hatte, regelhaft einen stoffadäquaten Zusammenhang zu arrangieren, löste Kant die Erkenntnisform von ihrem Gegenstand und definierte die Form wissenschaftlichen Erkennens nicht mehr als äußerliche Zusammenfassung des Stoffs, sondern als inhaltliche Gliederung nach Prinzipien.322 Bei Kant ist die »natürliche Ordnung« der Dinge ein Resultat der Verstandesleistung, der Verstand bringt als »Vermögen der Regeln«323 das »Mannigfaltige der Anschauungen« unter die »reinen Verstandesbegriffe« oder »Kategorien«.324 Die Erkenntnis des Rechts durch die Vernunft, durch das »Vermögen der Prinzipien«,325 ist demnach unmöglich. Vielmehr wird das Recht durch die transzendentalphilosophisch begriffene Vernunft konstituiert, so dass das Subjekt in allen Rechtssätzen immer Subjekt einer sich selbst bestimmenden Freiheit, niemals einer nur äußeren, normativen Sollensordnung ist. Kants Definition des Rechts als sich selbst gesetzesförmig bindende, nicht als von außen rückzubindende Freiheit, macht eine dialektische Konstruktion erfor-
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derlich: diese Freiheit muss ja in Rechtsgestalt, in Form ihrer äußeren Selbstbindung, auch den äußeren Zwang, also scheinbare Unfreiheit begründen.326
Abb. 21
Die Naturrechtler griffen die scholastische Prämisse der »natürlichen Freiheit« aller Menschen auf, die im Gesellschaftsvertrag in ein soziales Gefüge übersetzt werde. Der Gesellschaftsvertrag blieb ein Zentralgestirn naturrechtlichen Argumentierens, daneben sind für unsere Zwecke zwei weitere Elemente, ein Modell und ein Verfahren der Naturrechtler, relevant. Das Modell legte die willkürfreie Regelmäßigkeit des Objektbereichs fest, die ausgehend von einer »prima causa«, einem nicht mehr in seine Schöpfung eingreifenden Gott, die Erforschung von »secundae causae«, gegenstandsspezifischen, partikularen Naturprinzipien erlaubte. Dazu kam das diagnostische Verfahren der Naturrechtler, das mit einem Zeitdifferential arbeitete: analog zur Begründung der Naturprinzipien wurden »reine«, unverfälschte Ur-Zustände späteren »gemischten« Entwicklungsformen gegenübergestellt.327 Diese Diskrepanz, das
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Verhältnis zwischen Urrecht und positivem Recht, sollte zum Knackpunkt für Zeillers Kant-Rezeption werden. Bevor ich im dritten Abschnitt darauf eingehe, möchte ich zunächst Zeillers Auseinandersetzung mit Kant anhand von drei Prämissen seiner Rechtslehre erläutern:
Rechtsphilosophische Basissätze bei Zeiller Erstens definiert Zeiller den Menschen mit Kant als Person, der ursprüngliche, angeborene und natürliche Rechte zukommen, als Selbstzweck.328 Das Recht versteht Zeiller in seinem Natürlichen Privatrecht als »Einschränkung der Freiheit eines jeden einzelnen auf die Bedingung, daß andere neben ihm als Personen«, als »freitätige Wesen«, bestehen können.329 Der Mensch dürfe nicht als Mittel willkürlicher Zwecke behandelt werden: Die »Rechtlichkeit einer Handlung« sei dadurch verifizierbar, dass, »wenn jeder auf solche Art handelte, andere als Personen […] neben ihm existieren können.« Zweitens ist Zeillers Rechtsbegriff mit kantianische Bestimmungen gesättigt. Wolffs Definition des Naturrechts beruhte auf der Reziprozität, der Reflexduplikation von Pflichten: Das natürliche Recht war der legitime Anspruch darauf, dass auch alle anderen Normadressaten ihre Pflichten einhielten. Mit Wolffs paternalistischer Staatsziellehre stand diese Pflichtenkongruenz in enger Verbindung, sie flankierte das Wirken des weisen Gesetzgebers, der die Begierden und Bestrebungen der Bürger koordinierte, Zielkonflikte vermied und so die »Sicherheit« des Gemeinwesens gewährleistete. Staatswissenschaftler wie der Wiener Professor Joseph von Sonnenfels, Popularphilosophen und kantianische Publizisten haben Wolffs teleokratische Glückseligkeits- und Vollkommenheitslehre als »wurmstichige Metaphysik« abgetan.330 Zeiller folgte Kant, indem er das Recht von der Freiheit her dachte, es nicht mehr aus der Glückseligkeit ableitete, oder als Anspruch auf wechselseitige Pflichterfüllung begriff. Statt der Zwangsbeglückung der Bürger durch den Anstaltsstaat ist das Ziel der Gesellschaft der unbehelligte Genuss der persönlichen Freiheit.331 Das hat Zeiller dogmatisch in der bürgerlichen Verfügungsfreiheit, im Eigentumsrecht und in der Liberalisierung des Liegenschaftserwerbs umgesetzt. Drittens schließlich übernahm Zeiller Kants Trennung des Rechts von der Moral.332 Zeiller unterschied exakt zwischen der äußeren Bejahung und inneren Billigung der Gesetze. Damit trat die Gesetzeskonformität an die Stelle der Gesetzestreue, das Gesetz war kein Tugendkatalog mehr, aus dieser Entlastung ergab sich die moralische Eigenverantwortung der Bürger. Zeiller formuliert das so:
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Wer die Sittlichkeit dem sinnlichen Wohlsein nachsetzt, die Cultur seiner geistigen und körperlichen Kräfte vernachlässiget, durch Sinnesgenuß seinen Geist und Körper schwächet, und seine Lebensdauer verkürzet, hat zwar die natürlichen Folgen des Lasters, die Vorwürfe seines Gewissens und Gottes Gericht, aber eine äußere nötigende Einschränkung hat er nur dann zu besorgen, wenn er dabei andere beeinträchtigt.333
Mit dem Aufruf, die »Vermengung der Moral mit dem Recht« zu vermeiden,334 stand Zeiller damals nicht allein. Joseph von Sonnenfels bemerkt 1798 in seinem Handbuch der inneren Staatsverwaltung: Zufrieden also, wie Kant mit scharfsinniger Unterscheidung spricht: Bürger von guten Sitten, wenn gleich nicht durchaus sittlich gute Bürger zu haben, muß die gesellschaftliche Leitung sich begnügen, auf das Äußere, gleichsam auf den Körper der Handlungen allein zu sehen, und es dem aufklärenden Unterrichte überlassen, den Geist der höheren Gesinnungen und inneren Überzeugungen mit der gesellschaftlichen Tugend zu verbinden.335
Sonnenfels ergänzt freilich: auch wenn man den Rechtsbegriff im Sinne der wechselseitigen Beschränkung von Willkürsphären fasst, sei daraus keine uneingeschränkte Autonomie der Vernunft abzuleiten. Zwar sei die »moralisch praktische Vernunft« auf dem Gebiete der Sittlichkeit jedes einzelnen Menschen »unmittelbar Gesetzgeberin«, diese »Autonomie« höre aber auf, wenn es um die »gesellschaftliche Ordnung« gehe, hier entscheide die »Zuträglichkeit« nach Maximen der Klugheitslehre; der Vernunft bleibe das etwas schmalbrüstige »Veto«, das sie einzulegen habe, »insoferne« sich die Anträge der Klugheitslehre »mit der Moralität, d.i. mit der allgemeinen Gerechtigkeit im Widerspruch fänden.«336 Ähnliche Vorbehalte äußert auch Zeiller, das führt uns zur Vermittlung der Urrechte im gesellschaftlichen Zustand.
Urrecht im Naturzustand und »positives« Privatrecht im Staat – Ein Vermittlungsproblem Um die Tragweite der Frage zu verstehen, muss man kurz Kants Position abstecken. Für Kant erhält die staatlich organisierte Machtordnung erst vermöge ihrer Subsumption unter einen Rechtsbegriff den Charakter einer objektiv gesollten, trotz ihrer Unvollkommenheit der Friedens- und Harmonieidee dienenden Rechtsordnung. Kants Rechtsbegriff wurde häufig vorgeworfen, er sei »inhaltsleer«, das beruht auf einseitigen Lesarten. Der Rechtsbegriff ist mit formalen wie materialen Gehalten angereichert: zu den formalen Qualitäten gehören die Menschenwürde, die allgemeine Zustimmungsfähigkeit der Gesetze, der Gesellschaftsvertrag,337 sowie die »Verfassung von der größtmöglichen menschlichen Freiheit« als »regulative« und »notwendige« Idee;338 diesen Kri-
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terien steht Kants Ablehnung des Widerstandsrechts entgegen,339 ebenso seine bekannte Einschränkung, dass es sich für die Bevölkerung nicht schicke, über den »Ursprung der obersten Gewalt […] werktätig« zu »vernünfteln«.340 Zu den formalen Gehalten zählen die weniger stringent ausgeführten Postulate der Gewaltenteilung und das Prinzip der Volksrepräsentation.341 Der kategorische Imperativ unterfängt die Rechtsgestaltung, er ist doppelschneidig, hat Regelund Prinzipiencharakter : Als Prinzip fungiert er, indem er es zur Pflicht macht, im größtmöglichen Maße nach verallgemeinerungsfähigen Maximen zu handeln. Hingegen dient der Imperativ als Regel, wenn er als Beurteilungskriterium verwendet wird: als Kriterium, das festlegt, dass eine Handlung stets und nur dann moralisch richtig ist, wenn ihre Maxime (unter den gegebenen Bedingungen) verallgemeinerungsfähig ist.342 Diese Transformation von Prinzipien in Regeln ist bei jeder Güterabwägung, bei jeder Entscheidung im Falle einer Prinzipienkollision unerlässlich, auf diese Weise versucht Kant, die Maximen der Sittlichkeit mittels der eben erwähnten Inhalte des Rechtsbegriffs (Menschenwürde, Zustimmungsfähigkeit der Gesetze, Gesellschaftsvertrag usw.) in die Rechtsschöpfung und in das Verwaltungshandeln einzubringen.343 Zeiller übernimmt die Freiheit als Gegenstand der staatlichen Sicherheitsgarantie; er betont die sibisufficientia,344 die Selbständigkeit sowie den freien Genuss des Eigentums und seiner Früchte als Anspruchsinhalt des bürgerlichen Freiheitsrechts. Zugleich betont Zeiller, der Zweck des Staates bestehe nicht in der Erhaltung der natürlichen und unverlierbaren Rechte des Menschen,345 die »Urrechte« seien verwirkbar und veränderbar.346 Die scharfe Trennung zwischen Recht und Moral ist eingelassen in ein Bedingungsgefüge beider Faktoren: Da Zeiller den Schutz der Rechte als Bedingung der Sittlichkeit ansieht, statuiert er eine moralische Pflicht des Bürgers, in den Staat einzutreten,347 Kants Idee der Staatsgründung als Rechtspflicht macht er sich jedoch nicht zu eigen. Zeiller verteidigt die Unanfechtbarkeit der »bürgerlichen Oberhoheit« des Monarchen, privatrechtlich sei der Monarch freilich ein Bürger wie jeder andere auch. Die Volkssouveränität lehnt Zeiller ab, er erlegt aber – wie auch Martini und Paul Anselm Feuerbach – dem Monarchen die Rechtspflicht auf, die bürgerlichen Fundamentalrechte zu achten, widrigenfalls sei den Untertanen die passive Gehorsamsverweigerung gestattet.348 Die »ursprüngliche Gleichheit« bezeichnet Zeiller als »Abstraktion der Schriftsteller«, die aber doch immerhin einen »practischen Nutzen« habe: Sie lehre uns »in jedem Menschen, so niedrig auch seine Lage in dem bu¨ rgerlichen Leben seyn mag, die Menschheit zu ehren, ihn als ein moralisches Wesen unverletzbar und heilig zu halten.«349 Zeiller hält das »Volk« für unfähig, die »rechtliche Entstehung des Staates zu begreifen«, das Nachgrübeln über die Ursprünge staatlicher Gewalt führe nur zu Widerspenstigkeit.350 Zeiller umgeht die Maximen des »Republikanismus« und der »Publizität«, die Kant anlässlich des preußisch-französischen Friedens von Basel zu-
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sammenführte: 1795 hatte Kant argumentiert, der preußische König sei angesichts des entstehenden »Völkerbundes« gehalten, sein Land so zu regieren, als ob es eine Republik sei, als müssten die Gesetze des Landes allgemein zustimmungsfähig sein.351
Rechtsdogmatik Zeillers Kantianismus wurde mitunter schaumschlägerisch übertrieben, falsche Fährten wurden gelegt, Retuschen vorgenommen. Wie steht es um die rechtsdogmatische Verarbeitung Kant’scher Anregungen im ABGB? Nominell, so Zeiller, sei die Aufgabe des Gesetzgebers die Kundmachung und adaptierende Ergänzung der natürlichen Rechtsgrundsätze.352 § 16 des ABGB hält fest: »Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sklaverei oder Leibeigenschaft, und die Ausu¨ bung einer darauf sich beziehenden Macht wird in diesen Ländern nicht gestattet.« § 17 gibt die geschickt ausgetüftelte Definition: was den »natürlichen Rechten angemessen« sei, wird als »bestehend« angenommen, solange die »gesetzmäßige Beschränkung« nicht bewiesen werden könne.353 Zeiller weigerte sich, Martinis Grundrechtskatalog in das ABGB zu übernehmen; das entsprang seiner Entscheidung, präpositive Rechte nicht im Gesetz durchzupositivieren. Damit brach Zeiller über einen Grundrechtskatalog den Stab, der im wolffianisch-vernunfrechtlichen Modus das Recht als das »an sich Gute« definierte,354 der zwischen angeborenen Rechten und »Glücksgütern«, also »zufälligen Vorrechten«, unterschied. Das Ausscheiden des Grundrechtsteils war also keine »reaktionäre« Retourkutsche an die Adresse des »Aufklärers« Martini, sondern Resultat rechtsdogmatischer Erwägungen: Zeiller wollte das Privatrecht von Versatzstücken der »metaphysischen Rechtslehre« säubern.355 § 16 war also kein verstümmelter Normtorso,356 er sollte eine gegen Missverständnisse gefeite, haltbare Formulierung bieten. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, erklärte Zeiller, habe »zu den gefährlichsten Missdeutungen Veranlassung« gegeben, eine solche Aufzählung sei freilich auch deshalb entbehrlich, weil »diese Rechte jedem schon durch die Vernunft einleuchten.«357 Differenzen zwischen Kant und Zeiller zeigen sich auch im Bereich des Auswanderungsrechts – Kant bejahte es, während es für Zeiller strafbar war, sich aus dem Gesellschaftsvertrag davonzustehlen – und des ius albinagii (der staatlichen Konfiskation des Erbteils, den Bürger an der Verlassenschaft von Ausländern erwerben);358 auch die Körperschaftsbildung stellte Zeiller unter Genehmigungsvorbehalt.359 Von Kants Salve gegen das Begnadigungsrecht (das »schlüpfrigste« der Majestätsrechte, angetan den »Glanz der Hoheit« durch Huld- und Gunsterweis zu mehren) blieb Zeiller unbeeindruckt.360 Auch Kants
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Talionsprinzip verwirft Zeiller, die vorsätzliche Tötung sei nicht mit der Todesstrafe zu ahnden.361 Kantianisch gefärbt sind wiederum Zeillers Einwände gegen die negotiorum gestio bei der Geschäftsführung ohne Auftrag.362 Im Gegensatz zu Kant blieb Zeiller in seinem Naturrechtslehrbuch dem Eigentumserwerb durch den bloßen Vertrag (Konsensprinzip) verpflichtet: Zeiller beharrte darauf, dass die Freiheit der Vertragspartner, sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr durch eine irrtümlich abgegebene Erklärung nicht binden zu lassen, im Sinne der Vertrauenstheorie dort ende, wo die gesellschaftliche Ordnung in Gefahr gerate.363
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Schlussbetrachtung Zeiller gestand der »critischen Philosophie« das Verdienst zu, »daß sie die wichtigsten bisher schwankenden Begriffe genauer bestimmet, formelle (aus der Form der reinen Vernunft geschöpfte) Principien auch in die Rechtslehre eingeführet, und sie hierdurch zum Rang einer wahren Wissenschaft erhoben hat.«364 Gerhard Luf betont, Zeiller habe sich in seinem Natürlichen Privatrecht die »deliberative Aktualisierung praktischer Vernunft« verbaut, deshalb sei er nicht in der Lage gewesen, das positive Recht aus den Urrechten zu begründen. Das Verhältnis zwischen dem Privatrecht und dem »Urrecht«, aber auch jenes zwischen dem freiheitlichen bürgerlichen Recht und der öffentlichrechtlichen ständischen Ordnung, blieb umstritten.365 Eben diese Grauzone entdeckten die liberalen Juristen des Vormärz für sich, wenn sie die Privatisierung geburtsständischer Vorrechte forcierten und grundherrliche Ansprüche als veräußerbares und verjährbares Eigentum an Forderungen auslegten: damit versuchten sie, Personalfronden in Realservituten zu verwandeln, die am Grundstück, nicht an der Person des Untertanen hafteten.366 Mit dem Vermittlungsproblem zwischen natürlichen Rechten und positivem Recht stand Zeiller keineswegs allein. Seit jeher befassten sich die Naturrechtler mit der Frage, unter welchen Bedingungen der Gesetzgeber das Naturrecht durch die Duldung normwidrigen Verhaltens und die Beschneidung natürlicher Rechte außer Kraft setzen durfte. Kant selbst hat sich damit bis in das Nachlaßwerk beschäftigt,367 die bedeutendsten Juristen des frühen 19. Jahrhunderts, Feuerbach, Gustav Hugo, A. F. J. Thibaut und Friedrich Karl von Savigny, taten es ihm gleich. Der Göttinger Privatrechtler Hugo etwa, den sein Schüler Savigny als Ahnherrn der »historischen Schule« preisen sollte,368 legte Kant so aus, dass mit den ewig wahren Lehren ausschließlich »formale« Prinzipien vorlägen, materialethische Inhalte seien ausschließlich empirisch-historisch bestimmbar. Auch Hugo verquickte in seinem Naturrecht als eine Philosophie des positiven Rechts den Rechtszustand als »Gewissenspflicht« mit der Moral und betonte zugleich, die höchste Forderung der Vernunft, derzufolge man so handeln müsse, dass der »allgemeine rechtliche Zustand«, der »ewige Friede«, realisiert werde, sei unverzichtbar. Dennoch gestand Hugo wie Zeiller zu, daß kein einziges positives Recht peremptorisch, also endgültig, sein könne, es bleibe im Unterschied zum Naturrecht unweigerlich provisorisch.369 Viele Mißverständnisse der Zeiller-Deutung ergeben sich aus der irrigen Gegenüberstellung von »Staat« und »Gesellschaft«, die aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Vormärz zurückprojiziert wurde. Zeiller war ein genialer Praktiker im Geist der Gesetzgebungslehre seiner Zeit, dabei ging er als Spätaufklärer von der Selbstbestimmung des Bürgers aus, räumte der Obrigkeit aber beträchtliche Aufsichtsrechte ein. Das freiheitliche Privatrecht sollte als
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»allgemeines« Recht für eine Monarchie gelten, »welche schon durch lange Zeit ihre Provinzen zu verähnlichen bemüht war«,370 als stabiles Ensemble bürgerlicher Vekehrsformen neben den schwankenden »politischen Gesetzen«, die Standesprivilegien und Spezialbefugnisse festlegten.371 Freilich war Zeiller davon überzeugt, dass »Humanität« und »Klugheit« es erforderlich machen konnten, im Staat »tief eingewurzelte Anomalien« zu dulden.372 Einiges an Wunschdenken braucht es, um den Kodifikatoren zuzumuten, sie hätten das ABGB als Verfassungssurrogat und Flaschenpost der »zukunftsweisenden«, »kontrafaktischen« und die »ständische Sozialordnung« in die Defensive drängenden »bürgerlichen Freiheit« geplant.373 Zeiller war ein loyaler, dynastietreuer Gelehrter, ihm wurde die Erziehung der jüngeren Brüder von Kaiser Franz anvertraut. Die Studienhofkommission stellte fest, Zeiller habe in seinem Lehrbuch des natürlichen Privatrechts »verbreitete bedenkliche ›Grundsätze‹« widerlegt, zudem trage er ältere »Sätze, welche in den damaligen Zeiten nicht das mindeste Bedenken erregten« angesichts der aus ihnen »zum Theil hergefloßenen trauervollen Weltbegebenheiten« mit »erforderlicher Vorsicht und Beschränkung« vor.374 Als liberaler Bahnbrecher wurde Zeiller erst von der Generation seiner Schüler, den »aufgeklärten Liberalen« des Vormärz um Vincenz August Wagner und Joseph von Kudler porträtiert.375 Eine abschließende Bemerkung zum »Kantianismus«: Die Pandektisten, die durch die Universitätsreform der 1850er Jahre ans Ruder kamen, sahen sich als Vorreiter deutscher Wissenschaft in einer angeblich zuvor abgeschotteten Habsburgermonarchie. Die Rechtswissenschaft des Vormärz wurde mit dem Schlagwort des »verseichtigten Kantianismus von Amtswegen«376 abgekanzelt. Innovationsrendite und Abwrackprämie waren den liberalen Pandektisten um Josef Unger sicher. Die Wissenschaft des Vormärz stellte man als »rationalistisch und spekulativ« dar, ihr legte man die Revolution von 1848 zur Last; sich selbst präsentierten die Pandektisten als Garanten wissenschaftlichen Fortschritts und als Wegbereiter der vom Unterrichtsministerium Leopold Graf von Thun und Hohensteins geförderten, untadelig »positiven« Erkenntnisgrundlagen.377 In den 1850er Jahren wurde die applikative Hermeneutik des justinianischen Corpus, die man dem ABGB unterlegte, als »historische« Methode der »rationalistischen« und »kantianischen« exegetischen Schule gegenübergestellt. Dabei handelt es sich um ein ideenpolitisches Manöver der Pandektisten, für bare Münze darf man diese Zustandsschilderung nicht nehmen: sie erfasst weder die vormärzliche Rechtslehre noch die angeblich keimfrei antikantianische Pandektenwissenschaft, durch diese Abgrenzungsgeste wurde die Auseinandersetzung Savignys, des Gründervaters der Pandektistik, mit Kant und dem Vernunftrecht überspielt.378 Der »Kantianismus« ist hier zur polemischen Chiffre, zum Prügelknaben der Universitätsreformer geworden.
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Ernst Topitsch und Kant von Franz L. Fillafer Ernst Topitsch (1919–2003) gehörte als Weltanschauungsanalytiker und Ideologiekritiker zu den originellsten österreichischen Denkern des 20. Jahrhunderts. In Wien geboren, studierte Topitsch an der dortigen Universität bei den Philosophen Victor Kraft und Robert Reininger, dem Historiker Heinrich von Srbik sowie dem Theologen und Philosophiehistoriker Alois Dempf. Nach einigen Jahren in Heidelberg wirkte er ab 1969 als Professor für Philosophie in Graz.379 Seine Kant-Exegese ist in dreifacher Hinsicht von Interesse: Topitsch legte eine weltanschauungsanalytische Dekonstruktion der Transzendentalphilosophie vor, als Kelsenianer löckte er wider den Stachel, er spürte die ideologischen Prämissen der katholisch-postnationalsozialistischen Naturrechtsrenaissance ab 1945 auf und ortete die Quellen der Abendlandtümelei der Nachkriegszeit.380 Schließlich schrieb Topitsch eine vorzügliche Skizze über die Kant-Rezeption in Österreich, die als fundierter Überblick unentbehrlich bleibt.381
Abb. 23: Ernst Gottmann, Ernst Topitsch (1968)
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Mit polemischem Talent war Topitsch reich gesegnet, er verschonte weder die völkisch-nationalkonservativen Deutungseliten noch die Helden der Studentenbewegung.382 Im Positivismus-Streit mischte Topitsch kräftig mit, hier machte er sich den kritischen Rationalismus Karl Poppers und Hans Alberts zu eigen: Als Lieblingsgegner Topitschs seit den 1960er Jahren darf Jürgen Habermas gelten, ihn stellte er als neuplatonischen Siegelbewahrer einer civitas Dei, einer Himmelsstadt »dialektischer Vernunft« dar.383 Den Glauben an die Praxis »kommunikativen Handelns« als Grundlage der »Verständigung« verwies Topitsch in das Reich heilsgeschichtlicher Ideologeme: Habermas’ Ideal des »herrschaftsfreien Diskurses« speise sich aus einer pietistischen Parusie-Topik, aus der Erlösungssehnsucht nach dem Sündenfall, obendrein sei die hegelianische dialektische Terminologie kraus und bombastisch, sie widerstrebe einer überprüfbaren Beweisführung. Dieses Motiv einer platonisierend-gnostischen Zweiweltenlehre gehört zu Topitschs Standard-Interpretamenten, es zieht sich durch seine Weltanschauungsanalyse und prägt auch seine Kant-Monographie. Für Habermas wiederum verfiel Topitschs Ideologiekritik in einen Entlarvungs-Leerlauf, sie stützte letztlich jene Institutionen restaurativer geistiger Mächte, die sie zu bekämpfen vorgab.384 Diese Kontroverse wurde mit viel ideenpolitischem Theaterdonner ausgetragen. Bemerkenswert bleibt Topitschs Analyse gewisser Prämissen der späten Frankfurter Schule. Ähnlich wie etwa Georges Canguilhem begegnete Topitsch Programmen der Selbstregulation kritisch, die anti-»szientifische« und anti-technische Zurichtungs- und Steuerungsphobie der Frankfurter sieht er als Fortsetzung älterer organizistischer Denkfiguren in den deutschen Geisteswissenschaften. Dabei zeigt sich bei Topitsch auch eine disziplinengeschichtliche und wissenssoziologische Pointe: hinter Aufklärungsskepsis und pseudoegalitärer Wissenschaftsfeindlichkeit verbirgt sich oft die geistesaristokratische Autoerotik des Bildungsbürgers, sie äußert sich im Ressentiment gegen den »Fachmann«. Für Topitsch werden im Namen der »Dialektik« immunisierende »Leerformeln« produziert, Prestigewörter und Edelsubstantive verschleiern den Mangel an begrifflicher Präzision, normative Standpunkte werden nicht in nachvollziehbarer Weise offengelegt.385 Ebenso scharf wie mit Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas geht Topitsch mit der »konkreten Ordnung«, Volkstumsmetaphysik und antisemitischen Rassenstolz-Epistemologie Carl Schmitts ins Gericht.386 Von Suggestion und Nebelwerferei387 sah Topitsch auch die österreichische Universitätsphilosophie geprägt. Seinem Freund Hans Albert hat er ein paar schöne Gästebuch-Distichen gewidmet (»Willst in Wien Du Karriere machen? / Schreib’ nur ganz obskure Sachen!«), mit seinem Wechsel von Heidelberg nach Graz im Jahr 1969 ließ er zwar die »heilgen deutschen Seinsgemüse« hinter sich, tauchte aber in den Nebel der »Austrobskuranz«388 ein. Gemeint sind der akademisch verankerte katholische Existenzialismus, die heideggerianisch überformte Phänomenologie und
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der Hegelianismus.389 Topitsch garniert seine Beschreibung der geistigen Situation der Zeit mit der Unterrichtsminister Heinrich Drimmel (ÖVP, 1954–1963) zugeschriebenen Bemerkung, dass unter seiner Ressortführung gewiss kein Positivist oder Psychoanalytiker Professor werde.390 Die Kriterien der Überprüfbarkeit, die feinauflösende ideenpolitische Valenzanalyse und historische Situierung wendet Topitsch in seinem 1975 erschienenen Buch Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie auf Kant an. Hier geht es darum, »die Lehren des Herzstücks der Kantischen Philosophie unter weltanschauungsanalytischen Gesichtspunkten auf ihre großteils unausgesprochenen Voraussetzungen zurückzuführen und aus diesen zu entwickeln.«391 Das Kant-Buch beruht auf Topitschs Typenlehre; inspiriert von Max Scheler und Karl Lamprecht versucht Topitsch zu erfassen, wie menschliche Primärerfahrungen der Realitätsbewältigung und Bedürfnisbefriedigung mittels analogisierender Merkmalsübertragung in kulturelle Repräsentationen und wissenschaftliche Modelle übersetzt werden. Auf Konrad Lorenz’ genetische Erkenntnistheorie stützt sich Topitsch, wenn er ausführt, dass menschliche Weltbilder als plurifunktionale Systeme der Handlungssteuerung auf angeborene Auslösermechanismen zurückzuführen sind, die sich über die Jahrhunderte in vier Funktionstypen ausdifferenziert haben. Das Verständnis des Kosmos wird also nach Urbildern aus vier Lebensbereichen entworfen, nach biomorphen (biologischer Lebensablauf von der Zeugung bis zum Tod), soziomorphen (gesellschaftliche Beziehungen), technomorphen (Kunstfertigkeit zwischen ars und ingenium) und ekstatisch-kathartischen Modellen (Weltüberwindung in Traum, Trance, Rausch). Topitschs Analyse ist dabei großteils der kritisch-reflexiven österreichischen Wissenschaft des Fin de SiÀcle verpflichtet,392 die Austrofaschismus und Nationalsozialismus ins Exil zwangen, jenen Denkern also, die auch von der wissenschaftlichen Führungsriege der jungen Zweiten Republik totgeschwiegen wurden. Topitsch orientierte sich vor allem an Hans Kelsens Studien über die Anthropomorphose Gottes und des Staates und über die Vergeltungskausalität. Er griff Edgar Zilsels und Hans Reichenbachs Arbeiten über die menschlichen Projektionsverfahren auf, die nachwiesen, wie durch Übertragungen aus dem kognitiven Bereich in das Gebiet der Ethik ein vermeintlich »universales« und »vollkommenes« Weltgesetz konstituiert wurde, das einem moralisch sinnvoll geordneten Kosmos entsprechen soll. Um zu erklären, weshalb sich diese aus der Naturerkenntnis entlehnten älteren Formen sinnerfüllter Weltdeutung als Erbauungskonserven und Handlungsanweisungen im moralisch-politischen Bereich länger als in der Naturforschung behaupten konnten, griff Topitsch auf Sigmund Freuds Studien über die Sublimations- und Kompensationsmechanismen des Menschen zurück, der als »Prothesengott« den sittlichen Bereich vor der technisch-wissenschaftlichen Umwelt abschirmte.393
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Einen solchen Abschirmungsversuch ortet Topitsch auch bei Kant: Topitsch betont, dass Kant die metaphysisch-religiöse Tradition keineswegs zerstören wollte. Vielmehr beabsichtigte er, sie unter Preisgabe dogmatisch-spekulativer Begründungen auf ein neues Fundament zu stellen, um der Herausforderung des mechanistischen Weltbilds und der empirischen Naturerkenntnis zu begegnen, und damit die religiösen Kerninhalte, Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zu retten.394 Topitschs Analyse des vorkritischen Werks ist dabei getragen von einer Zweiweltenlehre, die er Kant nachweist: im hierarchisch geordneten Stufenkosmos zieht Kant eine Grenze zwischen Sinnenwelt und intelligibler »Geisterwelt«. Dadurch werden die Finalursachen aus dem Erkenntnisbereich herausgeschnitten, die vollständige Wirkung der Moralität im Reich »pneumatischer Gesetze« angesiedelt, die geistige Natur wird als »Noumenon im negativen Verstande« ausgewiesen und die paradoxe Auffassung angebahnt, »nach welcher empirisches und intelligibles Ich zwar verschiedenen Welten angehören, dennoch aber miteinander identisch sein sollen.«395 Der Dempf-Schüler Topitsch sieht bei Kant ein Assoziationsgesetz im Stile der »analogia entis« zwischen empirischer und immaterieller, sinnlich nicht wahrnehmbarer, aber »reiner« und »vollkommener« Welt am Werk, wobei die für den soziomorph vorgestellten Gott eingeführten Wertprädikate der Allmacht, Güte, Weisheit und Gerechtigkeit nur mehr durch »Subreptionen«, also Erschleichungen, begründbar sind.396 Das Scheitern von Kants kritischem System ergibt sich für Topitsch aus den Interferenzen zwischen drei miteinander verknüpften Funktionen seiner Philosophie, der Welterklärung, der Weltüberwindung und der Handlungsanweisung, aber auch aus den Schablonen, die Kant aus dem vorkritischen Werk in die Kritiken übernahm. In der theoretischen Philosophie kreidet Topitsch Kant die Vermischung einer affektbasierten und empirischen »Erkenntnisphysik« mit dem weltschöpferischen Produktionsmodell der »Erkenntnistheologie« an; in der praktischen Philosophie vermenge Kant die ekstatisch-kathartische Konzeption eines »reinen«, höheren Selbst mit der soziomorphen, moralisch-juristisch verstandenen Auffassung eines »Richters im Ich«, der über Gut und Böse entscheide und nach der christlichen Sündenlehre für diese Entscheidung verantwortlich sei. Zu gravierenden Tautologien führe schließlich die Verdoppelung des aus archaischen Zeiten herrührenden allerfassenden und unwandelbaren Weltgesetzes, das Kant als Naturnotwendigkeit am Werk sieht und zugleich als allgemeingültig-absolutes »Sittengesetz« in die moralische Welt einpflanzt: aus der Spannung zwischen diesen beiden postulierten Gesetzen ergibt sich das »Freiheitsproblem« in Kants Philosophie. Topitschs Lektüre von Kants kritischem Werk greift drei »zentrale Partien« heraus: die Unterscheidung zwischen an sich seiender und bloß erscheinender Welt, die Lehre vom Ding an sich, und die Lehre vom Ich. Dabei ergibt sich der Kontrast zwischen der dekontaminierten, von wertwidrigen Inhalten gesäu-
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berten, vollkommenen und »wahren Welt«, die der »Erscheinungswelt« gegenübersteht, aus dem gleichen Zweiwelten-Impuls wie die Annahme eines der Kausalgesetzlichkeit enthobenen »höheren Ichs«. Dieses »höhere Ich« wiederum ist mit dem Ich als empirisch-rationalem Mischwesen unvereinbar, entstehen doch die Empfindungskorrelate dieses empirischen Ichs nach »formalen« Prinzipien, deren Stellung zwischen intelligibler und sinnlicher Welt ungeklärt bleibt. Zugleich soll die »wahre Welt« den Erklärungsgrund für die empirische Wirklichkeit bilden, zumal die »Dinge an sich«, die in ihr angesiedelt sind, als Mitursache der »Erscheinungen« und »Vorstellungen« des Bewusstseins figurieren, und zumal die »höhere Welt« in moralischer Weise in diese Welt hineinwirkt, indem sie das archetypisch-normative Vorbild für das sittlich gute Verhalten bildet. Die »Dinge an sich« existieren also in einer Welt, die nicht den Gesetzen kausaler Ursächlichkeit gehorcht, sollen aber dennoch in die Erscheinungswelt hineinwirken. Um nachzuweisen, dass Kant die transzendental-idealistische Erkenntnislehre mit Bestimmungen auflädt, die sie konterkarieren, schöpft Topitsch aus den Arbeiten seines Lehrers Robert Reininger. Reininger hatte schon im Jahr 1900 in seiner Monographie Kants Lehre vom inneren Sinn und seine Theorie der Erfahrung darauf hingewiesen, dass das »Ding an sich« in den einleitenden Abschnitten der Kritik der reinen Vernunft einen »ausgesprochen gegenständlichen« Charakter habe, dass die transzendente Existenz von Dingen an sich »so gut wie als Axiom« gelte, während es in Kants weiterem Gedankengang zu einem »bloßen Grenzbegriff«, zu einem »schlechthin unbestimmten und unbestimmbaren Etwas« werde.397 Daraus folge aber, dass das transzendentale Erkenntnisobjekt für die Erfahrungstheorie bedeutungslos werde, sobald seine Unerkennbarkeit ausgesprochen sei, sobald »die Fähigkeit, das Erfahrungssubjekt in seinem empirischen Erkennen irgendwie zu determinieren« hinfällig werde.398 Topitsch beobachtet nun, dass Kant, um jenseits des »Dinges an sich« konkrete Erkenntnisvorgänge zu erfassen, wieder auf das empirischrealistische Modell einer Affektionsbeziehung zwischen dem Seienden und den von ihm verursachten »Erscheinungen« und »Vorstellungen« zurückgreife. Die Prämisse, dass die Naturgesetzlichkeit und mit ihr die Kausalität ein Produkt des transzendentalen Ichs sei, dass der »Verstand der Natur die Gesetze vorschreibt«, sieht Topitsch als Resultat von Kants Glauben an ein quasi-göttliches, transzendentales »Ich«, wobei es als Zugeständnis an das Affektionsmodell zu werten sei, dass der Verstand die Natur aus dem unübersichtlichen Sinnenmaterial »gestalte«. Die Kategorien sind freilich aufgrund dieser Annahmen nicht ableitbar : wenn die konkreten Naturgesetze nur auf dem Wege der Erfahrung zu ermitteln sind, scheint es doch eine reale Welt mit verstandesunabhängigen, spezifischen Strukturen und Gesetzen zu geben. Um nun seine apriorische Konstruktion zu retten, füllt Kant laut Topitsch die Kluft zwischen dem ge-
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setzgebenden Verstand und der »Sinnlichkeit« mit zwei weiteren Erkenntnisvermögen aus, dem Schematismus und der »reflektierenden Urteilskraft«. Während der Schematismus zweideutig und verschwommen ausfalle, biete die reflektierende Urteilskraft doch wieder nur regulative und heuristische Prinzipien, bleibe also im Empirischen verfangen.399 Ebenso gravierende Probleme ergeben sich für Topitsch in Kants Moralphilosophie: Auch hier findet sich wieder die Suprematie einer »unbefleckten«, rein intelligiblen Welt, die aber dennoch nicht empirisch-erfahrungsvermittelter Zutaten entbehren kann. Das intelligible Ich wäre ja der transzendental-idealistischen Auffassung zufolge als »Ding an sich« unbestimmt, auf dieser Basis ließe sich aber keine Moralphilosophie entwickeln.So führe Kant dann doch Bestimmungen der Individualität, des Denkens, Wollens und Handelns ein, wobei er inhaltlich eine ecclesia spiritualis geistig-sittlicher Wesen vorstellt, die platonisierende und christliche Vorstellungen vom Gottesreich verschränkt. Dieses »Reich der Zwecke« wird von einem ehernen Sittengesetz regiert, das ebenso unveränderlich wirkt, wie das notwendige Naturgesetz der Sinnenwelt. Die Zweiwelten-Theorie schlägt wieder in der Bestimmung des moralischen Ichs durch. Das empirische Ich ist vom intelligiblen »höheren« Ich getrennt, Kants platonisierende Konstruktion führt für Topitsch dazu, dass die »pathologische« Sinnenwelt eben nicht als Erscheinung der intelligiblen Welt gilt, zugleich aber Überbleibsel der älteren moraltheologischen Lesart der sinnlichen Welt als sündhaft-korrumpierender Gegenmacht in das System eingebaut werden. Auch hier bleibt die Relationsbestimmung zwischen den beiden Welten schlüpfrig: obwohl zwischen den beiden keine kausalen Relationen obwalten können, wird der reine Wille des intelligiblen Ichs durch die sinnlichen Anlagen und Neigungen gefährdet – jener Wille also, der in die Sinnenwelt hineinwirken soll, um Denken und Handeln veredelnd zu bestimmen. Kant bediene sich behelfsmäßiger Konstruktionen: die »Kausalität der Freiheit« und ein »nicht-empirisches Gefühl« der »Achtung vor dem Gesetz« dienen als Platzhalter des Geisterreichs in der Sinnenwelt; eine kohärente Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise die »Kausalität der Freiheit« und die »Achtung vor dem Gesetz« der kausalitätsunterworfenen empirischen Erfahrungswirklichkeit zugehören, bleibe Kant schuldig.400 Kant verschärft zudem nach Topitschs Dafürhalten die christliche Erbsündenforensik, indem er nicht die fleischliche Verkommenheit der Sinnenwelt als affizierend Sündhaftes beschreibt, sondern das intelligible Ich, den »wahren Menschen«, als Wesen statuiert, das frei und verantwortlich zwischen Gut und Böse entscheidet. Hier verlagert Kant nun die Beweislast der Sünde in die »intelligible« Welt und erteilt der sinnlichen Natur die Absolution. Vertrackt wird diese Konstruktion nun dadurch, dass der Wille des höheren, wahren Ichs als Glied der intelligiblen Welt selbst das Sittengesetz vorschreibt. Wenn sich nun
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aber der intelligible Wille zwischen Gut und Böse zu entscheiden hat, mündet dies darin, dass nicht nur die intelligible Welt ihre Vorbildlichkeit für die empirische einbüßt, sondern führt vor allem dazu, dass sich der behauptete Ursprung des Sittengesetzes in diesem Willen des »wahren Ichs« nicht mehr begründen lässt. Folglich »schürzen sich« laut Topitsch in der Problematik des Ichs die Interferenzen zwischen verschiedenen Weltanschauungsfunktionen und Wertgesichtspunkten von Kants Philosophie »zu einem wahrhaft gordischen Knoten.«401 Das intelligible Ich soll der Anlage nach über alle empirischen Bestimmungen erhaben sein, welche für das Ich der Sinnenwelt konstitutiv sind, kann aber auch nicht Subjekt »unseres Verstandes« sein, der ja der Natur ihre Gesetze vorschreibt. Gleiches gilt für das empirische Ich, das schließlich naturhaft ist und daher erst recht nicht als Subjekt eines Verstandes gelten kann, durch dessen Gesetzgebung es erst konstituiert wird.402 Mit Viktor Kraft403 weist Topitsch dann auf die Widersprüche in Kants Lehre von der Unsterblichkeit der Seele hin: im Sinne der aufklärerischen unendlichen Perfektibilität soll die Unsterblichkeit die allmähliche Annäherung an die Prinzipien des Sittengesetzes ermöglichen. Zugleich hält Kant aber an der Eschatologie des Jüngsten Gerichts fest, das über Seelenheil oder Verdammnis entscheidet. Der Vervollkommnungsprozess der Seele nach dem Tode impliziert Zeitlichkeit und Veränderung, wenn freilich mit dem Jüngsten Gericht die Geschichte überhaupt und das Seelenleben enden, wie kann man dann noch von der nach Vollstreckung des Urteils einsetzenden Seligkeit oder Verworfenheit sprechen? Zudem stehe die ganze Konstruktion in scharfem Widerspruch zur Lehre vom intelligiblen Ich als »zeitlos reinem wahren Selbst.«404 Eine ähnliche Schieflage zeigt sich im Gottesbegriff: Gott ist allmächtiger Schöpfer, allwissender Richter und allgütiger Gesetzgeber, jedoch bleibt unklar, inwiefern Gott noch als legislator anzusehen ist, da doch unser »Verstand« der Natur ihre Gesetze vorschreiben soll und die moralische Gesetzgebung dem intelligiblen Ich obliegt. Auch Gott als allmächtiger Schöpfer steht auf tönernen Füßen: Ist die intelligible Welt zeitlos und folglich ungeschaffen, die empirische aber vom Ich aus dem Sinnenmaterial gestaltet, dann erübrigt sich ein Schöpfergott. Kant gesteht hier redlicherweise die Unlösbarkeit der Paradoxie ein und überantwortet den Gottglauben der praktischen Vernunft.405 Dementsprechend lakonisch fällt Topitschs Gesamtresümee aus: Der transzendentale Idealismus bleibt schon im Ansatz undurchführbar, über das quasi-göttliche gesetzgebende Ich und den allgemeinen Kausalsatz werden nur tautologische Leerformeln dargeboten, und angesichts der Mannigfaltigkeit, der konkreten Spezifikation der Natur, bleibt nur der Rekurs auf empirisch feststellbare Gesetze und regulative oder heuristische Prinzipien, wenn nicht Fiktionen.406
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Wie ist Topitschs Œuvre abschließend einzuschätzen? Sein Verhältnis zur »Wertfreiheit« blieb zwiespältig: der »empirisch-rationalen« Analyse, wie er sie selbst praktizierte, stellte er den Persilschein der Wissenschaftlichkeit aus, diesen seinen »kritischen Rationalismus« wähnte er der »kritischen Theorie« überlegen, weil er angeblich nicht Sekundäreffekt gesellschaftlicher Kräfte war. Hier misst der Ideologiekritiker Topitsch mit zweierlei Maß.407 In Österreich versuchte Topitsch jene Überlieferungen der Zwischenkriegszeit wieder heimisch zu machen, die von den national-konservativen Deutungseliten geächtet waren, den Wiener Kreis, die Psychoanalyse und die Kelsensche Rechtslehre. In den neokonservativen Bocksgesang gegen »Perspektivismus« und »Relativismus« stimmte er nicht ein, die Werte-Rhetorik glossierte er mit Genuss. Die intersubjektiv überprüfbare, ergebnisoffene Wissenschaft war sein Lebensthema. Mit diesem Anspruch setzte Topitsch die Analysen Hans Kelsens und Sigmund Freuds über soziale Projektionsverfahren fort. Er zeigte auf, dass soziopolitische Ordnungen nur deshalb unwandelbar scheinen, weil sie als pseudogesetzmäßig, als naturhaft ausgegeben werden; zugleich legte Topitsch dar, dass die Legitimität öffentlich sanktionierter Denkweisen auf ihrer scheinbar erfahrungsmäßig erwiesenen Gültigkeit beruht, beides seien Illusionen, die von Interessengruppen mit spezifischen Absichten aufrechterhalten würden.408 Aus Topitschs Denken folgt also, dass kein Bürger aus der Verantwortung entlassen werden kann, die sozialen und intellektuellen Gegebenheiten des Gemeinwesens ständig zu hinterfragen. Geschähe dies in der Absicht, die herrschenden Zustände nach einem normativen Maßstab zu beurteilen, jenem des Kant’schen »Republikanismus« etwa, Topitsch wäre schnell mit dem Vorwurf der »Zweiweltentheorie« zur Hand. Ein Europa aber, in dem die »Vaterländer« wieder allzu sehr von sich reden machen, könnte durchaus ein Fünklein Utopie im Geiste föderal-demokratischer Volkssouveränität
Recht, Geschichte, Religion – Ein Bericht über zwei internationale Kant-Symposien in Wien 2004 und 2005 von Herta Nagl-Docekal »Eine Neubesichtigung des Werkes Kants ist sehr an der Zeit – und dies gilt nicht nur im Blick auf den state of the art der zeitgenössischen Philosophie, sondern auch mit Rücksicht auf aktuelle Fragen der Öffentlichkeit.« Mit diesem Satz beginnt das Vorwort des Buches Recht – Geschichte – Religion. Die Bedeutung Kants für die Gegenwart, das die Vorträge eines internationalen Symposiums dokumentiert, welches von 4.–6. März 2004 in Wien stattfand.409 Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hatte den 200. Todestag Immanuel Kants
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zum Anlass genommen, dieses Symposium, das von Rudolf Langthaler und der Verfasserin dieses Berichts gemeinsam konzipiert und geleitet wurde, zu veranstalten. Der thematische Schwerpunkt der Tagung lag »nicht im Bereich der historisch-philologischen Rekonstruktion, sondern in der Frage nach der aktuellen Relevanz der Philosophie Kants – die freilich ohne eine genaue textkritische Vorgangsweise nicht zu klären ist«.410 Diese Konzeption griff Jürgen Habermas in seinem Eröffnungsvortrag auf; er sprach zum Thema: »Die Grenze zwischen Glauben und Wissen. Zur Wirkungsgeschichte und aktuellen Bedeutung von Kants Religionsphilosophie«411 und führte in diesem Vortrag einige der Überlegungen näher aus, die er zuvor in seiner Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2001412 angesprochen hatte und die auch für sein Eröffnungsstatement zur Diskussion mit dem damaligen Kardinal Josef Ratzinger, die am 19. Jänner 2004 auf Einladung der Katholischen Akademie Bayern stattfand, maßgebend waren.413 Im Überblick betrachtet, konzentrierten sich die vierzehn Vorträge des Symposiums auf drei Gebiete. Erstens standen Fragen nach der möglichen Implementierung des moralischen Imperativs angesichts der asymmetrischen Bedingungen und des Konfliktpotentials der Gegenwart im Vordergrund. Erläutert wurde dabei auch, dass die Kant’sche Moralkonzeption in ihrer Leistungsfähigkeit erst dann voll in Sicht kommt, wenn sie von gängigen sprachanalytisch geprägten Verkürzungen befreit wird. Diese Beiträge sind im Tagungsband unter dem Titel »Autonomie, Recht, Moral«414 zusammengefasst. Hier seien nur zwei Beispiele genannt: Onora O’Neill monierte in ihrem Beitrag zwei in gewisser Hinsicht komplementäre zeitgenössische Defizite. Sie wendete sich zum einen gegen eine philologische Genauigkeit nach dem Modell l’art pour l’art, die praktisch wirkungslos bleibt: »A purely custodial approach to Kant’s legacy might have little impact on contemporary debates and fail to keep Kant’s thought alive«,415 während die eigentliche Stoßrichtung ihrer Kritik auf jene im analytischen Diskurs verbreiteten Auffassungen von Autonomie abzielte, die beanspruchen, von Kant auszugehen, de facto aber dessen Pointe verfehlen, indem sie Autonomie »in markedly individualistic terms«416 charakterisieren und so die Relevanz von Kants Begriffen ›Selbstgesetzgebung‹ und ›Form des Gesetzes‹ unbeachtet lassen. Einer analytisch verkürzten Kant-Rezeption trat auch Paul Guyer entgegen, der die von John Rawls initiierte und inzwischen weit verbreite Lektüre der Kant’schen Konzeption des Gesellschaftsvertrags problematisierte: Kant does not use the idea of the social contract just as an abstract norm for general principles of justice, but also uses it to model the continuing responsibility of citizens both to accept their states with their ›good enough‹ but never perfect justice but also to work to reform those states in the direction of ever greater – though no doubt still never perfect – justice.417
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Paul Guyer erläuterte dies unter Hinweis darauf, dass Stanley Cavell’s Forschungen zu Ralph Waldo Emerson Differenzierungen der Vertragskonzeption erbrachten, die signifikante Übereinstimmungen mit Kerngedanken Kants aufweisen und daher für die Ausbuchstabierung einer kantischen Kritik an Rawls aufschlussreich sein können.418 Eine zweite Gruppe von Beiträgen erörterte, wie weit Kants Konzeption von Aufklärung sowie sein Verständnis der Geschichte nach wie vor Kriterien für eine kritische Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Bedingungen bereitstellen; den Titel dieses Segments bildete die Begriffstrias »Geschichte, Fortschritt, Aufklärung«.419 Zwei Beispiele mögen die hier verhandelten Problemstellungen illustrieren: Pauline Kleingeld wies die Standardinterpretation von Kants kritischen Anmerkungen zum Thema ›Weltstaat‹ zurück, die diese Anmerkungen als Kants letztes Wort in dieser Frage erscheinen lässt, und monierte, dass diese Deutung Kants systematische Ausdifferenzierung des Zusammenhangs von Recht und Geschichte drastisch verkürzt und damit den Blick darauf verstellt, welche Relevanz diese heute gewinnen könnte, zum Beispiel für die notwendige Weiterentwicklung der Vereinten Nationen und anderer internationaler und transnationaler Institutionen, wie des Internationalen Strafgerichtshofs. Sie zeigte, dass Kant eine »Position vertritt, die die Verteidigung des freiwilligen Völkerbundes (eigentlich: Staatenbundes) mit einem Argument für das Ideal eines weltweiten Völkerstaates (eigentlich: einer Staatenföderation) verbindet«.420 Einen anderen Akzent setzte Sharon Anderson-Gold, indem sie die aktuelle Bedeutung von Kants Ausführungen zum ›Weltbürgerrecht‹ als Schnittpunkt von geschichtlichem Fortschritt und moralischer Besserung der Individuen untersuchte: »Kant’s vision of international relations […] is not limited to the constraint of open hostilities nor to a balance of powers but extends to an open and dynamic system of intercultural exchange which in time produces a genuine cosmopolitan existence of mutual understanding and respect«. Sie hob hervor : »But culture grows towards mutual understanding only under the condition of cosmopolitan right which guarantees that cultural exchange shall not be treated with hostility.«421 Der dritte Teil des die Beiträge versammelnden Tagungsbandes – »Leben, Vernunft, Religion«422 – spiegelt auch die interfakultäre Konstellation der Leitung des Symposiums sowohl durch das Institut für Philosophie der Universität Wien als auch durch das Institut für Christliche Philosophie der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Wien wieder. Ausgangspunkt der diese Begriffstrias betreffenden Überlegungen war, dass die Sinnfrage des Menschen in der Hoffnung auf eine gerechtere Zukunft nicht voll abgegolten ist. Damit stand unter anderem zur Debatte, wie von den Parametern der Gegenwartsphilosophie her Religion auf eine Weise erörtert werden kann, die sich dem vorschnellen Dogmatismus religionskritischer Positionen entzieht. Es zeichnete
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sich eine signifikante Spannung ab: Während Jürgen Habermas – im Blick auf die Phänomene einer »entgleisenden Modernisierung« – eine partielle »Übersetzung« religiöser Gehalte in die säkulare Sprache anregte, um dadurch moralische »Ressourcen« zu gewinnen, wurde zum anderen der wesentlich transmoralische Charakter von Religion geltend gemacht. So hielt Reiner Wimmer im Rückgriff auf Kierkegaard fest, »dass (zumindest) die christliche Religion gerade in moralisch-praktischer Hinsicht die Grenzen der Vernunft überschreitet«, und er hob mit Charles Taylor hervor, »dass es Rücksichten gibt, die über jede denkbare moralische Ordnung für diese menschliche Welt hinausgehen«.423 Wimmer erläuterte diese Dimension durch den Gedanken der Vergebung moralischer Schuld.
Abb. 24: ReferentInnen der ÖAW-Tagung ›Recht – Geschichte – Religion‹ (2004)
Dass dieses Symposium in Wien stattfand, hatte allgemeinere und spezifischere Gründe. Zunächst ist festzuhalten, dass Jahrzehnte der Beschäftigung mit Kants Philosophie in Forschung und Lehre an der Universität Wien den allgemeinen Hintergrund des Symposiums bildeten – eine Geschichte, deren eingehende Darstellung freilich einem anderen Kontext überlassen bleiben muss. Hier kann nur berichtet werden, dass bereits zur Studienzeit der beiden für die Organisation des Symposiums Verantwortlichen, und seither kontinuierlich, Kant ein Schwerpunktthema im Wiener philosophischen Diskurs bildete. Dies belegen nicht nur zahlreiche Publikationen der Lehrenden, die Kant zum Thema haben – freilich aus ganz unterschiedlichen fachlichen Perspektiven, aus denen
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auch jeweils andere kritische Akzentsetzungen hervorgingen –, sondern auch viele der approbierten Diplomarbeiten, Dissertationen und Habilitationen. Um Michael Benedikt hatte sich schon Jahre bevor er als Professor an das Wiener Institut für Philosophie berufen wurde, ein Diskussionskreis von Doktoranden gebildet, für den Kant ein Zentrum des Interesses darstellte. Dass enge Beziehungen zur internationalen Kant-Forschung stets ein selbstverständliches Element des Wiener philosophischen Diskurses bildeten, bekunden neben den Publikationsorten, zu denen Fachzeitschriften wie die Kant-Studien gehören,424 auch die Festschriften für Wiener Philosophieprofessoren und viele Gastvorträge, die in Wien gehalten wurden. Die akademische Lehrtätigkeit von Wiener Philosophen in den USA hatte bereits in den 1960er und 1970er Jahren zentrale Elemente der Philosophie Kants zum Thema. Professor Kurt Rudolf Fischer, der zur Zeit des Nationalsozialismus aus Wien hatte fliehen müssen und über Shanghai in die USA gelangt war, hatte damals die Position des Chairman am Philosophy Department der Millersville State University, Lancaster, Pennsylvania, inne. Auf seine Einladung hin nahmen an seinem Institut zwischen 1968 und 1972 nacheinander drei Philosophen aus Wien eine jeweils volle Lehrverpflichtung auf dem Gebiet der kontinentaleuropäischen Philosophie wahr : Michael Benedikt für zwei Jahre, Kurt Buchinger und Ludwig Nagl für jeweils ein Jahr. Was nun im Speziellen die Intention des Symposiums von 2004 betrifft, das Denken Kants – auf der Basis einer aufmerksamen Rezeption der internationalen Forschung – für Gegenwartsdiskurse fruchtbar zu machen, so waren auch dafür wichtige Voraussetzungen bereits geschaffen. Dies dokumentiert unter anderem der Band Zur Kantforschung der Gegenwart,425 für den die beiden Herausgeber, Peter Heintel und Ludwig Nagl, Aufsätze zusammengestellt haben, die im Zeitraum zwischen den Kant-Jubiläumsjahren 1954 (150. Todestag) und 1974 (250. Geburtstag) von wegweisender Bedeutung waren. Auch dieser Band war von der Absicht getragen, an Kant »nicht nur in einer historisch-philologischen Intention heranzugehen«.426 Einen wesentlichen Teil des Buches bilden Beiträge, welche die kritisch aneignende Diskussion zu Kant in so unterschiedlichen Gegenwartsdiskursen wie dem Neothomismus, der analytischen Philosophie, dem Marxismus,427 der Existenzialontologie und dem Pragmatismus aufzeigen. Dieser Akzentsetzung entsprechend, enthält der Band nicht nur interpretierende Erkundungen der drei Kritiken Kants – unter anderem von Dieter Henrich, Odo Marquard und Friedrich Kaulbach –, sondern zum Beispiel auch den Aufsatz Wittgenstein und Kant von S. Morris Engel, der eigens für dieses Buch aus dem Amerikanischen übersetzt wurde,428 und Karl-Otto Apels Studie Von Kant zu Peirce: Die semiotische Transformation der Transzendentalen Logik. Den Band beschließt der umfangreiche Bericht Neuere Forschungen zur Philosophie Kants von Martin J. Scott-Taggart, in dem Beziehungen und Diffe-
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renzen zwischen englischsprachigen und kontinentaleuropäischen Kant-Deutungen ab 1954 herausgearbeitet sind.429 Das Interesse an einer Relektüre Kants im Blick auf gegenwärtige Problemlagen hatte auch die Forschungen der für das Symposium von 2004 Verantwortlichen schon länger geprägt. Ein Zentrum der kritischen Aufmerksamkeit hatten für beide die überscharfen Distanznahmen gegenüber dem Denken der Aufklärung gebildet, wie sie im Kontext verschiedener Positionen der Gegenwartsphilosophie artikuliert und mit breiter Zustimmung – auch jenseits des akademischen Diskurses – rezipiert worden waren. Dazu gehörten unter anderem die pauschale Verdächtigung jeglicher Konzeptionen von historischem Fortschritt, der von Unschärfe geprägte Diskurs zum »Tod des Subjekts«, und die vorschnelle Gleichsetzung von Aufklärung und Religionsfeindlichkeit, von der szientistische Argumentationen ebenso ausgehen wie manche kirchliche Auffassungen, die für eine Rückkehr in vormoderne Denkmuster plädieren: Mit jeweils eigener Akzentsetzung hatten sowohl Rudolf Langthaler als auch die Autorin dieses Berichts es sich zur Aufgabe gemacht, die Differenzierungen Kants sowohl in ihrer Trennschärfe als auch in ihrem Potential für ein unverkürztes Verständnis des Lebens unter Bedingungen der Moderne zur Geltung zu bringen.430 Jürgen Habermas war unter dieser Perspektive auf doppelte Weise relevant: als ein Autor, der das szientismuskritische Anliegen teilt und der dazu Anlass gibt, zentrale moral- und religionsphilosophische Differenzierungen Kants in Erinnerung zu rufen respektive neu zu durchdenken. Um eine eingehende Debatte mit Jürgen Habermas zu seinem Eröffnungsvortrag des Kant-Symposiums von 2004 sowie zu den religionsphilosophischen Aspekten seines Werkes im Allgemeinen zu ermöglichen, wurde von 23.–24. September 2005 abermals eine internationale Tagung in Wien veranstaltet, konzipiert von den gleichen Personen, doch diesmal getragen von der Universität Wien, die auch die nötigen Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Die Idee zu dieser Tagung kam von Jürgen Habermas selbst: Der Eröffnungsvortrag 2004 hatte ein großes Publikum angezogen, wozu auch beigetragen haben könnte, dass es sich, wie Jürgen Habermas erwähnte, um seinen ersten öffentlichen Vortrag in Wien handelte. Das barocke Hauptgebäude der Akademie der Wissenschaften auf dem Dr. Ignaz Seipel-Platz, in dessen Festsaal der Vortrag stattfand, musste wegen des großen Andrangs zeitweise aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Da sich im Rahmen dieser Großveranstaltung eine sorgfältige Diskussion als unmöglich erwies, regte Jürgen Habermas eine philosophisch-theologische Klausurtagung an, und diese Anregung wurde gerne aufgegriffen. Dreizehn Vorträge nahmen aus unterschiedlichen philosophischen und theologischen Perspektiven auf die Ausführungen von Jürgen Habermas Bezug, der sich jeweils mit eingehenden Repliken auf die Diskussionen einließ. Einen Schwerpunkt der Debatte bildete das Thema »Religion in der modernen
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Gesellschaft«, wobei insbesondere die Frage nach der Möglichkeit und Notwendigkeit einer »rettenden Übersetzung religiöser Sinnpotentiale« angesichts knapp gewordener »Sinnressourcen« erörtert wurde. In diesem Rahmen rückte auch die von Jürgen Habermas formulierte These in den Vordergrund, der zufolge die »kulturelle und gesellschaftliche Säkularisierung« auf einen doppelten Lernprozess hinausläuft, der »die Traditionen der Aufklärung ebenso wie die religiösen Lehren zur Reflexion auf ihre jeweiligen Grenzen nötigt«. Zu den signifikanten Aspekten dieses Kolloquiums gehörten auch verschiedene Vorschläge, Elemente der religionsphilosophischen »Klassiker« für die Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemstellungen fruchtbar zu machen. Das Denken Immanuel Kants wurde aus diesem Blickwinkel insbesondere in den Vorträgen von Christian Danz, Rudolf Langthaler und Herta Nagl-Docekal herangezogen, während von Kant mit-geprägte nach-kantische Religionsbegriffe in den Beiträgen von Wilhelm Lütterfelds, Hans-Julius Schneider, Ludwig Nagl und Klaus Müller zur Geltung gebracht wurden.
Abb. 25
Das Buch Glauben und Wissen. Ein Symposium mit Jürgen Habermas431 enthält nicht nur die dreizehn Vorträge des Kolloquiums, sondern auch eine ausführliche, nach der Veranstaltung verfasste Antwort von Jürgen Habermas, die
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unter dem Titel »Replik auf Einwände, Reaktion auf Anregungen«432 zu jedem einzelnen der Beiträge Stellung nimmt. Den unter Bezugnahme auf Kant vorgebrachten Einwänden und Rückfragen widmete Habermas den ersten Teil seiner »Replik«.433 Doch im Grunde handelt es sich bei dem gesamten Text um viel mehr als eine Antwort auf punktuelle Fragestellungen der Wiener Diskussion, nahm Jürgen Habermas doch diese »Replik« zum Anlass für eine erneute eingehende Auseinandersetzung mit dem Thema Religion im Kontext der Moderne. In der Einleitungspassage erläutert er die Grundlinie seiner Überlegungen auf folgende Weise: »Sowohl Glaube wie Wissen gehören zur Genealogie des nachmetaphysischen Denkens, und das heißt: Zur Geschichte der Vernunft. Deshalb wird sich die säkulare Vernunft selber nur verstehen können, wenn sie ihre Stellung zum reflexiv gewordenen religiösen Bewußtsein der Moderne klärt und den gemeinsamen Ursprung dieser beiden komplementären Gestalten des Geistes aus dem kognitiven Schub der Achsenzeit begreift. Auf diese Weise kann man, von Kant ausgehend, zu einer Hegelschen Fragestellung fortschreiten, ohne die Kantische Denkungsart aufzugeben.«434
Der systematische, eigenständige Charakter dieser »Replik« wird dadurch unterstrichen, dass Jürgen Habermas sie in seinen Essay-Band Nachmetaphysisches Denken II aufgenommen hat.435 Die Referentinnen und Referenten des Symposiums zum Thema »Glauben und Wissen« nahmen in ihren späteren Werken in vielfältiger Weise darauf Bezug. Eine Reihe von Anknüpfungen an dieses Symposium finden sich überdies in den rezenten Studien von Maureen Junker-Kenny, Theologin am Trinity College, Dublin, die als Zuhörerin ohne Referat teilgenommen hatte.436 Die an der Universität Wien tätigen Vortragenden setzen in ihren neueren Schriften die Debatten der zwei Wiener Symposien vor allem am Ort der Frage nach der Aktualität des Denkens Kants fort.437 Gastvorträge aus Wien, die in den letzten Jahren unter anderem in Seoul, Peking, Riga und St. Petersburg gehalten wurden, sowie die darauf basierenden Publikationen zeigten inzwischen, dass den in Wien verhandelten Zugängen zu Kant auch international Relevanz beigemessen wird.
Kant und Karl Leonhard Reinhold
Der erste Kantianer – Reinhold, ein Bürger Wiens von Philipp Schaller und Violetta L. Waibel Wenn man die Bedingung der Möglichkeit einer epochalen Veränderung des Denkens verstehen will, muss man in die Geschichte blicken. Kant selbst hat den Auftritt der kritischen Philosophie nicht bloß als irgendeine historische Begebenheit, sondern vielmehr als die Folge einer regelrechten historischen Notwendigkeit – und damit selbst als eine solche – angesehen. Diesem Auftritt musste eine Geschichte des Scheiterns der dogmatischen Metaphysik vorausgehen, welche die Vernunft allererst zu der von Kant dargelegten Einsicht in die Gründe dieses Scheiterns führen konnte. Es gelang Kant, eine ausreichend große Zahl von Menschen eines ganzen Zeitalters von dieser Notwendigkeit einer umfassende Kritik des gesamten Vernunftvermögens zu überzeugen, dass sich nahezu jeder, der philosophischen Fragen nachgehen oder sich darüber äußern wollte, dazu genötigt fand, sich mit dieser Kritik – ihren Voraussetzungen und Thesen, ihrer Durchführung und ihren Resultaten – auseinanderzusetzen und wenigstens irgendwie Stellung dazu zu beziehen. Die Art und Weise, wie Kant die geistige Lage, in der sich das Denken dieses Zeitalters befand, in seinen Werken aufgefasst, eingeschätzt und dargestellt hatte, und wie er sie durch ihre Erhellung zugleich verwandelte, zeugt also davon, dass erlesener, gedanklicher Samen auf den rechten, geschichtlichen Boden gestreut worden war. Bis heute ist es wohl die von seinen Schriften ausgehende Überzeugungskraft, einem derart hohen Anspruch in irgendeiner Form tatsächlich gerecht geworden zu sein, derentwegen viele Kant nicht in die Reihe derer stellen, die sich neben einer noch recht großen Zahl von anderen mit einer originellen Theorie und reizvollen Sichtweise hervorgetan haben, an die man gelegentlich erinnert – und dies oftmals, um zu widersprechen –, sondern mit ihm vielmehr so etwas wie eine Neuausrichtung, wenn nicht einen Neubeginn der Philosophie über-
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Kant und Karl Leonhard Reinhold
Abb. 1: Peter Copmann, Karl Leonhard Reinhold (um 1821)
haupt verbinden. Wenn es unter den Zeitgenossen Kants einen gibt, der vorbildlich für diese Wahrnehmung der kritischen Philosophie steht, in welcher sie als ein solches Ereignis in der Menschheitsgeschichte gilt, dann ist es Karl Leonhard Reinhold. Reinhold wurde in Wien geboren und zwar in Zeiten des Umbruchs unter der nun auch in Österreich eine entsprechende Gestalt annehmenden Aufklärung. Er selbst vollzog diesen Umbruch an seiner Person mit einer Konsequenz, die schließlich zu einer existenziellen wurde: Um wirklich mit Leib und Seele in der neuen Weltanschauung und ihrem Lebensgefühl aufgehen zu können, zu welcher er infolge seiner Beschäftigung mit der Philosophie noch in jungen Jahren hinübergetreten war, musste er seine Wurzeln in einen neuen Boden schlagen. Reinhold war jener Typus des Intellektuellen, dessen außerordentliche Gelehrigkeit in hohem Grade anwendungsorientiert war, insofern sie sich mit einem leidenschaftlichen gesellschaftlichen Engagement verband. In einem Tempo, das wenigstens für sein breiteres Umfeld im damaligen Wien zu hoch war, durchlief er dabei den durch die Aufklärung in Europa vorangetriebenen,
Der erste Kantianer – Reinhold, ein Bürger Wiens
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weltanschaulichen Wandel. Zunächst für den Dienst in der Kirche berufen, befasste Reinhold sich intensiv mit jener deutschen und englischen Philosophie, welche gegen ein Denken, das sich selbst ausdrücklich gewissen Dogmen gegenüber zu verpflichten pflegte, die vernunftgeleitete und wissenschaftlich ausgerichtete Erkenntnis aufwertete. So fand Reinhold sich im Österreich Josephs II. schließlich in den organisierten Reihen derer wieder, welche die von der Kirche repräsentierte Ordnung im Namen von Vernunftaufklärung, Wissenschaftlichkeit und gesellschaftlichem Fortschritt von Grund auf in Frage stellten. Reinhold hatte sich also bereits in die gravierenden philosophischen Probleme der Zeit vertieft, als er Österreich verlassen musste und, vermittelt durch das Netzwerk vieler Persönlichkeiten, die sich der Sache der Aufklärung verpflichtet hatten, schon bald im protestantischen Deutschland eine neue Wirkungsstätte fand. Diese lag ausgerechnet in jenem Städtchen, das seiner ihm darin zukommenden Bedeutung wegen für die ganze Kultur der anbrechenden Epoche namensgebend werden sollte: in Weimar, wo Reinhold bei seinem späteren Schwiegervater Christoph Martin Wieland freundliche Aufnahme als Mitarbeiter an dessen Zeitschrift fand. Die durch diese Gunst des Schicksals prolongierte Auseinandersetzung Reinholds mit den besagten Problemen war im Grunde durch die Hoffnung auf eine Philosophie geleitet, welche diejenigen Fragen, die zwischen mehreren Standpunkten umstritten waren, in einer bestimmten Weise einer Beantwortung zuführen könnte: Sie sollte nicht nur geistige Einigkeit auf Seiten der aufklärerisch Gesinnten stiften, sondern darüber hinaus auch die herkömmlichen Einwände ihrer Gegenspieler in Form von Befürchtungen bezüglich der bestehenden Moral und Religion zerstreuen können. Die Schwierigkeiten, eine solche Hoffnung als erfüllbar zu denken, waren erheblich, und Reinholds intellektuelle Anstrengungen, die auf eine solide philosophische Bildung und beträchtliche Kenntnisse der miteinander in Debatten befangenen Standpunkte seiner Zeit rekurrierten, gewiss nicht gering. Umso mehr hat es zu sagen, dass Reinhold, als er schließlich dazu gelangte, Kants Hauptwerk zu studieren, darin nichts Geringeres als »das Evangelium der reinen Vernunft«1 erblickte. Wenngleich er nur einer der ersten seiner Befürworter war, machte Reinhold sich mit seinen insbesondere auf die Philosophie ausgerichteten publizistischen Fähigkeiten doch wie kein zweiter um die Verbreitung dieser an alle Kinder der Aufklärung gerichteten Frohbotschaft verdient. So kam es, dass es einem der Liebe zur Philosophie wegen zum Flüchtling gewordenen Österreicher oblag, den Deutschen jenen geistigen Schatz erstmals wirklich zu entdecken, ohne den der Aufstieg ihrer Philosophie zur Weltphilosophie in dieser Weise vielleicht nicht erfolgt wäre. Während Kant seinem Entdecker Reinhold die erste wirklich breite Kenntnisnahme seiner Schriften und Gedanken verdankte, profitierte Reinhold sei-
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nerseits von dem Beweis seines Vermögens, einen im fernen Königsberg lebenden Meister einem größeren Publikum in populärer Sprache näherzubringen. Man begann, ihn auch selbst als fachliche Autorität in der Philosophie wahrzunehmen. Seine Berufung als außerordentlicher Professor an die Universität des Weimar benachbarten Jena brachte dieser einen Aufschwung, der sie für einige Jahre zum philosophischen Zentrum Deutschlands machte. Studenten, Dichter und allerhand begüterte Vertreter des gebildeten Bürgertums aus verschiedensten Ländern strömten nach Jena oder, wenn sie schon dort waren, in Reinholds Hörsaal, um sich in der neuen, sogenannten Kantisch-Reinholdischen Philosophie unterrichten zu lassen. Das sich in Reinholds persönlichem Umgang fortsetzende, ganz der Sache der Aufklärung ergebene Wirken führte zur Entstehung eines Bekanntenkreises, unter dessen Mitgliedern sich der ebenfalls aus Österreich stammende Fabrikant Herbert als eine Art Mittelpunkt und als wohlhabender Unterstützer der übrigen engagierten Intellektuellen hervortat. Teils mit ihm, teils mit seinen Mitteln unternahmen die mit Reinhold im Austausch über die kantische Philosophie stehenden, von Tatendrang beseelten Persönlichkeiten dieses Zirkels Reisen innerhalb ganz Europas: nach Italien, Kärnten und in die Schweiz, nach Dänemark oder auch nach Königsberg, um den alten Meisters selbst zu besuchen. Reinhold zog nicht nur Scharen von Schülern an, die sich in die neue Philosophie einführen lassen wollten und das so erlangte Wissen in ihrer intellektuellen Tätigkeit in Deutschland, Österreich und in anderen Ländern Europas verbreiteten; es gelang ihm sogar, Kant selbst, mit dem er in Briefwechsel trat, für eine Weile in sein rastloses, aufklärungsstrategisch ausgerichtetes Netzwerken einzubinden. Schließlich aber kann man, wie schon angedeutet – und das ist vielleicht das Interessanteste –, an Karl Leonhard Reinholds Verhältnis zu Kant aber noch mehr studieren als das Vermögen, das ein Denker von Kants Format besitzen muss, das Denken nicht nur schulmäßig zu betreiben, sondern es auch auf der Höhe der intellektuellen Nöte der Zeit zu begreifen. Denn Reinholds Leben und Wirken steht auch für eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Philosophie: An ihm wird deutlich, dass jede Philosophie, wie mächtig ihr Schöpfer seiner eigenen Gedanken auch immer sein mag, in ihren Wirkungen doch zuletzt ihr eigenes, für ihn unvorhersehbares Schicksal hat. Reinholds Versuch, das von Kant vorexerzierte Denken fortzusetzen, veranschaulicht in besonderer Weise, dass die von einem Autor in seinen Worten und Werken niedergelegten Gedanken manchen unter all jenen ihm teils unbekannten Adressaten, denen sie gerade recht kommen, etwas weisen und bedeuten können, was nicht unmittelbar im Sinne des Erfinders war, sich aber gleichwohl mit ihnen verbinden lässt. So wurde Reinhold selbst nicht nur Wegbereiter der in ihrem Wege von Kants
Karl Leonhard Reinhold (1757–1823)
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Intentionen zugleich abweichenden deutschen Philosophie, sondern auch ihr erster Wegbeschreiter, weil er Kants kritische Lehre unter einem Anliegen aufzufassen suchte, das in Wahrheit nicht dasjenige Kants war, sondern sein eigenes, welches ihm aber doch gerade aufgrund von Kants Errungenschaften erst wirklich erreichbar war. Dass damit zugleich in einer für Kant merklichen Weise die Grenze des Verdienstes erreicht war, das Reinhold wenigstens um das Verständnis seiner Philosophie hatte, steht außer Frage. Es gelang ihm aber seinerseits, andere von der Erforderlichkeit der Verfolgung dieses Anliegens zu überzeugen, das im Grunde zutiefst mit seiner eigenen, sich in seinem Lebensweg manifestierenden Persönlichkeit verbunden ist, sowie von der Affinität, in welcher die neue, kritische Philosophie vermeintlich dazu stehe. So trifft das eingangs von Kant Gesagte in einem gewiss geringeren, in seinen Wirkungen jedoch alles andere als unbedeutenden Maße auch auf Reinhold selbst zu. Denn selbst wenn es sich einem nicht ganz ungetrübten Verständnis von Kants kritischem Anspruch verdanken mag, hätte andernfalls sein Bestreben, die Resultate der kantischen Philosophie durch ihre Rückführung auf einen ersten, schlechthin gewissen Satz als oberstes Prinzip letztbegründend zu sichern, nicht bei manchen jene wirkungsvolle Aufnahme finden können, die es tatsächlich gefunden hat. Nachdem er ins damals dänisch regierte Kiel gewechselt und Fichte die von ihm zur Hochburg des Kantianismus gemachte Stadt Jena gleichsam übernommen hatte, geriet Reinhold in der philosophischen Öffentlichkeit in eine zunehmende Vergessenheit, die bestenfalls davon unterbrochen wurde, dass sich die bald auf den Plan tretenden, neuen philosophischen Wortführer Schelling und Hegel in ihren Systementwürfen scharf von Konzeptionen Reinholds abgrenzten. Gleichwohl wären sie ohne jenes von Reinhold in seinen eigenen Werken artikulierte Bestreben, das er mit Kants kritischer Philosophie verbunden hatte und das von Fichte modifizierend aufgegriffen worden war, nicht auf ihren eigenen, ruhmreichen Weg gebracht worden.
Karl Leonhard Reinhold (1757–1823) von Martin Bondeli Karl (Carl) Leonhard Reinhold ist eine Schlüsselfigur des Frühkantianismus. Zugleich ist er Initiator und Kritiker des Deutschen Idealismus sowie Sprachphilosoph des frühen 19. Jahrhunderts. Geboren am 26. Oktober 1757 in Wien, besuchte Reinhold 1772 das Wiener Kolleg der Jesuiten, ab 1773 das Kolleg der Barnabiten und wurde 1780 zum Priester geweiht.2 Von 1780 bis 1783 lehrte er als Novizenmeister Philosophie im Kolleg der Barnabiten in Mistelbach und Wien. In dieser Zeitspanne rückte er allmählich ins Zentrum des den josephinischen Reformen zugewandten Wien. Zusammen mit Alois Blumauer, Joseph von
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Sonnenfels, Ignaz von Born und weiteren Gelehrten und Künstlern bildete er den Literatenzirkel der Wiener Freunde. 1783 trat er der illuminatisch unterwanderten Wiener Freimaurerloge Zur wahren Eintracht bei und stieg umgehend zum Gesellen und Meister auf. Er verfasste zahlreiche Beiträge für deren Organ, das Journal für Freymaurer. Gleichzeitig engagierte er sich in der Wiener Filiale der Illuminaten und hatte auch dort nach kurzer Zeit eine führende Position inne. 1784 verließ er aus bis heute nicht restlos geklärten Gründen Wien fluchtartig. Durch Vermittlungen seiner Logenfreunde und in Begleitung des Crusius-Schülers Christian Friedrich Petzold gelangte Reinhold zunächst nach Leipzig, wo er den Vorlesungen Ernst Platners beiwohnte, kurze Zeit später nach Weimar. Dort verschaffte ihm Christoph Martin Wieland, auch er ein prominenter Illuminat, eine neue Lebensgrundlage. Reinhold wurde Mitarbeiter beim Teutschen Merkur und Mitherausgeber einer Allgemeinen Damenbibliothek. 1785 heiratete er Wielands älteste Tochter Sophie. Wieland war es auch, der ihn bewog, unter der Obhut Johann Gottfried Herders zum Protestantismus zu konvertieren. Wie insbesondere sein 1784 veröffentlichter Aufsatz Gedanken über Aufklärung verrät, war Reinhold zu Beginn der Weimarer Zeit in dezidierter Weise darum bemüht, Aufklärung sowohl als Ausbildung von Verstand und Denken als auch als Kultivierung von Sinnlichkeit und Empfindung zur Geltung zu bringen. In diesem Sinne wurde die in Anlehnung an den klassischen Rationalismus artikulierte Aufgabe, »die verworrenen Begriffe in deutliche aufzuhellen«, mit der Forderung verknüpft, auf diejenigen Begriffe zu rekurrieren, die sich von den »individuellen Empfindungen, den Triebfedern aller Thätigkeit des Menschen« nicht entfernt haben.3 Philosophisch war Reinhold in dieser Phase noch wenig gefestigt. Seit der Wiener Zeit war er mit Klassikern wie Malebranche, Leibniz, Wolff, Locke und Hume in Berührung gekommen, vermochte jedoch in keinem dieser Autoren eine befriedigende denkerische Position zu entdecken. Zu einer Klärung kam es dadurch, dass er als Mitarbeiter beim Teutschen Merkur in die Kontroverse hineingezogen wurde, die Kants anonym publizierte kritische Rezension zum ersten Teil von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (AA VIII, 43–55) auslöste.4 Nach einer im Schreiben des Pfarrers zu *** anonym vorgetragenen Verteidigung Herders gegen die Angriffe Kants sah Reinhold sich schlagartig gezwungen, seine Meinung zu ändern, beim Rezensenten handle es sich um einen Mann, dessen Geschäft »metaphysische Orthodoxie« sei.5 Im Laufe einer intensiven Lektüre der Kritik der reinen Vernunft fand er in Kants kritischer Philosophie jenen Standpunkt, der seiner eigenen philosophischen Sicht über rund zehn Jahre hinweg Festigkeit verleihen sollte. Von August 1786 bis September 1787 veröffentlichte er im Teutschen Merkur eine Reihe von Briefen über die Kantische Philosophie, was ihm in kurzer Zeit den Ruf
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eines Kantianers ersten Ranges eintrug. Kurz darauf entstand ein bis in die frühen 1790er Jahre dauernder freundschaftlicher Briefkontakt mit Kant. Anfang 1787 wurde Reinhold zum außerordentlichen Professor für Philosophie an der Universität Jena berufen. Zusammen mit Christian Gottfried Schütz, dem Begründer der Kant-freundlichen Allgemeinen Literatur-Zeitung, und Carl Christian Erhard Schmid, dem Verfasser des ersten Kant-Lexikons, gehörte er an dieser Lehrstätte fortan zu den namhaften Förderern der kritischen Philosophie. Seit Ende 1786 hegte Reinhold den Plan, die zentralen Resultate der Kritik der reinen Vernunft und der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten sowohl auf verschiedene Gebiete anzuwenden als auch zu einem System auszuarbeiten. Vor diesem Hintergrund lehrte er in den ersten Jenaer Jahren eine unter Systemaspekten revidierte und ab 1788 durch Resultate der Kritik der praktischen Vernunft bereicherte kantische Vernunftkritik. Daneben widmete er sich Fragen der Geschmackslehre, las über Wielands Oberon und äußerte sich – dies nicht zuletzt mit einem Seitenblick auf Kants sich in statu nascendi befindende Kritik der Urteilskraft – im Aufsatz Ueber die Natur des Vergnügens zu den »vornehmsten bisherigen Lehrmeynungen« sowie zu einer kommenden Theorie des ästhetischen Vergnügens.6 Am Ende der 1780er Jahre befreite er sich zunehmend von seiner anfänglichen Rolle eines bloßen Apostels des »Kantischen Evangeliums« und ging dazu über, an einem eigenständigen, auf Verbesserung der kantischen Ergebnisse zielenden System des gesamten theoretischen und praktischen Wissens zu arbeiten. Das Resultat dieses Systemvorhabens, das Reinhold zunächst als »Theorie des Vorstellungsvermögens«, von 1790 an als »Elementarphilosophie«, »Philosophie überhaupt« oder »Philosophie ohne Beynamen« bezeichnete, schlug sich vor allem im vielgelesenen Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (1789), in den beiden Bänden der Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790/ 1794) sowie in der Schrift Ueber das Fundament des philosophischen Wissens (1791) nieder. Sein Vorschlag, dem kantischen System ein festeres und breiteres Fundament zu verleihen, wurde von nicht wenigen Autoren, die Kants Lehre verbreiteten – so beispielsweise von Johann Heinrich Abicht – in getreuer Weise übernommen, von den Hauptexponenten des Deutschen Idealismus (Fichte, Schelling, Hegel) kritisch vertieft und weiterentwickelt, von anderen philosophierenden Zeitgenossen zum Teil sehr vehement kritisiert und zurückgewiesen. Ähnlich wie Kant musste Reinhold sich seit den späten 1780er Jahren gegen eine Phalanx von Neo-Rationalisten, angeführt von Johann August Eberhard, Neo-Empiristen, vertreten hauptsächlich durch Johann August Heinrich Feder und Christoph Meiners, sowie Neo-Skeptikern wie Salomon Maimon und Gottlob Ernst Schulze zur Wehr setzen. Aber auch mit Freunden der Philosophie Kants, so etwa mit dem Jenaer Kollegen Schmid oder dem Hallenser Ludwig Heinrich Jakob, wie schließlich mit einigen eigenwilligen Köpfen aus seiner
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zahlreichen Jenaer Schülerschaft hatte er nicht wenige Kämpfe auszufechten. Reinhold selbst sah sich aufgrund der diversen Kritiken wiederholt gezwungen, seine Systementwürfe zu modifizieren. Obschon er die elementarphilosophischen Pläne schließlich nicht in gewünschtem Maße umzusetzen vermochte, war Reinhold während der bis 1794 dauernden Jenaer Zeit alles in allem sehr erfolgreich. Er stand, ähnlich wie ab Mitte der 1790er Jahre Fichte und Schelling, im Rampenlicht der philosophischen Öffentlichkeit, galt als Lichtgestalt der nachkantischen Philosophie. Seine Vorlesungen – Reinhold lehrte in Jena neben der Kritik der reinen Vernunft und dem eigenen elementarphilosophischen System auch Logik und Metaphysik, Ästhetik und Geschichte der Philosophie – waren ausgezeichnet besucht. Er hatte begabte Schüler, die, wie etwa Johann Benjamin Erhard und Karl Friedrich Forberg, seine Lehre öffentlich verteidigten. Durch Empfehlungen Jens Baggesens und Johann Kaspar Lavaters erhielt Reinhold im Sommer 1793 einen Ruf auf die ordentliche Philosophie-Professur an der Universität Kiel. Im Frühjahr 1794 zog er in die von Dänemark regierte Stadt und wurde dort Nachfolger von Johann Nicolaus Tetens. Auch an seiner neuen Wirkungsstätte bildete er einen geistigen Mittelpunkt. Seine Lehrveranstaltungen, darunter die seit dem Wintersemester 1794/1795 regelmäßig gehaltene Vorlesung zu Moral und Naturrecht, stießen weiterhin auf reges Interesse. Mit seinem aufklärerischen Engagement trug er wesentlich dazu bei, dass in Kiel im Herbst 1794 ein studentisches Ehrengericht eröffnet und über eine längere Zeitperiode wirksam werden konnte. Diese Institution, deren Einführung an deutschen Universitäten am Widerstand konservativer Kräfte scheiterte, ersetzte die als vorbürgerlich geltende Praxis des Duellierens in Streitfällen durch ein ordentliches Gerichtsverfahren.7 Reinhold war im Jahre 1802 sowie von 1806 bis 1808 Rektor der Kieler Universität, 1808 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Münchner Akademie ernannt, 1816 in den Rang eines königlich dänischen Etatsrats erhoben. Außerdem verstärkte er seine Aktivitäten im Kreise der Illuminaten. Seit Weimar war er mit Johann Joachim Christoph Bode bekannt, dem nach Adam Weishaupt führenden Kopf der Illuminaten, und kümmerte sich nach Bodes Tod persönlich um die Reorganisation des offiziell seit Mitte der 1780er Jahre aufgelösten, im Inneren stark zerstrittenen Ordens. Insbesondere schmiedete er Pläne für eine Fortführung der illuminatischen Aufklärungsidee in einem »Moralischen Bund der Einverstandenen«. Künftig sollte die moralische und nicht mehr die statutarische oder symbolische Bindung unter den Mitgliedern im Vordergrund stehen. 1820 gelang es ihm, die Kieler Loge Louise zur gekrönten Freundschaft wiederzubeleben, welcher er bis kurz vor seinem Tod vorstand. Auch wenn er philosophisch unvermindert produktiv blieb, verlor Reinhold im Laufe der rund drei Jahrzehnte seines Wirkens in Kiel mehr und mehr seine
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zentrale und autonome Stellung in der philosophischen Öffentlichkeit. Die unverminderte Bemühung, ein eigenständiges philosophisches System zu entwickeln, konnte nichts daran ändern, dass er sich zunehmend dazu verurteilt sah, in der Rolle zunächst eines Anhängers Fichtes, danach eines bloßen Kritikers der spekulativen nachkantischen Systeme zu agieren. Die ersten Kieler Jahre waren geprägt von Zweifeln an den eigenen Entwürfen zur Elementarphilosophie, aber auch von persönlichen und sachlichen Querelen mit Fichte, seinem Nachfolger in Jena. Nach einem langen geistigen Ringen gelangte Reinhold 1797 zur Ansicht, dass die Wissenschaftslehre, die in kritischer Auseinandersetzung mit der Elementarphilosophie entstanden war, gravierende Mängel der letzteren auszuräumen vermöge. 1798 bekannte er sich in einer Rezension der einschlägigen Werke Fichtes zu dessen Standpunkt. Doch schon ein Jahr später bezog er in den Schriften Ueber die Paradoxien der neuesten Philosophie und Sendschreiben an J. C. Lavater und J. G. Fichte über den Glauben an Gott (beide 1799) eine Position zwischen Fichte und Jacobi. Ab 1800 ergriff Reinhold Partei für eine markante Neuausrichtung, die zugleich eine – auch selbstkritisch verstandene – Distanzierung von der von Kant zu Fichte und Schelling führenden philosophischen Bewegung bedeuten sollte. Er wandte sich Christoph Gottfried Bardilis Grundriß der Ersten Logik (1800) zu und arbeitete auf dessen Grundlage seit 1801 in den Beyträgen zur leichtern Uebersicht des Zustandes der Philosophie beym Anfange des 19. Jahrhunderts (1801–1803) ein System des Logischen oder Rationalen Realismus aus. Dieses sollte als objektivistisches Korrektiv und realistische Alternative zum Idealismus der Lehren Fichtes, Schellings und Hegels verstanden werden. Diese Neuausrichtung beförderte umgehend den philosophischen und persönlichen Bruch mit Fichte und brachte überdies eine überaus harte polemische Auseinandersetzung mit Schelling und Hegel mit sich. Sachlich zeigten sich zwischen Reinholds objektivistisch-realistischer Systemidee und Schellings Identitätssystem allerdings auch signifikante Affinitäten, zumal letzteres den als subjektiv erachteten Idealismus Fichtes durch eine entsprechende Gegenposition ebenfalls korrigieren wollte. Von 1806 bis zu seinem Lebensende befasste Reinhold sich vornehmlich mit sprachphilosophischen Fragen, die sich unmittelbar aus der Programmatik seines realistischen Systems ergeben hatten. Neben kleineren Schriften erschien 1812 als Hauptwerk dieser finalen Periode die Grundlegung der Synonymik. 1820 rechtfertigte Reinhold mit der Schrift Die alte Frage: was ist die Wahrheit? seine sprachphilosophischen Einsichten zusätzlich aus wahrheitsund offenbarungstheoretischer Sicht. Von essentieller Bedeutung war auch hier die ablehnende Haltung gegenüber der neueren spekulativen Philosophie. Reinhold kritisierte insbesondere das sprachliche Repräsentationsmodell sowie das geist- statt buchstabenorientierte Denken dieser Strömung. In der philo-
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sophischen Öffentlichkeit stieß Reinholds letzte und zeitlich weitaus längste philosophische Etappe nur noch marginal auf Resonanz. Dem entsprechend wirkten seine Beteuerungen, mit der Sprachphilosophie den eigentlichen philosophischen Standpunkt nach etlichen Irr- und Umwegen nun endgültig gefunden zu haben, gegen das Lebensende zunehmend monoton und verbittert. Reinhold starb am 10. April 1823.
Wiener Ouvertüren zur Kantisch-Reinholdischen Philosophie von Philipp Schaller Reinholds »Weg von der josephinischen Aufklärung zum Kantischen Vernunftglauben als folgerichtige Entwicklung einer einheitlichen Problemstellung aufzuweisen«8 war das erklärte Ziel jenes Kapitels, das Werner Sauer dem aus Wien gebürtigen Philosophen in seinem Buch über die Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration widmete. Als Reinhold 1786/87 im Teutschen Merkur, den er in Weimar gemeinsam mit seinem Schwiegervater Christoph Martin Wieland herausgab, die Briefe über die Kantische Philosophie veröffentlichte und damit wesentlich zum Durchbruch dieser neuartigen Philosophie in Deutschland beitrug, war er dazu durch die Meinung veranlasst worden, genau das in ihr zu erblicken, wonach er im Wien Josephs II. und seines sogenannten aufgeklärten Absolutismus zu suchen begonnen hatte. Karl Leonhard Reinhold wurde in Wien am 26. Oktober des Jahres 1757 geboren.9 Sein Vater hatte während der Zeit des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740–1784) als subalterner Offizier im Heer Maria Theresias gedient, ehe er infolge einer Verwundung, die ihn zu weiterem Kriegsdienst untauglich machte, am Wiener Arsenal als Inspektor eingesetzt wurde.10 Reinholds lebhafter religiöser Sinn wurde vor allem von der Mutter geweckt. Dieser ließ ihn für jenen geistlichen Lebensweg, der ihm als dem ältesten Sohn der Familie vorgezeichnet war, ebenso geeignet erscheinen wie seine sich bald zeigenden literarischen und philosophischen Talente. Deren weitere Entfaltung entfachte in Reinhold schließlich die Begeisterung für das Aufklärungsdenken, durch das er dem früh eingeschlagenen, geistlichen Lebensweg entfremdet wurde, während ihm die Religiosität in Form des Problems oder der Aufgabe erhalten blieb, sie mit seiner philosophischen Gesinnung zu vereinbaren. Nach dem Besuch des Gymnasiums und vor seinem fünfzehnten Geburtstag, im Herbst 1772, wurde Reinhold, der auch Jesuiten unter seine Lehrer zählte, die bald auf seine Talente aufmerksam geworden waren, von der Gesellschaft Jesu als Novize aufgenommen. Die Brüder des 1534 von Ignatius von Loyola gegründeten Ordens waren im Jahre 1551 nach Wien gekommen. Sie übernahmen im
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Abb. 2: Personaleintrag in den Klosterakten mit Vermerk zu Konversion und Tod Reinholds
Jahre 1573 die ehemalige Pilgerkirche St. Anna, die vermutlich 1514 gegründet worden war (und somit unlängst ihr 500jähriges Bestehen feiern konnte). Infolge der Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529) und des ausbleibenden Pilgerstroms war sie zur Zeit der Übernahme nahezu verwaist gewesen.11 Nach 200 Jahren unter Leitung der Jesuiten, unter der dort zeitweise bis zu 90 Novizen ausgebildet wurden, aber nicht einmal ein Jahr nach Reinholds Eintritt in die Gesellschaft Jesu zu St. Anna wurde diese durch eine päpstliche Bulle Clemens XIV. aufgehoben. Dieser Erlass traf mit der Erwartung eines schlimmen Ereignisses am Ordenshaus zusammen, dessentwegen der Pater Rector die Lehrer und Novizen präventiv stundenlang die geschmückte Heilige Jungfrau hatte anbeten lassen – zwecklos, wie sich herausstellte. Der junge Reinhold fasste die Ordensaufhebung als Strafgericht Gottes auf und schrieb es der Lauigkeit der Novizen, zumal seiner eigenen zu. Gleichwohl konnte er die Entscheidung des Papstes nicht mit dessen Unfehlbarkeit in Übereinstimmung bringen, bis ihm der Rector tröstend erklärte, diese sei nicht ex cathedra, sondern ex curia und somit mutmaßlich bloß unter Leitung weltlicher Klugheit gefällt worden. So musste Reinhold zunächst ins Elternhaus zurück, wobei er dem Vater mit Zeilen, die seine damals noch bestehende Ergebenheit den monastischen Prinzipien gegenüber bezeugen, ankündigte: »Ich werde in der Welt leben, ohne der Welt zu leben.«12 Obwohl man die Novizen in der Hoffnung, der Orden könne bald wieder ins
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Leben gerufen werden, anhielt, mit dem Eintritt in einen anderen etwas länger zu warten, suchte Reinhold noch im selben Jahr um Aufnahme ins Barnabitenkollegium an und trat diesem im nächsten Jahr, 1774, bei. Der 1536 in Mailand gegründete Orden, der sich nach der dortigen Kirche des Heiligen Barnabas benannte, spielte so wie der Jesuitenorden seine Rolle in der Gegenreformation und hatte seit 1626 seine Wiener Niederlassung in der Michaelerkirche. Er war unmönchisch ausgerichtet und hatte sich sogar um die Wissenschaften verdient gemacht. Reinhold ließ später, als er in Deutschland bereits zum protestantischen Glauben übergetreten war, in seiner Schrift zur Ehrenrettung der Reformation auch den Barnabiten eine solche zuteilwerden. Der Verfechter der Aufklärung hielt es für geboten festzuhalten, dass man seinem wachsenden Verlangen nach Geistesbildung in diesem Orden nicht hemmend, sondern fördernd gegenüberstand.13 Sein Sohn Ernst, der wie der Vater selbst Professor für Philosophie in Jena war, beschreibt das Curriculum, das Reinhold bei den Barnabiten durchlief: Die Wissenschaften, in welchen die Novitien und die jungen ordinirten Geistlichen, solange sie nur im Besitze der untern Weihen waren, von einer Anzahl zu diesem Amte auserlesener Männer unterrichtet wurden, waren vertheilt in ein erstes sogenanntes Curriculum der Philosophie und in ein darauf folgendes der Theologie. Für jedes war ein Zeitraum von drei Jahren bestimmt.14
Reinhold fiel den Ordensoberen durch Kenntnisse und Fleiß derart positiv auf, dass er dem Erzbischof von Wien empfohlen und zum Novizenmeister und Philosophielehrer bestimmt wurde. Ab 1780, nach vollendetem Cursus der Theologie, lehrte er selbst die Novizen Logik, Metaphysik, Ethik, geistliche Beredsamkeit, Mathematik und Physik. In diesem Jahr wurde er unter dem Namen Don Pius zum katholischen Priester geweiht. Reinholds Studium hatte ihn insbesondere mit der leibniz-wolffischen Philosophie vertraut gemacht, die unter den epistemologischen Prämissen des neuzeitlichen, naturwissenschaftlichen Denkens stand, zugleich aber dem Problem der Vereinbarung der Lehren der religiösen Offenbarung mit der von den beiden rationalistischen Denkern aufgewerteten Vernunft beizukommen suchte. Sein Lehrer am Barnabitenkolleg, Paul Pepermann, vermittelte ihm die leibniz-wolffische Philosophie noch nach der Fassung seines Vorgängers Sigismund Storchenau, die der Aufklärung fern stand und Anpassungen an den Kirchenglauben vornahm, anstatt das aufklärerische Potenzial dieser Philosophie zu entwickeln.15 Stärker geschah dies bei zwei Professoren an der Universität Wien, dem Ex-Jesuiten Joseph Ernst Mayer (1752–1810, er lehrte das leibniz-wolffische System lateinisch nach Friedrich Christian Baumeister), ab dem Jahre 1779, und Anton von Scharf (1753–1803, in der moderneren Aufbereitung nach Johann Georg Heinrich Feder). Beide befanden sich bereits im
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Abb. 3: Michaelerplatz, Wien, Aufnahme aus der Einmündung der Schauflergasse gegen die Michaelerkirche (um 1900)
Lager der Aufklärung, vertraten einen religiösen Rationalismus und gehörten der Wiener Freimaurerloge Zur wahren Eintracht an.16 Auf naturwissenschaftlichem Gebiet wirkte in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts der Mathematiker, Physiker und ehemalige Jesuit Rud¯er Josip Bosˇkovic´ (Rugjer Josip Boscovich, 1711–1787) unter anderem auch in Wien, wo er in einem Buch jene Gedanken zu Papier brachte, mit denen er in Absetzung von der vorherrschenden mechanistischen und atomistischen Naturauffassung dem Dynamismus Kants, der davon beeinflusst sein dürfte, und dessen Materiekonzept vorgriff.17 Durch Pepermann, der in England aufgewachsen war, erlernte Reinhold zudem die englische Sprache und wurde mit den Schriften der englischen Dichter und Philosophen, vor allem denen von Leibniz’ Gegenspieler Locke bekannt. Die geweckte Leidenschaft für die Poesie brachte Reinhold in Kontakt mit dem Wiener Dichter Michael Denis (1729–1800, Pseudonym: Sined der Barde), der ebenfalls dem Jesuitenorden angehört hatte. Er gelangte in die Kreise der aufkommenden Generation aufklärerisch gesinnter Schriftsteller, unter denen
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ihm Johann Baptist von Alxinger (1755–1797) und Aloys Blumauer (1755–1798) noch aus Schulzeiten bekannt waren. In diesem Umfeld lernte Reinhold aber auch andere künftige Illuminaten kennen. Darunter fand sich der aus Mähren stammende Hofrat und Leiter der Akademie der bildenden Künste Joseph Freiherr von Sonnenfels (1732–1817), der nicht nur heimlicher Illuminat, sondern auch öffentlicher Direktor der für die Stadtbeleuchtung zuständigen Illuminationsanstalt war und maßgeblichen Anteil daran hatte, dass im Österreich Maria Theresias als der ersten unter den europäischen Monarchien die Folter abgeschafft wurde. Heute ist eine Gasse in der Wiener Innenstadt nach ihm benannt. Ein anderer war der hochangesehene Mineraloge und Geologe Ignaz Edler von Born (1742–1791), der ebenfalls Jesuit gewesen war,18 die Wiener Freimaurer-Loge Zur wahren Eintracht als Meister vom Stuhl zu einer großen Mitgliederzahl führte, Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) zum FreimaurerGesellen beförderte und als Eminenz des Illuminatismus angeblich Vorbild stand für die Figur des Sarastro in dessen Oper Die Zauberflöte.19 Im Dezember 1780 starb Maria Theresia, Herrscherin über Österreich, in Wien. Ihr Sohn Joseph II., seit 1765 römisch-deutscher Kaiser, folgte ihr auf den Thron der Donau-Monarchie nach. Damit vollzog sich der Wechsel von einer Herrschaft, die im Gedankengut der Gegenreformation wurzelte, zu einer unter der Gesinnung des aufgeklärten Absolutismus (und dem Motto »Alles für das Volk, nichts durch das Volk«) stehenden. Des Kaisers Politik war im Rahmen pragmatischer Reformen unter anderem mit kontroversiell aufgenommenen Einschränkungen des Klerus verbunden. Zugleich aber führte er eine recht weitgehende Pressefreiheit in Österreich ein, unter der sich die Freunde von Literatur und Poesie, in deren Mitte Reinhold sich fand, zusammenschlossen, um mit deren Mitteln der Beförderung der neuen Denk- und Gewissensfreiheit zu dienen sowie Aberglaube und Schwärmerei zu bekämpfen, deren schädlichen Quell man vor allem im Mönchstum identifizierte.20 Während Reinhold in diesem Umfeld den Geist der Aufklärung atmete, war ihm unter der Beschäftigung mit der Philosophie und Metaphysik zusammen mit der Wohlbegründetheit des dogmatischen Kirchenglaubens auch die Sinnhaftigkeit der daran ausgerichteten klösterlichen Existenz fragwürdig geworden, die anzunehmen ihm doch von Berufswegen vorgeschrieben war. Äußerlich noch Geistlicher wurde ihm ein der Welt zugewandtes, im Sinne der Vernunftaufklärung tätiges Leben zum neuen Ideal. Er stellte sein Denken in den Dienst der Sache und begann, ihr als Schriftsteller seine Stimme zu verleihen. Sein Freund, der Schriftsteller Blumauer, hatte im Herbst 1782 die Redaktion der Wiener Realzeitung von dem schon erwähnten Philosophieprofessor Von Scharf übernommen, der Gründungsmitglied jener Loge war, welcher Blumauer selbst angehörte und die sich als Ersatzinstitution für die von Leibniz ursprünglich für Wien vorgesehene, schließlich aber, im Jahre 1700, von ihm in Preußen mitbe-
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Abb. 4: Wiener Freimaurerloge (1785)
gründete Deutsche Akademie der Wissenschaften verstand.21 Dank dieses Freundes konnte Reinhold seine Gedanken unter der Signatur »Dr.« (der letzte und der erste Buchstabe von Reinholds Nachnamen) einem größeren Kreis als dem seiner Vertrauten zugänglich machen. Ab Oktober brachte die Rubrik »Theologie und Kirchenwesen« hauptsächlich Artikel, die von dem Fünfundzwanzigjährigen verfasst worden waren. Der Blattlinie gemäß sprach Reinhold sich darin für die Reformen Josephs II. und gegen den Widerstand des Klerus aus. Er verurteilte in seinen Schriften aber auch – vorläufig noch unentdeckt – genau das inzwischen als natur- und vernunftwidrig eingestufte monastische Leben, das er von der Kirche, der er offiziell angehörte, zu führen angehalten war. Es konnte nicht lange dauern, bis Reinhold neben dem Barnabitenorden heimlich noch in jenen anderen eintrat, in dem sich zusammen mit seinem Redakteur bereits so viele andere Freunde und Ex-Jesuiten fanden, in welchem Mitglied zu sein im Falle eines katholischen Priesters aber ein Doppelleben bedeutete. Reinholds briefliche Bitte an Blumauer, ihn beim Beitritt zu den Freimaurern zu unterstützen, wodurch er sich als Glied wieder mit der »Kette der Menschheit« vereinigen wollte, von der er sich durch die Zugehörigkeit zum Klerus »abgerissen« wusste, gibt sein Selbstverständnis deutlich wieder :
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Sie wissen, daß die Bildung meiner selbst seit vielen Jahren mein erstes und wichtigstes Geschäfte war. Ich versündigte mich dadurch freylich gegen die Gesetze und Forderungen eines Standes, der die Einfältigen im Geiste selig preist, und eine demüthige Seelenruhe im Schooße der Unwissenheit zur Pflicht machet; aber ich hatte dabey den Vortheil, daß ich das Bildungsgeschäfte meines Geistes mit desto grösserem Eifer, und vielleicht mit desto geschwinderem Erfolge trieb, weil mein Geist Aufklärung und Wahrheit als verbotene Früchte in sich schlang.22
Die Freimaurerloge Zur wahren Eintracht, der er unter dem Decknamen Decius vielleicht schon 1782, spätestens aber in den ersten Monaten des Jahres 1783 beitrat,23 war Teil einer Vereinigung, die sich der sittlichen Umgestaltung der Gesellschaft durch das koordinierte Wirken ihrer Mitglieder verschrieben hatte, welche die Ansichten und Ideen des Freimaurertums, in dessen Geiste sie sich bei geheimen Treffen durch die Begehung gemeinsamer Rituale bestärkten, in ihren öffentlichen Ämtern und Funktionen durchsetzen sollten. Unter dem Schutz des Geheimnisses konnten die für unglückselig angesehenen, verbindlich trennenden Unterschiede von Stand und Konfession innerhalb der eigenen Organisation vorbildlich außer Kraft gesetzt werden.24 Mit Blick auf die den Eingeweihten zugänglich gemachten Wahrheiten und Mysterien lässt sich im Grunde sogar sagen, dass diese, während sie im äußeren Leben als Protestanten und Katholiken galten, heimlich einen Glauben und eine Konfession teilten. Unter der Leitung von Borns gedieh die Loge zu einem Treffpunkt der geistigen Elite in Wien. Noch während Reinholds Anwesenheit gehörte ihr der deutsche Schriftsteller der Aufklärung, Schwager Goethes und spätere Kant-Kritiker Johann Georg Schlosser (1739–1799) an,25 ein wenig später fand sich auch Joseph Haydn (1732–1809) unter ihren Mitgliedern, wobei sein Freund Mozart, der der Loge Zur Wohltätigkeit angehörte, ihn öfters begleitete. Reinhold machte eine außergewöhnlich rasche Karriere in der ordensinneren Laufbahn und wurde nur wenige Monate nach seiner Aufnahme unter die Freimaurer auch in den elitären Illuminatenorden aufgenommen, in welchem er bald schon den Rang des illuminatus minor erreichte. Sein schriftstellerisches Talent konnte er nun auch in der ordenseigenen Freimaurerzeitschrift zur Entfaltung bringen. Die eigentümliche Entwicklung Reinholds – um nicht von einer Verwandlung zu sprechen – führte allerdings zwei Probleme bei sich. Das erste Problem betraf die äußeren Lebensumstände und musste innerhalb dieser gelöst werden: sein Doppelleben; das zweite war mehr ein innerliches Problem seines Denkens: Es bestimmte dieses Denken in seiner Ausrichtung und bezeichnet somit die philosophische Problemstellung Reinholds. Das erste Problem Reinholds lag in seinem Priestergelübde: Während sein neues Lebensideal sich innerlich verfestigte, musste das Bewusstsein der Unvereinbarkeit dieses Gesinnungswandels mit seinen äußeren Lebensumständen
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Reinhold dazu drängen, selbst eine baldige Lösung dafür zu finden. Sein Sohn Ernst fasste die ernste Lage, die Reinhold daraus erwuchs, dass er dem Priesterdasein abhold geworden war, folgendermaßen zusammen: Rasch hatten sich in Reinhold die Eigenschaften des scharfsinnigen Denkers und des geschmackvollen Schriftstellers unter dem Einflusse dieses günstigen Umstandes entwickelt, daß er gerade mit dem Beginne seines jugendlich männlichen Alters eine lebhafte und hoffnungsreiche Thätigkeit für die höheren Interessen der Humanität versetzt wurde. Aber zugleich ward ihm auch das Mißverhältniß zwischen den Standpuncten und den Berufspflichten seines innern und seines äußern Menschen immer auffallender und lästiger. Mit klarem Blicke die Ungültigkeit und Unzulässigkeit der geistlichen Gelübde durchschauend konnte er in ihnen kein unübersteigliches Hinderniß finden, sich wieder in den Besitz der angebornen, nun erst in ihrem Werthe anerkannten, Menschenrechte zu setzen, die er in einem Alter dahingegeben, da er noch nicht wußte, was er dadurch gethan. […] Daher reifte in Reinhold der Entschluß, den Fesseln seines Standes zu entfliehen und in einem protestantischen Lande den Genuß der natürlichen Freiheit und eine seiner Denkart angemessene Lage sich zu verschaffen.26
Die erforderliche Lösung dieser Problematik konnte also nur in der Flucht gefunden werden. Reinhold hatte sich inzwischen entschieden, der Welt zu leben, und musste, um zur Erfüllung dieses Zwecks auch in der Welt leben zu können, den Weg der Flucht vor dem Gelübde einschlagen. Es war höchste Zeit: Die Auflösung seines Priesterdaseins war bereits im Gange, zumal Reinhold sich in eine Frau verliebt hatte.27 Der Zufall wollte es, dass sich ihm durch das Freimaurernetzwerk in Gestalt eines Leipziger Professors namens Petzold, der zu Besuch in Wien war, eine Gelegenheit bot. Nach Absprache sprang Reinhold in den Herbstferien während eines Ausfluges auf einem Weg nordwestlich außerhalb Wiens auf Petzolds Wagen auf und ließ sich von ihm nach Leipzig entführen. Obwohl er anfänglich den Wunsch hegte zurückzukehren, sah Reinhold Wien nie wieder. In Deutschland erwarteten ihn Freundschaft, Liebe und Ruhm. Zu den zurückgelassenen Freunden hielt er durch von Born Verbindung, dem er weiterhin Artikel für das Journal schickte, und auch mit Pepermann blieb er bis zu dessen Tod in Kontakt. Von Jena aus zog er nicht nur viele Österreicher an, die kamen, um bei ihm Philosophie zu studieren; er wurde offenbar auch von Freunden wie Denis und Alxinger besucht.28 Reinhold wurde in Wien schmerzlich vermisst. Der Kreis um von Born bemühte sich eifrig, für den Freund und Ordensbruder Straffreiheit und Entbindung von den Gelübden zu erwirken, um seine baldige Rückkehr zu ermöglichen. In den Klosterakten der Barnabiten heißt es indessen, Don Pius sei über Nacht »durch einen bösen Geist heimlich […] entführt worden«.29 Mit dem zweiten Problem hatte es noch Zeit. Reinhold sollte sich an diesem in
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der neuen Heimat weiter abarbeiten. Schließlich war es aber ein anderer, dem er Jahre später zusprach, es gelöst zu haben, indem er diesem in einem Schreiben beteuerte, durch sein Werk an ihm »der größte und beste Wohlthäter« geworden zu sein, »der je ein Mensch dem andern war und seyn kann«.30 Dieses Problem betrifft den Glauben, dessen Grundlagen Reinhold fragwürdig geworden waren. Denn so leicht er sich zuletzt doch mit emanzipatorischer Entschlossenheit von der fraglosen Annahme der Dogmen und ihrer Geltung – dem Mönchsgelübde und der Forderung eines zölibatären Lebens in Parteinahme für die Vernunftaufklärung – lossagte, blieb doch zugleich das Problem, dass diese ihm noch keine zureichende neue Grundlage für Religion und Glauben bot. Reinholds Denken widmete sich schon in Wien und noch verstärkt in Jena vor allem den mit diesem Mangel verbundenen Schwierigkeiten, die wahre Aufklärung von einem missbräuchlichen Begriff derselben unterscheidbar zu machen, dessen Gebrauch ihren Gegnern in die Hände spielte. Solange die Vernunft nicht würde zeigen können, wie die Religion in ihr selbst gründet, schienen Unglaube (falsche Aufklärung) und Aberglaube (unvernünftiges Mönchswesen) sich in Reinholds Augen gegenseitig zu stärken. Das Schiff der Vernunft fand sich somit beständig in höchster Not, indem es auf der Suche nach den festen Gestaden, auf die sich der wahre Glaube würde gründen lassen, gleichsam zwischen Skylla und Charybdis hindurchzusteuern versuchen musste. Wie die Vernunft in sich selbst die rechten Koordinaten finden sollte, um beide Ungeheuer erfolgreich zu umschiffen und ihr Ziel zu erreichen, sah Reinhold damals noch nicht. Reinholds Denken hatte die Grundzüge seiner Problemstellung und Ausrichtung in der Wiener Zeit erhalten, als er, zwischen katholischer Gegenreformation und josephinischer Aufklärung, zwischen Mönchsleben und Freimaurerei, zwischen Priestertum und Illuminatismus lebend, sich intensiv mit den Werken der Philosophie befasste. Das Engagement für das sich unter diesen Umständen ausrichtende Denken bestimmte sein weiteres persönliches Schicksal. Dieses verband sich nicht nur mit dem der kritischen Philosophie, deren frühe Rezeption Reinhold prägte und die er aus seiner persönlichen philosophischen Problemstellung heraus verstand, sondern hatte auch wesentlichen Anteil an der Entstehungsgeschichte der ihr nachfolgenden Philosophie des Deutschen Idealismus.
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Abb. 5: Notiz zu Reinholds Flucht aus Sta. Margharita in den Klosterakten
Karl Leonhard Reinholds Weimarer Jahre, 1784–1787 von Guido Naschert Als Karl Leonhard Reinhold im November 1783 in Wien in die Kutsche des Leipziger Professors Christian Friedrich Petzold (1743–1788) stieg, um mit ihm nach Sachsen zu kommen, floh er nicht auf eigene Faust und ins Unbekannte. Vielmehr verfügte er bereits über Kontakte im sächsischen Raum, die ihm Hoffnung machen konnten, dort schon bald Fuß zu fassen. Vor allem der Illuminat Ignatz von Born (1742–1791) betrieb von Wien aus den Schutz seines Logenmitglieds und teilte dem anfangs in Leipzig weilenden Reinhold schließlich mit, dass er Geld erhalte, um nach Weimar zu reisen: »wo Sie unter Wielands Schuze u in seiner Gesellschaft leben sollen, bis wir hier entweder Ihre ungeahndete Rükkehr erwirket haben, oder Ihr Orden aufgehoben seyn wird«.31 In der Wahrnehmung von Reinholds Lebenslauf stehen die Weimarer Jahre oftmals im Schatten der auf sie folgenden Jenaer Zeit, da er in der Saalestadt sein philosophisches System detaillierter ausarbeitete, in umfangreichen Büchern veröffentlichte und es in einem bedeutenden Schülerkreis kontrovers diskutierte. Während der drei, vergleichsweise beschaulichen Jahre in der Nähe Christoph Martin Wielands32 richtete sich gleichwohl sein Denken und Leben in mehrfacher Hinsicht neu aus. Denn erstens konvertierte er bereits wenige Monate nach seiner Ankunft am 1. Mai 1784 unter der Mitwirkung Johann Gottfried
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Herders (1744–1803) zum protestantischen Glauben. Zweitens konnte er sich beruflich und privat erstaunlich schnell etablieren, indem er 1785 zuerst vom Herzog Carl August zum Sachsen-Weimarischen Hofrat ernannt wurde und wenig später am Pfingstmontag desselben Jahres Wielands Tochter Sophie heiratete. Sein angehender Schwiegervater beschrieb Reinholds Lage am Tag vor der Hochzeit folgendermaßen: Nur noch ein Wörtchen, liebster Bruder von meinem neuen Schwiegersohn. Er heist Reinhold, ist ein gebohrner Wiener, hat ohne ein aventurier zu seyn und wiewohl er erst 26 Jahre alt ist, sonderbare und merkwürdige Wege durchgegangen, war ehemals und ist noch izt ein Liebling einiger der Besten Menschen in Wien, besonders des ganz vortreflichen Hofraths v. Born (der auch einer meiner wärmsten u eifrigsten Freunde ist) und hat dato den Charakter eines hiesigen Rathes von unserm guten Herzog erhalten. Ich habe ihn so arrangiret, daß er mehrere Jahre, bey mäßiger literarischer Beschäftigung, ohne ein Amt nöthig zu haben, gemächlich leben pp kann. Er bleibt bey mir im Hause, und wir werden uns schwehrlich eher trennen, bis kein Raum mehr für beyde da ist, oder ich durch eine Reise in die andere Welt Plaz mache.33
Die ›mäßige litterarische Beschäftigung‹ von der Wieland hier spricht, war allerdings alles andere als Müßiggang. Wieland brauchte den begabten Reinhold als Redakteur, Rezensenten und innovativen Autor seines Teutschen Merkur.34 Dieser geriet dadurch in Kontakt mit zahlreichen Verlegern, Beiträgern und Freunden Wielands wie etwa Georg Joachim Göschen (1752–1828), Friedrich Justin Bertuch (1747–1822), Christoph Friedrich Nicolai (1733–1811) oder Christian Gottfried Schütz (1747–1832). Um »des lieben Brodes willen«35 übersetzte Reinhold zudem für Wieland die Allgemeine Damenbibliothek (6 Bände, Leipzig 1786–1789) aus dem Französischen und reichte auf Einladung seines Förderers von Born weiterhin schriftliche Ausarbeitungen seiner Wiener Logenreden für das Journal der Freimaurer ein.36 Bereits im Juli-Heft des Teutschen Merkur des Jahres 1784 stellte sich Reinhold der deutschen Öffentlichkeit mit seinen Gedanken über Aufklärung37 vor. Fortan geißelte er in seinen Texten den Wunderglauben, hob die Vorteile der Freimaurerei gegenüber dem Klosterwesen heraus und belegte durch seine Geschichtsphilosophie und das Bemühen um eine (allerdings elitär gesteuerte) Volksaufklärung die Nähe zum illuminatischen Programm. Sein öffentliches publizistisches Auftreten muss dabei auch im Zusammenhang seines klandestinen Wirkens im Geheimbund verstanden werden, denn in Weimar stieg er rasch in den innersten Führungskreis des Ordens auf.38 Reinhold war schon im September 1783 von Blumauer im Grad des ›Illuminatus minor‹ eingeführt und unter dem Decknamen ›Decius‹ Mitglied der Wiener Minervalkirche geworden. Nun schloss er Freundschaften mit einflussreichen Führungspersonen wie Johann Joachim Christoph Bode (1730–1793),39 der sogar die Patenschaft seiner 1786 geborenen Tochter Karoline Friederike übernahm, und wurde noch tiefer
Karl Leonhard Reinholds Weimarer Jahre, 1784–1787
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in die Diskussionskultur des Geheimordens einbezogen. Weitere wichtige Mitglieder waren neben den Herzögen Ernst II. in Gotha und Carl August in Weimar auch Herder und Goethe. Reinhold beteiligte sich später auch am Großprojekt einer Ordensreform, das er selbst nach Bodes Tod unter dem Namen »Bund der Einverstandenen« fortentwickelte. Unter den Illuminaten wurden nicht nur Fragen der allgemeinen Volksaufklärung, sondern auch die Entwicklung der neuesten Philosophie diskutiert. Dies sollte für die dritte Neuausrichtung Reinholds, seine Hinwendung zu Kant, nicht ohne Folgen bleiben. Zwar fand dieser unter den illuminatischen Philosophen (zum Beispiel Feder, Meiners, Knigge, Weishaupt, Herder) zunächst eine breitere Gegnerschaft, doch gab es mit dem jüngst von Horst Schröpfer wiederentdeckten Schack Hermann Ewald (1745–1822)40 Mitte der 1780er Jahre auch erste Stimmen, die aus dieser Phalanx auszuscheren begannen. Reinhold kannte Ewald als Beiträger zum Teutschen Merkur. Die Fronten zwischen Illuminaten und Nicht-Illuminaten, Kantianern und Anti-Kantinaner kreuzten sich also, was einem freundschaftlichen Austausch der Diskutanten jedoch nicht im Wege stand.41 So ist es vielleicht auch kein Zufall, dass der erste Brief, in dem Reinhold die Ergebnisse seiner frühen Kant-Studien zusammenfasste und das Programm seiner Briefe skizzierte, an den Weimarer Illuminaten und Rat Christian Gottlob Voigt (1743–1819) gerichtet war, der genauere Details über Reinholds Einschätzung der kantischen Philosophie erhalten wollte.42 Doch geschah die ›Entdeckung‹ Kants nicht auf geradem Wege. Als der Königsberger Philosoph nämlich anonym die Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit Herders angegriffen hatte, suchte man in Weimar nach einem Adlatus. In seinem Schreiben des Pfarrers zu ***43 übernahm Reinhold die Verteidigung, ohne ahnen zu können, mit wem er sich einließ. Er warf Kant vor, selbst ein Metaphysiker zu sein und seine Kritik an Herders Annahme organischer Kräfte besser zurückgestellt zu haben, bis dieser offene Punkte hätte klarstellen können. Kant ließ sich die Replik auf die zu einfache Argumentation nicht nehmen und irritierte Reinhold so, dass dieser in der Folge die Anhängerschaft an seinen Illuminatenbruder Herder relativierte.44 Im Herbst 1785 begann Reinholds Studium der Kritik der reinen Vernunft. Es war auch ein Wettstreit mit Christian Gottfried Schütz (1747–1832), der gerade die Erläuterungen über des Herrn Professor Kant Critik der reinen Vernunft des Königsberger Hofpredigers Johann Schultz (1730–1805) besprochen hatte.45 Ob die intensivere Mehrfachlektüre, von der Reinhold selbst sprach, allerdings so früh einsetzte, wie gewöhnlich angenommen wird, hat zuletzt Ernst Otto Onnasch infrage gestellt.46 Bereits ein Jahr später, im August 1786, machte sich Reinhold mit seinen Briefen über die Kantische Philosophie im Teutschen Merkur zum wichtigsten Fürsprecher derselben:
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Die nähere Absicht, in welcher ich meine Briefe über die Kantische Philosophie […] zu schreiben anfieng, war, der Kritik der Vernunft mehrere Leser zu verschaffen und vorzubereiten. […] wollte ich meine Leser nicht vielmehr zurückschrecken, als sie einladen: so blieb mir nichts anderes übrig, als die auffallendsten Resultate d. K.d.V. auszuheben, und dieselben mit ihren äusseren, keines wegs aus dem kantischen Werke, sondern aus dem gegenwärtigen Zustande der Philosophie, und den dringendsten wissenschaftlichen, und moralischen Bedürfnissen unsrer Zeit hergenommenen Gründen vorzutragen.47
Die noch unklaren und schwankenden Standpunkte der Wiener und frühen Weimarer Zeit, zu der sogar Sympathien für die materialistische Radikalaufklärung gehört hatten, schienen sich geklärt zu haben. Wie er Kant in einem Brief vom 12. Oktober 1787 schrieb, war es vor allem der »moralische Erkenntnißgrund der Grundwahrheiten der Religion«, der ihm die Mittel gab, »der unseeligen Alternative zwischen Aberglaube und Unglauben überhoben zu seyn«.48 An Reinhold kann man paradigmatisch studieren, welche Faszination vom Gedanken eines dritten Wegs zwischen den durch die Radikalaufklärung aufgeworfenen Extremen bestand. Gerade die Zuwendung zur kantischen Philosophie in Weimar bzw. im sächsischen Diskussionsraum der Illuminaten verdient aber noch größere Aufmerksamkeit, um den Schritt zur Ausarbeitung seiner Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens und sein Programm einer neuen Elementarphilosophie besser zu verstehen. Am 1. Mai 1787 brach Bode zu seiner denkwürdigen Reise nach Paris auf, die den Orden in der Folge in den Ruf brachte, mit einer Verschwörung die Französische Revolution ausgelöst zu haben. Zwei Wochen zuvor hatte Herzog Carl August die Ernennung Reinholds zum Professor in Jena ausgesprochen. Im Juni 1787 siedelte dieser dorthin über und eröffnete zu Michaelis 1787 seine Vorlesungen mit einer Rede über den Einfluss des Geschmacks auf die Kultur der Wissenschaften und der Sitten. Auch an dieser Berufung war der Geheimbund beteiligt.
Reinholds Briefe über die Kantische Philosophie von Martin Bondeli In einem ausführlichen Schreiben an den Weimarer Regierungsrat Christian Gottlob Voigt von November 1786 teilt der unmittelbar vor seiner Berufung an die Universität Jena stehende Reinhold mit, dass er in Zukunft die Hauptresultate der Vernunftkritik Kants sowohl nach »inneren«, die »Organisation des kantischen Systems selbst« betreffenden, als auch nach »äußeren«, »aus dem gegenwärtigen Zustande der Philosophie, und den dringendsten wissenschaftlichen, und moralischen Bedürfnissen unserer Zeit hergenommenen Gründen« vorzutragen gedenke.49 Während die mit inneren Gründen operierende Vor-
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tragsart Reinhold wenige Jahre danach zur Aufstellung eines nachkantischen Systems der Elementarphilosophie führen wird, steht die mit äußeren Gründen operierende für einen damals sich bereits seit einigen Monaten im Gange befindenden aufklärungspragmatischen Arbeits- und Publikationszusammenhang: mit den seit August 1786 begonnenen Briefen über die Kantische Philosophie. Diese sollen erklärtermaßen der Bekanntmachung und Verteidigung zentraler Ergebnisse der kritischen Philosophie Kants dienen und sind in der Sache repräsentativ für das Bestreben, Ideen Kants mit dem Ziel wohltätiger Umwälzungen und Reformen in Kultur und Gesellschaft anzuwenden, kurz: im Geiste Kants Aufklärung zu betreiben.
Abb. 6
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Bis zum September 1787 erscheinen aus Reinholds Feder unter dem Titel Briefe über die Kantische Philosophie acht Aufsätze im Teutschen Merkur. Der vorerst anonym bleibende Autor hat damit großen Erfolg. Zwei Jahre später kursieren von den gesammelten Aufsätzen Raubdrucke. Ist von Reinholds Briefen über die Kantische Philosophie die Rede, ist allerdings nicht bloß an diese Aufsätze zu denken. Denn genauer besehen steht der Titel den Plänen nach für ein größeres Fortsetzungswerk, dem Resultat nach für ein sich über ein halbes Jahrzehnt erstreckendes Arbeitsprojekt. 1790 publiziert Reinhold einen ersten Band der Briefe über die Kantische Philosophie, der, neben den stark umgearbeiteten älteren, auch neuere, die aktuellsten Entwicklungen und Erschütterungen des Zeitgeistes kommentierende Texte umfasst. 1792 folgt ein stattlicher zweiter Band mit zwölf in den Jahren 1791 und 1792 niedergeschriebenen Texten.50 In diesem Zusammenhang gilt es außerdem zu beachten, dass sich die Briefe über die Kantische Philosophie nicht ausschließlich mit einem Aufklärungsvorhaben der genannten Art assoziieren lassen. Manche Texte dieses Projektes sind eher philosophisch-systematischer Natur. Und im zweiten Band von 1792 hat Reinhold einige gewichtige Briefe, namentlich jene, die von Moral, Naturrecht und Willensfreiheit handeln, zur Diskussion gestellt, die klar in den Rahmen seiner Ausarbeitungen des praktischen Teils der Elementarphilosophie gehören. Die ursprüngliche Zuordnung der Briefe über die Kantische Philosophie zu einer Behandlung der Lehre Kants nach äußeren Gründen büßt mit dem zweiten Band an Bedeutung ein. Vor dem Hintergrund der Erklärung, den Bedürfnissen der Zeit Rechnung tragen zu wollen, überrascht es nicht, dass sich in den Briefen über die Kantische Philosophie wiederholt ausdrückliche Bezugnahmen und Anspielungen auf damals virulente philosophische und theologische Streitsachen finden. Bei nicht wenigen Betrachtungen, vor allem bei jenen geschichtsphilosophischer Natur, handelt es sich um Nachgefechte der Kant-Herder-Kontroverse, in die Reinhold zuvor direkt verwickelt war. Und eine ganze Reihe von Aussagen zum Thema der vernünftigen oder moralischen Religion lässt sich auf die von der Berlinischen Monatsschrift initiierte Diskussion der Frage »Was ist Aufklärung?«, auf den mit dem Namen Lessings verbundenen Fragmentistenstreit sowie auf die zwischen Jacobi und Mendelssohn ausgefochtene Debatte um Spinoza beziehen. Das eigentliche Thema aber ist von Anbeginn die Beantwortung der Frage, worin die hauptsächlichen Hindernisse und Chancen der gegenwärtigen religiösen, moralischen und politischen Aufklärung bestehen. Der Geist der Vertretern der Orthodoxie, so wird beklagt, hält sich hartnäckiger als vermutet. Das Problem ist jedoch auch, dass die Richtungskämpfe im Lager der Aufklärer, der fehlende Konsens über Prinzipielles, jeden Versuch eines Fortschritts von Vernunft und Freiheit vereiteln. Alles in allem skizziert der Autor der Briefe über die Kantische Philosophie ein düsteres, pessimistisch stimmendes Gemälde zur aktuellen Lage,
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Abb. 7
wäre da nicht gleichzeitig die frohe Botschaft, dass es inzwischen Mittel und Wege gibt, den aufgeklärten Geist aus dem fatalen Gewühl von Anfeindungen, bloßen Meinungsbekundungen und Parteiengezänk zu befreien. Der Befreier, der Messias, heißt Kant, die Mittel und Wege finden sich in dessen Kritik der reinen Vernunft, dem »Evangelium der reinen Vernunft«.51 Es wird deshalb als eine vordringliche Aufgabe angesehen, die Hauptresultate der Vernunftkritik einem breiten Publikum von Gelehrten und Selbstdenkern zugänglich zu machen. Reinholds Kantianismus weist in der Anfangsphase sehr ausgeprägte religiöse und geschichtsutopische Züge auf. Erwartet wird nichts Geringeres als ein neues, kantisches Zeitalter der Menschheit. Doch macht sich daneben auch
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nüchterne Überlegung zur ideologischen Funktion philosophischer Systeme und vereinigungsphilosophisches Aufklärungskalkül bemerkbar. Aus Reinholds Optik zeichnet sich Kant in seinem Hauptwerk durch die vorzügliche Fähigkeit aus, philosophische Missverständnisse aufzudecken und dadurch systematologische Gegensätze wie jene von Dogmatismus und Skeptizismus, Rationalismus und Empirismus, Materialismus und Spiritualismus, Determinismus und Indeterminismus bald als Scheinwidersprüche zu demaskieren, bald in Form des Nachweises eines dritten Weges zu überwinden. Dem entsprechend hält Reinhold es für verfehlt, mit Mendelssohn zu behaupten, Kants kritische Lehre »zermalme alles«.52 Das Gegenteil ist der Fall. Ihre erklärte Absicht ist es, Systemund Lehrstreite nicht durch Krieg, sondern durch den »Gerichtshof« der reinen Vernunft zu entscheiden und auf diese Weise einen »ewigen Frieden« im Bereich der spekulativen Vernunft zu stiften.53 Mit besonderem Nachdruck verweist Reinhold auf das Potential kritischer Vereinigung, das in Kants moraltheologischer Neubegründung des Vernunftglaubens steckt. Diese Neubegründung, zu der Kant in seinem Hauptwerk im Anschluss an die Kritik aller spekulativen Theologie angesetzt und die er sodann in der Postulatenlehre der Kritik der praktischen Vernunft genauer erörtert hat, liefert Reinhold zufolge überzeugende Argumente dafür, dass die philosophisch-theologische Alternative von Naturalismus und Supernaturalismus als überwunden angesehen werden darf. Der Vernunftreligion klassisch-rationalistischen und empiristischen Zuschnitts wird damit ebenso der Boden entzogen wie der extremen Glaubensreligion, die Reinhold an Blaise Pascal und, im Blick auf neuere Vertreter, an der sogenannten Lavater-Partei (Johann Kaspar Lavater, Friedrich Heinrich Jacobi, Thomas Wizenmann, Johann August Starck) festmacht. Und damit darf auch, wie Kant selbst bereits im 1786 veröffentlichten Aufsatz Was heißt: sich im Denken orientieren? andeutete, zum Streit zwischen Mendelssohn und Jacobi bemerkt werden, dass er »schon einige Jahr vorher entschieden war, als er wirklich ausbrach«.54 1788 geht Reinhold im Blick auf die Streitfrage um das Dasein Gottes dazu über, das aus der moraltheologischen Position Kants zu kritisierende Parteiengefüge noch genauer unter die Lupe zu nehmen. Es werden vier Parteien kenntlich gemacht, die als obsolet betrachtet werden müssen, zumal sie das Dasein Gottes in dogmatischer Weise entweder bejahen oder verneinen. Neben Naturalismus und Supernaturalismus stehen die Positionen des Materialismus oder Spinozismus sowie des Skeptizismus Hume’scher Herkunft zur Diskussion. Kants moralische Argumentation für das Dasein Gottes wird dadurch als die einzig richtige Position gegen die Hauptsätze des »dogmatischen Skepticismus«, »Supernaturalismus«, »Atheismus« und »dogmatischen Theismus« verteidigt.55 Nach 1789, dem Jahr des Ausbruchs der Französischen Revolution, sieht Reinhold sich mit einer verschärften Polarisierung von Aufgeklärten und Ver-
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tretern der Orthodoxen wie auch mit einer weit brisanter gewordenen Form von aufgeklärter Religion, Moral und Politik konfrontiert. Es geht um die von Aufklärern und Freunden der Revolution befürwortete Abschaffung des feudalen Ständestaates und Einführung der Menschenrechte und Volkssouveränität. Infolgedessen bleibt es in den Briefen über die Kantische Philosophie je länger desto weniger bei Fragestellungen, die ausschließlich um Kants Moraltheologie kreisen. Mit dem zweiten Band von 1792 richtet sich der Blick auf Moral und Recht und wird in profilierter Weise ein von Kants Moralitätsbegriff ausgehendes Verständnis von Naturrecht und positivem Recht erarbeitet. Reinhold hält es für unabdingbar, der »Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit unsrer populären und wissenschaftlichen Begriffe von dem Naturrecht«56 entgegenzutreten und damit den Verfechtern des Naturrechts einen überzeugenden und allgemein akzeptierbaren Ausgangspunkt zu sichern. Zudem gilt es seines Erachtens zu klären, welche sozialpolitischen Konsequenzen mit der Geltendmachung des Naturrechts und des darunter zu subsumierenden positiven Rechts verbunden sein sollen. Reinhold versteht sich dabei als Anhänger des Naturrechts insoweit, als dieses den unverlierbaren Menschenrechten zum Durchbruch verhilft. Er kritisiert diese Rechtsposition demgegenüber dort, wo sie zur Auffassung radikalisiert wird, der berühmte dritte Stand sei die Gesellschaft der Menschheit, welche die bisherigen ersten beiden Stände, wenn nicht überhaupt jede Art von Ständestaat überflüssig mache. Umgekehrt unterstützt Reinhold die Partei des positiven Rechts, wenn sie für die Nichtaufhebbarkeit der Stände plädiert, und weist sie in die Schranken, wenn sie die Menschenrechte für nichtig erklärt. Auf dieser Grundlage streitet Reinhold sowohl gegen sogenannte dilettantische Anhänger der Revolution als auch gegen unverbesserliche Konservative und Patrioten ohne jeden kosmopolitischen Sinn. In Bezug auf die letzteren hat Reinhold es damals mit Wortführern des Konservativismus wie Justus Möser, der 1790 und 1791 in der Berlinischen Monatsschrift gegen die Einführung der Menschrechte polemisiert,57 zu tun. Der Hauptgegner Reinholds in dieser Sache ist allerdings August Wilhelm Rehberg. Ab 1790 profiliert sich Rehberg, der nebenbei Reinholds Elementarphilosophie hart attackiert, als unerbittlicher Kritiker neufranzösischer Staatsideen.58 In der Folge sieht er sich ebenfalls in der Rolle des konservativen Antipoden Kants und Fichtes. Was die mit dem Aufklärungsprogramm einhergehende philosophisch-systematische Reflexionsebene der Briefe über die Kantische Philosophie betrifft, ist bemerkenswert, dass Reinhold, inspiriert durch Aussagen Kants zu dem aus der Moral zu begründenden Glauben an ein »Dasein Gottes und ein künftiges Leben«,59 bereits im Rahmen seiner frühesten Texte zu einer Grundsatz- und Systemidee gelangt. Die Einsicht, dass es einen »moralischen Erkenntnißgrund« gibt, welcher aufs Engste mit den religiösen Ideen oder praktischen Postulaten des Daseins Gottes und der Unsterblichkeit der Seele verknüpft ist, wird als
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modellbildend für ein künftiges kantisches System der Philosophie betrachtet. »Die Kritik der Vernunft«, so schreibt Reinhold Anfang 1787, hat mit dem moralischen Erkenntnisgrund der Theologie einen »ersten Grundsatz« gegeben. Auf diese Weise kann sie der gesamten Ontologie und Metaphysik mit dem moralischen Erkenntnisgrund einen ersten Grundsatz geben: »Denn so wie der moralische Erkenntnißgrund als der einzige probehältige fest steht, erhalten die Notionen, welche von der Ontologie, Kosmologie und Physikotheologie zum Lehrgebäude der reinen Theologie geliefert werden, auf einmal Inhalt, Zusammenhang und durchgängige Bestimmung.«60 Reinhold hat diese Systemidee in der Folge allerdings nicht aufrecht erhalten, sondern sein kantisches System der Philosophie, die Elementarphilosophie, auf dem Begriff des Vorstellungsvermögens und dem Grundsatz des Bewusstseins aufgebaut. Man darf vermuten, dass Kants Aussagen zur Postulatenlehre aus der 1788 erschienenen Kritik der praktischen Vernunft Reinhold einen Strich durch die Rechnung machten. Denn diese führten vor Augen, dass Postulate Folgebegriffe mit lediglich subjektiver oder hypothetischer Gewissheit sind und insofern die von Reinhold angestrebte Festigkeit des Systems nicht zu gewährleisten vermögen. Für den Richtungswechsel ist aber offenkundig auch die Tatsache verantwortlich, dass Reinhold sich um 1787 intensiver mit systematischen Fragen der theoretischen Vernunftkritik zu beschäftigen begann und dabei insbesondere aus einer systematischen und historischen Perspektive Kants Begriff des Erkenntnisvermögens näher analysierte. In den letzten beiden der frühesten Briefe vertritt Reinhold die Auffassung, Kant habe mit seinen Thesen, wonach es neben der empirischen eine reine Sinnlichkeit gebe und wonach die Sinnlichkeit eine rezeptive Form des Vorstellungsvermögens sei, eine Einsicht auf den Punkt gebracht, die seit den Tagen von Platon, Aristoteles, Epikur und den Stoikern bald verborgen geblieben, bald nur sehr vage und einseitig artikuliert worden sei. Kants Theorie des Erkenntnisvermögens sei somit der Schlüssel zum Verständnis der philosophischen Psychologie der Alten wie gleichzeitig die höchste Entwicklungsstufe in der bisherigen Geschichte der Aufdeckung der Natur des Erkenntnisvermögens. Ohne Zweifel geht es Reinhold bei diesen Darlegungen darum, damaligen berühmten Geschichtsschreibern der Philosophie wie Christoph Meiners und Ernst Platner vor Augen zu führen, dass Kants Vernunftkritik gleichfalls auf philosophiehistorischem Gebiet zu fruchtbaren Neuerungen führt.61 Doch konzentriert sich Reinhold hiermit auch entschieden auf jene Denkrichtung, die ihn zum Befund führt, dass in Kants Theorie des Erkenntnisvermögens der Begriff des Vorstellens ungenügend entwickelt, der Anfang in der gesamten Darstellung der Vernunftkritik somit künftig mit dem Begriff des Vorstellungsvermögens zu machen ist. Wie erwähnt fällt in den Rahmen des Projekts der Briefe über die Kantische Philosophie am Ende ebenfalls ein Anwendungszusammenhang von Reinholds
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vorstellungstheoretischem Denken. Der zweite Band von 1792 enthält definitorische und systematische Bestimmungen der praktischen Elementarphilosophie. Im Mittelpunkt steht das Bemühen, auf der Grundlage der kritischen Philosophie ein adäquates Verständnis von Moral, Recht im Allgemeinen, Naturrecht und Willensfreiheit zu explizieren. Von Bedeutung sind die Texte dieses Bandes nicht zuletzt deshalb, weil im Laufe der 1790er Jahre ebenfalls Kant, und dabei in manchen Punkten etwas später als Reinhold, zu dem nämlichen Anwendungszusammenhang Stellung nimmt. Es ist auffällig, dass Reinhold in der Frage der Geltung moralischer Urteile manche Akzente anders setzt als Kant. Zwar ergreift Reinhold nicht anders als sein Lehrmeister Partei für einen starken Kognitivismus und Formalismus der praktischen Vernunft. Er folgt Kants Ansicht, dass »materiale Bestimmungsgründe im Princip der Sittlichkeit«62 in Bezug auf die Geltung moralischer Urteile keine Rolle spielen dürfen.63 In der Absicht, zwischen Vernunft und Sinnlichkeit zu vermitteln, ist Reinhold allerdings darauf aus, die Konzeption der Vernunftmoral gleichzeitig in der Gestalt einer Trieblehre zur Geltung zu bringen. So operiert er mit der Gegenüberstellung von sinnlichem, »eigennützigem« und sittlichem, »uneigennützigem Trieb«.64 Dem Vermögen der praktischen Vernunft beziehungsweise der Instanz des Sittengesetzes wird damit ein gegen den Eigennutz gerichtetes triebtheoretisches Korrelat beigefügt. Reinholds Meinung nach führt dies nicht zu einer inkonsistenten Position. Denn das Verhältnis von Vermögen der praktischen Vernunft und sittlichem Trieb soll als Verhältnis des Standpunktes der philosophierenden Vernunft und des untergeordneten – wobei allerdings unverzichtbaren – Standpunktes des gemeinen Verstandes begriffen werden. Zum Teil andere Wege als Kant beschreitet Reinhold auch beim Rechtsbegriff, den er im 6. Brief des Zweiten Bandes der Briefe über die Kantische Philosophie abhandelt. Während Kant das Recht als legitimes Recht primär ausgehend von einem analog zum Sittengesetz gefassten Rechtsgesetz der äußeren Freiheit unter allgemeinen Gesetzen bestimmt, erschließt Reinhold Recht als legitimes Recht in erster Linie auf der Basis des Begriffs eines unter dem Sittengesetz stehenden Erlaubt- oder Möglichseins. Erlaubtsein soll dabei »bloß erlaubt« heißen und sich somit von jener Bedeutung von »erlaubt«, die nur den Gegensatz zu »unerlaubt« oder »verboten« bildet beziehungsweise sich mit »geboten« völlig deckt, unterscheiden. In diesem Sinne soll auch »Möglichkeit« im Sinne von »bloßmöglich« und nicht »einzig möglich« verstanden werden.65 Mit diesem Zugang lässt sich Reinhold zufolge nicht nur der Toleranz- und Spielraumgedanke der neueren Freiheitsrechte angemessen einholen, sondern auch eine sinnvolle Abgrenzung des Rechts von der Moral (dem Gebotenen) vornehmen. Die mit dem Recht verbundene Gesetzlichkeit und Befugnis zu zwingen werden von Reinhold auf der Stufe des Naturrechts ausformuliert. Sie sind der mögliche
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Abb. 8: Edmund Adolf Schmidt, Das Johannisthor im Jahre 1898, mit Karl Leonhard Reinholds erstem Jenaer Auditorium rechts vom Johannistor
Gegenzwang im Falle von Rechtsverletzung oder ungerechtfertigtem Zwang. Der »erste Grundsatz des Naturrechts« soll insofern lauten: »Du darfst denjenigen, der sich zur bloßen Befriedigung seines eigennützigen Triebes zwingt, durch Zwang abhalten.«66 Nicht nur sehr markant, sondern auch von herausragender Bedeutung für die gesamte nachkantische Diskussion zur Auffassung von moralischer Freiheit sind schließlich die sich vom 8. bis zum 10. Brief des Zweiten Bandes der Briefe über die Kantische Philosophie erstreckenden Ausführungen zur Freiheit des Willens. Reinhold hat dem Begriff der Willensfreiheit in eigener Sache zunehmend eine Schlüsselposition eingeräumt. Mit dem richtigen Begriff der Willensfreiheit steht und fällt seines Erachtens das richtige Verständnis von Moralität, Sittengesetz, Recht und Religion. Aus diesem Grunde soll der Willensfreiheit im praktischen Teil der Elementarphilosophie »dieselbe Funktion aufbehalten« sein, »die dem richtigen und bis jetzt nicht weniger verkannten Begriffe von der Vorstellung in der künftigen Philosophie überhaupt, und insbesondere in der theoretischen bevorsteht«.67 In den Brennpunkt rückt
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Reinhold seinen Begriff der Willensfreiheit daneben aber auch dadurch, dass er ihn gegen alternative Auslegungen des Verständnisses von moralischer Freiheit bei Kantianern, so vor allem beim Jenaer Kollegen Schmid,68 und schließlich bei Kant selbst verteidigt. Mit Nachdruck hat Reinhold bei seiner Auseinandersetzung mit Kants Freiheitsauffassung im Bereich der Moral die These vertreten, dass die Differenz von praktischer Vernunft beziehungsweise Sittengesetz einerseits und Wille andererseits zu beachten ist, dass Freiheit des Willens nicht auf eine Freiheit im Sittengesetz reduziert werden kann, sondern immer auch und wesentlich Freiheit angesichts des Sittengesetzes, angesichts der Entscheidung für oder wider das Sittengesetz bedeutet. In diesem Sinne hat Reinhold die Willensfreiheit definiert als »das Vermögen der Person, sich selbst zur Befriedigung oder Nichtbefriedigung eines Begehrens entweder nach dem praktischen Gesetze oder gegen dasselbe zu bestimmen«.69 Und konsequenterweise gilt es hiermit zu behaupten, dass nicht nur der Entscheid für, sondern auch jener gegen das Sittengesetz frei zu nennen ist: »Der reine Wille sowohl als der unreine sind daher nichts anderes als die beyden gleich möglichen Handlungsweisen des freyen Willens«.70 Reinhold geht es bei diesem Vorschlag unter anderem um eine angemessene Berücksichtigung des zurechenbaren und verantwortungsbewussten Handelns und Wollens. Im Blick auf die bestehenden Freiheitstraditionen reiht er sich in die Linie der Indifferenzfreiheit ein, dies nicht ohne das gleichzeitige Bestreben, die Mängel dieses Freiheitsverständnisses zu beseitigen. Der Versuch, in dieser ganzen Sache gleichfalls Kant gerecht zu werden, wird spätestens nach dem Erscheinen der Metaphysik der Sitten aufgegeben. Denn Kant äußert sich in der »Einleitung« dieses Werks zur Freiheitsthematik in einer Weise, die darauf schließen lässt, dass Reinholds Ansinnen entschieden zu kritisieren ist. Reinhold verstrickt sich aufgrund dieser Stellungnahme in eine Kontroverse mit Kant. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass Reinholds Differenz mit Kant weit geringer ist, als dies auf der Grundlage der in Kants »Einleitung« abgegebenen Erklärung der Fall zu sein scheint, die Willensfreiheit, die im eigentlichen Sinne die »Freiheit der Willkür« sei, könne nicht durch das Vermögen der Wahl, für oder wider das Gesetz zu handeln, (libertas indifferentiae) definirt werden«.71 Denn immerhin wird auch bei Kant, der seine frühere Freiheitsterminologie teilweise verändert hat, angenommen, dass von Freiheit nicht in Bezug auf das Sittengesetz und dessen Gesetzgebung die Rede sein kann, sondern nur in Bezug auf unsere Maximen, die wir angesichts des Sittengesetzes wählen.72
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Reinholds Briefwechsel mit Kant von Martin Bondeli »Ich bin der Verfasser des im Februar 1785 des teutschen Merkurs abgedruckten Briefes von dem Pfarrer aus *** über die Recension von Herders Ideen usw. in d. A.L.Z.«73 Dies schreibt Reinhold in den ersten Abschnitten seines Briefes vom 12. Oktober 1787 an Immanuel Kant. Wenige Zeilen danach gibt er sich ebenfalls als Autor der vielbeachteten, im August des Jahres 1786 begonnenen und »im Jenner des gegenwärtigen fortgesetzten Briefe über die Kantische Philosophie« aus dem Teutschen Merkur zu erkennen.74 Es handelt sich um das Bemühen des vom Advokaten Johann Gottfried Herders zum begeisterten Kantianer gewordenen Reinhold, für einen zuvor erfolgten und unterdessen als völlig ungerechtfertigt eingesehenen Angriff auf Kant um Entschuldigung zu bitten, zugleich um den Beginn eines denkwürdigen, bis zum Juli des Jahres 1795 dauernden Briefwechsels mit dem Königsberger Philosophen. Die beiden lassen sich während dieser Zeitspanne – nach heutigem Forschungsstand – insgesamt dreiundzwanzig datierte Briefe zukommen. Zwölf stammen von Reinhold, elf von Kant.75 Die Briefe zeugen insgesamt von einer überwiegend freundschaftlichen Beziehung, in einer ersten Phase besteht eine geradezu vertrauliche Atmosphäre.76 Der über sechzigjährige Kant spricht mit dem kürzlich zum Jenaer Professor ernannten Reinhold nicht nur über die üblichen philosophischen Geschäfte, sondern auch sehr offen über persönliche Dinge. Es wird ersichtlich, dass Kant die Fähigkeiten Reinholds zu würdigen weiß, auf dessen publizistisches Engagement für die kritische Philosophie mit großer Dankbarkeit reagiert, ihn an denkerischen Entdeckungen teilhaben lässt und ihm die neuesten eigenen Werke umgehend zusendet. Der rund dreißig Jahre jüngere Reinhold seinerseits ist in der Rolle des Schülers, Verehrers und kooperativen Mitstreiters. Er versorgt Kant mit neuen Nachrichten über die Aufnahme und Ausbreitung der kritischen Lehre an der Jenaer Universität, berichtet ausführlich über seine Vorlesungs- und Publikationspläne und lässt dem Adressaten ebenfalls regelmäßig die neuesten eigenen Schriften zukommen. Zu den führenden Köpfen des Jenaer Kantianismus gehörend, ist der junge Freund verständlicherweise auf öffentliche Anerkennung durch den Lehrmeister angewiesen, die ihm dieser auch zuteilwerden lässt. Die Stimmung ändert sich, nachdem Reinhold den Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens an Kant übersendet und sich erhofft, dieser werde ein zustimmendes Urteil auch über dieses auf verbesserte Fundierung der Vernunftkritik zielende Werk fällen. Es sind die in dieser Sache wohl übertriebenen Erwartungen Reinholds und die Unwilligkeit oder Unfähigkeit Kants, auf die diffizilen Neudarstellungen des jungen Mitstreiters einzugehen, die nach 1790 zu einer Ernüchterung der Beziehung und, obschon der Umgangston stets höflich und respektvoll bleibt, zu einem gewissen gegenseitigen Misstrauen führen.
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Abb. 9
Dass es sich bei dem Verfasser des anonym erschienenen Schreibens des Pfarrers zu ***, in welchem Herders Geschichts- und Naturdenken gegen die Attacken aus der in der Allgemeinen Literatur-Zeitung erschienenen Rezension der Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit verteidigt wird, um Reinhold handelt, wusste Kant bereits mehr als zwei Jahre vor Beginn des Briefwechsels. Der Herausgeber der Allgemeinen Literatur-Zeitung, Christian Gottfried Schütz, hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass ein »junger Convertit Nahmens Reinhold, der sich in Wielands Hause zu Weimar aufhält«, im Februarstück des Teutschen Merkurs eine »Widerlegung« der besagten Re-
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zension veröffentlichen wird.77 Zu welchem Zeitpunkt Reinhold, der Anfang 1785 vor allem mit metaphysikkritischen Argumenten auf den anonymen Rezensenten replizierte, darüber informiert wurde, dass sich hinter diesem kein Geringerer als Kant verbirgt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Spätestens nachdem Kant in einem ebenfalls nicht unterzeichneten kurzen Antwortschreiben zu verstehen gegeben hatte, in Bezug auf die gegen die traditionelle Metaphysik gerichtete philosophische Haltung sei er »mit dem Pfarrer völlig einerlei Meinung«,78 dürfte aber auch Reinhold klar gewesen sein, mit wem er es zu tun hat. Er schlug sich nach diesem Vorfall umgehend auf die Seite Kants und wurde zu einem enthusiastischen Leser und Interpreten der Kritik der reinen Vernunft. Im Eröffnungsbrief Reinholds an Kant vom 12. Oktober 1787 bleibt diese Vorgeschichte im Halbdunkel. Umso deutlicher und auffälliger kommt stattdessen ein religiöses Motiv zur Sprache, das Reinhold bereits in einem früheren Stadium seines Denken beschäftigt hat und das ihn auch in späteren Zeiten in seinen Bann ziehen wird: nämlich der Versuch, in angemessener Weise zwischen Glauben und Wissen zu vermitteln und dadurch »der unseeligen Alternative zwischen Aberglauben und Unglauben überhoben zu seyn«.79 Diese Vermittlung ist ihm, wie er Kant gegenüber eingesteht, auf seinem bisherigen Denkweg wiederholt missglückt. Jetzt aber ist sie dank der Kritik der reinen Vernunft dauerhaft auf gute Wege gekommen. Der in den Schlussteilen dieses hochgeschätzten Buches entwickelte und in der Folge mit den eigenen Briefen über die Kantische Philosophie erläuterte »moralische Erkenntnißgrund der Grundwahrheiten der Religion«80 hat sich gleichsam als erfolgreiches Heilmittel gegen die Krankheiten des Aberglaubens und Unglaubens erwiesen. Die Kritik der reinen Vernunft wird von Reinhold hier mit anderen Worten aufgrund ihrer moraltheologischen Neuerungen als attraktives Werk gepriesen. Ganz nebenbei macht er kenntlich, dass er diesen Zugang zur Kritik der reinen Vernunft der Lektüre von Schütz’ informativer Rezension zu Johann Schulzes Erläuterungen über des Herrn Professor Kant Critik der reinen Vernunft mit zu verdanken hat.81 Auch im folgenden Jahr ist der moraltheologische Aspekt der kritischen Lehre Thema des Briefwechsels. Das Ergebnis seiner Briefe über die Kantische Philosophie selbstkritisch betrachtend, teilt Reinhold Anfang 1788 Kant mit, dessen jüngst mit der Kritik der praktischen Vernunft gelieferte Darstellung zum moralischen Erkenntnisgrund der Religion bringe eine »vollkommene Befriedigung« mit sich und sei, was den »Grad von Evidenz« angehe, unübertrefflich.82 Zweifelsohne wird mit diesem Themenstrang Licht auf einen bedeutsamen und prägenden Ausschnitt von Reinholds Zuwendung zu Kant geworfen. Man darf allerdings das metaphysikkritische Anschlussmotiv, das bei der Vorgeschichte des Briefwechsels eine Rolle spielte, in der Gesamtsicht nicht unterbewerten. Und man darf sich auch nicht dazu verleiten lassen, Reinholds damalige Kant-
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Aneignung verkürzt wiederzugeben. Seit der Lehrtätigkeit in Jena hielt Reinhold, der nach eigenen Aussagen die Kritik der reinen Vernunft nach Mitte 1785 »viermal […] hintereinander gelesen« haben will,83 regelmäßig Vorlesungen zum gesamten System der Vernunftkritik. Zunehmend legte er dieses System in eine betont erkenntnis- und vorstellungstheoretische Richtung aus. Systematische Fragen zur theoretischen Vernunft und damit zum Kernbereich der Kritik der reinen Vernunft traten entscheidend neben das religiöse Denkmotiv. Ohne diese parallel verlaufende Rezeption ist die Entstehung der Elementarphilosophie undenkbar. In den ersten Jenaer Jahren hielt Reinhold Vorlesungen auch zu »Wielands Oberon« und zu »Ästhetik nach Eberhard«.84 Da Kant in dieser Zeit an seiner dritten, Prinzipien der ästhetischen Vernunft einschließenden Kritik arbeitete, ist es nicht erstaunlich, dass sich ein gemeinsames Interesse an der Klärung von Fragen über die Natur und Funktionsweise des ästhetischen oder Geschmacksvermögens ergab. In diesem Zusammenhang ist an eine Episode zu erinnern, von der man dank des Briefwechsels Kenntnis hat. In seinem auf den 28. und 31. Dezember 1787 datierten ersten Antwortbrief an Reinhold schildert Kant seine aktuelle Beschäftigung mit der Kritik der Urteilskraft, die damals noch den Namen »Critik des Geschmacks« trägt. Er überrascht den Freund mit der Nachricht, in diesem Bereich eine »neue Art von Principien a priori entdeckt« zu haben, und klärt ihn darüber auf, dass der Vermögen des Gemütes, die apriorische Prinzipien enthalten, demnach nun »drey« sind: »Erkenntnisvermögen Gefühl der Lust und Unlust und Begehrungsvermögen.«85 Diese Entdeckung soll in absehbarer Zeit bekannt gemacht werden. Kant hofft, »gegen Ostern« mit dem Manuskript fertig zu sein. Reinhold zeigt sich in seinem Antwortbrief vom 19. Januar 1788 von dieser Nachricht äußerst angetan: »Nun sehe ich mit verdoppelter Sehnsucht der Kritik des Geschmackes entgegen.«86 Seine Begeisterung hat dabei unter anderem damit zu tun, dass er selber ausgehend von vernunftkritischen Theorien der Sinnlichkeit und des Verstandes ein vergleichbares Projekt verfolgt und dabei optimistisch ist in der Annahme, dass er des Lehrmeisters »Meynung wenigstens zum Theil getroffen haben müsse.«87 Es handelt sich bei diesem Projekt um die »Theorie des Vergnügens«, die Reinhold im selben Brief in Grundzügen umreißt und die er in einer elaborierten Fassung im dreiteiligen Aufsatz Ueber die Natur des Vergnügens von 1788 und 1789 der Öffentlichkeit zugänglich machen wird. Dem Hauptinhalt nach wird in dieser Theorie das Vermögen des Vergnügens unter Bezug auf paradigmatische Beiträge zur Ästhetik und Empfindungslehre des 18. Jahrhunderts – es geht dabei hauptsächlich um Dubos, Mendelssohn, Sulzer, Helv¦tius und Platner – als ein sich differenzierendes und verdichtendes SubjektObjekt-Verhältnis dargestellt, wobei zu den beachtlichen Neuerungen die in
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dieses Verhältnis integrierten kantischen Begriffe der reinen Sinnlichkeit und Rezeptivität zählen.
Abb. 10: Brief, Karl Leonhard Reinhold am 9. April 1789 an Immanuel Kant
Man kann sich leicht ausrechnen, dass Reinhold, als die lang ersehnte Kritik der Urteilskraft 1790 erschien, das Gefühl haben musste, die Intention Kants reichlich verfehlt zu haben. Denn Kant geht es bei seinem Beitrag zu einem ästhetischen Vermögen in erster Linie um Fragen des Geschmacksurteils und nicht um ein damit zusammenhängendes Subjekt-Objekt-Verhältnis. Zudem ist »Vergnügen« aus der Sicht Kants kein ästhetischer Schlüsselbegriff. Das »Vergnügen« gehört zu einem Wohlgefallen des »Angenehmen«, aber nicht des Schönen.88 Reinhold hielt es nach 1790 für nötig, seine vergnügensästhetische Theorie zu modifizieren und durch kantische Bestimmungen zum Schönen und Erhabenen zu komplettieren. Welche genaueren systematischen Konsequenzen er daraus zog, wird aufgrund der heutigen Quellenlage nur sehr vage durch-
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sichtig. Es ist schade, dass auch in seinem Briefwechsel mit Kant diese Thematik nicht mehr weiter zur Sprache gekommen ist. Reinhold sah es stets als eine dringende Aufgabe, die Anhängerschaft der Philosophie Kants zu stärken sowie die führenden Köpfe der unbelehrbaren Gegnerschaft in die Schranken zu weisen. Auch in diesem Punkt ist sein Briefwechsel mit Kant aufschlussreich. Es ist zu erfahren, dass es um 1788 beinahe zu einer engeren Allianz zwischen Reinhold und dem Hallenser Professor Ludwig Heinrich Jakob kam. Jakob, den Reinhold später wegen mancher Fehlinterpretationen von Lehrstücken Kants kritisierte, hegte vorübergehend den Plan eines gemeinsamen Journals, »das ganz der Kantischen Philosophie allein gewidmet seyn sollte«.89 Daraus wurde später ein anderes von Jakob begründetes Zeitschriftenprojekt. Im Weiteren ist zu vernehmen, dass Friedrich Schiller auf Betreiben Reinholds im Jahre 1789 zum Kantianer wurde: »Schiller mein Freund und wie ich nach einer innigen Bekanntschaft mit ihm überzeugt bin der besten itzt lebenden Köpfen einer horcht ihren Lehren durch meinen Mund.«90 Was den Umgang mit Gegnern betrifft, ist wiederholt von Johann August Heinrich Ulrich die Rede. Ulrich, der Kant auf dem Katheder attackierte und mit Reinhold um die Gunst der Jenaer Zuhörerschaft wetteiferte, ist allerdings eher eine Randfigur. Es sind andere Köpfe, die damals das Zentrum der anti-kantischen Bewegung bilden. Auf die Bekämpfung eines solchen Kopfes wie zugleich auf einen Höhepunkt in der Kooperation der beiden Briefpartner stößt man mit den Briefen von Kant an Reinhold vom 12. und 19. Mai 1789. Der in Halle lehrende Johann August Eberhard hatte es sich mit seinem ab Ende 1788 erschienenen Philosophischen Magazin zum Ziel gesetzt, die kritische Philosophie zu diskreditieren. Deren angebliche erkenntniskritische Neuerungen, so behauptete er grundsätzlich, sind von Leibniz längst ausgesprochen worden. Reinhold, der einige ältere Schriften Eberhards zwar schätze, mit dessen anti-kantischer Haltung jedoch zunehmend Mühe bekundete, fasste den Entschluss, diesen Angriff zu kontern. Als Gegenmaßnahme plante er eine geharnischte Rezension zu verschiedenen Stücken des Philosophischen Magazins. Zudem bat er Kant, dem die ganze Angelegenheit ebenfalls ein Dorn im Auge war, um Unterstützung. In diesem Zusammenhang übersendet Kant ihm in den besagten Briefen zu »beliebigem Gebrauche«91 umfangreichere kritische Stellungnahmen zu Eberhard, vor allem Fragen des Verhältnisses von analytischem und synthetischem Urteil sowie von logischem Grund und Realgrund betreffend. Reinhold lässt diese Gelegenheit nicht ungenutzt. In die im Juni 1789 veröffentlichte Rezension zum Philosophischen Magazin werden Teile der Stellungnahmen Kants in den Gesamttext eingeflochten.92 Und auch in späteren Publikationen wird Reinhold im Kampf gegen Eberhard und dessen Mitstreiter Johann Christoph Schwab auf die vom Lehrmeister im Mai 1789 bereitgestellten Materialien zurückgreifen. Alles in allem ist das Kampfbündnis Reinholds und Kants in ihrem Streit mit Eber-
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hard sehr effektiv, wenn auch nicht ganz frei von Abstimmungsproblemen.93 Kant spielt dabei sicher den etwas aggressiveren und dominanteren Part als Reinhold. Symptomatisch hierfür ist nicht zuletzt, dass Kant seine kritischen Einlassungen zu Eberhard erweitert und 1790 zusätzlich mit einer separaten Schrift (Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich gemacht werden soll) publik macht. Als Leser von Kants Aufsatz Über den Gebrauch teleologischer Principien in der Philosophie aus dem Teutschen Merkur von 1788 stößt man auf einen Schlussabschnitt, in dem der junge Autor der Briefe über die Kantische Philosophie mit lobenden und dankenden Worten bedacht wird. Neben aller aufrichtigen Zuneigung steckt dahinter, wie man nachträglich erkennen muss, auch ein Stück reinholdische Strategie und kantische Gefälligkeit. Reinhold hat in seinem Eröffnungsbrief an Kant vom 12. Oktober 1787 ganz nebenbei von einem »öffentlichen Zeignisse« dieser Art und von der Nützlichkeit eines solchen gesprochen, mit anderen Worten: in diskreter Form darum gebeten.94 Auch später, so zu Beginn der gemeinsamen Polemik gegen Eberhard sowie nach der im Herbst 1789 erfolgten Zusendung des zur öffentlichen Beurteilung anstehenden Versuchs einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, geht Reinhold mit einer ähnlichen Methode zu Werke. Im letzteren Falle bleibt der Erfolg aus, wobei dies freilich nicht nur mit Reinholds forderndem Vorgehen, sondern auch mit sachlichen Vorbehalten Kants gegenüber Reinholds inzwischen mit in die Diskussion eingebrachter Idee der Höherfundierung der Vernunftkritik zu tun hat. Kann Kant sich mit dem Inhalt der »schönen« Briefe über die Kantische Philosophie spontan einverstanden erklären, ist dies beim Versuch völlig anders. Das Urteil Kants, der nach Ende 1789 zunehmend seine Altersbeschwerden zum Gesprächsthema macht, lässt auf sich warten. Im September 1791, inzwischen ist auch Reinholds Schrift Ueber das Fundament des philosophischen Wissens im Umlauf, ringt Kant sich zur Mitteilung durch, öffentlich gestehen zu wollen, »daß die aufwärts noch weiter fortgesetzte Zergliederung des Fundamentes des Wissens […] ein großes Verdienst um die Critik der Vernunft sey«.95 Dabei gibt er Reinhold in einem Nachsatz aber auch zu verstehen, dass es nicht leicht werden dürfte, das Aufsteigen zu höheren Prämissen der Vernunftkritik in einer einleuchtenden Weise zu rechtfertigen. Es ist von daher nicht überraschend, dass die versprochene öffentliche Erklärung schließlich ausbleibt. Offener und kritischer äußert Kant seine Bedenken gegenüber Reinholds Neufundierung der Vernunftkritik damals im Gespräch mit anderen seiner Schüler, so vor allem mit Jacob Sigismund Beck. Kant beklagt sich darüber, dass »die Theorie des Vorstellungsvermögens des Hrn. Reinhold so sehr in dunkele Abstractionen zurückgeht, wo es unmöglich wird das Gesagte in Beyspielen darzustellen«.96 Aus diesem Grund wünscht er schließlich, dass Beck sich mit Reinholds elemen-
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Abb. 11: Brief, Karl Leonhard Reinhold am 12. Oktober 1787 an Immanuel Kant
tarphilosophischen Schriften befasst und ein fundiertes Urteil darüber abgibt. Beck wird diesem Wunsch 1796 im Rahmen seiner »Standpunktslehre« nachkommen, mit dieser Lehre, die ebenfalls als eine vorstellungstheoretische Neudarstellung der Vernunftkritik zu qualifizieren ist, allerdings nicht nur Reinhold, sondern auch Kant selbst verärgern. In der Forschung ist umstritten, ob Kant Reinholds Versuch überhaupt rezipiert hat und, falls ja, mit welcher Gründlichkeit dies geschehen ist. Man darf davon ausgehen, dass Kant sich zumindest eine Zeitlang um eine Rezeption bemüht hat. Dafür spricht etwa, dass Johann Benjamin Erhard, der nach 1790 zwischen Reinhold und Kant häufiger vermittelte, letzterem eine Themenübersicht zum Versuch anfertigte.97 Reinhold lässt sich nach dieser misslungenen Aktion mit dem Versuch nicht entmutigen. Anfang 1793 schickt er Kant den zweiten Band der Briefe über die Kantische Philosophie und bittet ihn, »den sechsten, siebenten, achten, Eilften und zwölften zu lesen« und nach Möglichkeit zu kommentieren.98 Man muss sich dabei vor Augen halten, dass Reinhold mit den genannten Briefen, namentlich
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mit dem sechsten bis achten, auf seine neuesten Erkenntnisse zum praktischen Teil der Elementarphilosophie aufmerksam macht. Es geht um Ausführungen zum einen zu Moral und Naturrecht, zum anderen zu der zum Fundament der praktischen Philosophie erhobenen Willensfreiheit. Die Reaktion Kants ist erneut ausweichend und für Reinhold unbefriedigend. Abgesehen von der knappen Mitteilung Kants, dass er, was die »Principien des Naturrechts« betreffe, »im Wesentlichen« übereinstimme,99 kann Reinhold seinem Briefpartner kaum etwas Brauchbares entlocken. Nicht auszuschließen ist natürlich, dass Kants 1797 in der Einleitung in die Metaphysik der Sitten unterbreitete Definitionen zu Recht und Freiheit im Sinne einer verspäteten und dabei auch etwas heimtückischen Antwort auf Reinholds letzte Bitte zu lesen sind. Am Schluss des Briefwechsels zwischen Reinhold und Kant im Sommer 1795 steht kein Zerwürfnis. Nach wie vor will Reinhold sich als Anhänger Kants verstanden wissen, nach wie vor formt er Schüler – inzwischen sind es Kieler Studenten – zu Kantianern. Doch hat sich das Verhältnis zum Lehrmeister abgekühlt. Umgekehrt zeigt auch dieser, so sehr er an die Freundschaft appelliert, wenig Interesse, mit seinem ehemaligen Apostel in einem engeren Kontakt zu bleiben. Mit Reinholds vorübergehendem Anschluss an Fichtes Wissenschaftslehre Ende 1796 wächst verständlicherweise die Entfernung. In den Kreis falscher Freunde, den Kant mit seiner berühmten Erklärung in Beziehung auf Fichtes Wissenschaftslehre aus dem Jahre 1799 zieht, wird Reinhold aber nicht eingeschlossen. Kant wusste offenbar, was er dem Jenaer und Kieler Kantianer zu verdanken hat.
Reinhold als Vermittler der kantischen Philosophie von Philipp Schaller Reinhold hatte nicht allein seinen Anteil an der Entstehung und Entwicklung der Philosophie des Deutschen Idealismus, insofern sich Fichte, Schelling und Hegel – jeder auf seine Weise – mit Reinholds Versuchen auseinandersetzten, die Philosophie Kants weiterzuentwickeln; und die Rolle, die er, nachdem er dieser selbst zur breiten Rezeption verholfen hatte, als deren Vermittler und Interpret zu spielen begann, ist auch dann noch immer nicht erschöpfend erfasst, wenn man noch den sogenannten Herbert-Kreis hinzunimmt, von dem die frühe österreichische Kant-Rezeption ausgeht. Die Jenaer Universität, auf die Reinhold bald nach Erscheinen seiner Briefe über die kantische Philosophie berufen worden war, erfuhr dank ihm und seiner Vorlesungstätigkeit einen außergewöhnlichen Zustrom. Wenigstens einige bekanntere Namen sollten daher
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stellvertretend erwähnt sein. Ihre knappe Aufzählung gibt einen Überblick von Reinholds Rolle als Vermittler der kantischen Philosophie. Friedrich Schiller (1759–1805) lernte in Weimar Ende August des Jahres 1787 bei Charlotte von Kalb die Tochter seines Dichter-Kollegen Wieland kennen, und begleitet sie nach Jena zu ihrem Gatten, in dessen Haus er fast eine ganze Woche residierte.100 Reinhold hatte seine Briefe über die kantische Philosophie veröffentlicht und es war eben in der Zeit von Schillers Besuch, dass die Presse seine baldige Berufung auf eine außerordentliche Professur für Philosophie in Jena verkündete. Dass er mit Schiller über Kants Denken sprach, ist nicht überraschend. Schiller hatte schon zuvor durch seinen Freund Körner von Kant Notiz genommen, durch Reinhold aber wurde sein Interesse definitiv geweckt, obgleich er vorerst nur die im Teutschen Merkur veröffentlichten Aufsätze Kants und Reinholds Darstellungen las und es noch Jahre dauern sollte, bis er sich auf die Hauptschriften Kants einließ. Doch nicht allein als Leser und Interpret der Werke Kants trat Schiller in Reinholds Fußstapfen. Durch Reinhold war für Schiller auch der Weg zu einer ähnlichen Professur an der Universität Jena geebnet – in Schillers Fall auf dem Gebiet der Geschichte.101 Allerdings dürften Schiller besagte Fußstapfen irgendwie zu klein vorgekommen sein. Er schien Reinhold zunächst als bloßen Rezensenten angesehen und ihm den Erfolg beim Schwiegervater und dessen Zeitschrift ein wenig geneidet zu haben, zumal er von der relativ größeren Vollkommenheit seiner eigenen, nicht so einseitig verstandeslastigen, persönlichen Anlagen überzeugt war.102 Später jedoch lernte er Reinhold als Menschen und als eigenständigen Denker besser zu schätzen, aber auch Kants Lehre im Zuge seines eigenen Studiums deutlicher von Reinholds Darstellung zu unterscheiden. Vor allem Reinholds in Auseinandersetzung mit Kant entwickelter Neufassung des Freiheitsbegriffs, mit der sich fast zeitgleich auch Schleiermacher befasste, konnte Schiller etwas abgewinnen.103 Reinhold seinerseits war von Schiller sofort äußerst angetan und berichtete Kant nicht ohne Stolz in einem Brief davon, dass er einen vielversprechenden Herrn Schiller mit seiner Lehre vertraut mache: Schiller mein Freund und wie ich nach einer innigen Bekanntschaft mit ihm überzeugt bin der besten itzt lebenden Köpfe einer horcht Ihren Lehren durch meinen. Die Universalgeschichte die er schaffen wird, ist nach Ihrem Plan angelegt, den er mit einer Reinheit und einem Feuer auffaßte, die mir ihn noch so theuer machten. […] Er hat mich gebethen seine Person unter Ihren warmsten und innigsten Verehrern zu nennen.104
Ein weiterer Dichter, der von Reinholds Expertise in der sich in Deutschland verbreitenden Philosophie Notiz nahm, war Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Durch Wieland erfuhr Reinhold denn auch vor dem ersten Zusammentreffen, dass Goethe »seit einiger Zeit Kants Kritik pp mit einiger
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Application« las, mit ihm darüber eine »große Conferenz«105 halten und sich dabei wohl auch unterweisen lassen wollte. Einer Quelle zufolge soll Goethe sogar tatsächlich Privatstunden von Reinhold erhalten haben.106 Eine nennenswerte persönliche oder intellektuelle Verbundenheit entwickelte sich nach der Begegnung zwischen beiden aber nicht. Somit ist er wohl nicht unter die Dichter zu zählen, denen Reinhold die kantische Philosophie näherbrachte, zumal Goethe selbst beteuerte, er habe nie etwas von ihm lernen können – eine Aussage, die vielleicht nicht ganz zu Goethes sechs Jahre früher geäußertem Lob betreffend Reinholds Schrift Über die bisherigen Schicksale der Kantischen Philosophie passt.107 Ganz anders präsentieren sich die Dinge bei dem Dichter Jens Immanuel Baggesen (1764–1826). So wenig dieser für Goethe übrig hatte,108 so viel konnte er Reinhold und Schiller abgewinnen. Vor allem wegen seiner Komischen Erzählungen als dänischer Wieland geltend, besuchte Baggesen Ende Juli des Jahres 1790 das deutsche Original in Weimar und wurde auf diesem Wege auch mit Reinhold bekannt. Der vom Geist der Aufklärung erfüllte Besucher, der dank der Unterstützung und oft auch im Auftrag des Prinzen Friedrich Christian II. von Augustenburg durch Europa reiste und Kontakt mit den führenden Köpfen vor allem des deutschsprachigen Raums aufnahm, war schon während seines Studiums in Göttingen mit Kants Philosophie bekannt geworden und hatte seinen zweiten Vornamen diesem zu Ehren angenommen.109 In ein Gespräch vor allem auch über Kant vertieft, blieb er nach dem Abendessen im wielandschen Kreise mit Reinhold bis in die Nacht hinein allein am Tisch zurück.110 Kant fungierte auch als eine Art Schutzpatron und dauernder Bezugspunkt im umfangreichen Briefwechsel Baggesens und Reinholds, in welchem Reinhold so manche seiner Gedanken mitteilte und weiterentwickelte. Baggesen, der im Briefverkehr einen bis ins Triviale gehenden, übergebührlichen Gebrauch von zentralen Termini der kantischen Philosophie wie »a priori« und »a posteriori« macht, begeisterte sich in erster Linie für die Reinheit der von Kants aufklärerischer Moralphilosophie entwickelten Ideale. Die Freundschaft, die sich zwischen ihm und Reinhold entwickelte, war eng genug, dass sogar das Du-Wort verwendet111 und Möglichkeiten erwogen wurden, Reinhold durch den Prinzen aus dem inzwischen ungeliebten Jena nach Dänemark zu holen. Baggesen legte diesem die Lektüre von Reinholds Werken nahe, dem er zugestand, die Grundlehre aller Philosophie zu liefern.112 Wenngleich es nicht zur geplanten Übersiedlung nach Kopenhagen und zur Arbeit Reinholds im Bildungswesen für den dänischen Staat kam, führten die Bemühungen, Jena verlassen zu können, schließlich zu seinem Fortgang nach Kiel, wo er mit Baggesen später für eine Weile gemeinsam an der Universität angestellt war (wobei Baggesens Anstellung aber eher pro forma war). Dort teilen sich die beiden Freunde auch ein Grabmal im Parkfriedhof Eichhof.113
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Abb. 12: Philippus Velijn, Jens Immanuel Baggesen
Auch Reinholds Meinung von Baggesen war von Beginn an eine besonders hohe und blieb es auch. Diese Wirkung hatte Baggesen nicht auf jeden: sein adeliger Gönner war ziemlich überrascht, als er davon erfuhr.114 Wieland, der Baggesen zunächst sogar eine Tochter mit auf Reisen gegeben hatte, verlor schließlich über dessen selbstdarstellerischer Art die Geduld und spottete mit bissigem Witz darüber, ehe er schließlich lernte, Nachsicht ihm gegenüber zu üben.115 Während Baggesen den vielversprechenden ersten Eindruck, den er als reisender Besucher bei vielen Zeitgenossen zu hinterlassen verstand, bei den meisten seiner Bekannten nicht langfristig bestätigen konnte, gelang ihm das bei Reinhold in hohem Maße. Was beide besonders verband war wohl nicht zuletzt die Unermüdlichkeit, die sie im großräumigen Netzwerken im Dienste aufklärerischer Bestrebungen an den Tag legten. Baggesen brachte schließlich sogar einen Kontakt zwischen Johann Caspar Lavater und Reinhold zuwege, wobei er letzteren erst dazu bringen musste, sein philosophisches Urteil über den in der Schweiz lebenden Gelehrten zu korrigieren.116 Reinhold indessen machte Baggesen mit Schiller bekannt. Als dieser 1791 schwer erkrankte, hatte Baggesen in
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Dänemark bereits eine Verehrerschar für den deutschen Dichterkollegen versammelt, der auch der Prinz von Augustenburg angehörte. Nachdem Reinhold Baggesen darüber informiert hatte, dass Schiller entgegen den kursierenden Gerüchten nicht verstorben war, aber in einer prekären finanziellen Situation steckte, die Reinhold als außerordentlicher Professor in Jena gut einschätzen konnte, erklärte der Prinz sich gemeinsam mit dem Grafen Ernst Heinrich von Schimmelmann bereit, den Dichter durch ein Stipendium zu unterstützen.117 Friedrich von Hardenberg/Novalis (1772–1801) verließ Jena im Oktober 1791, um sich durch ein Jura-Studium auf den ihm vom Vater zugedachten Beruf als Salinendirektor vorzubereiten. In einem Brief an Reinhold schrieb er unter Bezugnahme auf den von ihm verehrten Schiller, der auf Bitte des Vaters in dessen Sinne auf ihn eingewirkt haben dürfte: »Sie tauschen Ihrer beyden Seelen oft an traulichen Abenden gegen einander um, und ich, der ich so heiß darnach dürstete, kann kein stiller, lauschender, nichts verlierender, alles tiefverschlingender Zeuge dieses herrlichen Schauspiels seyn.«118 Novalis ist ebenfalls zu den Dichtern zu zählen, die mit Kants Philosophie zunächst unter dem Einfluss von Reinholds Darstellung und Bearbeitung derselben vertraut gemacht wurden, was sich sogar noch darin spiegelt, dass er in den Lobeshymnen auf Schiller, wie sie sich in dem eben zitierten Brief an Reinhold finden, kantische Terminologie zur Anwendung brachte. Unter den Reinhold-Schülern stand er, nachdem er sich in Jena zum Philosophiestudium eingeschrieben hatte, in den Jahren 1790 und 1791 besonders Niethammer und Erhard nahe, mit denen er in lebenslangem Briefwechsel blieb. Freilich besuchte er auch Schillers Vorlesungen und knüpfte persönliche Kontakte zu Herbert. Einflüsse von Reinholds an einer Theorie des Vorstellungsvermögens orientierten Philosophie lassen sich, wie Manfred Frank herausstreicht, auch noch in Hardenbergs Fichte-Studien aufzeigen, womit Reinhold auch an der Entstehung der frühromantischen Philosophie ein kleiner Anteil zuzuschreiben ist.119 Das gilt freilich auch in negativer Weise. Novalis hat nämlich die Kritik derjenigen Schüler Reinholds, denen er selbst nahestand, an Reinholds Grundsatz-Philosophie aufgenommen. Schließlich steht auch das philosophische Kernanliegen der Romantik zumindest in einer gewissen Spannung zu einer solchen. Als ein Mann, der durch seinen scharfen Verstand und umfassenden Geist große philosophische Erwartungen und – zumal bei Reinhold, Schiller, Baggesen, Herbert und Kant – den Wunsch nach persönlichem Umgang weckte, erscheint der Arzt und Philosoph Johann Benjamin Erhard (1766–1827) im Zeugnis vieler seiner Zeitgenossen. Er war, noch ehe er sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, nach Jena gekommen – weniger um bei Reinhold Kants Philosophie zu studieren, als um sich mit Reinhold selbst als dem Verfasser einer unter dem Anspruch der Begründung der kantischen Philosophie verfassten Theorie des Vorstellungsvermögens auseinanderzusetzen.120 Seine Kenntnisse
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Abb. 13: Eduard Eichens, Novalis (Friedrich Freiherr von Hardenberg) (1845)
und sein gutes Verständnis der kantischen Philosophie erlaubten es ihm, Reinholds Denken von dieser zu unterscheiden und sich nicht nur als Schüler und Verteidiger nach außen, sondern auch als ein dem Lehrer persönlich verbundener Kritiker zu bewähren. Erhard schrieb Antikritiken zu negativen Rezensionen von Reinholds Schriften und rezensierte seinerseits Gottlob Ernst Schulzes (1761–1833) Aenesidemus oder über die Fundamente der von dem Herrn Professor Reinhold in Jena gelieferten Elementarphilosophie aus dem Jahre 1792.121 Darin übte dieser eine Kritik vor allem an Reinholds Elementar-Philosophie, aber auch an Kants Denken, wobei erstmals der philosophiegeschichtlich bekannteste Einwand gegen Kants Begriff vom Ding an sich formuliert wurde. Schulzes Kritik an Reinhold war es schließlich auch, die Fichte auf den Plan rief, der sie in gewissen Punkten anerkannte und sich doch der prinzipiellen Richtung von Reinholds Denken anschloss. Da Erhard selbst Vorbehalte gegen Reinholds Ansatz hegte und Kants kritische Philosophie auf der Grundlage seines eigenen Verständnisses davon gegen Schulzes Bekräftigung des Skeptizismus zu verteidigen
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trachtete, blieb seine Verteidigung Reinholds eher zurückhaltend. Das von Reinhold kurzzeitig begrüßte Projekt Fichtes, der Erhard als besonders entschiedenen Gegner wahrnahm, beurteilte Erhard als Fortsetzung des fehlerhaften und mit Kants Philosophie unvereinbaren Methodenprogramms.122 Erhard reiste nach Klagenfurt zu Herbert und nach Italien. Zuvor besuchte er Baggesen in Kopenhagen und gelangte von dort nach Königsberg weiter, wo er Kant im Jahre 1791 besuchte, der ihm eine hohe persönliche Wertschätzung entgegenbrachte. Kant teilte Erhard zu seiner großen Freude in einem Brief mit, dass er sich unter all den vielen Bekannten und Besuchern speziell seiner Gesellschaft gerne dauerhaft erfreut hätte.123 Auch Reinhold, für dessen Teutschen Merkur Erhard schrieb, wünschte ihn nach Kiel mitzunehmen, als er dorthin übersiedelte. Wie der Briefwechsel mit Reinhold zeigt, war Erhard für diesen einer der ersten Ansprechpartner, wenn es darum ging, sich über Verständnis und Weiterentwicklung insbesondere der praktischen kantischen Philosophie auszutauschen, aber auch über die neuesten Entwicklungen in der Philosophie überhaupt und das Hervortreten Fichtes, dessen Denken Reinhold eine Weile lang zuneigte. Auf philosophischem Gebiet befasste Erhard sich vor allem mit den praktischen Fragen des Rechts und der Politik. Kants Denken dürfte für ihn besonders in diesen Belangen, in denen er sich als republikanisch gesinnter Vorkämpfer und Wohltäter einer künftigen Menschheit engagierte, interessant und attraktiv gewesen sein. Unter seinen eigenen Texten sticht deshalb – neben einigen zur Medizin –, vor allem seine von der Beschäftigung mit Kant beeinflusste Schrift Über das Recht des Volkes zu einer Revolution hervor. Schon anlässlich seines Besuchs bei Kant in Königsberg interessierte Erhard sich besonders dafür, ob dieser sich auf Grundlage seines praktischen Denkens in wesentlichen rechtsphilosophischen Fragen bereits festgelegt hatte. Als er 1795 seine Überlegungen zum Recht auf Revolution veröffentlichte, standen diese klarerweise im gedanklichen Bezug zu den Ereignissen in Frankreich. Erhard knüpfte dieses Recht an die Bedingung, dass ein Volk von Lasten so erdrückt werde, dass es nichts Menschliches mehr unternehmen könne und so in die »Stupidität eines Lasttiers«124 gezwungen sei. Der größte Teil der Auflage wurde auf der Leipziger Buchmesse beschlagnahmt und in mehreren deutschen Ländern wie auch in Wien verboten.125 Wenngleich Kant die Reform der Revolution vorzog und sich in dieser Einstellung von den französischen Entwicklungen gewiss bestärkt fand, widersprach er der erwähnten Ansicht Erhards nie direkt. Als Anhänger der radikaleren Ausrichtung innerhalb der revolutionären Bewegungen in Frankreich stand Erhard zeitweise auch in Diensten revolutionärer Kräfte in Deutschland. Erhards Vorhaben einer Vereinigung der jakobinisch gesinnten politischen Aktivisten schloss, wie die Verhörprotokolle von Wiener Jakobinern im Rahmen des Wiener Jakobinerprozesses bezeugen, auch
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Österreich ein. Abgesehen von Herbert in Klagenfurt, mit dem Erhard durch Reinhold bekannt geworden war und dessen Name in den Verhören des Öfteren fiel, hatte Erhard bei seinen revolutionären politischen Vorhaben auch Kontakte in Wien im Auge. Das wussten die Verhörten aus einem – vermutlich zufälligen – Zusammentreffen mit Erhard von diesem selbst, das in Stuttgart im Frühjahr 1791 stattfand und von dem die österreichischen Jakobiner in dem – trotz ihrer offiziellen Abschaffung im Jahre 1776 angeblich – teils unter Folter stattfindenden Verhör berichteten. Einer von ihnen gibt eine Anekdote zu Protokoll, die ein recht anschauliches Bild von der Wirkung zeichnet, welche die um sich greifende Begeisterung für Kants Philosophie auf politisch Gleichgesinnte haben konnte. Erhard sei bei diesem Treffen mit Andreas Riedel (1748–1837) ins Gespräch gekommen, den wenige Jahre später im Gefolge der Wiener JakobinerProzesse des Jahres 1794 bis zu seiner von französischen Truppen unterstützten Flucht im Jahre 1809 eine – zeitweise unter schlimmsten Bedingungen erfolgende – Haftstrafe erwarten sollte. In Stuttgart unterhielt man sich über »die Grundsätze der kantischen reinen Vernunftlehre«. Der Verhörte erzählt darüber : »Erhard als ein tiefsinniger Kopf hatte hier Gelegenheit, alle seine reichhaltigen Kenntnisse auszubreiten, die er darüber in Kants Umgange selbst geschöpft hatte. Riedele, welchem durch dieses Geschwätze der Kopf wirbelte, konnte Erharden nicht genug bewundern.« Über das anschließende, viertelstündige Zwiegespräch, zu dem sich die beiden schließlich an ein Fenster zurückzogen, urteilt der Verhörte, »daß sie diese kurze Unterredung nahe aneinander mag gebracht haben, denn ich sahe sie am Schlusse derselben sich brünstig küssen«.126 Einen herben Rückschlag erfuhr Erhards republikanisches Engagement durch einen Hochstapler, der dieses ausnützte, indem er sich als amerikanischer Offizier ausgab und Erhard als Arzt für den Dienst in den Vereinigten Staaten anzuwerben vorgab. Anstatt seinen Überzeugungen in dem ersten neuzeitlichen Staat von demokratischer Verfassung das gewünschte Betätigungsfeld geben zu können, musste Erhard die Demütigung durchstehen, den finanziellen Kredit des Schwiegervaters an einen Betrüger verloren zu haben. In den Denkwürdigkeiten des Philosophen und Arztes Johann Benjamin Erhard, die Karl August Varnhagen von Ense später veröffentlichte,127 findet sich sogar ein von Erhard an George Washington gerichteter Brief, der dem amerikanischen Präsidenten die Geschichte schildert. Er enthält die Bitte, um der gemeinsamen, fortschrittlichhumanitären Gesinnung willen, die an Erhard andernfalls unter Missbrauch von Washingtons gutem Namen sinnlos vergeudet worden wäre, Wirklichkeit werden zu lassen, was ihm in betrügerischer Absicht versprochen worden war. Obgleich die Angelegenheit das Ansehen Erhards bei Freunden und Bekannten nicht schmälerte, hatte er gewissen Andeutungen zufolge mit mangelnder Lust
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Abb. 14
zu kämpfen, sein Leben fortzusetzen. Doch, ob es nun aus Pflicht oder nur pflichtgemäß geschah: Erhard widerstand, wenn es denn bestanden hatte, dem Verlangen, sich das Leben zu nehmen, und stellte schließlich etwas desillusioniert seine Kräfte in den Dienst des preußischen Staates. Der Theologe, Verleger und spätere Kirchenbeamte Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848) war im Jahre 1790 nach Jena gekommen, um bei Reinhold zu studieren, und zählte dort zu jenem Schülerkreis, der sich um den österreichischen Fabrikanten Franz de Paula von Herbert bildete. Er war in Jena auch bei Schillers Mittagstischgesprächen im Jahre 1792 anwesend, in denen über Kant diskutiert wurde.128 Während Schiller sich mit dessen Werken erst in den beiden vorangegangenen Jahren intensiv auseinanderzusetzen begonnen hatte, reichte Niethammers Beschäftigung mit Kant in seine Tübinger Studienzeit zwischen den Jahren 1784 und 1790 zurück. Im Zuge seiner Kant-Lektüre
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war er wohl auch mit den Darstellungen Reinholds bekannt geworden. Dies geschah im Austausch mit Immanuel Carl Diez, der ebenfalls in Tübingen weilte und später zusammen mit Erhard dessen Fundierungsversuche der kantischen Philosophie in einer Weise kritisierte, die bei Reinhold Gehör fand und im Sommer 1792 zu einer Krise seines Systems führte.129 Er nahm Diez’ und Erhards Kritik an Reinholds Elementar-Philosophie auf, durch deren Weitergabe er auch Hölderlin beeinflusst haben dürfte.130 Bereits im Tübinger Stift war Niethammer mit Hölderlin so wie auch mit Schelling und Hegel bekannt geworden. Seine Bedenken gegen Reinholds grundsatz-philosophischen Ansatz, wie dieser ihn in seiner Neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens präsentierte, dürften zwar tiefergehend gewesen sein als die Fichtes, der diesen Ansatz, wenn auch unter starken Modifikationen, im Rahmen seiner Konzeption eines absoluten Ichs aufgriff;131 dennoch gab er das Philosophische Journal einer Gesellschaft Teutscher Gelehrten, das er zunächst ab dem Jahre 1795 allein herausgegeben hatte, ab 1797 mit Fichte gemeinsam heraus. So wurde Niethammer im Jahre 1798 auch zusammen mit diesem in den sogenannten Atheismus-Streit verwickelt, der durch einen weiteren Reinhold-Schüler namens Friedrich Karl Forberg ausgelöst worden war.132 Friedrich Karl Forberg (1770–1848) hatte wie Reinhold selbst zunächst Vorlesungen bei Ernst Platner (1744–1818) in Leipzig gehört, bevor er Kants Philosophie für sich entdeckte. Er kam im Jahre 1788 nach Jena. Die »Sicherheit und Entschiedenheit«,133 mit der Reinhold vom Moralgesetz sprach, und die Zureden einiger seiner ungarischen Verehrer, sich Reinholds Denkweise zu öffnen, führten alsbald dazu, dass Forberg sich von Platners skeptischem Umgang mit ethischen Fragen und dessen Eudaimonismus und Determinismus löste und sich von Reinhold in die kritische Philosophie einführen ließ. Bald lieferte Forberg auch Einwürfe gegen bestimmte Punkte in Reinholds Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (1789), die Reinhold anerkannte und selbst öffentlich lobend hervorhob.134 Reinhold nahm auch Anregungen Forbergs in seine Schrift Über das Fundament des philosophischen Wissens (1792) auf. Im Jahr 1791 begleitete Forberg den Baron von Herbert auf der Heimreise über Nürnberg, Linz und Wien nach Klagenfurt. Sie brachen nach einem kurzen Verabschiedungsausflug in einen Jenaer Nachbarort auf, in dem sie sich von Reinhold, Schiller und Erhard verabschiedeten. Forberg berichtete Reinhold von den Eindrücken seines Besuchs in der Kaiserstadt Wien, wo er die üblichen Sehenswürdigkeiten besuchte, Gefallen an der Küche fand und auch den Dichter Blumauer traf.135 Nach seiner Rückkehr nach Jena im Oktober desselben Jahres begann er eigene philosophische Vorlesungen zu halten. Das persönliche Verhältnis zu Reinhold bis zu dessen Weggang nach Kiel im Jahre 1794 blieb ein sehr gutes. In seinem eigenen moralphilosophischen Unterricht orientierte er sich im Bewusstsein der Differenz zwischen Reinhold und Kant
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wieder an letzterem. Die Anknüpfung an die praktische Philosophie Kants in den Versuchen Forbergs, die sich aus ihr ergebenden Konsequenzen für ein aufgeklärtes philosophisches Religionsverständnis und eine durch die Vernunft in der Moral begründete Theologie zu ziehen,136 führte schließlich zu der Affäre rund um den Atheismusstreit, in den durch Forberg auch Fichte und Niethammer als Herausgeber des Philosophischen Journals hineingezogen wurden. Fichte kostete diese Affäre, die der Veröffentlichung von Forbergs Aufsatz Entwickelung des Begriffs der Religion folgte, seine Anstellung an der Universität Jena.
Abb. 15: Franz Hanfstaengl, Friedrich Immanuel Niethammer (1832)
Jemand, den Reinholds Lesart und Vollendungsversuche der kantischen Philosophie in besonderer Weise beeinflussten, war Johann Heinrich Abicht (1762–1816). Abicht hatte im Jahre 1788 zwei Schriften veröffentlicht: De philosophiae Kantianae ad theologiam habitu und Versuch einer krittischen Untersuchung über das Willensgeschäft und einer darauf gegründeten Beantwortung der Frage: Warum gehen die moralischen Lehren bei den Menschen so wenig in gute Gesinnungen und Handlungen über? Er schickte Reinhold seine beiden Werke, um von dem Verfasser der Briefe über die Kantische Philosophie ein bestätigendes Urteil einzuholen, dass er zur Bearbeitung moralischer Fragen im
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Sinne der kantischen Philosophie geschickt sei. Reinhold versicherte ihn im Gegenzug anlässlich der Übersendung seiner neuen Schrift Über die bisherigen Schicksale der Kantischen Philosophie (1789) seiner Freundschaft.137 Im Jahre 1789 verfasste Abicht eine weitere Schrift, ein Versuch einer Metaphysik des Vergnügens nach Kantischen Grundsätzen zur Grundlegung einer systematischen Thelematologie und Moral und im Jahr darauf wurde er Adjunkt der philosophischen Fakultät in Erlangen.138 Der bereits erwähnte Philosoph Gottlob Ernst Schulze setzte im Jahre 1792 in seinem Aenesidemus der Elementar-Philosophie, die Reinhold im Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens entworfen hatte, einen Skeptizismus entgegen. Dabei hielt er diesen zugleich gegen Kants kritische Philosophie hoch, welche sich als Ausweg zwischen Skeptizismus und Dogmatismus und somit als Überwinderin beider verstand. Unter Reinholds Schülern war es Abicht, der dem Lehrer in entschiedener Weise beitrat. Seine Entgegnung aus dem Jahre 1794 trug den Titel Hermias, oder Auflösung der die gültige Elementarphilosophie betreffenden Aenesidemischen Zweifel.
Reinhold und die Kant-Rezeption im Klagenfurter Herbert-Kreis von Guido Naschert Das Herbertsche Hauß ist ein Athen! Männer, Jünglinge, Frauen, und Mädchen ¢ Kurz Alles huldiget der Philosophie! […] Reinholds Name ist hier heilig, alle lieben und verehren Sie unaussprechlich, und ich ¢ wie vermag ich den Dank mit Worten auszudrücken, den ich Ihnen, theuerster Reinhold, schuldig bin? Sie sind der Vater meines Geistes, der Schöpfer meines Glücks!139
Mit diesen überschwänglichen Worten berichtete der junge Meuselwitzer Philosoph Friedrich Carl Forberg (1770–1848), er hatte kurz zuvor sein Magisterexamen abgelegt, seinem Jenaer Lehrer Reinhold von den Erlebnissen seiner Reise nach Klagenfurt. Zugleich bedankte er sich dafür, dass er durch die Vermittlung seines Förderers die Gelegenheit zu einer für ihn außergewöhnlichen Reise bekommen hatte. Denn das Haus des Klagenfurter Bleiweißfabrikanten Franz Paul Freiherr von Herbert (1759–1811) bildete ein intellektuelles Zentrum der Aufklärung in Kärnten, das schon früh unter Reinholds Einfluss ebenso zur theoretischen und praktischen wie zur religionsphilosophischen und politischen Rezeption kantischer Philosophie in Österreich beigetragen hat.140 Durch seine beiden Aufenthalte in Weimar und Jena von Mai bis Juli 1789 und von Dezember 1790 bis März 1791 verfügte von Herbert über teils sehr enge Beziehungen zu Wieland, Schiller und Reinhold. Im Umfeld des Letztgenannten bildeten sich Lebensfreundschaften. Immer wieder weilten Schüler Reinholds
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für längere Zeit in Herberts Haus, dem »Herbert-Stöckl«, einem damals in der Vorstadt Klagenfurts gelegenen Anwesen, das heute die Adresse Sankt Veiter Ring 1 führt. Darunter waren Friedrich Carl Forberg von Mai bis September 1791, Johann Benjamin Erhard (1766–1826) von Dezember 1791 bis März 1792 und ein zweites Mal Ende Januar 1794 sowie Immanuel Carl Niethammer (1766–1848) von Januar bis April 1794. Carl Ludwig Fernow (1763–1808), der von Herbert möglicherweise ebenfalls schon in Jena kennengelernt hatte, kam im Februar 1794 zusammen mit dem dänischen Dichter und Illuminaten Jens Baggesen (1764–1826) dorthin, um mit von Herbert (und auch auf dessen Kosten) nach Italien weiterzureisen.141 Friedrich von Hardenberg (Novalis) besuchte seinen Klagenfurter Freund hingegen nie, plante es aber bemerkenswerterweise noch vor seinem Tod im März 1801, da die in Jena geschlossene Freundschaft nicht abgerissen war und sich auch in späteren Jahren erneuert hatte. Der Baron von Herbert besaß also, wie Manfred Frank es formuliert hat, ein besonderes »Freundschaftsgenie«, und vielleicht ist es auch richtig zu erwägen, dass der Kreis der reinholdschen Schüler ohne das Mäzenatentum des begüterten Fabrikanten »schnell zerstoben« wäre.142 Reinhold, in dessen Jenaer Haus von Herbert während seines zweiten Aufenthalts gelebt hatte, belohnte (und beförderte) diese Verbundenheit schon frühzeitig, indem er seinem österreichischen Verehrer die Schrift Ueber das Fundament des philosophischen Wissens (Jena: Mauke, 1791) – mit dem Zusatz: »Zum Andenken der seeligen Tage, die wir gemeinschaftlich im Streben nach Wahrheit verlebten«143 – widmete. Die in der Forschung gebräuchliche Rede vom »Herbert-Kreis« ist jedoch klärungsbedürftig und scheint die Sprache der Quellen weiterzusprechen. Innerhalb des herbertschen Netzwerks lassen sich vielmehr verschiedene Kreise auseinanderhalten, die mit Blick auf die Diskussionen über die reinholdsche Philosophie und ihre Fernwirkungen ganz unterschiedlich zu gewichten sind: 1. die Familie, 2. die Klagenfurter und Wiener Freimaurer und Illuminaten und 3. die philosophischen Freunde aus dem Ausland.144 Der engere Familienkreis des Barons, zu dem seine Gattin Antonie Freiherrin von Herbert (1762–1843), geborene von Glaunach (beide waren seit 1785 verheiratet), ihr 1788 geborener Sohn Albin von Herbert (1788–1834) und die unverheiratete Schwester Maria von Herbert (1769–1803) gehörten, wurde von den Jenaer Besuchern nicht unbedingt als philosophisch begabt wahrgenommen, auch wenn die unglücklich und voller Selbstvorwürfe in von Herberts Freund Ignatz von Dreer verliebte Maria zeitweise bei Immanuel Kant höchstpersönlich moralischen Beistand suchte. Ganz anders war das im Umfeld des angesprochenen Freigeistes Ignatz Ritter von Dreer zu Thurnhub (1762–1842), der täglicher Gast des Hauses war und mit von Herbert zusammen im Sommer 1789 die Reise nach Sachsen unternommen
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Abb. 16: August Prinzhofer, Paul Freiherr von Herbert (1859)
hatte. Die überlieferten Zeugnisse geben zu erkennen, dass dieser »Demokrat« und »Kantianer« vielleicht die bedeutendste Persönlichkeit im Herbert-Kreis gewesen sein mag. Über seine philosophischen Anschauungen wissen wir jedoch viel zu wenig, um seinen Beitrag zur Geschichte angemessen würdigen zu können. Ein Wiener Polizeiagent beschreibt ihn als »der gefährlichste Mensch der Doctor Juris Dreer«, der »das Freyheits Sistem bey jeder Gelegenheit zu verbreiten suchet«.145 Forberg erinnerte sich seiner als eines »offenen Kopfes«, der »über philosophische und kirchliche Dinge nur scherzte«.146 Von seinen Schwestern Ursula und Babette sprachen die deutschen Gäste hingegen nur in den höchsten Tönen: »Da nun sogar die Damen hier Selbstdenkerinnen sind,« schrieb Fernow einmal an Reinhold, »so wird den ganzen Tag philosophirt und polemisirt, und die Unterhaltungen werden nie matt und fade; darum hat das Leben hier einen so himmlischen Reiz für mich«.147 Forberg berichtet, dass die Eltern der beiden Philosophinnen so fromm waren, dass die Frauen zum Diskutieren ins herbertsche Haus ausweichen und ihre Kant-Ausgaben schwarz einbinden mussten, um sie »gelegentlich statt der Andachtsbücher mit in die Messe zu nehmen«.148 In dem Zirkel der beiden Familien sah er, wie er Reinhold schreibt, »de[n] lebendigste[n] Beweiß für den Wohlthätigen Einfluß […], Welchen die Kritische Philosophie nicht blos auf den Kopf, sondern hauptsächlich auch auf das Herz ihrer Verehrer äußert.«149 Hier sind sowohl die
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Förderung weiblicher Bildung als auch das Bedürfnis nach einem aufgeklärten Religionsverständnis angesprochen.
Abb. 17: Die Herbertsche Bleiweißfabrik in Wolfsberg (um 1900)
Charakteristisch für die Persönlichkeit des Baron von Herbert war darüber hinaus sein radikaler politischer Republikanismus, der sich eng mit seinen geschäftlichen Interessen verband. Vor allem die Abschaffung von Zwangsabgaben, die er als Industrieller zu leisten hatte, zählte zu seinen zentralen Forderungen. Außerdem war er Freimauer und stand den Illuminaten nahe. Als 1783 die erste Loge »Zur wohltätigen Marianna« in Klagenfurt entstand, gehörte von Herbert neben dem Großmeister der Loge, Max Thaddäus Graf Egger, oder den drei Gebrüdern Christoph, Johannes und Peter Moro zu ihren wichtigsten Mitgliedern. Die Loge wurde allerdings schon 1786 wieder aufgelöst. Ein Mitglied im Illuminatenorden war der Freiherr zwar nicht, er zählte jedoch etliche Ordensmitglieder (wie Sonnenfels und Blumauer in Wien, Reinhold in Jena, Baggesen in Kopenhagen oder Pestalozzi in der Schweiz) zu seinen Freunden und korrespondierte mit ihnen.150 Nach 1789 wurde sein Haus von der Wiener Staatspolizei als eine Art Jakobinerklub wahrgenommen. Zu den Verdacht erregenden Momenten zählten nicht nur die freigeistigen Gäste aus Jena, sondern auch der Bezug ausländischer Zeitschriften wie etwa der (zeitweise verbotene) Straßburger Courier. Um das Netzwerk des Barons ausheben zu können, wurde Mitte der 1790er Jahre, auf dem Höhepunkt der Österreichischen Jakobiner-
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verfolgung, das Klagenfurter Haus durchsucht und ein Teil der europaweiten Korrespondenz beschlagnahmt. In dieser Zeit versuchte von Herbert zusammen mit dem Nürnberger Arzt, Kantianer und Revolutionstheoretiker Johann Benjamin Erhard an einem Zusammenschluss antiaristokratischer Zirkel in Österreich und im Reich mitzuwirken. Diese Bestrebungen wurden jedoch von den Wiener Polizeibehörden vereitelt.151 Natürlich haben neben den theoretischen Schriften auch Kants und Reinholds tagespolitische Stellungnahmen zur Französischen Staatsveränderung im Denken von Herberts eine große Rolle gespielt. Die philosophiehistorisch bedeutsamsten Zeugnisse liegen allerdings nicht in Form von ausgearbeiteten Manuskripten oder Druckschriften vor. Argumente und Positionierungen wurden vielmehr mündlich und brieflich im Freundeskreis situativ mitgeteilt. In von Herberts Korrespondenz kommen neben der Sympathie in den aufklärerischen Zielvorstellungen gelegentlich auch deutliche Differenzen zu den neuesten Entwicklungen der kantischen Philosophie zur Sprache. So wurde etwa die in Reinholds Jenaer Schülerkreis zunehmend skeptischer geführte Diskussion um die Möglichkeit einer Philosophie aus einem obersten Grundsatz auch in Klagenfurt und auf gemeinsamen Reisen besprochen. Nachdem von Herbert im April 1794 in Zürich den ersten fichteschen Vorträgen zur Wissenschaftslehre beigewohnt hatte, versuchte er anschließend, Niethammer noch vor Fichtes Eintreffen in Jena bereits gegen diesen in Position zu bringen: »Von nun an erkläre ich mich zum unversönlichsten Feinde, aller sogenannten ersten Grundseze der Phillosophie, und den jenigen, der einen braucht zu einen [!] Naaren.«152 Und er fährt fort: »Von Ihnen allein […] wird es abhängen, ob Jena noch der Templ der Phillosophie bleiben wird, oder nicht, den aus Fichtens abstrackten Vortrag kann keiner klug werden der vernünftig ist.«153 Die schroffe Ablehnung der fichteschen Systemphilosophie lässt bereits eine frühere Reserviertheit gegenüber Reinholds Grundsatzdenken vermuten, ist aber sicher nicht nur von dieser Problematik her motiviert gewesen. Es war auch das Interesse an einer Versöhnung von philosophischer Spekulation mit dem gesunden Menschenverstand, die der Baron von Herbert von der Philosophie erwartete und die er offenbar in Reinholds Vermittlung der kantischen Schriften in Jena erlebt hatte. Reinhold bemühte sich ab 1792, sie systematisch wieder stärker zu betonen. In einem Brief an Erhard schreibt von Herbert einige Jahre später : Vergleiche die Resultate des gesunden Menschenverstandes mit denen, die sich aus einem transcendentalen Idealismus ziehen ließen; wenn sich ein Sophist damit Mühe geben wollte, so wirst du finden, daß sich alle pro und alle contra streng logisch daraus demonstriren lassen. Kant hat dem Sokrates den Weg gebahnt, nun bist du die Straße gegangen, halte dich also am Ziel.154
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Abb. 18 (a): Brief, Johann Benjamin Erhard am 13. September 1791 an Franz Paul von Herbert
Für die Klagenfurter Kant-Rezeption ist das forcierte Bemühen kennzeichnend, die Ergebnisse der kantischen und reinholdschen Philosophie in der Breite gesellschaftlich wirksam werden zu lassen. Gesicherte Rückwirkungen in
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Abb. 18 (b): Brief, Johann Benjamin Erhard am 13. September 1791 an Franz Paul von Herbert
den Diskurs gelehrter Druckschriften gibt es hingegen kaum. Seit 1798 war der Baron von Herbert starken gesundheitlichen Problemen ausgesetzt, die teils mit der Arbeit in der Bleiweißfabrik, teils mit einer Tripper-Erkrankung zu tun
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hatten, so dass er über viele Jahre hinweg seinen Freitod ersehnte, bis er ihn schließlich im März 1811 in Triest vollzog. Die Blütezeit des Klagenfurter »Athens«, welches Forberg beschworen hatte, war Ende der 1790er Jahre vorüber. Durch sein mäzenatisches Wirken hat von Herbert jedoch in Schlüsseljahren der klassischen deutschen Philosophie maßgeblich dazu beigetragen, Kants und Reinholds Ideen über die Gelehrtenwelt hinaus sowohl in adeligen wie auch in bürgerlichen Kreisen Europas zu verbreiten.
Abb. 19: Alois von Saar, Kaernthen. Der Wörther-See bey Klagenfurth (um 1830)
Die Elementarphilosophie. Reinhold als Interpret von Kants Vernunftkritik und Wegbereiter des Deutschen Idealismus von Martin Bondeli Die von Reinhold von 1789 bis 1796 gelehrte und in mehreren Werken und Aufsätzen aus dieser Periode unterbreitete »Elementarphilosophie« ist eine in Bezug auf System- und Methodenaspekte veränderte und mit dem Anspruch einer kritischen Revision auftretende Darstellung von Kants »Vernunftkritik«. Die Grundidee besteht darin, dass die wesentlichen Inhalte von Kants theoretischer und praktischer Vernunftkritik im Anschluss an eine Theorie des Vorstellungsvermögens, genauer : an einen ersten Grundsatz des Bewusstseins sowie an ein Ensemble damit zusammenhängender Folgesätze, vorgetragen werden und in dieser Komposition ein Gesamtsystem der reinen Vernunft bilden sollen.
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Nach einer ersten Umsetzung dieser Grundidee im Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens von 1789 und einem fragmentarischen Neuansatz von 1790 verallgemeinert und verschärft Reinhold seine zunächst lediglich kosmetische Kritik an Lehrstücken Kants. Bemängelt werden zunehmend der angeblich bloß propädeutische Systemcharakter der Kritik der reinen Vernunft und die von Kant nicht ausreichend kenntlich gemachten Prämissen seiner Erkenntnis- und Morallehre. 1791 gelangt Reinhold zu der Überzeugung, das »Fundament« der Kritik der reinen Vernunft sei »weder allgemein (umfassend) noch auch fest genug, um das ganze wissenschaftliche Gebäude der Philosophie zu tragen«.155 Als Konsequenz davon will er sein eigenes System als ultimative, die kritische Lehre Kants noch übersteigende Stufe im Geschichtsgange der philosophierenden Vernunft verstanden wissen. Ab 1790 ist Reinhold zudem darauf aus, ein Systemvorhaben größeren Stils in Angriff zu nehmen. Es soll ein System der »Philosophie« allgemein errichtet werden, das in einen weit verzweigten theoretischen sowie einen noch zu gliedernden praktischen Bereich zerfällt.156 Dem Umfang nach ist es mit Kants Plänen zu einer kommenden Metaphysik der Natur und Metaphysik der Sitten oder mit Hegels System der Enzyklopädie vergleichbar. Der Ausdruck »Elementarphilosophie« bleibt in diesem Zusammenhang mehrdeutig. Reinhold verwendet ihn eigentlich für den aus der Theorie des Vorstellungsvermögens bestehenden Grundlagenteil des Systems der Philosophie, doch steht er bei ihm mancherorts, wie sodann auch bei Interpreten und Kritikern, ebenfalls für das System selber oder, noch allgemeiner, für die Denketappe seiner Systemversuche im Geiste Kants.
Abb. 20: P. Merker, Karl Leonhard Reinhold, Medaille
Alles in allem hat Reinhold nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des Systems der Philosophie zur Ausführung gebracht. Im Wesentlichen bleibt es bei
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Ausformulierungen des Grundlagenteils und bei Beiträgen zu ausgewählten allgemeinen Segmenten des theoretischen und praktischen Bereichs. Zudem gelingt es dem Autor nicht, den Grundlagenteil in eine befriedigende Form zu bringen. Dies ändert allerdings nichts daran, dass eine systematisch gehaltvolle und wirkungsmächtige Neudarstellung Kantischer Vorgaben zustande kommt. Vor dem Hintergrund der kritischen Lehre Kants betrachtet, handelt es sich bei dem besagten Grundlagenteil nicht um ein äußerliches, vorbereitendes Theoriestück, sondern um ein Fundamentalstück der theoretischen und praktischen Vernunftkritik. Es wird davon ausgegangen, dass der theoretischen Vernunftkritik – neu ausformuliert als »Theorie des Erkenntnißvermögens« – und der praktischen Vernunftkritik – neu ausformuliert als »Theorie des Begehrungsvermögens« – eine »Theorie des Vorstellungsvermögens« als beiden gemeinsamer Ausgangspunkt voranzugehen hat. Es soll ein Gesamtsystem präsentiert werden, das auch Forderungen der terminologischen und systematischen Einheitlichkeit genügt. In sich gesehen ist die Theorie des Vorstellungsvermögens ein System von Begriffen und Sätzen, in dem der intentionale Begriff des »Vorstellens« oder »Bewußtseyns« an der Spitze steht. Verstanden wird darunter eine dreigliedrige Struktur von Subjekt oder Vorstellendem, Objekt oder Vorgestelltem sowie Vorstellung als auf beide (Subjekt und Objekt) bezogenes und von beiden unterschiedenes Mittelglied. Diese Struktur wird dabei ihrem Dasein nach als eine ursprüngliche »Thatsache« des menschlichen Bewusstseins geltend gemacht, ihrem Inhalt nach im Sinne eines als evident und allgemeingültig behaupteten ersten Grundsatzes, des »Satzes des Bewußtseyns«, der in einer Version von 1790 lautet: »Im Bewußtseyn wird die Vorstellung durch das Subjekt vom Subjekt und Objekt unterschieden und auf beyde bezogen.«157 Auf diesen Anfang der Theorie des Vorstellungsvermögens folgen Definitionen zu den Einzelmomenten der Bewusstseinsstruktur, zur Vorstellung als Vermögen sowie zu den – anhand des Verhältnisses von Subjekt und Objekt zu konstruierenden – Gegenüberstellungen von Form und Stoff, Einheit und Mannigfaltigkeit, Vermögen der Spontaneität und Vermögen der Rezeptivität. Wiederum vor dem Hintergrund Kants betrachtet, kann man davon sprechen, dass Reinhold hiermit in einer gesonderten und systematisch gefestigten Gestalt dasjenige darlegt, was in der Kritik der reinen Vernunft bei den transzendentalen Deduktionen von Raum, Zeit, Kategorien und Ideen als ein allgemeines Erkenntnismodell vorausgesetzt wird: das mit der reinen Apperzeption unterstellte Verhältnis von denkendem Ich und Gegenstand sowie die Annahme, dass zur Seite des erkennenden Subjekts Einheit, Form und Spontaneität, zur Seite des zu erkennenden Gegenstandes Mannigfaltigkeit, Materie und Rezeptivität gehören. Großen Wert legt Reinhold im Rahmen der Theorie des Vorstellungsvermögens auf die Auffassung, dass der als Satz des Bewusstseins artikulierte funda-
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mentale Vorstellungsbegriff in einer klassifikatorischen Hinsicht zu begreifen ist, dass er mit anderen Worten der »Vorstellung überhaupt, als dem Gattungsbegriffe«158 entspricht. Dies bedeutet, dass alle systemrelevanten Bestimmungen aus der Theorie des Vorstellungsvermögens sowie konsequenterweise aus den anschließenden Theorien des Erkenntnis- und Begehrungsvermögens als diesem Vorstellungsbegriff subsumiert aufzufassen sind. Eine essentielle Rolle spielt in diesem Zusammenhang gleichfalls die Überlegung, dass mit dem fundamentalen Vorstellungsbegriff die Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich und die damit verbundene These der Unerkennbarkeit der Dinge als an sich betrachtet einleuchtender, als dies bei Kant geschehen ist, expliziert werden kann. Wenn alles Bewusstsein dreigliedrig ist, haben wir immer nur von dem Subjekt vorgestellte Objekte und kein Objekt an sich, immer nur als Objekt vorgestellte Subjekte und kein Subjekt an sich. Reinhold vertritt damit, über Kant hinaus, die These, dass das Ding an sich nicht nur unerkennbar ist, sondern auch unvorstellbar : »kein Ding an sich ist vorstellbar«.159 Und er bekräftigt dieses Resultat durch die Erklärung, dass, da zu jeder Vorstellung Form und Stoff gehören, das als unvorstellbar zu qualifizierende Ding an sich demnach als der bloße Stoff, der Stoff ohne Form, bzw. als die bloße Form, die Form ohne Stoff, zu denken ist. Allerdings sieht Reinhold sich mit seiner These der Unvorstellbarkeit des Dinges an sich auch umgehend zu einer markanten Differenzierung gezwungen. Es muss gleichzeitig glaubhaft gemacht werden, dass das Ding an sich (sowohl das Objekt an sich als auch das Subjekt an sich) kein leerer Begriff oder Ding der bloßen Phantasie ist. Vor diesem Hintergrund argumentiert Reinhold dafür, dass es sich bei dem Ding an sich nicht um eine Un-Vorstellung, sondern um eine »negativ« auf den Gegenstand bezogene Vorstellung handelt.160 Die Theorie des Erkenntnisvermögens, zu der Reinhold im Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens einen allgemeinen und besonderen Teil liefert, in Neufassungen sich jedoch auf die Präsentation eines allgemeinen Teils beschränkt, enthält neben Bestimmungen zum klaren, deutlichen und erkennenden Bewusstsein Theorien der Sinnlichkeit, des Verstandes und der Vernunft. Sie orientiert sich im besonderen Teil an Kants Untergliederung der Elementarlehre der Kritik der reinen Vernunft in die transzendentale Ästhetik, Analytik und Dialektik. Die Theorie des Begehrungsvermögens, die im Rahmen des Versuchs zunächst nur in der Gestalt von »Grundlinien« skizziert, in der Folge mit dem zweiten Band der Briefe über die Kantische Philosophie von 1792 und späteren Publikationen konkretisiert wird, umfasst die Bereiche von Moral, Naturrecht und Religion. Im Weiteren zählt Reinhold offenkundig auch die Geschmackslehre, die bei ihm ihrer Grobkonzeption nach als Versuch erscheint, Kants Analytik des Schönen und Erhabenen in ein eigenständig entwickeltes Subjekt-Objekt-Verhältnis zum Begriff des Vergnügens zu integrieren,
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zum Begehrungsvermögen. Sie wird jedenfalls nicht, wie bei Kant, einem eigenständigen, dritten Vermögen zugeordnet. Allerdings ist zu beachten, dass Reinhold seit seiner akademischen Eröffnungsrede Ueber den Einfluß des Geschmackes auf die Kultur der Wissenschaften und der Sitten aus dem Jahre 1788 dem ästhetischen oder Geschmacksvermögen die Rolle eines vorzüglichen Vermittlers zwischen Verstand und Moral zuerkennt.
Abb. 21
Fragt man sich, welche tatsächlichen Neuerungen Reinholds Theorie des Erkenntnisvermögens gegenüber Kants Erkenntnislehre mit sich bringt, ist zu vergegenwärtigen, dass mit dem vorstellungstheoretischen Ausgang vom Satz des Bewusstseins die Erkenntnisbegrifflichkeit der Kritik der reinen Vernunft in definitorischer Hinsicht gefestigt und vereinheitlicht wird. Mit beträchtlichem Aufwand ist Reinhold darum bemüht, Einteilungen Kants zu vervollständigen,
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Begriffssysteme Kants in eine strengere Abfolge zu bringen. Ausgehend von Modifikationen des Subjekt-Objekt-Verhältnisses werden im Bereich der Anschauung die Formen der reinen sinnlichen Anschauung, Raum und Zeit, und im Bereich des Verstandes die Tafel der Urteilsformen und die entsprechenden Tafeln der Kategorien und Zeitschemata hergeleitet. Im Bereich der Vernunft werden nach einem ähnlichen Muster Kants Parallelisierung von Schlussformen und Ideen sowie Kants Konzeption eines Systems der Ideen rekonstruiert. Reinhold lässt es am Ende auch nicht unversucht, auf der Grundlage von Kants »Schulbegriff« der Philosophie, der Auffassung von Philosophie als einem »System aller philosophischen Erkenntnis«,161 einen »Begriff der Geschichte der Philosophie«, mit welchem diese als »Inbegriff der Veränderungen, welche die Wissenschaft des nothwendigen Zusammenhangs der Dinge« erfahren hat, definiert wird,162 zu erschließen. In manchen Fällen kommt es zu markanten Neuakzentuierungen der systematischen Vorgaben Kants. So werden beispielsweise die Stufen von Anschauung, Verstand und Vernunft dadurch, dass sie auf einem gemeinsamen vorstellungstheoretischen Fundament beruhen sollen, derart präsentiert, dass in ihnen in je besonderer Weise das Subjekt-Objekt-Verhältnis und die damit verknüpften Verhältnisse von Form und Stoff, Einheit und Mannigfaltigkeit, Spontaneität und Rezeptivität strukturbildend sind. Dies hat zur Folge, dass bereits auf der Stufe der sinnlichen Anschauung ein Vermögen der Spontaneität und der Einheitsleistung angenommen wird. Damit soll nicht die Existenz eines anschauenden Verstandes behauptet, sondern vielmehr der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die unterschiedlichen Vermögen als in einem komplementären Verhältnis stehend vorauszusetzen sind. Reinhold geht es mit anderen Worten darum, dem von Kant vor vorstellungstheoretischem Hintergrund geäußerten Diktum »Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind«163 Nachdruck zu verschaffen. Im Weiteren wird ebenfalls im Rahmen allgemeiner Voraussetzungen des Erkennens davon ausgegangen, dass es neben der Affektion, welche das Vorstellungsvermögen bei seinem Bezug auf einen Gegenstand durch einen »äußeren Stoff« leidet, eine Affektion gibt, welche das Vorstellungsvermögen im Inneren, durch einen »inneren Stoff«, erfährt. Das Vorstellungsvermögen bezieht sich demnach nicht nur auf Äußeres, sondern ist gleichzeitig in der Lage, seine eigenen Akte und Formen zu vergegenwärtigen. Es kommt ihm insofern eine Selbstbeziehung zu, die Reinhold am eindringlichsten auf der Stufe eines dem erkennenden Gegenstandsbezug vorgelagerten »Selbstbewußtseyns« analysiert und dabei als Vorgang beschreibt, bei dem »das Subjekt des Bewußtseyns als Identisch mit dem Subjekte vorgestellt« wird164 und den man auch in der Bedeutung einer »Anschauung«, die »Intellektuell« heißen darf, kenntlich machen kann.165 Auch in diesem Falle wird nicht für einen anschauenden Verstand Partei ergriffen, sondern einer Reflexion, die bei Kant eher
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marginal geblieben ist, eine stärkere Bedeutung zugemessen. Reinhold hält es für nötig, den vor allem in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft virulent werdenden Gedanken über das Gemüt, das sich mittels des inneren Sinnes »selbst, oder seinen inneren Zustand anschauet«,166 sich mittels des inneren Sinnes selbst oder innerlich affiziert, in seiner vollen Tragweite zu entwickeln. Am weitesten über Kants erkenntnistheoretische Ergebnisse hinaus geht Reinhold in der Frage der Begründung synthetischer Urteile a priori. Bei dieser Frage, die mit den definitorischen und systematisierenden Lehrstücken zum Erkenntnisvermögen noch nicht zentral tangiert ist, teilt Reinhold selbstverständlich Kants Forderung des Erfahrungsbezugs sowie der Eingrenzung der Erkenntnis auf raum-zeitliche Gegenstände. Und Reinhold folgt Kant auch durchaus in der Methode des Nachweises synthetischer Urteile a priori, hält er sich doch grundsätzlich an den transzendentalen Beweis, dessen Prinzip Kant mit dem »Principium« der transzendenten Deduktion167 und mit dem »obersten Principium aller synthetischen Urteile«168 ausgesprochen und im dritten Abschnitt des »Systems der Grundsätze des reinen Verstandes«169 zur Anwendung gebracht hat. Jedoch hält Reinhold es auch in diesem Punkt für nötig, den Satz des Bewusstseins zur Geltung bringen und auf dieser Basis ein Defizit Kants kenntlich zu machen. Seines Erachtens kann Kants transzendentales Beweisprinzip, welches besagt, dass Erfahrungssätze nur unter der Bedingung der reinen Formen der sinnlichen Anschauung, Raum und Zeit, und der Kategorien des Verstandes möglich seien, folglich sich eine Einheit von »Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt« und »Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung« erschließen lasse,170 nur mit dem Vorbehalt akzeptiert werden, dass hierbei zugleich vom Satz des Bewusstseins als erstem Grundsatz ausgegangen wird.171 Offensichtlich setzt Reinhold voraus, dass man den Satz des Bewusstseins und die daraus entwickelten elementaren Begriffspaare im Sinne einer unentbehrlichen Beweisvoraussetzung zu verstehen hat. Ohne die Verhältnisse von Subjekt und Objekt, Form und Stoff, Einheit und Mannigfaltigkeit, Spontaneität und Rezeptivität wäre, so die Pointe von Reinholds Einwand, der Gedanke der Ermöglichung von Erfahrung nicht einsichtig. Denn es wird bei diesem Gedanken vorausgesetzt, dass sich aus einem Objekt, Stoff, Mannigfaltigen, zu Rezipierenden ohne Subjekt, Form, Einheit, Spontaneität unmöglich Erfahrungssätze ergeben.172 Da Reinhold auch in der Theorie des Begehrungsvermögens von Modifikationen des Subjekt-Objekt-Verhältnisses Gebrauch macht, die Bewusstseinsstruktur zu einem Verhältnis von wollendem Subjekt, gewolltem Objekt und Wollen als vermittelndem Moment abwandelt, ist es nicht abwegig zu behaupten, dass er gleichfalls in diesem Bereich Resultate Kants in einer strukturellen Weise festigt und vereinheitlicht. Näher besehen ist hier allerdings eine andere Dy-
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namik und eine andere Form der Neuinterpretation von Resultaten Kants ausschlaggebend. Der dominante Schrittmacher in Reinholds Theorie des Begehrungsvermögens ist das Verhältnis von eigennützigem Trieb, uneigennützigem Trieb und freiem Willen als Vermögen, sich für oder gegen die besagten Triebe zu entscheiden. Aus diesem Blickwinkel wird Kants Moral-, Rechts- und Religionsbegrifflichkeit in erster Linie triebtheoretisch unterbaut und freiheitstheoretisch fundiert. Ab 1792 erhebt Reinhold die Willensfreiheit als Vermögen, sich für oder gegen das Sittengesetz zu entscheiden, zum ersten Prinzip des gesamten Bereichs des Begehrungsvermögens. Der richtig verstandene Begriff »von der Freyheit des Willens« soll »in der künftigen praktischen Philosophie« die gleiche Schlüsselfunktion haben wie der richtig aufgefasste Vorstellungsbegriff in der theoretischen Philosophie bzw. in der Philosophie überhaupt.173 Diese Einsicht wirkt sich entscheidend auf die Grundverständnisse von Moral und Religion aus. Wenn Reinhold über das Sittengesetz und über die Vergesellschaftung desselben in einem ethischen Staat spricht, geht es ihm hauptsächlich um das moralische und religiöse Gewissen, an das im Falle des freien Willens appelliert wird. Auch Kant befasst sich mit dem Gewissen als einem »Bewußtsein eines inneren Gerichthofes«,174 das zur sittlichen Gesetzesvernunft hinzutritt, billigt diesem jedoch kein derart starkes Gewicht wie Reinhold zu. Was die Genese und die Kontexte von Reinholds im Zeichen der Elementarphilosophie stehenden Denkphase angeht, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Systementwicklung von Anbeginn in einem engen Zusammenhang mit der seit 1787 in Jena aufgenommenen, ab 1794 in Kiel fortgesetzten Lehrtätigkeit steht. Bereits einige Zeit vor dem Antritt in Jena spricht Reinhold über das für die Reform der Philosophie an Universitäten bedeutsame Vorhaben einer »Organisation des kantischen Systems selbst«.175 Ebenso wenig darf in Sachen Genese und Kontexte der Elementarphilosophie übersehen werden, dass die Systementwicklung von einer intensiven Auseinandersetzung mit Kritikern und Mitstreitern aus verschiedenen Lagern begleitet wird. Die Rezeption von Reinholds Elementarphilosophie teilt in vielem das Schicksal jener von Kants kritischer Lehre. Über mehrere Jahre hinweg werden die Elementarphilosophie und die Vernunftkritik gleichermaßen von profilierten Anhängern der Leibniz-Wolff ’schen Philosophie wie Johann August Eberhard, von neuen Empiristen oder deutschen Vertretern der Philosophie des common sense wie Johann Georg Heinrich Feder sowie schließlich von NeoSkeptikern wie Gottlob Ernst Schulze vehement attackiert. Reinhold kommt zudem umgehend unter Beschuss von Kantianern wie Carl Christian Erhard Schmid, Jacob Sigismund Beck und Salomon Maimon, die alle wenig vom Programm einer grundsatzphilosophischen Festigung der Vernunftkritik halten. Hinzu gesellen sich, insbesondere zu darstellungs- und begründungsme-
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thodischen Aspekten des elementarphilosophischen Systems, kritische Stimmen aus dem eigenen Jenaer Schülerkreis. Ein Problem, das Reinhold nahezu ununterbrochen vor sich hertreibt und das denn auch Kritiker aller Schattierungen stets wieder zur Diskussion stellen, betrifft die These, wonach das Ding an sich zwar kein leerer Begriff, jedoch unvorstellbar sein soll. Nach verschiedenen Versuchen, diese These dahingehend auszuformulieren, dass der Vorwurf, sich in Paradoxien zu verstricken, entkräftet werden kann, sieht sich Reinhold um 1796 erneut vor Schwierigkeiten, die ihn letztlich zu einer radikalen Umorientierung veranlassen. Kopfzerbrechen bereitet Reinhold zudem – sowohl in eigener Sache als auch angestachelt durch Kritiker – die Frage, wie eine Ableitung von Folgesätzen aus dem Satz des Bewusstseins genau verstanden werden soll. Reinhold bestreitet, jemals von der lächerlichen Idee ausgegangen zu sein, »daß eine ganze Wissenschaft in ihrem ersten Grundsatze wie eine Iliade in einer Nußschale eingewickelt liege«,176 kann allerdings nicht umhin, gewisse Einseitigkeiten seiner bisherigen Ableitungsidee zu korrigieren.177 Und schließlich kämpft Reinhold je länger desto virulenter mit einem Subjektproblem. Nach wiederholter Prüfung, welche Subjektleistungen bei der transzendentalen Funktion des Bewusstseins wie auch im Falle der Willensfreiheit als autonomes Entscheidungsvermögen vorauszusetzen sind, gelangt Reinhold zu der Einsicht, dass neben dem Subjekt an sich und dem vorstellenden Subjekt auch dem sich durch die Eigenschaften des Selbstbewusstseins und der Selbsttätigkeit auszeichnenden Subjekt eine tragende Rolle bereits im Blick auf das erste Prinzip der Elementarphilosophie zuzuerkennen ist. Infolgedessen geht er 1792 dazu über, den Satz des Bewusstseins nicht mehr isoliert, sondern in Koalition mit der »Thatsache« bzw. mehreren »Thatsachen des reinen Selbstbewußtseyns« an die Spitze des philosophischen Systems zu stellen.178 Um 1795 kommt es vor dem Hintergrund von Neuerwägungen des Verhältnisses von Willensfreiheit und theoretischer Wahrheit zu der Ansicht, dass dem Selbstbewusstsein der Vorrang gebührt. Angesichts der Art und Weise, wie Reinhold sein Subjektproblem und sein Problem des Dinges an sich bewältigt, ist es nicht erstaunlich, dass er sich um 1797 zur Wissenschaftslehre seines Lehrstuhlnachfolgers in Jena, Johann Gottlieb Fichtes, bekennen kann. Fichtes Ich–Lehre, die das Ding an sich zur Chimäre erklärt und ein monistisches Prinzip des Selbstbewusstseins an den Anfang stellt, scheint ihm die in richtiger Weise verbesserte Elementarphilosophie zu sein. Vor anderem Hintergrund und mit anderen Zielsetzungen hat dies bekanntermaßen bereits Fichte selbst um 1794 so gesehen. Zu sprechen ist damit über die Wirkung von Reinholds Elementarphilosophie. Es ist unverkennbar, dass Reinholds Systemdenken für die großen Köpfe des Deutschen Idealismus von grundlegender Bedeutung ist. Fichte, Schelling und Hegel errichten ihre Systeme unmittelbar oder mittelbar aus Reinhold’schen Voraussetzungen.
Reinhold als Interpret von Kants Vernunftkritik
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Abb. 22: Johann Friedrich Jugel, Johann Gottlieb Fichte
Fichte hat seine Wissenschaftslehre von 1794, wie sich aus den »Eignen Meditationen über ElementarPhilosophie« ersehen lässt, zu einem wesentlichen Teil im Laufe eines längeren Prozesses der kritischen Aneignung von Reinholds Elementarphilosophie gewonnen.179 Dabei hat er unter anderem in der Rezension des Aenesidemus zum Ausdruck gebracht, dass seine eigene Position als eine anti-skeptizistische Überbietung Reinholds zu verstehen ist. Dem neuen Skeptiker und Reinhold-Kritiker Gottlob Ernst Schulze soll im Nachweis zugestimmt werden, dass der Satz des Bewusstseins kein evidenter Satz sei und somit auch nicht der erste Grundsatz der Philosophie sein könne. Doch ist Reinholds Vorschlag, »daß die gesamte Philosophie auf einen einzigen Grundsatz zurückgeführt werden müsse«, zu begrüßen und auch zu retten, wenn der richtige »Schlußstein« gefunden ist.180 Dies ist nach Fichte der Fall, wenn statt das als »Thatsache« zu verstehende Verhältnis von Subjekt und Objekt, in dem sich beide Glieder aufeinander beziehen und voneinander unterscheiden, das im Sinne einer »Thathandlung« auszulegende »unmittelbar gewisseste: Ich bin« mit seiner selbstbezüglichen Verfassung und der Implikation, dass alles Nicht-Ich für das Ich ist, an den Anfang gestellt wird.181 Für Schelling, der Mitte der 1790er Jahre an Fichtes frühe Wissenschaftslehre anschließt, ist der Ausgang der Phi-
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Kant und Karl Leonhard Reinhold
Abb. 23 (a): Brief, Karl Leonhard Reinhold am 5. Juli 1793 an Franz Paul von Herbert über Baggesens Besuch in Jena
losophie von einem ersten Prinzip des Ich, das seiner Natur nach Selbsttätigkeit ist, eine nicht mehr zu unterschreitende Stufe in der Freilegung der Prämissen von Kants kritischer Lehre. An Reinholds Versuch, die Philosophie mit dem Satz des Bewusstseins zu beginnen, soll deshalb zwar mit der »größten Achtung« erinnert,182 die Auseinandersetzung damit aber nicht nochmals gesucht werden. Alle weiteren Fortschritte können nur darin bestehen, das Fichte’sche Prinzip des Ich künftig gleichfalls in einer naturphilosophischen Hinsicht fruchtbar und damit letztlich als lebendiges Sein vernehmbar zu machen. Hegel, der sich erst
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Abb. 23 (b): Brief, Karl Leonhard Reinhold am 5. Juli 1793 an Franz Paul von Herbert über Baggesens Besuch in Jena
unmittelbar nach 1800 öffentlich in der nachkantischen Diskussion zu Wort meldet, findet den Zugang zu dem von Reinhold eröffneten Systemdenken durch seine Gemeinschaft mit Schelling. Dabei verhindert eine zu diesem Zeitpunkt überhand nehmende Polemik gegen »Reinholds Ansicht der Fichte’schen und Schellingschen Philosophie«,183 weiterhin der Meriten des Autors der Elementarphilosophie zu gedenken. Obschon die Systeme der beteiligten Akteure im Laufe der Jahre sehr individuelle Züge annehmen, sich zum Teil stark wandeln und durch wechselseitige
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Kant und Karl Leonhard Reinhold
Polemik untereinander verzweigen, obschon keine Einigkeit darüber herrscht, welches das erste Prinzip der Philosophie sein und welche Seinsweise und Leistungsfähigkeit diesem zukommen soll, gibt es einen Grundkonsens, dessen Wurzel in Reinholds Elementarphilosophie liegt. Einigkeit besteht darin, dass ein System nachkantischen Typs aufgestellt werden soll, dass dieses auf einem ersten Prinzip beruhen soll, dass es seiner Architektonik nach ein Gesamtsystem der Philosophie sowie ein Einheitssystem, d. h. ein System, das monistischen sowie einer Reihe strukturell-konstruktiver Einheitsforderungen zu genügen hat, sein soll. Es wird übereinstimmend angenommen, dass das erste Prinzip des Systems im Hinblick auf die Begründung theoretischen und praktischen Wissens fortsetzbar oder anwendbar sein muss. Im Blick auf die Bereiche von Recht, Moral, Staat und Religion schließlich besteht Einigkeit darin, dass ein System errichtet werden soll, das den Namen ›System der Freiheit‹ verdient.
Kant und Osteuropa
Einzug der Philosophie Kants in Ländern Osteuropas von Olga Ring Es gibt wohl kaum einen anderen Philosophen, der die Ideenlandschaft Europas seit dem Ende des 18. Jahrhunderts so nachhaltig beeinflusst und geprägt hat wie Immanuel Kant. So ist man wenig überrascht, dass sich seine Philosophie rasch über die Grenzen des damaligen Deutschland hinaus verbreitete. Sie wurde auch in Ländern Osteuropas wahrgenommen, die hier deshalb Beachtung finden, weil Wien durch seine geographische und politische Stellung seit alters her als das Tor zum Osten galt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit finden sich in diesem Band einige Beiträge zur Rezeption der Philosophie Kants im 18., 19. und 20. Jahrhundert in einigen repräsentativen osteuropäischen Ländern, und zwar in Ungarn, Rumänien, Tschechien, Slowakei, Slowenien, in einigen südslawischen Ländern und Polen. Der mehr oder minder fruchtbare Boden für die Aufnahme der kantischen Philosophie in den Ländern Osteuropas ist weitgehend den unterschiedlichen politischen und soziokulturellen Umständen zuzuschreiben, die in jener Zeit in den betreffenden Ländern herrschten. Daher versuchen die Beitragenden zumeist, die Rezeptionen Kants im Kontext der Geschichte und Kultur der jeweiligen Länder zu verorten. Einige Beiträge beschäftigen sich mit der Verbreitung und Wirkung kantischer Ideen in Ungarn. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs war Ungarn Teil der Habsburger-Monarchie und um zwei Drittel größer als der gegenwärtige Nationalstaat, da es auch Kroatien, die Slowakei, Gebiete des heutigen Serbien (Woiwodina) und weite Teile des heutigen Rumänien (Siebenbürgen, Banat) umfasste. Aufgrund der Verbindung von Österreich und Ungarn unter der Herrschaft österreichischer Monarchen bestanden zwischen beiden Ländern enge politische, administrative, wirtschaftliche, kulturelle und sonstige Verbindungen, die das Leben des ungarischen Bürgertums bestimmten. So ist es nicht verwunderlich, dass der Tenor der Beiträge zeigt, dass, ähnlich wie in Österreich, der offiziell propagierte Katholizismus, die kirchliche und politische
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Zensur und die offizielle Bildungspolitik eine entscheidende Rolle für die Verbreitung und Anknüpfung an die kantische Philosophie in dieser Zeit gespielt haben. Hinzu kommt ein zunehmend erschwerter Zugang zum Auslandsstudium für ungarische Studierende. Die erste Bekanntschaft mit der kantischen Philosophie vollzog sich in Ungarn schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die weitgehend dem Empirismus und dem Positivismus in ihren verschiedenen Spielarten verbundene ungarische Philosophie des 18. und des 19. wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm aus der kantischen Philosophie nur das mit Begeisterung auf, was sich mit diesen Denkrichtungen einigermaßen vereinbaren ließ. Zu den Vertretern jener Philosophie gehörten Gelehrte wie Pl Sipos, Istvan Marton, Gustv Szontagh, Alexander Bernt, teilweise auch Kroly Böhm, der zu den originellsten Denkern der ungarischen Philosophie zählt. Andere Akzente setzten Philosophen, die Kant durch die Brille seiner Nachfolger lasen, also vermittelt durch Fichte, Schelling, Hegel, dem aufgrund seiner empiristischen Ausrichtung in Ungarn sehr populären Fries, und später durch die Neukantianer. Vertreter dieser Richtungen waren Ferenc Scorja, Mûzes Sz¦kely, Kroly Böhm und seine Schule, sowie Sndor Tavaszy. Zu den schärfsten Kritikern Kants in Ungarn zählte Jûzsef Rozgonyi. Smuel Köteles gehörte zu den »getreuen« Kantianern und setzte sich für die Institutionalisierung der kantischen Philosophie in Ungarn und Siebenbürgen ein. Zu den Inhalten, die besonders eifrig rezipiert wurden, gehörten allen voran Kants Moralphilosophie und seine dogmatismuskritische Erkenntnistheorie. In Rumänien verhielt es sich mit der Rezeption Kants etwas anders. Zu Lebzeiten Kants, im 18. Jahrhundert und bis Mitte 19. Jahrhunderts war die politische, soziale und kulturelle Lage der rumänischsprachigen Bevölkerung katastrophal. Die Rumänen lebten als Bevölkerung zweiter Klasse, ausgebeutet und unterdrückt, zerstreut in drei Länder : Siebenbürgen, die Walachei und Moldau, die allesamt ihre Unabhängigkeit verloren hatten und in wechselnden Abhängigkeitsverhältnissen und teilweise auch wechselnden Grenzen unter dem Osmanischen Reich, der Habsburger Monarchie und Russland aufgeteilt waren. Um 1848 kam es auch in diesen drei Ländern zu Aufständen, die zunächst unterdrückt wurden, aber nicht ohne Folgen für die rumänische Nation blieben. Ein eigenes Fürstentum Rumänien mit Bukarest als Hauptstadt entstand erst unter dem Herrscher Alexander Ioan Cuza im Jahr 1862. Der Beitrag zur Kant-Rezeption in Rumänien zeigt, dass diese mit der Tätigkeit des ersten rumänischen Kantianers Gheorghe Laza˘r begann, der in Wien studiert hatte. Er war der Gründer der ersten höheren Schule in Rumänien und durch seine Lehrbücher fand die Philosophie Kants Eingang in den rumänischen Unterricht. Ab 1860 fand sie als Teil des naturphilosophischen Diskurses Eingang in die Universität. Die erste rumänische Universität wurde 1860 in Ias‚ i gegründet und der erste Professor für Philosophie wurde an der Universität
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Bukarest im Jahr 1864 Ion Zalomit, der in Berlin mit einer Arbeit über Kant promoviert hatte. Zu den anderen von Kant beeinflussten Professoren dieser Zeit zählten August Trebonui Laurean, Eftimie Murgu, sowie Simion Ba˘rnut‚ iu, der ein aktiver Teilnehmer an der Revolution von 1848 war und sich unter Berufung auf die Ideen der Aufklärung für die Rechte der Rumänen engagierte. Zu den berühmtesten Kantianern in der Professorenschaft zählten aber Titu Maiorescu, der mit seiner Ethik freilich unter dem Einfluss Arthur Schopenhauers stand, und sein Schüler Constantin Ra˘dulescu-Motru. Unter den rumänischen Gelehrten gab es selbstverständlich auch unterschiedlich ausgerichtete Kritiker Kants wie Petre P. Negulescu, Dmitrie Gusti, Nae Ionescu und Lucian Blaga. Ganz allgemein lässt sich festhalten, dass kantische Ideen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mit wenigen Ausnahmen vor allem der Unterstützung des rationalistischen Diskurses in der rumänischen Philosophie dienten. Von 1945 bis in die 1990er Jahre war die offizielle Rezeption Kants weitgehend nur durch die Brille des Marxismus-Leninismus möglich. Seit dem Beginn der 1990er Jahre, mit der Möglichkeit, Kant ideologiefrei auszulegen, stieg in Rumänien wieder das Interesse am kantischen Gedankengut, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass im Jahr 1991 die Rumänische Kant-Gesellschaft in Bukarest gegründet wurde. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit der Kant-Rezeption in Tschechien und in der Slowakei Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Wenn man sich die sozio-politischen Rahmenbedingungen in Tschechien und der Slowakei Ende des 18. Jahrhunderts vor Augen hält, so ist festzuhalten, dass in dieser Zeit weder der Nationalstaat Tschechien noch die Slowakei existierten. Diese Länder gehörten dem Habsburgerreich an: Tschechien der österreichischen und die Slowakei, nach der Einführung der Doppelmonarchie, der ungarischen Reichshälfte. Die Geschichte der Tschechoslowakei beginnt erst mit dem Jahr 1918. Ihre Unabhängigkeit ist vor allem das Werk des tschechischen Politikers und Gelehrten Tomsˇ Garrigue Masaryk. Masaryk, der ein Philosophiestudium in Wien bei Franz Brentano absolviert hatte und die Philosophie Kants gut kannte, war wie sein Lehrer ein scharfer Kritiker Kants zugunsten des Positivismus und Pragmatismus. Dementsprechend war der offizielle akademische Boden für weitere kant-kritische Gelehrte bestens vorbereitet. Dennoch gab es in dieser Zeit einige der offiziellen Philosophie gegenüber kritische Stimmen, die argumentativ an manche kantische Gedankenstränge anknüpften, wie beispielsweise Vladimr Hoppe oder Max Steiner. Ein weiterer Beitrag handelt von der Kant-Rezeption in Slowenien. Nachdem das Land über Jahrhunderte hinweg dem Habsburgerreich angehört hatte, wurde Slowenien nach dem Ersten Weltkrieg ein Teil Jugoslawiens, das nach 1945 zum »kommunistischen Lager« zählte, wo Kant nur durch die Brille des ideologischen Marxismus interpretiert werden konnte. Weil Slowenien erst 1991
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Abb. 1: Karte von Österreich-Ungarn, Zusammensetz-Spiel für die Jugend
ein unabhängiger Staat wurde, kann man erst ab den 1990er Jahren von einer eigenständigen Rezeption Kants in den akademischen Kreisen Sloweniens sprechen. Diese entwickelte sich innerhalb des breiten Spektrums von neomarxistischen, phänomenologisch-hermeneutischen, psychoanalytischen und analytischen Strömungen der slowenischen Gegenwartsphilosophie, der Denker wie Alenka Zupancˇicˇ, Zdravko Kobe und Jure Simoniti angehören. Der Rezeption Kants in den südslawischen Ländern ist ein weiterer Beitrag gewidmet. Im 18. und 19. Jahrhundert ist das heutige Kroatien abwechselnd ein von Venedig, Österreich und Ungarn, von Frankreich unter Napoleon, und von der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie abhängiges Land. Im Jahr 1868 wird Kroatien innerhalb des ungarischen Teils der Doppelmonarchie beschränkt autonom, wobei Dalmatien und Istrien administrativ in der österreichischen Reichshälfte bleiben. Nach dem ersten Weltkrieg löst sich Kroatien aus der Verbindung mit Österreich und Ungarn und teilt die wechselvolle Geschichte des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 in das Königreich Jugoslawien umbenannt wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dessen Folge Kroatien einige Gebiete (Istrien, Rijeka, Zadar) von Italien erhält, ist das Land eine Teilrepublik des kommunistischen Jugoslawien. Der unabhängige Staat Kroatien entsteht erst im Jahr 1990.
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Da Kroatien ein durch und durch katholisch geprägtes Land war, fiel die Philosophie Kants zunächst auf einen für sie völlig unfruchtbaren, scholastisch geprägten Boden. So verfasste Ioannis Baptist Horvth, ein kroatischer Gelehrter der aristotelisch-thomistischen Schule, schon im Jahr 1797 eine kritische Besprechung von Kants Kritik der reinen Vernunft. In dieser beschuldigte er als einer der Ersten Kant des subjektiven Idealismus. Zu weiteren scholastisch geˇ ucˇic´ und Stjepan Zimmermann, bei prägten Kritikern Kants gehörten Simeon C denen sich allerdings auch bereits Momente der Anerkennung finden. Erst mit der Gründung der modernen Universität in Zagreb unter Kaiser Franz Joseph I. wurden die Voraussetzungen für eine positive Rezeption der kantischen Philosophie in Kroatien geschaffen. Der erste Professor der Universität in Zagreb, Franjo Markovic´, sowie sein berühmter Schüler, Albert Bazala, schöpften ihre Inspirationen aus dem Gedankengut Kants. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Kant bis zum Jahr 1990, wie in anderen Ländern Osteuropas, nur durch die ideologische Brille des kommunistischen Marxismus interpretiert. Heutzutage gehört Kant selbstverständlich in den Standardlehrplan jeder Universität in Kroatien. Ein weiterer Beitrag liefert einen allgemeinen Umriss der Kant-Rezeption in Polen. 1795, also zu Kants Zeit, verschwand Polen als souveräner Staat von den Landkarten Europas. Bis zum Ersten Weltkrieg war Polen zwischen dem Kaiserreich Russland, dem Königreich Preußen und der Habsburgermonarchie aufgeteilt. Gleichwohl wurde die Philosophie Kants in Polen sehr früh rezipiert. Allerdings gab es in Polen keine »kantische Periode«. Die Rezeption Kants verlief auf polnischem Boden sehr ambivalent, was nicht zuletzt dem Umstand zuzuschreiben ist, dass Preußen (und Kant war ein preußischer Philosoph) zu den Nationen gehörte, die Polen seiner Unabhängigkeit beraubt hatten. Nichtsdestoweniger zählte Kant zu den bekanntesten und am besten übersetzten Philosophen in Polen. Die Rezeption der kantischen Philosophie nimmt ihren Anfang mit der Tätigkeit von Jûzef Władysław Bychowiec, der in Königsberg studiert hatte und Kant noch persönlich gekannt haben soll. Von ihm stammen die ersten Übersetzungen kantischer Schriften ins Polnische. Nach Bychowiec wirkten andere Philosophen, deren Denken einen eklektischen Charakter trägt und die teils kant-kritisch ausgerichtet sind wie Jan S´niadecki, oder solche, die zwar auf Ideen Kants Bezug nahmen, diese aber nur als Referenzpunkt für die Ausarbeitung eigener Philosophien nutzten. Zu diesen gehörten auch die berühmten Philosophen der Lemberg-Warschau-Schule und der polnischen phänomenologischen Schulen. Nach der kommunistisch beeinflussten Periode, in der eine ideologiefreie Interpretation Kants in akademischen Kreisen unmöglich war, erwachte im Polen der 1990er Jahre ein erneutes Interesse an den Gedanken Kants, das bis heute anhält. So unterschiedlich die Aneignung des Gedankenguts Kants in den Ländern
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Osteuropas verlief, so lassen sich doch einige Gemeinsamkeiten feststellen. Diese Gemeinsamkeiten kann man unter den folgenden Gesichtspunkten zusammenfassen. Erstens wirkte die aufklärerische, auf dem Primat der Vernunft aufbauende Philosophie Kants oftmals befruchtend für eine geistige, soziale und politische Modernisierung und motivierte teils auch deren praktische Realisierung. Diese Interpretationen der Philosophie Kants verbanden sich mit den Bemühungen der aufstrebenden Nationen um eine Gründung unabhängiger Nationalstaaten und wurden in den nationalen Philosophien Osteuropas aktiv vorangetrieben. Zweitens diente das positive oder negative Verhältnis zur kantischen Philosophie als eine Demarkationslinie zwischen den unterschiedlichen philosophischen Lagern, die sich an den Universitäten Osteuropas etablierten. Und zum Dritten gab die Philosophie Kants für die Philosophie Osteuropas unzählige Denkanstöße und Inspirationen, die sich im Rahmen der eigenständigen Denktraditionen der osteuropäischen Länder umsetzen ließen.
Die Reform des Philosophieunterrichts – Das siebenbürgische Paradigma von Péter Egyed Die siebenbürgischen Kulturverhältnisse erweisen sich an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert als äußerst heterogen. In der multiethnischen Gesellschaft Siebenbürgens müssten die Fragen der Bildung der rumänischen und sächsischen Kultur aus dieser Periode einzeln und tiefergehend erforscht werden. Fragen, welche die ungarische, rumänische und sächsische Bildung und Kultur betreffen, können durch typische Problemsysteme charakterisiert werden. Deshalb kann man typologisch von der einen Frage nicht auf die andere hinüberwechseln. Dieser Beitrag beschäftigt sich sinngemäß teils mit der ungarischen Aufklärung und teils mit der Problematik der Reformperiode. Aufgrund der erwähnten Heterogenität muss der an der Problematik philosophischer Rezeption und ihren kreativen Folgen interessierte Forscher beim ortspezifischen Analysieren der Erscheinungen sehr viele Fäden verfolgen. Einer dieser Fäden ist die Frage der Konfession: das Verhältnis zwischen Katholizismus und Protestantismus war auf keinem Ruhepunkt angelangt, was freilich mit der Einrichtung des Habsburger Reiches in Mittel-Osteuropa in Zusammenhang stand. Das bedeutete, dass die Frage nach der Schulausbildung (unter Behinderung der protestantischen Gymnasien) auch zu einer politischen wurde – die Modernisierung verlangte nämlich in erster Linie klare, durchsichtige, geregelte Verhältnisse – und der Wichtigkeit dieser Frage war sich die reichsplanende Bürokratie natürlich bewusst. Zu derselben Zeit breitete sich das Ideensystem der Aufklärung im mittel-
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europäischen Raum mit unglaublicher Kraft aus (Immanuel Kant hatte seine Aufklärungsschrift im Jahre 1784 herausgegeben), indem es vor allem auf die Intellektuellen eine starke Anziehungskraft ausübte und auch ein gewisses Gegengewicht zu einem bigotten Vorstellungssystem der Staatsorganisation bedeutete. Das lässt sich dann am besten verstehen, wenn das Studium ungarischer Studenten, das im Vergleich zu dem der Wiener liberaler gestaltet war und an deutschen Universitäten von höherem Niveau stattfand, auch aus dem Blickwinkel jener politischen Orientierung betrachtet wird, die ihre spätere Karriere geprägt hat. Es gilt also sich klarzumachen, worin das rekatholisierende Bedingungssystem genauer besteht.1 Umgangssprachlich wird als Gegenreformation diejenige Periode bezeichnet, die ab dem Jahr 1690, als das Diploma Leopoldinum den geplanten Inhalt dieser Wende bestimmte, mit der Eingliederung Siebenbürgens in das Habsburgische Reich begonnen hat; beziehungsweise ab dem Jahr 1711, ab dem Sathmarer Frieden. Für die nächsten Jahre kann man schon über ein guberniales Siebenbürgen sprechen. Diese Periode bedeutete wahrhaftig eine Rekatholisierung. Dabei handelt es sich nicht um einen rein konfessionellen, sondern auch um eine Art politischen Katholizismus, dessen Betätigungsfeld in erster Linie die Angelegenheit des Unterrichtes und der Schulen war. Bis zu diesem Zeitpunkt bildete bei der Auswahl der geeigneten Talente aus Siebenbürgen größtenteils die Gerichtsbarkeit des siebenbürgischen Fürstentums (Approbata et Compilata Constitutiones) beziehungsweise die Entscheidungen der Konfessionen der Lehrstühle die Grundlage der Regelung. Das bedeutete, dass die für Siebenbürgen zuständige Institution des Universitätsbesuches von diesen gesteuert wurde. Von diesem Zeitpunkt an gelangte die Beurteilung der Situation der ins Ausland reisenden Studenten in den Zuständigkeitsbereich der militärischen Behörden (General Commando), der Gubernial-Behörden und selbstverständlich der Vorgesetzten in konfessionellen Angelegenheiten.2 Diese Regelung betraf vor allem das Szeklerland besonders stark. Leider ist die politische und vor allem kulturelle Geschichtsschreibung des ereignisreichen 18. Jahrhunderts mit Blick auf Siebenbürgen auch heute mangelhaft. Das heißt aber nicht, dass die Forschungen der letzten Jahre nicht vieles zum Vorschein gebracht hätten. So wissen wir aus den Forschungen von Jnos J. Varga auch, dass auf Anweisung der Wiener Kammer ein Komitee3 des Ofener Kammerinspektorates einen vorschriftmäßigen Verfahrensplan unter der Leitung des Kardinals Leopold Kollonich ausgearbeitet hat, der in der Geschichtsschreibung nicht gerade wegen seiner Ungarnfreundlichkeit bekannt ist. Dieses Projekt enthielt aber – vor allem auf Ungarn bezogen – viele Modernisierungselemente, da die neue Staatseinrichtung eine zweifellos gut funktionierende, praktische Verwaltung und staatliche Bürokratie haben wollte, und
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dazu brauchte man in erster Linie katholische, gut deutsch sprechende, über praktische Kenntnisse verfügende Personen. In diesem Sinne musste selbstverständlich auch das Schulwesen verändert werden.
Kulturelle Folgen der Rekatholisierung Siebenbürgens Was bedeutete die Rekatholisierung? Diesbezüglich sei bloß an die Tatsache erinnert, dass man in den Jahren 1673 und 1674 siebenhundert Pfarrer und Lehrer wegen Aufstandes, Vaterlands- und Hoheitsverrates vor das Preßburger Gericht geladen hatte – unter ihnen auch eine beträchtliche Zahl von Siebenbürgern – wobei (das wurde ein bekanntes Kapitel der ungarischen Literatur) das Todesurteil für zweiundvierzig von ihnen in Galeerenstrafe umgewandelt wurde. Der Intoleranz und dem kriegerischen Antiprotestantismus wurde allerdings durch eine pragmatische Einsicht ein Ende gesetzt, der zufolge man die entvölkerten Gebiete mit jemandem, sogar mit protestantischen Ungarn besiedeln oder diese dort verbleiben lassen konnte. Das Ödenburger Parlament von 1681 regelte die Angelegenheit der freien Religionsausübung der Evangelischen und Reformierten, einschließlich der Angelegenheit des Kirchenbaus (Absatz 25, Artikel 26).4 In Siebenbürgen war die Lage teils einfacher, zugleich aber auch komplizierter : einfacher in dem Sinne, dass sehr vieles von der Stärke der örtlichen Gemeinschaften abhing, wie auch von der jahrhundertelangen Praxis und vom Rechtsbrauch, der den Bau oder die Übergabe der Kirchen regelte. Im Rahmen des über Jahrhunderte hinweg entwickelten Diözesen-Systems der Kirchenverwaltung wurden die interkonfessionellen Kirchenübergaben nach einem eigenen System vollzogen. Die Lage wurde komplizierter, als sich nach der Rekatholisierung die Ausgrenzungstendenz zeigte, was schließlich zu lokalen Gewalttaten und wahrlich langwierigen Prozessen geführt hat. Öfters war in solchen Fällen die »letzte Lösung« das Einschreiten der Militäreinheiten.5 (Sprachlich finden wir folgende Ausdrücke: »verschiedene Streitereien, Blutbäder und Bestrebungen gegeneinander«. Wir finden auch andere Ausdrücke wie »Toben, Widerrufe, Blutbäder, sogar auch Gemetzel…«.) Was das Schulwesen betrifft, so wurde nach der 1735 erschienenen Studienordnung Karls des III. die aus dem Jahre 1752 stammende theresianische Regelung eine lang fortbestehende Einrichtungsstruktur, in deren Rahmen das System der Piaristen-Kollegs den Inhalt, die Form und das Niveau bestimmte.6 Der Form nach hätten sich auch die protestantischen Schulprogramme diesem System anschließen sollen, aber die Gymnasien hatten so starke Unterrichtsbräuche, dass die äußere Regelung nur schwer oder kaum etwas an diesen ändern konnte. In diesen Prozessen spielten auch die Jesuiten-Lehrer weiterhin eine wichtige Rolle und in diesem Sinne verknüpften sich also die zwei Ge-
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genreformationen. In Siebenbürgen hatte der Widerstand der Stände beziehungsweise die protestantischen Sitten und das Bildungsideal ebenso wie die europäische Aufklärung eine kleine, lokale Entfaltung der letzteren bereits in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts zur Folge, obwohl die kirchliche Zensur sehr stark blieb. Die ungarische Kultur erlitt deshalb gewaltige Verluste. So konnten zum Beispiel die Werke von Pl Sipos, einem der wichtigsten ungarischen Philosophen, dessen Tätigkeit im Weiteren als Muster dienen wird, nie herausgegeben werden – obwohl sich schon Ferenc Kazinczy (1759–1831) eine Ausgabe dieser Werke wünschte –, wofür nicht einmal zweihundert Jahre an ungarischer Bildungsgeschichte ausgereicht haben. Vom Standpunkt der siebenbürgischen ungarischen Kultur aus betrachtet, erscheint dieses sonst so ereignisreiche 18. Jahrhundert auch infolge der Zensurverhältnisse als dermaßen arm. Die Wichtigkeit dieser Frage kann man nicht genügend betonen: Die Kraft und der Druck der staatlichen Bürokratie, der militärischen und konfessionellen Zensur waren so gewaltig, dass sie eine entscheidende Rolle in der Entfaltung der siebenbürgischen ungarischen Sprachlichkeit und Bildung spielten. Die Erforschung dieser Frage zählt zu den unaufschiebbaren Aufgaben. Die Naturwissenschaften stellen offenbar eine Ausnahme von dem beschriebenen Paradigma dar. Der Mathematiker Pl Sipos (1759–1816) war in seiner Zeit ein berühmter und anerkannter Autor. Seine Tätigkeit wurde auch später von der ungarischen Wissenschaftlergesellschaft gewürdigt. In den Jahren von 1791–1793 hörte er sich die Vorlesungen von Abraham Gotthelf Kaestner (der auch der Lehrer von Carl Friedrich Gauß und Farkas Bolyai war) in Frankfurt an der Oder und später in Göttingen an. Man wurde auf seine ersten mathematischen Arbeiten aufmerksam. Sipos hat sich auch mit Kants Kosmologie und Metaphysik intensiv beschäftigt. Sipos’ Studie Beschreibung und Anwendung eines mathematischen Instruments für die Mechaniker zur unmittelbaren Vergleichung der Circulbogen wurde von der Berliner Akademie herausgegeben und im Jahre 1795 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Die Studie beschreibt das Isometer – jene Erfindung von Sipos, mit dessen Hilfe die Abmessung und Teilung des Kreisbogens in gleiche Teile beliebiger Zahl durch eine sehr elegante Herangehensweise ermöglicht wurde, beziehungsweise führt sie die heute Sipos-Kurve genannte transzendente Kurve ein, mit der man die Bogenlänge der Ellipse genau feststellen kann. Seine Tätigkeit im Bereich der Mathematik setzte Sipos auch während seiner Tätigkeit als Professor und Rektor in Srospatak (1805–1810) fort. Hier hat er einen Entwurf für den modernen Unterricht der Mathematik ausgearbeitet. Die Philosophie wurde hier zu dieser Zeit von dem notorisch Kant-feindlichen Jûzsef Rozgonyi unterrichtet. Im Jahre 1807 erschien in Preßburg Sipos bekannte trigonometrische Tabelle: Specimen novae tabulae trigonometricae ad Compen-
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dium Systematicae constructionis reductae, die sich als ausgezeichnetes Instrument bewährte und zum allgemeinen Gebrauchsartikel wurde.
Reform des ungarischen Gymnasialunterrichts im Geist Kants Mit der Geschichte der siebenbürgischen Aufklärung ist die Entstehung der modernen ungarisch-sprachigen Philosophie verbunden. Ein eigenes Forschungsfeld wäre die philosophische Ausbildung an den sächsischen Gymnasien. In der Zeitspanne zwischen den Jahren 1780 und 1830 verlief die philosophische Ausbildung an fünf großen siebenbürgischen Gymnasien in lateinischer Sprache. Diese Einrichtungen mit dem Status eines Kollegs funktionierten aber in den Städten Klausenburg, Neumarkt am Mieresch, Straßburg am Mieresch und Odorhellen in enger Verbindung zur Ausbildung in den Kollegs von Srospatak und Debrecen. Die künftige Forschung konnte zeigen, dass 30 Lehrer, die neben philosophischen Lehrfächern zahlreiche andere Fächer von Mathematik bis hin zur Erdkunde unterrichteten, die Aufgabe der enzyklopädisch-philosophischen Ausbildung bewältigten. Ein Drittel von ihnen war ursprünglich Pfarrer. Den großen Durchbruch stellten die Rezeption der Werke Immanuel Kants und deren siebenbürgische Verbreitung dar. Zwischen der siebenbürgischen philosophischen Aufklärung sowie der Umstellung auf die ungarische Sprache und der Philosophie und Morallehre Kants besteht eine eindeutige Verbindung. Kants Lehre entsprach dem kirchlichen Standpunkt in der Frage der protestantischen Moral bestens. In dieser Zeitperiode wurde der Unterricht an den katholischen Gymnasien von der theresianischen Ratio Educationis geregelt. Diese wurde aber von den Protestanten stark verändert. Die Verordnung Novum Studiorum Systema wurde auch von der Kammer akzeptiert. Da die Forschung schon in ihren Anfängen die Wesensart des protestantischen Standpunktes geklärt hat, kann die Analyse der Fragen zur Ratio educationis hier nicht die Aufgabe sein. Das Landeskonsistorium hat bereits am 20. August 1781 einen entschiedenen Standpunkt in der Reformfrage angenommen, dem weitere Anwendungen und Abbaumaßnahmen folgten. Die protestantischen Gymnasien haben sich jedoch bemüht, dem im Philosophieunterricht festgelegten Standpunkt selbst unter ihren spärlichen Bedingungen zu folgen. Die Reformvorschläge beinhalteten ein wirkliches Reformprogramm für das Lehramt und ein jedes solches Programm ist für die Philosophie außerordentlich wichtig. Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts hatte Immanuel Kant seinen Vorbehalten gegenüber den Schulphilosophien Ausdruck verliehen, betonte aber zugleich resigniert, dass der Unterricht dieser, mögen sie auch so sein, wie
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sie nun einmal sind, gleichwohl unentbehrlich sei, und dass es sich bei ihnen um unumgängliche Institutionen handelt, die offenkundig einen gewissen, mächtigen Einfluss auf das lebendige Denken ausüben. Im Jahre 1784 schrieb Kant dann eine, vielleicht die wichtigste, programmatische Schrift, ein manifestartiges Konzept mit dem Titel Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in dem er – gegen die in der Gesellschaft akzeptierte Freiheitsbeschränkung, die Gehorsam heißt – Folgendes behauptet: »Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen.«7 Das bedeutet natürlich, den freien Gedanken jederzeit äußern zu dürfen. Es muss aber hinzugefügt werden, dass Kant selbst stets der Meinung war, dass Philosophie nur derjenige betreiben kann, der dies erlernt hat. Die Verordnung Novum Studiorum Systema entstand im Jahre 1781, also drei Jahre vor der programmatischen Schrift Kants. Ihren Autoren durfte aber der Geist der neuentstandenen Reformwelle an den deutschen protestantischen Universitäten nicht unbekannt gewesen sein; es kann gut sein, dass sie von der Erkenntnis der bedrückenden Rückständigkeit der hiesigen Bildung ausgegangen sind. Deshalb gilt es, die frühen Reformvorstellungen zu würdigen. Man findet thesenartig folgende Wegweisungen darin: a. In der »Entdeckung« der philosophischen Wahrheiten gibt es eine Entwicklung. Diese ist hinsichtlich ihrer Kenntnisnahme und Vertretung im Unterricht ein unentbehrlicher Schritt. b. Es müssen ständig andere Handbücher verwendet werden, das heißt einander ausgleichende Lehrbücher, aus denen das ganze Spektrum der angenommenen Wahrheiten erfassbar ist. Darin sind die siebenbürger Philosophen allerdings lange schuldig geblieben, bis zum Auftritt von Smuel Köteles, der sich dazu entschloss, das ganze Spektrum der Bedürfnisse abzudecken. In der Rechtfertigung darüber findet sich das Ideologem der Berufung auf andere, entwickeltere Völker, das als Rechtfertigungsformel seit dem Auftritt von Jnos Apczai Tseri8 akzeptierte ist. c. Man findet eine wortwörtliche Berufung auf »die Freiheit des Philosophierens«. Das ist aber keine Erfindung aus der Aufklärungszeit, sondern eine in der Theologie geläufige Formel. Der Zugang zu Gott durch den Verstand ist ein seit Moses, über Paulus bis hin zu Meister Eckhart wiederkehrender Gedanke und er ist besonders in der kalvinistischen Richtung der Reformation eine starke Berufungsgrundlage. Der Protestantismus und der freie Gedanke sind also organisch miteinander verbunden. d. Neben all diesem betont die Schrift, dass die völlige Gleichheit der Freiheit des Philosophierens schadet, das heißt, dass es zwar einen Meister geben muss, man aber nicht zugleich ausschließlich dessen Wort befolgen kann.
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Diese Formulierung beinhaltet die Formel des einem kritischen Anti-Dogmatismus zugrundeliegenden Gedankens. Es wird auf die Nutzlosigkeit des aristothelischen Systems eingegangen, das keinerlei Neuerungen hatte erfahren dürfen. Die Schrift hat diesbezüglich auch vollkommen Recht: in der katholischen Philosophieausbildung wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts auf allen Ebenen nach dem aristothelischthomistischen System unterrichtet. Das hat zum Beispiel die Integrationsmöglichkeiten der Klassischen Deutschen Philosophie ausgeschlossen, aber systematisch auch die Integrationsmöglichkeit der wissenschaftlichen Errungenschaften. Man hat mit skolastischen Debatten und Vorgehensweisen das Unmögliche versucht: die Integration der Ergebnisse der Anthropologie und Kosmologie. Der wichtigste Teil des Programms ist derjenige, der nach deutlichen Kriterien festlegt, was in der Philosophie eine auf festen und fundamentalen Grundsätzen beruhende Lehre ist und was nicht durch Gesetze festgelegt werden kann. Der Gedanke des »Wettbewerbs« ist ein besonders attraktiver, wobei die miteinander wetteifernden Lehren und Vorstellungen auf einer typisch protestantischen, freisinnigen Vorstellung beruhen. Nun ist es verständlich, dass die Schrift auch von der Lage des katholischen Lehrwesens handelt, von den vielen Einschränkungen, von der unseligen Rolle der Päpste und Konzile hinsichtlich der Entfaltung der freien Philosophie. Die hier verfolgte Absicht kann es nicht sein, die Meinung der Autoren zu bewerten, da jede Zeit immer aus ihrem eigenen Kontext verstanden werden muss. Es lässt sich aber nicht verschweigen, dass die Rolle der Konzile in vielen Fällen durchaus positiv sein konnte: Die Debatten, die Erweiterungen des Gottesbegriffes haben in vielen Fällen zur Entwicklung der theologisch-philosophischen Lehren beigetragen. Es ist eine rein protestantische Vorstellung, dass die Konzile jedes Mal zu festgelegten Lehren führen, zu Dogmen, von denen man später nicht mehr abweichen kann. Das kennzeichnet einen Denkmodus, der in die jeweilige kämpferische protestantische, gewissermaßen glaubenspolemische Haltung hineinpasst. Die Schrift stellt letzten Endes prinzipielle Unterschiede zwischen der protestantischen und der katholischen Denk- und Unterrichtsweise fest. Hierin muss aber in erster Linie nicht mehr der kämpferische Standpunkt des Protestantismus gesehen werden, sondern die Rechtfertigung der spezifischen Lehrmethoden und Einrichtungen, die Loslösung von den Grundvorstellungen der Ratio educationis.
Das wichtigste Argument der Rechtfertigung besteht hierbei darin, dass die Protestanten im Grunde genommen über die Hoheitsrechte anders denken, das
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heißt – im Sinne von jenem Teil des VI. Kapitels aus Calvins Institutio mit dem Titel Über die Freiheit der Christen – dass für den Schutz der Religionsfreiheit jedwede Art der Widersetzung erlaubt ist. Diese Gedanken rechtfertigen die Unterrichtsnormen, das heißt, dass die glaubensschirmenden Fundamente des protestantischen Unterrichts das gesamte Gebilde bekräftigen: Die Freiheit der Philosophie, ihre Kritikfähigkeit, die Freiheit der Lehrbuchauswahl und dergleichen sonstige Prinzipien. Auf Grund von all diesem müssen wir feststellen – ohne jeglichen anti-katholizistischen Ton –, dass die Vorschrift Novum Studiorum Systema die normativen Grundsätze des Philosophieunterrichts mit außerordentlicher Klarheit formuliert. Es ist eine andere Frage, wie viel sie bezüglich der Bedingungen des Philosophieunterrichts, seiner Struktur sowie des Mangels an Lehrbüchern und Lehrkräften aus alledem während des untersuchten halben Jahrhunderts verwirklichen konnte. Unter all diesen Bedingungen hatten die gebildeten Professoren die wichtigste Rolle, die in ausreichender Zahl vorhanden sein mussten. Das größte Hindernis auf dem Wege des philosophischen Fachunterrichts war wahrscheinlich die Tatsache, dass die Philosophie-Professoren auch die sogenannte enzyklopädische Philosophie unterrichten mussten, in die fast jede Wissenschaft hineingepasst hat. Diese Encyclopedica philosophia war in Apczais Zeit notwendig, der die gesamte Lehrstruktur für hundertfünfzig Jahre bestimmt hat. Sie war notwendig, weil man Bildungsgrundsätze für das sich im »Schlamm wälzende Siebenbürgen«9 schaffen musste. Der Philosophie-Lehrer konnte und hat praktisch auch jede Wissenschaft unterrichtet. Der Begriff der Philosophie als Wissenschaft der Wissenschaften (die tatsächlich jede Wissenschaft umfasst) war aber zur Zeit der Aufklärung schon überholt, als der Fachunterricht der Philosophie und der Wissenschaften in den Vordergrund trat. Dafür trat auch die Vorschrift Novum Studiorum Systema ein, als sie betonte, dass man die Theologie und die Philosophie trennen müsste, wofür das Lehrsystem von Straßburg am Mieresch das Vorbild war. So konnte man getrennt theologische Fächer unterrichten: Methodus studii theologici, Hermeneutica sacra bzw. Philosophien, von denen die Schrift folgende erwähnt: Historia philosophiae, Encyclopaedia philosophica et mathematica, paedagogia – aber die Aufzählung ist zu allgemein und nur beispielhaft. Äußerst wichtig erscheint die Bemerkung: »man könnte die sittliche Philosophie auf ungarisch unterrichten«, die immerhin schon im Jahre 1781 geäußert wurde. In dieser Zeit waren die Voraussetzungen des ungarischsprachigen Philosophieunterrichts noch nicht gegeben, was vor allem mit der fehlenden Fachterminologie zusammenhängt. Die Voraussetzungen dazu, sich zu typologischen Grundsätzen über die so-
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genannte ungarische Philosophiegeschichte bekennen oder richtungsgebende Urteile fällen zu können, bestehen wohl nicht. So ist beispielsweise der wichtigste Teil des Werkes von Pl Sipos10 unveröffentlicht und quasi unbekannt. Das Problem besteht in diesem Zusammenhang darin, dass ohne die Kenntnis des zumindest ungefähren Registers des Bekanntschafts- und Belesenheitsindexes der Lehrbücher, Bücher, des handschriftlichen Nachlasses, Briefwechsels und des Debattenmaterials nur Hypothesen aufgestellt werden können.
Sámuel Köteles, Gründer der ungarisch-sprachigen Philosophie im Ausgang von Kant Anhand der bestehenden Forschungen lässt sich dennoch eine These aufstellen, der zufolge Smuel Köteles (1770–1831) eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der ungarischsprachigen Philosophie aus Siebenbürgen in ihrer kantischen Grundform spielte. Köteles hatte in Wien, Jena und Göttingen studiert. Er spielte eine Hauptrolle in der Institutionalisierung der kantischen Philosophie in Ungarn und Transsilvanien. Von ihm stammt das erste ungarische Lehrbuch der Moralphilosophie (1817). Seine Werke schrieb er im Geiste Kants,11 nachdem er – aufgrund der in der damaligen Zeit im Umlauf befindlichen Gedanken – gemeinsam mit mehreren Lehrergesellen eingesehen hat, dass man, dessen terminologische Grundlagen allererst erschaffend, zum ungarischsprachigen Philosophieunterricht übergehen müsse. Köteles wollte nicht so sehr originelle Werke schaffen, sondern vielmehr im Unterricht brauchbare, gründliche Lehrbücher, die verschiedene philosophische Fachzweige umfassen. Er erfreute sich eines großen Ansehens sowohl in den beruflichen, als auch in den kirchlichen und den weltlichen Foren und wurde als der siebenbürgische Aufklärer angesehen. Ein Vergleich seiner Werke mit dem, was andere geschaffen haben, weisen ihn bei Weitem als den Bedeutendsten aus. Es geht um zwei Fragen: die eine betrifft die Rolle des produktiven Schriftstellers Köteles in der Erschaffung ungarischsprachiger Werke. Die andere betrifft den Spracherneuerer Köteles im Rahmen der Philosophie oder die Rolle des siebenbürgischen Philosophen in der Magyarisierung der Begriffe. Dabei ist den hierauf bezogenen Feststellungen von Andrs M¦szros zuzustimmen, dem zufolge Köteles sogar von den akzeptierten, magyarisierten Ausdrücken, die aber ihrer Bedeutung nach noch unsicher waren, zu den lateinischen Wortformen zurückgekehrt ist. Der Nachfolger von Smuel Köteles am Lehrstuhl aus Straßburg am Mieresch war Ferenc Csorja. Dessen fichtesche (ungarischsprachige) Grundphilosophie erschien im Jahre 1842. Sein Lehrbuch hatte er auf Grundlage des heutzutage neu
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Abb. 2: Smuel Köteles
bewerteten und geschätzten Philosophen Wilhelm Traugott Krug (1770–1842) zusammengestellt, das von einem guten Verständnis Fichtes zeugt und sich auch auf Hegel und Schelling bezieht. Er begriff die Grundgedanken des kantischen Kritizismus sehr genau und verstand es, die Rolle des Deutschen Idealismus gegenüber dem sogenannten dogmatischen Schlummer herauszuarbeiten. Selbst bezeichnete er sich als Vertreter des Synthetismus-Systems. Mûzes Sz¦kely war Lehrer am unitarischen Kolleg. Im Jahre 1843 veröffentlichte er seine Metaphysik. Hier bezog er sich überwiegend auf den Kant-Anhänger Fries bzw. auf Hegel. In diesem Zusammenhang ist darauf aufmerksam zu machen, dass man viele im Unterricht bekannte Handbücher und Lehrbücher (Krug, Fries, Baumeister) und ihre ungarischen Varianten erforscht hat. Trotzdem müsste man diese Frage in einem einheitlichen Rahmen besprechen. Das setzte aber eine sehr gründliche Erforschung des Bekanntheits- und Belesenheitsgrades, sowie des Benutzungsgrades voraus. Zur Zeit aber arbeiten – einer Einschätzung nach – bloß fünfzehn Forscher ständig an Themen der ungarischen Philosophiegeschichte. Die zwei letzten Schritte in dieser Entwicklung bezeugen schon den Anspruch
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darauf, dass die ungarischsprachige Philosophie in Siebenbürgen auf ihrem eigenen Weg wandeln sollte, was in dieser Zeit den Anspruch einer ureigenen Systembildung bedeutete. Die Philosophie hätte schließlich auch ihren Weg zum Publikum und in die Salons gefunden. Diesem Weg wurde aber durch den ungarischen Freiheitskampf aus den Jahren 1848–49 und den siebenbürgischen Bürgerkrieg (der den erneuten Untergang des Kollegs aus Straßburg am Mieresch zur Folge hatte) für weitere 30 Jahre eine andere Richtung auferlegt. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die kantische Erneuerung der ungarischen Philosophie (auch in Siebenbürgen) – sowohl hinsichtlich des Inhalts auch der ungarischen Terminologie und Sprachlichkeit – die Frage der Modernisierung im allgemeinen, auch über die Philosophie hinaus betraf. Sie entsprach auch der protestantischen moralischen Geistlichkeit. All dieses band den ungarischen Bildungs-Unterricht und die Buchausgaben für ein Jahrhundert generisch an die deutsche Aufklärungs-Philosophie, an die wissenschaftlichen Institutionen und an die deutsche Sprache. Aus dem Ungarischen übersetzt von P¦ter Egyed und bearbeitet von Philipp Schaller
Die Kant-Kritik des Ungarn József Rozgonyi von Béla Mester Jûzsef Rozgonyi (1786–1823) zählt zu den bedeutendsten Philosophen der ungarischen Philosophiegeschichte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Sein Lebenswerk wird in mehrfacher Hinsicht durch Epochengrenzen und Wendepunkte zweigeteilt. Seine Lehrjahre liegen noch vor der Französischen Revolution, aber er schrieb die Mehrheit seiner Werke schon in den letzten Jahren der Napoleonischen Kriege und in den ersten Jahren der Heiligen Allianz. Diese Zeit in der ungarischen Geschichte ist die der Reformen Joseph II. und der dann beginnenden regen Jahrzehnte. In der ungarischen Kulturgeschichte zählen sie zur letzten Periode der Aufklärung, welche der Romantik vorausging. Rozgonyis Lehrjahre und seine Schaffensperiode treffen – unter dem Aspekt der Philosophiegeschichte – mit der Erscheinung und Verbreitung der Kant-Kritiker sowie mit den ersten deutschen Debatten der ersten Generationen seiner Anhänger zusammen. Zur gleichen Zeit trug sich die sogenannte Kant-Debatte in Ungarn zu. Bei der Analyse des Werkes von Rozgonyi ist auch zu beachten, dass er der letzte bedeutende ungarische Denker war, der seine wichtigen Studien noch lateinisch formulierte, obwohl er zugleich schon Teilnehmer der ungarischsprachigen philosophischen Streitgespräche ist. Er adressierte seine lateinischen und ungarischen Werke an verschiedene Öffentlichkeiten: die lateinischen eher an die europäischen Fachphilosophen und die ungarischen eher an
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die gebildete Öffentlichkeit. Auf diese Weise tragen die Werke auch in Umfang, Stil und Thematik unterschiedlichen Charakter. Die kleineren ungarischen Schriften sind moralphilosophische Streitschriften und die lateinischsprachigen behandeln größtenteils erkenntnistheoretische systematische Aufsätze. Ein interessanter Zug seines Lebenswerkes ist, dass es die Zeitgrenzen überschreitet, wobei die genaue Grenzbestimmung durch den lückenhaften Forschungsstand aufgehalten wird. Denn die Beurteilung dieser Epoche ist in der ungarischen kulturellen Erinnerung und in der Geschichtsschreibung widerspruchsvoll. Die im 17. Jahrhundert noch bedeutende philosophische Kultur geht – parallel mit der Verfeinerung des tagtäglichen Lebens und der materiellen Verhältnisse sowie dem Verbot des Buchimports – zurück. Zugleich verstärkt sich die kirchliche (katholische) Zensur in einem nie dagewesenen Maße, und auch der Besuch der westeuropäischen Universitäten wird stark eingeschränkt. Als erstes Beispiel kann man Rozgonyis Peregrination anführen, insofern diese Bewegung gegen Ende des Jahrhunderts auch durch seine Person neu belebt wird. Im Folgenden wird Rozgonyis Lebenswerk kurz dargestellt, wobei die geistigen Impulse, seine Werke und die zeitgenössischen deutschen und ungarischen Debatten über Philosophie zu beschreiben sind. Am Ende des Beitrags wird kurz darauf hingewiesen, wie die von ihm vertretenen Positionen im Denken des 19. Jahrhunderts weitergelebt haben. Auf die Textrekonstruktion der einzelnen Werke muss hier verzichtet werden und so beschränkt sich die Untersuchung auf die Summierung des Lebenslaufs sowie den Aufriss des philosophiehistorischen, kulturellen und historischen Kontextes.
József Rozgonyis Laufbahn: Utrecht, Oxford, Göttingen und Sárospatak Jûzsef Rozgonyi stammte aus einer intellektuellen Familie in Nordostungarn, aus der Stadt Srospatak. Sein Großvater und auch ein Onkel von ihm waren als Professoren im berühmten alten reformierten Kollegium zu Srospatak tätig. Der begabte junge Mann begann sein Studium im Ausland, teils durch eigenes Einkommen, das er als »Lehrer« erhielt, teils aus dem Erbe des Großvaters. Ein Auslandsstudium war aber für einen Protestanten in Ungarn ohne höfische Beziehungen in der Tat kaum möglich, denn seit der Regierung von Maria Theresia hielt die Königin das Bewilligungsrecht der Auslandsstudien der Untertanen in ihrer eigenen Hand und das brachte vor allem für die Protestanten Nachteile mit sich. So wählte er unter den Universitäten der Habsburg-Monarchie die Wiener Universität aus. Es ist überliefert, dass Joseph II. ihn als ausgewiesenen Studenten zu einem persönlichen Gespräch empfing, wo Rozgonyi angeblich die Bewilligung der freien westlichen Peregrination aller späteren
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ungarischen Untertanen vom Kaiser erbitten konnte, womit der Herrscher wohl nur eine Geste gegenüber den Ungarn setzen wollte. Mit seinem ausländischen Studium setzte Rozgonyi diejenigen Traditionen fort, die am Anfang des Jahrhunderts gewaltsam unterbrochen worden waren. Sein erster Weg führte nach Utrecht, einem alten Zentrum der ungarischen Peregrination. Hier absolvierte Jnos Pûsahzi das Studium der Anticartesianer, der zu den bedeutenden Professoren des Kollegiums Srospatak zählte. Jnos Pûsahzi (1628–1686) war vor Rozgonyi der bedeutendste Philosophieprofessor des Kollegiums in Srospatak. Rozgonyi war hier vier Jahre hindurch Hörer des Professors Hennert (1739–1813), der Universitätsprofessor in Utrecht für Mathematik und Physik war. Hennert war in der Welt des schottischen Denkens des 18. Jahrhunderts bewandert, kannte die dortigen Debatten und teilte die Meinungen von Reid und Beattie, welche Hume gegenüber standen, über die common sense-Schule. Rozgonyi hat sich die Ansichten seines Meisters angeeignet und blieb auch dabei, wie seine spätere Kant-Kritik zeigt. Nach den Studienjahren kam es – als Ergänzung – zu einem Semester an der Universität Oxford. In seinen Lehrjahren hat er möglicherweise auch die Universitäten von England, Frankreich und der Schweiz besucht haben, was sich aber nicht sicher belegen lässt. Genauso ist bis dato nicht bekannt, von wo aus er über die Ereignisse der Französischen Revolution berichtet hat. Es steht fest, dass er sich im November 1789 an der Universität Göttingen eingeschrieben hat, wo er die verschiedenen Deutungen der kantischen Philosophie und die diesbezüglichen deutschen Debatten kennenlernte. Wegen weiteren Kant-Studien machte er auf dem Wege nach Hause einen Umweg von ein paar Monaten, um die Vorlesungen Reinholds in Jena und Jakobs in Halle zu hören. Dann eilte er – wie sich aus einer Aufzeichnung von ihm ergibt – nach Hause. Der Grund für die Eile war die Annahme einer Berufung an das Gymnasium in Losonc, Oberungarn. Hier war Rozgonyi von 1791 bis 1797 als Professor tätig und formulierte die fertige Fassung seiner Kant-Kritik,12 die breites Aufsehen erregte. Danach verfasste er lange Zeit keine weitere Schrift. Als 1796 sein ehemaliger Freund, Istvn Szentgyörgyi, emeritiert wurde, berief man ihn als Philosophieprofessor an das Kollegium zu Srospatak. Diese Stelle behielt er bis zum Ende seines Lebens. Außer der Antrittsrede13 schrieb er auch hier lange Zeit kaum etwas. Er beschäftigte sich mit der Ausgabe des Nachlasses seines Kollegen.14 Weitere Werke von ihm erschienen erst 1813–1822, wobei die wichtigeren zusammenfassenden Schriften erst kurz vor seinem Tode herausgegeben wurden. Auf diese Weise kann man sein aktives Leben auf zwei Perioden aufteilen. Die erste wird durch die Kant-Kritik und eine vertiefte Forschungstätigkeit gekennzeichnet. Die zweite bringt seine größeren Werke und das geistige Testament mit sich. Das Schweigen zwischen beiden aktiven Lebensperioden ist teils mit den knappen Druckverhältnissen in Srospatak, teils mit den Zensur-
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schwierigkeiten während der Napoleonischen Kriege zu erklären. Die lange inaktive Periode wirkte sich auf seine spätere Philosophie aus: er versuchte das Schreiben da fortzusetzen, wo es unterbrochen worden war, wobei sowohl die deutsche als auch die ungarische Kant-Debatte sich ihrer systematischen Ausrichtung nach verändert hatten, so dass er sich ihnen in seinen neuen Schriften irgendwie anpassen musste.
Die Werke József Rozgonyis Die erste Schrift Rozgonyis mit dem Titel Dubia de Initiis transcendentalis idealismi Kantiani, ad viros clarissimos Jacob et Reinhold drückt seinen Zweifel an der kantischen Philosophie aus. Dieses Werk (erschienen 1792) beinhaltet in formaler Hinsicht Fragen eines jungen Denkers an Reinhold und Jacob, der soeben das Studium absolviert hatte. Wie er in der Einleitung ausführt, besuchte Rozgonyi damals die Vorlesungen von Reinhold und Jacob, um mit der deutschen Interpretation des Kritizismus bei den besten deutschen Kennern (»optimata, duumviri«) vertraut zu sein. Wie er schreibt, bot sich in Jena und Halle, abgesehen vom Hören der Vorlesungen, nicht die Gelegenheit, längere Gespräche mit den Professoren zu führen, obwohl sowohl Reinhold als auch Jacob ihm versprachen, seine schriftlichen Fragen gerne beantworten zu wollen. Rozgonyi stellte aber aus diesen Fragen und Zweifeln ein ganzes Büchlein zusammen, welches er »wegen der leichteren Lesbarkeit« auch im Druck herausgab. So erwartete er nunmehr die Antwort auf dieses Buch, und zwar, wie er meinte, auch öffentlich. Die Fragen des bescheidenen Schülers tragen in der Tat eine ironische Form: Die Vorlesungen wurden von ihm nicht als Student, sondern als einem älteren Kollegen besucht (er war zwei bis drei Jahre älter als diese genannten Professoren). Dieses Büchlein namens Dubia ist in Wahrheit eine Streitschrift. Es steckt sich das Programm zum Ziel, die Kritik der reinen Vernunft zu interpretieren und die unklaren Stellen aufgrund der Kritik der praktischen Vernunft sowie der Interpretationen der als Kant-Experten »ausgewiesenen Reinhold und Jacob« zu deuten, zu erläutern und dabei die immer noch im Schatten gebliebenen Stellen zu bezeichnen. Die »unklaren Stellen« waren eigentlich diejenigen Thesen, die von Rozgonyi klar verstanden worden waren, doch wurde er weder durch die kantischen Argumente, noch von den der »duumviri« überzeugt,15 und erwartete das auch in der Zukunft nicht mehr. Rozgonyis eigene philosophische Position zeigt bereits ein – vor den Kant-Analysen ungewöhnliches – englischsprachiges Zitat des lateinischen Bandes, welches eigentlich Beatties Schrift An Essay on the Immutability of Truth entnommen worden war : »All sound reasoning must ultimately rest on the principles of common sense, that is on
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Abb. 3
principle intuitively certain or intuitive probable; and consequently the common sense is the ultimate judge of truth, to which reason must continually act in subordination.«16 James Beattie (1735–1803) war schottischer Philosoph und Anhänger der common sense-Philosophie von Thomas Reid. Dieses Motto des schottischen Philosophen formuliert die Schlüsselrolle des gesunden Menschenverstandes, des common sense, in der Erkenntnis. Rozgonyi errichtete seine Kant-Kritik gerade auf diesem Prinzip. Der schmale Band rekonstruiert den kantischen Gedankengang (»opusculum meum«) und knüpft seine Kritiken daran. Dieser Text, welcher sich der antikantianischen Ausgangsposition der ungarischen Kant-Debatte zurechnen lässt, äußert sich eigentlich mit hoher Achtung über die kantischen Verdienste, zu der großen Tat, »wie Kant den Augias-Stall ausgefegt und eine Newtonsche Wende in der Geschichte der Philosophie« vollbracht hat.17 Im Vorwort ist von »unklaren Stellen« die Rede,18 die
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Abb. 4: Jûzsef Rozgonyi, Dubia de Initiis transcendentalis idealismi Kantiani, ad viros clarissimos Jacob et Reinhold, Vorwort in Form eines Briefs an Jacob und Reinhold (1792)
nur von den besten Kant-Interpreten (optimi) erhellt werden sollten. Diese stellen eigentlich die Grundlagen der kantischen Philosophie dar, nämlich die Fragen des Raums, der Zeit, der Kausalität, sowie die Möglichkeit von a priori synthetischen Urteilen. Hier wird auf eine ausführliche Besprechung der Argumentation Rozgonyis nicht eingegangen, aber es sei doch festgestellt, dass das System des Gedankenganges bei allen Teilproblemen ein angemessenes Niveau erreicht. Von Rozgonyi werden die kantischen Ideen in allen Fällen auf die Ansichten des 17.–18. Jahrhunderts, insbesondere auf die schottische Aufklärung, das heißt auf die dortigen Debatten am Mitte und am Ende des 18. Jahrhundert zurückgeführt, und auf diese Weise werden die Rozgonyi’schen Positionen schon in diesem dominant schottischen Kontext formuliert. Seine Argumentation lässt sich an ein paar Beispielen veranschaulichen. So behauptet
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er : (1) Der kantische Kausalitätsbegriff lässt sich auf den Hume’schen zurückführen; (2) Die Probleme des Hume’schen Kausalbegriffes werden am besten von der Kritik des Thomas Reid umrissen; (3) nach Rozgonyis Meinung hatte Reid wider Hume recht; (4) Rozgonyi, der die Reid’schen Ansichten annimmt, will damit Kant gegenüber recht behalten. Im Laufe der Debatte spielen mehrere zeitgenössische Gestalten der britischen – hauptsächlich schottischen – Philosophie eine Rolle. Neben dem häufig zitierten Hume noch Butler, Oswald und vor allem Reid, dann Beattie und von den älteren tritt Berkeley als Vorläufer Kants hervor, sowie aus der empirischen Tradition Locke, dessen Lehre darin aber gleichsam von den sekundären Qualitäten »befreit« erscheint. In diesem Werk kommen die Autoren der kontinentalen Philosophie, unter anderen die deutschen – außer Kant –, nur per tangentem vor. Einige Bemerkungen sind noch über Leibniz und Wolff als Begründer der vorkantischen Systeme anzutreffen. Darüber hinaus setzt Rozgonyi sich mit den Reinhold’schen und Jakob’schen Interpretationen auseinander und bei dem letzteren äußert er seine Meinung über dessen Mendelssohn-Kritik und demgemäß auch über die Mendelssohn’schen Ansichten selbst. Rozgonyi sah seine Aufgabe vor allem darin, seine eigene Denkweise schottischer Prägung in der Kant-Debatte als dem »deutschen Diskurs« zum Ausdruck zu bringen. Das Anliegen der Dubia war in erster Linie die Kant-Kritik und nicht so sehr die Ausführung seiner eigenen Ansichten. Aus dem Text erscheint dennoch fast klar, dass hier Konturen einer postkantianischen Philosophie ausgezeichnet sind, welche nur in ihren Grundlagen der common senseSchule angehört. Reinhold und Jacob antworteten freilich nicht auf die Streitschrift des bislang nicht veröffentlichten Autors. Dennoch blieb Dubia nicht ganz ohne Kenntnisnahme. Es ist zweckmäßig, das Werk zusammen mit seiner im Jahr nach der Veröffentlichung erschienen Rezension zu behandeln19 sowie mit Rozgonyis Antwort darauf.20 Die anonym veröffentlichte Rezension bearbeitet die Thesen von Rozgonyis Schrift sorgfältig. Sie bringt vor, dass der Autor die betreffenden Ansichten von Kant entweder nicht gründlich genug kenne oder sie missverstanden habe. Der Verlag gestattete Rozgonyi keine Antwort, während der Verfasser der Rezension, der von kantischer Gesinnung gewesen sein dürfte, im Schatten blieb. Eine rhetorische Wendung von Rozgonyis Rückantwort, die später in der Einleitung in einem gesonderten Heft veröffentlicht worden war, lässt sich allerdings so verstehen, dass dieser zumindest ahnte, in welchen Kreisen der Rezensent zu suchen wäre. Vielleicht hatte er auch ungefähre Vorstellungen, um wen es sich handelte: »In meinem Büchlein Zweifel [in libello Dubiorum] hatte ich meine Einwände dem berühmten Reinhold und Jacob bescheiden ausgeführt, aber die Herren schwiegen. Doch sprang im Jahre 1793 auf einmal als ein Aretalogus aus einer Zauberbüchse heraus die Besprechung
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meiner kleinen Arbeit, in einem unbescheidenen Ton und mit Professorenhohn.«21 Rozgonyi führte später in seiner Antwort – in einem gesonderten Heft – auf 62 Seiten aus, warum der Rezensent damals nicht recht hatte, und entwickelte seine eigenen kritischen Ideen. Er hielt seine früheren Gedanken also aufrecht. Heute ist kaum zu rekonstruieren, wer der wahre Autor der Rezension war. Es ist wahrscheinlich, dass er unter den Lutheranern in Ungarn zu suchen ist, die in den 90-er Jahren bereits weitgehend zu Kantianern geworden waren. Womöglich könnte es sich auch um eine Gruppe von Intellektuellen von institutionellem Rang gehandelt haben. Rozgonyis philosophischer Kanon lässt sich am besten vor dem Hintergrund der Philosophiegeschichte einschätzen, die er für die Lehre an seiner Hochschule verfasst hatte. Dieser Band behandelt die erkenntnistheoretischen Probleme der Stoiker und der Skeptiker der Antike ebenso wie die zeitgenössischen Kompendien.22 Der Autor befasst sich auffallend wenig mit den Denkern der Französischen Aufklärung. Demgegenüber entwickelt er detailliert Priestley, Price und die Debatten der schottischen Philosophen (common sense), sowie Reid und Hume. Antikantische Argumente, die er in geschliffener Rhetorik vorträgt, spielen eine große Rolle in seinen Ausführungen. Wie schon in seiner Antwort auf die Rezension seiner Dubia beruft er sich auch hier wieder auf Schulze. Eigene philosophische Ideen Rozgonyis finden sich in seinen späten Schriften, worin er seine über viele Jahre hinweg abgehaltenen Vorlesungen zusammenfasst. Ein Teil seiner Vorlesungsgedanken sind in Pl Almsi Baloghs studentischen Vorlesungsnachschriften erhalten geblieben (1812–1813). An diesen lässt sich bemerken, dass Rozgonyi in seiner Einführung eine Art schulphilosophische Tradition weiterführt. Im Allgemeinen findet man aber nur die Beschreibung der zeitgenössischen Philosophie des Geistes – im Sinne der philosophy of mind – oder eine Charakterisierung ihrer Strömungen, wobei die meisten Disziplinen der Philosophie im Rahmen der genannten Philosophie behandelt werden (zum Beispiel die Ontologie, die Kosmologie, die Probleme der Zeit). Eine kritische Analyse der zeitgenössischen ästhetischen Ideen mündet zuletzt in die Kritik der kantischen Ästhetik. Dabei werden die Ideen von Rozgonyis antikantianischem Verbündeten Schulze ausführlich besprochen. Im Jahre 1791 rezipiert Rozgonyi Kants Kritik der Urteilskraft offensichtlich noch nicht. Der dritte Teil von Rozgonyis Werk entwickelt schließlich diejenigen Themen und Inhalte, die heute innerhalb der Psychologie behandelt werden. In der Druckfassung der Vorlesungen, die einige Jahre nach deren Abhaltung erschien,23 wird dann deren geistesphilosophischer Inhalt betont. Die ästhetischen Stellen sind fast verschwunden oder abgekürzt und die ästhetischen Erscheinungen dienen nur noch zum Illustrationsmaterial für die Philosophie des Geistes.
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Die andere, noch vor Rozgonyis Tod herausgegebene Arbeit ist eine Philosophie des Rechts in lateinischer Sprache.24 Dieses kurze, zum Lehrbuch bestimmte Werk bietet mehr als eine Rechtsphilosophie im heutigen Sinne. Es befasst sich im Rahmen der Erarbeitung bestimmter Probleme auch mit den Grundlagen der Ökonomie nach Adam Smith. Was Rozgonyis Auseinandersetzung mit Kant betrifft, sind vor allem jene Kapitel des Werks von Interesse, in welchen er dessen naturrechtliche Ansichten großräumig betrachtet und kritisiert. Ein genauer Blick auf die Titelblätter der letzteren beiden Werke gibt einen Überblick über das geplante philosophische Lebenswerk des Autors, obwohl die tatsächliche Erarbeitung des Systems nie zustande gekommen ist. Denn man sieht auf der linken Seite des Titelblattes folgende Daten: A) De vero. Prs I. Psychologia empirica et rationalis; B) De bono. Pars I. Jus Naturae. Auf die Frage, warum De bono (über das Gute) nicht fortgesetzt wurde, lässt sich schwerlich eine treffende Antwort geben. Rozgonyi beschäftigte sich zwar mit der philosophischen Erörterung von ethischen Fragen, jedoch war er nicht imstande, sich diese wirklich im Rahmen eines systematischen Standpunktes zu erarbeiten (Konsequenzialismus, Eudaimonismus). Er war zwar davon überzeugt, dass der kantische Formalismus, den er verneinte, im Rahmen der Analyse der Privat- und Gemeingüter aufzulösen ist, doch ist die Ethik nicht berechtigt, hier als souveräne Disziplin aufzutreten.
Rozgonyi und Schulze im Kontext der deutschen und ungarischen Kant-Debatte Nach der ungünstigen Aufnahme der Schrift Dubia und dem darauffolgenden, langen Schweigen des Autors entdeckte Rozgonyi mit Freuden das Werk von Gottlob Ernst Schulze für sich. Dieses erachtete er während seiner ganzen späteren Laufbahn für wichtig und von grundlegender Bedeutung. Besonders schätzte er Schulzes anonym erschienenes Werk: Aenesidemus.25 Da sich die erste Berufung auf Schulze bei Rozgonyi erst 1816 in der Schrift Responsio findet, ist kaum zu bestimmen, ob er dieses Werk gleich nach der ersten Auflage oder erst 20 Jahre später wahrgenommen hat. Wie immer dies auch datiert werden mag, war Rozgonyi jedenfalls erfreut, einen unverhofften Alliierten im antikantianischen Streit gefunden zu haben. Er bezog sich von dieser Zeit an auf Schulzes skeptischen Standpunkt als Bekräftigung seiner eigenen, auf dem common sense basierenden Kant-Kritik. In Wahrheit wiesen die Ansichten beider jedoch Unterschiede auf und zwar in wichtigen Fragen, so etwa der nach dem Probabilismus. Von einer gewissen Ähnlichkeit im Gedankengang abgesehen findet man Gemeinsames nur darin, dass Rozgonyi und Schulze die KantProblematik auf Hume zurückzuführen suchen, allerdings auf unterschiedliche
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Weise und mit verschiedener Zielsetzung.26 In Rozgonyis späteren Schriften sind stets mehrere Berufungen auf Schulze zu finden, was aber keine echte Parallele in ihrer Denkweise bedeutet: In den Blättern von Rozgonyis De vero wie auch in seinen philosophiehistorischen Zusammenfassungen wird der Göttingische Professor als jemand dargestellt, der dem Kantianismus innerhalb der deutschen Kultur »eine tödliche Wunde« zugefügt habe, während eine Inanspruchnahme von Schulzes eigenen, positiven philosophischen Ansätze in Rozgonyis Versuchen nur auf einem Randgebiet, nämlich in der Ästhetik anzutreffen ist. Im April 1817 sendete Rozgonyi – durch einen seiner Schüler – alle seine bis dahin erschienenen lateinischsprachigen philosophischen Werke der Universität Göttingen zu. Schulze reagierte darauf mit einem Brief und drückte seine Freude darüber aus, dass er auch in Ungarn antikantianisch eingestellte Mitkämpfer hat. Rozgonyi veröffentlichte diesen Brief sofort in Übersetzung in der ungarischen Presse.27 Sein nächstes Werk Aphorismi psychologiae wurde Schulze bereits gewidmet und zugesandt. Über das Buch erschien in Göttingen eine anonyme, aber anerkennende Rezension. Laut einiger Philosophiehistoriker soll der Autor Schulze selbst gewesen sein.28 Der genannte Schulze-Brief, sowie ein anderer, welcher auf das letztere Werk reflektiert, wurden samt dem Dankbrief des Bibliothekars der Universität Göttingen von Rozgonyi später in einem gesonderten Heft gedruckt. Rozgonyi war offenbar bestrebt, seine heimische antikantianische Position durch das Ansehen Schulzes und des Standortes Göttingen überhaupt zu bekräftigen. Doch wollte er zugleich seine eigene (auf dem common sense basierende) Erkenntnistheorie und Kant-Kritik verorten und zwar in einem philosophischen Milieu, welches – wie er meinte – von der englischen Tradition weit genug entfernt sein sollte. Seine Anstrengung, sich in die zeitgenössische philosophische Diskussion in Deutschland einzuschalten, brachte ihm ein bescheidenes, aber doch sichtbares Ergebnis. Nach dem Briefwechsel mit Fachkollegen erschien eine günstige Rezension über seinen wichtigsten Band und die meisten seiner Werke waren in den größten deutschen Bibliotheken bestellt und vorhanden. Rozgonyis Kant-Kritik und die Übersetzung des erwähnten Schulze-Briefes übten gerade auf die ungarische Philosophie eine merkliche Wirkung aus. Die ungarische Philosophiegeschichtsschreibung betrachtet Rozgonyi als den Wortführer des antikantianischen Lagers in der ungarischen Kant-Debatte der Jahre 1792–1822, womit er als der Hauptgegner der Kantianer, besonders Istvn Mrtons (1760–1831) rangiert. So, wie der ungarische Kant-Streit, in den er im Grunde ungewollt hineingezogen wurde, mit Rozgonyis Schrift Dubia einsetzte, endete er auch mit dessen letzter Schrift im Jahre 1822. Rozgonyis philosophische Ansichten änderten sich in diesem Zeitraum nur auf unwesentliche Weise, während sich die Diskussionspartner abwechselten. 1810 musste er als Ver-
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lagsleiter des Kollegiums ein kantisch orientiertes Manuskript eines Kompendiums begutachten. Das Gutachten erschien auch in Druckform, wobei er bezüglich der kantischen Ethik all das zusammenfasste, was er schon in den gnoseologischen Schriften darüber ausgeführt hatte. Das Wesen seiner Beweisführung besteht in einer Kritik am kantischen Menschenbild und einer Verteidigung der materialen ethischen Auffassung gegen den kantischen Formalismus.29 Im Jahre 1817 erschien über Rozgonyis Kritik eine positive Rezension in derselben Zeitschrift Tudomnyos Gyu˝ jtem¦ny (Wissenschaftliche Sammlung), in welcher er die erste Übersetzung des Schulze-Briefes veröffentlicht hatte. Da die Zeitschrift sowohl die fachliche als auch die breitere Öffentlichkeit erreichte, wurde Rozgonyi nun ein bekannter Autor. Die dem Publikum vertrauteste Schrift war das Werk »A pap ¦s a doktor« (Der Pfarrer und der Doktor),30 das allerdings anonym erschienen war. Rozgonyi gebraucht darin zwar den Pamphletstil, doch geht er nach der Einleitung zur ernsthaften philosophischen Argumentation über. Dabei finden sich in seiner Beweisführung gegen Kant zwei Momente, die bedeutsame Parallelen mit der späteren ungarischen und englischen Philosophiegeschichte aufweisen. Im Laufe der Untersuchung der kantischen Maximen und der Verteidigung seiner eigenen eudaimonistischen Position versucht Rozgonyi nachzuweisen, dass Kant selbst nicht imstande war, beim Ableiten der moralischen Pflichten den Konsequenzialismus – gewisse konsequenzialistische Grundlagen – zu vermeiden. Rozgonyis Argumentation stimmt fast mit der von John Stuart Mill überein, wie dieser in der Schrift Utilitarismus seine Kant-Kritik ausführt. Die Bezugnahme auf Wahrscheinlichkeitsgesetze, welche Rozgonyi auch bei den moralischen Urteilen für brauchbar hielt, ist infolge seiner Kenntnis der common sense-Philosophie nicht überraschend. Nur an einer einzigen Stelle dieses populären Werkes, das aus der Feder eines sich hauptsächlich mit der Philosophie des Geistes befassenden Philosophen stammt, findet sich doch auch ein Hinweis, der mit der Politik der Zeit in Zusammenhang gebracht werden kann. Zur Illustration des Gegensatzes zwischen dem Handeln aufgrund der Wahrscheinlichkeit und dem Handeln aufgrund von bloßen Möglichkeiten (probabilitas et possibilitas) schreibt Rozgonyi resigniert wie folgt: »Wer nur nach der Possibilität aufbricht, geht so um, wie Kant getan hat: Er schrieb eine kleine Arbeit anläßlich des Französischen Kriegs über den Ewigen Frieden, in welchem er die damals bestehende Französische Republik als Fundament des ewigen Friedens einstellt, welche (dh. die Republik) den letzteren immer verteidigen wird. So glaubte er, daß der Frieden nunmehr ewig bestehen wird: Die große Französische Republik ist aber in Kürze vergangen und verwandelte sich in eine schreckliche bürgerliche Gesellschaft und so hörte die Hoffnung auf den ewigen Frieden auf.«31 Dieser historische Verweis
Die Kant-Kritik von Rozgonyi
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von Rozgonyis Kant-Kritik geht bereits über diese selbst hinaus und kritisiert alle Illusionen der kontinentalen Aufklärung über die Französische Revolution, ohne sich in Richtung der Romantik orientieren oder sich entschuldigen zu müssen. Unter seinen kantianisch gesinnten Gegnern fanden sich dennoch Personen, die den kantischen Gedanken vom ewigen Frieden mit dem System der Heiligen Allianz gleichsetzten und in diesem entstellten Sinne akzeptabel zu machen suchten.32
Die Nachwelt. Rozgonyis Philosophie im ungarischen Denken Rozgonyis Kant-Kritik wirkte sich auf die spätere ungarische Philosophie auf indirekte Weise aus, indem sie den ungarischen Kantianismus in eigenartiger Weise modifizierte. Die ungarischen Philosophen, die nach Rozgonyis Tod auftraten, waren bestrebt, sich von seiner Kritik ausgehend – oder parallel mit ihr – in Richtung solcher Strömungen zu orientieren, die ihrer Ansicht nach bereits Widerstand gegen die kritische Philosophie nach Art des Srospataker Philosophen geleistet hatten. Eine solche philosophische Richtung war die von Jakob Friedrich Fries (1773–1843), dessen Wirkung auf die ungarische Philosophie besonders groß war. Die ungarischen Frieseaner wurden bis dato am ausführlichsten von Andrs M¦szros erfasst.33 Das Denken der Frieseaner erfüllt in mehreren Hinsichten die Anforderungen von Rozgonyis Kant-Kritik. Es ist bekannt, dass Schulzes Kant-Kritik Fries in großem Maße beeinflusste. Die ungarischen Frieseaner wurden in ihren Lehrjahren in mehrfacher Hinsicht durch die parallele Kant-Kritik von Rozgonyi darauf vorbereitet, sich in Richtung von Fries zu orientieren. Gesondert sei noch die spätere Rezeption der common sense-Philosophen, das heißt der von Rozgonyi bevorzugten Denker erwähnt, da sie seine KantKritik mitbegründet hatten. Der einflussreichste Vertreter dieser Rezeption war Gusztv Szontagh (1793–1858), der als der Verfasser der sogenannten Ungarischen Harmonistik angesehen wird. Er zählt mit seiner philosophischen Orientierung insofern zu Rozgonyis Erben, als er in seinen zahlreichen Rezensionen von Werken ungarischer Philosophen stets auf die schottische Philosophie aufmerksam machte. Die Ausrichtung seines Denkens bestand in dem Versuch, die schottische Schule zwar nicht bewusst genug, aber nach und nach mit Kant in Übereinstimmung zu bringen. Mit ihm fing jene das ganze 19. Jahrhundert in Ungarn charakterisierende Bestrebung an, die mehr oder weniger utilitaristische ethische Auffassung in der politischen Philosophie mit der kantischen Ethik zu vereinbaren. Dieser Versuch führte in den 1850-er Jahren und ein paar Jahre danach zu jenen Ergebnissen, die einige Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Pragmatismus aufwiesen und zur Voraussetzung für die ungarische
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Mill-Rezeption des 19. Jahrhunderts wurden – so wie auch für ähnliche Bestrebungen von Kroly Böhm (1846–1911) und seiner Schüler in der Sozialphilosophie.34 Aus dem Ungarischen übersetzt von Jnos Rathmann und bearbeitet von Philipp Schaller
Károly Böhm – Systembildung und Werttheorie von Imre Ungvári-Zrínyi Der Neukantianer Kroly Böhm (Karl Böhm, 1846–1911), eine der prominentesten Figuren der ungarischen Philosophiegeschichte um 1900 sowie Autor des ersten umfassenden philosophischen Systems in ungarischer Sprache, wurde am 17. September 1846 in Besztercebnya (Bansk Bystrica/Neusohl) im Landesteil Zûlyom des Ungarischen Königsreichs geboren. Seine Eltern waren der Schmied Gottlieb Böhm und Anna Zsufay. Bevor sich Böhm an der Theologischen Fakultät von Pozsony (Bratislava/ Pressburg) einschrieb, besuchte er von 1852 bis 1865 das evangelische Gymnasium Besztercebnya sowie das evangelische Lyceum in Pozsony. Nach dem Abitur besuchte er Vorlesungen an deutschen Universitäten in den Fächern Philosophie und Theologie. In diesem Zusammenhang hörte er von 1867 bis 1869 Vorlesungen bedeutender Professoren an der Universität Göttingen, so etwa jene von Rudolf Hermann Lotze, der dort Psychologie unterrichtete und »eine Schlüsselrolle in der Philosophie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts [spielte], indem er beinahe alle führenden philosophischen Schulen des späten 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts beeinflusste, einschließlich der Neukantianer«;35 unter ihnen waren auch der evangelische Theologe Albrecht Ritschl, der Dogmatik lehrte, sowie Heinrich Ritter, der moderne Philosophiegeschichte unterrichtete. Nach der prägenden Zeit in Göttingen folgte 1869 ein Semester in Tübingen, wo Böhm bei Otto Liebmann Naturphilosophie und bei Hubert von Luschke Anthropologie studierte. Liebmann, der Geschichte der Naturphilosophie unterrichtete, nahm mit seiner Schrift Kant und die Epigonen (1865) die Bewegung des Neukantianismus vorweg.36 Nach seiner Studienzeit in Deutschland wurde Böhm im Jahr 1870 außerordentlicher Professor für Philosophie, Philosophiegeschichte und Theologie am Lyceum und an der theologischen Fakultät von Pozsony. Weiters veröffentlichte Böhm eine Reihe kritischer Studien in der Literaturausgabe der Tageszeitung Elleno˝r [Der Kontrolleur], die sich vor allem mit den ästhetischen Schriften
Károly Böhm – Systembildung und Werttheorie
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seiner ungarischen Zeitgenossen befassten (Ýgost Greguss, Mihly Zsilinszki, Lszlû N¦vy, Klmn Babics).37 Aus Böhms Schriften jener Zeit wird deutlich, dass er regen Anteil am deutschen Geistesleben nahm. So verfasste er etwa eine Studie über Eduard von Hartmanns Schrift Die Philosophie des Unbewußten.38
Abb. 5: Mrkû Laci, Kroly Böhm, Bronzeplakette im Hof der evangelischen Diözese, Klausenburg (2012)
Nach seinem Aufenthalt in Pozsony (Bratislava/Pressburg) übersiedelte Böhm im Jahr 1873 nach Budapest, um Professor an der evangelischen Hochschule zu werden. In dieser Zeit war Böhm sowohl als Gründer philosophischer Institutionen als auch als Philosoph äußerst aktiv. Er spielte nicht nur in der Hochschulreform eine zentrale Rolle, sondern auch als Mitglied des Philosophischen Kreises [Filozûfiai Trsaskör] sowie als Gründer der Ungarischen Philosophischen Rundschau [Magyar Philosophiai Szemle] (1882). Böhm veröffentlichte philosophische Werke für den Schulunterricht, wie etwa die beiden Schriften Experimentelle Psychologie [Tapasztalati L¦lektan] (1888) und Logik [Logika] (1889), Vorträge, die er vor der philosophischen Gesellschaft hielt wie Die Physiologie der Erinnerung [Az eml¦kezet fiziolûgija] sowie Aufsätze in philosophischen Zeitschriften wie etwa Der formale Charakter des Wesens [A l¦nyeg formaisga] (1881), Der Trieb und seine Befriedigung [Az ösztön ¦s kiel¦ged¦se] (1881), Der elementare Widerspruch des Realismus [A realizmus alapellenmondsa] (1882), Kritizismus und Positivismus [Kriticizmus ¦s posi-
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tivismus] (1883) und Das System der positiven Philosophie [A positiv philosophia rendszere] (1884). Aufgrund von Kontakten aus seiner Studienzeit in Deutschland etablierte sich Böhm in der philosophischen Landschaft Deutschlands durch seine Mitarbeit an der in Leipzig herausgegebenen philosophischen Zeitschrift Philosophische Monatshefte in den Jahren 1876 bis 1878.39 Trotz seiner Mitarbeit an der Zeitschrift und des Interesses, das der Herausgeber seinem Werk entgegen brachte, lehnte Böhm es ab, sein Hauptwerk auf Deutsch zu veröffentlichen, da er intendierte, das erste philosophische System in ungarischer Sprache zu errichten. 1883 veröffentlichte Böhm die von Kant und Fichte inspirierte Schrift Der Mensch und seine Umwelt. Philosophische Untersuchungen. Erster Teil: Dialektik oder Fundamentalphilosophie [Az ember ¦s vilga. Philosophiai kutatsok, I. r¦sz, Dialektika vagy alapphilosophia].40 Im Vorwort bezeichnet Böhm sich als Kantianer, der in wesentlichen Punkten mit Kant übereinstimmt, und stellt sein Schaffen in den Dienst der Bestätigung von Kants Position. Seiner Ansicht nach ergänzen Kant und Comte einander und stimmen darin überein, dass sie sich darum bemühen, einen Dogmatismus zu vermeiden und ein philosophisches System zu errichten, das auf kritisch geprüften Prinzipien beruht.41 In diesem einführenden und grundlegenden Werk geht es Böhm darum, Ziele, Themenfelder, Methoden und Bereiche der Philosophie abzustecken. Mit Kant ist Böhm der Ansicht, dass Philosophie nach einem Verständnis des Wissens, folglich nach einer Untersuchung der Modalitäten des Wissens, strebt. Wissen zeigt sich laut Böhm dem Bewusstsein in projizierten »bedeutungsvollen Bildern«. Dies impliziert eine bewusste Rekonstruktion des unbewusst projizierten Bildes. »Wissen, sowohl dem Inhalt als auch der Form nach, ist subjektiv. Das Wissen und das Verständnis von Bildern ist eins und dasselbe.«42 Diese Denkweise entspricht sowohl Kants Ansicht von der notwendigen Fundierung des Wissens in der Erfahrung als auch Kants Annahme, dass die formalen und rationalen Bedingungen der Sinnlichkeit in den rationalen Vermögen selbst zu suchen sind.43 Die Idee, die ursprüngliche Erfahrung mit dem Phänomen der Projektion, einem direkten Produkt der Spontaneität des Bewusstseins, in Verbindung zu bringen, geht auf Fichte zurück. Die Unvermeidbarkeit der Projektion stellt für Böhm die Quelle der Objektivität des kognitiven Bildes dar. Böhms Herangehensweise, Kant aus der Perspektive Fichtes im Sinne eines »konsistenteren Kantianismus« aufzunehmen, war unter Neukantianern keine Seltenheit, so etwa bei Wilhelm Windelband, dem Gründer der Badener Schule. Böhms Orientierung an Fichte geht deutlich aus dem zweiten Band seines Werks Der Mensch und seine Umwelt mit dem Titel Das Leben des Geistes [A szellem ¦lete] (1892)44 hervor, der das menschliche Leben als einen Prozess der »Selbstbestätigung eines sich selbst setzenden Geistes« begreift. Die selbst-setzende Tätigkeit des Geistes besteht sowohl in unbewussten (»instinktiven«) als
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auch in bewussten, selbstbestimmenden psychologischen Äußerungen (»Äußerungen höheren Grades«). Zusammen mit dem ersten Band des Werks umfasst Das Leben des Geistes Böhms »Ontologie«, die die »Hemisphere des Realen« bezeichnet, während sich die später entwickelten, axiologischen Teile von Böhms philosophischem System mit der »Hemisphere des Sollens« befassen. Böhms axiologisches Periode fällt mit seiner Professur in Siebenbürgen an der Franz Josephs Universität [Ferenc Jûzsef Tudomnyegyetem] in Kolozsvr (Cluj-Napoca/Klausenburg) von 1896 bis zu seinem Tod 1911 zusammen.45 Das zentrale Werk dieser Phase in Böhms Schaffen ist die Schrift Axiologie oder Wertelehre [Axiolûgia vagy ¦rt¦ktan] (1906),46 die den dritten Band des Hauptwerks ausmacht und Böhms kantische Gedankenzüge fortsetzt, indem sie verschiedene Klassen von Werten unterscheidet, beginnend mit verschiedenen Formen der Lust und der Erfahrungsurteile.47 Böhm zufolge besitzen Werte einen transzendentalen Stellenwert, der sich von ihrer Rolle im Schaffen, Aufrechterhalten und Begründen der geistigen Einheit einer »Selbstsetzung« des autonomen Ichs herleitet. Die drei folgenden Teile des Werks sind den Problemen einzelner axiologischer Disziplinen gewidmet (Logik, Ethik und Ästhetik). Die Doktrin der logischen Werte (1912), Teil Vier des Hauptwerks, behandelt den »Wert der Wissenschaft«, das heißt die transzendentale Bedeutung des Erkennens, die Formen der Produktion von Bedeutung und deren Relationen zu Denkformen sowie den geistigen Selbstentwurf des Selbst. Böhm bezieht sich in dieser Schrift auf ein Verständnis logischer Werte, das demjenigen in Kants Kritik der reinen Vernunft entspricht, auf das Böhm sich beruft, als ein Werk, das in Kants Worten darauf zielt, dass es »den Probierstein des Werts oder Unwerts aller Erkenntnisse a priori abgeben soll«.48 Die Doktrin des moralischen Wertes (1928)49 untersucht die Bedingungen der moralischen Wertschätzung menschlichen Handelns auf der Basis der SelbstWertschätzung des Bewusstseins. Grundlegend ist in dieser Schrift das »Prinzip der Unterordnung einzelner Wünsche unter die Selbstsetzung in ihrer Totalität«. Durch diese Unterordnung entspricht das Subjekt der absoluten Priorität der Vernunft, die Böhm von Kant übernimmt. »In der Moral müssen wir uns vor der Erhabenheit der Vernunft niederbeugen, wir müssen sie als höher und großartiger anerkennen und sie als Imperativ voraussetzen.«50 Die Doktrin des ästhetischen Wertes (1942)51 leitet den Ursprung verschiedener Künste aus einem System menschlicher Vermögen ab. Diese Schrift betont die Bedeutung ästhetischer Kategorien, indem sie deren Einfluss auf das Individuum analysiert, das seine Werte in Übereinstimmung mit der Dialektik des Selbst entwirft. In seiner Analyse der ästhetischen Kategorien zitiert Böhm neben zeitgenössischen Denkern wie Hermann Lotze, Friedrich Theodor Vischer, Theodor Lipps, Johannes Volkelt und Max Dessoir, am häufigsten Kant
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und bezieht seine Argumentation auf dessen Unterscheidung des Schönen und Erhabenen. Das philosophische Erbe Böhms bildete den geistigen Rahmen der siebenbürgischen und ungarischen Kultur, da es die Grundlage für bestimmte moralische und kulturelle Haltungen des Neukantianismus und der Axiologie bereitstellte. Diese Haltung wurde von Böhms Schülern beibehalten, unter ihnen György Bartûk, B¦la Tankû, Lszlû Ravasz, Sndor Makkai, B¦la Varga und Sndor Tavaszy. Die meisten von ihnen waren Theologen, die sich selbst als Vertreter der Böhmer Schule oder Kolozsvrischen Schule ansahen. Ihnen gemeinsam ist eine gewisse Offenheit gegenüber der Transzendentalphilosophie und Fragen der Axiologie, aber auch ein gewisser »Neukantianismus und eine Werte-Theologie«.52
Übersetzt von Elisabeth Flucher
Der ungarische Neukantianismus bei Károly Böhm und Bernát Alexander von László Perecz Dieser Beitrag53 versucht, zwei herausragende Persönlichkeiten der ungarischen philosophischen Kultur der Jahrhundertwende und des frühen 20. Jahrhunderts parallel darzustellen. Kroly Böhm (1846–1911) agiert im ungarischen philosophischen Bewusstsein als Ausarbeiter des ersten ungarischen philosophischen Systems, Bernt Alexander (1850–1927) als Schöpfer des ungarischen philosophischen Institutionalismus; beide Denker sind der Idee der ungarischen »Nationalphilosophie« verpflichtet. Beide werden gleichzeitig vom Positivismus und vom Neukantianismus beeinflusst: Der an seinem System arbeitende Böhm gelangt vom Versuch einer Verknüpfung der positivistischen und kantischen Ideen ausgehend zu einer mit den Bestrebungen der Badener Schule verwandten Wertphilosophie. Anders Alexander, der durch seine Lehr-, Redakteurs- und Übersetzungstätigkeit eine ganze Reihe von Institutionen gründete und einen auf die Abstimmung der verschiedenen Richtungen ausgerichteten, eklektischimpressionistischen philosophischen Standpunkt einnimmt. Dieser Essay, der die Gestalt und die Philosophie dieser beiden Denker vergleicht, gliedert sich in zwei Gedankengänge. Im Folgenden werden die soziokulturellen und intellektuellen Voraussetzungen ihres Werdegangs parallel dargestellt und das Problem des Identitätswechsels sowie die Bestrebung der Rezeption der westlichen Philosophien hervorgehoben. Dann sollen die richtungsgebenden Motivationen ihrer Philosophie im Überblick dargestellt werden, mit der positivistischen und kantischen Konstituente als Schwerpunkt.
Károly Böhm und Bernát Alexander
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Identität und Rezeption Es ist zunächst lohnend, die soziokulturellen und intellektuellen Voraussetzungen ihres Werdens zu bedenken. Es ist nämlich bemerkenswert, dass zwei Denker die Erschaffung einer ungarischen »Nationalphilosophie« in Angriff nehmen, wobei sie sich einerseits ganz gezielt ein ungarisches nationales Identitätsbewusstsein aneignen, andererseits im Zusammenhang mit ihren philosophischen Studien an westlichen Universitäten die philosophische Tätigkeit für untrennbar von der Rezeption fremder Philosophien halten. Böhm und Alexander sind Zeitgenossen: Böhm wurde unmittelbar vor der Revolution, Alexander unmittelbar nach der Revolution geboren. Die geistige Erweckung beider fällt somit in die Zeit des Neoabsolutismus. Ihre ersten Erlebnisse erlangen sie in jenen Jahren, die für den Werdegang des modernen ungarischen Nationalbewusstseins entscheidend sind. Die Erfahrungen der Geburt des modernen ungarischen Nationalbewusstseins verknüpfen sich zudem bei beiden mit einem nationalen Identitätswechsel: Sie gehen einer mit der Entwicklung des ungarischen Identitätsbewusstseins, das das frühere deutsche beziehungsweise jüdische Identitätsbewusstsein ablöst. Böhm entstammt einer deutschen Handwerkerfamilie: Bis zu seiner Frühpubertät versteht er kaum ein paar Worte ungarisch. Er lernt deutsch zu sprechen und zu lesen, seine ersten intellektuellen Erlebnisse verbinden ihn mit der deutschen Kultur, seine ersten literarischen Versuche formuliert er auf Deutsch. In seinen späteren Schriften formuliert er zwar mit feinen Nuancen und mit sinnlicher Fülle auf Ungarisch, an seiner Rede aber, sowohl im Satzbau als auch in der Aussprache, ist sein ganzes Leben lang zu bemerken, dass es nicht seine Muttersprache ist. Alexander kommt von der anderen Seite her, aus dem jüdischen Kleinbürgertum. Er entstammt einer zur Gruppe der Neologen gehörenden, aber frommen jüdischen Familie. Neben seiner gewählten ungarischen nationalen Identität bewahrt er sein jüdisches religiöses Identitätsbewusstsein. Obzwar er sein Vorwärtskommen dem sich ausbauenden freigeistigen System verdankt, wird seine professionelle Karriere – seine Ernennung zum Professor an die ihre Lehrstühle traditionell mit katholischen Universitätsprofessoren besetzende Pester Universität – lange Zeit dadurch aufgehalten, dass er trotz Drucks von oben nicht bereit ist, sich taufen zu lassen. Das außerordentlich starke ungarisch, kulturell und politisch bestimmte Identitätsbewusstsein von Böhm und Alexander entsteht also als Ergebnis eines entschiedenen Identitätswechsels. Da sich beide trotz einander entgegengesetzter Vorstellungen die Grundlegungen einer ungarischen »Nationalphilosophie« zur Aufgabe machten, kann gesagt werden, dass sie auf ihrem jeweiligen
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Abb. 6: Bernt Alexander
philosophischen Gebiet das Programm einer bewussten Annahme der ungarischen Nation weiterzuführen suchten. Böhm und Alexander führen nach einer kurzen ungarischen Studienzeit ihre philosophischen Studien lange Zeit an ausländischen Universitäten weiter. Diese Epoche ist die »posthegelsche« Epoche der kontinentalen Philosophie. Im Anschluss an die Auflösung der hegelschen idealistischen Systemphilosophie entstehen zu dieser Zeit im sich pluralisierenden philosophischen Raum diverse Schulen, die den Ausbau einer ähnlich systematischen Totalität nicht mehr in Angriff nehmen und voneinander allmählich immer mehr abdriften. Nach theologischen Studien in Pressburg besucht Böhm zur Vertiefung seiner philosophischen Kenntnisse deutsche Universitäten. Zuerst verbringt er eine längere Zeit in Göttingen, danach besucht er ein Semester Tübingen. In Göttingen hört er unter anderem Vorlesungen von Hermann Lotze in Psychologie und von Heinrich Ritter in neuzeitlicher Philosophiegeschichte, in Tübingen hört er neben anderen jene von Otto Liebmann in der Geschichte der Natur-
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philosophie. Nachdem Alexander die Matura als Privatschüler ablegt, wird er schon mit siebzehn Jahren Student an der philosophischen Fakultät. Nach der Absolvierung von zwei Semestern setzt er seine Studien auf Anregung seines Professors im Ausland fort. In den nächsten sechs Jahren besucht er die Universitäten von Wien, Berlin, Göttingen, Leipzig, Paris und zuletzt London. In Wien wird er neben Vorlesungen an der medizinischen Fakultät von Robert Zimmermann unterwiesen. In Berlin hört er die pädagogischen Vorlesungen von Friedrich Adolf Trendelenburg, die über griechische Philosophie von Hermann Bonitz, die anthropologischen von Emil Du Bois-Reymond und die von Hermann von Helmholtz über theoretische Physik. Darüber hinaus befreundet er sich persönlich mit den später bedeutenden Persönlichkeiten der Kant-Interpretation, Friedrich Paulsen und Benno Erdmann; in Göttingen wird er Schüler von Hermann Lotze; in Leipzig bringt er seine Dissertation zum Abschluss und verteidigt sie; in Paris haben die Vorlesungen von Hippolyte Taine eine maßgebliche Wirkung auf ihn; in London forscht er in der British Library. Die auf die beiden Denker einwirkenden Anregungen sind, wie die imposante Reihe der Namen verrät, doppelter Natur. Sie haben zugleich positivistische und kantische Komponenten. Diese beiden Richtungen scheinen in jener Epoche weniger entgegengesetzt, als einander ergänzend zu sein. Der Kantianismus scheint die Grundlage zu schaffen, auf der der Positivismus sein Gebäude errichten wird. Er bezeichnet die Grenzen unserer Erfahrung und bereitet somit negativ den Weg für den Positivismus; letzterer hingegen systematisiert die Daten unserer Erfahrung und erfüllt somit positiv das Programm des Kantianismus. Dieser Gedanke wird interessanterweise zur anhaltenden Überzeugung beider Philosophen. Die positivistische Überzeugung der das Wissen synthetisierenden Aufgabe der Philosophie und die (neu)kantianische Auffassung ihrer kritischen Aufgabe; beides sind Dinge, die letzten Endes die gesamte Laufbahn beider begleiten sollten.
Systemphilosophie gegen Philosophiegeschichte Böhm und Alexander sind Abkömmlinge der erwähnten »posthegelschen« Epoche der kontinentalen Philosophiegeschichte, in ihren Werdegängen gelten hauptsächlich drei philosophische Leitbegriffe als Steine des Anstoßes: die Begriffe der Spekulation, der Deduktion und des Systems. Während aber Alexander tatsächlich alle drei Begriffe ablehnt und darum den Ausbau eines eigenen Systems nicht in Angriff nimmt, steht er, obwohl er die Spekulation und die Deduktion auch zutiefst verurteilt, doch fest zum System. Den Verzicht auf das System hält er gleichbedeutend mit dem Verzicht auf die Philosophie. Er
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sucht daher dem spekulativen und deduktiven System das empirische und induktive System entgegenzuhalten. Dementsprechend baut Böhm, das kurzfristige philosophische Kaleidoskop seines Werdegangs hinter sich lassend, als gereifter Denker im Wesentlichen kontinuierlich drei Jahrzehnte lang ein System auf. Seiner Absicht nach arbeitet er die ganze Zeit an einem einzigen System, das aber von den vollendeten Werken her gesehen zwei Systeme zu ergeben scheint. Das eine ist das mit der Versöhnung von Kantianismus und Positivismus experimentierende positivistisch-antimetaphysische System, das andere ist eine mit den Bestrebungen der Badener Neukantianer verwandte, auf eine Wertphilosophie ausgerichtete, neue idealistisch-metaphysische Konstruktion. Der Werdegang folgt offensichtlich der Transformation der kontinentalen Philosophie um die Jahrhundertwende. Vom Positivismus gelangt er zum neuen Idealismus, von der Antimetaphysik zur Metaphysik. Der Ausgangspunkt ist also ein Kant, der durch die Brille Auguste Comtes und Johann Gottlieb Fichtes gelesen wird. Mit dem Kant in der Perspektive Comtes wünscht Böhm das Programm des frühen – positivistisch-antimetaphysischen – Neukantianismus durchzuführen. Er möchte Kant, der die Grenzen der Erfahrung bestimmt und Comte, der Daten der Erfahrung systematisiert, in Übereinstimmung bringen. Mit dem Kant in der Perspektive Fichtes verwandelt er den Kritizismus in subjektiven Idealismus. Durch die Betonung des notwendigerweise subjektiven Charakters des Erkenntnisgegenstandes erfasst er die Wirklichkeit als Abbild unseres Bewusstseins. Die Wirklichkeit ist demnach das Ergebnis einer Projektion: identisch mit der bewussten Nachbildung des vom Ich unbewusst projizierten Bildes. Der Solipsismus der Konstruktion wird durch die Annahme des – im Sinne des kantischen allgemeinen Bewusstseins gebildeten – transzendentalen Subjekts verhindert. Die Wirklichkeit ist ein intersubjektives Medium, da das transzendentale Subjekt und damit die »Selbstsetzung«, die funktionale Einheit der bewussten und unbewussten psychischen Tätigkeiten, angenommen wird. In der »Selbstsetzung« erschließt der kontinuierlich tätige Geist sich selbst, und die Wirklichkeit ist das Ergebnis dieser Selbsterschließung. Das böhmsche System wird an diesem Punkt aus einer positiv naturalistischen Philosophie zu einer normativen Gültigkeitsphilosophie. Gemäß der Einstellung des Systems verfügt der Geist nicht nur über unbewusste Projektionen, sondern auch über bewusste. Die unbewussten Projektionen erschaffen die existierende Wirklichkeit, die bewussten schreiben die zu erschaffende Wertewelt vor. Neben dem »Wirklichen« entfaltet sich also das »Notwendige«, neben der Ontologie die Deontologie, neben der Erkenntnis die Bewertung. Die sich herausbildende Wertetheorie erscheint zugleich als Anthropologie, als Geschichtsphilosophie und als Kulturphilosophie. Die Anthropologie gestaltet
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das Wertproblem zum Fundament des abstrakten Menschenbildes, die Geschichtsphilosophie baut die Entfaltung der Menschen- und Kulturentwicklung auf die innere Dialektik der Werte auf, während die Kulturphilosophie die verschiedenen Kultursphären mit Hilfe der Typologie der Werte interpretiert. Das Endergebnis des böhmschen Systems ist also die in eine kritizistische Werttheorie gebettete, sich zu Geschichts- und Kulturphilosophie erweiternde Transzendentalphilosophie. Alexander hingegen versucht auch die Konsequenzen daraus zu ziehen, dass Systeme angeblich nicht mehr möglich sind. Obwohl er ein außerordentlich umfassendes und thematisch verblüffend weit verzweigtes Œuvre schafft, übt er seine, selbst die Gesamtheit des Entwicklungsganges der ungarischen Philosophie betrachtet, außerordentlich zu nennende Wirkung dennoch nicht in erster Linie als Autor aus, sondern vielmehr durch seine wissenschaftsorganisatorische und populärwissenschaftliche Arbeit. Der Schwerpunkt seines Lebenswerkes fällt nicht einmal auf seine eigentliche philosophisch-wissenschaftliche Tätigkeit, sondern zumindest im selben Maße auf seine Arbeit als Lehrer, Publizist, Übersetzer und Redakteur. Als außerordentlich schaffensfreudiger Autor bringt er zugleich ein riesiges Œuvre zustande. Er schreibt und publiziert eine ganze Reihe von philosophiegeschichtlichen, ästhetisch-literaturgeschichtlichen und psychologischen Werken. Sich selbst sieht er aber nicht in erster Linie als originalen Denker, sondern als Vermittler und Lehrer, der die Gedanken der Klassiker des philosophiegeschichtlichen Kanons dem Leser vor Augen führt und diese mit ihren Werten der europäischen philosophischen Kultur ins ungarische Gemeinbewusstsein hinein trägt. Er selbst wünscht also kein eigenes System zu erschaffen. Er möchte sein Publikum mit den großen Systemen der Philosophie vertraut machen. Im Vergleich zu den systematisch-theoretischen Arbeiten legen seine Werke den Schwerpunkt auf philosophiegeschichtliche Studien. Zur Zeit seines Studiums im Westen kommen nicht nur die »posthegelschen« Philosophien ans Licht der Welt. Auch die philosophische Disziplin der als ein neues Gebiet der Geschichtswissenschaften aufgefassten »Philosophiegeschichte« im modernen Sinne kommt zu dieser Zeit zustande – und er, seiner Vermittlerrolle gerecht werdend, wird in Ungarn zu einem der ersten Verfechter dieser sich entfaltenden Disziplin. Seine philosophiegeschichtliche Tätigkeit ist besonders in seinem Werdegang untrennbar von der Entwicklung seiner Kant-Interpretationen: Auf dieser Grundlage kann sogar sein gesamtes Œuvre als der neukantianischen Richtung zugehörig beziehungsweise als Ausdruck der ungarischen »Kant-Renaissance« aufgefasst werden. Seine in Leipzig verteidigte Doktorarbeit widmet er einem der kompliziertesten Kapitel der Kritik der reinen Vernunft, der transzendentalen Deduktion der Kategorien. Nach seiner Rückkehr nach Ungarn publiziert er die erste umfangreiche – obgleich unvollendet gebliebene und
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nur bis zum ersten Band abgeschlossene – Kant-Monographie, um dann zusammen mit Jûzsef Bnûczi Kants Hauptwerk zu übersetzen und mit Erläuterungen zu versehen. Im Hintergrund seines philosophiegeschichtlichen Wirkens mit dem Schwerpunkt auf Kant steckt bemerkenswerter Weise sein grundsätzlich vom Positivismus beeinflusster Philosophiebegriff. Die Philosophie bewertet er als Mittel des rationalen Erkennens, grenzt sie aber eindeutig von den Fachwissenschaften ab. Da Philosophie keinen eigentlichen Gegenstand hat, kann sie, wie er meint, nicht als Wissenschaft angesehen werden: Sie erscheint eher als Bindeglied zwischen den einzelnen Wissenschaften. Sie ist also keine systematische Wissenschaft, sondern eine Zusammenfassung und Systematisierung des menschlichen Wissens.
Die Kant-Rezeption bei Sándor Tavaszy und in der Klausenburger Schule von Márton Tonk Ein wichtiger Repräsentant der ungarischen Philosophiegeschichte des 20. Jahrhunderts, Sndor Tavaszy (1888–1951), widmet in seiner 1927 erschienenen Abhandlung54 Was ist die Philosophie? der »wissenschaftlichen Bezeichnung« von Philosophie ein ganzes Kapitel.55 Knapp dreißig Jahre später, um 1945–46, geht der Klausenburger Philosoph in seiner zwar unveröffentlichten, als Manuskript-Nachlass jedoch hinterbliebenen Einleitung in die Philosophie erneut auf die Definition der Philosophie ein. Die Datierung des erwähnten Werkes ist als annähernde zu verstehen; als fester Anhaltspunkt dienen lediglich die enthaltenen bibliografischen Angaben. Fügt man noch hinzu, dass die letzte, tatsächlich produktive Etappe seines Lebens auf die Zeit seiner Klausenburger Professur zwischen 1944–48 zurückzuführen ist, so kann mit großer Wahrscheinlichkeit behauptet werden, dass auch die Einleitung in die Philosophie um diese Jahre entstanden ist. Es ist dabei auch nicht auszuschließen, dass das Manuskript den Stoff der gleichnamigen Vorlesung zum Inhalt hat. Vergleicht man die zwei Werke Was ist Philosophie? und Einleitung in die Philosophie miteinander, fällt sofort auf, dass Tavaszy seine philosophische Propädeutik ganz ohne wesentliche Änderungen, in demselben kantischen Sinne vorstellt und es scheint, als würde in den Werken von 1945–1946 der dreißig Jahre jüngere Philosoph zu Wort kommen. Tavaszy, der Kantianer und Schüler von Kroly Böhm (1846–1911), einer herausragenden, schulbildenden Gestalt der ungarischen Philosophiegeschichte, mit deren Namen die im Folgenden behandelte »Klausenburger Böhm-Schule« verbunden ist, ist ein in der optimistischen eu-
Tavaszy und die Klausenburger Schule
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Abb. 7: Sndor Tavaszy
ropäischen Wissenschaft der Jahrhundertwende geradezu heimischer, sich darin überaus geschickt bewegender Denker. Über Tavaszy kann man anhand seiner Schriften aus den 20er und 30er Jahren sagen, dass er sich der Existenzialphilosophie verschrieben hat oder sich zumindest eindeutig dahin orientierte; Tavaszy liest Kierkegaard und Heidegger und bürgert die mitteleuropäische dialektische Theologie Barths ein. Der wissenschaftliche Begriff der Philosophie kann als geeigneter Ausgangspunkt der auf Kant bezogenen Philosophie von Tavaszy dienen. In seinen Werken weist der wissenschaftliche Begriff von Philosophie eine, im grundsätzlich kantischen Denken entstandene Problematik auf, dessen Teilbereiche den Rahmen prinzipiell kritischer, transzendentaler Philosophie nicht verlassen, unabhängig davon, wann, in welcher schöpferischen Phase und in welchem Kontext Tavaszy gerade die Fragen bezüglich des Begriffes der Philosophie erörtert. Es ist notwendig zu unterstreichen, dass die Bedeutung, die Tavaszy der Analyse des Philosophie-Begriffs beimisst, schon an sich für eine neukantische
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Abb. 8: Franz Jaschke, Klausenburg (1823)
Geisteshaltung steht. Nahezu jeder Monografie-Schreiber des Neukantianismus hebt nämlich die Bedeutung hervor, die diese Autoren der Auslegung der Philosophie zuschreiben. Das grundlegende Bestreben Neukantischer Schulen bestand in der Definierung des Philosophie-Begriffs. Die früheren Richtungen legten vor allem auf die Erkenntnistheorie großen Wert; somit entstand ein Standpunkt, durch den das Objekt der Philosophie mit der Erkenntnistheorie gleichgesetzt wurde. Sogar Lange, der den Gedanken einer »Systematik« skeptisch ablehnte, definierte seine eigene Weltanschauung als den Gesichtspunkt des Idealen. Helmholtz verbindet die Philosophie mit der Wissenschaft und betrachtet die Erkenntnistheorie als Kernfrage der Kultur. In seiner Einleitung in die Philosophie hält Tavaszy – durch eine Paraphrasierung von Hönigswald, einem treuen Schüler und Kollegen von Alois Riehl – fest, dass »das Problem der Philosophie, die Philosophie an sich, ihre eigene Definition [ist]«.56 Das ist in der Tat richtig, Tavaszy betrachtete die Erläuterung des Wesens/Bereichs und der Methoden der Philosophie – kurzum die Selbstreflexion derselben – als wesentliche Bedingung jeder mit wissenschaftlichem Anspruch betriebenen Philosophie. Diese kann erst dann vor dem logische und moralische Konsequenzen tragenden Denken Glauben finden, wenn sie sich selbst als Wissenschaft definiert.
Tavaszy und die Klausenburger Schule
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Wenn man eine Erkenntnis als Wissenschaft darstellen will, so muss man zuvor das Unterscheidende, was sie mit keiner andern gemein hat, und was ihr also eigenthümlich ist, genau bestimmen können; widrigenfalls die Grenzen aller Wissenschaften in einander laufen, und keine derselben ihrer Natur nach gründlich abgehandelt werden kann. Dieses Eigenthümliche mag nun in dem Unterschiede des Objects oder der Erkenntnisquellen, oder auch der Erkenntnisart oder einiger, wo nicht aller dieser Stücke zusammen bestehen, so beruht darauf zuerst die Idee der möglichen Wissenschaft und ihres Territorium.57
So bestimmt Kant in den Prolegomena die Parameter der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen. Die oben dargelegten Erfordernisse an die Philosophie, als »mögliche Wissenschaft« übernimmt auch Tavaszy und versucht vor allem darauf eine Antwort zu geben, worin die Eigentümlichkeit der Philosophie als Wissenschaft besteht und auf welche Weise ihre Position inmitten der Wissenschaften festzulegen sei. Im Laufe der Wahrheitserkenntnis können bei Tavaszy zwei Gruppen der Wissenschaften definiert werden: Natur- und Geisteswissenschaften. Innerhalb der Naturwissenschaften unterscheidet er die mechanischen, chemischen und biologischen Wissenschaften, während innerhalb der Geisteswissenschaften mathematische, linguistische, geschichtliche, philosophische und theologische Studien zu unterscheiden sind. Tavaszy übernimmt hier nämlich die Einteilung der Badischen Schule und vor allem die von Rickert, der ebenso von dem Unterschied der Natur- und Geisteswissenschaften ausgeht. Rickert leitet diese zwei Modalitäten der Erkenntnis auf die Verschiedenheit der Wertung zurück, namhaft darauf, dass während Naturwissenschaften mit Fachgebieten arbeiten, worauf sie Gesetze zurückführen, Kulturwissenschaften Gebiete prüfen, auf welche man Werte zurückführen kann.58 Die oben geäußerten Gedanken, sowie die darin enthaltenen geistesgeschichtlichen Zusammenhänge, weisen weit über die Philosophie von Tavaszy hinaus und können als grundlegende philosophische Attitüde einer gesamten Epoche betrachtet werden. Tatsache ist, dass in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die europaweit deutlichste und möglicherweise größtes Interesse erregende Richtung der aus Deutschland stammende Neukantianismus war, welcher vor allem den materialistischen Ansichten und den positivistischen Grundsätzen gegenüberstand. Dieser Neukantianismus bedeutete gleichsam für die ungarische Philosophie eine Art Neugeburt des intellektuellen Lebens. Tibor Hank ist der Auffassung, dass die Tochtergesellschaft der werttheoretischen Richtung des Neukantianismus die sogenannte Siebenbürger Schule war ; und dass die theoretische Gründung der Schule vor allem Kroly Böhm zu verdanken sei. Der Bezeichnung »Siebenbürger Schule« begegnet man übrigens zunächst bei Sndor Kib¦di Varga, in den Schriften anderer Autoren dagegen kommen die Namen »Klausenburger Schule« oder »Böhmsche Schule«
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ebenfalls vor. Die Ansicht, dass Kroly Böhm schulbildenden Einfluss auf seine Hörer György Bartûk, Lszlû Ravasz, Sndor Tavaszy, Sndor Makkai, B¦la Varga, Sndor Kib¦di Varga genommen hatte, die ihre Ansichten anschließend nicht nur aus der Philosophie, sondern auch aus den geistigen Wurzeln des Protestantismus weiterentwickelten, gehört heutzutage zum allgemein anerkannten Standpunkt der Forscher ungarischer Philosophiegeschichte. Das philosophische Denken von Ravasz, Varga, Makkai gründete stark in einer protestantischen Tradition; Bartûk, Tavaszy, Kib¦di bewegten sich vor allem im Umkreis des Kantianismus. Die Mitglieder der Böhm’schen theoretischen Richtung wandten sich von Anfang an mit großem Interesse dem Deutschen Idealismus zu, dessen metaphysische Fragestellung war ihnen aber zunächst zuwider. Sndor Kib¦di Varga schreibt diesbezüglich Folgendes: Die maßgebenden Kant-Studien der Siebenbürger Schule, brachten diese in eine noch engere Verbindung zu den neukantianischen, Kants Lehren kritisch weiterentwickelnden, Richtungen. Sobald aber diese Schule den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der Axiologie findet, wendet sich ihre Aufmerksamkeit und ihre Sympathie unwillkürlich derjenigen neukantianischen Richtung zu, die sich um […] den systematischen Ausbau der wertphilosophischen Initiative Kants bemüht. […] Auf diese Weise trifft die südostungarische, kurz gesagt Siebenbürgische Schule, die südwestdeutsche, kurzum Badische Schule.59
Um die wirkungsgeschichtlichen Zusammenhänge zwischen dem Neukantianismus und Tavaszys Philosophie zu verdeutlichen, möchte ich einige Daten nennen. Von 1911 bis 1913 studierte Tavaszy zunächst in Jena, anschließend in Berlin. Aufgrund der epochenspezifischen Beschaffenheit dieser Universitäten lässt sich mit aller Bestimmtheit behaupten, dass sowohl die Jenaer, wie auch die Berliner Philosophiestudien von einer stark kantianischen beziehungsweise neukantianischen Athmosphäre begleitet wurden. Tavaszy wohnte am Philosophiestuhl der Jenaer Universität vier Vorlesungen bei: Zwei davon waren von Bruno Bauch (Logik, sowie Philosophie und Naturwissenschaft).60 An der Berliner Universität hörte Tavaszy elf Vorlesungen: Sechs davon haben Ernst Cassirer (2), Georg Simmel (2) sowie Alois Riehl (2) gehalten.61 Themen dieser Kurse waren: Cassirer – Grundfragen der Logik; Die wichtigsten Richtungen der modernen Erkenntnistheorie; Simmel – Ethik, Grundlegung der Logik; Riehl – Die Philosophie Kants, Kants transzendentale Dialektik. Nimmt man zu alledem Tavaszys persönliche Aufzeichnungen, beziehungsweise die aus dieser Periode sorgfältig aufbewahrten Ausleihformulare der Bibliotheken hinzu, wird ersichtlich, dass Tavaszy vor allem Kant und neukantianische Werke las. Es spricht für sich, dass aus den rund 100 philosophieorientierten Ausleihformularen 33, also ein Drittel, Werke von Kant, von Kantianern und von Neukantianern sind.
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Es handelt sich unter anderem um Werke von Paul Natorp, Hermann Lotze, Heinrich Rickert, Jakob Friedrich Fries, Wilhelm Windelband, Salomon Maimon, Oswald Külpe, Friedrich Paulsen, Otto Liebmann, Kuno Fischer und Ernst Troeltsch. Von den verschiedenen erkenntnistheoretischen Strömungen betrachtet Tavaszy folgende Aspekte als annehmbar : von dem von Oswald Küppe vertretenen kritischen Realismus die Objektivität des Denkens und von dem bolzanoschen logischen Objektivismus das Prinzip vom Satz an sich, das Tavaszy mit der objektiven Bedeutung identifiziert. Von Böhm übernimmt er die »überbrückende Lösung« zwischen Objektivismus und Subjektivismus, die besagt, dass das Ich sich seine Erkenntnis zwar selbst aneignet, jedoch kein bisschen willkürlich, da die Wirklichkeit sich in der Bedeutung selbst behauptet. Anhand der Bedeutung und vor allem der Frage der Objektivität derselben muss gleichwohl unterstrichen werden, dass für Tavaszy der Erfahrung vorangehende, allgemeine Züge der Bedeutung, vor allem in Kants Kategorien und in den Schlüssen der reinen Vernunftsätze zum Ausdruck kommen. In diesem Zusammenhang beantwortet Tavaszy die althergebrachte Frage der Philosophie, und zwar worin sich die Objektivität unserer Kenntnisse, die Entsprechung mit der Wahrheit festhalten lässt. Übereinstimmungen solcher Art von Urteilen und Tatsachen sind nur dann möglich, wenn die gedanklichen Strukturen und die Strukturen der Wahrheit einander entsprechen. Gleichzeitig ist er auch davon überzeugt, dass allein die kantische Lösung die Schwierigkeit umgehen kann, womit sich die Vertreter der rationalistischen Metaphysik auseinandersetzten, nämlich dass die Existenz des Prinzips, wovon das Denken wie auch die Formen der Dinge abhängen, bezeugt werden soll. In der Terminologie Tavaszys könnte man das erkenntnistheoretische Paradigma seines Denkens zu Recht als objektiv-kritischen Idealismus bezeichnen. Objektiv, weil er an die Sachlichkeit und Universalität des Denkens glaubt; kritisch, weil er aufgrund der kantischen Lehren die Bedingungen hinterfragt, die die Erkenntnis ermöglichen; schließlich idealistisch, weil er das menschliche Bewusstsein und den menschlichen Geist in den Mittelpunkt der Erkenntnis und somit des Philosophierens stellt.
Die Kant-Rezeption in Rumänien (1818–1989) von Ma˘da˘lina Diaconu und Marin Diaconu Kaum ein anderer moderner Philosoph hat die rumänische Philosophie stärker und nachhaltiger geprägt als Immanuel Kant. Bei der Untersuchung seiner Rezeption muss der historische Kontext berücksichtigt werden: Siebenbürgen war
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bis 1918 Kronland des Habsburgerreichs, während sich die Walachei und die Moldau im 19. Jahrhundert allmählich von der Hohen Pforte befreien und sich gen Westen ausrichten konnten. Aufgrund der spezifischen Voraussetzungen der Philosophie beziehungsweise Theologie in den deutsch- und ungarischsprachigen Kreisen in Siebenbürgen beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Kant-Rezeption in der rumänischsprachigen Kultur. Zunächst wird der Kantianismus 1818 bis zur Gründung der ersten rumänischen Universität in Ias‚ i 1860 durch Lehrbücher verbreitet. Zwischen 1860 und 1890 teilt sich der Kantianismus den Einfluss mit einer von den zeitgenössischen Naturwissenschaften geprägten Philosophie. Von 1890–1920 dient dann Kant als Ausgangspunkt für eine Rückkehr zur Metaphysik, um in der Folge bis 1944 das rationalistische Denklager zu unterstützen. Nach 1945 schwankt seine Bedeutung zwischen der Verurteilung als »Idealismus« und der Verteidigung seines »fortschrittlichen« Charakters und kann schließlich erst nach 1990 wieder ideologiefrei rezipiert werden.62 Zwar werden gelegentlich kantische Einflüsse auch den Vertretern der aufklärerischen »Siebenbürgischen Schule« zugeschrieben,63 doch gilt einstimmig Gheorghe Laza˘r (1779–1823) als der erste rumänische Kantianer. Der Siebenbürger Laza˘r studiert in Wien und gründet 1818 in Bukarest »Colegiul Sfntul Sava«, die erste höhere Schule mit rumänischer Unterrichtssprache. Ihm ist die Schwerpunktverlagerung von Condillac (in den vormals griechischen Schulen der Walachei) auf Kant zu verdanken, eine wohl richtige Entscheidung für das rumänische Denken, das in seiner Anfangsphase eher »eine rationalistische Philosophie apodiktischen Charakters« als »eine empirische Philosophie« braucht, »die von Skepsis durchsetzt und hypothetisch gefärbt« ist.64 Außerdem berichtet ein Schüler, dass Laza˘r eine Kant-Übersetzung beabsichtigt hatte.65 Sein »Sf. Sava«-Kollege Ion Zalomit (1810–1885) promovierte 1848 in Berlin mit der Arbeit Principes et m¦rites de la philosophie de Kant und wird der erste Philosophieprofessor an der 1864 gegründeten Universität in Bukarest. Auch weitere rumänische Gelehrte aus Siebenbürgen und dem Banat verbreiten den Kantianismus jenseits der Karpaten: In seiner Akademischen Rede von 1845 begeistert August Treboniu Laurian (1810–1881) die Studenten für das kantische moralische Ideal, und Eftimie Murgu (1805–1870) beruft sich auf Kant in der ersten auf Rumänisch gehaltenen Philosophievorlesung in Ias‚ i. Laurian veröffentlicht auch 1847 den ersten Band des Systems von Wilhelm Traugott Krug, dem Lehrstuhlnachfolger Kants. Krugs Werk wurde zur Gänze allerdings bereits für die rumänische Schule in Blaj (Siebenbürgen) übersetzt, sowohl 1839 von Simion Ba˘rnut‚ iu als auch 1861 von Timotei Cipariu. Der prominente Teilnehmer an der 1848er-Revolution Ba˘rnut‚iu (1808–1864) übernimmt in seinen Vorlesungen zur Rechtsphilosophie in Ias‚ i die Argumente Krugs für das Naturrecht und setzt sie im Kampf um die Anerkennung der politischen Rechte der
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Abb. 9: Gheorghe Laza˘r
Rumänen in Siebenbürgen ein. Sein Denken wirkt in Siebenbürgen vor dem Ersten Weltkrieg nach, während sich Titu Maiorescu in Ias‚ i von Ba˘rnut‚ius radikalen Schlussfolgerungen abgrenzt. Nicht zuletzt berufen sich Ba˘rnut‚ iu und Laurian auf Kant zur Emanzipierung der Philosophie von der Theologie. Der ebenfalls aus Siebenbürgen stammende Titu Maiorescu (1840–1917) gilt als der einflussreichste rumänische Kantianer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Maiorescu studiert in Wien, Berlin und Paris und promoviert in Gießen, bevor er auf den Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Ias‚ i (1863–1872) und Bukarest (1884–1909) berufen wird. Maiorescu folgt der Empfehlung seines Professors Karl Werder, sich mit Schopenhauer zu befassen und das Potential der Kritik der reinen Vernunft wiederzuentdecken. In der Tat beginnt er 1861, die Kritik der reinen Vernunft zu übersetzen, und hält zu Kant seine erste Vorlesung sowie auch Vorträge im Rahmen des von ihm gegründeten Kulturkreises Junimea. Auch später gilt Maiorescus Interesse hauptsächlich der Erkenntnistheorie und Ästhetik Kants. In der Ethik neigt Maiorescu eher zu Schopenhauers Mitleidsmoral als zum kantischen Formalismus. Als Literaturkritiker verteidigt er die Autonomie der Kunst im kantischen Sinne der Inte-
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Abb. 10: Alexandre Quintet, Titu Maiorescu (1882)
resselosigkeit des Schönen. Vor allem wird er aber von der »transzendentalen Ästhetik« geprägt. Maiorescu bringt zahlreiche empirische Beweise für den Apriorismus von Raum und Zeit, darunter die Frühreife der Mathematiker und Musiker und sogar (gegen Kant selbst) Svedenborgs Fernvisionen. Schließlich führt seine Auslegung der sogenannten »Transzendenz« von Raum und Zeit zu einer »realistischen Metaphysik des Unveränderlichen«.66 Ein durch Schopenhauer gefärbter Kantianismus zeichnet auch den rumänischen Nationaldichter Mihai Eminescu (1850–1889) aus. Während seiner Studien in Wien und Berlin nimmt Eminescu zwischen 1874 und 1877 zwei Anläufe, um die Kritik der reinen Vernunft zu übersetzen.67 Diese »Lektüren«, wie sie Eminescu nannte, waren allerdings nicht zur Veröffentlichung gedacht und können aufgrund ihrer posthumen Veröffentlichung68 nicht die Entwicklung der rumänischen philosophischen Sprache beeinflussen. Vor allem aber flossen kantische Gedanken in ihrer Rezeption durch Schopenhauer in die Literatur Eminescus ein, wie etwa in der philosophischen Novelle Sa˘rmanul Dionis (1872) mit ihrer Meditation über den subjektiven Charakter von Raum und Zeit. Nach 1890 bemüht sich Maiorescu, Kant mit Comte und Spencer zusammenzudenken, während Maiorescus Nachfolger auf dem Lehrstuhl in Ias‚ i und
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später in Bukarest, P. P. Negulescu, den Apriorismus aus der Perspektive der Wissenschaften kritisiert (Critica apriorismului s‚ i a empirismului, 1892). Die meisten Schüler Maiorescus führen allerdings das kantische Gedankengut in einer antipositivistischen Form weiter, wie etwa Constantin Ra˘dulescu-Motru, Mihail Dragomirescu, Ioan Petrovici, Mircea Florian, Mircea Djuvara, Grigore Ta˘us‚ an und andere. Und diesseits der Karpaten, an der Universität in Cluj, lehrt Marin S‚ tefa˘nescu, der 1915 zwei Bände zu Kant in Paris veröffentlicht hatte: Le dualisme logique. Essai sur l’importance de sa r¦alit¦ pour le problÀme de la conaissance (zum vorkritischen Denken Kants) und seine Dissertation an der Sorbonne Essai sur le rapport entre le dualisme et le th¦isme de Kant. Der Gründer der Soziologieschule von Bukarest, Dimitrie Gusti (1880–1955), erklärt 1904 zum 100. Todesjahr Kants seine Aktualität mit seiner Aufforderung zum Selbstdenken, verurteilt aber zugleich die zeitgenössische breite Wirkung Kants in der Philosophie, Theologie, in den Naturwissenschaften und sogar in den Theorien des Sozialismus als bloß historisch-philologische Exegese und als Rückfall vom kritischen Denken in einen gewissen Dogmatismus, der die Details des kantischen Systems verabsolutiert.69 Zwar sei die Frage nach dem Möglichkeitsgrund der Wissenschaft notwendig, doch müsse das Ideal einer wissenschaftlichen Metaphysik verabschiedet werden. Zwanzig Jahre später, in Kants 200. Geburtsjahr, bemerkt Ioan Petrovici (1882–1970) das Scheitern diverser Versuche (des Evolutionismus Spencers, des empirischen Kritizismus, Intuitionismus, Pragmatismus, Soziologismus), über Kant hinauszukommen.70 Die Reduktion des Apriorismus auf den Atavismus und die Vererbung stelle eine »Pseudoerklärung« dar ; vielmehr gründe die Autonomie der Philosophie der Wissenschaft gegenüber gerade in einem apriorischen Faktor des Denkens, der die Universalität ihrer Aussagen sogar in der Grundlagenkrise der Wissenschaft unangetastet lässt.71 Und drei Jahre zuvor hatte Grigore Ta˘us‚ an in Evolut‚ia sistemelor de morala˘ die Ethik Kants gegen die Einwände Schopenhauers, Spencers und Jean-Marie Guyaus verteidigt. Als Hauptvertreter des Kantianismus nach Titu Maiorescu gilt aber Constantin Ra˘dulescu-Motru (1868–1956).72 Dieser studiert bei Carl Stumpf und promoviert 1893 bei Wilhelm Wundt mit der Arbeit Zur Entwicklung von Kant’s Theorie der Naturcausalität, die auch von Bergson in Introduction la m¦taphysique zitiert wird. 1906 wird er Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie in Bukarest und 1938–1941 sogar Präsident der Rumänischen Akademie der Wissenschaften. Bereits 1907 sieht er im Beweis, dass die Wissenschaft von den intellektuellen Funktionen des Subjekts bedingt wird, den größten Gewinn des Kantianismus.73 Zugleich aber zeigt er sich unzufrieden mit einem geschichtslosen, abstrakten Subjekt, das sich außerhalb der Gesellschaft befindet und ausschließlich in seiner logisch-formellen Konstitution betrachtet wird. In Elemente de metafizica˘ (1912) entwirft Ra˘dulescu-Motru ein eigenes Denksys-
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tem »auf der Grundlage der kantischen Philosophie«, wie der Zusatz zum Titel der zweiten Auflage 1928 lautet. Im zweiten Teil der Arbeit kritisiert er die Kant’sche »Synthese« zwischen Empirismus und Rationalismus als »Verdunkelung« der Divergenzen zwischen den beiden Denkschulen und die bedenkenlose Orientierung Kants an der Wissenschaft seiner Zeit, vor allem Newton, ohne die Auseinandersetzungen innerhalb der Wissenschaft selbst berücksichtigt zu haben. Außerdem enthalte die Theorie der Apperzeption als Kern des kantischen Systems zwei heterogene Elemente: Spontaneität und numerische Identität. Die Spontaneität entspricht einer »organischen« (psychologischen) Einheit des individuellen Ich, die numerische Identität vielmehr der mathematischen Einheit eines überindividuellen Bewusstseins. Der Sprung von der psychologischen zur numerischen Einheit ist logisch unzulässig. Dagegen beruft sich Ra˘dulescu-Motru auf die zeitgenössische Psychologie und den Evolutionismus, um das »Bewusstsein überhaupt« durch ein »wirkliches« individuelles Bewusstsein zu ersetzen, wodurch die Erkenntnistheorie letztlich wieder in der Ontologie verankert wird: Das Bewusstsein und die Welt des Dings an sich sind Erscheinungsformen einer und derselben Wirklichkeit, die streng deterministisch mehrere Phasen durchläuft und mit dem Bewusstsein als dem Gipfelpunkt der kosmischen Entwicklung endet. Im Unterschied zu Ra˘dulescu-Motru findet Mihai Ralea (1896–1964) in der Psychologie eine Bestätigung des kantischen Apriorismus, auch wenn er persönlich Max Adlers vom Marxismus geprägte Auslegung des Apriorismus befürwortet. Den austromarxistischen Neukantianismus weist wiederum Mircea Florian (1888–1960) zurück. Der Professor an der Bukarester Universität verfasst eine Reihe von Studien zu Kant, darunter ein ausführliches Kapitel in Istoria filosofiei moderne,74 in dem er die Entstehung des Kantianismus historisch kontextualisiert und in seiner Entwicklung untersucht. Nicht zuletzt wird die europäische Kant-Rezeption systematisch betrachtet und in vier exegetische Richtungen eingeteilt: die skeptische, mystische, antimetaphysische und metaphysische Auslegung, die ihrerseits weiter differenziert werden. Florian selbst steht der metaphysischen Auslegung am nächsten und neigt zu einer Betrachtung Kants als Rationalist, dessen Hauptziel es war, die Metaphysik durch einen neuen Dogmatismus zu retten, indem er den Bereich der Wissenschaft auf die Phänomene beschränkt, ohne jedoch den notwendigen, universalen und objektiven Charakter ihres Wissens preiszugeben.75 Zur selben Zeit wird Kant von Wissenschaftstheoretikern rezipiert, die die philosophische Erkenntniskritik gegen den Positivismus in Stellung bringen.76 So betont Alexandru Mironescu die aktive Rolle des Subjekts in der Erkenntnis, Ion Bruca˘r sucht bei Kant die Stärkung des Rationalismus gegen den Intuitionismus Bergsons und der von Poincar¦ beeinflusste Mathematiker Grigore C. Moisil verteidigt das mathematische Wissensideal trotz der Grundlagenkrise der
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Wissenschaften. Moisil untersucht die kantische Spontaneität des Denkens und den Apriorismus von Raum und Zeit im Lichte der zeitgenössischen Axiomatik und bestreitet die Endgültigkeit, die Kant Euklid und der aristotelischen Logik zugeschrieben hatte. Die axiomatische Freiheit der Logik beziehungsweise der geometrische Pluralismus besage, dass die Denker zwischen mehreren Geometrien wählen können. Der Apriorismus wird dabei allerdings nicht aufgegeben, sondern nur die kantischen historisch bedingten Auffassungen von Raum und Zeit: Den Euklid’schen Raum ersetzt Moisil durch die Gruppe und die messbare Zeit durch die Dauer, die auf dem algebraischen Begriff der Kette basiert. Besonders einflussreich ist in der Zwischenkriegszeit die Schule um Nae Ionescu, der politisch die Eiserne Garde unterstützt und als Religionsphilosoph die Mystik in den Vordergrund rückt; Kant gehört für ihn der Vergangenheit an. Aus anderen Gründen lehnt Lucian Blaga den Kantianismus ab. Der aus Siebenbürgen stammende Priestersohn Lucian Blaga (1895–1961) promoviert 1920 in Wien zum Doktor der Philosophie und der Biologie; nach einigen Jahren im diplomatischen Dienst wird er 1939 auf den Lehrstuhl für Kulturphilosophie an der Universität Cluj berufen (die nach dem Zweiten Wiener Schiedsspruch 1940 nach Sibiu verlegt wird). Blaga bleibt sowohl vor als auch nach dem Zweiten Weltkrieg politisch unanfechtbar, trotzdem wird er 1948 entlassen und seine Schriften werden sogar verboten. Den Grund dafür bilden seine hauptsächlich zwischen 1931 und 1942 entstandenen philosophischen Werke, die ein eigenes und kohärentes Denksystem entwerfen. Kant kann in einem solchen Denken keinen Platz finden, das die Metaphysik als begriffliche Weltbildung und somit als die Krönung der Philosophie betrachtet. Die von Kant angeprangerte historisch begrenzte Gültigkeit der Metaphysiken entkräftet für Blaga nicht die Notwendigkeit von und das Bedürfnis nach Metaphysik. Dem Kantianismus selbst nämlich eignet eine gewisse Ambivalenz: Einerseits maß er »voreilig« die metaphysische Erkenntnis am Ideal der Wissenschaftlichkeit und ignorierte die Autonomie der Metaphysik, die allein einer immanenten Kritik unterzogen werden kann. Andererseits glaubte Kant unkritisch an die Unantastbarkeit der bestehenden Naturwissenschaften und der deistischen Theologie, die ihn zu einer Ethik des Konformismus führte. Schließlich »rächte« sich für Blaga die Metaphysik: »Kant übte metaphysische Abstinenz, um seinen Hunger nach Metaphysik mit allgemein verfügbaren Surrogaten zu stillen.«77 Es sei erwähnt, dass vor dem Krieg unter anderen Zum ewigen Frieden (1917), Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (von Isidor Colin o. J.; von Traian Bra˘ileanu 1929), Prolegomena (Mihail Antoniade 1924), Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (Constantin Ra˘dulescu-Motru 1924), die Kritik der reinen Vernunft und die Kritik der Urteilskraft (beide von Traian Bra˘ileanu 1930 bzw. 1940) sowie die Kritik der praktischen Vernunft (Dumitru Cristian
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Amza˘r und Raul Vis‚ an 1934) veröffentlicht wurden. Nach dem Krieg erschienen: Kritik der reinen Vernunft (Nicolae Bagdasar, Elena Moisuc 1969), Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Kritik der praktischen Vernunft (Nicolae Bagdasar 1972), Kritik der Urteilskraft (Vasile Dem. Zamfirescu, Alexandru Surdu, Constantin Noica 1981), Logik (Alexandru Surdu 1985) und Prolegomena (Mircea Flonta, Thomas Kleininger 1987). Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Kant pauschal mit anderen »idealistischen« Denksystemen von der Position des dialektischen Materialismus aus verurteilt, selbst wenn manche, wie der Logiker Athanase Joja, auch den empirischen und »relativ agnostischen Realismus« Kants als Gegenstück zu seiner Transzendentalphilosophie betonen.78 Nichtsdestoweniger werden neue Übersetzungen seiner Werke veröffentlicht, die zum Teil von Philosophen älterer Generationen stammen. Aus marxistischer Perspektive untersucht Niculae Bellu die Ethik Kants (1972), der Professor an der Universität Bukarest Alexandru Boboc veröffentlicht eine Monographie zu Kant s‚ i neokantianismul (1968) und sein Kollege Mircea Flonta befasst sich mit der Erkenntnistheorie Kants. So bezweifelt Flonta, dass die für die formalisierte Sprache geeigneten Begriffe der intensionalen Semantik der Unterscheidung zwischen »analytisch« und »synthetisch« gerecht werden, wie analytische Philosophen meinen, und fordert eine separate Untersuchung dieser Differenz unter einem systematischen und einem empirisch-historischen Blickwinkel.79 Unter den »nicht offiziellen« Philosophen dieser Zeit zeichnet sich Constantin Noica (1909–1987) aus, der Verfasser einer Ontologie, Logik und Kulturphilosophie, die sowohl vor als auch nach 1989 einen starken Einfluss auch außerhalb der philosophischen akademischen Kreise ausüben. Noica rezipiert Kant zum Teil über Heidegger, etwa in einer Festschrift, die anlässlich des 200-Jahr-Jubiläums der Erstveröffentlichung der Kritik der reinen Vernunft erschien.80 Wie Heidegger führt Noica die Frage »Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?« auf die Seinsfrage zurück: Das Transzendentale bedeutet letztlich die Ermöglichung der erfahrenen Wirklichkeit, welche durch die apriorischen Formen geprägt wird. Dieses »konstruktive« Verfahren in Bezug auf die Wirklichkeit ist weder idealistisch, noch subjektivistisch und am wenigsten anthropologisch zu deuten. Vor allem dienen Kant und Heidegger als Ausgangspunkte für die Wiederaufnahme von Leitmotiven des eigenen Denkens und für die für Noica spezifischen schöpferischen Neudeutungen der Alltagssprache. Die 25-jährige Geschichte der Kant-Rezeption in Rumänien nach 1989 wartet noch auf einen synthetischen Überblick.
Masaryks Auseinandersetzung mit Kant
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Tomásˇ Garrigue Masaryks kritisch distanzierte Auseinandersetzung mit Kant von Jan Zouhar Tomsˇ Garrigue Masaryk (1850–1937) war ein bedeutender tschechischer Philosoph und Staatsmann, Professor für Philosophie am tschechischen Teil der Prager Universität in der Zeit von 1882–1914, eine Schlüsselfigur im tschechoslowakischen Unabhängigkeitskampf in den Jahren von 1914–1918 und der erste Präsident der Tschechoslowakei von 1918–1935. Masaryk war sich der Schwierigkeiten der Interpretation von Kants Philosophie wohl bewusst. Dies zeigt sich deutlich in seinem Werk Karel Havlicˇek (1896): »Man glaubt kaum, wie wenige Menschen einander verstehen, sogar wenn sie jahrelang zusammen gelebt haben; noch weniger verstehen sie ihre Vorgänger. Man betrachte nur die Philosophen. Wie viele haben Abhandlungen über Kant oder Plato geschrieben? Nichtsdestoweniger findet man in dem großen Korpus von Literatur über Kant und Plato nur drei oder vier Forscher, von denen man wahrhaft sagen kann: Da hat einer dessen Werk verstanden.«81
Abb. 11: Tomsˇ Garrigue Masaryk
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Kant und Osteuropa
Die folgende Darstellung wird eine Auswahl von Masaryks Texten in den Blick nehmen – seine wichtigsten Monographien sind Sebevrazˇda [Der Selbstmord als soziale Massenerscheinung der modernen Zivilisation, auf Deutsch erstmals 1881 erschienen], Pocˇet pravdeˇpodobnosti a Humova skepse [Humes Skepsis und die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1883], Zkladov¦ konkr¦tn¦ logiky [Grundlagen der konkreten Logik] (1885), dessen erweiterte und aktualisierte deutsche Ausgabe Versuch einer concreten Logik (1887), Modern cˇloveˇk a nbozˇenstv [Der moderne Mensch und die Religion, veröffentlicht in der Zeitschrift Nasˇe doba von 1894–1898 und als Monographie im Jahre 1934], Otzka sociln [Die soziale Frage, 1898], Rusko a Evropa [Russland und Europa, auf Deutsch erstmals 1913 erschienen] und Sveˇtov revoluce [Die Weltrevolution, 1925]. Die Schrift Der Selbstmord, die zu Recht als ein fundierender Text für die tschechische Soziologie angesehen wurde, enthält nur zwei Bezugnahmen auf Kants Werk – erstens eine Referenz auf seine Anthropologie in pragmatischer Hinsicht82 und zweitens die Bemerkung, dass die Philosophie seit den Tagen Kants definitiv anti-christlich gewesen sei.83 In seiner Schrift Humes Skepsis und die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung war es nicht Masaryks Absicht, einen Umriss von Kants Philosophie vorzulegen. Er kritisierte vielmehr Kants Apriorismus »aus logischen und insbesondere psychologischen Gründen«,84 indem er zugleich die Ansicht zurückwies, dass Kants Philosophie einen Wendepunkt in der Erkenntnistheorie darstelle. »Dass Kant zur mythischen Figur wurde ist ein Unglück; viele loben ihn und rufen ihn zum größten aller Philosophen aus, kennen ihn aber nur vom Hörensagen und sind sich deshalb über den Stellenwert nicht im Klaren, welcher der Kritik der reinen Vernunft in der Philosophiegeschichte zukommt: Diese enthält nur einen der gegen Humes Skeptizismus gerichteten Ansätze, und dieser lässt sich nur in ebendiesem Kontext von Humes Philosophie angemessen verstehen. Darum muss die Philosophie nicht, wie heutzutage viele behaupten, zu Kant zurückgehen, sondern zu Hume – wenn sie überhaupt zurückgehen muss, was ich zu bezweifeln wage. Das Vorhaben einer ›Rückkehr zu Kant‹ kann nicht die Philosophie als ganze betreffen, sondern nur die Erkenntnistheorie, und hier müssten wir, wie bereits geltend gemacht wurde, zu Hume zurückgehen.«85 Offenkundig hatte Masaryk also keine sehr hohe Meinung von Kants Philosophie. Er schrieb sogar : »Kants Philosophie erscheint mir völlig verfehlt und was seine Metaphysik angeht, enthält diese bereits einen so fundamentalen Fehler, dass sein gesamtes weiteres Werk diesem Makel gleich von Beginn an ausgesetzt ist: Den Fehler eines unkritischen und vagen Begriffs des Apriori.«86 In Zkladov¦ konkr¦tn¦ logiky bemerkt Masaryk, dass er den Begriff des Apriori in dem Sinne versteht, in dem er in Humes Untersuchung entwickelt wird, mithin
Masaryks Auseinandersetzung mit Kant
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nicht als angeborene Formen und erfahrungskonstitutive Kategorien, sondern als dasjenige, »was der Geist selbständig durch das Vergleichen und Analysieren von Vorstellungen und Urteilen erzeugt, die der Erfahrung entstammen«.87 In seinem Versuch einer concreten Logik macht er geltend, dass seine Erkenntnistheorie von der Humes verschieden ist. Er betont, dass unser Verstand Begriffe sowohl auf der Grundlage der Erfahrung wie auch unabhängig davon kreiert. Das Apriori umfasst das, »was der Geist selbständig im Vergleichen, Analysieren und Synthetisieren von in der Erfahrung gegebenen Begriffen erzeugt«.88 Masaryk fasst den Begriff des Apriori psychologisch. Er kann auf Vorstellungen oder auf Urteile angewendet werden und der Unterschied zwischen apriorischem und empirischem Wissen beruht bloß darauf, wie es gebildet wird, denn »jedwede Wissenschaft erschafft Begriffe nicht bloß empirisch, sondern auch auf eine apriorische Weise auf Grundlage logischer Regeln. Die Unterschiede zwischen den Wissenschaften resultieren nicht daraus, wieviel Wissen a priori sie jeweils enthalten, sondern aus dem Charakter ihres jeweiligen Untersuchungsgegenstandes und der angewendeten Methode«.89 Masaryk gesteht Kant zu, die »Achtung für den Rationalismus wiederhergestellt zu haben«. Er ist gleichwohl überzeugt, dass Kant »durch einen Mangel an gründlicher psychologischer Analyse der unabhängigen intellektuellen Kräfte irregeführt worden war und bei einem ziemlich verwirrenden Subjektivismus endete«.90 Masaryk war der Ansicht, dass Kant durch die Unterscheidung der Metaphysik als höherstehender Wissenschaft von den Einzelwissenschaften und durch die Verschärfung des Kontrasts zwischen beiden der Philosophie geschadet habe: »Denn der scharfe Kontrast zwischen der Philosophie und den Einzelwissenschaften sowie die Trennung von empirischem Wissen und Wissen a priori führte zu jenen pompösen Systemen, denen wir allzu oft im nachkantischen, deutschen Rationalismus begegnen.«91 Masaryk konstatiert, dass Kant den Versuch einer eigenen Klassifizierung der Wissenschaften nicht unternommen und aristotelische Klassifikationen in Mathematik, Naturwissenschaften und Metaphysik übernommen habe. In seiner Einschätzung von Kants Umgang mit den Naturwissenschaften weist er dessen Mathematikverständnis zurück. Er behauptet, dass Mathematik nicht aufgrund von subjektiven Formen der Anschauung von Raum und Zeit a priori möglich sei, sondern aufgrund von Rezeptivität und Kreativität des Verstandes auf dem Gebiet der Quantitäten und der Verhältnisse von Raum, Zeit und Zahlen zueinander. Einerseits ist Masaryk davon überzeugt, dass in Kants Philosophie eine ohne Psychologie auskommende Konstruktion apriorischer Vernunftvermögen den rechtmäßigen Platz einer nüchternen psychologischen Analyse eingenommen hätte, was in der Folge dazu geführt habe, dass »die Tür dem psychologischen Mythos weit offenstand«.92 Andererseits aber schätzt Masaryk es auch, dass konkrete und abstrakte Psychologie dank Kants Anthropologie in pragmatischer
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Hinsicht, die er als einen Versuch zur Systematisierung der konkreten Psychologie auffasste,93 erstmals begannen, klar voneinander unterschieden zu werden. Übrigens bezeichnet Masaryk die Kritik der reinen Vernunft auch als den tiefsten Ausdruck des neuen Geistes eines ganzen Zeitalters und spricht über die stimulierende Wirkung, die sie in der Soziologie und der Philosophie der Geschichte entfaltete. Gleichwohl hat Kant Masaryk zufolge, »um Humes Folgerungen zu vermeiden und unter dem Einfluss älterer Philosophen stehend, die wissenschaftliche Philosophie von den Einzelwissenschaften abgetrennt und ist in eine Spekulation versunken, die mit den Leistungen strenger Wissenschaften nicht mithalten kann«.94
Abb. 12
Masaryks Einschätzung von Kants Werk ist stark durch den Vergleich mit Hume geprägt. Dies wird in vielen seiner Texte deutlich: »Welche subtile psy-
Masaryks Auseinandersetzung mit Kant
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chologische Analyse Hume anbietet und wie erstaunlich dogmatisch sich Kant – nach seinem eigenen Verständnis – doch in der Logik seiner Zeit bewegt, ohne jedes tiefere Verständnis für Psychologie!«95 Masaryk war überzeugt, dass man das Problem der Gewissheit und der Grenzen unserer Erkenntnis ohne ein entsprechendes Verständnis von Humes Philosophie selbst nicht angemessen verstehen könne. Darin liegt auch die zentrale Botschaft von Masaryks erstem Versuch von 1883 in der Schrift Humes Skepsis und die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung, dem Positivismus gegenüberzutreten. In der Schrift Der moderne Mensch und die Religion (1896–98) vermerkt er, dass Kant daran gescheitert wäre, Humes Zweifel über die Gewissheit unseres Erkennens zu beseitigen. Die Behauptung, dass unser Wissen nur im Erfassen äußerer Erscheinungen bestünde, weist Masaryk indessen zurück. Er erachtet den Menschen demgegenüber als ein vernünftig-tätiges und kreatives Wesen. Darum kann er auch Kants positiven Beitrag zu dieser Auffassung in dessen Lehre von der organisierenden Kraft des menschlichen Verstandes würdigen. Masaryk schätzte Kants ethischen Rigorismus und dessen Beharren auf der bedingungslosen moralischen Verantwortlichkeit, meinte aber, dass Kant kein lebendiges und liebevolles Interesse am Menschen erkennen lasse. Hume dagegen zeigte, dass Menschen einander durch Mitgefühl zugetan sind, was allem weitverbreiteten religiösen und philosophischen Skeptizismus zum Trotz zumindest das Vertrauen gegenüber dem anderen begründen könne. Masaryk fasst seinen Vergleich wie folgt zusammen: »Wenn ich Kant und Hume miteinander vergleiche und über die positiven wie negativen Aspekte ihrer Theorien urteile, dann erscheint es mir schwer, mich zu entscheiden. Am besten schließt man sich nicht einem von ihnen an, sondern lernt von beiden. Denn beide, Kant und Hume, haben einem viel zu bieten, wovon man lernen kann.«96 Es ist wichtig hervorzuheben, dass Masaryk sich seine kritische Einstellung gegenüber Kant während seiner Studienzeit an der Universität Wien im Rahmen von Brentanos Unterricht angeeignet hat. Für Masaryk ist Kant ein Subjektivist, der den Menschen von der äußeren Welt abgetrennt, den Einzelwissenschaften wenig Aufmerksamkeit gewidmet, eine psychologische Analyse menschlichen Erkennens unterschätzt und die rationalen und empirischen Aspekte des Wissens separiert hat, was, alles zusammen gerechnet, ebenso zum Aufstieg des deutschen spekulativen Idealismus wie des unwillkommenen Titanismus des 19. Jahrhunderts geführt habe. Es liegt auf der Hand, dass Masaryks Kritik vor allem die unbeabsichtigten Wirkungen von Kants Philosophie im Blick hat: »Es ist ein Unglück, dass Kant in seiner Halbherzigkeit und mit seiner Methode keinen positiven Einfluss hatte, und trotz seiner kritischen Einstellung öffnete er seiner Phantasie das Tor. Das zeigte sich klar bei Schopenhauer und seinen Nachfolgern wie auch bei einer Reihe von ›Geistesschöpfungen‹ moderner Zeiten.«97
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Obgleich sich Masaryks kritische Haltung gegenüber Kant in Der moderne Mensch und die Religion nicht änderte, tauchen darin auch Worte der Anerkennung auf: Ich verdanke es Kant, dass er mir gezeigt hat, inwiefern unser Denken kein Ding, sondern ein Prozess ist, der sich als kompliziert und sehr vielschichtig erweist. Ich bin mit ihm nicht einverstanden, doch ich erkenne seinen synthetischen Ansatz an; das habe ich bereits eingeräumt und ich wiederhole es nun. Der Leser sollte nicht den Eindruck haben, dass ich diejenigen Aspekte von Kants Werk, die ich kritisiere, nicht schätze oder dass ich sie völlig verwerfe. Dem ist nicht so – ich stimme einfach nicht zu. In eben diesem Sinne stimme ich auch mit Kants Synthesis nicht überein, obwohl ich viel davon gelernt habe.98
In Russland und Europa99 stellte Masaryk fest, dass Kants Philosophie, auch wenn der Eindruck, den Kant im russischen Denken hinterlassen hat, vergleichsweise schwach ausfiel, die Ansichten einer Reihe von Denkern geprägt habe (Pjotr Lawrow, Wladimir Solowjow, Alexander Turgenew, Lev Tolstoj, Fjodor Dostojewski). Nach Masaryks Auffassung hätten die Russen Kant nicht verstanden, da deren Denkweise mythischer sei als die der Europäer. Masaryk schätzt Kant für den Ansatz, mit dem er Humes grundsätzlichen Skeptizismus zu überwinden trachtete, während ihm sein eigener Kritizismus erlaubte, das Verhältnis zwischen einem kritisch denkenden Menschen und der Welt wie auch seinem mythischen Selbst in den Blick zu bringen. Masaryk zufolge stellt sogar Goethes Faust einen künstlerischen Ausdruck von Kants Kritik der reinen Vernunft dar.100 Viel Platz räumte Masaryk der Beschäftigung mit Kant in seinem retrospektiven Werk Die Weltrevolution. Erinnerungen und Betrachtungen. 1914–1918 ein, das im Jahre 1925 erschien.101 Er wiederholte darin, dass Kants Philosophie ihn nicht zufriedenstellte und dass er von ihrem Subjektivismus, Individualismus und vermeintlichen preußischen Titanismus abgestoßen worden war. Er verstand Kant als Denker, der Humes Skeptizismus mit dem einseitigen Intellektualismus einer vorgeblich reinen Vernunft und einer Reihe von ewigen Wahrheiten a priori gegenübertrat, welche die Phantasterei des deutschen Subjektivismus auf den Plan riefen und zu Pessimismus und Egoismus im deutschen Denken führten. Masaryk anerkannte Kants Humanismus so wie das von ihm verfolgte ethische Anliegen, wies jedoch, weil ethische Prinzipien ihm zufolge nicht formal, sondern nur material spezifiziert werden können, Kants kategorischen Imperativ zurück. Für Masaryk stellte Kant weder einen philosophischen Rückhalt noch eine Inspiration dar. Masaryks Äußerungen über Kant zielten eher darauf ab, die Debatten im akademischen Umfeld anzuregen. Bereits im Jahre 1901 wurde Masaryks Umgang mit Kant durch Frantisˇek Maresˇ, einen tschechischen idea-
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listischen Philosophen und Professor der Medizinischen Fakultät an der Universität Prag in dessen Werk Idealismus und Realismus in der Naturwissenschaft kritisiert. Diese Arbeit setzte in Gang, was als »Streit über Kant« Bekanntheit erlangte, der im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts von einer Reihe tschechischer Philosophen ausgetragen wurde. Der Streitpunkt war dabei freilich nicht Masaryks Meinung von Kant, sondern die Bestimmung von Charakter und Bedeutung der Philosophie Kants überhaupt.
Übersetzt von Philipp Schaller
Abb. 13: Tomsˇ Garrigue Masaryk, Medaille, anlässlich seines 85. Geburtstags hergestellt (1935)
Die intellektuelle Anschauung – Eine Kant-Interpretation des tschechischen Philosophen Vladimír Hoppe von Jindrˇich Karásek Die Kantische Restriktion der Erkenntnismöglichkeiten des Menschen auf die Diskursivität des Verstandes, »der bloss denkt, nicht anschaut«,102 ist bald als Mangel empfunden worden. So hat es bekanntlich bereits Fichte versucht, die intellektuelle Anschauung in das Repertoire der menschlichen Rationalität zurückzustellen, allerdings nicht mehr in der Fassung der Spinozanischen scientia intuitiva, geschweige denn in der Form des intellectus archetypus, sondern allein in der Form des unmittelbaren epistemischen Zugangs des Subjekts des menschlichen Bewusstseins zu sich selbst. Erst später hat Schelling im Rahmen seiner Identitätsphilosophie die intellektuelle Anschauung zum Mittel erhoben, die Natur an sich erfassen zu können. Es ist vermutlich geradezu charakteristisch, dass eine Auseinandersetzung mit diesem als Mangel empfundenen Zustand der Kantischen Philosophie in den tschechischen Ländern innerhalb der kritischen Reaktion auf den damals herrschenden Positivismus zustande kam. Denn offenbar ist dem Positivismus in allen seinen Varianten nichts fremder als der Gedanke, dass die menschliche Rationalität über eine intuitive Erkenntnisart, über intellektuelle Anschauung
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verfügt. Diese Auseinandersetzung ist von dem tschechischen Philosophen Vladimr Hoppe (1882–1931) unternommen worden, der in der Anknüpfung an die Metaphysik des Willens Schopenhauers seine intutitive und kontemplative Philosophie entfaltete und in der endgültigen Fassung in der Schrift Prˇirozen¦ a duchovn zklady sveˇta a zˇivota. Od zˇivota sub specie temporis kzˇivotu sub specie aeternitatis [Natürliche und geistige Grundlage der Welt und des Lebens. Vom Leben sub specie temporis zum Leben sub specie aeternitatis] aus dem Jahr 1925 vorlegte.103 Der Untertitel von Hoppes Hauptschrift lässt den Einfluss Spinozas erkennen. An mehreren Stellen dieser Schrift formuliert Hoppe die These, dass seine philosophische Position derjenigen Spinozas ganz nahe stehe. Damit hängt auch seine positive Einschätzung von Spinozas scientia intuitiva zusammen. Hoppe war davon überzeugt, dass in der Ethik des Spinoza alle Voraussetzungen für die geistige Renaissance der intuitiven oder kontemplativen Methode gegeben sind.104 Hoppes Strategie gegen den damals herrschenden Positivismus ist also deutlich die, mit Hilfe von Spinoza die Methode der intuitiven Erkenntnis der Grundlage der Wirklichkeit wieder zur Geltung zu bringen. Welche Rolle innerhalb dieser Strategie Kant spielt, wird deutlich werden. Vladimr Hoppe, der 1922 Dozent an der Karls-Universität in Prag und 1927 Professor an der Masaryks-Universität in Brünn wurde, bezeichnete selber seine Philosophie als transzendentalen Idealismus bzw. transzendentalen Realismus. Mit dieser Bezeichnung meinte er eine Position, in der es darum geht zu zeigen, dass in der menschlichen Subjektivität, in diesem »Zentrum des Universums«, eine Verbindung mit dem überindividuellen Bereich des transzendentalen Subjekts und Objekts hergestellt werden kann, welche unsere alltägliche raumzeitliche Realität übergreifen.105 Bereits hieraus ist zu sehen, dass Hoppe sich in der Absicht mit Kant auseinandersetzte, um mit Hilfe der Kantischen Philosophie seine eigene philosophische Position zu profilieren. Nach seinem Tod am 3. März 1931 wurde in seinem Nachlass eine zur Veröffentlichung vorbereitete Schrift mit dem Titel Dva zkladn probl¦my Kantova kriticismu [Zwei Grundprobleme von Kants Kritizismus] aufgefunden. Diese Schrift enthält zwei Abhandlungen. Die erste mit dem Titel Probl¦m intelektulnho nzoru a intuice u Kanta [Das Problem der intellektuellen Anschauung und Intuition bei Kant] ist bereits 1922 in der Zeitschrift Cˇesk mysl erschienen, während die zweite O Kantoveˇ antitetick¦m zpu˚sobu mysˇlen a o jeho pokusu vyrovnati rozpory pomoc dialektick¦ synt¦zy [Von Kants antitetischer Denkart und seinem Versuch, mit Hilfe der dialektischen Synthese Widersprüche auszugleichen], deren Grundlage Hoppes Vorlesung an der Masaryks-Universität im Wintersemester 1928–1929 darstellte, erst in der aufgefundenen Schrift veröffentlicht werden sollte. Diese Schrift wurde dann von der Philosophischen Fakultät der MasaryksUniversität ohne Veränderungen 1932 herausgegeben.106 In der ersten Abhandlung, auf die ich mich aus räumlichen Gründen be-
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schränke, versucht Hoppe zunächst zu klären, warum Kant die eingangs erwähnte Restriktion der menschlichen Erkenntnismöglichkeiten auf den diskursiv verfahrenden Verstand, deren Implikation in der Ablehnung der intellektuellen Anschauung besteht, einführt. Hoppes Erklärung lautet wie folgt: Um die exakte naturwissenschaftliche Erkenntnistheorie, also das von Newton und Galilei eingeführte Ideal einer mathematischen Naturwissenschaft zu retten, sieht Kant sich gezwungen, die diesem Ideal ganz fremde Möglichkeit einer intuitiven Erkenntnis zu leugnen.107 Als Beleg dafür, dass Kant tatsächlich dem Ideal der mathematischen Naturwissenschaft, das Hoppe als Newtons Mathematismus bezeichnet, verpflichtet war, führt Hoppe eine Stelle aus der Vorrede zu der Schrift Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft aus dem Jahr 1786 an.108 Kant sagt hier in der Tat: »Ich behaupte aber, dass in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist.«109 Nach Hoppe ist es unverständlich, dass Kant diese Worte vier Jahre vor dem Erscheinen seines – nach Hoppe – Gipfelwerkes, der Kritik der Urteilskraft, schreiben konnte, denn in ihr weise er im § 75 mit schlagenden Gründen nach, dass »Newton eines Grashalms« unmöglich sei. Es muss also Hoppe zufolge eine Erkenntnisart geben, in der die Mathematik nicht das Hauptwort spricht und die deswegen eine andere Erkenntnisquelle als diskursive in Anspruch nimmt. Diese Erkenntnisart sieht Hoppe in der intellektuellen Anschauung. Seine kritische Hauptthese formuliert Hoppe an mehreren Stellen seiner Abhandlung in jeweils leicht veränderten Varianten. An einer dieser Stellen wendet Hoppe diese Kritik sogar auf Kants Kopernikanische Wende an: Zwar habe Kant durch seine kopernikanische Wende die Objektivität in der Subjektivität gesucht und gefunden und damit für das philosophische Denken die Grunderkenntnis gewonnen, dass die Ordnung, von dem man ursprünglich meinte, in der Natur und den Gegenständen zu bestehen, wir selber in die Natur und Gegenstände hineinlegen, so dass wir in der wissenschaftlichen Erkenntnis nur den Anschauungsformen und den Denkformen unserer Subjektivität – Hoppe spricht von der Persönlichkeit – wieder begegnen.110 Wenn man jedoch die Sache genauer betrachtet, so Hoppe, ergibt sich, dass Kant die kopernikanische Wende nicht ganz gelungen sei: Statt von unserer reichen Welt der Qualitäten im ganzen Umfang auszugehen und die Welt der Quantitäten für ihren kleinen Fragment zu erklären, verfolgt er den Weg der … naturwissenschaftlichen Erkenntnis auf der mathematischen Grundlage, als ob diese symbolische und abstrakte Welt [sc. der mathematischen Naturwissenschaft] in der Tat das Mass aller unserer Erkenntnis wäre.111
Kant versagte also bei der Realisierung der kopernikanischen Wende, weil er dem Ideal der mathematischen Naturwissenschaft verpflichtet blieb, in der »die
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Abb. 14: Anton Weber, Erker am Karolinum der Universität Prag (vor 1896)
reiche Welt der Qualitäten« auf quantitative mathematisch ausdrückbare Verhältnisse reduziert wird. Mit den Qualitäten meint Hoppe geistige Erlebnisse und Werte, die im Unterschied zu den immer nur relativen und in der symbolischen mathematischen Sprache ausgedrückten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen absolut sind und in der Innerlichkeit der Subjektivität unmittelbar erlebt werden. Von einer gelungenen kopernikanischen Wende könnte also nach Hoppe erst dann gesprochen werden, wenn Kant die mathematische naturwissenschaftliche Erkenntnis von »unserer schöpferischen absoluten Erkenntnis, die es uns möglich macht, in der unmittelbar erlebten Welt der Werte zu leben« bewusst unterschieden hätte.112 Hoppes Kritik besteht also darin, dass Kant die kopernikanische Wende, die eine radikale Wendung zur Subjektivität herbei-
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führen sollte, nur halbwegs durchgeführt hat, weil er dem Ideal der mathematischen Naturwissenschaft folgend die eigentliche Dimension der Subjektivität unberücksichtigt gelassen und damit einen auf die Subjektivität nicht überführten Rest der Objektivität in seiner Noetik hinterlassen hat. Zwar habe Kant das einzigartige Verdienst, »den Menschen von den Fesseln der äußeren Welt zu befreien und auf eine prometheische Weise der äussere Kosmos aus dem inneren entstehen zu lassen«.113 Er tat es jedoch nicht vollständig, wofür – so Hoppes Kulturdiagnose – die rationalistische Kultur der Aufklärung des XVIII. Jahrhunderts, in der Kant lebte und dachte und die zuviel durch mathematische und naturwissenschaftliche Forschung geprägt war, verantwortlich sei.114 Hoppe sagt sogar, dass Kant aufgrund seiner Verankerung in den Idealen der Aufklärung fast gar kein Verständnis für den umfangreichen Bereich der Geisteswissenschaften habe, die fünfzig Jahre vor seiner Zeit Giambattista Vico entdeckt hatte.115 In dem verfolgten systematischen Kontext ist Hoppes These von Belang, dass es erst den nachkantischen Denkern vorbehalten blieb, die von Kant nur halbwegs durchgeführte kopernikanische Wende mit voller Radikalität zu vollziehen. Es seien Fichte, Schelling, Hegel und Schopenhauer, die alle bald eingesehen haben, »dass man mit der Kategorie der Geistigkeit beginnen soll, wenn man eine einheitliche sich selbst nicht widersprechende Philosophie auf der geistigen Grundlage aufbauen soll.«116 Hoppe spricht Fichte, Schelling und Schopenhauer nicht nur die Einsicht zu, dass unsere Subjektivität in der intellektuellen Anschauung mit dem Gegenstand der Erkenntnis identisch ist, sondern behauptet vielmehr auch, dass aufgrund dieser Einsicht die drei genannten auch die Frage positiv beantwortet haben, ob wir durch unsere Subjektivität, die wir »völlig erleben«, in das Innere der Natur durchdringen und auf diese Weise ein metaphysisches Bild der Natur gewinnen können. Kant habe diese Frage negativ beantwortet, weil er eine »agnostische Erkenntnistheorie« entwickelt habe, die einen Illusionismus nach sich zieht, für den der Gegenstand der Erkenntnis nur eine Vorstellung unserer Verstandesformen wird.117 Das heißt: Erst die radikal durchgeführte kopernikanische Wende, und zwar gerade deswegen, weil sie keine auf die Innerlichkeit der Subjektivität nicht reduzierte Reste der Objektivität hinterlässt, sondern alle Objektivität in der Subjektivität sucht und findet, macht es möglich, das Innere der Natur zu erkennen. Zwar mag es fraglich sein, ob alle drei genannten sich in der dargestellten Position hätten wieder erkennen können, es ist jedoch sicher, dass Fichte sich mit einem Versuch Hoppes hätte einverstanden erklären müssen. Es ist dies der Versuch festzustellen, ob Kant bei aller expliziten Verneinung der Möglichkeit einer intellektuellen Anschauung diese spezifische Erkenntnisart dennoch nicht implizit gebraucht.118 Es war genau diese Frage, die Fichte in der Zweiten Einleitung in die Wissenschaftslehre sich vorgelegt und folgendermaßen beantwortet hat: Die intellektuelle Anschauung, wie ich (Fichte) sie verstehe, nämlich
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nicht als Fähigkeit eines intellectus archetypus, sondern als das unmittelbare Selbstbewusstsein des Subjekts des Bewusstseins, muss Kant an zwei Stellen seiner Philosophie – volens, nolens – in Anspruch nehmen, nämlich einmal in der Gestalt des Selbstbewusstseins qua ursprüngliche Apperzeption, und zum anderen in der Gestalt des Bewusstseins des kategorischen Imperativs.119 Hoppes Intention ist dieselbe und daran ändert auch der Umstand nichts, dass er unter dem Begriff der intellektuellen Anschauung etwas anderes versteht als Fichte. Denn für Hoppe ist sie nicht nur eine Art des epistemischen Zugangs des Subjekts des Bewusstseins zu sich selbst, sondern ähnlich wie für Schelling auch eine kognitive Fähigkeit, das Innere der Natur zu erfassen. Im diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Hoppe zunächst an Kants öffentliche Erklärung gegen Fichte erinnert, in der Kant gegen Fichte und gegen seine eigene Behauptung in der Kritik der reinen Vernunft behauptet,120 es sei nicht wahr, dass er mit seiner Kritik der reinen Vernunft nur Propädeutik zur Transzendentalphilosophie liefern wollte. Hoppe verteidigt Fichte, indem er sagt, dass diese Erklärung Kants »im grundsätzlichen Widerspruch zu allem ist, was dieser Denker [sc. Kant] über das Verhältnis der Kritik der reinen Vernunft zur Transzendentalphilosophie als metaphysisches System erklärt hatte«.121 Wie verfährt also Hoppe bei dem erwähnten Versuch? Bei der Entfaltung des Problems geht Hoppe von dem Begriff der Kategorie aus und insofern ist seine Strategie verschieden von derjenigen Fichtes.122 Kant habe zwar die Kategorien »transzendental abgeleitet«, er hat sich jedoch nicht folgende Fragen gestellt: »Woher kommen die Kategorien, wo werden sie erzeugt, worin besteht das Wesen des zeugenden Geistes, der von sich selbst aus die Kategorien als feststehende Gesetze erzeugt?«123 Zwar wird die metaphysiche Deduktion nicht erwähnt. Aus dem Katalog der vorgelegten eher rhetorischen Fragen leuchtet jedoch hervor, dass Hoppe sie nicht überzeugend findet. Aus ihm geht aber auch Hoppes Überzeugung hervor, dass die Kategorien von dem menschlichen Geist erzeugt werden, dessen Wesen aus diesem Grund als Zeugen aufgefasst werden muss. Hoppe führt hierzu folgendes aus: In den Kategorien ursprünglich zeugende Tätigkeiten zu erkennen, setzt bereits die Annahme eines Verstandes124 voraus, der zugleich erkennt und zeugt, dessen apriorisches Wissen zugleich apriorisches Zeugen ist. Ein solcher Verstand gewinnt seine Erkenntnisse nicht durch Abstraktion aus den Gegenständen der Erkenntnis, sondern vielmehr intuitiv: bereits dadurch, dass er seine Denkprodukte schaut, erzeugt er sie zugleich.125
Kant fasste Kategorien als ursprüngliche, d. h. auf keine andere Begriffe reduzierbare einheitsgebende Synthesisfunktionen auf. Weil aber die Synthesis nach Kant »ein Actus der Spontaneität der Vorstellungskraft«126 ist, so lässt sich cum grano salis sagen, dass die Kategorien bei Kant ursprünglich zeugende Tätig-
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keiten sind, nämlich Tätigkeiten eines Verstandes, der von sich selbst aus – sua sponte – die Einheit des Bewusstseins des Anschauungsmannigfaltigen erzeugt. Und hier, so legt es Hoppe nahe, haben wir in der Kantischen Erkenntnistheorie genau die Stelle, an der Kant dem Verstand die Fähigkeit einer intellektuellen Anschauung hätte zuschreiben müssen. Denn die Kategorien, die Kant als Grunderkenntnisse der Gegenstände versteht, werden Kant zufolge natürlich nicht via Abstraktion aus dem gegebenen Mannigfaltigen der Anschauung gewonnen. Wo kommen sie aber her, wenn ihre Ableitung aus den Urteilsformen nicht überzeugt? Sie werden, so Hoppe, von dem Verstand erzeugt, und zwar nicht diskursiv, sondern intuitiv, in dem Akt der intellektuellen Anschauung. Der Verstand schaut Produkte seiner Tätigkeit an, und zwar nicht als etwas, das bereits vor ihm vorläge und nur aufgefunden oder entdeckt werden müsste, sondern als etwas, das mit dem Akt der Anschauung allererst und zugleich hervorgebracht, erzeugt wird. Und deswegen ist sein apriorisches Wissen zugleich ein apriorisches Zeugen, weil alles, was er a priori weiss, von ihm selber spontan und auf beschriebene intuitive Weise erzeugt wird. Weil also der menschliche Geist über Kategorien im Kantischen Sinn verfügt, muss er über intellektuelle Anschauung verfügen und als ursprünglich zeugend aufgefasst werden. Anders gewendet: Bereits die Existenz der Kategorien im menschlichen Geist ist ein Beweis dafür, dass er in dem Akt der intellektuellen Anschauung ursprünglich schöpferisch ist. Intellektuelle Anschauung kann also im Unterschied zu der sinnlichen nicht passiv sein, weil mit dem Vollzug der Anschauung zugleich das Objekt der Anschauung erzeugt wird. Zwar qualifiziert es den über diese Anschauung verfügenden Verstand nicht eo ipso zum intellectus archetypus, denn das, was kraft der intellektuellen Anschauung erzeugt wird, sind keineswegs Dinge, sondern allein apriorische Erkenntnisse des Verstandes von den Dingen. Strukturell ist jedoch der über intellektuelle Anschauung verfügende Verstand dem intellectus archetypus gleich, von dem nach Kant gilt, dass »durch dessen Vorstellung zugleich die Objekte dieser Vorstellung existierten«.127 Vorstellung des ursprünglich zeugenden Geistes hat die Form der intellektuellen Anschauung und seine von ihm gezeugten Objekte sind Kategorien. Wenn aber Hoppe behauptet, dass ein solcher Verstand nach Kant archetypisch und synthetisch verfährt, dann irrt er, denn ganz im Gegenteil folgert Kant, dass ein über intellektuelle Anschauung verfügender Verstand »einen besonderen Actus der Synthesis des Mannigfaltigen zu der Einheit des Bewusstseins nicht bedürfen« würde.128 Weil aber Hoppe von dem synthetischen Charakter des Bewusstseins und den Kategorien als Funktionen der synthetischen Einheit des Bewusstseins zusammen mit Kant überzeugt ist, wie es dem ganzen Text zu entnehmen ist, so muss man die Funktion der intellektuellen Anschauung bei ihm nur für den Akt gelten lassen, in dem der zeugende Verstand die Kategorien erzeugt: Nur für
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diesen Akt gilt also, dass durch die Vorstellung des Verstandes zugleich die Objekte dieser Vorstellung existieren und dass er in diesem exklusiven Fall einen besonderen Actus der Synthesis des Mannigfaltigen zu der Einheit des Bewusstseins nicht bedarf. Die intellektuelle Anschauung muss für Hoppe zweierlei zugleich gewährleisten, obwohl es bei ihm nicht explizit gemacht wird: sie erzeugt Kategorien und ist ein unmittelbares Selbstbewusstsein des Zeugenden. Hier gerät Hoppe wieder in die Nähe Fichtes, ohne es jedoch zu bemerken, denn die intellektuelle Anschauung hat Fichte deswegen in seine Theorie eingeführt, um den regressus ad infinitum zu vermeiden, der sich bei der reflexiven Erklärung des Selbstbewusstseins ergibt. Hoppe kommt jedoch zu dem gleichen Resultat wie Fichte, dass, obwohl Kant die Möglichkeit der intellektuellen Anschauung bestritten habe, er sie trotzdem und »gegen seinen Willen« zulassen müsse, sei es, um das Selbstbewusstsein qua ursprüngliche Apperzeption zu erklären (Fichte), sei es, um die Möglichkeit einer Erkenntnis a priori durch die Kategorien verteidigen zu können (Hoppe). Im Unterschied zu Fichte, der es unternimmt, die intellektuelle Anschauung auch in der praktischen Philosophie Kants nachzuweisen, und zwar als Bewusstsein des Sittengesetzes, sagt Hoppe vorsichtig: »Ob er [sc. Kant] die intellektuelle Anschauung auch in der praktischen Philosophie bei den Beweisen der erlebten Freiheit des Willens und des unbestreitbaren Faktums des Sittengesetzes gebraucht, bleibt eine delikate philosophische Frage.«129 Diese kurze Darstellung dürfte klar gemacht haben, welche Rolle die von Kant ausgehende deutsche Philosophie bei dem Zustandekommen des freien Denkens in der 1918 entstandenen demokratischen Tschechoslowakei spielte. Sie stellte für einen Teil der Philosophen in diesem Staat, zu denen auch Vladimr Hoppe gehörte, einen anschlussfähigen Anknüpfungspunkt gegen den angelsächsischen Positivismus und Pragmatismus, der von dem Gründer dieses Staates und seinem ersten Präsidenten Tomsˇ Garrigue Masaryk vertreten wurde, und eine Inspiration für die Entfaltung der eigenen philosophischen Positionen dar.130 Umso mehr ist es zu bedauern, dass die weitere mögliche Entwicklung dieser Inspiration in den tschechischen Ländern durch die gewalttätigen Ereignisse der Nazi-Zeit abgebrochen worden ist. Mit einer gewissen Ironie ist zu sagen, dass es Hoppes Glück war, diese Zeit nicht mehr erlebt zu haben.
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Max Steiner, ein streitbarer Altkantianer aus Prag
Max Steiner, ein streitbarer Altkantianer aus Prag von Jörg Krappmann Laß, ehrlicher Kant, sie reden, Sie kommen schon noch auf dich, Die Leugner des Dinges an sich, sind Denker außer sich. Franz Grillparzer131
Unter dem Titel Die Rückständigkeit des modernen Freidenkertums erschien 1905 die erste Publikation des 21jährigen Chemikers Max Steiner (1884–1920), der damit nichts Geringeres beabsichtigte, als »im Rahmen einer Besprechung der herrschenden Philosophie das Interesse für die halbverschollene Lehre Kants neu zu erwecken«.132 Kaum ein Zeitpunkt, so scheint es, hätte für dieses Unternehmen unpassender gewählt werden können. Das Jubiläum des 100. Todestages von Immanuel Kant hatte gerade erst eine Masse an Festbeiträgen generiert. Annähernd fünfzig Feiern erfasst allein der Referent der Kant-Studien, die nun in unterschiedlicher Publikationsform den philosophischen Buchmarkt überschwemmten. Zudem schickte sich »nach dem ominösen Zusammenbruch des Hegelianismus« seit einiger Zeit der Neukantianismus an, »im Rückgriff auf eine transzendentallogische Kantinterpretation dem um sich greifenden Wissenschaftspositivismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Paroli« zu bieten.133 Doch weder jugendliche Hybris noch geringe Fachkenntnis hatten diese Kampfschrift hervorgerufen, sondern die Sorge um eine angemessene Auseinandersetzung mit der Lehre Kants, die Steiner gleich von zwei Seiten bedroht sah. Einerseits durch einen naturwissenschaftlich begründeten Materialismus und Positivismus, der um 1900 in weiten Teilen der Gesellschaft eine unkritische Akzeptanz gefunden hatte, andererseits durch die szientifische Verengung Kants auf seine erkenntnistheoretische Verwertbarkeit, der die moderne Kant-Forschung auch über den eigentlichen Neukantianismus hinaus zuneigte. Max Steiner stammte aus der bürgerlichen jüdischen Enklave des Prager Deutschtums, das bereits vor dem Ersten Weltkrieg nur noch lediglich fünf Prozent der Gesamtbevölkerung der Metropole ausmachte. Mit Max Brod teilte er die Schulbank und seine Liebe zu Schopenhauer, den beide sich autodidaktisch aneigneten, denn die philosophische Grundlage bei der Matura bildete noch immer Herbarts 1813 erschienenes Lehrbuch zur Einleitung in die Philosophie, das 1912 letztmals eine Neuauflage erhalten sollte. Die Wirkung Herbarts im österreichischen Geistesleben des 19. Jahrhunderts ist mindestens ebenso groß anzusetzen wie die Wirkung Schopenhauers im später so genannten Prager
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Kant und Osteuropa
Abb. 15: Max Steiner
Kreis, zu dem Max Brod neben Franz Kafka, Franz Werfel, Rainer Maria Rilke und anderen auch Max Steiner rechnete.134 Einer Gepflogenheit der Prager Künstler- und Intellektuellenszene folgend wandte er sich 1903 einem Studium in Berlin zu.135 Dort schloss er sich der Freien Wissenschaftlichen Vereinigung (F.W.V.) an,136 einer liberalen Studentenverbindung, die 1881 aus den Protesten gegen die antijüdische Propaganda des Berliner Hofpredigers Adolf Stoecker hervorgegangen war und von Beginn an eine »Solidarität mit dem deutschliberalen Prag und seiner Studentenschaft« unterhielt.137 Dass Steiners Studienwahl auf die Chemie fiel, hatte sicherlich mit den Berufschancen zu tun, die sich in dem aufstrebenden Fach für einen jüdischen Studenten boten. Es kam jedoch bald zu einer Abneigung gegenüber seinen Berufsgenossen: »Sie sind versunken in die Empirie und werden sich hüten, das Gebiet der Retorten zu verlassen«.138 Und der angefügte Aphorismus trifft trotz seiner fachbezogenen Herkunft das Gebiet der gesamten Naturwissenschaften: »Kochen ist leichter als Denken«. Trotz seiner philosophischen Interessen erwog er aber keinen Studienfachwechsel, da ihm die Universitätsphilosophie mindestens ebenso verhasst war. Das ist einer der beiden Zu-
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schriften an den Herausgeber der Fackel zu entnehmen, in denen er den postumen psychologisierenden Umgang mit dem Werk Weiningers geißelt.139 Karl Kraus war von dem jungen Prager angetan und bediente sich auch in späteren Essays argumentativer Anregungen und Textausschnitte aus Steiners Büchern. Innerhalb der F.W.V. bildete sich um Steiner ein Zirkel von Separatisten, die gegen den als überkommen entlarvten Gewohnheitsliberalismus der Vereinigung Front machten. Kurt Hiller, der 1905 in die F.W.V. eintrat, steht mehr als 60 Jahre später noch unter dem Eindruck der ersten Begegnung: Selbst von den eleganten Biertrotteln dort wurde er, der vor mir eine ähnliche Abseiterund Protestlerrolle in der Verbindung gespielt hatte, mit teils nörgelnder, teils ängstlicher Zurückhaltung als geistig Größter des Kreises respektiert. Sein Ton war stets ironisch, bissig, sarkastisch. Von urhaft linker Weltsicht und urhaft linkem PolitoGefühl kam er durch Denken zu recht rechten Einsichten; und das war neu. Ich folgte ihm nicht in allem, doch in vielem, und er faszinierte mich mächtig.140
Die Faszination Hillers führte 1909 zur Gründung des »Neuen Clubs«, der Speerspitze des literarischen Expressionismus. Dessen erfolgreichen Aufstieg konnte Steiner nicht mehr miterleben, da er sich 1910, am Tage seiner Doktorprüfung, im Alter von 26 Jahren das Leben nahm. Bis zu seinem frühen Tod hatte Steiner neben der Rückständigkeit des modernen Freidenkertums noch die Monographie Die Lehre Darwins in ihren letzten Folgen vorgelegt, die 1908 in zwei rasch aufeinander folgenden Auflagen veröffentlicht wurde. Ein drittes Buch, in dem seine Kant-Interpretation nun auf Ethik und Politik angewendet werden sollte, konnte Steiner nicht mehr vollenden. Das bereits vorhandene Material edierte Kurt Hiller 1912 unter dem von Steiner geplanten Titel Die Welt der Aufklärung. Der Nachlassband wurde in nahezu allen führenden Organen des Expressionismus besprochen, am umfangreichsten von Salomo Friedländer im Sturm.141 Auf Friedländers lebenslange Auseinandersetzung mit Kant wird seit 2005 durch eine Gesamtausgabe seiner Schriften hingewiesen.142 Er folgte zunächst einer ethischen Konzeption, die Kants kategorischen Imperativ noch als ungenügend erachtete. Erst durch die harsche Kritik von Ernst Marcus provoziert, den Friedländer bereits seit der Jahrhundertwende kannte, begann er mit einer neuerlichen Aneignung der Schriften Kants. Die Rezension zu Steiners Nachlassband ist wohl das erste schriftliche Zeugnis der nun veränderten Position Friedländers. Diese bezeichnete er selbst als Altkantianismus, ein Begriff, der in der Forschung uneinheitlich gebraucht wird. Einerseits werden damit die direkten Schüler Kants gemeint, wie etwa Reinhold oder Jacob Sigismund Beck,143 andererseits eine Gruppe von philosophischen Seiteneinsteigern, zu denen neben Ernst Marcus und Ludwig Goldschmidt auch Max Steiner zu zählen ist.144 Letztere Wortbedeutung entstammt dem Organisationsschema von Karl
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Vorländers Geschichte der Philosophie, in der er zwischen eigentlichen Neukantianern (Hermann Cohen, Paul Natorp, Rudolf Stammler), Altkantianern und Kant verwandten Philosophen (u. a. Alois Riehl, Otto Liebmann, Wilhelm Windelband) unterscheidet.145 Altkantianer sind für Vorländer diejenigen Denker, »die nicht aus philologischem, sondern aus systematischem Interesse auf den urkundlichen Kant zurückgehen«.146 Doch Steiner wie die anderen philosophischen Einzelkämpfer um 1900 sahen in Kant weitaus mehr als nur einen historischen Grundlagentext. Kants Erkenntnistheorie ist für Steiner die Richtschnur in der Beurteilung aller philosophischen Theoreme. Kant zeigte die Subjektivität der auf Erfahrung gegründeten Erkenntnis auf, sodass sich die Verabsolutierungsansprüche der modernen Naturwissenschaften an sich verbieten und ihre unbedachten Ausflüge in die Metaphysik ad absurdum geführt werden können. »Kants Frage: Wie ist Erfahrung möglich, müsste in unserer Sprache lauten: Wie wird aus Erfahrung Wissenschaft?«147 Gegner Steiners ist der »Mode-Materialismus«, den in die »Schranken der Vernunftkritik« es zu weisen gilt.148 Dabei konzentriert er sich zuerst auf den Vorwurf der Inkonsequenz, den Ernst Haeckel in den Welträtseln Kant gegenüber erhob. Kant habe in der Kritik der reinen Vernunft die Unhaltbarkeit von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit nachgewiesen, um sie dann quasi durch die philosophische Hintertür in der Kritik der praktischen Vernunft wieder zu legitimieren. Steiner weist die Unhaltbarkeit dieser These anhand vieler Textbelege aus beiden Schriften nach, was hier nicht wiederholt werden soll. Wichtiger scheint, dass Steiner Kants Werk als geschlossenes System auffasst, das »die Möglichkeit von Moral und Moraltheologie mit ihren Fragen nach Seele, Freiheit und Gott ausloten« will,149 wozu die erkenntnistheoretischen Schriften lediglich eine, allerdings unabdingbare, Vorstufe seien. Damit wird das Primat der Philosophie gegenüber dem Geltungsstreben der materialistischen Naturwissenschaft gesichert und zugleich das Projekt des Neukantianismus zurückgewiesen, Kant weitgehend auf die Erkenntnistheorie zu reduzieren. Geradezu in Umkehrung von Vorländers Zuschreibung formuliert Steiner seine Grundthese: In der Philosophie hat Kant das letzte Wort gesprochen. Unser Freidenkertum bedeutet keinen Fortschritt, sondern eine arge Reaktion. Und wenn manche Leute von einem »Rückgang auf Kant« schwärmen, so müssen wir die Gefolgschaft ablehnen. Denn diese Herren irren sich in der Wegrichtung. Es gibt keinen Rückgang auf Kant. Es gibt nur einen Rückgang von Kant. Und auf diesem sinkt das moderne Freidenkertum immer tiefer und tiefer150
Auch Friedländer will »zu Kant nicht etwa zurück-, sondern vorausfinden«, da er »uns noch um Jahrhunderte voraus« sei.151 Wie Steiner zuvor geht es auch ihm um eine Beschränkung der Philosophie und Wissenschaft durch Kant: »Nur
Max Steiner, ein streitbarer Altkantianer aus Prag
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allzu gern missachtet man die scharfe Grenzlinie, durch welche Kant Erfahrung vom Unerkennbaren unterscheidet. Eine solche Grenze stört die modernen Mixer.«152 Inhalt und Wortwahl erlauben in ihrer Ähnlichkeit die Annahme, dass bei der Erarbeitung von Friedländers Kant-Auffassung nicht nur Ernst Marcus, sondern auch Max Steiner Pate stand. Die Rückständigkeit des modernen Freidenkertums stieß zunächst auf geringe Resonanz und wurde erst bekannt, nachdem Die Lehre Darwins in ihren letzten Folgen Aufmerksamkeit erregt hatte. Houston Stewart Chamberlain las das Buch »in einem Zuge, Zeile für Zeile« auf Anregung des Wiener Physiologen und späteren Rektors der Universität Wien Julius von Wiesner.153 Er sah darin Parallelen in seiner Argumentation gegen Ernst Haeckel und den Darwinismus, wie in den Grundlagen des 19. Jahrhunderts er sie bereits aufzeigte und in seiner Kant-Monographie vertiefte.154 Auf seine Zuschrift an Steiner, dem er eine Verbreitung von »200.000 Exemplaren« wünschte, entspann sich ein Briefwechsel zwischen beiden.155 In den Kant-Studien lobte Oscar Ewald, Nachfolger Weiningers als Stellvertreter-Obmann der Wiener Kant-Gesellschaft, das Darwin-Buch als »indirekte Beweisführung des Idealismus«. Steiner führe zusätzlich »den strengen Nachweis, dass auf den Voraussetzungen der Selektionstheorie niemals eine wahrhaft humane Ethik wird fußen können«.156 Damit hatte er den Kern von Steiners Methode getroffen. Ausgehend von der Logik und der Erkenntnistheorie Kants prüft er die Prämissen einer Theorie und vollzieht sie in ihre letzten Folgen nach. Werden diese Konsequenzen von ihren Verfassern nicht akzeptiert oder lassen sich bereits vorher logische Aporien nachweisen, konstatiert Steiner Inkonsequenz. Für ihn ein definitives Verdammungsurteil, denn »Inkonsequenz ist die philosophische Lüge«.157 Neben der Selektionstheorie wird im Darwin-Buch auch der Altruismus verworfen, der von Petr Kropotkin als humanitärer Ausweg aus dem »survival of the fittest« angeboten wurde.158 Dadurch werden auch die soziopolitischen Folgen von Steiners erkenntnistheoretischer Kritik deutlich. Kropotkins letztlich auf eine sozialistische Gesellschaft deutende gegenseitige Hilfe ist weder nach logischen Voraussetzungen noch auch nur nach den Bedingungen Darwins haltbar, so dass eine materialistisch-sozialistische Überzeugung der philosophischen Grundlagen entbehrt. Da Steiner auch den Liberalismus wegen seiner Bindung an einen ungerechtfertigten Fortschrittsglauben verwirft, gelangt er zur Propagierung eines aristokratischen Sozialismus, der wenig gemein hat mit der Sozialaristokratie, die am Ende des 19. Jahrhunderts von Julius Langbehn und Alexander Tille entwickelt wurde. Es handelt sich um eine recht individuelle Mischung aus konservativen, klerikalen und anarchistischen Ideen im Sinne Stirners.159 Dieses Konglomerat und die an Kant geschulte Aufklärungskritik veran-
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lassten Thomas Mann in seinem Zeitroman Der Zauberberg, die Figur des Naphta (die zunächst noch Bunge hieß) der persönlichen und intellektuellen Charakteristik Steiners nachzubilden, die Hiller in der Einleitung zur Welt der Aufklärung gibt. Wörtlich werden Passagen Steiners übernommen, um Naphtas »Negierung des naturwissenschaftlichen Wahrheitsanspruchs« gegenüber seinem Kontrahenten Settembrini zu begründen.160 In der Welt der Aufklärung wollte Steiner das Feld der Ideologiekritik verlassen, um »ein Moralsystem aus bloßer Vernunft und reiner Erfahrung zu begründen«.161 Wahrscheinlich wäre auch Steiner an diesem bisher ungelösten Problem gescheitert. In seinen letzten Aufzeichnungen formulierte er »Leben ist Erkenntnislosigkeit«.162 Für ihn war diese Erkenntnis offenbar mit 26 Jahren nicht mehr lebbar. Als Bindeglied der so unterschiedlichen kulturellen Felder Prag, Wien und Berlin, als markanter Denker der Übergangsphase der Moderne und als kämpferischer Altkantianer sollte Steiner, um mit Max Brod zu sprechen, nicht vergessen werden.
Kant in Slowenien von Jure Simoniti Kants praktischer Philosophie und seiner Philosophie im Allgemeinen stehen meist zwei ganz konträre Interpretationsstränge gegenüber. Auf der einen Seite wird sein moralisches Gesetz als Höhepunkt einer aufklärerischen universalen Ethik gesehen, die nicht auf Geschlecht, Nationalität, Rasse und dergleichen beschränkt ist. Seine Ideen zu einem ewigen Frieden und einer weltbürgerlichen Absicht machten ihn mit gutem Recht zum geistigen Ahnherrn der Vereinten Nationen, und, in weiterem Sinn, auch des internationalen Rechts und der globalen Gerechtigkeit. In Gegenüberstellung mit Kants Begriff von Moralität wird Hegels Begriff von Sittlichkeit meist dahingehend (miss)verstanden, einen stärker partikularen Ansatz zu verfolgen. Andererseits wurde Kants Philosophie des Dinges an sich, der unendlichen Annäherung an das ethische Ideal, des Schönen, das nur ein Objekt des Urteils ist, und des Erhabenen, das nur aus sicherer Entfernung wahrnehmbar ist, oft als selbstgefällig, abstrakt, aktualitätslos (psychoanalytisch gesprochen sogar als obsessiv neurotische Verschiebung des Kontakts mit »dem Ding«) gesehen und manchmal dafür kritisiert, Vorbote einer »Ethik der schönen Seele« zu sein, die mehr mit der eigenen Reinheit beschäftigt ist als mit der Kontingenz der Welt. Auf diesem umstrittenen Gebiet bewegen sich die prominentesten slowenischen Beiträge zu Kants (praktischer) Philosophie: der Kant befürwortende Ansatz von Alenka Zupancˇicˇ und der kritische Standpunkt von Zdravko Kobe. Kants Privatleben und sein Gedankenleben stehen in einem interessanten Widerspruch zueinander. Ein Mann, nach dessen täglichen Spaziergängen die
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Abb. 16: Ljubljaner Schule für Psychoanalyse, v.l.n.r.: Dolar, Krecˇicˇ (Journalistin), Zupancˇicˇ, Zˇizˇek
Abb. 17: Andy Miah, Slavoj Zˇizˇek (2008)
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Menschen in Königsberg ihre Uhren richten und der ein entsprechend philiströses Leben führt, verfasst eine Philosophie, die zum Synonym für Kosmopolitismus wurde. Diese Widersprüchlichkeit erinnert sehr stark an die Situation der slowenischen Philosophie. Provinzialität scheint ein Teil von Sloweniens ausgeprägtem Selbstbewusstsein zu sein. Dabei ist es gerade die slowenische Philosophie, die Slowenien, vertreten durch die »Ljubljaner Schule für Psychoanalyse« (auch: »Ljubljaner Lacan-Schule«) und besonders durch deren Mitbegründer Slavoj Zˇizˇek, einen Platz auf der Weltkarte sichert und zugleich für einen rigorosen epistemologischen, ethischen und ontologischen Universalismus eintritt. »Emanzipation«, »Entpartikularisierung«, »Dezentrierung« sind Schlagwörter dieser antihumanistischen Ethik, die im Fall von Zupancˇicˇ vor allem auf Kant aufruht und bei Zˇizˇek und Mladen Dolar auf Hegel. Kant und Slowenien erscheinen von daher wie für einander bestimmt zu sein. Dennoch wurden die wichtigsten Beiträge zur akademischen Kant-Rezeption in Slowenien nicht vor den 1990ern verfasst. Vor Kant war die philosophische Landschaft in Slowenien durch andere große Persönlichkeiten geprägt, allen voran durch Marx, natürlich in der Form des offiziellen Marxismus, in den 1960ern und 1970ern, dann von Heideggers Existenzialismus und schließlich, in den 1980ern, von einer psychoanalytischen Rezeptionslinie Hegels. Die weltberühmte »Ljubljaner Schule für Psychoanalyse« wurde in den späten 1970ern gegründet, zu deren prominenten Mitgliedern Slavoj Zˇizˇek, Mladen Dolar und Alenka Zupancˇicˇ zählen. Es war Alenka Zupancˇicˇ, die gemeinsam mit Zdravko Kobe eine produktive Ära des Kantianismus in Slowenien einleitete. Ihre Monografie Ethik des Realen. Kant, Lacan wurde 1993163 veröffentlicht und feierte in den folgenden Jahren einen beachtlichen internationalen Erfolg. Das Buch, das in viele Sprachen übersetzt und von den renommiertesten Verlagen veröffentlicht wurde, erweist sich als lacansche Lektüre von Kants Kritik der praktischen Vernunft, aber auch als Relektüre Lacans durch die Augen Kants. In einer vielleicht unerwarteten Verbindung von Kants moralischem Gesetz und Lacans Begriff des Realen, findet Zupancˇicˇ den sicheren Boden, auf dem eine Ethik, die nicht durch tradierte Normen bestimmt ist, errichtet werden kann. Um die absolute Reinheit der ethischen Selbstbestimmung jenseits von vorgefassten moralischen Zwecken denken zu können, ist es nach Zupancˇicˇ notwendig, dass die ethische Handlung den damit verbundenen Zweck nicht voraussetzt, sondern vielmehr festlegt: Das grundlegende Paradox der Ethik liegt in der Tatsache, dass eine bestimmte Ethik vorausgesetzt werden muss (ein bestimmter Begriff des Guten), um eine Ethik zu finden. Das ganze Projekt von Kants Ethik ist ein Versuch, dieses Paradox zu vermeiden: er versucht zu zeigen, dass das moralische Gesetz nur in sich selbst gegründet ist und dass das Gute nur ›nach‹ dem moralischen Gesetz gut ist.164
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Abb. 18: Alenka Zupancˇicˇ
Indem die Ethik des Realen nicht auf partikularen Werten errichtet ist – persönliche Vorlieben, Konventionen und sexuelle oder kulturelle Identität eingeschlossen –, versucht sie eine Ethik von kompromisslosester, radikalster und strengster Universalität zu etablieren. Die Leistung von Zupancˇicˇs Buch liegt jedoch nicht allein darin, eine neue Perspektive auf Kant und Lacan zu eröffnen, sondern auch in der sorgfältigen Elaboration einer besonders klaren und deutlichen ethischen Position und ihrer negativen Abgrenzung von traditionellen und zeitgenössischen Zugängen. Gegenspieler sind hier neben jeder Ethik, die auf religiöser Erfüllung oder dem utilitaristischen Lustkalkül aufbaut, auch verschiedenste zeitgenössische säkulare Ansätze in der Ethik: die pluralistische und multikulturalistische Ethik, die Ethik der Sprachspiele, die narrative Ethik, die Ethik der Menschenrechte und, vielleicht als Oberbegriff, die Ethik der Endlichkeit. Oder, wie Zupancˇicˇ treffend schreibt: »Die Ethik des Realen ist keine Ethik des Endlichen, der Endlichkeit. Die Antwort auf das religiöse Versprechen der Unsterblichkeit ist nicht der Pathos des Endlichen, die Grundlage der Ethik kann kein Imperativ sein, der uns befiehlt, unsere Endlichkeit zu bejahen und alle ›höheren‹, ›unmöglichen‹ Aspirationen zu verleugnen.«165 Die andere wegweisende Auseinandersetzung mit Kants zweiter Kritik in Slowenien ist Zdravko Kobes Tri ˇstudije o Kantovi prakticˇni filozofiji [Drei Studien zu Kants praktischer Philosophie], die 2008 veröffentlicht wurde.166 Kobe hat sich jedoch zunächst als genauer Interpret von Kants erster Kritik einen Namen gemacht. 1995 wurde seine Monografie Automaton transcendentale I. Kantova pot h Kantu [Automaton Transcendentale I. Kants Weg zu Kant] veröffentlicht.167 Aufgrund seiner Genauigkeit, argumentativen Verbindlichkeit, Blickweite und der enormen Fülle an Querverweisen wird dieses Buch vielerorts als Parade-
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Abb. 19
beispiel akademischer Prosa in Slowenien gesehen; es ist Kobes Doktorarbeit. Die Arbeit verfolgt den Weg von Kants zweiter Dissertation De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis von 1770 bis zur Veröffentlichung von Kants Kritik der reinen Vernunft 1781 und konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Jahre 1772 und 1777. Kobe nimmt an, dass Kant die kopernikanische
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Wende bereits in seinem Brief an Herz aus dem Jahr 1772 vollzogen hat. Dennoch gehe Kant 1777 noch davon aus, dass der innere Sinn zu unmittelbaren und adäquaten Wahrnehmungen fähig ist, sodass seine rationale Psychologie zu diesem Zeitpunkt noch dogmatisch gewesen sein muss (in dem Sinne galt Kant das Ich zu dieser Zeit noch als noumenale Substanz und apriorischer Beweis für ein Leben nach dem Tod sowie für die Existenz von Himmel und Hölle). In den nächsten vier Jahren musste Kant daher vor allem seine Lehre vom inneren Sinn überarbeiten, um letztlich einen kritischen Standpunkt einzunehmen. 2001 folgte das allseits erwartete Automaton transcendentale II. Kritika cˇistega uma [Automaton Transcendentale II. Kritik der reinen Vernunft],168 das als gründlicher Versuch, den Argumentationsgang der ersten Kritik zu festigen und zu begradigen, betrachtet werden kann. Kants opus magnum ist, wenn auch revolutionär, doch ein Konglomerat durchaus heterogener philosophischer Kompendien des 18. Jahrhunderts. Nach Kobe stellt Kants Deduktion der Kategorien die Matrix seiner ganzen Argumentationslinie dar. Aus diesem Grund hätte Kant die Architektur seines Werkes umfassend ändern müssen – eine Aufgabe, die er jedoch nicht erfüllt hat. Die Kritik der reinen Vernunft vereine in sich daher sowohl kritische als auch vorkritische Elemente. Kant übernahm viele Begriffsdifferenzierungen aus der traditionellen Philosophie, etwa Baumgartens Unterscheidung zwischen sinnlicher und logischer Erkenntnis, die in der Ausgestaltung der Kritik an Beweiskraft verloren. Die ursprünglich synthetische Einheit zeigt, dass der Ursprung nicht in der Dualität, sondern vielmehr in der Einheit von Sinnlichkeit und Verstand liegt – um ihrem Anspruch gerecht zu werden, muss die kritische Philosophie die Sinnlichkeit daher als etwas betrachten, das vom Verstand nicht verschieden ist, sondern, um hier Hegel anzuführen, »das Andere des Verstandes« oder seine innere Disposition. Wird aber die Sinnlichkeit auf den Verstand reduziert, so erhebt sich das Problem der Determinierbarkeit von Erfahrung. Es ist dann nämlich unmöglich zu entscheiden, warum ein Subjekt in diesem Moment gerade diesen Inhalt vorstellt und keinen anderen. 2008 entwickelte Kobe in den Drei Studien zu Kants praktischer Philosophie einen die kantische Ethik teilweise missbilligenden Ansatz. Er behauptet, dass Kants Versuch, eine Moral der reinen Vernunft zu errichten, die die Notwendigkeit der Freiheit nebst der Notwendigkeit der Natur bestehen lässt, letztendlich fehlschlägt: »Die Untentscheidbarkeit des Inhalts der Pflicht, das Scheitern am Versuch, den moralischen Sinn zu erklären, und das Unvermögen, ein objektives Urteil über den moralischen Wert einer partikularen Handlung zu fällen, sind die drei größten Schwächen, deren Folge eine wesentliche Subjektivität der kantischen Moral ist.«169 Historisch tritt diese Form moralischer Rechtfertigung in der romantischen Ethik der schönen Seele, näherhin in Jakob Friedrich Fries’ Gesinnungsethik wieder auf. Da »wesentlich subjektiv«, ist diese
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Ethik zugleich absolut leer auf der einen Seite und absolut arbiträr auf der anderen. Die Wahrheit der schönen Seele liegt nicht in ihrer Passivität, sondern vielmehr in der Tatsache, dass sie alles tun kann und dabei unberührt bleibt: es ist wahr, die schöne Seele ist verliebt in ihre Schönheit und bleibt normalerweise inaktiv. Doch ihre Eigenheit liegt weniger in ihrem Unwillen, sich in die Welt einzumischen, aus Angst, sich die Hände an den notwendig schmutzigen Einzelheiten schmutzig zu machen; vielmehr zeichnet es die schöne Seele aus, alles tun zu können, ohne dass der Dreck dieser Welt an ihren Fingern kleben bliebe, da sie stets weiß, ihre Taten als pflichtgetreu zu präsentieren.170
Schließlich hat Jure Simoniti 2014 die Monographie Die Philosophie der kleinsten Prätentiösität in Wien veröffentlicht, deren zentrale Figur niemand anderer ist als Kant.171 Seit dem Aufkommen des »spekulativen Realismus« hat Kant den Ruf, einer der entschiedensten Gegner dieses neuen post-modernen Gedankenansatzes zu sein. Die Anhänger dieses Ansatzes kritisieren, dass Kants Begriff der transzendentalen Subjektivität das Ganze der Realität umfasse, sodass es dem nach-kantianischen Subjekt unmöglich war, seine eigene Vernunft zu verlassen. Das Buch Die Philosophie der kleinsten Prätentiösität bestreitet diese Diagnose. Es setzt bei Kants berühmtem Bild des moralischen Subjekts an, das den Sternenhimmel über sich betrachtet. Während das Subjekt der Erkenntnis von der unendlichen Aufgabe geleitet wurde, die Totalität der Erfahrung unter eine transzendentale Idee zu bringen, nimmt das moralische Subjekt die äußere Welt, hier nahezu unbewusst, im Zustand der Ent-Totalisierung wahr : die dunklen Tiefen des Himmels öffnen sich, der in seiner Erhabenheit den Blick des Subjekts nicht erwidert. Kant liefert der zukünftigen Philosophie damit eine Art Matrix zweier irreduzibel korrelativer Tätigkeiten, nämlich der unendlichen Anhäufung von Bedeutung und der Konfrontation mit einer bedeutungslosen Faktizität. Während die Tätigkeit des Subjekts des Bewusstseins stets auf Totalisierungsvorgänge beschränkt ist, die von Kants »absolute[r] Totalität in der Synthesis der Erscheinungen«172 reichen, bis zu Fichtes Verichlichung des NichtIch, Hegels Selbstbewusstwerden der Welt, Marx’ Arbeit als »Herrschaft über die Natur«, Nietzsches Überwältigung, Heideggers Bewandtniszusammenhang der ›Sorge‹ sowie der Verwandtschaft strukturalistischen Systemen oder post-modernen diskursiven Praktiken und Sprachspielen, hört dieses Subjekt jedoch nie auf, von seinem notwendigen, wenn auch unterbewussten, Gegenpart begleitet zu werden – einem Subjekt, dessen Tätigkeit darin besteht, sich zu entlassen. Die Erfahrung einer bedeutungslosen Faktizität ist ein bekanntes Phantasma westlichen Denkens, wofür es Beispiele im Überdruss gibt: Fichtes einsame Insel, Hegels Gletscher in den Schweizer Alpen, Marx’ australische Koralleninsel, Nietzsches Insel der »Siebenten Einsamkeit«, Heideggers Insel Delos, L¦viStrauss’ Mondlandschaften in Südamerika, Deleuzes Ozeaninsel, Lacans Ruinen
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des Caf¦ de Flore nach dem Ende der Menschheit. Realismus ist also kein Standpunkt, der mit Kant unmöglich wurde, sondern repräsentiert eine, wenn auch sehr obskure, Begleiterscheinung der modernen Vernunft. Die These des Buchs ist, dass der realistische Standpunkt sich auf die Dialektik von Totalisierung und Entlassung zuspitzt, die alle Aktivitäten des Subjekts in den Zustand der ent-totalisierenden Indifferenz zur Welt versetzt. Zusammengefasst genießt Kants Philosophie heute eine gewisse Popularität in Slowenien. Besonders aufgrund der pädagogischen Arbeit, die Zdravko Kobe in diesem Zusammenhang an der Universität Ljubljana geleistet hat, gibt es nun eine neue Generation an Studierenden, deren Aufsätze, Dissertationen und wissenschaftliche Arbeiten zeigen, dass Studien zu Kant einen Qualitätslevel erreichen, der denjenigen anderer Bereiche der Philosophie oft übersteigt.
Übersetzt von Max Brinnich
Die Kant-Rezeption in südslawischen Ländern von Jure Zovko Der Einfluss der Aufklärung in den südslawischen Ländern war vernachlässigbar, nahezu unerheblich. Das spiegelt sich in der Rezeption von Kants Philosophie wider. Im Kontrast zu den Ideen der Aufklärung, die sich nicht auf das südslawische Gedankengut auswirkten, war der Einfluss des italienischen Humanismus und der Renaissance auf die kroatischen Städte an der Adria-Küste sehr beträchtlich, besonders in Split und Dubrovnik. Der Gründervater der kroatischen Literatur, der römisch-katholische Humanist Marko Marulic´ (1450–1520) verfasste moralische Diskurse unter dem Eindruck der italienischen Renaissance und machte entsprechend im vierten Kapitel seines Buchs De bene vivendi per exempla sanctorum, man könnte sagen in einer beinahe kantischen Manier, die Notwendigkeit des Wahr-Sprechens und die Verteidigung der Aufrichtigkeit im Leben geltend.
Ioannis Baptist Horvaths kritische Perspektive auf Kant Einige Jahre nach der Veröffentlichung der Kritik der reinen Vernunft (1781) erschien eine kritische Rezension von Kants Transzendentalphilosophie mit dem Titel Declaratio infirmitatis fundamentorum operis Kantiani ›Critik der Reinen Vernunft‹ (1797) und geschrieben von Ioannis Baptist Horvath (1732–1799), einem Repräsentanten der scholastischen Philosophie in Kroatien.173 Horvath tadelt Kant dafür, versucht zu haben, die traditionelle Metaphysik zu zerstören, die dieser unglücklicherweise nicht studiert habe. Wie allgemein
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bekannt, verteidigt Kant in seinen Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können seine Ansicht, dass sich eine Metaphysik, die sich als Wissenschaft präsentiert, zur traditionellen Schulmetaphysik verhält »wie Chemie zur Alchemie, oder wie Astronomie zur wahrsagenden Astrologie«.174 Horvath nahm große Mühen auf sich, um die Würde und die philosophische und theologische Bedeutung der traditionellen Metaphysik, besonders diejenige aristotelischer und thomistischer Herkunft, zu verteidigen. Anders als Kants Metaphysik der Subjektivität, welche die Erkenntnis von Gegenständen, die der sinnlichen Erfahrung nicht zugänglich sind, zurückweist, ist Horvath dem traditionellen Realismus verpflichtet, der auf Parmenides’ Grundsatz der Identität von Denken und Sein aufbaut. Entsprechend glaubt Horvath, dass Kants Kritik der Metaphysik die zentrale Bedeutung der scholastischen metaphysischen Doktrin missversteht, die gerade auf der Korrespondenz der Gegenstände und der Erkenntnis beruht. Horvaths Haupteinwand gegen Kant ist, dass dessen Philosophie in einem subjektiven Idealismus besteht, in dem es kein reales Korrelat unserer Erkenntnis gebe, dass unseren sinnlichen Vorstellungen entspricht. Das Problem ist, dass der Mensch als ein denkendes Wesen in Kants Philosophie, ontologisch gesprochen, als ein rein empirisches Phänomen in der Welt verstanden und interpretiert wird, während das »Ding an sich« jenseits der Reichweite unseres Verstandes liegt und unerkennbar bleibt. Kants Korrespondenztheorie sei von sich aus paradox, so Horvath, da unseren Wahrnehmungen nur Bewusstseinsentitäten entsprechen. Als eine der Schwächen von Kants idealistischem System betrachtet Horvath dessen transzendentale Ästhetik, das heißt die Lehre von Raum und Zeit als Formen der Anschauung a priori. Anstatt auf Kants subjektivierende Theorie des Raumes, beruft sich Horvath in seiner Kritik an Kant hauptsächlich auf jene Theorie des Raumes, die der einflussreichste kroatische Philosoph des Zeitalters der Aufklärung, Rud¯er Josip Bosˇkovic´ (Rugjer Josip Boscovich, 1711–1787), in seinem bedeutendsten Werk, Theoria Philosophiae Naturalis (1758, 1759, 1763), entwickelte. Horvath hatte in der Tat bereits ein wichtiges Werk, nämlich die Elementa Physicae (1793), unter dem Einfluss von Rud¯er Bosˇkovic´ geschrieben. Horvath kritisiert hauptsächlich Kants Konzeption des Raumes (»Der Raum wird als unendlich gegebene Größe vorgestellt«175) und bezieht sich dabei auf Bosˇkovic´s Theorie der Kräfte sowie auf seine Konzeption der Materie, verstanden als ein Aggregat von Punkten (materiae puncta). Anders als in Kants Konzeption von Raum und Zeit als subjektive Formen der Anschauung, sind Raum und Zeit für Horvath reale Existenzweisen (modi existendi). Es ist paradox, so Horvath, wie ein Philosoph der Aufklärung, der alle Strukturen der Kritik unterwerfen will, zugleich die Überlegungen der traditionellen Kosmologie, Psychologie und rationalen Theologie durch einen »moralischen Glauben« (eas supleri quadam morali fide) ersetzen will, der eine
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neue Zukunftsmetaphysik als Wissenschaft konstituieren soll. In Horvaths Augen ist es zudem wahrscheinlicher, dass, wenn einer wie Kant für die »Freiheit des Lebens« eintritt, dieses Konzept eher negative Folgen beinhaltet als positive. Kans Kritik der reinen Vernunft öffnet die Büchse der Pandora des unkontrollierten subjektivistischen Voluntarismus, ein Umstand, den Kant in seiner Kritik der praktischen Vernunft zu lindern versuchte, in der er Regeln und Pflichten des moralischen Lebens entwickelte.
Stjepan Zimmermann und Franjo Markovic´ – Annäherungen an Kant an der Universität Zagreb Philosophieprofessoren, die an der seit 1699 bestehenden jesuitischen Neoacademia Zagrabiensis arbeiteten – einer Vorläuferin der heutigen Universität Zagreb –, kamen hauptsächlich aus der scholastischen Tradition, sodass deren Kant-Rezeption vorwiegend im Geist der scholastischen Kritik seiner Philosophie stand. Doch dank der aufgeklärten Offenheit von Königin Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. und deren beider Einsatz für die Liberalisierung des Schulsystems, gab es an der Neoacademia Zagrabiensis später eine fruchtvolle ˇ ucˇic´ Rezeption der kantischen Philosophie, wovon besonders Simeon C (1784–1828) und sein Werk Philosophia critice elaborata (1815) Zeugnis ableˇ ucˇic´ übernahm Kants kritische Methode, jedoch in dem Versuch, die gen.176 C traditionellen Disziplinen der Kosmologie, der empirischen und rationalen Psychologie, der Anthropologie und der Praxeologie im Geist der katholischen philosophischen Tradition weiterzuführen. Der bedeutendste Repräsentant der neoscholastischen Bewegung war mit Sicherheit Stjepan Zimmermann (1884–1963), ein vehementer Kritiker der kantischen Philosophie, der vom Standpunkt jener Kriterien ausging, die in der Enzyklika Aeterni Patris (1879) von Papst Leo XIII. dargelegt wurden. In seiner Habilitation Opc´a noetika. Teorija spoznaje i kritika njezine vrijednosti [Eine allgemeine Noetik. Theorie der Erkenntnis und Kritik an ihrem Wert], die 1918 auf Kroatisch veröffentlicht wurde, räumt Zimmermann ein, Kant und Aristoteles seien die größten Denker in der menschlichen Geistesgeschichte.177 Im Blick auf die Epistemologie gibt Zimmermann, als Verteidiger des Realismus, aber Aristoteles den Vorzug, da Aristoteles annimmt, dass die Objekte, die wir erkennen, unabhängig von unseren Erkenntnisvermögen existieren, während Kant explizit behauptet, dass wir ein Objekt nur insofern erkennen, als die chaotische Materie der Wahrnehmung durch die synthetische Einheit des Verstandes verbunden wird. Es ist bezeichnend, dass Zimmermann sich dabei für den intentionalen Charakter unseres Denkens ausspricht: jeder Gedanke und jede Rede hat intentionale Eigenschaften, da sie sich auf Objekte beziehen, die,
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so Zimmermann, in der Tat keine chaotische Masse bilden, wie Kant es annahm. Im Gegensatz zu Kant möchte Zimmermann auf der Grundlage der intentionalen Struktur unseres Denkens beweisen, dass die Objekte unserer Erkenntnis »unabhängig von unserem Denken existieren« und dass »unsere Erkenntnis nicht nur wahr in Bezug auf die empirischen Objekte ist, sondern auch in Bezug auf diejenigen Dinge, die die Erfahrung überschreiten«.178 Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch Zimmermanns schrittweise Annäherung an und Sympathie für Kants Metaphysik der Moralität. Die moderne Universität Zagreb wurde am 19. Oktober 1884 per Dekret Kaiser Franz Joseph I. feierlich eröffnet. Zu dieser Zeit setzte sie sich aus vier Fakultäten zusammen: der juridischen Fakultät, der Theologie, der Philosophie und der Medizin. Der erste Professor der Universität Zagreb, Franjo Markovic´, Begründer der kroatischen philosophischen Terminologie, verteidigte die Autonomie der Universität im Geist der kantischen Philosophie, polemisierte gegen die scholastische Philosophie und war ein erklärter Gegner des Materialismus und Positivismus des französischen Philosophen und Soziologen Auguste Comte (1798–1857). Comte nimmt nämlich an, dass es drei Entwicklungsstufen in der Geschichte des menschlichen Geistes gibt sowie drei Epochen des Fortschritts in Richtung auf eine Erkenntnis der Wahrheit: die theologische, die metaphysische und die positivistische Ära. Anders als Comte spricht sich Franjo Markovic´ im Sinne der kantischen Philosophie für eine Metaphysik der Subjektivität aus, die auf einer Theorie des Selbstbewusstseins aufruht. Kants Begriff des Selbstbewusstseins bildet für Markovic´ die Grundlage der Autonomie der Universität, aber auch die Grundlage der Unabhängigkeit der Nation. Anzumerken ist auch, dass Markovic´ Kants Schrift Der Streit der Fakultäten (1798) zitiert, in welcher die Ideen der Freiheit und Autonomie des Verstandes sowie der Freiheit als letztem Zweck als das Fundament präsentiert werden, auf der Universitäten in Zukunft errichtet werden sollen. Die Universität ist für Franjo Markovic´ der Ort, an dem das Selbstbewusstsein des Individuums sowie der Nation Wirklichkeit wird. Das Motto von Markovic´s Philosophie ist, dass »[n]ichts Wertvolles durch menschliche Arbeit entsteht, ohne ein lebendiges logisches, ästhetisches und ethisches Streben, das ist, ohne ein philosophisches Streben«.179 In seinem bedeutenden Werk Razvoj i sustav obc´enite estetike [Die Entwicklung und das System einer allgemeinen Ästhetik, 1903] kritisiert Franjo Markovic´ Kants Subjektivierung der Ästhetik und verweist auf die ontologische Dimension des Schönen in der Philosophie der Kunst von Plato bis Hegel. Zugleich bestand für ihn die Hauptaufgabe der reflektierenden Urteilskraft jedoch ganz im Geiste der kantischen Philosophie in der Kultivierung unseres Verstandes und unserer mentalen Vermögen. Markovic´ nimmt ferner an, dass die grundlegende Eigenschaft der menschlichen Erkenntnis darin besteht, dass sie von der singulären Wahrneh-
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mung zur Universalität der Vernunft fortschreitet, und dass entsprechend eine andere Fundierung der philosophischen Disziplinen als bei Kant und im Deutschen Idealismus möglich sei. »Der Flug von Ikarus« auf den Flügeln einer Metaphysik der Subjektivität führt nach Markovic´s Einschätzung zum unausweichlichen Abstieg in den »Abyssus des Atheismus und Pessimismus«.180 Markovic´ hält in seiner Rezeption der kantischen Philosophie an den grundlegenden Bestimmungen des kantischen Kosmopolitismus fest, propagiert jedoch zugleich einen moderaten Patriotismus unter dem Schlagwort »Heimatland und Welt«.
Albert Bazala, ein liberaler Kantianer Markovic´s Student, Albert Bazala, war ohne Zweifel der berühmteste Vertreter der liberalen Philosophie des 20. Jahrhunderts in Kroatien. Bazalas umfassende Geschichte der Philosophie (1912) wurde unter dem starken Einfluss der Rezeption von Kants Philosophie geschrieben. »Niemand hat vor Kant«, so Bazala, »so bestimmt oder deutlich hervorgehoben, dass Erkenntnis in der Synthesis, im Verbinden und Ordnen des Erkenntnismaterials besteht«.181 Die Frage nach der Thematisierung der synthetischen Vermögen unseres Verstandes und unserer Vernunft betrachtet Bazala als Schlüsselfrage der Philosophie. Doch bereits in seiner Schrift Metalogicˇki korijeni filozofije [Metalogische Wurzeln der Philosophie 1924] distanziert sich Bazala stark von Kants Ansicht, dass Erkenntnis nur auf die phänomenale Welt begrenzt werden kann, und behauptet dass in unserem Erkenntnisprozess auch vieles aus der »noumenalen« Welt zu finden ist. Entsprechend hebt Bazala die Bedeutung der »metalogischen« Grundlagen der Philosophie hervor. Weit wichtiger, als die logischen Grundlagen der Selbsterkenntnis zu besprechen, ist es, die Dichtung, Religion und Kunst zu thematisieren.182 Bazala versucht zu zeigen, dass die Aufgabe der Philosophie im Denken und in der kritischen Evaluation des Zeitgeistes besteht. Er nimmt an, dass die metalogischen Wurzeln der Philosophie in unserer reflexiven Bezugnahme auf das Leben in den traditionellen Mythen Homers und Hesiods, in Platos Theorie des Enthusiasmus und Eros, im künstlerischen Enthusiasmus, in Nietzsches Willen zum Leben zu finden sind. Bazalas Student Pavao Vuk-Pavlovic´, geboren als Paul Wolf (1894–1976), war ein Kenner der kantischen Philosophie. In erkenntnistheoretischen Fragen bezog er sich jedoch mehr auf Husserls Phänomenologie. Unter Einfluss der kantischen Philosophie verfasste er verschiedene Abhandlungen über Bildungsphilosophie und Philosophie der Kultur, wurde zehn Jahre nach seiner Entlassung an der Universität Zagreb zum ordentlicher Professor in Skopje berufen und trug maßgeblich zur Entwicklung der Philosophie in Mazedonien bei.
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Kant unter den jugoslawischen Marxisten Die Kant-Rezeption unter den jugoslawischen Marxisten (Milan Kangrga, Gajo Petrovic´, Branko Bosˇnjak, Rudi Supek, Mihajlo Markovic´, Svetozar Stojanovic´) war nicht besser als unter den Neuscholastikern. Nach der Errichtung der kommunistischen Diktatur 1945 und der Neugründung Jugoslawiens wurden Philosophen mit liberaler Gesinnung zu Opfern von Verfolgung. Der Hegelianer Julije Makanac wurde 1945 exekutiert, während der Ästhetiker Albert Haller (1883–1945) auf der Flucht vor den Kommunisten auf der sogenannten »Via Crucis« starb. Pavao Vuk-Pavlovic´ wurde aufgrund von studentischen Beschwerden, er lehre Metaphysik und nicht die Philosophie der revolutionären Praxis, von der Universität Zagreb vertrieben. Vladimir Filipovic´ war der einzige Nicht-Marxist, der nach dem Krieg an der Fakultät für Philosophie in Zagreb verblieb. Als Herausgeber einer Anthologie philosophischer Texte des klassischen Deutschen Idealismus hob Filipovic´ in seinem Vorwort hervor, dass es für ein richtiges Verständnis von Marx unumgänglich sei, dass junge Marxisten auch Kant und den klassischen Deutschen Idealismus systematisch studieren.183 Filipovic´ nahm seine eigene Anregung aber genauso wenig Ernst wie die jungen Marxisten, die sogenannten »skojevci« (Mitglieder der Jugend der Jugoslawischen Kommunistischen Partei), die die Kontrolle über den Lehrstuhl für Philosophie an den Universitäten Zagreb und Belgrad übernahmen. Als Kuriosum kann auf den Umstand hingewiesen werden, dass Gajo Petrovic´ seit 1950 der Ordinarius für Erkenntnistheorie, Ontologie und Logik war, obwohl er sein Doktorat erst 1956 mit einer Arbeit zu dem Thema Die Philosophie Plechanow’s erlangte und dass Milan Kangrga den Lehrstuhl für Ethik bereits nach seinem Studienabschluss 1950 innehatte, sein Doktorat jedoch erst 1961 mit einer Arbeit zum Thema Ethische Probleme im Werk von Karl Marx beendete. Eine ähnliche Situation herrschte in Belgrad, wo Mihailo Markovic´, seinerseits Offizier in Titos Partisanenarmee, sein Doktorat zwar erst 1955 abschloss, aber dennoch eine entscheidende Rolle für die Ausrichtung der akademischen Philosophie der Nachkriegszeit spielte. Kangrga war der einzige unter den jugoslawischen Marxisten, der Kant etwas ausführlicher studiert hat. Er war der Überzeugung, dass Kants »Hervorhebung des Primats der praktischen Vernunft vor der theoretischen Vernunft ein Gedankengang war, der sich über Fichte, Hegel und Marx als philosophisch und historisch äußerst fruchtbar herausgestellt hat«.184 Das Primat von Kants praktischer Vernunft gegenüber der theoretischen wurde von dem jugoslawischen Marxisten als »Philosophie der Praxis« beziehungsweise »Denken der Revolution« interpretiert. Bereits auf den ersten Blick wird jedoch klar, dass die jugoslawischen Marxisten der Rolle der Urteilskraft als Verbindungsstück zwischen Theorie und Praxis bei Kant zu wenig Beachtung schenken, auf die dieser
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in seinem Aufsatz Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis185 besondere Aufmerksamkeit legt, wenn er betont, dass, wie perfekt eine Theorie auch sein mag, die Frage ihrer Anwendung sich nach unserer Fähigkeit zu urteilen richtet. Vor diesem Hintergrund erscheint es irreführend, von einer Philosophie der Praxis bei Kant zu sprechen, ohne in gebührender Weise auf die Rolle der Urteilskraft einzugehen. Gajo Petrovic´ hält es nicht einmal für notwendig, an denjenigen Stellen auf die Rolle der Urteilskraft in Kants Werk einzugehen, wo es für die »revolutionäre Praxis« grundlegend ist. Der Begriff ›Kritik‹ hat bei Petrovic´ nichts zu tun mit Verstand oder Erkenntnis oder mit irgendeiner anderen menschlichen Tätigkeit, sondern bezieht sich auf die bürgerliche Gesellschaft und ihr Vermächtnis, die nicht in das Model des sozialistischen »Selbstverwaltungssystems« mit seiner »gnadenlosen Kritik« an der »ausbeuterischen Klassengesellschaft« und dem fortschreitenden Prozess ihrer Negation passen. Petrovic´ setzt die Philosophie in Kontrast zu den bürgerlichen Denkern, und zwar als »Denken der Revolution: eine vernichtende Kritik alles Bestehenden, eine humanistische Vision einer anderen Zukunft und inspirierende Kraft für die revolutionäre Tätigkeit«.186 Im Blick auf den Begriff der Kritik beziehen sich die jugoslawischen Marxisten nicht auf Kant, sondern vielmehr auf Marx, der sich für eine »rücksichtslose Kritik alles Bestehenden« einsetzte.187 So hat Marx in seinem Brief an Ruge (September 1843) hervorgehoben, dass die Philosophie, die »sich [inzwischen] verweltlicht hat«, nun vor der neuen Aufgabe steht, »rücksichtlose Kritik« an allem Bestehenden zu üben, »rücksichtslos sowohl in dem Sinne, daß die Kritik sich nicht vor ihren Resultaten fürchtet und ebensowenig vor dem Konflikte mit den vorhandenen Mächten«.188 In der Schrift Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (1943/44) erklärt Marx unter Bezugnahme auf Hegel, welche Intention er mit seiner Konzeption der Kritik verfolgt, nämlich »aus der listigen Theorie in die schonungslose Praxis überzugehen«.189 Anders als Hegels List der Vernunft, die Marx auf die soziale Praxis anwandte, waren die jugoslawischen Marxisten nur gegenüber der äußeren Welt und jenseits der Grenzen Jugoslawiens listig. Sie traten im Ausland für ein Einheitsparteiensystem »mit menschlichem Gesicht« ein, riefen aber im Inland hauptsächlich nach einer »revolutionären Praxis« im Sinne des Bundes der Kommunisten und beriefen sich in ihren kroatischen und serbischen Texten auf die Autorität des Genossen Tito, der ein scharfes Durchgreifen gegen Gegner der Arbeiterselbstverwaltung als Model eines Einheitsparteiensystems des Sozialismus forderte. Die jugoslawischen Marxisten schlossen sich in der Zeitschrift Praxis zusammen und umwarben die Kommunistische Partei und Tito.190 Dies nicht etwa um Geld für teure Versammlungen im Rahmen der Korcˇula Summer School (1963–73) mit Sympathisanten des Marxismus und der jugoslawischen Arbeiterselbstverwaltung aus aller Welt zu lukrieren, sondern um Befürworter
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der Demokratie und Philosophie mit nicht-marxistischer Orientierung zu verfolgen und zu unterdrücken. Die rücksichtslose marxistische Kritik an allen bestehenden Strukturen der Gesellschaft war in ihrer Konzeption von Grund auf anti-kantianisch, da sie das Durchgreifen gegen Befürworter der Zivilgesellschaft und Gegner des Marxismus forderte, die von Rechts wegen als offizielle Philosophie vorgeschrieben war. Die Aufgabe dieser Philosophie war nicht das abstrakte Geschwätz, sondern die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. In diesem Kontext hält Petrovic´ explizit fest, dass das »kritische Subjekt« »jeder Errichter des Sozialismus« sein kann.191 Gegner der Errichtung des Sozialismus wurden schnell als Revisionisten charakterisiert, als »Ultra-Kritiker«, Voluntaristen, subjektive Idealisten. Der marxistische Ethiker Kangrga, der als Kritiker von Kants abstrakter Moral bekannt war, forderte in einem Artikel, der in der Zeitschrift Praxis veröffentlicht wurde, dass der Bund der Kommunisten, »der hauptsächlich auf der Arbeiterklasse und der marxistischen (linken) Intelligenz aufbaut, der Verwalter und Garant und Vollstrecker in der Umsetzung der sozialistischen Revolution sein sollte«, und beharrlich die Anstrengung verfolgen sollte, »alle, die sich widersetzen [der sozialistischen Revolution, JZ], und alle feindlichen Elemente zu beseitigen und zu läutern (das heißt sie handlungsunfähig zu machen)«.192 Unzufrieden mit der bisherigen Leistung der kommunistischen Führung schrieb Kangrga dies zu einer Zeit nach Titos Verfolgung, Inhaftnahme und Auflösung der kommunistischen Reformbewegung in Kroatien 1971, bei der eine große Zahl kroatischer Intellektueller, hauptsächlich Reformatoren, inhaftiert wurde. Unter den Inhaftierten befand sich auch eine große Anzahl von Philosophie-Studenten. Drei Jahre nach der Niederschlagung des »Kroatischen Frühlings« (einer Bewegung für ökonomische und demokratische Reformen in den frühen 1970er Jahren, die im November 1971 gewaltsam durch das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei Jugoslawiens und des Militärs unterdrückt wurde) verfasste die Redaktionsleitung der Zeitschrift Praxis einen gemeinsamen Aufsatz und schrieb: »Wir glauben dass außerhalb und ungeachtet des Programms der marxistisch-kommunistischen Grundlagen und Perspektiven, und außerhalb und ungeachtet des Programms des Bunds der Kommunisten in Jugoslawien keine ideologische und politische Kraft die Integrität des Landes aufrechterhalten kann«.193 Nach der Niederschlagung des Kroatischen Frühlings wurde der Witz erzählt, dass das einzige, was schlimmer als der Stalinismus war, der »Sozialismus mit einem menschlichen Gesicht« der Philosophen der jugoslawischen Praxis war. Die Freiheit, Gleichheit und Autonomie der Bürger, die Kant proklamierte,194 zeigen sich als Voraussetzung einer conditio humana innerhalb einer Zivilgesellschaft, womit seit Kant auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Veröffentlichung verbunden sind. All dies lässt sich angesichts der jugoslawi-
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schen Marxisten nicht sagen, welche die Philosophie hauptsächlich als die »Magd« (ancilla) der politischen Ideologie verstanden.
Experten der Ethik Kants, Aleksa Buha und Ivan Bubalo Der Professor für Geschichte der Philosophie in Sarajevo, Aleksa Buha, Außenminister in der Serbischen Republik von 1992–1998, das heißt während der Zeit der Verbrechen Radovan Karadzˇic´s, wurde oft als einer der größten Experten der kantischen Ethik in der südslawischen Region betrachtet.195 Aleksa Buha übersetzte und veröffentlichte 1990 Kants Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft auf Serbisch. Buha verurteilte allerdings die Verbrechen Karadzˇic´s, nie, geschweige denn die ethnischen Säuberungen, die die muslimische und die kroatische Bevölkerung in der Serbischen Republik im Gebiet Bosnien und Herzegowina betrafen. Die Frage nach der Ethik war für ihn offensichtlich primär theoretischer Natur. Es ist paradox, dass die bedeutendsten Analysen zu Kants Ethik in der südslawischen Region, die in dem selben Jahr wie die kroatische Übersetzung von Kants Kritik der reinen Vernunft veröffentlicht wurde, von dem bosnisch-herzegowinischen Franziskaner Ivan Bubalo geschrieben wurden.196 Bubalo versucht im Kontext der Rehabilitierung der praktischen Philosophie die Bedeutung der kantischen Philosophie in das heutige Zeitalter der Technologie und des technologischen Fortschritts zu übertragen. Kants deontologische Moral stellt die Würde des Menschen in den Vordergrund und verortet den Vorrang der Ethik in der notwendigen Achtung der menschlichen Würde, die keinen Preis hat und auch nicht instrumentalisiert werden kann. Der Mensch existiert als vernünftiges Wesen nach Kant als »Zweck an sich selbst« und kann im Rahmen des technologischen Fortschritts nicht instrumentalisiert werden. Die Achtung vor der menschlichen Würde ist das beste Beispiel, wie eine individuelle ethische Haltung universalisiert und zu einem universal gültigen Prinzip werden kann. Auf diese Weise wird das Prinzip der menschlichen Würde in der modernen Ethik, die von einer Herrschaft der Technologie geprägt ist (im Sinne von Heideggers »Herrschaft der Technik«), erfolgreich angewendet. Bubalo verortet die Aufgabe der Ethik in der menschlichen Verantwortung für seine Welt und in der Überwindung der Krise des Denkens, die von der Herrschaft der Technologie hervorgerufen wurde. Die »technische Vernunft« soll durch das Prinzip der menschlichen Würde und der ethischen Verantwortung beschränkt werden. In diesem Sinne tritt Bubalo dafür ein, die Idee vom höchsten Gut in die Idee der Bedeutung als ultimativem Horizont der menschlichen Tätigkeit zu transformieren. Die Gleichheit der Menschen angesichts des universal gültigen mora-
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lischen Gesetzes und der unbedingten Würde der menschlichen Person soll in die Ethik der Verantwortung als Bedeutung der Welt integriert werden.197 Als Folge demokratischer Veränderungen ist die systematische und gründliche Kant-Forschung ohne ideologischen Hintergrund in den ehemaligen Ländern Jugoslawiens heute Standard geworden.
Übersetzt von Max Brinnich
Die Rezeption der kantischen Philosophie in Polen – Ein Umriss von Jakub Kloc-Konkołowicz Die Rezeptionsgeschichte der kantischen Philosophie in Polen ist seit einigen Jahren Gegenstand intensiver Studien geworden.198 Hier lässt sich diese komplexe Materie in ihrer Gesamtheit nicht detailliert darstellen; die folgenden Passagen bilden lediglich eine Skizze, welche das Verhältnis Kants zu Polen und das Verhältnis der polnischen Philosophie zu Kant in allgemeinen Zügen schildert.
Abb. 20: Bernardo Bellotto (Canaletto), Krakauer Vorstadt vom Krakauischen Tor aus (1778)
Zumindest drei Umstände müssen unbedingt berücksichtigt werden, wenn von der Rezeption des Kantianismus in der polnischen Philosophie gesprochen wird. Der erste betrifft die sachliche Dimension dieser Problematik: polnische Philosophie – oder derjenige Teil von ihr, der als ihr origineller Beitrag in der
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Geschichte der Philosophie gilt – zeichnet sich durch einen logisch-empirischen Charakter aus, der seinen stärksten Ausdruck in der Lemberg-Warschau-Schule fand (Kazimierz Twardowski, Kazimierz Ajdukiewicz, Tadeusz Kotarbinski, Stanisław Les´niewski). Kant gilt aus dieser Perspektive als unfreiwilliger Begründer des Deutschen Idealismus; seine Konzepte werden zwar geschätzt, dennoch meistens nur als Ausgangspunkt einer empirisch oder semantisch gesinnten Polemik angeführt. Der zweite Umstand betrifft den Platz, welchen die kantische Philosophie im Allgemeinen im Verhältnis zur polnischen Kultur einnimmt: letztere wurde nämlich durch eine andauernde Spannung zwischen der Aufklärung und der Romantik bestimmt. Während der Teilung Polens (1795–1918) entwickelte sich die polnische Kultur gewissermaßen als Ersatz für den fehlenden Staat; dabei spielten vor allem die romantischen Dichter (wie Adam Mickiewicz oder Juliusz Słowacki) die führende Rolle und prägten die polnische Kultur, Mentalität und Selbstbildnis nachhaltig. Trotzdem kam immer wieder auch die Gegenströmung (Positivismus) zum Vorschein, welche die Bedeutung der Ausbildung, der Arbeit und der Selbstorganisation hervorhob. Diese Gegenströmung erwuchs aus der polnischen Aufklärung (Stanisław Staszic, Hugo Kołła˛taj), welche auch den vergeblichen Versuch geistig vorbereitet hatte, durch eine fortschrittliche Verfassung (Konstytucja 3 Maja, 1791) die zusammenbrechende erste polnische Republik vor ihrer Teilung zu retten. Innerhalb dieser Spannung galt und gilt immer noch die kantische Philosophie als wichtiger Referenzpunkt für alle, die den nicht-romantischen, rationalistischen Weg in der Philosophie und in anderen Kulturbereichen einschlagen wollen. Letztendlich gibt es auch den historisch-politischen Kontext, der allerdings in zwei Teile zerfällt. Das Preußen des 18. Jahrhunderts gehörte zu den Mächten, welche die erste polnische Republik geteilt haben; insofern konnte die Rezeption des preußischen Philosophen Kant von diesem politischen Kontext nie völlig abstrahieren. Einen klaren Ausdruck fand dies etwa in teils aktuellen Überlegungen, die sich auf das Verhältnis Kants zur Teilung Polens beziehen. Die zweite Dimension dieses historischen Kontextes betrifft die Zeit des kommunistischen Regimes in Polen (1945–1989), in welcher Kants Moraltheorie und seine politische Philosophie (auch durch die Interpretation Hannah Arendts geprägt) als liberale Alternative zu marxistischer Philosophie und zu dem durch die marxistische Brille gelesenen Hegel galt. Vor diesem Hintergrund muss man im Allgemeinen bemerken, dass Kant zu den meist bekannten (auch in nicht-philosophischen Kreisen) und zu den am besten (und am vollständigsten) übersetzten deutschen Philosophen in Polen gehört. Die Anwesenheit Kants in der polnischen Öffentlichkeit ließe sich sogar in der Populärkultur nachweisen, so etwa auch in Filmzitaten. Kants Verhältnis zu Polen scheint ambivalent gewesen zu sein. In einer Passage seiner Anthropologie-Vorlesungen äußert er sich sehr abschätzig über die
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Abb. 21 (a): Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 5. Präliminarartikel
Zustände im polnischen Staat, über die vorherrschende Anarchie, über die gelähmte Rechtsordnung und über die (angeblich) fehlenden Errungenschaften der polnischen Kultur und Wissenschaft. Aus diesen Umständen resultiert, laut Kant, eine generelle Abneigung gegen Arbeit und eine exzessive, unbegrenzte und destruktive (»barbarische«) Freiheit. Wie der polnische Kant-Forscher Miroslaw Z˙elazny richtig bemerkt, war diese Ansicht Polens im damaligen Europa ziemlich verbreitet und teilweise auch berechtigt (obwohl in manchen Aspekten inadäquat).199 Andererseits lobt Kant polnische Frauen, denen er nicht
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Abb. 21 (b): Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 5. Präliminarartikel
nur den gesunden Verstand, sondern auch den Sinn für Staatsangelegenheiten zuschreibt. Doch ein starkes Echo fand damals in Polen (und findet immer noch) vor allem der 5. Präliminarartikel der kantischen Friedensschrift, welcher sich gegen die Einmischung eines Staates in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates wendet und welcher, laut der meisten Interpretationen, einen indirekten Bezug auf die dritte und endgültige Teilung Polens nimmt.200 Diese Vermutung wird noch durch die kantische Argumentation gestärkt, die sich gegen die politische Rhetorik richtet, welche damals das Vorgehen der Tei-
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lungsmächte begleitete: Der Grund für dieses Vorgehen sollte gerade in dem Verhindern des »Skandals« bestehen, welchen die polnische Anarchie bei den Bürgern der angrenzenden Staaten hervorrufen hätte können (obwohl schon zu dieser Zeit ein Reformprogramm im Gange war, markiert durch die fortschrittliche, im modernen Europa erste Verfassung des 3. Mai). Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Kants Philosophie relativ früh auf eine starke Resonanz in Polen stieß. Geradezu symbolisch für diese frühe Rezeption der kantischen Philosophie ist die Gestalt von Jûzef Władysław Bychowiec, der zwei Jahre in Königsberg studierte und Kant (den er als den »Königsberger Weisen« bewunderte) persönlich gekannt haben soll. Symbolisch ist die Person von Bychowiec schon allein deswegen, weil er, abgesehen von seiner philosophischen (und hier vor allem: translatorischen) Tätigkeit und von seiner Bestrebung, die kantische Philosophie auf polnischem Boden zu verbreiten, sich auch als Soldat auf der Seite von Napoleon Bonaparte in kriegerischen Auseinandersetzungen mit Preußen und Russland engagierte (was er, wie so viele seiner Landsleute, als Weg zur Wiedererringung der verlorenen Unabhängigkeit seines Vaterlands verstand). Unter seinen Kant-Übersetzungen (die als erste polnische Kant-Übersetzungen gelten) finden wir die Idee zu einer allgemeinen Geschichte, die Friedensschrift und Teile des Streits der Fakultäten. Interessanterweise widersetzte sich seinen Bemühungen um eine Popularisierung des kantischen Denkens in Polen ein aufklärerischer Intellektueller, der eine wichtige Rolle in der Erneuerung und Wiederbelebung der polnischen Wissenschaft spielte: Jan S´niadecki. Der Kritik, die letzterer gegen die kantische Philosophie übt, liegt klarerweise ein Missverständnis zugrunde: S´niadecki versteht Kant als einen Denker, der auf eine unklare, »heuchlerische« Weise die traditionelle Metaphysik in die Philosophie wieder einführen möchte; dieselbe Metaphysik, gegen welche die polnischen Aufklärer in ihrem reformatorischen Eifer so unerschöpflich gekämpft hatten.201 Dieses Beispiel zeigt, auf welchen verwickelten Wegen das kantische Gedankengut in die polnische Philosophie und Kultur kam. In dieser Periode lassen sich noch weitere Namen von Personen nennen, die sich durch die kantische Philosophie inspirieren ließen, wie etwa Anna Sapiez˙yna, Franciszek Wigura oder Jûzef Kalasanty Szaniawski. Diese versuchten zumeist die fundamentalen Ideen Kants darzustellen und zu verteidigen, verfassten Zusammenfassungen seiner Werke und übersetzten diese teilweise. Vor allem der zuletzt genannte, Jûzef Kalasanty Szaniawski, gilt als derjenige, der sehr viel für die Stärkung des Interesses nicht nur für die kantische, sondern insgesamt für die deutsche Philosophie auf polnischem Boden beitrug. Doch man muss wahrscheinlich dem polnischen Philosophen und Philosophiehistoriker Władysław Tatarkiewicz recht geben, der bemerkte, dass »der Kantianismus zwar immer seine Vertreter in Polen hatte, dass es aber dennoch keine
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›kantische Periode‹ in Polen gab«.202 Im 19. Jahrhundert musste er dem polnischen »Messianismus« den Platz räumen, der spekulativ gesinnt war. Der große Vertreter und Namensgeber dieser Strömung, Jûzef Hoene-Wron´ski, gehörte zwar zu seiner Zeit zu den wahrscheinlich besten polnischen Kennern der kantischen Philosophie, ist aber in seinem Denken viel stärker vom Deutschen Idealismus, vor allem von Hegel, beeinflusst. Ein anderer wichtiger polnischer Philosoph des 19. Jahrhunderts, August Cieszkowski, wird auch eher im Kontext der Hegel-Kritik und des allmählich entstehenden Marxismus genannt. Man darf die These riskieren, dass die kantische Philosophie zwar früh genug auf polnischem Boden erschien, um in der polnischen philosophischen Kultur als fester Bezugspunkt zu verbleiben, dass dies aber gleichzeitig zu früh geschah, um das polnische Denken entscheidend zu prägen.
Abb. 22: Kazimierz Wojniakowski, Anna Sapiez˙yna (1798)
Dennoch entdeckt man immer wieder den Einfluss des kantischen Denkens in verschiedenen Bereichen der philosophischen Kultur Polens. Ein gutes Beispiel dafür bildet die polnische Rechtstheorie, in welcher sich klare kantische Inspirationen, etwa nach dem ersten Weltkrieg, nachweisen lassen (bei Rechtstheoretikern wie Edmund Krzymuski, Antoni Peretiatkowicz oder Czesław Znamierowski).203 Die Hauptströmung der polnischen Philosophie nach
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dem Wiederringen der Unabhängigkeit (1918), die Lemberg-Warschau-Schule, erwuchs zwar aus anderen philosophischen Kontexten (die vor allem in der Brentanoschule zu suchen sind); ihre Vertreter betrachteten jedoch Kant als wichtigen Partner der philosophischen Auseinandersetzungen im Gegensatz zu den meisten Vertretern des nachkantischen Deutschen Idealismus, der als spekulativ abgelehnt wurde. Doch die kantischen Konzepte werden hier meist als Ausgangspunkt der Kritik und der Formulierung eines eigenen Standpunktes betrachtet: so etwa im materialistisch gesinnten »Reismus« von Tadeusz Kotarbin´ski oder bei Kazimierz Ajdukiewicz (zum Beispiel in einem Beitrag, in dem er eine semantische Übersetzung des transzendentalen Idealismus vornimmt).204 Allerdings wird etwa in der Ästhetik der Lemberg-WarschauerSchule das kantische Konzept des »interesselosen Wohlgefallens« im Geschmacksurteil häufig aufgenommen. Viel stärker (und nicht überraschend) wirkt die kantische Inspiration innerhalb der polnischen phänomenologischen Schule. Es ist kein Zufall, dass ihr wichtigster Vertreter, Roman Ingarden, eine brillante polnische Übersetzung der Kritik der reinen Vernunft lieferte (1957), in der sich auch Spuren der phänomenologisch gesinnten Interpretation Kants nachweisen lassen. Die Einflüsse Kants sind ebenfalls in den ethischen und anthropologischen Überlegungen Ingardens spürbar, etwa in seinem 1972 posthum herausgegebenen Büchlein über den Menschen, wo er – ohne den Namen Kants zu erwähnen – vom Menschen als einem Wesen spricht, das zwischen zwei Welten steht und dessen Existenz in dem unermüdlichen Streben besteht, sich über die physisch-biologischen Determinanten des Lebens zu erheben.205 Für die oppositionellen polnischen Intellektuellen in Zeiten des kommunistischen Regimes in Polen (1945–1989) spielte die philosophische Reflexion über die Ursachen und Grundlagen des totalitären Denkens (Karl Popper, Hannah Arendt) eine wichtige Rolle. In diesem Kontext erschien Kant zunehmend als eine »freiheitliche« Alternative zu dem durch die orthodoxe Auslegung verzerrten Marx und zu dem durch einen solchen Marxismus hindurch interpretierten Hegel. Diese Tendenz wird nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Polen verstärkt, sodass sich sogar eine gewisse Renaissance des KantInteresses bemerken lässt. Im Zuge dieser »Zurück zu Kant«-Bewegung erschienen die kleineren, politisch-historischen Schriften Kants, die im Sinne einer nicht-paternalistischen, liberalen Position ausgelegt werden. Der Kant der »krummen Holz«-Metapher und der individuellen Verantwortung wird gewissermaßen als ein Heilmittel gegen den Glauben an die »eisernen Gesetze der Geschichte« der kommunistischen Periode betrachtet. Im Kontext der Entfaltung einer demokratischen Zivilgesellschaft wächst in Polen seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts auch das Interesse an den moralphilosophischen Ideen Kants, darunter vor allem an dem Konzept der Autonomie (so erschien etwa die
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Abb. 23: Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy), Roman Ingarden (1937)
erste vollständige Übersetzung der Metaphysik der Sitten durch Ewa Nowak erst im Jahre 2005). Da die philosophische Szene Polens vornehmlich durch die Postmodernismus-Debatte und heute zunehmend – wie auch in anderen Teilen der Welt – durch den wachsenden Einfluss der analytischen Philosophie und des amerikanischen Pragmatismus beherrscht wird, kann man zwar nicht von einer »kantischen Periode« sprechen. Dennoch bleibt Kants Denken für die polnische intellektuelle Landschaft das, was es wahrscheinlich immer schon gewesen ist: eine Philosophie des Rechts und der Freiheit.
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Kant und die deutsche Romantik bei Schriftstellern im Österreich des 19. Jahrhunderts von Alexander Wilfing Dass die österreichischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts Kants Werke nicht wirklich rezipiert hätten, wie dies etwa Roger Bauer mehrfach betonte,1 darf heute als einseitig verschärfte Hypothese angesehen werden.2 Kants relativ stabile Popularität unter josephinisch gesinnten Dichtern (z. B. Feuchtersleben, Grillparzer, Schreyvogel) verdankte sich aber nicht nur seiner philosophischen Bedeutsamkeit, sondern auch dem damals gerade wachsenden Phänomen der Deutschen Romantik, die von zahlreichen Intellektuellen als bedenkliche Entwicklung eingeschätzt wurde. Ihrem scheinbar evidenten Irrationalismus wurde nun der kantische Kritizismus als »Philosophie des Verstandes« entgegengesetzt, der als retrospektives Bollwerk3 gegen die romantische Schwärmerei aufgefasst wurde. Für Ernst von Feuchtersleben stimmte Kants Lehre mit »methodisch kontrolliertem, verantwortlichen Philosophieren« überein; sie war »eine Arbeit des Geistes; die Philosophien der Spätern sind geistige Schwelgereien.«4 Franz Grillparzer verfolgte ähnliche Überlegungen: Weh mir! ich bin verrückt. Ich hoffs zu Deutschlands Ehre, Denn, wenn ich es nicht wäre, Wär Deutschland selbst verrückt. Denkt nur – ich sags mit Schaudern – Der deutschen Weisheit Zier Scheint mir ein leeres Plaudern, Fast schäm ich mich vor mir. Was ihre Philosophen Erschaut in Gottes Geist, Scheint – ohne Vers und Strophen – Mir Dichtung allermeist.
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Und zwar von schlechtster Sorte, Wo Meistrin Phantasie Zu Nebeln ballt die Worte, Doch zu Gestalten nie. Viel Wissen der Gelehrten, Vielwisserei genannt, Nimmt sie nicht als Gefährten Den leitenden Verstand.5
Wenn Franz Grillparzer in seinem Nachruf (1850/51) auf den befreundeten Mediziner-Philosophen Feuchtersleben dessen intimes Verhältnis zur kritischen Philosophie resümiert, scheint Kants Lehre neuerlich aufgrund ihrer bescheidenen Grundhaltung besonders lobenswert: In der Philosophie war Kant sein Mann. Diese Philosophie der Bescheidenheit, die das demütige ›Ich weiß nicht‹ an die Spitze des Systems stellt, das Gegebene als eines Beweises ebenso wenig fähig als bedürftig zum Ausgangspunkt nimmt, völlig zufrieden, wenn sie das logisch Richtige, Würdige und allen Förderliche damit in Übereinstimmung bringen kann; die, gerade weil sie dem Denken seine Grenzen setzt, der Ahnung und Empfindung möglich macht die leer gewordenen Räume als Religion und Kunst auszufüllen – Kants Philosophie war die seinige.6
Georg Wilhelm Friedrich Hegels Denken hingegen, das in Grillparzers Aufzeichnungen die deutsche Romantik gleichsam personifiziert, wird als negativer Einfluss auf die neuzeitliche Philosophie gewertet: »Habe Hegels objektive Logik begonnen. Das Buch ist sehr schlecht geschrieben. Auch das System scheint mir hohl. […] Alles was ich Philosophisches lese, vermehrt meine Achtung für Kant.«7 Auch Grillparzers Vertrauter Joseph Schreyvogel erklärte den Königsberger Philosophen zum »tiefste[n] und reinste[n] Geist, der jemals schrieb und lehrte!«8 Schreyvogels Schriften sind nicht nur für die österreichische Kant-Rezeption höchst relevant, sondern ebenso für dessen nachträgliche Stilisierung zum besonnenen Gegenspieler des Deutschen Idealismus. Er wurde durch seine kritische Redaktion des Wiener Sonntagsblatts (1807/1808), an dem auch Lazarus Bendavid mitwirkte,9 zu einem zentralen Garanten dieser funktionalen Kant-Interpretation, da er dieses gezielt benutzte, um die deutsche Romantik und ihre wachsende Einflussnahme wiederholt anzufechten.10 Der Zustrom zahlreicher romantischer Intellektueller im frühen 19. Jahrhundert, auf den Schreyvogels Sonntagsblatt unmittelbar reagierte – unter anderem Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff, Friedrich Gentz, Jakob Grimm, Adam Müller, Ludwig Tieck, Zacharias Werner und die Brüder Schlegel –, förderte hierbei Kants Rolle als posthumer Antipode der romantischen Tendenzen. Schreyvogel wehrte sich vor allem gegen deren für ihn maßlose Überschätzung der deutschen
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Kultur bei gleichzeitiger Geringachtung der etablierten Klassiker vom antiken Griechenland bis zu Racine, Calderon und Shakespeare.11 Auch hier wird eine auffällige Übereinstimmung mit den teils beißenden Gedichten Grillparzers deutlich: Mit Mittelhochdeutsch und Volkspoesie Weiß ich fürwahr nichts zu machen. Wer trinkt auch, solang es Brunnen gibt, Aus Wegspur gern und Lachen. Und fragst du mich, wo der Brunnen sei; Hast du Homer nicht gelesen? Fällt dir der große Brite nicht bei, Was Spanien und Welschland gewesen? Dort lösche deinen brennenden Durst, Dort aus dem Vollen dich letze! Der Pöbel erzeugt das Schöne nicht, Noch gibt er dem Schönen Gesetze.12
Schreyvogel erklärte die nachträgliche Nobilitierung des deutschen Mittelalters schlicht zum »seltsamen Schwindel«,13 der von einem eklatanten sprachlichen Mystizismus begleitet werde und kritisierte immer wieder drei markante Kennzeichen der romantischen Bewegung: »ihre Philosophie, die Frömmelei, das mystische Getue.«14 Im Gegenzug wurde Kants System zum primären Beispiel einer vernünftigen Philosophie, einer rationalen Bescheidung, die mit der opulenten Phantasie des Deutschen Idealismus kontrastiert wurde, um dem »gemeinen Verstand« seine durchaus berechtigte Stellung einzuräumen. Dieses Urteil findet sich auch in Grillparzers Aphorismen, die eine bedächtige Eingrenzung der kognitiven Fakultäten ausdrücklich befürworten und der »romantischen Schwärmerei« offenkundig skeptisch begegnen: »Kants Philosophie ist die wissenschaftliche Anerkennung der menschlichen Beschränktheit.«15 Grillparzer kritisiert hierbei speziell den überbordenden Historismus der Deutschen Romantik, der von ihm etwa innerhalb ästhetischer Fragestellungen wiederholt angefochten und mit seiner eigenen, wesentlich kontextfreien Kunstanschauung konfrontiert wird:16 Die Kritiker, will sagen: die neuen, Vergleich ich den Papageien, Sie haben drei oder vier Worte, Die wiederholen sie an jedem Orte. Romantisch, klassisch und modern Scheint schon ein Urteil diesen Herrn Und sie übersehen in stolzem Mut Die wahren Gattungen: schlecht und gut.17
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Wie durch diese historische Klassifizierung der verschiedenen Kunstepochen klar wird, beruht diese abträgliche Entwicklung für ihn auf Hegels System, dessen negative Folgen zwar nicht ihm, aber seinen philosophischen Nachfolgern angelastet werden:18 »Das Hegelsche Kriegsvolk, entlassen / Aus dem Dienste der Philosophie, / Macht jetzt unsicher die Straßen / Der Geschichte und Poesie.«19 Grillparzers Hegel-Skepsis, die sich auch auf weitere Vertreter des Deutschen Idealismus ausdehnt, sofern ihm deren Schriften bekannt waren, führte dazu, dass Walter Seitter bemerken konnte, dass Hegels Theorie zur »absoluten Spitzengruppe« gehöre, wenn man Grillparzers Polemiken statistisch erfassen würde.20 Auch Peter Wittmann stellt fest, dass Kants Lehre für den Denker Grillparzer den zentralen Maßstab aller folgenden Philosophien darstellt, während Hegels System mit allen negativen Veränderungen in Politik, Literatur und Gesellschaft identifiziert wird.21 Grillparzers Widerstand gegen Hegels Schule trat dann zutage, wenn diese philosophische Ausrichtung nicht mehr die »faktische« Außenwelt und die apriorischen Bedingungen ihrer kognitiven Erkenntnis aufzufassen, sondern diese nach eigenen Ansichten umzuwandeln versuchte.22 Diese Sicht auf Kants Nachfolger kann man in Grillparzers Aufsatz Über den gegenwärtigen Zustand der dramatischen Kunst in Deutschland ausführlich nachlesen: »Die deutsche Philosophie hatte kaum durch Kant ihre große Umwälzung vollbracht und in ihren ersten Ausbildungs-Formen Bestand und Platz gewonnen, als sie auch, ziemlich revolutionär anfing, ihre Usurpationen über benachbartes und weltfremdes Gebiet auszudehnen. Wobei jedoch vor allem Kant selbst ausgenommen werden muß.«23 Dieser war ihm ein klarer Denker, der auch bei literarischen Thematiken die geeignete Richtlinie darstelle, um einer romantischen Schwülstigkeit und ihren phantastischen Auswüchsen vorzubeugen: Jeder, der sich der Literatur, wenn auch bloß der schönen, widmen will, sollte Kants Werke studieren, und zwar, abgesehen vom Inhalt, schon bloß wegen ihrer strenglogischen Form. Nichts ist mehr geeignet an Deutlichkeit, Sonderung und Präzision der Begriffe zu gewöhnen, als dieses Studium und wie notwendig diese Eigenschaften selbst dem Dichter sind, leuchtet wohl ein.24
Dass Grillparzer »Deutlichkeit, Sonderung und Präzision der Begriffe« bei den deutschen Romantikern nicht finden konnte, führte somit nicht nur zur kritischen Abwertung der idealistischen Philosophie, sondern ebenso zur posthumen Aufwertung Immanuel Kants und seiner »verständigen« Denkweise.
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Friedrich Schiller, ein kongenialer Leser Kants von Violetta L. Waibel Friedrich Schiller (1759–1805) Friedrich (von) Schiller, 1802 in den Adelsstand erhoben,25 hat sich seit 1791 intensiv mit Kants Kritischer Philosophie beschäftigt und zählt zu den wichtigsten Protagonisten, die eine Rezeption der Philosophie Kants unter Dichtern und Literaten nicht nur in der deutschen sondern auch in der österreichischen Literatur und darüber hinaus angestoßen haben. Mit Blick auf Österreich ist auf Franz Grillparzer, Joseph Schreyvogel, Ernst Freiherr von Feuchtersleben, oder auch auf Egon Friedell zu verweisen. Hinzukommt, dass Karl Leonhard Reinhold nicht unmaßgeblich an Schillers Zuwendung zu Kants Schriften beteiligt war, wie er Kant mitteilte: »Schiller mein Freund und wie ich nach einer innigen Bekanntschaft mit ihm überzeugt bin der besten itzt lebenden Köpfen einer horcht ihren Lehren durch meinen Mund.«26 Der Klagenfurter Bleiweißfabrikant Franz de Paula von Herbert, der sich von Mai bis Juli 1789 und von Dezember 1790 bis März 1791 in Weimar und Jena aufhielt, verfügte nicht nur über sehr gute Beziehungen zu Karl Leonhard Reinhold und dessen Schwiegervater Christoph Martin Wieland, sondern auch zu Schiller.27 Über die Begegnung mit dem Baron von Herbert und seine Reinhold-Kant-Studien in Jena berichtet Schiller in seinem Brief an Christian Gottfried Körner (1756–1831) vom 10. April 1791: »Ein guter, gesunder Kopf, mit eben so gesundem moralischen Karakter«, kommentiert Schiller.28 Dies sind die Gründe, weshalb Schiller in diesem Kontext Beachtung geschenkt wird, obwohl über das Erwähnte hinaus keine persönlich näheren Berührungen mit Wien, Österreich oder Osteuropa bekannt sind. Mit Kant teilt Schiller das Schicksal, dass ihre Werke im Österreich des 18. und 19. Jahrhunderts durch die Zensur an einer Verbreitung behindert und, im Falle Schillers, in entstellenden Kürzungen auf den Spielplan gesetzt wurden.29 Schiller wurde am 10. November 1759 in Marbach am Neckar geboren und besuchte zunächst die Lateinschule in Ludwigsburg (1767–1772), dann die Karlsschule in Stuttgart (1773–1780), also die Herzogliche Militärakademie, wo er zunächst Jura studierte, um sich dann 1775 der Medizin zuzuwenden. Von 1781–1782 war er als Militärarzt tätig und zählte zu den sogenannten »philosophischen Ärzten«, die Erfahrungsseelenkunde und somatische Arzneiwissenschaft miteinander verbanden. Eine Serie von Diskrepanzen zwischen Schiller und den Vorgesetzten der Herzoglich Württembergischen Armee steigerte zunehmend Schillers Unmut und Unzufriedenheit. In Folge der vielbejubelten Uraufführung der Räuber in Mannheim am 13. Januar 1782, deren Inhalt aber auch als Verunglimpfung der Schweiz wahrgenommen wurde, drohte Schiller Kerkerhaft, denn der Württembergische Herzog Carl Eugen nahm eine
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diesbezügliche Beschwerde zum Anlass, den schwelenden Zwist mit Schiller auf diesem Wege zu bestrafen. Er sah sich veranlasst, im September 1782 aus Württemberg zu fliehen und gelangte über mehrere Zwischenstationen und Umwege nach Thüringen. Der frühere Militärarzt galt nun als Deserteur, der schwierige Jahre zu überbrücken hatte. Gleichwohl entstanden weitere Dramen wie die Verschwörung des Fiesko zu Genua. Ein republikanisches Trauerspiel (UA Bonn 1983; Druck 1783), Luise Millerin (Kabale und Liebe) (UA Frankfurt am Main 1784; Druck 1784), Don Carlos (UA Hamburg 1787; Druck 1787). 1788 wurde Schiller schließlich an die Universität Jena auf eine Professur für Universalgeschichte berufen, wo er am 26. Mai 1789 die berühmte Antrittsvorlesung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? hielt, die mit etwa 500 Zuhörern äußerst regen Zulauf erfuhr.30 Hatte die Schrift Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande (1788) den Weg zur Professur
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geebnet, so schloss er 1792 eine weitere historische Schrift, die Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, ab. Im August 1787 begegnete Schiller Karl Leonhard Reinhold in Jena, der ihn zur Lektüre von Kants Schriften anregte. Zunächst erfolgte die Lektüre kleinerer Aufsätze Kants, die in der Berliner Monatsschrift erschienen waren, etwa der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht und Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte, die in Schillers historische Schriften Eingang fanden.31 Am 3. März 1791 teilte Schiller dem Freund Christian Gottfried Körner mit: Kants Critik der Urtheilskraft, die ich mir selbst angeschafft habe, reißt mich hin durch ihren neuen lichtvollen geistreichen Inhalt und hat mir das größte Verlangen beygebracht, mich nach und nach in seine Philosophie hinein zu arbeiten. Bei meiner wenigen Bekanntschaft mit Philosophischen Systemen würde mir die Critik der Vernunft […] für jetzt noch zu schwer seyn und zuviel Zeit wegnehmen. Weil ich aber über Aesthetik schon selbst viel gedacht habe und empirisch noch mehr darin bewandert bin, so komme ich in der Critik der Urtheilskraft weit leichter fort [.]32
Vom Verleger Georg Joachim Göschen erbat sich Schiller am 28. November 1791 Kants Kritik der praktischen Vernunft, deren Lektüre für Schiller zentral wurde, und am Jahresende wandte er sich auch der Lektüre von Kants Kritik der reinen Vernunft zu.33 Kants Lehre von den zwei Stämmen der Erkenntnis, Sinnlichkeit und Verstand/Vernunft, und der moralphilosophisch relevante Gegensatz von Natur und Freiheit wurde für Schillers ästhetische Konzeption tragend. Am 22. September 1797 berichtet Schiller an Goethe von der Lektüre der kleinen, sehr bedeutenden, 1795 erschienenen Schrift Kants Zum ewigen Frieden.34 Nachdem Schiller 1791 erstmals schwer erkrankte, konnte er nur noch unregelmäßig seiner Lehrtätigkeit an der Universität Jena nachkommen, von deren Hörergeldern sein Einkommen abhing. Diese Zeit seiner ersten Erkrankung war auch die Zeit der ersten intensiven Auseinandersetzung mit Schriften Kants, der vergleichsweise flüchtige Berührungen vorausgingen. Im Mai 1791 erlitt Schiller einen so heftigen Krankheitsanfall, dass er sich von der Atemnot in den Glauben versetzt sah, sterben zu müssen. Er verabschiedete sich stimmlos von seiner Familie und den Freunden. Caroline von Wolzogen berichtet in ihrem vielfach aufgelegten Buch (das lange Zeit die wichtigste Quelle für Nachrichten aus Schillers Leben war) Schillers Leben verfaßt aus Erinnerungen der Familie, seinen eignen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner (1830): »Ich las ihm die Stellen aus Kants Kritik der Urtheilskraft, die auf Unsterblichkeit deuten, vor.« Schiller habe geantwortet: »›Dem allwaltenden Geiste der Natur müssen wir uns ergeben‹ […] und wirken, solange wir’s vermögen.«35 Schillers Erkrankung zwang ihn ab Januar 1791 immer wieder, seine Vorlesungstätigkeit ruhen zu lassen. Im Winter 1792/93 und im Sommer 1793 las er mit Unterbre-
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chungen über ästhetische Themen, musste dann aber seine Vorlesungstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen ganz aufgeben, obwohl noch zahlreiche Ankündigungen von Vorlesungen zur Ästhetik zwischen Sommer 1794 und Winter 1799/1800 folgten.36 Schiller hatte ein sehr starkes Interesse, Kant in die Mitarbeit an den Horen einzubinden. Das dokumentiert ein Einladungsschreiben vom 13. Juni 1794.37 Johann Gottlieb Fichte, der neben Johann Wolfgang (von) Goethe und Wilhelm von Humboldt bei der Gründung der Zeitschrift 1794 zu den ersten Mitarbeitern der Horen zählte, unterstrich diese Einladung mit einem weiteren Schreiben vom 17. Juni 1794 an Kant. Erst als Schiller am 1. März 1795 die ersten beiden eben erschienenen Stücke der Horen mit einem weiteren Brief an Kant sandte, in dem er noch einmal bekräftigte, wie sehr die Horen gewinnen würden, wenn Kant einen kleinen Beitrag dazu liefern würde, antwortet Kant am 30. März 1795. Schiller verwies in seinem Brief auf die in den übersandten Horen enthaltenen ersten beiden Lieferungen seiner Schrift Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Kant gab seine hohe Wertschätzung für Schiller zu erkennen. Die Briefe finde er »vortrefflich und werde sie studiren, um Ihnen meine Gedanken hierüber dereinst mittheilen zu können.«38 Kant kritisierte, dass die Beiträge in den Horen ohne Nennung der Verfasser veröffentlicht würden, bestätigte, dass er die früheren Anfragen, auch von Fichte, erhalten habe, und bat um Verständnis dafür, dass er einen »langen Aufschub« für einen Beitrag benötige, »da Staats- und Religionsmaterien jetzt einer gewissen Handelssperre unterworfen sind«.39 Damit verwies Kant auf aktuelle Zensurprobleme. Zudem müssten auch andere Artikel noch geschrieben werden. Einen Beitrag zu den Horen hat er nie geliefert. Auf das Jahr 1794 datiert der Beginn der intensiven Freundschaft von Schiller und Goethe, die sich erstmals 1788 begegneten. In der ersten Zeit dieser Freundschaft arbeitete Schiller noch an seinen theoretischen Schriften zur Ästhetik im Ausgang von Kant. Vor dem Hintergrund von Kants Geniekonzeption in der Kritik der Urteilskraft ist auch Schillers berühmter Brief vom 23. August 1794 an Goethe zu lesen, in dem er Goethe als Naturgenie im Sinne Kants feierte, sich selbst aber ebenbürtig als Genie der Ideenkunst daneben stellte. Schiller schreibt: »Sie suchen das Nothwendige der Natur, aber Sie suchen es auf dem schweresten Wege, vor welchem jede schwächere Kraft sich wohl hüten wird. […] Von der einfachen Organisation steigen Sie, Schritt vor Schritt, zu den mehr verwickelten hinauf, um endlich die verwickeltste von allen, den Menschen, genetisch aus den Materialien des ganzen Naturgebäudes zu erbauen.«40 Die Darstellung schließt mit der Bemerkung: Was Sie aber schwerlich wißen können (weil das Genie sich immer selbst das größte Geheimniß ist) ist die schöne Uebereinstimmung Ihres philosophischen Instinktes mit
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den reinsten Resultaten der speculirenden Vernunft. Beym ersten Anblicke zwar scheint es, als könnte es keine größern Opposita geben als den speculativen Geist, der von der Einheit, und den intuitiven, der von der Mannichfaltigkeit ausgeht, Sucht aber der erste mit keuschem und treuem Sinn die Erfahrung, und sucht der letzte mit selbstthätiger freier Denkkraft das Gesetz, so kann es gar nicht fehlen, daß nicht beide einander auf halbem Wege begegnen werden.41
In einem weiteren Schreiben vom 31. August 1794 an Goethe setzte Schiller seine an Kant geschulten Überlegungen fort: Ihr Geist wirkt in einem außerordentlichen Grade intuitiv, und alle Ihre denkenden Kräfte scheinen auf die Imagination, als ihre gemeinschaftliche Repraesentantinn gleichsam compromittiert zu haben. Im Grunde ist dieß das höchste, was der Mensch aus sich machen kann, sobald es ihm gelingt, seine Anschauung zu generalisieren und seine Empfindung gesetzgebend zu machen. Darnach streben Sie, und in wie hohem Grade haben Sie es schon erreicht! Mein Verstand wirkt eigentlich mehr symbolisierend, und so schwebe ich als eine ZwitterArt, zwischen dem Begriff und der Anschauung, zwischen der Regel und der Empfindung, zwischen dem technischen Kopf und dem Genie. Dieß ist es, was mir, besonders in frühern Jahren, sowohl auf dem Felde der Speculation als der Dichtkunst ein ziemlich linkisches Ansehen gegeben; denn gewöhnlich übereilte mich der Poet, wo ich philosophieren sollte, und der philosophische Geist, wo ich dichten wollte. Noch jetzt begegnet es mir häuffig genug, daß die Einbildungskraft meine Abstraktionen, und der kalte Verstand meine Dichtung stört. Kann ich dieser beiden Kräfte in so weit Meister werden, daß ich einer jeden durch meine Freiheit ihre Grenzen bestimmen kann, so erwartet mich noch ein schönes Loos[.]42
Schiller beschreibt Goethe im Einklang mit Kants Verständnis des Naturgenies, und setzt dem eine von Kant nicht vorgesehene Umkehrung entgegen, das intellektuelle Genie, an Bedeutung dem Naturgenie ebenbürtig. Jeder hat seine Vorzüge und seine unentwickelten Kräfte, gemeinsam ergänzen sie sich aufs Beste. In die Jahre 1795/1796 fällt eine erneute Hinwendung zu lyrischem und dramatischem Schaffen, die auch der Freundschaft mit Goethe geschuldet ist. Hier sei an die Xenien der beiden Dichterfürsten erinnert, aber auch an einige der berühmten Gedichte Schillers, wie etwa Das Lied von der Glocke (1799). Zu den späten Tragödien Schillers zählen die Wallenstein-Trilogie, die 1799 ihren Abschluss fand, ferner verfasste er Die Jungfrau von Orl¦ans (UA 1801 Leipzig), Die Braut von Messina (UA 1803 Weimar) und den Wilhelm Tell (UA 1804 Weimar). Schiller starb am 9. Mai 1805 in Weimar.
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Schillers Anthropologie im Ausgang von Kant Für Schiller war Kants Kritik der Urteilskraft diejenige Schrift, die im Zentrum seiner Kant-Lektüren stand. Im Briefwechsel mit Christian Gottfried Körner vom 25. Januar 1793 bis 28. Februar 1793 entstanden Schillers kritische Versuche, gegen Kants subjektiven und zugleich allgemeingültigen Begriff der Schönheit, einen objektiven Begriff der Schönheit zu etablieren. Während Kant es nur für möglich erachtete, das Urteil des Schönen als eine besondere, auf einem Gefühl beruhende Form des menschlichen Urteilsvermögens zu begründen, sucht Schiller das Schöne im Objekt zu bestimmen. Schönheit ist, so Schillers Ansatz, auch eine Eigenschaft der Objekte und kann daher nicht auf subjektive Empfindungen reduziert werden. Dieser Versuch muss als gescheitert gelten,43 obwohl Schiller selbst noch in seiner im Anschluss verfassten Schrift Ueber Anmuth und Würde von einer objektiven Schönheit spricht. Der Gedankenaustausch mit Körner bildete die Grundlage für die geplante Schrift Kallias oder über die Schönheit, die zu Ostern 1793 erscheinen sollte, wie Schiller am 21. Dezember 1792 gegenüber Körner ankündigte. Diese erste intensive Auseinandersetzung mit Kants Konzeption des Urteils vom Schönen blieb jedoch ein unveröffentlichtes Fragment. Sie basierte auf Schillers Vorlesungen über Ästhetik vom Wintersemester 1792/93, die in einer fragmentarisch überlieferten Nachschrift von Christian F. Michaelis erhalten sind.44 Die erste, dem Publikum zugängliche große Schrift zur Ästhetik von Schiller im Gefolge Kants ist Ueber Anmut und Würde. Sie erschien 1793 in der von ihm selbst herausgegebenen Zeitschrift Neue Thalia. In ihr führt Schiller seine Ideen darüber aus, wie Kants Begriffe des Schönen und des Erhabenen auf den Menschen anzuwenden sind. In diesem Kontext wirft Schiller Kant moralphilosophischen Rigorismus vor, weil dieser in der Moralphilosophie der Rationalität der kritisch praktischen Vernunft, nicht aber dem sinnlichen Menschen angemessenen Raum biete. Kant antwortete 1794 auf den Rigorismusvorwurf in der zweiten Auflage seiner Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, wo Schiller eine hohe Wertschätzung erfährt und eine gemeinsame Basis herausgestellt wird, ohne dass Kant seine moralphilosophischen Prinzipien aufgegeben hätte. Allerdings klagte Schiller im Dezember 1798, nachdem er Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht gelesen hatte, erneut darüber, dass Kant dem sinnlichen Menschen zu wenig abgewinnen könne: er ist »die pathologische Seite die er am Menschen immer herauskehrt […] die seiner practischen Philosophie ein so grämliches Ansehen giebt. Daß dieser heitre und jovialische Geist seine Flügel nicht ganz von dem Lebensschmutz hat losmachen können, ja selbst gewiße düstere Eindrücke der Jugend pp nicht ganz verwunden hat ist zu verwundern und zu beklagen.«45 Schillers eingehende Studien von Kants Moralphilosophie und Ästhetik
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wurden in seinen philosophisch poetologischen Entwürfen im Gestus der Weiterführung wenn nicht gar Überbietung von Kants Ansatz zu einer ästhetischen Anthropologie zusammengeführt. Seine essayistische Auseinandersetzung mit Kant gipfelte in der berühmten und weithin rezipierten Schrift Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, die manches fortführte und vertiefte, was in Ueber Anmuth und Würde entwickelt worden war. Die insgesamt 27 Briefe der Ästhetischen Erziehung erschienen 1795 in drei Lieferungen in den von Schiller herausgegebenen Horen. Diesen bedeutendsten Beitrag der an Kant anschließenden Anthropologie verfasste Schiller als Dank für finanzielle Unterstützung an den Prinzen Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, der dem erkrankten Schiller, der seiner Lehre nicht mehr nachkommen konnte und der daher ohne Hörergelder und also ohne Einkommen war, ein Geldgeschenk zukommen ließ. Schiller schrieb von Februar bis Dezember 1793 an den Prinzen die sogenannten Augustenburger Briefe Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen. Es ist bekannt, dass diese Briefe bei einem Schlossbrand in Kopenhagen im Februar 1794 vernichtet wurden und in einer dem Prinzen nicht bekannten Abschrift für die Nachwelt erhalten blieben. Vom Verlust getroffen, bat
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der Prinz Schiller, die Briefe ein zweites Mal niederzuschreiben. Schiller kam der Bitte nach und veröffentlichte seine neu verfasste, bedeutendste ästhetische Schrift Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen 1795 in den Horen.46 Schillers Idee der ästhetischen Erziehung ist es, den gegenwärtigen Staat, den er einen Staat der Not nennt, überflüssig zu machen. Für den künftigen Menschen fordert Schiller eine vollständige Bildung und Entwicklung all seiner sinnlichen und vernünftigen Kräfte statt der bloß einseitigen moralischen und technisch-praktischen Erziehung. Die ästhetische Erziehung des Menschen, die Schiller vorsieht, zielt sowohl auf die Bildung der aisthesis – die Ausbildung und Sensibilisierung der Vermögen der Sinne im griechischen Wortsinn – ab, als auch auf eine ästhetische Bildung in einer neuzeitlichen Bedeutung des Bildens der Sinne für das Schöne und Wohlgeformte. Schiller fordert kurzum eine Ausbildung möglichst aller Vermögen, der geistigen wie der sinnlichen, durch die vermittelnde Kraft des Spieltriebs, der nicht ein eigener Trieb ist neben der Quelle der Vernunft und ihrem Formtrieb sowie der Sinnlichkeit und ihrem Stofftrieb. Schiller zeigt sich als Kantianer, wenn er mit dem Dualismus von Stoff- und Formtrieb an den beiden Quellen der Anschauung und des Begriffs festhält. Der Spieltrieb ist Spiel deshalb, weil er die Verbindung von Form- und Stofftrieb darstellt und eine gelungene Balance der Kräfte der Vernunft und der Sinnlichkeit herzustellen hat. Wie die Bildung aller Vermögen durch die Erregung des Spieltriebs näherhin ausgeführt werden soll, entwickelt Schiller in einem Modell, das er in den Briefen 19 bis 23 zur Darstellung bringt.47 Offenkundig ist Schillers den Stoff- und Formtrieb vermittelnder Spieltrieb Kants freiem Spiel von Einbildungskraft und Verstand geschuldet. Durch das freie Spiel erklärt Kant, weshalb die Erfahrung des Schönen nicht auf einem sinnlichen, sondern auf einem intellektuell gewirkten Gefühl beruht. Die beiden Triebe repräsentieren in Schillers ästhetischer Erziehung Tendenzen der einseitigen Bildung im Menschen, wo bald die sinnliche Natur zugunsten der Vernunftnatur unterdrückt wird, bald umgekehrt. Die ästhetische Erziehung zielt darauf ab, ein Gleichgewicht herzustellen, durch das die natürlichen und vernünftigen Kräfte und Strebungen des Menschen in einem ausgewogenen Verhältnis entwickelt werden. Schiller spricht von einer Wechselwirkung des Stoff- und des Formtriebes, ein Terminus, den er, wie er ausdrücklich betont, in Johann Gottlieb Fichtes Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794/95) gefunden habe. Da nun Schiller mit Kant darin einig ist, dass die Grundtriebe aus unterschiedlichen Quellen hervorgehen, kann ihre Wechselwirkung nicht einfachhin und unmittelbar hervorgebracht werden. Über Stoff- und Formtrieb respektive sinnlichen Trieb und Vernunfttrieb schreibt er :
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Wahr ist es, ihre Tendenzen widersprechen sich, aber was wohl zu bemerken ist, nicht in denselben Objekten, und was nicht aufeinander trifft, kann nicht gegeneinander stoßen. […] Sie sind einander also von Natur nicht entgegengesetzt, und wenn sie demohngeachtet so erscheinen, so sind sie es erst geworden durch eine freye Uebertretung der Natur, indem sie sich selbst misverstehn, und ihre Sphären verwirren.48
Das Verhältnis der beiden Grundtriebe stellt sich Schiller als eine Wechselwirkung vor, da entsprechend den beiden von Kant benannten Quellen der Sinnlichkeit und der Vernunft keine weitere Quellen denkbar sind. Schiller betont daher, dass der vermittelnde Trieb kein weiterer Grundtrieb sein könne und manifestiert dies an den unterschiedlichen Bestimmungen, die sie verfolgen, wenn er schreibt: Der sinnliche Trieb will, daß Veränderung sey, daß die Zeit einen Inhalt habe; der Formtrieb will, daß die Zeit aufgehoben, daß keine Veränderung sey. Derjenige Trieb also, in welchem beyde verbunden wirken […], der Spieltrieb also würde dahin gerichtet seyn, die Zeit in der Zeit aufzuheben, Werden mit absolutem Seyn, Veränderung mit Identität zu vereinbaren.49
Wird der Zustand erreicht, in dem der Spieltrieb die beiden Grundtendenzen im Menschen vermittelt, so sind Sinnlichkeit und Form, mithin Leben und Gestalt als »lebende Gestalt« vermittelt, die sich als Schönheit manifestiert. »Denn«, wie Schiller zu bedenken gibt, »um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«50 Systematisch erweitert Schiller Kants Konzept des freien Spiels von Einbildungskraft und Verstand im § 9 der Kritik der Urteilskraft, welches das Urteil vom Schönen wesentlich bestimmt,51 zu einem Spiel aller Kräfte des Menschen. Kants freies Spiel geht aus dem ebenso rezeptiven wie aktiven Vermögen bei der Betrachtung eines schönen Gegenstandes hervor. Schillers Spieltrieb als ein ästhetischer Zustand einer aktiven Bestimmbarkeit versetzt bei der Betrachtung eines Kunstwerkes ebenso in Freiheit, wie er Voraussetzung für die Produktion eines Kunstwerks ist. »Freyheit zu geben durch Freyheit ist das Grundgesetz« des ästhetischen Reiches.52 Die ästhetische Freiheit des schaffenden Künstlers ist die Freiheit, die Schillers ästhetischer Erziehung zufolge Freiheit gibt, nämlich dem, der sich durch Kunstwerke in den Zustand ästhetischer, freier Bestimmbarkeit versetzen lässt. Neben den beiden großen Schriften zu Schillers ästhetischer Anthropologie, Ueber Anmuth und Würde und Ueber die ästhetische Erziehung, die er im Ausgang von Kants Moralphilosophie und Ästhetik konzipierte und die beide von Kant beachtet und gelobt wurden, erschien 1795/96 als dritte Schrift Ueber naive und sentimentalische Dichtung, in der Schiller die Kunst im Hinblick auf
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das Verhältnis von Antike und Neuzeit reflektiert. Der Bezug zu Kant ist hier nur indirekt gegeben.
Kant, ein moralphilosophischer Rigorist? Nicht erst heute, bereits von Zeitgenossen wurde der Rigorismus der Moralphilosophie Kants beklagt. Das moralische Subjekt handelt frei und autonom, und muss dennoch moralische Pflichten erfüllen und dem Sittengesetz gehorchen, weil es soll, was es muss. Schiller war der Wortführer, der seine Stimme gegen Kants moralische Strenge erhob. In seiner Schrift Ueber Anmuth und Würde schreibt Schiller : In der Kantischen Moralphilosophie ist die Idee der Pflicht mit einer Härte vorgetragen, die alle Grazien davor zurückschreckt, und einen schwachen Verstand leicht versuchen könnte, auf dem Wege einer finstern und mönchischen Ascetik die moralische Vollkommenheit zu suchen. Wie sehr sich auch der große Weltweise gegen diese Mißdeutung zu verwahren suchte, die seinem heitern und freyen Geist unter allen gerade die empörendste seyn muß, so hat er, deucht mir, doch selbst durch die strenge und grelle Entgegensetzung beyder auf den Willen des Menschen wirkenden Principien, einen starken (obgleich bey seiner Absicht vielleicht kaum zu vermeidenden) Anlaß dazu gegeben.53
Mit den »beyde[n] auf den Willen des Menschen wirkenden Principien« sind Sinnlichkeit und Vernunft gemeint. Schiller dringt darauf, dass die Neigungen des Menschen so gebildet werden müssen, dass die der Vernunft gemäßen Gefühle die Herrschaft über die unvernünftigen gewinnen und auf diesem Wege das Geschäft der praktisch moralischen Vernunft unterstützen. Er verspricht sich davon, dass die Ausübung von sittlichen Handlungen weniger ein Kampfplatz einander widersprechender Forderungen und Triebe im Menschen sind, wie dies Kant nahelegt, als dass vielmehr die Kräfte des Menschen in einem inneren Ausgleich, wenn nicht gar einem harmonischen Spiel der Kräfte vereint das sittlich Gute wollen. Weder die Vernunft, noch die Sinnlichkeit sollen alleine herrschen, sondern derjenige »Zustand des Gemüths, wo Vernunft und Sinnlichkeit – Pflicht und Neigung – zusammenstimmen, die Bedingung […], unter der die Schönheit des Spiels erfolgt.«54 Für Schillers Vorhalt des Rigorismus lassen sich durchaus Belege in Kants Moralphilosophie finden, in denen Kant ausführlich diskutiert, dass der freie, moralische Wille von sinnlichen Bestimmungen gänzlich frei gehalten werden muss. In der Kritik der praktischen Vernunft hält Kant fest: »Das Wesentliche aller Bestimmung des Willens durchs sittliche Gesetz ist: daß er als freier Wille, mithin nicht bloß ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern selbst mit Abweisung aller derselben und mit Abbruch aller Neigungen, so fern sie jenem
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Gesetze zuwider sein könnten, bloß durchs Gesetz bestimmt werde.«55 Es reicht also nicht hin, in der Theorie zu wissen, dass der freie Wille ohne Mitwirkung der sinnlichen Antriebe das Handlen bestimmen müsse. Die allgegenwärtigen Neigungen müssen, wie Kant sagt, gezielt und bewusst davon abgehalten werden, sich in die Bestimmungen moralischer Handlungen einzumischen oder unbemerkt einzuschleichen. Dieser Akt des aktiven Abhaltens sinnlicher Einmischungen geschieht offenkundig durch die Vernunft, die die reine Vernunftbestimmung des Willens gegen die Anfechtungen der Neigungen zu verteidigen hat. Kant gibt keine genaue Auskunft darüber, wie sich die Vernunft gegen die Anfechtungen der Sinne durchsetzen kann. Klar ist, dass sie es soll. Geschieht dies erfolgreich, so gibt es nach Kants Verständnis je nach Art der Selbstliebe verschiedene Reaktionen, die er einerseits der Eigenliebe zuschreibt, andererseits dem Eigendünkel. Die Eigenliebe zeigt Kant zufolge nur eine schwache Abwehr gegen eine reinmoralische Bestimmung: »Die reine praktische Vernunft tut der Eigenliebe bloß Abbruch, indem sie solche als natürlich, und noch vor dem moralischen Gesetze, in uns rege, nur auf die Bedingung der Einstimmung mit diesem Gesetze einschränkt; da sie alsdann vernünftige Selbstliebe genannt wird.«56 Die Eigenliebe interpretiert Kant als eine natürliche sinnliche Regung, die gleichwohl kein Anrecht darauf hat, sich in das Geschäft der Vernunft einzumischen. Deswegen muss ihr Anspruch in moralische Grenzen zurückverwiesen werden. Gelingt dies, so spricht Kant von vernünftiger Selbstliebe. Kant setzt seine Überlegungen nun mit einer Betrachtung des Eigendünkels fort. Der Eigendünkel zeigt schon durch die Bedeutung des Wortes an, dass mit ihm eine deutlich negativere Haltung in moralischen Angelegenheiten zur Sprache kommt. Kant schreibt: Aber den Eigendünkel schlägt sie [die Vernunft] gar nieder, indem alle Ansprüche der Selbstschätzung, die vor der Übereinstimmung mit dem sittlichen Gesetze vorhergehen, nichtig und ohne alle Befugnis sind, indem eben die Gewißheit einer Gesinnung, die mit diesem Gesetze übereinstimmt, die erste Bedingung alles Werts der Person ist (wie wir bald deutlicher machen werden) und alle Anmaßung vor derselben falsch und gesetzwidrig ist. Nun gehört der Hang zur Selbstschätzung mit zu den Neigungen, denen das moralische Gesetz Abbruch tut, so fern jene bloß auf der Sinnlichkeit beruht.57
Im Falle des Eigendünkels ist nicht mehr bloß von einer Zurückweisung oder einem Abbruch der Neigungen durch die Vernunft die Rede, sondern von einer Niederschlagung der Regungen und Ansprüche. Die Selbstliebe kann vernünftig genannt werden, weil sie offenkundig die Forderungen der Vernunft als angemessen »anerkennt« und sich so leicht in Schranken weisen lässt. Der Eigendünkel und alle mit ihm einhergehenden sonstigen Neigungen wie Neid, Hab-
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gier, Anmaßung erweisen sich als »falsch und gesetzwidrig«, wie Kant schreibt, angesichts der Forderungen der moralischen Vernunft. Kant behauptet, dass es »das moralische Gesetz« ist, das den Eigendünkel niederschlägt. Die Niederschlagung durch das Sittengesetz bewirkt nun zwei gegensätzliche Gefühlsregungen: Da dieses Gesetz aber doch etwas an sich Positives ist, nämlich die Form einer intellektuellen Kausalität, d.i. der Freiheit, so ist es, indem es im Gegensatze mit dem subjektiven Widerspiele, nämlich den Neigungen in uns, den Eigendünkel schwächt, zugleich ein Gegenstand der Achtung und indem es ihn sogar niederschlägt, d.i. demütigt, ein Gegenstand der größten Achtung, mithin auch der Grund eines positiven Gefühls, das nicht empirischen Ursprungs ist und a priori erkannt wird. Also ist Achtung fürs moralische Gesetz ein Gefühl, welches durch einen intellektuellen Grund gewirkt wird, und dieses Gefühl ist das einzige, welches wir völlig a priori erkennen, und dessen Notwendigkeit wir einsehen können.58
Im Falle der Niederschlagung falscher Anmaßungen der Sinnlichkeit gegen die Vernunft und ihr Gesetz wird die Durchsetzung der Vernunft von zwei sehr unterschiedlichen Gefühlen begleitet. Einerseits erfährt der Eigendünkel eine Demütigung, da sein Anspruch gebrochen wird. Denn der Eigendünkel kann seine Forderungen nicht an denen des Sittengesetzes und der Vernunft messen. Kant geht davon aus, dass der Eigendünkel dann, wenn er unterliegt, sich in Beschämung geschlagen geben muss. Zugleich aber, so Kant, erfährt das Sittengesetz, das sich bei der Bestimmung des freien Willens erfolgreich durchgesetzt hat, Achtung. Im Falle des Erfolgs des Sittengesetzes gegen die falschen Neigungen sei dies sogar ein »Gegenstand der größten Achtung«. Vom Gefühl der Achtung sagt Kant hier ausdrücklich, dass es »durch einen intellektuellen Grund gewirkt« werde, nämlich durch die Kausalität, die das Sittengesetz mit der Bestimmung des reinen moralischen Willens ausübt. Ferner behauptet Kant, dieses Gefühl sei das einzige, das a priori erkannt und als notwendig eingesehen werden könne. Kant gleicht mit der behaupteten Erkenntnis a priori des Gefühls der Achtung den Status dieses Gefühls an den des Sittengesetztes an und verleiht ihm dadurch die dem Sittengesetz entsprechende moralische Würde. Kant argumentiert aber überdies, dass mit der Achtung keinesfalls eine Bestimmung des freien Willens vollzogen wird, und dass sie auch nicht zur Beurteilung der moralischen Handlung oder zur Begründung des objektiven Sittengesetztes Unterstützung biete. Vielmehr diene sie »bloß zur Triebfeder, um dieses in sich zur Maxime zu machen.«59 Mit »dieses« muss hier das objektive Sittengesetz gemeint sein. Das Gefühl der Achtung ist Folge des Herrschaftsanspruchs, den das Sittengesetz gegen die Übertretung seiner Gebote anmeldet. In der Schrift Reaktion auf den klaren Vorrang, den Kant der Vernunft einräumt, ist es Schillers Intention, in Ueber Anmuth und Würde, die beiden von Kant in der Kritik der Urteilskraft behandelten ästhetischen Gefühle des Schönen
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und des Erhabenen auf ihren moralischen Wert innerhalb einer Anthropologie des ganzen Menschen zu untersuchen. Das Schöne der menschlichen Natur ist ihm eine glückliche Erscheinung des architektonischen Baus seiner Gestalt. An dem, was die Natur gibt, hat der Mensch als Person, das heißt als sittliches Wesen, keinen Anteil. Die reine Natur gehört allein der Sinnlichkeit an, wie es auch Kants Zweistämmelehre des Sinnlichen und des Intelligiblen vorsieht. Doch die Person hat ihren bedeutenden Anteil an der Erhaltung der Schönheit, oder, wo diese nicht von Natur aus gegeben ist, an der inneren Schönheit. Es ist die innere sittliche Haltung des Menschen, die der äußeren Schönheit erst Anmut verleiht oder sie, in Ermangelung äußerer Schönheit, als innere Schönheit hervorbringt. »Die Schönheit ist«, so Schiller, »als die Bürgerin zwoer Welten anzusehen, deren einer sie durch Geburt, der andern durch Adoption angehört; sie empfängt ihre Existenz in der sinnlichen Natur, und erlangt in der Vernunftwelt das Bürgerrecht. Hieraus erklärt sich auch, wie es zugeht, daß der Geschmack, als ein Beurtheilungsvermögen des Schönen, zwischen Geist und Sinnlichkeit in die Mitte tritt und diese beyden, einander verschmähenden Naturen, zu einer glücklichen Eintracht verbindet«.60 Schiller erinnert mit Nachdruck daran, dass der Mensch als Person ein Wesen ist, »welches selbst Ursache, und zwar absolut letzte Ursache seiner Zustände« sei. »Die Art seines Erscheinens ist abhängig von der Art seines Empfindens und Wollens, also von Zuständen, die er selbst in seiner Freyheit, und nicht die Natur nach ihrer Nothwendigkeit bestimmt.«61 Schiller fasst zusammen: Die Freyheit regiert also jetzt die Schönheit. Die Natur gab die Schönheit des Baus, die Seele giebt die Schönheit des Spiels. Und nun wissen wir auch, was wir unter Anmuth und Grazie zu verstehen haben. Anmuth ist die Schönheit der Gestalt unter dem Einfluß der Freyheit; die Schönheit derjenigen Erscheinungen, die die Person bestimmt. Die architektonische Schönheit macht dem Urheber der Natur, Anmuth und Grazie machen ihrem Besitzer Ehre. Jene ist ein Talent, diese ein persönliches Verdienst.62
»Grazie«, so erläutert Schiller weiter, »ist immer nur die Schönheit der durch Freiheit bewegten Gestalt, und Bewegungen, die bloß der Natur angehören, können nie diesen Nahmen verdienen.« 63 Diese knappe Skizze der Bestimmung des Menschen als Bürger zweier Welten lässt erkennen, wie sehr Schiller sich an Kants Menschenbild orientiert, sofern dieser sowohl intelligibles Wesen als auch Sinnenwesen ist. Das zeigt sich bereits an der Schönheit, wie Schiller sie als Erscheinungsformen des Menschen auffasst. Diese kann bloße Naturerscheinung sein, sie kann aber auch von einem freien, vernünftigen Geist zeugen. In ästhetischer Perspektive, im Hinblick auf Kunst und wohl auch im Hinblick auf die Schönheit des Menschen würde Kant
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Abb. 3 (a): Kants Reaktion auf Schillers ›Anmut und Würde‹
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zustimmen. Wenn es um die Bestimmung des moralisch Richtigen geht, sieht Kant wenn nicht Korrekturbedarf, so doch Bedarf der Klarstellung des wahren moralischen Wertes. Johann Erich Biester, der Herausgeber der Berliner Monatsschrift, in der einige kleinere und sehr wichtige Beiträge von Kant erschienen sind, drängt seinen Autor in einem Brief vom 5. Oktober 1793, etwas zu Schiller zu sagen, da dieser in Ueber Anmuth und Würde »recht speciös über Ihr Moralsystem sagt, daß nehmlich darin zu sehr die harte Stimme der Pflicht (eines zwar von der Vernunft selbst vorgeschriebenen, aber gewissermaßen doch fremden Gesetzes) ertöne, u. zu wenig auf die Neigung Rücksicht genommen sei.«64 Anders als es Biester vermutlich erwartet hat, lässt Kants Antwort auf Schiller erkennen, dass er zwar von seinen strengen Forderungen an die Autonomie der Vernunft nicht abrückt, gleichwohl aber gewogen ist, Schillers Idee einer ästhetischen Erziehung des Menschen mit seiner Moralphilosophie für kompatibel anzusehen. Schillers Idee, den ganzen Menschen als ein Wesen zu betrachten, in dem nicht bloß die Vernunft gebildet werden muss, sondern auch die Sinnlichkeit so ausgebildet wird, dass Neigungen unmittelbar dazu beitragen, der Vernunft gemäß zu handeln, scheint nicht ganz spurlos an Kant vorbeigegangen sein. Kant beantwortet Schillers Kritik in der zweiten, 1794 erschienenen Auflage der Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Er lobt in einer Fußnote Schillers »mit Meisterhand verfaßte[] Abhandlung (Thalia 1793, 3tes Stück) über Anmut und Würde«65 und verteidigt zugleich den von Schiller missbilligten moralischen Rigorismus, der fälschlicherweise einer »kartäuserartige[n] Gemütsstimmung« bezichtigt werde, da er der Ansicht ist, mit Schiller in den wichtigsten Punkten übereinzustimmen. Dem »Pflichtbegriffe« könne, »gerade um seiner Würde willen, keine Anmut« beigesellt werden, betont Kant gegen den Dichter. Denn: Die Majestät des Gesetzes (gleich dem auf Sinai) flößt Ehrfurcht ein (nicht Scheu, welche zurückstößt, auch nicht Reiz, der zur Vertraulichkeit einladet), welche Achtung des Untergebenen gegen seinen Gebieter, in diesem Fall aber, da dieser in uns selbst liegt, ein Gefühl des Erhabenen unserer eigenen Bestimmung erweckt, was uns mehr hinreißt als alles Schöne.66
Doch wenn Kant auch fordert, dass die Bestimmung des Moralischen ohne Beihilfe einer Gesinnung geschehen müsse, die durch das Gefühl für das Schöne geprägt sei, so räumt er dennoch ein, dass es wünschenswert ist, die Pflichterfüllung aus reiner moralischer Gesinnung in einen Kontext einzubetten, der von Schönheit, Anmut und Grazie bestimmt ist. Kant erläutert den subtilen Unterschied folgendermaßen: Aber die Tugend, d. i. die fest gegründete Gesinnung seine Pflicht genau zu erfüllen, ist in ihren Folgen auch wohltätig, mehr wie Alles, was Natur oder Kunst in der Welt leisten
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mag; und das herrliche Bild der Menschheit, in dieser ihrer Gestalt aufgestellt, verstattet gar wohl die Begleitung der Grazien, die aber, wenn noch von Pflicht allein die Rede ist, sich in ehrerbietiger Entfernung halten. Wird aber auf die anmuthigen Folgen gesehen, welche die Tugend, wenn sie überall Eingang fände, in der Welt verbreiten würde, so zieht alsdann die moralisch-gerichtete Vernunft die Sinnlichkeit (durch die Einbildungskraft) mit ins Spiel.67
Demzufolge ist es das alleinige Geschäft der Vernunft, die moralisch richtigen Maximen des Handelns aufzustellen. Wenn sich dann aber als Folge eine sinnlich bestimmte Zustimmung einstellt, hält Kant dies nicht bloß für unschädlich für die rein moralische Gesinnung, sondern sogar für förderlich. Kant fährt nun in seinen Überlegungen fort, den Wert einer sinnlich gestimmten, positiven Einstellung zu seinen Pflichten im Kontrast zu einer von negativen Gefühlen geprägten Haltung hervorzuheben: Frägt man nun: welcherlei ist die ästhetische Beschaffenheit, gleichsam das Temperament der Tugend, mutig, mithin fröhlich, oder ängstlich-gebeugt und niedergeschlagen? so ist kaum eine Antwort nöthig. Die letztere sklavische Gemüthsstimmung kann nie ohne einen verborgenen Haß des Gesetzes statt finden, und das fröhliche Herz in Befolgung seiner Pflicht (nicht die Behaglichkeit in Anerkennung desselben) ist ein Zeichen der Ächtheit tugendhafter Gesinnung, selbst in der Frömmigkeit, die nicht in der Selbstpeinigung des reuigen Sünders (welche sehr zweideutig ist und gemeiniglich nur innerer Vorwurf ist, wider die Klugheitsregel verstoßen zu haben), sondern im festen Vorsatz es künftig besser zu machen besteht, der, durch den guten Fortgang angefeuert, eine fröhliche Gemüthsstimmung bewirken muß, ohne welche man nie gewiß ist, das Gute auch lieb gewonnen, d. i. es in seine Maxime aufgenommen zu haben.68
Diese Zeilen sprechen für sich. Kant betont die unabhängige autonome Bestimmung des Willens einer moralischen Handlung, sieht sich aber überdies mit Schiller darin einig, dass eine innere Haltung, die nach Schillers Forderung den ganzen Menschen bildet und ergreift, der Tugend eines Menschen durchaus dienlich ist und die moralische Gesinnung insgesamt festigt. Ein Lernerfolg zum Besseren ist weit eher gegeben, wenn dem Moralgesetz eine positive innere Einstellung entgegensteht. Kant unterschied in der Kritik der praktischen Vernunft zwischen den sinnlichen Haltungen des Eigendünkels einerseits und andererseits der (gesunden und vernünftigen) Eigenliebe, die durch das Sittengesetz in Schranken gewiesen werden müssen, um sich nicht in die Vernunftbestimmungen einzumischen. So gälte es, die gesunde Eigenliebe zu bilden und zu festigen und Moralität darin einzubetten, um Schillers Forderungen Genüge zu tun. Diese wären mit Kants Ansatz durchaus kompatibel, auch wenn er selbst dazu in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und der Kritik der praktischen Vernunft keine eigenen Vorschläge macht. Blickt man freilich auf Kants Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre
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von 1797, so ist es naheliegend zu vermuten, dass der Disput mit Schiller konkrete Spuren hinterlassen hat. Immerhin entwickelt Kant hier eine Tugendlehre, in der er die eigene Vollkommenheit als Zweck der Ethik thematisiert, ein Zweck, der zugleich Pflicht ist. Er unterscheidet die Tugendpflicht der physischen Vervollkommnung als »Cultur aller Vermögen überhaupt zu Beförderung der durch die Vernunft vorgelegten Zwecke«69 von der »Cultur der Moralität in uns«.70 Man fühlt sich bei diesen Formulierungen direkt an Schiller zurückverwiesen, der im vierten der Ästhetischen Briefe formulierte: Zwar in der einseitigen moralischen Schätzung fällt dieser Unterschied hinweg; denn die Vernunft ist befriedigt, wenn ihr Gesetz nur ohne Bedingung gilt: aber in der vollständigen anthropologischen Schätzung, wo mit der Form auch der Inhalt zählt, und die lebendige Empfindung zugleich eine Stimme hat, wird derselbe desto mehr in Betrachtung kommen. Einheit fodert zwar die Vernunft, die Natur aber Mannichfaltigkeit, und von beyden Legislationen wird der Mensch in Anspruch genommen. Das Gesetz der erstern ist ihm durch ein unbestechliches Bewußtseyn, das Gesetz der andern durch ein unvertilgbares Gefühl eingeprägt.71
Es mag überraschen, dass für Kant sowohl die physische als auch die moralische Vervollkommnung nur weite Pflichten sind, während er Rechtspflichten als enge Pflichten ansieht. Eine enge Pflicht und direkte Verbindlichkeit ist es für den Menschen, dem Sittengesetz gemäß zu handeln, also wenigstens der äußeren Form nach legal zu handeln. Aus echter innerer moralischer Gesinnung zu handeln kann nur eine weite Pflicht sein, zumal es der Einsicht oft verborgen bleibt, was die tatsächlichen Beweggründe einer Handlung sein mögen, wie Kant betont. Eine moralische Gesinnung kann nicht von außen auferlegt werden, sondern erfolgt immer nur aus innerer Freiheit und Autonomie. Kant bleibt mit dieser Tugendlehre, die er ausdrücklich Ethik nennt, seiner moralphilosophischen Stringenz einerseits treu, andererseits scheint er Schillers Plädoyer in Ueber Anmuth und Würde und in Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen Rechnung zu tragen, wenn er nun dafür einsteht, dass sich der physische und der moralische Mensch zu vervollkommnen haben. Wie sehr Schiller nicht nur Kants Kritiker ist, sondern seinen Grundideen folgt, zeigt der Abschnitt über die »Würde«, den er mit folgenden Worten eröffnet: »So wie die Anmuth der Ausdruck einer schönen Seele ist, so ist die Würde der Ausdruck einer erhabenen Gesinnung.«72 Die erhabene Gesinnung ist dann notwendig, so Schiller, wenn Pflicht und Neigung nicht so leicht zusammenstimmen, weil starke Affekte der sinnlichen Natur des Menschen seine Seele bestürmen. Um sich gegen den affektiven Ansturm zu wappnen, bedarf es der Würde, und wo die Vernunft gegen die sinnlichen Ansprüche siegt, behauptet sich die Person in ihrer Erhabenheit.
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Bey der Würde also führt sich der Geist in dem Körper als Herrscher auf, denn hier hat er seine Selbständigkeit gegen den gebieterischen Trieb zu behaupten, der ohne ihn zu Handlungen schreitet, und sich seinem Joch gern entziehen möchte. Bey der Anmuth hingegen regiert er mit Liberalität, weil er es hier ist, der die Natur in Handlung setzt, und keinen Widerstand zu besiegen findet.73
Wer erwartet, dass in diesem Abschnitt über das Erhabene und die Würde des Menschen tragödientheoretische Überlegungen zu finden sind, weil er mit Schillers früheren kleineren Schriften Ueber die tragische Kunst, Vom Erhabene oder Ueber das Pathetische vertraut ist,74 der wird enttäuscht. Schiller arbeitete in den früheren Schriften heraus, dass Gegenstand der Tragödie der leidende Mensch ist, der heroisch dem Leiden inneren, moralischen Widerstand bietet und sich daher als sittliches Wesen seiner Freiheit würdig erweist. Die gesamte Schrift Ueber Anmuth und Würde kann als Schillers anthropologische Wendung der Moralphilosophie Kants gelesen werden. Es ist die zentrale Überlegung dieser Schrift, dass sich der sinnliche Mensch Schiller zufolge nie ganz der Sinnlichkeit überlassen darf, sei es, dass er von sinnlichen Affekten heimgesucht wird, sei es, dass er Handelnder ist: »Würde wird mehr im Leiden (pa¢ûr); Anmuth mehr im Betragen (g¢or) gefodert und gezeigt; denn nur im Leiden kann sich die Freyheit des Gemüths, und nur im Handeln die Freyheit des Körpers offenbaren.«75 Es gilt, so Schiller »das Gesetz, daß der Mensch alles mit Anmuth thun müsse, was er innerhalb seiner Menschheit verrichten kann, und alles mit Würde, welches zu verrichten er über seine Menschheit hinaus gehen muß. So wie wir Anmuth von der Tugend fodern, so fodern wir Würde von der Neigung.«76
Schillers Konzeption des Tragischen im Ausgang von Kants Gefühl des Erhabenen Einen eigenen Kontext bilden die dem Dramatiker Schiller verpflichteten kleinen Schriften, in denen im Anschluss an Kants Konzeption des Erhabenen das Tragische thematisiert und für die eigene Zeit bestimmt wird. Es entstanden einige Schriften im Themenbereich des Pathetischen, Erhabenen und Tragischen vor und während der intensiven Kant-Studien. Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet erschien noch vor der intensiven Kant-Lektüre 1785 in der Rheinischen Thalia. In die Phase des Übergangs fällt der Beitrag Ueber den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen. Er geht zum Teil aus Schillers Vorlesungen von 1790 hervor. Die Arbeit musste durch die schwere Erkrankung 1791 unterbrochen werden. In diese Zeit fällt die erste Beschäftigung mit Kant, die in den Beitrag einfloss, der schließlich 1792 in der Neuen Thalia erschien. Ueber die tragische Kunst bildet eine direkte Fortsetzung des
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vorigen Beitrags und erschien im März 1792 in der Neuen Thalia. Diese Arbeit führte Schiller mit der Schrift Vom Erhabenen und mit Ueber das Pathetische weiter, die 1793 in der Neuen Thalia erschienen. Schließlich entstanden weitere kleine kunstphilosophische Schriften Schillers im Kontext der späteren Dramen. Dazu ist die Gemeinschaftsarbeit von Schiller und Goethe Ueber epische und dramatische Dichtung zu zählen, die 1797 im Kontext der Wallenstein-Trilogie entstand und 1799 ihren Abschluss fand. Ueber den Gebrauch des Chors in der Tragödie erschien 1803 als Vorrede zur Braut von Messina. Überdies hinterließ Schiller Tragödie und Komödie in Form von Notizen in seinem Nachlass. Die Tatsache, dass Schiller im Ausgang von Kants Theorie des Erhabenen in der Kritik der Urteilskraft seine Tragödienkonzeption entwickelt, lässt vermuten, dass bereits Kant das Erhabene mit dem Tragischen in Verbindung bringt. Diese Vermutung findet in wenigen Stellen Bestätigung, die Kant zum Verhältnis des Trauerspiels und des Erhabenen in seine Schrift einrückt. Es ist weniger Kant als vielmehr Schiller, für den eine Konzeption des Tragischen im Ausgang von Kants Theorie des Erhabenen zu einem zentralen Anliegen seines Nachdenkens wurde, das sich in seinen tragödientheoretischen Schriften spiegelt. Ein kurzer historischer Abriss zeigt: Seitdem Nicolas Boileau in der Mitte des 17. Jahrhunderts die Schrift Trait¦ sur le sublime (1764), Über das Erhabene (peri hypsous, gr.; de sublimate, lat.) des Pseudo-Longinus in den Blick rückte, gehörte zur ästhetischen Betrachtung des Schönen immer auch die des Erhabenen. Dem schloss sich auch Kant bereits in seinen Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen von 1764 an. Darin ist Kant nicht originell. Mit der Kritik der Urteilskraft erfahren das Schöne und Erhabene eine einzigartige systematische Durchdringung. Folgt man Klaus Berghahn,77 so erfuhr das Erhabene nach seiner Entdeckung eine steile Karriere in den Theorien deutscher Dichter und Philosophen, etwa bei Friedrich Gottlieb Klopstock als Merkmal epischer und lyrischer Dichtung, in Alexander Gottlieb Baumgartens Aesthetica (1750–1758), in Moses Mendelssohns Betrachtungen über das Erhabene und das Naive in den schönen Wissenschaften (1758) und in Johann Georg Sulzers Allgemeiner Theorie der schönen Künste (1771–1774), einer Schrift, die für Schiller von großer Wichtigkeit war ; das Erhabene stand für große, hohe Dichtung einer schöpferischen, enthusiastisch gesteigerten Einbildungskraft. Es ist Schillers Verdienst, Kants Lehre vom dynamisch Erhabenen auf die dramatische Kunst übertragen zu haben, wie Berghahn herausstellt: »In seiner Theorie der Tragödie geht er [Schiller, VLW] auch über Lessing hinaus, der das Erhabene für das Drama abgelehnt hatte, da es nicht zu seiner Lehre vom ›Mittelcharakter‹ zu passen schien.«78 Zwei Stellen finden sich in Kants Schrift Beobachtungen über das Gefühl des
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Schönen und des Erhabenen von 1764, in denen das Trauerspiel als Erscheinungsform des Erhabenen erwähnt wird. Die erste findet sich im Zweiten Abschnitt, der »Von den Eigenschaften des Erhabenen und Schönen am Menschen überhaupt« handelt. Kant schreibt: Das Trauerspiel unterscheidet sich meiner Meinung nach vom Lustspiele vornehmlich darin: daß in dem ersteren das Gefühl fürs Erhabene, im zweiten für das Schöne gerührt wird. In dem ersteren zeigen sich großmüthige Aufopferung für fremdes Wohl, kühne Entschlossenheit in Gefahren und geprüfte Treue. Die Liebe ist daselbst schwermüthig, zärtlich und voll Hochachtung; das Unglück anderer bewegt in dem Busen des Zuschauers theilnehmende Empfindungen und läßt sein großmüthig Herz für fremde Noth klopfen. Er wird sanft gerührt und fühlt die Würde seiner eigenen Natur. Dagegen stellt das Lustspiel feine Ränke, wunderliche Verwirrungen und Witzige, die sich herauszuziehen wissen, Narren, die sich betrügen lassen, Spaße und lächerliche Charaktere vor. Die Liebe ist hier nicht so grämisch, sie ist lustig und vertraulich. Doch können so wie in andern Fällen, also auch in diesen das Edle mit dem Schönen in gewissem Grade vereinbart werden.79
Auf die zweite Stelle im Vierten Abschnitt mit dem Titel »Von den Nationalcharaktern, in so ferne sie auf dem unterschiedlichen Gefühl des Erhabenen und Schönen beruhen« sei hier nur hingewiesen. Goethe und Schiller tauschen sich am 18. und 19. Februar 1795 über ihre Lektüren von Kants Beobachtungen aus. Goethe fragt: »Kennen Sie die Kantischen Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1771? [das ist die 3. Auflage, VLW] Es wäre eine recht artige Schrift wenn die Worte schön und erhaben auf dem Titel gar nicht stünden und im Büchelchen selbst seltner vorkämen. Es ist voll allerliebster Bemerckungen über die Menschen und man sieht seine Grundsätze schon keimen.«80 Schiller antwortet am folgenden Tag: Was sie von der kleinen Schrift Kants schreiben erinnere ich mich bey Lesung derselben auch empfunden zu haben. Die Ausführung ist bloß anthropologisch und über die letzten Gründe des Schönen lernt man darinn nichts. Aber als Physik und Naturgeschichte des Erhabenen und Schönen enthält es manchen fruchtbaren Stoff. Für die ernsthafte Materie schien mir der Styl etwas zu spielend und blumenreich; ein sonderbarer Fehler an einem Kant, der aber wieder sehr begreiflich ist.81
Klare Worte der beiden Dichter, die den Kern der Sache treffen. Doch schreiben die beiden diese Kommentare zu einer Zeit, als sie ihre Lektüren der Kritik der Urtheilskraft bereits zu einiger Reife gebracht hatten. Merkwürdig ist, dass die Differenz und Entwicklung in Kants Denken hier keine oder kaum (man sehe »seine Grundsätze schon keimen«) Erwähnung finden. In der Kritik der Urteilskraft entwickelt Kant mit der Unterscheidung der Gefühle des Angenehmen, des Schönen und des Guten eine Typik der Gefühle. Das erste ist ein bloß empirisches Gefühl, das zweite ist ein intellektuell zu
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nennendes Gefühl, das jedoch begriffslos ist, während das Gute ein intellektuelles Gefühl ist, das zugleich auf einem Begriff beruht. Kant geht davon aus, dass alle weiteren Gefühle diesen Grundmustern folgen. Das Erhabene zählt zu dem Typus, der mit dem Schönen entwickelt worden ist. Diese Einordnung macht sich Schiller ganz zu eigen. In die Kritik der Urteilskraft finden sich in der »Allgemeine[n] Anmerkung zur Exposition der ästhetischen reflectirenden Urtheile« Bemerkungen eingerückt, nach denen die Darstellung stürmischer Gemütsbewegungen nicht ungeprüft den Anspruch haben kann, als erhaben zu gelten, sofern sie nicht ein Bewusstsein der Stärke und Entschlossenheit bezeichnet, das einen intelligiblen Grund hat: Aber auch stürmische Gemütsbewegungen, sie mögen nun unter dem Namen der Erbauung mit Ideen der Religion, oder als bloß zur Kultur gehörig mit Ideen, die ein gesellschaftliches Interesse enthalten, verbunden werden, können, so sehr sie auch die Einbildungskraft spannen, keinesweges auf die Ehre einer erhabenen Darstellung Anspruch machen, wenn sie nicht eine Gemütsstimmung zurücklassen, die, wenn gleich nur indirekt, auf das Bewußtsein seiner Stärke und Entschlossenheit zu dem, was reine intellektuelle Zweckmäßigkeit bei sich führt (dem Übersinnlichen), Einfluß hat. Denn sonst gehören alle diese Rührungen nur zur Motion, welche man der Gesundheit wegen gerne hat.82
Kant betont hier, »stürmische Gemüthsbewegungen«, also Affekte, sind nicht dann schon als Erhaben zu bezeichnen, wenn sie mit irgendwelchen Ideen oder Gedanken in Verbindung stehen. Viele Gefühle sind in der Tat kulturell geprägt, also mit Vorstellungen verknüpft. Das Erhabene ist also Kant zufolge nicht eine Gefühlsbewegung, die mit irgendwelchen Gedanken in Verbindung steht, sondern mit solchen, die das Sittliche befördern. Kant fährt fort: Da glaubt sich nun mancher durch eine Predigt erbaut, in dem doch nichts aufgebaut (kein System guter Maximen) ist; oder durch ein Trauerspiel gebessert, der bloß über glücklich vertriebene Langeweile froh ist. Also muß das Erhabene jederzeit Beziehung auf die Denkungsart haben, d.i. auf Maximen, dem Intellektuellen und den Vernunftideen über die Sinnlichkeit Obermacht zu verschaffen.83
Zeigt schon diese Stelle, dass man nur dann ein Trauerspiel als Erhabenen bezeichnen darf, wenn sein Gehalt auf das Sittliche der Vernunft und deren übersinnlichen Grund bezogen ist, so bestätigt dies eine weitere Stelle im § 52 der Kritik der Urteilskraft, wo Kant »Von der Verbindung der schönen Künste in einem und demselben Producte« spricht. Auch kann die Darstellung des Erhabenen, sofern sie zur schönen Kunst gehört, in einem gereimten Trauerspiele, einem Lehrgedichte, einem Oratorium sich mit der Schönheit vereinigen; und in diesen Verbindungen ist die schöne Kunst noch künstlicher ; ob aber auch schöner (da sich so mannigfaltige verschiedene Arten des
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Wohlgefallens einander durchkreuzen), kann in einigen dieser Fälle bezweifelt werden. Doch in aller schönen Kunst besteht das Wesentliche in der Form, welche für die Beobachtung und Beurteilung zweckmäßig ist, wo die Lust zugleich Kultur ist und den Geist zu Ideen stimmt, mithin ihn mehrerer solcher Lust und Unterhaltung empfänglich macht; nicht in der Materie der Empfindung (dem Reize oder der Rührung), wo es bloß auf Genuß angelegt ist, welcher nichts in der Idee zurückläßt, den Geist stumpf, den Gegenstand nach und nach anekelnd und das Gemüt durch das Bewußtsein seiner im Urteile der Vernunft zweckwidrigen Stimmung, mit sich selbst unzufrieden und launisch macht.84
So knapp diese Überlegungen Kants zum Verhältnis von Trauerspiel und dem Erhabenen sind, so sehr spiegeln sie den Kern dessen wieder, was Schiller mit seiner Konzeption des Erhabenen intendiert. Gleichwohl geht Schiller weiter. Kant hat keine Gattungstheorien von einzelnen Künsten ausgearbeitet, so auch nicht vom Tragischen. Schillers frühe kleinere Schriften Ueber die tragische Kunst, Vom Erhabenen und Ueber das Pathetische85 bilden einen eigenen zusammengehörigen Kontext. Sie entstanden ab 1791. In ihnen entwickelte Schiller seine Idee des Tragischen im Ausgang von Kants Konzeption des dynamisch Erhabenen. Schillers Schrift Über die tragische Kunst erschien 1792 in der Neuen Thalia. Die »Resultate«, die Schiller hier im Hinblick auf das Tragische zusammenträgt, die er im Ausgang von Lessings Tragödientheorie und im Hinblick auf Kants Moralphilosophie als die Bedingungen einer tragischen Rührung herausarbeitet, sind folgende: Erstlich muß der Gegenstand unsers Mitleids zu unsrer Gattung, im ganzen Sinn dieses Worts, gehören und die Handlung, an der wir Theil nehmen sollen, eine moralische, d. i. unter dem Gebiet der Freyheit begriffen sein. Zweytens muß uns das Leiden, seine Quellen und seine Grade, in einer Folge verknüpfter Begebenheiten vollständig mitgetheilt und zwar drittens sinnlich vergegenwärtigt, nicht mittelbar durch Beschreibung, sondern unmittelbar durch Handlung dargestellt werden. Alle diese Bedingungen vereinigt und erfüllt die Kunst der Tragödie.
Schiller schreibt weiter : Die Tragödie wäre demnach dichterische Nachahmung einer zusammenhängenden Reihe von Begebenheiten (einer vollständigen Handlung) welche uns Menschen in einem Zustand des Leidens zeigt, und zur Absicht hat, unser Mitleid zu erregen.86
Dies zeigt, dass Schiller sich in der Tradition von Lessings Ausdeutung der Definition der Tragödie in Aristoteles Poetik sieht – unter Einbezug von Kants Moralphilosophie der Freiheit. Schiller sucht mit Kant und über Kant hinaus eine philosophische Antwort darauf zu finden, was der Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen ist. Dies kann Schiller zufolge nicht darin liegen, dass der Mensch sich daran
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vergnügt, dass andere leiden. Die tragischen Gegenstände erzeugen wie das Erhabene nach der Erklärung Kants ein Gefühl der Niederwerfung und ein Gefühl der Erhebung. Darin stimmen das Gefühl des Erhabenen und der Achtung überein, die Kant zufolge vor dem Sittengesetz erfahren werden. Das empfundene Mitleiden mit dem tragischen Schicksal der Heldinnen und Helden wirft den Menschen nieder ; der sittliche Widerstand, mit dem diese das unausweichliche Schicksal würdevoll ertragen, erhebt dagegen. Darin liegt nach dem Verständnis Schillers das wesentliche Moment des Vergnügens an tragischen Darstellungen in der Kunst.
Franz Grillparzer – Zugänge zu Kant von Gabriele Geml Wer vom dramatischen Werk Franz Grillparzers und der beziehungsreichen Charakterologie seiner Figuren Kenntnis hat, den wird die Einsicht kaum überraschen, dass Grillparzer an philosophischen und psychologischen Fragestellungen lebhaften Anteil nahm. Zeit seines Lebens setzte er sich mit Philosophie auseinander, wenn er auch keineswegs versäumte, sie gelegentlich mit spöttischen Bemerkungen zu bedenken.87 War es zunächst insbesondere der Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), dessen Schriften ihn beeindruckten, so wurde in späteren Jahren Kant seine entscheidende Referenz: »Alles was ich Philosophisches lese, vermehrt meine Achtung für Kant«, schreibt Grillparzer 1832.88 Der Satz steht in einem polemischen Zusammenhang, doch er steht zugleich auch für sich. Grillparzer notiert ihn innerhalb einer längeren, sarkastisch getönten Aufzeichnung unter dem unmittelbaren Eindruck einer Hegel-Lektüre. Dabei lässt Grillparzers Missfallen an jener Lektüre keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Bemerkung jedenfalls ebenso um eine Kritik an Hegel und an der idealistischen Philosophie wie um eine Wertschätzung Kants handelt. Doch lässt sich der Satz sehr wohl auch isoliert zitieren: Grillparzers Aufzeichnungen lassen keinen Zweifel daran, dass er die Philosophie Kants tatsächlich ganz besonders schätzte. Seinen ersten schriftstellerischen Erfolg hatte der am 15. 1. 1791 in Wien als Sohn einer Sängerin und eines Rechtsanwalts geborene Grillparzer im Alter von sechsundzwanzig Jahren mit der 1817 im Theater an der Wien uraufgeführten Ahnfrau. Zu dem Erfolg hatte Grillparzers Mentor, der Theatersekretär Joseph Schreyvogel (1768–1832), wesentlich beigetragen, indem er Grillparzer einerseits zum Schreiben motivierte, andererseits für die dramatische Umsetzung der Stücke sorgte. Ein gewaltiger Publikumserfolg wurde die im Folgejahr am Wiener Burgtheater uraufgeführte Sappho, für die Grillparzer eine Reihe öffentlicher Ehrungen zuteil wurden; unter anderem das Angebot einer Stelle als Theaterdichter und die Einladung zu einem persönlichen Empfang bei Fürst
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Abb. 4: Josef Kriehuber, Franz Grillparzer (1841)
Metternich (1773–1859). Im Anschluss an jene Hochphase seines Ruhms erregten Grillparzers Werke jedoch immer wieder den Argwohn der Zensur und Staatsgewalt. Bereits die Ahnfrau musste von Schreyvogel gegen die Widerstände der Zensur verteidigt werden. Sicher nicht zuletzt aus dem Grund, um die Werke Grillparzers effektiver protegieren zu können, hatte Schreyvogel schon bald selbst um einen Posten bei der Zensurbehörde angesucht und war von Januar 1818 bis November 1825 neben seiner Hauptbeschäftigung als Theatersekretär zudem in der Funktion eines »Aushilfszensors für Belletristik« tätig.89 Von Grillparzers Dramen waren unter der Theaterleitung Schreyvogels Die Ahnfrau (1817), Sappho (1818), Das Goldene Vließ (1821), König Ottokars Glück und Ende (1825), Ein treuer Diener seines Herrn (1828) sowie Des Meeres und der Liebe Wellen (1831) uraufgeführt worden. Auch Grillparzers frühe Erzählung Das Kloster bei Sendomir wurde 1827/28 von Schreyvogel publiziert.90 Die Anzahl der größeren Werke, die Grillparzer selbst noch veröffentlichte, nachdem Schreyvogel im Jahr 1832 kurz nach seiner Entlassung als Theatersekretär verstorben war, ist äußerst beschränkt. Das letzte unter Schreyvogels Leitung aufgeführte Stück, war im Jahr 1831 Des Meeres und der Liebe Wellen. Das Stück, das zu den bedeutendsten Werken Grillparzers zählt, war zugleich sein erster drastischer Misserfolg beim Theaterpublikum und wurde nach wenigen Vorstellungen abgesetzt. 1833 wurde in Berlin die romantische Oper Melusina uraufgeführt. Das Libretto hatte Grillparzer auf das Ansuchen Ludwig van Beethovens (1770–1827) hin verfasst, der das Stück, das ihm Grillparzer 1823
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übermittelte, jedoch nicht mehr vertonte. 1832 hatte Conradin Kreuzer (1780–1849) die Oper komponiert. 1834 wurde Der Traum, ein Leben, den Grillparzer bereits 1831 abgeschlossen hatte, ein großer Bühnenerfolg. Grillparzers einziger ernstzunehmender Versuch auf dem Gebiet der Komödie geriet indes zu einem Debakel: Der eklatante Misserfolg von Weh dem, der lügt!, 1838 uraufgeführt, führte zu seinem Rückzug vom Theater. Libussa, Ein Bruderzwist in Habsburg, Die Jüdin von Toledo, deren Entwürfe und erste Ausarbeitungsversuche allesamt noch in die Phase der Freundschaft mit Schreyvogel fallen, wurden erst aus Grillparzers Nachlass veröffentlicht und posthum, im Jahr 1872 uraufgeführt. Eine Ausnahme bildet das Esther-Fragment, das 1868 noch zu Grillparzers Lebzeiten uraufgeführt wurde. Grillparzers Gedichte wurden vielfach in Almanachen, Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht, jedoch erschien zu Lebzeiten des Dichters keine gesammelte Ausgabe, insofern er seine Zustimmung zu entsprechenden Plänen verweigerte.91 Nach 1852 schrieb er kaum noch Gedichte. Posthum erschienen Grillparzers 1853 entstandene Selbstbiographie sowie eine gesammelte Ausgabe seiner Epigramme. Ein späteres Werk, das Grillparzers rigoroser Selbstzensur entging und 1848 veröffentlicht wurde, war die Erzählung Der arme Spielmann. Wie fast alle größeren, späteren Arbeiten entstand auch der Arme Spielmann über einen langen Zeitraum und mit vielen Unterbrechungen; der Beginn der ersten Niederschrift fällt bereits ins Jahr 1831. Ausgehend von den massiven Selbstzweifeln Grillparzers und der Strenge seiner Selbstzensur, die die offizielle Zensur in entscheidenden Hinsichten gewiss in den Schatten stellte, wird man Grillparzer nachträglich zu zwei Umständen gratulieren können: zu der Bekanntschaft mit Schreyvogel, der Grillparzers Werke auf die Bühne brachte, bevor sie in das unerbittliche Mahlwerk von dessen Anzweiflungen gerieten; und zu dem Umstand, dass Grillparzer aufgrund seiner juristischen Ausbildung auf literarische Erfolge finanziell nicht angewiesen war. Nach Abschluss seines Studiums der Rechtswissenschaften (1807–1811) hatte er im Jahr 1813 die Beamtenlaufbahn eingeschlagen, wurde 1832 Archivdirektor der Finanzverwaltung und trat 1856 als Hofrat in den Ruhestand. Seiner publizistischen Abstinenz zum Trotz häuften sich in den letzten Jahrzehnten seines Lebens die öffentlichen Ehrungen und Grillparzer wurde unter anderem Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und Ehrendoktor in Leipzig. Verschiedene Zeugnisse legen freilich nahe, dass seiner selbstkritischen Disposition durch Ehrungen der Wind kaum aus den Segeln zu nehmen war. Obwohl Grillparzer in einer Zeit studierte, in der Kants Philosophie an österreichischen Universitäten als Lehrgegenstand ausgeschlossen war und nur zu polemischen Zwecken erwähnt werden durfte, war er dennoch bereits in der
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Abb. 5: Josefine Wessely als Hero in ›Des Meeres und der Liebe Wellen‹, Burgtheater Wien (1885–1887)
Studienzeit mit Kants Philosophie in Berührung gekommen. Seinen Philosophieprofessor, Franz Samuel Karpe (1747–1806), schildert Grillparzer in seiner Selbstbiographie als »einen Pedanten, aber nicht nur in [sic!] gewöhnlichen Sinn, sondern als eigentliche Lustspielfigur, als ob der Dottore aus der italienischen commedia dell’arte sich in ihm verkörpert hätte«.92 Offenkundig hatte Karpe die offizielle Weisung bezüglich des universitären Umgangs mit Kant sehr ernst genommen, denn Grillparzer zufolge hätte er seine Darlegungen immer wieder in dem selbstgefälligen Ausruf kulminieren lassen: »Komm her, o Kant, und widerlege mir diesen Beweis!«93 Eine etwas weniger possenhafte Begegnung mit Kants Philosophie dürfte Grillparzer während der Studienjahre abseits der Universität, im Haus seines Freundes Josef Wohlgemuth gemacht haben: In dem wissenschaftlich ambitionierten Freundeskreis diskutierte man unterschiedli-
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Abb. 6 (a): Notiz von Franz Grillparzer zu seiner Auffassung von Kant (1837)
che Schriften, »vor allem«, wie es in Grillparzers Selbstbiographie heißt, »die für uns damals neue Kantische Philosophie, für welche der Sohn des Hauses ein reichhaltiges mit Streitschriften und Kommentaren wohl versehenes Rüsthaus besaß«.94 Mit welchen von Kants Werken Grillparzer in diesem Zusammenhang in Berührung gekommen ist und mit welchem Ernst die Diskussionen betrieben
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Abb. 6 (b): Notiz von Franz Grillparzer zu seiner Auffassung von Kant (1837)
wurden, kann nur vermutet werden, doch heißt es, die Wahl der Schriften betreffend, immerhin recht präzise: »Vor allem lag uns als Juristen Kants Naturrecht nah, wo denn auch Fichte mit hineinspielte.«95 Bezüglich der Ernsthaftigkeit jener frühen »wissenschaftlichen Anwandlungen« hat Grillparzer vermerkt: »Wir stifteten eine Akademie der Wissenschaften in der allwö-
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chentlich Versammlungen gehalten und Aufsätze vorgelesen wurden. Damit die Sache aber nicht gar zu ernsthaft werde, gründeten wir nebenbei ein Journal der Torheit […]. Mit den schriftlichen Aufsätzen in unserer Akademie ging es etwas knapp«.96 In diesem Zusammenhang entstand 1808 Grillparzers Fragment gebliebener Text Das Narrennest, bei dem es sich gewiss mehr um einen Spaß unter Freunden als um ein Werk von künstlerischem Anspruch handelt. In jedem Fall aber kommt der Name Kants in jenem Dokument bereits vor, wenngleich auf durchaus abstrakte Weise, nämlich als Inventar einer Bibliothek.97 Waren die frühen Begegnungen mit Kant durch komödiantische Einschläge geprägt, so stand Grillparzers erste nachdrückliche Beschäftigung mit dessen Schriften gerade unter umgekehrten Vorzeichen. Sie ist wesentlich durch Schreyvogel vermittelt, dessen Mission es geworden war, Grillparzer seinen depressiven Selbstzweifeln zu entreißen und zum Schreiben und Veröffentlichen zu drängen. Im Jahr 1817, wenige Wochen nach dem fulminanten Aufführungserfolg der Ahnfrau, notiert Schreyvogel in seinem Tagebuch: »13. März. Nachts – Zuerst quälte ich mich mit Grillparzer, der hypochondrisch ist« sowie kurz darauf, »15. März. Nachts. – Ich habe Grillparzern die Hauptwerke von Kant gegeben. Vielleicht findet er Beruhigung darin.«98 Der therapeutische Konnex, in dem Kants Schriften Grillparzer erreichten, ist für seine Kant-Rezeption zweifelsohne bedeutsam geblieben und er rekurrierte wohl des Öfteren auf Kants Werke, wenn er sich beruhigen und, mit einem seiner Lieblingsworte zur Selbstbeschwörung, »sammeln« wollte.99 Der »reinigende« Effekt, den Kants luzide Analyse der reinen Vernunftvermögen auf Grillparzer in Phasen der Betrübnis gehabt haben mochte, lässt sich auch an Grillparzers Affinität zu Kants Sprache nachvollziehen. So heißt es etwa in einer Aufzeichnung von 1820, deren nähere Konsequenzen für Grillparzers Sprachstil noch kaum berücksichtigt worden sind: Jeder, der sich der Literatur, wenn auch bloß der schönen, widmen will, sollte Kants Werke studieren, und zwar, abgesehen vom Inhalt, schon bloß wegen ihrer strenglogischen Form. Nichts ist mehr geeignet an Deutlichkeit, Sonderung und Präzision der Begriffe zu gewöhnen, als dieses Studium und wie notwendig diese Eigenschaften selbst dem Dichter sind, leuchtet wohl ein.100
Wahrscheinlich war es nicht zuletzt die juristische Atmosphäre von Kants Schriften, die sie Grillparzer nahebrachte, indem sie dem Literaten, der zugleich Anwaltssohn und Jurist war, ein geistiges Heimatgefühl vermittelte. In der Tat beeindruckt an Kants Schriften nicht nur die Klarheit der begrifflichen Distinktionen; es kommt in ihnen auch dem Begriff des Gesetzes eine bedeutende Rolle zu, und was Kants Sprachbilder anbelangt, so fällt eine Vorliebe für die Gerichtsmetaphorik deutlich ins Auge. Auf Grillparzers Sprache, der bisweilen der Vorwurf der kahlen Förmlichkeit und des »Kanzleimäßigen« gemacht
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worden ist, vermag seine hohe Wertschätzung für Kants Sprache womöglich ein neues Licht zu werfen.101 Ungeachtet dieser Wertschätzung verspürte Grillparzer zugleich den Drang, sich Kants Ausführungen in ein persönliches Verständnis zu übersetzen. Insbesondere die Kritik der Urteilskraft, die ihn von Kants Schriften am meisten faszinierte, las Grillparzer auf eine aktivische, zu Reformulierungen drängende Art, wovon seine Notizbücher Kenntnis geben. Die theoretischen Aufzeichnungen, die Grillparzer zu unterschiedlichen Gegenständen machte, sind von seinen Herausgebern zum Teil thematisch zusammengefasst worden. Das Konvolut »Zur Ästhetik« ist für Grillparzers Kant-Rezeption besonders aufschlussreich.102 »Kants Zweckmäßigkeit ohne Zweck und Zusammenstimmung zur Erkenntnis überhaupt ohne Begriff, in seiner Erklärung der Schönheit, verstehe ich ungefähr so:« – beginnt etwa eine längere Notiz aus der Zeit 1820/ 21.103 Der Stil der Aufzeichnung ist für den Gestus von Grillparzers reformulierender Lektüre charakteristisch, auch dort, wo die Notate nicht in demselben Maße explizit auf sein Übersetzungswerk hinweisen. Eine spätere Notiz von 1837 (siehe Abbildung 6) gibt Aufschluss über die Insistenz seiner Beschäftigung mit der Kritik der Urteilskraft: Kants Definition wird ewig wahr bleiben: Schön ist dasjenige was ohne Interesse gefällt. Aller Poesie liegt die Idee einer höhern Weltordnung zum Grunde, die sich aber vom Verstande nie im ganzen auffassen, daher nie realisieren läßt, und von welcher nur dem Gefühl vergönnt ist […] je und dann einen Teil ahnend zu erfassen. Zweckmäßigkeit ohne Zweck hat Kant es ausgedrückt, tiefer schauend als vor ihm und nach ihm irgendein Philosoph.104
Fritz Störi hat in seiner Monographie Grillparzer und Kant auch einige äußere Hinweise von Grillparzers Kant-Rezeption dokumentiert. Den Beginn des intensiven Studiums von Kants Schriften datiert Störi auf Mitte 1819. Im Jahr 1820 hat Grillparzer zunächst die Anthropologie in pragmatischer Hinsicht und die Kritik der Urteilskraft für seine eigene Bibliothek erworben.105 Nicht ebenso einnehmend wie jene beiden Schriften war für ihn die Kritik der reinen Vernunft, wiewohl er sich auch mit ihr auseinandersetzte.106 Nach Störis Auffassung hätte sich Grillparzer mit Kants praktischer Philosophie am wenigsten beschäftigt, wobei er betont, dass es sich hierbei bloß um eine Annahme handle. Deutlich ist anhand der Tagebucheinträge, dass sich Grillparzer mit Kants moralphilosophischen Schriften nicht in derselben Detailliertheit und auch nicht mit derselben Wissbegierde auseinandergesetzt hat wie mit der Kritik der Urteilskraft. Dennoch wäre es nicht nur äußerst befremdlich, wenn der Theaterschriftsteller auf die dramatischen Anregungspotenziale von Kants Moralphilosophie verzichtet hätte; es würde darüber hinaus auch verwundern, wenn Grillparzers Mentor Schreyvogel gerade in diesem Punkt, der ihm einer der wichtigsten war, ohne Einfluss auf Grillparzer geblieben wäre. In entscheidenden Hinsichten
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weist der literarische Kanon Grillparzers deutliche Parallelen zum Kanon Schreyvogels auf. Dies ist gewiss nicht nur auf einseitige Einflussnahme Schreyvogels, sondern ebenso auf gemeinsame Präferenzen zurückzuführen. So teilten sie etwa ihre Liebe zu Pedro Calderûn de la Barca (1600–1681); ein Umstand, der ihre Bekanntschaft und Zusammenarbeit entscheidend mitbedingte. Darüber hinaus gab es etliche weitere Übereinstimmungen; Goethe, Schiller, Lessing und Kant standen im Zentrum der Bewunderung; Kants idealistische Nachfolger und die romantische Literatur erregten echauffiertes Missfallen. Insbesondere war Grillparzer gegen Schelling und Hegel eingenommen, wobei an Grillparzers Reserve gegenüber der Hegelschen Philosophie auch der Umstand nichts änderte, dass er Hegel auf einer Deutschlandreise im Jahr 1826 einmal persönlich kennengelernt und recht sympathisch gefunden hatte: »Ich fand Hegeln so angenehm, verständig und rekonziliant, als ich in der Folge sein System abstrus und absprechend gefunden habe.«107 Auch was ihm von Fichte bekannt war, hat Grillparzer nicht sonderlich geschätzt, wobei er andererseits nicht umhin konnte, zu seiner Überraschung wichtige Gemeinsamkeiten zwischen seinen eigenen Ansichten und denen Fichtes zu entdecken.108 Berücksichtigt man die überragende Bedeutung, die Kants Moralphilosophie für Schreyvogel hatte, so wird man davon ausgehen dürfen, dass es Grillparzer jedenfalls einige Mühe bereitet hätte, sie zu ignorieren. Entsprechend findet sich in Grillparzers Schriften auch durchaus eine starke Resonanz auf Kants Moralphilosophie. Etliche Anregungen, die Grillparzer durch sie ganz offenkundig erhalten hat, hat Störi selbst dargelegt und eine Reihe weiterer Autoren haben in der Folge auf den reichen Widerhall von Kants Moral- und Religionsphilosophie in Grillparzers Werk hingewiesen.109 Als eindrückliche Beispiele lassen sich etwa Des Meeres und der Liebe Wellen, die Komödie Weh dem, der lügt! sowie Ein treuer Diener seines Herrn anführen. Dabei ergeben sich einige vermeintliche Divergenzen zwischen Kants und Grillparzers moralphilosophischen Haltungen unweigerlich aufgrund der Diskrepanz ihrer Ansätze – dem transzendentalen Ansatz Kants auf der einen, Grillparzers empirisch-lebensweltlichem Ansatz auf der anderen Seite. Indem Grillparzer die moralischen Vernunftansprüche in ihrer Verstrickung in reale, und das heißt immer schon schuldhafte Lebensverhältnisse vorführt, wird für ihn ergänzend zum Guten als reinem Vernunftprinzip die relativierende, weltverhaftete Perspektive der Güte entscheidend. Neben der vorsätzlichen, auf die Zukunft gerichteten Orientierung des guten Willens wird die nachsichtige Fähigkeit des hinnehmenden Verzeihenkönnens zur Kardinaltugend. Die tragischen Katastrophen ereignen sich in Grillparzers dramatischem Denken insbesondere dort, wo sich die Figuren gegenüber den realen Ansprüchen ihrer Mitwelt ideell verhärtet haben, sei es, indem sie nicht mehr verzeihen können oder indem sie sich auf eine – an sich gute – Idee abstrakt versteifen und dabei alle konkreten, stets schon schuldbe-
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lasteten Lebensanforderungen ignorieren. Letzteres ist etwa im Treuen Diener der Fall, in dem der königstreue Bancbanus bemüht ist, allen realen Widrigkeiten zum Trotz und von seinen persönlichen Interessen absehend, seine Pflicht möglichst konzessionslos zu erfüllen und damit – unwillentlich – massives Unheil bewirkt. Der Gestus des Trauerspiels ist jedoch nicht einfach anklagend oder belehrend. Es macht das Anziehende von Grillparzers Stücken aus, dass er seine Figuren stets mit Sympathie zeichnet und – als Psychologe, der die Menschen aus ihren vielfältigen Bedingtheiten versteht – auf einsichtsvolle Art entschuldigt. Gegenüber dem Missverständnis mancher Zuschauer und Leser hat Grillparzer seinen Treuen Diener noch nachträglich in Schutz genommen: »Man hat dem Stücke vorgeworfen, daß es eine Apologie der knechtischen Unterwürfigkeit sei; ich hatte dabei den Heroismus der Pflichttreue im Sinn, der ein Heroismus ist so gut als jeder andere.«110 Wiederholt warnen Grillparzers Stücke vor den Gefahren einer zu abstrakt gefassten oder verabsolutierten Moralvorstellung, die sich gegenüber den konkreten Ansprüchen der Mitwelt, aber auch gegenüber dem persönlichen Empfinden verhärtet hat. Früh sah er die Bedrohung einer von Mitgefühl und Zuneigung emanzipierten »Moral«, so etwa in den sorgenvollen Worten Libussas: Es lösen sich der Wesen alte Bande, Zum Ungemeßnen wird was hold begrenzt, Ja selbst die Götter dehnen sich und wachsen Und mischen sich in einen Riesengott; Und allgemeine Liebe wird er heißen. Doch teilst du deine Liebe in das All, Bleibt wenig für den einzelnen, den nächsten, Und ganz dir in der Brust nur noch der Haß. Die Liebe liebt den nahen Gegenstand Und alle lieben ist nicht mehr Gefühl, Was du Empfindung wähnst ist nur Gedanke, Und der Gedanke schrumpft dir ein zum Wort Und um des Wortes willen wirst du hassen, Verfolgen, töten – […]111
Für Grillparzer ist die rechtmäßige, verallgemeinerungsfähige Moral zu ergänzen und einzuschränken durch Mitgefühl, Liebe und Sympathie. In der Jüdin von Toledo finden sich die Textzeilen: »Macht ihm die Tugend nicht nur achtungswert, / Nein, liebenswürdig auch. Das schützt vor vielem.«112 Vehement hat er sich gegen jeden moralischen Rigorismus gewendet, auch gegen etwaige rigoristische Ausdeutungen von Kants Moralphilosophie. Sein eigener Zugang zu Kants praktischer Philosophie war von vornherein geprägt durch die spätere Perspektive der Kritik der Urteilskraft und der in ihr formulierten Ansichten vom Naturschönen und Erhabenen, vom Lebensgefühl und vom sensus com-
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Abb. 7: Viktor Tilgner, Franz Grillparzer, Burgtheater Wien (1988)
munis. Das autonome, selbstbewusste Subjekt Grillparzers ist sensibel und empfänglich für das feingesponnene Netz der Beziehungen, durch das es mit seiner Umwelt verbunden ist. In einer Notiz über das Gefühl des Schönen schreibt Grillparzer um 1820/21: Scheint [im Schönheitsgefühl, GG] nicht der ewige Zwiespalt der sittlichen und sinnlichen Natur, des Wollens und Sollens in diesem Augenblicke ausgeglichen? […] Fühlst du nicht deine Verwandtschaft mit den Wesen unter dir und mit etwas über dir? Ist es nicht, als ob unsichtbare Fäden sich aus deinem Innern ausspannten und in ungeahneten Beziehungen die ganze Welt verbänden?113
Von demselben Eindruck einer innigen Verbindung des vernünftigen, vernehmenden Ichs mit seiner Welt ist ein zwei Jahrzehnte später verfasstes, nicht betiteltes Gedicht getragen, dessen letzte Zeilen eine Variation auf die bekannten Worte des Beschlusses der Kritik der praktischen Vernunft enthalten (»Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt:
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Abb. 8: Rudolf Weyr, Carl Kundmann, Carl Hasenauer, Denkmal Franz Grillparzer (v.l.n.r. ›Die Ahnfrau‹, ›Der Traum ein Leben‹, ›König Ottokars Glück und Ende‹, ›Sappho‹, ›Medea‹, ›Des Meeres und der Liebe Wellen‹), Volksgarten Wien (1889)
der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.« KpV, AA V, 161). Außer Kants »bestirnte[m] Himmel« und dem »moralische[n] Gesetz« greift Grillparzer aus der Vorstellungswelt des Beschlusses der Kritik der praktischen Vernunft den Begriff der »Verknüpfung« auf, den Kant in der Passage gleich dreimal hintereinander bringt. Bei Grillparzer heißt es: Denn etwas ist, du magsts wie weit entfernen, Das dich umspinnt mit unsichtbarem Netz, Das, wenn du liebst, du aufschaust zu den Sternen, Dich unterwerfend dasteht als Gesetz.114
Auf den etymologisch–semantischen Begriffszusammenhang von Pflicht (im Sinne Kants die Befolgung des Sittengesetzes) – flechten – umspinnen – Netz – Verknüpfung sei hier nur andeutend hingewiesen. Gewiss hat Grillparzer von Kant die Anregung aufgenommen, Freiheit im Sinn einer Verbindlichkeit und Verbundenheit mit der Welt aufzufassen. Freilich hat Grillparzer die pragmatische Dimension der moralischen Sphäre hervorgehoben und den wohltätigen Handlungserfolg über die Unversehrtheit und Lauterkeit des guten Willensentschlusses gestellt. In subtilen grammatischen Verschiebungen hat er dem von Kant dargelegten regulativen Charakter der praktischen Vernunft im Sinne eines Imperativs Geltung verliehen. So heißt es etwa in einem Gedicht von 1823, mit einer signifikanten Verschiebung der Verbformen: »Die ewgen Geister schauen und sind heilig, / Der Mensch soll aber handeln und sei gut.«115 Dass es sich bei dem Angelpunkt von Moral, der Idee der Freiheit, eher um einen praktischen Appell an das autonome Subjekt als um einen objektiv belegbaren Zustand
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handelt, hat Grillparzer im Anschluss an Kant deutlicher erkannt als manche zeitgenössischen Forscher. Ein Satz, der von Grillparzer aus dem Jahr 1843 überliefert ist, fasst den zwischen verstehender Psychologie und ethischem Selbstanspruch gespannten Weltzugang Grillparzers zusammen; in einer Maxime, die vielleicht am ehesten Anspruch hätte auf den Titel eines kategorischen Imperativs in Grillparzers Sinn: »Da die Freiheit des Menschen zu den unentschiedenen Fragen gehört, so wollen wir über uns wachen, als ob wir frei wären, und die anderen entschuldigen, als ob sie es nicht wären.«116
Joseph Schreyvogel – Die kantische Moralphilosophie als Lebenskunst von Gabriele Geml Für die Vermittlung der kantischen Philosophie im österreichischen Vormärz kommt dem heute kaum mehr bekannten Wiener Aufklärer und langjährigen »Hoftheatersekretär« Joseph Schreyvogel (1768–1832) eine Schlüsselrolle zu. Schreyvogel war Journalist, Schriftsteller und Kunsthändler, bevor er im Zeitraum zwischen 1814 und 1832 als dramaturgischer Leiter der Wiener Hoftheater jene Position bekleidete, in der er seinen größten Einfluss ausübte. Obgleich Schreyvogel in der Funktion des Theatersekretärs einerseits wechselnden adeligen Vorgesetzten, andererseits der allgemeinen Zensur unterstellt war, oblagen doch die Auswahl und die Inszenierung der aufgeführten Stücke wesentlich seiner Verantwortung. Während seiner 18-jährigen Amtszeit begründete er den internationalen Ruhm des Burgtheaters neu, indem er für die Etablierung eines klassischen Repertoires und die Förderung neuer Autoren sorgte; er bestimmte die Entwicklung der dramatischen Kunst im österreichischen Vormärz entscheidend mit und wurde insbesondere zum Mentor Franz Grillparzers (1791–1872), dessen Stücke er in besten Besetzungen auf die Bühne brachte. In seiner Jugend hatte Schreyvogel zunächst ein Studium der Rechtswissenschaften aufgenommen, in dessen Rahmen er von 1783–1786 die »Philosophischen Pflichtjahre« absolvierte. Es war wohl nicht zuletzt seine psychische Labilität, die einen Abschluss des Studiums verhinderte. Im Jahr 1788 durchlebte er eine schwere seelische Krise – eine Disposition, die ihm zeit seines Lebens zu schaffen machte. Und eine Disposition, die mit seiner Rezeption der kantischen Philosophie in engster Verbindung steht. So fällt auch Schreyvogels erste nachdrückliche Auseinandersetzung mit ihr in eben jenes unheilvolle Jahr 1788, in dem er sich in der Kurstadt Baden bei Wien von seiner Krise erholte. Wesentlich später, zu Beginn des Jahres 1811, erinnert er sich in einer Tagebuchaufzeichnung zurück:
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Abb. 9: Joseph Schreyvogel, zeitgenössischer Stich nach einem Aquarellporträt von Capeller (vor 1882)
Ich lese zu meiner Belehrung und Erbauung Kants moralische Schriften. Zur Genesung meines Kopfes hat Kant vor zwanzig Jahren viel beigetragen. Aber wie geschah es, daß seine Moral, die ich ziemlich kannte und begriff, so wenig Einfluß auf mein Betragen hatte? – Bei der Weisheit, sagt er selbst, kommt es weniger auf das Wissen an, als auf das Thun.117
Die Aufzeichnung legt in Zusammenhang mit weiteren Notizen Schreyvogels nicht nur nahe, dass sich seine Beschäftigung mit Kant auf das Jahr 1788 zurückdatieren lässt und dass Schreyvogel Kants Schriften offenbar sehr zeitnah zu ihrem Erscheinen las,118 sie gibt auch einen deutlichen Hinweis auf den eminent pragmatischen Fokus seiner Kant-Rezeption. Den Primat praktischer Philosophie hat Schreyvogel auch für Kants philosophisches System geltend gemacht. So notiert Schreyvogel etwa im März 1811, im Zuge einer Lektüre von Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: »[D]as ganze unendliche Gebäude dieses Mannes scheint bloß auf der Begründung echter Moralität angelegt zu sein«.119 Und hinsichtlich seiner persönlichen Faszination von der kantischen Philosophie hält Schreyvogel fest: »Es ist nicht müßige Speculation, sondern ein lebendiger Geist der Moralität, was mich in diesen Schriften anzieht, und gewiß wird ihr wiederholtes Studium nicht ohne wohlthätigen Einfluß auf meinen Geist und Charakter bleiben.«120 Im Jahr 1788 machte Schreyvogel im Rahmen seines Badener Kuraufenthaltes
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die Bekanntschaft von Amand Berghofer (1745–1825). Der österreichische Denker, den Christoph Martin Wieland (1733–1813) mit Rousseau verglich, war von Kants Philosophie nachweislich sehr angetan.121 »Niemand in der Welt alter und neuerer Zeit«, so schrieb Berghofer in späteren Jahren in seinem Literarischen Vermächtnis, »hat vielleicht die Würde der Vernunft so dargethan wie er«.122 Es ist höchst wahrscheinlich, dass Schreyvogels nähere Auseinandersetzung mit der kantischen Philosophie durch die Freundschaft mit Berghofer entscheidende Impulse erhielt. Fest steht gemäß Schreyvogels Rückerinnerung in jedem Fall, dass Schreyvogel im Jahr 1788 »[d]as Studium der Vernunftwissenschaften« – womit mit Sicherheit Kants Kritik der reinen Vernunft gemeint ist – als wesentliches »Heilungsmittel [s]eines Kopfes« diente – eine Funktion, die für seinen Zugang zur kantischen Philosophie bedeutsam blieb, wobei ihm in den Folgejahren Kants praktische Philosophie zum Leitstern und zur wesentlichen Stütze seiner labilen Psyche wurde.123 Die Bedeutung von Kants Philosophie für seine persönliche Entwicklung hat Schreyvogel selbst, im wörtlichsten Sinn, als kapital beschrieben. In einer der zahlreichen Tagebucheintragungen des Jahres 1811, die die kantische Philosophie betreffen, heißt es: »Kant hat in der ersten Epoche meiner Selbstrettung viel Einfluß auf mein Denkvermögen gehabt; jetzt, da es nicht bloß auf die Erhaltung des Lebens, sondern auf die Gründung meines Charakters ankommt, wird er mir noch nützlicher sein.«124 Bevor Schreyvogel im Jahr 1811 seine Kant-Lektüre in einem eindrucksvollem Maß intensiviert, um die »Cultur der moralischen Anlagen« in sich zu entwickeln und mit sich selbst »einig und zufrieden« zu werden, und bevor er im Jahr 1814 für 18 Jahre Leiter der Wiener Hoftheater wird, steht ihm nach dem bewältigten Krisenjahr 1788 zunächst ein recht wechselvoller Lebensparcours bevor.125 1793 schließt er Freundschaft mit dem Wiener Schriftsteller und Publizisten Johann Baptist von Alxinger (1755–1797), dessen Wertschätzung der kantischen Philosophie ebenfalls dokumentiert ist.126 Von Beginn des Jahres 1793 bis Juli 1794 gab Alxinger die Österreichische Monathsschrift heraus, die am Vorbild der Berlinischen Monathsschrift, dem Zentralorgan der deutschen Aufklärung, in dem auch Kant publizierte, orientiert war. Die Österreichische Monathsschrift sollte nach dem Programm Alxingers »ein österreichisches critisches Journal« »moralischen politischen u. dramaturgischen Inhalts« sein.127 Schreyvogel war einer der ersten und prägendsten Mitarbeiter der Zeitschrift. Neben etlichen Artikeln und einem – wie so vieles aus seinem Werk – unvollendet gebliebenen dramatischen Entwurf, Die eiserne Maske, veröffentlichte Schreyvogel in der Monathsschrift einen Aufsatz, der sich in der Märzausgabe 1794 unter dem Titel Der Glaube an Vorsehung nach Grundsätzen der Vernunft. Gegen die Vertheidiger des Wunder- und Aberglaubens mit der kantischen Religionsphilosophie auseinandersetzte – zu einem Zeitpunkt, als Kants Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft in Österreich bereits ver-
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boten war.128 Nicht zuletzt aufgrund jenes Artikels geriet die Monathsschrift in den Fokus der Zensur und wurde noch vor einer größeren Verhaftungswelle im Zuge der Aufdeckung der sogenannten Jakobinerverschwörung im Juli 1794 eingestellt. Schreyvogel, der von seinem Widersacher Felix Franz Hofstätter (1741–1814) öffentlich bezichtigt worden war, revolutionäre Absichten zu verfolgen, brach im Frühherbst 1794 gemeinsam mit Alxinger zu einer längeren Deutschlandreise auf, in die das Motiv der Flucht jedenfalls mit hineinspielte, wenngleich es nicht im Vordergrund gestanden haben dürfte.129 Während Alxinger alsbald nach Österreich zurückkehrte, dehnte sich Schreyvogels Reise zu einem zweijährigen Aufenthalt in Jena aus. Durch ein Schreiben Alxingers empfohlen, wurde er im Oktober 1794 bei Christoph Martin Wieland vorstellig, der während der Jenaer Zeit eine der engsten Bezugspersonen Schreyvogels war. In seinem Teutschen Merkur veröffentlichte Wieland sogenannte »Proben« aus Schreyvogels am Vorbild von Samuel Richardson (1689–1761) orientierten Briefroman Der Teutsche Lovelace.130 Obwohl sich Schreyvogel während seines Jena-Aufenthaltes weiter mit der Ausarbeitung des Lovelace beschäftigte, folgte der Publikation der Proben keine Fertigstellung des Buches; ein Schicksal, von dem nicht wenige seiner literarischen Arbeiten betroffen waren. Eher im Hintergrund und ohne prominent in Erscheinung zu treten, arbeitete Schreyvogel während der Jenaer Zeit an der von Christian Gottfried Schütz (1747–1832) herausgegebenen Allgemeinen Jenaer Literaturzeitung mit.131 Mit Schütz und Wieland waren zwei weitere Menschen in Schreyvogels Leben getreten, die mit dem Kantianismus in enger Beziehung standen. Wielands Tochter hatte im Jahr 1785 den aus Österreich geflohenen Carl Leonhard Reinhold (1757–1823) geheiratet, dessen bedeutende Popularisierungsschrift Briefe über die Kantische Philosophie 1786 zunächst in Wielands Merkur publiziert worden war, bevor sie einige Jahre später in Buchform erschien. Neben Reinhold zählt Schütz zu den wesentlichen Autoren, die Kants Philosophie einer größeren Öffentlichkeit vorstellten.132 Zum Ehepaar Schütz pflegte Schreyvogel während der Jenaer Zeit enge Beziehungen, begleitete das Paar sogar auf eine Sommerreise.133 Auch mit Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759–1805) war Schreyvogel in persönlichen Kontakt gekommen. In einem Brief an seinen Bruder vom 14. Dezember 1794, wenige Wochen nach seiner Ankunft in Jena, benennt Schreyvogel den Kreis der Personen, »die ich in Jena und Weimar mehr oder weniger zu meinen Freunden rechnen kann: […] Wieland, Herder, Goethe, Schütz, Schiller, Fichte, Fr. Schulz, Böttiger, Hufeland, Bertuch, Krauß, Woltmann.«134 Der Zusatz, dass er mit jenen Personen »mehr oder weniger« bekannt gewesen sei, rechtfertigt immerhin die Auswahl, der gewiss höchst unterschiedliche Intensitäten des Kontakts zugrunde lagen. So haben etwa Schreyvogels mögliche
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persönliche Beziehungen zu Johann Gottfried Herder (1744–1803) und Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) in der Forschung bislang keinen Widerhall gefunden. Auch die von Karl Glossy herausgegebenen Tagebücher Schreyvogels, die freilich erst mit dem Jahr 1810 beginnen, lassen auf einen ehemaligen Bestand entsprechender Freundschaften nicht schließen. Im Herbst 1796 kehrte Schreyvogel nach Wien zurück, wobei die Krankheit seiner Mutter, die im darauffolgenden Jahr verstarb, ein wichtiger Beweggrund gewesen sein dürfte. Erneut durchlebte er eine schwere seelische Krise.135 In den Jahren von 1802–1813 war Schreyvogel als Kunsthändler und Gesellschafter des renommierten »Kunst- und Industriecomptoirs zu Wien« tätig, der sein Magazin auf dem Wiener Kohlmarkt hatte, auf Kupferdrucke spezialisiert war und neben Kunstblättern auch Landkarten und Musikalien vertrieb. Zu Schreyvogels Kunden zählte unter anderem Ludwig van Beethoven (1770–1827), der seine IV. Symphonie, die Coriolan-Ouvertüre und die Streichquartette op. 59 vom Comptoir herausbringen ließ.136 Im März 1813 erlitt Schreyvogels Kunsthandlung Konkurs, ein Umstand, der durch die allgemeine Wirtschaftskrise des Habsburgerreichs und die Geldentwertung seit 1811 jedenfalls mitbedingt war, wiewohl Schreyvogel darüber hinaus harsche Selbstkritik übte. Dem ökonomischen Zusammenbruch – Schreyvogel hatte sein gesamtes, vordem nicht unbeträchtliches Vermögen verloren – folgte im Spätsommer 1813 der psychische Zusammenbruch nach.137 Indes gelangte Schreyvogel, der sich als Kunsthändler Reputation erworben hatte, zu Beginn des Jahres 1814 in jene Position, die seine einflussreichste werden sollte: In Folge eines Angebots von Graf Ferdinand von Plffy (1774–1840) trat er im Frühjahr 1814 seine Stelle als »Präsidial-Sekretär der k.k. Hoftheater« an, die er, mit leicht wechselnden Funktionsbeschreibungen und unter verschiedenen Vorgesetzten, bis ins Jahr 1832 bekleidete, welches sowohl das Jahr seiner undankbaren Entlassung, wie, kurze Zeit darauf, das Jahr seines Todes war. Das Arbeitsvolumen des Hoftheatersekretärs muss enorm gewesen sein. So besagte etwa eine Dienstbeschreibung aus dem Jahr 1815, dass er dafür zu sorgen habe, dass »alle 14 Tage, sowol [sic] in der Stadt, als an der Wien ein neues Stück auf der Bühne erscheine«, zu welchem Zweck er angewiesen sei, sich um entsprechende Novitäten zu bemühen.138 Schreyvogels Verdienste um das Wiener Theaterleben zeichnen sich durch zweierlei aus. Zum Einen sorgte Schreyvogel für die Etablierung eines klassischen Repertoires. Besonders setzte er sich für die Werke Goethes und Schillers ein, die er in originalgetreuen Versionen an der österreichischen Zensur vorbeimanöuvrierte. Insbesondere die Werke Schillers waren in Österreich aufgrund ihrer vielfach politischen Inhalte lange Zeit nur in stark »bearbeiteten«, das ist entstellten Fassungen aufgeführt worden; im Jahrzehnt zwischen 1795 und 1805 waren Schillers Werke in Folge der verschärften Zensur von den
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Spielplänen der öffentlichen Wiener Bühnen überhaupt gestrichen gewesen. Autodidaktisch brachte sich Schreyvogel die spanische und englische Sprache bei und übersetzte Werke von Calderûn und Shakespeare für das Wiener Publikum. Zwar war Shakespeare bereits seit den 1770er Jahren in Wien aufgeführt worden, doch dürften gegenüber den frühen Adaptionen Shakespeares für das österreichische Theater, die wohl oftmals nur wenig Rückschlüsse auf das Original erlaubten, die Inszenierungen Schreyvogels einen gewaltigen Fortschritt bedeutet haben.139
Abb. 10: Carl Postl, Das alte Burgtheater
Zum Zweiten wurde Schreyvogel zum entscheidenden Förderer einer österreichischen Autorengeneration. Sein bedeutendster ebenso wie sein am meisten begünstigter Prot¦g¦ war zweifellos Grillparzer. Schreyvogel war nicht nur ein wichtiger Motivator und Kritiker Grillparzers, der dafür sorgte, dass die Stücke des jungen Autors in bester Besetzung und möglichst unbeschadet von der Zensur auf die Bühne gelangten, er war es auch, der für Grillparzers lebenslängliche Beschäftigung mit der kantischen Philosophie den entscheidenden Impuls gegeben haben dürfte.140 In Grillparzers Stücke wie in die Werke anderer Autoren griff Schreyvogel nicht selten gravierend und mitunter auch heikel ein; teils um Beanstandungen der Zensur bereits im Vorfeld zu umgehen, teils aus regiepraktischen und publikumswirksamen Erwägungen. An Schreyvogels Lebenswerk hat sein Einsatz für das Wiener Theater ganz beträchtlichen Anteil, wiewohl es sich um ein Werk handelt, das in weiten Teilen nur indirekt und anonym überliefert ist.
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Im Rahmen der gegebenen Eckdaten seiner Biographie arbeitete Schreyvogel an eigenen literarischen und journalistischen Werken. Besondere Erwähnung verdient die Zeitschrift Das Sonntagsblatt, die Schreyvogel im Februar 1807 gründete und bis Dezember 1808 unter seinem Pseudonym Thomas West redigierte. Das Sonntagsblatt folgte dem Vorbild der englischen moralischen Wochenschriften, insbesondere dem seinerzeit von Joseph Addison (1672–1719) und Richard Steele (1672–1729) herausgegebenen Spectator, und trug Schreyvogel eine über die Grenzen der Monarchie hinausreichende Reputation als Journalist und Kritiker ein.141 Über die publizistische Tätigkeit hinaus schuf Schreyvogel ein novellistisches sowie ein schmales, nicht unwesentlich aus Entwürfen bestehendes dramatisches Œuvre. Schreyvogels literarische Arbeiten haben nur recht vereinzelt Eingang in die Literaturgeschichtsschreibung gefunden, wiewohl manche Autoren die Bedeutung insbesondere seines novellistischen Werks für die Entwicklung der österreichischen Literatur geltend gemacht haben.142 Bemerkenswerter Weise scheint Schreyvogel zur Literatur ein durchaus zwiespältiges Verhältnis gehabt zu haben. So enthielten etwa seine Bibliotheksbestände zwar offenbar zu einem Viertel des Gesamtumfangs Bücher, die mit seinem Beruf als Theatersekretär zusammenhingen, nämlich Dramen und Lustspiele (72 Bücher). Romane hingegen scheinen sich in seiner Bibliothek signifikant wenige befunden zu haben und an Lyrik waren wohl überhaupt nur zwei Bände vorhanden. Schreyvogels eigensinnig gebrochenes Verhältnis zur Belletristik und vielleicht zur Kunst überhaupt findet auch in seinem Tagebuch Niederschlag. So mögen für einen Mann, der kurze Zeit darauf für knapp zwei Jahrzehnte der wichtigste im Wiener Theaterleben werden sollte, Bemerkungen wie jene vom Oktober 1811 irritieren: »Die Romane und Theater haben ohne Zweifel großen Schaden in der Welt gestiftet.«143 Der Anlass für Schreyvogels Missmut lässt sich freilich spezifizieren; Schreyvogel beanstandete den heruntergekommenen Zustand der Theaterprogramme und den »moralischen Indifferentismus« in der Literatur und strebte danach, den erkannten Missständen, die er insbesondere auch der zeitgenössischen Romantik zum Vorwurf machte, durch sein eigenes Schaffen entgegenzuwirken: »Nicht eher will ich schreiben und noch weniger drucken lassen, als ich […] die großen Alten […] sowie Kants Moralsystem vollkommen kenne.«144 In manifester Weise bewegt sich Schreyvogels schriftstellerisches Werk zwischen den Gattungen Literatur, Philosophie und Autobiographie. Bestimmend und zentrierend wurde für ihn neben dem Theaterschaffen zunehmend die Bemühung um eine gelebte Moralphilosophie – eine Bemühung, die durch die verzweifelte Suche nach einer stabilisierenden Selbsttherapie jedenfalls maßgeblich mitangeregt wurde. Vor diesem Hintergrund verwundert es schließlich weniger, dass die hinterlassene Bibliothek des bedeutenden Theatermachers
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Abb. 11: Schreyvogelgasse, Wien
zwar kaum Romane und Lyrik, dafür aber mehr als zwanzig Titel von und zu Kant enthielt – eine Anzahl, die sich auch auf Basis von Schreyvogels Tagebüchern ausweist, in denen er seine Lektüren jedenfalls in manchen Jahren akribisch dokumentiert hat.145 In den Jahren 1811/12 – Schreyvogel ist zu der Zeit noch als Kunsthändler tätig – intensivierte er in einem manisch anmutenden Maß seine Lektüre von Kants Schriften mit dem Ziel, das kantische System vollkommen durchzuarbeiten und insbesondere Kants Moralphilosophie innerlich zu begreifen.146 Gelangte von Schreyvogels Projekten vieles über den Status der enthusiastischen Absichtserklärung nicht hinaus, so verhielt es sich in jenem Fall anders. Er las nicht nur in kürzester Zeit außer den drei Kritiken etliche weitere Schriften Kants, wobei er vom Anspruch auf Vollständigkeit kaum noch weit entfernt war, er wiederholte zudem seine Lektüren zugunsten eines tiefgreifenden Verständnisses: 15. Jänner […] Abends. – Ich habe die Kritik der practischen Vernunft zum zweiten Mal (binnen 6 Wochen ungefähr) durchgelesen und finde, daß sie mir nach einer dritten und vierten Lectüre vollkommen verständlich sein wird, welche ich also auch im Lauf der nächsten zwei oder drei Monate vornehmen werde. Inzwischen will ich wieder die Tugendlehre, dann die Rechts- und Religionslehre zur Hand nehmen und mich aller anderen Lectüre enthalten.147
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Wie bei Ernst von Feuchtersleben (1806–1849) und Franz Grillparzer (1791–1872) war Schreyvogels Kant-Rezeption mit »seelendiätetischen« Aspekten und dem Motiv einer Selbsttherapie tief verbunden.148 Schreyvogel, dem das heftige Schwanken seiner Launen und die immer wiederkehrenden Stimmungseinbrüche selbst deutlich zuwider waren, erkannte in Kants Moralphilosophie nicht zuletzt ein Medium der vernünftigen Selbstregulation und der charakterlichen Stabilisierung. In seiner Bemühung um die Ausbildung einer »Cultur des Willens«149 wurde Kants Moralphilosophie für ihn zu einem genuin praktischen Projekt. Die Feststellung, Schreyvogel habe Kants praktische Philosophie als eine praktische Aufgabe begriffen, mag tautologisch scheinen, doch ist sie vielleicht weniger selbstverständlich als sie auf den ersten Blick scheint. Für Schreyvogel, der sich zunächst (und immer wieder) mit dem Gedanken trug, selbst ein moralphilosophisches Werk zu verfassen,150 wurde das theoretische Vorhaben zunehmend sekundär gegenüber der praktischen Exemplarität eines guten Lebens. Eine Betrachtung Schreyvogels vom Ende des Jahres 1811 trifft dabei gewiss einen wunden Punkt der Moralphilosophie: Ist es zu wundern, daß (bei dem damaligen Zustande meiner Geistesbildung) meine erste Bekanntschaft mit Kants Schriften so wenig bleibenden Einfluß auf meinen Charakter hatte, da diese Schriften seit den 25 bis 30 Jahren, seit denen sie in Deutschland so vielfältig gelesen, erläutert, bestritten und vertheidigt wurden, selbst bei ihren erklärtesten Anhängern keine bekannt gewordene auffallende Sinnesänderung bewirkt haben und da, soviel man sieht, dadurch ganz und gar keine merkliche Revolutition [sic!] in der Denkart und Moralität, ich will nicht sagen des Volkes, sondern auch nur des Lehrstandes bewerkstelligt worden? – Beweist dieß gegen Kant oder gegen seine Leser und Nachfolger?151
Die Antwort für Schreyvogel liegt auf Hand; gegen Kant hat er kaum Kritisches vorgebracht. Er selbst wollte ans Schreiben nun nicht mehr eher denken, als bis er »wahrhaft weiser und tugendhafter geworden« sei: – »Es ist genug und vielleicht zu viel geschehen, den Lehren Kants Eingang zu verschaffen; es wird auch künftig ohne mein Zuthun noch viel dafür gethan werden. Die Welt bedarf mehr der Beispiele als der Lehren, um aus ihrem unsittlichen Schlummer geweckt zu werden.«152 Ganz zweifelsohne spielten in Schreyvogels Erwägungen, der Praxis den Primat zu geben, auch Selbstzweifel und die Kenntnis der eigenen Anlagen und Fähigkeiten hinein: [1811] 5. Mai. Morgens. – Darf ich, soll ich mich jemals wieder mit poetischen Arbeiten beschäftigen? – Ich glaube, nein. Mein Talent dazu ist nicht so ausgezeichnet, um etwas von wahrem, unvergänglichem Werth hervorzubringen. Zudem vertragen sich diese Art Arbeiten am wenigsten mit der strengen Pflichtübung und der nüchternen Entwicklung der Vernunft, die mein großer Zweck ist. […] Ich weiß überhaupt nicht, ob die Dichtkunst der Moralität und wahren Cultur der Vernunft nicht entgegenwirkt und ob Platon nicht Ursache gehabt hat, die Dichter aus seiner Republik zu verweisen. […]
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Meine ästhetische Cultur kann mir dermaleinst zu nützlicheren Arbeiten dienlich sein, als zu einem mittelmäßigen Schauspiel oder Roman. – Mein eigenes Leben sei das Kunstwerk, das ich mit der möglichsten Vollkommenheit auszuführen bemüht sein will.153
Es ist nicht zu viel gesagt, dass Schreyvogels Tagebücher hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Kants Philosophie wie hinsichtlich der Bemühung um eine ethische Existenzform ein einzigartiges kulturhistorisches wie psychologisches Dokument darstellen. Der Vorrang der Praxis ist dabei durchwegs bemerkenswert, auch in epistemologischer Sicht: »Einen durchaus guten Willen in dir zu gründen, das ist die oberste Aufgabe, die du dir selbst machen mußt. Du bist noch so weit entfernt, das Gute aus Pflicht zu thun, daß selbst die Vorstellung der Pflicht noch nicht rein und deutlich in dir feststeht.« – »Träume nicht länger, handle.«154 In Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Kant sind die beiden Jahrgänge 1811/12 der Tagebücher ganz besonders bemerkenswert; danach gehen die expliziten Bezugnahmen zurück, auch treten neben der moralischen Selbstverständigung andere Funktionen des Tagebuchs in den Vordergrund. Außer Kant las Schreyvogel eine eindrucksvolle Menge weiterer philosophischer Autoren. Insbesondere die antike Philosophie hatte es ihm angetan und Schreyvogel hob die Lebensnähe hervor, die ihn etwa zu Sokrates, Aristoteles, Plutarch und den Stoikern hinzog: »[D]ie Alten bewiesen ihre Philosophie im Leben, nicht bloß in der Schule.«155 Schreyvogel las Montaigne und Leibniz, Shaftesbury, Hutcheson und Hume, Garve und Schelling. Immer wieder aber kehrte er zurück zu Kant, gewiss nicht ohne dabei sein grundlegendes Urteil zu aktualisieren: »Alle anderen Philosophen, die ich bis jetzt kennen lernte, sind doch mit Kant verglichen bloß mehr oder weniger geistreiche Schwätzer.«156
Ernst Freiherr von Feuchtersleben – Kant und die Vorgeschichte der Psychotherapie in Österreich von Gabriele Geml Ernst Freiherr von Feuchtersleben (1806–1849) Der Wiener Psychiater, Schriftsteller, Bildungspolitiker und seinerzeit vielgelesene Popularphilosoph Ernst Maria Johann Freiherr von Feuchtersleben wurde am 29. April des Jahres 1806 als Sohn des k. k. Hofrates Ernst Karl Friedrich von Feuchtersleben in Wien geboren. Nach dem Tod seiner Mutter im Sommer des Jahres 1807 verbrachte Feuchtersleben, der von gesundheitlich schwacher und wenig hoffnungsvoller Konstitution schien, seine ersten Lebensjahre mit einer Amme auf dem Land. Einen schroffen Kontrast zum naturnahen Landleben
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stellte 1813 sein Eintritt in die Theresianische Akademie dar, deren restriktive Reglements Feuchtersleben bisweilen sehr bedrückten.157 Anstelle der politischen Laufbahn, die seinem gesellschaftlichen Stand entsprochen hätte, nahm Feuchtersleben 1825 ein Medizinstudium auf. Und anstatt sein Studium in der seinerzeit vorgesehenen Zeitspanne von fünf Jahren zu absolvieren, besuchte er zudem Vorlesungen über Philosophie, Literatur, Philologie, Ästhetik und Kunstwissenschaft; er erlernte die türkische und persische Sprache, las Spinoza, Voltaire, Herder, Humboldt, Goethe und gewiss auch Kant, verfasste Gedichte und kleinere Abhandlungen und bewegte sich in dem bohÀmehaften Freundeskreis, der sich um den Komponisten Franz Schubert (1797–1828) gruppierte.158
Abb. 12: Joseph Axmann, Ernst Freiherr von Feuchtersleben
Die Jahre 1833–34 markieren eine turbulente Phase in Feuchterslebens Biographie; geprägt durch seine Promotion, den Selbstmord des Vaters und die Verheiratung mit der ehemaligen Kellnerin Helene Kalcher, mit der Feuchtersleben nach dem Zeugnis seines Freundes Franz Grillparzer (1791–1872) in der
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Folge ein »Musterbild« einer glücklichen Ehe führte.159 Innerhalb weniger Jahre wurde Feuchtersleben zu einem der angesehensten Männer Wiens auf medizinisch-psychologischem Gebiet. Feuchtersleben hatte zunächst eine ärztliche Praxis eröffnet, 1840 wurde er Sekretär der »k. k. Gesellschaft der Wiener Ärzte«, 1844 Professor für Psychiatrie an der Universität Wien. Im Jahr 1845 wurde er Dekan der medizinischen Fakultät, im Jahr 1847 Vizerektor der medizinischchirurgischen Studien. Seine Vorlesungen über ärztliche Seelenkunde, mit denen sich Feuchtersleben von einem rein physiologischen Medizinverständnis distanzierte und einer psychodynamischen Krankheitsauffassung annäherte, gab er 1845 in Buchform heraus. Das Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde kann als das erste in Österreich erschienene Psychiatrielehrbuch gelten, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und insbesondere in England zur Grundlage für den psychiatrischen Unterricht.160 Der Begriff »Psychose«, der in seiner wörtlichen Bedeutung einen krankhaften Zustand der Seele (psyche¯/-osis) bezeichnet, ist in dem Buch erstmals eingeführt.161 Feuchtersleben ist bedeutsam als ein Pionier der Psychosomatik und der Psychotherapie,162 wenngleich deren Begriff erst später, um 1870 in England und den Niederlanden geprägt wurde.163 Einen publikumswirksamen Ausdruck hatten Feuchterslebens seelenkundliche Überzeugungen bereits einige Jahre zuvor in seiner 1838 veröffentlichten popularphilosophischen Schrift Zur Diätetik der Seele gefunden, die – ursprünglich in persönlicher Absicht verfasst – unvermutet ein großer Bucherfolg wurde und im 19. Jahrhundert über fünfzig Auflagen erfuhr.164 Es mag unter diesen Umständen überraschen, dass Feuchtersleben bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Vergessenheit anheimfiel und dem zwanzigsten Jahrhundert kaum mehr bekannt war. In der Geschichtsschreibung der Psychotherapie findet Feuchtersleben kaum Erwähnung. Eine wenig erfreuliche Ausnahme der weitgehenden Vergessenheit seines Werkes bildet eine gewisse Aufmerksamkeit, die Feuchtersleben im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges mit dem Ziel zuteil geworden war zu »zeigen, dass Österreich lange vor dem »Juden« Freud einen großen Seelenarzt hervorgebracht habe«.165 Neben seiner Wirktätigkeit auf medizinischem Gebiet engagierte sich Feuchtersleben in bildungspolitischen und sozialreformerischen Belangen. Eines seiner Hauptanliegen war die Reform der zur damaligen Zeit noch so genannten »Irrenanstalten«. Feuchtersleben orientierte sich dabei an den Ansätzen der beiden französischen Psychiater Philippe Pinel (1745–1826) und Jean-Êtienne Esquirol (1772–1840), die sich dafür eingesetzt hatten, dass die »Wahnsinnigen« nicht mehr wie Gefängnisinsassen, sondern wie Kranke behandelt wurden. Unter anderem forderte Feuchtersleben die Kontrolle von Ärzten und Pflegenden, um gewalttätigen Missbräuchen vorzubeugen, eine gute Bezahlung des Personals und eine architektonisch ansprechende Gestaltung der psychiatrischen Einrichtungen. Anstelle von hermetisch wirkenden Bauten wie
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dem Wiener »Narrenturm« – der 1784 eröffneten weltweit ersten Spezialeinrichtung zur Unterbringung von Geisteskranken – wünschte sich Feuchtersleben nach dem Vorbild der damals bereits existenten Privatsanatorien für die Patienten ein freundlich anmutendes Gebäude mit Garten, das besser von einem Graben und einer lebenden Hecke abgegrenzt sein sollte als durch eine Mauer.166 Auch für die Reform des Schulwesens setzte er sich ein. 1847 publizierte er einen Entwurf zur Grundlage des öffentlichen Schulwesens, in dem er einen allgemeinen, unentgeltlichen Schulunterricht forderte, für eine bessere Ausbildung und Bezahlung der Lehrer plädierte, die Trennung von Kirche und Staat verlangte und neue Unterrichtsfächer wie Naturgeschichte, Menschenkenntnis, Singen und Turnen vorschlug.167 Zeit seines Lebens beschäftigte sich Feuchtersleben mit Literatur und Philosophie, verfasste Gedichte, Essays, Kritiken und Aphorismen und betätigte sich als Herausgeber. Kurz nach Abschluss seiner Promotion veröffentlichte er einen Band mit Gedichten (1836), es folgten die Aphorismensammlungen Beiträge zur Literatur, Kunst- und Lebenstheorie sowie die Lebensblätter (1841). In seinen letzten Lebensjahren stellte er die mehrbändige Sammlung Geist deutscher Klassiker zusammen, die – in einer aus heutiger Perspektive nicht mehr gänzlich sinnfälligen Nachbarschaft – Maximen und Aphorismen von Goethe, Schiller, Herder, Hippel, Klinger, Lessing, Lichtenberg, Wieland, Bentzel-Sternau und Jean Paul enthielt. Im Jahr 1843 publizierte Feuchtersleben die Gedichte aus dem Nachlass seines Freundes Johann Mayrhofer (1787–1836), der von 1818–21 Schuberts Wohngefährte und bis zu dessen Tod einer der engsten Freunde des Komponisten gewesen war. Ein weiterer Künstler aus dem Schubertkreis, mit dessen Arbeiten sich Feuchtersleben in Verbindung setzte, war der Maler Moritz von Schwind (1804–1871). Zu einigen Handzeichnungen Schwinds verfasste Feuchtersleben einen »Zyklus heiterer Gedichte«, der 1844 unter dem Titel Almanach der Radierungen erschien. Prädisponiert durch den frühen Tod der Mutter, die kränkliche Kindheit, die vielfach als bedrückend erlebte Internatszeit, hatte Feuchtersleben zeit seines Lebens mit Depressionen zu kämpfen gehabt. Sein letztes Lebensjahr stand schließlich unter deren Eindruck. Im Revolutionsjahr 1848 hatte sich Feuchtersleben als Vizerektor der medizinischen Studien mit nur lauem Rückhalt der medizinischen Fakultät für die Interessen der Studenten engagiert. Es war Feuchtersleben, der am 20. März 1848 die von den Studenten geforderte und im späteren Staatsgrundgesetz von 1867 verankerte »Lehr- und Lernfreiheit« erstmals von Seiten der universitären Fakultät verkündete und damit einen entscheidenden Schritt zur Reform des österreichischen Bildungssystems setzte.168 Im Frühsommer 1848 erhoben sich öffentlich Stimmen, die dafür plädierten, Feuchtersleben das Amt des Unterrichtsministers zu übertragen. Feuchtersleben selbst reagierte verhalten; zwar wollte er sich für die Reformen engagieren, doch
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Abb. 13: Moritz von Schwind, Ein Schubertabend bei Ritter von Spaun (1868)
widerstrebte ihm die politische Repräsentation der Regierung. Aus diesem Zwiespalt heraus wurde schließlich eigens für Feuchtersleben das Amt eines Unterstaatssekretärs des Unterrichtsministeriums geschaffen, wodurch Feuchtersleben von der politischen Repräsentation des Ministeriums enthoben war, dessen nominelle Leitung dem Freiherrn von Doblhoff übertragen wurde.169 Feuchterslebens Initiative für die Reformen wurde jedoch binnen kürzester Zeit durch die postrevolutionären Ausschreitungen paralysiert. Ein Klima der Gewalt breitete sich aus, dem sich Feuchtersleben konstitutionell nicht gewachsen fühlte. Wie etliche Wiener verließ er Anfang Oktober 1848 die Stadt fluchtartig, legte sein Amt als Unterstaatssekretär nieder und zog sich unter dem Angriff schwerster depressiver Selbstzweifel in das Haus seines Bruders nach Aussee zurück. Als er in der zweiten Novemberhälfte nach Wien zurückkehrte, hatte politisch die Reaktion eingesetzt, die medizinische Fakultät hatte Feuchtersleben ihre Unterstützung entzogen und Feuchtersleben sah sich genötigt, nach seinem politischen Amt nun auch sein akademisches niederzulegen. Die Aussicht auf eine weitere »Verwendungsweise« seiner Person, wie sie seinen Kenntnissen und Begabungen entsprochen hätte, zeichnete sich wie Feuchtersleben mit resignativer Betrübnis feststellte, nicht ab; ihm wurde in der heiklen Lebenssituation keines der schmerzlich ersehnten Zeichen öffentlicher Anerkennung zuteil und keine Perspektive eröffnet.170 Feuchtersleben starb am 3. September 1849 in Wien.
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Eine psychotherapeutische Lesart Kants Gemessen an der thematischen Spannbreite seines Schaffens und dem Maß seiner vormaligen Popularität gibt es nur wenig Resonanz auf Feuchterslebens Werk. Den Auftakt zu dem Wenigen, das über Feuchtersleben publiziert wurde, bildet ein kurzer Text von Franz Grillparzer, den dieser auf Bitte von Friedrich Hebbel (1813–1863) verfasste. Hebbel seinerseits war nach Feuchterslebens Tod von dessen Frau um die Bestellung einer Gesamtausgabe von Feuchterslebens Schriften gebeten worden, die er »mit Ausschluss der rein medizinischen« in den Jahren 1851–53 in sieben Bänden inklusive einer kurzen Biographie herausgab. Grillparzers kurzer Essay erschien erstmals 1853 im abschließenden Band der von Hebbel besorgten Ausgabe.171 Signifikanterweise ist bereits in diesem eröffnenden R¦sum¦ über Werk und Person von Ernst von Feuchtersleben die Relevanz der kantischen Philosophie für sein Denken prominent herausgestellt. Dabei verfährt Grillparzer in seinen etwa vierseitigen Erinnerungen an Feuchtersleben durchaus sparsam, was die Geltendmachung geistiger Einflüsse anbelangt. Nur zwei Namen werden in seiner Darstellung genannt: Goethe und Kant. Grillparzer charakterisiert das kantische Denken in seinem Aufsatz anerkennend als eine »Philosophie der Bescheidenheit« und erblickt darin eine Affinität zur Denkungsart Feuchterslebens: Beinahe kein Feld des menschlichen Wissens blieb ihm [Feuchtersleben; GG] fremd. In der Philosophie war Kant sein Mann. Diese Philosophie der Bescheidenheit, die das demütige ›Ich weiß nicht‹ an die Spitze des Systems stellt, das Gegebene eines Beweises ebenso wenig fähig als bedürftig zum Ausgangspunkt nimmt, völlig zufrieden, wenn sie das logisch Richtige, Würdige und allen Förderliche damit in Übereinstimmung bringen kann; die, gerade weil sie dem Denken seine Grenzen setzt, der Ahnung und Empfindung möglich macht die leer gewordenen Räume als Religion und Kunst auszufüllen – – Kants Philosophie war die seinige. Daß er als Arzt, ohne eine Spur von Materialismus, gar zu gern Brücken zwischen der Physiologie und Psychologie gebaut hätte, ist wohl begreiflich.172
Welche von Kants Schriften Feuchtersleben im Einzelnen gelesen hat, lässt sich schwer rekonstruieren, ebenso wenig die Zeitpunkte von Feuchterslebens Lektüren. Offensichtlich ist, dass Feuchtersleben an Kants praktischer Philosophie besonderen Anteil genommen hat. In seinen Autobiographische[n] Mitteilungen für die K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien aus dem Jahr 1849 erwähnt Feuchtersleben einen ihm »unvergeßlichen« Philosophieprofessor, der ihn »für die spekulativen Probleme des Denkens hinriß«. Man wird davon ausgehen dürfen, dass Feuchtersleben durch Bonifazius Busek, auf den sich jene Äußerungen beziehen und der ein vehementer Anhänger des Kant-Kritikers Friedrich Heinrich Jacobi (1743–1819) war, auch mit der kantischen Philosophie in Berührung gekommen ist.173 Aufschlussreich hinsichtlich der Kant-Rezeption
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Feuchterslebens ist des Weiteren ein Artikel, der im Gefolge der März-Revolution am 3. Juni 1848 in den Sonntagsblättern erschien und der, indem er Feuchtersleben für den Posten nachdrücklich rekommandierte, eine rasche Besetzung des zu dem Zeitpunkt vakanten Unterrichtsministeramtes forderte. Der Verfasser des Artikels, der Arzt und Herausgeber der Sonntagsblätter, Ludwig August Frankl (1810–1894), der das soziokulturelle Leben Wiens entscheidend prägte und in späteren Jahren Direktor des Wiener Musikvereins, Professor für Ästhetik an der Wiener Universität, Begründer des Blindenvereins Hohe Warte, Ehrenbürger von Wien und Ritter von Hochwart wurde, machte in seinem nachdrücklichen Plädoyer für die Besetzung des Ministeramts durch Feuchtersleben unter anderem das Argument geltend, dass Feuchtersleben den Mut hatte, »die österreichische Philosophie nicht, aber Leibnitz, Kant, Schelling und Hegel zu studieren.«174 Aus den Sätzen Frankls wird nicht nur deutlich, wie sich für die Philosophie in Österreich 1848 das Blatt gewendet hatte, sondern auch, dass Feuchtersleben als ausgewiesener Kenner der deutschen Philosophie galt. Im Werk von Feuchtersleben ging die kantische Philosophie eine bemerkenswerte Allianz mit der Disziplin der Medizin ein. So ergab es sich, dass im ersten Psychiatrielehrbuch Österreichs, dem 1845 von Feuchtersleben veröffentlichten Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde, Kants Name prominent vertreten war. Der Personenindex zählt 23 Einträge, in denen auf Kant namentlich rekurriert wird – was selbstverständlich keineswegs immer der Fall ist, wo Feuchtersleben Kants Ideen aufgreift und modifiziert. Einzig Karl Wilhelm Ideler (1795–1860) und Johann Baptist Friedreich (1796–1862) sind häufiger genannt; beide waren Fachkollegen der Psychiatrie. Die Freien Vorträge über ärztliche Seelenkunde, die der Publikation des Buches vorangegangen waren, waren eine von Feuchtersleben ins Leben gerufene Initiative gewesen. Feuchtersleben selbst sah in der Einrichtung rückblickend eine bedeutende Neuerung und eine seiner gelungensten Leistungen. In seinen Autobiographischen Mittheilungen heißt es dazu: Der Zustand, in welchen der Schlummer der philosophischen Bildung schon vom ältern Systeme her und der Überreitz eines der Neuzeit angehörigen, einseitig realistischen Betriebes der Medizin das Studium dieser Wissenschaft bei uns versetzt hatte, konnte[…] meiner Wahrnehmung nicht entgehen. Woher die Rettung aus ihm zu hoffen war, schien mir deutlich; und ich faßte im Stillen den Gedanken, durch Anbau eines bei uns bis dahin noch gänzlich brach liegenden Gefildes, der höhern ärztlichen Bildung, dieser selbst wieder einen Weg zu bahnen, auf dem sich, mit Benützung eines speziellen, eben an die Tagesordnung gekommenen Interesse’s, ein razionelleres Streben wieder einleiten lassen könnte. Ich eröffnete im Jahre 1844 an der hiesigen Hochschule freie Vorträge über ärztliche Seelenkunde, – die den Zweck hatten, nicht nur einzelne Hörer, die sich etwa der Psychiatrie in der Folge zu widmen gedachten, für
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dieses ganz verwahrloste Feld einigermaßen vorzubereiten, – sondern im Allgemeinen das Bedürfniß einer höhern Bildung und strengeren Wissenschaftlichkeit bei den Medizinern, die es noch in sich fühlten, zu befriedigen, und bei denen, die es nie gefühlt hatten, zu erwecken. […] Ich vermag die Wirkung dieser Vorträge nicht zu beurtheilen. So viel ist gewiß, sie erfreuten sich eines zahlreichen Besuches, und bei dem wiedererwachten Interesse und der wachsenden Theilnahme an Irrenwesen und Irrenanstalten, auch im weiteren Kreise eines entschiedenen Anklanges.175
Zwar ist hier von Kant explizit nicht die Rede, doch gleich die erste Kontrastierung – der »Schlummer« des (veralteten) philosophischen Systems einerseits und der »Überreitz« des realistischen Betriebes der Medizin andererseits – mahnen an die kantische Doppelkritik an Dogmatismus und Skeptizismus sowie an Kants Metapher vom »dogmatischen Schlummer«.176 Bei Feuchtersleben dürfte mit dem »Schlummer der philosophischen Bildung« wohl die Art der philosophischen Grundausbildung während des Studiums gemeint sein, in welcher die kantische Philosophie wesentlich ausgespart war. Hedwig Heger und Barbara Otto haben im Rahmen ihrer kritischen Edition von Feuchterslebens Schriften festgehalten, dass Feuchterslebens ganzheitlicher psychiatrischer Ansatz im »damals herrschenden Richtungsstreit zwischen ›Somatikern‹ und ›Psychikern‹ […] einen ausgleichenden Ansatz« geboten hätte und dass Feuchtersleben »in dem erkenntniskritischen Wissenschaftsbegriff Kants und der in rasantem Aufschwung befindlichen Experimental-Physiologie die beiden zusammenzuknüpfenden Ausgangsfäden einer zukünftigen ärztlichen Seelenkunde« erkannte.177 In Deutschland hatte die Psychiatrie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen beträchtlichen Aufschwung genommen, wohingegen die Zustände der theoretischen und praktischen Psychiatrie in Österreich, wie Feuchtersleben monierte, zu wünschen übrig ließen. Noch im Jahr 1844, in dem Feuchtersleben seine Vortragsreihe aufnahm, hatte Heinrich Damerow (1798–1866), der führende deutsche Anstaltsreformer, in der von ihm herausgegebenen Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie mit Blick auf das Habsburgerreich beanstandet: »Die Kaiserstadt entbehrt noch immer einer ihrer Würde und der Großartigkeit sonstiger Institute irgend adäquaten Irrenheil- und Pflegeanstalt […] Wien hat zur Zeit keine einzige Notabilität im Fache der Psychiatrie«.178 In Folge der Publikation von Feuchterslebens Lehrbuch revidierte Damerow 1845 seine vorjährige Kritik.179 Gegenüber den anatomisch-mechanistischen Ansätzen der damaligen Psychiatrie respektive in dialektischer Ergänzung zu ihnen ließe sich der Ansatz von Feuchtersleben als humanistisch, psychodynamisch und anthropologisch charakterisieren. Das Lehrbuch enthält nach einem historischen Abschnitt über die Entwicklung der Psychiatrie einen ausführlichen physiologischen Abschnitt, der allerdings nicht nur Gehirn und Nerven, sondern darüber hinaus die
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menschliche Vorstellungsfähigkeit, die Gefühle der Lust und Unlust, das Selbstund Mitgefühl, die rückwirkenden Effekte von Gefühlen auf den Körper, das Begehren und die Triebe, den Schlaf und den Traum analysiert und insgesamt um ein dynamisches Verständnis der psychosomatischen Wechseleffekte des komplexen Systems »Mensch« bemüht ist. Eindrucksvoll ist dabei Feuchterslebens Bemühen um Differenzierungen. So sind einige Abschnitte des Lehrbuchs den »Unterschiede[n] unter den Menschen« und ihren »[i]ndividuelle[n] Differenzen« gewidmet, wobei Feuchtersleben auf soziale Variablen wie Erziehung, Gesellschaftsschicht und Beruf sowie auf charakterologische, geschlechtsspezifische und genetisch bedingte Faktoren eingeht.180 Unter dem Eindruck heutiger Begrifflichkeit lässt sich sagen, dass das, was Feuchtersleben in seinen Autobiographischen Mitteilungen als seinen Einsatz für eine »höher[e] ärztliche Bildung« und ein »razionelleres Streben« in der Medizin geltend machte, nicht zuletzt die Entwicklung eines bio-psycho-sozialen Modells betraf, dem darüber hinaus, in therapeutischer Absicht, eine moralphilosophische Perspektive verliehen wurde. Der therapeutische Abschnitt folgt im Lehrbuch auf die physiologischen, ätiologischen und pathologischen Abschnitte und weist eine vermögensphilosophische, kognitive Orientierung auf, indem unter anderem Heilmittel durch die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis, die Phantasie, den Verstand, die Gefühle und den Willen vorgestellt werden. Eine nicht unwesentliche Inspiration für jenen Teil des Lehrbuchs stellte – über die vernunftkritischen Hauptwerke hinaus – eine kleine Gelegenheitsarbeit von Kant dar, die dieser auf Ansuchen von Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836) geschrieben hatte und die den Titel trägt Von der Macht des Gemüths durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. Gemeinsam mit den Grundsätze[n] der Diätetik bildet sie den dritten Abschnitt des Streit[s] der Facultäten; namentlich den Streit der philosophischen Facultät mit der medicinischen.181 Naheliegenderweise hegte Feuchtersleben eine besondere Sympathie für jene Ausführungen Kants und erwähnt sie im Rahmen seiner Schriften mehrere Male.182 Wiewohl Feuchtersleben für physiologische Kuren durchaus aufgeschlossen war, geht seine Seelenheilkunde nicht allein vom Gehirn, sondern darüber hinaus vom geistigen Leben aus, gibt Empfehlungen für eine kognitive Therapie des seelischen Erlebens und hebt den Wert einer genauen Kenntnis der eigenen Person für die psychische Gesundheit hervor.183 Selbsterkenntnis, Selbsttätigkeit und Selbstbeschränkung gelten Feuchtersleben als Prophylaxe psychischer Gesundheit. Ethisch-aufklärerische und medizinische Aspekte greifen dabei ineinander :
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Abb. 14: Valere aude! [Wage es, gesund zu sein!] als Variation auf Kants Wahlspruch Sapere aude! [Wage es, weise zu sein!]
Daßs Geisteskraft mit ein Prophylaktikum gegen Psychosen ist, ergibt sich schon daraus, dass die Energieen der Funktionen und Organe überhaupt, also hier die der Denkfunktion und des Hirnorgans, sich wechselseitig entwickeln und erhöhen helfen. Hieraus folgt, daßs zur Prophylaxis das betreffende Individuum nicht nur mitwirken kann, sondern das Beste selbst thun mußs. Ihre Grundlage ist mithin: Selbsterkenntnis (praktische, nicht metaphysische Ich-Grübelei); ihr Inbegriff: Selbstbeherrschung. Hier also werden wir, auf der Grenze des ärztlichen Gebietes, wirklich in das ethische gewiesen. Und in der That, wie Schiller in physiologischer […] erkennt Esquirol, durch psychiatrische Beobachtung geführt, in pathogenetischer Beziehung, die Tugend als die geistige Ägide psychischer Gesundheit an.184
Mit seiner Engführung von Moralität und psychischer Gesundheit, die bereits in der Diätetik der Seele maßgeblich ist, gibt Feuchtersleben der praktischen Philosophie im Gefolge von Kants moralphilosophischen und aufklärerischen Schriften einen lebensnahen, pragmatischen Sinn.185 Dieser wird in Zusam-
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menhang mit Feuchterslebens Kant-Rezeption auch von Herbert Seidler, dem Initiator der Kritischen Ausgabe von Feuchterslebens Schriften, hervorgehoben. In einem Vortrag, den Seidler 1969 vor der »Österreichischen Akademie der Wissenschaften« hielt, um diese für sein Editionsprojekt zu gewinnen, akzentuiert er ausgehend von einer knappen Skizze des geistigen Klimas zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Österreich zunächst die »gegenidealistische Einstellung Feuchterslebens« und dessen lebensweltliche Orientierung am »ganzen Menschen«. Sodann aber setzt Seidler hinzu: Aber mit alldem ist das geistige Bild Feuchterslebens einseitig gezeichnet. Denn es ist mit Nachdruck zu betonen, daß Feuchtersleben durch starke Einwirkungen des deutschen Idealismus, vor allem durch Kant und Goethe geprägt ist. Freilich, sieht man näher zu, stellt er Kant in starken Gegensatz zu seinen Nachfolgern, er betont kaum jemals die im Menschen gegebenen Bestimmungen der Erkenntnis, sondern ist vor allem von Kants Methode angeregt: von der nüchternen, klaren Besinnung, vom Ringen um die richtigen Wege der Erkenntnis. Und diese Methode will Feuchtersleben ausgewertet wissen als Antrieb zur Bewältigung dieser Welt. Das ist eine bedeutsame und im früher angegebenen [d.i. diesseitsorientierten; GG] Sinn echt österreichische Modifikation des deutschen Idealismus.186
Wie Feuchtersleben aus kantischen Motiven einen »Antrieb zur Bewältigung der Welt« zu gewinnen meinte, zeigt sich auch in seiner modifizierenden Aufnahme von Kants Pflichtbegriff. In Feuchterslebens diätetischer Weltanschauung ist der Begriff der Pflicht ein Zentralbegriff; ein Gedicht Feuchterslebens nennt ihn den »höchste[n] der Begriffe« und entsprechend häufig kehrt er in seinem Werk wieder.187 Wenn Feuchtersleben eine Engführung von Psychologie respektive Psychopathologie und Moralphilosophie anstrebte, so ist dabei im Sinn von Feuchterslebens Diätetik der therapeutische Blickwinkel entscheidend. Denn es geht dem Philanthropen und selbst unter Depressionen leidenden Feuchtersleben nicht um das repressive Motiv, psychische Krankheit aus der Warte der Moral als Schwäche zu verurteilen, sondern er fragt unter humanistischem Blickwinkel nach den therapeutischen Effekten moralischer Dispositionen. Im Sinne Kants vermeidet es Feuchtersleben dabei, moralische Prinzipien reduktionistisch in bloße Funktionen von Nützlichkeit aufzulösen. Vielmehr bedarf es Feuchtersleben zufolge einer gewissen Reinheit und Autonomie der moralischen Prinzipien, um eine heilsame Selbsttranszendenz und Entlastung von egoistischen Bestrebungen zu ermöglichen. Einen Eindruck von Feuchterslebens seelendiätetischer Adaption des Pflichtbegriffs der kantischen Moralphilosophie mag ein Gedicht geben, das 1843 veröffentlicht wurde: Dem gepreßten Herzen klinget Mancher tröstende Akkord! Aber wahren Frieden bringet Nur ein einz’ges, strenges Wort.
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Pflicht, geübt mit festem Herzen, Bleibt allein Euch ewig treu; Sie allein heilt alle Schmerzen, Sie allein macht Menschen frei. Kraft und Weisheit, Licht und Friede Blüh’n aus ernst geübter Pflicht – Horcht! denn in dem stillen Liede Kündet sich das Weltgericht.188
Man wird mit der am Ende des Gedichts von Feuchtersleben eingebrachten Vorstellung eines »Weltgerichts« umso weniger bedrohliche Aspekte assoziieren, je mehr man auf den humanistischen Impetus seines Werks eingelassen ist. Definitiv ist Feuchterslebens Moraltheorie eine, die ohne Schreckensvision und ohne Züge repressiver Misanthropie auskommt. Vielmehr ist sie eine wohlmeinende Hilfe zur Selbsthilfe, die, von eigenen Erfahrungen ausgehend, mit ihrem Leser sympathisiert. Ich habe […] stets die vielgerühmte Zerstreuung für ein sehr zweideutiges Heil- und Vorbauungsmittel gegen Krankheiten des Gemütes wie des Körpers gehalten und geglaubt, daß im Gegenteile Sammlung (der auf Selbsttätigkeit fixierte Wille) dasjenige sei, wovon in solchen Lagen Rettung oder Schutz zu erwarten wäre […] Wendet jemand ein, ihm gebreche durchaus die Kraft, sich eine Richtung zu geben – gut, so stürze er sich in eine Situation wo er muß; das kann jeder. Es handelt sich hier um den Anfang, das Weitere ergibt sich von selbst. Gesetzt, ich habe keine bestimmte Beschäftigung, auch keine Lust, eine zu ergreifen, so kann ich mich doch zu meinem Heile entschließen, mich dem Staate oder irgend jemandem dergestalt darzubieten, daß ich nach eingegangenen Bedingungen gezwungen bin, zu arbeiten. Und so bezwinge ich das Schwanken der Entschlüsse, indem ich das erste beste ergreife und das Wählen abkürze; so vernichte ich das melancholische Gewühl peinigender Gedanken, in dem ich mich, auch gegen meine Neigung, in das eines bewegten, geselligen Lebens tauche, wo mir dann die Pflicht der Geselligkeit […] eine frohe Stimmung erst oberflächlich anhaucht, endlich wirklich in mir erzeugt.189
Als Psychologe hatte Feuchtersleben nicht nur ein spezifisches Interesse an dem Verhältnis von Pflicht und Neigung, er war auch darin orientiert, durch die von einem Denker vorgebrachten Begriffe hindurch einen Blick auf die inneren Motive dieses Denkens zu werfen. In dieser Hinsicht hat er in den Lebensblättern (1841), in einem an den Stil des freilich erst einige Jahre später geborenen Friedrich Nietzsche (1844–1900) erinnernden Aphorismus, eine diplomatische Perspektive hinsichtlich des stimmenstarken Disputs der deutschen Philosophie – Pflicht contra Neigung – entworfen: ›Tugend‹, sagt Schiller, ›ist nichts anderes als Neigung zur Pflicht.‹ ›Tugend‹, sagen Kant und Goethe, ›ist nichts anderes als Sieg der Pflicht über die Neigung.‹
Friedrich Schlegels Kant-Rezeption während seiner Wiener Zeit
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›Tugend‹, sagt Jean-Paul, ›ist nicht kalte Pflicht, sondern Liebe, welche, wie über dem höchsten Gebirge noch der Adler, hoch über jener schwebt.‹ Wie? wissen die Besten nicht klar, was Tugend ist? oder sagen sie vielleicht dasselbe, indem sie sich zu widersprechen scheinen? mich dünkt das Letztere. Alle Entwicklung ist ein Ringen, ein Kampf; da muß der Begriff der Pflicht die Neigung überwinden; während der Uebung bildet sich die stille Neigung zur Pflicht; und auf der Höhe der Bildung wird Sollen und Wollen, als Liebe, zur beseligenden Harmonie.190
Friedrich Schlegels Kant-Rezeption während seiner Wiener Zeit von Guido Naschert Nachdem das alte Erklärungsmuster, Friedrich Schlegels frühromantische Philosophie primär aus der Beschäftigung mit der Wissenschaftslehre Johann Gottlieb Fichtes herzuleiten, deutlich an Gewicht verloren hat, mehren sich in letzter Zeit die Stimmen, welche die »zentrale Bedeutung der Kantischen Philosophie für Schlegels philosophische Anfänge«191 herausstellen und betonen, dass er in jungen Jahren »in Kants Schule gegangen« sei.192 Gerade mit Blick auf die so lange von der Forschung vernachlässigten Universitätszeiten des jüngstens Schlegel-Bruders in Göttingen und Leipzig ist dies schon seit Langem ein dringliches Desiderat.193 Denn bevor er mit Fichtes Philosophie in Kontakt kam, hatte Schlegel sich seine Grundkenntnis der kritischen Philosophie längst erworben, deren Einschätzung ihn unweigerlich (auch) bei der Beurteilung Fichtes leiten musste. Zudem ist es für das Verständnis seiner Kant-Rezeption höchst aufschlussreich, ihre Genauigkeit aus den Konstellationen heraus einschätzen zu können, denen sie sich verdankte. Es war in den 1790er Jahren etwas völlig anderes, ob man etwa aus dem Tübinger Stift in den spekulativen Idealismus hineingeriet oder aus der Göttinger und Leipziger Aufklärung. Eine möglichst vollständige Aufarbeitung der frühen Kant-Rezeption des jungen Friedrich Schlegel ist also an der Zeit. Man wird hier für die Leipziger Phase auch ihre Prägung durch Karl Leonhard Reinholds Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens und Ernst Platners Philosophische Aphorismen intensiver berücksichtigen müssen. Allerdings darf man sie bei einer Gesamtcharakterisierung der Schlegelschen Frühphilosophie auch nicht überbetonen. Schlegel war kein Kantianer. Das Besondere seines frühen Denkens hat er einmal folgendermaßen formuliert: »Aus dem gänzlichen sjept/o [absoluten Skeptizismus] (theoretisch u. moralisch) – war das einzige, woran ich mich damals festhielt, die intellektuelle Begeisterung, als das göttlich Positive des geistigen Lebens […]. Diese intellektuelle Begeisterung schloß sich theils an den Enthusiasmus der Platonischen vs[Philosophie] im Wesen an; in der Form aber
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an die Kantische vs[Philosophie] in Hinsicht auf die Imperative, Fictionen.«194 Im Wesen Platon, in der Form Kant! Schon diese rückschauende Selbstdeutung muss vorsichtig stimmen.
Abb. 15: Josef Axmann, Friedrich Schlegel (1829)
Denn Schlegels an Platon orientiertes Verständnis des Enthusiasmus ist mit ontologischer Valenz aufgeladen. Es deutet diesen nicht als eine bloße (Selbst-) Berauschung des Subjekts, sondern als die Erfahrung der Unendlichkeit des (Bewusst-)Werdenkönnens als eines ewig über sich hinausweisenden Prozesses. Da damit kantische Dualismen und Grenzlinien des Erkennens ignoriert werden, hat sich das Schlegelsche Philosophieprojekt schon bald anti-kantisch positioniert und sich die Abneigung gegenüber Kant und seinen Schülern im Laufe der Schlegelschen Biographie weiter gesteigert. Nur das frühe Kant-Studium ist von dem Antagonismus geprägt, einerseits kantische Argumente zu übernehmen (nicht zuletzt, um mit den Begründungsanforderungen der kritischen Philosophie mithalten zu können), sie aber in einen insgesamt gegen Kant gerichteten Gesamtrahmen zu überführen. Spätere Kant-Rezeptionen Friedrich Schlegels sind von diesem Antagonismus frei. Unter kantischen Vorgaben hätte sich der philosophische Enthusiasmus, den
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seine Jenaer ›Grundlehre‹ als notwendige Bedingung des Philosophierens erweisen wollte (siehe etwa seine Rezension von Jacobis Woldemar von 1796), nur als Gegenstand der empirischen Psychologie behandeln lassen, wie dies auch bei den anthropologisch ausgerichteten Kantianern mit religionskritischer Tendenz (zum Beispiel bei Carl Christian Erhard Schmid oder Friedrich Carl Forberg) der Fall gewesen ist. Die Psychologie und Anthropologie der Spätaufklärung, die er sehr genau kannte, hielt Schlegel für unzureichend, da in ihr der Gehalt des Enthusiasmus, das Unendliche, selbst wieder zu einer Frage des empirischen Erkennens gemacht wurde. Für die Vergewisserung des Absoluten bedarf es aber der Annahme einer höheren Erkenntnisart wie zum Beispiel eine intellektuelle Anschauung, Offenbarung oder Platonische Anamnesis, mit der zugleich ein Geist-Begriff verbunden ist, der die Wolffianische Unterscheidung zwischen Psychologia rationalis und Psychologia empirica sprengt. Dass der frühromantische Enthusiasmus sich nicht mit kantischen regulativen Ideen und Fiktionen beruhigen konnte, lässt sich auch mit einem geläufigen sinnkritischen Argument verständlich machen. Denn der Gedanke, dass die Unendlichkeit der Welt nur eine Idee ist, die aus der unbegrenzten Selbstüberbietungsstruktur der Reflexion hergeleitet werden kann, sie aber in Wirklichkeit gar nicht unendlich ist, setzt voraus, dass die Welt anders sein kann, als wir sie uns denken müssen. Gerade diese Behauptung ist aber selbst nur noch schwer zu plausibilisieren. Schlegels Jenaer ›Grundlehre‹ von 1796/97 fasst den Gedanken so: Die im Ich bewusste Welt soll ihre Unendlichkeit entfalten, weil wir es anders nicht wollen können. Etwas anderes zu wollen hieße, dem Wissenwollen Grenzen zu setzen, wo diese noch gar nicht bekannt oder schon als solche reflexiv überwunden sind. Die Begeisterung, die im ästhetischen oder wissenschaftlichen Erkennen diesen Gedanken begleitet, zielt daher auf die unendliche Realisierung der Welt und nicht bloß auf die subjektiv gefasste Vorstellung davon. Dies sei hier als ein zentraler Punkt in Erinnerung gerufen, an dem Schlegel schon früh prinzipiell von Kant abzuweichen beginnt. Fragt man nun weiter, was sich denn im Verständnis des Absoluten von der Frühromantik zur (katholischen) Spätphilosophie beibehalten und was sich verändert habe, so lässt sich auf die Verschiebung hinweisen, welche die hier angesprochene, aus der Spätaufklärung resultierende Frage nach der Unterscheidung von Enthusiasmus und Schwärmerei in der Folgezeit erfuhr, seit eine von ›Inbrunst‹ getragene Frömmigkeit das frühere Ideal des philosophischen Enthusiasmus verdrängte. Die Suche nach der richtigen Bestimmung der wahren Gottesliebe im Gegensatz zum falschen Mystizismus bildet ein kontinuierliches Leitmotiv der Schlegelschen Philosophie insgesamt.195 Zur Unterscheidung des wahren, ›kritisch‹ geprüften und auf die Wirklichkeit bezogenen Enthusiasmus von der bloßen Schwärmerei bedarf es aber nicht nur der systematischen Spekulation, sondern komplementär vor allem auch der
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historischen Kenntnis und Bildung.196 Von den altertumswissenschaftlichen Projekten der 1790er Jahre hin zur Erforschung des Mittelalters und des Orients Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich Schlegels historische Kritik des Enthusiasmus und der Gottesliebe entscheidend verändert. Hinzu kamen – veranlasst durch die in Paris erfolgten Jakob Böhme-Studien, durch den Problemdruck ungelöster, in der frühromantischen Phase bloß verschleppter metaphysischer Einzelfragen (Ursprung der Idee des Unendlichen, Sprachursprung) sowie durch die Begegnung mit der katholischen Theologie und Frömmigkeit – Veränderungen im Offenbarungsbegriff. Kant spielte in diesem Übergangsprozess nur noch eine untergeordnete Rolle. Denn für die Frage nach der höheren Erkenntnisart des Absoluten hatte er kein Angebot zu machen. Der Übergang von der Früh- zur Spätphilosophie erfolgte dabei nicht als Bruch. Selbst seinen öffentlichen Übertritt zum Katholizismus von 1808197 hat Schlegel als folgerichtigen Schritt behaupten können, wenn er etwa gegenüber Friedrich Creuzer (1771–1858) unterstrich, dass er auch vor seiner Konversion »schon so lange im wahren und reinem Sinne katholisch zu sein gar nicht verschwiegen noch verleugnet habe.«198 Das war keineswegs ironisch gemeint, denn tatsächlich gehörte ja sogar bereits zum frühromantischen Konzept einer neuen, aus Konfessionsmischung hervorgegangenen Religion eine intellektuelle Aufgeschlossenheit gegenüber dem »Katholischen«.199 In den Kölner Vorlesungen Die Entwicklung der Philosophie in zwölf Büchern (Köln 1804–1805) fasste Schlegel noch einmal die wichtigsten, teils schon in die Frühzeit seiner Beschäftigung zurückreichenden Kritikpunkte an den Aufklärungsphilosophien zusammen und unterzog auch Kant dabei einer wenig schmeichelhaften Würdigung.200 Als er dann 1808 nach Wien übersiedelte,201 lag die Phase des Kant-Studiums endgültig hinter ihm. Wenn er noch auf ihn rekurrierte, dann nur noch dazu, um am Beispiel Kants die verkehrte Richtung der Aufklärungsphilosophie insgesamt zu verdeutlichen und die Denker zu würdigen, die den Weg über Kant hinaus gewiesen hatten. Positiv wird gelegentlich – etwa im Rahmen der Vorlesungen Über die neuere Geschichte (gehalten 1810, gedruckt in Wien 1811) – das Moderate, gegen die Radikalaufklärung gerichtete Moment des Kritizismus hervorgehoben: »Indessen hat Kants Philosophie wenigstens das Gute gehabt, daß sie dem unverhohlen atheistischen Geiste und Einfluß der neuern französischen Literatur entgegenarbeitete.«202 In seiner Auseinandersetzung mit Friedrich Heinrich Jacobi, die 1812 im ersten Band des Deutschen Museum als Rezension Über F. H. Jacobi: Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung erschien, spielte Schlegel gegen Jacobis Offenbarung im Gefühl seinen an der Geschichte orientierten Offenbarungsbegriff aus. In dieser Argumentation hallt noch das Echo der früheren Schwärmerei-Kritik von 1796 nach, wenngleich sich die Antwort auf die Frage, wie und wodurch das historische Studium zur wahren Gottesliebe anleiten kann, entschieden gewandelt
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hat. In diesem Zusammenhang wird auch Kant noch einmal bescheinigt, dass seine Philosophie nur im polemischen und zerstörerischen Teil überzeugen konnte, er jedoch aufgrund seiner Verwechslung von Verstand und Vernunft nicht in der Lage gewesen sei, die göttlichen Ding zu »verstehen, welche höher sind als alle Vernunft.«203 Ähnlich heißt es in der Schrift Der Philosoph Hamann (1812): »Man kann wohl ohne Ungerechtigkeit nicht in Abrede sein, daß auch Kant die Wahrheit redlich gesucht, daß er wenigstens in dem dämmernden Raum zwischen der unerleuchteten Vernunft und der gemeinen Erfahrung mühevoll nach ihr herumgetappt habe. Aber ehe er noch selbst zu Auflösung und zu irgend einer Befriedigung gelangt, ehe er den Quellen der Wahrheit auch nur nahe gekommen war, wollte er schon meistern was er noch kaum verstanden hatte, und ein alles beherrschendes Lehrgebäude anmaßend aufstellen. Schon in diesem widerstreitenden Verfahren liegt ein zureichender Grund, warum sein übrigens gutgemeintes Unternehmen so ganz mißraten ist.«204 Derartige Äußerungen, es ließen sich noch weitere bis zur Philosophie des Lebens (Wien 1828) anführen, sind an einem angemessenen Verständnis nicht interessiert. In seiner Wiener Epoche geht es Schlegel nicht mehr darum, von der kritischen Philosophie zu lernen. Sie ist vielmehr zu einer philosophiegeschichtlichen Orientierungsgröße des vergangenen Jahrhunderts geworden, die nur noch im Sinne des eigenen Begriffs historischer Kritik zur Herleitung des ›katholischen‹ Standpunktes hinzugezogen wird. Ihr Einfluss auf die Gegenwart soll dadurch zugleich bekämpft werden. Die Kant-Rezeption der Wiener Zeit hat daher einen überwiegend instrumentellen und kulturpolitischen Charakter und entbehrt argumentativer Raffinesse. Die frühe Komplexität in der Wahrnehmung Kantischer Theoreme hat sich zugunsten von stark vereinfachenden Argumentationsmustern abgenutzt. Schlegel war schon zu Beginn seiner Entwicklung kein origineller Kant-Ausleger gewesen. Er sammelte meist nur die Argumente, die bereits im Umlauf waren, eklektisch auf. Wenn man den späten Kant-Polemiken des Romantikers etwas abgewinnen will, dann kann es vielleicht dies sein, dass sie die Konstanz seiner Überzeugungen in besonderer Weise verdeutlichen. Sie setzen die metaphysische Ablehnung ›im Wesentlichen‹, die von Anfang an vorherrschend war, auf simpelste Weise fort.
Adalbert Stifter und die Philosophie Kants von Max Beck Adalbert Stifter (1805–1868) Adalbert Stifter205 wurde am 23. Oktober 1805 als Sohn des Leinwebers und Flachshändlers Johann Stifter und dessen Frau Magdalena in Oberplan (Böhmen) geboren. 1817 starb der Vater bei einem Arbeitsunfall. Mit 13 Jahren trat
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Stifter ins Gymnasium des Benediktinerstifts Kremsmünster (Oberösterreich) ein. Hier kam er trotz der zeitgenössischen Zensurbestrebungen mit der Philosophie Kants in Kontakt, etwa über Johann Michael Leonhards Lehrbuch Systematischer Religionsunterricht für Kandidaten der Philosophie und Joseph Calasanz Likawetz’ Elementa philosophiae.206 Leonhards Buch bleibt bei aller Aufgeschlossenheit der kritischen Philosophie gegenüber dem kirchlichchristlichen Standpunkt verhaftet.207 Stärker bezieht sich Likawetz auf Kant, trotzdem bleibt auch er bei dem Versuch, das kirchliche Dogma philosophisch zu untermauern.208 Vermutlich aufgrund der enthaltenen Kant-Bezüge wurden die Lehrbücher vier Jahre nach dem Schulabgang Stifters 1830 als Lehrmittel abgesetzt.209 Nach dem Gymnasialabschluss zog Stifter in den Wiener Bezirk Landstraße und inskribierte sich für ein Rechtswissenschaftsstudium an der dortigen Universität. Dieses finanzierte er durch die Tätigkeit als Hauslehrer ; zuvor hatte er bereits in Kremsmünster Nachhilfestunden gegeben. Die juristische Fakultät war seinerzeit in zwei Fraktionen gespalten: Es gab die konservative Fraktion um Franz von Egger sowie die fortschrittliche Fraktion um Vinzenz August Wagner.210 Letztere wollte »von einem metaphysischen Ursprung des Rechts nichts mehr wissen, sondern erklärte dieses als Ausfluss einerseits der menschlichen Vernunft, andererseits der Volkssouveränität«211 – und bezog sich damit stark auf Kant. Interessanterweise war der konservative Egger der einzige Professor, für den sich Stifter begeistern konnte und bei dem er sein bestes Examen machte.212 Schließlich wechselte Stifter zum Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, verließ die Universität jedoch ohne Abschluss. In die Zeit seines Studiums fielen auch die ersten dichterischen Versuche, die noch maßgeblich von Goethe und Jean Paul beeinflusst sind. Im Jahr 1828 erschien die erste Erzählung Julius, die jedoch unvollendet bleibt. In der folgenden Zeit bemühte sich Stifter ohne Erfolg um eine Anstellung als amtliche Lehrkraft. 1835 heiratete er die Modistin Amalia Mohaupt, nachdem er lange erfolglos um Fanny Greipel geworben hatte. Bekannt wurde Stifter auch durch seine Tätigkeit als Maler. Zu den wichtigen Gemälden gehören etwa der Blick auf die Wiener Vorstadthäuser sowie Die Ruine Wittinghausen, beide aus dem Jahr 1839. Mit der Novelle Abdias gelang Stifter 1842 der erste große schriftstellerische Erfolg. In den Jahren darauf folgten in Almanachen und Zeitschriften Erzählungen wie Brigitta, Der Hagestolz und Der Waldsteig. Ein oft erhobener Vorwurf gegen Stifter lautet, dass er die Natur verkitscht habe, und so »mochte es scheinen, als sollte Stifter als biedermeierlicher Käferund Blumenpoet in die Literaturgeschichte eingehen«,213 wie es W.G. Sebald treffend ausdrückt. Prototypisch lässt sich diese Ansicht etwa in Thomas Bernhards Roman Alte Meister (1985) studieren, in dem sich der Kunstkritiker Reger in einer grotesk anmutenden mehrseitigen Schimpftirade über Stifters
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Abb. 16: Adalbert Stifter
vermeintlich kleinbürgerlich-bornierte Naturbeschreibungen auslässt: »Stifter ist nichts als ein literarischer Umstandsmeier, dessen kunstlose Feder selbst da die Natur und naturgemäß dadurch auch den Leser lähmt, wo sie in Wirklichkeit und in Wahrheit lebendig und ereignisreich ist. Stifter hat auf alles seinen Kleinbürgerschleier gelegt und es beinahe erstickt, das ist die Wahrheit.«214 Zu den berühmten Verächtern zählt auch Arno Schmidt, der über den – wie es eine seiner Romanfiguren ausdrückt –»komischn=Öst’reicher«215 Stifter sagen lässt: »Daß er zu unseren Humoristen nicht zu zählen ist, wird wohl selbst sein eifrigster fan einräumen; dafür darf er beim ›großen Landschafter‹ desto begeisterter nicken, (und ich nicke gern mit: in der Hinsicht konnte er einiges).«216 Im Revolutionsjahr 1848 wurde Stifter von seinem Bezirk zum Wahlmann für die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Des Weiteren übersiedelte er ins oberösterreichische Linz. 1850 wurde er schließlich zum Landesschulinspektor für die Volksschulen ernannt. 1857 erschien der bekannte Bildungsroman Der
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Nachsommer, 1865–67 der Roman Witiko. 1863–64 erkrankte er an einer Leberzirrhose; sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend. Am 26. Jänner 1868 wählte er den Freitod, indem er sich mit einem Rasiermesser die Halsschlagader durchtrennte. Daraufhin verlor er das Bewusstsein und starb zwei Tage später.
…nach dem Herzen Kants »Stifter wäre der deutsche Dichter nach dem Herzen Kants gewesen«,217 schreibt Walther Dörr 1952 im Mitteilungsblatt der Adalbert Stifter Gesellschaft München anlässlich des Erscheinens der Kleinen Schriften in der Insel-Ausgabe der Gesammelten Schriften. Das mag insofern verwundern, als Kant vice versa mit Sicherheit nicht der Philosoph nach dem Herzen Stifters war, auch wenn diesem hin und wieder implizit Reverenz erwiesen wird. Stifter ist also weder Kantianer noch hat er eine andere bestimmte Philosophie rezipiert, was in der StifterForschung als »mit aller Sicherheit erwiesen« gilt.218 Somit taugt die Aussage allenfalls zur Denunziation derjenigen Stifter-Verächter, die in ihm ausschließlich einen geschwätzig-reaktionären Naturdichter des Biedermeier sehen, ohne die fortschrittliche, eben auch Kants Aufklärungsphilosophie entstammende Tendenz wahrzunehmen. Diese findet sich allerdings weniger in den literarischen Arbeiten Stifters als in den Texten zu Politik, Recht und Ästhetik. Die Erkenntnislehre Kants hat Stifter anscheinend nicht berührt.219 Vereinzelt gibt es zwar Stellen, die an Kant mahnen, allerdings ist die Relevanz im Einzelnen fraglich. So heißt es in den Feldblumen (1841): »Vor dem Hohlspiegel unsrer Sinne hängt nur das Luftbild einer Welt, die wahre hat Gott allein.«220 Diese Stelle wurde einerseits mit Kants Begriff vom »Ding an sich«, andererseits aber auch mit Jean Paul und Plotin in Verbindung gebracht.221 In einem Brief schreibt Stifter über die Mathematik in einer Weise, die durchaus Kenntnisse von Kants Kritik der reinen Vernunft vermuten lässt: »Aber er (der Glaube) ist mir kein Glauben mehr, sondern eine Wahrheit, wie die Wahrheiten der Mathematik; ja noch mehr, denn die Wahrheiten der Mathematik sind nur die unseren Verstandesgesetzen entsprechenden Gesetze«.222 Ob Stifter Kants Transzendentalphilosophie studiert hat, lässt sich allerdings nicht nachweisen, somit bleibt unklar, ob er sich direkt auf diese bezieht. Behauptet wird zwar auch, dass Stifters Weltanschauung direkt in der Philosophie Kants wurzelt, etwa vom Historiker Heinrich Ritter von Srbik.223 Auch wurde Stifters Ding-Begriff mit dem Kants in Verbindung gebracht.224 Der Germanist Moriz Enzinger geht hingegen davon aus, dass es sich bei Stifters Kant-Kenntnissen vielmehr um Versatzstücke der zeitgenössischen Popularphilosophie handelt, die zwar teils in Einklang mit Überlegungen Kants stehen,
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wohl aber nicht in direkter Quellenkenntnis fußen.225 Dass Stifter Ideen Kants übernommen hat, kann somit nicht bezweifelt werden, ob dies direkt oder indirekt geschah, lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen. Denkt man an die teils ermüdende »skrupellose Registrierung winzigster Details«226 der Prosa Stifters, mögen die kleineren Gelegenheitsschriften Stifters durchaus überraschen. Denn diese zeichnen sich durch eine knappe Darstellung aus, die das für den Dichter Wesentliche ohne Ausschweifungen auf den Punkt bringen: Recht und Ästhetik statt Käfer und Blumen. In der Zeitschrift Der Wiener Bote veröffentlicht Stifter 1850 den Text Was ist das Recht?. Ziel Stifters ist es, jene avancierten Staats- und Rechtslehren darzustellen, die »von allen Rechtslehrern als unbestritten anerkannt sind«.227 Es handelt sich also nicht um den Entwurf einer eigenen Rechts- und Staatsphilosophie, sondern um eine eklektizistische Zusammenstellung zeitgenössischer, durchaus aufklärerischer Theoreme, die teilweise Ähnlichkeiten zu Überlegungen Kants haben. Walther Dörr bemängelt Anfang der 1950er-Jahre die Qualität der zeitgenössischen Kant-Forschung und beklagt »die Sterilität all jener Interpretationskünste an den Schriften des neuen Kopernikus« und sieht in Stifters Dichtung »das Facit der Entdeckungen unseres ›Weisen‹ – wonach er sich zu Lebzeiten vergeblich gesehnt hatte – von einem ›dichterischen Kopf‹ geboten«.228 Ob die Adelung zu Kants ›Dichter des Herzens‹ Stifter gerecht wird, mag anhand der vom Mitteilungsblatt vor allem herangezogenen Abhandlung Was ist das Recht? beantwortet werden: Der Mensch ist als Mensch auf der Welt, er hat einen freien Willen, mit dem er sich gut und glücklich machen, und mit dem er sich auch zugrunde richten kann, er hat hiezu ein Gewissen, welches ihm ohne Ausnahme vorschreibt, seine reine Menschlichkeit zu entwickeln, Das heißt, so gut und so vollkommen zu werden, als es für einen Menschen möglich ist. Hievon geht das Gewissen nie und nirgends ab, es stellt diese Forderung an sich selber immer und allzeit als Gesetz auf, weshalb wir sie auch das Sittengesetz heißen, und es verlangt, daß man diese Forderung durch eigene Kräfte, nicht durch fremde Beihilfe erfülle.229
Diese Passage lässt sich durchaus in Anlehnung an Kants Autonomie-Konzeption lesen, allerdings könnten die Ideen ebenso auch der Popularphilosophie entnommen sein. Auch ein ›Imperativ‹ wird erwähnt, der allerdings eher an die Goldene Regel als an Kants Kategorischen Imperativ erinnert: »Als oberstes Rechtsgebot könnte man es so sagen: Enthalte dich jeder Handlung, wodurch ein anderer in seiner Persönlichkeit, das heißt in seinem Streben nach sittlicher Vollkommenheit, gestört werden würde. Unser Heiland und Lehrer, Christus, hat es einst so ausgesprochen: ›Was du nicht willst, daß es dir geschehe, thue du auch dem andern nicht.‹«230 Wäre dies nun das Fazit von Kants Kritiken, »von einem dichterischen Kopf geboten«, so würde das freilich zunächst gegen die Ortho-
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doxie von Stifters Kant-Interpretation sprechen. Denn Kant warnt bereits in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vor einer Verwechslung der Goldenen Regel mit dem Kategorischen Imperativ : »Man denke ja nicht, daß hier das triviale: quod tibi non vis fieri etc. zur Richtschnur oder Prinzip dienen könne.«231 Die Goldene Regel »kann kein allgemeines Gesetz sein«, denn sie »enthält nicht den Grund der Pflichten gegen sich selbst, nicht der Liebespflichten gegen andere (denn mancher würde es gerne eingehen, daß andere ihm nicht wohltun sollen, wenn er es nur überhoben sein dürfte, ihnen Wohlthat zu erzeigen), endlich nicht der schuldigen Pflichten gegen einander«.232 Allerdings darf bezweifelt werden, dass es dem posthum zum Kantianer geadelten Stifter um eine exegetische Darstellung der Philosophie Kants geht.
Das »sanfte Gesetz« Die Vorrede der Novellensammlung Bunte Steine (1853) gehört zu den wenigen Quellen, in denen Stifter eine explizit philosophische Programmatik entfaltet. Anlass der Ausführung ist eine Polemik Friedrich Hebbels, der ihn als »überschätztes Diminutiv-Talent«233 bezeichnet hatte. Den Vorwurf, »daß ich nur das Kleine bilde, und daß meine Menschen stets gewöhnliche Menschen seien«,234 beantwortet Stifter mit einer Ausführung über das Große und Kleine in der Natur- und Menschheitsgeschichte: Das Wehen der Luft, das Rieseln des Wassers, das Wachsen der Getreide, das Wogen des Meeres, das Grünen der Erde, das Glänzen des Himmels, das Schimmern der Gestirne halte ich für groß: das prächtig einherziehende Gewitter, den Blitz, welcher Häuser spaltet, den Sturm, der die Brandung treibt, den feuerspeienden Berg, das Erdbeben, welches Länder verschüttet, halte ich nicht für größer als obige Erscheinungen, ja ich halte sie für kleiner, weil sie nur Wirkungen viel höherer Gesetze sind.235
Die Einzelerscheinung eines Naturereignisses ist demnach nur Symptom eines höherstehenden Gesetzes. Ebenso wie die Einzelerscheinungen der Natur durch eine höhere Ordnung bestimmt sind, ist auch die Menschheitsgeschichte durch eine solche reguliert, die ebenso streng wie die Naturgesetze wirkt. Die beispielsweise dem Sturm analoge affektgeladene Haltung eines Menschen ist demnach nur ein kleiner Schein des dahinter waltenden, ›großen‹ Gesetzes: So wie es in der äußeren Natur ist, so ist es auch in der inneren, in der des menschlichen Geschlechtes. Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit, Einfachheit, Bezwingung seiner selbst, Verstandesmäßigkeit, Wirksamkeit in seinem Kreis, Bewunderung des Schönen, verbunden mit einem heiteren gelassenen Sterben, halte ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemütes, furchtbar einherrollenden Zorn, die Begier nach Rache, den entzündeten Geist, der nach Tätigkeit strebt, umreißt, ändert, zerstört und in der Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, sondern für kleiner,
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da diese Dinge so gut nur Hervorbringungen einzelner und einseitiger Kräfte sind, wie Stürme, feuerspeiende Berge, Erdbeben. Wir wollen das sanfte Gesetz zu erblicken suchen, wodurch das menschliche Geschlecht geleitet wird.236
In dieser Analogie zwischen Natur- und Menschheitsgeschichte sieht Stifter aufseiten der Menschheit im »sanften Gesetz« das regulierende Prinzip »das will, daß jeder geachtet, geehrt, ungefährdet neben dem anderen bestehe, daß er seine höhere menschliche Laufbahn gehen könne, sich Liebe und Bewunderung seiner Mitmenschen erwerbe, daß er als Kleinod gehütet werde, wie jeder Mensch ein Kleinod für alle andern Menschen ist.«237 Diesem Gesetz sind notwendigerweise alle Menschen unterworfen: »Dieses Gesetz liegt überall, wo Menschen neben Menschen wohnen, und es zeigt sich, wenn Menschen gegen Menschen wirken.«238 Auch hier gehen die Meinungen über mögliche Kant-Einflüsse weit auseinander. Während Peter A. Schoenborn behauptet, dass die Vorrede »in Anlehnung an Herder«239 geschrieben sei, meint hingegen Sepp Domandl, dass der Zusammenhang mit Kants Kritik der Urteilskraft »nicht übersehen werden«240 könne. Walter Benjamin sieht die Stiftersche »Sittenwelt« gar »mit der kantischen ganz unverwechselbar«.241 Domandl zeigt eindrucksvoll Übereinstimmungen im Detail, die über die offensichtliche Ähnlichkeit beim Begriff des Gesetzes bis zu ähnlichen Bildern bei der Schilderung der Naturereignisse reichen.242 Mit komparatistischem Eifer ließen sich sicherlich weitere Übereinstimmungen zwischen Texten Stifters und Kants feststellen, das mag allerdings zu dem falschen Eindruck führen, dass Stifter direkt durch Kant geprägt ist. Ob Stifter Kant nun im Original gelesen hat, mag dahingestellt sein – jene Passagen legen jedoch Zeugnis ab von der durchaus aufklärerischen Haltung des vermeintlich konservativen Naturdichters Stifter.
Kant und seine Dichter im Österreich des 20. Jahrhunderts von Christoph Leschanz und Violetta L. Waibel Wurde Kant im Österreich des 19. Jahrhunderts unter Dichtern und Schriftstellern eher auf verschlungenen Wegen rezipiert, so war die Frage, ob Kant und seine Philosophie auch in der Literatur Österreichs im 20. Jahrhundert und darüber hinaus noch Bedeutung habe. Es zeigte sich, dass es einige klingende Namen wohlbekannter Literatinnen und Literaten wie Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Franz Kafka, Karl Kraus, Robert Musil, Rainer Maria Rilke oder Daniel Kehlmann sind, die sich bald direkter, bald indirekter auf Kant beziehen und sich mit seiner Philosophie beschäftigt haben. Bei manchen ist die Bezugnahme auf Kant in der Forschung und Öffentlichkeit kaum bekannt, bei
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anderen ist er längst erforscht. Wie kaum anders zu erwarten, nähern sich die in diesem Band näher betrachteten Dichter und Schriftsteller auf recht unterschiedliche Weise der Philosophie Kants. Die Rezeption Kants unter Dichtern und Schriftstellern im 20. Jahrhundert ist vielfältig und lässt sich nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Der zweite Weltkrieg stellt eine bedeutende Zäsur dar. Sein Einfluss auf das literarische Leben und Wirken war ungleich größer als der des ersten Weltkrieges. Er trennt zwei Autorengenerationen, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben, wenn sie freilich bei näherer Betrachtung auch manche Gemeinsamkeiten aufweisen. Die in diesem Band behandelten Dichter und Schriftsteller kann man entweder der »Vorkriegsgeneration« zuordnen (Robert Musil, Karl Kraus, Egon Friedell, Rainer Maria Rilke, Franz Kafka), also den »Altösterreichern«, die noch in der K.u.K.-Zeit aufgewachsen sind und darin sozialisiert wurden, oder aber der Nachkriegsgeneration (Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, sowie Franz Schuh und Daniel Kehlmann als Vertreter der jüngeren Generation). Die Zäsur des Weltkrieges schlägt sich auch in der Rezeption Kants nieder. Die Literatur der »Altösterreicher« unterscheidet sich erheblich von jener der »Nachkriegsgeneration«. Bei der älteren Autorengeneration ist es zudem problematisch, von »österreichischer« Literatur zu sprechen, vielmehr ist von einer Literatur in Österreich die Rede, da zwar alle hier behandelten Dichter und Schriftsteller in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie geboren wurden, diese als Vielvölkerstaat aber naturgemäß Heimat unterschiedlichster Nationalitäten war. Franz Kafka symbolisiert als deutschsprachiger Jude aus Prag (damals neben Wien und Budapest sowohl wirtschaftlich als auch kulturell die bedeutendste Stadt der Monarchie) am deutlichsten diesen Typus des »Altösterreichers«. Man darf also nicht außer Acht lassen, dass jeder Dichter oder Schriftsteller, dessen Schaffen und Wirken vor dem Zweiten Weltkrieg liegt, als Bürger eines multinationalen Kaiserreichs geboren wurde, das mit Ende des Ersten Weltkrieges zerfiel. Wenn in diesem Band also von Kant und seinen Dichtern in Österreich die Rede ist, so gilt es zu bedenken, dass dies eine Spurensuche aus der Perspektive des heutigen Österreich ist. Die Frage der Zuordnung zu einer Nationalität ist gänzlich offen, eine genaue Zuordnung zu einem bestimmten Staat ist zum Teil unmöglich. Zudem sei angemerkt, dass sich die hier versammelten Beiträge zu Kant und seinen Dichtern auf die deutschsprachige Literatur beschränken. Dieser kleine geschichtliche Rekurs dient dazu, die Spannungsfelder zu verstehen oder immerhin zu erahnen, in denen die jeweiligen literarischen Werke entstanden sind. Für die »Altösterreicher« ist dabei von Bedeutung, dass Österreich, mit seinen kulturellen Zentren Wien und Prag, Gegenpol zum deutschen Kaiserreich mit seiner Hauptstadt Berlin war. Der Blick auf Kant ist
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also immer ein Blick des »Süddeutschen« oder des »Österreichers« auf einen »Norddeutschen«. Das Ringen um die kulturelle Oberhoheit zwischen Wien, Prag und Berlin bestand, seit Berlin durch die deutsche Reichsgründung 1871 plötzlich ebenfalls Zentrum eines europäischen Großstaates wurde.243 Darin erschöpft sich zwar nicht das Verhältnis der altösterreichischen Dichter zu Kant und dessen Philosophie, aber man darf dieses Faktum und seine Bedeutung für die Vorkriegsgeneration nicht außer Acht lassen. Kant galt phasenweise als typisch deutscher Philosoph – beziehungsweise wurde er als dieser propagiert, auch vom Deutschen Reich aus –, für die meist katholischen, oft auch jüdischen Österreicher war er also Preuße und Protestant. Der Blick auf Kant ist dadurch nicht wie der vieler deutscher Dichter der auf einen Landsmann sondern ein wesentlich distanzierterer und komplizierterer. Für die Nachkriegsgeneration trifft dieser Gegensatz zwar in weit geringerem Maße zu – der Gegensatz Österreich-Deutschland ist ab den 1950er-Jahren ein ganz anderer als noch in der Zeit um den Ersten und vor dem Zweiten Weltkrieg –,244 doch eine Gewisse Distanz zu Kant und seinem Denken lässt sich auch noch in der Nachkriegsgeneration beobachten. Die Bedeutung, die Kant noch im 19. Jahrhundert für die Parteigänger der Rationalisten in Österreich gespielt hatte, die sich gegen die Romantik gewandt hatten, verlor im 20. Jahrhundert zudem fast jede Bedeutung. Es ist oftmals nicht Kants Philosophie, die Spuren in den Werken der Dichter und Schriftsteller in Österreich hinterlassen hat, sondern es ist eher das Interesse an der Person Kants. Beiden Autorengenerationen ist dabei gemein, dass sie sich in einer sehr freien Weise auf die Person Kants und sein Werk beziehen. Keinen der in diesem Band versammelten Dichter und Schriftsteller kann man als kongenialen Interpreten Kants bezeichnen, wie dies etwa für die deutschen Dichter Friedrich Schiller oder Friedrich Hölderlin gesagt werden darf. Keiner der Dichter und Schriftsteller im Österreich des 19. oder des 20. Jahrhunderts orientiert sich in der Aneignung eng an Kants Werk. Es sind vielmehr einzelne, oft zentrale Bausteine des Werkes, die produktiv aufgenommen und modelliert werden. Kant gilt zwar als großer Denker, als großer Philosoph, steht aber als dieser oftmals exemplarisch für die Philosophie oder das menschliche Vernunftdenken. Auch wenn keiner der hier behandelten Schriftsteller als Kantianer bezeichnet werden kann, ist bei mehreren eine intensive Kant-Lektüre nachweisbar. Oftmals ist es ein satirischer Blick, den die (alt-)österreichischen Schriftsteller auf den großen Philosophen werfen. Seine Stellung als Säulenheiliger der deutschen Philosophie und der Vernunft wird nicht selten parodiert oder gar abgelehnt. »Ich habe Kant nicht zu Ende gelesen, aber ich lebe beruhigt weiter«,245 schreibt beispielsweise der junge Robert Musil in seiner Studienzeit. Für Musil
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bleibt Zeit seines Lebens Friedrich Nietzsche der Philosoph mit dem größten Einfluss und auch seine Kant-Rezeption ist von seiner Nietzsche-Lektüre geprägt. So kommt Kant in Musils Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) auch nur als der große Denker vor, dessen Theorien sich dem jungen Törleß nicht eröffnen. Statt um ein Verständnis zu ringen gibt er den Versuch, Kants Schriften zu verstehen, schon relativ schnell wieder auf. Rainer Maria Rilkes Bezug zu Kant erschließt sich überhaupt erst über den Umweg seines Interesses am Spiritismus und seiner Bekanntschaft mit Carl Freiherr du Prel – auch hier fehlt also eine klare, inhaltliche Bezugnahme oder tiefere Auseinandersetzung mit Kants Werk. Bei Egon Friedell verhält sich die Sache ein wenig anders. Kants Einfluss auf Friedell ist sicherlich bedeutend größer als auf Musil oder Rilke. Er bildet darin jedoch eher die Ausnahme. Seine intensive Auseinandersetzung mit Kant (vor allem für seine Kulturgeschichte der Neuzeit, 1927–1931) steht der pointierten, manchmal satirischen Annäherung manch anderer Schriftsteller in Österreich gegenüber. Auch bei Karl Kraus wird Kant mehrfach genannt – er erfährt sogar Wertschätzung, was ein eher untypisches Verhältnis von Karl Kraus gegenüber der Philosophie oder einem Philosophen ist –, aber es geht dem Satiriker und Sprachkritiker Kraus eher darum, eine in seiner Zeit beobachtete, bedenkliche Vereinnahmung Kants zu verhindern beziehungsweise zu bekämpfen. Nicht Kants Philosophie steht für den Karl Kraus der Fackel dabei im Vordergrund, sondern die Art und Weise, wie sie und die Person Kants für fremde, oft nationalistische und kriegstreiberische Zwecke instrumentalisiert und zurechtgebogen wurden. Um einer solchen Instrumentalisierung zu begegnen, verweist Kraus zudem auf Kants Schrift Zum ewigen Frieden, mit der sich beispielsweise auch Max Brod beschäftigte. Auch Brods Freund Franz Kafka hatte nachweisliche Kenntnis von Kant, ohne dass man ihn als Kantianer bezeichnen könnte. Man begegnet hier erneut eine gewissen verhaltenen Distanz, der allerdings nicht selten eine genaue Lektüre vorangegangen ist. Kant spielt auch bei Schriftstellern in Österreich eine Rolle, die nach dem Zweiten Weltkrieg wirkten. Deutlich wird dies bei Ingeborg Bachmann und ihrem Roman Malina. Kant wird darin sowohl erwähnt als auch zitiert. Die wohl prominenteste Anspielung auf Kant ist sicherlich Thomas Bernhards Komödie Immanuel Kant, leiht der Name des Philosophen dem Stück doch den Titel. Der Titel erweckt freilich die völlig falsche Erwartung, dass sich die Komödie mit der Person Kants oder dessen Philosophie ernsthaft auseinandersetzte. Bernhards Protagonist Immanuel Kant ist weit entfernt vom »echten« Kant. Die Bezugnahme auf Kant ist eine wohl gesetzte Negation. Kant scheint auf im Protagonisten Kant, er ist es und er ist es bei Weitem nicht. Es wird ein eigenartiges Spiel der Anziehung und Abstoßung im Verhältnis zu Kant durchexerziert. Bernhard hat auf eine geniale Weise ein allgemein beobachtbares Verhältnis zu Kant in
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Österreich bühnenwirksam sprachlich verdichtet. Das Stück kann wohl als Chiffre des subkutan wirksamen Verhältnisses von Österreichern zu Deutschen, und im Näheren des Verhältnisses der Dichter und Schriftstellerinnen in Österreich zu dem vielleicht bedeutendsten deutschen Philosophen, also Kant, gelesen werden. Auch Franz Schuh und Daniel Kehlmann machen hinsichtlich der janusgesichtigen Beziehung zu Kant keine merkliche Ausnahme. Die hier versammelten Beiträge untersuchen die ambivalente Rolle, die Kant und seine Philosophie in der Literatur des Österreich im 20. Jahrhunderts gespielt haben, aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie bereits erwähnt, kommt Kant und seinem Werk dabei keine zentrale Rolle zu, eine Rolle spielt er allerdings allemal und es ist tatsächlich auffällig, dass sich sein Name und oftmals auch seine Philosophie bei sehr vielen der größten und wichtigsten Schriftsteller und Dichter dieser Epoche finden lassen. Das gilt auch für die jüngste Vergangenheit, was nahelegt, dass man in einiger Zeit auch über Kant und seine Dichter im 21. Jahrhundert wird berichten können.
Karl Kraus – Mit Kant gegen die Kriegspropaganda von Max Beck Karl Kraus (1874–1936) Karl Kraus246 wurde am 28. April 1874 in Jicˇn (Böhmen) als neuntes Kind des Kaufmanns und Papierfabrikanten Jakob Kraus und dessen Frau Ernestine geboren. 1877 zog die Familie nach Wien. Dort immatrikulierte er sich 1893 an der juristischen Fakultät, besuchte jedoch keine Vorlesungen. 1894 wechselte Kraus zum Studium der Philosophie und Germanistik, beendete aber auch dieses im Sommersemester 1897 ohne Abschluss. Eine explizite Beschäftigung mit der Philosophie Kants lässt sich während der Studienzeit nicht nachweisen.247 Jung schrieb er Literaturkritiken, etwa in der Zeitschrift Die Gesellschaft oder der Wiener Literatur-Zeitung. Auch versuchte er sich als Schauspieler und Vortragender. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er mit dem am 15. November 1896 als Broschüre erschienenen und in mehreren Auflagen nachgedruckten Text Die demolierte Literatur bekannt, eine Polemik gegen die Wiener ›Kaffeehausliteraten‹. Der Text ist eine ›Erledigung‹ des Jung-Wien um Peter Altenberg, Hermann Bahr, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal, an deren Treffen im Caf¦ Griensteidl Kraus in den Anfängen selbst teilnahm. Ab 1899 erschien die satirische Zeitschrift Die Fackel, die von Kraus bis zu seinem Tod herausgegeben wurde. 1902 veröffentlichte er den Essay Sittlichkeit und Kriminalität. Darin rechnete Kraus mit der Sittenjustiz Österreichs ab. Insbesondere klagte er die Kriminalisierung der Sexualität an, das Schnüffeln
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Abb. 17: Dora Kallmus (Madame d’Ora), Karl Kraus (1908)
von Justiz und Presse in der Privatsphäre. Er kämpfte zeitlebens gegen die Verteidigung der rückständigen Sexualmoral durch die Justiz. Die Fackel dokumentiert zahlreiche solcher Verfahren wegen Ehebruch oder homosexuellen Handlungen. 1910 veröffentlichte Kraus eine seiner wirkungsmächtigen Literatur-,Erledigungen‹, die Polemik Heine und die Folgen. Angeklagt wird der »Ornamentiker« Heine, der mit dem Buch der Lieder (1827) »der deutschen Sprache so sehr das Mieder gelockert« habe, dass »heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können«.248 Der Lyriker Heine ist für Kraus der Importeur der »Franzosenkrankheit«249 – gemeint ist nicht etwa die Syphilis, sondern die blumige Feuilletonistensprache. Während des Ersten Weltkriegs kämpfte Kraus gegen Kriegspropaganda. 1915 begann er mit der Arbeit an dem Antikriegsdrama Die letzten Tage der Menschheit, jenem wohl bekanntesten Theaterstück über den Ersten Weltkrieg, das in verschiedenen Auszügen und Varianten bis 1922 veröffentlicht wurde. Ein wesentlicher Teil beruht auf Zitaten aus zeitgenössischen Reden, Zeitungen und anderen Quellen: »Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt wer-
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den, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.«250 Im letzten Kriegsjahr 1918 erschienen die Texte Ein Kantianer und Kant sowie Zum ewigen Frieden – die beiden bedeutendsten unter den wenigen expliziten Kant-Referenzen im Werk von Kraus. Im Februar 1936 erschien die letzte Ausgabe der Fackel. Am 2. April 1936 hielt Kraus in Wien die letzte seiner insgesamt 700 Lesungen, die mal aus eigenen, mal aus fremden Texten bestanden und beispielsweise in Wien, Prag oder Berlin gehalten wurden. So las er etwa auch William Shakespeare oder Johann Nestroy. Von den Vorlesungen sind wenige Aufnahmen vorhanden.251 Kraus starb nach kurzer Krankheit am 12. Juli 1936 in Wien.
Die Fackel »Was hier geplant wird, ist nichts als eine Trockenlegung des weiten Phrasensumpfes«,252 heißt es programmatisch in der ersten Ausgabe der Fackel, die Anfang April 1899 erscheint und in zehn Tagen eine Auflage von 30.000 Stück erreicht. »[K]ein tönendes ›Was wir bringen‹, aber ein ehrliches ›Was wir umbringen‹ hat sie sich als Leitwort gewählt.«253 Mit diesem ›Programm‹ gegen den zeitgenössischen Sensationsjournalismus – von Kraus als ›Journaille‹ bezeichnet – sorgen die blutroten Hefte der Fackel nicht nur in Wien für Kontroversen. Der Kampf gegen die »Presseschmock[s]«254 und »Feuilletonlehrlinge«255 bleibt nicht ohne Folgen. In der neunten Ausgabe gibt Kraus einen nüchternen »Rechenschaftsbericht« dieser begonnenen »Trockenlegung«: »Anonyme Schmähbriefe 236 / Anonyme Drohbriefe 83 / Ueberfälle 1«.256 In den ersten Jahren schreiben noch Gastautoren für die Fackel, etwa Else Lasker-Schüler, Peter Altenberg oder Erich Mühsam. Ab 1912 verfasst Kraus jedoch alle Artikel selbst. »Die Phrase in dem von Kraus so unablässig verfolgten Sinne ist das Warenzeichen, das den Gedanken verkehrsfähig macht so wie die Floskel, als Ornament, ihm den Liebhaberwert verleiht«,257 so fasst Walter Benjamin 1931 die Sprachkritik der Fackel treffend zusammen. Kraus mokiert sich nicht über schlechten Stil, sondern weist das falsche Bewusstsein hinter der phrasenhaften Sprache nach. Sprachkritik als Ideologiekritik, keine kulturkritische Diagnose eines ›Sprachzerfalls‹ oder eine national-bornierte Feindschaft gegen Anglizismen. »Wer deutsch kann, hat auch zwischen Fremdwörtern Spielraum, es zu können, und wer es nicht kann, richtet nur im weiteren Gebiet Schaden an.«258 Schließlich muss man »nicht unbedingt von Kretins sprechen, wo man es mit Trotteln zu tun hat«.259 Die Verteidigung einer ›deutschen‹ Sprachkultur überlässt Kraus lieber den Nationalen, denen es allerdings eklatant an Kenntnissen in der von ihnen verteidigten Sprache mangelt: »Deutsch denken und Deutsch können ist zweierlei.«260
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Abb. 18: Erste Ausgabe der ›Fackel‹ (1899)
In dem Architekten und Kritiker Adolf Loos (Ornament und Verbrechen, 1908) findet Kraus einen Verbündeten: »Adolf Loos setzt eine Lebensarbeit dafür ein, daß ein Sessel ein Sessel, eine Gabel eine Gabel, ein Haus ein Haus sein soll.«261 Jenen Kampf ficht Kraus auf der sprachlichen Ebene. Eine Nachricht ist eine Nachricht und kein Schmuckstück: »Feuilleton, Stimmungsbericht, Schmucknotiz – dem Pöbel bringt die Devise ›Schmücke dein Heim‹ auch die poetischen Schnörkel ins Haus.«262 Kraus sieht die deutsche Sprache gerade nicht als ein defizitäres Gebilde, sondern beklagt den Missbrauch in ihrer Verwendung. Er betreibt jedoch keine Fixierung auf die grammatikalische Regel um der Regel Willen, sondern zur Rettung der Differenziertheit im Ausdruck. In einem Aphorismus bringt er sein Verhältnis zur Sprache auf den Punkt: »Die deutsche Sprache ist die tiefste, die deutsche Rede die seichteste.«263 Dieses Sprachverständnis hat oft zum Vorwurf der ›Gnadenlosigkeit‹ geführt, was Theodor W. Adorno 1964 zuerst in der Zeitschrift Der Spiegel im Rekurs auf das der Sprachsatire innewohnende ideologiekritische Potenzial überzeugend
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widerlegt hat: »Was das ethische Mittelmaß ihm als Mitleidlosigkeit vorwirft, ist die Mitleidlosigkeit der Gesellschaft, die heute wie damals auf menschliches Verständnis dort sich hinausredet, wo Menschlichkeit gebietet, daß das Verständnis aufhört.«264 Kraus’ Ansprüche an die Sprache werden in der Fackel Realität. So finden sich in den Texten kaum Druckfehler,265 wenn doch, so werden diese umgehend in der nächsten Ausgabe richtig gestellt. Die kraussche Korrekturleistung ist beeindruckend: Der Form eines Satzes wegen stoppt er schon mal die Druckmaschine, wodurch das bereits Gedruckte verloren geht.266
Kant in der Fackel »Die Philosophie halte ich mir vom Leib, weil ich das Gefühl habe, daß sich hier tagaus tagein das Schlimmste begibt«,267 schreibt Kraus im Jahr 1910. Im Gegensatz zu solchen eindeutigen Aussagen über die Philosophie ist in seinem Werk ein erstaunlich positives Kant-Bild auszumachen. In den 922 Ausgaben der Fackel mit einem Gesamtumfang von über 20.000 Seiten gehört der Königsberger Philosoph zusammen mit Arthur Schopenhauer und Søren Kierkegaard zu den wenigen Philosophen, denen Kraus in seiner Anklage von Sprachverlotterung, Korruption, Sittenjustiz und Kriegsdeutsch uneingeschränkten Respekt zollt; zumindest legen das die einschlägigen Äußerungen nahe. Umso erstaunlicher ist es, dass das Verhältnis von Kraus und Kant bislang kaum untersucht ist.268 Irina Djassemy schreibt, dass »Kants Wahlspruch: ›Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‹«269 als »Motto über der gesamten Fackel stehen« könnte.270 Schließlich bezieht sich Kraus implizit auf den »Begriff der Mündigkeit und auf den praktischen Imperativ«271 Kants. Sich nicht irre machen lassen von Phrase und Geschwätz, das setzt das aufgeklärte Subjekt voraus. Dass das moderne Subjekt jedoch keineswegs immer aufgeklärt in einem emphatischen Sinne ist, wird in der krausschen Sprachsatire offengelegt. Damit hat Kraus den praktischen Imperativ Kants in seiner Polemik gegen die Sprache als Mittel »gleichsam noch einmal hervorgebracht«,272 wie Gerhard Scheit zusammenfasst. Dass Kraus sich auf einige Philosophen bezieht, heißt jedoch nicht, dass er ein systematisches Interesse an deren Philosophie hätte. So wird Kant vor allem gegen vulgäre Bezüge von ›Journaille‹ und Politik verteidigt. 1901 zitiert Kraus etwa einen Politiker der Deutschen Fortschrittspartei namens Ludwig Vogler : »Kant hat eine Kritik der reinen Vernunft herausgegeben. Ich werde im Reichsrath eine Politik der reinen Vernunft befolgen.«273 Dieser peinliche Selbstvergleich wird Kants Bestimmung von Begriffen, »die gänzlich a priori, unabhängig von der Erfahrung entstanden seyn müssen«274 – von denen ein Ludwig Vogler vermutlich noch nie etwas gehört hat – entgegengesetzt: »Un-
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abhängig von der Erfahrung, die namentlich die letzten zwanzig Jahre geboten haben, soll denn auch die Politik sein, die unsere Liberalen unter der Führung des Herrn Dr. Vogler treiben wollen.«275 Damit wird der Kern der krausschen Satire deutlich: Die Pointe entsteht durch die Konfrontation der zitierten Aussage mit ihrem eigenen Anspruch. Kraus verteidigt Kant leidenschaftlich gegen dessen Instrumentalisierung in der Kriegspropaganda. Denn wenn »auf die vom Feind unbemerkten Rückzüge Kant-Zitate in deutschen Reden zögernd folgen«, wird nicht nur »Krupp durch Kant, sondern auch Wolff durch Solf«276 ersetzt. Die gängige Bezeichnung Deutschlands als das Land der ›Dichter und Denker‹ präzisiert Kraus in das dem Krieg zugeneigte »Volk der Richter und Henker«.277 Berufen sich doch besonders jene geistlosen Zeitgenossen darauf, ein Teil des ›Volkes der Denker‹ zu sein, deren schriftliche wie mündliche Äußerungen Zeugnis dagegen ablegen. Die Fackel liefert dafür zahlreiche Belege. Kraus klagt auch die Journalisten an, die bei Berichten über deutsche Kriegsverbrechen darauf verweisen, »daß dieses Volk Luther, Beethoven und Kant hervorgebracht habe. Aber daran ist es mindestens so unschuldig wie an den ihm zugeschriebenen Greueltaten«.278 Die Trias »Luther, Beethoven und Kant« steht hier nur noch als Chiffre fürs Deutschsein, losgelöst von jeglichem Inhalt. Zu den Gemeinplätzen einer folkloristischen ›Kritik‹ an Kant gehört der Hinweis darauf, dass dieser ›Großdenker‹ den Mikrokosmos Königsberg nur selten verlassen habe. Damit soll Kant der Kleingeistigkeit überführt werden. Egon Friedell (1878–1938), einer der bekannten Gastautoren in den ersten Jahren der Fackel, verteidigt Kant im Einklang mit dem Herausgeber gegen diesen Vorwurf der Beschränktheit, der sich nicht aus fehlender Reiseerfahrung deduzieren lasse, habe man doch »noch selten beobachtet, daß die Bildung eines wirklich bildungsfähigen Menschen unter dem Mangel an Reiseeindrücken gelitten hätte«:279 »Kant, der nie über den Umkreis seiner Vaterstadt hinausgekommen war, wußte […] mehr von der Welt und ihren Bedingungen als alle Weltumsegler«.280 Das ›Erfahren‹ des ›Fremden‹ ist kein Automatismus zur Erkenntnis und zur Abschaffung des Ressentiments. Die vermeintliche Borniertheit Kants wird von Kraus gegen die ›Journaille‹ verteidigt. So heißt es in einem nicht näher spezifizierten Artikel über eine »Herbstmesse« in Königsberg: »Verbunden mit der Messe ist eine Kunstausstellung mit der interessanten Sonderausstellung ›Kunst und Kaufmann‹ die dartun soll, wie Künstler und Kaufmann aufeinander angewiesen sind, und die hoffentlich zum besseren gegenseitigen Verständnis beider beitragen wird.«281 Der Schulterschluss von »Kunst und Kaufmann«, also Ästhetik und Ökonomie, ist Kraus ein Gräuel. Und was für ihn gilt, gelte auch für Kant: »Wenn Kant lebte, würde er nun zum erstenmal diese Stadt verlassen.«282
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Kants Zum ewigen Frieden Der Text Zum ewigen Frieden (1795) gehört zu den wirkungsmächtigen Texten Kants und ist bis heute in politischen und philosophischen Überlegungen, insbesondere in Fragen des Völkerrechts, virulent. Im Vergleich zum Umfang der drei Kritiken ist der Text überschaubar in Form eines fiktiven Vertrages gehalten. Er besteht aus sechs »Präliminarartikeln«, drei »Definitivartikeln«, Zusätzen und Anhängen. Auch eine salvatorische Klausel sowie ein »Geheimer Artikel« sind enthalten. Mit dem Untertitel Ein philosophischer Entwurf macht Kant deutlich, dass es sich keineswegs um eine rein politische oder juristische Schrift, sondern um eine eminent philosophische Überlegung handelt, die an seine Transzendentalphilosophie anschließt. Maßgeblich sind hier beispielsweise die später erschienenen Überlegungen zum Vernunftrecht aus den Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre, mit denen sich Kant vom positiven Recht einerseits und dem ›klassischen‹ Naturrecht andererseits abgrenzt. Das heißt, der »ewige Friede« ist kein rechtspositivistischer Entwurf, sondern beruht auf apriorischen vernunftrechtlichen Bedingungen. Die Schrift wird zur Michaelismesse 1795 veröffentlicht. Wenige Wochen später ist sie bereits vergriffen. Kants Königsberger Verleger Friedrich Nicolovius veranlasst noch im selben Jahr einen Nachdruck, im Frühjahr 1796 erscheint bereits die sechste Auflage.283 Es kursieren zu dieser Zeit bereits mehrere Raubdrucke der Schrift – interessanterweise auch in Frankreich, dort folgte eine offizielle Edition 1796.284 Unklar ist, ob der Text einen konkreten historischen Hintergrund hat. Eventuell könnte der Basler Frieden (5. 4. 1795) zwischen Frankreich und Preußen Anlass zum Verfassen der Schrift gewesen sein.285 Diese These ist in der Forschung allerdings stark umstritten. Kant selber macht dazu keine Angaben. Der pathetische Titel ist der »satirische[n] Überschrift auf dem Schilde« eines »holländischen Gastwirts, worauf ein Kirchhof gemalt war«,286 entnommen. Die »Präliminarartikel« kritisieren verschiedene Rechtsverletzungen, die dem Frieden entgegen ständen. Die Artikel beschreiben keinen utopischen Zustand, sondern setzen im Hier und Jetzt an. Gerichtet sind diese an politische Akteure, also etwa Regierungen und andere Amtsträger.287 Kant denkt also »besonders [an] die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können«.288 Drei der Artikel müssten sofort umgesetzt werden, andere würden einen Aufschub vertragen, »sind doch einige derselben von der strengen, ohne Unterschied der Umstände geltenden Art (leges strictae), die sofort auf Abschaffung dringen (wie Nr. 1, 5, 6), andere aber (wie Nr. 2, 3, 4)« erlauben »die Vollführung aufzuschieben, ohne doch den Zweck aus den Augen zu verlieren«.289 Im Einzelnen lauten die sechs Artikel:
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Abb. 19 (a): Karl Kraus, Zum ewigen Frieden, in: Die Fackel (1918)
1) »Es soll kein Friedensschluss für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.«290 2) »Es soll kein für sich bestehender Staat (klein oder groß, das gilt hier gleichviel) von einem andern Staate durch Erbung, Tausch, Kauf oder Schenkung erworben werden können.«291 3) »Stehende Heere (miles perpetuus) sollen mit der Zeit ganz aufhören.«292 4) »Es sollen keine Staatsschulden in Beziehung auf äußere Staatshändel gemacht werden.«293
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Abb. 19 (b): Karl Kraus, Zum ewigen Frieden, in: Die Fackel (1918)
5) »Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.«294 6) »Es soll sich kein Staat im Kriege mit einem andern solche Feindseligkeiten erlauben, welche das wechselseitige Zutrauen im künftigen Frieden unmöglich machen müssen: als da sind Anstellung der Meuchelmörder (percussores), Giftmischer (venefici), Brechung der Kapitulation, Anstiftung des Verrates (perduellio) in dem bekriegten Staat etc.«295 Die drei »Definitivartikel« bestimmen daran anschließend drei Rechtssysteme als Grundlage für den »ewigen Frieden«: Staatsbürgerrecht, Völkerrecht und Weltbürgerrecht. Gerichtet sind diese an die für Rechts- und Staatsordnung verantwortlichen Entscheidungsträger.296 Bemerkenswerterweise hat Kant Vor-
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behalte gegen einen Weltsouverän in Form eines Weltstaates. Vielmehr plädiert er für einen Völkerbund. Im Einzelnen lauten die Artikel: 1) »Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.«297 2) »Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein.298 3) »Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein.«299 Diese Einteilung wird von Kant als »notwendig in Beziehung auf die Idee vom ewigen Frieden«300 bezeichnet. Der Naturzustand bedeutet Krieg, also muss der Frieden gestiftet werden: »Denn wenn nur einer von diesen im Verhältnisse des physischen Einflusses auf den andern, und doch im Naturstande wäre, so würde damit der Zustand des Krieges verbunden sein, von dem befreit zu werden hier eben die Absicht ist.«301 Kant hegt also keine Utopien über den menschlichen Naturzustand, der für ihn ein Zustand des Krieges ist. Die Teleologie der Natur drängt den Menschen in einen Rechtszustand, wie es im ersten Zusatz »Von der Garantie des ewigen Friedens« heißt: »Das, was diese Gewähr (Garantie) leistet, ist nichts Geringeres, als die große Künstlerin Natur (natura daedala rerum), aus deren mechanischem Laufe sichtbarlich Zweckmäßigkeit hervorleuchtet, durch die Zwietracht der Menschen Eintracht selbst wider ihren Willen emporkommen zu lassen«.302 Die Natur zwingt also die Menschen, in »mehr oder weniger gesetzliche Verhältnisse«303 einzutreten. Vernunftrecht und die Teleologie der Natur ermöglichen den »ewigen Frieden«. Aufgabe der Friedensschrift ist es also, das Recht zu explizieren, mittels dessen der Kriegszustand in einen des dauerhaften Friedens überführt werden kann.
Kraus’ Rezeption der Friedensschrift »Durchs Höllentor des Heute und Hienieden / vertrauend träumt er hin zum ewigen Frieden.«304 Von allen Schriften Kants wird von Kraus insbesondere Zum ewigen Frieden Reverenz erwiesen. So heißt es in seinem gleichnamigen Gedicht: »Nie las ein Blick, von Thränen übermannt, / ein Wort wie dieses von Immanuel Kant.«305 Der Kriegsgegner Kraus scheint in Kant mit seinem pazifistischen Entwurf einen Verbündeten im Kampf gegen die herrschende Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg und gegen die unreflektierten Berichte der ›Journaille‹ gefunden zu haben. Dem Gedicht vorangestellt ist jedoch interessanterweise ein nicht ausgewiesenes Zitat aus einer anderen Schrift, nämlich aus Kants Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis.306 Freilich findet sich bei Kraus – der, mit Adornos Worten, »für Philosophie, trotz des unvergleichlichen Gedichts über Kant, schwerlich allzuviel Neigung
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hegte«307 – keine systematische Auseinandersetzung mit den Positionen der Schriften Kants. »Kraus hütet sich, gegen das herrschende Unwesen Freiheit frisch-fröhlich zu entwerfen«,308 schreibt Adorno. In diesem Sinne scheint Kraus sich für die Idee Kants vom »ewigen Frieden« zu interessieren: als einen aufs Recht verpflichteten praktischen Ansatz im Angesicht des Grauens des Ersten Weltkriegs. Auch wird von Kraus wieder die vermeintliche Beschränktheit Kants auf dessen geistige ›Weite‹ bezogen: »Bis an die Sterne reichte einst ein Zwerg. / Sein irdisch Reich war nur ein Königsberg.«309 »Um Mißverständnissen vorzubeugen erkläre ich, daß ich ›Habt acht!‹, ›Marsch marsch!‹, ›Immer feste druff!‹ und ›Durchhalten!‹ nicht als Beispiele für meinen kategorischen Imperativ vorgesehen habe.«310 Mit dem Statement von diesem fiktiven »Kant m. p.« endet der Text Ein Kantianer und Kant aus dem Jahr 1918. Der zweispaltig gesetzte Text davor besteht auf der linken Seite aus Reden Wilhelms II., rechts befinden sich Textstellen aus Zum ewigen Frieden. Beide Quellen sind nicht ausgewiesen; es geht Kraus um den Gegensatz zwischen einem kriegspropagandistischen ›Kantianer‹ und Kant, um eine »vernichtende und geradezu ausrottende Kontrastwirkung«,311 wie es in den Letzten Tagen der Menschheit heißt. Dort kündigt Kraus’ Alter Ego, »Der Nörgler«, an: Ich werde eine Gegenüberstellung, wie dieser Kantianer sich auf seinen Verbündeten dort oben bombenfest verlassen will und wie Kant ihn ermahnt, von solchem Treiben, das mit der moralischen Idee des Vaters der Menschen so sehr in Widerspruch stehe, abzulassen und den Himmel lieber um Gnade für die große Versündigung durch die Barbarei des Kriegs anzurufen – ich werde diese […] demnächst und zwar unter dem Titel ›Ein Kantianer und Kant‹ in einem Berliner Vortragssaal erproben.312
Wilhelm II. erklärt in seiner Rede die »Heldentaten unserer Truppen« und die »Erfolge unserer großen Feldherren«313 im Rekurs auf die deutsche Philosophie der Aufklärung. Diese hätten »letzten Endes in den sittlichen Kräften, im kategorischen Imperativ, die unserm Volk in harter Schule anerzogen sind«314 ihren Ursprung. Kraus setzt dem Zitate aus Zum ewigen Frieden entgegen, welche die geradezu gegenteilige Ansicht vertreten. Auch hier findet sich keine systematische Auseinandersetzung mit dem Text. Der Gehalt der Schrift Kants wird von Kraus in einer Zitatmontage geehrt. Die pathetisch-geschwollene Rede wird wiederum nicht moralisch getadelt. Propaganda und Geschwätz verrät sich in der Differenz zur zitierten Quelle.
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Abb. 20 (a): Karl Kraus, Ein Kantianer und Kant, in: Die Fackel (1918)
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Abb. 20 (b): Karl Kraus, Ein Kantianer und Kant, in: Die Fackel (1918)
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Kant, Rilke und die allzeit bereiten Geister von Christoph Leschanz und Philipp Schaller Rainer Maria Rilke (1875–1926) Rainer Maria Rilke wurde am 4. Dezember 1875 als Ren¦ Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke in Prag geboren.315 Prag war zur damaligen Zeit Hauptstadt des Königreichs Böhmen, Teil der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie. Während die Mutter aus großbürgerlichem Hause stammte, musste der Vater eine angestrebte Militärkarriere krankheitsbedingt abbrechen und arbeitete fortan in einer kleinen Eisenbahngesellschaft. Rilke selbst wuchs, auch nach eigenen Angaben, in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf316 und wurde zeitweise von seinem Onkel Jaroslav finanziell unterstützt (beziehungsweise nach dessen Tod 1892 von dessen Töchtern, Rilkes Cousinen).317 Die Eltern wählten für ihren Sohn eine militärische Schulausbildung. Rilke besuchte von 1886 an die MilitärUnterrealschule in St. Pölten und anschließend (ab 1890), ebenso wie sein Schriftstellerkollege Robert Musil318 einige wenige Jahre später, die MilitärOberrealschule in Mährisch-Weißkirchen (Hranice). Der junge Rilke geriet dadurch »in die Mühle der an militärischem Drill und Gehorsam ausgerichteten Erziehung« zur Jahrhundertwende, »die den jungen Menschen keinen Raum ließ für eigene Bedürfnisse.«319 Bereits 1891 setzte Rilke seine »Entlassung aus der Militäroberrealschule durch.«320 Im Juli desselben Jahres schrieb der nun Fünfzehnjährige seiner Mutter, er sei nun »ganz Literat«.321 Am 10. September erschien in der Wiener Zeitschrift Das interessante Blatt erstmals ein Gedicht Rilkes.322 In den folgenden Jahren entstanden weitere Gedichte und Prosastücke sowie erste Veröffentlichungen (beispielsweise Feder und Schwert, 1893, Leben und Lieder. Bilder und Tagebuchblätter, 1894, Larenopfer, 1895) – teilweise in Zeitungen oder Zeitschriften, teilweise als selbstständige Publikation.323 Ein 1895 aufgenommenes Studium an der Carl-Friedrichs-Universität in Prag blieb ebenso unabgeschlossen wie seine später begonnenen Studien in München und Berlin. Gleichzeitig etablierte sich der junge Rainer Maria Rilke (zum ersten Mal erschien dieser Name am 15. September 1897 »unter der Übersetzung von Fernand Gregh ›La brise en larmes‹ in der Wiener Rundschau«)324 als Literat und Dichter in Österreich-Ungarn und im Deutschen Reich. Es folgten Stationen in Berlin, Paris sowie zahlreiche Reisen durch Europa (Italien, Russland, Skandinavien, Frankreich). Rilke machte dabei unter anderem die Bekanntschaft von Lou Andreas-Salom¦ mit der er eine intensive Liebesbeziehung hatte. Diese Liebesbeziehung wandelte sich später zu »innige[r] Freundschaft. Bis zu seinem Lebensende bleibt sie die Vertraute, mit der er die persönlichsten Probleme
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Abb. 21: Rainer Maria Rilke (1906)
besprechen kann, der er seine Sorgen und Ängste anvertraut; sie bleibt Anlaufstelle, wenn er gar nicht weiterweiß.«325 Unabhängig davon heiratete Rilke am 28. April 1901 Clara Westhoff. Am 12. Dezember desselben Jahres kam Rilkes Tochter Ruth, sein einziges Kind zur Welt. Rilkes unstetes Reiseleben, das bereits in den späten 1890er-Jahren begann, setzte sich bis zu seinem Lebensende fort; unterbrochen nur von der Zeit des Weltkrieges. Er arbeitete unter anderem als Sekretär für Auguste Rodin (1905) und machte die Bekanntschaft unterschiedlichster Geistesgrößen seiner Zeit (mit denen er bis zu seinem Lebensende in teils regem Briefkontakt stand). Im Juni 1907 traf er beispielsweise in Wien Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig. Letzterer erreichte in der Zeit des Ersten Weltkrieges unter anderem Rilkes Versetzung in den Innendienst im Wiener Kriegsarchiv.326 Rilkes Schaffensprozess war immer wieder von schweren Krisen gezeichnet. Trotzdem entstanden in den Folgejahren weitere bedeutende Werke wie die Sonette an Orpheus oder die Duineser Elegien. Rainer Maria Rilke starb am 29. Dezember 1926 in der Schweiz an Leukämie.
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Die Kant-Lektüre in Friedelhausen (1905) Eindeutige und direkte Anspielungen oder Referenzen auf die Person Immanuel Kants oder dessen Werk finden sich in Rilkes Dichtungen nicht. Daher wundert es auch nicht, dass es im Grunde keine Forschungsliteratur gibt, die sich speziell dem Verhältnis des Dichters zu dem Philosophen widmet. Das einzige, was überhaupt auf eine Auseinandersetzung Rilkes mit den Schriften Kants schließen lässt, sind zwei Äußerungen aus seiner umfangreichen Korrespondenz, die allerdings einige Jahre auseinanderliegen. Die spätere der beiden Äußerungen Rilkes über seine Kant-Lektüre datiert aus dem Jahre 1905. Am 6. September hatte Rilke die Einladung des französischen Bildhauers und Zeichners Auguste Rodin nach Meudon erhalten. In Erwartung des bevorstehenden Aufbruchs nach Frankreich, wo er einige Monate als Rodins Sekretär arbeitete, schrieb er der Gräfin Luise von Schwerin (1849–1906) im Dank für die Zeit, die er auf ihrem Schloss in Friedelhausen, an seinem Gedichtzyklus Stunden-Buch arbeitend, verbringen durfte, dass er eben die letzten Korrekturbögen des neuen Werkes erhalten habe. Er berichtet von deren Durchsicht und schließt daran die Bemerkung: »der Nachmittag brachte unsere Kant-Stunde, die am letzten Tage auch das Buch zu Ende führte, das wir uns vorgenommen hatten.«327 »Wir« – das schließt den Naturforscher Jakob Uexküll (1864–1944) ein, den Schwiegersohn der Gräfin, den Rilke in Friedelhausen kennengelernt hatte. Welches Buch er mit diesem in der gemeinsamen »Kant-Stunde« fertig gelesen hat, lässt sich dem Brief nicht entnehmen. Dafür, dass ein gemeinsames Interesse an Kants Dritter Kritik bestanden haben könnte, spricht indessen noch, dass Uexkülls Gebiet die Biologie war und seine Auseinandersetzung mit der Philosophie besonders unter dem Interesse an der philosophischen Reflexion auf deren theoretische Grundlagen erfolgte. Allerdings spielte für den vom Baltikum stammenden Uexküll, der schon in jungen Jahren die Schriften Immanuel Kants zu studieren begonnen hatte, auch dessen Raum- und Zeit-Verständnis, wie es in der Ersten Kritik entwickelt wird, eine zentrale Rolle im Rahmen seiner die Lebewesen im Kontext ihrer Umwelt betrachtenden Theorien. Rilke las später Uexkülls Werk Theoretische Biologie (1920).328 Da schon über den Gegenstand von Rilkes und Uexkülls gemeinsamer KantLektüre nur spekuliert werden kann, scheinen auch weitere Spekulationen über deren mögliche Einflüsse auf Rilkes literarisches Werk vorläufig unangebracht. Ein wenig mehr ist vielleicht möglich, was die frühere der beiden Kant betreffenden brieflichen Äußerungen Rilkes angeht.
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Eine brieflich angekündigte Kant-Lektüre (1897) Als Rilke im Spätsommer 1905 sein Stunden-Buch fertigstellte, hatte er dafür eine andere Arbeit unterbrochen: seinen einzigen, unter den Eindrücken des ersten Paris-Aufenthaltes im Jahre 1902 begonnenen Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, der erst im Jahre 1910 fertig wurde. Ein – wenn nicht das – Thema des Romans ist die Veränderung, die durch die Erfahrung der Vergänglichkeit und des Todes sowohl in der Wahrnehmung der alltäglichen Dinge als auch in der Einstellung zum Leben im Ganzen hervorgerufen wird. In diesem Zusammenhang kommt ein phänomenaler Bereich zur Sprache, den man für gewöhnlich nicht so bald mit Kant in Verbindung bringt wie den der Erkenntnis der sinnlichen, sichtbaren Welt und ihrer Lebewesen. Gleichwohl geschieht es aus Interesse an diesem Bereich, dass Rilke im Jahre 1897, sieben Jahre bevor er im Jahre 1904 den Malte zu schreiben beginnt, dem bayrischen Freiherrn du Prel die Lektüre einer ganz bestimmten kantischen Schrift ankündigt: der Bereich des Okkulten. Rilke, der sich gerade als Literat und Dichter zu etablieren begann und in München wohnte, schrieb am 16. und 18. Februar 1897 dem dort lebenden Dr. Carl (Karl) Freiherrn du Prel (1839–1899) in Briefen, in denen er sein Interesse für den Spiritismus, das Tätigkeitsfeld des Empfängers bekannte: »Nun werde ich noch Kants ›Träume eines Geistersehers‹ lesen«.329 Dass der junge Schriftsteller die Kant betreffende Ankündigung schließlich in die Tat umgesetzt und dessen Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik (1766) gelesen hat, kann als einigermaßen wahrscheinlich angesehen werden. Die sein persönliches Leseprogramm betreffenden Bemerkungen Rilkes, der du Prels Bücher Das Rätsel des Menschen (1892) und Spiritismus (1893) kannte, lassen sich auch vor dem Hintergrund verstehen, dass du Prel seine Versuche, dem Spiritismus ein gewisses kritisches, philosophisch-wissenschaftliches und dementsprechend ernstzunehmendes Ansehen zu verleihen, selbst unter starker Bezugnahme auf Kant unternahm. So merkwürdig die Absicht, Kants Philosophie mit dem Spiritismus zusammenzubringen, heute auch erscheinen mag, schien man in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durchaus ernsthaft danach fragen zu können, wie es der Pädagoge Karl Kehrbach (1848–1905), der Schriften Kants herausgab und die Kritik der reinen Vernunft kommentiert hat, in Form einer Broschüre mit dem Titel War Kant Spiritist? tat.330 Kant bildete mit seinen Schriften für du Prel schon in den 1860er Jahren – neben Schopenhauer, um den sich viele Gespräche seines damaligen Münchner Freundeskreises gedreht hatten – einen Ort der Suche nach Auskunft über die ihn beschäftigenden Fragen. Diese betrafen, wie es ein biographisches Porträt des Freiherrn zusammenfasst, den »Sinn der Religion, der Geschichte und Entwicklungsgeschichte der Welt und des Menschen«.331 Noch im Jahre 1896,
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also nicht lange vor Rilkes Schreiben an du Prel, hatte dieser in seiner Zeitschrift Die Zukunft einen Aufsatz über Kant und Swedenborg drucken lassen.332
Abb. 22: Die von Kehrbach besorgte Ausgabe von Immanuel Kants ›Träume eines Geistersehers‹
Kant war zu seiner Schrift Träume eines Geistersehers äußerlich durch die Lektüre der Bücher des im 18. Jahrhundert bekannten schwedischen Mediums Emanuel Swedenborg (1688–1772) veranlasst worden, in denen dieser sein Wissen um die Geheimnisse der Geisterwelt und ihres Verhältnisses zu den Bewohnern der sinnlichen Welt ausbreitete. Der Text war im Jahre 1766 erschienen – also nur wenige Jahre bevor Kants kritische Phase begann, welche ihren ersten Höhepunkt im Jahre 1781 mit dem Erscheinen der Kritik der reinen Vernunft erreichte. Es wäre an dieser Stelle interessant – wenn nicht nötig – ausführlich die Position zu erörtern, die Kant in seiner Schrift gegenüber dieser Vorläuferlehre des Spiritismus über bestimmte Phänomene des Bewusstseins einnimmt, und sie in Beziehung zu dem zu setzen, was die spätere Vernunftkritik in dieser Sache an Auskunft zu erteilen weiß. Dies muss aber einem anderen Rahmen vorbehalten bleiben. Hier soll nur angedeutet werden, inwiefern du Prel sich, was
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Kants Standpunkt in dieser Sache angeht, gründlich getäuscht und diesen zu Unrecht als Autorität für den Spiritismus reklamiert hat. Du Prel war der Überzeugung, dass Kant selbst sich in seiner vorkritischen Schrift dieser mystischen Weltanschauung annähert. Er stößt sich nicht an der Tatsache, dass Kant Swedenborg darin für die seinige in einer solchen Weise verspottet, dass die Träume im Verständnis der Interpreten eher davon bedroht waren, ihrem Anliegen und Gehalt nach überhaupt auf eine bloße Polemik gegen eine einzelne Person reduziert zu werden.333 Darüber hinaus meint du Prel, wie er in dem von Rilke rezipierten Rätsel des Menschen beteuert, aber gar noch bewiesen zu haben, dass »sich Kant als Mystiker innerhalb der kritischen Periode zeigt«,334 worüber er die Welt durch die neue Herausgabe von Kants Vorlesungen über Metaphysik des Jahres 1788 in Kenntnis gesetzt zu haben meint. Diese waren ursprünglich von Karl Heinrich Ludwig Pölitz (1772–1838) herausgegeben worden, aber für einige Jahrzehnte verschollen und wurden du Prel schließlich durch Hans Vaihinger (1852–1933) vermittelt. In jenem Teil der Vorlesungen, welcher sich der Psychologie widmet, glaubt du Prel eine kantische Lehre über »Präexistenz« und »Unsterblichkeit« zu erblicken, die ihn berechtigt, Kants Terminologie für den Spiritismus in Anspruch zu nehmen und das transzendentale Subjekt essentialistisch als »transzendentales Wesen« auffassen zu dürfen. Er unterstellt Kant, zwei Wesenshälften des Menschen zu unterscheiden und damit die metaphysische Hypothese einer vom Körper auch unabhängig existierenden Geistseele zu vertreten, die noch dazu einer empirischen Überprüfung durch die Geheimwissenschaften im Zuge ihres Fortschrittes bei der Erforschung von Phänomenen wie dem Somnambulismus fähig sei. Da sich nämlich in Handlungen, die sich ohne unser Bewusstsein vollziehen, das Wirken des transzendentalen Subjekts zeige, sei »durch den Somnambulismus beweisbar, dass wir schon jetzt Geister sind, und dass diese unsere Wesenshälfte vom Tode nicht betroffen wird.«335 So wie aber der Somnambulismus unser »Hineinragen in die Geisterwelt« bezeuge, erkennen wir nach du Prel »im Spiritismus die fremden Geister, das Hereinragen der Geisterwelt«336 in die unsrige. Darum wird nach du Prel die Erweiterung unseres Wissens auf den Bereich des Übersinnlichen eine Frage wissenschaftlichen Fortschritts – so als hätte Kant unserem Erkennen die Grenze am Ende der Reichweite sinnlicher Erfahrung nur vorläufig und für den Augenblick, nämlich aufgrund mangelnder geheimwissenschaftlicher Techniken und Methoden gezogen: »transzendentale Einsichten, die wir als Somnambule aktiv gewinnen, oder als Medien passiv empfangen, können uns bewusst werden, d. h. ins sinnliche Bewusstsein übergehen, wenn die Empfindungsschwelle verlegt wird, welche die Bruchfläche zwischen den beiden Personen unseres Subjekts bildet.«337 Mit Blick auf Kant folgert der Freiherr deshalb:
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Das Jenseits sowohl, wie unser jenseitiges transzendentales Wesen liegen nur jenseits der Schwelle. Die Verlegbarkeit der Schwelle beweist ferner, dass die Phänomene des Somnambulismus und Spiritismus mindestens in der biologischen Zukunft, d. h. bei noch weiterer Verlegung der Schwelle, sich einstellen wüssten [!, gemeint ist: müssten, P.S.], wenn sie nicht schon heute, d. h. beim derzeitigen Grad der Verlegung, Erfahrungstatsachen wären. Heute also würde Kant empirisch bestätigt finden, was er geahnt hat. Nichts ist daher so sicher, als dass Kant heute Spiritist sein würde; denn soweit man es zu seiner Zeit sein konnte, war er es.338
Wie sich gleich zeigen wird, trägt an dieser mehr als kühnen Kant-Auslegung kein geringerer als Arthur Schopenhauer eine gewisse Mitschuld.
Die Geister vor und in der Kritik – Produktive Missverständnisse Du Prel bezieht sich in seiner Deutung der vermeintlichen mystischen Lehre des kritischen Kant mit Vorliebe auf die vorkritische Schrift Träume eines Geistersehers und auch darin recht selektiv auf bestimmte Äußerungen. In diesem Text behandelt Kant die Sinnlichkeit unseres Wahrnehmens und Erkennens als dasjenige, was unser Erkennen und damit uns selbst von räumlich und zeitlich entfernten Wesen trennt. Wenn er sie als den Hinderungsgrund dafür anführt, warum wir nicht mit diesen in Kontakt oder Gemeinschaft treten können, verbindet er damit aber noch nicht ausdrücklich jene spätere, unbedingte kritische Einschränkung, der zufolge alles Erkennen auch jederzeit notwendig an diese Sinnlichkeit gebunden sei. Darum versteht Kant die Dinge, wie sie unabhängig von unserer sinnlichen Anschauung und damit außer Raum und Zeit existierten, noch nicht als bloße Gedankendinge. Er erwägt, wenn auch eher versuchsweise, dass sie in einer Beziehung zueinander stehen könnten, die jene trennenden Bedingungen von Raum und Zeit nicht kennt. Zu dieser Annahme berechtigt schließlich der Umstand, dass nach den Begriffen der klassischen Metaphysik allen Wesen als lebendigen ein immaterielles geistiges Prinzip zugrunde liegen mag: Alle diese immaterielle Naturen, sage ich, sie mögen nun ihre Einflüsse in der Körperwelt ausüben oder nicht, alle vernünftige Wesen, deren zufälliger Zustand thierisch ist, es sei hier auf der Erde oder in andern Himmelskörpern, sie mögen den rohen Zeug der Materie jetzt oder künftig beleben, oder ehedem belebt haben, würden nach diesen Begriffen in einer ihrer Natur gemäßen Gemeinschaft stehen, die nicht auf den Bedingungen beruht, wodurch das Verhältnis der Körper eingeschränkt ist, und wo die Entfernung der Örter oder der Zeitalter, welche in der sichtbaren Welt die große Kluft ausmacht, die alle Gemeinschaft aufhebt, verschwindet.339
So schließt Kant in den Träumen – auch wenn er diese Erwägung alsbald stark relativiert und ironisiert – auch die Möglichkeit einer gewissen Art übersinn-
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licher Erkenntnis nicht aus. Geistererscheinungen könnten eine Art behelfsmäßiges Ausbuchstabieren tatsächlicher spiritueller Einflüsse jener »Geisterwelt«340 durch unsere Einbildungskraft darstellen, die für uns als in eine Sinnenwelt eingelassene Wesen nur auf diese Art lesbar würden. In den Träumen nennt Kant die »Metaphysik« bereits »eine Wissenschaft von den Grenzen der menschlichen Vernunft« und erklärt, er habe die »Grenze hier zwar nicht genau bestimmt, aber doch in so weit angezeigt, daß der Leser bei weiterem Nachdenken finden wird, er könne sich aller vergeblichen Nachforschung überheben in Ansehung einer Frage, wozu die data in einer andern Welt, als in welcher er empfindet, anzutreffen sind.«341 Somit stütz er seine kritische Auseinandersetzung mit Swedenborg noch nicht auf ein dezidiertes und begründetes Wissen des Nichtwissens, wie er es erst in der Kritik der reinen Vernunft demonstriert, sondern noch bloß auf ein ehrlich eingestandenes, indifferentes Nichtwissen. Dementsprechend ist Kant so konsequent, dieses auch Swedenborg selbst und den von ihm aus- und über ihn gehenden Geschichten ein Stück weit zugute zu halten, wenn er gleich eingangs bemerkt, dass es ein ebenso »dummes Vorurtheil ist, von vielem, das mit einigem Schein der Wahrheit erzählt wird, ohne Grund Nichts zu glauben, als von dem, was das gemeine Gerücht sagt, ohne Prüfung Alles zu glauben«.342 Diese frühe Kulanz, mit welcher der vorkritische Kant das behandelte, was man sich mit einigem Schein der Wahrheit erzählt, mag sich wenigstens zu einer schwachen Verteidigung Schopenhauers anführen lassen. Denn im Grunde ist kaum zu begreifen, warum dieser ausgerechnet in der übersinnlichen Erweiterung unserer Erkenntnis jenseits ihrer Beschränkung auf die sinnlichen Anschauungsformen »gewissermaaßen eine faktische Bestätigung«343 von Kants Lehre, der kantischen kritischen Philosophie sehen zu dürfen glaubte. Schopenhauers Überzeugung bezieht sich insbesondere auf das Phänomen des Hellsehens. Er teilt sie in den Parerga und Paralipomena (1851) in einem Kapitel mit Namen »Versuch über das Geistersehen« mit, das er unter die Themen zählt, deren Behandlung ihm für den wesentlichen Zweck geeignet erschien, den er seit dem Jahre 1819 in seinem philosophischen Schreiben verfolgte: die Bestätigung der Richtigkeit seiner in diesem Jahre in seinem Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung vorgelegten Philosophie. Seinerseits beanspruchte er durch diese, den von Kant gefundenen Ansatz durch dessen Einbettung in eine um den Begriff des Willens kreisende Metaphysik zu bestätigen. Dementsprechend bemerkt Schopenhauer in seinem »Versuch«: Das überschwänglich Wunderbare und daher, bis es durch die Uebereinstimmung hundertfältiger, glaubwürdigster Zeugnisse bekräftigt war, schlechthin Unglaubliche des somnambulen Hellsehns, als welchem das Verdeckte, das Abwesende, das weit Entfernte, ja, das noch im Schooße der Zukunft Schlummernde offen liegt, verliert wenigstens seine absolute Unbegreiflichkeit, wenn wir wohl erwägen, daß, wie ich so
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oft gesagt habe, die objektive Welt ein bloßes Gehirnphänomen ist: denn die auf Raum, Zeit und Kausalität (als Gehirnfunktionen) beruhende Ordnung und Gesetzmäßigkeit desselben ist es, die im somnambulen Hellsehn in gewissem Grade beseitigt wird. Nämlich in Folge der Kantischen Lehre von der Idealität des Raumes und der Zeit begreifen wir, daß das Ding an sich, also das allein wahrhaft Reale in allen Erscheinungen, als frei von jenen beiden Formen des Intellekts, den Unterschied von Nähe und Ferne, von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft nicht kennt; daher die auf jenen Anschauungsformen beruhenden Trennungen sich nicht als absolute erweisen, sondern für die in Rede stehende, durch Umgestaltung ihres Organs im Wesentlichen veränderte Erkenntnißweise, keine unübersteigbare Schranken mehr darbieten.344
Was indessen der kritische Kant zu der Frage des Hellsehens gesagt hätte, lässt sich im Kapitel über die Grundsätze des reinen Verstandes der Kritik der reinen Vernunft nachlesen, wo es heißt: Eine Substanz, welche beharrlich im Raume gegenwärtig wäre, doch ohne ihn zu erfüllen, (wie dasjenige Mittelding zwischen Materie und denkenden Wesen, welches einige haben einführen wollen,) oder eine besondere Grundkraft unseres Gemüts, das künftige zum Voraus anzuschauen (nicht etwa bloß zu folgern), oder endlich ein Vermögen desselben, mit anderen Menschen in Gemeinschaft der Gedanken zu stehen (so entfernt sie auch sein mögen), das sind Begriffe, deren Möglichkeit ganz grundlos ist, weil sie nicht auf Erfahrung und deren bekannte Gesetze gegründet werden kann, und ohne sie eine willkürliche Gedankenverbindung ist, die, ob sie zwar keinen Widerspruch enthält, doch keinen Anspruch auf objektive Realität mithin auf die Möglichkeit eines solchen Gegenstandes als man sich hier denken will, machen kann.345
Schopenhauer fällt also ebenso wie du Prel hinter Kants kritischen Standpunkt zurück, wenngleich man davon ausgehen muss, dass er im Unterschied zu dem bayrischen Freiherren gesehen hätte, dass dem kritischen Kant eine Seelenlehre nach Art des Spiritismus zu unterstellen schon darum widersinnig ist, weil es dann gar keinen kritischen Kant gäbe. Schließlich findet sich in Kants erkenntnistheoretischem Hauptwerk nicht nur eine vereinzelte Bemerkung gegen eine solche Lehre. Vielmehr lässt das gesamte Kapitel »Von den Paralogismen der reinen Vernunft« keine zwei Meinungen über Kants Position in dieser Frage zu. Doch selbst, wenn man ihm dieses Wissen absprechen wollte, ließe folgende Bemerkung Schopenhauers auch ihn kaum als Spiritisten in Frage kommen: »Alle bisherigen Erklärungen der Geistererscheinungen sind spiritualistische gewesen: eben als solche erleiden sie die Kritik Kants, im ersten Theile seiner ›Träume eines Geistersehers‹«, resümiert Schopenhauer und setzt hinzu: »Ich versuche hier eine idealistische Erklärung. –«346 Gleichwohl gibt auch Schopenhauer metaphysische Erwägungen des vorkritischen Kant, die von diesem mit der kritischen Wende dezidiert verabschiedet worden sind, für Folgerungen und Ansichten von dessen kritischer Philosophie aus, die dann als idealistische Erklärungsgrundlage für das zum
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Voraus Anschauen des Künftigen, mithin der Möglichkeit einer Erweiterung unserer Erkenntnis über die Grenzen der Sinnlichkeit hinaus dargestellt wird.
Die gleichgültig werdenden Zeitfolgen im anderen Anschauen Damit sollte nun ein ausreichend genaues Bild von den seltsamen Hintergründen gezeichnet worden sein, vor denen sich Rilkes Lektüre der Kant’schen Träume eines Geistersehers abgespielt haben müsste – wenn sie denn stattgefunden haben sollte. Rilke behauptete nämlich, als er du Prel in seinem Brief diese Ankündigung machte, auch jene Stellen Schopenhauers zu kennen, auf die du Prel Bezug nimmt: Ich habe […] Ihr ›Das Rätsel des Menschen‹ und ›Der Spiritismus‹ durchgelesen und bin durch diese beiden tiefen Werke rasch in medias res geführt worden. Viele der erwähnten Stellen bei Kant und Schopenhauer waren mir erinnerlich, und die anderen zu klarer Lösung geleiteten Probleme haben mich oft beschäftigt.347
Offenbar hatte Rilke sich bereits selbst mit Kant und Schopenhauer befasst, ehe er sich mit du Prels seltsamer Inanspruchnahme des Denkens beider vertraut machte. Der Rilke-Forscher August Stahl weist darauf hin, dass neben dieser Auskunft noch manches andere einer späteren Äußerung Rilkes widerspricht, wonach er eine breitere Beschäftigung mit bedeutenden Philosophen in jungen Jahren vernachlässigt habe. Hinsichtlich der Frage, welche »erwähnten Stellen« bei Schopenhauer gemeint sind, zieht Stahl dessen parapsychologische Texte auf Grundlage von du Prels Bezugnahme auf diese in Betracht: den »Versuch über das Geistersehen« und die »Transzendente Spekulation über die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksal des Einzelnen« (ebenfalls Parerga und Paralipomena) sowie das Kapitel »Animalischer Magnetismus und Magie« (Über den Willen in der Natur, 1836 und 1854).348 Es erscheint weniger zielführend, ein Gleiches hinsichtlich jener Stellen bei Kant zu versuchen, die Rilke nach seiner Behauptung »erinnerlich« waren. Wenn er die Träume eines Geistersehers allererst noch zu lesen beabsichtigte, bleibt nicht mehr viel übrig. Denn du Prel zitiert, was wenig überrascht, in den beiden Werken, auf die Rilke Bezug nimmt, im Grunde nur diese frühe Schrift aus dem Jahre 1766 und die von ihm neu herausgegebenen Vorlesungen von 1788, die Rilke wohl nur durch du Prels Neuausgabe hätte kennen können. Ansonsten findet sich bei du Prel nur noch eine Erwähnung des Textes Von der Macht des Gemüts (1798). Auf die Kritik der reinen Vernunft und die Prolegomena bezieht sich du Prel nur, um auf die kantische Herkunft der von ihm vereinnahmten
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Terminologie des transzendentalen Subjekts zu verweisen, ohne aber irgendwelche Stellen sachlich genauer zu erläutern. Rilkes vor allem im Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, aber auch in seiner Lyrik zum Ausdruck kommendes Verständnis von einer Verwandlung sowohl des Lebens und des Erfahrens der Welt, als auch des Schreibens, verdankt sich, wie Priska Pytlik dargelegt hat,349 unter anderem auch der Umsetzung jener falschen, aber kreativen Kant-Lesart, die vom GeisterseherVersteher du Prel in die Welt gesetzt und durch den von beiden rezipierten Schopenhauer angeregt worden war. In Rilkes Werk erfahren die spiritistischen Vorstellungsweisen von einer möglichen Erweiterung der Erkenntnis auf eine geistige Welt und über die sinnlich bedingten Grenzen hinaus, die unser Wahrnehmen von allen in Raum und Zeit entfernten Wesen trennen, eine poetische Würdigung, worin sie weit attraktiver erscheinen als in der Gestalt, die sie bei du Prel haben. Die Form von Rilkes Prosawerk lässt dessen Klassifizierung als Roman im Grunde fraglich erscheinen. Anstatt mit einem Erzähler, der eine zusammenhängende Handlung entwickelt, findet sich der Leser mit einundsiebzig eher assoziativ – wenn nicht dissoziativ – aufeinander folgenden, tagebuchartigen Aufzeichnungen Maltes konfrontiert, die teilweise Prosagedichten ähneln. Gleichwohl wird so viel deutlich, dass Malte, der aus einem dänischen Adelsgeschlecht stammt, sich als Gestrandeter in der neuen Großstadtwelt des modernen Paris nicht zurechtzufinden weiß. Er fühlt sich darin, so sehr er sich auch verstellt, den »Fortgeworfenen«350 zugehörig, zeichnet sich aber zugleich unter diesen dadurch aus, dass sein Herkommen aus einer anderen Welt ihm die neue, moderne Welt mitsamt der bedrückenden Existenz in ihr nicht selbstverständlich erscheinen lässt. Seiner welt-fremden Herkunft wegen ist Malte aber im Unterschied zu diesen Elenden, die ihn als einen der ihren ansehen, dazu prädestiniert, jene Welt, in die er sich weniger geworfen als vielmehr fortgeworfen findet, mit den sensiblen Augen des Dichters wahrzunehmen. Er erlebt sie unweigerlich unter dem Aspekt der Auflösung gewohnter Bedeutungen und des Verschwindens des Bekannten und Liebgewonnenen. Unter dieser Bedingung scheint sich der einzige Ausweg, die letztmögliche Perspektive, so paradox, absurd oder übermenschlich dies auch erscheinen mag, in einer veränderten Einstellung zum Tod und einer Neubewertung des Sterbens, Schwindens und Vergehens zu eröffnen. Dies verspricht – zusammen mit der Möglichkeit eines neuen Schreibens – nicht weniger als eine völlige Verwandlung der Wahrnehmung der Dinge und des Lebens selbst. Der Tod wird in dieser Einstellung nicht als das Ende des Lebens, sondern als die Bedingung seiner gründlichen Verwandlung verstanden. Diese erfordert darum aber auch die Überwindung der Furcht, die vom Tode ausgeht. Malte, der
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damit noch zu kämpfen hat, erinnert sich in diesem Zusammenhang nicht umsonst seines greisen Großvaters mütterlicherseits, Graf Brahe, der bei Maltes Vater blankes Entsetzen bewirkte, als er den diesbezüglich ungläubigen Schwiegersohn nicht ohne ein gewisses souveränes Vergnügen mit einer auf seinem Anwesen geisternden Ahnin bekannt machte. Er selbst wusste ihre Anwesenheit mit vollkommener Seelenruhe zur Kenntnis zu nehmen. In Maltes Aufzeichnungen steht die ungewöhnliche Persönlichkeit des Grafen Brahe auch für die Aufhebung und Überwindung jener Grenzen, welche uns die Zeit setzt. So heißt es über ihn: Die Zeitfolgen spielten durchaus keine Rolle für ihn, der Tod war ein kleiner Zwischenfall, den er vollkommen ignorierte, Personen, die er einmal in seine Erinnerung aufgenommen hatte, existierten, und daran konnte ihr Absterben nicht das geringste ändern. Mehrere Jahre später, nach dem Tode des alten Herrn, erzählte man sich, wie er auch das Zukünftige mit demselben Eigensinn als gegenwärtig empfand.351
Bemerkenswerter Weise dürfte also der greise Graf, insofern seinem Blick auch »das weit Entfernte, ja, das noch im Schooße der Zukunft Schlummernde offen« lag, auch jene Fähigkeit besessen haben, deren Möglichkeit Schopenhauer durch den von Kant gelehrten Idealismus erklären zu können meinte. Die Möglichkeit einer anderen Sicht auf die Wirklichkeit, die »eine vollkommen andere Auffassung aller Dinge«, eine »veränderte Welt« und ein »neues Leben voll neuer Bedeutungen«352 mit sich bringt, ist aber ein – wenn nicht das zentrale – Thema, das in Rilkes Roman zur Sprache kommt. Sie allein erlaubte auch ein anderes Schreiben, indem sie zugleich die Aufgabe der eingespielten Sicherheit der gewohnten Bedeutungen fordert. Wie Pytlik gezeigt hat, fanden du Prels unter eigenwilliger Vereinnahmung von Kants Denken entwickelte spiritistische Vorstellungen Eingang in die literarischen Innovationen, die Rilke daraus zu schöpfen wusste. Das betrifft vor allem seinen Roman, aber auch die Lyrik. Pytlik verortet auch eine Beziehung zu dem für Rilkes eigenes Dichten programmatischen Gedanken vom »Weltinnenraum«, der etwa im Gedicht Es winkt zu Fühlung fast aus allen Dingen (1914) aufgerufen wird. Mit diesem Weltinnenraum verbindet sich das Streben nach solch einer Gemeinschaft mit allen möglichen Menschen, Wesen und Dingen überhaupt, in welcher das Trennende von Raum und Zeit überwunden wäre.353 Vor allem die bei du Prel beschriebene Verschiebung der Empfindungsschwelle, durch die sich auch der Verlust des alltäglichen Bewusstseins und die Nähe des Todes als Übergang ins Geisterreich charakterisieren lassen, scheint in gewisser Weise für diese Überwindung von Bedeutung zu sein. So ist es durchaus nicht zu gewagt, sich Rilkes Interesse am Spiritismus vor allem aus jenen existenziellen, ästhetischen und poetologischen Ahnungen und Erwartungen verständlich machen zu wollen, die auch Malte in seinen Auf-
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zeichnungen zum Ausdruck bringt. Die Entwicklung der von Rilke aufgegriffenen Vorstellungsweisen im Spiritismus la du Prel ist dabei wesentlich von dessen Beschäftigung mit Kants Philosophie inspiriert, so sehr diese auch unter den Bedingungen eines gründlichen Missverständnisses erfolgte und so fälschlich sich Kant – zumindest dem kritischen – dergleichen Vorstellungsweisen nur unterstellen lassen. Kants Einfluss auf den von du Prel gelehrten und von Rilke rezipierten Spiritismus ist ein zweifacher : Er entspringt erstens jenen Überlegungen, die Kant in den zur vorkritischen Phase zählenden Träumen dargelegt hatte; und zweitens den in seinem kritischen Hauptwerk entwickelten Bestimmungen über die sinnlichen Anschauungsformen Raum und Zeit, wie Schopenhauer sie mit Blick auf das Hellsehen gedeutet oder missdeutet hatte. In beiden Beziehungen steht die Bedeutung im Vordergrund, die Raum und Zeit nach Kant als einschränkende Bedingungen unserer Erkenntnis haben, sofern sie uns von der Unendlichkeit all jener Dinge trennen, die nicht in räumlicher und zeitlicher Nähe zu uns existieren, weil sie die Formen jener Sinnlichkeit sind, auf die unser Verstand in allem Erkennen angewiesen ist. – Was lässt sich nun über Rilkes Verhältnis zu Kants Philosophie sagen? Der Schriftsteller lässt seinen Malte ankündigen: Bei aller Furcht bin ich schließlich doch wie einer, der vor etwas Großem steht, und ich erinnere mich, daß es früher oft ähnlich in mir war, eh ich zu schreiben begann. Aber diesmal werde ich geschrieben werden. Ich bin der Eindruck, der sich verwandeln wird. Oh, es fehlt nur ein kleines, und ich könnte das alles begreifen und gutheißen. Nur ein Schritt, und mein tiefes Elend würde Seligkeit sein.354
Wenn es zutrifft, dass sein Großvater für Malte in seinem Umgang mit der Geisterwelt eine gewisse Vorbildwirkung besitzt, dann tut er, wenn er sich ihm wegen dessen Fähigkeit zuwendet, den Tod ins Leben zu integrieren, dies als Dichter. Einen Dichter aber träfe der Vorwurf nicht, den Kant – nicht der du Prel’sche, sondern der richtig verstandene – gegen einen Philosophen erheben würde, wenn er sich in seinem Schaffen einen Geisterseher zum Vorbild nähme, weil er dadurch unvermeidlich zu einem dogmatischen Metaphysiker werden müsste. Sofern aber tatsächlich auch etwas von Rilkes eigenem Bemühen um ein neues Schreiben in diesen Gedanken Maltes über das Schreiben zum Ausdruck käme, unterschiede er sich darin ebenso von du Prel wie seine literarische Schöpfung. Du Prel war kein Dichter, sondern ein Metaphysiker, der sich die Geisterseherei zum Vorbild nahm. Sein Geschäft bestand in dem Versuch, dem Tun spiritueller Medien eine metaphysische Grundlage und damit Anerkennung in der wissenschaftlich gesinnten Öffentlichkeit zu verschaffen, was er durch eine rationalistische Theorie zu leisten versuchte, die er einer empirischen Bestätigung
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für fähig hielt. Kant betrachtete er dabei insofern als seinen Vorläufer, als er diesem unterstellte, als Metaphysiker dieselben positiven Absichten gegenüber Swedenborg verfolgt zu haben. Darin hat er sich gründlich getäuscht und so darf man vermuten, dass Kant sich weit besser mit Rilkes literarischer Verwertung von du Prels (und Schopenhauers) Verdrehungen seiner eigenen Lehre hätte anfreunden können als mit diesen selbst.
Das andere Anschauen und Schreiben: Neue Dichtung statt alter Metaphysik Rilke hat sich also von der Denkart einer Bewegung inspirieren lassen, die eine übernatürliche, mystische Weltanschauung auf eine wissenschaftstheoretische Philosophie zu gründen versuchte, welche an Kant ihren Urheber hatte. In Wahrheit beruhte sie jedoch auf jener überholten Metaphysik, die dieser gerade verabschiedet hatte, sodass sein Name in erster Linie einem Etikettenschwindel diente. Das Ergebnis dieser Inspiration liest sich jedoch keineswegs als so etwas wie eine literarische Bestätigung und Spielart dieses alles in allem doch platten Versuchs, den erloschenen Glauben an ein verblasstes Weltbild durch Scheingründe der Vernunft noch einmal zu entfachen. So geben auch die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge keinen Anlass, darin eine literarische Werbeschrift für eine überlebte Metaphysik und ihr Weltbild zu sehen. Dass Rilke ungeachtet – oder vielmehr wegen – seiner literarischen Fähigkeiten zur kriegerischen Propaganda völlig untauglich war, zeigte sich spätestens, als er Anfang des Jahres 1916 für den Kriegsdienst eingezogen wurde und darum für ein halbes Jahr nach Wien ging, wo sich andere Literaten wie Stefan Zweig, Hugo von Hofmannsthal und Karl Kraus sehr um das Wohlergehen des schmächtigen Dichters sorgten. Zweig bemühte sich – »puisqu’il est un de nos premiers poÀtes – pour tout l’art allemand…« – mit Erfolg darum, dass auch Rilke im Kriegsarchiv den »Dicht-Dienst«, auch »Heldenfrisieren« genannt, versehen durfte. Doch erwies Rilke sich, obgleich seine erfolgreichste Erzählung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (entstanden 1899) ihre Handlung in den österreichischen Türkenkriegen hat, zu solchem Dienst völlig unfähig: Anstatt die jüngste Kriegsgeschichte novellistisch aufzubereiten, versah er militärische Gagenbögen (Soldlisten) mit dem erforderlichen Raster, wozu er, wie es heißt, mit einigem »ästhetische[n] Sinn« horizontale und vertikale Linien auf Papier zog.355 Genauso wenig dürfte es Rilke interessiert haben, als Dichter an du Prels philosophischem Kampf gegen den Materialismus und für eine pseudowissenschaftliche mystische Weltanschauung und Metaphysik teilzunehmen. Diese interessierte ihn nur ästhetisch als Dichter durch ihren Anstoß für ein anderes Anschauen und Schreiben. Ähnliches lässt sich wohl auch von du Prel als Person
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und als »Oberhaupt der deutschen Geisterseher« sagen, sofern er »macht, daß alle, die mit ihm sprechen, den seltsam bannenden Blick des kleinen Freiherrn mit in ihre unheimlichsten Träume nehmen müssen.«356 Darum handelt es sich auch bei den Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge um keine verkappte, gedichtete Gespenster-Metaphysik, sondern um eine eigenständige und originelle dichterische Erkundung einer in unserem Wahrnehmen der Welt und unserer Einstellung zu dieser gründenden Möglichkeit, welche von dieser Metaphysik gerade verfehlt wurde: anstatt dem Gespenstischen und den Träumen ein eigenes, transzendentes Sein zuzusprechen, um sich durch ihre scheinbare Rationalisierung darüber zu beruhigen, befasst sie sich vielmehr mit jener nur im Aushalten der Furcht zu bewährenden Wahrnehmung, die Träume und Geister als das nimmt, was sie sind – wozu sie ihnen die Wirklichkeit, die sie ohnehin haben, mitsamt dem eigentümlichen Sein, das ihnen in unserer Welt zukommt, einfach nicht abspricht: Die Existenz des Entsetzlichen in jedem Bestandteil der Luft. Du atmest es ein mit Durchsichtigem; in dir aber schlägt es sich nieder, wird hart, nimmt spitze, geometrische Form an zwischen den Organen; denn alles, was sich an Qual und Grauen begeben hat auf den Richtplätzen, in den Folterstuben, den Tollhäusern, den Operationssälen, unter den Brückenbögen im Nachhherbst: alles das ist von einer zähen Unvergänglichkeit, alles das besteht auf sich und hängt, eifersüchtig auf alles Seiende, an seiner schrecklichen Wirklichkeit. Die Menschen möchten vieles davon vergessen dürfen; ihr Schlaf feilt sanft über solche Furchen im Gehirn, aber Träume drängen ihn ab und ziehen die Zeichnungen nach.357
Spuren Immanuel Kants im Werk Friedells von Elisabeth Flucher Egon Friedell (1878–1938) Egon Friedell358 wurde am 21. Januar 1878 in Wien als zweites Kind des jüdischen Tuchfabrikanten Moriz Friedmann und dessen Ehefrau Karoline Eisenberger geboren. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 1889 lebte Friedmann bei seiner Tante in Frankfurt am Main, wo der als Störenfried geltende Schüler nach drei Jahren vom Unterricht ausgeschlossen wurde.359 In der Folge wurde er an verschiedene Schulen versetzt, unter anderem erhielt er Privatunterricht in Heidelberg, wo er im Jahr 1897 auch Vorlesungen an der Universität besuchte und Bekanntschaft mit dem vom Neukantianismus geprägten Philosophen Ernst Kuno Fischer machte, der in Heidelberg über Philosophiegeschichte las und ihn für Kant, Fichte und die Romantik begeisterte.360 Die Abiturprüfung absolvierte Friedmann 1899 erst im vierten Anlauf. Im Jahr 1899 erhielt der nun Volljährige sein Erbteil, kaufte ein Miethaus in der Wiener Gentzgasse und schrieb sich für
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ein Studium der Philosophie an der Universität Wien ein. Er promovierte 1904 bei Friedrich Jodl über Novalis als Philosoph. Bereits wenige Tage nach seiner Promotion wurde seine Dissertation vom Verleger Bruckmann in München unter dem Pseudonym Fridell (später Friedell) gedruckt.361 Von nun an ließ sich Friedmann nur noch mit seinem Künstlernamen adressieren, amtlich wurde der neue Name erst im Jahr 1916 anerkannt. Distanz zu seiner jüdischen Herkunft hatte Friedell aber bereits im Jahr 1897 hergestellt, als er zum protestantischen Glauben übergetreten war.
Abb. 23: Edith Barakovich, Egon Friedell (1931)
In den folgenden Jahren schrieb Friedell Theaterkritiken für Zeitungen und trat an verschiedenen Wiener Kabarett-Bühnen auf, im »Nachtlicht«, in der »Hölle« sowie in der 1907 neu gegründeten »Fledermaus«, deren künstlerischer Leiter er 1908 für ein Jahr wurde. Friedells Karriere verlief also vom Philosophiestudium zum Kabarettisten, ein Karriereweg, den Friedell in seinem sati-
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rischen Zweiakter Goethe. Eine Groteske in zwei Bildern in selbstironischer Weise dem Abiturienten in den Mund legt: »[I]ch möcht’ doch so riesig gern Doktor der Philosophie werden, um im Kabarett auftreten zu können.«362 Im Zusammenhang solcher Kabarett-Abende hatte ihn Karl Kraus vermutlich als geistreichen Conferencier entdeckt, sodass Kraus ab 1905 in kurzer Folge insgesamt sechs Kabarett-Texte Friedells in der Zeitschrift Die Fackel abdruckte. Inhaltliche Differenzen mögen jedoch zu einer raschen Abkühlung des Verhältnisses zwischen Kraus und Friedell geführt haben. So hatten Kraus und Friedell konträre Ansichten über die Tagespresse sowie über den Theaterbetrieb. Friedell schrieb etwa auch Beiträge für solche Zeitungen, die Kraus als Boulevard-Presse heftig bekämpfte. Während Kraus ein reines Sprechtheater propagierte, war Friedell ein Bewunderer Max Reinhardts sowie Liebhaber eines pompösen Kostüm-Theaters.363 Weiters distanzierte sich Kraus sehr bald vom Literatenkreis um Peter Altenberg, dem Friedell als enger Freund Altenbergs angehörte. Im Jahr 1913 lernte Friedell Max Reinhardt in Berlin kennen, als er am Berliner Linden-Kabarett gastierte. Daraufhin engagierte Reinhardt Friedell als Schauspieler am Deutschen Theater, wo Friedell die Rolle des römischen Kaisers in George Bernhard Shaws Androklus und der Löwe in seiner eigenen Bearbeitung im Wiener Dialekt spielte. Ab 1924 war Friedell festes Ensemble-Mitglied des von Reinhardt geleiteten Theaters in der Josefstadt. Als Zeichen seiner Verbundenheit mit Max Reinhardt widmete Friedell Reinhardt auch seine Kulturgeschichte der Neuzeit. Während des Ersten Weltkrieges veröffentlichte Friedell Artikel, die den Krieg wenn nicht verherrlichten so doch befürworteten und hielt ab 1915 Vorträge im Urania Theater, die zum Teil deutschnationale Ansichten vertraten und der »Kriegspropaganda« der Zeit entsprachen.364 So schreibt Friedell etwa zu jener Zeit: »Denn der Krieg hat im Völkerleben eine ähnliche Bedeutung wie das Fieber im Leben des einzelnen […] Auch der gegenwärtige Krieg hat sicher eine ähnliche Bedeutung.«365 In den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg war Friedell aufgrund der Inflation in eine schwierige finanzielle Situation geraten, die dazu führte, dass er 1922 sein Haus verkaufen musste. Unter anderem sah er sich gezwungen, von ihm ungeliebte Theaterkritiken zu schreiben, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. In jenen Jahren entwickelte Friedell eine Produktionsweise für seine Texte, die sich baukastenartig älterer Texte bedient, um sie für neue Texte zu verwerten.366 Ein Resultat dieser Arbeitsweise ist es, dass eine Vielzahl seiner Texte mehrfach publiziert vorliegen. Die Kulturgeschichte der Neuzeit enthält beispielsweise viele Textelemente, die aus älteren Veröffentlichungen stammen. Auch sonst bemühte sich Friedell um zahlreiche Publikationen. Seine zweiundzwanzig zu Lebzeiten veröffentlichten Werke erschienen bei fünfzehn ver-
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schiedenen Verlagen.367 Insgesamt schrieb Friedell Beiträge für mehr als 17 verschiedene Tageszeitungen und Zeitschriften,368 darunter Die Fackel, die Berliner Weltbühne, Die Schaubühne, die Neue Freie Presse, der Merker und die Freie Deutsche Bühne. Im Jahr 1924 entspannte sich Friedells finanzielle Lage durch das fixe Engagement an Reinhardts »Theater in der Josefstadt«. Nun konnte er sich auf sein Projekt einer Kulturgeschichte der Neuzeit konzentrieren, deren drei Bände in kurzer Folge in den Jahren 1927, 1928 und 1931 bei Beck in München erschienen. Da der Beck-Verlag ab 1935 aufgrund eines Verbots durch die Nationalsozialisten keine weiteren Werke Friedells publizieren konnte, erschien die Kulturgeschichte Ägyptens und des alten Orients 1936 im Schweizer Phaidon-Verlag. Am 16. März 1938, wenige Tage nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, wurde Friedell in seiner Wohnung von SA-Männern aufgesucht, woraufhin er sich aus dem Fenster stürzte. Die genaue Motivation seines Freitodes ist ungeklärt, insbesondere da vermutet werden darf, dass Friedell eine rechtzeitge Flucht aus Wien möglich gewesen wäre.369 Die beiden unvollendet gebliebenen Manuskripte der Kulturgeschichte Griechenlands und der Reise mit der Zeitmaschine wurden posthum veröffentlicht. Seit 1937 hatte Friedell noch an Plänen für zwei weitere Schriften gearbeitet, an einer Geschichte der Philosophie und einem Alexanderroman. Beide mussten jedoch Entwurf bleiben.
Kant in Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit Direkte und indirekte Kant-Verweise sind in Friedells Texten zahlreich. Häufig beziehen sie sich auf Anekdoten aus Kants Leben oder nennen Kant in einer Reihe mit anderen Philosophen, Dichtern, Wissenschaftlern oder Politikern. Dabei ist es für Friedells Kant-Bild durchaus aufschlussreich, mit welchen anderen Geistesgrößen er den Philosophen in eine Reihe stellt, denn als ein Großer, wenn nicht als einer der Größten gilt ihm der »kalte Vivisektor des Geistes«370 ohne Zweifel. So nennt er Platon und Kant die größten Philosophen, denen er Homer und Dante als bedeutendste Epiker gegenüberstellt.371 Als einer der drei wichtigsten deutschen Philosophen gilt ihm Kant gemeinsam mit Schopenhauer und Nietzsche.372 Friedell spricht sich jedoch gegen eine geistlose Genie-Bewunderung aus, da die Namen der verehrten Personen so zu »nichtssagende[n] Firmatafel[n]« würden.373 Im Zuge solcher Gedankenlosigkeit nenne man »Goethe einen Olympier, Schiller einen Feuergeist, [und] Kant den Alleszermalmer«.374 Friedell selbst geht jedoch mit dem Begriff Genie alles andere als sparsam um. So vergleicht er Kants Genie und Fantasie mit den politischen Talenten Bis-
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marcks: »Ich bin für die Phantasie eines Newton, eines Kant, eines Bismarck.«375 In seinem Essay Der Dichter argumentiert Friedell gegen das Vorurteil, Geistesmenschen seien in praktischen Angelegenheiten unfähig und nennt als Beispiel Kant, der es, obwohl er nur ein »Bettelhonorar« bezog, »durch kluge Transaktionen« zu einem »ansehnliche[n] Vermögen« brachte.376 Friedell begründet seine Ansicht wie folgt: »Warum sollte ein bestimmtes Maß an organisatorischer Kraft und psychologischem Scharfblick, das gewöhnlich für Dramatik oder Vernunftkritik verwendet wird, plötzlich versagen, wenn es auf Handel oder Politik angewendet werden soll? Der Feldherr, der Dramatiker und der Kaufmann haben im Grunde dasselbe Thema.«377 Im selben Aufsatz behauptet Friedell, sowohl Bismarck als auch Kant hätten Gemeinsamkeit mit einem Dichter : »Der Dichter exzelliert durch die Fähigkeit, auf einen empfangenen Reiz komplizierter, reichhaltiger und intensiver zu reagieren. Seine Apperzeption arbeitet fleißiger und beziehungsvoller. Mit einem Wort: er hat mehr innere Selbsttätigkeit. Dies ist das Gemeinsame eines Kant, Shakespeare, Bismarck und Helmholtz.«378 Die Reihe Kant, Gauß, Newton379 ist daher für Friedell ebenso sinnvoll wie die Reihe Napoleon, Ibsen, Kant.380 An anderer Stelle spricht Friedell Kant das Attribut eines Dichters jedoch wieder ab: »Kant hingegen war nichts weniger als ein Dichter, sondern ein reiner Denker, vermutlich der reinste, der je gelebt hat; was er gibt, ist nicht die individuelle Version eines Künstlers, der durch die Wucht seiner Phantasie bezwingt, sondern die weltgültige Formulierung eines Forschers, der durch die Schlagkraft seiner Sagazität und Beobachtungsgabe überwältigt.«381 Friedell würdigt in Kant allerdings den ausgezeichneten Schriftsteller, »der sehr wohl imstande war, sich flüssig, faßlich, anziehend und sogar amüsant auszudrücken.«382 Für die Kritik der reinen Vernunft habe Kant jedoch bewusst einen anderen, trockeneren Stil gewählt, der »stets streng und kalt bei der Sache bleibend und nirgends die geringsten Bequemlichkeiten gewährend, jede Rücksicht auf den Leser verschmäht.«383 Friedell vertritt die Meinung, dass Kants »eigensinnige Terminologie in Verbindung mit der altväterischen, verschnörkelten und schleppenden Darstellungsweise […] viele von dem Studium seiner Philosophie abgeschreckt«384 habe, bewundert in Kant jedoch auch den geistreichen Schriftsteller. In der Kulturgeschichte der Neuzeit analysiert Friedell das Verhältnis Schillers und Goethes zu Kant. Es brauche, so Friedell, nicht näher »motiviert«, also erklärt zu werden, »warum dieser [Schiller, EF] einer der geistreichsten und verständnisvollsten Schüler Kants wurde, dessen Philosophie nichts anderes zum Gegenstand hat als das Werden unserer Erkenntnis, und warum Goethe erklärte, Kant nicht zu verstehen.«385 Friedells Begründung ist in dem der zitierten Stelle vorangehenden Abschnitt zu suchen, in dem er Schiller als Dynamiker und Goethe als Statiker beschreibt. In vereinfachender Weise analysiert Friedell,
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Schiller interessiere sich für Geschichte und mache »alles aus sich selbst«.386 Goethe hingegen interessiere sich fast ausschließlich für die Natur und sei vor allem Lyriker, sowie »Dramatiker der Privatangelegenheiten«.387 Aus einem weiteren Grund konnte Goethe sich jedoch Friedell zufolge nicht »zur Kantischen Lehre bekehren, der am besten fundierten unter allen Philosophien, ganz offenbar aus persönlichen, aus religiösen Gründen«.388 Goethe könne also deshalb kein Anhänger von Kants Lehre sein, da Kants Lehre ein solch umfassendes Denkgebäude enthält, dass nur das ganze System akzeptiert oder abgelehnt werden könne, da die Annahmen innerhalb des Systems argumentativ so sehr ineinander verflochten sind, dass man alle annehmen muss, wenn man eine akzeptiert. Man kann von Kants Lehre folglich auch nicht überzeugt, sondern bloß zu ihr »bekehrt« werden.389 Wissenschaft wird also mit einem Glaubenssystem gleichgesetzt, da die Wissenschaft für Friedell ebenso wenig beweisbar ist wie jede andere Weltanschauung. »Wenn man nämlich die Wissenschaft ernst nimmt, so ist sie ebenfalls ein Glaube, eine Religion«.390 Friedell vergleicht die Wirkung Kants offenbar mit derjenigen Darwins, wenn er fortfährt: »Und der Darwinismus fand bezeichnenderweise die meisten Anhänger unter den Atheisten«.391 Die religiöse Einstellung gibt also in gewisser Weise die Disposition für ein wissenschaftliches System vor. Offen bleibt jedoch, welche religiöse Überzeugung nach Friedells Ansicht am besten zu Kants Philosophie disponiert.
Abb. 24: Gedenktafel für Egon Friedell, Wien
Das Revolutionäre an Kants Philosophie steht Friedell offenbar sehr deutlich vor Augen, beschreibt er doch die Wirkung von Kants Vernunftkritik als »eine
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gigantische, schreckenerregende Revolution. Die Welt wankt. Kein Fieber kann verheerender wirken als die Lektüre dieser nüchternen Paragraphen«.392 Da ist also einerseits das Epochemachende, Erschütternde, Aufklärerische, das Friedell in Kants Werk erkennt. Andererseits sieht Friedell den Philosophen auch als einen Denker, der sich von den Zwängen seines Systems einschränken ließ, der sich durch sein systematisches Denken zu Unehrlichkeiten hinreißen ließ. Im Vergleich mit Kant beschreibt er Georg Christoph Lichtenberg als einen Denker, der »zum Systematiker zu ehrlich« war.393 Friedells Kritik an philosophischen Systemen ist sehr wahrscheinlich durch Friedrich Nietzsche beeinflusst. Dieser schreibt in der Götzendämmerung: »Ich misstraue allen Systematikern und gehe ihnen aus dem Weg. Der Wille zum System ist ein Mangel an Rechtschaffenheit.«394 Für Friedell liegt jedem System eine »Arbeit des Zurechtmachens und Verschleifens«395 zugrunde, weshalb er mehr dem Stil Lichtenbergs zugeneigt ist, der für ihn in dieser Hinsicht einen Antipoden Kants darstellt. »Die zähe Energie, mit der Kant auf der Grundmauer seiner neuen seelenwissenschaftlichen Entdeckungen ein weithinragendes Systemgebäude aufrichtete, ist schon allein als geistige Kraftleistung anzustaunen, aber es steckt darin doch auch viel Entsagung, ein Verzicht auf die völlige Freiheit des Denkens: freilich ein heroischer Verzicht, den wir wiederum bewundern müssen.«396 Bei aller Distanznahme spricht aus Friedell immer wieder der Bewunderer Kants. Wurde im vorigen Absatz Friedells Sichtweise zitiert, die Kritik der reinen Vernunft hätte etwas Destruktives und Verheerendes, so muss jedoch ergänzt werden, dass dies von Friedell an anderer Stelle relativiert wird, so wie Friedell oftmals Widersprüchliches behauptet, eine Eigenheit, die durchaus als charakteristisch für sein Denken angesehen werden darf. Kritik habe demnach nicht nur eine zersetzende Kraft, sondern sei ebenso wissenschaftlich produktiv : Kritik hat gar nichts ›Zersetzendes‹, denn sie löst ihr Objekt nur auf, um es dann um so lebendiger und einleuchtender vor den Augen des Betrachters entstehen zu lassen. So ist der Begriff seit Kant in das Bewußtsein der Gebildeten übergegangen. Er und seine Schüler haben den verschiedenen Wissenschaften erst ihr festes Fundament gegeben. Seine Kritik der Vernunft hat die menschliche Vernunft erst vernünftig und die menschliche Erkenntnis erst erkennbar gemacht.397
Von einer Bekanntschaft Friedells mit Kants Werken darf ab dem Jahr 1897 ausgegangen werden, da Friedells erste Philosophie-Studien bei Kuno Fischer in Heidelberg in dieses Jahr fallen. Friedell dürfte sich eine Vielzahl der Schriften Kants angeeignet haben, da er nicht nur auf die drei Kritiken, sondern auch auf seine »kleineren Schriften« Bezug nimmt.398 Zwischen verschiedenen Phasen der Beschäftigung Friedells mit Kant kann jedoch kaum unterschieden werden, da Friedell ältere Texte häufig in neue Texte einarbeitet, sodass sich der Versuch
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einer historischen Bestimmung des Textkorpus von Friedell als schwierig erweist.399 In der Kulturgeschichte der Neuzeit beschäftigt sich Friedell am ausführlichsten mit der Kritik der reinen Vernunft, die er zwar nur in groben Zügen, jedoch verständig und präzise zusammenfasst. Was Friedell jedoch für die eigenliche Leistung Kants hält, die seinem Werk auch ihre Tiefe verleiht, ist eine »Form der Phantasie, wie sie, zumindest in dieser extremen, ja absurden Ausprägung, noch nie auf der Welt gewesen war«.400 Mit dieser ungewöhnlich stark ausgeprägten Gabe eines anschaulichen Vorstellungsvermögens gelang es Kant nicht nur auf äußerst lebendige Weise über geografische Beschaffenheiten von Orten sprechen, die er nie gesehen hatte, sondern auch über Gebiete, »die überhaupt noch nie ein Mensch gesehen hatte. Dieses Gebiet, das nur er leibhaftig, deutlich und genau zu erblicken vermochte, war die menschliche Vernunft«.401 Gegen das von Heinrich Heine satirisch geprägte Bild Kants als Alleszermalmer und Allesverschleierer, das das Wort Moses Mendelssohns über den »alles zermalmenden« Kant um eine weitere Pointe bereichert,402 betont Friedell die grundlegende Übereinstimmung der beiden ersten Kritiken. Die Kritik der reinen Vernunft ebne den Weg für die Postulate der Kritik der praktischen Vernunft. Für Friedell stellt die praktische Vernunftkritik folglich die Vollendung der theoretischen dar, da diese Raum für den Glauben an die Ideen »Gott, Seele, Freiheit, Unsterblichkeit«403 lässt. Friedell ist der Ansicht, dass Kants Philosophie »in ihren Hauptstellungen unangreifbar ist. Im einzelnen jedoch war sie […] nicht frei von Widersprüchen und Zweideutigkeiten«.404 Für unangreifbar hält Friedell Kants transzendentalen Idealismus, als problematisch erachtet er jedoch einige Details der Raum- und Zeitlehre Kants sowie die Rede vom Ding an sich. In der Kulturgeschichte der Neuzeit findet Friedell gleich zwei musikalische Vergleiche. Zum Einen beschreibt er Kants Prolegomena als den »Klavierauszug«405 der Kritik der reinen Vernunft. Zum Anderen leitet er den Abschnitt über Kant mit einem Verweis auf die Uraufführung von Mozarts Oper Idomeneo ein. Im selben Jahr der Uraufführung, 1781, war nämlich auch die erste Auflage der Kritik der reinen Vernunft erschienen, was kein Zufall sein könne, sei der Idomeneo doch die erste Oper Mozarts »von Säkularformat«.406 Vergleiche philosophischer Werke mit Kunstwerken stellen jedoch bei Friedell keine Ausnahme dar. An anderer Stelle der Kulturgeschichte, im Abschnitt über Henrik Ibsen, entwickelt Friedell eine kryptisch verkürzte Gegenüberstellung von Ibsens Gespenstern mit Sophokles’ Ödipus: »[E]s besteht ein ähnliches Verhältnis wie zwischen hesiodischer und darwinischer Kosmogonie, zwischen der Idee bei Platon, die der zeugende Urgrund, und der Idee bei Kant, die das gesuchte Endziel ist.«407 Den Unterschied sieht Friedell im »dialektischen« Prozess, wie er
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einerseits im Aufbau des Ödipus Rex erscheint und im »experimentellen« Prozess andererseits, wie er für Ibsen oder überhaupt für die Moderne charakteristisch ist.408 Humoristischen Eingang fand Kants Kritik der Urteilskraft in einen von Friedells Texten, der den Titel Kritik der Natur trägt und 1913 im Berliner Tageblatt veröffentlicht wurde. Dort scherzt Friedell, er arbeite bereits an seiner Habilitationsschrift, die den Titel Kritik der Natur trage und »natürlich dem Gebiet der Ästhetik entnommen«409 sei. Friedells Kritik hat jedoch nichts mit Kants Kritik der Urteilskraft gemein, außer dem Anwendungsbereich, nämlich der Schönheit beziehungsweise der Natur. Friedell trennt hier nicht zwischen ästhetischer und teleologischer Urteilskraft und die Komik erwächst genau aus dieser fehlenden Unterscheidung. Friedell nähert sich verschiedenen Naturgegenständen wie ein Kunstkritiker, mit der Absicht, sie als hässlich auszuweisen und kritisiert den veralteten Geschmack des »Produzenten«, also der Natur oder des Schöpfers: »Zum Beispiel: einige Dinge sind absolut nicht mehr zu machen, denn sie widerstreiten direkt den ästhetischen Bedürfnissen des heutigen Publikums. Die Natur sollte doch einsehen, daß sie sich nach der Kundschaft zu richten hat. Erzwingen läßt sich nichts, und eine so altrenommierte Firma sollte das wissen.«410 Nach einer Anmerkung, dass der Geschmack »der abgetakelten Professoren der Ästhetik«411 unseren Geschmack noch immer viel zu sehr bestimme und beruhend auf alten Grundsätzen immer noch »erhabene« Schönheit verlange, endet er den Essay mit einer weiteren Anspielung auf Kant: »Und unter uns: ich bin auch gegen die Rose. Aber ich werde mich hüten, das laut zu sagen, denn die hat ja die ganze Presse hinter sich.«412
Kant im Werk Robert Musils von Christoph Leschanz Robert Musil (1880–1942) Robert Musil wurde am 6. November 1880 in Klagenfurt geboren und starb am 15. April 1942 im Genfer Exil.413 Er zählte zu den bedeutendsten österreichischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Grund hierfür ist vor allem sein unvollendet gebliebenes Monumentalwerk Der Mann ohne Eigenschaften, an dem Musil von Mitte der 1920er-Jahre an bis zu seinem Tod arbeitete. Der junge Musil verbrachte seine Kindheit zunächst in Steyr. Nach der Berufung seines Vaters auf den Lehrstuhl für Maschinenkunde und Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Brünn (1890),414 verlegte die Familie ihren Wohnsitz nach Mähren und im Jahr 1892 trat Robert Musil in die Militär-Unterrealschule Eisenstadt ein (eine Vorbereitung für eine spätere Offizierslaufbahn). Zwei Jahre später folgte der Wechsel in die Militär-Oberrealschule
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Abb. 25: Robert Musil in seinem Arbeitszimmer im Exil in Genf (1941)
Mährisch-Weißkirchen (Hranice) und 1897 der Übertritt als Offiziersanwärter auf die Technische Militärakademie in Wien.415 Der Militärlaufbahn den Rücken kehrend, begann Musil 1898 an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn ein Ingenieursstudium. Es folgte die Ausbildung als Einjährig-Freiwilliger zum Leutnant der Reserve der K.u.K.-Armee. Ins Jahr 1902 fiel auch Musils erste Kant-Lektüre,416 die zunächst abgebrochen, dann schließlich wieder aufgenommen wurde.417 Die für Musil prägendste Auseinandersetzung mit der Philosophie fand jedoch mit dem Werk Friedrich Nietzsches statt, die bereits 1898, im Alter von achtzehn Jahren begann.418 So notiert er einige Jahre später, damals 22-jährig, bereits rückblickend auf seine erste Nietzsche-Lektüre am 8. Mai 1902: »Heute zwei große Bände Nietzsche aus dem Franzensmuseum entliehen. Unwillkürlich heilige Stimmung, denn wie las ich ihn einst! Wie wird er wohl diesmal auf mich wirken?!« Und eine Woche später schreibt er : »Schicksal: Daß ich Nietzsche gerade mit achtzehn Jahren zum ersten Male in die Hand bekam. Gerade nach meinem Austritt vom Militär. Gerade im so und so vielten Entwicklungsjahr.«419 1903 erfolgte eine erneute Umorientierung des damals jungen Ingenieurs und
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Reserve-Offiziers, denn zum Wintersemester 1903 begann der Zweiundzwanzigjährige ein Studium der Philosophie und Psychologie (mit den Nebenfächern Mathematik und Physik) an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin,420 das 1908 mit der Schrift Beitrag zur Beurteilung der Lehren Machs bei Carl Stumpf – Gründer und Leiter des Instituts für Experimentalpsychologie in Berlin sowie Schüler Brentanos – abgeschlossen wurde. Karl Corino schreibt über Musils Studium: »Was er im Einzelnen von den Vorlesungen und Übungen wahrnahm, entzieht sich der Kenntnis, weil sich sein Studienbuch und seine Mitschriften etc. nicht erhalten haben.« Sicher sei allerdings, dass in die Zeit von Musils Philosophiestudien »etliche Veranstaltungen über Kants Leben und Lehre und über die Kritik der reinen Vernunft«421 fielen. In die Berliner Zeit fiel auch die Veröffentlichung des durchaus autobiographisch geprägten Debütromans Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906), in der sich der junge Törleß, Schüler einer K.u.K.-Militärschule, in einem Abschnitt mit den Schriften Kants auseinandersetzt. Der große Erfolg seines ersten Romans ermutigte Musil, eine Laufbahn als freier Schriftsteller einzuschlagen. 1911 erfolgte seine Rückkehr nach Wien und die Veröffentlichung der Vereinigungen. Mit Unterbrechung des ersten Weltkriegs, in dem Musil als Offizier zuerst an der österreichisch-italienischen Front und anschließend (ab 1916, nach schwerer Erkrankung) als Redakteur der Soldatenzeitung diente, blieb Musil bis zu seinem Tod freier Schriftsteller. Nach dem Krieg änderten sich die finanziellen Verhältnisse jedoch zusehends und die weitere schriftstellerische Tätigkeit war nur durch finanzielle Unterstützung möglich (zuerst der Berliner Musil-Gesellschaft und später durch den Wiener Robert-Musil-Fonds).422 In den 1920er- und 1930er-Jahren veröffentlichte Musil einige Schriften (1921, Die Schwärmer ; 1928, Die Amsel; 1935, Nachlaß zu Lebzeiten), hauptsächlich arbeitete er jedoch an seinem Roman Der Mann ohne Eigenschaften, dessen erster Band Ende 1930 erschien; der erste Teil des zweiten Bandes folgte 1932, die übrigen Fragmente wurden erst posthum veröffentlicht. Im August 1938 verließen Musil und seine Frau das mittlerweile vom Deutschen Reich annektierte Österreich. Sie lebten fortan unter prekären finanziellen Verhältnissen im Schweizer Exil, wo Musil am 15. April 1942 in Genf, beinahe vollkommen vergessen, starb.
Musil zwischen Kant und Nietzsche Das Gesamtwerk Robert Musils, vor allem jedoch sein unvollendet gebliebenes Monumentalwerk Der Mann ohne Eigenschaften, zeichnet sich durch die Auseinandersetzung mit mannigfaltigen Theorien und Denkansätzen aus. Die Philosophie nimmt dabei, neben der Psychologie, eine der zentralen Schlüs-
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selrollen in Musils Denken ebenso wie in seinen Texten ein; Musil begann zudem 1903 sein Studium der Philosophie und Psychologie an der damaligen FriedrichWilhelms-Universität in Berlin, das er im Jahr 1908 erfolgreich abschloss. Der wichtigste und für Musil prägendste Philosoph war mit Sicherheit Friedrich Nietzsche, den er selbst auch als »Ausgangspunkt«423 bezeichnet. Damit erschöpft sich die Auseinandersetzung Musils mit der Philosophie jedoch keineswegs. Eine besondere Beschäftigung mit Kant lässt sich beispielsweise in mehreren von Musils Werken feststellen. Zu nennen ist hier vor allem sein Debütroman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906), aber auch sein in Wien am 11. und 17. März gehaltener, sowie am 7. Dezember 1937 nochmals wiederholter Vortrag Über die Dummheit, Musils »letzte selbstständige Publikation zu Lebzeiten«.424 Auch im Mann ohne Eigenschaften findet Kant eine, wenn auch nur kurze, Erwähnung.425 »Bei einer genaueren Durchsicht des Werkes von Robert Musil zeigt sich, daß […] eine umfangreiche Beschäftigung, die nicht selten eine kritische Auseinandersetzung mit dem Denken Kants birgt, auffallend ist.«426 Auch für Musils Auseinandersetzungen mit Kunst und Ästhetik – zum Beispiel in der Skizze der Erkenntnis des Dichters (1918) – sind die Lehren Kants von Bedeutung, wenn er darin »die von Kant getroffene Einteilung der Philosophie in ›Naturphilosophie‹ und ›Moralphilosophie‹«427 aufnimmt. In Musils Tagebüchern und Notizen findet sich eine erste Eintragung zu Kant im Jahr 1902. Es heißt dort: Ich habe Kant nicht zu Ende gelesen, aber ich lebe beruhigt weiter und fürchte nicht vor Scham sterben zu müssen, daß ein Anderer bereits die Welt restlos erfaßte. Es gibt Wahrheiten aber keine Wahrheit. Ich kann ganz gut zwei einander völlig entgegengesetzte Dinge behaupten und in beiden Fällen Recht haben. Man darf Einfälle nicht gegeneinander abwägen – jeder ist ein Leben für sich. Siehe Nietzsche.428
Die kurzfristig abgebrochene Kant-Lektüre429 wird einige Monate darauf, im Juni desselben Jahres, wieder aufgenommen.430 Bereits bei diesem ersten Eintrag wird der Einfluss Nietzsches auf Musils Denken offensichtlich, was auch für dessen gesamte Kant-Erfahrung und Kant-Rezeption von Bedeutung ist und nicht vergessen werden darf. Es ist »wichtig zu bemerken, daß Musil Nietzsche vor Kant und Mach las, so daß seine Stellungnahme Kant und Mach gegenüber von Nietzscheanischen Urteilsmaßstäben beeinflußt wird.«431 Kant und Nietzsche stehen sich im Denken Musils in gewisser Weise gegenüber. Deutlich wird dies auch in seinem Essay Franz Blei vom 7. Juni 1918, wo es heißt: »Kant kann wahr oder falsch sein, Epikur oder Nietzsche sind nicht wahr oder falsch, sondern lebendig oder tot.«432 Es handelt sich für Musil bei den beiden Philosophen um zwei vollkommen unterschiedliche Zugangsweisen zur Welt, wovon jene Nietzsches für Musil zeit seines Lebens die bedeutendere blieb.
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Der Weg zur Erkenntnis und zu einem neuen Leben beziehungsweise einem neuen Verständnis des Lebens – beides sind zentrale Themen in Musils Gesamtwerk (vor allem jedoch im Mann ohne Eigenschaften) – wird also eher durch Nietzsche, denn durch Kant verkörpert. In einem Entwurf zu Nietzsche und Kant, der um 1901/1902 entstanden ist, vielleicht also noch vor den ersten Eintragungen zu Kant,433 beteuert Musil, dass letzterer keine Wahrheiten erkannt hätte, denn »wenn Kant wirklich Wahrheit erkannt hätte«, notiert er, so hätte er keine phylosoph. Systeme darauf gebaut. Wenn sich die Wahrheit durch ein solches ausdrücken ließe, wie müßte da die Welt aussehen. Wir Unersättlichen stünden entweder längs [sic] auf dem Standpunkt Kants, oder hätten unser Leben nie bis heute ertragen. […] Er war ein Grübler u Analytiker, aber das Weltbild schloss sich ihm nicht zusammen.434
Kant und Törleß – Der Militärschüler und der große Philosoph Im Jahr 1906 veröffentlichte Robert Musil seinen Erstlingsroman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß. Vorarbeiten für dieses Romanprojekt gehen jedoch schon bis in das Jahr 1902 zurück.435 Der junge Törleß wird in Musils Roman, der starke autobiographische Bezugspunkte aufweist, in einem Militär-Konvikt erzogen. »Für den Verkehr in den Kreisen der guten Gesellschaft galt es als besondere Empfehlung, im Konvikte zu W. aufgewachsen zu sein.«436 Der junge Schüler fühlt sich jedoch bereits nach kürzester Zeit im Institut unwohl. Das reiche Innenleben Törleß’ steht in großem Kontrast zum kargen Leben im Militärkonvikt. Sein Streben auch nach intellektuellen Antworten beschreibt Musil in seinem Werk äußerst detailliert. Törleß scheint den meisten seiner Kameraden dabei geistig überlegen zu sein. Nur einige wenige scheinen seine intellektuellen Interessen und Fragestellungen zum Leben und zur Welt zu teilen. Auf der Suche nach Antworten gerät die Hauptfigur dabei auch in Kontakt und in weiterer Folge in gewisser Weise auch in Konflikt mit Kant. Gerade Musils Erstling Die Verwirrungen des Zöglings Törless bietet eine Fülle von Einlassungen und Sichtweisen, die sich auf die Philosophie Kants beziehen. Dabei wird nicht nur auf die Kritik der reinen Vernunft geblendet, vielmehr wird auch die Kritik der praktischen Vernunft in das Spannungsfeld des Romans miteinbezogen.437
Anlass für die erste direkte Beschäftigung des jungen Törleß mit Kant sind die imaginären Zahlen in der Mathematik, die ihn zu Überlegungen reizen, auf die er jedoch keine abschließenden Antworten finden kann. »Das Merkwürdige ist ja gerade«, merkt der junge Schüler in einem Gespräch mit einem Schulkameraden an, »daß man trotzdem mit solchen imaginären oder sonstwie unmöglichen Werten ganz wirklich rechnen kann und zum Schlusse ein greifbares Resultat
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vorhanden ist!«438 Um diesem Dilemma der Wirklichkeit und Unwirklichkeit zu entrinnen, wendet sich Törleß an einen seiner Lehrer und sucht seinen Mathematikprofessor auf, der ihm jedoch auf seine Fragen nur unbefriedigend Antwort erteilen kann.439 Törleß lässt dabei jedoch nicht locker und da suchte der Professor, um es endgültig zu erledigen, nach einem letzten, überzeugenden Argumente. Auf einem kleinen Tischchen lag ein Renommierband Kant. Den nahm der Professor und zeigte ihn Törleß. ›Sehen Sie dieses Buch, das ist Philosophie, es enthält die Bestimmungsstücke unseres Handels. […] Aber’, lächelte er, als er sah, daß Törleß richtig das Buch aufschlug und darinnen blätterte: ›lassen Sie es doch jetzt noch. […] Vorläufig dürfte es wohl noch zu schwer für Sie sein.‹440
Obwohl Törleß von einer weiteren Beschäftigung mit Kant abgeraten wird, dessen philosophische Schriften als zu komplex und schwierig für den jungen Zögling angesehen werden, setzt sich der junge Schüler über diese Empfehlung hinweg. Diese erste Begegnung mit Kant ist vielmehr der Auslöser des Wunsches, einen näheren Blick auf die philosophischen Ideen zu werfen, die dem jungen Schüler als Lösungen für all die Probleme präsentiert wurden, denn »Törleß konnte gar nicht anders denken, als daß von Kant die Probleme der Philosophie endgültig gelöst seien und diese seither eine zwecklose Beschäftigung bleibe, wie er ja auch glaubte, daß es sich nach Schiller und Goethe nicht mehr lohne zu dichten«.441
Abb. 26: Militär-Unterrealschule in Eisenstadt, Postkarte (um 1900). Das Konvikt zu W. aus Musils Die Verwirrungen des Zöglings Törleß stellt eine Analogie zu dieser vom Autor besuchten Schule dar.
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Die Begegnung mit Kant ist also für Musils Protagonisten Törleß »zunächst einmal die Begegnung mit einem Namen«.442 Kant ist Törleß ein Begriff, jedoch nicht Kants Denken. Kant gehört dabei in die Kategorie der großen Namen, wie Goethe oder Schiller, gilt als Säulenheiliger der Philosophie und damit als unangreifbar. Die Bücher dieser großen Namen standen »zu Hause […] in dem Schranke mit den grünen Scheiben in Papas Arbeitszimmer, und Törleß wußte, daß dieser nie geöffnet wurde, außer um ihn einem Besuch zu zeigen. Er war wie das Heiligtum einer Gottheit.«443 Die Erfahrungen der Romanfigur des jungen Törleß dürften den schulischen Umgang mit den Schriften Kants im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert widerspiegeln. Man kann die Beschreibung Musils damit durchaus als zeitgenössische Kritik am damaligen bildungsbürgerlichen Umgang mit für unangreifbar erklärten Autoritäten sehen. Kritik ist dabei unangebracht, es gilt das Auf- und Übernehmen der alten und allgemein akzeptierten Werte. Bei diesem ersten Kontakt des jungen Törleß mit Kant bleibt es jedoch nicht, denn durch das Versprechen, dass sich mit Kant die Welt erklären ließe, wurde Törleß’ Interesse geweckt und er sucht daraufhin näheres Verständnis der philosophischen Schriften; ein Versuch, der jedoch sehr bald zur Enttäuschung wird, denn bereits nach einer ersten oberflächlichen Beschäftigung tritt Ernüchterung ein. Schon der nächste Tag brachte eine arge Enttäuschung. Törleß hatte sich nämlich am Morgen die Reclamausgabe jenes Bandes gekauft, den er bei seinem Professor gesehen hatte, und benützte die erste Pause, um mit dem Lesen zu beginnen. Aber vor lauter Klammern und Fußnoten verstand er kein Wort, und wenn er gewissenhaft mit den Augen den Sätzen folgte, war ihm, als drehe eine alte, knöcherne Hand ihm das Gehirn in Schraubenwindungen aus dem Kopfe.444
Zuerst bleibt Törleß hartnäckig und versucht es weiter, doch auch diese Versuche schlagen fehl und schließlich legt er Kant, desillusioniert, beiseite. Man könnte sagen, die strenge Systematik Kants verstellt dem jungen Törleß den Blick auf »Wahrheiten«. Als er sich mit einem seiner Schulkollegen über diese Problematik unterhält, bekommt er von diesem zur Antwort: »Diese Erwachsenen und ganz Gescheiten haben sich da vollständig in ein Netz eingesponnen, eine Masche stützt die andere, so daß das Ganze Wunder wie natürlich aussieht; wo aber die erste Masche steckt, durch die alles gehalten wird, weiß kein Mensch.«445 Kant, den Musil an anderer Stelle als den »ungeheure[n] Systematiker dieser Epoche [gemeint ist die Deutsche Klassik, CL]«446 bezeichnete, öffnet nicht den Blick auf Lösungen. Kant war eben, zumindest für den jungen Musil, und ebenso auch für seinen Törleß, nur »Grübler u Analytiker, aber das Weltbild schloss sich ihm nicht zusammen.«447 In demselben Entwurf weist Musil auch auf den großen Unterschied zu Nietzsche hin, denn auf diesen bezogen meint er :
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»Wenn N. aus seinen Aphorismen ein System gebaut hätte, wie haltlos wäre es. Man sieht es an seinen Fortsetzern. Man darf die Einfälle nicht gegeneinander abwägen.«448 Deutlich kann man hier bereits erkennen, was später einmal, im Mann ohne Eigenschaften, zu der Idee des Möglichkeitsmenschen werden wird. Dieser Möglichkeitsmensch sagt beispielsweise nicht: Hier ist dies oder das geschehen, wird geschehen, muß geschehen; sondern er erfindet: Hier könnte, sollte oder müßte geschehn; und wenn man ihm von irgend etwas erklärt, daß es so sei, wie es sei, dann denkt er : Nun, es könnte wahrscheinlich auch anders sein.449
Törleß jedoch ist von dieser Auffassung noch weit entfernt. Bei ihm herrschen hauptsächlich noch Verwirrung und Enttäuschung vor. Die Denkkonstrukte der Mathematik oder Philosophie stoßen sich an seiner Lebensrealität und ein Ausweg eröffnet sich ihm nicht – auch nicht durch Kant, der alles vielmehr nur noch verkompliziert. Törleß will dabei durch die Wissenschaft nicht die Welt erklären, er will etwas in sich selbst erklären. Es geht ihm um etwas Natürliches in ihm selbst, das er allerdings nicht fassbar machen kann.450 Wieder lässt sich hier auf spätere Anknüpfungspunkte im Mann ohne Eigenschaften verweisen. Musil verpflichtet sich ähnlich wie der junge Törless oder später Ulrich in Der Mann ohne Eigenschaften dem Denken in Denkdispositionen und nicht dem Denken des urteilenden Geistes. Denkdispositionen entfalten einen Spielraum, der sich zwar auch an den Kategorien möglicher Erkenntnis orientiert, sie verneinen aber jeglichen starren Kausalitätsanspruch im Sinne von Ursache und Wirkung.451
Statt sich weiter Kant zuzuwenden, beendet Törleß schließlich seine Auseinandersetzung mit dessen Philosophie und so ist die »Episode mit Kant«, schon nach kurzer Zeit, »nahezu gänzlich überwunden.«452 Kant und dessen Denken führen für Törleß am Ende also nicht zu einer großen Offenbarung und sie bieten auch keine Antworten auf die für ihn so drängenden Fragen. Vielmehr erlebt der jugendliche Schüler der Erzählung die Philosophie als herbe Enttäuschung, da sie ihm nicht die Lösungen liefern kann, die er sucht. Für die Entstehungszeit des Romans ist zudem auffällig, dass sich der Autor ebenfalls schnell von Kant abwendet, sogar notiert, wie schon eingangs erwähnt: »Ich habe Kant nicht zu Ende gelesen, aber ich lebe beruhigt weiter.«453 Zwischen Musil und seiner Romanfigur gibt es hierbei also Ähnlichkeiten, auch wenn man äußerst vorsichtig sein muss, die eine Tatsache für die andere vorschnell oder gar exklusiv verantwortlich zu machen. Die abgebrochene Kant-Lektüre der Romanfigur muss dabei nicht die abgebrochene KantLektüre des Autors wiederspiegeln; eine solche Vereinfachung greift zu kurz. Dass eine Auseinandersetzung Musils mit Kant vorlag, kann jedoch keinesfalls bestritten werden und selbst wenn diese eher zu einer Ablehnung geführt hat, ist sie deswegen doch nicht weniger bedeutsam. Eine solche Ablehnung war viel-
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leicht unausweichlich, denn »für Musil ist Philosophie als Wissenschaft in Systemen Grenze jeglicher Erkenntnis.«454 Die Beschäftigung mit Kant war zur Herausbildung dieser Ansicht, die das spätere Hauptwerk Musils, den Mann ohne Eigenschaften, wie ein roter Faden durchzieht, wohl ein bedeutender Baustein.
Franz Kafka – Der vergessene Friede von Caroline Scholzen In der Mitte des Ersten Weltkrieges, am 14. März 1916, veröffentlichte der Prager Schriftsteller und Journalist Max Brod in der Zeitschrift Die Schaubühne einen Artikel über Kants Schrift Zum ewigen Frieden. Er empfiehlt darin, sich diesem »kleine[n] Büchlein« zuzuwenden und sich an selbigem zu »erfrischen«, da es »voll der echten wie auch der neubemerkten, scheinbaren Aktualität« sei und es wohltue, »solche Worte zu hören, die heute ganz unglaublich klingen«.455 Brod stellt Vergleiche zwischen Kants Beschreibungen der »politischen Moralisten« und der aktuellen Kriegspolitik an und vermerkt mit aller Deutlichkeit: Während es heutzutage zum Gemeinplatz aller Kriegsschreier geworden zu sein scheint, daß politische Erwägungen mit Ethik gar nichts zu tun haben, daß ethische Prinzipien höchstens zum Aufputz einer Note gut genug sind, ja daß der Staatsmann, der etwas andres als den nackten brutalen Vorteil im Auge hat, ein nicht ernstzunehmender Tropf ist […] – während also allenthalben der eigentliche Sinn einer übernationalen, überstaatlichen Humanität und Moralität ganz in Vergessenheit geraten zu sein scheint: erhebt der ehrwürdige Kant seine unerschütterliche Stimme und stellt fest, daß ›politische Maximen nicht von der aus ihrer Befolgung zu erwartenden Wohlfahrt und Glückseligkeit eines jeden Staats ausgehen dürfen, sondern von dem reinen Begriff der Rechtspflicht, – die physischen Folgen daraus mögen sein, welche sie wollen‹.456
Am 27. Oktober 1917 nahm Franz Kafka (1883–1924) an einem Vortrag seines Freundes Max Brod in Komotau teil.457 Im selben Monat muss ein nicht erhaltener Brief von Felice Bauer an Kafka ein Zitat aus Kants Friedensschrift enthalten haben. In der von Hans-Gerd Koch herausgegebenen kritischen Werkausgabe der Briefe Kafkas wird angenommen, dass Felice Bauer Kafka in ihrem Brief den ersten Präliminarartikel aus Zum ewigen Frieden wiedergab, der folgendermaßen lautet: Es soll kein Friedensschluß für einen solchen gelten, der mit dem geheimen Vorbehalt des Stoffs zu einem künftigen Kriege gemacht worden.458
Kafka scheint in seinem Antwortbrief vom 16. Oktober 1917 auf diese Stelle Bezug zu nehmen, wenn er am Ende seines Briefes schreibt:
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Abb. 27: Franz Kafka
Kant kenne ich nicht, der Satz aber soll wohl nur für die Völker gelten, auf Bürgerkriege, auf ›innere Kriege‹ bezieht er sich kaum, hier ist der Friede wohl nur jener, den man der Asche wünscht. – Franz459
Abb. 28: Brief, Franz Kafka am 16. Oktober 1917 an Felice Bauer
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Mit »Kant« kann metonymisch zwar nur die bestimmte Schrift gemeint sein, doch mutet die Verweigerung einer Kenntnis Kants wie ein überraschendes, ein wenig paranomastisches Wortspiel an, da Kafka die Werke Kants kannte. Nicht nur seine Schopenhauer-Lektüren und seine Besuche des Studienkreises um Samuel Hugo Bergmann legen dies nahe, auch vermerkte er in einer der von ihm angelegten »Bücher-Listen« seiner Bibliothek: »Kant Philosophische Taschenbücherei«.460 Der Status dieser Bücher-Listen ist jedoch unsicher, da Kafka seine Auflistungen »aus unterschiedlichen Anlässen« zusammenstellte. So erklärt der Literaturwissenschaftler Jürgen Born zu Kafkas bibliothekarischen Verzeichnissen: »Zum Teil wurden sie sorgsam aufgeführt, zum Teil nur flüchtig notiert, oder innerhalb eines Briefes erwähnt.«461 Nichtsdestotrotz kann man Kafkas Kenntnis von Kants Friedensschrift an der oben zitierten Briefstelle erkennen: Kafka verwendet für den Aufbau des Satzes die gleiche Ambiguität des Ausdrucks »Zum ewigen Frieden«, mit der Kant Zum ewigen Frieden eröffnet. Kant weist gleich zu Anfang daraufhin, dass er den Titel seiner Schrift von einem »satirischen« Gasthausschild übernommen habe. In Bezug auf die zeitgenössische politische Lage kritisiert er mit der Frage nach dem Geltungsanspruch dieser »Überschrift« die »Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können«.462 Zudem nutzt er die Ambiguität des Ausdrucks »Ewiger Friede«, wenn er innerhalb des Kommentars zum 6. Präliminarartikel für das Verbot eines Ausrottungskrieges argumentiert, der »den ewigen Frieden nur auf dem großen Kirchhofe der Menschengattung stattfinden lassen würde.«463 Die Konstruktion und Kommentierung der Präliminarartikel basiert auf der Annahme zweier verschiedener, simultan bestehender Rechtszustände – dem Naturzustand in den äußeren Wechselverhältnissen der Staaten und dem bürgerlichen Recht innerhalb der einzelnen Staaten.464 Während Kants Argumentation wie in der Rechtslehre »auf den Übergang aus dem Naturrecht in ein bürgerliches Rechts angelegt«465 ist, stellt Kafka in seiner kurzen Stellungnahme zu Kant diesen von Kant vorausgesetzten Übergang von Rechtszuständen in Frage. Für den Juristen Kafka ist ein zweigeteilter Rechtszustand nicht nur ein »verdächtiger Pleonasm«, sondern ein »Wunsch, den man der Asche wünscht«. Kafka erweitert die von Kant gestellte Frage nach dem Geltungsanspruch auf »Ewigen Frieden«, indem er sie auf »innere Kriege« und »Bürgerkriege« bezieht. Im Gegensatz zu Kant sieht Kafka die Grundvoraussetzungen für einen »Ewigen Frieden« mit einer republikanischen Verfassung noch lange nicht für gegeben an. In Form einer wörtlichen Konkretisierung der Phrase vom »Ewigen Frieden« beanstandet er, dass Kant in den Präliminarartikeln seiner Friedensschrift die anthropologischen Voraussetzungen des Menschen zu vergessen scheint, die Kant selbst für die Entwicklung einer bürgerlichen Gesellschaft voraussetzt. Es ist fast zu übersehen, dass Kafka in der kurzen Briefstelle den Ausdruck »innere Kriege« in Anführungszeichen setzt, womit er nicht nur einen Hinweis auf
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dessen Zitatcharakter und das Werk Kants gibt, sondern zusätzlich die semantische Einheit »innere Kriege« hervorhebt, sodass sie besondere Betonung erhält. Kafka könnte hier auf eine andere Bedeutung von »innere Kriege« hinweisen und Kant gleichzeitig zitieren wollen. Die Begriffe »innerer und äußerer Krieg« sowie »innerer und äußerer Friede« werden von Kant selbst verwendet.466 In Zum ewigen Frieden und der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht führt er den »inneren Krieg« als Kriegsart an, durch den die Natur die Einrichtung einer republikanischen Verfassung und einer bürgerlichen Gesellschaft garantiert.467 Dieser »innere Krieg« sei Folge der »ungesellige[n] Geselligkeit« des Menschen, zu der Kant in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht ausführt: Das Mittel, dessen sich die Natur bedient, die Entwickelung aller ihrer Anlagen zu Stande zu bringen, ist der Antagonism derselben in der Gesellschaft, so fern dieser doch am Ende die Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird. Ich verstehe hier unter dem Antagonism die ungesellige Geselligkeit der Menschen, d.i. den Hang derselben in Gesellschaft zu treten, der doch mit einem durchgängigen Widerstande, welcher diese Gesellschaft beständig zu trennen droht, verbunden ist. […] Der Mensch hat eine Neigung sich zu vergesellschaften : weil er in einem solchen Zustande sich mehr als Mensch, d.i. die Entwickelung seiner Naturanlagen, fühlt. Er hat aber auch einen großen Hang sich zu vereinzelnen (isoliren): weil er in sich zugleich die ungesellige Eigenschaft antrifft, alles bloß nach seinem Sinne richten zu wollen, und daher allerwärts Widerstand erwartet, so wie er von sich selbst weiß, daß er seinerseits zum Widerstande gegen andere geneigt ist.468
Der Antagonismus als Ermöglichungsbedingung einer bürgerlichen Gesellschaft wird von Kant in der Friedensschrift als mittels Gewaltenteilung zu lösendes juridisches Problem angesehen, wohingegen er eine »vollkommene« Lösung der Spannung zwischen Vereinzelung und Geselligkeit in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht für »unmöglich« hält.469 Eine Annäherung an eine Lösung sei zwar »von der Natur auferlegt«, aber der Mensch bleibe »ein Thier, das, wenn es unter andern seiner Gattung lebt, einen Herrn nöthig hat.«470 Kafka schreibt diese Feststellung Kants nicht nur weiter, sondern um, wenn er 1920 in titellosen, kurzen Aufzeichnungen notiert: »Das Tier entwindet dem Herrn die Peitsche und peitscht sich selbst um Herr zu werden und weiß nicht, daß das nur eine Phantasie ist, erzeugt durch einen neuen Knoten im Peitschenriemen des Herrn.«471 Mit dieser kritischen Umschreibung wird daraufhin hingewiesen, dass der Mensch den »Herrn«, der ihm laut Kant »den eigenen Willen breche und ihn nöthige, einem allgemeingültigen Willen, dabei jeder frei sein kann, zu gehorchen«,472 als allgemeine Gesetzgebung introvertiert. Der »Krieg« zwischen Geselligkeit und Ungeselligkeit beziehungsweise zwischen Gemeinschaft und Eigentümlichkeit ist für Kafka ein innerer, da das Individuum die Verbote und Gebote der Gesellschaft internali-
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siert.473 Für den Literatur-und Kulturwissenschaftler Joseph Vogl markiert Kafka mit dieser Kant-Replik zwei »Endpunkte und Blindstellen bürgerlicher Moralphilosophie: einerseits die Aufzehrung des Individuellen durchs universale Gesetz, andererseits den unerfüllten Anspruch der Selbstbehauptung«.474 Kafka fragt in seinem Werk, laut Vogl, immer wieder nach einer Individualität, »die der Entgegensetzung von Individuum und Gesellschaft entkommt und doch der Auslöschung ihrer Differenz widersteht«.475 Dementsprechend lässt er im Stil einer Verfassungsschrift eine Fragment gebliebene Schrift aus dem Jahr 1916 mit den Worten beginnen: »Jeder Mensch ist eigentümlich und kraft seiner Eigentümlichkeit berufen zu wirken er muß aber an seiner Eigentümlichkeit Geschmack finden.«476 Das Recht auf Eigentümlichkeit lässt sich an einer Szene aus Kafkas ebenfalls nur fragmentarisch überliefertem Roman Der Verschollene veranschaulichen. Kafka hat an diesem Roman von 1911 bis 1915 immer wieder gearbeitet. Der Hauptprotagonist Karl hat ein Vorstellungsgespräch beim »Naturtheater von Oklahoma«, welches auf Plakaten damit wirbt, dass im Theater jeder willkommen sei. Das Bewerbungsverfahren, auf einer Rennbahn stattfindend, entpuppt sich als ein Legitimationsverfahren, in dem in zweihundert Kanzleien Legitimationspapiere bezüglich des jeweiligen Berufsstandes eingefordert werden. Der ausweislose Karl wird von einer Station zur nächsten verwiesen. Es wird ihm jedoch immer wieder versichert, dass er nicht beunruhigt sein solle, denn das Theater könne jeden brauchen.477 In der letzten Kanzlei wird er vom »Schreiber«, der dort im Gegensatz zum Leiter, die »Oberhand«478 hat, ohne weitere Beanstandungen aufgenommen. Sogar der Name »Negro«, den Karl als den seinen ausgibt, wird ins Aufnahmebuch eingetragen.479 Einzig der Schreiber der letzten Kanzlei, in der Karl »Zuflucht«480 findet, nimmt einen, dem nie gestattet wurde, »Rossmann« zu sein (so der Familienname Karls), auf. Kafka fordert mit dieser Szene, in der sich ein Rossmann auf einer Rennbahn als »Negro« bezeichnet, ein absolutes Gastrecht, welches nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu einer Familie oder einer Landsmannschaft verbürgt ist.481 Er schreibt damit gegen das Konzept von »Hospitalität« an, welches Kant als Bedingung des Weltbürgerrechts entwickelt hatte – bemerkenswerterweise unter Eingrenzung auf das Besuchsrecht. So heißt es im dritten Definitivartikel aus Kants Schrift Zum ewigen Frieden: Es ist kein Gastrecht, worauf dieser [ein Fremdling, CS] Anspruch machen kann (wozu ein besonderer wohlthätiger Vertrag erfordert werden würde, ihn auf eine gewisse Zeit zum Hausgenossen zu machen), sondern ein Besuchsrecht, welches allen Menschen zusteht, sich zur Gesellschaft anzubieten[.]482
Kafka hat vielmehr eine Gesellschaft vor Augen, in der Menschen auch ohne Verträge, die der Gefahr der heimlichen egoistischen Vorbehalte nicht entgehen, zueinander gastlich sind. Er war sich jedoch bewusst, dass es diese Gesellschaft
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nicht gibt. So berichtet der Schriftsteller Oskar Baum, der ein enger Freund Kafkas war, von einem gemeinsamen Aufenthalt mit Kafka bei dessen Schwester in Zürau und von einem Plan Kafkas für eine »kleine phantastische Geschichte«: Ein Mann will die Möglichkeit einer Gesellschaft schaffen, die zusammenkommt, ohne eingeladen zu sein. Menschen sehen und sprechen und beobachten einander, ohne einander zu kennen. Es ist ein Gastmahl, das jeder nach seinem Geschmack, für seine Person bestimmen kann, ohne daß er irgendwem beschwerlich fällt. Man kann erscheinen und wieder verschwinden, wenn es einem beliebt, ist keinem Hauswirte verpflichtet und ist doch, ohne Heuchelei, immer gern gesehen. Als es zum Schluß tatsächlich gelingt, die skurrile Idee in Wirklichkeit umzusetzen, erkennt der Leser, daß auch dieser Versuch zu Erlösung des Einsamen nur – den Erfinder des ersten Kaffeehauses hervorgebracht hat.483
Abb. 29: Franz Kafka, Zeichnungen
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Nicht nur dass viele Szenen in Kafkas Werk in ungeselligen Gasthäusern spielen, auch versucht er immer wieder Fremde in diese Häuser einzuschreiben und damit eintreten zu lassen. Den ausweislosen Unbekannten wird jedoch schnell der Prozess gemacht, man gibt ihnen wie im letzten unvollendet gebliebenen Roman Das Schloss unmissverständlich zu verstehen: »Gastfreundlichkeit ist bei uns nicht Sitte, wir brauchen keine Gäste.«484 Auf den kriegerischen Kampf der gegenseitigen Beobachtung kann für Kafka nicht mit einem Gastrecht reagiert werden, welches Regeln der Verständnisfestlegung und Identitätsfeststellung erfordert. Wurde mit der Replik auf die Philosophie Kants in den Jahren vor und während des Ersten Weltkrieges von tschechischen, österreichischen und deutschen Journalisten und Künstlern Kritik an der zeitgenössischen Naturwissenschaft und den politischen Ideologien des Liberalismus zur Geltung gebracht, so geht Kafkas Kant-Rezeption über diese Inanspruchnahme hinaus.485 Kafka versucht Kants Begriff von »Hospitalität« vielmehr in seinen Werken umzuschreiben. Er begegnet den »inneren Kriegen« mit einem unerbittlichen Schreiben um Kommunikation zwischen Menschen, die sich unvoreingenommen begegnen ohne einander auf die Rolle eines zu beobachtenden Gegenübers festzuschreiben. Am 27. 1. 1922, vier Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges, schreibt er in sein Tagebuch: Merkwürdiger, geheimnisvoller, vielleicht gefährlicher, vielleicht erlösender Trost des Schreibens: das Hinausspringen aus der Totschlägerreihe, Tat – Beobachtung, Tat – Beobachtung, indem eine höhere Art der Beobachtung geschaffen wird, eine höhere, keine schärfere, und je höher sie ist, je unerreichbarer von der ›Reihe‹ aus, desto unabhängiger wird sie, desto mehr eigenen Gesetzen der Bewegung folgend, desto unberechenbarer, freudiger, steigender ihr Weg.486
Es ist nicht schwer, die Aktualität der Literatur Kafkas einzugestehen – scheint doch auch »heutzutage«, und besonders an den Grenzen Europas, die »übernationale und überstaatliche Humanität und Moralität«,487 um deren Willen Brod zur Kant-Lektüre aufrief, immer noch vergessen zu sein.
Der »Verfall« des Prager Kreises von Caroline Scholzen »Wir kommen jetzt zu Kants Kritik der reinen Vernunft, die eigentlich eine Kritik der reinen Unvernunft ist.«488 So führte laut Max Brod zu Anfang des letzten Jahrhunderts an der Prager Karls-Universität, »mit ›feinem‹ Lächeln den Zeigefinger« erhebend, Professor Anton Marty im Rahmen seiner alljährlichen Vorlesungen zur Geschichtsphilosophie in die Philosophie Kants ein. Max Brod erinnert sich an eine unter den Studenten kursierende Mitschrift der Vorlesung, in der bei der Einleitung in Kants Philosophie vermerkt war : »Lachen«. Über
Der »Verfall« des Prager Kreises
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dieses Lachen, »jedes Jahr von neuem überrascht, hob der Professor den Blick von seinem Kollegienheft und freute sich mild.«489 Anton Marty, der 1880 an die Prager Karls-Universität berufen worden und dort bis 1913 in der Lehre tätig war, hatte bei Franz Brentano in Würzburg studiert490 und hielt laut Brod »unbedingte Treue« gegen seinen Lehrer Brentano. Brod zufolge wurden von Brentano und Marty »nur ganz wenige« Philosophen anerkannt, »die als Vorläufer Brentanos galten und fleißig studiert wurden«.491 Kant gehörte eindeutig nicht dazu, denn Brentano ging davon aus, dass die Philosophie Kants den »Kern« eines »Verderbens«492 in sich trage und den »Verfall der Philosophie« in der Neuzeit ausgelöst habe.493 In den Seminaren Martys bildet sich schnell der sogenannte »Brentanistenkreis«.494 Neben den »Brentanisten« besuchen im Sommersemester 1902 auch Franz Kafka und die einen Salon in Prag unterhaltende Berta Fanta eine Vorlesung Martys.495 Im Gegensatz zu Kafka, der aufgrund seiner Enttäuschung von der Prager Germanistik schon früh den Besuch geisteswissenschaftlicher und philosophischer Vorlesungen einstellt496 und sich ab dem Wintersemester 1902/03 nur mehr auf sein juristisches Studium konzentriert, ist Berta Fanta Georg Gimpl zufolge sehr bald von diesem Brentano-Fieber der engeren Mitarbeiter und Schüler um Marty herum erfasst. […] Es dauert nicht lange, wird in Prag auch schon ein lockerer Verein von Verehrern des Meisters ins Leben gerufen, der sich ausschließlich dem Studium seiner Lehre widmet und sich dazu zunächst vorzüglich in ihrem Salon am Altstädter Ring bzw. in ihrer Sommervilla in Podbaba trifft.497
Die Lese-und Studierabende im Hause Fanta finden parallel zu den schon etablierteren Diskussionsabenden im Caf¦ Louvre statt.498 Während sich im Caf¦ Louvre die »D¦pendance der deutschen Universität« trifft und die Lehre Franz Brentanos »beinahe unumschränkt«499 herrscht, zeichnet die Abende im Hause Fanta Offenheit für andere Wissenschaften aus: Was im Louvre ›tabu‹ war (Kant, die Relativitätstheorie), das trat in dem durchaus privateren, inoffiziellen Milieu des Hauses Fanta wie zur Entschädigung und ganz zwanglos in den Mittelpunkt […]. Das Caf¦ Louvre und das alte […] Bürger- und Apothekerhaus (Fanta) ›Zum Einhorn‹ am Altstädter Ring: Das waren zwei Bühnen, denen wohl ein Teil der Schauspieler gemeinsam war (nicht alle, nur ein Teil), für die aber das Repertoire doch nach ganz verschiedenen Grundsätzen gewählt wurde.500
Die Wissenschaftsbereiche, denen man sich im Salon Berta Fantas zuwendet, reichen von der Relativitätstheorie Albert Einsteins – auch er war Gast Fantas – bis zur Anthroposophie Rudolf Steiners.501 Zudem bildet sich 1910 ein neuer Lektüre- und Studienkreis um Samuel Hugo Bergmann, der Schwiegersohn Berta Fantas. Der Gymnasialschulfreund Kafkas hat zu diesem Zeitpunkt schon seine Habilitationsschrift über Bernhard Bolzano an der Karls-Universität vorgelegt. Es kommt jedoch zu Verzögerungen seiner Habilitierung, die mit dem
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geringen Stellenwert, den Brentano dem Werk Bolzanos zuschreibt, zusammenhängen.502 Bergmann hat daraufhin die Absicht, sich auch an anderen Universitäten um eine Lehrstelle zu bewerben und gründet zum Zwecke der Vorbereitung auf die dort vorherrschende Philosophie seinen eigenen Studienkreis. Im Gegensatz zu Kafka, der diesen Studienkreis nur selten besucht, nehmen Kafkas Freunde Max Brod und Felix Weltsch an den Lektüreabenden regelmäßig teil.503 Der Studienkreis von Bergmann bildet einen Treffpunkt unter mehreren desjenigen Kreises von Schriftstellern, Philosophen und Journalisten, welchen Max Brod später »Prager Kreis« genannt hat und als deren Mittelpunkt er sich ansah.504 Brod weiß über die Abende bei Bergmann Folgendes zu berichten: Unter Führung von Hugo Bergmann, unter besonders reger Teilnahme von Felix Weltsch wurde zunächst das Buch ›Prolegomena zu einer künftigen Metaphysik‹, sodann die ›Kritik der reinen Vernunft‹ Seite für Seite vorgelesen. Man ging nicht weiter, ehe alles Gelesene nicht durchüberlegt und verstanden war. […] Einiges wurde allerdings nur exzerpiert, doch war es Pflicht für jeden einzelnen, die ›übersprungenen‹ Teile privat in extenso zu lesen. Die Lektüre der beiden Werke nahm unsere DienstagAbende zwei volle Jahre lang in Anspruch. Dann folgte ein Jahr lang Fichtes ›Wissenschaftslehre‹ und ein weiteres Jahr, bereits flüchtiger, Hegels ›Phänomenologie des Geistes‹. Ich habe in meinem Leben nie so gründlich und mit solcher Freude gelernt wie im Haus Fanta. Das Hauptverdienst an dieser Lernfreude hatte stets die überlegene und gewissenhafte Anleitung durch Bergmann.505
Franz Brentano und Anton Marty sind über die neuen philosophischen Interessen und den Studienkreis ihres hoffnungsträchtigen Schülers Bergmann entrüstet.506 Im Briefwechsel zwischen Brentano und Bergmann werden Bergmanns Kant-Studien alsbald Thema. Brentano versucht die Analysen Bergmanns ausführlich und in wiederholter Weise zu widerlegen und macht ihm zudem unmissverständlich klar, dass sein Interesse an Kant Folgen für seine berufliche Karriere habe.507 Er sieht im Studium der Philosophie Kants »eine ansteckende Krankheit«,508 die für einen »jungen Mann« nur schädigend sein kann.509 In weiteren Briefen bedauert er Bergmanns Abirren »vom Wege einer wahrhaft wissenschaftlichen Forschung«510 und versucht Bergmann in seinem letzten Brief abermals davon zu überzeugen, dass Kant »die Entartung der spaeteren deutschen Philosophie vorbereitet hat und wesentlich fuer sie verantwortlich gemacht werde muss.«511 Zusätzlich wirft er Bergmann vor, ein neues »Unheil« zu schaffen.512 Bergmann – diese Kritik anfänglich noch höflich abwehrend – wird alsbald seinen Lehrern gegenüber selbstbewusster und kritisiert diese direkter.513 An seinem Interesse und seiner Auseinandersetzung an und mit der Philosophie Kants festhaltend, wird Bergmann später als erster Rektor der Hebräischen Universität Jerusalem gemeinsam mit Nathan Rotenstreich die Kritik
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der reinen Vernunft (1947) und die Kritik der Urteilskraft (1960) ins Hebräische übersetzen.
Abb. 30: Barbara Ruppel, Tierwerdung - Franz Kafka, die Verwandlung, Silbergußmedaille (2007)
Ingeborg Bachmann – Die Sprache der Gestirne von Caroline Scholzen Mit der Nennung der Kritik der reinen Vernunft beginnt die namenlose, weibliche Ich-Figur514 des Romans Malina eine Aufzählung der Lektüren ihrer Studienzeit, bei der sie die von ihr gelesenen Werke mit Wattangaben verbindet, welche den für das jeweilige Lesen erforderlich gewesenen äußerlichen Energieumsatz pro Zeitspanne angeben. Laut dieser Auflistung wurde die Kritik der reinen Vernunft von ihr bei 60 Watt, »Kafka, Rimbaud und Blake« bei 25 Watt und »Freud, Adler und Jung« bei 360 Watt gelesen. Notizen und Skripten werden hingegen auf Grad-, anstatt Wattangaben bezogen.515 Im Gegensatz zum Lesen von bereits geschriebenen Werken ist für ihr Schreiben nicht ein räumlich und zeitlich begrenzter Energieumsatz von Bedeutung sondern eine das thermodyamische Gleichgewicht angebende Außentemperatur. Um dieses Gleichgewicht immer wieder herzustellen, wird am Ende des Romans ein steigender und für die Ich-Figur lebensbedrohlich werdender »Grad des Denkenmüssen[s]«516 erreicht. Mit der Notwendigkeit zu denken und ihrer erhöhten Gefahr für das denkende Ich steht am Schluss von Malina wiederum Kants Kritik der reinen Vernunft in Verbindung. Bevor jedoch auf diese Verbindung näher eingegangen wird, muss darauf hingewiesen werden, dass außer am Beginn der erwähnten und sich ihrerseits mittels subjektloser Partizipialkonstruktionen ikarusgleich
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syntaktisch dynamisierenden Lektüre-Auflistung Kants Schriften in Malina an keiner Stelle in Bachmanns Werk explizite Erwähnung finden. Nach einer bestehenden Auseinandersetzung Ingeborg Bachmanns (1926–1973) mit Kants Philosophie und ihrer literarischen Realisierung kann dennoch gefragt werden, wobei diese im von Bachmann immer wieder hervorgehobenen dialogischen Charakter des literarischen Zitats anstatt in direkten Verweisen zu suchen ist. Anhand von Auszügen ihrer 1961 publizierten Erzählung Das dreißigste Jahr, ihren Frankfurter Poetik Vorlesungen aus dem Wintersemester 1959/1960 und ihrem 1970 erschienenen Roman Malina wird im Folgenden erstmals der Versuch unternommen sich dieser Auseinandersetzung anzunähern.
Abb. 31: Heinz Bachmann, Ingeborg Bachmann (1962)
Kurz vor ihrem Rigorosum, so berichtet die Ich-Figur – da man zusätzlich zur in der ersten Person von sich erzählenden Hauptprotagonistin noch eine auktoriale Stimme im Roman Malina vorfindet, kann nicht von einer Ich-Erzählerin gesprochen werden –, habe sie einen Brand im Institut für Philosophie der Universität Wien verhindert: [A]n dem Morgen […] ist im Philosophischen Institut aus dem Ofen die ganze Glut herausgefallen, […] es glühte und rauchte so fürchterlich, ich wollte nicht, daß ein Brand entstünde, ich habe mit den Füßen auf der Glut herumgetreten, es hat noch tagelang danach gestunken im Institut, meine Schuhe waren versengt, aber es ist nichts abgebrannt. Auch die Fenster habe ich noch alle aufgemacht.517
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Obschon zum vereinbarten Prüfungsinhalt die Philosophie Kants gehören sollte, sei ihre trotz des Brandes rechtzeitig beginnende Prüfung »immer recht weit weg von Kant selber«518 verlaufen. Um das Prüfungsgespräch auf das Vereinbarte zu lenken, habe sie eine »furchtvolle Frage« zum »Raum- und Zeitproblem«519 stellen müssen. Die große Bedeutung, die diese Frage für sie weiterhin einnehmen sollte, sei ihr damals nicht bewusst gewesen. Sie betont, dass sie mit dem »Raum- und Zeitproblem« später »nie fertig geworden«520 sei und sie nur unter einem »furchtbaren Zwang«521 die Zeiteinheit für das von ihr Erzählte festlegen könne. Diese Einheit markiert sie als »Heute«, obwohl sie davon überzeugt ist, dass man eigentlich sofort alles vernichten müsste, was über Heute geschrieben wird, wie man die wirklichen Briefe zerreißt, zerknüllt, nicht beendet, nicht abschickt, weil sie von heute sind und weil sie in keinem Heute mehr ankommen werden. Wer je einen schrecklich flehentlichen Brief geschrieben hat, um ihn dann doch zu zerreißen und zu verwerfen, weiß noch am ehesten, was hier unter ›heute‹ gemeint ist.522
Auch hegt die Ich-Figur »tiefste Sympathie« für den Briefträger Otto Kranewitzer, der monatelang Briefe nicht austrug und sie stattdessen in seiner Wohnung stapelte. Sie sieht es als ein moralisches Verdienst Kranewitzers an, dass er den zeitlich bestimmten Anspruch der Adressaten, sich zu vermitteln und jemanden zu erreichen, nicht seinem erlöschenden Verglühen in der schematisierten und temporalen Form des vermittelten Denkens preisgegeben hat.523 Gerade dieser äußersten Anstrengung, sich als einzelne Stimme in der dem Individuum gegenüber gleichgültigen, allgemeinen Form der logisch-begrifflichen Sprache vernehmbar zu machen und etwas Bestimmtes zu sagen, entspringt die Dichtung Ingeborg Bachmanns.524 Laut Bachmann erfährt ein Ich weder in der Welt noch in seinen Begriffen von dieser Welt einen Halt. So heißt es in Bachmanns Erzählung Das dreißigste Jahr : Man hält die Gedanken nicht auf und kein Werkzeug zu ihrer Verlängerung. Es ist auch gleich, ob man links oder rechts durch den Raum fliegt, da alles schon fliegt, die Erde etwa, und wenn noch Flug im Flug ist, um so besser, daß es fliegt und sich dreht, damit man weiß, wie sehr es sich dreht und daß nirgends ein Halt ist, nicht im gestirnten Himmel über dir…525
An dieser Stelle wird nicht nur der berühmte »bestirnte Himmel«, als eines der zwei Dinge, mit welchen sich laut Kant das Nachdenken »öfter und anhaltender« beschäftigt,526 sondern das Nachdenken selbst als haltlos markiert. In ihren Frankfurter Poetik Vorlesungen erklärt Bachmann, dass ein Sprecher schon bei einem Abstand von zehn Metern »himmelfern« von einem anderen Ich sein kann.527 Dieser Abstand werde durch das »physische Verschwinden des Sprechenden«528 in der medialen Vermittlung seines Sprechens rasant vergrößert, sodass
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»da nur mehr« ein Satz »von einem Ich ohne Gewähr«529 übrig bleibe, ohne dass mit diesem die Existenz des bestimmten, individuellen Sprechers verbindlich zugesichert werden könne.530 Laut Bachmann muss man sich trotz und mittels der anonymen Allgemeinheit der bestehenden »schlechten« Sprache »anstrengen« und diese in Richtung auf eine andere Sprache hin drehen, die »noch nie regiert« habe.531 An der Verdrehung eines Kant-Zitats entwickelt und veranschaulicht Bachmann ihre Überzeugung von der Inversionsfähigkeit von Sprache: Unmittelbar nach dem oben wiedergegebenen Auszug spricht die Erzählstimme der Erzählung Das dreißigste Jahr die Figur, von der sie erzählt, als »Du« an. In diesem »Du«, so behauptet sie weiter, fließe »ein gestockter, zäher Brei von alten Fragen, die nichts mit Fliegen zu tun haben und Abschußbasen«,532 und in welchem man »nur ruckweise und kaum spürbar«533 in der Lage sei, das Steuer zu drehen. Hier nimmt Bachmann Bezug auf die von Kant geforderte philosophische »Steuermannskunst«,534 doch basiert diese für sie nicht länger auf »sicheren Principien«535 oder Gesetzen, sondern auf einer ruckartigen Veränderung des eigenes Denkens und Sprechens. Statt im innerlichen »Brei alter Fragen« 536 zu rühren, müsse man laut der Erzählstimme aus Das dreißigste Jahr vielmehr ein zur äußeren Welt gehörendes »Geheimnis der Drehbarkeit«537 in der Sprache anwenden, mittels welchem eine jeweils immer anders gerichtete Fahrt auf und in dem »alten« Brei wieder möglich werde. Die Erzählstimme fordert ihre Hauptfigur zu dieser ruckartigen Änderung der Fahrtrichtung auf. Gleichzeitig wird mit dieser Aufforderung die eingeforderte inversive Sprachform selbst veranschaulicht, da die innere d. h. von der Erzählstimme ausgehende Du-Ansprache ihrer Figur auf den individuellen Leser dieser Erzählung hin gewendet erscheint. Nicht in philosophischen Begründungsversuchen ist daher das »Das Geheimnis der Drehbarkeit« verborgen, sondern in der sich mit jedem einzelnen Sprecher und jedem einzelnen Adressaten bestimmenden Vermitteltheit der unbestimmt allgemeinen Sprache. Der Innenraum des Ichs, in welchem Kant zufolge das moralische Gesetz angesiedelt ist, bleibt für Bachmann künstlich beleuchtet, solange das allgemeine Ich nicht als bestimmtes Du angesprochen und durch diese Ansprache als lebendige und wirkende Stimme in der Außenwelt begründet wird. In ihren Frankfurter Poetik Vorlesungen bezeichnet Bachmann das Ich als »Gestirn«, welches immer wieder angesteuert werden muss, auch wenn »dessen Standort und dessen Bahnen nie ganz ausgemacht worden sind und dessen Kern in seiner Zusammensetzung nicht erkannt worden ist.«538 Indem sie das Ich aus seinem vermeintlichen Innenraum heraus an den »bestirnte[n] Himmel« heftet, wird neben dem berühmten KantZitat539 auch der Anfang von Nietzsches Essay Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne auf seine Drehbarkeit hin getestet. Das eine Minute dauernde, dann »erstarrende« Gestirn der »klugen Thiere«,540 von dem aus Nietzsche seinen Text beginnt, dreht Bachmann auf das Ich zurück, während sie
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aber in genau entgegengesetzter Richtung den »Kern« dieses Ichs aus sich herausdreht und ihn als etwas äußerlich Zusammengesetztes kennzeichnet. Selbsterkenntnis ist für Bachmann ausschließlich in Hinblick auf die Vernehmlichkeit eines Sprechers von Bedeutung, da Dichtung von einem Denken bestimmt sei, das »mit der Sprache und durch Sprache hindurch etwas erreichen will.«541 Wenn Kant die sprachlichen Zeichen als nichts bedeutende »Charaktere« oder »Wächter« der Begriffe beschreibt,542 so besteht Bachmann im Gegensatz dazu auf dem Charakter dieser »Charaktere« und auf der Bedeutsamkeit ihrer Wächterschaft für das, was sie trotz allgemeiner und gleichgültiger Geste zu schützen vermögen. Sie erklärt daher : [E]s gibt keine letzte Verlautbarung. Es ist das Wunder des Ich, daß es, wo immer es spricht, lebt; es kann nicht sterben – ob es geschlagen ist oder im Zweifel, ohne Glaubwürdigkeit und verstümmelt – dieses Ich ohne Gewähr! Und wenn keiner ihm glaubt, und wenn es sich selbst nicht glaubt, man muß ihm glauben, es muß sich glauben, sowie es einsetzt, sowie es zu Wort kommt, sich löst aus dem uniformen Chor, aus der schweigenden Versammlung, wer es auch sei, was es auch sei. Und es wird seinen Triumph haben, heute wie eh und je – als Platzhalter der menschlichen Stimme.543
Die Lebendigkeit eines Ichs hinter jedem geschriebenen und gesprochenen Wort ist es, die laut Bachmann »ohne Grund« bleibt, nicht erkannt werden kann und die Grenze jeglichen Denkens darstellt. Das principium reddendae rationis des »Satzes vom Grund« – die vorgestellte Gegenständlichkeit alles Seienden als immer schon »zugestellter« Grund – ist für Bachmann, die über Heidegger dissertierte,544 nicht wie für diesen ein »Satz vom Sein«, bei dem das Sein »ohne Grund bleibt«.545 Sie widersetzt sich einem nach Erkenntnis strebenden Sprechen über ein Sein, welches noch separat und »an sich« in der Sprache zu finden wäre. Vielmehr versucht sie, das unbegründete gegenseitige Begründen der sich ansprechenden Menschen vor zerstörenden Nachforschungen und eindringenden Begründungsversuchen zu schützen. Die Tatsache, dass Menschen sich »ohne Grund« ansprechen und zu erreichen versuchen, ist ihr Grund genug für das menschliche Sein – ein unbegründeter Grund, ein »Himmel als Abgrund«,546 an dem man nicht verglühen kann. Besonders die im Spätwerk auftretenden Hauptfiguren entwickeln gegenüber jeglichen Versuchen, sie begrifflich erfassen oder sogar phrasenhaft beurteilen zu wollen, eine ungeahnte Gleichgültigkeit. Sie begegnen der sprachlichen, dem bestimmten Sprecher gegenüber gleichgültigen Ausdrucksform mit einer ebenso starken Gleichgültigkeit. Mittels dieser schützen sie sich vor dem Zugriff ihrer eigenen Begriffe, die sie benützen müssen, um von sich sprechen und erzählen zu können. Bachmann, die in einem ihrer letzten Gedichte das lyrische Ich skeptisch danach fragen lässt, ob es seine Gedanken in eine »erleuchtete Satzzelle« einfangen und abführen soll,547
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zeichnet die Ich-Figur in ihrem Roman Malina mit einem Selbstbewusstsein gegenüber ihrer Sprache aus. Die Ich-Figur kämpft in ihren Träumen für ihr Recht auf ihr eigenes Leben.548 In einem Traum sperrt sie der »Vater« in eine Gefängniszelle und versucht ihr ihre Sätze wegzunehmen. Er hat dabei jedoch keinen Erfolg: In eine Ecke gekauert, ohne Wasser, weiß ich, daß meine Sätze mich nicht verlassen und daß ich ein Recht habe auf sie. Mein Vater schaut durch eine Luke, […] er möchte mir meine Sätze abschauen und sie mir nehmen, aber im größten Durst, nach den letzten Halluzinationen, weiß ich noch, daß er mich ohne Worte sterben sieht, ich habe die Worte im Satz vom Grunde verborgen, der vor meinem Vater für immer sicher und geheim ist, so sehr halte ich den Atem an. Es hängt mir auch die Zunge weit heraus, er kann aber kein Wort darauf lesen.549
Mit dem Versteck- und Wortspiel, ihre Sätze im Satz vom Grund zu verbergen, beharrt die Ich-Figur mitten im Gefängnis einer Satzzelle auf ihren Sätzen »ohne Grund«. Auch wenn sie selbst in ihrer Sprache eingesperrt ist, lässt sie nicht zu, dass ihre Gedanken gefangen genommen werden. Es wird ihr dabei völlig gleichgültig, ob man sie noch versteht oder was man über sie denkt.550 Sie weiß, dass sie am Leben ist, solange sie jemand erreichen will, solange sie jemand unbegründet begründet. Für die Erzählerin ist dies der Leser, während es für die Figur ihr Geliebter ist. Diesen versucht sie daher davon abzuhalten, das Ende ihrer Beziehung auszusprechen: »[I]ch streiche ihm sanft über das Gesicht, immerzu, damit er aufhört, angestrengt nachzudenken, und damit er die Worte nicht findet für das Ende.«551 Die Ich-Figur will auch gar nichts von ihm wissen, die Unbegründetheit der menschlichen Liebe und Beziehungsfähigkeit möchte sie vor jeder »Deutelei« geschützt wissen. Bevor sie jedoch bei dem letzten Treffen mit Ivan jegliche Nachforschungen verweigert, liest sie in einem mit Titel nicht genannten Buch folgenden Satz: Es ist umsonst, Gleichgültigkeit in Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu wollen, deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleichgültig sein kann.552
Es handelt sich hier um ein (für den Roman sehr untypisch) vollständig wiedergegebenes Zitat aus der Vorrede zur ersten Fassung der Kritik der reinen Vernunft. Kant nimmt an der zitierten Stelle auf den »gänzliche[n] Indifferentism«553 Bezug, der seinerzeit nach dem »Kampfplatz« der »endlosen Streitigkeiten«554 zwischen Dogmatikern, Skeptikern und Empiristen der Metaphysik entgegengebracht wurde. Er verteidigt das Erkenntnisstreben des Menschen als »eine Aufforderung an die Vernunft, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, nämlich das der Selbsterkenntniß, aufs neue zu übernehmen«.555 Bachmann scheint hingegen mit diesem Zitat und seiner Kontrastierung zur letzten Beziehungsszene zwischen den Geliebten anderes zu fordern: Nicht Wissen und Erkenntnis, sondern die menschliche Kommunikation soll ein Gegenstand sein,
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der »der menschlichen Natur nicht gleichgültig sein kann«.556 Während später die Ich-Figur nicht mehr ihre Sätze, sondern Ivans Briefe zu verstecken versucht, ist es ihr Mitbewohner Malina, der in der Kritik der reinen Vernunft liest. Es wird ein weiteres Mal der gleiche Satz aus der Vorrede zitiert. Während Malina liest, versucht er Gleichgültigkeit gegenüber dem Versteck-Vorhaben der Ich-Figur von Ivans Briefen vorzutäuschen. Dies gelingt ihm jedoch nicht, womit er performativ Bachmanns »Verdrehung« der kantischen Forderung bestätigt: Er forscht nicht nach, fragt nicht nach Gründen, steht jedoch der letzten Begründungssuche des Ichs durch die Briefe ihres Geliebten nicht gleichgültig gegenüber. Alsbald schlägt er das Buch zu und fragt die Ich-Figur, ob sie fertig sei.557 Sie bejaht dies, da sie nicht nur damit fertig geworden ist, Ivans Briefe zu verstecken, sondern auch damit, ihre unbegründet begründete Erzählung von sich in der allgemeinen Sprache zu erzählen. Jetzt, da sie ihren Geliebten nicht mehr anrufen kann und er sie nicht mehr zu erreichen versucht, sie keine unbegründete Begründung mehr erhält und auch keine mehr geben kann, wird sie zum Objekt ihres eigenen Sprechens, wird von ihren Begriffen ergriffen und läuft Gefahr, sich selbst zu ermorden: Ich stehe vor dem Herd und warte, bis das Wasser zu kochen anfängt, ich fülle einige Löffel Kaffee in den Filter und denke und denke noch immer, ich habe einen Grad von Denkenmüssen erreicht, an dem Denken nicht mehr möglich ist, ich sinke in den Schultern ein, es wird mir so heiß, weil ich das Gesicht zu nahe an der Herdplatte habe.558
Doch wie schon im Wiener Institut für Philosophie kann sie ein Feuer noch verhindern. Sie verbrennt nicht und stellt den Herdschalter auf Null zurück. Im Gegensatz zum Hauptprotagonisten der Erzählung Das dreißigste Jahre bricht die Ich-Figur an ihren Gedanken nicht zusammen.559 Sie läuft nicht Gefahr, in der über sie herrschenden allgemeinen Form zu verglühen, sondern hat sich vielmehr in ihrem sprachlich-begrifflichen Gefängnis mittels der Erzählung von ihrer Beziehung als erreichbares Ich figuriert. In dem Moment, in dem das »Heute« dieser Beziehung und damit auch ihre bestimmte Begründung vergeht, bittet sie Malina, ihre Geschichte zu übernehmen.560 Er vertritt mit seinem Namen den Roman, in dem sie von sich erzählen konnte. Der Roman ist jedoch auch ein aus allgemeinen Begriffen bestehendes Schriftwerk, welches gegenüber den vielen »heutigen« Momenten, in denen es jeweils fertig erzählt und gelesen wird, gleichgültig existiert. So zerstört und versteckt Malina alles, was auf ein individuelles Ich hinweisen könnte. Als Ivan mit der Ich-Figur doch noch einmal sprechen möchte, verweigert Malina ihre Erreichbarkeit und verneint ihre Existenz. Ivans zu späte Nachforschungen bleiben gegenstandslos.
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Thomas Bernhards Immanuel Kant von Sebastian Schneck Thomas Bernhard wird am 9. Februar 1931 geboren. Die ersten Jahre seiner Kindheit verbringt er bei seinen Großeltern, mit denen er im März 1935 nach Seekirchen bei Salzburg übersiedelt. Später schildert er die Zeit dort als seine glücklichste. Der Großvater Johannes Freumbichler entwickelt sich zur zentralen Bezugsperson und zum geistigen Mentor. Bernhards familiäres Umfeld wird seine gesamte Jugend hindurch vom erfolglosen literarischen Eifer Freumbichlers bestimmt. Das unbeschwerte Kindheitsidyll endet, als Bernhards Mutter ihn im Januar 1938 zu sich in die bayerische Kleinstadt Traunstein holt. Zu seinem Trost ziehen die Großeltern in den Nachbarort. Es beginnt eine Aneinanderreihung traumatisierender Erlebnisse in staatlichen Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, welche darin gipfelt, dass er im Herbst 1941 für einige Monate in ein nationalsozialistisches »Heim für schwer erziehbare Kinder« nach Thüringen geschickt wird. Ab 1943 wohnt er im Johanneum-Internat in Salzburg und besucht dort die Hauptschule, die er im Sommer 1945 abschließt. Als er nach einem Jahr am Humanistischen Gymnasium nicht versetzt wird, scheidet er im April 1947 aus der Schule aus.561 Bernhard beginnt eine Kaufmannslehre bei dem Lebensmittelhändler Karl Podlaha in einer übelbeleumundeten Gegend Salzburgs: Mein Großvater hatte mich im Alleinsein und Fürsichsein geschult, der Podlaha im Zusammensein mit den Menschen […]. Bei meinem Großvater war ich, ideal, weil so früh, in die philosophische Schule gegangen, beim Podlaha […] in die größtmögliche und in die absolute Realität. Diese zwei frühen Schulen waren für mein Leben entscheidend und, eine die andere ergänzend, sind sie bis heute das Fundament meiner Entwicklung.562
Im Januar 1949 endet die Lehrzeit abrupt, als Bernhard mit einer verschleppten Erkältung ins Landeskrankenhaus eingeliefert wird. Für ihn beginnt das Leben mit einer Lungenkrankheit, die ihn nie mehr ganz verlassen wird. Sein Großvater verstirbt unerwartet am 11. Februar 1949. Ihm selbst steht eine zweijährige Odyssee durch Krankenhäuser und Erholungsheime bevor.563 Die berufliche Orientierungs- und Bildungsphase wiederaufnehmend, wird er von Januar 1952 bis Dezember 1954 als freier Mitarbeiter beim ›Demokratischen Volksblatt‹ eine Schule des journalistischen Schreibens durchwandern und von Oktober 1955 bis Juni 1957 ein Studium am Schauspielseminar des Salzburger Mozarteums absolvieren, das er im Fach Regie erfolgreich abschließt.564 Bernhards ausschlaggebender Bildungsweg verläuft abseits institutioneller Pfade. Die staatliche Schule wird im Gegenteil als geistfeindliche Einrichtung zur obrigkeitshörigen Zurechtstutzung der Schüler erlebt. Dass der junge Bernhard sich trotz dieser Geisteskränkung Bildungsinhalten öffnet, verdankt er der Be-
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wunderung für und der erfahrenen Zuneigung durch den Großvater. Dieser weckt das Interesse an Philosophie beim jungen Bernhard und bleibt maßgeblich für die philosophische Agenda des erwachsenen Bernhard. Vom Großvater wird Bernhard in die Lese- und Denkwelten eingeführt, aus denen er schließlich auch seine literarischen Figuren sein gesamtes Schaffen hindurch schöpfen lässt: Aufmerksam für alles, auf das ich von meinem Großvater verwiesen und hingewiesen war, darf ich diese Zeit mit meinem Großvater als die einzige nützliche und für mein ganzes Leben entscheidende Schule betrachten, denn er und niemand anderer war es, der mich das Leben gelehrt und mich mit dem Leben vertraut gemacht […]. Alle meine Kenntnisse sind zurückzuführen auf diesen für mich in allem lebens- und existenzentscheidenden Menschen, der selbst durch die Schule Montaignes gegangen war, wie ich durch seine Schule gegangen bin.565
Abb. 32: Thomas Bernhard
Bernhard flicht den Namen Kant in die Beschreibung seines kindlichen Staunens über die Bibliothek des Großvaters ein, die dieser in seinem beengten Arbeitszimmer unterhielt. Hierin eingepfercht erscheinen die Namen dreier Philosophen wiederum als Kammertüren zu eigenen Welten: »Hegel, Kant, Schopenhauer waren mir vertraute Namen, hinter welchen sich für mich etwas Ungeheuerliches verborgen hielt.«566 Dergestalt geben auch Bernhards Romanhelden wiederholt Autorennamen oder Buchtitel an und betonen deren kaum zu
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überschätzende Relevanz oder unauslotbare Abgründigkeit – ohne dies jedoch inhaltlich auszuführen oder die LeserInnen einzuladen, den Gedankengang eines bestimmten Werks mitzuverfolgen. So werden die genannten Autoren oder Bücher geradezu magisch aufgeladen. Sie fungieren als Talismane oder unergründliche Anziehungspunkte endloser Studien.567 Bernhard konfrontiert seine LeserInnen mit ausschweifenden Monologen aus der Perspektive der Figuren über den Lauf und den Sinn der Welt und der Existenz in ihr. Philosophische Gedanken werden nicht fremden Schriften entnommen oder mit dem Verweis auf diese fundiert, sondern von den Figuren gewissermaßen selbst entwickelt. Solche Reden sind wiederum gespickt mit Versatzstücken, die ebensogut Schopenhauer oder Kierkegaard entlehnt sein könnten.568 Bernhard streut in verschiedenen Dokumenten Hinweise darauf, worin er den Gebrauchswert von Philosophie sieht. Häufig auf sich gestellt, musste er »im Abwehren vor allem […] geschult sein, im Verhindern, im Vereiteln. Mein Großvater, mein Privatphilosoph, hatte mir dazu das Fundament gelegt.«569 Anklänge an die Figur des Großvaters finden sich bei den scheiternden Geistesmenschen, also bei den zentralen Charakteren der frühen Romane Bernhards. Unermüdliches, manisches Schaffen in Abkehr von den Mitmenschen kennzeichnet die Existenz des Großvaters. Doch so wenig wie dieser sich sozialen Kontakten oder Erwerbsarbeit aussetzt, nehmen seine Zeitgenossen Notiz von seinem Schreiben. Unter Verzicht auf jegliche materiellen Annehmlichkeiten verurteilt er sich dazu, über Kriegs- und Nachkriegszeiten hinweg Heimatliteratur zu verfassen und ganz auf sich selbst zurückgeworfen den eigenen Diskurs vom Lauf der Welt abzukoppeln. Von seiner Familie verlangt er, sich seinen Bestrebungen unterzuordnen. Die Person Freumbichlers vermittelt einen Eindruck des Gefühls radikaler Abgeschnittenheit von der Welt, das vor allem Bernhards frühe literarische Charaktere beseelt. Die absolut um sich selbst kreisenden Verzweiflungsreden des Malers Strauch, des Protagonisten von Bernhards erstem Roman Frost (geschrieben 1962), und – im zweiten Roman Verstörung (geschrieben 1966) – die Despotie des Fürsten Saurau über sein familiäres Umfeld illustrieren, dass sich ein abgeschiedenes Reich schöpferischer Phantasie nur mit diktatorischen Mitteln zusammenhalten lässt.570 Despotische Züge wird schließlich auch die Bühnenfigur aufweisen, die von Bernhard den Namen Immanuel Kant erhält. Der Protagonist der gleichnamigen Komödie, die 1978 in Stuttgart von Claus Peymann uraufgeführt wird, überwindet sich dazu, mit seiner Ehefrau eine Luxusseereise nach Amerika zu unternehmen. Nur dort scheint ihm der drohende Verlust seines Augenlichts noch medizinisch abwendbar. Der berühmte Professor aus Königsberg, oder genauer sein literarisches Abbild, lebt in pedantischer Sorge um sich selbst und seinen geliebten Papageien Friedrich. Er tyrannisiert seinen treuen Diener Ernst Lud-
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wig in der verzweifelten Anstrengung, seine geistige Gesundheit gegen die Widrigkeiten der hohen See und die Huldigungen der mitreisenden hohen Gesellschaft zu verteidigen. Die Sorge des Titelhelden um die Wahrung seines Verstandes wird schließlich vergebens gewesen sein; bei der Landung in Amerika erwarten ihn nicht Augen- sondern Irrenärzte. Schon eine Kurzzusammenfassung des Dramas verdeutlicht, wie Bernhard einerseits Bezüge zum historischen Kant aufbaut und andererseits klare Brüche mit der Biographie des echten Kant vollzieht. Hier wird weniger eine historische Person verfremdet, als aus dem Fundus bezeugter Details eine künstliche Figur erschaffen, die diverse repräsentative Funktionen erfüllt. Dass Bernhard bei der Entwicklung seines Protagonisten auf die Biographie des historischen Kant zurückgreift, lässt sich mit Gemeinsamkeiten sowohl in hervorstechenden Eigenschaften als auch in kleinen Details belegen. Bernhards Bühnenfigur teilt mit dem Philosophen des 18. Jahrhunderts dessen Profession und den Herkunftsort Königsberg. Gemeinsam ist ihnen ein reges Interesse an der Beobachtung des Wetters. Die neurotische Pedanterie, mit der Bernhards Held seine alltäglichen Gewohnheiten auf hoher See zu wahren sucht, findet ihre Entsprechung in der Pünktlichkeit des echten Kant und dem hohen Wert, den dieser einem geregelten Tagesablauf beimaß.571 Biographisch festgehalten wurde zudem geistiger Verfall im hohen Alter und auch für eine Augenkrankheit liegen Selbstzeugnisse des Philosophen vor.572 Bernhards Drama wird von Elementen der kantischen Biographie strukturiert, zugleich wird von der ersten Szene an deutlich, dass die Hauptperson nicht mit dem Philosophen identisch ist. Dieser war weder verheiratet, noch hieß sein Diener Ernst Ludwig; schon gar nicht hätte der echte Kant seine Reiseunlust zu Gunsten einer Transatlantikfahrt überwunden. Bernhards Kant hat den Papageien Friedrich als wichtigsten Bezugspol und als Zentrum seiner Sorge. Der Papagei versichert ihn dessen, dass nach dem Verlust seiner geistigen Schaffenskraft die Stimme seiner Vernunft nicht verstummen wird. Bernhard spitzt die ironische Brechung seiner Kantbezüge daraufhin zu, dass sein fiktiver Philosoph sich ausgerechnet vom geistlosen Nachgeplapper eines Papageien angemessen vertreten sieht. Papagei Friedrich sei »[d]er wahre Philosoph/ in sich selbst«.573 Dies spiegelt auch das Verhältnis der im Stück karikierten Gesellschaft zur Philosophie wieder. Philosophische Inhalte werden mitnichten überprüft oder nachvollzogen, statt dessen wird ihrem vermeintlichen Urheber blind gehuldigt.574 Diese unkritische und bequeme Haltung der Personen, mit denen der Bühnen-Kant im Verlauf der Überfahrt zusammentrifft, bedingt, dass die Frage nach der Authentizität des Philosophen im Stück selbst überhaupt nicht gestellt wird. Das philosophische Denken wird verdinglicht zum Personenkult um die Figur Kants und zum Götzendienst am »Speicherkopf«575 Friedrich. Der Protagonist verkündet: »[E]s
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ist/ kein Risiko/ Friedrich allein/ in die Universitäten der Welt/ zu schicken[;] er könnte alles/ was ich jemals gedacht habe/ auf das vorzüglichste referieren[.]«576 So sieht er seinen Ruhm über das Schwinden der eigenen geistigen Kräfte hinaus gesichert. Wo die Zuhörerschaft keinen Aufruf zur selbstständigen inhaltlichen Auseinandersetzung – wie er im Sapere aude! des echten Kant gegeben war – vernimmt, wird gleichgültig, ob Professor Kant oder Papagei Friedrich die Vorlesung hält. Gemeinsam mit Ernst-Ludwig, der gedemütigt und ständig zu ihrem Komfort herumkommandiert wird, werden sie von den Mitreisenden zum »Geistestrio«577 ausgelobt. Diese Dreierkonstellation und ihre soziale Einbettung machen deutlich, dass despotische Vernunft in ihrer Umschlagrichtung oszilliert zwischen lächerlicher Geistlosigkeit und rücksichtsloser Barbarei.
Abb. 33: Michael Maertens als Kant mit Papagei Friedrich bei der Fotoprobe einer Aufführung von ›Immanuel Kant‹, Burgtheater Wien (2009)
Bernhard lässt den echten Kant durch den Protagonisten seines Theaterstücks sprechen, indem er Zitatfetzen aus dem Werk des Philosophen in seinen Text einbaut. Er greift keineswegs auf jene Schriften zurück, die Kant berühmt gemacht haben. Der Verfasser der drei Kritiken schreibt sich in das Drama über Randbezirke seines Werks ein, die selbst manchem Kant-Kenner unbekannt sein dürften. Bernhards Kant betritt die Bühne als ein Nicht-Kant, denn er ist verheiratet – seine ersten Worte stammen jedoch aus einer Frühschrift des Königsberger Philosophen: »Alle möglichen Stufen/ der Exzentrizität/ von den Planeten/ bis zu den Kometen«,578 deklamiert die Bühnenfigur. Diesen Satz-
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splitter entnimmt Bernhard (fast) wortgetreu einer Abhandlung des jungen Kant, die den Titel Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels trägt. Bernhard bricht mit den Erwartungen, die das Publikum an eine Figur namens Immanuel Kant gestellt haben wird. Dieser Bruch erfolgt, just indem etwas präsentiert wird, das zwar vom tatsächlichen Kant stammt, aber kaum jemandem geläufig ist. Das Authentische wird in den Dienst der Verfremdung gestellt. Zudem zitiert Bernhards Kant ›seine‹ Werke gegen die Intention des originalen Verfassers: »Ich spreche von der genauen Zirkelbewegung/ der Partikel/ des Grundstoffs/ wiewohl von der Zwecklosigkeit/ der Natur/ meine Herrschaften«.579 Dies nimmt wörtlich Bezug auf eine Stelle aus der genannten Frühschrift Kants. Liest man dort weiter, stellt man fest, dass der Verfasser mitnichten die Zwecklosigkeit der Natur unterstellt, sondern vielmehr ihre vielfältigen Zwecke gegeneinander abwägt und sogar einen wohlgeordneten göttlichen Plan einräumt. Bernhard löst Fragmente aus einem weiteren frühen Text Kants mit Namen Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte heraus. Das Werk selbst verkommt dem Bühnenhelden zur Bettlektüre. Er bekennt, seine Frau müsse ihm abends seine »Neue Schätzung der lebendigen Kräfte« vorlesen, und räumt ein, dass dies zwar »[e]ine Absurdität/ auf Hoher See« bedeute, doch »dadurch ertrage [er] die Turbinen besser«.580 Bernhard fügt ein Zitat aus dem originalen Kant-Text an, das in diesem Kontext wie eine Erklärung des außergewöhnlichen Verhaltens daherkommt: »Die Gesetze gelten nicht/ über alle Bewegungen/ ohne Betrachtung ihrer Geschwindigkeit«.581 Unterwegs auf einem Hochseedampfer gilt für den reiseunlustigen und seekranken Protagonisten ausnahmsweise: Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Bernhards Montagestrategie lässt die Grenzen zwischen Authentizität und Fiktion verschwimmen, ausgerechnet das Verbürgte und Bezeugte arbeitet mit an der Hervorbringung einer künstlichen Figur. Die Bühnenfigur variiert Charakteristika, die auch andere Bernhardsche Geistesmenschen und nicht zuletzt der Großvater aufweisen. Darüber hinaus verweist der Name des Philosophen Kant auf ein Element aus der intellektuellen Erlebniswelt dieser Geistesmenschen, denn sein Werk findet sich in deren Bibliothek.582 Wenn Bernhard hier einen Immanuel Kant inszeniert, ist seine oben skizzierte bestimmte Weise, in Romanen wie in autobiographischen Texten auf Philosophen Bezug zu nehmen, in Rechnung zu stellen. Er hebt in einem Interview die Bedeutung der von ihm geschätzten Denker auf eigensinnige Weise hervor: »Das sind die großen Spaßmacher in der Geschichte – Schopenhauer, Kant. Also die Allerernstesten im Grund. Da gehört der Pascal auch dazu, […] das sind eigentlich die großen Lachphilosophen.«583 Einerseits thematisiert Bernhard die für sein Schreiben typische Verknüpfung von existentieller Schwere und ironisch-spöttischer Leichtigkeit, andererseits macht er deutlich, dass der Name Kant für ihn die gesamte Reihe der anderen bedeutendsten Denker transportiert; dem Namen
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nach sind sie untereinander austauschbar, in ihren Eigenschaften beliebig kombinierbar. Freimütig räumt er bei einem Interview zum Theaterstück ein, er »hätte auch sagen können ›Schopenhauer‹« – doch Kant »überragt die all, […] drum hab’ ich ihn genommen«.584 Diesen konkurrenzlosen philosophiegeschichtlichen Rang Kants betont Bernhard im Roman Verstörung, es sei »seit Kant keinem einzigen mehr gelungen, das Museum zu lüften«.585 Zugleich sind vom historischen Kant Anekdoten über dessen Pünktlichkeit und Pedanterie überliefert, so dass dieser sich durch spleenige Lebensführung hervortut. Bernhard trifft mit Kant eine strategisch günstige Wahl. Er findet die Linien des Ernsthaften und des Lächerlichen in Werk und Biographie des Philosophen bereits gekreuzt vor und er arrangiert Versatzstücke daraus nach Maßgabe seines eigenen Projekts. Kant spielt für Bernhard keine zentrale aber eine spezielle Rolle: Im Theaterstück Immanuel Kant werden Bezüge zu Werk und Wirken des Philosophen mit Fäden verwoben, die zwischen Bernhards Autobiographie und seinen fiktionalen Werken gesponnen sind. Bernhard besucht bei seinem Großvater eine für sein gesamtes Leben und Schaffen weichenstellende philosophische Schule. Philosophie kommt die besondere Geltung einer Schule des Alleinseins zu. In diesem Rahmen begegnet Bernhard Kant und dieser Kontext wird wachgerufen, wenn wir wiederum Kant bei Bernhard antreffen. Im Gegensatz zum Großvater versteht Bernhard es, lebenspraktische Auswege aus dem Abgeschnittensein zu entwickeln.586 Lachenkönnen bewahrt davor, sich in verbissener Ernsthaftigkeit der Lächerlichkeit preiszugeben. Der groteske Komödiencharakter Kant, dessen Licht der Vernunft am Erlöschen ist, wirkt im panischen Delirium seines Selbstbezugs als Warnung vor der Gefahr, in der Schule des Alleinseins zum Streber zu werden.
Klagenfurter Kant-Rezeptionen im Spiegel zweier Romane der österreichischen Gegenwartsliteratur von Elisabeth Flucher Ein Klagenfurter Schüler der kantischen Philosophie sammelte in den neunziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts einen Kreis von Befürwortern der Aufklärung um sich, deren Ideen durch die Zensur der Habsburger Monarchie unterdrückt wurden. Der Klagenfurter Kunstmäzen und Industrielle Franz Paul von Herbert, geboren 1759 und durch das Erbe der väterlichen Bleiweißfabrik zu Vermögen gelangt, war im Jahr 1789 zunächst nach Weimar gereist, wo er durch Christoph Martin Wieland auf dessen Schwiegersohn Karl Leonhard Reinhold, den Verfasser der Briefe über die kantische Philosophie, aufmerksam gemacht worden und kurz darauf, im Jahr 1790 nach Jena aufgebrochen war, um bei
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Reinhold kantische Philosophie zu studieren. In Jena, wo er bis 1791 verweilte, machte er Bekanntschaft mit Friedrich Schiller, Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, Johann Benjamin Erhard, Friedrich Karl Forberg sowie mit Friedrich Immanuel Niethammer. Einige dieser Bekanntschaften entwickelten sich zu Freundschaften, die in zahlreichen Briefwechseln Niederschlag fanden. Bei polizeilichen Durchsuchungen in Herberts Haus in Klagenfurt im Jahr 1794 im Zuge der Jakobinerprozesse wurden ihm unter anderem Briefe Erhards und Schillers zum Verhängnis. Durch die österreichische Zensur erwies es sich für Herbert als zu riskant, den Kontakt zu einigen der Jenaer Freunde, die er zum Teil auch finanziell unterstützte, aufrecht zu erhalten.587 Auch die Italien-Reise, die Herbert im Jahr 1797 gemeinsam mit Erhard, Baggesen und Fernow unternahm, wurde von der Polizei mit Misstrauen bedacht. Baggesen war so wie Herbert Mitglied des Illuminaten-Ordens, der aufklärerisches Gedankengut verbreitete. Nachdem Napoleon im Jahr 1797 in Kärnten einmarschiert und die österreichische Herrschaft kurz darauf wieder restauriert war, emigrierte Herbert zunächst in die Schweiz. Sein Leben beendete Franz Paul von Herbert im Jahr 1811 in Triest, indem er sich selbst erschoss. Mit zwei Frauen aus dem familiären Umkreis Franz von Herberts beschäftigen sich die Romane Cant läßt grüßen von Alois Brandstetter und Das Mädchen im See von Egyd Gstättner. Der Roman Cant läßt grüßen, 2009 erschienen, handelt von Franz Paul von Herberts Schwester, Maria von Herbert. Maria von Herbert hatte sich ebenso wie ihr Bruder mit Kants Philosophie beschäftigt und sich in Briefen an den Königsberger Philosophen gewandt, um ihn um Rat zu bitten, da sie aufgrund einer ausweglosen Situation an Selbstmord denke. Aus diesem Briefwechsel sind drei Briefe von Maria von Herbert an Kant überliefert, die in die Jahre 1791, 1793 und 1794 fallen, Kants Antwort ist nicht im Original erhalten. Es gibt lediglich einen Entwurf aus Kants Feder, in dem er die Grundlinien einer Antwort an Maria von Herbert skizzierte.588 In ihrem ersten Brief schildert Maria von Herbert dem von ihr sehr verehrten Kant ihre Situation: Großer Kant. / Zu dir rufe ich wie ein gläubiger zu seinen Gott um Hilf, um Trost, oder um Bescheid zum Tod, hinlänglich waren mir deine Gründe in deinen Werken vor das künftige seyn, daher meine Zuflucht zu dir, nur vor dieses leben fand ich nichts, gar nichts, was mir mein verlohrnes gut ersezen könnt, den ich liebte einen gegenstand der in meiner Anschauung alles in sich faste, so das ich nur vor ihn lebte […], nun diesen gegenstand hab ich durch eine langwirige lug beleidigt, die ich ihn jetzt entdekte, doch war vür mein karakter nichts nachteihliges darin enthalten, dan ich habe kein laster in meinem leben zu verschweigen gehabt, doch die lug allein war ihn genug, und seine liebe verschwand, er ist ein Ehrlicher Mann, darum versagt er mir nicht Freindschaft und treu, aber dasjenige innige gefühl welches uns ungerufen zu einander fürte ist nicht mehr, o mein Herz springt in Tausend stük, wenn ich nicht schon so viel von ihnen
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gelesen hätte, so häte ich mein leben gewis schon mit gewalt geändet, so aber haltet mich der schlus zurük den ich aus ihrer Tehorie ziehen muste, das ich nicht sterben soll, wegen meinen quelenden leben, sondern ich solt leben wegen meinen daseyn, nun sezen sie sich in meine lag und geben sie mir trost oder verdammung, metaphisik der Sitten hab ich gelesen samt den Kategorischen imperatif, hülft mir nichts, meine vernunft verlast mich wo ich sie am besten brauch eine antwort ich beschwöre dich oder du kannst nach deinen aufgesezten imperatif selbst nicht handln.589
Aus Maria von Herberts Brief spricht einerseits Verzweiflung aufgrund der ihrer Ansicht nach ausweglosen Lage, in der sie sich befindet, andererseits spricht aus dem Brief jedoch auch eine Kennerin und Bewunderin von Kants Philosophie. Wie sie in einem späteren Brief an Kant schreibt, hat sie alle seit der Kritik der reinen Vernunft veröffentlichten Schriften Kants rezipiert: »Ich fühlte mich bei der Kritik der reinen Vernunft schon ganz berichtiget, und doch fand ich bei Ihren folgenden Schriften, daß keine überflüssig waren«.590 Maria von Herberts Auffassung von Kants praktischer Philosophie stellt sich wie folgt dar : Kants Argumentation hinsichtlich des Postulats der Unsterblichkeit der Seele scheint ihr überzeugend: »[H]inlänglich waren mir deine Gründe in deinen Werken vor das künftige seyn«,591 vermutlich war sie also mit der Kritik der praktischen Vernunft vertraut, wo sich das besagte Postulat findet.592 Hinweise auf das Postulat von der Unsterblichkeit der Seele könnte sie jedoch auch der Kritik der reinen Vernunft entnommen haben, wo es in der Vorrede zur zweiten Auflage heißt: »Ich kann also Gott, Freiheit und Unsterblichkeit zum Behuf des notwendigen praktischen Gebrauchs meiner Vernunft nicht einmal annehmen, wenn ich nicht der spekulativen Vernunft zugleich ihre Anmaßung überschwenglicher Einsichten benehme.«593 Im Kapitel über die Paralogismen heißt es schließlich ebenfalls in der zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, nachdem Kant einen rationalen Beweis der Unsterblichkeit der Seele zurückgewiesen hatte: »Gleichwohl wird hierdurch für die Befugnis, ja gar die Notwendigkeit, der Annehmung eines künftigen Lebens, nach Grundsätzen des mit dem spekulativen verbundenen praktischen Vernunftgebrauchs, hiebei nicht das mindeste verloren«.594 Aufgrund des Trosts, den ihr die Beschäftigung mit Kants Philosophie gibt, verspricht sich Maria von Herbert von Kants Philosophie eine adäquate Antwort auf ihre Frage, »daher meine Zuflucht zu dir«.595 Dass sie sich an Kant wendet, ist insofern verständlich, als ihr moralisches Dilemma mit dem Problem der Lüge zu tun hat, ein Problem, dem Kant große Aufmerksamkeit widmet. Vermutlich hatte Maria von Herbert die entsprechende Stelle aus der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten vor Augen: »Um indessen mich in Ansehung der Beantwortung dieser Aufgabe, ob ein lügenhaftes Versprechen pflichtmäßig sei, auf die allerkürzeste und doch untrügliche Art zu belehren, so […] werde ich bald inne, daß ich zwar die Lüge, aber ein allgemeines Gesetz zu lügen gar nicht
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Abb. 34: Brief, Maria von Herbert an Immanuel Kant im August 1791
wollen könne«.596 Maria von Herbert schildert, dass sie aufgrund einer Lüge das Vertrauen ihres Freundes verloren habe und nun keinen Sinn mehr im Leben sehe und an Selbstmord denke, jedoch aus Kants Schriften gelernt habe, dass ein Selbstmord moralisch nicht zu rechtfertigen sei. Eine Stelle, in der sich Kant gegen den Selbstmord ausspricht, findet sich beispielsweise in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: »Da sieht man aber bald, daß eine Natur, deren Gesetz es wäre, durch dieselbe Empfindung, deren Bestimmung es ist, zur Beförderung des Lebens anzutreiben, das Leben selbst zu zerstören, ihr selbst widersprechen […] würde, mithin jene Maxime unmöglich als allgemeines Naturgesetz stattfinden könne, und folglich dem obersten Prinzip aller Pflicht gänzlich widerstreite.«597 Die Bedeutung, die sie Kants Argumentation in der praktischen Philosophie zumisst, ist immens, da es doch Kants Schriften allein sind, die sie bisher davon abgehalten haben, ihr Leben zu beenden, wie sie schreibt. Sie
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beruft sich auf die Metaphysik der Sitten »samt den Kategorischen imperatif«, womit sie nur die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten meinen kann, da die Metaphysik der Sitten erst einige Jahre später, im Jahr 1797, erstmals veröffentlicht wird. In ihrer Anklage am Ende des Briefes steckt eine schwere Kritik an Kants Moralphilosophie, dass es ihr unmöglich sei, nach Kants Moralprinzipien, allen voran dem kategorischen Imperativ, zu leben. Sie fragt Kant zweifelnd, ob er einen Ausweg anbieten könne, oder ob es ihm selbst nicht möglich sei, dem Kategorischen Imperativ gemäß zu leben. Kant antwortete ihr mit Bedacht, nachdem er zuerst die Meinung seines Freundes Ludwig Ernst Borowski eingeholt hatte.598 In dem Briefentwurf, der als relativ getreue Kopie des Originals gelten darf,599 setzt Kant den Unterschied zwischen Zurückhaltung und Lüge auseinander. Nur letztere sei moralisch verwerflich. Wenn es sich also um eine Lüge gehandelt habe, sei das Misstrauen ihres Freundes nur verständlich.600 Kant schwankt in seinem Brief zwischen empathischem Verständnis und Distanz. Einerseits stimmt er Maria von Herbert darin zu, dass »Freundschaft […] das Süßeste was das Menschliche Leben nur immer enthalten mag« sei. Andererseits versucht er sie damit zu trösten, dass die Zuneigung ihres Freundes ohnehin »nach der flüchtigen Natur derselben […] mit der Zeit von selbst geschwunden seyn« würde, für den Fall, dass die Zuneigung mehr »physisch« als »moralisch« gewesen sei.601 Kants Brief hat seine Wirkung jedoch nicht verfehlt, da Maria von Herbert Kant in einem Brief aus dem Jahr 1794 für die Erleichterung dankt, die ihr sein Brief verschafft habe. Zugleich relativiert sie ihr eigenes moralisches Vergehen, indem sie mit Bezug auf Kants Unterscheidung zwischen Zurückhaltung und Lüge ihr eigenes Verhalten als bloße Zurückhaltung einstuft: Sie ertheilten mir selbe meinen Gemütz so angemessen, da ich sowohl durch ihre Güte, als durch ihre Genaue Kentnüs des Menschlichen Herzens aufgemuntert, mich nicht scheue ihnen den fernern Ganng meiner Seele zu schildern. Die Lug wegen der ich mich bey ihnen anklagte, war keine bemäntlung eines Lasters, sondern nur in rüksicht der dazumahl entstandenen Freindschaft (noch in liebe verhült,) ein vergehn, der Zurükhalltung[.]602
Bereits in ihrem Brief aus dem Jahr 1793 hatte Maria von Herbert angekündigt, dass sie Kant gerne in Königsberg besuchen wolle, auch um seine näheren Lebensumstände kennen zu lernen und etwa von Kant persönlich zu hören, »ob es ihnen auch nicht Muhe werth war, sich ein Weib zu nehmen oder sich irgend wem ganzen Herzen zu widmen, noch ihr Ebenbild fortzupflanzen«.603 1794 äußert sie erneut den Wunsch, ihn zu besuchen. Im selben Brief von 1794 bittet sie Kant erneut, zu ihren Selbstmordgedanken aus moralischer Hinsicht Stellung zu nehmen, da Kant dieses Thema in seinem Schreiben gänzlich außer Acht gelassen hatte. Es folgte jedoch keine weitere Antwort von Seiten Kants.604 Kant
Klagenfurter Kant-Rezeptionen in der Gegenwartsliteratur
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sandte die Briefe Maria von Herberts, nachdem er sie selbst sorgfältig nummeriert hatte, an Elisabeth Motherby, die Tochter eines Freundes, damit ihr die Briefe der »kleinen Schwärmerin« eine »Warnung vor solchen Verirrungen einer sublimirten Phantasie« seien.605 Maria von Herbert nahm sich im Jahr 1803 das Leben. Mit Maria von Herberts Briefwechsel mit Kant beschäftigt sich der Roman Cant läßt grüßen von Alois Brandstetter, in dem der fiktive Sekretär Kants Amanuensis an Maria von Herbert einen langen Brief schreibt, in dem er unter anderem auch Kants Antwort-Entwurf erläutert und Argumente aus Kants Lebensumständen sowie aus der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht bezieht, weshalb der »68jährige Zölibatär«606 seiner Ansicht nach keine geeignete Adresse für Maria von Herberts Ansuchen sei. Alois Brandstetter ist am 5. 12. 1938 in Aichmühl, Österreich, geboren. Sein Studium der Germanistik an der Universität Wien beendete er 1962 mit einer Dissertation über Laut- und bedeutungskundliche Untersuchungen an der Mundart von Pichl bei Wels. Ab 1962 war er Assistent für Altgermanistik und Sprachwissenschaft an der Universität Saarbrücken, wo er 1970 mit der Schrift Prosaauflösung. Studien zur Rezeption der höfischen Epik im frühneuhochdeutschen Prosaroman habilitierte. Von 1974 bis 2007 war er Professor für Ältere deutsche Sprache und Literatur an der Universität Klagenfurt. Es liegen zahlreiche Roman-Publikationen von ihm vor. Mit der Geschichte der Familie von Herbert beschäftigt sich auch der Roman Das Mädchen im See von Egyd Gstättner, 2005 erstmals erschienen. Die Hauptfigur des Romans ist die Dichterin Ottilie von Herbert, die Großnichte Franz Paul von Herberts, die bei einer nächlichen Fahrt über den Wörthersee im Jahr 1847 verunglückt und ertrunken ist. Der Roman verwebt Ottilies Lebensgeschichte mit anderen tragischen Geschichten, die sich am Wörthersee zugetragen haben, darunter die Erkrankung des Komponisten Gustav Mahler sowie der tragische Tod der Dichterin Ingeborg Bachmann. Untermalt ist der Roman von Gstättners Berichten über seinen eigenen gesundheitlichen Zustand und seine Todesangst. Egyd Gstättner, am 25. 5. 1962 in Klagenfurt geboren, studierte ab 1982 Germanistik und Philosophie in Klagenfurt und verfasste seine Diplomarbeit zum Thema Laterem Lavisti oder Perspektivierungsmetaphysik als Beitrag zur Kritik der reinen Wissenschaft. Es folgten zahlreiche Romanpublikationen sowie Theaterstücke. Gstättner verfasste darüber hinaus zahlreiche Essays für österreichische Tageszeitungen und arbeitete für den österreichischen Rundfunk.
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Franz Schuh – Zwischen Kantstraße und Hegelhof von Elisabeth Flucher Der Essayist, Kulturjournalist, Literaturkritiker und Philosoph Franz Schuh wurde am 15. März 1947 in Wien geboren. Dort besuchte er das Bundesrealgymnasium in der Diefengasse 19 im 15. Gemeindebezirk. Nach der Matura im Jahr 1966 inskribierte er im Sommersemester 1968 an der Universität Wien in Philosophie, Geschichte und Germanistik. Sein Studium der Philosophie, das er vor allem bei Leo Gabriel, Johannes Mader und Erhard Oeser absolvierte, beendete er 1975 mit einer Promotion über Hegel und die Logik der Praxis. Rückblickend erklärt Schuh sein jugendliches Interesse für Hegel damit, dass zu jener Zeit die Beschäftigung mit Hegel nicht zuletzt aus politischen Gründen in Mode gewesen sei: »Man wollte eigentlich gründlich alles von Marx verstehen, und wer das will, muss Hegel lesen.«607 An Hegel schätzt Schuh vor allem dessen Kritik an Kant: »Aber das Großartige an Hegel ist für mich eine Kritik an Kant, daran nämlich, dass der Formalismus des Moralischen, die Selbstbezogenheit des Subjekts in der Ethik, nicht ausreicht, weil in den Motivationshorizont von Handelnden die Geschichte eintritt.«608 Schuhs philosophisches Interesse geht jedoch weit über Hegel und Kant hinaus. Die Referenzen in Schuhs Texten reichen von Aristoteles über Nietzsche und Marx bis zu Wittgenstein. Mit dezenter Selbstironie distanziert sich Schuh von dem Image, das ihm Verlage und Öffentlichkeit aufprägen möchten, wenn er schreibt: »Peinlicherweise bin ich fastüberhaupt kein Philosoph.«609 Franz Schuh ist Verfasser zahlreicher Essays, die in verschiedenen Bänden veröffentlicht wurden, so etwa in Liebe, Macht und Heiterkeit. Essays (1985), Das phantasierte Exil. Essays (1991) und Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche (2006). Neben Romanen, etwa dem 1995 erschienenen Der Stadtrat. Eine Idylle, verfasste Schuh auch zahlreiche Rezensionen und Beitrage für Rundfunk und Presse. 2008 erschien seine autobiografische Schrift Memoiren. Ein Interview gegen mich selbst. Viele von Schuhs Essays nehmen ihren Ausgangspunkt von der Beobachtung einer Situation, eines Menschen oder eines Ortes. Häufig ist der Schauplatz Wien oder Berlin, zwei Städte, in denen Schuh längere Zeit gelebt hat. Andere Essays haben ihren Ursprung in Beobachtungen, die er auf Reisen gemacht hat. Orte sind wichtig in Schuhs Denken, weshalb es nicht gleichgültig ist, an welchem Ort sich etwas ereignet, ein Ort, der dann möglicherweise einen Gedanken inspiriert oder eine Assoziation erweckt. Ortsnamen sind daher nicht immer zufällig, vielleicht auch dann nicht, wenn Schuh in dem Gedicht Schöpfung die Berliner Kantstraße erwähnt: »Und in meinen Ohren / Tobte der Verkehr / Auf der Kantstraße / Nirgendwohin«.610 Es könnte darin eine Klage darüber liegen, dass
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Abb. 35: Roland Schlager, Franz Schuh (2009)
der Geist der Aufklärung durch den Lärm der Zivilisation übertönt wird. Schuhs Schreiben ist selten ohne Ironie. Das Spiel mit der Mehrdeutigkeit ist durchaus bewusstes Stilmittel. In dem Essay Caf¦ Hegelhof etwa wird nebenbei erwähnt, dass das Caf¦ Fichtehof ganz im Gegensatz zum Caf¦ Hegelhof ausstirbt: »geschlossen, ohne Wehmut darin nur mehr Ausrangiertes«.611 Spätestens eine Seite später kommt einem der Verdacht, dass das Wortspiel und die dadurch ausgelöste Assoziation gewollt sind, weil man bei folgendem Zitat unwillkürlich an Marx denken muss: »Manchmal möchte ich das Caf¦ Hegelhof auf den Kopf stellen«.612 Schuh sieht in Kant vor allem den Verfechter der Menschenwürde. »Sie [die Menschenwürde, EF] ist ein zentrales Thema der Aufklärung, in der ja auch die Menschenrechte ausgedacht worden sind.«613 Trotz des von Horkheimer und Adorno konstatierten Umschlagens der Rationalität der Aufklärung in ihr Gegenteil, hält Schuh das Projekt der Aufklärung für eines, das es fortzusetzen gilt.614 Wenn das von Kant geforderte »Selberdenken« nur nicht so schwierig wäre: »man kann, man muss, das Selberdenken so weit treiben, dass man dieses Selber, das Ich mit in Zweifel zieht – es ist nicht Herr im eigenen Haus. Aber wer sagt einem das – ja, wiederum das seiner Herrschaft verlustig gegangene Ich. Das, denke ich, zählt zu den Paradoxien der Philosophie«.615 Schuh denkt Kants »Gesinnungsethik« fort, indem er dem Gesinnungsethiker empfiehlt, auch an die Konsequenzen der Handlung zu denken: »der Verantwortungsethiker ist gut
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beraten, wenn er eine Gesinnung hat und der Gesinnungsethiker, wenn er sich auch einen Begriff davon macht, was seine Prinzipien für die Praxis bedeuten«.616 Das »Pathos« des Kategorischen in Kants Moralphilosophie stelle das Alltagshandeln jedoch zu leicht »in den Schatten«.617 »Die Deutschen, hat ein Deutscher gesagt, haben den kategorischen Imperativ, aber keine Manieren, also nix für den Alltag. Und die Leute, möchte ich hinzufügen, danken es Kant, indem sie den kategorischen Imperativ ständig mit dem hypothetischen verwechseln«.618 In dieser Aussage scheint auch etwas von jenem Pathos zu stecken, das Schuh Kant zuschreibt. Schuh ist jedoch nicht nur mit Kants Moralphilosophie, sondern auch mit dessen Erkenntnistheorie vertraut. Den von ihm wie folgt zitierten Satz Kants, dass »Gedanken ohne Inhalt […] leer und Anschauungen ohne Begriffe […] blind« sind, bezeichnet Schuh als »lakonisch«.619 Er stellt Kants Gedanken aus der Kritik der reinen Vernunft in einen neuen, als ästhetisch oder poetologisch zu bezeichnenden Kontext: Von einem Schauspiel sollte man begreifen, was man sieht, und sehen, was man begreift. Während uns die Welt auf diese Art, in der Vereinigung von Anschauung und Begriff gegeben sein mag, muss man eine Welt erst so auf die Bühne stellen, dass sie einen Eindruck von dieser Einheit erweckt (also den Eindruck erweckt, dass auf der Bühne eine Welt ist).620
Schuh verwendet gern und häufig kantische Terminologie. Manchmal geschieht dies auf ironische Weise: »Daß die Einheit der Person an die Einheit der Währung gebunden sei, ist wohl eine radikale Formulierung des Zusammenhangs von Geld und persönlichem Leben«.621 Manchmal intendiert Schuh jedoch eine durchaus ernsthafte Auseinandersetzung mit Kant, etwa wenn er im Geist der Aufklärung Anklage gegen das Unmenschliche in der Welt erhebt: Selbst die anerkannten Selbstzwecke wie Kunst oder gar der Mensch selbst sind – das beweist mir die Praxis – bloß als relative Selbstzwecke anerkannt. Die Würde des Menschen ist antastbar, und selbst in dem zivilen Spiel von Zweckbegriff und Systemrationalität bleibt kein Zweck und kein Selbstzweck prinzipiell ungenützt.622
Auf diese Weise bringt Schuh kantische Aufklärung und Marxismus zusammen. Seiner Ansicht nach führt auch das eine zum anderen, nämlich über die Vermittlung Hegels: »Selbstbestimmung auf das Subjekt allein bezogen ist, hegelianisch gesprochen, nicht substanziell. Das ist eine Möglichkeit, zu Marx zu kommen«.623 So nah Schuh der Aufklärer Kant ist, so fremd wurde ihm schließlich die Vorstellung einer »reinen« Vernunft: Ich schwankte angenehm zwischen jenen Philosophien, die vom Herzen sprechen, und denen, die die Grenzen ziehen. Es war eine schöne Zeit, immer war ich auf die richtigen
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Gefühle und Gedanken konzentriert. Jetzt aber, als ich dahinterkam, aus welchen Gründen mir die Philosophien entsprachen, habe ich die Bücher mit Ekel weggelegt. Hinter meiner Lektüre steckte nichts als ein Bedürfnis nach Reinheit und zwar nach einer Reinheit, die es im Leben nicht gibt, und von diesem Bedürfnis ist mir ganz schlecht geworden.624
Schuhs Beurteilung Kants, des Philosophen des Grenzenziehens und der reinen Vernunft, schwankt zwischen Zustimmung und Ablehnung. Wenn es darum geht, eine Fehlinterpretation Kants abzuwehren, beweist sich Schuh jedoch als Verteidiger Kants. In einer Rezension zu Wolfgang Welschs Homo mundanus – Jenseits der anthropischen Denkform der Moderne beschreibt Schuh die Erschütterung in Kleists Denken, als er die Tragweite von Kants kopernikanischer Revolution begriff: »Dass das Subjekt jeweils selber in die Konstitution der Welt involviert ist, kann einen schon erschrecken«.625 Welsch sei jedoch der irrigen Ansicht, Kant lehre die These, dass »der Mensch das Maß aller Dinge ist«,626 eine Denkform, die Welsch als anthropisch bezeichnet und von der man sich seiner Auffassung nach befreien müsse. Polemisch kommentiert Schuh: »Hätte Kleist seinerzeit Wolfgang Welsch gelesen, dann hätte er sich wenigstens die KantKrise ersparen können.«627
Kehlmanns Vermessung der Welt – Die Neuerfindung eines Zeitalters von Elisabeth Flucher Daniel Kehlmann, am 13. Januar 1975 geboren, lebt als freier Schriftsteller in Wien und Berlin. Sein Großvater ist der expressionistische Schriftsteller Eduard Kehlmann, der in Wien lebte, wohin die Familie 1981 zog. Daniel Kehlmann ist Sohn des Regisseurs Michael Kehlmann und der Schauspielerin Dagmar Mettler. In Wien besuchte Kehlmann das Kollegium Kalksburg, daraufhin studierte er Philosophie und Literaturwissenschaft in Wien. Seine Diplomarbeit in Philosophie schrieb er über Schillers Theorie der Entfremdung. Eine Analyse der Abhandlung ›Über naive und sentimentalische Dichtung‹. Im Wintersemester 2005 war Kehlmann Dozent für Poetik an der Universität Wiesbaden, im Winter 2006 an der Universität Göttingen. 2014 hielt er die Poetik-Vorlesungen an der JohannWolfgangGoethe-Universität Frankfurt. Kehlmann hat zahlreiche Romane verfasst, darunter Beerholms Vorstellung (1997), Mahlers Zeit (1999) und Ich und Kaminski (2003). In seinem 2005 erschienenen und bereits in viele Sprachen übersetzten Roman Die Vermessung der Welt zeichnet Daniel Kehlmann die Begegnung zwischen dem Mathematiker Johann Carl Friedrich Gauß und dem Naturforscher Alexander von Humboldt nach. In zwei parallelen Erzählsträngen schil-
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dert Kehlmann die Jugend und die beruflichen Abenteuer der beiden herausragenden Wissenschaftler. Während Gauß schon früh als Genie der Mathematik gilt, sich finanziell jedoch mit Landvermessungstätigkeiten über Wasser halten muss, begibt sich der umfassend gebildete Geologe und Naturforscher Alexander von Humboldt auf eine Expedition nach Amerika. Kehlmann gestaltet die sehr unterschiedlichen Charaktere der beiden Wissenschaftler und die Schwierigkeiten und Herausforderungen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeiten sehr anschaulich; einerseits die Abenteuer Humboldts auf seiner Amerika-Expedition und andererseits die von Alltagswidrigkeiten geprägte Tätigkeit des Landvermessers und Astronomen Gauß. Immanuel Kant spielt in Kehlmanns Roman keine zentrale, aber dennoch eine wichtige Rolle. Zunächst ergibt sich eine Verbindung zwischen Alexander von Humboldt und Kant durch Humboldts Lehrer Marcus Herz, der seinerseits ein Schüler Kants war. Im Roman wird darüber hinaus an mehreren Stellen Humboldts geistige Nähe zu Kant zum Ausdruck gebracht. Nachdem Humboldt seinen Begleiter auf der Expedition, den Botaniker Aim¦ Bonpland, mit einer Frau »erwischt« hatte, weist er diesen mit einem Verweis auf Kant zurecht: »Der Mensch sei kein Tier, sagte Humboldt. Manchmal doch, sagte Bonpland. Humboldt fragte, ob er nie Kant gelesen habe. Ein Franzose lese keine Ausländer. Er wolle das nicht diskutieren, sagte Humboldt. Noch einmal so etwas, und ihre Wege würden sich trennen.«628 Humboldt leitet aus Kants Philosophie strenge Enthaltsamkeit und vollkommenes Engagement für die Wissenschaft als Leitfäden seiner Lebensweise ab. Bei seinem Besuch der Mine von Taxco macht Humboldt Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit und Effizienz der Silberförderung, da es zu viele Unfälle gebe. Die indifferente Reaktion des Bergwerksleiters Don Fernando erstaunt ihn: »Man habe genug Leute, sagte Don Fernando. Wer sterbe, könne ersetzt werden. Humboldt fragte ihn, ob er Kant gelesen habe. Ein wenig, sagte Don Fernando, aber er habe Einwände gehabt, Leibniz liege ihm mehr. Er habe deutsche Vorfahren, deshalb kenne er all diese schönen Phantastereien.«629 Die humanistische Weltsicht Alexander von Humboldts wird durch die Grausamkeit seiner Zeitgenossen immer wieder erschüttert, da der Gedanke der Würde eines jeden Menschen in der »Neuen Welt« gemäß der Darstellung im Roman als »schöne Phantasterei« gilt. Beim Besuch der Ruinen von Teotihuacan entdeckt Humboldt, dass die Pyramiden der ausgegrabenen Stadt wie ein Kalender funktionierten. So viel Zivilisation und so viel Grausamkeit, sagte Humboldt. Was für eine Paarung! Gleichsam der Gegensatz zu allem, wofür Deutschland stehe. Vielleicht sei es Zeit zur Heimkehr, sagte Bonpland. […] Eine Weile sah Humboldt in den bestirnten Nachthimmel. Gut, sagte er dann. Er werde diese erschreckend intelligent geschichteten Steine verstehen lernen, als wären sie Teil der Natur.630
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Für Kehlmanns Humboldt steht Deutschland vor allem für eines: für die Aufklärungs-Philosophie Kants. In seiner Schrift Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht aus dem Jahr 1784 hatte Kant den Unterschied zwischen Kultur, Zivilisation und Moral wie folgt dargestellt: »Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft kultiviert. Wir sind zivilisiert, bis zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber, uns für schon moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel.«631 Kultur und Zivilisation garantieren für Kant noch nicht die Moralität der zwischenmenschlichen Verhältnisse. Die Erfahrungen Humboldts in Kehlmanns Roman bestätigen diese ernüchternde Feststellung Kants. So als würde er sich an Kants Worte der Bewunderung für den »bestirnte[n] Himmel über mir« und das »moralische Gesetz in mir«632 erinnern, blickt Humboldt in den Himmel. Ohne sich jedoch zu sehr mit seiner Enttäuschung über die Amoralität der Welt aufzuhalten, beschließt er, sich auf die Beschreibung der Ruinensteine als »Teil der Natur« zu beschränken. Humboldt sieht seine Aufgabe in der Erforschung der Natur, nicht in der moralischen Verbesserung der Welt – so der Tenor von Kehlmanns Schilderung. Auch in der Darstellung des zweiten Protagonisten des Romans, Johann Carl Friedrich Gauß, gibt es mehrere implizite Verweise auf Kant. Der hochbegabte Schüler Gauß hat seine Mühe mit der intellektuellen Trägheit seiner Mitmenschen: Warum dachten sie so langsam, so schwer und mühevoll? Als würden Gedanken von einer Maschine hervorgebracht, die man zuvor anwerfen und in Gang kurbeln mußte, als wären sie nicht lebendig und bewegten sich von selbst. […] In diesem Moment begriff er, daß niemand den Verstand benutzen wollte. Menschen wollten Ruhe. Sie wollten essen und schlafen, und sie wollten, daß man nett zu ihnen war. Denken wollten sie nicht.633
Die Empörung des jungen Gauß über den mangelnden Verstandesgebrauch seiner Mitmenschen erinnert an Kants Schrift Was ist Aufklärung?, in der er bekanntlich Unmündigkeit als das Unvermögen fasst, »sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen«.634 Ähnlich der Darstellung Humboldts in Kehlmanns Roman ist auch Gauß durch die Amoralität der menschlichen Verhältnisse ernüchtert, reagiert darauf jedoch durch einen Drang, die Welt wissenschaftlich zu erforschen anstatt sie moralisch zu verbessern: »Auf dem Rückweg fragte er sich, ob je ein Tag kommen würde, an dem Menschen miteinander umgehen könnten, ohne zu lügen. Aber bevor ihm darauf etwas einfiel, begriff er, wie jede Zahl sich als Summe dreier Dreieckszahlen darstellen ließ.«635 Schließlich wird ein fiktiver Besuch Gauß’ bei Kant geschildert. An Kants Tür wird Gauß zunächst von Kants Diener Lampe abgewiesen. Erst nach mehrmaliger Wiederholung seines Anliegens wird Gauß vorgelassen.
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Gauß folgte ihm zögernd durch einen kurzen und dunklen Flur in ein kleines Zimmer. Er brauchte einen Moment, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten und er ein verhängtes Fenster, einen Tisch, einen Sessel und darin einen in Wolldecken gewickelten, reglosen Zwerg sehen konnte: wulstige Lippen, vorspringende Stirn, eine scharfe, dünne Nase. Die halbgeöffneten Augen wandten sich ihm nicht zu. Die Luft war so stickig, daß man kaum atmen konnte. Mit heiserer Stimme fragte er, ob das der Professor sei.636
Bereits Kehlmanns Schilderung von Gauß’ Eintritt in Kants Zimmer lässt ahnen, dass sich aus der Begegnung wohl kein fruchtbares Gespräch ergeben wird. Gauß trifft auf einen greisen Kant, in dessen Haus nicht der von Gauß erwartete Geist der Aufklärung weht, sondern in dem man kaum atmen kann. Gauß kritisiert Kants Lehre von den Anschauungsformen in der Kritik der reinen Vernunft und dass der euklidische Raum seiner Ansicht nach eine Fiktion sei. »Nur eines sei sicher : Der Raum sei faltig, gekrümmt und sehr seltsam.«637 Die Rede vom gekrümmten Raum ist nicht der einzige Anachronismus, den Kehlmann einsetzt. Historische Genauigkeit entspricht nicht der methodischen Herangehensweise seines Romans. Über das Verhältnis Humboldts und Gauß’ zu Kant schreibt der Wissenschaftshistoriker Knobloch: »Humboldt hat ihn sehr verehrt, aber Gauß war niemals in Königsberg.«638 Kehlmanns Darstellung Kants sei eine »Majestätsbeleidigung für Philosophen«.639 Gauß’ fiktive Begegnung mit Kant wird im Roman wie folgt beschrieben: Er [Gauß] ging in die Hocke, so daß sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem des Männchens war. Er wartete. Die kleinen Augen richteten sich auf ihn. Wurst, sagte Kant. Bitte? Der Lampe soll Wurst kaufen, sagte Kant. Wurst und Sterne. Soll er auch kaufen. […] Ein Tropfen Speichel rann über sein Kinn.640
Schließlich wird das Verhältnis von Gauß und Humboldt nochmals an einer Stelle des Romans thematisiert, als die beiden Wissenschaftler sich in Berlin treffen, wo Gauß das Gespräch auf die Macht der Naturgesetze lenkt: »Die wahren Tyrannen seien die Naturgesetze. Aber der Verstand, sagte Humboldt, forme die Gesetze! Der alte kantische Unsinn. Gauß schüttelte den Kopf. Der Verstand forme gar nichts und verstehe wenig. Der Raum biege und die Zeit dehne sich.«641 Kehlmann hat sich in der Darstellung der historischen Personen viele Freiheiten genommen. Im Roman begründet er dies, indem er Humboldt in ironischer Brechung sagen lässt: Er arbeite an einem Katalog von Pflanzen- und Naturmerkmalen, an welche sich zu halten man die Maler gesetzlich verpflichten müsse. Ähnliches sei für die dramatische Dichtung zu empfehlen. Er denke an Listen der Eigenschaften wichtiger Persönlichkeiten, von denen abzuweichen dann nicht mehr in der Freiheit eines Autors liegen dürfe.642
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In einer anderen Passage des Romans zeigt Kehlmann die Romanfiguren in einer Situation, in der Kants Wort vom »Ich denke«, das »alle meine Vorstellungen begleiten können« muss, außer Kraft gesetzt ist.643 Auf einer Bergexpedition beginnen Humboldt und Bonpland aufgrund des Sauerstoffmangels und ihrer einsetzenden Höhenkrankheit zu halluzinieren und wissen nicht mehr, ob sie selbst es sind, die denken und sprechen, oder jemand anders: Bonpland stellte fest, daß er eigentlich aus drei Personen bestand: Einem, der ging, einem, der dem Gehenden zusah, und einem, der alles unablässig in einer niemandem verständlichen Sprache kommentierte. […] Bonpland begann zu singen. Erst fiel der eine, dann der andere Begleiter ein. Bonpland hatte das Lied in der Schule gelernt, ziemlich sicher kannte es auf dieser Hemisphäre keiner. Ein Beweis, daß die zwei neben ihm wirklich waren und keine Hochstapler, denn wer hätte es ihnen beibringen sollen? Zwar war an diesem Gedanken etwas nicht logisch, aber er kam nicht darauf, was. Und am Ende war es auch gleichgültig, da er ja ohnehin keine Gewähr hatte, daß er es war, der dachte, und nicht einer der zwei anderen.644
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Kant und der Wiener Kreis – Wer hat Angst vor dem synthetischen Apriori? von Bastian Stoppelkamp Der Wiener Kreis gehört zu den einflussreichsten philosophischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum stand dabei die Idee eines mit Hilfe von Logik und Mathematik revitalisierten Empirismus, der als Urheber der modernen Wissenschaftstheorie sowie als Wegbereiter der analytischen Sprachphilosophie angesehen werden kann. In seiner Programmatik entwickelte der Logische Empirismus des Wiener Kreises ein kritisches und wechselvolles Verhältnis zu Kant und zum Kantianismus, welches seit einigen Jahrzehnten in der Forschung diskutiert wird: Zielte der Wiener Kreis auf eine vollständige Überwindung der kantischen Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie? Oder ging es ihm um eine konstruktive Revision? Diese und andere Fragen führen zunächst zurück zur Entstehungsgeschichte des Kreises im Laufe der 1920er und 1930er Jahre.
Geschichte des Wiener Kreises Mit der Berufung von Moritz Schlick zum Ordinarius für Philosophie an die Universität Wien im Jahre 1922 konstituierte sich eine Gemeinschaft von Philosophen und philosophisch interessierten Wissenschaftlern, die zwischen 1924 und 1936 in regelmäßigen Sitzungen zusammentrafen, um über wissenschaftstheoretische und sprachanalytische Fragen zu diskutieren.1 Neben Schlick, der bei den Sitzungen den nominellen Vorsitz inne hatte, gehörten zum engeren Zirkel des Kreises: die Sozialwissenschaftler Otto Neurath und Edgar Zilsel, der theoretische Physiker Philipp Frank, die Mathematiker Hans Hahn, Karl Menger und Kurt Gödel sowie die Philosophen Rudolf Carnap, Friedrich Waismann, Herbert Feigl und Viktor Kraft, die mit Ausnahme von Kraft zudem
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allesamt Mathematik und Physik studiert hatten. Um sie gruppierte sich mit der Zeit ein Netzwerk von Sympathisanten und Partizipanten, die sich aktiv an der Entwicklung des Kreises beteiligten. Die Liste an klangvollen Namen reicht hierbei von dem polnischen Logiker Alfred Tarski über die amerikanischen Philosophen Ernest Nagel und Willard van Orman Quine bis zu Carl Gustav Hempel und Hans Reichenbach, welche mit der sogenannten »Berliner Gruppe« nahezu zeitgleich ein deutsches Pendant des Logischen Empirismus aus der Taufe gehoben hatten.2 Darüber hinaus pflegte der Wiener Kreis intensive und oftmals recht problembeladene Kontakte zu Ludwig Wittgenstein und Karl Popper.3 Nach einer konstitutiven Phase als Diskussionszirkel (»Schlick-Zirkel«), in der man sich vor allem mit Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus sowie mit Carnaps Logischem Aufbau der Welt beschäftigte, trat der Kreis Ende der 1920er Jahre als philosophische Bewegung an die Öffentlichkeit. 1929 erschien das Manifest Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis, das die eigene Programmatik erstmalig publik machte und in einen ideenhistorischen Kontext stellte.4 Im selben Jahr wurde der »Verein Ernst Mach« gegründet, der als offenes Diskussionsforum die Philosophie des Kreises in die Gesellschaft tragen und damit der sozialen Aufklärung und Volksbildung dienen sollte:5 »Die wissenschaftliche Weltauffassung dient dem Leben und das Leben nimmt sie auf«, heißt es hierzu im Kreismanifest.6 Aus diesen Initiativen ging eine Vielzahl an Veröffentlichungen hervor: In Zusammenarbeit mit der »Berliner Gesellschaft für empirische Philosophie« rief der Wiener Kreis 1930 die Zeitschrift Erkenntnis ins Leben, welche das zentrale Organ des Logischen Empirismus in Europa darstellte. Als Herausgeber firmierten die beiden Freunde Rudolf Carnap (im Namen des Vereins Ernst Mach) und Hans Reichenbach (als Vertreter der »Berliner Gruppe«).7 Zudem brachte man mehrere Publikationsreihen auf den Weg: Frank und Schlick gaben gemeinsam die Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung heraus; Neurath betreute die Reihe Einheitswissenschaften sowie später, die gemeinsam mit Carnap und dem amerikanischen Pragmatisten Charles Morris herausgegebene International Encyclopedia of Unified Science.8 Im Unterschied zu vielen anderen deutschsprachigen Philosophieströmungen war der Wiener Kreis schon früh international und interdisziplinär. So organisierte man etwa nach Gründungstagungen in Prag (1929) und Königsberg (1930) zwischen 1934 und 1941 sieben »Internationale Kongresse zur Einheitswissenschaft«.9 Aufgrund seiner sozialemanzipatorischen und links-liberalen Ausrichtung wurde der Wiener Kreis von reaktionärer Seite mit Argusaugen betrachtet. Dies galt insbesondere für die Wiener Universität, wo deutschnationale und katholisch-klerikale Professoren und Studenten mit Beginn der 1920er Jahre zunehmend die hochschulpolitischen Geschicke bestimmten.10 Bereits die Berufung
Wer hat Angst vor dem synthetischen Apriori?
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Schlicks war gegen erhebliche Widerstände zustande gekommen.11 Jüdischen oder sozialistisch gesinnten Mitgliedern des Kreises wie Edgar Zilsel oder Friedrich Waismann wurde eine akademische Karriere in Österreich verunmöglicht. Im Zuge der 1930er Jahre radikalisierten sich diese Marginalisierungen zu einer politisch und antisemitisch motivierten Verfolgung:12 Mit der Etablierung des austro-faschistischen Ständestaates 1934 wurde der »Verein Ernst Mach« aufgelöst. Als Sozialdemokrat musste Otto Neurath Österreich verlassen. Herbert Feigl war bereits 1931 in die USA emigriert. Ihm folgten Rudolf Carnap (USA, 1935), Karl Menger (USA, 1937) sowie Friedrich Waismann (England, 1937) ins Exil. Hans Hahn verstarb 1934. Zwei Jahre später wurde Moritz Schlick auf den Stufen der Wiener Universität von einem geistig verwirrten Studenten ermordet.13 Nach dem Anschluss an Deutschland und dem Beginn der NS-Diktatur in Österreich flüchteten bis auf Kraft und B¦la Juhos die noch verbliebenen Mitglieder des Kreises nach England und Amerika, wo viele eine neue persönliche und akademische Heimat fanden.14 Kurt Gödel, Carnap und Feigl machten in den USA Karriere und führten den Logischen Empirismus unter modifizierten Vorzeichen weiter. Andere wie Neurath und Zilsel blieben marginalisiert. Nach Österreich kehrte keiner von ihnen dauerhaft zurück. Bis auf einen kurzen Wiederbelebungsversuch durch Viktor Kraft geriet das Erbe des Wiener Kreises über Jahrzehnte in Vergessenheit. Erst durch die historischen Arbeiten und zivilgesellschaftlichen Initiativen von Rudolf Haller, Friedrich Stadler, Elisabeth Nemeth und anderen kam es in Österreich zu einer verspäteten Anerkennung.
Das Grundmodell des Logischen Empirismus Entgegen dem über Jahrzehnte in der angloamerikanischen Philosophie forcierten »received view« war der Wiener Kreis kein hermetisches Gebilde, sondern eine Gemeinschaft verschiedenster intellektueller und weltanschaulicher Temperamente. Die Vielfalt der Ansichten spiegelte sich in zahlreichen internen Diskussionen, die wie etwa die »Protokoll-Satz-Debatte« mittlerweile in die Philosophiegeschichte eingegangen sind.15 Obwohl sich die Philosophie des Kreises schwerlich auf einen Nenner bringen lässt, finden sich einige philosophische Grundansichten, über die weitgehender Konsens herrschte: Dazu gehörte vor allem ein szientistisches Ethos, welches den Wissenschaften sowohl eine kognitive als auch eine sozialemanzipatorische Vorbildfunktion zubilligte und in den Dienst einer Aufklärung und Demokratisierung der Gesellschaft stellte.16 Das Manifest des Kreises spricht hierbei von einer »wissenschaftlichen Weltauffassung«, die man bewusst von den in dieser Zeit propagierten Weltanschauungen abgrenzte.17
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Kant und der Wiener Kreis
Die Philosophie des Wiener Kreises wird gewöhnlich als »Logischer Empirismus« (oder auch »Logischer Positivismus«) bezeichnet, was durchaus programmatisch zu verstehen ist. In Anlehnung an Empiristen und Positivisten wie David Hume, John Stuart Mill oder Ernst Mach betrachtete man Beobachtung und Erfahrung als einzig legitime Quellen der Erkenntnis.18 Man ging jedoch nicht so weit, auch die Prinzipien der Logik und Mathematik aus der Erfahrung herzuleiten. Hierin lag die Novität dieses neuen, logischen Empirismus: Im Gegensatz zu Kant und in Bezugnahme auf die Arbeiten von Henri Poincar¦, Gottlob Frege, Bertrand Russell und David Hilbert interpretierte der Wiener Kreis Logik und Mathematik als rein analytische Symbolsysteme, die sich nicht auf die Gegenstände der Welt bezogen, sondern Regeln darüber aufstellten, wie über jene Gegenstände gesprochen werden sollte. Im Sinne der von Ludwig Wittgenstein initiierten »linguistischen Wende« wurden diese empiristischen und logizistischen Elemente auf eine sprachliche Unterscheidung heruntergebrochen: Auf der einen Seite hatte man synthetische und aposteriorische Sätze, die über die Vorgänge der Welt Behauptungen aufstellten, und deren Bedeutung daran gemessen wurde, inwiefern sie sich durch Erfahrung prinzipiell überprüfen ließen (Verifikationismus).19 Auf der anderen Seite standen die analytisch-apriorischen Sätze der Logik und Mathematik, deren Sinn durch definitorische Festlegungen bestimmt wurde und die keine eigenständigen Erkenntnisquellen darstellten: Jede Aussage, die weder der einen noch der anderen Kategorie zugerechnet werden konnte, war nach Ansicht des Logischen Empirismus als metaphysisch und »sinnlos« zu bewerten. Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt keine unbedingt gültige Erkenntnis aus reiner Vernunft, keine ›synthetischen Urteile a priori‹, wie sie der kantischen Erkenntnistheorie und erst recht aller vor- und nachkantischen Ontologie und Metaphysik zugrunde liegen. […] Gerade in der Ablehnung der Möglichkeit synthetischer Erkenntnis a priori besteht die Grundthese des modernen Empirismus. Die wissenschaftliche Weltauffassung kennt nur Erfahrungssätze über Gegenstände aller Art und die analytischen Sätze der Logik und Mathematik[.]20
Aus der Ablehnung des synthetischen Apriori resultierte eine spezifische Auffassung von Wissenschaft: In seiner kritischen Philosophie hatte Kant die Objektivität wissenschaftlicher Geltungsansprüche zu begründen versucht, indem er bestimmte physikalische Prinzipien als apodiktische Voraussetzungen menschlicher Erkenntnis auswies (reine Naturwissenschaft), unter denen allein die empirische Erfassung und Beobachtung der Welt als möglich gedacht werden könne. Hierzu gehörte die euklidische Geometrie ebenso wie Teile der Newtonschen Mechanik, die als synthetische Produkte reiner Denk- und Anschauungsformen die Verbindung von Theorie und Beobachtung konstituieren.21 Durch die mathematischen und naturwissenschaftlichen Revolutionen des 19.
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und frühen 20. Jahrhunderts mit ihrem Kulminationspunkt in Einsteins Relativitätstheorie wurden jene Felder in ihrer physikalischen Gültigkeit revidiert, wodurch auch die kantische Begründung wissenschaftlicher Objektivität in eine Legitimationskrise geriet. Die Wissenschaftstheorie des Wiener Kreises lieferte diesbezüglich radikale Lösungsansätze: In Weiterführung von Wittgensteins ›sprachlicher Wende‹ betrachtete man Wissenschaft als ein Kompositum von Sätzen, von Theorie- und Beobachtungsaussagen, wobei hitzig darüber diskutiert wurde, wie diese beiden Aussagesysteme jeweils konstituiert und miteinander in Verbindung gebracht werden sollten.22 Zum einen gingen die Bemühungen dahin, die theoretischen Termini und Aussagen anhand von empirischen Basissätzen zu interpretieren und induktiv zu überprüfen. Zum anderen versuchte man, zwischen rein definitorischen und empirischen Aspekten von Theoriebildung trennscharf zu unterscheiden, um damit den kognitiven Kern von Wissenschaft transparent und einen Erkenntnisapriorismus im Sinne Kants überflüssig zu machen: Durch die Anwendung der axiomatischen Methode auf die genannten Probleme scheiden sich überall die empirischen Bestandteile der Wissenschaft von den bloß konventionellen, der Aussagegehalt von der Definition. Für ein synthetisches Urteil a priori bleibt da kein Platz mehr. Dass Erkenntnis der Welt möglich ist, beruht nicht darauf, dass die menschliche Vernunft dem Material ihre Form aufprägt, sondern darauf, dass das Material in einer bestimmten Weise geordnet ist[.]23
Auf dieser Basis entwickelte der Wiener Kreis ein neues philosophisches Rollenverständnis, wie Moritz Schlick in seinem programmatischen Aufsatz Die Wende der Philosophie (1930) vorgeführt hat. Gegen Kant und die Deutschen Idealisten »forderte er« »dem Chaos der Systeme ein Ende zu machen und das Schicksal der Philosophie zu wenden«.24 Die Philosophie sei weder eine Wissenschaft, noch verfüge sie über eine eigene Sprache. Ihre Aufgabe bestehe darin, die Bedeutung von wissenschaftlichen Aussagen festzustellen: »Durch die Philosophie werden Sätze geklärt, durch die Wissenschaften verifiziert. Bei diesen handelt es sich um die Wahrheit von Aussagen, bei jener aber darum, was die Aussagen eigentlich meinen«.25 Vor diesem Hintergrund wurde jegliche Form metaphysischer Letztbegründung aus dem Bereich der Erkenntnis ausgegliedert. Philosophie sollte jedoch nicht bloß Sprache analysieren, sondern mittels sprachlicher Methoden die Einheit der Wissenschaften befördern. Ziel der »wissenschaftlichen Weltauffassung« sei die »Einheitswissenschaft«,26 was sich sowohl gegen die vom badischen Neukantianismus propagierte Trennung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften als auch gegen die idealistische Vorstellung eines philosophisch vermittelten ›Systems der Wissenschaften‹ richtete. In diesem Sinne entwickelte Otto Neurath in Auseinandersetzung mit Rudolf Carnap die Idee einer physikalistischen »Einheitssprache«. Zudem vo-
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tierte er ausdrücklich dafür, die Rede von »›DEM‹ System ›DER‹ Wissenschaft« aufzugeben, und im Sinne der französischen Aufklärung von »Enzyklopädien der Wissenschaft« zu sprechen.27
Der erste Wiener Kreis und Kant Durch die Vertreibung nahezu aller Mitglieder des Wiener Kreises kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer Verengung der Perspektive: Wie Friedrich Stadler, Hans-Joachim Dahms und George Reisch dargelegt haben, wandelte sich der Logische Empirismus unter den Exilbedingungen von einer spätaufklärerischen Weltauffassung zu einer rein wissenschaftstheoretischen Position.28 Er galt fortan als Sinnbild einer rein formalistischen Philosophie, wie sie über Jahrzehnte als sogenannter »received view« tradiert wurde. Erst im Zuge der philosophiehistorischen Forschungen der letzten 30 Jahre begann eine Wiederannäherung an die konkreten Entstehungsbedingungen des Wiener Kreises. Dabei wurde nicht nur die Vielfalt an individuellen Positionen und Lebenswegen in den Blick genommen, sondern zugleich das von jeher als negativ erachtete Verhältnis zu Kant auf den Prüfstand gestellt. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Arbeiten von Michael Friedman, Alan Richardson, Thomas Ryckman, Alberto Coffa und Thomas Mormann, die eine eifrig geführte Diskussion darüber angestoßen haben, inwieweit der prononcierten Auseinandersetzung mit Kant und dem Neukantianismus innerhalb der Vorgeschichte und Formierungsphase des Wiener Kreises ein zentraler Stellenwert beigemessen werden muss.29 Zu den Ursprüngen des Kreises der 1920er und 1930er Jahre gehörte eine Gesprächsrunde, die von 1907 bis 1912 wöchentlich in Wien zusammentrat, um über wissenschaftliche und philosophische Fragestellungen zu debattieren. Die Initiatoren waren die künftigen Kreismitglieder Otto Neurath, Hans Hahn und Philipp Frank, weshalb Rudolf Haller diesen Diskussionszirkel als »ersten Wiener Kreis« bezeichnet hat.30 Philipp Frank hat später über diese Treffen berichtet und über das Lektüreverhalten der Gruppe Auskunft gegeben.31 Zu den wissenschaftstheoretischen Referenzpunkten des ersten Wiener Kreises gehörten vor allem die französischen Konventionalisten Pierre Duhem, Henri Poincar¦ und Abel Rey sowie die österreichischen Physiker Ernst Mach und Ludwig Boltzmann. Sie alle waren philosophierende Wissenschaftler, welche sich durch die Grundlagenkrisen in Physik und Mathematik zur theoretischen Reflexion gezwungen sahen. Den entscheidenden Problemhorizont lieferte der kantische Apriorismus. Bestand der Grundcharakter der Philosophie Kants vornehmlich darin, den zwingenden und objektiven Charakter wissenschaftlicher Praxis herauszustellen, zielte man nun darauf ab, die Latenz und notorische Unsi-
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cherheit von Wissenschaft auf ihre theoretischen Potentiale zu überprüfen. In diesem Sinne hatte der Positivist Ernst Mach das wissenschaftliche Aufgabenprofil auf die ökonomische Beschreibung beobachtbarer Phänomene reduziert. Alle theoretischen Prinzipien fungierten als bloße Hilfsbegriffe, als rein instrumentelle Ordnungsformen von Erfahrung, die Mach in seinen historischkritischen Sprachanalysen von sämtlichen ontologischen und apriorischen Geltungsansprüchen zu entlasten versuchte. Im deutlichen Gegensatz zu Kant sprach Mach von der »Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und aneinander«.32 Von den Mitgliedern des ersten Wiener Kreises wurde Mach als Symbolfigur einer neuen wissenschaftlichen Aufklärung verehrt.33 Durch seine Sprachkritik und seinen konsequenten Empirismus hatte er einen fundamentalen Schritt zur Überwindung metaphysischer Welt- und Wissenschaftsauffassungen beigetragen, wie man sie in der theoretischen Philosophie Kants repräsentiert sah. Genau hier stieß man allerdings auf ein gravierendes Problem: In Machs positivistischer Wissenschaftsauffassung wurden die konstruktiven Eigenarten wissenschaftlicher Theoriebildung nur unzureichend eingefangen. Durch ihren formalen Charakter ließen sich die Grundsätze der theoretischen Physik weder aus der Erfahrung herleiten, noch unmittelbar an sie anlegen. Theorie und Beobachtung fanden sich damit auseinandergerissen, sodass man in den kantischen Apriorismus zurückzufallen drohte. Philipp Frank hat dieses Problem später wie folgt beschrieben: »Wir mussten uns eingestehen, dass die Lücke zwischen der Beschreibung von Fakten und den generellen Prinzipien der Wissenschaft durch Mach nicht vollständig geschlossen worden war, allerdings wollten und konnten wir auch Kant nicht zustimmen, der diese Lücke durch Formen und Schemata von Erfahrungen zu schließen versucht hatte, die sich durch den Fortschritt der Wissenschaft nicht verändern ließen.«34 Einen Ausweg aus diesem Dilemma fand man im französischen Konventionalismus Henri Poincar¦s, der von den Mitgliedern des Wiener Kreises als ein neuer »mit dem Öl moderner Wissenschaft gesalbter« Kant gefeiert wurde.35 Als einer der ersten hatte Poincar¦ die wissenschaftstheoretischen Konsequenzen aus der Entwicklung nicht-euklidischer Geometrien gezogen.36 Noch vor Einstein antizipierte er die Möglichkeit, die physikalischen Gegenstände durch unterschiedliche geometrische Rahmenwerke zu beschreiben. In Abgrenzung zu Kant und Mach betrachtete er die grundlegenden physikalischen Prinzipien weder als ökonomisch-empirische Beschreibungen noch als apriorisch-apodiktische Urteile. Sie waren arbiträre Konventionen, definitorische Festsetzungen, die nach Maßgabe forschungsleitender Regeln – wie etwa dem Prinzip der Einfachheit – variabel auf die Erfahrung bezogen werden konnten. Aus dem Zusammenspiel von Mach und Poincar¦ resultierte für die Mitglieder des ersten Wiener Kreises ein neues, gleichermaßen flexibles wie reflexives Wissenschaftsverständnis, wie es etwa Philipp Frank in seiner konventionalistischen Ausdeutung des Kausalprinzips
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und Otto Neurath in seiner Methodologie der Sozialwissenschaften exemplarisch vorgeführt haben.37 Von hier aus erklärt sich auch die kritische Fixierung auf Kant. Vor dem Hintergrund der Grundlagenkrisen in Physik und Mathematik erschien Kant als Kulminationspunkt einer verkehrten, metaphysischen Zusammenführung von Wissenschaft und Philosophie. Durch seinen Apriorismus hatte er aus Sicht des ersten Wiener Kreises versucht, die philosophischspekulative Forderung nach Letztbegründung und tabula rasa auf die Wissenschaften zu übertragen und mit dem Anspruch der Rationalität zu versehen (»Pseudorationalismus«).38 Zwar kam auch der erste Wiener Kreis an Kant nicht vorbei. Dies macht jedoch die Kritik nicht weniger fundamental: Die Entwicklung einer zukunftsweisenden Wissenschaftstheorie, wie sie letztlich durch den Logischen Empirismus der 1920er Jahre unternommen wurde, erforderte eine dezidiert anti-apriorische Lösung, die sowohl die Kreativität der Theoriebildung als auch die sperrige Natur der Erfahrung berücksichtigte.39
Die Kant-Gesellschaft in ›un-kantianischer Umgebung‹ Mit Blick auf das kulturelle Milieu des ersten Wiener Kreises hat Neurath von einer »un-kantianischen Umgebung« gesprochen:40 Für Neurath war die österreichische Philosophie des frühen 20. Jahrhunderts durch ein Spektrum an Positionen gekennzeichnet, die sowohl in ihrer szientistischen Orientierung als auch in der Kritik an den kantischen und idealistischen Schultraditionen verbunden waren. Dazu rechnete er neben Mach und Boltzmann die österreichischen Anhänger Bolzanos und Herbarts sowie den einflussreichen Schülerkreis Franz Brentanos. Während diese Richtungen im Rahmen der deutschen akademischen Philosophie nur eine marginale Rolle spielten, bestimmten sie in Österreich das intellektuelle Klima.41 Ein zentrales Formierungsfeld bildete dabei die 1888 von Schülern Brentanos gegründete »Philosophische Gesellschaft an der Universität zu Wien«.42 Bis zur ihrer politisch bedingten Auflösung 1938 prägte sie die Entwicklung der österreichischen Philosophie. Durch ihre Anbindung an die Universität lag die Leitung der Gesellschaft jeweils in den Händen eines ordentlichen Mitglieds des Wiener Philosophie-Instituts: angefangen von dem Herbartianer Robert Zimmermann über den Empiristen Friedrich Jodl und den Brentano-Schüler Alois Höfler bis hin zu dem Neukantianer Robert Reininger. Trotz ihrer Nähe zur Universität verstand sich die Philosophische Gesellschaft nicht als akademische Fachgemeinschaft.43 Zu ihrem Kreis gehörten Vertreter verschiedenster Wissenschaften wie etwa der Mediziner Theodor Meynert der Altphilologe Theodor Gomperz, der Kunsthistoriker Alois Riegl sowie der Physiker Franz Exner. Dem Anspruch nach fungierte die Gesellschaft als Instrument der Wissenschaftspopularisierung. In wöchentlichen Abendsit-
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zungen sollten philosophische und wissenschaftsimmanente Themen einem breiteren Publikum näher gebracht werden. Unter der Leitung Alois Höflers in den 1910er Jahren setzte man dabei vor allem auf intensive Diskussionen: Auf eine kurze Präsentation des Themas folgten offen geführte Debatten, die nicht selten über mehrere Sitzungen fortgesetzt wurden.44 Für die Entwicklung des Wiener Kreises kann die Bedeutung der Philosophischen Gesellschaft kaum überschätzt werden:45 Mit Neurath, Hahn und Frank war der gesamte Ur-Kern des Kreises seit den frühen 1900er Jahren in der Gesellschaft engagiert. Dazu kamen weitere Mitglieder des späteren SchlickZirkels wie Viktor Kraft, Olga Hahn und Edgar Zilsel. Im ständigen Austausch mit Alois Höfler organisierte man Diskussionsabende und Vorträge: Philipp Frank sprach etwa über das Verhältnis von mechanischer und vitalistischer Naturauffassung.46 Otto Neurath leitete unter anderem eine mehrwöchentliche Debatte zum Thema »Begriff und Geltungsgebiet des a priori«.47 Kraft und Hahn waren zudem direkt in diverse Publikationsprojekte der Gesellschaft involviert.48 Durch ihre Nähe zur Wissenschaft und liberalen Kultur verkörperte die Philosophische Gesellschaft eine offene und realitätsbezogene Intellektualität, welche der Wiener Kreis später zu adaptieren versuchte. Im Zuge der 1920er Jahre kam es zu einer folgenschweren Tendenzwende: Nach dem Tode Höflers übernahm 1922 der gerade zum Ordinarius für Philosophie berufene Neukantianer Robert Reininger die Leitung der Philosophischen Gesellschaft. Unter ihm wurden sowohl die Diskussionsabende abgeschafft als auch die Vorträge auf rein fachphilosophische Themen begrenzt.49 Diese Beschränkungen gipfelten 1927 in der Eingliederung der Philosophischen Gesellschaft als »Wiener Ortsgruppe« in die deutsche Kant-Gesellschaft, was gerade von Seiten der österreichischen Mitglieder des Wiener Kreises durchweg abgelehnt wurde. Als Reaktion gründete man zwei Jahre später den »Verein Ernst Mach«, um dadurch nicht zuletzt den pluralistischen Charakter der Wiener Philosophie zu konservieren. In der Literatur ist Reiningers kantische Umwidmung der Philosophischen Gesellschaft als wesentlicher Impuls der sozialpolitischen Öffnung und Radikalisierung des Wiener Kreises gewertet worden.50 Folgt man hierbei Denis Fisette, so steckten dahinter politische Motive, die auch auf das prekäre Verhältnis des Kreises zu Kant ein neues Licht werfen:51 Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte sich die Wiener Universität immer stärker in einen Exerzierplatz der deutschnationalen Bewegung verwandelt. Dies galt neben dem studentischen Verbindungswesen auch für viele Professoren, Dekane und Rektoren, die im Verbund sowohl einen Numerus Clausus für jüdische Studenten als auch den politischen Anschluss Österreichs an Deutschland propagierten.52 Von Seiten der Mitglieder des Wiener Kreises wurde diese reaktionäre Eroberung der Universität scharf verurteilt.53 Einer der Gegenspieler war dabei Robert Reininger, der wie jüngst Klaus Taschwer her-
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ausgearbeitet hat, seit den frühen 1920er Jahren einem geheimen Netzwerk innerhalb der philosophischen Fakultät angehörte, das die Berufung und Habilitation von jüdischen und politisch missliebigen Wissenschaftlern zu hintertreiben suchte.54 Mit seiner Neuausrichtung der Philosophischen Gesellschaft verfolgte Reininger eine ähnliche deutschnationale Agenda. So erklärte er etwa in einer Rede zum 25jährigen Jubiläum der Kant-Gesellschaft 1929: Wenn wir nun vor zwei Jahren trotzdem beschlossen haben, uns als Ortsgruppe der Kant-Gesellschaft zu konstituieren, so entsprang dies […] dem Wunsche, uns dadurch auch äußerlich einzugliedern in die große Gemeinsamkeit aller deutschen Freunde der Philosophie […]: es gab und gibt keine spezifisch österreichische Philosophie, von der ich zu berichten hätte, sondern nur eine deutsche Philosophie, an der auch wir Österreicher unseren Anteil haben. […] Aber uns Österreichern bedeutet der engste Zusammenschluss mit der größten Vereinigung deutscher Philosophen doch mehr als nur eine praktische Arbeitsgemeinschaft. Sie ist uns zugleich ein Symbol unserer unzertrennlichen geistigen und kulturellen Zusammengehörigkeit mit dem Ganzen des deutschen Volkes überhaupt und darum nicht nur eine Sache bloßer Zweckmäßigkeit, sondern auch bedeutsam als kleiner Schritt auf dem Wege zur Verwirklichung eines Ideals, das in allen Österreichern lebendig ist.55
Was genau Reininger unter diesem »Ideal« verstanden wissen wollte, zeigt der letzte Satz der Rede, in dem er »zum Heile der Philosophie im großen deutschen Vaterlande« aufruft.56 Mit dem Anschluss an die Kant-Gesellschaft sollte der politische Anschluss an Deutschland simuliert und vorbereitet werden. Durch ihren Kant-kritischen und anti-idealistischen Charakter stand hierbei die österreichische Philosophie im Wege. Otto Neurath hat später diese nationale Zuspitzung aufgegriffen, und durch sein eigenes Narrativ gekontert. Der deutschen Schulphilosophie wird die These einer spezifisch »Österreichischen Philosophie« entgegengehalten, die sich das historische »Zwischenspiel mit Kant« erspart habe.57 Erkennbar stand Neurath hierbei die Philosophische Gesellschaft der Jahrhundertwende vor Augen – als pluralistisches und aufklärerisches Antidoton eines fatalen, deutschen Sonderwegs, der von der Rezeption Kants zur Misere des Dritten Reiches geführt hatte.58
Vom Neukantianismus zum Logischen Empirismus: Einstein als Wendemarke Im Gegensatz zu ihren österreichischen Kollegen wurden die deutschen Mitglieder des Wiener Kreises, Moritz Schlick und Rudolf Carnap, in einem unmittelbaren kantianischen Umfeld sozialisiert. Nach einer Dissertation in Physik bei Max Planck 1904 hatte Schlick bei Gustav Störring in Zürich Psychologie studiert.59 Zudem unterhielt er Kontakte zu Alois Riehl und dem Naturphilosophen Erich Becher. Alle drei bekannten sich zu einer revisionistischen Auf-
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Abb. 1: Die ›Philosophische Gesellschaft‹ an der Universität Wien konstituiert sich zu einer Ortsgruppe der Kant-Gesellschaft
fassung des Neukantianismus, die man – ausgehend von Riehl – als ›kritischen Realismus‹ bezeichnet.60 Einen ähnlichen Werdegang vollzog Rudolf Carnap, der Anfang der 1910er Jahre in Freiburg bei den Badischen Neukantianern Heinrich Rickert und Jonas Cohn Vorlesungen besuchte.61 Derartige Nahverhältnisse haben in der Literatur dazu geführt, dass man beide ihrer Herkunft nach als
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Neukantianer charakterisiert hat.62 Dahinter steckten jedoch komplexe theoretische Konstellationen, wie sich anhand von Schlick und seiner Beschäftigung mit Hans Reichenbach und Ernst Cassirer zeigen lässt. Die deutsche Wissenschaftstheorie der 1910er und frühen 1920er Jahre stand im Zeichen der Auseinandersetzung mit Albert Einsteins Relativitätslehre.63 Dies galt insbesondere für den Neukantianismus, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts die wissenschaftsorientierte Philosophie in Deutschland dominierte. Im Zuge der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie wurde die eingeschränkte physikalische Brauchbarkeit sämtlicher apriorischer Haltepunkte der theoretischen Philosophie Kants nachgewiesen: Sowohl die euklidische Geometrie als auch die Prinzipien der Newtonschen Mechanik konnten nicht länger als apodiktische Formen wissenschaftlicher Erkenntnis gelten. Die Neukantianer reagierten hierauf in verschiedener Weise. Während sich einige gegenüber der Relativitätslehre zu immunisieren versuchten, wagten andere den Schritt mit Kant und Einstein über Kant und Newton hinaus. Zur Gruppe der Letztgenannten gehörte der in Hamburg lehrende Philosoph Ernst Cassirer, der 1921 eine Monographie Zur Einsteinschen Relativitätstheorie veröffentlichte.64 Im Zentrum dieser Arbeit stand der Versuch, die apriorischen Prinzipien der kantischen Philosophie gegenwartstauglich zu machen. In Konfrontationslinie gegen den klassischen Empirismus betrachtete Cassirer die Relativitätstheorie als Bestätigung des idealistischen Charakters wissenschaftlicher Erkenntnis. Durch seine Kritik an der Gegenständlichkeit von Raum und Zeit habe Einstein »dem Standpunkt des kritischen Idealismus die bestimmte Anwendung und Durchführung innerhalb der empirischen Wissenschaft selbst verschafft«.65 Gleiches galt für die Physik im Allgemeinen: Die Relativitätstheorie dokumentierte einen weiteren Schritt der historischen Überwindung einer dinghaften Vorstellung der Natur zugunsten rein funktionaler Auffassungsformen physikalischer Wirklichkeit. Zur Rettung des kantischen Apriorismus wählte Cassirer eine Doppelstrategie: Zum einen interpretierte er die produktive Einbildungskraft als regulative »Idee der Natureinheit«,66 die als »Regel des Verstandes« das historisch-dynamische Kriterium epistemischer Fortentwicklung bildete.67 Gegenüber Newton habe Einstein nicht nur zu einer umfassenderen Systematisierung der Naturgesetze beigetragen, sondern durch seine Forderung nach allgemeiner Kovarianz physikalischer Gesetze das kantische Ideal der Natureinheit in »einem neuen Sinne begründet«.68 Zum zweiten reagierte Cassirer auf Einsteins Kritik an der physikalischen Trennbarkeit und metrischen Bestimmtheit von Raum und Zeit, indem er die reine Anschauung von ihren konkreten gegenständlichen Implikationen befreite und als Teil eines Sets von »Ordnungsformen« dem Verstand unterstellte. Für sich betrachtet erfüllten Raum und Zeit eine reine definitorische Funktion: Sie legten topologisch fest, was unter »Räumlichkeit und der Zeitlichkeit überhaupt« zu verstehen ist. Erst
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durch ihre »systematische Verknüpfung« fanden sie zu einem »tatsächlichen empirischen Gebrauch« im Sinne des synthetischen Apriori Kants.69 Dieses wurde von Cassirer insofern relativiert, als dass er die metrische Ausgestaltung der raum-zeitlichen Ordnungsform als dynamisch-veränderlich und somit nicht-apodiktisch auffasste: »Hierbei darf freilich die ›Form‹, eben weil sie das aktive und gestaltende, das eigentlich schöpferische Moment darstellt, nicht als starre, sondern sie muss als lebendige und bewegliche Form gefasst werden«.70 Die regulative »Idee der Natureinheit« korrespondiert somit mit dem relativierten Apriori der Ordnungsformen, durch deren wissenschaftliche »Besonderung« die Einheit des Denkens in der Einheit der Natur zum Ausdruck gebracht wird. Eine ähnliche Zusammenführung von Einsteins Relativitätstheorie und Kants Apriorismus unternahm zur gleichen Zeit der ehemalige Cassirer-Schüler Hans Reichenbach. In seiner Monographie über Relativitätstheorie und Erkenntnis Apriori (1920),71 verfolgte Reichenbach die Agenda, Kant »vor den Kantianern zu retten«.72 Wie Cassirer griff er hierbei zu einer relativierenden Lösung, indem er Kants Begriff des Apriori in zwei verschiedene Bedeutungsweisen auftrennte: »Einmal heißt er soviel wie ›apodiktisch gültig‹, ›für alle Zeiten gültig‹, und zweitens bedeutet er ›den Gegenstandsbegriff konstituierend‹«.73 Die erste Bedeutung galt es, in Anbetracht der modernen wissenschaftlichen Entwicklungen zu verwerfen. Die zweite Bedeutung musste erhalten bleiben, um den konstruktiven Aspekt von Theoriebildung zu gewährleisten. Die Pointe von Reichenbach bestand darin, dass er das konstruktive Apriori als rein theorieimmanentes Rahmenwerk interpretierte, welches in seiner inhaltlichen Bestimmung durch den Wandel wissenschaftlicher Paradigmen revidiert und neu zusammengesetzt werden konnte.74 In der klassischen Mechanik fungierte etwa die Geometrie als ein axiomatisches Konstruktionsprinzip, während sie im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie als empirische Hypothese aufgefasst wurde. Gemessen an seiner Zeit war Kant mit seiner apriorische Ausdeutung der euklidischen Geometrie somit völlig im Recht, insofern man das Apriori in diesem theorieabhängigen Sinne relativierte. Moritz Schlick hatte noch vor seiner Berufung 1922 nach Wien über die Arbeiten Reichenbachs und Cassirers Rezensionen verfasst, die heute als zentrale Wegmarken des Logischen Empirismus angesehen werden.75 Durch seine Allgemeine Erkenntnislehre (1918) galt er damals als einer der führenden Wissenschaftstheoretiker.76 Zugleich fungierte Schlick als Chefinterpret Einsteins. Bereits 1915 veröffentlichte er den bahnbrechenden Aufsatz Die philosophische Bedeutung des Relativitätsprinzips.77 Darauf folgten bis Anfang der 1920er Jahre eine weitere Monographie sowie verschiedene Artikel. Seine philosophische Karriere gründete im neukantianischen Umfeld des kritischen Realismus. In kritizistischer Hinsicht verstand er die erkenntnistheoretische Begründung
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objektiven Wissens als eigentliche Aufgabe der Philosophie. Als Realist zielte er dabei auf eine transzendentale Neubewertung der kantischen ›Dinge an sich‹, die er als den eigentlichen Gegenstandsbereich wissenschaftlicher Erkenntnis auffasste.78 In jahrelanger Auseinandersetzung mit Einstein vollzog Schlick jedoch einen Perspektivwechsel, welcher sich erstmalig in seiner Rezension über die Arbeit Cassirers dokumentierte. In Abgrenzung zu positivistischen und neukantianischen Interpretationen der Relativitätstheorie propagierte Schlick hierin den »dritten Weg« eines neuen, konventionalistisch informierten Empirismus: Die Relativitätslehre sei weder ein Beleg für die apriorische (Cassirer) noch für die sensualistische Auffassung (Mach) physikalischer Prinzipien: »Zwischen beiden bleibt die empiristische Ansicht stehen, nach welcher jene konstitutiven Prinzipien entweder Hypothesen oder Konventionen sind; im ersten Falle sind sie nicht a priori (denn es mangelt ihnen die Apodiktizität); im zweiten sind sie nicht synthetisch«.79 Ein synthetisches Apriori im Sinne Kants war damit ebenso überflüssig wie alle relativierenden Rettungsversuche, da die Verknüpfung von Theorie und Beobachtung gerade durch die konsequente Trennung definitorischer und hypothetischer Elemente arbeitsteilig eingefangen werden konnte. Mit diesem Argument hat Schlick später Hans Reichenbach zum Empirismus ›konvertiert‹.80 Doch das ist noch nicht alles: In der empiristischen Theorieauffassung sah Schlick zugleich den Grundstein einer neuartigen wissenschaftstheoretischen Methodologie: Zielte der Neukantianismus auf die transzendentale Rekonstruktion wissenschaftlicher Erkenntnis, so galt es nun, gerade deren Validität zu überprüfen. Das Kriterium hierfür fand Schlick in Einsteins Kritik der Äthertheorie, in dem Postulat, »dass Unterschiede des Wirklichen nur dort angenommen werden dürfen, wo Unterschiede im prinzipiell Erfahrbaren vorliegen«.81 In diesem Sinne konnte eine wissenschaftliche Theorie nur dann kognitive Geltung beanspruchen, wenn sich ihre Hypothesen prinzipiell durch Erfahrung verifizieren ließen. Hierin lag auch Schlicks zentraler Kritikpunkt an Cassirers Rettungsversuch des kantischen Apriori: Die regulative ›Idee der Natureinheit‹ war so allgemein gehalten, dass jede halbwegs konsistente physikalische Theorie damit vereinbart werden konnte, wodurch sich der Neukantianismus selbst »der Möglichkeit einer Selektion«, einer kritischen Evaluierung wissenschaftlicher Geltungsansprüche beraubte.82 Für den Neukantianismus erwies sich Einsteins Relativitätstheorie als intellektuelle Wasserscheide: Während sich Schlick und Reichenbach in der Folge dem Logischen Empirismus zuwandten, entwickelte Cassirer seine Kulturphilosophie der Symbolischen Formen. Michael Friedman hat hierin die verpasste Chance auf eine Modernisierung kantischer Wissenschaftsphilosophie gesehen, wie sie Reichenbach und Cassirer in ihren Arbeiten anzustoßen versuchten.83 Davon abgesehen, sollte die historische Leistung Schlicks nicht übergangen werden. Mit seiner Trennung zwischen definitorischen und synthetischen Ur-
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teilen sowie seiner Idee einer empirischen Überprüfbarkeit von Hypothesen hat er den späteren Verifikationismus des Wiener Kreises wesentlich mit vorbereitet. Im Vergleich zu den österreichischen Mitgliedern des Kreises könnte man von einer doppelten Emanzipationsgeschichte sprechen: Der Weg Schlicks zum Logischen Empirismus führte genau wie bei Reichenbach nicht allein über Kant, sondern auch über die eigene kritizistische Vergangenheit. Dieser Prozess darf keinesfalls im dialektischen Sinne verstanden werden. Im Gegenteil: Die moderne Wissenschaftstheorie des Wiener Kreises gründete sich neben den wichtigen Einflüssen Wittgensteins, Einsteins und Machs auch und gerade auf die kritische und intensive Auseinandersetzung mit der kantischen und kantianischen Philosophie.
Moritz Schlick – Eine kritische Abgrenzung von Kant von Olga Ring Moritz Schlick (1882–1936) Friedrich Albert Moritz Schlick wurde am 14. April im Jahr 1882 als dritter und jüngster Sohn einer wohlhabenden protestantischen Familie in Berlin geboren. Nach dem Abitur am Luisenstädter Realgymnasium in Berlin studierte er Naturwissenschaften und Mathematik an den Universitäten Heidelberg, Lausanne und Berlin.84 Schlick promovierte in Berlin bei Max Planck mit einer physikalischen Arbeit Über die Reflexion des Lichts in einer inhomogenen Schicht. Dem folgten weitere naturwissenschaftliche Studien in Göttingen, Heidelberg, Berlin und ab 1907 zwei Semester Psychologie in Zürich. In dieser Zeit schrieb Schlick sein erstes Buch Lebensweisheit. Versuch einer Glückseligkeitslehre (München 1908). Im Jahr 1910 habilitierte sich Schlick an der Universität Rostock mit der Arbeit Das Wesen der Wahrheit nach der modernen Logik.85 In den Jahren 1910 bis 1916 folgte Schlicks rege Rezensionstätigkeit für die Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, die von Alois Riehl herausgegeben wurde, einem Neukantianer, den Schlick persönlich kannte und dessen wissenschaftsphilosophischen Ansatz er schätzte.86 In diesen Jahren beschäftigte sich Schlick als einer der ersten mit den philosophischen Implikationen der Relativitätstheorie Albert Einsteins, den er 1911 auch persönlich kennengelernt hatte. Ergebnisse dieser Auseinandersetzung sind der Aufsatz (1917) und das gleichnamige Buch Raum und Zeit in der gegenwärtigen Physik. Zur Einführung in das Verständnis der allgemeinen Relativitätstheorie (Berlin 1919, 4. Auflage 1922). Im Jahr 1917 erhielt Schlick eine außerordentliche Professur in Rostock. In seiner Rostocker Zeit schrieb er sein umfangreiches erkenntnistheoretisches Hauptwerk Allgemeine Erkenntnislehre (Berlin 1918; 2. Auflage 1925). Zum ordentlichen Professor wurde Schlick 1921 an die Universität Kiel berufen, wo er
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aber nur ein Jahr verweilte, denn kurz darauf, im Jahr 1922, folgte er dem von dem Mathematiker Hans Hahn initiierten Ruf auf den Lehrstuhl für Naturphilosophie an der Universität Wien.87 Als Nachfolger auf dem ehemaligen Lehrstuhl Ernst Machs traf Schlick in Wien mit Hans Hahn, Otto Neurath und Philipp Frank auf einen Kreis philosophisch Gleichgesinnter.88 Zuerst privat und unregelmäßig, dann jede Woche im Gebäude des mathematischen Instituts in der Boltzmanngasse 5, trafen sich die Mitglieder des später so genannten Wiener Kreises zu lebhaften wissenschaftsphilosophischen Diskussionen. In diesem Zusammmenhang sind insbesondere die langen, gut protokollierten Diskussionsrunden zu Wittgensteins Tractatus logico-philosophicus hervorzuheben. Das Werk und auch die Person Ludwig Wittgensteins, den er persönlich im Jahr 1926 kennenlernte, machten auf Schlick großen Eindruck. In Wien war Schlick als Mitglied der Gesellschaft für Ethik und des Vereins Ernst Mach auch in der Erwachsenenbildung tätig. Zudem wurde Schlick Beirat der Ortsgruppe Wien der Kant-Gesellschaft, die am 18. November 1927 aufgrund der Initiative und unter der Obmannschaft von Robert Reiniger die Nachfolge der früheren Philosophischen Gesellschaft der Universität Wien antrat.89 Im November 1928 konstituierte sich schließlich der Wiener Kreis im Verein, der den Namen Ernst Mach trug, mit Schlick als Obmann. In dieser Eigenschaft gab er zusammen mit Philipp Frank die Reihe Schriften zur Wissenschaftlichen Weltauffassung heraus. Nachdem Schlick 1929 den Ruf der Bonner Universität abgelehnt und sich entschlossen hatte, in Wien zu bleiben, bedankte sich der Verein Ernst Mach bei ihm mit der Programmschrift Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis. Als Gastprofessor an der Stanford University, Palo Alto und an der University of California, Berkeley (USA) publizierte Schlick auch einige Artikel in englischer Sprache in wissenschaftlichen Zeitschriften. Schlicks Leben nahm ein tragisches, vorzeitiges Ende, als er am Morgen des 22. Juni 1936 von seinem ehemaligen Dissertanten Hans Nelböck auf der »Philosophenstiege« im Hauptgebäude der Universität Wien erschossen wurde.90
Schlicks erkenntnistheoretische Kritik an Kant Das philosophische Denken Moritz Schlicks entfaltet sich in kritischer Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants. Die erste fundierte Bekanntschaft mit dieser macht Schlick während seiner Studienjahre, in denen er sich intensiv mit der Philosophie des bekannten Neukantianers Alois Riehl auseinandersetzt. Riehls realistische Interpretation der kantischen Erkenntnislehre, insbesondere sein Hauptwerk Der philosophische Kritizismus, übt einen maßgeblichen Einfluss auf Schlicks eigene wissenschaftstheoretische Denkweise aus.91 Schlick lernt Riehl schließlich 1910 auch persönlich kennen und besucht ihn vor seiner
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Abb. 2: Theodor Bauer, Moritz Schlick (um 1930)
Abreise nach Rostock sogar in dessen Berliner Wohnung.92 In seiner Habilitationsschrift Das Wesen der Wahrheit nach der modernen Logik (1910) an der Universität Rostock setzt sich Schlick insbesondere mit der Phänomenologie Husserls auseinander. Bereits in dieser Arbeit nimmt er wesentliche Aspekte seiner späteren Allgemeinen Erkenntnislehre vorweg: Schlick sieht sich insofern in kantischer Tradition, als er die Notwendigkeit des Zusammenwirkens der Begriffe des Verstandes und der Formen des sinnlichen Erfassens im Prozess der Erkenntnis anerkennt,93 doch vertritt er eine vom kritischen Idealismus abweichende psychologistische und empiristische Erkenntnistheorie, die nicht zuletzt durch seine Teilnahme an den experimentalpsychologischen Untersuchungen von Gustav Störring in Zürich beeinflusst ist.94 In den Jahren zwischen 1910 und 1916 verfasst Schlick eine Reihe von kürzeren philosophischen Artikeln und etwa dreißig Rezensionen für die Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie. Schlick pflegt regen Kontakt zu dieser, im Jahr 1877 von Richard Avenarius begründeten und unter der aktiven Mitwirkung Alois Riehls zu einem führenden Publikationsorgan gediehenen, Zeitschrift für wissenschaftliche Philosophie, die eine Brücke zwischen dem Positivismus und dem Neukantianismus zu schlagen versucht.
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So steht Schlick am Beginn seines wissenschaftlichen Denkweges, wenn auch unter unverkennbaren empiristischen und realistischen Vorzeichen, durchaus noch der Tradition Kants und den Gedanken des Neukantianismus nahe. Seine Rezensionen zu Paul Natorps Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften (1911), Ludwig Goldschmidts Zur Wiedererweckung Kantischer Lehre (1911), Max Frischeisen-Köhlers Wissenschaft und Wirklichkeit (1913) und Hans Cornelius’ Transzendentale Systematik (1916)95 sind Beispiele für solche unter dem Einfluss des Kantianismus und Neukantianismus verfasste Kritiken. Auch im Jahr 1915 ist Schlick noch immer der Überzeugung, dass Kants Erkenntnistheorie, insbesondere seine Theorie von Raum und Zeit, nicht gänzlich abgelehnt, sondern nur an den aktuellen Stand der empirischen Wissenschaften angepasst werden sollen.96 Schlick entfernt sich aber während der Arbeit an seinem umfangreichsten Werk Allgemeine Erkenntnislehre von dieser Auffassung in Richtung einer anti-kantianischen Position.97 Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung weg vom Kantianismus ist Schlicks langjährige, intensive Auseinandersetzung mit der Relativitätstheorie Einsteins.98 In seiner sehr kritischen Besprechung von Ernst Cassirers Zur Einsteinischen Relativitätstheorie, einem Werk, in dem Cassirer dazu auffordert mit Kant über Kant hinaus zu denken, indem er die einsteinische Relativitätstheorie und die kantische Philosophie zusammenzuführen versucht, bestreitet Schlick entschieden die Möglichkeit einer solchen Zusammenführung: »Kant selbst rechnete, wie gar nicht zu bezweifeln ist, zu den gegenstandskonstituierenden synthetischen Prinzipien a priori die Axiome der euklidischen Geometrie und der Galileischen Kinematik. […] Wer die Einsteinische Theorie annimmt, muß die Lehre Kants in ihrer ursprünglicher Form ablehnen; man muss, wie auch Cassirer mehrfach betont, einen Schritt über Kant hinaus tun.«99 In seinem 1918 in erster Auflage, 1925 in zweiter Auflage erschienenen Werk Allgemeine Erkenntnislehre erfolgt dann im Rahmen seiner eigenen, wissenschaftstheoretisch orientierten Philosophie, die man als eine psychologisch begründete, nominalistische Begriffsbildungstheorie verstehen kann, die umfassende, kritische Auseinandersetzung Schlicks mit einflussreichen zeitgenössischen Positionen der Wissenschaftsphilosophie sowie mit der Philosophie Kants. Es sind vor allem erkenntnistheoretische Problemfelder der kantischen Philosophie wie die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der empirischen Wissenschaften und die damit verbundene Frage nach den synthetischen Urteilen a priori, aber auch dem Ding an sich, sowie dem Verhältnis der Psychologie zur Logik, die zur Zielscheibe der Kritik Schlicks werden. Das Erkennen definiert Schlick ganz so wie Kant als Urteilen und ebenso versteht er die Erkenntnis als das in der Einheit des Bewusstseins begründete Herstellen von Strukturzusammenhängen zwischen den einzelnen Begriffen, die Tatsachen bezeichnen. Er würdigt die kantische Philosophie insoweit, als er
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Abb. 3: Bodenplatte mit Inschrift zum Gedenken an Moritz Schlick am Ort des Attentats, Philosophenstiege, Universität Wien (1991)
bemerkt: »Kant ist es auch, der die einzigartige Bedeutung der Einheit des Bewußtseins für die allerletzten Erkenntnisfragen in ihrer ganzen Tiefe erkannt und sogar übertrieben hat.«100 Auch unterscheidet Schlick, freilich in einem anderen Sinn als Kant, zwischen analytischen Urteilen a priori und synthetischen Urteilen a posteriori. Die analytischen Urteile a priori fasst Schlick als Definitionen auf und in dieser ihrer Bedeutung »ist klar, daß die Kantische Lösung, wäre sie richtig, doch keinen großen Triumph des Rationalismus bedeuten würde. Denn die Erkenntnisse, die uns nach dieser Lehre noch a priori möglich sein sollen, sind für den Einzelfall in der Forschung und im Leben ohne konkrete, materielle Bedeutung.«101 Die synthetischen Urteile a posteriori versteht Schlick als Hypothesen, die ihre Gültigkeit aus der Erfahrung schöpfen, denn »hätten Erfahrungsurteile keine Gültigkeit, so würden Leben und Wissenschaft in Frage gestellt. […] Was richtig war an dem Kantischen Gedanken, die Geltung allgemeiner Sätze ließe sich aus der Möglichkeit der Erfahrung beweisen, bleibt erhalten, wenn man den Begriff der Erfahrung genügend allgemein im Sinne des praktischen Handelns faßt und unter Beweisen nicht eine logische Deduktion, sondern eine lebendige Rechtfertigung versteht.«102 Die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori, deren Nachweis Kants größtes Anliegen war, lehnt Schlick somit strikt ab. In einem späteren Aufsatz aus dem Jahr 1930 mit dem Titel Gibt es ein materiales Apriori?, der einer kritischen Auseinandersetzung mit der Phänomenologie in Bezug auf die kantische Philosophie gewidmet ist, verdeutlicht Schlick noch einmal seinen Standpunkt zum Problem der apriorischen Urteile. Schlick sieht das große Verdienst Kants in der
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klaren Abgrenzung und Anwendung des Begriffs des Apriori gerade für die analytischen Sätze,103 dabei schadet es nicht, daß die wörtliche Formulierung, in welche Kant seine Definition der analytischen Sätze kleidete, uns heute nicht mehr befriedigt. […] Fragen wir also zunächst einmal, auf welchem Wege Kant zur unlöslichen Verbindung des Apriori mit dem Formalen gelangte. Sein Ausgangspunkt war ja das Staunen über das von ihm nie bezweifelte Vorhandensein synthetischer und doch allgemein gültiger Urteile in den exakten Wissenschaften. […] Wir sind ja heute der Ansicht, daß die Sätze der Mathematik nicht synthetisch, die der Naturwissenschaft (wozu auch die Geometrie gehören würde, wofern sie als Wissenschaft vom Raum aufgefaßt wird), nicht a priori sind. Unser Empirismus stellt die Behauptung auf, daß es überhaupt keine anderen apriorischen Urteile gebe als analytische oder, wie wir heute lieber sagen, daß nur tautologische Sätze a priori seien.104
Schlick verwirft den ontologischen Dualismus und gründet auf die psychologisch fundierte Unterscheidung zwischen dem Erleben einerseits und dem Erkennen andererseits seine Ablehnung des kantischen Begriffs des Dings an sich. Er behauptet: Hier zeigt sich deutlich, daß Kant den innigen Konnex, den die Anschauung zwischen Objekt und Schauendem herstellt, doch für ein wesentliches Moment des Erkennens ansah. Dies hinderte ihn auch, das Problem der Erkenntnis der Dinge an sich als ein bloßes Scheinproblem zu entlarven. Er glaubte nämlich eine solche Erkenntnis müßte ›Anschauung von der Art sein, daß sie Dinge vorstellte so wie sie an sich selbst sind‹, und er erklärt sie für unmöglich, weil die Dinge ›nicht in meine Vorstellungskraft hinüberwandern können‹. Wir wissen aber jetzt: selbst wenn dies möglich wäre, wenn also die Dinge eins würden mit unserem Bewußtsein, dann würden wir die Dinge wohl erleben, aber das wäre etwas ganz anderes als Erkenntnis der Dinge.105
Und im Jahr 1927 schreibt Schlick an den Neukantianer Ernst Cassirer bezüglich dessen Kritik an einigen Grundgedanken der Allgemeinen Erkenntnislehre: Daß mein Begriff des Dinges an sich mit dem kantischen des empirischen Grundes zusammenfällt, trifft im großen Ganzen zu, aber meines Erachtens doch nicht genau, und zwar einfach deshalb, weil mir der Begriff der Erscheinung und des empirischen Gegenstandes in Kants System überhaupt nicht widerspruchsfrei konstituiert zu sein scheint. […] Sie sagen sehr richtig, daß der wahre Grund der Unterscheidung des empirischen vom transzendenten Sein für Kant in der praktischen Philosophie lag. Oh, dessen bin ich mir nur zu gut bewusst! Ich rede nicht gern davon, denn hier scheint mir der wahre Skandal dieser Philosophie zu liegen. […] Die Kantische Lehre von der intelligibeln Freiheit z. B., die Schopenhauer als den tiefsten Gedanken pries, erscheint mir wirklich nach der allergewissenhaftesten Prüfung als eines echten Wahrheitssuchers schlechthin unwürdig.106
Damit ist Kants Moralphilosophie angesprochen, die ebenfalls im Blickpunkt des schlickschen kritischen Interesses an dessen Philosophie steht. Schlick selbst
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Abb. 4: Zeichnung zum Mord an Moritz Schlick
vertritt eine ganz andere Ethikauffassung als Kant, nämlich eine psychologisch gegründete Lehre von Lust und Glückseligkeit. Kant mit seiner deontologischen Pflichtethik ist für ihn daher ein ständiger Opponent in Fragen der Moral. So charakterisiert Schlick in seiner Arbeit Fragen der Ethik die kantische Lehre als eine Ethik des Gebotenen ohne Urheber : auf dies letztere läuft nämlich Kants Lehre vom ›absoluten Sollen‹ hinaus, d. h. einer Forderung ohne Fordernden. Einer der schlimmsten Irrtümer ethischen Denkens liegt in seinem Glauben, der Begriff des moralisch Guten sei durch die Angabe des bloß formalen Merkmals bereits völlig erschöpft, er habe keinen Inhalt außer dem, das Geforderte, das ›Gesollte‹ zu sein.107
Schlick plädiert dagegen für eine Ethik der »in der Wirklichkeit des menschlichen Bewußtseins bestehenden Tatsachen«, verstanden als eine beschreibende, erklärende und eine »hierarchische Ordnung von Regeln darbietende« Normwissenschaft.108 Doch ganz entgeht auch Schlick dem hohen moralischen Anspruch der kantischen Philosophie nicht. So findet sich unter den Aphorismen, die nach Schlicks Tod auf Wunsch seiner Frau herausgegeben wurden, ein gegen den Nationalsozialismus gerichteter : »Die nationalsozialistische Lehre, die den
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Menschen nur um des Staates willen existieren läßt, ist das gerade Gegenteil der Kantischen Moralregel in ihrer schönsten Formulierung: Betrachte den Menschen nie als Mittel, sondern stets als Zweck!«109 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der philosophische Denkweg von Moritz Schlick nur im Kontext von Problemen und Fragestellungen, die ihren Ursprung in der Philosophie Kants haben, darstellen lässt,110 bestimmt doch die detaillierte und äußerst kritische Auseinandersetzung mit der theoretischen und praktischen Philosophie Kants kontinuierlich und in unterschiedlichen Akzentuierungen zeitlebens Schlicks philosophisches Schaffen.
Edgar Zilsel – Kant als Verbündeter von Olga Ring Edgar Zilsel (1891–1944) Edgar Zilsel wurde am 11. 8. 1891 als drittes und jüngstes Kind des jüdischen Rechtsanwalts Jakob Zilsel in Wien geboren.111 Nach der Matura am renommierten Franz-Josef-Gymnasium (heute: Gymnasium Stubenbastei, 1. Bezirk) begann er 1910 ein Studium der Philosophie, Mathematik und Physik an der Universität Wien, das er 1915 mit einer philosophischen Dissertation bei Alois Höfler und Adolf Stöhr abschloss.112 Die Arbeit wurde ein Jahr darauf als Monographie unter dem Titel Das Anwendungsproblem. Ein philosophischer Versuch über das Gesetz der grossen Zahlen und die Induktion publiziert und sollte später den jungen Herbert Feigl stark beeinflussen. Nach dem Ende des Studiums arbeitete Zilsel zunächst als Versicherungsmathematiker. 1917 nahm er eine Stelle als Mittelschullehrer an.113 In diese Zeit fallen auch seine ersten Kontakte zur Schulreform-Bewegung des Sozialdemokraten Otto Glöckel sowie zur Volks- und Erwachsenen-Bildung von Ludo Moritz Hartmann. Zur Unterstützung der Glöckelschen Schulreform verfasste Zilsel eine Reihe pädagogischer Programmschriften, die ähnlich wie bereits seine Dissertation deutliche Bezüge zur kantischen Philosophie erkennen lassen. Einschlägige Beispiele hierfür sind die beiden Aufsätze Der einführende Philosophieunterricht an den neuen Oberschulen (1921) und Kant als Erzieher (1924).114 Um sich hauptberuflich innerhalb der Volksbildung zu engagieren, kehrte Zilsel 1923 seinem Lehrerberuf den Rücken. Als Dozent für Philosophie und Physik hielt er fortan – über insgesamt zwei Jahrzehnte – tägliche Vorlesungen an den Volkshochschulen in Ottakring, Simmering, Landstrasse, Brigittenau und in der Leopoldstadt (alle Schulen gehörten zu Hartmanns Verein »Volksheim«). Daneben gab er Lehrerbildungskurse am Pädagogischen Institut der Stadt Wien.115 Eine akademische Laufbahn blieb Zilsel Zeit seines Lebens versagt. 1923 hatte
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er sich mit einer wissenschaftshistorischen Studie zur Entstehung des Geniebegriffs an der philosophischen Fakultät der Universität Wien zu habilitieren versucht, die Arbeit allerdings ein Jahr darauf wieder zurückgezogen. Zu diesem Schritt hatten ihm sein früherer Lehrer Heinrich Gomperz sowie der kurz zuvor nach Wien berufene Philosophie-Professor Moritz Schlick geraten, da innerhalb der Habilitationskommission gegenüber Zilsel und seiner Studie – übrigens trotz eines durchweg positiven Gutachtens von Ernst Cassirer – erhebliche Vorbehalte artikuliert worden waren.116 Wie von Klaus Taschwer jüngst in einem Artikel festgestellt worden ist,117 hatte diese Stimmungsmache Methode: In der Zilsel-Kommission saßen die beiden deutschnational gesinnten Professoren Robert Reininger und Richard Meister, die seit Beginn der 1920er Jahre einem antisemitischen Netzwerk innerhalb der philosophischen Fakultät – der sogenannten »Bärenhöhle« – angehörten, welches gezielt die Berufung und Habilitation von jüdischen und sozialdemokratischen Wissenschaftlern zu verhindern suchte. Mit dem eigenen Rückzug kam Zilsel also nur einer sicheren Ablehnung zuvor. Seine damals eingereichte Arbeit gilt heute als ein Klassiker der Ideengeschichtsschreibung. Intellektuelle Resonanzräume fand Zilsel außerhalb des universitären Bereichs, etwa im Umfeld des Wiener Kreises. Obwohl Zilsel durch seine soziologischen, historischen und politischen Interessen zu vielen Mitgliedern in einem gewissen wissenschaftlichen Spannungsverhältnis stand, darf seine Rolle innerhalb des Kreises nicht unterschätzt werden. Gemeinsam mit Otto Neurath und Rudolf Carnap war er 1928 an der Gründung des Vereins Ernst Mach beteiligt, der das zentrale Popularisierungsorgan des Wiener Kreises nach außen darstellte.118 Zudem fungierte Zilsel, wie Friedrich Stadler dargestellt hat,119 als ein wichtiges Bindeglied des Kreises zu anderen politischen und wissenschaftlichen Vereinigungen: so etwa zur Wiener Sozialdemokratie oder dem sogenannten »Gomperz-Kreis«. Die 1930er Jahre erlebte Zilsel als eine schleichende, berufliche und persönliche Katastrophe: Als Sozialdemokrat wurde er 1934, im austrofaschistischen Ständestaat, aus dem Volkshochschulwesen entfernt und musste wieder in seinen alten Beruf als Mittelschullehrer zurückkehren. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland im Jahre 1938 sah sich Zilsel einer massiven, antisemitisch und politisch motivierten Verfolgung ausgesetzt. Von Beginn an war er ein bekennender und bekannter Gegner des Nationalsozialismus gewesen. Bereits 1933 hatte er dessen universitäre und intellektuelle Legitimierung in Artikeln wie SA philosophiert und Das Dritte Reich und die Wissenschaft öffentlich bekämpft.120 All dies zwang Zilsel schlussendlich zur Emigration. 1939 flüchtete er mit seiner Familie erst nach England, dann in die USA, wo er mit Hilfe verschiedener Stipendien seine wissenschaftshistorischen Forschungen wiederaufnahm: Zwischen 1940 und 1944 veröffentlichte er in führenden ame-
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rikanischen Fachzeitschriften diverse Aufsätze zu den sozialen und historischen Entstehungsbedingungen der modernen Naturwissenschaften, die dreißig Jahre später, unter dem Titel Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft (1976) als Monographie herausgegeben wurden. Daneben lehrte er zunächst am Hunter College in New York, später dann am Mills College in Oakland, Kalifornien. Trotz dieser Akkulturations-Momente sollte Zilsel das Trauma der Vertreibung, die Erfahrung von Isolation und Heimatlosigkeit, nie verwinden. Am 11. 3. 1944 nahm er sich in seiner Wohnung in Oakland das Leben.121
Mathematik und Erkenntnistheorie im Ausgang von Kant Zeitlebens beschäftigte sich Edgar Zilsel mit wissenschaftstheoretischen und wissenschaftssoziologischen Problemen der Geistes- und Naturwissenschaften. Die Intensität seiner Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants dokumentieren besonders seine frühen Schriften und Vorträge, in denen sich Zilsel zunächst und vor allem mit den naturphilosophischen Ansätzen in Kants Philosophie beschäftigt. Diese Auseinandersetzung führt ihn schließlich zum Problem der Entstehungsbedingungen der modernen Naturwissenschaften. Die interdisziplinär ausgerichteten Arbeiten Zilsels zu dieser Thematik sind ohne jeden Zweifel Pionierleistungen, fanden aber erst spät die ihnen gebührende Anerkennung. Daneben findet Zilsel in Kant auch in gesellschaftspolitischen und pädagogischen Fragen einen Verbündeten, wobei er sich in diesem Zusammenhang gegen eine akademisch verkürzte Kant-Interpretation wendet. Mit Bezug auf den naturphilosophischen Problemkreis ist Zilsels erstes, aus der Dissertation von 1915 entstandenes Buch hervorzuheben: Das Anwendungsproblem. Ein philosophischer Versuch über das Gesetz der großen Zahlen und die Induktion (1916). Diese Arbeit, durch die übrigens der junge Herbert Feigl stark beeinflusst wurde, als er bei Schlick seine Dissertation Wahrscheinlichkeit und Erfahrung schrieb,122 steht im Kontext der damaligen naturphilosophischen Debatte über den Wahrscheinlichkeitsbegriff. Die durch Zilsels Arbeitserfahrung als Versicherungsmathematiker inspirierte Problemstellung123 lautet konkret: Wie und weshalb lässt sich die mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie auf die Wirklichkeit anwenden? Im Laufe des Werks, insbesondere im Anhang, wird dieses Problem als ein allgemeines philosophisches Problem und als ein spezifisch kantisches Problem gedeutet: »Wie lässt sich das Unbestimmte bestimmen, wie das Irrationale rational machen, wie Logik, Mathematik, Wissenschaft auf die Welt anwenden?«124 Um diese Frage zu beantworten, greift Zilsel den zuerst von dem Würzburger Psychologen Adolf Fick in seiner Schrift Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeiten125 vorgeschlagenen Ansatz auf, das Anwendungsproblem im Lichte der kantischen,
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transzendentalen Begründungsperspektive126 zu lösen. Die Hauptaufgabe, die sich Zilsel stellt, kann daher als Suche nach den Geltungsbedingungen einer gesetzmäßigen Erkenntnis überhaupt verstanden werden. Zilsels theoretischer Ausgangpunkt, den er mit Kant zu bekräftigen sucht, ist das Zusammenfallen der allgemeinen Gesetze der Natur und der Gesetze der menschlichen Erkenntnis. So gesehen sind die Philosophie der Natur und die Erkenntnistheorie nicht voneinander zu trennen: »wollen wir Naturphilosophie treiben, so bleibt uns nur übrig, diese Naturphilosophie aus der Erfahrung überhaupt, aus dem Bestehen der Naturerkenntnis im allgemeinen abzuleiten. Das scheint mir der viel berufene kopernikanische Standpunkt zu sein, den Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft gefordert hat. Wir sollen die Gesetze der Natur als Gesetze der Erkenntnis auffassen. […] Diese methodische Forderung scheint mir den Sukkus der ganzen theoretischen Philosophie Kant’s auszusprechen und diese Forderung scheint mir auch berechtigt«.127 Laut Zilsel dürfe man nur Urteile (zum Beispiel mathematische Axiome) und nicht Begriffe im strengen Sinne a priori nennen. Unter dem a priori solle – dem antipsychologischen Ansatz der kantischen Philosophie entsprechend – eine notwendige Bedingung einer Erkenntnis und nicht eine angeborene Organisation des Bewusstsein verstanden werden. Dementsprechend sei auch die angenommene Mannigfaltigkeit der Natur als eine a priorische, also eine notwendige Bedingung der Erkenntnis zu verstehen.128 Diese Vorüberlegungen ermöglichen uns laut Zilsel, das Problem der Induktion aufzulösen. Das Problem habe zwar auch Kant gesehen und an mehreren »dunklen«129 Stellen behandelt, aber nie deutlich und explizit gestellt. So wurde das Anwendungsproblem von Kant als das Problem der Anwendung der Kategorien auf die Sinnlichkeit generell im Schematismus-Kapitel behandelt. Nichtsdestotrotz finden wir an mehreren »dunklen Kantstellen«130 in der Kritik der reinen Vernunft und in der Kritik der Urteilskraft laut Zilsel Hinweise, dass Kant das Anwendungsproblem auch von einer anderen Seite sah: Wenn Kant von dem Vermögen der reflektierenden Urteilskraft spricht, wenn er vom Gesetz der Klassifikation und von den regulativen Prinzipien der Urteilskraft spricht, so wirft er genau das induktionslogische Anwendungsproblem wieder auf, das er bereits im Schematismuskapitel endgültig aufzulösen glaubte. Diese zwei Ansätze lassen sich daher, so Zilsel, bei Kant nicht ohne weiteres reibungslos zusammenführen.131 Kant habe demnach das Anwendungsproblem nicht ausführlich und explizit genug behandelt. Johannes Lenhard und Wolfgang Krohn argumentieren diesbezüglich: »Es ist genau diese Überzeugung, die er in seine späteren methodologischen Auseinandersetzungen mit Rudolf Carnap und Otto Neurath, mit der Phänomenologie und dem Neukantianismus hineingetragen hat. Von ihr aus
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wird festgelegt, dass eine adäquate Behandlung des Anwendungsproblems die Problematik der Induktion nicht aussparen darf.«132 Der Lösungsvorschlag Zilsels im Anwendungsproblem, für den ihm der Südwestdeutsche Neukantianismus (Rickert, Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung) als methodisches Vorbild dient, geht aus von der Erkennbarkeit und grundsätzlichen Gesetzmäßigkeit der Welt einerseits und von dem Faktum des tatsächlichen Erfolgs der Naturwissenschaften andererseits. Die Lösung selbst besteht in der Anerkennung des sogenannten Gesetzes der großen Zahlen, einem Grundgesetz der damaligen Statistik, wonach es in »Massenerscheinungen […] (nahezu) konstante Durchschnittsziffern«133 gibt, als das fundamentalste und allgemeinste Naturgesetz. Dieses Gesetz hängt zusammen mit den Lehren von der Allverschiedenheit/Mannigfaltigkeit der Natur und der Reziprozität von Inhalt und Umfang der Begriffe. Was die Inhalt-Umfang-Relation angeht, so Zilsel, hat ihr in der Philosophiegeschichte »lediglich Kant größere Aufmerksamkeit geschenkt, und sie ein wenig unter dem Namen des ›Gesetzes der Spezifikation der Natur‹ in Gattungen und Arten in seiner Einleitung zur Kritik der Urteilskraft und der Kritik der reinen Vernunft im Anhang zur Dialektik erörtert.«134 Diese Voraussetzungen versteht Zilsel als Bedingungen der Möglichkeit der Induktion.135 Johannes Lenhard und Wolfgang Krohn konstatieren bezüglich dieser Lösung des Anwendungsproblems: »Im Grunde schreibt Zilsel hier den erkenntnistheoretischen Standpunkt von Kant fort, indem er die Aufgabe beibehält, eine philosophische Erkenntnistheorie auf der Basis des Erfolges der Naturwissenschaften zu entwerfen, wobei er allerdings die allzu gehaltvollen Annahmen Kants abschwächt und nun im Gesetz der Grossen Zahlen, ›dem formalsten aller Gesetze‹ den Schlüssel zur Argumentation erblickt. Angesichts dieser Ambitionen kann man erahnen, welchen Stellenwert die Arbeit für Zilsel hatte: Nur eine Leistung kantischer Dimension kann das Anwendungsproblem zufriedenstellend lösen.«136 Nach der Veröffentlichung, einer breiten Rezeption und einer vielstimmigen Kritik an diesem Werk, wird Zilsel klar, dass seine Lösung gewisse theoretische Schwächen aufweist, zumal sie dem mittlerweile veralteten laplaceschen Wahrscheinlichkeitsparadigma verhaftet war. Doch werden die kantisch gestellte Hauptfrage und die formulierten Lösungsbedingungen seiner Auffassung nach von der Schwäche des Lösungsansatzes nicht tangiert.137 Zilsel versucht daher in seinen späteren Arbeiten, dieses fest stehende Kernprojekt anhand der Darstellung verschiedener historischer Ausprägungen und Verwendungsweisen des Gesetzesbegriffs in den Natur- und Geisteswissenschaften umzusetzen. Von diesen späteren – Zilsels interdisziplinärem Ansatz zur Erforschung der Entstehungsgeschichte der modernen Wissenschaften verpflichteten – Werken sind vor allem zu nennen Die Geniereligion. Ein kritischer Versuch über das moderne Persönlichkeitsideal, mit einer historischen Begründung (1918),138 Die Asym-
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metrie der Kausalität (1927), Geschichte und Biologie (1931), Physics and the Problem of historico-sociological Laws (1941), Phenomenology and Natural Science (1941), und Problems of Empirism (1941).139 Ein weiterer Berührungspunkt mit der kantischen Philosophie findet sich in Zilsels politisch-ideologisch und pädagogisch ausgerichteten Vorlesungen und Arbeiten. So engagiert sich Zilsel in den Jahren 1919 bis 1934 enthusiastisch in der Erwachsenenbildung. Unter seinen mannigfaltigen Vorträgen finden wir fünf Reihen, die sich direkt mit der Philosophie Kants auseinandersetzen: Einführung in die Philosophie der Neuzeit III. Leibniz und Kant (Sommersemester 1919, Wiener Volksbildungsverein), Kant (Wintersemester 1923/24, Volksheim Leopoldstadt), Einführung in die Geschichte der Philosophie IV: Kant und nach Kant (Sommersemester 1925, Volkshochschule Ottakring), sowie Leseproben und Besprechungen zu Kant und zur nachkantischen Philosophie (Sommersemester 1929, Volkshochschule Ottakring).140 In diesen Vorträgen versucht Zilsel, die Philosophiegeschichte und die Grundbegriffe und Probleme der Philosophie
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Kants in möglichst einfacher Sprache den Zuhörern näher zu bringen, die mehrheitlich aus der Arbeiterklasse stammen.141 Im Hintergrund dieser Bemühungen stehen folgende programmatische Überlegungen Zilsels zu einem reformierten Philosophieunterricht: »Nicht fix und fertige Weltanschauungen dem Schüler in den Mund zu stopfen, sondern mit den Schülern gemeinsam, ehrlich, sachlich und gerecht jene Problemstellungen und Begriffe zu erarbeiten, die es dem jungen Menschen möglich machen, gestützt auf die Denkarbeit der Vergangenheit eine einheitliche Antwort auf die Grundfragen der Natur, des eigenen Lebens und der menschlichen Gesellschaft selber zu finden«.142 Für die von Otto Glöckel und Viktor Fadrus herausgegebene Zeitschrift Schulreform schreibt Zilsel einen Artikel unter dem Titel Kant als Erzieher (1924), in welchem er vor allem »den abfälligen Äußerungen Kants gegenüber dessen zeitgenössischem Schulwesen Platz einräumt«.143 Zilsel schreibt dazu: »Das auf Zwang und religiösen Kult gegründete Schulwesen seiner Zeit hat Kant aufs bitterste gehasst. ›Nicht eine langsame Reform, sondern eine schnelle Revolution‹ schien ihm notzutun.«144 Die entscheidende Rolle Kants als Erzieher besteht für Zilsel darin, »dass uns Kant gelehrt hat, zwischen dem Reiche der Tatsachen und der absoluten Werte zu scheiden, dass er uns gelehrt hat, die Tatsachenerkenntnis durch kein Dogma und keine Schwärmerei trüben zu lassen und unsere heilige sittliche Überzeugung, unsere Achtung vor der Menschheit vor keiner äußeren Tatsache zu beugen«.145 Auch in seinen Artikeln für die linke Zeitschrift Der Kampf taucht der Name Kant immer wieder auf. So plädiert Zilsel in den Philosophischen Bemerkungen gegen die in den akademischen Kreisen verbreitete, einseitige Kant-Interpretation, denn »noch im 18. Jahrhundert veröffentlicht Kant bis zu seinem 46. Lebensjahr nur 11 philosophische und 14 Schriften über Erdbeben, Winde, das Feuer, die Erdrotation und andere physikalische, astronomische und geographische Gegenstände. Das Heldenzeitalter der Europäischen Philosophie sieht doch ein wenig anders aus als die modernen Lehrbücher, die es behandeln«.146 In der gängigen akademischen Kant-Rezeption ausgeblendet wird demnach der Naturphilosoph Kant, damit aber Kant als eine konkrete historische Persönlichkeit, als Kind seiner Zeit und zugleich als ein Wegbereiter der modernen Fachwissenschaften: »Die enge Berührung mit den lebendigen Spezialproblemen der Zeit hat den Gedanken der klassischen Philosophie nicht nur ihre Schwungkraft verliehen, sondern gerade aus dieser noch wenig differenzierten Gesamttheorie sind ja die heutigen Fachwissenschaften selber hervorgegangen.«147 Somit kann man zusammenfassend feststellen, dass die kantische Philosophie das philosophische, sozialwissenschaftliche und politische Denken Edgar Zilsels zeitlebens maßgeblich bestimmte.
Otto Neurath – Gegen Kant und den Sonderweg der deutschen Philosophie
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Otto Neurath – Gegen Kant und den Sonderweg der deutschen Philosophie von Bastian Stoppelkamp Otto Neurath (1882–1945) Der Soziologe, Ökonom, Wissenschaftstheoretiker und emsige Projektemacher Otto Neurath wurde am 10. Dezember 1882 in Wien geboren.148 Seine Eltern, Gertrud Kaempffert und Wilhelm Neurath, kamen aus verschiedenen Welten: Die Mutter entstammte dem gehobenen protestantischen Bürgertum. Der Vater war als Sohn einer armen und tiefreligiösen jüdischen Familie in der Nähe von Bratislava aufgewachsen und erst kurz vor der Hochzeit (1881) zum Katholizismus konvertiert.149 Als Professor für Nationalökonomie an der Hochschule für Bodenkultur sowie als umfassend gebildeter Gelehrter gehörte Wilhelm Neurath zur ersten Generation der Wiener sozialreformerischer Bewegung, wobei er in verschiedenen Schriften die verheerenden Folgen eines unbeschränkten Wirtschaftsliberalismus geißelte.150 Otto Neurath sollte später an die sozialpolitischen Ideen seines Vaters anknüpfen. Nach der Matura begann Neurath im Herbst 1902 ein Studium an der Universität Wien, wo er in den folgenden zwei Semestern mathematische, naturwissenschaftliche, ökonomische und philosophische Vorlesungen hörte. Auf Empfehlung des Kieler Soziologen Ferdinand Tönnies, den er im Rahmen der Salzburger Hochschulwochen kennengelernt hatte, wechselte er im Jahr darauf an die Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität. Neben Lehrveranstaltungen bei Georg Simmel und Friedrich Paulsen besuchte Neurath hier vor allem die Seminare des Nationalökonomen Gustav Schmoller sowie des Althistorikers Eduard Meyer, bei denen er 1906 mit gleich zwei eingereichten Arbeiten summa cum laude promovierte.151 Die erste Arbeit beschäftigte sich mit der Diskursund Rezeptionsgeschichte von Ciceros De Officiis und erschien im gleichen Jahr unter dem Titel Zur Anschauung der Antike über Handel, Gewerbe und Landwirtschaft in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik.152 Die zweite Studie handelte von der Kriegskunst als Teil der Erwerbskunst im alten Ägypten.153 Von beiden Gutachtern wurde Neurath eine außerordentliche wissenschaftliche Begabung bescheinigt. So bezeichnete ihn Gustav Schmoller in seinem Zweitgutachten als einen »Bücherverschlinger und Arbeiter, wie ich kaum je einem begegnete«.154 Im Anschluss an sein Studium kehrte Neurath 1907 nach Wien zurück: Bis zum Ersten Weltkrieg arbeitete er als Lehrer für Nationalökonomie an der Neuen Wiener Handelsakademie.155 Zur gleichen Zeit gründete er mit dem Mathematiker Hans Hahn und dem Physiker Philipp Frank eine wissenschaftstheoretische Gesprächsgruppe, die heute innerhalb der Forschung als »erster Wiener
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Kreis« bezeichnet wird.156 Nach einer vierjährigen Ehe mit der Germanistin und Feministin Anna Schapire, die 1911 an den Folgen der Geburt des gemeinsamen Sohnes Paul verstarb, heiratete Neurath 1912 die erblindete Mathematikerin Olga Hahn (die Schwester des erwähnten Hans Hahn), mit der er verschiedene Arbeiten zur Logik publizierte.157 In Anlehnung an sein Dissertationsprojekt entwickelte Neurath in den frühen 1910er Jahren eine eigene nationalökonomische Theorie des Krieges. Diese sogenannte »Kriegswirtschaftslehre« basiert auf dem Grundgedanken, dass kriegerische Zustände nicht zwangsläufig mit negativen wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden sind. Vielmehr machen derartige Notsituationen häufig eine rationalere und planmäßigere Verteilung von Gütern erforderlich, wodurch sich gerade die Lebenssituation der unter kapitalistischen Vorzeichen benachteiligten Gesellschaftsschichten verbessere.158 Neuraths kriegswirtschaftliche Studien stießen mit der Zeit auf erhebliche Resonanz: Ab 1912 unternahm er auf Einladung der »Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden« (»Carnegie Endowment for International Peace«) Forschungsreisen auf dem Balkan.159 Mit Anbruch des Ersten Weltkriegs und nach einer kurzen Zeit als Soldat an der Ostfront wurde er 1916 zum Cheforganisator des auf seine Mitwirkung hin eingerichteten »Wissenschaftlichen Komitees für Kriegswirtschaft« im österreichischen Kriegsministerium. Gemeinsam mit anderen Sozialwissenschaftlern und späteren politischen Größen wie Otto Bauer, Friedrich Herz und Othmar Spann bestand Neuraths Aufgabe darin, die ökonomische Leistungsfähigkeit des Staates zu erfassen und in Anbetracht der militärischen Entwicklungen konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen vorzuschlagen.160 1917 übertrug man ihm zudem die Leitung des neu gegründeten »Kriegswirtschaftsmuseums« in Leipzig. Im gleichen Jahr habilitierte er sich zum Privatdozenten für politische Ökonomie an der Universität Heidelberg.161 Wie viele seiner Generationsgenossen wurde Neurath durch den Krieg politisiert. 1918 trat er der österreichischen Sozialdemokratie bei. Es sei an der Zeit, erklärte er im Vorwort seiner Aufsatzsammlung Durch die Kriegswirtschaft zur Naturalwirtschaft (1919), »das Leben der Beschaulichkeit abzuschließen und das der Tat zu beginnen«.162 Trotz derartiger Bekenntnisse versuchte Neurath zeitlebens, zwischen seiner politischen Haltung und seinen wissenschaftlichen Überzeugungen eine Trennlinie zu ziehen. So bezeichnete er sich gerne als »Gesellschaftstechniker«, was schon früh zu Komplikationen führte:163 Nach dem Krieg hatte Neurath in den Wirren der Novemberrevolution die Präsidentschaft des Zentralwirtschaftsamtes in Bayern übernommen, um hier sein bereits in den kriegswirtschaftlichen Arbeiten angedeutetes Konzept der »Vollsozialisierung« auf planwirtschaftlicher Grundlage in die Tat umzusetzen. Als in München die ursprünglich gewählte sozialdemokratische Regierung zweimal nacheinander durch die Rätebewegung aus dem Amt geputscht wurde,
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Abb. 6: Otto Neurath (1945)
verblieb Neurath – um sein gesellschaftspolitisches Konzept nicht zu gefährden – auf seinem Posten. Nach der Zerschlagung der Räterevolution verurteilte man ihn wegen »Beihilfe zum Hochverrat« zu eineinhalb Jahren Festungshaft. Durch Intervention von sozialdemokratischen Parteigenossen wie Otto Bauer und Ludo Moritz Hartmann konnte er allerdings nach nur sechswöchiger Untersuchungshaft – in der er seinen Anti-Spengler verfasste – nach Österreich ausreisen. Er durfte Deutschland in den folgenden sieben Jahren jedoch nicht mehr betreten. Zudem wurde ihm in Heidelberg die Lehrerlaubnis aberkannt. Damit war Neuraths akademische Karriere beendet, bevor sie eigentlich begonnen hatte.164 Nach Wien zurückgekehrt, versuchte Neurath, seine sozialistische Utopie eines planwirtschaftlich und naturalwirtschaftlich organisierten Gemeinwesens mit der eher realpolitisch orientierten Parteilinie der österreichischen Sozialdemokratie in Einklang zu bringen. Ein erstes Betätigungsfeld fand er dabei in der Wiener Siedlerbewegung, die im Zuge des kriegsbedingten Wohnungs- und Ernährungsnotstandes eine enorme Revitalisierung erlebt hatte. Als Generalssekretär des »österreichischen Verbandes für Siedlungs- und Kleingartenwesen« war Neurath federführend daran beteiligt, die verschiedenen kommunalen
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Siedlerinitiativen über alle politischen Lager hinweg zu einer gemeinsamen Interessensvertretung zusammenzufassen und unter Mitarbeit von Architekten wie Adolf Loos oder Margarete Lihotzky auf eine gemeinwirtschaftliche Programmatik einzuschwören.165 Aus dieser Arbeit entstand 1923 ein »Museum für Siedlungs- und Städtebau«, aus dem wenig später das von Neurath gegründete und bis zu seiner Auflösung 1934 geleitete »Wirtschafts- und Gesellschaftsmuseum« hervorging. Auf Basis seiner museologischen Arbeiten entwickelte Neurath die bahnbrechende Methode der »Bildstatistik«.166 Mit Hilfe standardisierter Piktogramme, wie sie heute noch als Leitsysteme im Alltag verwendet werden, sollten komplexe politische und sozioökonomische Sachverhalte so einfach und allgemeinverständlich wie möglich dargestellt werden. In politischer Hinsicht betrachtete Neurath die Bildstatistik als ein didaktisches Instrument der Arbeiterbildung und des internationalistischen Klassenkampfes: »Worte trennen – Bilder verbinden«, so lautete die Maxime.167 In Zusammenarbeit mit dem deutschen Graphiker Gerd Arntz brachte Neurath in den folgenden Jahren eine ganze Reihe von spektakulären bildpädagogischen Publikationen auf den Weg. So veröffentlichte man 1930 eine Sammelmappe von rund hundert Bildtafeln unter dem Titel Gesellschaft und Wirtschaft,168 die Kurt Tuckolsky in einer Rezension als »Meisterwerk pädagogischer Statistik« bezeichnet hat.169 Auch im Ausland stieß die Bildstatistik auf zunehmendes Interesse, weshalb Neurath mit dem »Mundaneum« einen eigenen Verein ins Leben rief, der neben Wien noch Außenstellen in Berlin, Amsterdam, Prag, New York und London unterhielt.170 Gemeinsam mit seinen Freunden Hans Hahn und Philipp Frank wurde Neurath im Laufe der 1920er Jahre zum führenden Mitglied des Wiener Kreises, wobei er mit seiner sozialistischen Gesinnung und seinem gegen die klassische Schulphilosophie gerichteten Aktivismus einen Gegenpol zu dem eher moderaten und bürgerlichen Moritz Schlick darstellte. Mit Hahn und Carnap verfasste er 1929 das Wiener Kreis Manifest Wissenschaftliche Weltauffassung. Die Gründung und Etablierung des »Vereins Ernst Mach« geht im Wesentlichen auf seine Initiative zurück. Gleiches gilt für eine Vielzahl an Publikationen und Konferenzen, die der Wiener Kreis mit Beginn seiner öffentlichen Phase in den späten 1920er Jahren auf den Weg brachte: Mit Blick auf Neuraths organisatorische Qualitäten sowie in Anspielung auf dessen Leibesumfang hat Rudolf Carnap ihn später als »big locomotive«, als »große Lokomotive« des Wiener Kreises charakterisiert.171 Darüber hinaus dürfen jedoch seine intellektuellen und wissenschaftlichen Leistungen nicht vergessen werden: Die anti-metaphysische, szientistische und aufklärerisch-emanzipatorische Ausrichtung des Wiener Kreises ist in zentraler Weise auf Überlegungen Neuraths zurückzuführen. Sein Eintreten für eine physikalistische und enzyklopädische »Einheitswissenschaft« sowie sein Konzept eines theoretischen Holismus und Fal-
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libilismus waren Meilensteine des Logischen Empirismus.172 In seiner intellektuellen Vielseitigkeit war Neurath eine absolute Ausnahmeerscheinung, weshalb ihn der Ideenhistoriker William Johnston sogar als »eines der am meisten vernachlässigten Genies des 20. Jahrhunderts« bezeichnet hat.173 Mit der Etablierung des austrofaschistischen »Ständestaates« in Österreich begann für Neurath – wie für viele andere Mitglieder des Wiener Kreises – ein jahrzehntelanges Interregnum von Flucht und Vertreibung. Als exponierter Sozialdemokrat geriet er bereits 1934 ins Visier der Behörden. Dabei entging er nur knapp einer drohenden Verhaftung, da er sich zu diesem Zeitpunkt im Rahmen seiner Arbeiten zur Bildstatistik in Moskau aufhielt.174 Von hier aus flüchtete er in einer abenteuerlichen Odyssee nach Den Haag, wo er bereits am Beginn der 1930er Jahre mit der »International Foundation for Visual Education« sowie einem Ableger des »Mundaneum« Zweigstellen seines bildpädagogischen Projekts aufgebaut hatte.175 Nachdem seine Frau Olga sowie die Wiener Mitarbeiter Marie Reidemeister und Gerd Arntz ebenfalls in die Niederlande übersiedelt waren, nahm Neurath seine volksaufklärerischen und einheitswissenschaftlichen Arbeiten wieder auf. Um die internationale Verbreitung der Bildstatistik weiter voranzutreiben, gab man ihr mit dem heute noch gebräuchlichen Titel »Isotype« (International System of Typographic Picture Education) einen neuen Markennamen. Zudem organisierte Neurath eine Vielzahl von Kooperationen und Veranstaltungen. So brachte er etwa im Auftrag der niederländischen Kaufhauskette »De Bijkenkorf« eine äußerst erfolgreiche sozialhistorische Ausstellung zu Rembrandt und seiner Zeit (»Rondom Rembrandt«) auf den Weg.176 Zugleich arbeitete Neurath an der Internationalisierung des Logischen Empirismus: Neben Carnap, Frank und Hans Reichenbach war er zwischen 1935 und 1939 an der Durchführung von insgesamt fünf internationalen Kongressen für die Einheit der Wissenschaft beteiligt.177 Auf der Vorbereitungskonferenz in Prag im September 1934 hatte er hierzu mit seinem damals vielbeachteten Vortrag Die Einheit der Wissenschaft als Aufgabe die methodologischen Grundlagen entwickelt.178 Aus dem Kongress in Paris im darauffolgenden Jahr ging das von Neurath gemeinsam mit Carnap und dem amerikanischen Pragmatisten Charles Morris forcierte Mammutprojekt einer auf 26 Bände angelegten International Encyclopedia of Unified Science hervor, zu der Neurath später einen Artikel über die Foundations of the Social Sciences beisteuerte.179 Das Projekt sollte allerdings bedingt durch den Zweiten Weltkrieg sowie Neuraths Tod vorzeitig eingestellt werden. Als im April 1940 die deutsche Wehrmacht in die Niederlande einmarschierte, wurde Neuraths Geschäftigkeit erneut unterbrochen: Gemeinsam mit seiner neuen Lebensgefährtin Marie Reidemeister flüchtete er im letzten Moment auf einem kleinen und vollkommen überfüllten Rettungsboot nach England.180 Seine Ehefrau Olga war bereits 1937 an den Folgen einer Nierenoperation ge-
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storben. Aufgrund ihrer österreichischen Herkunft wurden Marie und Otto gleich nach ihrer Ankunft als »enemy aliens« (»feindliche Ausländer«) eingestuft und für insgesamt acht Monate auf der Isle of Man interniert.181 Durch den Einsatz der englischen Philosophin Susan Stebbing sowie aufgrund öffentlicher Protestschreiben von Wissenschaftlern wie Albert Einstein durften beide im Frühjahr 1942 das Lager verlassen. Nach der Hochzeit mit Marie zog es Neurath nach Oxford, wo er in den folgenden Jahren am berühmten All Souls College seine ersten akademischen Vorlesungen hielt.182 Zugleich engagierte er sich mit einer gewissen politischen Distanz in sozialistischen Exilkreisen.183 Seine letzte Lebensaufgabe fand der ewige Projektemacher Neurath in der englischen Industriestadt Bilston, die ihn als Berater und Repräsentanten des nunmehr zerschlagenen »roten Wiens« für ein großangelegtes Stadtentwicklungs-Vorhaben engagierte. Nach einem plötzlichen Schlaganfall am 23. Dezember 1945 verstarb Neurath, den der Schlick-Schüler Marcel Natkin einmal als »witzigste[n] Mann von Wien« bezeichnet hat,184 mit einem Lächeln auf den Lippen.185 Zu den roten Fäden der intellektuellen Biographie Otto Neuraths gehört eine vehemente und durchgängige Kant-Kritik. Der Legende nach hatte er die Schriften Kants bereits in einem Alter zu lesen bekommen, als er selbst noch mit Zinnsoldaten spielte.186 Sein Vater war ein glühender Anhänger der kantischen Aufklärungsphilosophie, die er als idealistische Grundlage einer nicht-marxistischen und anti-materialistischen Reformierung der Gesellschaft betrachtete.187 Während Otto Neurath zeitlebens am sozialreformerischen Ethos des Vaters festhielt, distanzierte er sich zunehmend von dessen liberalem Wertehorizont. An die Stelle von Kant traten nunmehr Mach und Marx, deren utopische Potentiale Neurath zu aktualisieren versuchte. Im Bereich der Wissenschaftstheorie zielte er bereits in seinen frühen Schriften auf eine Überwindung des Apriorismus. In sozialpolitischer Hinsicht attackierte er den kategorischen Imperativ Kants, den er in marxistischer Lesart als Ideologem einer bürgerlichen und pseudo-religiösen Morallehre brandmarkte.188 Noch kurz vor seinem Tod hat Neurath im englischen Exil die kantische Pflichtethik für den deutschen »Untertanengeist« und damit für die Katastrophe des Hitlerismus verantwortlich gemacht.189
»Lest’s kan Kant und kan Schopenhauer – treibts lieber Wissenschaft« Der bis heute für sprichwörtlich gehaltene Anti-Kantianismus des Wiener Kreises ist im Wesentlichen auf den Einfluss Otto Neuraths zurückzuführen. Ähnliches gilt für die These einer spezifisch »Österreichischen Philosophie«, die sich durch ihren empiristischen und logizistischen Charakter von der idealistisch geprägten deutschen Geistesentwicklung des 18. und 19. Jahrhunderts
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unterscheide. Auch diese These, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren von Rudolf Haller und William Johnston formuliert wurde, basiert letztlich auf Ideen Otto Neuraths.190 Als organisatorischer und programmatischer Motor des Wiener Kreises hat Neurath seine eigenen Vorbehalte gegenüber Kant und dem Kantianismus in gewisser Weise globalisiert und dabei sowohl in die Außendarstellung des Kreises als auch generell in die österreichische Philosophiegeschichte eingeschrieben. Diese Form gezielter Geschichts- und Ideenpolitik kulminierte in Neuraths berühmter und bis heute vielfach zitierter Formulierung, die moderne österreichische Philosophie habe sich das »Zwischenspiel mit Kant« erspart.191 Was genau mit einer derartigen Zuschreibung gemeint ist, lässt sich anhand einiger programmatischer Texte Neuraths aus den späten 1920er sowie frühen und mittleren 1930er Jahren nachvollziehen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der ursprünglich auf Französisch verfasste Aufsatz Die Entwicklung des Wiener Kreises und die Zukunft des Logischen Empirismus aus dem Jahre 1936, in dem Neurath seine Ansichten zur modernen österreichischen Philosophiegeschichte in gebündelter Form dargelegt hat.192 In diesem Text, der anlässlich des im Jahr zuvor abgehaltenen »Zweiten Internationalen Kongresses für Einheit der Wissenschaften« in Paris erschienen war, findet sich auch die ›ZwischenspielThese‹ als eigene Kapitelüberschrift herausgestellt. Dahinter steckt zunächst einmal eine recht großräumige ideengeschichtliche Herleitung des Logischen Empirismus des Wiener Kreises. Nach Auffassung von Neurath gründete die philosophische und wissenschaftliche Weltauffassung des Kreises auf einer spezifischen »Wiener Atmosphäre«, einem besonderen österreichischen Geistesklima, welches gerade gegenüber der deutschen akademischen Philosophie in wesentlichen Punkten divergierte.193 Wo in Deutschland seit dem späten 18. Jahrhundert die Systemphilosophien von Kant und den Deutschen Idealisten das intellektuelle Klima bis in die Gegenwart der 1930er Jahre hinein dominierten, hatten sich in Österreich im Laufe des 19. Jahrhunderts philosophische Denkströmungen etabliert, die wiederum an deutschen Universitäten kaum eine Rolle spielten. Dazu zählten zum einen logische und sprachphilosophische Ansätze, wie sie unter rationalistischen und realistischen Vorzeichen vor allem von Bernhard Bolzano, Robert Zimmermann und Franz Brentano vertreten wurden. Zum anderen entwickelte sich in Österreich eine breite Rezeption von Empirismus und Positivismus, was vor allem auf die Einflüsse von Fachwissenschaftlern wie Ernst Mach, Ludwig Boltzmann oder Theodor Gomperz zurückzuführen war. Beide Richtungen treffen bei Neurath in der Philosophie des Wiener Kreises zusammen, dem hierbei der historische Verdienst zugesprochen wird, Logizismus und Empirismus miteinander verbunden und füreinander fruchtbar gemacht zu haben.194 Kurz gesagt: Durch die antimetaphysische Agenda des Em-
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pirismus wandelte sich in Österreich die ihrer Herkunft nach spekulativ und theologisch ausgerichtete Sprachphilosophie in ein formales Instrument der Wissenschaftsanalyse, während umgekehrt die empiristische Philosophie sich mit Hilfe der Logik von ihrer psychologistischen und reduktionistischen Auffassung epistemologischer und wissenschaftlicher Theoriebildung befreien ließ. Der Logische Empirismus des Wiener Kreises wird somit von Neurath wörtlich genommen und historisch-dialektisch ausbuchstabiert: als eine Revitalisierung des Empirismus mit Hilfe der Logik. Zudem verbindet sich hiermit eine aus der Philosophie hinausführende Programmatik: Logik und Empirismus bilden die Grundpfeiler einer zukünftigen »wissenschaftlichen Weltauffassung«.195 In Neuraths historischer Verortung des Wiener Kreises sind nun in Hinblick auf das Verhältnis von deutscher und österreichischer Philosophie verschiedene Implikationen enthalten: Bei allen Unterschieden hatten der österreichische Empirismus und Logizismus der Entstehung nach zwei Dinge gemeinsam: Auf der einen Seite beriefen sich beide Richtungen auf philosophische Traditionslinien, die dem deutschen Kritizismus und Idealismus zeitlich vorausgingen. Als zentrale Referenzgrößen nennt Neurath hierbei Descartes, Leibniz und David Hume. Auf der anderen Seite war die österreichische Philosophie über alle Richtungen hinweg durch eine gemeinsame szientistische und modernistische Orientierung verbunden.196 Vor der narrativen Kontrastfolie des Niedergangs des Deutschen Idealismus propagierte man dabei eine Wiederannäherung an die Einzelwissenschaften mit dem Ziel einer programmatischen Neuausrichtung der Philosophie. Einen Beleg hierfür liefern nicht zuletzt die zum Teil harschen Kant-Kritiken so unterschiedlicher Denker wie Ernst Mach oder Franz Brentano.197 Folgt man Neuraths historiographischer Analyse, so erscheint die österreichische gegenüber der deutschen Philosophie im zeitlichen Sinne als vor- und nachgängig zugleich. Sie ist gleichermaßen vor-kritisch und post-idealistisch, wobei Kant, Fichte, Hegel und Schelling als historisches Zwischenspiel ideengeschichtlich ausgeklammert werden. In der späteren Literatur zur Österreichischen Philosophie hat man versucht, Neuraths Narrativ erkenntnistheoretisch auf den Gegensatz zwischen deutschem Subjektivismus und einem österreichischen Objektivismus herunter zu brechen.198 Besonders prägnant ist in diesem Zusammenhang Rudolf Hallers Formulierung, dass die österreichische Philosophie »die Kantische Kopernikanische Wende nie vollzogen« habe.199 In seinen eigenen Arbeiten aus den 1970er und 1980er Jahren hat Haller hieraus weitreichende Schlussfolgerungen gezogen, indem er die österreichische Philosophie durch ihre historische Abgrenzbarkeit von Kant und den Idealisten als homogene und national eigenständige Denkbewegung interpretierte.200 Mit Blick auf die ursprüngliche These Neuraths verkennt diese Sichtweise allerdings die eigentliche Pointe: Nach Auffassung von Neurath lässt sich die moderne Denkentwicklung in Österreich weder als ei-
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genständige Nationalphilosophie noch als Teil der deutschen Philosophiegeschichte auffassen: »Es ist im Gegenteil angebracht, die Entwicklung in Wien und in den anderen Zentren der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie als ein Kapitel der intellektuellen Entwicklung in Europa zu sehen; der Einfluss englischer und französischer Denker ist dort nicht selten, und die Ereignisse in Österreich laufen eher zu den Ereignissen in Warschau, Cambridge und Paris parallel als zu den Ereignissen in Berlin«.201 In diesem Sinne wurzelten der Österreichische Logizismus und Empirismus tief in der europäischen Aufklärung. Die Werke von Konventionalisten wie Duhem oder Poincar¦, von Positivisten wie Comte, Mill oder Spencer sowie von amerikanischen Pragmatisten wie William James oder John Dewey wurden im Wien des frühen 20. Jahrhunderts umfassend diskutiert. Zudem fanden in Wien sowie in anderen Zentren der Monarchie Philosophen und philosophische Richtungen Aufnahme, »die in Deutschland keinen Erfolg verzeichneten und aufgegeben wurden«.202 Beispiele hierfür sind etwa der Wolffianismus im 18. Jahrhundert sowie der Herbartianismus im 19. Jahrhundert, die in Österreich – weit über die Geltungsdauer in ihrer Heimat hinaus – als offizielle Staatsphilosophien Anerkennung fanden.203 Dementgegen folgte Deutschland eher einem nationalen Hegemoniemodell, wo seit Kant – trotz einiger Krisen – die idealistischen Schulphilosophien das akademische Leben beherrschten. Gerade Kant spielte für Neurath hierbei eine zentrale Rolle, da mit seiner Philosophie eine Art nationaler Sonderweg eröffnet wurde, welcher das Erbe europäischer Denktraditionen hinter sich zurückließ. Neurath hat dies in recht polemischer Weise anhand eines Vergleiches mit Leibniz zu veranschaulichen versucht: Im Gegensatz zu Kant, der Königsberg niemals verlassen hat, ist Leibniz in der Welt herumgekommen; er ist vor allem mit den französischen, englischen und holländischen Denkern in Verbindung gestanden. Seine Werke, im besonderen seine politischen Werke, spiegeln vielleicht mehr ›Lokalkolorit‹ wider als jene von Kant, die sich mehr zu allgemeinen Betrachtungen über soziale und politische Probleme aufschwingen; trotzdem repräsentiert Leibniz viel eher als Kant die westliche Welt.204
In dieser Passage hat man in nuce die Ingredienzien des anti-kantianischen Ressentiments Neuraths: Während der Kosmopolit Leibniz als Säulenheiliger des Wiener Kreises ins Herz der europäischen Aufklärung gestellt wird, findet sich Kant zum deutschen ›Provinzfürsten‹ degradiert und aus der aufklärerischen Tradition gestrichen. Die Formulierung, Österreich habe sich das Zwischenspiel mit Kant erspart, ist somit nicht nur eine philosophiegeschichtliche Zuspitzung, sondern vielmehr der zentrale Artikulationspunkt eines weltanschaulichen Programms. Die Gründe hierfür finden sich wiederum in Neuraths historischen Ausführungen: Seiner Ansicht nach wurzelten die Eigenarten der österreichischen Philosophie in einer sozialgeschichtlich bedingten ›Gleichzei-
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tigkeit des Ungleichzeitigen‹. In Österreich, so Neurath, stoße man unaufhörlich »auf ein eigenartiges Hin und Her zwischen der alten Tradition und den modernsten Versuchen, zwischen einer methodischen Unterdrückung und einer unerwarteten Toleranz«.205 Durch die im Vergleich zu Deutschland langwährende Dominanz der katholischen Kirche sowie des absolutistischen Staates wurde die klassische Schulphilosophie in Österreich mit Argusaugen verfolgt.206 Der Bannstrahl traf dabei vor allem den Kantianismus, den man spätestens mit der Jakobinerverfolgung in den mittleren 1790er Jahren systematisch zu unterdrücken versuchte: »Die Herrschaft der katholischen Weltanschauung ließ anderen umfassenden Systemen nur wenig Raum. Kirche und Staat bekämpften vor allem auch den Kantianismus, der als ein Kind der französischen Revolution betrachtet wurde«.207 Während die kantischen und idealistischen Philosophien in Österreich als Systemkonkurrenz scharf bekämpft wurden, erfuhren die sprachlogischen und empiristischen Strömungen weitgehende Förderung: Durch die enge Einbindung in die Fachwissenschaften wurde der Empirismus vielfach für weltanschaulich neutral erachtet und konnte sich dementsprechend eigene Nischen schaffen. Ähnlich verhielt es sich mit dem Logizismus, der sich in Österreich lange Zeit im institutionellen Rahmen der Kirche bewegte, und unter dem Deckmantel der Theologie seine eigenen sprachanalytischen und formalistischen Potentiale sukzessive ausbaute. Das reaktionäre Klima in Österreich hatte somit einen modernisierenden Effekt: Kirche und Staat verhinderten das Zwischenspiel mit Kant sowie der akademischen Schulphilosophie und bereiteten über Theologie und die Fachwissenschaften den Weg zum Logischen Empirismus: »Nun hatte man nicht nur die Mittel zur Hand, den Empirismus der Einzelwissenschaften logisch weiterzuführen, sondern man konnte auch, nachdem man sich von der traditionellen Philosophie freigemacht hatte, damit beginnen, eine empiristische Gesamtauffassung aufzubauen«.208 Wie von Seiten der Literatur bis heute kaum gewürdigt worden ist, basiert Neuraths These der Österreichischen Philosophie letztlich auf einer Säkularisierungs-Theorie, welche er bereits Ende der 1920er Jahre in dem Vortrag Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung (1929) dargestellt hat.209 Die Grundlage hierfür liefert eine recht eigenwillige Interpretation von Auguste Comtes geschichtsphilosophischem Drei-Phasen-Modell. Nach Ansicht von Comte ist die Kulturentwicklung der Menschheit durch die gesetzesmäßige Abfolge dreier Stadien gekennzeichnet, die als ein zunehmender Reifungsprozess charakterisiert werden: Auf das kindliche Zeitalter der Theologie folgt die jugendlichpubertäre Phase der Metaphysik, welche letztlich im Reifestadium positiver Wissenschaft ihre Aufhebung und Vollendung findet. In bewusster Anlehnung an Comte hat Neurath dieses Drei-Phasen-Modell durch ein viertes, magisches Zeitalter ergänzt, welches dem theologischen Stadium vorausgeht: »Der Weg, beginnend bei der Magie, geht über Religion und Philosophie zum materialis-
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tischen Empirismus«.210 Dabei wird jeder Phase eine eigene Denkströmung zugeordnet: Durch seine Ausrichtung auf Manipulierbarkeit und Kontrollierbarkeit kulturbedingter und natürlicher Vorgänge repräsentiert das magische Zeitalter einen empirischen Umgang mit der Welt. Wie dem modernen Physiker und Biologen, so Neurath, gehe es dem Magier um »die Verknüpfung empirischer Einzelelemente«, um »festgelegte endliche Veränderungen, die wahrnehmbar und daher von jedermann zu kontrollieren sind«.211 Der Empirismus ist damit für Neurath keine Philosophie im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr die natürliche Grundform menschlicher Weltauffassung. Im Zuge des Mittelalters wird das magisch-empirische Denken durch die scholastische Theologie abgelöst, die sich hierbei wiederum in zwei Teile aufgliedert: Auf der einen Seite hat man das systematische Projekt der Scholastik, welches die göttliche Weltordnung in Form eines absoluten Systems theoretisch zu fassen versucht. Auf der anderen Seite etabliert sich innerhalb der Scholastik ein nominalistisches Projekt, das sich mit Hilfe der Logik die kritische Überprüfung religiöser Glaubenswahrheiten zur Aufgabe macht. Beide Aspekte werden im Laufe der Neuzeit auf unterschiedliche Weise säkularisiert: Unter dem Einfluss des »Luthertums« wandelt sich in Deutschland die scholastische Systematik zur Systemphilosophie des Deutschen Idealismus.212 Ausgehend von Kant werden dabei die theologischen Absolutheitsansprüche auf die Philosophie übertragen und durch die ganzheitlichen und systematischen Auslegungen von Sprache, Erkenntnis, Moral und Recht zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen: »In dieser Hinsicht erscheinen die idealistischen Systeme als die Nachfolger der scholastischen Systeme; sie übernehmen deren soziale Funktionen, unter umso vielfältigeren Formen, als sie jetzt, nach einigen entsprechenden Modifizierungen, als Grundlage für die Ausbildung von Beamten, Professoren und sogar Priestern dienen«.213 In Österreich hingegen blieb durch die lange Vorherrschaft des Katholizismus der systematische Kern der Scholastik stets auf den Bereich der Kirche beschränkt, weshalb sich Wissenschaft und Gesellschaft weitgehend frei von jener »diffusen Metaphysik« entfalten konnten.214 Aus diesem Grund hat sich in Österreich nie eine Schulphilosophie im idealistischen und systematischen Sinne etabliert. Stattdessen kam es zum einen über die Einzelwissenschaften zu einer Revitalisierung der ursprünglich magischen empiristischen Einstellung. Zum anderen säkularisierte sich der Nominalismus zur weltlichen Sprachanalyse, was gegenüber der scholastischen Systematik mit deutlich weniger metaphysischen Implikationen verbunden war, da sich die theologischen Prämissen einfacher von den dialektischen Folgerungen abspalten und in ein »wirksames logisches Instrument als Restbestand« transponieren ließen.215 Die Folgerungen aus dieser säkularisierungs-theoretischen Analyse der unterschiedlichen
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Denkentwicklungen hat Neurath am Beispiel seiner eigenen Studienerfahrung in Wien und Berlin am Beginn der Jahrhundertwende auf den Punkt gebracht: In Deutschland spielte die Philosophie in der allgemeinen Kultur eine viel größere Rolle als im sehr katholischen Österreich, wo die allgemeine Kultur viel kälter war. In Österreich fand der junge Intellektuelle zwar jederzeit einige vom rein wissenschaftlichen Standpunkt interessante Theorien; er sah sich großen Worten gegenüber (Grenznutzen, Verdrängung, Überkompensation); aber die großen eigentlich philosophischen Worte, die in Deutschland geläufig waren, ›Ding an sich‹, ›absoluter Wert‹, ›kategorischer Imperativ‹ und andere, die hörte er nicht. Neben der Theologie bestand in Österreich immer eine stark theologisch gefärbte Philosophie; […] aber in Österreich fand man nur wenig von dieser diffusen Metaphysik, deren Saat in tausend Nuancen auf deutschem Boden aufging[.]216
Anhand dieser Zeilen lässt sich schließlich die eigentliche Schlagrichtung von Neuraths Zwischenspiel-These transparent machen, wobei seine anti-kantische Haltung sowie die eigene philosophische Einstellung deutlich hervortritt: Für Neurath ist Kant zugleich Startpunkt und Sinnbild für die Fehlentwicklung eines neuen, modernen Philosophieverständnisses, welches sich von Deutschland ausgehend, seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ausgebreitet hat. Durch die Säkularisierung der Theologie zur Philosophie wurden die ursprünglich als Glaubenswahrheiten deklarierten Dogmen zu Postulaten der Vernunft umetikettiert und mit dem Anstrich wissenschaftlicher Geltungskraft versehen. Neurath spricht in diesem Zusammenhang von einem »Pseudorationalismus«, wobei er nicht nur den Apriorismus der theoretischen Philosophie Kants als Kernbeispiel anführt, sondern auch dessen Morallehre.217 In diesem Sinne bezeichnet er etwa den kategorischen Imperativ als ein »Gebot ohne Gebieter«.218 Nach Meinung von Neurath steht Kant damit für eine neuartige, und wie es im Wiener-Kreis-Manifest dazu heißt, »verdeckte« Form der Metaphysik. Ein weiteres Problem liegt in der sozialen Dominanz der idealistischen Schulphilosophie. Über Wissenschaft und Universität diffundierten die metaphysischen Spekulationen bis in die letzten Kapillaren der Gesellschaft, bis in die alltägliche Kultur und Sprache. Belege hierfür sind etwa idiomatisch gewordene Wendungen wie »ewiger Frieden«, »absolute Wahrheit«, »Wesen« des Volkes, Staates oder der Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund lässt sich im Kern die gesamte Philosophie Neuraths – insbesondere, was die 1920er und 1930er Jahre anbelangt – als Versuch einer fundamentalen Revision jener metaphysischen Durchdringung der Gesellschaft bezeichnen. Im Zentrum steht die Utopie einer »wissenschaftlichen Weltauffassung«, die Neurath immer wieder dem kantischen Denken entgegengehalten hat. Anstelle eines apriorischen »Systems der Wissenschaft« tritt bei ihm die »Einheit der Wissenschaft als Aufgabe«.219 Ein wesentlicher Baustein hierbei ist das Konzept einer physikalistischen »Einheitssprache«, mit deren Hilfe sich die
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Wissenschaften in anti-systematischer Weise in einen enzyklopädischen Zusammenhang bringen lassen. Der Physikalismus Neuraths ist in der Literatur bis heute vielfach missverstanden worden. Dies liegt – wie etwa von Thomas Uebel dargelegt wurde – vor allem daran, dass Neurath seine ursprüngliche Konzeption immer wieder überarbeitet hat.220 Die letzte Reformulierung fällt dabei mit seinen Arbeiten zur Österreichischen Philosophie zusammen, was keinesfalls als Zufall zu sehen ist: Anders als etwa bei seinem Wiener Kreis Kollegen Rudolf Carnap zielte der Physikalismus Neuraths nicht auf eine metrisch oder psychologisch objektivierbare Wissenschaftssprache, sondern vielmehr auf einen von Metaphysik zu reinigenden Alltagsjargon, einen »Universalslang«.221 Aus dieser Perspektive erscheint die historische Verbreitung der deutschen Philosophie als ein kulturelles Hindernis, welches es auf dem Weg zur wissenschaftlichen Weltauffassung zu beseitigen gilt, wohingegen hierbei die österreichische und »Wiener Atmosphäre«, durch den anti-metaphysischen Charakter ihrer Kultur, als ›ideale Startrampe‹ ausgewiesen wird. Neuraths Revision geht allerdings noch weiter : Wie er in seinem umfassenden Geschichtsmodell deutlich gemacht hat, sind weder der ursprünglich »magische« Empirismus noch der moderne Logische Empirismus philosophische Richtungen im eigentlichen Sinne. Sie markieren vielmehr den Start- und Endpunkt einer allgemeinen kulturgeschichtlichen Entwicklung, in der die Philosophie nur ein Zwischenstadium darstellt. Hinter der Forderung nach Rückabwicklung der kantischen und idealistischen Metaphysik steckt somit das generelle Postulat einer kulturellen Überwindung von Philosophie im Allgemeinen: Der wesentliche Gedanke in unserer Skizze der Entwicklung des Wiener Kreises war vor allem, dass metaphysische Elemente, die relativ spät in die Sprache aufgenommen worden sind, auch relativ leicht aus ihr eliminiert werden können. An die Stelle der Philosophie tritt die Arbeit an einer Einheitswissenschaft, und das beste Modell für unser wissenschaftliches Ideal kann nicht mehr ›das System‹ sein, sondern nur die mit den Mitteln der modernen Wissenschaftslogik ausgearbeitete Enzyklopädie[.]222
Folgt man Neuraths Analysen zur Österreichischen Philosophie, so liegt die eigentliche Pointe darin, dass diese überhaupt keine ist. Indem sich die Philosophie in Österreich das Zwischenspiel mit Kant erspart hat, legt sie den Grundstein ihrer eigenen historischen Überwindung. Alle Wege der Kulturgeschichte führen somit über Wien zum Logischen Empirismus des Wiener Kreises. In den Jugenderinnerungen des berühmten Historikers und Schriftsteller–Sohnes Golo Mann findet sich eine in diesem Zusammenhang signifikante Anekdote. Mann schildert hierin seine Begegnung als junger Student in Heidelberg mit Otto Neurath, der im Rahmen eines Vortrags dem versammelten, humanistisch gestimmten Auditorium folgende anti-humanistische Lebens-
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weisheit mit auf den Weg gab: »Lest’s kan Kant und kan Schopenhauer – treibts lieber Wissenschaft«.223
Rudolf Carnap (1891–1970) von Bastian Stoppelkamp Rudolf Carnap wurde am 18. Mai 1891 im Bergischen Land als Sohn protestantischer Eltern geboren.224 Sein Geburtsort Ronsdorf, eine frühe Hochburg der Arbeiterbewegung, ist heute ein Stadtteil von Wuppertal. Der Vater, Johannes Carnap, stammte aus einer armen Weberfamilie und hatte es als Autodidakt zu einem gewissen kaufmännischen Wohlstand gebracht. Er verstarb, als Rudolf sieben Jahre alt war. Die Mutter, Anna Carnap, kam aus dem Bildungsbürgertum. Ihr Vater, Friedrich Dörpfeld, war ein glühender Herbartianer und engagierter Pädagoge.225 In seiner Autobiographie beschreibt Carnap das eigene Elternhaus als »tiefreligiös«.226 Er selbst sollte sich bereits im jugendlichen Alter von jeglicher Religion entfernen, ohne dabei die ethischen und humanistischen Prinzipien des elterlichen Glaubens preiszugeben.
Abb. 7: Rudolf Carnap (1923)
Rudolf Carnap (1891–1970)
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Nach dem Tod des Vaters zog die Familie zunächst ins benachbarte Barmen. Später übersiedelte man nach Jena, wo Carnap 1909 sein Abitur ablegte. Im Jahr darauf begann er ein Studium der Philosophie, Mathematik und Physik an der Jenaer Universität. Zu seinen philosophischen Lehrern gehörten der Neukantianer Bruno Bauch sowie der Mathematiker Gottlob Frege, die beide einen nachhaltigen Einfluss auf Carnap ausübten.227 Bei Gottlob Frege hörte er Vorlesungen zur damals noch jungen Disziplin der formalen und mathematischen Logik, die fortan ins Zentrum seiner eigenen philosophischen Interessen rückte. Obwohl bereits im fortgeschrittenen Alter, war Frege zu dieser Zeit in Deutschland noch weitestgehend unbekannt und wurde aufgrund seiner charakterlichen Distanziertheit von Kollegen und Studenten gleichermaßen gemieden. Abgesehen von einem alternden Major und einigen widerwillig mitgeschleppten Kommilitonen war Carnap in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg Freges einziger Student, ohne jemals ein privates Wort mit diesem gewechselt zu haben.228 Durch den Neukantianer Bruno Bauch kam Carnap erstmals in Kontakt mit der kantischen Philosophie. Auf Bauchs Anregung hin ging er 1912 für zwei Semester nach Freiburg, um im Umfeld der Südwestdeutschen Schule Vorlesungen bei Heinrich Rickert und Jonas Cohen zu besuchen. Nach dem Krieg dissertierte Carnap bei Bauch mit einer Arbeit über den Raumbegriff. Die Studie erschien 1922 unter dem Titel Der Raum. Ein Beitrag zur Wissenschaftslehre in den Ergänzungsheften der Kant-Studien.229 Abseits des Studiums engagierte sich Carnap innerhalb der freideutschen Jugendbewegung.230 Gemeinsam mit dem Pädagogen Wilhelm Flitner, dem Marxisten Karl Korsch sowie dem Soziologen Hans Freyer wurde er zum führenden Mitglied des lebensreformerischen Serakreises um den Jenaer Verleger Eugen Diederichs.231 Zur gleichen Zeit gründete Carnap einen lokalen Ableger der Deutschen Akademischen Freischar, die sich als liberales Gegenstück zur chauvinistischen und alkoholgetränkten Burschenherrlichkeit des damaligen Verbindungswesens verstand.232 Aus diesem Zusammenhang ging im Oktober 1913 der Erste Freideutsche Jugendtag auf dem Hohen Meißner hervor, welcher einen weltanschaulichen Kontrapunkt zu den nationalistischen Hundertjahrfeiern der Völkerschlacht bei Leipzig zu setzen suchte. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs fand Carnaps jugendbewegte Emphase ein jähes Ende. Entgegen seinem pazifistischen Naturell meldete er sich im August 1914 freiwillig zum Kriegsdienst.233 In den ersten Jahren diente er an verschiedenen Kampfplätzen der Ostfront, wurde mehrfach verwundet und später zum Leutnant befördert. 1917 versetzte ihn das Militär an ein wissenschaftlichtechnisches Institut nach Potsdam, wo er als Physiker an der Entwicklung eines drahtlosen Telegraphen arbeitete. Diese Jahre waren für Carnap äußerst prägend: In seiner Freizeit studierte er die Relativitätstheorie von Einstein und las die Principia Mathematica von Russell und Whitehead. Zudem wurde er durch
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den Krieg politisiert und sympathisierte anfänglich mit der USPD von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Später engagierte er sich innerhalb der Sozialdemokratie.234 Nach dem Krieg und der Doktorarbeit bei Bruno Bauch zog Carnap 1922 in die Nähe von Freiburg. Hier unternahm er seine ersten publizistischen Gehversuche, veröffentlichte in den Kant-Studien die beiden Aufsätze Über die Aufgabe der Physik (1923) und Über die Abhängigkeit der Eigenschaften des Raumes von denen der Zeit (1925).235 In jenen Jahren lernte Carnap auch Hans Reichenbach kennen, der gerade eine Dozentur für Physik an der Technischen Universität Stuttgart übernommen hatte. In Reichenbach fand Carnap einen Schicksalsgenossen: Beide waren zwischen Philosophie und Naturwissenschaft hin und her gerissen, begeisterten sich für formale Logik und theoretische Physik. Aus dieser Freundschaft heraus entstanden in der Folge mehrere wegweisende Projekte: 1923 organisierte man gemeinsam eine philosophische Tagung in Erlangen, die Carnap später, nicht ohne Stolz als »kleinen, aber wichtigen ersten Schritt innerhalb der Bewegung einer wissenschaftlichen Philosophie in Deutschland« bezeichnet hat.236 1930 gründeten beide die wissenschaftstheoretische Zeitschrift Erkenntnis, die fortan zum zentralen Publikationsorgan des Logischen Empirismus werden sollte. Über Reichenbach kam Carnap Mitte der 20er Jahre in Kontakt mit Moritz Schlick, der ihm seine erste universitäre Stelle verschaffte. Von 1926 bis 1931 lehrte er als Privatdozent für Philosophie an der Universität Wien. In dieser Zeit wurde Carnap zum Mitglied des Wiener Kreises, bei dessen Etablierung und inhaltlicher Ausrichtung er eine federführende Rolle spielte. Gemeinsam mit Otto Neurath und Hans Hahn verfasste er 1929 das Manifest Wissenschaftliche Weltauffassung, mit dem der Wiener Kreis zum ersten Mal in die Öffentlichkeit trat und die eigene anti-metaphysische und wissenschaftsemanzipatorische Programmatik publik machte.237 Im Jahr zuvor war Carnaps bahnbrechende Monographie Der logische Aufbau der Welt erschienen,238 mit der er sich bereits 1925 in Wien habilitiert hatte. Neben Wittgensteins Tractatus wurde der Aufbau in den ersten Jahren zum zentralen Fundament der inhaltlichen Diskussionen des Kreises. In der Rückschau hat Carnap die Jahre in Wien als eine der »anregendsten, erfreulichsten und fruchtbarsten« Zeiten seines Lebens beschrieben: »Meine Interessen und meine philosophischen Ansichten stimmten mit denen des Wiener Kreises mehr überein als mit irgendeiner anderen Gruppe, die ich je traf«.239 Im Herbst 1931 übernahm Carnap auf Vermittlung des Physikers und Einstein-Biographen Philipp Frank eine außerordentliche Professur für Naturphilosophie an der Deutschen Universität Prag. Nach eigenen Angaben führte er dort ein »eher einzelgängerisches Leben«, was seiner eigenen Forschung durchaus zugutekam.240 1932 erschien sein Aufsatz Überwindung der Meta-
Rudolf Carnap (1891–1970)
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physik durch logische Analyse der Sprache.241 Zwei Jahre später wurde die Studie Logische Syntax der Sprache veröffentlicht.242 Beide Arbeiten gelten heute als zentrale Wegmarken der linguistischen Wende in der Philosophie. Mit Beginn der NS-Diktatur verschlechterte sich das politische Binnenklima unter den deutschen Studenten und Professoren in Prag zunehmend, was den überzeugten Kosmopoliten und Sozialisten Carnap letztlich die Flucht antreten ließ. Mit der Hilfe von amerikanischen Sympathisanten des Wiener Kreises wie dem Pragmatisten William Morris und dem Logiker Willard van Orman Quine emigrierte er 1936 in die USA, deren Staatsbürgerschaft er vier Jahre später annahm. Von 1937 an unterrichte Carnap über fünfzehn Jahre lang als ordentlicher Professor an der Universität von Chicago. Die Akklimatisierung (oder : intellektuelle Eingewöhnung) am dortigen Philosophie-Department erwies sich dabei anfänglich als schwierig. Der logische Empirist Carnap fand sich hier von Philosophiehistorikern umzingelt, die im Unterschied zur offenen Diskussionskultur des Wiener Kreises einen geradezu monastischen Umgang pflegten: »Bei manchen philosophischen Diskussionsveranstaltungen hatte ich das gespenstische Gefühl, unter lauter mittelalterlichen Gelehrten mit langen Bärten und feierlichen Gewändern zu sitzen«, schrieb Carnap später mit Blick auf Chicago.243 Durch die zunehmende Immigration vertriebener europäischer Wissenschaftler und Philosophen mit Beginn des Zweiten Weltkriegs, wandelte sich in Amerika die anfängliche Ablehnung des Logischen Empirismus zusehends zum Positiven.244 Mehrfach wurde Carnap als Gastprofessor nach Harvard eingeladen. Von 1952 bis 1954 arbeitete er als Fellow am renommierten Institute for Advanced Studies in Princeton, wo er mit dem bereits greisen Albert Einstein ausgiebige Gespräche führte. Nach dem Tod seines Freundes Hans Reichenbach übernahm er von 1954 bis 1961 dessen Lehrstuhl an der University of California in Los Angeles. Neben der Abfassung von Werken wie Meaning and Necessity (1947) sowie verschiedenen Aufsätzen zur induktiven Logik hielt Carnap auch in Amerika an seinem sozialpolitischen Engagement fest: Er unterstützte aktiv die Studenten- und Bürgerrechtsbewegung, weshalb das FBI ein Dossier über ihn anlegte.245 Noch im Januar 1970 reiste er im Alter von fast achtzig Jahren nach Mexiko, um sich dort für die Freilassung inhaftierter mexikanischer Philosophen einzusetzen, welche man kommunistischer Umtriebe beschuldigte.246 Rudolf Carnap starb nur wenige Monate später am 14. September 1970 in Los Angeles.
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Kant und der Wiener Kreis
Kantianismus im Wien des 20. Jahrhunderts von Kurt Walter Zeidler Der Kantianismus war in Wien im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts prominent vertreten durch den Kant-Forscher und unermüdlichen Lexikographen Rudolf Eisler (1873–1926), den Austromarxisten Max Adler (1873–1937) und den religiösen Sozialisten Oskar Ewald (1881–1940). An der Wiener Universität konnte der Kantianismus allerdings erst nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie Fuß fassen,247 prägte sodann aber mit Robert Reininger (1869–1955), dessen Schüler Erich Heintel (1912–2000) sowie beider Schüler und Enkelschüler, über Jahrzehnte maßgeblich das Profil des Philosophischen Instituts, wobei vorweg zu betonen ist, daß sich der Kantianismus des Agnostikers Reininger vor allem an Schopenhauer orientiert, während für den bekennenden Protestanten Heintel die Philosophie des Deutschen Idealismus in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Vor diesem Hintergrunde spielt die Auseinandersetzung mit dem »Wiener Kreis« nur eine periphere Rolle, obwohl die von Reininger begründete Wiener Tradition der Transzendentalphilosophie aus dem österreichischen Herbartianismus des 19. Jahrhunderts einige Motive übernimmt, die sie mit dem Neopositivismus gemeinsam hat. Diese Motive wurden im Neukantianismus von Alois Riehl (1844–1924) vertreten, weshalb zunächst dessen Lebensweg und die Grundzüge seines realistischen Kritizismus zu skizzieren sind.
Alois Riehl (1844–1924) Am 27. 4. 1844 auf dem Riehlhof bei Bozen als Sohn eines Gastwirts geboren, studierte Riehl nach dem Besuch des Gymnasiums in Bozen ab 1862 Philosophie, Geographie und Geschichte in Wien, München, Innsbruck und Graz. Nach der Promotion in Innsbruck (1868) wirkte er als Gymnasiallehrer in Klagenfurt, habilitierte sich 1870 an der Universität Graz und wurde daselbst 1873 zum außerordentlichen, 1878 zum ordentlichen Professor für Philosophie berufen. 1882 als Nachfolger Wilhelm Windelbands nach Freiburg (Br.) berufen, ging Riehl 1896 nach Kiel, 1898 nach Halle/Saale und 1905 in der Nachfolge Wilhelm Diltheys nach Berlin. Riehl starb am 21. 11. 1924 in Neubabelsberg bei Potsdam. Alois Riehl ist neben Otto Liebmann (1840–1912) der Protagonist eines realistischen Kritizismus.248 Diese Richtung des Neukantianismus verfolgt im Ausgang von den realistischen Momenten oder vielmehr Problemdimensionen der kantischen Lehre die zentrale Frage nach der Möglichkeit des Zusammenstimmens von Form und Inhalt der Erkenntnis (das Affinitätsproblem) nicht allein mit Bezug auf die natura formaliter spectata (die Natur im Verstande der mathematischen Naturwissenschaften), sondern eben so sehr mit Bezug auf das
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empirisch-psychologische Subjekt des Erkennens (Affektionsproblem) und die besonderen Naturerscheinungen (Problem des Naturzwecks), weshalb Liebmann und Riehl die Methodenfragen der Psychologie und der Biologie ebenso in das Zentrum ihrer Untersuchungen stellen, wie die Methodenprobleme der mathematischen Naturwissenschaft. In seiner Habilitationsschrift Realistische Grundzüge (1870), deren »Gesichtspunkte […] durch Studien an Herbart, Kant und Leibniz gewonnen sind«,249 gründet Riehl den Realismus auf das »Zusammentreffen […] des Objektiven und des Subjektiven« in der Empfindung.250 Riehl formuliert damit den Ansatz eines um den Begriff der »Empfindung« beziehungsweise des »Erlebnisses« zentrierten realistischen Kritizismus, dem nicht nur sein Schüler Richard Hönigswald, sondern auch Robert Reininger verpflichtet ist. Darf das »Sentio ergo sum et est«251 als oberster Grundsatz dieser »österreichischen« Variante des realistischen Neukantianismus gelten,252 so sind mit Bezug auf Leibniz und Herbart zwei weitere Grundgedanken zu formulieren, die insbesondere das Denken Hönigswalds und Reiningers charakterisieren: ihr monistisch-monadologischer (Leibniz) und ihr sprachkritischer (Herbart) Ansatz. Beide Ansätze ergeben sich – auch unabhängig vom latenten Leibnizianismus der Herbartschen Philosophie und vom Herbartianismus der ›Österreichischen Philosophie‹ des 19. Jahrhunderts – aus dem grundlegenden Gedanken einer realen Koinzidenz von Bewusstsein und Sein in der Empfindung, ist doch damit implizit die Forderung nach einer »monistischen« oder »monadologischen« Grundlegung der Philosophie angesprochen. Ist im Sinne dieses bewusstseinstheoretischen Monismus die Subjekt-Objekt-Differenz als »der abstrakte Ausdruck eines Verhältnisses« bestimmt,253 dann ist damit ebenso die (im weitesten Sinne) sprachkritische Analyse dieser Abstraktion gefordert, sobald die Frage nach der methodischen Bestimmbarkeit des Verhältnisses von Subjekt und Objekt gestellt wird. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Riehl, Hönigswald und Reininger, die sie von anderen Vertretern des Neukantianismus unterscheidet, besteht darin, dass sie (dem empfindungstheoretischen Ansatz entsprechend) Locke und Hume als Wegbereiter Kants begreifen und daher mit umfangreichen Untersuchungen zum Englischen Empirismus hervorgetreten sind.254 Ein fünftes Charakteristikum besteht schließlich darin, dass Riehl und Reininger in ihren ethischen Schriften255 – offenkundig in Reaktion auf den österreichischen Klerikalismus – die Autonomie der sittlichen Persönlichkeit forcieren und sich daher im Sinne einer Individualethik um die frühe Nietzsche-Rezeption verdient gemacht haben.
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Kant und der Wiener Kreis
Robert Reininger (1869–1955) Robert Reininger wurde am 28. 9. 1869 in Linz in eine Industriellenfamilie geboren.256 Ab 1888 studierte er Philosophie, Naturwissenschaft (zeitweise auch Jura) in Bonn (Jürgen Bona Meyer, Theodor Lipps), Heidelberg (Kuno Fischer) und Wien (Robert Zimmermann, Adolf Stöhr). Reininger promovierte 1893 mit der Dissertation Über Schopenhauers Kritik der Kantischen Lehre vom Objekt der Erfahrung zum Dr. phil. (Nebenfach Zoologie) bei Robert Zimmermann und Theodor Vogt. 1903 habilitierte er sich an der Universität Wien und erhielt die Venia legendi für Geschichte der Philosophie. 1913 wurde Reininger außerordentlicher und 1922 ordentlicher Professor an der Universität Wien. Seine Lehrtätigkeit übte er bis 1940 aus. 1922 bis 1939 war Reininger Obmann der Philosophischen Gesellschaft an der Universität Wien, die von 1927 bis 1938 zugleich als Ortsgruppe Wien der Kant-Gesellschaft fungiert. 1922 wurde Reininger korrespondierendes, 1924 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, 1940 korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Robert Reininger starb am 17. 5. 1955 in Wien. Reiningers Philosophie,257 von ihm selbst als monistischer Idealismus charakterisiert, kreist in erkenntnistheoretischer wie ethischer Perspektive um das Problem der Subjektivität: so drängt er in seiner Ethik im Namen der »Begründung echter Moral auf den autonomen Willen der sittlichen Persönlichkeit« auf eine Verschränkung von ethischem Universalismus (Kant) und Individualismus (Nietzsche)258 und gruppiert aus erkenntnistheoretischer Perspektive »alles Vorkommende um das Ich als Mittelpunkt«.259 Die frühen Publikationen, Kants Lehre vom inneren Sinn und seine Theorie der Erfahrung (1900), sowie die Philosophie des Erkennens. Ein Beitrag zur Geschichte und Fortbildung des Erkenntnisproblems (1911), stehen im Zeichen des realistischen Kritizismus und betonen die antimetaphysische Stoßrichtung der kantischen Philosophie, die »alle Probleme ab[schneidet], die sich nur aus ihrer metaphysischen Deutung nach der objektiven oder subjektiven Seite hin ergeben«.260 Mit Rücksicht auf den Zusammenhang von Affinitäts- und Affektionsproblem und vor dem Hintergrund des – durch Husserl und Bergson aktualisierten – Problems der Verhältnisbestimmung von Psychologie und Transzendentalphilosophie wird die strikt anti-metaphysische Deutung des Kritizismus freilich bald aufgegeben. Im Anschluss an Paul Natorps Allgemeine Psychologie (1912) konzentrieren sich Reiningers Überlegungen seit der Arbeit über Das Psycho-Physische Problem (1916) auf die Unterscheidung von peripherer und zentraler (philosophischer) Einstellung und auf das Urerlebnis: auf die, als ursprüngliche Subjekt-Objekt Einheit gedachte, zeitlose Unmittelbarkeit des Erlebens.261 Damit kommt bei Reininger ein Grundgedanke Schopenhauers zum Durchbruch, den er bereits in Aufzeichnungen aus den Jahren 1893/94 vielfach variiert hatte,262 wobei im
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Abb. 8: Günther Baszel, Robert Reininger, Arkadenhof, Universität Wien (1967)
Vergleich mit den früheren Publikationen ist weniger von einer radikalen Wende im Denken Reiningers, als vielmehr von einem Wechsel des Standpunktes zu sprechen ist: hatte er seinen Standpunkt auf der »Stufenleiter« des empirischen Erkennens, die er zwischen dem »unmittelbaren Erlebnis und dem Erfahrungsurteil« errichtete,263 zuvor auf der obersten Stufe genommen und die Stufenleiter des Erkennens in objektivierendem Rückblick betrachtet, so nimmt er seinen Standpunkt nunmehr auf der untersten Stufe, dem »unmittelbaren Erlebnis«, das damit zum »zentralen Ich-Erlebnis« beziehungsweise »Urerlebnis« wird. Die Spannung zwischen dem »unmittelbaren Erlebnis und dem Erfahrungsurteil« wird dadurch freilich nicht überwunden: Die »Antithetik zwischen formaler Vollendung und Wirklichkeitsnähe«264 beziehungsweise zwischen sprachlicher »Intention« und »Urerlebnis«265 bleibt unaufhebbar und durchkreuzt Reiningers Versuch, das Affinitätsproblem im Sinne einer »Transformation« des Urerlebnisses systematisch zu klären.266 Seine Metaphysik der Wirklichkeit bleibt letztlich »negative Metaphysik«,267 deren eigentliche Aufgabe – wie im Anschluss an Herbart in der zweiten Auflage seiner Metaphysik
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der Wirklichkeit wiederholte Male betont wird – in der »Berichtigung der Begriffe« besteht.268 Wenn Reininger dem vierten und letzten Teil seines Hauptwerkes den Titel »Metaphysik als Wissenschaft und als Erlebnis« gibt,269 so verleiht er dem Nebeneinander von Wissenschaft und Erlebnis seine abschließende Bestätigung: er nimmt die Frage nach dem »und« zwischen Wissenschaft und Erlebnis einerseits in die fraglose Unmittelbarkeit des Urerlebnisses zurück, indem er den Gedanken, wonach das Wissen um das Urerlebnis selbst zu einem gefühlsbetonten Erlebnis eigener Art wird, an das Ende seiner theoretischen Untersuchungen stellt (Metaphysik als Erlebnis), er hält diese Frage aber zugleich offen, indem er ihre Beantwortung an eine unendliche Stufenreihe von einander kritisch überhöhenden Denkstandpunkten delegiert (Metaphysik als Wissenschaft).
Erich Heintel (1912–2000) Erich Heintel wurde am 29. März 1912 in Wien als Sohn eines Bandagisten geboren. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit arbeitet Heintel bis 1960 im elterlichen Betrieb. Das 1931 begonnene Studium der Philosophie beschließt er 1935 mit der Dissertation Wirklichkeit, Wahrheit und Wert bei Nietzsche bei Robert Reininger. Nach der Promotion sub auspiciis praesidentis (1936) und der Habilitation Nietzsches ›System‹ in seinen Grundbegriffen (1939) ist Heintel zeitweise an der Universität Wien, sowie als Heerespsychologe beschäftigt. Wegen seiner Mitgliedschaft bei der NSDAP (seit 1940) kann er seine Lehrtätigkeit erst im Wintersemester 1949 wieder aufnehmen. Seit 1952 außerordentlicher und 1960 bis 1982 ordentlicher Professor an der Universität Wien, entfaltet Heintel eine rege instituts- und wissenschaftspolitische Tätigkeit, die in Arbeitskreisen (vor allem mit Biologen und Theologen) über die Grenzen seiner Disziplin, sowie in alljährlichen Tagungen (ab 1964) mit Philosophen aus dem Ostblock im Zisterzienserstift Zwettl auch über die Grenzen Österreichs ausgreift. Arbeiten seiner zahlreichen Dissertanten und Habilitanten erscheinen in der von ihm 1965 bis 1982 herausgegebenen Reihe Überlieferung und Aufgabe. Abhandlungen zur Geschichte und Systematik der europäischen Philosophie (22 Bände), sowie in dem von 1968 bis 1986 von Heintel redigierten Wiener Jahrbuch für Philosophie. Seit 1975 korrespondierendes und seit 1978 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, übt er nach der Emeritierung im Jahre 1982 seine Lehrtätigkeit bis 1998 aus. Erich Heintel ist am 25. November 2000 in Schneeberg/Niederösterreich gestorben.270 Das philosophische Werk Erich Heintels271 entfaltet sich im Ausgang von Robert Reiningers Philosophie und in steter Auseinandersetzung mit dem Problem der »daseienden Transzendentalität«, dessen Lösung Heintel zunächst
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im Reiningerschen Begriff des »Urerlebnisses« gefunden glaubte.272 Es handelt sich daher nicht allein um den Ausdruck eines persönlichen Bekenntnisses, wenn Heintel »in Ehrfurcht und Liebe« seines »Lehrers und Freundes, Robert Reininger« gedenkt: Reininger hat mich – ganz abgesehen von seinem vorbildlichen Philosophenleben, in dem Theorie und Praxis (als Ethos der autonomen Persönlichkeit) niemals auseinanderfielen – auf den Weg grundsätzlichen Denkens gewiesen, indem er mir den Sinn für die transzendentale Differenz in ihrer fundamentalphilosophischen Bedeutung und damit das Verständnis der großen Systeme der Neuzeit erschlossen hat. Dabei war Reiningers Transzendentalphilosophie kein Neukantianismus: für ihn ist nämlich die ›daseiende‹ Transzendentalität über alle transzendentallogische ›Geltung‹ hinaus immer ein Problem geblieben.273
Versuchte Robert Reininger, das Problem der daseienden Transzendentalität anhand der Unterscheidung von zentraler (philosophischer) und peripherer Einstellung aufzuklären und somit die paralogistischen Problemkomplexionen, die aus der neuzeitlichen Subjekt-Objekt-Dichotomie resultieren, zu vermeiden, indem er – und insoweit ist Reininger zeitlebens Schopenhauerianer geblieben – die kantische Gleichung von transzendentalem Idealismus und empirischem Realismus in die Differenz von unaussagbarer Erlebnis-Wirklichkeit (»Urerlebnis«) und sprachlich objektivierender Intentionalität umdeutete, so versteht Erich Heintel das nämliche Problem als ein dialektisches Spannungsverhältnis und kann daher die »transzendentale Methode im Sinne Reiningers« zusammenfassend dahingehend charakterisieren, dass sie zuletzt »gar nichts anderes [formuliert] als die grundsätzliche Dialektik aller menschlichen Erkenntnis zwischen absoluter Gewißheit und der unendlichen Aufgabe der Revision, zwischen der ursprünglichen Einheit von Denken und Sein und der Spannung, die in aller bestimmten Aussage zum Ausdruck kommt, obwohl sie von jener ursprünglichen Einheit her fundiert ist« oder »weil sie von jener ursprünglichen Einheit her fundiert, nicht aber sie selber ist.«274
Während Reininger diese Dialektik vor dem Hintergrunde seiner (sowohl lebensphilosophisch wie sprachkritisch zu interpretierenden) Unterscheidung von zentraler und peripherer Einstellung ebenso aufspannt wie durchkreuzt, sie aber dennoch vermittels des Gedankens einer »Transformation des Urerlebnisses« transzendentallogisch aufzuklären und zu strukturieren versucht, sieht Heintel im Lichte der sprachkritischen275 Dimension der Philosophie Reiningers nur umso deutlicher die Schwierigkeiten einer transzendentallogisch haltbaren Durchführung des Transformationsgedankens. Indem er diese innere Aporetik des reiningerschen Denkens als grundlegendes Defizit aller Transzendentalphilosophie auffasst und die darin zum Ausdruck kommende »grundsätzliche Dialektik aller menschlichen Erkenntnis« auf die gesamte philosophische
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Überlieferung des Abendlandes überträgt, wird ihm die dialektische Spannung »zwischen der ursprünglichen Einheit von Denken und Sein und […] aller bestimmten Aussage« zum sowohl philosophiehistorischen wie systematischen Gegen- und Nebeneinander von ontologischem und transzendentalem Ansatz, die beide, in ihrer jeweiligen Beschränktheit, auf das unbewältigte Problem der Vermittlung von Aristotelismus und Transzendentalphilosophie276 und damit auf das Problem der daseienden Transzendentalität verweisen.277
Rudolf Eisler (1873–1926) Rudolf Eisler wurde am 7. 1. 1873 in Wien geboren. Der Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers wuchs in Paris auf, besuchte in Prag das Gymnasium, studierte in Prag, Wien und Leipzig und promovierte 1894 mit der Arbeit über Die Weiterbildung der Kant’schen Aprioritätslehre bei Wilhelm Wundt. In Leipzig lernte er Ida Maria Fischer kennen, die er 1896 heiratete. Die Tochter Ruth Fischer (1895–1961) und die beiden Söhne, der spätere DDR-Politiker Gerhart (1897–1968) und der Komponist Johannes (Hanns) Eisler (1898–1962) wurden in Leipzig geboren. 1901 übersiedelte die Familie nach Wien, wo der bekennende Atheist Rudolf Eisler vergeblich auf eine Universitätskarriere hoffte und trotz seiner rastlosen Tätigkeit als Privatgelehrter, freier Schriftsteller und Übersetzer auf finanzielle Zuwendungen seines jüngeren Bruders Armand angewiesen blieb, der eine erfolgreiche Anwaltskanzlei führte. 1907 wurde Eisler Sekretär der auf Initiative seines Freundes, des Monisten, Pazifisten, Sozialisten und Soziologen, Rudolf Goldscheid (1870–1931) gegründeten Soziologischen Gesellschaft in Wien und gehörte neben Max Adler, Rudolf Goldscheid, Michael Hainisch, Berthold Hatschek, Ludo Hartmann, Wilhelm Jerusalem, Josef Redlich und Karl Renner dem Vorstand der Gesellschaft an. Am 13. 12. 1926 starb Rudolf Eisler in Wien. Rudolf Eisler hat sich vor allem als Lexikograph einen Namen gemacht: Sein Wörterbuch der philosophischen Begriffe und Ausdrücke (Berlin 1899), das 1910 in dritter Auflage als Wörterbuch der philosophischen Begriffe in drei Bänden erscheint, das Philosophen-Lexikon. Leben, Werke und Lehren der Denker (Berlin 1912) und das aus dem Nachlass herausgegebene Kant-Lexikon (Berlin 1930) haben bleibende Maßstäbe gesetzt. Weniger erfolgreich waren Eislers systematische Bemühungen. Vom »modernen kritischen Empirismus«, d.i. von Wilhelm Wundt und Alois Riehl ausgehend, fordert Eisler eine wohlfundierte »kritische Metaphysik«, welche »die Lehre Kants […] durch die psychologische Ergänzung der ›transzendentalen‹ Methode« zu einem »Ideal-Realismus« ausgestalten soll, der die »abstrakte, ›impersonalistische‹ Naturauffassung der Einzelwissenschaft
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[…] durch die ›Tagesansicht‹ einer ›personalistischen‹, konkret-lebendigen, das qualitative Eigensein der Wirklichkeitsfaktoren würdigenden Weltbetrachtung« ergänzt.278
Max Adler (1873–1937) Max Adler wurde am 15. 1. 1873 in Wien als Sohn eines kleinbürgerlichen Tuchhändlers geboren. Ab 1891 studiert er Rechtswissenschaft an der Universität Wien, gründet eine Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten und wird Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Nach der Promotion zum Dr. jur. im Jahre 1896 arbeitet er zunächst als Rechtsanwalt. Ab 1900 entfaltet Max Adler umfangreiche publizistische und volksbildnerische Aktivitäten; so gibt er 1904–23 gemeinsam mit Rudolf Hilferding die Marx-Studien. Blätter zur Theorie und Politik des wissenschaftlichen Sozialismus (Wien) heraus, ist 1907 einer der Mitbegründer der Soziologischen Gesellschaft in Wien und 1928 bis 1931 Mitherausgeber der Zeitschrift Der Klassenkampf. Halbmonatsschrift Sozialistischer Politik und Wirtschaft (Berlin). 1919 habilitiert er sich mit der Schrift Marxistische Probleme (1913) für das Fach Gesellschaftslehre an der Universität Wien und wird 1920 zum tit. ao. Professor für Soziologie ernannt. 1919 bis 1921 ist Adler sozialdemokratischer Abgeordneter zum Niederösterreichischen Landtag und 1920 bis 1923 Abgeordneter zum Wiener Gemeinderat für Wien-Floridsdorf. 1934 wird er vom Dollfuß-Regime vorübergehend verhaftet. Max Adler ist am 28. 6. 1937 in Wien gestorben. Der Theoretiker des Austromarxismus279 sucht die Verbindung von Kant und Marx nicht (wie etwa Karl Vorländer) in Kants praktischer Philosophie, sondern versteht den kantischen Idealismus als theoretische Begründung des Marxismus, indem er den im Neukantianismus zu fragwürdiger Prominenz gelangten Begriff des »Bewußtseins überhaupt«280 als Grundlegung des Sozialen interpretiert: demnach finden »die sozialkritischen Begriffe […] ihre transzendentale Begründung, das heisst also die Aufzeigung, wie sie a priori möglich seien, durch den Begriff des Bewusstseins überhaupt«, da dieser aufzeige, dass »die formale Denknotwendigkeit im Einzelbewusstsein, selbst einen untilgbaren Charakterzug aufweist, der alles Denken schon von der Wurzel an in ein Gemeinschaftsverhältnis setzt, welches jedes besondere, historische Gemeinschaftsverhältnis überhaupt erst möglich erscheinen lässt.«281
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Abb. 9: Max Adler
Oskar Ewald (1881–1940) Oskar (Oscar) Ewald Friedländer wurde am 2. 9. 1881 in Bur-Sankt-Georg (Bfflrszentgyörgy, Borsky´ Sväty´ Jur) nahe Preßburg als Sohn des jüdischen Theologen und Historikers Moritz Friedländer geboren. In Wien aufgewachsen, studierte er nach dem Besuch des Gymnasiums zunächst Rechtswissenschaften, wechselte dann zur Philosophie und promoviert 1903 mit der Dissertation Immanenz und Relativismus zum Dr. phil. 1909 habilitierte er sich für theoretische Philosophie. Neben der Lehrtätigkeit als Privatdozent an der Universität Wien (bis 1928) unterrichtete er auch an der Wiener Volkshochschule. Im Ersten
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Weltkrieg diente er als Offizier in der Österreichisch-Ungarischen Armee. 1926 war Ewald maßgeblich an der Gründung des Bundes der Religiösen Sozialisten (BSR) beteiligt, publizierte in dessen Monatsblatt (Menschheitskämpfer) und unterhielt auch enge Kontakte zu religiösen Sozialisten in der Schweiz und deren Zeitschrift (Neue Wege). 1938/39 im KZ Dachau interniert und nach der Intervention ausländischer Freunde frei gelassen, flüchtete Ewald über die Schweiz nach Großbritannien, wo er am 25. 9. 1940 in Oxford starb.282
Abb. 10: Rede Max Adlers zum 100. Todestag Kants
Oskar Ewald nimmt in den frühen Schriften Nietzsches Lehre in ihren Grundbegriffen (1904) und Richard Avenarius als Begründer des Empirokritizismus (1905) Stellung gegen den Relativismus und Subjektivismus und bemüht sich in der Folge im Anschluss an und im Durchgang durch Kants Systematik um die methodologische Grundlegung einer Philosophie, welche die Gegensätze von Erkenntnistheorie und Metaphysik, »von Rationalismus und Empirismus,
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Apriorismus und Evolutionismus, Idealismus und Realismus, Dualismus und Monismus« überwindet.283 Die psychologischen Skizzen und kulturphilosophischen Miniaturen, die Ewald zur gleichen Zeit in seinen populäreren Schriften vorlegt,284 lassen freilich bereits erahnen, dass der nach Erlösung strebende Gottsucher in ihm den Erkenntnistheoretiker überwiegt. Der Schlusssatz seiner erfolgreichsten Publikation, der Gelegenheitsarbeit über Die französische Aufklärungsphilosophie (1924), spricht dies denn auch unumwunden aus: »So weist die Aufklärung selber auf die Notwendigkeit einer tieferen spirituellen, ethisch-religiösen Grundlegung hin, und die Erfüllung dieser Notwendigkeit ist die unabweisbare Aufgabe unseres Zeitalters geworden.«285
Kant, Kelsen und die Wiener rechtstheoretische Schule von Sophie Loidolt Hans Kelsen (1881–1973) Hans Kelsen wurde am 11. Oktober 1881 in Prag als ältester Sohn einer deutschsprachigen jüdischen Familie geboren.286 Die Familie zog 1883 nach Wien, wo Kelsens Vater eine kleine Lampenfabrik gründete. Kelsen besuchte das Akademische Gymnasium in Wien und maturierte dort 1900. Zu seinen Mitschülern gehörte der spätere Nationalökonom Ludwig von Mises, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Der junge Gymnasiast war ein nur mittelmäßiger Schüler, der sich lieber intensiv mit Literatur beschäftigte und sich auch selbst in Gedichten und kleinen Novellen versuchte. Der Übergang von der schönen Literatur zur Wissenschaft kündigte sich Kelsens Autobiographie zufolge bereits in seiner »Literaturperiode«287 an, die durch ein zunehmendes Interesse an philosophischen Fragestellungen geprägt war. Zunächst von der materialistisch-naturphilosophischen Weltanschauung beeindruckt, hinterließ vor allem die idealistische Philosophie »eine tiefe seelische Erschütterung«288 in dem Gymnasiasten. Kelsen wurde durch einen »älteren Freund«, bei dem es sich vermutlich um Otto Weininger handelte, mit philosophischer Literatur versorgt, wodurch es auch zum ersten Kontakt mit Kants Werk kam: Unter dem Einfluss eines aelteren Freundes wurde ich mit Schopenhauer’s Werk bekannt, und begann, noch im Gymnasium, Kant zu lesen. Als den Kern seiner Philosophie sah ich–mit Recht oder Unrecht – die Idee des Subjekts, das sich im Process seiner Erkenntnis das Objekt erzeugt. Mein durch die Schule staendig verletztes und nach Befriedigung hungerndes Selbstbewusstsein fand offenbar in dieser subjektivistischen Interpretation Kant’s, in dem Gedanken des Ich als Zentrum der Welt den adequaten philosophischen Ausdruck.289
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Kelsen verließ die Mittelschule mit der Absicht, Philosophie, Mathematik und Physik zu studieren. In seiner Autobiographie erwähnt er, dass er Zeit seines Lebens bedauerte, diese Absicht nicht ausgeführt zu haben. Stattdessen führte Kelsens Weg nach Absolvierung der Wehrpflicht in die Rechtswissenschaft. Von den ersten Vorlesungen an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät berichtet Kelsen allerdings als einer »bitteren Enttäuschung«,290 was dazu führte, dass er schon bald den Besuch der meisten Vorlesungen aufgab und sich, wieder durch Otto Weininger bestärkt, der Lektüre philosophischer Werke zuwandte. Kelsen berichtet: »Weininger’s Persoenlichkeit und der posthume Erfolg seines Werks haben meinen Entschluss wissenschaftlich zu arbeiten wesentlich beeinflusst.«291 Zunächst führt dies zu einer Arbeit über Dante Alighieris Staatslehre, im Zuge deren Kelsen sich erstmals für Probleme der Rechtstheorie, wie das der juristischen Person, des subjektiven Rechts und insbesondere des Begriffs des Rechtssatzes zu interessieren begann. Kelsen schloss sein juristisches Studium 1906 mit der Promotion zum Doktor juris ab. Während der darauf folgenden Studienaufenthalte in Heidelberg (1907/08 und 1908/09) bei dem bekannten Staatsrechtslehrer Georg Jellinek (1851–1911) sowie in Berlin (1910/11) begann Kelsen an seiner 700 Seiten starken Habilitationsschrift Hauptprobleme der Staatsrechtslehre292 zu arbeiten. Obwohl nachträglich als das Gründungswerk von Kelsens Theorie einer Reinen Rechtslehre293 anerkannt, war das Echo auf das 1911 bei Mohr Siebeck erschienene Werk überwiegend zurückhaltend. Freundliche Zustimmung kam interessanterweise in einer in den Kant-Studien veröffentlichten Abhandlung über Die deutsche Philosophie im Jahre 1911 von Oscar Ewald. Durch Ewalds positive Besprechung wurde Kelsen auf die Parallelen aufmerksam, die zwischen seiner Behandlung des (Staats-)Willens im Recht und Hermann Cohens Philosophie des reinen Willens bestand.294 Kelsen, der zuvor eher die Philosophen der südwestdeutschen neukantianischen Richtung rezipiert hatte, widmete sich darauf intensiver dem Studium der Marburger Neukantianer, insbesondere Cohen, dessen Erkenntnistheorie für Kelsen von »nachhaltigem Einfluss wurde, ohne dass ich ihr jedoch in allen Punkten Gefolgschaft geleistet hätte«.295 Kelsen erhielt im Juli 1911 die Lehrbefugnis für Allgemeines und Österreichisches Staatsrecht, Rechtsphilosophie und deren Geschichte an der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Als Brotberuf übte er während dieser Zeit auch verschiedene juristische Berufstätigkeiten aus, war unter anderem Dozent an der Exportakademie, der heutigen Wirtschaftsuniversität in Wien, und hielt zahlreiche Vorträge in der Wiener Volksbildung. 1912 heiratete er Margarete Bondi; der Ehe entstammten zwei Töchter. 1914 bis 1918 war Kelsen zum Kriegsdienst eingezogen. Ab 1915 arbeitete er in der Militärjustiz und rückte im Rahmen dieser Tätigkeit 1917 zum persönlichen Rechtsberater des k.u.k. Kriegsministers Rudolf Stöger-Steiner auf. In dessen
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Abb. 11: Ferdinand Welz, Hans Kelsen, Arkadenhof, Universität Wien (1984)
Auftrag entwickelte Kelsen Pläne nicht nur für eine Reform der k.u.k. Armee, sondern auch für eine verfassungsrechtliche Reform der k.u.k. Monarchie. Diese Tätigkeit trug nicht unwesentlich dazu bei, dass Kelsen ab 1918 bis 1921 als juristischer Experte für die Staatskanzlei (ab 1920: des Bundeskanzleramtes) tätig war und im Auftrag Karl Renners maßgeblich an der Ausarbeitung der österreichischen Bundesverfassung von 1920 mitwirkte. Diese Tätigkeit, vor allem die Ausarbeitung einer neuen Konzeption der Verfassungsgerichtsbarkeit, macht
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Kelsen zu einem wichtigen Mitgestalter der im Kern bis heute in Österreich geltenden Verfassung. Im Juli 1918 wurde Kelsen zum Außerordentlichen Professor, 1919 zum Ordentlichen Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien ernannt; im Studienjahr 1920/21 war er Dekan. In dieser Zeit baute Kelsen in seinen Privatseminaren in seiner Wohnung im 8. Wiener Gemeindebezirk auch den Kreis auf, der später als »Wiener rechtstheoretische Schule«296 bekannt wurde. Mitglieder dieses Kreises waren unter anderem der Staats- und Verwaltungsrechtler Adolf Merkel, der Völkerrechtler Alfred Verdross, der spätere jugoslawische Gesandte Leonid Pitamic, sowie Fritz Sander, Felix Kaufmann und Fritz Schreier, die allesamt im Rahmen von Privatdozenturen und eventuell späteren Professuren intensiv rechtstheoretische und rechtsphilosophische Fragen bearbeiteten. Kelsen war von 1919 bis 1930 nebenamtlich als Richter am österreichischen Verfassungsgerichtshof tätig. Der politische Streit um das Ehedispensrecht, in den der Verfassungsgerichtshof hineingezogen wurde, und die damit zusammenhängende Abberufung Kelsens als Verfassungsrichter im Zuge der Verfassungsreform 1929, bewogen Kelsen 1930 dazu, Österreich zu verlassen und eine Professur in Köln anzunehmen. Hinzu kamen politische und antisemitische Anfeindungen inner- und außerhalb der Universität. Kelsen, obwohl nie einer Partei zugehörig, wurde dem sozialdemokratischen Lager zugerechnet und bekannte sich weltanschaulich zur Demokratie und zum Liberalismus, sowie zum Agnostizismus – sein Übertritt 1905 zur römisch-katholischen Kirche und 1912 zur evangelischen Kirche (Augsburger Bekenntnis) sind im Kontext der in Österreich damals zweckmäßigen Assimilation zu verstehen. In Köln wirkte Kelsen als Ordinarius für Völkerrecht, wurde aber schon 1933 mit der Machtübernahme Hitlers als einer der ersten Professoren aufgrund seiner jüdischen Abstammung und seiner demokratisch-liberalen Gesinnung seines Amtes enthoben. Ein Protestschreiben seiner Fakultät, das nur Kelsens Kollege Carl Schmitt nicht unterzeichnete, blieb wirkungslos. Mit viel Glück gelang der Familie Kelsen die Flucht aus Deutschland. Da die Universität Wien ihn nicht mehr aufnahm, nahm Kelsen eine befristete Lehrtätigkeit in Genf am Institut Universitaire des Hautes Etudes Internationales an. 1936 folgte ein Ruf an die Deutsche Universität Prag, aufgrund der politischen Entwicklungen und wiederum heftigen antisemitischen Anfeindungen durch die Deutsche Studentenschaft gab Kelsen diese Stelle aber nach drei Semestern auf. 1940 emigrierte Kelsen mit seiner Frau von Genf aus in die USA. Zunächst war er dort als lecturer an der Harvard Law School (1940–1942) tätig, anschließend am Wellesley College und 1943 folgte schließlich eine Gastprofessur an der University of California in Berkeley – allerdings nicht in der dortigen Law School, sondern am Political Science Department, da für einen kontinentaleuropäischen Rechts-
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wissenschaftler im US-amerikanischen Case Law-System kein rechter Platz zu finden war. 1944 verfasste Kelsen unter anderem für das Office of Wartime in Washington D.C. ein Gutachten zur völkerrechtlichen Stellung Österreichs und Deutschlands nach Kriegsende; 1946 wurde er wieder von Washington zur Vorbereitung der Nürnberger Prozesse hinzugezogen. 1945 wurde Kelsen zum full professor der University of California ernannt und erhielt die Staatsbürgerschaft der USA. Nach seiner Emeritierung 1951 nahm er Gastprofessuren in Genf und am Naval War College in Rhode Island wahr und entwickelte eine rege Vortragstätigkeit, die ihn nicht nur wieder nach Genf und Österreich, sondern auch nach Südamerika führte. Kelsen erhielt zahlreiche Honorarprofessuren und Ehrendoktorate, unter anderem von Utrecht, Harvard, Mexico, Rio de Janeiro, Berlin, Wien und New York. Im Zuge eines »Wiedergutmachungsverfahrens«297 wurde Kelsen 1953 auch an der Universität Köln rehabilitiert und zugleich emeritiert. Aus Anlass des 90. Geburtstages Kelsens errichtete die Republik Österreich zur Pflege seines wissenschaftlichen Werkes eine Stiftung, das Hans Kelsen-Institut in Wien. Kelsen starb am 19. April 1973 in Orinda, einem kleinen Ort in der Nähe von Berkeley, Kalifornien. Seine Asche wurde seinem Wunsch entsprechend über dem Pazifik verstreut.
Rechtsphilosophie im Ausgang von Kant Schon der erste Eindruck, den die Lektüre Kants bei Kelsen zurücklässt, nämlich dass sich ein Subjekt im Prozess seiner Erkenntnis das Objekt erzeugt, hat Einfluss auf Kelsens spätere Konzeption, dass Recht anhand einer normativen Deutung erkannt werde. Hinzu kommt später die Neukantianische »Methodenreinheit«, die Kelsen besonders beeindruckt und die er auf Kant zurückführt: »Die für die Rechtswissenschaft unerlässliche Methodenreinheit schien mir durch den von keinem Philosophen so scharf wie von Kant betonten Gegensatz von Sein und Sollen gewährleistet. Die kantische Philosophie war mir daher von Anfang an ein Leitstern.«298 Der »voellige Mangel an Exaktheit und systematischer Grundlegung«, der schon dem jungen Kelsen an der Rechtswissenschaft seiner Zeit auffällt, sowie die »permanente Vermengung dessen was positives Rechtens [sic!] ist mit dem was – von irgendeinem Wertstandpunkt – Recht sein sollte« weckt das dringende Bedürfnis nach einer »scharfe[n] Trennung einer Theorie des positiven Rechts einerseits von der Ethik, andererseits von der Soziologie«.299 Diese Theorie einer Reinen Rechtslehre entwickelt Kelsen mithilfe seines »Leitsterns« Kant, wenn auch freilich mehr von der Marburger neukantianischen Auslegung von Kants theoretischer Philosophie beeinflusst.
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Die »Marburger Schule« des Neukantianismus schlug einen eher logizistischen Weg der Kant-Lektüre ein, während die »Südwestdeutsche Schule« einen wertund geltungskritizistischen Standpunkt verfolgte.300 Kants Rechtslehre selbst lehnt Kelsen als wertetheoretischer Non-Kognitivist und Relativist ab.301 Kelsens Ziel ist es, den Rechtspositivismus des 19. Jahrhunderts theoretisch auf eine feste Grundlage zu stellen und so »[d]ie Jurisprudenz […] auf die Höhe einer echten Wissenschaft, einer Geistes-Wissenschaft zu heben«, deren »Ergebnisse dem Ideal aller Wissenschaft, Objektivität und Exaktheit« angenähert werden sollen.302 Kelsens Theorie einer »Reinen Rechtslehre« kündigt sich somit als Revolutionierung des alten Rechtspositivismus an. Der Gegenstand dieser neuen Rechtswissenschaft ist nicht eine vorgestellte und ideale, sondern die vorgefundene Rechtsordnung. Dementsprechend modifiziert sich auch der Rechtsbegriff, der aus seinem Zusammenhang mit einer Gerechtigkeitsidee gelöst wird: »Indem die Reine Rechtslehre das Recht aus dem metaphysischen Nebel heraushebt, in den die Naturrechtslehre dieses Recht als etwas seinem Ursprung oder seiner Idee nach Heiliges einhüllt, will sie es ganz realistisch als eine spezifische soziale Technik begreifen.«303 Kelsen versteht das Recht primär als Norm, als Sollen, als Anordnung. Eine Rechtsordnung besteht aus einem Konglomerat von Normen, die, genauer, ein System von Zwangsordnungen bilden, welches gemäß einer höchsten Norm – der Verfassung – hergestellt wird. Das Recht regelt menschliches Verhalten innerhalb einer Gesellschaft, indem es dieses zum Inhalt einer Norm macht und an die Nichtbefolgung der Norm eine Zwangshandlung als Rechtsfolge knüpft (was den Unterschied zur moralischen Norm304 ausmacht). Die Macht, welche das Recht durchsetzt, ist der Staat, der vice versa wiederum als ein System von Normen begriffen wird. Das Problem des alten Rechtspositivismus liegt Kelsens Auffassung nach nun darin, dass man annimmt, man könne das Recht – ein »Sollen« – aus den Anordnungen der sozialen Autorität – einem »Sein« – ableiten, was nach Hume einen logischen Fehlschluss darstellt. Kelsen verfolgt deshalb in konsequentem Methodendualismus die strikte Trennung von Sein und Sollen, Wirklichkeit und Wert, Idee und Erscheinung als voneinander unabhängige Wesensgegensätze. Es gibt Rechtsordnungen als Sollenssysteme – wie sind sie möglich? Indem eine Grundvoraussetzung in der Welt des Seins gemacht wird, die die Welt des Sollens stiftet: »Daß dasjenige, was das historisch erste verfassungsgebende Organ als seinen Willen geäußert hat, als Norm zu gelten habe, das ist die Grundvoraussetzung, von der alle Erkenntnis der auf dieser Verfassung beruhenden Rechtsordnung ausgeht.«305 Diese Grundvoraussetzung gilt es für Kelsen nun genauer zu verstehen und damit eine wissenschaftliche Grundlegung der Rechtserkenntnis qua Rechts-Wissenschaft zu erschaffen. Hier wird die Anknüpfung an Kants theoretische Philosophie relevant, die Kelsen im Gefolge der Neukantianer im Sinne eines wissenschaftstheoretischen Kritizismus interpre-
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tiert. Kants transzendentale Methode soll auf die Rechtswissenschaft angewendet werden. Dies ist so zu verstehen, dass die Bedingungen der Möglichkeit der Denkbarkeit des positiven Rechts als Grundkategorien der Rechtswissenschaft herausgearbeitet werden – analog zu den kantischen Kategorien der Erfahrung, welche die Bedingung der Möglichkeit der Gegenstände der Natur erschließen. Die Analogie kann aber stets nur eine schwache bleiben, da die »Grundnorm« nicht Bedingung der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung, das heißt unentbehrlich für unsere kohärente Welterfahrung, sondern bloß Voraussetzung für die Rechtswissenschaft ist, sodass »transzendental« eine sehr abgeschwächte Bedeutung gewinnt und die »Transzendentallogik«, wie Horst Dreier vermerkt, »bei Kelsen […] auf eine Annahme zusammen [schrumpft]«.306 In Kelsens Worten liest sich diese Analogie wie folgt: »So wie Kant fragt: wie ist eine von aller Metaphysik freie Deutung der unseren Sinnen gegebenen Tatsachen in den von der Naturwissenschaft formulierten Naturgesetzen möglich, so fragt die Reine Rechtslehre: wie ist eine nicht auf metarechtliche Autoritäten wie Gott oder Natur zurückgreifende Deutung des subjektiven Sinns gewisser Tatbestände als ein System in Rechtssätzen beschreibbarer objektiv gültiger Rechtsnormen möglich?«307 Intellektuelle Bedingungen der Möglichkeit (der Erfahrung) des »Seins« der Natur würden damit durch intellektuelle Bedingungen der Möglichkeit (der Erfahrung) des »Sollens« des positiven Rechts ergänzt – wobei für Kelsen klar ist, dass nur ein hypothetisches und niemals ein kategorisches Sollen der Erkenntnis zugänglich ist. Dieses Vorgehen steht nicht nur in schroffem Gegensatz zu Kants eigener Rechtslehre, die auf der praktischen Vernunft aufbaut, welche ein formales Gesetz zur Ermittlung des »richtigen Rechts« zur Verfügung stellt.308 Es ist auch hinsichtlich des Neukantianismus eine durchaus eigenwillige Anwendung der kritischen Methode, da damit der Zusammenhang zwischen dem Recht, wie es ist und wie es sein soll, vollständig gekappt wird.309 Kelsen trennt die rechtliche oder normative Deutung eines Geschehens vollkommen von diesem Geschehen selbst. Die rechtliche »Bedeutung« eines Geschehens erschließe sich einem nur durch einen »Denkprozeß«,310 in welchem gleichsam durch die Brille der Norm des »Deutungsschemas« eine neue, mit neuem Sinn aufgeladene Welt entsteht. Durch diese fein säuberliche Trennung einer »Natur« (welche durch das transzendentale Schema der Kausalität, also durch eine »kausale Deutung«311 a priori zustande kommt) von einer quasi darübergelegten »rechtlichen Sphäre« (die sich nur im kontingenten Als-ob-Modus und a posteriori verstehen kann), versucht Kelsen, den Bereich der »objektiven normativen Deutung« als seinen genuinen Forschungsbereich herauszuarbeiten. Damit soll auch erreicht werden, dass die Tatsächlichkeiten in ihrem Eigenwesen keinerlei »Einfluss« auf ihre rechtliche Bedeutung haben. Wie ein Geschehen gedeutet wird, hat nichts mit diesem selbst, sondern nur mit dem Inhalt des Deutungsschemas, der Norm zu
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tun. Damit der Deutungssinn aber ein »objektiver« ist, d. h. jedem die normative Welt sich als dieselbe zeigt, muss das Deutungsschema ein einheitliches sein. Genau diese Objektivität und Einheitlichkeit, so Kelsen, müsse durch eine bestimmte, immer schon vorliegende Denkform hergestellt werden, die er die »Grundnorm«312 nennt: »Die Funktion dieser Grundnorm ist: die objektive Geltung einer positiven Rechtsordnung, das ist der durch menschliche Willensakte gesetzten Normen einer im großen und ganzen wirksamen Zwangsordnung, zu begründen, das heißt: den subjektiven Sinn dieser Akte als ihren objektiven Sinn zu deuten.«313 Das Vermögen, das in dieser Denkform »transzendental« bereitliegt, soll also darin bestehen, erstens überhaupt Tatsachen durch die »normative Brille« und damit Sollenszusammenhänge zu sehen; und zweitens, die subjektiven normativen Deutungen, die wir alle von der Welt machen können, von einer je bestimmten gesellschaftlich wirksamen Ordnung zu unterscheiden und dieser eine hypothetische Objektivität zu unterstellen.
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Damit ist intellektuell erfasst, was eine Rechtsordnung ausmacht und damit wird sie erst als solche analysierbar. Die Grundnorm ist also die wissenschaftlich auf den Punkt gebrachte Bedingungsstruktur, durch die es möglich ist, die Anordnungen einer sozialen Autorität einheitlich als objektive Sollensanordnungen deuten zu können. Als »Denkform« oder »Quasi-Kategorie« des Positiv-Rechtlichen hat sie aber nicht nur eine transzendentale Funktion, sondern auch eine hypothetisch-formale und methodisch notwendige Funktion: Die formale Notwendigkeit einer letzten und höchsten Form besteht darin, den unendlichen Regress zu vermeiden, den der Gedanke eines »Stufenbaus der Rechtsordnung«314 nahelegt. Dieser setzt immer eine höhere Norm als Geltungsgrund der jeweiligen untergeordneten Norm voraus: Also müssen auch die obersten Normen einer staatlichen Rechtsordnung (die Staatsverfassung) wiederum auf eine höhere Norm zurückgeführt werden, die ihrerseits keine positive Norm mehr sein kann, sondern »angenommen« werden muss. Die Grundnorm ist daher fiktiv und »leer« – ein bloß reines, leeres, kategoriales Sollen, das alles Übrige in den Stand der normativen Geltung versetzt: Dies ist die Grundvoraussetzung dafür, dass normative Erkenntnis systematischer Art überhaupt einsetzen kann. Aufgrund von Kelsens striktem Methodendualismus ist die Annahme der Grundnorm unabdingbar, um einen Systembruch zwischen »Sein« und »Sollen« zu vermeiden. Denn keinesfalls kann die Geltung der Verfassung aus einem »Sein«, zum Beispiel der Macht des Souveräns oder Ähnlichem abgeleitet werden. Schließlich ist die geltungshypothetische Funktion der Grundnorm, die Anordnungen der sozialen Autorität in ein als ob der normativen Geltung zu versetzen. Somit macht sie eine exakte und normative Rechtswissenschaft möglich. Gleichzeitig ist sie ein formal einheitlicher Brennpunkt für alle Normen einer Rechtsordnung, das heißt sie stellt als Bedingung der Möglichkeit – analog zur transzendentalen Apperzeption Kants – die Einheit einer jeweiligen Rechtsordnung her und hat damit auch eine deskriptive Funktion inne, indem sie ermöglicht, die einzelnen Rechtsordnungen zu identifizieren und sie innerhalb eines Systems beschreibbar zu machen. Die Wiener rechtstheoretische Schule, deren einheitliches Band nach der Darstellung Fritz Schreiers die Methodenreinheit war,315 das heißt die Freihaltung der Rechtswissenschaft von der Vermengung mit anderen Wissenschaften, orientierte sich ebenso wie Kelsen an neukantianischen theoretischen Vorgaben. So versuchte etwa Fritz Sander, die transzendentale Methode der Marburger Deutung Kants auch in der Rechtswissenschaft anzuwenden, wodurch »alle Fragen, die Kant und die Neukantianer für das Reich der Natur zu beantworten versuchten, auch für den Bereich des Rechts«316 beantwortet werden sollten. Felix Kaufmann und Fritz Schreier wiederum versuchten, Kant in Verbindung mit der Phänomenologie Edmund Husserls für die Rechtstheorie fruchtbar zu machen.317
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Kant und die Phänomenologie in Österreich von Max Brinnich und Georg Heller Die österreichische Phänomenologie etabliert sich mit dem Wirken von Franz Brentano. Dessen Zweiteilung der empirischen Psychologie in eine intentionale philosophische und deskriptive genetische wird für Edmund Husserls bekannte Unterscheidung von Noema und Noesis richtungsweisend sein. Zur BrentanoSchule zählen neben Edmund Husserl auch Sigmund Freud, Anton Marty, Christian von Ehrenfels, Carl Stumpf, Alexius Meinong und andere. Mit all diesen Namen ist eine deutliche Annäherung der Philosophie an die naturwissenschaftliche Methode verbunden, die für die phänomenologische Tradition im Wirkkreis der Brentano-Schule charakteristisch ist.1 Das Verhältnis der Phänomenologie österreichischer Provenienz zu Immanuel Kant unterscheidet sich in markanter Weise von derjenigen deutschen Ursprungs. So hat Immanuel Kant etwa bei Edmund Husserl, der in Österreich geboren ist, dann aber hauptsächlich in Deutschland wirkte, einen hohen Stellenwert. Dagegen steht Brentano Kant eher kritisch gegenüber. Auch für seinen Schüler Meinong ist Kant kein annähernd vergleichbar wichtiger Autor wie für Husserl oder gar für Martin Heidegger. Dieses Faktum ist vermutlich der früheren Zensur in Österreich geschuldet, von der auch Kants Schriften betroffen waren.2 Neben der historisch-politischen Situation in Österreich ist es jedoch auch die Orientierung an der naturwissenschaftlichen Methode, wodurch die kantische Philosophie in der österreichischen Phänomenologie an Stellenwert einbüßt. Ein klares und deutliches Bild dieser wissenschaftshistorischen Situation gibt Kurt Fischer, der im Blick auf die Berufung Brentanos an die Philosophische Fakultät in Wien schreibt: Der Minister hatte einen ausgezeichneten Mann gefunden: einen Katholiken – so verbitterte er die Katholiken nicht –, dazu noch einen ausgetretenen Priester, der für die
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Unabhängigkeit der Philosophie von der Religion und der Theologie von der Kirche überhaupt eintrat – das sollte den Liberalen genehm sein –, einen, der für eine von den Naturwissenschaften unabhängige, aber doch mit ihnen in Verbindung stehende Philosophie eintrat. […] Brentano lehnt den deutschen Idealismus ab. Dieser hatte sich ja die große Vormachtstellung über Wissen und Leben, über Theorie und Praxis zugesprochen. Diese Philosophie des deutschen Idealismus aber konnte in Österreich nie wirklich Fuß fassen. Kaiser und Kirche hatten sie nie geschätzt. Aus ihrer Sicht hatte schon Kant einerseits die Wirklichkeit der von Gott erschaffenen Welt in Frage gestellt, denn nach seiner Lehre nehmen wir nur Phänomene wahr und nicht Noumena. Dies wurde durchaus nicht begrüßt. Andererseits wurde noch weniger begrüßt, daß Kant dem Menschen die Möglichkeit gab, ja die Pflicht auferlegte, sich selbst zu bestimmen, autonom zu werden.3
Brentano, der bereits in seiner Habilitationsschrift 1866 seinen Begriff der Philosophie hin zu einer exakten Wissenschaft zu entwickeln versucht, wird dieses Ziel Zeit seines Lebens verfolgen. Dieses Anliegen bestimmt unter anderem sein Wirken an der Wiener Universität. Kant ist und bleibt ein Gegenpol für Brentano, an dem es sich abzuarbeiten gilt und dessen Kritisches Unternehmen er schlussendlich 1894 – ein Jahr vor seiner Abreise aus Wien – in dem Vortrag Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand als absolute Verfallserscheinung der Philosophie abfertigt. Kant steht darin zusammen mit Fichte, Schelling und Hegel auf einer Stufe der Philosophie, nämlich der Dekadenz.4 Ob und inwiefern Brentano Kant in seiner Kritik gerecht wird, bleibt abzuwägen. Auch bei den Schülern Brentanos wird Kant beargwöhnt, die Ausnahme ist Husserl. Erst mit Husserl entwickelt die österreichische Phänomenologie Begeisterung für Kant, und zwar streng genommen auch erst dann, als Husserl nach Deutschland emigrierte. In der Zeit zwischen seiner Promotion in Wien (im Fach Mathematik) bis zu seinem letzten Besuch in der Bundeshauptstadt verändert sich Husserls Kant-Bild stark. Husserls frühere Ressentiments gegen Kant entwickeln sich allmählich zu einer tiefen Bewunderung der kantischen Transzendentalphilosophie. In einer Notiz auf seinem Handexemplar der Kritik der reinen Vernunft notiert Husserl schließlich, er habe Kant besser verstanden, als dieser sich je selbst verstanden habe. Sein Ziel ist es, die kantische Philosophie, die sich nach seiner Ansicht »vom Psychologismus und Anthropologismus […] nicht ganz loszuringen vermochte«,5 fortzudenken und ihre Vorurteile zu überwinden. Einen ähnlichen Versuch, die kantische Philosophie fortzudenken, unternimmt auch Husserls deutscher Schüler Martin Heidegger, den wenige Vortragsreisen auch nach Wien führten. Heidegger beschäftigt sich vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts intensiv mit Kant, den er 1973 rückblickend sogar einen »Fürsprecher für die von [ihm] gestellte Seinsfrage«6 nennt. Sein Hauptaugen-
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Abb. 1: Vincenc Makovsky, Tomsˇ Garrigue Masaryk, Arkadenhof, Universität Wien (1996)
merk gilt den Verflechtungen des Daseins und der Zeit bei Kant, die das Dasein als ein In-der-Welt-sein zu denken geben. Heidegger steht damit in scharfem Kontrast zu der zuvor genannten österreichischen Phänomenologie, die sich am Leitbild der Naturwissenschaften orientiert und geltungstheoretische Fragen stellt. Diese Differenz prägt auch seinen Konflikt mit dem Österreicher Richard Hönigswald, aus dessen Perspektive Heideggers Philosophie über »imposante Sprachschöpfungen«7 nicht hinauskommt. Zwischen Hönigswald und Heidegger besteht eine regelrechte akademische Feindschaft, die mit der nationalsozialistischen Denunziation Hönigswalds durch Heidegger ein abruptes Ende nimmt. Hönigswald ist aber gutes ein Beispiel dafür, wie sich die Orientierung an einem naturwissenschaftlichen Ideal in der österreichischen Philosophie zwar mit einer Hochschätzung für Kant und auch mit einer gewissen Nähe zu
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Husserl verbinden lässt, jedoch nicht ohne sich von der Phänomenologie Heideggers zu entfernen. Für die österreichische Phänomenologie bleibt festzuhalten, dass es beinahe keinem der Brentano-Schüler gelingt, in Wien akademisch Fuß zu fassen, wo ihre Ursprünge liegen. Die Wirkung Brentanos war damit sehr begrenzt. Seine Schüler wirken zum größten Teil außerhalb der ehemaligen Wirkungsstätten Brentanos. Kazimierz Twardowski prägt das Lemberger Universitätsprofil. In der Denktradition seines Lehrers Brentano interpretiert er Bolzanos logischen Objektivismus als Realismus. Damit weist er den Weg für einen weiteren Brentano-Schüler : Alexius Meinong. Dieser arbeitet hauptsächlich in Graz. Seine Gegenstandstheorie zeichnet sich schlussendlich durch einen radikalen Objektivismus aus und wird Ernst Mally ebenso wie Bertrand Russell zu Gegenschriften veranlassen. Damit ist ein knapper und grob skizzierter Einblick in die Rolle Kants für die österreichische Phänomenologie gegeben, von Brentano über Husserl und Heidegger bis zu den Anfängen der analytischen Philosophie. Der epochemachende Denker Kant,8 der in Österreich lange Zeit verboten und unterdrückt war, wird in der frühen Phänomenologie mit gemischten Gefühlen behandelt. Das Spektrum reicht von der totalen Ablehnung durch Brentano und durch viele seiner Schüler über das ambivalente Verhältnis Husserls zu Kant und Hönigswalds problemgeschichtlichem Zugang bis hin zu Heidegger, der in Kant sogar einen Fürsprecher für die eigenen Sache sah.
Franz Brentano (1838–1917) von Georg Heller Franz Brentano (1838–1917) wurde am 16. 1. 1838 in Marienberg bei Boppard am Rhein, im heutigen Rheinland-Pfalz, geboren. Die Familie seines Vaters Christian Brentano kam ursprünglich aus der Lombardei aus dem Hause Brentano di Tremezzo, lebte allerdings schon seit mehreren Generationen in Deutschland. Berühmte Familienmitglieder sind der Schriftsteller und Dichter Clemens Brentano (Onkel), die Schriftstellerin Bettina von Arnim (Tante) sowie der Sozialreformer Lujo Brentano (Bruder).9 Franz Brentano wuchs in Aschaffenburg, Bayern auf, wo er vor allem durch den Einfluss seiner Mutter eine streng katholische Erziehung erhielt. Anschließend studierte er Philosophie in Berlin, München, Münster und Würzburg. Seine Dissertation mit dem Titel Von der Mannigfaltigen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles10 legte er 1862 in Tübingen vor und wandte sich daraufhin dem Studium der Theologie in München und Würzburg zu. 1864 wurde Brentano in Würzburg zum Priester geweiht und habilitierte 1866 mit der Arbeit Die Psychologie des Aristoteles, insbesondere seine Lehre vom nous
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Abb. 2: Franz Brentano (Aufnahme aus den letzten Lebensjahren)
poietikos an der Philosophischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, wo er von da an Vorlesungen, vorrangig zum Thema Metaphysik oder zur Geschichte der Philosophie hielt.11 Seine bedeutendsten Schüler in Würzburg waren Carl Stumpf, Anton Marty und Hermann Schell. 1872 erhielt Brentano das Extraordinat an der Universität Würzburg. Bereits 1869 engagierte er sich im Rahmen des ersten Vatikanischen Konzils gegen die Kanonisierung der Infallibilität des Papstes. Diese wurde jedoch als Resultat des Konzils 1870 zum Dogma der römisch-katholischen Kirche erhoben. Unter anderem deshalb legte Brentano 1873 sein Amt als Priester nieder und trat aus der Kirche aus,12 was zeitgleich ein Ende seiner Lehrtätigkeiten in Würzburg bedeutete. 1874 erhielt er eine Professur für Philosophie an der Universität Wien. Seine Antrittsvorlesung trug den Titel Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischen Gebiete.13 Um 1879 die aus einer reichen österreichischen Bankiersfamilie stammende Ida Lieben heiraten zu können – die österreichische
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Rechtsordnung untersagte Personen mit Priesterweihe die Heirat – legte er auch die österreichische Staatsbürgerschaft ab und wurde sächsischer Staatsbürger. Infolge dessen musste er 1880 von seiner Professur an der Universität Wien zurücktreten. Er habilitierte noch im selben Jahr erneut an der Universität Wien, an welcher er noch bis 1895 als Privatdozent angestellt blieb. Obwohl die Fakultät für Philosophie jedes Jahr eine Nominierung unico loco Brentanos für eine ordentliche Professur aussprach, sollte, auf Grund der wiederholten Intervention des Kaisers, Brentano die erneute Berufung zum ordentlichen Professor Zeit seines Lebens verwehrt bleiben.14 Namhafte Studenten und Schüler Brentantos in Wien waren: Christian von Ehrenfels, Sigmund Freud, Edmund Husserl, Tomsˇ Garrigue Masaryk, Alexius Meinong, Rudolf Steiner und Kazimierz Twardowski. Zudem unterhielt er einen regen Briefwechsel mit seinen Schülern aus Würzburg.15 Nach dem Tod seiner Gattin 1894 beschloss Brentano Wien den Rücken zu kehren und übersiedelte im darauffolgenden Jahr nach kürzeren Aufenthalten in der Schweiz und Italien nach Florenz. Dort heiratete er 1897 seine zweite Frau Emilie Ruprecht. Ab 1903 erblindete Brentano zunehmend, arbeitete jedoch weiter an seinen Manuskripten und veröffentlichte in den kommenden Jahren zahlreiche psychologische und philosophische Schriften. Nach dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg 1915 floh er nach Zürich. Brentano verstarb am 17. März 1917, bereits zur Gänze erblindet, an den Folgen einer Blinddarminfektion. Nachdem er zuerst in Zürich beigesetzt wurde, überführte man ihn 1953 in die Familiengruft in Aschaffenburg. Brentano hinterließ eine große Anzahl unveröffentlichter Manuskripte, Briefe und Notizen. Alfred Kastil und Oskar Kraus, zwei Schüler Martys und Brentanos, begannen nach dessen Tod seinen Nachlass zu ordnen sowie nach und nach zu veröffentlichen. Nach dem Tod Kastils 1950 übernahm Franziska Mayer-Hillerbrand die Arbeit am Nachlass Brentanos.16 Es lag über ihm ein Hauch von Verklärung, als gehörte er nicht mehr dieser Welt an und als lebte er halb und halb schon in jener höheren Welt, an die er so fest glaubte, und deren philosophische Deutung in theistischen Theorien ihn auch in dieser späten Zeit so viel beschäftigte. Das letzte Bild, das ich damals in Florenz von ihm gewonnen, hat sich in meine Seele am tiefsten eingesenkt: so lebt er nun immer fort in mir, ein Bild aus einer höhern Welt. (Edmund Husserl)17
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Franz Brentano – Philosophie als exakte Wissenschaft von Georg Heller Wehe dem jungen Manne, der von ihm [Kant, GH] in die Forschung eingefuehrt wird! Je mehr er sich dabei zum Dank verpflichtet fuehlt, umso mehr ist er in Wahrheit durch ihn geschaedigt worden. Nur wenn er bemerkt, wie verkehrt das alles ist, wird er für ein gedeihliches Forschen faehig bleiben. Franz Brentano18
Brentano wollte Zeit seines Lebens möglichst strenge logische Beweise in der Philosophie aufstellen. Für ihn gilt, möchte die Philosophie mit anderen Wissenschaften vergleichbar sein, muss sie sich auch an deren wissenschaftlichen Ansprüchen messen. Die Wissenschaft strebt für Brentano immer nach größtmöglicher Gewissheit, das bedeutet nach absoluter oder zumindest höchst wahrscheinlicher Sicherheit ihrer Urteile. Diese These wird er Zeit seines Lebens niemals aufgeben. So betont er auch bei seiner Antrittsvorlesung an der Universität Wien, dass die Philosophie als Disziplin noch keine Wissenschaft im strengen Sinn geworden ist.19 Die streng logische Methode einer Philosophie, die Urteile mit größtmöglicher Gewissheit bietet, bezeichnet Brentano in den darauffolgenden Jahren als deskriptive Psychologie.20 Schriften und Vorlesungen zur deskriptiven Psychologie prägen auch seine Zeit an der Wiener Universität. Die Unterscheidung zwischen genetischer Psychologie, die nach der Entstehung der Bewusstseinszustände fragt, und deskriptiver Psychologie, die zur Aufgabe hat, das »seelische Inventar aufzunehmen, zu beschreiben und zu klassifizieren«,21 bleibt sowohl für Brentano als auch für seine Schüler von größter Relevanz. Kaum ein Psychologe oder Erkenntnistheoretiker seiner Zeit konnte umhin, zu Brentanos deskriptiver Analyse des Bewusstseins Stellung zu beziehen.22 Brentano selbst gesteht der genetischen Psychologie zu, komplexer zu sein als die von ihm bevorzugte deskriptive Psychologie,23 baut seine Theorie jedoch zu großen Teilen auf der deskriptiven Psychologie, der Phänomenologie des Bewusstseins, auf.24 Die Forderung nach einer Entwicklung der Philosophie hin zu einer strengen Wissenschaft bleibt dabei für Brentano der alles entscheidende Maßstab seiner Forschung. Immer wieder stellt er die Forderung auf, eine naturgemäßere Methode ganz nach dem Vorbilde Newtons und Lavoisiers zu entwickeln;25 immer wieder richtet er sich gegen Dogmen und scheinbar höchste Erkenntnisse der Philosophie. Dazu nimmt er ganz bewusst Anleihen bei den empiristischen Methoden von Comte, Locke oder Mill.26 Brentano möchte die Philosophie als möglichst exakte und strenge Wissenschaft konstituieren sowie die Bestimmung »des epistemologischen und methodologischen Ortes des Philosophie innerhalb der empirischen Wissenschaften«27 treffen.
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Abb. 3: Einladung des Dekanats zur Gedenkfeier für Brentano und Enthüllung der BrentanoBüste im Arkadenhof der Universität Wien (1952)
Hier gibt es keine Wahl: entweder die Philosophie muß auf den Namen einer Wissenschaft verzichten, oder sie gewinnt und belegt ihre Begriffe durch gewissenhafte Zergliederung des Einzelnen. Hier gibt es auch kein Zurück, weder zu Hegel noch zu Kant, sondern muß durchaus wieder von unten aufgebaut werden.28
Vorbildlich für die Philosophie ist die naturwissenschaftliche Methode. Die Naturwissenschaften, keineswegs mit einer einheitlichen Methode ausgestattet, haben gemeinsam, dass sie sich auf Intuition, Induktion und Deduktion beziehen. Soweit möglich bedienen sie sich zudem mathematischer Verfahren, allen voran der Wahrscheinlichkeitsrechnung.29 In der Philosophie, so Brentano, ist die Einsicht in den Methodenvorrang der Naturwissenschaft keine Neuerung; bereits Platon, Aristoteles, Albert, Thomas, Bacon, Hobbes, Descartes, Locke und zum Teil Leibniz hätten dies erkannt und die naturwissenschaftliche Methode als Methode der Philosophie benutzt.30 Brentano, der bereits in seiner Habilitationsschrift 1866 in Würzburg der Philosophie den Charakter einer exakten Wissenschaft verleihen wollte, ist vor allem von der Sachlichkeit und von dem Erfolg der naturwissenschaftlichen Methode angetan. So lautet die vierte These seiner Habilitationsschrift: »Die wahre Methode der Philosophie ist keine andere als die der Naturwissenschaften.«31
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Diese Methode führt zu intersubjektiv allgemeingültigen, durch Erfahrung zu bestätigenden und dann als konstante Grundlage neuer Untersuchungen dienenden und auch noch praktisch relevanten Ergebnissen, was den Geisteswissenschaften selten gelingt.32
Brentano versucht immer weiter, mit Hilfe deskriptiv-analytischer Analysen, das Handwerkszeug der Philosophie zu verbessern. Mit Hilfe des empirischen Ansatzes soll der Philosophie so zu möglichst großer Wissenschaftlichkeit verholfen werden. Dabei sieht er, »der so ganz dem herben Ideal strengster philosophische[r] Wissenschaft hingegeben war […] die Systeme des deutschen Idealismus nur unter dem Gesichtspunkt der Entartung.«33 Brentanos Auseinandersetzung mit verschiedenen Philosophen des deutschen Idealismus beginnt bereits während seiner Zeit in Würzburg.34 Bestimmender Gegenspieler Brentanos ist und bleibt jedoch, vor allem im Kontext von Brentanos eigener Transzendentalanalyse, Immanuel Kant.35 Kant stellt nämlich, obwohl nicht namentlich erwähnt, die implizite Zielscheibe Brentanos polemischer Stellungnahme [in den Vorlesungen von 1867, GH] dar. Wie Aristoteles gegen Protagoras argumentiert, so richtet sich Brentanos Kritik gegen den Königsberger Philosophen, den er als Vertreter eines kompromißlosen Relativismus betrachtet. Nicht zufällig verwendet Brentano den Ausdruck ›transzendental‹, um die erkenntnistheoretische Grundlage seines Metaphysikgebäudes zu erklären. Er stellt dadurch die Verzerrung des Begriffes durch Kant und dessen idealistischen Epigonen heraus und versucht, ihm seine traditionelle, vorkritische Bedeutung zurückzugeben.36
Immer wieder benutzt Brentano Kant als Gegenspieler in seinen Vorlesungen. In den zwei Semestern 1881/1882 an der Wiener Universität unterrichtet er beispielsweise Dialektische Übungen, in denen er die wichtigsten Schriften von Hume und Kant erklärt und einander gegenüberstellt.37
Vier Phasen der Philosophie Während seiner Zeit in Wien stellt Brentano seine Theorie der vier Phasen auf. Am 28. November 1894 hält er vor der »Litterarischen Gesellschaft« einen Vortrag mit dem Titel Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand. Der Vortrag ist eine Antwort auf das zuvor von dem Verein herausgegebene Buch von Hieronymus Lorm: Der grundlose Optimismus.38 Brentano kritisiert in seinem Vortrag die »hohe Ehrfurcht vor Kant, die für unsere Zeit charakteristisch ist«39 und stellt die Philosophiegeschichte als zyklische Entwicklung in drei Perioden (Altertum, Mittelalter, Neuzeit) dar, die wiederum in vier Phasen des Aufstiegs und Verfalls untergliedert sind. Kant nimmt im Zuge
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Abb. 4 (a): Wunsch auf Wiederernennung Franz Brentanos zum ordentlichen Professor, unterzeichnet mit 38 Jastimmen und keiner Gegenstimme des Kollegiums (1880)
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Abb. 4 (b): Wunsch auf Wiederernennung Franz Brentanos zum ordentlichen Professor, unterzeichnet mit 38 Jastimmen und keiner Gegenstimme des Kollegiums (1880)
dessen den Platz in der vierten und verwerflichsten Phase der Neuzeit, der Phase der Dekadenz, ein. Kant markiert für Brentano gemeinhin eine Verfallserscheinung der Philosophie. Er steht zusammen mit Fichte, Schelling und Hegel auf einer Stufe der Philosophie, die als Charakteristika folgende Eigenschaften besitzt: den Aufbau philosophischer Dogmen, einen krankhaft gesteigerten Eifer, die Erdichtung unnatürlicher Erkenntnisweisen, die Stütze auf Prinzipien ohne Einsicht, den Anspruch auf unmittelbare Intuitionen, die Überschreitung der Grenzen jedes menschlichen Erkenntnisvermögens und den Mystizismus.40 Es sei angemerkt, dass Carl Stumpf in seinen Erinnerungen an Franz Brentano 1919 vermerkt, dieser hätte bereits im Herbst 1866 in Würzburg, im Zuge der Vorlesung Geschichte der Philosophie (Brentanos erste öffentliche Vorlesung an der Universität Würzburg), die Lehre von den vier Phasen der Philosophie vorgetragen. Weiters schreibt Stumpf, Brentano hätte ihm später persönlich mitgeteilt, die Idee der vier Phasen sei ihm während der »Rekonvaleszenz von einer schweren Erkrankung« zu Ostern 1860 gekommen, als er »an der Philosophie fast irre geworden«41 wäre. In Brentanos Vortrag von 1894 erfährt Kant als epochemachender Denker42 freilich besondere Aufmerksamkeit. Allerdings
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wendet er sich einzig und allein gegen die Lehre Kants und nicht gegen seine Bemühung oder geistige Kraft. Er bemerkt ausdrücklich: So möge man denn insbesondere auch da, wo ich von Kant handele, meine wahre Meinung über diesen außerordentlichen Geist nicht verkennen. Seine Leistungen für die Naturwissenschaft, ähnlich wie die eines Proklus für die Mathematik, bleiben von dem über sein philosophisches System Gesagten ohnehin ganz unberührt.43
Dies ist umso bemerkenswerter, als Brentano selten wieder so freundliche Worte in Bezug auf Kant findet. Kant habe, so der Vorwurf Brentanos, an Stelle der wissenschaftlichen Philosophie eine »Philosophie der Vorurteile gesetzt.«44 Diesem Gedanken bleibt Brentano sein Leben lang treu. So schreibt er noch am 7. Februar 1904 seinem Schüler und Freund Hermann Schell nach dem Erscheinen seiner Schrift Nieder mit den Vorurteilen, ein Mahnruf im Geiste von Bacon und Descartes, sich von allen blinden a-priori loszusagen, er hätte diesen polemischen Titel bewusst gewählt, um gegen den Kantianismus vorzugehen.45 Die kantische Philosophie bleibt Brentano lebenslang ein Dorn im Auge, doch seine radikale Ablehnung Kants zeigt auch, dass er nicht umhin kann sich mit ihm zu beschäftigen beziehungsweise sich an ihm abzuarbeiten.46
Apriorische Stammbegriffe Brentano ist sich sicher, dass »alle unsere Begriffe aus der Erfahrung stammen«.47 Oskar Kraus formuliert den Gedanken wie folgt: »[I]n den innern und äußern Anschauungen sind die Elemente gegeben, welche das ganze Material unserer Denkobjekte ausmachen.«48 Dem folgt, dass es keine Anschauung a priori von Raum und Zeit geben kann, nur Kategorien aus empirischem Ursprung existieren und die Substanz »keineswegs als ein a priori in uns bestehender, sondern von den Erfahrungsgegenständen abstrahierter Begriff«49 zu verstehen ist. All diese Einwände gegen Kant, teilweise mit der Autorität des Aristoteles als Hilfe zur Argumentation, bedeuten für Brentano keineswegs, dass apriorische Erkenntnis unmöglich ist.50 Brentano sieht lediglich enorme Fehler in der Philosophie Kants. Apriorische Anschauungen oder Begriffe gibt es für Brentano im Bereich des Bewusstseins nicht.51 Demzufolge sind die apriorischen Anschauungen eines unendlichen dreidimensionalen Raums und einer unendlichen eindimensionalen Zeit ebenfalls nicht möglich, wie Brentano in seiner Schrift Psychologie vom empirischen Standpunkt zeigt.52 Diese Begriffe können nur streng logisch, mit Hilfe der psychologischen Analyse, in der Erfahrung aufgefunden werden: Und der gleiche Nachweis, daß sie aus den Erfahrungsvorstellungen gewonnen, läßt sich wie für die Raum- und Zeitbegriffe (die Kant in ihrem begrifflichen Charakter
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verkannte) auch für die Vorstellungen nachweisen, die nach ihm a priori gegebene Begriffe, Stammbegriffe des Verstandes, sein würden.53
In der Lehre Brentanos von Raum und Zeit findet sich eine immanente Kritik Kants wieder, die »ihrer völligen Verwerfung«54 gleichkommt. Brentano schließt außerdem, dass die meisten der Kategorien und Begriffe a priori von Kant keine wirklichen Begriffe, sondern viel mehr »mitbezeichnende Ausdrücke«55 sind. Zudem ist sich Brentano, in den Fußstapfen Aristoteles wandernd, sicher, dass Kant sich mit seinem Substanzbegriff irrt. Kant habe »bei der Beschränktheit seiner Kenntnis der Vorgeschichte der Philosophie keine Ahnung« von dem »ursprünglichen Sinne« der Substanz und sie daher als etwas, »was bleibend jedem Wechsel zu Grunde« liegt, beschrieben. Dies kommt einer »Verflachung des Substanzbegriffes«56 gleich und schade nur der Metaphysik. Die Substanz hat bei Kant ihren »ursprünglichen Sinn verloren«,57 nämlich Träger der Akzidentien zu sein. Brentano lehnt also ebenso den apriorischen Substanzbegriff Kants ab. Der Begriff der Substanz bleibt für Brentano »der Begriff des Seienden im eigentlichen Sinne«.58 Die Substanz ist in jeder Anschauung eingeschlossen.59 Brentano spricht sich wiederholt gegen die kantische Lehre von synthetischen Urteilen a priori aus. Diese können Brentanos Lehre von evidenten Urteilen nicht genügen und müssen daher als unwissenschaftliche Begriffe verworfen werden. Oskar Kraus fasst 1919 Brentanos Kritik wie folgt zusammen: Die Grundfrage aus der Kritik der reinen Vernunft: ›Wie sind synthetischen Urteile a priori möglich?‹ sagt in deutliche Worte übersetzt nur dies: Unter welcher Voraussetzung ist es ohne die äußerste Unwahrscheinlichkeit denkbar, daß gewisse blinde Vorurteile sich bei der Anwendung auf das Erfahrungsgebiet (bezw. auf das, was Kant als solches bezeichnet, und was, sofern es sich um die sogenannte äußere Erfahrung handelt, keine echte Wahrnehmung ist), nicht als falsch erweisen? Setzt man an die Stelle blinder Vorurteile Urteile, welche im wahren Sinne des Wortes Erkenntnisse sind, d. h. evidente Urteile a priori, so wäre es abgeschmackt zu fragen, unter welchen Voraussetzungen sie sich, auf irgendwelches Gebiet angewandt, ohne äußere Unwahrscheinlichkeit als wahr erweisen werden, da sie ja, wenn evident eo ipso unter allen Bedingungen wahr sein müssen. Mit jener Voraussetzung aber – mit der ›kopernikanischen Wendung‹ –, die Kant für seine synthetischen Urteile a priori macht, hat er gar nichts erreicht. Sie kann ihnen die ihnen als blinden mangelnde Sicherheit nicht, da sie ja selbst weder unmittelbar einleuchtet, noch als wahr erwiesen ist. Sie erscheint als eine willkürliche Forderung, welche die Skepsis mit Recht verurteilt. Es ist also durch die Verkündigung des Kausalgesetzes als eines synthetischen Urteils a priori gegen die Zweifel Humes nicht das geringste gewonnen – vielmehr ist durch die Einschränkung seiner Kompetenz von den ›Dingen an sich‹ auf die sog. Phänomene, d. h. auf die Dinge, sofern wir sie zu unsern Objekten machen – also auf das Erscheinende, Vorgestellte, Gedachte als solches – alles verloren.60
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Abb. 5: Brief, Franz Brentano an das Dekanat der Universität Wien mit der Bitte um ein Stehpult für seine Vorlesung (1876)
Kritik an Kants Urteilslehre Die synthetischen Urteile a priori können keine evidenten Urteile sein. Da Kant Wissenschaft und Philosophie auf der Grundlage der synthetischen Urteile a priori errichten möchte, nennt Brentano ihn einen »Dogmatiker, der den Pfad naturgemäßer Forschung […] verlassen habe«.61 Zwar nennt er Kant zusammen mit Thomas von Aquin als Vorläufer für seine eigene Urteilstheorie, wirft ihnen aber beiden vor, sich nicht ganz von der Vorherrschaft der kategorischen Urteile befreit zu haben.62 In seiner eigenen Urteilslehre nimmt Brentano eine radikale Reduktion der Urteilsklassen vor, was wiederum eine immanente Kritik an Kant miteinschließt, insbesondere der fundamentalen Unterscheidung Kants zwischen analytischen und synthetischen Urteilen. Brentano erkennt beispielsweise in logischer Hinsicht nur analytische Urteile an. Synthetische Urteile sind nur in psychologischer Hinsicht möglich.63 Die nach Kant übliche Einteilung der Urteile nach Quantität, Qualität, Relation und Modalität lehnt Brentano völlig ab –
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nur die Urteile nach Qualität und Modalität lässt er gelten, verändert deren Einteilung jedoch stark. So weist er beispielweise die unendlichen Urteile Kants als Urteile, welche bloß negative Ausdrücke umschreiben, aus. Da negative Ausdrücke für Brentano lediglich Fiktionen sind, sind unendliche Urteile nur Urteile mit einem »Unterschied der Materie« und nur aus »einer pedantischen Liebhaberei an Drei-Gliederungen«64 hätte Kant neben die bejahenden und verneinenden auch die unendlichen Urteile setzten wollen. Die Kritik an der Urteilstheorie Kants bildet die Basis für Brentanos Widerlegung der transzendentalen Dialektik Kants und ihrer Antinomien. Zweifel kommen ihm dabei nur bedingt auf, so zum Beispiel in seiner Schrift Nieder mit den Vorurteilen: Schade, daß wir Kants Geist nicht aus dem Grabe zitieren können, damit er förmlich sich darüber erkläre, ob ich irgendwie seine Lehre hier sachlich entstellt, oder nur seine barocke Ausdrucksweise, die blinde Urteile als ›Erkenntnisse‹, und darum angebliche blinde Vorurteile als ›Erkenntnisse a priori‹ aufzuführen wagt, in eine allen gemeinübliche Sprache, wir mögen sagen, in ein gesundes, gutes Deutsch übersetzt habe.
Doch antwortet er sich unmittelbar selbst darauf: Aber wir bedürfen seiner Wiedererweckung nicht. Die zwei Fragen, die er aufgeworfen: ›Wie sind synthetische Erkenntnisse a priori möglich?‹ und ›In welchem Umfange dürfen wir ihnen vertrauen?‹ schließen ja über seine wahre Meinung jeden Zweifel aus.65
Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass Brentano die »monströse Behauptung«66 Kants, der Existentialsatz sei ebenfalls ein kategorischer Satz, für lächerlich hält.67 Brentano sieht den Existentialsatz als Urform des Urteils an. Er ist die einfachste und allgemeinste Grundform des Urteils.68 Die komplette Kritik und Umstrukturierung der kantischen Urteile (synthetische, analytische, apriorische, existentiale, etc.) hängt dabei eng mit Brentanos Klassifikation der psychischen Phänomene zusammen.
Psychische Phänomene und innere Wahrnehmung Nach Brentano, bildet die Erfahrung, ebenso wie die innere Wahrnehmung der eigenen psychischen Phänomene, die Grundlage der Psychologie. Die psychischen Phänomene unterteilt Brentano in drei Klassen: Vorstellung, Urteil, Gemütsbewegung. Diese Einteilung ist beeinflusst von Aristoteles, Descartes und auch Kant,69 wobei Kant sich bereits die Klassifikation seiner Zeitgenossen Tetens und Mendelssohn zu eigen gemacht habe.70 Die innere Wahrnehmung unterscheidet er klar von der inneren Beobachtung, lediglich die erste ist die »unentbehrliche Quelle«71 der Psychologie. Die innere Wahrnehmung stellt zugleich die Gegebenheitsweise der psychischen Phänomene dar, das heißt die
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Abb. 6: Fragment aus einer Vorlesung Brentanos, in der er sich kritisch mit Kants Begriff der Erscheinung bzw. des Phänomens auseinandersetzt
psychischen Phänomene können durch die innere Wahrnehmung beschrieben werden. Die Gegebenheitsweise der inneren Wahrnehmung ist allerdings ebenfalls die innere Wahrnehmung, sie kann daher durch sich selbst beschrieben werden; das Bewusstsein ist also ein sich absolut selbst konstituierendes.
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Die innere Wahrnehmung ist nicht nur eine Art innere Vorstellung, die äußeren Vorstellungen gegenübersteht, sie ist bereits eine Art Aktbewusstsein, das sowohl äußere als auch innere Vorstellungen umfasst.72 In der Evidenz der inneren Wahrnehmung sieht Brentano wiederum die »epistemische Restitution des nach Kant unerkennbaren Dinges an sich: Es ist introspektiv gegeben und erkennbar.«73 Wenn Brentano die Unerkennbarkeit des Dinges an sich im Rahmen der Naturwissenschaften – die ihre Existentialurteile über die äußere Welt nur induktiv treffen können und daher von der psychischen Komponente und den sinnlichen Empfindungen absehen müssen – eingesteht,74 so leugnet er diese Unerkennbarkeit im Rahmen der Psychologie. Dieser sind ihre Objekte, die realen Bewusstseinszustände, unmittelbar und evident selbstgegeben,75 daher ist das Ding an sich erkennbar.76 Im Manuskript Metaphysik aus Brentanos Nachlass findet sich folgende Stelle: Er [Kant, GH] endigt skeptisch mit der Unerkennbarkeit des Dings an sich, mit der Subjectivitaet unserer Principien. Wir im Gegenteil haben gesehen, daß wir Principien haben, an deren Giltigkeit sich nicht zweifeln läßt, […] so blieb doch genug, um das Wesentliche mittelbar wieder zu gewinnen.77
Inwiefern Brentano damit dem Ding an sich bei Kant gerecht wird, ist eine andere Frage. Das Ding an sich ist bei Brentano allerdings nicht mehr wie bei Kant ein »unbekanntes Etwas«,78 von dem wir lediglich Erscheinungen erkennen können, sondern kann uns in der inneren Wahrnehmung gegeben sein. Ebenso deutet Brentano Erscheinen als »vorgestellt werden«,79 ebenso sicher nicht im Sinne Kants.
Die Brentano-Schule in Wien und Graz von Kurt Walter Zeidler Die Stellung Franz Brentanos (1838–1917) zum kritischen und spekulativen Idealismus ist eindeutig ablehnend. Kant und der Deutsche Idealismus gehören der letzten Phase der Philosophie an, mit der »das äußerste des Verfalls gegeben« ist: eine willkürliche Reaktion gegen die Skepsis, »welche mittels unerhörter und unnatürlicher Mittel die Erkenntnis zu retten, ja, […] in überschwänglicher Weise zu erweitern sucht«.80 Das Heilmittel gegen diesen Niedergang, der in Hegels System zur »äußerste[n] Entartung menschlichen Denkens« verkommt,81 sucht Brentano bekanntlich in der empirischen Psychologie: Die Philosophie ist eine Wissenschaft wie andere Wissenschaften und muß darum, richtig betrieben, auch eine mit der Methode anderer Wissenschaften wesentlich identische Methode haben. Die naturwissenschaftliche Methode […] ist, das ist heute ausgemacht, auch für die Philosophie die einzig wahre. […] In allen aufsteigenden Perioden der Philosophie hat diese Methode geherrscht, und wo sie verlassen wurde,
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war ihr Verfall nothwendig; der wissenschaftliche Charakter der Forschung war dahin. Mit großer Besorgnis blicke ich darum auf die Möglichkeit, daß dies nach meinem Weggang, wenn nicht sogleich, doch später hier geschehen wird. Dagegen gäbe nun eines mehr als jedes andere die geeignete Garantie: die Errichtung eines psychologischen Instituts, einer Anstalt, die keinem, der nicht nach naturwissenschaftlicher Methode und im Kontakt mit der Naturwissenschaft seine Forschung betreibt, wird anvertraut werden können.82
Was sich Brentano 1895 bei seinem Weggang aus Wien erhoffte, war seinem Schüler Alexius Meinong bereits ein Jahr zuvor in Graz gelungen. In Wien hielt zwar der Brentano und Meinong-Schüler Alois Höfler (1853–1922) als erster im Sommersemester 1899 eine Lehrveranstaltung über experimentelle Psychologie ab, gefolgt von Adolf Stöhr (1855–1921), der seit 1910 das dritte Ordinariat für Philosophie innehatte, doch wurde erst 1922 mit der Berufung von Stöhrs Nachfolger Karl Bühler (1879–1967) ein Psychologisches Institut an der Universität Wien etabliert.83 Abgesehen von Alois Höfler, der 1907 zum Professor für Pädagogik berufen wurde, konnte keiner der Schüler Brentanos an der Universität Wien Fuß fassen. Die frühen Schüler aus seiner Würzburger Zeit, Anton Marty (1847–1914) und Carl Stumpf (1848–1936), promovierten beide in Göttingen bei Rudolf Hermann Lotze und gingen von dort über Czernowitz nach Prag (Anton Marty) beziehungsweise über Würzburg, Prag, Halle und München nach Berlin (Carl Stumpf). Die Wiener Schüler gingen nach Graz (Alexius Meinong), Prag (Christian von Ehrenfels), Lemberg (Kazimierz Twardowski), Göttingen und Freiburg (Edmund Husserl). War Brentano und seiner Schule in Wien nur begrenzte Wirksamkeit beschieden, so bestimmte andererseits die spezifische philosophische Konstellation in Österreich entscheidend die Entwicklung der Brentano-Schule. Da der Kantianismus offiziell unterdrückt war,84 wurde in Österreich die vor-kantische Philosophie tradiert, insbesondere der Leibnizianismus, der Anfang des 19. Jahrhunderts durch Johann Friedrich Herbart (1776–1841) und Bernard Bolzano (1781–1848) kräftige Belebung erfuhr. Der anti-idealistische Realismus Herbarts und der dezidiert anti-kantianische logische Objektivismus Bolzanos traten im »Kaiserthum Oesterreich« in engste Verbindung, wobei der Herbartianismus – nachdem auch Bolzano der staatlichen und kirchlichen Repression zum Opfer gefallen war – zur gleichsam offiziellen »Österreichischen Philosophie« avancierte. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass der Herbartianer Robert Zimmermann (1824–1898), der als Ordinarius für Philosophie (1861–95) an der Berufung Brentanos an die Universität Wien mitgewirkt hatte, einst der Lieblingsschüler des »böhmischen Leibniz« Bernard Bolzano war. Für Franz Brentano waren vorzüglich der Anti-Kantianismus Bolzanos und seine Arbeiten zur Philosophie der Mathematik der Anlass gewesen seine Wiener Studenten auf den fast Vergessenen hinzuweisen, aus der
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Sicht Brentanos war aber »die Geschichte der Bolzano-Rezeption in seiner Schule die Geschichte eines Abfalls.«85
Abb. 7: Josef Kriehuber, Bernard Bolzano (1849)
Dieser Abfall setzt genau dort an, wo der Realismus Brentanos und der Objektivismus Bolzanos einander begegnen und sich am schärfsten von der Philosophie Kants abheben. Der Schüler und Freund Bolzanos Franz Prˇhonsky´ (1788–1859) hat in seinem Anti-Kant den springenden Punkt des Problems, wenn auch nur indirekt, zur Sprache gebracht: Folgt man »der Erklärung Bolzano’s von dem Begriffe einer Anschauung […], daß sie eine Vorstellung sei, […] durch [welche] ein Gegenstand gegeben, unmittelbar gegeben werde«,86 dann ist dem Kantianismus der Boden entzogen; Kants erkenntniskritische Frage nach den apriorischen Funktionen, welche die Einheit des Gegenstandes konstituieren, ist damit abgeschnitten. Die erkenntniskritische Frage tritt sodann aber in neuer Gestalt auf: betont man mit Bolzano und Brentano die Verwiesenheit und Angewiesenheit allen Denkens auf eine vom Denkenden
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nicht gesetzte und von ihm unabhängige Objektivität, dann gilt es die Beziehung von Vorstellung und Gegenstand auf alternative Weise zu klären. Den Ansatzpunkt für die alternativen Klärungsversuche liefert Franz Brentanos Lehre, wonach jedes psychische Phänomen durch das charakterisirt [ist], was die Scholastiker des Mittelalters die intentionale (auch wohl mentale) Inexistenz eines Gegenstandes genannt haben, und was wir, obwohl mit nicht ganz unzweideutigen Ausdrücken, die Beziehung auf einen Inhalt, die Richtung auf ein Object (worunter hier nicht eine Realität zu verstehen ist), oder die immanente Gegenständlichkeit nennen würden.87
Was mit diesen »nicht ganz unzweideutigen Ausdrücken« gemeint ist, wird durch die bekannten Beispiele: »In der Vorstellung ist etwas vorgestellt, in dem Urtheile ist etwas anerkannt oder verworfen, in der Liebe geliebt, in dem Hasse gehaßt, in dem Begehren begehrt u.s.w.«88 zwar illustriert, aber nicht geklärt, solang ungeklärt bleibt, welchen ontologischen Status das »Etwas« hat, das vorgestellt, anerkannt oder verworfen oder geliebt oder gehasst wird. Im Horizont der deskriptiven Psychologie liegt es nun nahe, diesem ontologischen Problem näherzutreten, indem man »die eigentümliche Verwebung des Objects der inneren Vorstellung mit dieser selbst […] und demselben psychischen Acte«89 genauer untersucht. Wie die Geschichte der Brentano-Schule zeigt, erbrachten die entsprechenden Untersuchungen allerdings weniger eine Lösung, als vielmehr eine Differenzierung des Problems in mehr den psychischen Akten (Husserl) oder mehr den Inhalten (Meinong) oder mehr den realen Objekten (später Brentano) zugewandten Untersuchungen.
Kazimierz Twardowski (1866–1938) Kazimierz (Kasimir) Jerzy Adolf Skrzypna-Twardowski, Ritter von Ogon´czyk wurde am 20. Oktober 1866 in Wien geboren. Nach dem Besuch des Theresianums studierte er ab 1885 bei Franz Brentano und Robert Zimmermann und promovierte bei letzterem 1891 mit der Dissertation Über den Unterschied zwischen der klaren und deutlichen Perception und der klaren und deutlichen Idee bei Descartes.90 Nach Forschungsaufenthalten in Leipzig bei Wilhelm Wundt und Oswald Külpe und München bei Carl Stumpf, arbeitete er ab 1892 in einer Versicherungsgesellschaft und verfasste seine Habilitationsschrift Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen. Eine psychologische Untersuchung (Wien 1894). Nach kurzer Lehrtätigkeit an der Universität Wien wurde Twardowski 1895 an die Universität Lemberg (Lwûw) berufen, an der er bis zu seiner Emeritierung 1930 mit großem Erfolg lehrt und als Begründer der sogenannten Lemberg-Warschau-Schule maßgeblich das Profil der polnischen
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Philosophie im 20. Jahrhundert bestimmt. Twardowski starb am 11. Februar 1938 in Milanûwek nahe Warschau. Kazimierz Twardowski gebührt das Verdienst, als erster in der BrentanoSchule auf die strenge Unterscheidung zwischen dem Akt, dem Inhalt und dem Objekt der Vorstellung gedrängt zu haben, wobei er sich auf Bolzano beruft, der mit »grosser Consequenz an diesem Unterschiede festgehalten« habe, indem er »statt des Ausdruckes ›Inhalt‹ einer Vorstellung die Bezeichnung ›objective Vorstellung‹, ›Vorstellung an sich‹« gebraucht und »von ihr einerseits den Gegenstand andererseits die gehabte oder subjective Vorstellung [unterscheidet], worunter er den Act des Vorstellens versteht.«91 Da Twardowski den logischen Objektivismus Bolzanos im Geiste des Realismus seines Lehrers Brentano interpretiert, bestreitet er jedoch Bolzanos Rede von den »gegenstandslosen Vorstellungen […] rundes Viereck, grüne Tugend u. dgl.«,92 vielmehr werde »durch jede Vorstellung ein Gegenstand vorgestellt, mag er existieren oder nicht […]. War man also auch im Recht, wenn man behauptete, die Gegenstände gewisser Vorstellungen existieren nicht, so sagte man doch zu viel, wenn man behauptete, unter solche Vorstellungen falle kein Gegenstand, […] sie seien gegenstandslose Vorstellungen.«93 Mit diesem Einwand hat Twardowski den Weg gewiesen, den Meinong mit der Gegenstandstheorie beschreitet.
Alexius Meinong (1853–1921) Alexius Meinong Ritter von Handschuchsheim wurde am 17. Juli 1853 in Lemberg geboren. Der Sohn eines Generalmajors wuchs in Wien auf und studierte ab 1870 Germanistik und Geschichte an der Universität Wien. Nach der Promotion in Geschichte 1874 studierte er Philosophie bei Franz Brentano. 1878 folgte seine Habilitation mit den Hume-Studien I: Zur Geschichte und Kritik des modernen Nominalismus. Nachdem Meinong 1882 außerordentlicher und seit 1889 ordentlicher Professor in Graz geworden war, richtete er 1894 dort das erste experimentalpsychologische Laboratorium (»Psychologisches Laboratorium«) in Österreich ein. 1914 wurde er zum wirklichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien ernannt. Meinong starb am 27. November 1920 in Graz. Meinong arbeitete zunächst vor allem auf dem Gebiet der Psychologie, bevor er seine Lehre vom »Objektiv« entwickelt, dem »Bolzanos ›Satz an sich‹ […] sehr nahe kommt, wenn nicht kurzweg damit zusammenfällt«.94 Dabei bildet Brentanos These, »daß es allem Psychischen wesentlich ist, einen Gegenstand zu haben«,95 den Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Im Gegensatz zum späten Brentano versteht jedoch Meinong unter dem Gegenstand nicht nur ein reales Ding, sondern schlechterdings alles: »Was zunächst Gegenstand ist, formgerecht zu definieren, dazu fehlt es an genus wie an differentia: denn alles ist Gegen-
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Abb. 8: Alexius Meinong
stand.«96 Die Gegenstandstheorie will darum mehr sein als alle bisherige Ontologie und Metaphysik.97 Sie umfasst einen viel weiteren Bereich als die Metaphysik, die es nur mit der Gesamtheit dessen zu tun [hat], was existiert. Aber die Gesamtheit dessen, was existiert, mit Einschluß dessen, was existiert hat und existieren wird, ist unendlich klein im Vergleiche mit der Gesamtheit der Erkenntnisgegenstände; und daß man dies so leicht unbeachtet läßt, hat wohl darin seinen Grund, daß das besonders lebhafte Interesse am Wirklichen, das in unserer Natur liegt, die Übertreibung begünstigt, das Nichtwirkliche als ein bloßes Nichts, genauer als etwas zu behandeln, an dem das Erkennen entweder gar keine oder doch keine würdigen Angriffspunkte fände.98
Gegen dieses »Vorurteil zugunsten des Wirklichen«99 betont Meinong, dass wir es bereits beim Erkennen von Zusammenhängen »mit jenem eigentümlichen Gegenstandsartigen zu tun« haben, das den Urteilen und Annahmen in ähnlicher Weise gegenübersteht wie der eigentliche Gegenstand den Vorstellungen. Ich habe dafür den Namen ›Objektiv‹ vorgeschlagen und dargetan, daß dieses Objektiv selbst wieder in die Funktionen eines eigentlichen Objektes eintreten, insbesondere Gegenstand einer neuerlichen, ihm wie einem Ob-
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jekte zugewandten Beurteilung wie sonstiger intellektueller Operationen werden kann.100
Da das den »Urteilen und Annahmen« gegenüberstehende »Objektiv« nicht notwendig ein (Da-)Sein hat, ist ferner zwischen »Seinsobjektiv« und »Soseinsobjektiv« zu unterscheiden, wobei auf die »Tatsache« hinzuweisen ist, »daß das Sosein eines Gegenstandes durch dessen Nichtsein sozusagen nicht mitbetroffen ist.«101 Diesem – zuerst von seinem Schüler Ernst Mally formulierten – »Prinzip der Unabhängigkeit des Soseins vom Sein«,102 unterstehen »nicht nur Gegenstände […], die eben faktisch nicht existieren, sondern auch solche, die nicht existieren können, weil sie unmöglich sind. Nicht nur der vielberufene goldene Berg ist von Gold, sondern auch das runde Viereck ist so gewiß rund als es viereckig ist.«103 Wenn jeder »Gegenstand […] unserer Entscheidung über dessen Sein oder Nichtsein in gewisser Weise vorgegeben« ist, dann müssen wir eben nicht nur zwischen der Existenz der realen und dem Bestand der idealen Gegenstände unterscheiden, sondern müssen auch dem Unmöglichen und Widersprüchlichen Gegenstandscharakter zubilligen: »Auch dem, was weder existiert noch besteht, eignet als etwas dem Erfassen Vorgegebenes immer noch ein Rest von Positionscharakter, das Außersein, das […] sonach keinem Gegenstande zu fehlen scheint.«104 Mit der Annahme »unmöglicher Gegenstände« zieht Meinong die denkbar radikalste Konsequenz eines objektivistischen Ansatzes, der die Tätigkeiten des Subjekts auf das »Erfassen«105 vorgegebener ›Gegenstände‹ beschränkt. Dadurch rückt die Gegenstandstheorie in eine eigentümliche Zwischenstellung zwischen Ontologie und formaler Semantik, zeitigt aber auch Ergebnisse, die aus formallogischer und realistischer Sicht gleichermaßen unerwünscht sind. So führt die objektivistische Vergegenständlichung gedanklicher Fiktionen und Negationen nicht nur zu einem Überfluss an irrealen Gegenständen, sondern auch zu einer Verletzung des Widerspruchsprinzips, wenn Meinong behauptet, das »runde Viereck« sei sowohl rund als auch viereckig. Der radikale Objektivismus der Gegenstandstheorie wurde darum von Meinongs Schüler und Nachfolger Ernst Mally106 als eine unzulässige Vermengung von Seins- und Sinnfragen kritisiert,107 nachdem zuvor schon Bertrand Russell seine »Theorie der bestimmten Beschreibung« entwickelt hatte, um den Paradoxien der Gegenstandstheorie zu begegnen.108 Damit ist Meinong zu einem der Väter der analytischen Philosophie geworden, in der es dann auch – im Zeichen der Verwandtschaft von Gegenstandstheorie und formaler Semantik und im Rahmen deontischer und epistemischer Logiken – mittlerweile zu einer Art »Meinong-Renaissance«109 gekommen ist.
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Abb. 9: Brentanos annotiertes Exemplar der ›Kritik der reinen Vernunft‹
Edmund Husserl (1859–1938) von Marek Bozˇuk Im 19. Jahrhundert gab sich die Stadtverwaltung von Proßnitz (Mähren) in konfessionellen Fragen liberaler als die Nachbargemeinden, was zur Folge hatte, dass jüdische Familien sich über mehrere Generationen hinweg dort ansiedeln konnten. So auch einige Familien der Husserls (»Husa« bedeutet im Tschechischen »Gans«, was auf einen ursprünglichen Berufszweig dieser Familien verweist). In einer dieser deutschsprachigen Familien wurde Edmund Husserl am 8. April 1859 als zweiter Sohn von dreien geboren.110 Der Vater, ein Tuchhändler, war seiner Gesinnung nach kein strenggläubiger Mensch und schickte seinen Sohn darum zu Beginn von dessen schulischer Laufbahn an ein städtisches Gymnasium in der Wiener Leopoldstadt, von welchem Husserl allerdings nach einem Semester an das k.u.k. Gymnasium in Olmütz versetzt wurde. Er galt dort als schlechter Schüler, da er knapp vor den Jahresexamen immer nur so wenig lernte, wie es denn für einen gerade noch positiven Abschluss nötig war. Als dieser »Betrug« schließlich aufflog, beschloss das Schulgremium, dass Husserl das Abschlussexamen nicht bestehen dürfe – woraufhin dieser das erste Zeugnis
Edmund Husserl (1859–1938)
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seiner beeindruckenden Arbeitsleistung an den Tag legte: Binnen weniger Wochen eignete er sich den gesamten Schulstoff der vergangenen Jahre an und bestand das Examen mit Bravour. In diesen Wochen der intensiven Lerntätigkeit blühte im jungen Husserl auch das erste Mal eine Begeisterung für die Formen und Denkweisen der Mathematik auf.
Abb. 10: Edmund Husserl (um 1900)
Sein Studium begann Husserl 1876 in Leipzig, wo er zunächst Astronomie belegte, aber auch Kurse zu Physik, Mathematik und Philosophie hörte, insbesondere bei Wilhelm Wundt, der in Leipzig das erste Institut für experimentelle Psychologie gegründet hatte. In den Leipziger Vorlesungen begegnete er dem neun Jahre älteren Tomsˇ Garrigue Masaryk, dessen Auseinandersetzung mit dem Protestantismus auch an Husserl Spuren zeigen sollte: Er konvertierte im Jahr 1886 zu diesem. Im Jahr 1878 zog Husserl nach Berlin, wo er sich für das Studium der Mathematik bei Karl Weierstraß und Leopold Kronecker inskribierte. Philosophie belegte er in Berlin bei Friedrich Paulsen. Für seine Promotion in Mathematik Beiträge zur Theorie der Variationsrechnung zog Husserl 1882 abermals um, diesmal nach Wien. Nach einer eingeschobenen einsemestrigen Assistenz bei Weierstraß in Berlin im Jahr 1883, während welcher er eine
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Vorlesung über abelsche Funktionen vorbereitete, fing Husserl dem Rat Masaryks folgend 1884 an, bei Franz Brentano in Wien Philosophie zu studieren. Brentano riet ihm nach weiteren zwei Jahren sein Studium bei Carl Stumpf in Halle fortzusetzen. Husserl folgte diesem Vorschlag und verließ Wien 1886, um den Rest seines Lebens von Deutschland aus zu arbeiten und zu wirken. 1887 heiratete Husserl Malvine Steinschneider, habilitierte sich bei Stumpf mit der Arbeit Über den Begriff der Zahl und veröffentlichte diese vier Jahre später unter dem Titel Philosophie der Arithmetik. Bis zum Jahr 1901 war Husserl Privatdozent in Halle, wo er überdies den damals in Deutschland durch die Marburger und Südwestdeutsche Schule stark vertretenen Neukantianismus kennenlernte. Insbesondere mit Paul Natorp setzte sich Husserl nicht nur gedanklich, sondern auch in direkter Korrespondenz auseinander. Gottlob Freges Kritik der Philosophie der Arithmetik sowie die intensive Auseinandersetzung mit der Philosophie Natorps führten schließlich zur »radikalen Wende«111 Husserls: hin zu einer Psychologismuskritik und einer transzendentalen Neuausrichtung der Phänomenologie, die sich aber erst in seinen Göttinger Lehrjahren zu entfalten beginnen sollte. In der Zeit in Halle hielt Husserl Vorlesungen zu den meisten Bereichen der Philosophie wie Erkenntnistheorie, Metaphysik, Logik aber auch Ethik, Psychologie, Geschichte der Philosophie oder Religionsphilosophie; er lehrte die britischen Empiristen und Sensualisten (vor allem Hume und Locke), sowie Descartes und Kant. Sein erstes großes Hauptwerk – die Logischen Untersuchungen. Erster Teil: Prolegomena zur reinen Logik – erschien 1900, ein Jahr danach gefolgt vom Zweiten Teil: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, und brachte ihm einen namhaften Ruf nach Göttingen ein. Ohne langes Zögern nahm Husserl dieses Angebot auch an und blieb bis 1916 Professor in Göttingen. In diesen Jahren entstanden die ersten phänomenologische Bewegungen: die Münchner Schule (Alexander Pfänder, Moritz Geiger, Johannes Daubert und Adolf Reinach sowie Max Scheler), sowie in Göttingen selbst eine wissenschaftliche Anhängerschaft: die Philosophische Gesellschaft Göttingen (Wilhelm Schapp, Theodor Conrad, Hedwig Conrad-Martius, Jean H¦ring, Dietrich von Hildebrand, Hans Lipps, Winthrop Bell, Alexandre Koyr¦, Roman Ingarden, Adolf Grimme, Fritz Kaufmann und Edith Stein sowie später Helmuth Plessner und Arnold Zweig). Gemeinsam mit Husserl arbeiteten sie am Ziel der phänomenologischen Methode als Weg zur philosophischen Letztbegründung. Hier hielt Husserl auch die Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins (1905), die allerdings erst 1928 nach Zusammentragung und Bearbeitung durch Edith Stein von Martin Heidegger herausgegeben wurden. In diesen machte sich bereits die zunehmende transzendentale Ausrichtung des husserlschen Denkens bemerkbar, welche ihn schlussendlich auch in Opposition zu der frühen Göttinger Gruppierung brachte. Diese warf ihm einen
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Rückschritt im phänomenologischen Programm vor, er wiederum kritisierte deren naiven Naturalismus beziehungsweise Psychologismus; indessen beendete der Erste Weltkrieg die regen Debatten rund um die Phänomenologie in Göttingen. Nach dem Erscheinen seines nächsten Hauptwerkes Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie (1913) wurde Husserl 1916 als Nachfolger Heinrich Rickerts Ordinarius an der Universität von Freiburg, wo er bis 1928 wirkte und an seiner Konzeption der Phänomenologie in transzendentaler Perspektive weiterarbeitete. Spätestens in den Jahren in Freiburg hatte Husserls philosophische Breitenwirkung eingesetzt und sein phänomenologischer Ansatz begann sich auch in veränderten beziehungsweise weiterentwickelten Formen auszubreiten. Nebst intellektuellen Protagonistinnen wie Gerda Walther, Hans-Georg Gadamer, Rudolf Carnap oder Günther Anders hörte, auch aufgrund der politischen Umwälzungen in Deutschland wie in Europa und den damit einhergehenden inhaltlichen Interessensverschiebungen, nun auch vermehrt internationales Publikum, vor allem aus den USA (zum Beispiel Marvin Faber) und aus Japan (zum Beispiel Graf Shuzo Kuki), Husserls Vorlesungen. In Freiburg standen Husserl vor allem Edith Stein, Ludwig Landgrebe, Eugen Fink und Martin Heidegger assistierend zur Seite, wobei letzterer von Husserl als sein Nachfolger in Freiburg anstelle »des Seniors der Münchner Phänomenologen«112 Alexander Pfänder vorgeschlagen wurde. Dabei bemerkte Husserl »lange nicht die sachliche Entfernung, in der Heideggers Denken zu dem seinen«113 stand. Die staatskonformere Gesinnung seines Nachfolgers hatte neben denunziatorischen Gutachten gegenüber Kollegen der Philosophie zur Folge, dass Heidegger in seiner akademischen Vorstandsfunktion seinem früheren Mentor sowohl die Lehrbefugnis mit Ablauf des Jahres 1935 entzog, als auch ein generelles Betretungsverbot der Universität Freiburg für Husserl verhängte.114 Husserls Namen durfte ab dem Sommersemester 1936 nicht mehr im Vorlesungsverzeichnis erscheinen und auch wurde die Verpflichtung aufgehoben bei seinem Tod durch Setzung der Fahne auf halbmast und Ähnlichem seiner gedenken zu müssen.115 Bereits 1933 wurde Husserl nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten für einige Monate vom badischen Kultusministerium beurlaubt, aber spätestens im Jahre 1937 traf Husserl die volle Niedertracht der ideologischen Verblendung des NS-Regimes: Verweigerung der Teilnahme am IX. Internationalen Kongress für Philosophie, erzwungener Austritt aus der Philosophischen Organisation in Belgrad, Vertreibung aus seiner Wohnung in der Lorettostraße, et cetera. Husserl selbst bezeichnete diese Ereignisse als schlimmste Kränkung seines Lebens, setzte aber demonstrativ auf der Rückseite des Freiburger Betretungsverbotsschreibens seine philosophischen Aufzeichnungen fort.116 Diese Haltung einer inneren Gelassenheit sowie eines demonstrativen Trotzes äußerte sich auch, als er 1936 nicht dem Ruf an die University of South California in Los Angeles folgte.
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Abb. 11 (a): Edmund Husserls Vorlesungen über Kant
Der sozialen wie beruflichen Isolation innerhalb Deutschlands stand eine breite Rezeption von Husserls Werk im Ausland gegenüber, die unter anderem von seiner Vortragstätigkeit in Europa nach seiner Emeritierung 1928 begleitet wurde. Ehrenmitgliedschaften der American Academy of Arts and Sciences (1928), der Acad¦mie des Sciences Morales et Politiques de l’Institut de France (1932), des Cercle Philosophique de Prague (1935) und Fellow of the British Academy (1936) bezeugen die internationale Reichweite seiner Philosophie. Auch zählte gegen Ende seines Wirkens vermehrt eine europäische Hörerschaft wie ein Herbert Marcuse oder Emmanuel Levinas zu Husserls Umfeld und auch seine fachlichen Auseinandersetzungen mit anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen war europäisch geprägt: von Alfred Schütz aus Wien, über Jan Patocˇka oder Roman Jakobson aus Prag, über Ernst Cassirer in Schweden
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Abb. 11 (b): Edmund Husserls Vorlesungen über Kant
Abb. 11 (c): Edmund Husserls Vorlesungen über Kant
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oder dem Spanier Jos¦ Ortega y Gasset und dem italienischen Phänomenologen Antonio Banfi bis zu dem französischen Ethnologen Lucien L¦vy-Bruhl. Vorträge hielt Husserl bereits 1922 in London, 1928 in Amsterdam, 1929 in Paris (welche 1931 als M¦ditations cart¦siennes veröffentlicht wurden) und auf Anfrage der Kant-Gesellschaft 1931 in Frankfurt, Berlin und Halle über Phänomenologie und Anthropologie. Seine letzten Vortragsveranstaltungen fanden in Wien (1935) sowie in Prag (1934 und 1936) statt, welche inhaltlich um sein letztes unvollendetes Hauptwerk die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie kreisten. Spätestens in diesem fungierte Kant und dessen Werk als zentraler Ausgangspunkt für Husserls Phänomenologie in transzendentaler Konzeption. Aus dem Leben schied Husserl als 79jähriger am 27. April 1938 in Freiburg im Breisgau. Sein Nachlass wurde unter heiklen Umständen vom jungen belgischen Franziskanerpater Herman Leo Van Breda gerettet und als Diplomatengepäck nach Leuven überführt, wo jener 1939 das Husserl-Archiv gründete.
Husserls Kantianismus im Spannungsbogen seiner Wiener Stationen von Marek Bozˇuk Fragt man nach den Bezügen und Einflüssen, die Edmund Husserl mit Wien und mit Immanuel Kant verbinden, stellt man zunächst – der Natur der Sache entsprechend – fest, dass die Bezüge zu Wien recht spärlich ausfallen, dafür aber umso faktischer sind, wohingegen die Einflüsse seitens Kant zahlreich ins Auge stechen, dafür aber umso breiter in ihren interpretativen Divergenzen scheinen.
Husserl in Wien Dabei lässt sich Wien, ohne dass die Stadt eine stark bedeutsame Rolle in Husserls Entwicklung gespielt hätte, nichtsdestoweniger als Anfangs- und Endpunkt des husserlschen Denkens lesen – zumindest in symbolischer Repräsentation. Denn dreimal führte es Husserl nach Wien: zunächst zu seiner wissenschaftlichen Promotion, kurz darauf für sein philosophisches Studium und 50 Jahre später zu seinem letzen Vortragsunterfangen. Zwischen den anfänglichen Wien-Aufenthalten und der abschließenden »Wiener Station« entfaltet sich Husserls Phänomenologie parallel zu seinem Kantverständnis, wobei dieses sich während Husserls erster und letzter Wiener Station beinahe diametral entgegengesetzt ist. Wo er am Anfang noch überzeugter »Anti-Kantianer« in brentanoscher Prägung ist, kann man gegen Ende seiner Denkbahn eine grö-
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ßerflächige Identifikation mit dem kantischen Werk beobachten; ein letztes ausgebliebenes Werk Husserls hätte sogar eine affirmative Auseinandersetzung mit Kant werden sollen.117 Über die folgenden Zeilen hinweg soll dieser Werdegang Kants in Husserls Werk der Knappheit wegen als Oberflächenrelief nachskizziert werden. Über die Beziehungen zwischen Husserls Phänomenologie und der kantischen und neukantianischen Philosophie ist schon Vieles geschrieben worden. Dabei wurden die verschiedensten Auffassungen geäussert; man kann sagen, dass hier die ganze Skala möglicher Deutungen durchgegangen wurde. Am einen Ende dieser Skala steht Husserl als Antipode Kants und jeglichen Neukantianismus, am anderen Ende der Neukantianer Husserl; und dazwischen liegen nuancierte Bilder. Offenbar sind die Beziehungen zwischen Husserl einerseits und Kant und den Neukantianern andererseits komplexer Natur ; offenbar bestehen hier aber auch innere Beziehungen, seien sie nun positiver oder negativer Art.118
Husserls abwehrende Anerkennung Kants Mit diesen, das Rezeptionsverhältnis zwischen beiden Denkern akkurat beschreibenden, Sätzen leitet Iso Kern 1964 seine Monografie über Husserl und Kant ein. Wie Kern deutlich herausstellt: inwieweit die kantische Transzendentalphilosophie Eingang in Husserls Phänomenologie gefunden hat, darüber lässt sich streiten – aber dass Kant für Husserl eine gewichtige Rolle spielt, scheint unbestreitbar. So kommt auch Kern nach seiner umfassenden historischen und systematischen Analyse zum Schluss, dass Husserl sich beständig und ausgiebig an Kant und dem Neukantianismus abarbeitet und zentrale Gedankenstellungen von diesen übernimmt beziehungsweise weiterführt.119 Oder wie Robert Sokolowski dies schlicht zusammenfasst: »Husserls Phänomenologie nahm ihren Ausgang auf neukantianischem Boden.«120 Ungeachtet der Frage, ab wann Husserls Phänomenologie genügend Eigenständigkeit aufweist – sprich, ob diese bereits mit der Übernahme zentraler Konzepte Brentanos beginnt oder erst mit der teilweise durch das Kant-Studium verursachten Herauslösung aus einer spezifisch österreichischen Phänomenologie-Tradition121 – verstärkt sich im Verlauf der Jahre die Bezugnahme Husserls auf Kant zusehends. Generell wird vom Großteil der Forschungsliteratur der subkutane Kantianismus in der husserlschen Phänomenologie als eine Art abwehrender Anerkennung beziehungsweise zustimmender Ablehnung verstanden. »Diese Ambivalenz in der Beziehung der Phänomenologie zu Kant, diese Abhängigkeit vom Kantianismus bei gleichzeitiger Reaktion dagegen, drückt sich in Husserls eigener Haltung dem Königsberger Philosophen gegenüber aus: bisweilen schreibt er ihm eine vorausahnende und sogar erreichte phänomenologische
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Kant und die Phänomenologie
Abb. 12: Husserls annotiertes Exemplar der ›Kritik der reinen Vernunft‹
Position zu, bei anderen Gelegenheiten kritisiert er dessen Denken gravierend.«122 Diese Polarität des kantischen Einflusses wird an etlichen Stellen in Husserls Werk ersichtlich, in welchen die Nähe der phänomenologischen Fragestellung und Problematik zur Transzendentalphilosophie dezidiert erklärt wird, aber beinahe nie ohne auch Kritik daran zu üben, dass Kant entweder den eigentlichen Sinn der eigenen transzendentalen Einsichten nicht erfasst habe oder er »vom Psychologismus und Anthropologismus sich nicht ganz loszuringen vermochte«123 und daher nicht weit genug in seiner radikalen Kritik vorangeschritten beziehungsweise aufgrund dogmatischen Denkens »zu weit oben« angesetzt habe und dadurch teilweise in Mystizismus verfallen sei. So warnt Husserl vor Kant, nicht ohne ihn gleichzeitig hochzuschätzen: man solle sich vorsehen, dass »die ungeheuere Geistesmacht, welche die Kantische Denkweise bisher zu üben berufen war, nicht zu einer unübersteiglichen Mauer der Vorurteile«124 werde. Kant […] erreicht nicht die letzte Intention der hier notwendigen Unterscheidung. Natürlich handelt es sich bei uns nicht um bloß subjektiv giltige Urteile, die auf das empirische Subjekt beschränkt sind in ihrer Giltigkeit, und um objektiv giltige, nämlich giltig für jedes Subjekt überhaupt: das empirische Subjekt haben wir ja ausge-
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schaltet, und die transzendentale Apperzeption, das Bewußtsein überhaupt, wird für uns bald einen ganz anderen und gar nicht mysteriösen Sinn bekommen. 125
Als faktische Belege für die wachsende Auseinandersetzung mit Kant lassen sich die von Husserl abgehaltenen Vorlesungen und Seminare anführen, die mit fortschreitendem Alter an Umfang und Gewicht zunehmen. Das spiegelt sich auch in regen Briefwechseln zwischen Husserl und Vertretern des Neukantianismus (vorwiegend Paul Natorp und Heinrich Rickert) und in Husserls eigener Bibliothek, in der mehrere Ausgaben kantischer Werke, einschließlich etlicher Randnotizen in denselben, sowie deren Gesamtausgaben versammelt sind. Einer dieser Bände, eine Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft, bezeugt das ambivalente Ja-Aber-Verhältnis zwischen der Phänomenologie und dem Kritizismus. Auf dessen Titelseite notierte Husserl sich folgendes Zitat aus Kants Feder – was ausdrückt, er habe Kant tiefgründiger verstanden, als dieser sich selbst: Ich merke nur an, dass es gar nichts Ungewöhnliches sei, sowohl im gemeinen Gespräche, als in den Schriften, durch Vergleichung der Gedanken, welche ein Verfasser über seinen Gegenstand äussert, ihn sogar besser zu verstehen, als er sich selbst verstand, indem er seinen Begriff nicht genugsam bestimmte und dadurch bisweilen seiner eigenen Absicht entgegen redete oder auch dachte.126
Husserls wachsende Affirmation Kants Husserls philosophische Karriere beginnt in Wien. Seine wissenschaftliche Ausbildung erhält er zunächst noch vorwiegend auf dem Gebiet der Mathematik in Berlin. Doch setzt er von 1881 bis 1883 dieses Studium in Wien fort und promoviert dort schließlich mit den Beiträgen zur Theorie der Variationsrechnung. Dort begegnet er auch erneut dem neun Jahre älteren, kant-kritischen Tomsˇ G. Masaryk, den er einige Jahre zuvor in Leipzig kennengelernt hatte und der 1882 in Wien Philosophie zu dozieren begann. Gemeinsam besuchen sie Vorlesungen127 bei Franz Brentano, wobei sich der einschneidende Einfluss, den Masaryk auf Husserl ausübte, gleich an zwei lebensbestimmenden Entscheidungen Husserls zeigt: auf Anraten Masaryks wechselt er seine Konfession und belegt Philosophie bei Brentano. Demgemäß arbeitet er sich von 1884 bis 1886 in dessen philosophische Konzeptionen ein, wobei Brentanos Anspruch sowie Umsetzung, Philosophie als ebenso exakte Wissenschaft wie die Mathematik zu betreiben, für Husserl der ausschlaggebende Grund war, seine wissenschaftliche Karriere gänzlich auf das Gebiet der Philosophie zu verlagern.128 Dabei ist diese anfängliche Identifikation seitens Husserls mit der Lehre Brentanos naheliegender Weise nicht bloß methodischer Natur (im Sinne einer Philosophie als streng rationalem Unterfangen), sondern vor allem auch inhaltlicher.129 So
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übernimmt er in erster Linie die Idee der Intentionalität des Geistes, als prinzipielle Gerichtetheit jeglichen Geistesaktes auf Etwas, ferner die Unterscheidung zwischen genetischer und deskriptiver Psychologie, als Unterschied in der empirisch-psychologistischen beziehungsweise philosophisch-reflexiven Weise der wissenschaftlichen Untersuchung des Geistes, aber auch die negative KantRezeption in brentanoscher Manier. Gemäß dieser – und mitunter bedingt durch die in Österreich herrschende kant-feindliche Bildungspolitik und ein daher resultierendes, stetig latentes Missverstehen – ist Kant und der Deutsche Idealismus Ausdruck einer philosophischen Verfallsepoche, das Stadium einer mystisch verirrten Philosophie und Schwärmerei. Das Ding an sich, synthetische Wahrheiten a priori, Fakultäten oder die reinen Formen der Anschauung (Raum und Zeit) et cetera seien obskure und reaktionär metaphysische Vorstellungen. So ist etwa nach Brentano das einzig sinnvolle Wissen a priori der Erfahrung bloß im Rahmen von Definitionswahrheiten ex terminis denkbar und von daher eine triviale Sache.130 »[W]enn man an Franz Brentano als dem ›Großvater (väterlicherseits)‹ der Phänomenologie festhält«, könnten wir Bolzano »den ›Großvater (mütterlicherseits)‹ der Phänomenologie nennen«.131 Diesen Befund von Wei Zhang stützt die jüngere Husserl-Forschung, wo man von einer bolzanoschen Wende132 bei Husserl spricht, die sich nach seinem Fortgang aus Wien ereignet hatte. Vom prager Philosoph Bernard Bolzano übernimmt er vor allem Konzeptionen wie die der »Sätze an sich« oder der »gegenstandslosen Vorstellung«. Dabei führen diese später zur Entdeckung des idealen Gegenstandes (gemeinhin auch Bedeutung genannt), zu dem was alsdann bei Husserl selbst Noema heißen wird – der ideale Inhalt eines Geistesaktes, der Noesis.133 Mit Zhang »kann man sagen, dass sich Husserl im Wesentlichen vermittelt durch Bolzano vom Brentano’schen Psychologismus entfernt. Seine Phänomenologie lässt sich in diesem Sinne als ein Kompromiss zwischen der Brentano’schen deskriptiven Psychologie und der Bolzano’schen reinen Logik verstehen.«134 Interessant dabei ist, dass auch Bolzano ein eher negativ geprägtes Kant-Verständnis aufweist, wenngleich er nicht das Verfallspathos Brentanos teilt, so doch etwa die Kritik am vermeintlichen Subjektivismus des Kritizismus. 1850 erscheint sogar ein vom Bolzano-Schüler Franz Prˇhonsky´ verlegtes Werk mit dem Titel der Neue Anti-Kant, in welchem Bolzanos Logik und Kants Kritik der reinen Vernunft einander gegenübergestellt werden. Indessen scheint Husserl dieses Werk nicht oder kaum rezipiert zu haben, da es keinerlei sichtbare Erwähnung bei ihm findet. Allerdings nennt Husserl selbst einen weiteren entscheidenden Einfluss auf sein sich zwischen anti-kantischer brentanoscher Psychologie und kant-oppositioneller bolzanoscher Logik entwickelndes Denken: »Besonders [Lotzes, MB]
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um die Interpretation der Platonischen Ideenlehre sich gruppierenden Gedankenreihen haben auf mich tief eingewirkt.«135 Der für einige Neukantianer bedeutsame deutsche Logiker und Philosoph Hermann Lotze, der wesentlich mehr Sympathie als Brentano oder Bolzano für die Deutschen Idealisten empfand, liefert Husserl den Begriff der idealen Bedeutung, von dem aus (beziehungsweise auf welchen hin) sich das phänomenologische Programm der eidetischen Reduktion allmählich zu entwickeln beginnt, das Husserl später als einen der wesentlichen Unterschiede zum kantischen System markiert. »Der Mangel einer klaren Unterscheidung zwischen Anschauungen und Angeschautem, Formen der Erscheinungen als Modis des Bewusstseins und Formen der erscheinenden Gegenständlichkeit«,136 also keine Trennung zwischen Noesis und Noema, hat nach Husserl für Kants Vernunftkritik schwerwiegende Folgen. Denn »eine transzendentale Logik ist nur in einer transzendentalen Noetik möglich«.137 Auch bezeichnet »im Gegensatz zu ›formal a priori‹ bei Kant Husserl das Apriori als idealen Gegenstand«.138 Das Apriori ist für Husserl nicht einfach das Wissen vor jeglicher Erfahrung formal verstanden, sondern dezidiert die inhaltliche Bedeutung (»idealer Gehalt«139) all unserer Gedanken, weswegen die Phänomenologie auch ein materiales Apriori kennt, was Kant für ausgeschlossen hält.140 Die oben skizzierte Wende Husserls hin zu Bolzano findet in Halle statt, wohin Husserl, nach dem Abschluss bei Brentano in Wien, zur Vertiefung seiner psychologistischen Philosophie zu Carl Stumpf wechselt, bei dem er 1887 auch habilitiert. Die Verbindung von Psychologie und Logik ist Inhalt seiner Habilitation, die er vier Jahre später unter dem Titel Philosophie der Arithmetik veröffentlicht, womit er in seinen wissenschaftlichen Bemühungen allerdings einen vehementen Rückschlag erfährt, der ihn letztlich von seiner brentanoschen psychologistischen Position abbringen wird. Dabei ist diese Abkehr »im Jahre 1894 nicht nur auf Freges Kritik der Philosophie der Arithmetik, sondern vielleicht in einem noch bedeutenderen Ausmass auf Natorp […] zurück zu führen«.141 Paul Natorp, Mitbegründer der Marburger Schule des Neukantianismus, stand seit der halleschen Zeit Husserls mit diesem im Briefwechsel und »Husserl beruft sich in der Widerlegung der ersten und zweiten psychologistischen Voraussetzung [im achten Kapitel der Logischen Untersuchungen. Erster Teil, MB] auf Natorp«.142 Freilich ist mit der durch den Neukantianismus mit in die Wege geleiteten Abwendung vom Psychologismus und mit der Kritik daran noch keine gleichzeitige Zuwendung zur Transzendentalphilosophie geschehen. Doch allmählich realisiert Husserl, dass Philosophie als exakte Wissenschaft der Letztbegründung weder über eine empirisch fundierte Psychologie noch über eine analytisch reine Logik im Sinne Bolzanos zu bewerkstelligen ist, und widmet sich von nun an der Suche nach einem Ausweg zwischen diesen beiden Wissenschaftspositionen. Gleichwohl ist er in den Jahren um 1900, auch wenn er
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Abb. 13: Tagebuch-Eintrag Edmund Husserls vom 25. September 1906: »An erster Stelle nenne ich die allgemeine Aufgabe, die ich für mich lösen muß, wenn ich mich soll einen Philosophen nennen können. Ich meine eine Kritik der Vernunft. Eine Kritik der logischen und der praktischen Vernunft, der wertenden überhaupt. Ohne in allgemeinen Zügen mir über Sinn, Wesen, Methoden, Hauptgesichtspunkte einer Kritik der Vernunft ins Klare zu kommen, ohne einen allgemeinen Entwurf für sie ausgedacht, entworfen, festgestellt und begründet zu haben, kann ich wahr und wahrhaftig nicht leben. Die Qualen der Unklarheit, des hin- und herschwankenden Zweifels habe ich ausreichend genossen.«
an Hans Vaihingers Kantstudien mitarbeitet,143 noch immer nicht überzeugt von Kants Werk und lobt noch in seinen Logischen Untersuchungen »auch Lehren Herbarts, die dieser von Leibniz übernommen hatte, um Kant zu widerlegen«.144 Die mit den Untersuchungen eingeleitete Göttinger Phase ist zu Beginn geprägt von der Arbeit an einer eigenständigen Phänomenologie und der Suche nach ihrem Fundament. Husserl, für den »Philosophieren […] ein persönliches Ringen um Leben und Tod, ein Kranksein in eigenster geistiger Not und ein Gesundwerden in der schmerzvollen Wonne der Entbindung eigenster Gedanken«145 bedeutet, notiert sich nicht etwa angesichts einer wachsenden nationalsozialistischen Bedrohung, sondern angesichts der Suche nach dem phänomenologischen Fundament und dem Stocken seines Denkens 1905 in sein Tagebuch: »Ich war und bin in großer Lebensgefahr«.146 »Wieviel Ansätze, wieviel Versuche, tiefer und weiter zu dringen, […] Und nach alledem, wie weit
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bin ich zurück. […] Weh mir, wenn ich in diesen Arbeitsstudien und Arbeitsweisen steckenbleibe! […] Es dreht sich all mein Streben momentan um die Frage nach der […] Fundamentaluntersuchung.«147 Es sollte Kants Transzendentalphilosophie sein, die Husserl »rettend zu Hilfe eilte« und den Weg einer solchen Fundamentaluntersuchung ihm aufzeigte. Im selben Jahr hält er die Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins, die den Anfang seiner transzendentalen Wende darstellen und ihn in Opposition zu der bis dahin entstandenen phänomenologischen Bewegung bringen. Von nun an wird Kant ein immer stetigerer Bestandteil seiner Vorlesungen und Seminare148 und bereits vier Jahre später, am 18. März 1909, formuliert Husserl in einem Brief an Natorp – seine Phänomenologie und dessen neukantianische Psychologie vergleichend – seine Stellung zur Transzendentalphilosophie folgendermaßen: Ich meine auch, dass diese beiden ›Psychologien‹ dem Wesen nach zusammenhängen müssen, in ungeklärter naher Verwandtschaft stehen. Aber Phänomenologie bedarf in keiner Weise einer ihr vorangehenden Transzendentalphilosophie, während Ihre Psychologie der Transzendentalphilosophie nachfolgen soll: wie Sie selbst bemerkt haben. Freilich, was wir beide Transzendentalphilosophie nennen, worin wir ihre wesentlichen Probleme und Methoden sehen, dürfte recht verschieden sein. Und doch ist mir, als ob wir einander nahe stünden, und als ob es die eine und selbe Philosophie wäre, die uns verbinde, uns ihre verschiedenen Aspekte darböte, verschiedene, aber einander fordernde Problemgruppen uns zugeteilt hätte. Nur meine ich, die wurzelhaften Probleme liegen im phänomenologischen Unten, von wo aus die natürlichen Fortschritte zu den Gipfelproblemen führen müssen. Wie immer, ich sehe oder fühle tiefreichende innere Gemeinsamkeiten und Koinzidenzien.149
An dieser Einschätzung Husserls wird sich zeit seines Lebens nichts Wesentliches mehr ändern. Kant verfahre als einer der wenigen grundsätzlich richtig, wenn es um eine systematische Letztbegründung der Philosophie geht, indem er das Erkenntnisfundament im transzendentalen Subjekt ansetzt. Er setze aber ebenso grundsätzlich aufgrund seiner naturalistischen und anthropologischen Vorurteile beziehungsweise Dogmen den Nullpunkt seiner Kritik »zu weit oben« an, wodurch er in der Untersuchung des Reichs des transzendentalen Subjektes nicht gründlich genug sei. So stoße Kant nicht zum radikalen Erkenntnisproblem vor, es fehle Kant der echte Begriff des Apriori aufgrund von anti-platonischen und formalrationalistischen Vorurteilen, auch fehle es ihm am Begriff der phänomenologischen Reduktion oder Kant vermenge Noesis und Noema et cetera. Dennoch stehen auf der anderen Seite solcher zahlreichen Vorwürfe auch etliche Ähnlichkeiten und Kongruenzen. So hält Husserl etwa an der transzendentalen Deduktion, der transzendentalen Subjektivität, der Unterscheidung zwischen transzendentaler Analytik und Ästhetik oder der Unterscheidung zwischen analytischem und synthetischem Apriori fest – um nur die auffal-
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lendsten Parallelen zu nennen –, wobei er freilich meist Änderungen an diesen Theoremen vornimmt. 150 Vielleicht wird die Zukunft sich darin einigen, daß die tiefsinnigen Dunkelheiten der Theorien Kants, die doch als Anzeichen einer nicht letztwissenschaftlichen Begründung gelten können, ihren bestimmten Grund darin haben, daß Kant, von der Wolff ’schen Ontologie her gekommen, auch in der transzendentalen Einstellung ontologisch interessiert blieb. […] Sosehr er erste Tiefblicke in das Apriori des sinngebenden Bewußtseinslebens und der Zusammenhänge von Sinngebung und Sinn selbst getan hat, so erkennt er doch nicht, daß seine Transzendentalphilosophie sich nicht so verengen läßt, wie er es glaubte tun zu können, und daß eine radikal klare, also radikale wissenschaftliche Durchführung einer solchen Philosophie nur möglich ist, wenn das konkret volle Bewußtseinsleben und – leisten nach allen seinen korrelativen Seiten und ganz differenziert dem Studium unterworfen wird.151
Letzten Endes steht Husserl dem Kantianismus gegen Ende seiner Karriere jedoch eher wohlwollend gegenüber. Zum Beispiel »schreibt 1925 der Phänomenologe [Husserl, MB] an den Neukantianer [Cassirer, MB], daß er sich ›oft und tief‹ mit dem zweiten Band der ›Philosophie der symbolischen Formen‹ beschäftige und sich freue, daß Cassirer den Kantianismus um ›phänomenologische Motive‹ bereichert habe«.152 Seine abschließenden Betrachtungen zu Kant finden sich in seinem letzten großen Werk, der 1936 veröffentlichten Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie – Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie. Wien gewinnt ein drittes Mal Bedeutung für Husserl, denn er bereitet diesen Text in seinen letzten drei Vorträgen vor, die er in Prag und in Wien hält. Bereits zwangsbeurlaubt führt er seine Arbeit im Rahmen von Vorträgen auf bekannten europäischen Universitäten öffentlich weiter. Zunächst in Paris an der Sorbonne, wo er kurz nach Fertigstellung seiner Formalen und Transzendentalen Logik die Grundgedanken seiner Phänomenologie präsentiert und abschließend in den Cartesianischen Meditationen zu Papier bringt. Gegen Ende seiner diversen Vortragstätigkeiten in London oder Amsterdam sowie einigen anderen europäischen Städten präsentiert er die ersten Gedanken zur Krisis. Zunächst lädt ihn 1934 Emanuel Rdl zum VIII. Internationalen Philosophie Kongress nach Prag ein, wo eine Vorstufe seines Wiener Vortrages in gekürzter Fassung vorgelesen wird, da Husserl sich nicht beteiligen kann. Diese Abhandlung ist die Keimzelle für besagte KrisisSchrift, deren erster Teil der umgearbeitete Wiener Vortrag – gehalten am 7. und 10. Mai des Jahres 1935 – werden wird (inklusive einer kleinen Erweiterung, die Husserl im Herbst 1935 in Prag persönlich vorträgt). Im Titel der Krisis-Schrift nennt Husserl seine Phänomenologie explizit transzendentale Phänomenologie, womit er bereits signalisiert, sich als in Tradition der Transzendentalphilosophie stehend zu begreifen. Innerhalb der Krisis präzisiert Husserl sein Verhältnis zu Kant im Rahmen seiner teleologischen
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Abb. 14: Edmund Husserl, Kant und die Idee der Transcendentalphilosophie. Nach einer Festrede gehalten bei der Kantfeier der Universität Freiburg i. Br. (1. Mai 1924)
Betrachtung der Philosophiegeschichte: das Ideal der Objektivität der europäischen Wissenschaften entfremdet den Menschen zusehends von seiner Lebenswelt. Eine Philosophie, welche die eigentliche Wahrheit des Menschen aufzudecken sucht, muss ihre Letztbegründung in den anonymen Strukturen dieser Lebenswelt suchen und mithin im Subjekt des Menschen und nicht in den
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Objekten der Welt. Descartes kommt es zu, als Erster das transzendentale Subjekt als begründende Instanz entdeckt zu haben. Kants Entwurf folgt dieser Entdeckung und bietet als transzendentales Begründungssystem eine Alternative zum objektivistischen Wissenschaftsideal. Husserl selbst versucht mit seiner Phänomenologie ein solches System einer transzendentalen beziehungsweise subjektiven Letztbegründung zum Abschluss zu bringen und sieht sich insofern philosophiegeschichtlich in direkter Linie mit Descartes und Kant. In Husserls eigenen Worten: »die Philosophengenerationen verbindende Einheit [enthält, MB] eine Ausgerichtetheit auf eine Endform der Transzendentalphilosophie – als Phänomenologie«.153
Heideggers metaphysische Kant-Auslegung – Vernunft und Hermeneutik der Faktizität von Philipp Schmidt Martin Heidegger wurde am 26. September 1889 in Meßkirch geboren.154 Nach Abbruch seiner Priesterausbildung setzte er sein Studium der Philosophie sowie der Natur- und Geisteswissenschaften an der Universität Freiburg fort, das er 1913 mit seiner Dissertation Über die Lehre des Urteils im Psychologismus abschloss. Im Jahre 1915 folgte seine Habilitationsschrift Die Kategorien- und Bedeutungslehre des Duns Scotus, welche der Neukantianer Heinrich Rickert begutachtete. Vor seiner Berufung 1923 nach Marburg war Heidegger als Privatdozent und privater Assistent Edmund Husserls in Freiburg tätig. Wenige Jahre nach seiner Berufung, 1927, erschien sein erstes Hauptwerk Sein und Zeit. In dem darauffolgenden Jahr übernahm er den Lehrstuhl Edmund Husserls in Freiburg. Im Jahre 1930 lehnte Heidegger einen ersten Ruf nach Berlin ab. Drei Jahre später, 1933, erhielt er einen weiteren Ruf nach Berlin sowie nach München, welchen er in beiden Fällen nicht annahm. Noch im selben Jahr trat er kurze Zeit nach seiner Wahl zum Rektor der Universität Freiburg der NSDAP bei. Allerdings erfolgte bereits im nächsten Jahr sein Rücktritt von diesem Amt aufgrund von Differenzen in Fakultätsangelegenheiten mit Regierungs- und Parteivertretern. In der Nachkriegszeit wurde Heidegger 1946 seitens der französischen Besatzungsmacht ein Lehrverbot erteilt. Nachdem er 1949 lediglich als »Mitläufer« beurteilt wurde, stimmte jedoch die Militärregierung einer Emeritierung Heideggers zu, welche 1951 erfolgte. Daraufhin nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf. Es schlossen sich bis zu seinem Lebensende mehrere Vortragsreisen an, die ihn nach Frankreich, Griechenland und auch nach Wien führten. Dort hielt er am 24. Oktober 1956 an der Universität Wien den Vortrag Der Satz vom Grund155 und am 11. Mai 1958 im Wiener Burgtheater den Vortrag Dichten und Denken.156 Am 26. Mai 1976 starb Heidegger in Meßkirch.
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Abb. 15: Martin Heidegger
Martin Heidegger gilt als einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts, ist jedoch aufgrund seiner Involvierung im Dritten Reich umstritten.157 Die Debatte um einen möglichen Zusammenhang zwischen seiner politischen Haltung und seinem philosophischen Denken ist 2014 seit der Veröffentlichung seiner Denktagebücher aus den dreißiger Jahren, die den Titel Schwarze Hefte158 tragen, neu aufgeflammt.159 Unbestreitbar dagegen ist der Einfluss, den Heideggers Œuvre auf die Philosophie des 20. Jahrhunderts und seine ProtagonistInnen ausübte. Unter den vielen DenkerInnen der verschiedensten Denktraditionen sind vor allem Jean-Paul Sartre und der französische Existenzialismus, der Dekonstruktivismus Jaques Derridas’, Hans-Georg Gadamers Hermeneutik, Michel Foucault, Emmanuel Levinas, Maurice Merleau-Ponty, Paul Ricœur und Hannah Arendt hervorzuheben.160 Der Phänomenologie und Lebensphilosophie verpflichtet und die Ontologie im Auge, zielt Heideggers Denken auf eine Kritik der abendländischen Metaphysik ab, welcher er vorwirft, die Frage nach dem Sinn von Sein nicht gestellt zu haben. In seinem frühen Hauptwerk Sein und Zeit widmet er sich vor diesem Hintergrund der Aufgabe, den Sinn von Sein durch eine Analytik des Daseins, zu dessen existenzialer Struktur wesentlich Seinsverständnis gehöre, aufzudecken. Diese Analytik gestaltet sich als eine Hermeneutik der Faktizität, insofern sie bei dem Dasein in seiner immer schon historisch bestimmten Konkretion ihren Ausgang nimmt. In seiner späteren Philosophie, nach dem als »Kehre« bezeichneten Wandel,
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wendet sich Heidegger im Rahmen seines seinsgeschichtlichen Denkens von diesem frühen Ansatz ab, weil dieser noch zu sehr der tradierten, neuzeitlichen Subjektvorstellung verhaftet geblieben sei. Die kantische Philosophie beschäftigt Heidegger vor allem in seiner frühen Phase. Zwar stellt Kant in zahlreichen Texten und Vorlesungen in nahezu allen Schaffensperioden – wenngleich zumeist mit philosophiehistorischem Bezug, aber doch immer auch im Kontext systematischer Erwägungen – einen Referenzpunkt dar. Allerdings vollzog sich die intensivste Auseinandersetzung Mitte der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre, wovon vielfache Vorlesungen und Seminare Zeugnis ablegen. Anlässe für eine Beschäftigung mit der kantischen Philosophie gibt es für Heidegger viele. Allen voran steht die Untersuchung der theoretischen Philosophie der ersten Kritik und mit ihr die Frage nach der Möglichkeit der Metaphysik als Wissenschaft, der Erkenntnis und Erfahrung, nach der Bedeutung der transzendentalen Einbildungskraft, nach dem Begriff des Seins und der Welt sowie nach der Bestimmung des Subjekts als Erkenntnissubjekt.161 Aber auch Kants Lehre vom Schönen162 und das Verhältnis von transzendentaler und praktischer Freiheit163 sind Gegenstand seiner Reflexionen. Zunächst mutet diese umfassende Aufmerksamkeit, die Heidegger Kant insbesondere am Anfang seiner akademischen Karriere zuteilwerden lässt, seltsam an, entspringt sein Denken doch eher einer durch Orientierung an der Lebensphilosophie eines Nietzsche, Kierkegaard oder Dilthey motivierten Gegnerschaft zu Kant.164 Zudem setzte er sich beispielsweise bereits 1919 in seiner Vorlesung Zur Bestimmung der Philosophie kritisch mit den Neukantianern Natorp, Windelband sowie Rickert und dessen Kritik an Husserl, den er verteidigt, auseinander.165 Vor allem auch die Nähe zur Tradition von Aristoteles und Brentano bringen Heidegger eher in Distanz zu Kant. Diese kritische Haltung ist noch im ersten Teil von Sein und Zeit präsent. Zwar würdigt Heidegger Kant hier durchaus, insofern er »[d]er Erste und Einzige« gewesen sei, der »sich durch den Zwang der Phänomene selbst dahin drängen ließ«, die »Interpretation des Seins mit dem Phänomen der Zeit thematisch« zu verbinden. Allerdings habe Kant aufgrund der Übernahme des ungeprüften cartesianischen Verständnisses von Sein die Seinsfrage nicht gestellt. Damit einher ginge auch »das Fehlen einer thematischen Ontologie des Daseins«, sodass der »entscheidende Zusammenhang zwischen der Zeit und dem ›Ich denke‹«166 bei Kant keine Klärung finden konnte. In seinem zwei Jahre später erschienen »Kant-Buch« mit dem Titel Kant und das Problem der Metaphysik, das besondere Aufmerksamkeit verdient und in dem Heidegger die Erträge seiner Beschäftigung mit Kant der letzten Jahre in eine neue Form bringt, erhofft er in diesem nun gar einen »Fürsprecher für die von mir gestellte Seinsfrage«167 zu finden, wie er rückblickend im Jahre 1973
Heideggers metaphysische Kant-Auslegung
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Abb. 16: Martin Heidegger und Edmund Husserl
schreibt. Dieser Wandel, der bereits Otto Friedrich Bollnow in den frühen dreißiger Jahren Anlass für dessen Habilitationsvortrag bot, hatte mehrere Gründe. Zum einen hatte Heidegger im Wintersemester 1927/28 im Schematismus-Kapitel den Zusammenhang zwischen dem »Seinsproblem der überlieferten Metaphysik und dem Phänomen der Zeit«168 entdeckt. Zum anderen sah er die Seinsfrage in der Rezeption von Sein und Zeit verkannt, weshalb »Kants Text […] eine Zuflucht« wurde.169 Das Kant-Buch diente in diesem Sinne als Vorbereitung für den sich damals noch in Planung befindenden zweiten Teil von Sein und Zeit, welchen Heidegger aber niemals verfassen sollte. Es waren also durchaus systematische Gründe, die jetzt für eine Annäherung an Kant sprachen, wenngleich sich diese mehr als Herantragen der eigenen Fragestellung an dessen Werk gestaltete. Des Weiteren dürfte es zugleich Heideggers Hoffnung gewesen sein, durch die Ortung der Seinsfrage in Kants theoretischer Philosophie einerseits seinem Anliegen der ontologischen Frage im Kreise der domi-
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Kant und die Phänomenologie
nierenden neukantianisch geprägten Philosophie Gehör zu verschaffen und andererseits jener neukantianischen Auslegung von Kants Philosophie als Erkenntnistheorie eine metaphysische Deutung gegenüberzustellen. Außer Frage steht, dass Heidegger eine solche zur erkenntnistheoretischen Interpretation alternative Lesart Kants vorgelegt hat, deren Unterschied Bollnow anhand der zweifachen Auffassung des Möglichkeitsbegriffs auf den Punkt bringt: Die erste versteht die Möglichkeit der Erfahrung als äußere Möglichkeit, d. h. sie untersucht die Frage, ob eine Erfahrung der gewünschten Art möglich sei; was aber Erfahrung selbst ihrem Wesen nach ist, wird dabei schon immer als gegeben vorausgesetzt. Die zweite dagegen nimmt die Möglichkeit als innere Möglichkeit. Sie untersucht die Frage, wie eine Erfahrung möglich sei, d. h. sie sucht das Wesen der Erfahrung aus dem Ganzen des menschlichen In-der-Welt-seins zu erfassen und damit den Begriff der Erfahrung allererst zu bestimmen.170
In dieser Beschreibung wird deutlich, wie das hermeneutische Programm von Sein und Zeit – den Sinn des Seins über eine Analytik des Daseins und des ihm innewohnenden Seinsverständnisses freizulegen – mit Kants transzendentalphilosophischer Frage nach der Möglichkeit der Erfahrung kurzgeschlossen wird. Keine Rede mehr davon, dass eine Enthüllung der Seinsverfassung des Daseins bei Kant fehle. Vielmehr findet Heidegger nun in Kants Diktum, wonach sich die drei Grundfragen Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?171 letztlich auf die vierte Grundfrage Was ist der Mensch? beziehen,172 jene fundamentalontologische Grundbewegung seiner eigenen Hermeneutik der Faktizität wieder. Dabei verweist er auch auf Kants Bestimmung der Metaphysik als Naturanlage der menschlichen Vernunft. Denn der endlichen Vernunft sei nicht nur Transzendenz inhärent, sondern es ginge ihr auch im Sinne der in Sein und Zeit beschriebenen »Sorge« um das eigene Sein darum, der eigenen »Endlichkeit gerade gewiß zu werden«.173 Die metaphysische Veranlagung der menschlichen Vernunft besteht also zum einen in der Transzendenzstruktur, durch welche die reine Vernunft sich zum Seienden überschreitet, zum anderen in dem Bedürfnis, diese Struktur der eigenen Endlichkeit, das heißt das eigene Selbst aus- und somit freizulegen. Heidegger liest die kantische Grundlegung der Metaphysik als »Enthüllung der Transzendenz der Subjektivität«.174 In diesem Lichte wird nach Heidegger die Frage nach der Möglichkeit von Erfahrung beziehungsweise »ontologischer Erkenntnis« virulent. Ontologische Erkenntnis ist dabei nicht die Erkenntnis des Gegenstandes, sondern das »Gegenstehenlassen« selbst, das heißt jene transzendente Struktur, durch welche das Selbst sich zum Seienden hin überschreitet: »Die ontologische Erkenntnis ›bildet‹ die Transzendenz, d. h. das Offenhalten des Horizontes, der durch die reinen Schemata im vorhinein erblickbar ist. Diese ›entspringen‹ als ›transzendentales Produkt‹ der tran-
Heideggers metaphysische Kant-Auslegung
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szendentalen Einbildungskraft.«175 Entscheidend für die Kantauslegung Heideggers ist dabei sein Gedanke, dass, eigentlich konträr zu Kant, Erkennen primär Anschauung sei und dem Denken nur eine »Dienststellung zur Anschauung«176 einzuräumen sei. Wenn Heidegger also davon spricht, dass das ontologische Erkennen die Transzendenz bilde, so ist damit ein »Anblickverschaffen«177 des Horizontes gemeint, in dem mögliche Gegenstände in diesem anschaulich, das heißt bildhaft, werden können. »Der Transzendenzhorizont kann sich nur in einer Versinnlichung bilden.«178 Dabei handelt es sich bekanntermaßen um die Versinnlichung der reinen Verstandesbegriffe, die durch den Schematismus bewerkstelligt wird, wobei der reinen Einbildungskraft die schemabildende Rolle zukommt. Die Einbildungskraft wurde allerdings von Kant in der B-Auflage der Kritik der reinen Vernunft, anders als noch in der A-Auflage, in der sie als drittes Seelenvermögen neben Sinnlichkeit und Verstand bestimmt wurde, unter den Verstand subsumiert. Diesen Umstand wertet Heidegger als »Zurückweichen vor der transzendentalen Einbildungskraft«, in welcher die »ursprüngliche […] Wesensverfassung des Menschen«179 wurzele. Aufgrund dieser neuen Zuordnung ginge jetzt alle Synthesisleistung auf den Verstand zurück, wodurch Kant der zeitliche Charakter der Synthesen der transzendentalen Einbildungskraft nach Heidegger verborgen bleiben musste. Tatsächlich seien aber gerade die Leistungen der transzendentalen Einbildungskraft die versteckten, im Dunkeln vollzogenen Akte der Subjektivität, die es freizulegen gelte. Vor der Aufgabe einer Beleuchtung jenes »Abgrundes« sei Kant zurückgeschreckt, um das Fundament der reinen Vernunft als solches zu festigen, das nicht zuletzt für seine moralphilosophische Konzeption, die sich gegen einen subjektiv-relativierenden Empirismus wendete, als sicherer Boden dienen sollte: »Alle reine Synthesis und Synthesis überhaupt muß als Spontaneität dem Vermögen zufallen, das im eigentlichen Sinne frei ist, der handelnden Vernunft.«180 Heidegger dagegen fasst in Rekurs auf die A-Version der Kritik die transzendentale Einbildungskraft vielmehr als »Wurzel der beiden Stämme«,181 nämlich Sinnlichkeit und Verstand. Damit verknüpft bemüht er sich um die Ausleuchtung der Struktur jener »bildenden Mitte«,182 durch welche die Transzendenz der ontologischen Erkenntnis möglich wird. Dabei geht es Heidegger dann darum, den »inneren Zeitcharakter der transzendentalen Einbildungskraft«183 aufzuweisen. Somit kann er schließlich die These von Sein und Zeit am Ort des kantischen Projektes mutatis mutandis reformulieren: Die Auslegung der transzendentalen Einbildungskraft als Wurzel, d. h. die Aufhellung dessen, wie die reine Synthesis die beiden Stämme aus sich entwachsen läßt und sie hält, führte von selbst in die Verwurzelung dieser Wurzel zurück: zur ursprünglichen Zeit. Erst diese, als das ursprüngliche, dreifach-einigende Bilden von Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart überhaupt, ermöglicht das ›Vermögen‹ der reinen Synthesis,
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d. h. das, was sie vermag, nämlich die Einigung der drei Elemente der ontologischen Erkenntnis, in deren Einheit sich die Transzendenz bildet.184
Es ist die Zeit, die alle Erfahrung eines Seienden, mithin Seinsverständnis möglich macht, welches zur existenzialen Verfassung des Daseins als In-derWelt-sein gehört. Vor dem Hintergrund der Zeit eröffnet sich für das Selbst die Welt, in die es eingelassen ist, jener Horizont, in dem allererst Seiendes begegnen beziehungsweise Gegenstand werden kann. Hieran wird deutlich, wie stark sich die heideggersche Auslegung der Kritik von der neukantianisch-erkenntnistheoretischen unterscheidet und weshalb sie als »metaphysisch« zu bezeichnen ist. Nicht nur versteht er die »reine Vernunftwissenschaft« als das Projekt der metaphysica generalis, welche der Frage nach der »Erkenntnis des Seienden im allgemeinen«185 nachgeht, sondern interpretiert damit zusammenhängend die Untersuchung der endlichen Vernunft in fundamentalontologischem Lichte als »Metaphysik des Daseins«.186 Der durchaus eigenwilligen Kantauslegung Heideggers wurde in der Kant-Forschung überwiegend mit Ablehnung entgegengetreten, wobei dieser selbst einräumt, dem kantischen Text »Gewalt« zugefügt zu haben – zumindest aus der Perspektive der »historischen Philologie«.187 Es ist somit nicht verwunderlich, wenn Dieter Sturma ob der geringen Auseinandersetzung mit Heideggers Kant-Lektüre in der Forschung188 konstatiert, dass die »Kant-Forschung und HeideggerForschung bis heute nicht zusammengefunden«189 haben. Nicht zuletzt dürfte das wohl auch damit zusammenhängen, dass Heideggers Sicht auf Kant gemäß seiner eigenen Entwicklung, welche sich in einer Bewegung hin zu einem seinsgeschichtlichen Denken vollzog, durchaus mehrere Wandlungen durchmachte.190 Die Wirkung der von Heidegger in Kant und das Problem der Metaphysik angebotenen Lesart ist daher nur schwer zu bewerten.191 In jedem Fall schätzt Heidegger Sartres Lektüre der Übersetzung des 4. Abschnittes ins Französische als »entscheidend« ein, weil Sartre »von da [an]›Sein und Zeit‹ erst verstanden«192 habe. Tatsächlich ist also davon auszugehen, dass Heidegger sein Ziel, mit dem »Kant-Buch« eine Einführung in Sein und Zeit zur Verfügung zu stellen und damit die Seinsfrage zugänglich zu machen, erreicht hat. Sartre dürfte nämlich kein Einzelfall gewesen sein, sodass Heideggers Kant-Rezeption auf diese Weise eine – wenngleich kaum näher zu bestimmende, aber doch nicht unwesentliche – Rolle bei der Entfaltung der Wirkkraft, die von Heideggers Philosophie und Sein und Zeit ausging, zukam. Dass sich diese Wirkkraft nicht in Form von entsprechenden Bezugnahmen auf das Kant-Buch in der Sekundärliteratur widerspiegelt, erklärt sich gerade aus seinem inneren Anliegen: eine Einführung in Heideggers Denken zu sein. Selbst wenn seine Kant-Auslegung als fremde Aneignung zu bewerten ist und auch so bewertet wurde, kam damit doch
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zugleich Heideggers eigener Ansatz allererst in den Blick. Und so bot Heideggers Kant-Rezeption vor allem Anlass, sich mit seinem Ansatz zu beschäftigen. Eine andere Frage ist, welche Wirkung Heideggers Auseinandersetzung mit Kant auf sein eigenes Denken hatte. Zwar lässt sich gut zeigen, dass die stärkste Konfrontation in den Jahren nach dem Erscheinen von Sein und Zeit stattfand. Doch, dass Heidegger bereits vor dem Verfassen seines Hauptwerkes mit der Philosophie Kants ausreichend vertraut war, zeigen die zahlreichen Bezüge zu Kant, die sich bereits in der Vorlesung des Sommersemesters 1925,193 aber auch in Sein und Zeit selbst finden. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt Heideggers theoretische Position eher durch Distanz zu Kant charakterisiert gewesen sein mag, bleibt dieser im Sinne eines Abstoßungspunktes wesentlicher Bestandteil des Horizontes, in dem sich Heideggers Denken bewegt. Der österreichische Philosoph und Jesuit Emerich Coreth, der bis zu seiner Emeritierung 1989 an der Universität Innsbruck Ordinarius für Christliche Philosophie war, vertritt gar die Meinung, dass »dieser [Kant, PS], wenn auch meist verborgen, im Hintergrund des ganzen Heideggerschen Denkens (bleibt)«.194 Und so betont er, dass »Kants transzendentale Frage dem Denken Heideggers so wesentlich zugrunde [liegt], daß es nur von hier aus in seinem Problemansatz richtig verstanden werden kann«.195 Zwar stelle Heideggers Denken ohne Zweifel eine »Fortbildung« der »transzdentale[n] Fragestellung über Kant hinaus« dar, jedoch vollziehe »sich gerade darin eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit Kant – auch wenn er nicht genannt wird«.196 Allerdings muss dieser Aspekt der Kant-Rezeption Heideggers noch als unterbelichtet bezeichnet werden.
Hönigswalds Verhältnis zu Kant und zur Phänomenologie von Max Brinnich Richard Hönigswald (1875–1947) Richard Hönigswald wurde am 18. Juli 1875 in Ungarisch-Altenburg geboren.197 Er promovierte im Jahr 1902 in Wien im Fach Medizin. Nach einem Studium bei dem Brentano-Schüler Alexius Meinong in Graz sowie bei dem Neukantianer Alois Riehl in Halle promovierte er 1904 im Fach Philosophie mit der Dissertation Über die Lehre Hume’s von der Realität der Außendinge. Durch eine Habilitation in Breslau mit dem Titel Beiträge zur Erkenntnistheorie und Methodenlehre im Jahr 1906 erhielt er zunächst eine Dozentur und wurde später ebendort 1916 zum außerordentlichen, 1919 zum ordentlichen Professor der Philosophie berufen. 1930 folgte die Berufung zum ordentlichen Professor der Philosophie nach München, wo er während des Nationalsozialismus 1933 auf-
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grund seiner jüdischen Abstammung entlassen wurde. Eine kollegiale Intervention in Form einer Protestresolution scheiterte am Kultusministerium, das mehrere Gutachten einholte – darunter auch eines von Martin Heidegger –, die seine Entlassung befürworteten. Richard Hönigswald wurde 1938 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Gegen eine schriftliche Selbstverpflichtung, das Deutsche Reich zu verlassen, konnte er 1939 in die Vereinigten Staaten emigrieren. Dort endete seine wissenschaftliche Karriere, seine wissenschaftliche Tätigkeit setzte er bis zu seinem Lebensende fort. Er starb 1947 in New Haven. Zeit seines Lebens war Kant im Brennpunkt seiner Aufmerksamkeit. Mit dem Neukantianismus teilte er dabei das Interesse an Erkenntnisfragen, seine starke Orientierung an Kant brachte ihn aber auch in die Nähe zu und in den Konflikt mit der Phänomenologie.
Hönigswalds Bewunderung für Kant, seine Nähe zu Husserl und seine Feindschaft mit Heidegger Hönigswald war der Tradition des Neukantianismus sehr verbunden, besonders was seine Orientierung an geltungstheoretischen Fragen im problemgeschichtlichen Ausgang von Kant betrifft. Sein starkes Interesse an Kant öffnete ihn aber auch für Themenstellungen im Nahbereich der Phänomenologie, zu der er ein ambivalentes Verhältnis unterhielt: während er die Bemühungen der phänomenologischen Tradition des »Brentanoschen Kreises« schätzte, wenngleich sie nach seiner Ansicht auf halbem Wege stehen bleibt, kommt Heidegger nach seiner Ansicht über imposante Sprachspiele erst gar nicht hinaus. Hönigswald studierte bei Alexius Meinong, der ihn besonders mit der Frage nach dem Erleben, und bei Alois Riehl, der ihn stärker mit der Frage nach der Erkenntnis des Gegenstandes und mit Immanuel Kant konfrontierte.198 Das Nebeneinander dieser Fragestellungen war damals in der österreichischen phänomenologischen Tradition der Brentano-Schule etwa bei Meinong und Husserl noch stark präsent,199 im späteren Schulstreit zwischen Phänomenologie und Neukantianismus jedoch umstritten. Mit seinem Interesse am empirisch Gegebenen einerseits und an einer reinen Methodenlehre andererseits bewegt sich Hönigswald jedenfalls in einem Graubereich, was nicht zuletzt mit seiner Kant-Rezeption im Zusammenhang steht.200 In besagtem Schulstreit avanciert er dadurch gewissermaßen zum Grenzgänger. In seiner Geschichte der Erkenntnistheorie (1933) hält er fest: Man kann fortan [nach Kant, MB], und es zeigte sich schon an Kant selbst, von Erkenntnistheorie nur im Hinblick auf Ethik, Ästhetik, Religions- und Rechtsphilosophie sprechen. Darum ist sie auch nicht […] eine nur ›vorbereitende Disziplin‹,
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sondern die einheitliche Theorie aller Formen des Wahrheitsbestandes. Sie ist als Theorie der Erkenntnis auch […] ›Theorie‹ der Kultur.201
An dieser Darstellung der kantischen Philosophie ist sehr gut das Ineinander von neukantianischen und phänomenologischen Motiven bei Hönigswald zu sehen. Der phänomenologischen Tradition des »Brentanoschen Kreises« – worunter er Meinong, Stumpf, Marty und Husserl rechnet – kann Hönigswald durchaus Positives abgewinnen, er lobt deren Absicht auf eine Beschreibung des subjektiven Horizonts der Erfahrung.202 Doch der Phänomenologe, gemeint ist Husserl, »bleibt auf halbem Wege stehen«, ohne eine »Theorie des Objekts zu entfalten«.203 Hönigswald jedoch ist in neukantianischer Manier sehr daran interessiert, eine solche Theorie zu entfalten, und sucht in diesem Sinne eine Erkenntnislehre zu begründen, die selbst die ethischen, ästhetischen und religiösen Dimensionen der Subjektivität miteinschließt.204 Dieses Projekt macht ihn zu einem entschiedenen Gegner Heideggers: In neuester Zeit droht die Phänomenologie von einer hyperbolischen Entwicklung, nicht ohne dialektische Konsequenz und in einem unbeirrbaren Vertrauen auf die Erkenntniskräfte freier Wertkonstitution, gefährdet, wenn nicht erdrückt zu werden. […] Die Verbindung, die Martin Heidegger zwischen Lebens- bzw. Kulturphilosophie des ›Menschen‹, zwischen Ontologie und Phänomenologie zu stiften sucht, wird denn auch ihr erkenntnistheoretisches Recht, trotz einer vermeintlichen Auseinandersetzung mit Kant, erst noch zu erweisen haben. Ob man etwa einen solchen Rechtsnachweis in einer ›fundamentalontologischen‹ Erwägung von vornherein für überwunden hält, berührt die wissenschaftliche Erkenntnislehre nicht eher, als bis der Begriff der »Fundamentalontologie« selbst dem freien Spiel ›hermeneutischer‹ Formeln entrückt ist. Auch imposante Sprachschöpfungen […] oder Hinweise auf ›vorlogische‹ Schichten des Denkens ändern daran nichts.205
Diese Polemik gegen Heidegger aus dem Jahr 1933 ist Zeichen einer gegenseitigen, jedoch für die beiden nicht gleich verheerenden Feindschaft. Zunächst einmal steht sie jedoch im historischen Kontext des Schulstreits zwischen Phänomenologie und Neukantianismus, der sich in den Davoser Hochschuldisputationen von 1929 zuspitzte. Streitpunkt war damals besonders auch das Erbe Kants. In seiner Monografie Die Philosophie der Renaissance bis Kant setzt Hönigswald, ganz im neukantianischen Horizont, bereits 1922 die Aufgabenstellung der nachkantischen Philosophie mit der Geltungsfrage der Erkenntnis gleich. Er betont, dass, mag »auch diese oder jene kritische Sonderfrage schon vor Kant aufgetaucht sein […] – über sein Verhältnis zur Vergangenheit entscheiden alle diese Einzelheiten nicht«, denn [d]ie souveräne methodische Beherrschung des gesamten Gebietes möglicher Geltung durch eine einzige Fragestellung ist, was Kant über alle seine Vorläufer, mögen sie ihm auch zeitlich und persönlich noch so nahe gekommen sein, grundsätzlich hinaushebt – Mit Kant ersteht ein neues Prinzip philosophischer Fragestellung.206
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Abb. 17 (a): Martin Heidegger, Gutachten Hönigswald betreffend
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Abb. 17 (b): Martin Heidegger, Gutachten Hönigswald betreffend
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Heideggers Ausführungen in den späten 1920er Jahren, besonders in Sein und Zeit und Kant und das Problem der Metaphysik, widersprechen dieser Einschätzung diametral: sie verorten die nachkantische Fragestellung nicht im Zusammenhang von Geltungsfragen der Erkenntnis des Seienden, sondern die Geltung der Erkenntnis vielmehr im Horizont des Seienden.207 Die Differenzen der beiden Autoren in Fragen der Aufgabenstellung einer nachkantischen Philosophie sind programmatisch. Mit Heidegger droht die Phänomenologie aus der Perspektive von Hönigswald »hyperbolisch«, wie er sagt, und »nicht ohne dialektische Konsequenz« die Objektivität des Erkennens im Horizont des Phänomens der Subjektivität abzubilden.208 Umgekehrt muss Heidegger Hönigswalds Ansatz nicht weniger dialektisch als Neutralisierung des menschlichen Horizonts im Lichte einer dafür indifferenten Objektivität erscheinen. Das im Folgenden ausführlich zitierte Gutachten Heideggers über Hönigswald, das mitverantwortlich ist für dessen antisemitisch motivierte Entlassung zur Zeit des Nationalsozialismus, verdeutlicht den letzten Punkt: Hönigswald kommt aus der Schule des Neukantianismus, der eine Philosophie vertreten hat, die dem Liberalismus auf den Leib zugeschnitten ist. Das Wesen des Menschen wurde da aufgelöst in ein freischwebendes Bewußtsein überhaupt und dieses schließlich verdünnt zu einer allgemein logischen Weltvernunft. Auf diesem Wege wurde unter scheinbar streng wissenschaftlicher philosophischer Begründung der Blick abgelenkt vom Menschen in seiner geschichtlichen Verwurzelung und in seiner volkhaften Überlieferung seiner Herkunft aus Blut und Boden. Damit zusammen ging die bewusste Zurückdrängung jeden metaphysischen Fragens, und der Mensch galt nur noch als Diener einer indifferenten, allgemeinen Weltkultur. Aus dieser Grundeinstellung sind die Schriften und offensichtlich auch die ganze Vorlesungstätigkeit Hönigswalds erwachsen. / Es kommt aber noch hinzu, daß nun gerade Hönigswald die Gedanken des Neukantianismus mit einem besonders gefährlichen Scharfsinn und einer leerlaufenden Dialektik verficht. Die Gefahr besteht vor allem darin, daß dieses Treiben den Eindruck höchster Sachlichkeit und strenger Wissenschaftlichkeit erweckt und bereits viele junge Menschen getäuscht und irregeführt hat. Ich muß auch heute noch die Berufung dieses Mannes an die Universität München als einen Skandal bezeichnen, der nur darin seine Erklärung findet, daß das katholische System solche Leute, die scheinbar weltanschaulich indifferent sind, mit Vorliebe bevorzugt, weil sie gegenüber den eigenen Bestrebungen ungefährlich und in der bekannten Weise ›objektiv-liberal‹ sind. / Zur Beantwortung weiterer Fragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung. / Mit ausgezeichneter Hochschätzung! / Heil Hitler! Ihr sehr ergebener / Heidegger.209
Dieses Gutachten setzt der innerakademischen Auseinandersetzung zwischen Heidegger und Hönigswald, zu deren Streitpunkten das Erbe der kantischen Philosophie und die Reichweite der Phänomenologie zählen, ein außerakademisches Ende. Die Auseinandersetzung stand im Kontext eines Schulstreits, der nicht durch Heideggers vermeintlichen Sieg über den Neukantianismus in den
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Davoser Hochschuldisputationen,210 sondern mit seinem Engagement im Nationalsozialismus endete. Hönigswald war zwar ein entschiedener Gegner Heideggers. Der Phänomenologie in der österreichischen Tradition der BrentanoSchule stand er jedoch sehr nahe, was nicht zuletzt auf seine Kant-Rezeption zurückgeführt werden kann.
Endnoten
Kant und die Zensur 1 Siehe dazu: Johannes Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt. Von Bolzano über Freud zu Kelsen: Österreichische Wissenschaftsgeschichte 1848–1938. Bielefeld 2010, 151–161 und Werner Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration. Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie. Amsterdam 1982, 9–22. 2 Rudolf Haller, Gibt es eine österreichische Philosophie?, in: ders., Fragen zu Wittgenstein und Aufsätze zur Österreichischen Philosophie. Amsterdam 1986, 31–43, 38. Siehe auch: ders., Österreichische Philosophie, in: ders., Studien zur Österreichischen Philosophie. Variationen über ein Thema. Amsterdam 1979, 5–22. 3 Haller, Gibt es eine österreichische Philosophie? [Anm. 2], 38. 4 Rudolf Carnap, Hans Hahn, Otto Neurath, Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis, in: Otto Neurath, Wissenschaftliche Weltauffassung, Sozialismus und Logischer Empirismus, hg. v. Rainer Hegselmann. Frankfurt am Main 1979, 81–101, 81–84. 5 Otto Neurath, Die Entwicklung des Wiener Kreises und die Zukunft des Logischen Empirismus, in: ders., Gesammelte philosophische und methodologische Schriften, 2 Bde., Bd. 2, hg. v. Rudolf Haller, Heiner Rutte. Wien 1981, 673–702, 676. 6 Siehe dazu: Wolfgang Stock, Die Erfassung der österreichischen Nationalphilosophie im Rahmen der empirischen Metaphilosophie. Ein Beitrag zur Methode der Historiographie der Philosophie, in: Jnos Kristûf Nyri (Hg.), Von Bolzano zu Wittgenstein. Zur Tradition der österreichischen Philosophie. Wien 1986, 54–73, 55–56. 7 Otto Neurath, zitiert nach: Stock, Die Erfassung der österreichischen Nationalphilosophie [Anm. 6], 55. 8 Otto Neurath, Einheitswissenschaft und Psychologie, in: ders., Gesammelte Schriften [Anm. 5], Bd. 2, 587–610, 597, Anm. 3. 9 Siehe dazu: Harald Haslmayr, Geistige Hintergründe des Biedermeier, in: Clifford Bernd, Robert Pichl, Margarete Wagner (Hg.), The Other Vienna. The Culture of Biedermeier Austria. Österreichisches Biedermeier in Literatur, Musik, Kunst und Kulturgeschichte. Wien 2002, 285–296, 291. 10 Roger Bauer, Laßt sie koaxen, die kritischen Frösch in Preußen und Sachsen. Zwei Jahrhunderte Literatur in Österreich. Wien 1977, 25. 11 Roger Bauer, Der Idealismus und seine Gegner in Österreich. Heidelberg 1966, 12.
548 12
Endnoten
Rudolf Haller, Bernard Bolzano. Eine nicht gehaltene Rede zu seinem 200. Geburtstag, in: ders., Fragen zu Wittgenstein [Anm. 2], 44–54, 44. Siehe auch: ders., Gibt es eine österreichische Philosophie? [Anm. 2], 35. 13 Stock, Die Erfassung der österreichischen Nationalphilosophie [Anm. 6], 56. 14 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 15. 15 Robert Mühlher, Ontologie und Monadologie in der österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts, in: Joseph Stummvoll (Hg.), Die österreichische Nationalbibliothek. Festschrift zum fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläum des Generaldirektors Univ.-Prof. Dr. Josef Bick. Wien 1948, 488–504. 16 Herbert Seidler, Österreichischer Vormärz und Goethezeit. Geschichte einer literarischen Auseinandersetzung. Wien 1982. 17 Barbara Otto, Der sezessionierte Herbart. Wissenschaftsrezeption im Staatsinteresse zur Zeit Metternichs, in: Michael Benedikt, Reinhold Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung: Philosophie in Österreich von 1400 bis heute, Bd. 3: Bildung und Einbildung. Vom verfehlten Bürgerlichen zum Liberalismus. Philosophie in Österreich (1820–1880). Klausen-Leopoldsdorf 1995, 141–153, 144. 18 Haller, Gibt es eine österreichische Philosophie? [Anm. 2], 36. 19 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 16. 20 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 11–14. Siehe auch Reinhard Pitsch, Überlegungen zur Romantik in Österreich, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung [Anm. 17], Bd. 3, 199–212; Edgar Morscher, Brentano and His Place in Austrian Philosophy, in: Roderick Chisholm, Rudolf Haller (Hg.), Die Philosophie Franz Brentanos. Beiträge zur Brentano-Konferenz (Graz 4.–8. September 1977). Graz 1978, 1–9 und Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 158–159. 21 Franz Brentano, Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand nebst Abhandlungen über Plotinus, Thomas von Aquin, Kant, Schopenhauer und Auguste Comte, hg. v. Oskar Kraus. Leipzig 1926, 20. 22 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 13. 23 Rudolf Haller, Zur Historiographie der österreichischen Philosophie, in: Nyri (Hg.), Von Bolzano zu Wittgenstein [Anm. 6], 41–53, 47. 24 Haller, Gibt es eine österreichische Philosophie? [Anm. 2], 40. 25 Werner Sauer, Die verhinderte Kanttradition. Über eine Eigenheit der österreichischen Philosophie, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung [Anm. 17], Bd. 3, 303–317, 303. 26 Siehe dazu in diesem Band die Beiträge von Alexander Wilfing, Die frühe österreichische Kant-Rezeption – Von Joseph II. bis Franz II. und Die staatlich erwirkte Kant-Zensur – Von Franz II. bis Graf Thun-Hohenstein, 27–39. 27 Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 304 und 306. Siehe auch: Kurt Walter Zeidler, Der ›österreichische‹ Neukantianismus, in: Michael Benedikt, Endre Kiss, Reinhold Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung: Philosophie in Österreich von 1400 bis heute, Bd. 4: Anspruch und Echo. Sezession und Aufbrüche in den Kronländern zum Fin-de-SiÀcle. Philosophie in Österreich (1880–1920). Klausen-Leopoldsdorf 1998, 253–268. 28 Sepp Domandl, Wiederholte Spiegelungen. Von Kant und Goethe zu Stifter. Ein Beitrag zur österreichischen Geistesgeschichte. Linz 1982, 11.
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Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 151–161. Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 11. 31 Max Ortner, Kant in Österreich, in: Jahrbuch der Grillparzer Gesellschaft 14 (1904), 1–25, 17. 32 Karl Wotke, Kant in Österreich vor 100 Jahren. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie in Österreich, in: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 4 (1903), 289–305, 304. Siehe auch: Ortner, Kant in Österreich [Anm. 31], 19. 33 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 152. Siehe auch: Franz Fillafer, Rivalisierende Aufklärungen. Die Kontinuität und Historisierung des josephinischen Reformabsolutismus in der Habsburgermonarchie, in: Wolfgang Hardtwig (Hg.), Die Aufklärung und ihre Weltwirkung. Göttingen 2010, 123–168. 34 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 155–156. 35 Georg Jellinek, Die deutsche Philosophie in Österreich, in: ders., Ausgewählte Schriften und Reden, 2 Bde., Bd. 1, hg. v. Wilhelm Windelband. Berlin 1911, 55–68, 55–58. 36 Alfred Wieser, Die Geschichte des Fachs Philosophie an der Universität Wien 1848–1938. Dissertation Wien 1950, 235. 37 Ernst Topitsch, Kant in Österreich, in: Richard Meister (Hg.), Philosophie der Wirklichkeitsnähe. Festschrift zum 80. Geburtstag Robert Reiningers. Wien 1949, 236–254, 250. 38 Wieser, Die Geschichte des Fachs Philosophie [Anm. 36], 239–241. 39 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 161. 40 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 151–161. Siehe auch die einleitenden Bemerkungen von Alexander Wilfing, Kant und die »österreichische Philosophie, in diesem Band, 19–27. 41 Siehe dazu: Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 278 und Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 236–254, 239 und 243. 42 Stephan Barta, Die politisch verfolgten Professoren des österreichischen Vormärz, Dissertation. Wien 1966, 22–24 und Franz Fillafers Beitrag, Kant und die katholische Theologie im Vormärz, in diesem Band, 74–83. Weiters: Eduard Winter (Hg.), Der Bolzanoprozess. Dokumente zur Geschichte der Prager Karlsuniversität im Vormärz. Brünn 1944. 43 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 285. Siehe auch: Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 248. 44 Rudolf Haller, Zur Historiographie der österreichischen Philosophie, in: Nyri (Hg.), Von Bolzano zu Wittgenstein [Anm. 6], 41–53, 43. 45 Alexander Fixelmüller zitiert nach Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 33. 46 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 27. Siehe weiter : Haslmayr, Geistige Hintergründe des Biedermeier [Anm. 9], 285–296 und Hermann Blume, Romantische Naturphilosophie und »praktischer Idealismus«. Zur Entwicklung philosophischer Konzeptionen im Werk Ernst Freiherr von Feuchtersleben, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung [Anm. 17], Bd. 3, 383–388. 47 Werner Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität«. Die Geisteswissenschaften in Österreich zwischen josephinischer Aufklärung und franziszeischer Restauration, in: Hanna Schnedl-Bubenicˇek (Hg.), Vormärz. Wendepunkt und Herausforderung. Beiträge zur Literaturwissenschaft und Kulturpolitik in Österreich. Wien 1983, 17–46, 25–26. Siehe auch: Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 303–317, 307–308. 48 Silvester Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration. Metternichs Wissenschafts- und Pressepolitik und die Wiener »Jahrbücher der Literatur« (1818–1849). Tübingen 1977, 31. 30
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Endnoten
Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 46–47. Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität« [Anm. 47], 25. Siehe auch: Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration [Anm. 48], 35–36 und Ernst Wangermann, Aufklärung und staatsbürgerliche Erziehung. Gottfried van Swieten als Reformator des österreichischen Unterrichtswesens 1781–1791. Wien 1978. 51 Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 308. 52 Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration [Anm. 48], 40. 53 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 46–47. 54 Gottfried van Swieten zitiert nach Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität« [Anm. 47], 29. 55 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 132. Vgl. ebd., 155–190 und Eszter Deks Beitrag, Kant-Rezeption und Kant-Kritik in Ungarn am Ende des 18. Jahrhunderts – Die Lehrtätigkeit Anton Kreils, in diesem Band, 51–56. 56 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 108. 57 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 107–108 und 132. 58 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 133. 59 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 135. 60 Waltraud Heindl, Beamtentum, Elitenbildung und Wissenschaftspolitik im Vormärz, in: Schnedl-Bubenicˇek (Hg.), Vormärz [Anm. 47], 47–64, 55. 61 Hanna Schnedl-Bubenicˇek, Einleitung, in: dies. (Hg.), Vormärz [Anm. 47], 9–16, 9. 62 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 37. Siehe auch: Eduard Castle, Johann Nagl, Jakob Zeidler (Hg.), Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte, 4 Bde. Wien 1899–1937 und Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 122. 63 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 112. 64 Max Leyrer, Franz Paul Herbert und sein Kreis, in: Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins 66 (1962), 89–107. Siehe auch: Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 231–265; Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 239–240 und Franz Fillafers Beitrag, Ernst Topitsch und Kant, in diesem Band, 95–102. 65 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 39. Siehe auch: Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 129–134. 66 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 137. Siehe auch: Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 245 und Franz Fillafers Beitrag, Ernst Topitsch und Kant, in diesem Band, 95–102. 67 Sepp Domandl, Verdrängter und aufgeklärter Humanismus. Wiederholte Spiegelungen, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung [Anm. 17], Bd. 3, 367–379, 368. 68 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 109. Siehe auch: Ortner, Kant in Österreich [Anm. 31], 1–25, 5–6. 69 Domandl, Verdrängter und aufgeklärter Humanismus [Anm. 67], 368. 70 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 39. Siehe auch: Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 239. 71 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 39. Siehe auch: Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 242 und Ortner, Kant in Österreich [Anm. 31], 16. Siehe weiter : Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 140–141 und 191 sowie Olga Rings Beitrag, Lazarus Bendavid – Ein Autodidakt lehrt Kant in Wien, in diesem Band, 47–51. 50
Kant und die Zensur 72
551
Haller, Bernard Bolzano. Eine nicht gehaltene Rede zu seinem 200. Geburtstag [Anm. 12], 44–54, 44. Siehe auch: Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 303–307. 73 Siehe etwa: Oskar Sashegyi, Zensur und Geistesfreiheit unter Joseph II. Beitrag zur Kulturgeschichte der habsburgischen Länder. Budapest 1958. 74 Siehe etwa: Donald Daviau, Biedermeier. The Happy Face of the Vormärz Era, in: Bernd u. a. (Hg.), The Other Vienna [Anm. 9], 11–27. Siehe auch Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration [Anm. 48]. 75 Walter Obermaier, Zensur im Vormärz, in: Tino Erben (Hg.), Bürgersinn und Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815–1848. Wien 1988, 622–627, 622f. 76 Paul Bernard, From the Enlightenment to the Police State. The Public Life of Johann Anton Pergen. Illinois 1991. 77 Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration [Anm. 48], 35–36. 78 Ernst Wangermann, Von Joseph II. zu den Jakobinerprozessen. Wien 1966. 79 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 286–293. 80 Peter Miotti zitiert nach Lechner, Gelehrte Kritik und Restauration [Anm. 48], 27. 81 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 291. 82 Erich Zöllner, Geschichte Österreichs. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien 1990, 385. 83 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 110f. 84 Zöllner, Geschichte Österreichs [Anm. 82], 385. Siehe dazu auch: Paul Bernard, Jesuits and Jacobins: Enlightenment and Enlightened Despotism in Austria. Urbana 1971. 85 Wynfrid Kriegleder, Die literarische Romantik in Österreich, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung [Anm. 17], Bd. 3, 213–226, 216. Siehe auch: Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 40 und Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 282. 86 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 107–108. 87 Ruth Melkis-Bihler, Politische Aspekte der Schubertzeit, in: Walther Dürr, Siegfried Schmalzriedt, Thomas Seyboldt (Hg.), Schuberts Lieder nach Gedichten aus seinem literarischen Freundeskreis. Auf der Suche nach dem Ton der Dichtung in der Musik. Frankfurt am Main 1999, 81–96, 91. Siehe auch: Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität« [Anm. 47], 17–46, 31. 88 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 153. 89 Franz II. zitiert nachSauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 118. 90 Helmut Lang, Die Zeitschriften in Österreich zwischen 1815 und 1880, in: Herbert Zeman (Hg.), Die Österreichische Literatur. Ihr Profil im 19. Jahrhundert (1830–1880). Graz 1982, 13–21. 91 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 283. 92 Nuntius Severoli zitiert nach Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 236–254, 243. 93 Peter Miotti zitiert nach Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 283. 94 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 42. 95 Graf Clary zitiert nach Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität« [Anm. 47], 31. 96 Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 303–317, 309. 97 Heinrich Rottenhan zitiert nach Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 309. Siehe auch: Susanne Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität. Innsbruck 1986, 94–96.
552 98
Endnoten
Wotke, Kant in Österreich vor 100 Jahren [Anm. 32], 289–305. Heinrich Rottenhan zitiert nach Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität« [Anm. 47], 34. 100 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 43–45; 124–126; 126–130. Siehe auch: Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 292–299. 101 Wotke, Kant in Österreich vor 100 Jahren [Anm. 32], 295. 102 Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 241. 103 Sauer, Von der »Kritik« zur »Positivität« [Anm. 47], 35. 104 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 299. 105 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 52. 106 Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 242. Siehe auch: Eduard Hosp, Zwischen Aufklärung und katholischer Reform. Jakob Frint, Bischof von St. Pölten, Gründer des Frintaneums in Wien. Wien/München 1962. 107 Domandl, Verdrängter und aufgeklärter Humanismus [Anm. 67], 367–379, 369. Siehe auch: Erika Rüdegger, Die philosophischen Studien an der Wiener Universität 1800 bis 1848, Dissertation. Wien 1964. 108 Siehe dazu etwa: Salomon Frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz. Beiträge zur Geschichte der österreichischen Unterrichtsreform. Wien 1893; Hans Lentze, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo Thun-Hohenstein. Wien 1962; Christoph Thienen-Adlerflycht, Graf Leo Thun im Vormärz. Grundlagen des böhmischen Konservativismus im Kaisertum Österreich. Wien 1967 und Kurt Walter Zeidlers Beitrag, Herbartianismus – Rembold, von Thun und Hohenstein, Exner, Zimmermann, in diesem Band, 39–47. 109 Siehe dazu etwa: Werner Ogris, Die Universitätsreform des Ministers Graf Leo ThunHohenstein. Festvortrag anläßlich des Rektoratstages im Großen Festsaal der Universität Wien am 12. März 1999. Wien 1999. Siehe auch: Preglau-Hämmerle, Die politische und soziale Funktion der österreichischen Universität [Anm. 97], 101–107. 110 Domandl, Verdrängter und aufgeklärter Humanismus [Anm. 67], 369. 111 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 278. 112 Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 28], 42. 113 Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 239 und 243. 114 Otto, Der sezessionierte Herbart [Anm. 17], 141–153, 144. 115 Obermaier, Zensur im Vormärz [Anm. 75], 623. 116 Zöllner, Geschichte Österreichs [Anm. 82], 385. 117 Siehe dazu: Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 278. Vgl.: Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 243. 118 Vgl. url: https://monuments.univie.ac.at/index.php?title=Denkmal_Leo_Graf_Thun_ und_Hohenstein (Letzter Zugriff: 9. 3. 2015). 119 Frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz [Anm. 108]. 120 Siehe Andreas Hoeschen, Lothar Schneider, Herbartianismus im 19. Jahrhundert. Umriss einer intellektuellen Konfiguration, in: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hg.), Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit. München 2006, 447–477. 121 Eduard von Bauernfeld, Aus Alt- und Neu-Wien, in: ders., Gesammelte Schriften von Bauernfeld, Bd. 12. Wien 1873, 8f.
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Kant und die Zensur 122
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Hugo Rokyta, Vincenz Weintridt. Der ›österreichische Bolzano‹. Leben und Werk eines Repräsentanten des Vormärz in Österreich und Mähren. Wien 1998. 123 Bauernfeld, Aus Alt- und Neu-Wien [Anm. 121], 9ff. 124 Bauernfeld, Aus Alt- und Neu-Wien [Anm. 121], 10. 125 Jane Regenfelder, Der sogenannte ›Bolzano-Prozeß‹ und das Wartburgfest, in: Helmut Rumpler (Hg.), Bernard Bolzano und die Politik. Wien 2000, 154. 126 Robert Zimmermann, Ungedruckte Briefe von und an Herbart, in: Robert Zimmermann (Hg.), Ungedruckte Briefe. Wien 1877, XI. 127 Bauernfeld, Aus Alt- und Neu-Wien [Anm. 121], 12f. 128 Bauernfeld, Aus Alt- und Neu-Wien [Anm. 121], 17f. 129 Frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz [Anm. 108], 4. 130 Frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz [Anm. 108], 26, 76. 131 Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten über Allerhöchsten Befehl dargestellt von dem k.k. Ministerium für Kultus und Unterricht. Wien 1853, 20, 23. Zitiert nach: Elmar Schübl, Harald Heppner (Hg.), Universitäten in Zeiten des Umbruchs. Wien 2011, 18f. 132 Sauer, Die verhinderte Kanttradition [Anm. 25], 313. 133 Franz Exner, Die Psychologie der Hegelschen Schule. Leipzig 1842, 107f. 134 Exner, Die Psychologie der Hegelschen Schule [Anm. 133], 111. 135 Robert Zimmermann, Anthroposophie im Umriss. Entwurf eines Systems idealer Weltansicht auf realistischer Grundlage. Wien 1882, VIIIf. 136 Vgl. Robert Zimmermann, Leibnitz’ Monadologie. Deutsch mit einer Abhandlung über Leibnitz’ und Herbart’s Theorien des wirklichen Geschehens. Wien 1847; ders., Leibnitz und Herbart. Eine Vergleichung ihrer Monadologien. Wien 1849. 137 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 123ff. 138 Zimmermann, Leibnitz und Herbart [Anm. 136], 120. Vgl. ders., Leibnitz’ Monadologie [Anm. 136], 121f. 139 Vgl. Zimmermann, Leibnitz und Herbart [Anm. 136], 130, 148. 140 Zimmermann, Leibnitz und Herbart [Anm. 136], 7. 141 Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1], 130. 142 Bernard Bolzano, Wissenschaftslehre. Versuch einer ausführlichen und größtentheils neuen Darstellung der Logik, Bd. 1. Sulzbach 1837, § 21, 85. 143 Robert Zimmermann, Philosophische Propädeutik. Wien 21860, VII; Eduard Winter, Robert Zimmermanns philosophische Propädeutik und die Vorlagen aus der Wissenschaftslehre Bernard Bolzanos. Wien 1975. 144 Robert Zimmermann, Über Kant’s mathematisches Vorurtheil und dessen Folgen. Wien 1871, 13. 145 Robert Zimmermann, Aesthetik. Erster, historisch-kritischer Theil: Geschichte der Aesthetik als philosophischer Wissenschaft. Wien 1858; Zweiter, systematischer Theil: Allgemeine Aesthetik als Formwissenschaft. Wien 1865. 146 Georg Wolfgang Cernoch, Zimmermanns Grundlegung der Herbartschen Aesthetik: Eine Brücke zwischen Bolzano und Brentano, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung [Anm. 17], Bd. 3, 681–715.
554 147
Endnoten
Vgl. Dominique Bourel, Eine Generation später : Lazarus Bendavid (1762–1832), in: Michael Albrecht, Eva Engel, Norbert Hinske (Hg.), Moses Mendelssohn im Kreise seiner Wirksamkeit. Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung. Tübingen 1994, 363–380. 148 Vgl. Lazarus Bendavid, Selbstbiographie, in: Bildnisse jetzt lebender Gelehrten mit ihren Selbstbiographien, hg. v. Michael Siegfried Lowe. Berlin 1806, 1–72, 7 und auch url: http://www.haskala.net/autoren/bendavid01/autobiographie.html (Letzter Zugriff: 19. 5. 2015). 149 Bendavid, Selbstbiographie [Anm. 148], 22. 150 Bendavid, Selbstbiographie [Anm. 148], 34. 151 Bendavid, Selbstbiographie [Anm. 148], 52. 152 Moritz Veit, Lazarus Bendavid. Geb. den 18. Okt. 1762, gest. den 28. März 1832, in: Blätter für literarische Unterhaltung 199 (1832), 849f. und Heftnummer 200 (1832), 853f., 853. 153 Bendavid, Selbstbiographie [Anm. 148], 66 und auch url: http://www.haskala.net/au toren/bendavid01/autobiographie.html (Letzter Zugriff: 19. 5. 2015). 154 Lazarus Bendavid, Vorlesungen über die Critik der reinen Vernunft. Wien: 1975, 3. 155 Bendavid, Critik der reinen Vernunft [Anm. 154], 3. 156 Bendavid, Critik der reinen Vernunft [Anm. 154], 3. 157 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 195. 158 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 197. 159 Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1], 195. 160 Karl Rosenkranz, Geschichte der Kant’schen Philosophie, hg. v. Steffen Dietzsch. Berlin, 1987, 265. 161 Veit, Lazarus Bendavid [Anm. 152]. 162 Vgl. url: http://www.jewish-archives.org/nav/classification/11220 (Letzter Zugriff: 19. 5. 2015). 163 Heinrich Heine, Ludwig Markus, in: ders., Säkularausgabe, Bd. 10. Berlin/Paris 1979, 223. 164 Siehe B¦la Puknszky, Kant elso˝ magyar követo˝ i ¦s ellenfelei [Die ersten Anhänger und Gegner Kants in Ungarn], in: Protestns Szemle 5–6 (1924), 294–303; Lszlû Horkay, Kant elso˝ magyar követo˝ i [Die ersten Anhänger Kants in Ungarn], in: Jûzsef Szauder, Andor Tarnai (Hg.), Irodalom ¦s felvilgosods. Budapest 1974, 202–228. Andrs M¦szros, A filozûfia Magyarorszgon. A kezdetekto˝ l a 19. szzad v¦g¦ig [Die Philosophie in Ungarn. Von den Anfängen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts]. Pozsony 2000. 208–116. 165 Horkay, Kant elso˝ magyar követo˝ i [Anm. 164], 201. 166 M¦szros, A filozûfia Magyarorszgon [Anm. 164], 102. 167 M¦szros, A filozûfia Magyarorszgon [Anm. 164], 105. 168 Anton Kreil, Über die wissenschaftliche Maurerey, in: Journal für Freymaurer 7 (1785), 49–78; Anton Kreil, Geschichte des pythagoräischen Bundes, in: Journal für Freymaurer 5 (1785), 3–28; Anton Kreil, Geschichte der Neuplatoniker, in: Journal für Freymaurer 6 (1785), 5–51; Anton Kreil, Über die eleusinischen Mysterien, in: Journal für Freymaurer 10 (1786), 5–42. Über Kreil und die wissenschaftliche Maurerei siehe Jan Assmann, Die Zauberflöte. Oper und Mysterium. München 2005, 100–105, 151, 157, 198, 216, 222. 169 Vgl. Magyar Tudomnyos Akad¦mia Könyvtrnak K¦zirattra [Handschriftenabteilung der Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften], M. Irod. Lev. 4 r. 154. Siehe auch: Schedius Lajos levelez¦se [Briefwechsel von Ludwig Schedius], hrsg., einge-
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leitet u. kommentiert von Eszter Dek in der Reihe Magyarorszgi Tudûsok Levelez¦se (Commercia Litteraria Eruditorum Hungariae) mit Unterstützung von OTKA K 100446 [Ungarischer Förderungsfonds der Wissenschaftlichen Forschung], Handschrift. 170 Anton Kreil an Ludwig Schedius am 16. 8. 1796, in: Magyar Tudomnyos Akad¦mia Könyvtrnak K¦zirattra [Anm. 169]. 171 Anton Kreil an Ludwig Schedius am 16. 8. 1796, in: Magyar Tudomnyos Akad¦mia Könyvtrnak K¦zirattra [Anm. 169]. 172 M¦szros, A filozûfia Magyarorszgon [Anm. 164], 102. 173 M¦szros, A filozûfia Magyarorszgon [Anm. 164], 108. 174 Vgl. Burkhard Ellegast, Aufklärerische Gedanken in den österreichischen Stiften am Beispiel Melks, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 115 (2004), 283–368; Sepp Domandl, Die Kantrezeption in Österreich, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie 19 (1987), 7–45, 13–14; Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 236–253, 238, 245; Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1]. 175 Vgl. Johannes Frimmel, Literarisches Leben in Melk. Ein Kloster im 18. Jahrhundert im kulturellen Umbruch. Wien/Köln/Weimar 2005, 148–150, 149, 187. 176 Vgl. Wilfried Kowarik, Art. Reyberger, in: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Österreichisches Biographisches Lexikon 1818–1950, Bd. 9. Wien 1988, 104. 177 Domandl, Die Kantrezeption in Österreich [Anm. 174], 14. 178 Frantisek Kopecky´, Moraltheologie im aufgeklärten theresianisch-josephinischen Zeitalter. Sittliche Bildung und Ausgestaltung der Morallehre zum eigenständigen systematischen Lehrfach. St. Ottilien 1990, 261. 179 Gutachten Christoph Kardinals Fürsterzbischofs zu Wien, AVA Acta 24C Theol. Mor., 206 ex Dezembri 1801, fol 71r–72v, 71v. 180 Rechtfertigung des Professor Reyberger gegen die ihm allergnädist mitgetheilten Bemerkung über sein Lehrbuch der Moraltheologie, AVA Acta 24C Theol. Mor. fol. 86v. 181 Anton Reyberger, Systematische Anleitung zur christlichen Sittenlehre oder Moraltheologie. Wien 1794, 211; vgl. auch 130; Kant, KpV, AA V, 126–127. 182 Vgl. Kopecky´, Moraltheologie im aufgeklärten theresianisch-josephinischen Zeitalter [Anm. 178], 273–278, 290–293; Eduard Hosp, Die josephinischen Lehrbücher der Theologie in Österreich, in: Theologisch-praktische Quartalschrift 105/3 (1957), 195–214, 203–205, 212–214 und Erik Adam, Merkwürdigkeiten. Die Erziehungsphilosophie Vincenz Eduard Mildes im Kontext zeitgenössischer Strömungen, in: Ines Maria Breinbauer, Gerald Grimm, Martin Jäggle (Hg.), Milde revisited. Vincenz Eduard Mildes pädagogisches Wirken aus der Sicht der modernen Erziehungswissenschaft. Wien 2006, 39–54, 38–41. 183 Stark gekürzte Fassung des zuerst in Werner Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 1] erschienenen Beitrags. 184 Vgl. Max Braubach, Die katholischen Universitäten Deutschlands und die französische Revolution: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft, XLIX (1929), 263–303. Robert Haaß, Die geistige Haltung der katholischen Universitäten Deutschlands im 18. Jahrhundert. Freiburg im Breisgau 1952. Georg Huber, Graf von Benzel-Sternau und seine »Dichterischen Versuche über Gegenstände der kritischen Philosophie«, in: Kant-Studien 11 (1906), 1–39. Karl Vorländer, Immanuel Kant. Der Mann und das Werk. 2 Bde. Hamburg 1977, Bd. 1, 425ff., II, 242ff. 185 Vgl. Huber, Graf von Benzel-Sternau [Anm. 184], 14. Vgl. auch Haaß, Die geistige Haltung [Anm. 184], 89ff.
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Endnoten
Vgl. Vorländer, Immanuel Kant [Anm. 184]. Siehe ferner : Roger Bauer, Der Idealismus [Anm. 11], 12ff.; John Edwin Gurr, The Principle of Sufficient Reason in some Scholastic Systems 1750–1900. Milwaukee 1959, 59ff. und Karl Werner, Geschichte der katholischen Theologie. Seit dem Trienter Concil bis zur Gegenwart. München 1866, 173ff., 225ff., 259ff., 282ff. 187 Vgl. Helmut Mathy, Die Universität Mainz 1477–1977. Mainz 1977, 160ff. 188 Vgl. Oswald Külpe, Festrede zur Kant-Feier der Würzburger Universität am 12. Februar 1904, in: Joachim Kopper, Rudolf Malter (Hg.), Immanuel Kant zu ehren. Frankfurt am Main 1974, 174–200. 189 Matern Reuß, Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären?, in: Karl Gottlob Hausius (Hg.), Materialien zur Geschichte der kritischen Philosophie, in drei Sammlungen, nebst einer historischen Einleitung zur Geschichte der Kantischen Philosophie, photomechanischer Nachdruck. Düsseldorf 1969, 1. Sammlung, 52–88; zit. 69. 190 Reuß, Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären? [Anm. 189], 69 Anm. 191 Reuß, Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären? [Anm. 189], 67. 192 Reuß, Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären? [Anm. 189], 81. 193 Vgl. Walter Del Negro, Die Pflege der Naturwissenschaft an der alten Universität: Universität Salzburg 1622–1962–1972. Festschrift. Salzburg 1972, 109–119, 112ff. Haaß, Die geistige Haltung [Anm. 184], 161f. Rupert Mittermüller, Beiträge zu einer Geschichte der ehemaligen Benedictiner-Universität in Salzburg. Salzburg 1889, 10ff. Magnus Sattler, Collectaneenblätter zur Geschichte der ehemaligen Benediktiner-Universität Salzburg. Kempten 1890, 410ff. 194 Vgl. Hans Wagner, Die Aufklärung im Erzstift Salzburg. Salzburg/München 1968. 195 Vgl. Karl O. Wagner, Die ›Oberdeutsche allgemeine Litteratur-Zeitung‹ in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 48 (1908), 89–221; siehe auch: 121f., 125 und die Bibliographie der Schriften Erhards in Johann Benjamin Erhard, Über das Recht des Volks zu einer Revolution und andere Schriften, hg. v. Hellmut G. Haasis. Frankfurt am Main 1976, 236ff. Zu Schelle vgl. Sattler, Collectaneenblätter [Anm. 193], 542ff. 196 Zit. nach Huber, Graf von Benzel-Sternau [Anm. 184], 14. 197 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 3 (1788), Sp. 1437–9; zit. 1438. 198 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 3 (1788), Sp. 1439. 199 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 3 (1788), Sp. 1785–97; zit. 1785. 200 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 3 (1788), Sp. 1788. 201 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 3 (1788), Sp. 1797. 202 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 1 (1791), Sp. 209–19; zit. 209. 203 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 2 (1793), Sp. 816–22; zit. 822. 204 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 2 (1796), Sp. 409–15; zit. 409. 205 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 1 (1799), Sp. 5–16. 206 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 1 (1799), Sp. 545–66; zit. 545. 207 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 1 (1790), Sp. 433–47; zit. 433. 208 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 1 (1790), Sp. 445. 209 Nach Wagner, Die »Oberdeutsche allgemeine Litteratur-Zeitung« [Anm 195], 163. 210 Oberdeutsche allgemeine Litteraturzeitung 2 (1799), Sp. 621–4, 761–5, 781–4.
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Ludwig Ernst Borowski, Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kants, in: Felix Gross (Hg.), Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von Zeitgenossen. Berlin 1912, 3–115, 106. 212 Augustin Schelle, Über den Grund der Sittlichkeit, in: Hausius (Hg.), Materialien zur Geschichte [Anm. 189], 3. Sammlung, 3–47; zit. 5f. 213 Schelle, Über den Grund der Sittlichkeit [Anm. 212], 8. 214 Schelle, Über den Grund der Sittlichkeit [Anm. 212], 39. 215 Schelle, Über den Grund der Sittlichkeit [Anm. 212], 46. 216 Augustin Schelle, Praktische Philosophie zum Gebrauch akademischer Vorlesungen, 2 Teile. Salzburg 1792–94, I, Vorerinnerung (unpaginiert). 217 Schelle, Praktische Philosophie [Anm. 216], 9, Anm., 48ff., 249f. 218 Vgl. Erich Adickes, German Kantian Bibliography, Neudruck. Würzburg 1967, 219, 292. Matthäus Fingerlos, Wozu sind Geistliche da?, 2 Bde., Bd. 2. Salzburg 1801, 91. Johannes Kamintius, Kant in Salzburg, in: Salzburger Jahrbuch für Philosophie, 10/11 (1966–67), 433–453, 449; Sattler, Collectaneenblätter [Anm. 193], 602ff. und Wagner, Die »Oberdeutsche allgemeine Litteratur-Zeitung« [Anm 195], 121. 219 Vgl. Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218]; Mittermüller, Beiträge zu einer Geschichte der ehemaligen Benedictiner-Universität [Anm. 193], 13. 220 Johann Evangelist Hofer, De Kantiana interpretationis lege. Salzburg 1800, bes. 12ff. Siehe auch: Sattler, Collectaneenblätter [Anm. 193], 655f. 221 Vgl. Del Negro, Die Pflege der Naturwissenschaft [Anm. 193], 114f. Sattler, Collectaneenblätter [Anm. 193], 518. 222 Vgl. Sattler, Collectaneenblätter [Anm. 193], 519ff. Werner, Geschichte der katholischen Theologie [Anm. 186], 252ff. 223 Ulrich Peutinger, Religion, Offenbarung und Kirche. In der reinen Vernunft aufgesucht. Salzburg 1795, 50. 224 Peutinger, Religion, Offenbarung und Kirche [Anm. 223]. 225 Peutinger, Religion, Offenbarung und Kirche [Anm. 223], 50. 226 Vgl. Sattler, Collectaneenblätter [Anm. 193], 517f. 227 Tiberius Sartori, Der Theolog nach dem Geiste der neuesten Litteratur und den Bedürfnissen der gegenwärtigen Zeit. Eine Schrift für junge Theologen auf Schulen und Universitäten. Salzburg 1796, 7. 228 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 8. 229 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 9f. 230 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 58. 231 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 60. 232 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 61f. 233 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 63f. 234 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 89f. 235 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 86. 236 Sartori, Der Theolog [Anm. 227], 91. 237 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218]. Wenn nicht anders angemerkt, richten sich die biographischen Angaben zu Fingerlos nach Kamintius, Kant in Salzburg [Anm. 218], 434ff.
558 238
Endnoten
Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie, 56 Bde. Leipzig u. München 1875–1912, Bd. 30, 340–342 und Wagner, Die »Oberdeutsche allgemeine Litteratur-Zeitung« [Anm 195], 167ff. 239 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 2, 88f. 240 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, iii; vgl. auch Kamintius, Kant in Salzburg [Anm. 218], 438ff. 241 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 8. 242 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 16. 243 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 52. 244 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 54. 245 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 62. 246 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 55. 247 Kant, RGV, AA VI, 154; Anm. Kant, MS, AA VI, 486ff. 248 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 63f. 249 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 84. 250 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 87. 251 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 100ff. 252 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 108. 253 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 109. 254 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 1, 109f. Für Kant vgl. KpV, AA V, 125f. 255 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 2, 52f. 256 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 2, 62. 257 Fingerlos, Wozu sind Geistliche da? [Anm. 218], Bd. 2, 69f. 258 Zit. nach Kamintius, Kant in Salzburg [Anm. 218], 450. 259 Borowski, Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kants [Anm. 211]. 260 Conrad Stang am 2. Oktober 1796 an Immanuel Kant, AA XII, 99. 261 Nach Kamintius, Kant in Salzburg [Anm. 218], 433f. 262 Kant, RGV, AA VI, 10. 263 Conrad Stang am 2. 10. 1796 an Immanuel Kant, AA XII, 100. 264 Vgl. Malahi Hacohen, Karl Popper. The Formative Years, 1902–1945: Politics and Philosophy in Interwar Vienna. Cambridge 2000, 58; siehe ferner Friedrich Stadler, Aspekte des gesellschaftlichen Hintergrunds und Standorts des Wiener Kreises am Beispiel der Wiener Universität, in: Hal Berghel u. a. (Hg.), Wittgenstein, the Vienna Circle, and Critical Rationalism. Wien 1979, 41–59. 265 Eduard Winter, Bernard Bolzano und sein Kreis, dargestellt mit erstmaliger Heranziehung der Nachlässe Bolzanos und seiner Freunde. Leipzig 1933. Zu Winter demnächst Franz L. Fillafer, Thomas Wallnig (Hg.), Josephinismus zwischen den Regimen. Eduard Winter, Fritz Valjavec und die zentraleuropäischen Historiographien im 20. Jahrhundert. Wien/Köln/Weimar 2015. 266 Vgl. kritisch Seidler, Österreichischer Vormärz und Goethezeit [Anm. 16], 71. 267 Robert Zimmermann, Philosophie und Philosophen in Oesterreich, in: ÖsterreichischUngarische Revue 6 (1888/1889), 177–208, 259–272, 189. 268 Vgl. Hosp, Zwischen Aufklärung und katholischer Reform [Anm. 106]. 269 Vgl. Norbert Fischer, Franz Bader (Hg.), Kant und der Katholizismus. Stationen einer wechselhaften Geschichte. Freiburg 2005; Josef Dobrovsky´, Prˇednsˇky o praktick¦ strnce v
Kant und die Zensur
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krˇestˇansk¦m nbozˇenstvi [= Vorlesungen u¨ ber das Praktische der christlichen Religion, 1787–1791], hg. v. Josef Volf, Milosˇ B. Volf, Josef Vrasˇtil. Praha 1948; Josef Tvrdy´, Vztahy Josefa Dobrovsk¦ho k filosofii [Josef Dobrovsky´s Beziehungen zur Philosophie], in: Bratislava 4 (1929), 276–295, 289; Wotke, Kant in Österreich vor 100 Jahren [Anm. 32; Ludwig Schönwald, Das Interesse an der Kantischen Philosophie und das Eindringen seiner Ideen nach Österreich im josephinischen und franzisceischen Zeitalter, handschriftliche Dissertation. Universität Wien 1914; Heinz Marquart, Matthäus Fingerlos (1748–1817). Leben und Wirken eines Pastoraltheologen und Seminarregenten in der Aufklärungszeit. Göttingen 1977. 270 Franz Leander Fillafer, Die Aufklärung in der Habsburgermonarchie und ihr Erbe. Ein Forschungsüberblick, in: Zeitschrift für historische Forschung 40 (2013), 35–97, 53–54. 271 Bernard Bolzano, Wissenschaftslehre [1834], in: ders., Gesamtausgabe, hg. v. Jan Berg, Bd. I/11. Stuttgart-Bad Canstatt 1985, § 29, 166–167, vgl. Jacob Schmutz, Der Einfluß der böhmischen Jesuitenphilosophie auf Bernard Bolzanos Wissenschaftslehre, in: Petronilla Cemus, Richard Cemus (Hg.), Bohemia Jesuitica, 1556–2006, 2 Bde., Bd. 1. Praha 2010, 603–615, hier 613, Anm. 47. Sigismund von Storchenau, Die Philosophie der Religion. Augsburg 1772, 68; ders., Abhandlung über die Materie, insoweit sie das Denkungsvermögen ausschließen soll, in: Beyträge zu verschiedenen Wissenschaften von einigen österreichischen Gelehrten. Wien 1775, 317–330. Vgl. Bernhard Jansen, Philosophen katholischen Bekenntnisses in ihrer Stellung zur Philosophie der Aufklärung, in: Scholastik 11 (1936), 1–51, 40. 272 Peter Simons, The Anglo–Austrian Analytic Axis, in: Jnos Kristûf Nyri (Hg.), From Bolzano to Wittgenstein: The Tradition of Austrian Philosophy. Wien 1986, 98–107. Barry Smith, Philosophie, Politik und wissenschaftliche Weltauffassung: Zur Frage der Philosophie in Österreich und Deutschland, in: Rudolf Haller (Hg.), Skizzen zur Österreichischen Philosophie. Amsterdam/Atlanta 2000, 1–22, 18. 273 Otto Neurath, Le d¦veloppement du Cercle de Vienne et l’avenir de l’empirisme logique. Paris 1935, 8–59. 274 Heinrich Rutte, Rudolf Haller, Gespräch mit Heinrich Neider, Wien. Persönliche Erinnerungen an den Wiener Kreis, in: Johann Christian Marek, Josef Zelger u. a. (Hg.), Österreichische Philosophen und ihr Einfluss auf die analytische Philosophie der Gegenwart I. Innsbruck/München/Graz/Gießen 1977, 21–42, 36. 275 Heinrich Gomperz, Ernst Mach (Nach einem am 26. Februar 1916 gesprochenen Nachrufe), in: Archiv für Geschichte der Philosophie 29 (1916), 321–328, 324. 276 Karl Wotke, Vincenz Eduard Milde als Pädagoge und sein Verhältnis zu den geistigen Strömungen seiner Zeit. Eine cultur- und quellengeschichtliche Einleitung in seine »Erziehungskunde«. Wien 1902. 277 Vgl. Sauer: Österreichische Philosophie [Anm. 1], 267–322. 278 Vgl. Franz Leander Fillafer, Hermann Bonitz. Philologe, Mitschöpfer der Universitätsreform, in: Mitchell G. Ash (Hg.), Die Universität Wien als Ort der Politik seit 1848, Teilband 1 von Mitchell G. Ash und Joseph Ehmer (Hg.), 650 Jahre Universität Wien, Bd. 2: Universität, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Göttingen/Wien 2015. 279 Fillafer, Franz von Zeiller und der Kantianismus in der Rechtswissenschaft, im vorliegenden Band, 83–94.
560 280
Endnoten
Lorenz Leopold Haschka am 24. 7. 1804 an Karl Leonhard Reinhold, zitiert nach Robert Kreil, Wiener Freunde, 1784–1808. Beiträge zur Jugendgeschichte der deutsch-österreichischen Literatur. Wien 1883, 83. 281 Carl Kübeck von Kübau, Tagebücher, hg. v. Max von Kübau, 2 Bde., Bd. I/1. Wien 1909, 53, 99. 282 Vgl. Fillafer, Franz von Zeiller, 83–94. 283 Vgl. Kant, KrV, B 595–B 670; Moritz Enzinger, Adalbert Stifters Studienjahre (1818–1830). Innsbruck 1950, 152–204. 284 Vgl. Ivo Cerman, Moral Anthropology of Joseph Nikolaus Windischgrätz, in: ders., Rita Krueger, Susan Reynolds (Hg.), The Enlightenment in Bohemia. Religion, Morality and Multiculturalism. Oxford 2011, 169–190; Martina Ondo Grecˇenkov, Windischgrätz a Condorcet. Prˇbeˇh jednoho osvcensk¦ho projektu [Windischgrätz und Condorcet: Geschichte eines aufgeklärten Projekts], in: Cˇesky´ cˇasopis historicky´ 107 (2009), 569–598. 285 Karl Wotke, Ein Beitrag zur Geschichte des Kantianismus in Österreich, in: Jahresbericht des öffentlichen Untergymnasiums in der Josefstadt 26 (1902/1903), 3–14; Pavel Krˇivsky´ (Hg.), Korespondence Jana Leopolda Haye, Josefa Frantisˇka Hurdalka a Augustina Zippa s Josefem Dobrovskym [Die Korrespondenz von Johann Leopold Hay, Josef Franz Hurdalek und Augustin Zippe mit Josef Dobrovsky´], in: Literarni archiv 5 (1970), 133–168. 286 Daniela Tinkov, Une Esp¦rance R¦volutionnaire en Moravie. L’Imaginaire Politique e Philosophique de Trois Cur¦s Francophiles (1790–1803), in: Annales Historiques de la R¦volution FranÅaise 84/370 (2012), 103–130, 113, 115. 287 Josef August Ginzel, Bischof Hurdlek, ein Charakterbild aus der Geschichte der böhmischen Kirche. Prag 1873, 9. 288 Reinhard Blänkner, Tugend, Verfassung, Zivilreligion. Normative Integration im aufgeklärten Liberalismus, in: Hubertus Buchstein, Rainer Schmalz-Bruns (Hg.), Politik der Integration: Symbole, Repräsentation, Institution. Festschrift für Gerhard Göhler zum 65. Geburtstag. Baden-Baden 2006, 339–367. 289 Vgl. Helmut Engelbrecht, Zur Problematik und zu den Aufgaben einer Milde-Biographie: Anregungen anläßlich der Wiederkehr des 200. Geburtstags des bedeutenden österreichischen Pädagogen, in: Festschrift des Bundesgymnasiums Krems zum Abschluß der Neugestaltung und Erweiterung des Schulgebäudes und zur Feier des 200. Geburtstages V. E. Mildes (1777–1853). Krems 1977, 63–110; Elisabeth Kovcs, Die Persönlichkeit des Wiener Fürst-Erzbischofs Vinzenz Eduard Milde im Spiegel der Historiographie, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 34 (1978), 218–238. 290 Gutachten über den gemeinschaftlichen Plan des Hof und Burgpfarrers Jakob Frint und des Hofkaplans und Pfarrers zu Wolfpaßing Vinzenz Milde, zur Veredelung des weiblichen Geschlechts, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Kaiser Franz Akten Karton 108; Gutachten der Studienhofkommission, 28. 3. 1821, Österreichisches Staatsarchiv Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv (ÖStA, AVA), Kultus und Unterricht 24 C. Phil. Erziehungskunde; Kaiser Franz am 27. 3. 1832 an Graf Mittrowsky, ÖStA AVA Studienhofkommission 24 E. 291 Vincenz Eduard Milde, Lehrbuch der allgemeinen Erziehungskunde zum Gebrauch öffentlicher Vorlesungen. Wien 1811–1813.
Kant und die Zensur 292
561
Horst Thom¦, Metaphorische Konstruktion der Seele. Zu Herbarts Psychologie und ihrer Nachwirkung, in: Andreas Hoeschen, Lothar Schneider (Hg.), Herbarts Kultursystem. Perspektiven der Transdisziplinität im 19. Jahrhundert. Würzburg 2001, 69–82, 74. 293 Christiane Ruberg, Wie ist Erziehung möglich? Moralerziehung bei den frühen pädagogischen Kantianern. Rieden 2009, 178; Hildgard Holtstiege, Die Pädagogik Vincenz Eduard Mildes. Wien 1971, 86–216. 294 Vgl. Brigitte Mazohl-Wallnig, Bolzanisten und die österreichische Universitätsreform, in: Helmut Rumpler (Hg.), Bernard Bolzano und die Politik. Staat, Nation und Religion als Herausforderungen für die Philosophie im Kontext von Spätaufklärung, Frühnationalismus und Restauration. Wien/Köln/Graz 2000, 221–246, 241. 295 Zimmermann, Philosophie und Philosophen in Österreich [Anm. 267], 189. 296 Jakob Frint, Handbuch der Religionswissenschaft fu¨ r die Candidaten der Philosophie [1806–1814], 4 Bde., Bd. II/2. Triest/Wien 21812, 375. 297 Frint, Handbuch [Anm. 296], Bd. I, 11806, 193. 298 Josef Calasanz von Likawetz (1773–1850), vgl. Werner M. Bauer, Philosophischer Zeitgeist. Adalbert Stifter und die Elementa Philosophiae des Josef Calasanz Likawetz, in: Harmut Laufhütte, Alfred Doppler u. a. (Hg.), Stifter und Stifterforschung im 21. Jahrhundert. Tübingen 2007, 67–84; Franz Loidl, Johann Michael Leonhard (1782–1863), in: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Österreichisches Biographisches Lexikon [Anm. 176], Bd. 5. Wien 1970, 143–144. 299 Vgl. Wolfgang Röd, Die Philosophie der Neuzeit, 3/1: Kritische Philosophie von Kant bis Schopenhauer. München 2006, 158–160. 300 Wilhelm T. Krug, System der praktischen Philosophie. 3 Bde., Bd. 2: Tugendlehre. Königsberg 1817–1819, § 9, 40–42, Anm. 1; Josef Calasanz von Likawetz, Elementa Philosophiae in usum Auditorum Philosophiae adumbrata, 5 Bde., Bd. 4. Graz 1818–1820, § 40, weiters Bd. 3, § 117, 199–201; Bd. 4, §§ 9, 12, 65. Weiters Johann Michael Leonhard, Systematischer Religionsunterricht fu¨ r Kandidaten der Philosophie, 3 Bde., Bd. 3. Wien 1822, § 17; siehe weiters: Enzinger, Adalbert Stifters Studienjahre [Anm. 282], 183–189. 301 Siehe Johann Reikerstorfer, Anton Günther (1783–1863) und seine Schule, in: Emerich Coreth, Walter M. Neidl, Georg Pfligersdorffer (Hg.), Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. Graz 1987, 266–284. 302 Anton Gu¨ nther, Nachträgliche Randglossen zu einigen Waidspru¨ chen der Gegenwart u¨ ber Vergangenes in der Geschichte europäischer Philosophie, in ders., Euristheus und Heracles: Meta-logische Kritiken und Meditationen. Wien 1843, 315–348, 335. 303 Gu¨ nther, Nachträgliche Randglossen [Anm. 302], 336. 304 Peter Knoodt, Anton Gu¨ nther. Eine Biographie, 2 Bde., Bd. 1. Wien 1881, 389–390. 305 Anton Günther, Ein Wort über den Vernunfthaß auf katholischem Gebiete, in: Zeitschrift für die gesammte katholische Theologie 3 (1852), 53–64. 306 E. [Franz Egerer?], Kants Nachzügler, in: Wiener Kirchenzeitung 1850, 517. 307 Vgl. Eduard Winter, Maria Winter (Hg.), Domprediger Johann Emanuel Veith und Kardinal Friedrich Schwarzenberg. Der Günther-Prozess in unveröffentlichten Briefen und Akten. Wien 1972. 308 Gunter Wesener, Franz von Zeiller (1751–1828) – Leben und Werk, in: Joseph F. Desput, Gernot Kocher (Hg.), Franz von Zeiller. Symposium der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz und der Steiermärkischen Landesbibliothek am 30. November 2001 aus Anlass der 250. Wiederkehr seines Geburtstages. Graz 2003, 67–91.
562 309
Endnoten
Vgl. Wilhelm Brauneder, Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der Österreichischen Monarchie, in: Gutenberg-Jahrbuch 62 (1987), 205–254. 310 Christian Neschwara, »… kein Rechtsgelehrter Österreichs hat sich so ungetheilten Ruhmes im In- und Auslande zu erfreuen gehabt, wie er!« Zur Geschichte des ZeillerDenkmals im Arkadenhof der Universität Wien, in: Markus Stepan, Helmut Gebhardt (Hg.), Zur Geschichte des Rechts. Festschrift für Gernot Kocher zum 65. Geburtstag. Graz 2007, 277–290. 311 Herbert Kalb, Grundrechte und Martini – eine Annäherung, in Heinz Barta u. a. (Hg..), Naturrecht und Privatrechtskodifikation: Tagungsband des Martini-Colloquiums 1998. Wien 1999, 235–260, 252. 312 Vgl. Fillafer, Kant und die Katholische Theologie, im vorliegenden Band, 74–83. 313 Siehe Joachim Rückert, Kant-Rezeption in juristischer und politischer Theorie (Naturrecht, Rechtsphilosophie, Staatslehre, Politik) des 19. Jahrhunderts, in: Martyn P. Thompson (Hg.), John Locke und Immanuel Kant: historische Rezeption und gegenwärtige Relevanz. Berlin 1991, 144–215, 158; Jürgen Blühdorn, »Kantianer« und Kant. Von der Rechtsmetaphysik zur Wissenschaft vom »positiven« Recht, in: Kant-Studien 64 (1973), 363–394. 314 Vgl. John C. Laursen, The Subversive Kant. The Vocabulary of »Public« and »Publicity«, in: Political Theory 14 (1986), 584–603; Peter Burg, Kant und die Französische Revolution. Berlin 1974. Jüngst: Reidar Maliks, Kant’s Politics in Context. Oxford 2014. 315 Vgl. Werner Schubert (Hg.), Akademie fu¨ r Deutsches Recht 1933–1945: Protokolle der Ausschu¨ sse; Ausschuß fu¨ r Personen-, Vereins- und Schuldrecht: Unterausschuß fu¨ r Allgemeines Vertragsrecht. Berlin 1992, 235–236, sowie Einleitung, xxxiv–xxxv ; Gernot Heiß, Siegfried Mattl u. a. (Hg.), Willfährige Wissenschaft: Die Universität Wien 1938–1945. Wien 1989, 213, 313–314. 316 Ernst Swoboda, Das Allgemeine bu¨ rgerliche Gesetzbuch im Lichte der Lehren Kants: Eine Untersuchung der philosophischen Grundlagen des österreichischen bu¨ rgerlichen Rechts, ihrer Auswirkung im einzelnen und ihrer Bedeutung fu¨ r die Rechtsentwicklung Mitteleuropas. Graz 1926, 29, 30–33, 47, 61, 290; Moritz Wellspacher, Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bu¨ rgerlichen Rechte. Wien 1906, 121–124; ders., Das Naturrecht und das ABGB, in: Festschrift zur Jahrhundertfeier des allgemeinen bu¨ rgerlichen Gesetzbuches, 1. Juni 1911, 2 Bde., Bd. 1. Wien 1911, 173–207, 180–182; Arthur Steinwenter, Kritik am österreichischen bu¨ rgerlichen Gesetzbuch – einst und jetzt, in: ders., Recht und Kultur. Graz 1950, 60 Anm. 7; Heinrich Demelius, Kant, Zeiller, und das bürgerliche Gesetzbuch, in: Notariatszeitung 69 (1929), 20–21. 317 Gunter Wesener, Zeillers Lehre »von Verträgen überhaupt«, in: Walter Selb, Herbert Hofmeister (Hg.), Forschungsband Franz von Zeiller (1751–1828): Beiträge zur Gesetzgebungs- und Wissenschaftsgeschichte. Wien 1980, 248–268, 267. 318 Siehe Hans-Erich Bödeker, Istvn Hont, Naturrecht, Politische Ökonomie und Geschichte der Menschheit. Der Diskurs über Politik und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, in: Otto Dann (Hg.), Naturrecht, Spätaufklärung, Revolution. Hamburg 1995, 80–89. 319 Vgl. [Johann T. Sattler, Johann F. Mieg, Johann M. Absprung], Freymüthige Briefe an Herrn Grafen V. über den gegenwärtigen Zustand der Gelehrsamkeit der Universität und der Schulen zu Wien. Frankfurt/Leipzig 1774, 90, 93 Anm.; [Joseph Mader], Über einige Vorzüge des Naturrechts, des Herrn Karl Anton von Martini […]. Wien 1774, 31–35;
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Wolfgang Röd, Geometrischer Geist und Naturrecht. Methodengeschichtliche Untersuchungen zur Staatsphilosophie im 17. und 18. Jahrhundert. München 1970, 186; Christian Böhr, Erkenntnisgewißheit und politische Philosophie. Zu Christian Wolffs Postulat des philosophus regnans, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 36 (1982), 579–598, 583. 320 Christian Wolff, Philosopia rationalis, sive Logica […] Discursus Praeliminaris. Frankfurt/Leipzig 1728, § 7; ders., Vernünfftige Gedancken von der Menschen Thun und Lassen, zur Beförderung ihrer Glückseligkeit [1720], 4. verm. Aufl. Frankfurt/Leipzig 1733, § 23; Jan Schröder, Wissenschaftstheorie und Lehre der praktischen Jurisprudenz auf deutschen Universitäten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1979, 137. 321 Röd, Geometrischer Geist und Naturrecht [Anm. 319], 128. 322 Franz Freindaller, Über das Geschichtliche der göttlichen Offenbarung: Mit Beantwortung der von den Rationalisten aufgeworfenen Vorfrage: Ob es nicht besser gewesen wäre, im Falle Gott eine Offenbarung dem Menschen geben wollte, sie ohne Geschichte in einem bündigen Systeme mitzutheilen, in: Theologisch-Praktische Linzer-Monathschrift 7/1 (1812), 207–221, 7/2, 61–103, 194–225. 323 Kant, KrV, A 126–127. 324 Kant, KrV, B 303. 325 Kant, KrV, A 405. 326 Vgl. Thomas S. Hoffmann, Kant und das Naturrechtsdenken, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 87 (2001), 449–467. 327 Wolfgang Proß, Natur, »Naturrecht« und Geschichte. Zur Entwicklung der Naturwissenschaften und der sozialen Selbstinterpretation im Zeitalter des Naturrechts (1600–1800), in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der Literatur 3 (1978), 38–67, 45. 328 Kant, GMS, AA IV, 429. 329 Franz von Zeiller, Das natürliche Privatrecht. Wien 21808, § 3. 330 Jutta Brückner, Staatswissenschaften, Kameralismus und Naturrecht: Ein Beitrag zur Geschichte der Politischen Wissenschaft im Deutschland des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. München 1977, 213. 331 Kant, TP, AA VIII, 291. Vgl. Diethelm Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts. Paderborn 1976, 63–64, 136. 332 Herbert Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller. Erörterungen zu Zeillers Staatsrechtslehre anhand einer Vorlesungsmitschrift aus 1802, in: Societ Italiana di Storia del Diritto in onore di Bruno Paradisi (Hg.), Diritto e potere nella Storia Europea. Atti del quarto congresso internazionale della Societ Italiana di Storia del Diritto. Florenz 1982, 1007–1029, 1011 (Hobbes). 333 Zeiller, Das natürliche Privatrecht [Anm. 329], § 43. 334 Franz von Zeiller, Grundsätze der Gesetzgebung 1806/1809, in: Erik Wolf (Hg.), Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft. Frankfurt am Main 1949, 234–276, 243. 335 Joseph von Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung mit Rücksicht auf die Umstände und Begriffe der Zeit, Bd. 1. Wien 1798, 225. 336 Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung [Anm. 335], 211. 337 Siehe Kant, RL, AA VI, § 47, 315–316. 338 Siehe Kant, KrV, B 372.
564 339
Endnoten
Siehe Kant, SF, AA VII, 25. Kant, RL, AA VI, 318. 341 Ralf Dreier, Rechtsbegriff und Rechtsidee. Kants Rechtsbegriff und seine Bedeutung für die gegenwärtige Diskussion. Frankfurt am Main 1986. 342 Dreier, Rechtsbegriff und Rechtsidee [Anm. 341], 19. 343 Vgl. Matthew Levinger, Kant and the Origins of Prussian Constitutionalism, in: History of Political Thought 19 (1998), 241–263. 344 Kant, TP, AA VIII, 294. 345 Franz von Zeiller, Das natu¨ rliche Privat-Recht. Wien 1802, § 49 Anm. 346 Zeiller, Das natu¨ rliche Privat-Recht [Anm. 345], § 49. 347 Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller [Anm. 332], 1013. 348 Vgl. Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller [Anm. 332], 1026. 349 Zeiller, Das natürliche Privat-Recht [Anm. 345], § 50. 350 Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz von Zeiller [Anm. 332], 1018, 1025. 351 Reinhart Koselleck, Die Verzeitlichung der Begriffe [1997], in: ders., Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, hg. v. Carsten Dutt. Frankfurt am Main 2006, 77–85, 83. 352 Julius Ofner, Der Ur-Entwurf und die Berathungs-Protokolle des Österreichischen Allgemeinen bu¨ rgerlichen Gesetzbuches, 2 Bde., Bd. 1. Wien 1899, 6; vgl. ebd., Bd. 1, 23, 464 und Bd. 2, 542; Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz von Zeiller [Anm. 332], 1019–1020 (»Aussagen« und »Sanktionieren« der Rechte als Aufgaben des Gesetzgebers). 353 Zeiller, Das natürliche Privat-Recht [Anm. 345], § 49. 354 Ofner, Ur-Entwurf [Anm. 352], i, iii, §§ 1–8. 355 Franz Leander Fillafer, Escaping the Enlightenment. Liberal Thought and the Legacies of the Eighteenth Century, 1790–1848, Diss. Universität Konstanz 2012, 376. 356 Hans Barta, Martini–Colloquium: Begru¨ ßung und Einfu¨ hrung, in: Naturrecht und Privatrechtskodifikation, 15–92, 79, hierzu Wilhelm Brauneder, »Angst vor Napoleon!« Die Entstehung von § 16 ABGB: eine schaurige Geschichte, in: Zeitschrift fu¨ r Neuere Rechtsgeschichte 25 (2003), 291–294; Franz-Stefan Meissel, De l’esprit de mod¦ration – Zeiller, das ABGB und der Code Civil, in: Thomas Olechowski u. a. (Hg.), Grundlagen österreichischer Rechtskultur. Festschrift für Werner Ogris zum 75. Geburtstag. Wien 2010, 265–292. 357 Ofner, Ur-Entwurf [Anm. 352], Bd. 2, 471; Franz von Zeiller, Commentar über das allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie, Bd. 1. Wien 1811, § 16, Anm. 5, 106. 358 Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller [Anm. 332], 1024. 359 Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller [Anm. 332], 1021, § 26 erlaubte und unerlaubte Gesellschaften. 360 Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller [Anm. 332], 1022. 361 Hofmeister, Bürger und Staatsgewalt bei Franz v. Zeiller [Anm. 332], 1023. 362 Berthold Kupisch, Zeiller und die »Eingriffskondiktion« des § 1041 ABGB, in: Selb u. a. (Hg.), Forschungsband [Anm. 317], 134–152, 150–151. 363 Vgl. Wesener, Zeillers Lehre »von Verträgen überhaupt«, 266–267, Klaus Luig, Franz von Zeiller und die Irrtumsregelung des ABGB, in: Selb u. a. (Hg.), Forschungsband [Anm. 317], 153–166. 364 Zeiller, Das Natürliche Privat-Recht [Anm. 345], § 37. 340
Kant und die Zensur 365
565
Gerhard Luf, Zeiller und Kant. Überlegungen zu einem wissenschaftlichen Naheverhältnis, in: Heiner Bielfeldt u. a. (Hg.), Würde und Recht des Menschen. Festschrift für Johannes Schwertländer zum 70. Geburtstag. Würzburg 1992, 93–110. 366 Fillafer, Escaping the Enlightenment [Anm. 355], 331–350; Ofner, Ur-Entwurf [Anm. 352], Bd. 1, 213 (21. März 1803). 367 Kant, OP, AA XXI, 178; ders., VAZeF, AA XXIII, Loses Blatt F 23, 163. 368 Karl von Savigny, Der zehnte Mai 1788, in: Zeitschrift für die geschichtliche Rechtswissenschaft 9 (1838), 421–432. 369 Blühdorn, »Kantianer« und Kant [Anm. 313], 384. 370 Zeiller, Besprechung des »Code civil des FranÅais« [1804], in: ders., Vorbereitung zur neuesten Oesterreichischen Gesetzkunde im Straf- und Civil-Justiz-Fache, Bd. 1. Wien/ Triest 1810, 257. 371 Ofner, Ur-Entwurf [Anm. 352], Bd. 1, 47 (§§ 49–54), Heinz Mohnhaupt, Zeillers Rechtsquellenverständnis, in: Selb u. a. (Hg.), Forschungsband [Anm. 317], 167–179, 177. 372 Zeiller, Eigenschaften eines bürgerlichen Gesetzbuches, in: ders., Vorbereitung [Anm. 370], Bd. 1, 61–62. 373 Dieter Grimm, Das Verhältnis von politischer und privater Freiheit bei Zeiller, in: Selb u. a. (Hg.), Forschungsband [Anm. 317], 94–106, 101–104. 374 Bericht v. Johann Melchior von Birckenstock, Österreichisches Staatsarchiv, Wien, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Studienhofkommission, Nr. 25.360/1802, 265 ex Juni 1802, vgl. Gerhard Oberkofler, Die Verteidigung der Lehrbu¨ cher von Karl Anton von Martini (1726–1800) und Franz von Zeiller (1751–1828): Eine Studie u¨ ber das österreichische Juristenmilieu im Vormärz, in: ders., Studien zur Geschichte der österreichischen Rechtswissenschaft. Frankfurt am Main 1984, 9–78, 13; vgl. Wilhelm Brauneder, Leseverein und Rechtskultur. Der juridischpolitische Leseverein zu Wien 1840 bis 1990. Wien 1992, 16. 375 Fillafer, Escaping the Enlightenment [Anm. 355], 383. 376 Vgl. [Josef Unger?], Die Universitätsfrage in Österreich: Beleuchtet vom Standpunkte der Lehr- und Lernfreiheit. Wien 1853, 22; Josef Unger, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts I. Leipzig 1856, 71 Anm. 16, § 16. 377 Hans Lentze, Graf Thun und die voraussetzungslose Wissenschaft, in: Helmut MezlerAndelberg (Hg.), Festschrift Karl Eder zum siebzigsten Geburtstag. Innsbruck 1959, 197–209. 378 Rückert, Kant-Rezeption [Anm. 313], 191–194; ders., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny. Ebelsbach 1984, 364–368, 309–310, 99, 238, 495; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die historische Rechtsschule und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechts, in: Ernst-Wolfgang Böckenförde u. a. (Hg.), Collegium Philosophicum. Joachim Ritter zum 60. Geburtstag. Basel/Stuttgart 1965, 9–36, 16; Schröder, Wissenschaftstheorie und Lehre der praktischen Jurisprudenz [Anm. 320], 129 Anm. 268. 379 Ernst Topitsch, Stiller Widerstand in der »Universität unter dem Hakenkreuz«, in: ders., Im Irrgarten der Zeitgeschichte. Ein Kapitel zur politischen Theologie. Berlin 2003, 131–137; Hans Albert, Ein streitbarer Philosoph. Ernst Topitsch zum Gedächtnis, in: Aufklärung und Kritik Sonderheft 8 (2000), 7–14; Karl Acham, Sprachkritik – Weltanschauungsanalye – intellektuelle Selbstbesinnung. Eine Würdigung des Werks von Ernst Topitsch, in: Ernst Topitsch, Überprüfbarkeit und Beliebigkeit. Die beiden letzten Abhandlungen des Autors, hg. v. Karl Acham. Wien/Köln/Weimar 2005, 11–84.
566 380
Endnoten
Ernst Topitsch, Naturrecht im Wandel des Jahrhunderts, in: Aufklärung und Kritik 1/1 (1994), 1–13; ders., Das Problem des Naturrechts, in: Werner Maihofer (Hg.), Naturrecht und Rechtspositivismus. Darmstadt 1962, 159–177; Johannes Messner, Atheismus und Naturrecht. Ein Streitgespräch mit Ernst Topitsch, in: Neues Forum 13 (1966), 475–478, 607–611, 698–702; 14 (1967), 28–31, 360–362; vgl. Topitschs Einleitung von Hans Kelsen, Aufsätze zur Ideologiekritik. Neuwied/Berlin 1964, 11–27; sowie Hans Kelsen, Vergeltung und Kausalität (1941). Wien/Köln/Graz 1982. 381 Topitsch, Kant in Österreich [Anm. 37], 236–253. 382 Siehe Ernst Topitsch, Die Freiheit der Wissenschaft und der politische Auftrag der Universität. Berlin 1968 und Nikolai Wehrs, Protest der Professoren. Der »Bund Freiheit der Wissenschaft« in den 1970er Jahren. Göttingen 2014. 383 Ernst Topitsch, Die »Himmelsstadt« des Jürgen Habermas, in: ders., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 93–130; vgl. ders., Die Wissenschaftsauffassung Carl Schmitts, in: ders., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 44–92. 384 Jürgen Habermas, Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Schriften (1963). Frankfurt am Main 41971, 320. 385 Vgl. Ernst Topitsch, Über Leerformeln. Zur Pragmatik des Sprachgebrauches in Philosophie und politischer Theorie, in: ders. (Hg.), Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift für Victor Kraft. Wien 1960, 233–264; Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft. Tübingen 51991. 386 Vgl. Ernst Topitsch, Kosmos und Herrschaft. Ursprünge der »politischen Theologie«, in: Wort und Wahrheit 10 (1955), 19–30; ders., Die Wissenschaftsauffassung Carl Schmitts, 54; Friedrich Balke, Kreuzzug und Kartei. Carl Schmitt und die Juden, in: Neue Rundschau 111/3 (2000), 168–179. 387 Topitsch, Die »Himmelsstadt« [Anm. 383], passim; ders., Überprüfbarkeit und Beliebigkeit [Anm. 379], 119. 388 Ernst Topitsch, Gedichte aus dem Gästebuch von Hans Albert, in: Aufklärung und Kritik Sonderheft 8 (2000), 196–200. 389 Siehe dazu: Michael Benedikt, Reinhold Knoll, Franz Schwediauer, Cornelius Zehetner (Hg.), Verdrängter Humanismus – Verzögerte Aufklärung, Bd. 6: Auf der Suche nach authentischem Philosophieren. Philosophie in Österreich 1951–2000. Wien 2010. 390 Ernst Topitsch, Ein Blick zurück auf die geistige »Welt von gestern«, in: ders., Überprüfbarkeit und Beliebigkeit [Anm. 379], 85–104, 87. 391 Ernst Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie. Kant in weltanschauungsanalytischer Betrachtung (1975). Tübingen 21992, 211. 392 Vgl. Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 1]. 393 Sigmund Freud, Die Zukunft einer Illusion, in: ders., Gesammelte Werke, Bd. 14. London 1955, 339–340; Hans Kelsen, Vergeltung und Kausalität [Anm. 379], 92–94; Edgar Zilsel, Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft, hg. v. Wolfgang Krohn. Frankfurt am Main 1976, 66–68; Hans Reichenbach, Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie. Braunschweig 1968, 63–66. 394 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 4–27. 395 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 35. 396 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 37–39.
Kant und die Zensur 397
567
Robert Reininger, Kants Lehre vom inneren Sinn und seine Theorie der Erfahrung. Wien/Leipzig 1900, 20–21. Vgl. Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 89. 398 Reininger, Kants Lehre vom inneren Sinn und seine Theorie der Erfahrung [Anm. 397], 151–152. 399 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 104–114. 400 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 115–143. 401 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 217. 402 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 144–191. 403 Vgl. Victor Kraft, Mathematik, Logik und Erfahrung. Wien 21970, 10, 21–23. 404 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 218. 405 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 192–201. Vgl. auch Fillafer, Kant und die katholische Theologie des Vormärz, im vorliegenden Band, 74–83. 406 Topitsch, Die Voraussetzungen der Transzendentalphilosophie [Anm. 391], 215. 407 Vgl. Manfred Wetzel, Vorhut oder Nachhut? Über das so genannte harte Traktat gegen die Neue Linke, in: Die Zeit 10 (7. März 1969) und Wilhelm Weber, Ernst Topitsch, Das Wertfreiheitsproblem seit Max Weber, in: Zeitschrift für Nationalökonomie 13/2 (1951), 158–201. 408 Acham, Sprachkritik – Weltanschauungsanalye – intellektuelle Selbstbesinnung [Anm. 379], 42. 409 Herta Nagl-Docekal, Rudolf Langthaler (Hg.), Recht – Geschichte – Religion. Die Bedeutung Kants für die Gegenwart. Berlin 2004 (= Sonderband 9 der Deutschen Zeitschrift für Philosophie). 410 Herta Nagl-Docekal, Rudolf Langthaler, Vorwort, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 7–9, 7. 411 Jürgen Habermas, Die Grenze zwischen Glauben und Wissen. Zur Wirkungsgeschichte und aktuellen Bedeutung von Kants Religionsphilosophie, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 141–160. 412 Jürgen Habermas, Glauben und Wissen, in: ders., Glauben und Wissen. Frankfurt am Main 2001, 9–34. 413 Jürgen Habermas, Vorpolitische Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates?, in: Jürgen Habermas, Josef Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung. Freiburg 2005, 15–17. 414 Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 13–70. 415 Onora O’Neill, Self-Legislation, Autonomy and the Form of Law, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 13–26, 13. 416 O’Neill, Self-Legislation, Autonomy and the Form of Law [Anm. 415], 18. 417 Paul Guyer, Civic Responsibility and the Kantian Contract, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 27–47, 46. 418 Guyer, Civic Responsibility and the Kantian Contract [Anm. 417], 27–29. Dazu: Stanley Cavell, Conditions Handsome and Unhandsome: The Constitution of Emersonian Perfectionism. Chicago 1990. 419 Nagl-Docekal u. a.(Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 73–138. 420 Pauline Kleingeld, Kants Argumente für den Völkerbund, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 99–111, 99.
568 421
Endnoten
Sharon Anderson-Gold, Evil and Enlightenment in the Philosophy of Immanuel Kant, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 113–122, 121. 422 Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 141–217. 423 Reiner Wimmer, Kann Religion vernünftig sein? Zur Metakritik an Kants kritischer Religionsphilosophie, in: Nagl-Docekal u. a. (Hg.), Recht – Geschichte – Religion [Anm. 409], 173–194, 193–194.Wimmer zitiert aus: Charles Taylor, Die immantente Gegenaufklärung: Christentum und Moral, in: Ludwig Nagl (Hg.), Religion nach der Religionskritik. Wien/Berlin 2003, 60–85. 424 Siehe dazu: Peter Heintel, Die Bedeutung der Kritik der ästhetischen Urteilskraft für die transzendentale Systematik. Bonn 1970 (= Kant-Studien Ergänzungshefte, Bd. 99, leicht überarbeitete Wiener Habilitationsschrift); Hans-Dieter Klein, Formale und materiale Prinzipien in Kants Ethik, in: Kant-Studien 60 (1969), 183–197; Michael Benedikt, Kritische Erwägungen zur jüngeren englischsprachigen Kant-Literatur, in: Philosophische Rundschau 17 (1970), 1–27; Heimo Hofmeister, The Problem of Truth in the Critique of Pure Reason, in: Lewis W. Beck (Hg.), Proceedings of the Third International Kant Congress. Dordrecht 1972, 316–321; Wilhelm Lütterfelds, Kants Dialektik der Erfahrung. Meisenheim 1977. 425 Peter Heintel, Ludwig Nagl (Hg.), Zur Kantforschung der Gegenwart. Darmstadt 1981. 426 Peter Heintel, Vorwort, in: Heintel u. a. (Hg.), Zur Kantforschung der Gegenwart [Anm. 425], VII–VII, VII. 427 Siehe Jindrˇich Zeleny´, Zum Problemzusammenhang der Kantschen transzendentalen Logik und der materialistischen Dialektik, in: Heintel u. a. (Hg.), Zur Kantforschung der Gegenwart [Anm. 425], 429–442. 428 Im Original: S. Morris Engel, Wittgenstein and Kant, in: Philosophy and Phenomenological Research 30 (1970), 483–513, übers. v. Heinz Kolar. 429 Im Original: Martin J. Scott-Taggart, Recent Work on the Philosophy of Kant, in: American Philosophical Quarterly 3 (1966), 171–204, eigens für den Band Zur Kantforschung der Gegenwart [Anm. 425] ins Deutsche übersetzt von Heinrich Pfannkuch. 430 Siehe z. B. Rudolf Langthaler, Kants Ethik als System der Zwecke. Zu einer modifizierten Idee der »moralischen Theologie«. Berlin 1991 (= Kant-Studien Ergänzungshefte, Bd. 125); ders., Nachmetaphysisches Denken? Kritische Anfragen an Jürgen Habermas. Berlin 1997; ders., »Gottvermissen« – eine theologische Kritik der reinen Vernunft? Die neue Politische Theologie im Spiegel der Kantischen Religionsphilosophie. Regensburg 2000; Herta Nagl-Docekal, Die Objektivität der Geschichtswissenschaft. Wien/München 1982; dies. (Hg.), Der Sinn des Historischen. Frankfurt am Main 1996; dies., Feminist Ethics: How It Could Benefit from Kant’s Moral Philosophy, in: Robin May Schott (Hg.), Feminist Interpretations of Immanuel Kant. University Park 1997, 101–124. 431 Rudolf Langthaler, Herta Nagl-Docekal (Hg.), Glauben und Wissen. Ein Symposium mit Jürgen Habermas. Wien/Berlin 2007 (= Wiener Reihe. Themen der Philosophie, Bd. 13). 432 Jürgen Habermas, Replik auf Einwände, Reaktion auf Anregungen: I. Zur Kantischen Religionsphilosophie, in: Langthaler u. a. (Hg.), Glauben und Wissen, 366–414, auch als EBook erschienen. 433 Habermas, Replik auf Einwände [Anm. 432], 367–383. 434 Habermas, Replik auf Einwände [Anm. 432], 367.
Kant und Karl Leonhard Reinhold
569
435
Jürgen Habermas, Ein Symposium über Glauben und Wissen. Replik auf Einwände, Reaktion auf Anregungen, in: ders., Nachmetaphysisches Denken II. Berlin 2013, 183–237. 436 Siehe Maureen Junker-Kenny, Habermas and Theology. London/New York 2011; dies., Religion and Public Reason. A Comparison of the Positions of John Rawls, Jürgen Habermas and Paul Ricoeur. Berlin 2014. 437 Siehe z. B.: Christian Danz, Die Deutung der Religion in der Kultur. Aufgaben und Probleme der Theologie im Zeitalter des religiösen Pluralismus. Neukirchen-Vluyn 2008; Ludwig Nagl, Das verhüllte Absolute. Essays zur zeitgenössischen Religionsphilosophie. Frankfurt am Main u. a. 2010; Rudolf Langthaler, Geschichte, Ethik und Religion im Anschluß an Kant, 2 Bde. Berlin 2013; Herta Nagl-Docekal, Innere Freiheit. Grenzen der nachmetaphysischen Moralkonzeptionen. Berlin 2014; Johann Reikerstorfer, Weltfähiger Glaube. Theologisch-politische Schriften. Berlin 2008.
Kant und Karl Leonhard Reinhold 1
So Reinhold in einem Brief von Anfang November 1786 an Christian Gottlob von Voigt, in: Karl Leonhard Reinhold, Korrespondenzausgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, begründet v. Reinhard Lauth, Kurt Hiller, Wolfgang H. Schrader, Bd. 1: Korrespondenz 1773–1788, hg. v. Reinhard Lauth, Eberhard Heller und Kurt Hiller. Stuttgart-Bad Cannstatt 1983, 145–157, 153. 2 Zur Biographie Reinholds siehe: Ernst Reinhold, Erste Abtheilung. Karl Leonhard Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken, in: ders. (Hg.), Karl Leonhard Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken, nebst eines Auswahl von Briefen Kant’s, Fichte’s, Jacobi’s und andrer philosophirender Zeitgenossen an ihn. Jena 1825, 3–124, url: http://catalog.hathitrust.org/Record/009724178, (Letzter Zugriff: 22. 5. 2014); Reinhard Lauth, Nouvelles recherchessur Reinhold et l’Aufklärung, in: Archives de philosophie 41 (1979), 593–629; Werner Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration. Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie. Würzburg/ Amsterdam 1982, 57–106; Hermann Schüttler, Karl Leonhard Reinhold und die Illuminaten im Vorfeld der Französischen Revolution, in: Manfred Buhr, Hans Holz, Hans Sandkühler u. a. (Hg.), Republik der Menschheit: Französische Revolution und deutsche Philosophie. Köln 1989, 49–75; Alexander von Schönborn, Karl Leonhard Reinhold – eine annotierte Bibliographie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, 9–50; Horst Schröpfer, Karl Leonhard Reinhold – sein Wirken für das allgemeine Verständnis der »Hauptresultate« und der »Organisation des Kantischen Systems«, in: Norbert Hinske, Erhard Lange, Horst Schröpfer (Hg.), »Das Kantische Evangelium«. Der Frühkantianismus an der Universität Jena von 1785–1800 und seine Vorgeschichte, Ein Begleitkatalog. Stuttgart-Bad Cannstatt 1993, 101–120; Gerhard W. Fuchs, Karl Leonhard Reinhold – Illuminat und Philosoph. Eine Studie über den Zusammenhang seines Engagements als Freimaurer und Illuminat mit seinem Leben und philosophischen Wirken. Frankfurt am Main 1994. – Zur Primär- und Sekundärliteratur zu Reinhold siehe url: www.klreinhold.ch (Letzter Zugriff: 27. 10. 2014). 3 Siehe Karl Leonhard Reinhold, Gedanken über Aufklärung, in: Der Teutsche Merkur 3 (1784), 122–133, 125.
570 4
Endnoten
Siehe Martin Bondeli, Von Herder zu Kant, zwischen Kant und Herder, mit Herder gegen Kant – Karl Leonhard Reinhold, in: Marion Heinz (Hg.), Herder und die Philosophie des deutschen Idealismus. Amsterdam/Atlanta 1998, 203–234. 5 Siehe Karl Leonhard Reinhold, Schreiben des Pfarrers zu *** an den H. des T.M., in: Der Teutsche Merkur 1 (1785), 148–174, 164. 6 Siehe Karl Leonhard Reinhold, Ueber die Natur des Vergnügens, in: Der Teutsche Merkur 4 (1788), 61–79, 61. 7 Siehe Alexander Scharff, Das Kieler Studentische Ehrengericht 1793–1806. Eine gescheiterte Universitätsreform im Zeitalter der Aufklärung, in: Nordelbingen. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte 41 (1972), 141–175. 8 Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration [Anm. 2], 1982, 87. 9 Vgl. dazu Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2], 145. 10 Vgl. Reinhold, Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken [Anm. 2], 3. 11 Alle Informationen von der Website der Kirche von St. Anna, url: http://www.an nakirche.at (Letzter Zugriff: 20. 5. 2014). 12 So Reinhold in dem Brief vom 13. 9. 1773 an seinen Vater Karl Ägidius in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 3–8, 7. 13 Karl Leonhard Reinhold, Ehrenrettung der Lutherischen Reformation gegen zwey Kapitel in des K.K. Hofraths Herrn J. M. Schmids Geschichte der Teutschen nebst einigen Bemerkungen über die gegenwärtige katholische Reformation im Oesterreichschen. Jena 1789, »Vorbericht«; online unter url: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/ 28141/5/cache.off (Letzter Zugriff: 22. 5. 2014). 14 Reinhold, Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken [Anm. 2], 14f. 15 Vgl. Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2], 16. 16 Vgl. Werner Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration [Anm. 2], 45f.; vgl. Franz Martin Wimmer, Philosophiegeschichte in Österreich nach 1750, in: Michael Benedikt, Wilhelm Baum, Reinhold Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus, Verzögerte Aufklärung, Bd. 2: Österreichische Philosophie zur Zeit der Revolution und Restauration (1750–1820). Wien 1992, »Das Lehrbuch der wolffischen Schule«, 92–161, 121ff. 17 Vgl. Franjo Zenko, Fundamentalphilosophie und Protophysik: Die Kraft bei Ruder Josip Boskovic, in: Benedikt u. a. (Hg.), Österreichische Philosophie (1750–1820) [Anm. 16], 489–502, 501. 18 Edith Rosenstrauch-Königsberg, Freimaurerei im josephinischen Wien, Aloys Blumauers Weg vom Jesuiten zum Jakobiner. Wien 1975, 49, 56. 19 Siehe Wilhelm Baum: Wenzel Gottfried von Purgstalls Beziehungen zu Reinhold, Kant, Schiller und Goethe, in: Benedikt u. a. (Hg.), Österreichische Philosophie (1750–1820) [Anm. 16], 852–866, 854. 20 Vgl. Reinhold, Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken [Anm. 2], 17. 21 Vgl. Rosenstrauch-Königsberg, Freimaurerei im josephinischen Wien [Anm. 18] 53ff., 70. 22 Karl Leonhard Reinhold kurz vor dem 16. 4. 1783 an Aloys Blumauer, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 9–12, 9f. 23 Vgl. Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2], 25 und Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration[Anm. 2], 59 und 98 Anm.
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Vgl. Rosenstrauch-Königsberg, Freimaurerei im josephinischen Wien [Anm. 18], 49. Siehe Pierluigi Valenza: Wege des Realismus. Herder, Reinhold und Bardili im Vergleich, in: Marion Heinz (Hg.), Herders ›Metakritik‹. Analysen und Interpretationen. StuttgartBad Cannstatt 2013, 127–148, 128f. 26 Reinhold, Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken [Anm. 2], 20. 27 Vgl. Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2], 33. 28 Siehe Wilhelm Baum, Die Aufklärung in Jena und die Jakobiner in Österreich, in: Benedikt u. a. (Hg.), Österreichische Philosophie (1750–1820) [Anm. 16], 803–827, 812. 29 Zitiert nach: Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2], 32. 30 Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel Kant, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 271–276, 271. 31 Ignatz von Born am 19. 4. 1784 an Karl Leonhard Reinhold, in: Reinhold, Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 15–19, hier 15f. Siehe auch die älteren Ausgaben von Robert Keil: Wiener Freunde 1784–1808. Wien 1883; ders. (Hg.), Wieland und Reinhold. Original Mittheilungen, als Beiträge zur Geschichte des deutschen Geisteslebens. Leipzig/Berlin 1885. 32 Siehe Peter-Henning Haischer, Christoph Martin Wieland. Ein Weltbürger in Weimar. Weimar 2015. 33 Christoph Martin Wieland am 15. 5. 1785 an Johann Wilhelm Ludwig Gleim, in: Christoph Martin Wieland, Briefwechsel, 20 Bde., Bd. 8.2, hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin 1963–2007, 449–452, hier 451. 34 Dazu Hans Wahl, Geschichte des Teutschen Merkur. Ein Beitrag zur Geschichte des Journalismus im achtzehnten Jahrhundert. Berlin 1914; Thomas C. Starnes, Der Teutsche Merkur. Ein Repertorium. Sigmaringen 1994; Thomas Bach, Karl Leonhard Reinhold (1757–1823). Philosophie und Kulturmorphologie im Teutschen Merkur, in: Andrea Heinz (Hg.), ›Der Teutsche Merkur‹ – die erste deutsche Kulturzeitschrift? Heidelberg 2003, 254–275. 35 Karl Leonhard Reinhold am 26. 1. 1787 an Friedrich Nicolai, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 179–190, hier 183. 36 Siehe Jan Assmann, Die Mysterienbeiträge im Journal für Freymaurerey, in: ders., Religio duplex. Ägyptische Mysterien und europäische Aufklärung. Berlin 2010, 243–350. 37 Reinhold, Gedanken über Aufklärung [Anm. 3], 3–22, 122–133 u. 232–245. 38 Siehe Schüttler, Reinhold und die Illuminaten [Anm. 2], 49–75; Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2] Gothaer Illuminaten-Enzyklopädie Online url: http:// illuminaten-wiki.uni-erfurt.de (Letzter Zugriff: 28. 5. 2015). 39 Siehe Johann Joachim Christoph Bode, Journal von einer Reise von Weimar nach Frankreich im Jahr 1787, hg. v. Hermann Schüttler. Neuried 1994. 40 Horst Schröpfer, Schack Hermann Ewald (1745–1822). Ein Kantianer in der thüringischen Residenzstadt Gotha. Köln/Weimar/Wien 2015. 41 Vgl. z. B. Schack Hermann Ewald am 4. 10. 1790 an Heinrich Ludwig Jacob, in: Adolf Hasenclever, Ein ungedruckter Brief Schack Hermann Ewalds an Ludwig Heinrich Jakob vom 4. Oktober 1790, in: Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung (1917/18). Gotha 1918, 31–35. 42 Vgl. Karl Leonhard Reinhold Anfang November 1786 an Christian Gottlob Voigt, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 147–157; vgl. Schüttler, Reinhold und die Illuminaten [Anm. 2], Mitgliederverzeichnis. 25
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Reinhold, Schreiben des Pfarrers [Anm. 5], 148–174. Siehe Bondeli, Von Herder zu Kant [Anm. 4], 203–234; ders., Einleitung, in: Karl Leonhard Reinhold: Briefe über die Kantische Philosophie, 2 Bde. (Gesammelte Schriften. Kommentierte Ausgabe, Bd. 2/1–2), hg.v. Martin Bondeli. Basel 2007, VII–LXVI. Siehe Wolfgang Pross, Nachwort, in: Johann Gottfried Herder, Werke, hg. v. Wolfgang Pross, Bd. III/ 1: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. München/Wien 2002, 837–1041, bes. 1022ff. 45 Vgl. Horst Schröpfer, Kants Weg in die Öffentlichkeit. Christian Gottfried Schütz als Wegbereiter der kritischen Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003; Lutz-Henning Pietsch, Topik der Kritik. Die Auseinandersetzung um die Kantische Philosophie (1781–1788) und ihre Metaphern. Berlin/New York 2010, 48–52 u. 101–107. 46 Vgl. Ernst-Otto Onnasch, Einleitung, in: Karl Leonhard Reinhold, Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, mit einer Einleitung und Anmerkungen hg. von dems. Hamburg 2010, Teilband 1, LXf. 47 Karl Leonhard Reinhold Anfang November 1786 an Christian Gottlob Voigt in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 155. 48 Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel Kant, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 270–276, hier 271f. 49 Karl Leonhard Reinhold Anfang November 1786 an Christian Gottlob Voigt, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 153. 50 Siehe die Einleitungen zu Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/1; ders., Briefe über die Kantische Philosophie, Bd. 1. Leipzig 1790 (= OA) und ders., Briefe über die Kantische Philosophie Zweyter Band, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 2/ 2; ders.: Briefe über die Kantischen Philosophie, Bd. 2. Leipzig 1792 (= OA). 51 Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/1, 70; OA 104. 52 Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/1, 112; OA 170. 53 Kant, KrV, A 751f. 54 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/1, 94; OA 141. 55 Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/1, 86–89; OA 131–135. 56 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 33; OA 38. 57 Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 71. 58 Siehe Karl Leonhard Reinhold, Ueber die Teutschen Beurtheilungen der französischen Revoluzion. Ein Sendschreiben an den Herausgeber, in: Der neue Teutsche Merkur 1 (1793), 387–424. 59 Siehe Kant, KrV, A 828ff. 60 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/1, 113; OA 171. 61 Siehe dazu: Martin Bondeli, Über eine »Entdeckung« in der Psychologie. Reinholds Auseinandersetzung mit Platners Bemerkungen zur Geschichte des Seelenbegriffs, in: Guido Naschert, Gideon Stiening (Hg.), Aufklärung. Interdisziplinäres Jahrbuch zur Erforschung des 18. Jahrhunderts und seiner Wirkungsgeschichte. Themenschwerpunkt: Ernst Platner (1744–1818). Konstellationen der Aufklärung zwischen Philosophie, Medizin und Anthropologie. Hamburg 2007, 327–342. 62 Siehe Kant, KpV, AA V, 39–41. 63 Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 51–53; OA 64–66. 44
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Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 161–182; OA 220–261. 65 Siehe Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 145; OA 197f. 66 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 158; OA 217. 67 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 254; OA 383. 68 Siehe dazu: Alessandro Lazzari, »Das Eine, was der Menschheit Noth ist«. Einheit und Freiheit in der Philosophie Karl Leonhard Reinholds (1789–1792). Stuttgart-Bad Cannstatt 2004, 167–222. 69 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 188; OA 271f. 70 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 188; OA 272. 71 Kant, MS, AA VI, 226. 72 Siehe Karl Ameriks, Ambiguities in the Will: Reinhold and Kant, Briefe II; Daniel Breazeale, The fate of Kantian freedom: One cheer (more) for Reinhold; Martin Bondeli, Zu Reinholds Auffassung von Willensfreiheit in den Briefen II; Manfred Baum, Kants Replik auf Reinhold, in: Violetta Stolz, Marion Heinz, Martin Bondeli (Hg.), Wille, Willkür, Freiheit. Reinholds Freiheitskonzeption im Kontext der Philosophie des 18. Jahrhunderts. Berlin/Boston 2012, Sektion II »Wille, Willkür und Willensfreiheit«. 73 Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel Kant, AA X 497. 74 Siehe Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel, AA X, 497. 75 Siehe Kant, AA X–XII; bes. AA XI, 181, 313; Reinhold, Korrespondenzausgabe, Bd. 2: Korrespondenz 1788–1790, hg. v. Faustino Fabbianelli, Kurt Hiller, Ives Radrizzani. Stuttgart-Bad Cannstatt 2007, 167. 76 Siehe Alfred Klemmt, Karl Leonhard Reinholds Elementarphilosophie. Hamburg 1958, 149–167; Arnulf Zweig, Reinhold’s Relation to Kant, in: Martin Bondeli, Wolfgang H. Schrader (Hg.), Die Philosophie Karl Leonhard Reinholds. Amsterdam/New York 2003, 39–54. 77 Siehe Christan Gottfried Schütz am 18. 2. 1785 an Immanuel Kant, AA X, 398. 78 Siehe Immanuel Kant, Erinnerungen des Recensenten der Herderschen Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit (Nro. 4 und Beil. der Allg. Lit-Zeit.) über ein im Februar des Teutschen Merkur gegen diese Recension gerichtetes Schreiben, AA VIII, 56–58. 79 Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel Kant, AA X, 497. 80 Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel Kant, AA X, 498. 81 Schütz’ Rezension war in mehreren Folgen zwischen dem 12. und 30. 7. 1785 in der Allgemeinen Literatur-Zeitung erschienen. Siehe auch den Wiederabdruck in Rezensionen zur Kantischen Philosophie 1781–87, hg. v. Albert Landau. Bebra 1991, 147–181. 82 Siehe Immanuel Kant am 19. 1. 1788 an Karl Leonhard Reinhold, AA X, 524. 83 Siehe Friedrich Heinrich Jacobi: F. H. Jacobi’s Nachlaß. Ungedruckte Briefe von und an Jacobi und Andere, Bd. 2, hg. v. Rudolf Zoeppritz. Leipzig 1869, 95. 84 Siehe Fuchs, Reinhold – Illuminat und Philosoph [Anm. 2], 172f. 85 Immanuel Kant am 28. und 31. 1. 1787 an Karl Leonhard Reinhold, AA X, 514. 86 Karl Leonhard Reinhold am 19. 1. 1788 an Immanuel Kant, AA X, 524. 87 Karl Leonhard Reinhold am 19. 1. 1788 an Immanuel Kant, AA X, 524. 88 Siehe Kant, KU, AA V, 207. 89 Siehe Karl Leonhard Reinhold am 19. 1. 1788 an Immanuel Kant, AA X, 526; siehe auch: Karl Leonhard Reinhold am 1. 3. 1788 an Immanuel Kant, AA X, 529. 90 Karl Leonhard Reinhold am 14. 6. 1789 an Immanuel Kant, AA XI, 62.
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Siehe Immanuel Kant am 12. 5. 1789 an Karl Leonhard Reinhold, AA XI, 39. Karl Leonhard Reinhold, Rezension ›Philosophisches Magazin‹ herausgegeben von J. A. Eberhard. Drittes und viertes Stück. 1789, in: Allgemeine Literatur-Zeitung 174 (1789), 577–584. 93 Siehe Immanuel Kant am 21. 9. 1789 an Karl Leonhard Reinhold, AA XI, 89. 94 Karl Leonhard Reinhold am 12. 10. 1787 an Immanuel Kant, AA X, 499. 95 Immanuel Kant am 21. 9. 1791 an Karl Leonhard Reinhold, AA XI, 288. 96 Immanuel Kant am 2. 11. 1791 an Jakob Sigismund Beck, AA XI, 304. 97 Kant, AA XII, 348–350. 98 Karl Leonhard Reinhold am 21. 1. 1793 an Immanuel Kant, AA XI, 410. 99 Siehe Immanuel Kant am 28. 3. 1794 an Karl Leonhard Reinhold, AA XI, 494. 100 Vgl. Reinhold, Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 254 [Kommentar zum Brief]. 101 Siehe Sabine Roehr, Zum Einfluß K. L. Reinholds auf Schillers Kant-Rezeption, in: Martin Bondeli, Wolfgang H. Schrader (Hg.), Fichte-Studien. Supplementa. New York 2003, 105–121; vgl. auch Reinhold, Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 55 [Kommentar zum Brief]. 102 Vgl. Roehr, Zum Einfluß K. L. Reinholds auf Schillers Kant-Rezeption [Anm. 101], 108ff. 103 Vgl. Friedrich Schiller, Über Anmut und Würde, in: ders., Gedichte und Prosa, Ausw. Emil Staiger, Zürich 21991, 323–399, 376; Roehr, Zum Einfluß K. L. Reinholds auf Schillers Kant-Rezeption [Anm. 101], 112ff. 104 So Karl Leonhard Reinhold am 14. 6. 1789 an Immanuel Kant, in: ders., Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 128–137. 105 Vgl. Christoph Martin Wieland am 18. 2. 1789 an Karl Leonhard Reinhold, in: Reinhold, Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 53–57, 56. 106 Reinhold, Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 56 [Kommentar zum Brief]. 107 Vgl. Karl Vorländer, Kant – Schiller – Goethe, Gesammelte Aufsätze von Karl Vorländer. Leipzig 1907, 140f. 108 Vgl. Otto Ernst Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie. Leipzig 1914, 27. 109 Vgl. Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie [Anm. 108], 50. 110 Reinhold, Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 290 [Kommentar zum Brief]. 111 So Jens Immanuel Baggesen am 28.9. oder 30. 10. 1791 an Karl Leonhard Reinhold; ebenso am Ende des Briefs von Reinhold an Baggesen vom 23. 12. 1791. Siehe Reinhold, Korrespondenzausgabe, Bd. 3: Korrespondenz 1791, hg. v. Faustino Fabbianelli, Eberhard Heller, Kurt Hiller, Reinhard Lauth, Ives Radrizzani und Wolfgang H. Schrader unter Mitwirkung von Christian Kauferstein, Petra Lohmann und Claudius Strube. StuttgartBad Cannstatt 2011, 280–282 und 356–362. 112 Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie [Anm. 108], 51. 113 Vgl. url: http://www.uni-kiel.de/grosse-forscher/index.php?nid=reinhold& pr=1 (Letzter Zugriff: 4. 3. 2015). 114 Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie [Anm. 108], 18. 115 Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie [Anm. 108], 21ff. 116 Hesse, Jens Baggesen und die deutsche Philosophie [Anm. 108], 48. 117 Reinhold, Korrespondenz 1791 [Anm. 111], 318f. [Kommentar zum Brief]. 118 Georg Friedrich Philipp von Hardenberg am 5. 10. 1791 an Karl Leonhard Reinhold, in: Reinhold, Korrespondenz 1791 [Anm. 111], 284–293, 286f.
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Vgl. Manfred Frank, ›Unendliche Annäherung‹. Die Anfänge der philosophischen Frühromantik. Frankfurt am Main 1997, 38ff. Vgl. auch Gunther Wenz, Hegels Freund und Schillers Beistand. Friedrich Immanuel Niethammer (1766–1848). Göttingen 2008, 28. 120 Vgl. Dieter Henrich, Grundlegung aus dem Ich. Untersuchungen zur Vorgeschichte des Idealismus. Tübingen – Jena 1790–1794, 2 Bde., Bd. 2. Frankfurt am Main 2004, 1222. 121 Vgl. Henrich, Grundlegung aus dem Ich [Anm. 120], Bd. 1, 273. 122 Vgl. Henrich, Grundlegung aus dem Ich [Anm. 120], Bd. 2, 1258. 123 Vgl. Immanuel Kant am 21. 12. 1792 an Johann Benjamin Erhard, AA XI, 398–399, 398. 124 Johann Benjamin Erhard, Über das Recht des Volks zu einer Revolution und andere Schriften, hg. v. Hellmut G. Haasis München 21970, 92f. (S. 182 der Originalausgabe von 1795). 125 Vgl. Reichster Kopf, in: Der Spiegel 16/1970, 194/196; url: http://www.spiegel.de/spie gel/print/d-45122545.html (Letzter Zugriff: 23. 7. 2014). 126 Verhörprotokolle der Wiener Jakobiner über Erhard, [Hohenwart am 10. August 1794], in: Erhard, Über das Recht des Volks zu einer Revolution [Anm: 124], 189 und 259f. 127 Denkwürdigkeiten des Philosophen und Arztes Johann Benjamin Erhard, hg. v. Karl August Varnhagen von Ense. Stuttgart 1830, online unter : url: http://www.europeana.eu/ portal/record/9200143/BibliographicResource_2000069361896.html (Letzter Zugriff: 25. 11. 2014). 128 Vgl. Vorländer, Kant – Schiller – Goethe [Anm. 107], 9 Anm. 129 Vgl. Wenz, Hegels Freund und Schillers Beistand [Anm. 119], 101, 112; Frank, ›Unendliche Annäherung‹ [Anm. 119], 429. 130 Vgl. Wenz, Hegels Freund und Schillers Beistand [Anm. 119], 30; Henrich, Grundlegung aus dem Ich [Anm. 120], Bd. 2, 1199. 131 Vgl. Henrich, Grundlegung aus dem Ich [Anm. 120], Bd. 2, 1198. 132 Siehe Wenz, Hegels Freund und Schillers Beistand [Anm. 119], 160–168. 133 Reinhold, Korrespondenz 1791 [Anm. 111], 98 [Kommentar zum Brief]. 134 Reinhold, Korrespondenz 1791 [Anm. 111], 99 [Kommentar zum Brief]. 135 Siehe Friedrich Karl Forberg an Karl Leonhard Reinhold am 14. 5. 1791, in: Reinhold, Korrespondenz 1791 [Anm. 111], 99–110. 136 Siehe Wenz, Hegels Freund und Schillers Beistand [Anm. 119], 149–154. 137 Reinhold, Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 85 [Kommentar zum Brief]. 138 Reinhold, Korrespondenz 1788–1790 [Anm. 75], 6 [Kommentar zum Brief]. 139 Friedrich Carl Forberg am 14. 5. 1791 an Karl Leonhard Reinhold, in: Friedrich Carl Forberg: Philosophische Schriften, hg. v. Guido Naschert, 2 Bde., Bd. 1. Paderborn u. a. 2015, 715. 140 Max Ortner, Werner Sauer und Wilhelm Baum haben dies in einer Reihe von Studien herausgearbeitet: Max Ortner, Kant in Kärnten, in: Carinthia 1 (1924), 65–87; Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration [Anm. 2], bes. 231–265; Wilhelm Baum (Hg.), Weimar – Jena – Klagenfurt. Der Herbert-Kreis und das Geistesleben Kärntens im Zeitalter der Französischen Revolution. Klagenfurt 1989; ders., Franz Paul von Herbert und die deutsche Geistesgeschichte. Neue Quellenfunde zur Geschichte des Herbertkreises, in: Carinthia 1/180 (1990), 435–486; ders., Novalis und der Klagenfurter Herbertkreis, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 109/4 (1990), 520–529; ders., Pestalozzis Scheitern in Österreich und die Rezension seiner »Nachforschungen« durch Reinhold und Erhard, in: Benedikt u. a. (Hg.), Österreichische Philosophie
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(1750–1820) [Anm. 16], 596–614; ders., Die Aufklärung in Jena und die Jakobiner in Österreich. Der Klagenfurter Herbert-Kreis, in: ebd., 803–827; ders., Wenzel Gottfried von Purgstalls Beziehungen zu Reinhold, Kant, Schiller und Goethe, in: ebd., 852–866; ders., Der Klagenfurter Herbert-Kreis zwischen Aufklärung und Romantik, in: Revue Internationale de Philosophie 197 (1996), 483–514; Friedrich Immanuel Niethammer, Korrespondenz mit dem Klagenfurter Herbert-Kreis. Mit einer Ergänzung: Franz de Paula von Herbert: Mein Abtrag an die Welt, hg. v. Wilhelm Baum unter Mitarbeit v. Ursula Wiegele u. Christoph Prainsack. Wien 1995. 141 Über Fernows Beziehung zu Reinhold siehe Harald Tausch, Von Jena nach Rom. Beobachtungen zur Genese von Fernows Wissenschafts- und Kunstverständnis im Beziehungsgeflecht zwischen Karl Leonhard Reinhold, Johann Gottlieb Fichte und Johann Benjamin Erhard, in: Kunst als Wissenschaft. Carl Ludwig Fernow – ein Begründer der Kunstgeschichte, hg. v. Reinhard Wegner. Göttingen 2005, 11–59. 142 Frank, ›Unendliche Annäherung‹ [Anm. 119], 367. 143 Karl Leonhard Reinhold, Gesammelte Schriften. Kommentierte Ausgabe, Bd. 4: Ueber das Fundament des philosophischen Wissens nebst einigen Erläuterungen über die Theorie des Vorstellungsvermögens, hg. v. Martin Bondeli unter Mitwirkung von Silvan Imhof. Basel 2011, 6. 144 In welchen Hinsichten die kantische Philosophie hier jeweils von Bedeutung war, hat Wilhelm Baum bereits klar benannt; vgl. Baum, Der Klagenfurter Herbert-Kreis zwischen Aufklärung und Romantik in: Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration [Anm. 2], 488ff. 145 Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Pergen-Akten X/B 3, H 5 (Agentenbericht), zit. nach Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration [Anm. 2], 240. 146 Friedrich Carl Forberg, Lebenslauf eines Verschollenen [1840], in: ders., Forberg: Philosophische Schriften [Anm. 139], 29. 147 Carl Ludwig Fernow am 11. 2. 1794 an Karl Leonhard Reinhold, in: Carl Ludwig Fernow, »Rom ist eine Welt in sich«. Briefe 1789–1808, hg. u. kommentiert v. Margrit Glaser u. Harald Tausch, 2 Bde., Bd. 1. Göttingen 2013, 73f. 148 Friedrich Carl Forberg, Lebenslauf eines Verschollenen [1840], in: Forberg, Philosophische Schriften [Anm. 139], 29. 149 Friedrich Carl Forberg am 28. 9. 1791 an Karl Leonhard Reinhold, in: Forberg, Philosophische Schriften [Anm. 139], 720. 150 Vgl. Hermann Schüttler, Die Mitglieder des Illuminatenordens, 1776–1787/93. München 1991, aktualisierte Fassung unter url: http://illuminaten-wiki.uni-erfurt.de/Mit glieder_des_Illuminatenordens (Letzter Zugriff: 19. 5. 2015). 151 Siehe Guido Naschert, Netzwerkbildung und Ideenzirkulation: Johann Benjamin Erhards Reisen durch das Europa der französischen Revolution, in: Kriminelle – Freidenker – Alchemisten. Räume des Untergrunds in der Frühen Neuzeit, hg. v. Martin Mulsow. Wien/ Köln/Weimar 2014, 503–553. 152 Franz Paul Freiherr von Herbert am 6. 5. 1794 an Friedrich Immanuel Niethammer, in: Niethammer, Korrespondenz mit dem Klagenfurter Herbert-Kreis [Anm. 140], 76. 153 Von Herbert am 6. 5. 1794 an Niethammer, in: Niethammer, Korrespondenz mit dem Klagenfurter Herbert-Kreis [Anm. 140], 76.
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Franz Paul Freiherr von Herbert am 30. 6. 1799 an Johann Benjamin Erhard, in: Denkwürdigkeiten [Anm. 127], 455–458, 458. 155 Reinhold, Ueber das Fundament [Anm. 143], 74; ders.: Ueber das Fundament des philosophischen Wissens nebst einigen Erläuterungen über die Theorie des Vorstellungsvermögens. Jena 1791 (= OA), 129. 156 Siehe Karl Leonhard Reinhold, Beyträge zur Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen, Das Fundament der Elementarphilosophie betreffend, Bd. 1. Jena 1790, 85ff. (Neuausgabe mit einer Einleitung und Anmerkungen hg. v. Faustino Fabbianelli. Hamburg 2003). 157 Reinhold, Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790) [Anm. 156], Bd. 1, 167. 158 Reinhold, Ueber das Fundament [Anm. 143], 48; OA 75. 159 Karl Leonhard Reinhold, Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens, in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 1, hg. Von Martin Bondeli. Basel 2013, 164; OA 244. 160 Siehe dazu Reinhold, Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790) [Anm. 156], Bd. 1, 186, sowie Reinhold, Ueber das Fundament [Anm. 143], 28f.; OA 32. 161 Vgl. Kant, KrV, A 838/B 866. 162 Karl Leonhard Reinhold, Auswahl vermischter Schriften. Erster Theil. Jena 1796, 226. 163 Kant, KrV, A 51/B 75. 164 Reinhold, Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens [Anm. 159], 218; OA 335. 165 Siehe Reinhold, Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790) [Anm. 156], Bd. 1, 245. 166 Kant, KrV, A 22/B 37. 167 Kant, KrV, A 93f./B 126. 168 Kant, KrV, A 158/B 197. 169 Kant, KrV, A 158–235/B 197–294. 170 Vgl. Kant, KrV, 158/B 197. 171 Siehe Reinhold, Ueber das Fundament [Anm. 143], 45f., 76 f; OA 68f., 135f. 172 Siehe Martin Bondeli, Möglichkeit der Erfahrung. Zur Kant-Revision Karl Leonhard Reinholds in der Schrift Ueber das Fundament des philosophischen Wissens, in: Kant und die Philosophie in weltbürgerlicher Absicht. Akten des XI. Internationalen Kant-Kongresses, Bd. 5, hg. v. Stefano Bacin, Alfredo Ferrarin, Claudio La Rocca, Margit Ruffing. Berlin/ Boston 2013, 679–690. 173 Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Anm. 44], Bd. 2/2, 254; OA 383. 174 Kant, MS, AA VI, 438. 175 Karl Leonhard Reinhold Anfang November 1786 an Christian Gottlob Voigt, in: ders., Korrespondenz 1773–1788 [Anm. 1], 153. 176 Reinhold, Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790) [Anm. 156], Bd. 1, 116. 177 Siehe Dieter Henrich, Konstellationen. Probleme und Debatten am Ursprung der idealistischen Philosophie (1789–1795). Stuttgart 1991, 240f.; Martin Bondeli, Das Anfangsproblem bei Karl Leonhard Reinhold. Eine systematische und entwicklungsgeschichtliche Untersuchung zur Philosophie Reinholds in der Zeit von 1789 bis 1803. Frankfurt am Main 1995, 107–153; Henrich, Grundlegung aus dem Ich [Anm. 120], 618–622.
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Siehe Reinhold, Berichtigung bisheriger Mißverständnisse der Philosophen (1790) [Anm. 156], Bd. 2, 59–65. 179 Siehe Jürgen Stolzenberg, Fichtes Begriff der intellektuellen Anschauung. Die Entwicklung in den Wissenschaftslehren von 1793/94 bis 1801/02. Stuttgart 1986. 180 Siehe Johann Gottlieb Fichte, [Rezension:] Ohne Druckort: Aenesidemus, oder über die Fundamente der von dem Hrn. Prof. Reinhold in Jena gelieferten Elementar-Philosophie. Nebst einer Vertheidigung des Skepticismus gegen die Anmaßungen der Vernunftkritik. (1792), in: ders., J.-G.-Fichte-Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Werke 1793–1795, Bd. I/2, hg. v. Reinhard Lauth u. a. Stuttgart-Bad Cannstatt 1965, 62. 181 Siehe Fichte, Rezension Aenesidemus [Anm. 180], 46, 62. 182 Siehe Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Vom Ich als Princip der Philosophie (1795), in: ders., Historisch-kritische Ausgabe, im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, hg. v. Hans Michael Baumgartner u. a., Bd. I/2, hg. v. Hartmut Buchner, Jörg Jantzen. Stuttgart 1980, 98f. 183 Siehe Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie, in: ders., Gesammelte Werke, in Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft hg. v. der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4, hg. v. Hartmut Buchner. Hamburg 1968, »Reinhold«, 77.
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Vgl. die diesem Fragenkreis gewidmete, längere Studie des Verfassers: P¦ter Egyed, Az ellenreformciû eszmeis¦ge – k¦t hullmban [Die Ideologie der Gegenreformation – in zwei Wellen]. Sz¦kelyföld 2003, 45–55. 2 Sndor Tonk erwähnt in seiner dem mittelalterlichen Universitätsbesuch gewidmeten Studie: Erd¦lyiek egyetemjrsa a köz¦pkorban [Siebenbürger an Europas Universitäten Im Mittelalter]. Bukarest 1979, zweieinhalbtausend Studenten, die Universitäten im Ausland besucht haben. 3 Jnos J. Varga, Kollonich Lipût ¦s az ›Einrichtungswerk‹. A bboros ¦rsek egyhzpolitikjnak vltozatai [Leopold Kollonich und das »Einrichtungswerk«. Kirchenpolitik-Versionen des Kardinal-Erzbischofs], in: Jûzsef Jankovics, Istvn Monok, Judit Nyerges, P¦ter Srközy (Hg.), A magyar mu˝ velo˝ d¦s ¦s a kereszt¦nys¦g [Die ungarische Kultur und das Christentum]. Budapest/Szeged 1998, 770–776, 772; url: http://mek.oszk. hu/06300/06383/pdf/keresztenyseg1_1resz.pdf (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 4 Magyar Törv¦nytr Corpus Juris Hungarici [Ungarische Gesetzsammlung Corpus Juris Hungarici] 1861. ¦vi. XXV. Törv¦nycikk Complex Kiadû-Wolters Kluwer Jogi Adatbzis, url: http://www.1000ev.hu/index.php?a=3& param=4299 (Letzter Zugriff: 6. 4. 2015). 5 Staatsarchiv Sankt Georgen in Komitat Covasna, Rumänien. Vorstand der Gemeinde Szacsva Fond 1. Nr. 28, zitiert in P¦ter Egyed, Az int¦zm¦nyek ¦s az erkölcsi viszonyok kapcsolata a sz¦kely trsadalomban a Gubernium korban [Die Beziehung zwischen den Institutionen und den moralischen Beziehungen der Szekler Gesellschaft im Zeitalter des Guberniums]. Handschrift 1978.
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B¦la Holl, Der Geschichtsunterricht in den ungarischen Piaristengymnasien um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, in: Moritz Csky, Horst Haselsteiner, Tibor Klaniczay, Kroly R¦dei (Hg.), A magyar nyelv ¦s kultfflra a Duna völgy¦ben [Die ungarische Sprache und Kultur im Donauraum]. Budapest/Wien 1989, 77–82, 79; url: http://mek.oszk.hu/ 06300/06382/pdf/dunavolgy1_1resz.pdf (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). Obwohl die Fragen der Unterrichtsmethode der Geschichte im Vordergrund stehen, weist diese Studie darauf hin, wie die zentralen prinzipiellen und praktischen, beziehungsweise die lokalen Ansprüche die Struktur der Bildung gestalten. 7 Immanuel Kant, WA, AA VIII, 36. 8 Die Hauptwerke von Jnos Aptzi Csere (1625–1659), der seine Studien in Harderwijk und Utrecht betrieben hatte und Begründer der Philosophie in ungarischer Sprache war, heißen: Disputatio de mente umana, Magyar Encyclopaedia (1655), Magyar Logiktska (1654). 9 Jnos Apczai Csere, Magyar Enciklopaedia. Bukarest 1977, 423. 10 Die im Sinne von Kant und Fichte verfassten Manuskripte von Pl Sipos (1759–1816), der in Frankfurt an der Oder, Göttingen und Berlin studiert hatte, als Mathematiker zu Ruhm gekommen und Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften war, lauten: Vorläufige Betrachtungen über die Philosophie (1812), Der Gang der Religion im Fortschritte der Zeit philosophisch betrachtet (1816), Summarische Deduktion der menschlichen Bestimmung (1816). 11 Vgl. Sndor Karcsony, A magyar ¦szjrs [Die ungarische Mentalität]. Budapest 1985, 415–416: »[A]us dem wirklichen Sein kehrt er zurück ins praktische Sein und gibt diesem einen Sinn. Das ist eine asiatische Philosophie und erscheint aus der Sicht der subjektiven und komplizierten Systeme und Methoden der europäischen Philosophie ein bisschen vereinfacht, aber sie ist bloß anschaulich: objektiv und primitiv«. 12 Jûzsef Rozgonyi, Dubia de Initiis transcendentalis idealismi Kantiani, ad viros clarissimos Jacob et Reinhold. Pestini 1792, 152. 13 Josephi Rozgonyi, Oratio Inauguralis de Socratica philosophandi ratione nostris temporibus revocanda. Habita S. Patakini 1798. 2-da Maji in Auditorio maximo, cum in munus Philosophiam ibidem publicae docendi rite adiret. Edita rogatu & impensis Praestantiss. Anni 1808. Philosophiae Auditorium. S. Patakini 1808. 14 Istvn Szentgyörgyi, Logica multum mutata, et quoad facere licuit, aevo nostro accomodata. Posonii 1805, 110. 15 Rozgonyi, Dubia [Anm. 12], 14. 16 James Beattie, An Essay on the Immutability of Truth, in Opposition to Sophistry and Scepticism. Edinburgh 1770, 142 (Nachdruck: New York 1983). 17 Rozgonyi, Dubia [Anm. 12], 150–151. 18 Rozgonyi, Dubia [Anm. 12], 6. 19 Matthiam Trattner, Dubia de Initiis transcendentalis idealismi Kantiani, ad viros clarissimos Jacob et Reinhold [Rezension], in: Novi ecclesiastico-scholastiti Annales Evangelicorum August. Et Helvet. Confessionis in Austriaca Monarchia 1/2 (1793), 60–89. 20 Jûzsef Rozgonyi, Responsio ad immodesti anonymi recensentis, crises, contra Dubia de initiis transcendentalis idealismi Kantiani. Allatas, et vol. I. Annal. Ecclesiasticorum anni 1793. insertas. Per auctorem Dubiarum de initiis transcendentalis idealismi. S. Patakini 1816. 21 Rozgonyi, Responsio [Anm. 20], 6.
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Josephi Rozgonyi, Aphorismi historiae philosophiae, quos Jozephus Rozgony, philosophiam traditurus praemisit. Sros-Patakini 1821, 160. Siehe Clarissimi Domini Josephini Rozgonyi. Philosophiae in Coll. Helv. Conf. Addict. S. Patakiensi Professoris Publici Ordinarii, Philosophia universalis. Descripta, & plurimis Interpretationibus, Exemplis & Notis, in publicis praelectionibus connotatis aucta per P.[aulum] B.[alogh] de A.[lms] Tomus continens Psychologiam. S. Patakini 1812/1813. (Archiv der Universitätsbibliothek zu Budapest, F27) 23 Josephi Rozgonyi, Aphorismi psychologiae empiricae et rationalis perpetua Philosophiae Criticae ratione habita a Josepho Rozgony, Incl. Zempliniensis etc. Comitatuum Tab. Jud. Assessere, et in Ill. Collegio Ref. S. Patak. Philosophiae Professore, in usum Scolae suae scripti. S. Patakini 1819, 330. 24 Josephi Rozgonyi, Aphorismi juris naturae, perpetua juris Romani, Hungarici, juris naturae Kantiani ratione habita. A Josepho Rozgony, Incl Zempleniensis etc. Comitatuum Tab. Jud. Assessore, et in Ill. Collegio Ref. Sros-Patak. Philosophiae Professoro concinnati. S. Patakini 1822, 152. 25 Ernst Gottlob Schulze, Aenesidemus, oder über die Fundamente der von dem Herrn Professor Reinhold in Jena gelieferten Elementar-philosophie. Nebst einer Vertheidigung des Skepticismus gegen die Anmaassungen der Vernunftkritik. Helmstedt 1792. Moderne Ausgabe in: Arthur Liebert (Hg.), Neudrucke seltener philosophischer Werke, Bd. 1. Berlin 1911. 26 Siehe Dieter Henrich, Between Kant and Hegel. Lectures on German Idealism. London/ Cambridge 2003, besonders 140–154. 27 Siehe Tudomnyos Gyu˝ jtem¦ny [Wissenschaftliche Sammlung] 1/11 (1817), 121–122. 28 [Gottlob Ernst Schulze], Aphorismi psychologiae empiricae et rationalis perpetua philosophiae criticae ratione [Rezension], in: Göttingische gelehrte Anzeigen 3 (1821), 1998–2000. Ein längerer Teil in: Lajos Rcz, Egy magyar ¦s egy n¦met antikantinus ¦rintkez¦se [Antikantianischer Verkehr eines Ungarn und eines Deutschen], in: Lajos D¦nes (Hg.), Dolgozatok a modern filozûfia kör¦bo˝ l. Eml¦kkönyv Alexander Bernt hatvanadik szület¦se napjra [Aufsätze aus dem Gebiet der modernen Philosophie. Festschrift für den 60. Geburtstag von Bernt Alexander]. Budapest 1910, 537–549. 29 Jûzsef Rozgonyi, Êszre-v¦telek azon m¦g k¦z-rsban l¦vo˝ ’s a’ Knt zl¦se szer¦nt k¦szült munkra n¦zve, mellynek neve: Erko˝ ltsi Tudomnyok’ megrostlsa [Anmerkungen zu einer kantisch gesinnten handschriftlichen Arbeit: Morallehre]. S. Patak 1813. 30 [Jûzsef Rozgonyi], A’ pap ¦s a’ doctor a’ snlo˝ do˝ Knt köru˝ l, vagy rövid vizsglsa, fo˝ k¦pen a’ Tiszt. Pucz Antal ¢r’ Elm¦lked¦seinek: A’ Knt’ Philosophijnak fo˝ Resulttumairûl, ’s ûldalaslag illet¦se az erko˝ ltsi Catechismust rû’ B¦tsi feleleteinek. [Der Priester und der Doktor um den leidenden Kant oder eine kurze Untersuchung hauptsächlich über ehrw. Herrn Antal Pucz’ Hauptresultate der Philosophie von Kant und Berührungspunkte zu den Wiener Antworten des Verfassers des Moralischen Katechismus] Pest 1819. Moderne Auflage in: Miklûs Vrhegyi, Lajos Ko˝ szegi (Hg.), Elm¦sz. Szemelv¦nyek a r¦gi magyar filozûfibûl [Philosophie. Auswahl aus der alten ungarischen Philosophie]. Veszpr¦m 1994, 69–86. Im Weiteren zitiert nach den Seitennummern der modernen Auflage. 31 Rozgonyi, A’ pap ¦s a’ doctor a’ snlo˝ do˝ Knt köru˝ l [Anm. 30], 84. 32 Lszlû Ungvrn¦meti Tûth, Besz¦lget¦s. Aristipp. Kant. Merkfflr [Gespräch, Aristipp, Kant. Merkur], in: Hasznos Mulatsgok [Nützliche Heiterkeiten] 3/36 (1819), 281–284.
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Siehe Jûzsef Rozgonyi, Aristippus v¦delme [Verteidigung von Aristippus], in: Tudomnyos Gyu˝ jtem¦ny [Wissenschaftliche Sammlung] 6/7 (1822), 52–61. 33 Siehe Andrs M¦szros, Jakob Fries hatsa a magyarorszgi filozûfira [Die Wirkung von Jakob Fires auf die Philosophie in Ungarn], in: Magyar Filozûfiai Szemle [Ungarische philosophische Zeitschrift] 39/3–4 (1995), 481–498. 34 Der hier veröffentlichte Text ist eine verkürzte Variante meiner ungarischsprachigen Studie: B¦la Mester, Magyar felvilgosods – n¦met vagy skût? Rozgonyi Jûzsef Kantkritikja, in: Ludassy Mria (Hg.), A felvilgosods lmai ¦s rnyai. Budapest 2007, 393–446; Die Studie wurde unterstützt vom Ungarischen Nationalfonds für Wissenschaftliche Forschung (OTKA K 104643). 35 Nikolay Milkov, Rudolf Hermann Lotze (1817–1881), in: The Internet Encyclopedia of Philosophy, url: http://www.iep.utm.edu/lotze/ (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 36 Anthony K. Jensen, Neo-Kantianism, in: The Internet Encyclopedia of Philosophy, url: http://www.iep.utm.edu/neo-kant/ (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 37 Imre Kajlûs, Dr. Böhm Kroly ¦lete ¦s munkssga [Leben und Werk von Dr. Kroly Böhm]. Besztercebnya 1913, 177. 38 Kroly Böhm, A nemtudatosnak philosophija [Philosophie des Unbewußten], in: Elleno˝r 1873, 122–125. 39 Vgl. Karl Böhm, Beiträge zur Theorie des Bewusstseins, in: Philosophische Monatshefte 12 (1876), 145–183; Karl Böhm, Zur Theorie des Gedächtnisses und der Erinnerung, in: Philosophische Monatshefte 13 (1877), 481–515; Adolf Horwicz, Zur Theorie des Gedächtnisses und der Erinnerung. Replik, in: Philosophische Monatshefte 14 (1878), 235–240; Karl Böhm, Duplik, in: Philosophische Monatshefte 14 (1878), 240–243. 40 Kroly Böhm, Az ember ¦s vilga. Philosophiai kutatsok [Der Mensch und seine Umwelt. Philosophische Untersuchungen], 6 Bde. Budapest 1883–1942, Bd. 1: Dialektika vagy alapphilosophia [Dialektik oder Fundamentalphilosophie]. 41 See Kroly Böhm, Dialektika vagy alapphilosophia. Den Haag 2003, url: http://www. federatio.org/mi_bibl/BohmKaroly_EV_I.pdf (Letzter Zugriff: 13. 3. 2015), XX–XXI. 42 Böhm, Dialektika vagy alapphilosophia [Anm. 41], 13. 43 Vgl. Kant, KrV, A 92f./B 125f. 44 Böhm, Az ember ¦s vilga [Anm. 40], Bd. 2: A szellem ¦lete [Das Leben des Geistes]. 45 Jetzt Teil von Rumänien, damals Teil des Ungarischen Königreichs. 46 Böhm, Az ember ¦s vilga [Anm. 40], Bd. 3: Axiolûgia vagy ¦rt¦ktan [Axiologie oder Wertelehre]. 47 Vergleiche § 94 von Böhms Axiology. The genres of values in themselves based on the genres of pleasures. Kant – with reference to Kant’s Critique of Judgement. Kant, EEKU, AA XX, 240f. 48 Vgl. Böhm, Az ember ¦s vilga [Anm. 40], Bd. 4: A logikai ¦rt¦k tana [Doktrin des logischen Wertes], § 107 mit Bezug auf Kant, KrV, A 12/B 26. 49 Böhm, Az ember ¦s vilga [Anm. 40], Bd. 5: Az erkölcsi ¦rt¦k tana [Doktrin des moralischen Wertes]. 50 Vgl. Böhm, Az erkölcsi ¦rt¦k tana [Anm. 49], § 71. Für eine ähnliche Formulierung vgl. Kant, KU, AA V, 212. 51 Böhm, Az ember ¦s vilga [Anm. 40], Bd. 6: Az eszt¦tikai ¦rt¦k tana [Doktrin des ästhetischen Wertes].
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Endnoten
Hegedu˝ s Lornt, ¢jkantinus ¦s ¦rt¦kteolûgia [Neukantianismus und Werte-Theologie]. Budapest 1996. 53 Der Beitrag basiert auf einer Auswertung der folgenden Studien: Tibor Hank, Geschichte der Philosophie in Ungarn: Ein Grundriss. München 1990; Judit Hell, Ferenc Lendvai L., Lszlû Perecz, Magyar filozûfia a XX. szzadban: Elso˝ r¦sz [Ungarische Philosophie im 20. Jahrhundert: Erster Teil]. Budapest 2000; Lszlû Perecz, Nemzet, filozûfia, »nemzeti filozûfia« [Nation, Philosophie, »Nationalphilosophie«]. Budapest 2008.Sndor Tavaszy, Mi a filozûfia? [Was ist die Philosophie?]. Kolozsvr 1928. 54 Sndor Tavaszy, Mi a filozûfia? [Was ist die Philosophie?]. Kolozsvr 1928. 55 Die hier erörterten Fragen sind eingehender behandelt in Martûn Tonk, Idealizmus ¦s egzisztenciafilozûfia Tavaszy Sndor gondolkodsban [Idealismus und Existenzphilosophie im Denken von Sndor Tavaszy]. Kolozsvr-Szeged 2002. Der vorliegende Beitrag basiert auf einer früher veröffentlichten Studie zum Thema: Mrton Tonk, A kantianizmus magyar recepciûjnak tört¦net¦bo˝ l [Aus der Rezeptionsgeschichte des ungarischen Kantianismus], in: B¦la Mester, Lszlû Perecz (Hg.), Közelt¦sek a magyar filozûfia tört¦net¦hez [Neue Zugänge zur Geschichte der ungarischen Philosophie]. Budapest 2004, 250–279. 56 Sndor Tavaszy, Bevezet¦s a filozûfiba [Einleitung in die Philosophie]. Kolozsvr 1999, 51. 57 Kant, Prol, AA IV, 265. 58 Vgl. Heinrich Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft. Tübingen 1915. 59 Sndor Kib¦di Varga, Magyar ¦s n¦met filozûfia (Az erd¦lyi ¦s a bdeni iskola) [Ungarische und deutsche Philosophie. (Die Siebenbürger und die Badener Schule)], in: ders., A szellem hatalma [Die Kraft des Geistes]. München 1980, 58. 60 Die übrigen zwei Vorlesungen hielt Rudolf Eucken unter den Titeln »Übersicht über die Gesamtgeschichte der Philosophie« und »Die leitenden Ideen der Gegenwart (Darstellung und Kritik)«. 61 Weitere Vorlesungen wurden gehalten von Adolf Lasson (»Grundprobleme der Philosophie«, »Logik und Erkenntnistheorie«, »Gottesbeweise«), Hans Rupp (»Entwicklung des menschlichen Geistes«) und Max Frischeisen-Köhler (»Grundprobleme der Metaphysik und Religionsphilosophie«). 62 Vgl. Simion Ghit‚a˘, Influent‚a ›Criticii rat‚iunii pure‹ n filozofia romneasca˘ [Der Einfluss der »Kritik der reinen Vernunft« auf die rumänische Philosophie], in: Alexandru Boboc u. a. (Hg.): Immanuel Kant. 200 de ani de la aparit‚ia ›Criticii rat‚iunii pure‹. Bukarest 1982, 214–224, 217. 63 George Bogdan-Duica˘, Cantiani romni [Rumänische Kantianer], in: Sa˘ma˘na˘torul 3/6 (1904), 81–84, 81. 64 Joan Petrovici, Kant und das rumänische Denken, in: Archiv für Geschichte der Philosophie und Soziologie 38/1–2 (1929), 92–103, 94. 65 Laut seinem Schüler Ion Eliade-Ra˘dulescu, Gheorghe Laza˘r, in: Curierul romnesc [Der rumänische Kurier] 10/66 (1839), 261–264, 263. 66 Vgl. Petrovici, Kant und das rumänische Denken [Anm. 64], 99. 67 Vgl. Constantin Noica, Cum a ntlnit Eminescu pe Kant [Wie Eminescu Kant getroffen hat], in: Steaua 1/2 (1969), 17–25. 52
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Mihai Eminescu, Lecturi kantiene. Traduceri din ›Critica rat‚iunii pure‹ [Kants Lektüren. Übersetzungen aus der »Kritik der reinen Vernunft«], hg. v. Constantin Noica und Alexandru Surdu. Bukarest 1975. 69 Dimitrie Gusti, Aniversarea centenara˘ a mort‚ii lui Immanuel Kant [Immanuel Kants 100. Todestag], in: Cultura romna˘. Pedagogie, s‚ tiint‚e, litere 1/4 (1904), 97–100. 70 Petrovici, Kant und das rumänische Denken [Anm. 64], 100. 71 Petrovici, Cerceta˘ri filosofice. Rolul s‚ i nsemna˘tatea filosofiei [Philosophische Untersuchungen. Die Rolle und die Bedeutung der Philosophie]. Ias‚ i 1907, 153. 72 Vgl. Gheorghe Al. Cazan, ›Influent‚a‹ lui Kant asupra operei lui C. Ra˘dulescu-Motru [»Der Einfluss« Kants auf das Werk von C. Ra˘dulescu-Motru], in: Boboc (Hg.), Immanuel Kant [Anm. 62], 232–243. 73 Constantin Ra˘dulescu-Motru, Puterea sufleteasca˘ [Die seelische Kraft]. Bukarest 21930, 99. 74 Mircea Florian, Immanuel Kant, in: Ion Petrovici (Hg.), Istoria filosofiei moderne, Bd. 2. Bukarest 1938, 3–199. 75 Florian, Immanuel Kant [Anm. 74], 61, 199. 76 Vgl. Gheorghe Epure, Prezent‚a lui Kant n filozofia s‚ tiint‚ei din Romnia n perioada interbelica˘ [Die Präsenz Kants in der Wissenschaftstheorie Rumäniens zwischen den Weltkriegen], in: Boboc (Hg.), Immanuel Kant [Anm. 62], 251–264. 77 Lucian Blaga, Kant s‚ i metafizica [Kant und die Metaphysik], in: Saeculum 2/8 (1944), 77. 78 Athanase Joja, Studii de logica˘ [Logische Studien], Bd. 3. Bukarest 1971, 218. 79 Mircea Flonta, Über ›Analytisch‹ bei Kant, in: Kant-Studien 67/2 (1976), 210–215. 80 Constantin Noica, Kant s‚ i metafizica, dupa˘ interpretarea lui Heidegger [Kant und die Metaphysik in der Auslegung Heideggers], in: Boboc (Hg.), Immanuel Kant [Anm. 62], 141–152. 81 Tomsˇ G. Masaryk, Karel Havlcˇek. Prag 1996, 18. Die aus Masaryks Schriften stammenden Zitate werden hier auf Grundlage der englischen Ausgabe (Übersetzer : Radim Beˇlohrad) ins Deutsche übertragen. 82 Vgl. Tomsˇ G. Masaryk, Sebevrazˇda hromadny´m jevem spolecˇensky´m modern osveˇty [Der Selbstmord als soziale Massenerscheinung der modernen Zivilisation]. Prag 1998, 73. 83 Masaryk, Sebevrazˇda hromadny´m jevem spolecˇensky´m modern osveˇty [Anm. 82], 158. 84 Tomsˇ G. Masaryk, Pocˇet pravdeˇpodobnosti a Humova skepse [Humes Skepsis und die Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung], in: ders., Prˇednsˇky a studie z let 1882–1884. Praha 1998, 28. 85 Masaryk, Pocˇet pravdeˇpodobnosti a Humova skepse [Anm. 84], 29. 86 Tomsˇ G. Masaryk, Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Grundlagen der konkreten Logik]. Praha 2001, 151. 87 Masaryk, Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Anm. 86], 62. 88 Tomsˇ G. Masaryk, Pokus o konkr¦tn logiku [Versuch einer konkreten Logik]. Praha 2001, 74. 89 Masaryk, Pokus o konkr¦tn logiku [Anm. 88], 75. 90 Masaryk, Pokus o konkr¦tn logiku [Anm. 88], 160. 91 Masaryk, Pokus o konkr¦tn logiku [Anm. 88], 161. 92 Masaryk: Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Anm. 86], 89.
584 93
Endnoten
Masaryk, Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Anm. 86], 105. Masaryk, Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Anm. 86], 178. 95 Masaryk, Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Anm. 86], 151. 96 Tomsˇ G. Masaryk, Modern cˇloveˇk a nbozˇenstv [Der moderne Mensch und die Religion]. Praha 2000, 58. 97 Masaryk, Modern cˇloveˇk a nbozˇenstv [Anm. 96], 60. 98 Masaryk, Modern cˇloveˇk a nbozˇenstv [Anm. 96], 59. 99 Tomsˇ G. Masaryk, Rusko a Evropa [Russland und Europa], 3 Bde. Praha 1995–1996. 100 Masaryk, Rusko a Evropa [Anm. 99], Bd. 3, 163. 101 Tomsˇ G. Masaryk, Sveˇtov revoluce. Za vlky a ve vlce 1914–1918 [Die Weltrevolution, 1914–1918]. Praha 2005. 102 Kant, KrV, B 139. 103 Vgl. Jan Zouhar, Helena Pavlincov, Jirˇ Gabriel, Demokracie je diskuse… Cˇesk filosofie 1918–1938 [Die Demokratie ist Diskussion… Tschechische Philosophie 1918–1938]. Olomouc 2005, 170. 104 Vgl. Martin Hemelk, Spinoza. Doba, zˇivot a mysˇlenky novoveˇk¦ho filosofa [Spinoza. Zeit, Leben und Gedanken eines modernen Philosophen]. Praha 2006, 616. 105 Vgl. Karel Skalicky´, Prvn stoupenci a odpu˚rci Masarykova realismu [Die ersten Anhänger und Gegner von Masaryks Realismus], in: Erazim Kohk, Jakub Trnka (Hg.), Hledn cˇesk¦ filosofie [Die Suche nach der tschechischen Philosophie]. Praha 2012, 35–47, 40–41. 106 Vgl. auch V ˇcem spocˇv vy´znam Kantova dualistick¦ho pojet v teoretick¦ a praktick¦ filosofii? [Worin besteht die Bedeutung von Kants dualistischer Auffassung in der theoretischen und in der praktischen Philosophie?], in: Ruch filosoficky´ 2–3/4 (1924), 33–42; 4–5/4 (1924), 97–106. 107 Vladimi´r Hoppe, Dva za´kladni´ proble´my Kantova kriticismu [Zwei Grundprobleme von Kants Kritizismus]. Brno 1932, 6. 108 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 34. 109 Vgl. Kant, MAN, AA IV, 470. 110 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 9. 111 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 9–10. Alle Übersetzungen der Zitate aus Hoppes Abhandlung sind meine eigenen. 112 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 10. 113 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 10. 114 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 10. 115 Vgl. Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 15–16. 116 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 37. 117 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 14. 118 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 16–17. 119 Vgl. Johann Gottlieb Fichte, Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, in: ders., Fichtes Werke, hg. v. Immanuel Herrmann Fichte, Bd. 1. Berlin 1971, 472–477. 120 Zum Beispiel in Kant, KrV, A 11/B 25. 121 Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 41. 122 Vgl. Fichte, Zweite Einleitung [Anm. 119], 475. 123 Vgl. Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 19. 124 Vgl. Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 45. 94
Kant und Osteuropa 125
585
Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 18. Hvh. v. Hoppe. Kant, KrV, B 130. 127 Kant, KrV, B 139. 128 Kant, KrV, B 139. 129 Vgl. Hoppe, Dva zkladn probl¦my [Anm. 107], 31. 130 Zu Masaryks (politischer) Philosophie vgl. Zwi Batscha, Eine Philosophie der Demokratie. Thomas G. Masaryks Begründung einer neuzeitlichen Demokratie. Frankfurt am Main 1994. 131 Vgl. Max Steiner, Die Welt der Aufklärung. Berlin 1912, 55. 132 Max Steiner, Die Rückständigkeit des modernen Freidenkertums. Berlin 1905, 5. 133 Hans-Ludwig Ollig, Einleitung, in: ders. (Hg.), Materialien zur NeukantianismusDiskussion. Darmstadt 1987, 1–16, 3. 134 Siehe Max Brod, Der Prager Kreis. Stuttgart 1966, 35. 135 Siehe dazu: Berlin und der Prager Kreis, hg. v. Margarita Pazi, Hans Dieter Zimmermann. Würzburg 1991. 136 Vgl. Manfred Voigts, Die »Freie Wissenschaftliche Vereinigung« – Eine Anti-antisemitische Studentenverbindung, in: Pardes 11 (2005), 103–107. 137 Kurt Krolop, Ein Prager Frondeur in Berlin: Max Steiner, in: Klaas-Hinrich Ehlers, Steffen Höhne, Marek Nekula (Hg.), Studien zur Prager deutschen Literatur. Wien 2005, 125–144, 128. 138 Steiner, Rückständigkeit des modernen Freidenkertums [Anm. 132], 20. 139 Vgl. Die Fackel 6/176 (1905), 22–24. Zum Verhältnis Kraus – Steiner vgl. Kurt Krolop, Prager Autoren im Lichte der Fackel, in: Ehlers (Hg.), Studien zur Prager deutschen Literatur [Anm. 137], 108–110. 140 Kurt Hiller, Leben gegen die Zeit, Bd. 1: Logos. Reinbek bei Hamburg 1969, 64f. 141 Salomo Friedländer, Max Steiner : Die Welt der Aufklärung, in: Der Sturm 3/107 (April 1912), 20–22; 3/108 (Mai 1912), 28–30; 3/109 (Mai 1912), 34. 142 Salomo Friedlaender/Mynona, Gesammelte Schriften, hg. v. Hartmut Geerken u. Detlef Thiel, 38 Bde. Herrsching 2005f. 143 Vgl. Thomas Ludolf Mayer, Das Problem eines höchsten Grundsatzes in der Philosophie bei Jacob Sigismund Beck. Amsterdam 1991. 144 Vgl. Jörg Krappmann, Apologet der Konsequenz. Der Prager deutsche Philosoph Max Steiner. Olomouc 2009, 27–46. 145 Vgl. Karl Vorländer, Geschichte der Philosophie, Bd. 2. Leipzig 1911, 422–442. 146 Vorländer, Geschichte der Philosophie [Anm. 145], 438. 147 Steiner, Die Welt der Aufklärung [Anm. 131], 56. 148 Steiner, Die Rückständigkeit des modernen Freidenkertums [Anm. 132], 19, 6. 149 Otfried Höffe, Kants Kritik der reinen Vernunft. München 2003, 23. 150 Steiner, Rückständigkeit des modernen Freidenkertums [Anm. 132], 28. 151 Salomo Friedländer/Mynona, Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt?/Der Holzweg zurück. Herrsching 2010, 372. 152 Friedländer, Remarque [Anm. 151], 373. 153 Steiner, Die Welt der Aufklärung [Anm. 131], 197. 154 Houston Stewart Chamberlain, Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, 2 Bde. München 1899; ders., Immanuel Kant. Die Persönlichkeit als Einführung in das Werk. München 1905. 126
586 155
Endnoten
Steiner, Die Welt der Aufklärung [Anm. 131], 197. Vgl. auch: Sven Brömsel, DarwinDebatten um 1900. Houston Stewart Chamberlain, Julius von Wiesner und Max Steiner, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 65/3 (2013), 252–277. 156 Oscar Ewald, Die deutsche Philosophie im Jahre 1908, in: Kant-Studien 14 (1909), 353–391, 389. Zur näheren Bestimmung des Verhältnisses Steiner – Ewald vgl. Jörg Krappmann, Der Prager deutsche Philosoph Max Steiner und die Kant-Forschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Peter Becher, Steffen Höhne, Marek Nekula (Hg.), Kafka und Prag. Köln 2012, 69–80. 157 Steiner, Rückständigkeit des modernen Freidenkertums [Anm. 132], 98. 158 Petr A. Kropotkin, Mutual Aid. A Factor of Evolution. London 1902. 159 Vgl. Steiner, Die Welt der Aufklärung [Anm. 131], 15. 160 Hans Wisskirchen, »Gegensätze mögen sich reimen«. Quellenkritische und entstehungsgeschichtliche Untersuchungen zu Thomas Manns Naphta-Figur, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 29 (1985), 430. 161 Max Steiner, Die Lehre Darwins in ihren letzten Folgen. Berlin 1908, 94. 162 Steiner, Die Welt der Aufklärung [Anm. 131], 66. 163 Erste Auflage in Slowenisch: Alenka Zupancˇicˇ, Etika realnega: Kant, Lacan. Ljubljana 1993. Die deutsche Übersetzung folgte: Die Ethik des Realen: Kant, Lacan, übers. v. Alfred Leskovec. Wien 1995, und dann in Englisch: Ethics of the Real: Kant, Lacan. London/New York 2000. 164 Zupancˇicˇ, Ethics of the Real [Anm. 163], 92 [Übersetzung MB]. 165 Zupancˇicˇ, Ethics of the Real [Anm. 163], 248 [Übersetzung MB]. 166 Zdravko Kobe, Tri ˇstudije o Kantovi prakticˇni filozofiji [Drei Studien zu Kants praktischer Philosophie]. Ljubljana 2008. 167 Zdravko Kobe, Automaton transcendentale I. Kantova pot h Kantu [Automaton Transcendentale I. Kants Weg zu Kant]. Ljubljana 1995. 168 Zdravko Kobe, Automaton transcendentale II. Kritika cˇistega uma [Automaton Transcendentale II. Kritik der reinen Vernunft]. Ljubljana 2001. 169 Kobe, Tri ˇstudije o Kantovi prakticˇni filozofiji [Anm. 166], 180 [Übersetzung JS]. 170 Kobe, Tri ˇstudije o Kantovi prakticˇni filozofiji [Anm. 166], 181 [Übersetzung JS]. 171 Jure Simoniti, Die Philosophie der kleinsten Prätentiösität, übers. v. Alfred Leskovec. Wien 2014. 172 Kant, KrV, A 407/B 434. 173 Ioannis Baptist Horvath, Declaratio infirmitatis fundamentorum operis Kantiani ›Critik der Reinen Vernunft‹. Buda 1797. 174 Kant, Prol, AA IV, 366. 175 Kant, KrV, B 39. 176 Simeon Csucsich, Philosophia critice elaborata. Viennae 1815. 177 Vgl. Stjepan Zimmermann, Opc´a noetika. Teorija spoznaje i kritika njezine vrijednosti [Eine allgemeine Noetik. Theorie der Erkenntnis und Kritik an ihrem Wert]. Zagreb 1918, 13. 178 Zimmerman, Opc´a noetika [Anm. 177], 26ff. Falls nicht anders angegeben, sind alle Übersetzungen der Quellenliteratur hier und im Folgenden von Max Brinnich. 179 Franjo Markovic´, Logika, in: Prilozi za istrazˇivanje filozofijske basˇtine 35/36 (1912), 247–258, 258.
Kant und Osteuropa
587
Franjo Markovic´, Razvoj i sustav obc´enite estetike [Die Entwicklung und das System einer allgemeinen Ästhetik]. Zagreb 1903, 198. 181 Albert Bazala, Povijest filozofije [Geschichte der Philosophie]. Zagreb 1912, 23. 182 Vgl. Albert Bazala Filozofijske studije I. Metalogicˇki korijeni filozofije, [Philosophische Studien I. Metalogische Ursprünge der Philosophie]. Zagreb 1924. 183 Vgl. das Nachwort zu der Übersetzung von Kants Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können und Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, veröffentlicht in Kroatisch unter dem Titel Dvije rasprave. Zagreb 1953, 237. 184 Milan Kangrga, Etika ili revolucija [Ethik der Revolution]. Belgrade 1983, 164. 185 Kant, TP, AA VIII, 278ff. 186 Gajo Petrovic´, Moguc´nost cˇovjeka [Möglichkeit des Menschen]. Zagreb 1969, 139. 187 Petrovic´, Moguc´nost cˇovjeka [Anm. 186], 101. 188 Karl Marx im September 1843 an Arnold Ruge, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 1. Berlin 1976, 344. 189 Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, in: Marx/Engels, Werke [Anm. 188], vol. 1, 382. 190 ˇ emu praxis [Der Zweck der Praxis]. Zagreb 1972, 150; id., MoVgl. Gajo Petrovic´, C guc´nost cˇovjeka [Anm. 186], 98. 191 Petrovic´, Moguc´nost cˇovjeka [Anm. 186], 98. 192 Milan Kangrga, Fenomenologija ideolosˇko-politicˇkog nastupanja jugoslavenske srednje klase [Phänomenologie des ideologisch-politischen Auftritts der jugoslawischen Mittelklasse], in: Praxis 3–4 (1971), 445. 193 U povodu nekih najnovijih kritika Praxisa [Anläßlich der neusten Kritik an Praxis], in: Praxis 1–2 (1974), 238. 194 Kant, TP, AA VIII, 290. 195 Aleksa Buha, Etika klasicˇnog njemacˇkog idealizma [Die Ethik des klassischen Deutschen Idealismus]. Sarajevo 1986; Aleksa Buha, Argumenti za Republiku Srpsku [Argumente für die Serbische Republik]. Belgrade 1996. 196 Ivan Bubalo, Kantova etika i odgovornost za svijet [Die Kantische Ethik und die Verantwortung in der Welt]. Zagreb 1984. 197 Bubalo, Kantova etika [Anm. 196], 215. 198 Tomasz Kups´ (Hg.), Recepcja filozofii Immanuela Kanta w filozofii polskiej w pocza˛tkach XIX wieku. Torun´ 2014; Mirosław Z˙elazny, Przedmowa tłumacza, in: Immanuel Kant, O porzekadle…, Do wiecznego pokoju, übers. v. Mirosław Z˙elazny. Torun´ 1995, VII–XXVIII. 199 ˙ Zelazny, Przedmowa tłumacza [Anm. 198], XIII. 200 Heiner F. Klemme, Przedmowa do wydania polskiego, in: Kant, O porzekadle…, Do wiecznego pokoju [Anm. 198], LXXI–LXXII; Z˙elazny, Przedmowa tłumacza [Anm. 198], XIV. 201 Kups´ (Hg.), Recepcja filozofii Immanuela Kanta w filozofii polskiej w pocza˛tkach XIX wieku [Anm. 198]. 202 Władysław Tatarkiewicz, Historia filozofii, Bd. 2. Warszawa 1993, 189. 203 Vgl. Karol Kuz´micz, Immanuel Kant jako inspirator polskiej teorii i filozofii prawa w latach 1918–1950. Białystok 2009. 204 Kazimierz Ajdukiewicz, Je˛zyk i poznanie. Wybûr pism, Bd. 1.Warszawa 1960, 264–277. 205 Roman Ingarden, Ksia˛z˙eczka o człowieku. Krakûw 1972, 39.
180
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Endnoten
Kant und seine Dichter 1 Roger Bauer, Der Idealismus und seine Gegner in Österreich. Heidelberg 1966. Siehe auch ders., Laßt sie koaxen, die kritischen Frösch in Preußen und Sachsen. Zwei Jahrhunderte Literatur in Österreich. Wien 1977 und Harald Haslmayr, Geistige Hintergründe des Biedermeier, in: Clifford Bernd, Robert Pichl, Margarete Wagner (Hg.), The Other Vienna. The Culture of Biedermeier Austria. Österreichisches Biedermeier in Literatur, Musik, Kunst und Kulturgeschichte. Wien 2002, 285–296. 2 Vgl. Werner Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration. Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie. Amsterdam 1982. 3 Wilhelm Baum, Wien als letzter Zufluchtsort der Aufklärung. Josef Schreyvogel: Die Philosophie Kants als Bollwerk gegen die »neue Schule« der Wiener Romantik, in: Michael Benedikt, Reinhold Knoll (Hg.), Bildung und Einbildung. Vom verfehlten Bürgerlichen zum Liberalismus. Philosophie in Österreich (1820–1880). Klausen-Leopoldsdorf 1995, 283–298. 4 Ernst von Feuchtersleben zitiert nach Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 2], 330. 5 Franz Grillparzer, Gedichte, in: ders., Franz Grillparzer. Sämtliche Werke, Ausgewählte Briefe, Gespräche, Berichte, 4 Bde., Bd. 1, hg. v. Peter Frank, Karl Pörnbacher. München 1964–1969, 9–366, 330–331 (1849). 6 Franz Grillparzer, Erinnerungen, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 4, 189–224, 222–223 (1850/1851). 7 Franz Grillparzer, Tagebücher, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 4, 225–727, 486 (1832). 8 Joseph Schreyvogel, Josef Schreyvogels Tagebücher 1810–1823, 2 Bde., Bd. 1, hg. v. Karl Glossy. Berlin 1903, 228 (8. 1. 1813). 9 Sepp Domandl, Wiederholte Spiegelungen. Von Kant und Goethe zu Stifter. Ein Beitrag zur österreichischen Geistesgeschichte. Linz 1982, 40. 10 Elisabeth Buxbaum, Joseph Schreyvogel. Förderer und Freund Grillparzers, in: Jahrbuch des Wiener Goethe-Vereins 96 (1992), 27–38, 28. Siehe auch: Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 9], 62. 11 Baum, Wien als letzter Zufluchtsort der Aufklärung [Anm. 3], 289. 12 Franz Grillparzer, Epigramme, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 1, 367–594, 426 (1837). 13 Joseph Schreyvogel zitiert nach Robert Mühlher, Ontologie und Monadologie in der österreichischen Literatur des 19. Jahrhunderts, in: Joseph Stummvoll (Hg.), Die österreichische Nationalbibliothek. Festschrift zum fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläum des Generaldirektors Univ.-Prof. Dr. Josef Bick. Wien 1948, 488–504, 488. 14 Herbert Seidler, Österreichischer Vormärz und Goethezeit. Geschichte einer literarischen Auseinandersetzung. Wien 1982, 108. Siehe auch: Roger Bauer, Die »Neue Schule« der Romantik im Urteil der Wiener Kritik, in: Herbert Zeman (Hg.), Die Österreichische Literatur. Ihr Profil im 19. Jahrhundert (1830–1880). Graz 1982, 221–229. 15 Franz Grillparzer, Studien und Aufsätze, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 3, 209–1178, 716 (1848).
Kant und seine Dichter 16
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Walter Seitter, Unzeitgemäße Aufklärung. Franz Grillparzers Philosophie. Wien 1991, 165. Siehe auch Peter Wittmann, Zu Grillparzers Rezeption von Kant und Hegel, in: Benedikt, Knoll (Hg.), Bildung und Einbildung [Anm. 3], 529–540, 537–538. 17 Grillparzer, Epigramme [Anm. 12], 542 (1856). 18 Franz Grillparzer, Selbstbiographie, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 3, 20–178, 137f. 19 Grillparzer, Epigramme [Anm. 12], 547 (1857). 20 Seitter, Unzeitgemäße Aufklärung [Anm. 16], 25. Siehe auch Grillparzer, Epigramme [Anm. 12], 435 (1839) und 504 (1850). 21 Wittmann, Zu Grillparzers Rezeption von Kant und Hegel [Anm. 16], 529. 22 Wittmann, Zu Grillparzers Rezeption von Kant und Hegel [Anm. 16], 539–540. 23 Grillparzer, Studien und Aufsätze [Anm. 15], 692 (1835). 24 Grillparzer, Studien und Aufsätze [Anm. 15], 241 (1820). 25 Die biographischen Daten Friedrich Schillers sind hauptsächlich entnommen aus: Gero von Wilpert, Schiller-Chronik 1933–2009. Sein Leben und Schaffen. Stuttgart 22000 und Karin Wais, Die Schiller-Chronik. Frankfurt am Main 2005; ferner Helmut Koopmann (Hg.), Schiller-Handbuch, 2. durchgesehene und aktualisierte Auflage. Stuttgart 2011; Axel Gellhaus, Norbert Oellers (Hg.), Schiller. Bilder und Texte zu seinem Leben. Köln/Weimar/ Wien 1999; Rose Unterberger, Friedrich Schiller. Orte und Bildnisse. Ein biographisches Bilderbuch. Stuttgart 2008; Rüdiger Safranski, Friedrich Schiller oder die Erfindung des Deutschen Idealismus. München/Wien 2004; Jörg Aufenanger, Friedrich Schiller. Biographie. Düsseldorf/Zürich 2004; Peter-Andr¦ Alt, Friedrich Schiller. München 2004. 26 Karl Leonhard Reinhold am 14. 6. 1789 an Immanuel Kant, AA XI, 62. Vgl. in diesem Band den Beitrag von Philipp Schaller, Reinhold als Vermittler der kantischen Philosophie, 150–161. 27 Vgl. in diesem Band den Beitrag von Guido Naschert, Reinhold und die Kant-Rezeption im Klagenfurter Herbert-Kreis, 161–168. 28 Friedrich Schiller am 10. 4. 1791 an Christian Gottfried Körner, in: ders., Schillers Werke, begr. v. Julius Petersen, fortgeführt von Lieselotte Blumenthal und Benno von Wiese, hg. im Auftrag der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar (Goethe- und Schiller-Archiv) und dem Schiller-Nationalmuseum in Marbach von Norbert Oellers und Siegfried Seidel, Nationalausgabe, Weimar, Bd. 26: Briefwechsel. Schillers Briefe 1. 3. 1790–17. 5. 1794, hg. v. Edith Nahler und Horst Nahler. Weimar 1992, Nr. 68, 82f. Vgl. Caroline von Wolzogen, Schillers Leben, verfaßt aus Erinnerungen der Familie, seinen eignen Briefen und den Nachrichten seines Freundes Körner, 2 Teile. Stuttgart/Tübingen 1830, Zweiter Theil, 83. (Zitiert nach dem Reprint, hg. von Peter Boerner. Hildesheim 1990.) 29 Vgl. in diesem Band den Beitrag von Gabriele Geml, Joseph Schreyvogel. Die Kantische Moralphilosophie als Lebenskunst, 314–323. 30 Zur Antrittsvorlesung vgl. Friedrich Schiller, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Zum 200. Jahrestag von Friedrich Schillers Eintritt in den Lehrkörper der Universität Jena, hg. v. Hans Schmigalla und Volker Wahl in der Serie Jenaer Reden und Schriften, Veröffentlichung der Friedrich-Schiller-Universität. Jena 1989. Vgl. ferner Wais, Schiller-Chronik [Anm. 25], 118. 31 Vgl. Koopmann, Schiller-Handbuch [Anm. 25], 732ff.; Wais, Schiller-Chronik [Anm. 25], 68; Wilpert, Schiller-Chronik 1933–2009 [Anm. 25], 119.
590 32
Endnoten
Friedrich Schiller am 3. 3. 1791 an Christian Gottfried Körner, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 26, Nr. 65, 77f. 33 Friedrich Schiller am 28. 11. 1791 an Joachim Göschen, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 26, Nr. 92, 112; ferner Wais, Schiller-Chronik [Anm. 25], 152 u. 153 sowie Wilpert, Schiller-Chronik 1933–2009 [Anm. 25], 165 u. 170. Zu den Schriften Kants in Schillers Bibliothek vgl. Schiller, Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 41, Nr. 1, 622–625. 34 Friedrich Schiller am 22. 9. 1797 an Johann Wolfgang Goethe, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 29, Nr. 140, 136ff. 35 Caroline von Wolzogen, Schillers Leben, 83 [Anm. 28].Vgl. Wilpert, Schiller-Chronik 1933–2009 [Anm. 25], 165. 36 Vgl. Schiller, Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 41, Nr. 2, 307–320 sowie Schiller, Zum 200. Jahrestag [Anm. 30], 15 u. 38–43. 37 Friedrich Schiller am 13. 6. 1794 an Immanuel Kant, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 27, Nr. 11, 12f. 38 Immanuel Kant am 30. 3. 1795 an Friedrich Schiller, AA XII, 11. 39 Immanuel Kant am 30. 3. 1795 an Friedrich Schiller, AA XII, 11. 40 Friedrich Schiller am 23. August 1794 an Johann Wolfgang Goethe, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 27, Nr. 22, 25. 41 Friedrich Schiller am 23. August 1794 an Johann Wolfgang, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 27, Nr. 22, 26. 42 Friedrich Schiller am 31. August 1794 an Johann Wolfgang, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 27, Nr. 26, 32. 43 Vgl. Frederic Beiser, Schiller as Philosopher. A Re-Examination. Oxford 2005, 72; vgl. ebenso Heike Pieper, Schillers Projekt eines ›menschlichen Menschen‹. Eine Interpretation der »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen von Friedrich Schiller«, Dissertation. Bielefeld 1996, 138–142 und Violetta L. Waibel, Die Schönheit als zweite Schöpferin des Menschen. Schillers Idee des »Spieltriebs« und der »aktiven Bestimmbarkeit« in den Briefen ›Über die ästhetische Erziehung‹, Beitrag für die Festschrift von Konrad Liessmann zum 60. Geburtstag im April 2013, in: Katharina Lacina, Peter Gaitsch (Hg.), Intellektuelle Interventionen: Gesellschaft, Bildung, Kitsch. Wien 2013, url: http://www.loecker-verlag.at/ docs/ViolettaL.Waibel.pdf (Letzter Zugriff: 30. 6. 2015). 44 Vgl. Christian Friedrich Michaelis Nachschrift Fragmente aus Schillers aesthetischen Vorlesungen vom Winterhalbjahr 1792–93, in: Schiller, Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 21, 66–88 und ebd., 383–388. 45 Friedrich Schiller am 22. Dezember 1798 an Johann Wolfgang Goethe, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 30, Nr. 16, 15. 46 Zur ausführlichen Darstellung der Entstehungsgeschichte der Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, in: Schiller, Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 21, 232–242. 47 Vgl. die detaillierte Interpretation in Waibel, Die Schönheit als zweite Schöpferin des Menschen [Anm. 43]. 48 Friedrich Schiller, Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 20, 13. Brief, 347. 49 Schiller, Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen [Anm. 48], 14. Brief, 353. 50 Schiller, Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen [Anm. 48], 15. Brief, 359. 51 Kant, KU AA V, § 9, 27–32.
Kant und seine Dichter 52
591
Schiller, Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen [Anm. 48], 27. Brief, 410. Friedrich Schiller, Ueber Anmuth und Würde, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 20, 284. 54 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 282. 55 Kant, KpV AA V, 72. 56 Kant, KpV AA V, 73. 57 Kant, KpV AA V, 73. 58 Kant, KpV AA V, 73. 59 Kant, KpV AA V, 76. 60 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 260. 61 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 262. 62 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 264. 63 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 265. 64 Johann Erich Biester am 5. Oktober 1793 an Immanuel Kant, AA XI, 456f. 65 Kant, RGV, AA VI, 23 Anm. 66 Kant, RGV, AA VI, 23 Anm. 67 Kant, RGV, AA VI, 23 Anm. 68 Kant, RGV, AA VI, 23f. Anm. 69 Kant, MSTL, AA VI, 391. 70 Kant, MSTL, AA VI, 392. 71 Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen [Anm. 48], 316/317. 72 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 289. 73 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 296/297. 74 Vgl. Schiller, Ueber die tragische Kunst, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 20, 148–170; ders. Vom Erhabenen, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 20, 171–195; ders. Ueber das Pathetische, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 20, 196–221. 75 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 297. 76 Schiller, Ueber Anmuth und Würde [Anm. 53], 298. 77 Vgl. hier und im folgenden Klaus Berghahn, Nachwort, in: Friedrich Schiller, Vom Pathetischen und Erhabenen. Ausgewählte Schriften zur Dramentheorie. Stuttgart 1981, 136ff. 78 Berghahn, Nachwort [Anm. 77], 138. 79 Kant, Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen, AA II, 212. 80 Johann Wolfgang Goethe am 18. 2. 1795 an Friedrich Schiller, in: Schiller, Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 35, Nr. 149, 107. 81 Friedrich Schiller am 19. 2. 1795 an Johann Wolfgang Goethe, in: ders., Nationalausgabe [Anm. 28], Bd. 27 [Anm. 37], Nr. 111. 82 Kant, KU AA V, 273f. 83 Kant, KU AA V, 274. 84 Kant, KU AA V, 325/326. 85 Vgl. Schiller, Ueber die tragische Kunst [Anm. 74], 148–170; Vom Erhabenen [Anm. 24], 171–195; Ueber das Pathetische [Anm. 74], 196–221. 86 Schiller, Ueber die tragische Kunst [Anm. 74], 164f. 87 Vgl. Franz Grillparzer, [Zur Philosophie], in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 3, 1144–1146, 1144f. [Tgb. 79, 1809/10 sowie Tgb. 180, 1816].
53
592 88
Endnoten
Grillparzer, Tagebücher [Anm. 7], 486 [Tgb. 2010, 1832]. Vgl. zur Bedeutung Lichtenbergs für Grillparzer: Grillparzer, [Zur Philosophie], 1144f. [Tgb. 79, 1809/10] sowie Friedrich Sengle, Biedermeierzeit: Deutsche Literatur im Spannungsfeld zwischen Restauration und Revolution 1815–1848, 3 Bde., Bd. 3: Die Dichter. Stuttgart 1980, 59f. 89 Vgl. Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 108f. sowie Elisabeth Buxbaum, Joseph Schreyvogel. Der Aufklärer im Beamtenrock. Wien 1995, 126, 149ff. 90 Vgl. den Anmerkungsteil zu Grillparzer, in: Grillparzer, Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 3, 1228. 91 Vgl. den Anmerkungsteil zu Grillparzer, in: Grillparzer, Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 1, 1205. 92 Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 40. 93 Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 40. 94 Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 48. 95 Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 48. 96 Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 49. 97 Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 49 und Grillparzer, Das Narrennest, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 2, 577–590, 590. 98 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 2, 243. 99 Grillparzer, Tagebücher [Anm. 7], 389ff. [Tgb. 1413, 1826]. 100 Grillparzer, Zur Ästhetik, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 3, 211–258, 241 [Tgb. 622, 1820]. 101 Die gegen Grillparzers Sprache erhobenen Vorwürfe resümiert kritisch Sengle, Die Dichter [Anm. 88], 67. 102 Grillparzer, Zur Ästhetik [Anm. 100] respektive Franz Grillparzer, Aesthetische Studien, in: Grillparzers sämtliche Werke: in zwanzig Bänden, hg. v. August Sauer, Bd. 15. Stuttgart 1892, 5–149. 103 Grillparzer, Zur Ästhetik [Anm. 100], 225f. [Tgb. 895, 1820/21]. 104 Grillparzer, Zur Ästhetik [Anm. 100], 284 [Tgb. 3196, 1837]. 105 Vgl. Fritz Störi, Grillparzer und Kant. Frauenfeld/Leipzig 1935, 20ff. 106 Vgl. Störi, Grillparzer und Kant [Anm. 105], 31f. 107 Vgl. Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 138. 108 Vgl. Grillparzer, Zur Philosophie, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 3, 1155 [Tgb. 4245, 1859]. 109 Vgl. Störi, Grillparzer und Kant [Anm. 105], »Die Ethik«, 57–81; insbesondere 64. Vgl. zudem und unter anderem Bernd Breitenbruch, Ethik und Ethos bei Grillparzer. Denkerische Bemühung und dramatische Gestaltung. Berlin 1965; Friedrich Kainz, Grillparzer als Denker. Der Ertrag seines Werks für die Welt- und Lebensweisheit. Wien 1975; darin insbesondere das 11. Kapitel »Ethik«, 138–218, 141. 110 Vgl. Grillparzer, Selbstbiographie [Anm. 18], 153. 111 Grillparzer, Libussa, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 2, 449–518, 516. [Hervorhebung im Original] 112 Grillparzer, Die Jüdin von Toledo, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 2, 257–343, 339. 113 Grillparzer, Zur Ästhetik [Anm. 100], 222 [Tgb. 883, 1820/21]. 114 Grillparzer, [Wieviel weißt du, o Mensch] (Gedichte 1843), in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 1, 292f., 293; Kant, KpV, A 289.
Kant und seine Dichter 115
593
Grillparzer, Nachruf an Zacharias Werner (Gedichte 1823), in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 1, 151f., 152 [Hervorhebung im Original]. 116 Grillparzer zit. in: Breitenbruch, Ethik und Ethos bei Grillparzer [Anm. 109], 44. 117 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 8. Jänner 1811], 12. 118 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 10f. 119 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 4. März 1811], 36. 120 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 15. Jänner 1811], 20. 121 Vgl. Amand Berghofer zit. in: Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 11. 122 Amand Berghofer zit. in: Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 11. 123 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 4. März 1811], 36; [Eintrag vom 13. Mai 1811], 67f. 124 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 13. Mai 1811], 68. 125 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 16. Jänner 1811], 20; [Eintrag vom 21. Jänner 1811], 24. 126 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 27ff.; 57. 127 Johann Baptist von Alxinger zit. in: Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 28f. 128 Vgl. zu Schreyvogels Beiträgen zur Monathsschrift in besonderem Hinblick auf die kantische Philosophie: Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 2], »Kapitel VII: Schreyvogel und die Österreichische Monatsschrift«, 207–229. 129 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 29ff. 130 Vgl. Joseph Schreyvogel, Der Teutsche Lovelace. Proben aus einem Roman in Briefen, in: Der neue Teutsche Merkur 3/11 (1795), 217–247 sowie ders., Der Teutsche Lovelace, in: Der neue Teutsche Merkur 1/1 (1796), 3–15. 131 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 61. 132 Vgl. Horst Schröpfer, Kants Weg in die Öffentlichkeit. Christian Gottfried Schütz als Wegbereiter der kritischen Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstadt 2003 sowie Horst Schröpfer, Christian Gottfried Schütz – Initiator einer wirkungsvollen Verbreitung der Philosophie Kants, in: Norbert Hinske, Erhard Lange, Horst Schröpfer (Hg.), Der Aufbruch in den Kantianismus. Der Frühkantianismus an der Universität Jena von 1785–1800 und seine Vorgeschichte. Stuttgart-Bad Cannstadt 1995, 15–35. 133 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 61. 134 Joseph Schreyvogel am 14. 12. 1794 an seinen Bruder Georg, zit. in: Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 56. 135 Vgl. Karl Glossy, Einleitung, in: Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], »I. Theil«, XVII–LXXIX, XXXVI. 136 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 69. 137 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 72, 91. 138 Ferdinand von Plffy zit. in: Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 114. 139 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 177 (zu Shakespeare), 193ff. (zu Goethe und Schiller). 140 Vgl. Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 2, [Einträge vom 13. und 15. März 1817], 243. 141 Vgl. Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 74ff. 142 Vgl. Hellmut Himmel, Geschichte der deutschen Novelle. München 1963, 181ff.
594 143
Endnoten
Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 1. Oktober 1811], 188. Vgl. zu Schreyvogels gelinder Aversion gegen die belletristische Literatur auch Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 4. Juni 1811], 83. 144 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Einträge vom 4. und 7. Februar 1812], 155. 145 Vgl. zu den Beständen von Schreyvogels Bibliothek: Buxbaum, Joseph Schreyvogel [Anm. 89], 282f. 146 Vgl. Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 4. Februar 1812], 155. 147 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [20: Eintrag vom 15. Jänner 1811], 20. 148 Vgl. in diesem Band die Beiträge von Gabriele Geml Ernst Freiherr von Feuchtersleben – Kant und die Vorgeschichte der Psychotherapie in Österreich, 323–335, sowie Franz Grillparzer – Zugänge zu Kant, 302–314. 149 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 18. Juni 1811], 89. 150 Vgl. Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 16. Jänner 1811], 21. 151 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 15. Dezember 1811], 141f. 152 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 26. Mai 1811], 68 sowie [Eintrag vom 6. August 1811], 101. 153 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 15. Dezember 1811], 141f. 154 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 15. Jänner 1811], 20 [Hervorhebung im Original] sowie [Eintrag vom 23. Februar 1812], 161. 155 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 14. Mai 1811], 76. 156 Schreyvogel, Tagebücher [Anm. 8], Bd. 1, [Eintrag vom 20. Dezember 1811], 143. 157 Ernst von Feuchtersleben, zit. in: Kurt G. Fischer, Ernst von Feuchtersleben – Kulturpolitik und Bildung, in: Ernst von Feuchtersleben, Pädagogische Schriften, besorgt von Kurt G. Fischer. Paderborn 1963, 144–162, 146. 158 Vgl. Karl Pisa, Ernst Freiherr von Feuchtersleben. Pionier der Psychosomatik. Wien 1998, 44ff. Vgl. Ernst Freiherr von Feuchtersleben, Autobiographische Mittheilungen für die K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien, in: ders., Sämtliche Werke und Briefe. Kritische Ausgabe, hg. v. Hedwig Heger, Bd.VI/1, bearb. v. Barbara Otto. Wien 2002, 265–274, 269. 159 Grillparzer, Meine Erinnerungen an Feuchtersleben, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 4, 221–224; 221f. 160 Vgl. Else Pappenheim, Der Psychiater Ernst Freiherr von Feuchtersleben und seine Seelenheilkunde, in: dies., Hölderlin, Feuchtersleben, Freud. Beiträge zur Geschichte der Psychoanalyse, der Psychiatrie und Neurologie, hg. und eingel. v. Bernhard Handlbauer. Graz/Wien 2004, 315–346, 316, 332, 339. 161 Vgl. Pappenheim, Der Psychiater Feuchtersleben [Anm. 160], 333. 162 Vgl. Max Neuburger, Feuchtersleben als Psychiater und Psychotherapeut, Separatabdruck aus der Wiener Medizinischen Wochenschrift 24 (1933), sowie Pappenheim, Der Psychiater Feuchtersleben [Anm. 160], 329, 338. 163 Vgl. Gerhard Stumm, Geschichte, Paradigmen und Methoden der Psychotherapie, in: Thomas Slunecko (Hg.), Psychotherapie. Eine Einführung. Wien 2009, 29–84, 30. 164 Vgl. Pappenheim, Der Psychiater Feuchtersleben [Anm. 160], 329. 165 Vgl. Pappenheim, Der Psychiater Feuchtersleben [Anm. 160], 316. Vgl. Herbert Seidler, Nachwort zu: Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. I/2, 887–901, 887f. 166 Vgl. Pappenheim, Der Psychiater Feuchtersleben [Anm. 160], 336f. 167 Vgl. Pappenheim, Der Psychiater Feuchtersleben [Anm. 160], 345.
Kant und seine Dichter 168
595
Vgl. Fischer, Ernst von Feuchtersleben – Kulturpolitik und Bildung [Anm. 157], 155f. sowie Thomas Maisel, Alma Mater auf den Barrikaden: Die Universität Wien im Revolutionsjahr 1848. Wien 1998, 43. 169 Vgl. Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd.VI/2 (Apparat), 857 [Kommentar zum Brief]. 170 Ernst Freiherr von Feuchtersleben, zit. in: Pisa, Feuchtersleben [Anm. 158], 171. 171 Vgl. Peter Frank, Karl Pörnbacher, Anhang zu: Grillparzer, Sämtliche Werke [Anm. 5], Bd. 4, 1013. 172 Grillparzer, Meine Erinnerungen an Feuchtersleben [Anm. 159], 222f. 173 Feuchtersleben, Autobiographische Mittheilungen [Anm. 158], 268, sowie ders., Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. VI/2, 930 [Kommentar]. 174 Ludwig August Frankl, zit. in: Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. VI/2, 856. 175 Feuchtersleben, Autobiographische Mittheilungen [Anm. 158], 271. 176 Vgl. Kant, Prol, AA IV, 260. 177 Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. VI/2, 936 [Kommentar]. 178 Heinrich Damerow, zit. in: Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. VI/2, 934. 179 Vgl. Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. VI/2, 935 [Kommentar]. 180 Vgl. Ernst Freiherr von Feuchtersleben, Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde, als Skizze zu Vorträgen bearbeitet, unveränderter Nachdruck der 1845 bei Carl Gerold in Wien erschienenen Ausgabe, photomechanischer Nachdruck. Graz 1976, XIV. 181 Kant, SF, AA VII, 95–115. 182 Vgl. etwa Ernst Freiherr von Feuchtersleben, Zur Diätetik der Seele, in: ders., Kleines Lehrbuch der Vernunft. Zur Diätetik der Seele und Tagebuchblätter, mit einem Nachwort von Hans Tabarelli. Wien 1949, 13–130; 13f. 183 Vgl. Feuchtersleben, Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde [Anm. 180], 372. 184 Feuchtersleben, Lehrbuch der ärztlichen Seelenkunde [Anm. 180], 372 [Hervorhebungen im Original]. 185 Vgl. in diesem Band die Beiträge von Gabriele Geml Franz Grillparzer – Zugänge zu Kant und Joseph Schreyvogel. Die Kantische Moralphilosophie als Lebenskunst 302–323. 186 Herbert Seidler, Nachwort zu: Feuchtersleben, Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. I/2, 887–901, 894. 187 Vgl. Ernst Freiherr von Feuchtersleben, Gedichte, in: ders., Sämtliche Werke [Anm. 158], Bd. I/1, 198f. Vgl. auch Bd. I/2, 644. 188 Vgl. Feuchtersleben, Gedichte [Anm. 187], 440f. [Hervorhebung im Original]. 189 Feuchtersleben, Zur Diätetik der Seele [Anm. 182], 52f. 190 Ernst Freiherr von Feuchtersleben, Lebensblätter. Wien/Leipzig 1851, 237f. 191 Andreas Arndt, Friedrich Schlegel, in: Walter Jaeschke, ders., Die Klassische Deutsche Philosophie nach Kant. Systeme der reinen Vernunft und ihre Kritik 1785–1845. München 2012, 224. 192 Armin Erlinghagen, Das Universum der Poesie. Prolegomena zu Friedrich Schlegels Poetik. Paderborn u. a. 2011, 431. 193 Siehe zur frühen Kant-Rezeption ausführlicher Guido Naschert, Friedrich Schlegels philosophische Lehrjahre. Untersuchungen zu den Traditionsbezügen und Innovationen der Frühromantik. Berlin/Boston 2015, Kap. II–IV.
596 194
Endnoten
Friedrich Schlegel, Studien des Alterthums, 1794–1799. Köln, Historisches Archiv des Erzbistums Köln. Nachlass Friedrich Schlegel (Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft) (Edition in Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 15/3 in Vorbereitung). 195 Vgl. Friedrich Schlegel, Von der wahren Liebe Gottes und dem falschen Mystizismus (1819), in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, begründet und hg. v. Ernst Behler (†) unter Mitwirkung v. Jean-Jacques Anstett (†) u. Hans Eichner, fortgeführt v. Andreas Arndt. Paderborn/München/Wien 1958ff., hier : Bd. 8, 529–545, 533. Siehe Guido Naschert, »Klassisch leben«. Friedrich Schlegels Geschichte der Poesie der Griechen und Römer (1798) im Kontext von klassischer Altertumswissenschaft und kritischer Philosophiehistorie, in: Thomas Lange, Harald Neumeyer (Hg.), Kunst und Wissenschaft um 1800. Würzburg 2000, 179–198; Naschert, Schlegels philosophische Lehrjahre [Anm. 193], passim. 196 Vgl. Friedrich Schlegel, [Beilage II.] Aus der ersten Epoche. Zur Logik und Philosophie. 1796 (in Jena), in: ders., Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe [Anm. 195], Bd. 18, 518. 197 Siehe dazu: Winfried Eckel, Nikolaus Wegmann (Hg.), Figuren der Konversion. Friedrich Schlegels Übertritt zum Katholizismus im Kontext. Paderborn 2014 (= SchlegelStudien, Bd. 5). 198 Vgl. Friedrich Creuzer am 7. 6. 1808 an Friedrich Carl von Savigny, in: Hans Eichner, Friedrich Schlegel im Spiegel seiner Zeitgenossen, hg. v. Hartwig Mayer, Hermann Patsch, 4 Bde., Bd. 2. Würzburg 2012, 91. 199 Vgl. etwa Friedrich Schlegel, Philosophische Fragmente. Zweite Epoche. I. [1798], in: ders., Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe [Anm. 195], Bd. 18, 320. 200 Friedrich Schlegel, Die Entwicklung der Philosophie in zwölf Büchern [Köln 1804–1805], in: ders., Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe [Anm. 195], Bd. 12, 283–291. 201 Siehe z. B. Bianca Turtur, »Wien ist schön«. Situation der deutschen Romantiker in Wien. Eine feldtheoretische Untersuchung. Berlin 2001; Christian Aspalter, Wolfgang Müller-Funk, Edith Saurer, Wendelin Schmidt-Dengler, Anton Tantner (Hg.), Paradoxien der Romantik. Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft in Wien im frühen 19. Jahrhundert. Wien 2006. 202 Friedrich Schlegel, Ueber die neuere Geschichte [1810/11], in: ders., Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe [Anm. 195], Bd. 7, 125–407, hier : 389. 203 Friedrich Schlegel, [Über F. H. Jacobi: Von den Göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung. 1812], in: ders., Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe [Anm. 195], Bd. 8, 441–458, hier 456f. Siehe dazu: Bärbel Frischmann, Vom transzendentalen zum frühromantischen Idealismus. J. G. Fichte und Fr. Schlegel. Paderborn 2005, 263–267. 204 Friedrich Schlegel, Der Philosoph Hamann [1812], in: ders., Kritische FriedrichSchlegel-Ausgabe [Anm. 195], Bd. 8, 459–461, hier : 460. 205 Alle biographischen Angaben sind entnommen aus: Urban Roedl, Adalbert Stifter. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg 1965; sowie: Peter A. Schoenborn, Adalbert Stifter. Sein Leben und Werk. Tübingen/Basel 1999. 206 Vgl. Schoenborn, Stifter. Leben und Werk [Anm. 205], 11. 207 Vgl. Moriz Enzinger, Adalbert Stifters Studienjahre (1818–1830). Innsbruck 1950, 58. 208 Vgl. Enzinger, Stifters Studienjahre (1818–1830) [Anm. 207], 60. 209 Vgl. Schoenborn, Stifter. Leben und Werk [Anm. 205], 11.
Kant und seine Dichter 210
597
Vgl. Schoenborn, Stifter. Leben und Werk [Anm. 205], 18. Vgl. dazu auch Adalbert Langer, Zu den Quellen des Rechtsdenkens bei Adalbert Stifter. Eine geistesgeschichtliche Studie. Linz 1968. 211 Schoenborn, Stifter. Leben und Werk [Anm. 205], 18. 212 Vgl. Schoenborn, Stifter. Leben und Werk [Anm. 205], 18. 213 Winfried Georg Sebald, Bis an den Rand der Natur. Versuch über Stifter, in: ders., Die Beschreibung des Unglücks. Zur österreichischen Literatur von Stifter bis Handke. Salzburg/Wien 1985, 15–37, 15. 214 Thomas Bernhard, Alte Meister, in: ders., Werke, hg. v. Martin Huber, Wendelin Schmidt-Dengler, Bd. 8. Frankfurt am Main 2008. 215 Arno Schmidt, Zettel’s Traum. Stuttgart 1970, 807. 216 Arno Schmidt, Sitara und der Weg dorthin. Eine Studie. Frankfurt am Main 1985, 339. 217 Walther Dörr, Stifter und Kant, in: Mitteilungsblatt der Adalbert-Stifter-Gesellschaft (München) 1952, 100–101, 101. 218 Vgl. Wilhelm Dehn, Ding und Vernunft. Zur Interpretation von Stifters Dichtung. Bonn 1969, 5; sowie Enzinger, Stifters Studienjahre (1818–1830) [Anm. 207]. Vgl. Werner M. Bauer, Stifter und die Aufklärung, in: Klaus Müller-Salget, Sigurd Paul Scheichl (Hg.), Nachklänge der Aufklärung im 19. und 20. Jahrhundert. Für Werner M. Bauer zum 65. Geburtstag. Innsbruck 2008, 27–42. 219 Vgl. Enzinger, Stifters Studienjahre (1818–1830) [Anm. 207], 184. 220 Adalbert Stifter, Feldblumen, in: ders., Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe, hg. v. Alfred Doppler, Wolfgang Frühwald, Bd. 1/4: Studien. Buchfassungen. Erster Band, hg. v. Helmut Bergner, Ulrich Dittmann. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1980, 43–171, 61. 221 Vgl. Enzinger, Stifters Studienjahre (1818–1830) [Anm. 207], 184. 222 Zitiert nach Enzinger, Stifters Studienjahre (1818–1830) [Anm. 207], 184–185. 223 Vgl. Heinrich Ritter von Srbik, Adalbert Stifter. Politisches Vermächtnis. Wien 1950, »Vorwort«, 7–10, 7–8. 224 Vgl. dazu Wilhelm Dehn, Ding und Vernunft. Zur Interpretation von Stifters Dichtung. Bonn 1969. 225 Vgl. Domandl, Wiederholte Spiegelungen [Anm. 9], 14–15; sowie: Enzinger, Stifters Studienjahre (1818–1830) [Anm. 207]. 226 Sebald, Bis an den Rand der Natur [Anm. 213], 18. 227 Adalbert Stifter, Was ist das Recht?, in: ders., Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe, hg. v. Alfred Doppler, Wolfgang Frühwald, Bd. 8/2: Schriften zu Politik und Bildung. Texte, hg. v. Werner M. Bauer. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1997, 231–234, 231. 228 Dörr, Stifter und Kant [Anm. 217], 100. 229 Stifter, Was ist das Recht? [Anm. 227], 233. 230 Stifter, Was ist das Recht? [Anm. 227], 234. 231 Kant, GMS, AA IV, 430, Anm. 232 Kant, GMS, AA IV, 430, Anm. 233 Friedrich Hebbel, Das Komma im Frack, in: ders., Vermischte Schriften IV (1825–1863). Kritische Arbeiten III, hg. v. Richard Maria Werner. Berlin 1904, 189–193, 193. 234 Adalbert Stifter, Bunte Steine. Buchfassungen, in: ders., Werke und Briefe, Bd. 2/2, »Vorrede«, 9–19, 9.
598 235
Endnoten
Stifter, Bunte Steine [Anm. 234], 10. Stifter, Bunte Steine [Anm. 234], 12. 237 Stifter, Bunte Steine [Anm. 234], 13. 238 Stifter, Bunte Steine [Anm. 234], 13. 239 Schoenborn, Stifter. Leben und Werk [Anm. 205], 371. 240 Sepp Domandl, Die philosophische Tradition von Adalbert Stifters »Sanftem Gesetz«, in: Vierteljahresschrift des Adalbert Stifter-Instituts des Landes Oberösterreich 1/2 (1972), 79–104, 87. 241 Walter Benjamin, Karl Kraus, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem, Bd. II/1: Aufsätze, Essays, Vorträge, hg. v. Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt am Main 1977, 334–367, 340. 242 Vgl. Domandl, Die philosophische Tradition von Adalbert Stifters »Sanftem Gesetz« [Anm. 240], 88. 243 Vgl. etwa Helmut Richter, Berlin. Aufstieg zum kulturellen Zentrum. Bonn 1987. 244 Zu den kulturellen Differenzen zwischen Deutschland und Österreich vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vgl. etwa Jochen Staadt (Hg.), Schwierige Dreierbeziehung. Österreich und die beiden deutschen Staaten. Frankfurt am Main 2013; Carl E. Schorske, General Tension and Cultural Change. Reflections on the Case of Vienna, in: The Turn of the Century. German Literature and Art, 1890–1915, hg. v. Gerald Chapple und Hans H. Schulte. Bonn 1981, 416–431; Marion F. Deshmukk, Art and Politics in Turn-of-the-Century Berlin, in: ebd., 462–475. Einen gewissen, wenn auch deutlich tendenziösen Eindruck vermittelt ferner Gabriele Holzer, Verfreundete Nachbarn. Österreich – Deutschland. Ein Verhältnis. Wien 1995. Vgl. überdies Günther Sander, Engagierte Wissenschaft. Austromarxistische Kulturstudien und die Anfänge der britischen Cultural Studies. Wien/Berlin 2006; sowie Gerhard Funke, Grundlagen einer transzendentalphilosophischen Systematik. Die geistesgeschichtlichen Grundlagen der unterschiedlichen Entwicklung, die die systematische Philosophie bis heute in Österreich und Deutschland genommen hat. Stuttgart 1992. 245 Robert Musil, Klagenfurter Ausgabe, kommentierte digitale Edition sämtlicher Werke, Briefe und nachgelassener Schriften, mit Transkriptionen und Faksimiles aller Handschriften, hg. v. Walter Fanta, Klaus Amann und Karl Corino. Klagenfurt 2009, »Pfad: Band 16: Frühe Tagebuchhefte 1899–1926/Eintrag vom 20. Februar 1902«. 246 Alle biografischen Daten sind entnommen aus: Paul Schick, Karl Kraus. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek bei Hamburg 1965; sowie: Friedrich Rothe, Karl Kraus. Die Biographie. München 2003. Siehe auch Hans Weigel, Karl Kraus oder die Macht der Ohnmacht. Wien 1986. 247 Vgl. Alfred Pfabigan, Karl Kraus und der Sozialismus. Eine politische Biographie. Wien 1976, 164. 248 Karl Kraus, Die Fackel 329. Wien 1911, 11. 249 Kraus, Die Fackel 329 [Anm. 248], 7. 250 Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog, in: ders., Schriften, hg. v. Christian Wagenknecht, Bd. 10. Frankfurt am Main 1986, 9. 251 Vgl. beispielsweise die Lesung von Die Raben, url: http://www.wienbibliothek.at/me dien/raben3.m4v (Letzter Zugriff: 18. 5. 2014). 236
Kant und seine Dichter 252
599
Karl Kraus, Die Fackel 1. Wien 1899, 1–2. Kraus, Die Fackel 1 [Anm. 252], 1. 254 Karl Kraus, Die Fackel 691. Wien 1925, 61. 255 Karl Kraus, Die Fackel 213. Wien 1906, 19. 256 Karl Kraus, Die Fackel 9. Wien 1899, 27. 257 Walter Benjamin, Karl Kraus, in: ders., Illuminationen. Ausgewählte Schriften 1. Frankfurt am Main 1977, 353–384, 355. 258 Karl Kraus, Die Sprache, in: ders., Schriften [Anm. 250], Bd. 7, 12. 259 Karl Kraus, Die Fackel 413. Wien 1915, 43. 260 Karl Kraus, Die Fackel 759. Wien 1927, 87. 261 Karl Kraus, Die Fackel 283. Wien 1909, 28. 262 Karl Kraus, Die Fackel 329. Wien 1911, 10. 263 Karl Kraus, Die Fackel 406. Wien 1915, 152. 264 Theodor W. Adorno, Sittlichkeit und Kriminalität. Zum elften Band der Werke von Karl Kraus, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schultz, Bd. 11: Noten zur Literatur. Frankfurt am Main 1974, 367–387, 381. 265 Vgl. Christian Wagenknecht, Korrektur und Klitterung. Zur Arbeitsweise von Karl Kraus, in: Heinz Ludwig Arnold (Hg.), Text + Kritik. Sonderband Karl Kraus. München 1975, 108–115, 108. 266 Vgl. Wagenknecht, Korrektur und Klitterung [Anm. 265], 108. 267 Karl Kraus, Die Fackel 303. Wien 1910, 40. 268 Vgl. Otto Kerry, Karl-Kraus-Bibliographie. Mit einem Register der Aphorismen, Gedichte, Glossen und Satiren. München 1970; sowie Sigurd Paul Scheichl, Kommentierte Auswahlbibliographie zu Karl Kraus, in: Arnold (Hg.): Text + Kritik. Sonderband Karl Kraus [Anm. 265], 158–241. 269 Irina Djassemy, Die verfolgende Unschuld. Zur Geschichte des autoritären Charakters in der Darstellung von Karl Kraus. Wien/Köln/Weimar 2011, 29. 270 Djassemy, Die verfolgende Unschuld [Anm. 269], 29. 271 Djassemy, Die verfolgende Unschuld [Anm. 269], 29. 272 Gerhard Scheit, Jargon der Demokratie. Über den neuen Behemoth. Freiburg 2006, 227. 273 Karl Kraus, Die Fackel 68. Wien 1901, 3. 274 Kant, KrV, A 2. 275 Kraus, Die Fackel 68 [Anm. 273], 4. 276 Karl Kraus, Die Fackel 484. Wien 1918, 211. 277 Karl Kraus, Die Fackel 242. Wien 1908, 11. 278 Karl Kraus, Die Fackel 406. Wien 1915, 100. 279 Karl Kraus, Die Fackel 190. Wien 1905, 6. 280 Kraus, Die Fackel 190 [Anm. 279], 6. 281 Karl Kraus, Die Fackel 577. Wien 1921, 40. 282 Kraus, Die Fackel 577 [Anm. 282], 40. 283 Vgl. Volker Gerhardt, Immanuel Kants Entwurf »Zum ewigen Frieden«. Eine Theorie der Politik. Darmstadt 1995, 212. 284 Vgl. Gerhardt, Kants Entwurf »Zum ewigen Frieden« [Anm. 283], 212. 285 Otfried Höffe, Einleitung: Der Friede – ein vernachlässigtes Ideal, in: ders. (Hg.), Immanuel Kant. Zum ewigen Frieden. Berlin 1995, 5–18, 5.
253
600 286
Endnoten
Kant, ZeF, AA VIII, 343. Vgl. Höffe, Der Friede – ein vernachlässigtes Ideal [Anm. 285], 9. 288 Kant, ZeF, AA VIII, 343. 289 Kant, ZeF, AA VIII, 347. 290 Kant, ZeF, AA VIII, 343. 291 Kant, ZeF, AA VIII, 344. 292 Kant, ZeF, AA VIII, 345. 293 Kant, ZeF, AA VIII, 345. 294 Kant, ZeF, AA VIII, 346. 295 Kant, ZeF, AA VIII, 346. 296 Vgl. Höffe, Der Friede – ein vernachlässigtes Ideal [Anm. 285], 10. 297 Kant, ZeF, AA VIII, 349. 298 Kant, ZeF, AA VIII, 354. 299 Kant, ZeF, AA VIII, 357. 300 Kant, ZeF, AA VIII, 350. 301 Kant, ZeF, AA VIII, 350. 302 Kant, ZeF, AA VIII, 360. 303 Kant, ZeF, AA VIII, 363. 304 Karl Kraus, Die Fackel 474. Wien 1918, 159. 305 Kraus, Die Fackel 474 [Anm. 304], 159. 306 Vgl. Kant, TP, AA VIII, 309. 307 Adorno, Sittlichkeit und Kriminalität [Anm. 264], 369–370. 308 Adorno, Sittlichkeit und Kriminalität [Anm. 264], 369. 309 Kraus, Die Fackel 474 [Anm. 304], 160. 310 Kraus, Die Fackel 474 [Anm. 304], 156. 311 Kraus, Die letzten Tage der Menschheit [Anm. 250], 354. 312 Kraus, Die letzten Tage der Menschheit [Anm. 250], 354. 313 Kraus, Die Fackel 474 [Anm. 304], 155. 314 Kraus, Die Fackel 474 [Anm. 304], 155–156. 315 Alle biographischen Angaben sind folgenden Werken entnommen: Ingeborg Schnack, Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes, zweite, neu durchgesehene und ergänzte Auflage. Frankfurt am Main 1996; Gunter Martens, Annemarie Post-Martens, Rainer Maria Rilke. Reinbek bei Hamburg 2008; Ralph Freedman, Life of a Poet: Rainer Maria Rilke. New York 1996. 316 Vgl. Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 8. 317 Vgl. Freedman, Life of a Poet [Anm. 315], 23 sowie Schnack, Rainer Maria Rilke [Anm. 315], 23 und Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 14. 318 Vgl. in diesem Band den Beitrag von Christoph Leschanz, Kant im Werk Robert Musils, 384–392. 319 Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 12. 320 Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 12. 321 Schnack, Rilke [Anm. 315], 19. 322 Vgl. Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 12–13. 323 Vgl. Schnack, Rilke [Anm. 315], 24–28 und 35–37 sowie Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 16 und 19. 324 Schnack, Rilke [Anm. 315], 62. 287
Kant und seine Dichter 325
601
Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 57. Vgl. Martens, Post-Martens, Rilke [Anm. 315], 104. 327 Schnack, Rilke [Anm. 315], 218. 328 Tina Simon, Rilke als Leser. Untersuchungen zum Rezeptionsverhalten. Ein Beitrag zur Zeitbegegnung des Dichters während des ersten Weltkrieges. Frankfurt am Main/Wien 2001, 249. 329 Rainer Maria Rilke am 18. 2. 1897 an Dr. Karl Freiherrn Du Prel, in: ders., Briefe aus den Jahren 1892 bis 1904, hg. v. Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1939, 33. 330 Vgl. dazu: Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers erläutert durch Träume der Metaphysik, hg. mit einer Einl. v. Karl Kehrbach. Leipzig 1880, Einleitung, III. Nach Kehrbachs Angaben erschien sie in Fues’ Verlag (R. Reisland) im Jahre 1880. 331 Tomas Kaiser, Zwischen Philosophie und Spiritismus. (Bildwissenschaftliche) Quellen zum Leben und Werk des Carl du Prel. Dissertation Universität Lüneburg 2006, 33, url: http://d-nb.info/987129473/34 (Letzter Zugriff 2. 3. 2015). 332 Vgl. Kaiser, Zwischen Philosophie und Spiritismus [Anm. 331], 115. 333 Vgl. hierzu Birgit Recki, Raffael ohne Hände? Kant, Lessing, Val¦ry und andere über Bedingungen der Möglichkeit von Kunst, in: Violetta L. Waibel, Konrad Paul Liessmann (Hg.): Es gibt Kunstwerke – Wie sind sie möglich? Paderborn 2014, 33–54, 37. 334 Carl du Prel, Das Rätsel des Menschen. Einleitung in das Studium der Geheimwissenschaften. Graz 2008, 21. 335 Du Prel, Das Rätsel des Menschen [Anm. 334], 64. 336 Du Prel, Das Rätsel des Menschen [Anm. 334], 41. 337 Du Prel, Das Rätsel des Menschen [Anm. 334], 41. 338 Du Prel, Das Rätsel des Menschen [Anm. 334], 41. 339 Kant, TG, AA II, 332. 340 Kant, TG, AA II, 332. 341 Kant, TG, AA II, 368. 342 Kant, TG, AA II, 318. 343 Arthur Schopenhauer, Versuch über das Geistersehn und was damit zusammenhängt, in: ders., Parerga und Paralipomena, Bd. 1. Zürich 1988, 225–310, 264. 344 Schopenhauer, Versuch über das Geistersehn [Anm. 343], 263f. 345 Kant, KrV, A 222/223, B 270. 346 Schopenhauer, Versuch über das Geistersehn [Anm. 343], 229. 347 Rainer Maria Rilke am 18. 2. 1897 an Dr. Karl Freiherrn Du Prel, in: ders., Briefe aus den Jahren 1892 bis 1904 [Anm. 329], 33. 348 August Stahl, »ein paar Seiten Schopenhauer« – Überlegungen zu Rilkes SchopenhauerLektüre und deren Folgen, in: Schopenhauer-Jahrbuch 69 u. 70 (1988 u. 1989), 569–582, 174–188, vgl. vor allem 569–576; die Bezugnahme auf Schopenhauers Schriften findet sich in Carl du Prel, Der Spiritismus. Leipzig, o. J., 21. 349 Vgl. Priska Pytlik, Okkultismus und Moderne. Ein kulturhistorisches Phänomen und seine Bedeutung für die Literatur um 1900. Paderborn 2005, 167–194. 350 Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, mit einem Kommentar von Hansgeorg Schmidt-Bergmann. Frankfurt am Main 2000, 37. 351 Rilke, Malte Laurids Brigge [Anm. 350], 30f. 352 Rilke, Malte Laurids Brigge [Anm. 350], 62f. 353 Siehe Simon, Rilke als Leser [Anm. 328], 230. 326
602 354
Endnoten
Rilke, Malte Laurids Brigge [Anm. 350], 47f. Sämtliche Zitate finden sich in: Schnack, Rilke [Anm. 315], 523ff. 356 Rainer Maria Rilke, Auch ein Münchner Brief, in: ders., Schriften, hg. v. Horst Nowalewski. Frankfurt am Main/Leipzig 1996, 38–42, 42. 357 Rilke, Malte Laurids Brigge [Anm. 350], 63f. 358 Biografische Angaben sind entnommen aus: Bernhard Viel, Egon Friedell. Der geniale Dilettant. München 2013, 328–335. 359 Egon Friedell, Der Lausbub, in: Heribert Illig (Hg.), Das Egon Friedell Lesebuch. Zürich 2009, 24–28, 24. Zuerst erschienen in: Neues Wiener Journal (31. 5. 1914). 360 Vgl. Viel, Egon Friedell [Anm. 358], 103–106. 361 Vgl. Heribert Illig, Friedell als Buchautor, in: ders. (Hg.), Egon Friedell. Abschaffung des Genies. Gesammelte Essays von 1905–1918. Wien 1982, 277–282, 277. 362 Egon Friedell, Goethe, in: Illig (Hg.), Egon Friedell Lesebuch [Anm. 359], 39–40. 363 Vgl. Allan Janik, Stephen Toulmin, Wittgensteins Wien, aus dem Amerikanischen von Reinhard Merkel. Wien 1984, 104. 364 Peter Haage, Der Partylöwe, der nur Bücher fraß. Egon Friedell und sein Kreis. Hamburg 1971, 72. 365 Egon Friedell, Von Dante zu d’Annunzio. Wien 1915, 61. 366 Vgl. Illig, Friedell als Buchautor [Anm. 361], 278. 367 Vgl. Illig, Friedell als Buchautor [Anm. 361], 278. 368 Vgl. Edgar Beier, Egon Friedell. Der Multimedia-Kommunikator als dialektisch (-synthetischer) Kulturpublizist. Diplomarbeit Wien 1995, 29. 369 Vgl. Heribert Illig, Schuld und Sühne, in: Illig (Hg.), Egon Friedell Lesebuch [Anm. 359], 291. 370 Egon Friedell, Takt, in: Daniel Kehl, Daniel Kampa (Hg.), Egon Friedell. Vom Schaltwerk der Gedanken. Ausgewählte Essays zu Geschichte, Politik, Philosophie, Religion, Theater und Literatur. Zürich 2007, 47. Zuerst erschienen in: Neues Wiener Journal (23. 3. 1919). 371 Egon Friedell, Das Publikum, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 111. Zuerst erschienen in: Neues Wiener Journal, 27. 5. 1923. 372 Egon Friedell, Shaw als Erzieher, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 200. Zuerst erschienen in: März 6 (1909). 373 Egon Friedell, Zwei, die sich geärgert haben, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 67. Zuerst erschienen in: Neues Wiener Journal (20. 2. 1921). 374 Friedell, Zwei, die sich geärgert haben [Anm. 374], 67. 375 Egon Friedell, Die Schaubühne. Ein Dialog, in: Heribert Illig (Hg.), Abschaffung des Genies [Anm. 361], 137. Zuerst erschienen in: Schaubühne 22/7 (8. 6. 1911), 589. 376 Egon Friedell, Der Dichter, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 228. Zuerst erschienen in: Schaubühne 19–21/6 (1910), 505, 534, 560. 377 Friedell, Der Dichter [Anm. 376], 229. 378 Friedell, Der Dichter [Anm. 376], 234. 379 Egon Friedell, Der Zweck des Lebens, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 37. Zuerst erschienen in: Neues Wiener Journal (23. 3. 1919). 380 Friedell, Takt [Anm. 370], 46–47. 355
Kant und seine Dichter 381
603
Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit. Die Krisis der europäischen Seele von der Schwarzen Pest bis zum Ersten Weltkrieg, ungekürzte Sonderausgabe in einem Band, erste Ausgabe in drei Bänden 1927–1931. München 1984, 762. 382 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 768. 383 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 769. 384 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 768. 385 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 894. 386 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 896. 387 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 895. 388 Egon Friedell, Geschichte und Religion, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 446. Aus: Walther Schneider (Hg.), Das Altertum war nicht antik und andere Bemerkungen. Wien 1950. 389 Friedell, Geschichte und Religion [Anm. 388], 446. 390 Friedell, Geschichte und Religion [Anm. 388], 446. 391 Friedell, Geschichte und Religion [Anm. 388], 446. 392 Friedell, Takt [Anm. 370], 47. 393 Egon Friedell, Georg Christoph Lichtenberg, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 309. Zuerst erschienen als Vorwort in: Egon Friedell (Hg.), Lichtenberg. Ein Verkleinertes Bild seines Gedankenlebens. Stuttgart 1910. 394 Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung oder Wie man mit dem Hammer philosophirt, in: ders., Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, hg. v. Giorgio Colli, Mazzino Montinari, Bd. 6. Berlin/New York 1967–77 und 1988, 63. 395 Friedell, Georg Christoph Lichtenberg [Anm. 393], 309. 396 Friedell, Georg Christoph Lichtenberg [Anm. 393], 309. 397 Egon Friedell, Der Kritiker, in: Kehl, Kampa (Hg.), Vom Schaltwerk der Gedanken [Anm. 370], 265. 398 Egon Friedell, Der Lausbub, in: Neues Wiener Journal (31. 5. 1914). 399 Vgl. Illig, Friedell als Buchautor [Anm. 361], 279. 400 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 763. 401 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 763. 402 Moses Mendelssohn, Morgenstunden oder Vorlesungen über das Daseyn Gottes (1785), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 3/2. Berlin 1929ff., 3. 403 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 773. 404 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 773. 405 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 783. 406 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 762. 407 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 1429. 408 Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit [Anm. 381], 1429. 409 Egon Friedell, Kritik der Natur, in: Illig (Hg.), Egon Friedell Lesebuch [Anm. 359], 53. Zuerst erschienen in: Berliner Tageblatt (17. 9. 1913). 410 Friedell, Kritik der Natur [Anm. 409], 53. 411 Friedell, Kritik der Natur [Anm. 409], 56. 412 Friedell, Kritik der Natur [Anm. 409], 57. 413 Alle biographischen Angaben sind folgenden Werken entnommen: Karl Corino, Robert Musil. Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg 2003; Wilfried Berghahn, Robert Musil. Reinbek bei Hamburg 2004; Oliver Pfohlmann, Robert Musil. Reinbek bei Hamburg 2012.
604 414
Endnoten
Vgl. Berghahn, Robert Musil [Anm. 413], 9. Vgl. Pfohlmann, Robert Musil [Anm. 413], 22. 416 Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Kommentare und Apparate/Kontexte/ Brünner und Berliner Jahre 1898–1907/1902«. 417 Vgl. Corino, Robert Musil [Anm. 413], 1878–1879. 418 Vgl. Corino, Robert Musil [Anm. 413], 130–133. 419 Vgl. Musils Tagebucheinträge vom 8. und 15. Mai 1902 in: Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Lesetexte/Band 16. Frühe Tagebuchhefte 1899–1926/I. Brünn, Stuttgart, Berlin (1899–1908)/4. Altes schwarzes Heft (1900–1904)/Tagebuch und literarische Projekte/53–54«. 420 Vgl. hierzu Pfohlmann, Robert Musil [Anm. 413], 38. 421 Corino, Robert Musil [Anm. 413], 222. 422 Vgl. Corino, Robert Musil [Anm. 413], ›Ich kann nicht weiter‹. Die Verlags- und Finanzmisere der frühen dreißiger Jahre und die Gründung der Berliner Musil-Gesellschaft, 1089–1108; ›Verlegt, Verleger, in dauernder Verlegenheit‹. Die Gründung des Wiener MusilFonds, 1159–1174. 423 Robert Musil, Motive – Überlegungen. Gesammelte Werke, hg. v. Adolf Fris¦, Bd. 7: Kleine Prosa, Aphorismen, Autobiographisches. Reinbek bei Hamburg 1978, 882. Vgl. zudem: Aldo Venturelli, Die Kunst als fröhliche Wissenschaft. Zum Verhältnis Musils zu Nietzsche, in: Nietzsche-Studien. Internationales Jahrbuch für die Nietzsche-Forschung 9 (1980), 302–337, 303–304. 424 Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Kommentare und Apparate/Werkkommentare/Band 9: Reden/Gedruckte Reden/Über die Dummheit/Textgenese«. 425 Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, in: ders., Gesammelte Werke [Anm. 423], Bd. 2, »Kapitel 100: General Stumm dringt in die Staatsbibliothek ein und sammelt Erfahrungen über Bibliothekare, Bibliotheksdiener und geistige Ordnung«, 459–465. 426 Thomas Söder, Robert Musil und die Begegnung mit dem Denken Kants in ›Die Verwirrungen des Zöglings Törless‹, in: Musil Forum 19/20 (1993/94), 31–46, 31. 427 Josef Strutz, Von der biegsamen Dialektik. Notiz zur Bedeutung Kants, Hegels und Nietzsches für das Werk Robert Musils, in: Musil-Studien 12 (1984); Karl Dinklage, Karl Corino, Josef Strutz, Johann Strutz (Hg.), Robert Musil – Literatur, Philosophie, Psychologie. München/Salzburg 1984, 11–21, 13. Siehe ebenfalls: Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Band 12, Essays, 1928–1926, Skizze der Erkenntnis eines Dichters«. Vgl. außerdem zu Musil und seiner Beziehung zu Kants Ästhetik: Patrizia C. McBride, The Void of Ethics. Robert Musil and the Experience of Modernity. Evanston/Illinois 2006, »Kapitel 4: Kant and the Ethos of Aesthetic Judgment«, 97–127. 428 Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Band 16, Frühe Tagebuchhefte 1899–1926/Eintrag vom 20. Februar 1902«. 429 Corino, Robert Musil [Anm. 413], 1878. 430 Vgl. Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Kommentare und Apparate/ Kontexte/Zeitleiste/Brünner und Berliner Jahre 1898–1907/1902«. 431 Venturelli, Die Kunst als fröhliche Wissenschaft, 308. 432 Musil, Franz Blei, in: ders., Gesammelte Werke [Anm. 423], Bd. 8: Essays und Reden, 1022. 433 Vgl. Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Nachlass-Apparate/Siglen/AN/ Verzeichnis, AN 128«. 415
Kant und seine Dichter 434
605
Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Transkriptionen und Faksimiles/ Nachlass Mappen/Mappengruppe IV/Mappe IV-2/IV-2–111 AN 128 2«. 435 Pfohlmann, Robert Musil [Anm. 413], 44. 436 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß, in: ders., Gesammelte Werke [Anm. 423], Bd. 6: Prosa und Stücke, 8. 437 Söder, Robert Musil und die Begegnung mit dem Denken Kants [Anm. 426], 31. 438 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 73–74. 439 Vgl. Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 74–78. 440 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 77–78. 441 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 78. 442 Söder, Robert Musil und die Begegnung mit dem Denken Kants [Anm. 426], 31. 443 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 78. 444 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 80. 445 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 82. 446 Musil, Der deutsche Mensch als Symptom, in: ders., Gesammelte Werke [Anm. 423], Bd. 8: Essays und Reden, 1385. 447 Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Transkriptionen und Faksimiles/ Nachlass Mappen/Mappengruppe IV/Mappe IV-2/IV-2–111 AN 128 2«. 448 Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Transkriptionen und Faksimiles/ Nachlass Mappen/Mappengruppe IV/Mappe IV-2/IV-2–111 AN 128 2«. 449 Musil, Der Mann ohne Eigenschaften [Anm. 425], 16. Vgl. zu Musils Möglichkeitsmensch und Kant außerdem: Ulrich Karthaus, Der Mann ohne Eigenschaften und die Phantasie. Überlegungen im Anschluß an Kant, in: Musil Forum 7 (1981), 111–117. 450 Vgl. Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 83. 451 Vgl. hierzu auch: Söder, Robert Musil und die Begegnung mit dem Denken Kants [Anm. 426], 37. 452 Musil, Die Verwirrungen des Zöglings Törleß [Anm. 436], 92. 453 Musil, Klagenfurter Ausgabe [Anm. 245], »Pfad: Band 16: Frühe Tagebuchhefte 1899–1926/Eintrag vom 20. Februar 1902«. 454 Söder, Robert Musil und die Begegnung mit dem Denken Kants [Anm. 426], 40. 455 Max Brod, Vom ewigen Frieden, in: Die Schaubühne 12/11 (1916), 245–248. 456 Brod, Vom ewigen Frieden [Anm. 455], 247. 457 Vgl. Franz Kafka, Briefe 1914–1917, hg. v. Hans-Gerd Koch, in: ders., Schriften, Tagebücher, Briefe. Kritische Ausgabe, hg. v. Gerhard Neumann, Malcolm Pasley, Jost Schillemeit, Gerhard Kurz unter Beratung v. Nahum Glatzer, Rainer Gruenter, Paul Raabe, Marthe Robert. Frankfurt am Main 2005, 682 [Kommentar zum Brief]. 458 Kant, ZeF, AA VIII, 343. 459 Franz Kafka am 16. 10. 1917 an Felice Bauer, in: ders., Briefe 1914–1917 [Anm. 457], 348–350. 460 Vgl. Jürgen Born, Kafkas Bibliothek. Ein beschreibendes Verzeichnis, mit einem Index aller in Kafkas Schriften erwähnten Bücher, Zeitschriften und Zeitschriftenbeiträge. Frankfurt am Main 1990, 185. 461 Born, Kafkas Bibliothek [Anm. 460], 174. 462 Kant, ZeF, AA VIII, 343. 463 Kant, ZeF, AA VIII, 347.
606 464
Endnoten
Vgl. Hans Saner, Die negativen Bedingungen des Friedens, in: Höffe (Hg.), Zum ewigen Frieden [Anm. 285], 55f. 465 Saner, Negative Bedingungen, 56. 466 Vgl. Pierre Laberge, Von der Garantie des ewigen Friedens, in: Höffe (Hg.), Zum ewigen Frieden [Anm. 285], 160–165. 467 Vgl. Laberge, Garantie [Anm. 466], 161. 468 Kant, IaG, AA VIII, 20f. 469 Vgl. Laberge, Garantie [Anm. 466], 164. 470 Kant, IaG, AA VIII, 23. 471 Franz Kafka, Nachgelassene Schriften und Fragmente II, hg. v. Jost Schillemeit, in: ders., Schriften [Anm. 457], 119, 344. 472 Kant, IaG, AA VIII, 23. 473 Vgl. Jospeh Vogl, Ort der Gewalt. Kafkas literarische Ethik. München 1990, 180–185. 474 Vgl. Vogl, Ort der Gewalt [Anm. 473], 180. 475 Vgl. Vogl, Ort der Gewalt [Anm. 473], 180. 476 Kafka, Nachgelassene Schriften und Fragmente II [Anm. 471], 7. 477 Vgl. Franz Kafka, Der Verschollene, hg. v. Jost Schillemeit, in: ders., Schriften [Anm. 457], 387–419. 478 Kafka, Der Verschollene [Anm. 477], 402. 479 Vgl. Kafka, Der Verschollene [Anm. 477], 400–403. 480 Kafka, Der Verschollene [Anm. 477], 401. 481 Vgl. Jacques Derrida, Von der Gastfreundschaft, aus dem Franz. v. Markus Sedlaczek. Wien 2001, 25–26. Und vgl. Hans-Dieter Bahr, Die Sprache des Gastes. Eine Metaethik. Leipzig 1994, 30–44. 482 Kant, ZeF, AA VIII, 358. 483 Oskar Baum, Erinnerungen an Franz Kafka, in: Witiko. Zeitschrift für Kunst und Dichtung 2/87 (1929), 126–128, 128. 484 Franz Kafka, Das Schloß, hg. v. Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1982, in: ders., Schriften [Anm. 457], 24. 485 Vgl. Jörg Krappmann, Der Prager deutsche Philosoph Max Steiner und die Kantforschung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Kafka und Prag. Literatur-, kultur-, sozial- und sprachhistorische Kontexte, hg. v. Peter Becher, Steffen Höhne, Marek Nekula. Köln, Weimar, Wien 2012. Sowie Kurt Krolop, »Materialästhetik« in der Fackel um 1900, in: Klaus Schenk (Hg.), Moderne in der deutschen und der tschechischen Literatur. Basel 2000, 99–118. 486 Franz Kafka, Tagebücher, hg. v. Hans-Gerd Koch, Michael Müller, Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1990, in: ders., Schriften [Anm. 457], 892. 487 Brod, Vom ewigen Frieden [Anm. 455], 247. 488 Max Brod, Streitbares Leben. Autobiographie 1884–1968. Frankfurt am Main 1979, 165. 489 Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 165. 490 Vgl. Peter Neesen, Vom Louvrezirkel zum Prozess. Franz Kafka und die Psychologie Franz Brentanos. Göppingen 1972, 18. 491 Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 165. 492 Franz Brentano, Versuch über die Erkenntnis, hg. v. Alfred Kastil. Leipzig 1925, 47. 493 Vgl. Eliam Campos, Die Kantkritik Brentanos. Bonn 1979, 16–17. 494 Vgl. Neesen, Louvrezirkel [Anm. 490], 17–18.
Kant und seine Dichter 495
607
Vgl. Georg Gimpl, Weil der Boden selbst hier brennt… Aus dem Prager Salon der Berta Fanta (1865–1918). Furth im Wald 2001, 129–131, 280–283. Sowie Franz Kafka, Briefe 1900–1912, hg. v. Hans-Gerd Koch, in: ders., Schriften [Anm. 457], 397 [Kommentar zum Brief]. 496 Vgl. Kafka, Briefe 1900–1912 [Anm. 495], 12, 392. 497 Gimpl, Berta Fanta [Anm. 495], 281. 498 Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 168. 499 Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 164. 500 Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 172. 501 Gimpl, Berta Fanta [Anm. 495], 283–288. 502 Vgl. Gimpl, Berta Fanta [Anm. 495], 325–336. 503 Vgl. Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 169–170. 504 Vgl. GaÚlle Vassogne, Max Brod in Prag. Identität und Vermittlung. Tübingen 2009, »Kapitel 6.1: Brod und die Prager deutschsprachigen Schriftsteller : die Erfindung des Prager Kreises«, 176–190. Sowie Max Brod, Der Prager Kreis. Stuttgart 1966. 505 Brod, Streitbares Leben [Anm. 488], 171–172. 506 Vgl. Gimpl, Berta Fanta [Anm. 495], 338. 507 Franz Brentano am 22. 11. 1913 an Samuel Hugo Bergmann, in: Hugo Bergmann, Franz Brentano, Briefe Franz Brentanos an Hugo Bergmann, in: Philosophy and Phenomenological Research 7/1 (1946), 83–158, 141. 508 Franz Brentano am 27. 3. 1914 an Samuel Hugo Bergmann, in: dies., Briefe [Anm. 507], 152. 509 Franz Brentano am 20. 2. 1914 an Samuel Hugo Bergmann, in: dies., Briefe [Anm. 507], 149. 510 Franz Brentano am 27. 3. 1914 an Samuel Hugo Bergmann, in: dies., Briefe [Anm. 507], 152. 511 Franz Brentano am 27. 3. 1914 an Samuel Hugo Bergmann, in: dies., Briefe [Anm. 507], 152. 512 Franz Brentano am 27. 3. 1914 an Samuel Hugo Bergmann, in: dies., Briefe [Anm. 507], 152. 513 Vgl. Gimpl, Berta Fanta [Anm. 495], 343. 514 Da man zusätzlich zur in der ersten Person von sich erzählenden Hauptprotagonistin noch eine auktoriale Stimme im Roman Malina vorfindet, kann nicht von einer IchErzählerin gesprochen werden. 515 Vgl. Ingeborg Bachmann, Gesammelte Werke, hg. v. Christine Koschel, Inge von Weidenbaum u. Clemens Münster, 4. Bde., Bd. 3. München/Zürich 1993, 81. 516 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 3, 334. 517 Ingeborg Bachmann, Malina, in: dies., Werke [Anm. 515], Bd. 3, 306. 518 Bachmann, Malina [Anm. 517], 306. 519 Bachmann, Malina [Anm. 517], 307. 520 Bachmann, Malina [Anm. 517], 307. 521 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 3, 13. 522 Bachmann, Malina [Anm. 517], 12–13. 523 Bachmann, Malina [Anm. 517], 240–245.
608 524
Endnoten
Vgl. dazu Richard Heinrich, Briefgeheimnis. Sprechen und Sprache in Ingeborg Bachmanns »Malina«, in: Jeanne Benay (Hg.), Und wir werden frei sein, freier als je von jeder Freiheit…«. Die Autorin Ingeborg Bachmann. Wien 2005, 23–38. 525 Ingeborg Bachmann, Das dreißigste Jahr, in: dies., Werke [Anm. 515], Bd. 2, 111–112. 526 Kant, KpV, AA V, 161. 527 Vgl. Ingeborg Bachmann, Frankfurter Vorlesungen: Probleme zeitgenössischer Dichtung, in: dies., Werke [Anm. 515], Bd. 4, 217. 528 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 4, 217. 529 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 4, 218. 530 Vgl. Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 4, 217–218. 531 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 4, 270 und vgl. Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 3, 104. 532 Bachmann, Das dreißigste Jahr [Anm. 525], 112. 533 Bachmann, Das dreißigste Jahr [Anm. 525], 112. 534 Kant, Prol, AA IV, 262. 535 Kant, Prol, AA IV, 262. 536 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 2, 112. 537 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 2, 113. 538 Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 4, 218. 539 Vgl. Kant, KpV, AA V, 161. 540 Vgl. Friedrich Nietzsche, Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, in: ders., Werke [Anm. 394], Bd. 3/2: Nachgelassene Schriften 1870–1873, 873–890, 875. 541 Bachmann, Frankfurter Vorlesungen [Anm. 527], 192–193. 542 Vgl. Kant, Anth, AA VII, 191. 543 Bachmann, Frankfurter Vorlesungen [Anm. 527], 237. 544 Ingeborg Bachmann, Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers, hg. von Robert Pichl. München/Zürich 1985. 545 Martin Heidegger, Der Satz vom Grund. Pfullingen 1957, 205. 546 Paul Celan, Der Meridian. Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises, in: ders., Gesammelte Werke in sieben Bänden, hg. v. Beda Allemann, Stefan Reichert unter Mitwirkung v. Rolf Bücher. Frankfurt am Main 1983, III, 195. 547 Ingeborg Bachmann, Keine Delikatessen, in: dies., Werke [Anm. 515], Bd. 1, 173. 548 Vgl. Bachmann, Malina [Anm. 517], 230–231. 549 Bachmann, Malina [Anm. 517], 229–230. 550 Vgl. Bachmann, Malina [Anm. 517], 230–231 551 Bachmann, Malina [Anm. 517], 323–324. 552 Kant, KrV, AA IV, 8 und Bachmann, Werke [Anm. 515], Bd. 3, 322. 553 Kant, KrV, A X. 554 Kant, KrV, A VIII. 555 Kant, KrV, A XI. 556 Kant, KrV, A X. 557 Vgl. Bachmann, Malina [Anm. 517], 332–333. 558 Bachmann, Malina [Anm. 517], 334. Vgl. zur Verbindung Denken/Lesen mit Hitze: dies., Malina [Anm. 517], 81. (Hier auch die Erwähnung der Kritik der reinen Vernunft als von der Ich-Figur gelesenes Werk.)
Kant und seine Dichter 559
609
Vgl. Bachmann, Malina [Anm. 517], 335 sowie Bachmann, Das dreißigste Jahr [Anm. 525], 107–108. 560 Vgl. Bachmann, Malina [Anm. 517], 332. 561 Vgl. bis hierhin: Joachim Hoell, Thomas Bernhard. München 2000, 7–34. 562 Thomas Bernhard, Die Autobiographie, hg. v. Martin Huber, Manfred Mittermayer, in: ders., Werke, Bd. 10. Frankfurt am Main 2004, 150. Vgl. ebd., 128f. 563 Vgl. Bernhard, Die Autobiographie [Anm. 562], 217ff., 272f. und Hoell, Thomas Bernhard [Anm. 561], 34–39 und Thomas Bernhard, Wittgensteins Neffe. Eine Freundschaft. Frankfurt am Main 1987, 34ff. 564 Vgl. Hoell, Thomas Bernhard [Anm. 561], 49–58. 565 Bernhard, Die Autobiographie [Anm. 562], 88f. Vgl. Bernhard, Wittgensteins Neffe [Anm. 563], 30f. 566 Bernhard, Die Autobiographie [Anm. 562], 477. 567 Vgl. Juliane Vogel, Die Gebetbücher des Philosophen. Lektüren in den Romanen Thomas Bernhards, in: Modern Austrian Literature 21/3–4 (1988), 173–186, 173 und 176. 568 Vgl. Walter Seitter, Vorführungen. Paraphilosophische Dramatisierung in der Nachkriegsliteratur, in: Michael Benedikt, Reinhold Knoll u. a. (Hg.), Verdrängter Humanismus – Verzögerte Aufklärung, Bd. 6: Auf der Suche nach authentischem Philosophieren. Philosophie in Österreich 1951–2000. Wien 2010, 808–824, 816 Fn. 39. 569 Bernhard, Die Autobiographie [Anm. 562], 323. Vgl. ders., Der Italiener. Salzburg 1971, 146f. 570 Vgl. Bernhard, Die Autobiographie [Anm. 562], 166, 169–172, wo Bernhard deutliche Worte für die Vereinsamung des Großvaters findet, und Hoell, Thomas Bernhard [Anm. 561], 14–17, 40. 571 Vgl. Hans-Jürgen Schings, Die Methode des Equilibrismus. Zu Thomas Bernhards »Immanuel Kant«, in: Hans Dietrich Irmscher u. a. (Hg.), Drama und Theater im 20. Jahrhundert. Festschrift für Walter Hinck. Göttingen 1983, 432–445, 436–439 und 444. Vgl. Peter Hodina, Die Karnevalisierung des großen Aufklärers. Thomas Bernhards Komödie Immanuel Kant, in: Peter Csobdi u. a. (Hg.), Die lustige Person auf der Bühne. Gesammelte Vorträge des Salzburger Symposions 1993, Bd. 2. Anif/Salzburg 1994, 751–768, 762–766. 572 Kant, SF, AA VII, 115. 573 Thomas Bernhard, Immanuel Kant, in: ders., Stücke 2. Frankfurt am Main 1988, 251–340, 256. 574 Vgl. Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 310ff., 322. 575 Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 319. 576 Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 280. 577 Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 303. 578 Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 255. Bei Kant ist dieser Satzteil hier anzutreffen: Kant, NTH, AA I, 278. Zum Weiteren vgl. Schings, Die Methode des Equilibrismus [Anm. 571], 441f. 579 Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 256. Die Stelle, die Bernhard seinem Text anpasst, findet sich hier : Kant, NTH, AA I, 279. Zum Weiteren vgl. ebd. 580 Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 260. Tatsächlich unternimmt Kant eine »neue Schätzung der lebendigen Kräfte« (Kant, GSK, AA I, 139).
610 581
Endnoten
Bernhard, Immanuel Kant [Anm. 573], 260. Zur Unkenntlichmachung des Bezuges verkürzt Bernhard den Wortlaut des Original-Satzes: »Demnach gilt das Gesetz der Quadratschätzung nicht über alle Bewegungen ohne Betrachtung ihrer Geschwindigkeit, sondern diese kommt dabei mit in Anschlag.« Kant, GSK, AA I, 154. 582 Vgl. Thomas Bernhard, Auslöschung. Ein Zerfall. Frankfurt am Main 1986, 149ff. 583 Monologe auf Mallorca (1981), in: Thomas Bernhard. Eine Begegnung. Gespräche mit Krista Fleischmann. Frankfurt am Main 2006, 11–89, 28. 584 Brigitte Hofer, Das Ganze ist im Grunde ein Spaß. ORF, 12. April 1978, in: Sepp Dreissinger (Hg.), Von einer Katastrophe in die andere. 13 Gespräche mit Thomas Bernhard. Weitra 1992, 49–62, 56. 585 Thomas Bernhard, Verstörung, in: ders., Werke, Bd. 2. Frankfurt am Main 2003, 176. 586 Vgl. Hoell, Thomas Bernhard [Anm. 561], 133f. 587 Wilhelm Baum, Einleitung, in: ders. (Hg.), Weimar – Jena – Klagenfurt. Der HerbertKreis und das Geistesleben Kärntens im Zeitalter der Französischen Revolution. Klagenfurt 1989, 5–21, 14. 588 Immanuel Kant im Frühjahr 1792 an Maria von Herbert, Entwurf, AA XI, 331. 589 Maria von Herbert im August 1791 an Immanuel Kant, AA XI, 273. 590 Maria von Herbert am Anfang des Jahres 1794 an Immanuel Kant, AA XI, 484–485. 591 Maria von Herbert im August 1791 an Immanuel Kant, AA XI, 273. 592 Kant, KpV, AA V, 122. 593 Kant, KrV, B XXIX–XXX. 594 Kant, KrV, B 424. 595 Fräulein Maria von Herbert im August 1791 an Immanuel Kant, AA XI, 273. 596 Kant, GMS, AA IV, 403. 597 Kant, GMS, AA IV, 422. 598 Ludwig Ernst Borowski im August 1791 an Immanuel Kant, AA XI, 274. 599 James Edwin Mahon, Kant and Maria von Herbert: Reticence vs. Deception, in: Philosophy 81 (2006), 417–444, 418. 600 Immanuel Kant im Frühjahr 1792 an Maria von Herbert, Entwurf, AA XI, 331. 601 Immanuel Kant im Frühjahr 1792 an Maria von Herbert, Entwurf, AA XI, 331. 602 Maria von Herbert am Anfang des Jahres 1794 an Immanuel Kant, AA XI, 484. 603 Maria von Herbert im Januar 1793 an Immanuel Kant, AA XI, 403. 604 Mahon, Kant and Maria von Herbert [Anm. 599], 420. 605 Immanuel Kant am 11. 2. 1793 an Elisabeth Motherby, AA XI, 411. 606 Alois Brandstetter, Cant läßt grüßen. Klagenfurt 2009, 5. 607 Norbert Mayer, Franz Schuh: »Ich habe auf jede Ordnung verzichtet«, in: Die Presse, 12. 9. 2009, url: http://diepresse.com/home/kultur/literatur/507920/Franz-Schuh_Ichhabe-auf-jede-Ordnung-verzichtet (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 608 Mayer, Schuh: »Ich habe auf jede Ordnung verzichtet« [Anm. 607]. 609 Franz Schuh, Im Museum der Wahrnehmung, in: ders., Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche. Wien 2006, 39. 610 Franz Schuh, Schöpfung, in: ders., Schwere Vorwürfe [Anm. 609], 260. 611 Franz Schuh, Caf¦ Hegelhof, in: ders., Schwere Vorwürfe [Anm. 609], 276. 612 Schuh, Caf¦ Hegelhof [Anm. 611], 277.
Kant und seine Dichter 613
611
Franz Schuh, »Es geht um menschliche Würde«, in: Der Kurier (15. 10. 2011), url: http:// kurier.at/chronik/oberoesterreich/es-geht-um-menschliche-wuerde/733.839 (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 614 Schuh, »Es geht um menschliche Würde« [Anm. 613]. 615 Franz Schuh, Was ist besonders gut? Aspekte des Guten in der philosophischen Ethik, unveröffentlichter Vortrag, gehalten am 22. 1. 2010 im Rahmen der Gestalttage 2010 der Fachsektion Integrative Gestalttherapie des ÖAAG, url: http://www.gestalttherapie.at/ downloads/gt2010_franz_schuh_was_ist_gut.pdf (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 616 Schuh, Was ist besonders gut? [Anm. 615], 7. 617 Schuh, Was ist besonders gut? [Anm. 615], 9. 618 Schuh, Was ist besonders gut? [Anm. 615], 9. 619 Franz Schuh, Verwandlungsspezialisten. Über Philosophie und Schauspielkunst, unveröffentlichter Vortrag, gehalten am Burgtheater Wien am Jubiläumskongress 11.–13. Oktober 2013 anlässlich von 125 Jahren Haus am Ring 1888–2013, 3. url: http:// www.burgtheater.at/Content.Node2/home/spielplan/Schuh-Franz_Verwandlungsspeziali sten_FIN.pdf (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 620 Schuh, Verwandlungsspezialisten [Anm. 619], 3. 621 Franz Schuh, Geld oder Leben!, in: ders., Schwere Vorwürfe [Anm. 609], 147. 622 Franz Schuh, Lob der Nutzlosigkeit, in: ders., Schwere Vorwürfe [Anm. 609], 79. 623 Mayer, Schuh: »Ich habe auf jede Ordnung verzichtet« [Anm. 607]. 624 Franz Schuh, In der Buchhandlung, in: ders., Schwere Vorwürfe [Anm. 609], 122–123. 625 Franz Schuh, Grünäugige Blicke. Wolfgang Welsch glaubt nicht, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist, in: Die Zeit (16. 8. 2012), url: http://www.zeit.de/2012/34/WolfgangWelsch-Mensch-und-Welt (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 626 Schuh, Grünäugige Blicke [Anm. 625]. 627 Schuh, Grünäugige Blicke [Anm. 625]. 628 Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt. Reinbek bei Hamburg 2005, 48. 629 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 199. 630 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 208. 631 Kant, IaG, AA VIII, 26. 632 Kant, KpV, AA V, 161. 633 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 54–55. 634 Kant, WA, AA VIII, 35. 635 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 91. 636 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 94. 637 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 96. 638 Eberhard Knobloch, Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß – im Roman und in Wirklichkeit, in: HiN – Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für HumboldtStudien 13/25 (2012), 63–79. 639 Knobloch, Humboldt und Gauß [Anm. 638], 63–79. 640 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 96–97. 641 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 220. 642 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 221–222. 643 Kant, KrV, B 131. 644 Kehlmann, Vermessung der Welt [Anm. 628], 175.
612
Endnoten
Kant und der Wiener Kreis 1
Vgl. Friedrich Stadler, Studien zum Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext. Frankfurt am Main 1997; ders., The Vienna Circle: Context, Profile, and Development, in: Alan Richardson, Thomas Uebel (Hg.), The Cambridge Companion to Logical Empiricism. New York 2007, 13–40; Victor Kraft, Der Wiener Kreis. Der Ursprung des Neopositivismus. Wien/New York 1968. 2 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 660–920; ders., The Vienna Circle [Anm. 1], 15–16. 3 Vgl. Hal Berghel, Adolf Hübner, Eckehart Köhler (Hg.), Wittgenstein, der Wiener Kreis und der Kritische Rationalismus, Akten des dritten Internationalen Wittgenstein Symposiums. Wien 1979; Malachi Haim Hacohen, Karl Popper – The Formative Years, 1902–1945. Cambridge 2000. 4 Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung. Der Wiener Kreis, Heft 1. Wien 1929. Im Folgenden zitiert aus: Kurt Rudolf Fischer (Hg.), Österreichische Philosophie von Brentano bis Wittgenstein. Wien 1999, 125–171. 5 Vgl. Friedrich Stadler, Popularisierungsbestrebungen im Wiener Kreis und ›Verein Ernst Mach‹, in: Hans-Joachim Dahms (Hg.), Philosophie, Wissenschaft, Aufklärung. Beiträge zur Geschichte und Wirkung des Wiener Kreises. Berlin/New York 1985, 101–128. 6 Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung [Anm. 4], 145. 7 Vgl. Rainer Hegselmann und Geo Siegwart, Zur Geschichte der ›Erkenntnis‹, in: Wolfgang Spohn (Hg.), Erkenntnis orientated: a centennial volume for Rudolf Carnap and Hans Reichenbach. Dordrecht 1991, 461–471. 8 Vgl. Günther Sandner, Otto Neurath. Eine politische Biographie. Wien 2014, 256–262; Hans-Joachim Dahms, Die »Encyclopedia of Unified Science«(IEUS). Ihre Vorgeschichte und ihre Bedeutung für den Logischen Empirismus, in: Elisabeth Nemeth, Nicolas Roudet (Hg.), Paris – Wien. Enzyklopädien im Vergleich. Wien 2005, 105–120. 9 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 395–436. 10 Vgl. Brigitte Lichtenberger-Fenz, »…deutscher Abstammung und Muttersprache«: Österreichische Hochschulpolitik in der Ersten Republik. Wien 1990. 11 Vgl. Friedrich Stadler, Antisemitismus an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien – Am Beispiel von Moritz Schlick und seines Wiener Kreises, in: Oliver Rathkolb (Hg.), Der lange Schatten des Antisemitismus. Kritische Auseinandersetzungen mit der Geschichte der Universität Wien im 19. und 20. Jahrhundert. Wien 2013, 207–237. 12 Vgl. Friedrich Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft. 1930–1940, 2 Bde. Münster 2004. 13 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 920–960. 14 Vgl. Hans-Joachim Dahms, Die Bedeutung der Emigration des Wiener Kreises für die Entwicklung der Wissenschaftstheorie, in: Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft [Anm. 12], Bd. 1. 155–167. 15 Vgl. Thomas Uebel, Empiricism at the crossroads: the Vienna Circle’s protocol-sentence debate. Chicago 2007. 16 Vgl. Donata Romizi, The Vienna Circle’s »Scientific World-Conception«: Philosophy of Science in the Political Arena, in: Hopos 2/2 (2012), 205–242.
Kant und der Wiener Kreis 17
613
Vgl. Otto Neurath, Wissenschaftliche Weltauffassung, in: ders., Gesammelte philosophische und methodologische Schriften, Bd. 1, hg. v. Rudolf Haller, Heiner Rutte. Wien 1981, 345–348. 18 Vgl. Thomas Uebel, Vernunftkritik und Wissenschaft: Otto Neurath und der erste Wiener Kreis. Wien/New York 2000. 19 Vgl. Johannes Friedl, Konsequenter Empirismus. Die Entwicklung von Moritz Schlicks Erkenntnistheorie im Wiener Kreis. Wien 2013, 73–80. 20 Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung [Anm. 4], 134. 21 Vgl. Michael Friedman, Reconsidering Logical Positivism. Cambridge 1999, »Geometry, Convention and the Relativized A Priori«, 59–70, 59. 22 Vgl. Thomas Uebel, Empricism at the crossroads [Anm. 15]. 23 Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung [Anm. 4], 139. 24 Moritz Schlick, Die Wende der Philosophie, in: Fischer (Hg.), Österreichische Philosophie [Anm. 4], 173–179, 174. 25 Schlick, Die Wende der Philosophie [Anm. 24], 177. 26 Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung [Anm. 4], 132. 27 Otto Neurath, Einzelwissenschaften, Einheitswissenschaft, Pseudorationalismus, in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 2, 703–709, 708. 28 Vgl. George A. Reisch, How the Cold War transformed Philosophy of Science. To the Icy Slopes of Logic. Cambridge 2005; Hans-Joachim Dahms, Die Bedeutung der Emigration des Wiener Kreises für die Entwicklung der Wissenschaftstheorie; Friedrich Stadler, Transfer and Transformation of Logical Empiricism: Quantitative and Qualitative Aspects, in: Gary Hardcastle und Alan Richardson (Hg.), Logical Empiricism in North America. Minneapolis/London 2003, 216–233. 29 Vgl. Friedman, Logical Positivism [Anm. 21]; Alan Richardson, Carnap’s Construction of the World. The Aufbau and the Emergence of Logical Positvism. Cambridge 2008; Thomas Ryckman, The Reign of Relativity. Philosophy in Physics 1915–1925. Oxford 2005; Alberto Coffa, The Semantic Tradition from Kant to Carnap. To the Vienna Station. Cambridge 1991; Thomas Mormann, Werte bei Carnap, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 60/2 (2006), 169–189. 30 Vgl. Rudolf Haller, Der erste Wiener Kreis, in: ders., Fragen zu Wittgenstein und Aufsätze zur Österreichischen Philosophie. Amsterdam 1986, 89–107. 31 Philipp Frank, Modern Science and its Philosophy. New York 1961, 13–61. 32 Ernst Mach, Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und aneinander, in: ders., Erkenntnis und Irrtum. Skizzen zur Psychologie der Forschung. Darmstadt 1980, 164–182. 33 Philipp Frank, Modern Science and its Philosophy [Anm. 31], 28–30. 34 Philipp Frank, Modern Science and its Philosophy [Anm. 31], 20. 35 Philipp Frank, Modern Science and its Philosophy [Anm. 31]. 36 Vgl. Henri Poincar¦, On the Foundations of Geometry, in: The Monist 9 (1898), 1–43. 37 Vgl. Philipp Frank, Kausalgesetz und Erfahrung, in: Annalen der Naturphilosophie, 6 (1907), 443–450; Otto Neurath, Probleme der Kriegswirtschaftslehre, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 69 (1913), 438–501. 38 Vgl. Neurath, Probleme der Kriegswirtschaftslehre [Anm. 37], 457f.; ders., Die Verirrten des Cartesius und das Auxiliarmotiv, in: Jahrbuch der Philosophischen Gesellschaft an der Universität zur Wien (1913), 45–59.
614 39
Endnoten
Vgl. Thomas Uebel, Otto Neurath, the Vienna Circle and the Austrian Tradition, in: Royal Institute of Philosophy Supplement 44 (1999), 249–269. 40 Otto Neurath, Der logische Empirismus und der Wiener Kreis (1936), in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 2, 739–748, 742. 41 Otto Neurath, Die Entwicklung des Wiener Kreises und die Zukunft des Logischen Empirismus (1936), in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 2, 673–702. 42 Vgl. Robert Reininger (Hg.), 50 Jahre Philosophische Gesellschaft an der Universität Wien 1888–1938. Wien 1938; Uebel, Vernunftkritik [Anm. 18], 138–142; Denis Fisette, Austrian Philosophy and its Institutions: Remarks on the Philosophical Society of Vienna (1888–1938), in: Anne Reboul (Hg.), Mind, Values, and Metaphysics. Wien 2014, 349–374. 43 Vgl. Fisette, Austrian Philosophy and its Institutions [Anm. 42], 353–360. 44 Fisette, Austrian Philosophy and its Institutions [Anm. 42], 358. 45 Vgl. Uebel, Vernunftkritik [Anm. 18], 142. 46 Philipp Frank, Mechanismus oder Vitalismus? Versuch einer präzisen Formulierung der Fragestellung, in: Ostwald’s Annalen der Naturphilosophie 7 (1908), 393–409. 47 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 184. 48 Vgl. Fisette, Austrian Philosophy and its Institutions [Anm. 42], 364. 49 Fisette, Austrian Philosophy and its Institutions [Anm. 42], 368–369. 50 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 248; Uebel, Vernunftkritik [Anm. 18], 260. 51 Vgl. Fisette, Austrian Philosophy and its Institutions [Anm. 42], 370. 52 Vgl. Lichtenberger-Fenz, »…deutscher Abstammung und Muttersprache« [Anm. 10]. 53 Vgl. Stadler, Antisemitismus an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien [Anm. 11]. 54 Klaus Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie ein antisemitisches Professorenkartell der Universität Wien nach 1918 jüdische und linke Forscherinnen und Forscher vertrieb, abrufbar unter : http://www.academia.edu/4258095/Geheimsache_Barenhohle._Wie_ein_antisemitisches_Professorenkartell_der_Universitat_Wien_nach_1918_judische_und_linke_Forscherinnen_und_Forscher_vertrieb._2013_ (Letzter Zugriff: 15. 5. 2015). 55 Robert Reininger, Ansprache, in: Kant-Studien 35 (1930), 16–17, 16. 56 Reininger, Ansprache [Anm. 55], 17. 57 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 676. 58 Vgl. Sandner, Otto Neurath, [Anm. 8], 286. 59 Vgl. zur Biographie: Fynn Ole Engler, Mathias Iven (Hg.), Moritz Schlick. Leben, Werk und Wirkung. Berlin 2008. 60 Vgl. Matthias Neuber, Die Grenzen des Revisionismus. Schlick, Cassirer und das ›Raumproblem‹. Wien/New York 2012, 46–57. 61 Vgl. zur Biographie den Beitrag von Bastian Stoppelkamp, Rudolf Carnap (1891–1970), in diesem Band, 470-473. 62 Vgl. Coffa, The Semantic Tradition from Kant to Carnap [Anm. 29], 189. 63 Vgl. Ryckman, Philosophy in Physics 1915–1925 [Anm. 29]. 64 Ernst Cassirer, Zur Einsteinschen Relativitätstheorie. Hamburg 2001. 65 Cassirer, Zur Einsteinschen Relativitätstheorie [Anm. 64], 73.
Kant und der Wiener Kreis 66
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Vgl. Michael Friedman, Parting of the Ways. Carnap, Cassirer and Heidegger. Peru 2000, 87–110. 67 Cassirer, Zur Einsteinschen Relativitätstheorie [Anm. 64], 74, 78. 68 Cassirer, Zur Einsteinschen Relativitätstheorie [Anm. 64], 78. 69 Cassirer, Zur Einsteinschen Relativitätstheorie [Anm. 64], 81–82. 70 Cassirer, Zur Einsteinschen Relativitätstheorie [Anm. 64], 82–83. 71 Hans Reichenbach, Relativitätstheorie und Erkenntnis Apriori. Berlin 1920. 72 Zitiert nach: Edwin Glassner, Heidi König-Porstner (Hg.), Moritz Schlick Gesamtausgabe, Bd. 5: Rostock, Kiel, Wien. Aufsätze, Beiträge, Rezensionen 1919–1925. Wien/New York 2012, 502. 73 Reichenbach, Relativitätstheorie und Erkenntnis Apriori [Anm. 71], 46. 74 Vgl. Friedman, Logical Positivism [Anm. 21], 60–66. 75 Moritz Schlick, Kritizistische oder empiristische Deutung der neuen Physik?, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 72], Bd. 5, 223–247; ders., Hans Reichenbach, Relativitätstheorie und Erkenntnis a priori, in: ebd., 499–508. 76 Moritz Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre. Frankfurt am Main 1979. 77 Moritz Schlick, Die philosophische Bedeutung des Relativitätsprinzips, in: Michael Stöltzner und Thomas Uebel (Hg.), Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung. Hamburg 2006, 41–91. 78 Vgl. Neuber, Die Grenzen des Revisionismus [Anm. 60], 45–130. 79 Schlick, Kritizistische oder empiristische Deutung der neuen Physik? [Anm. 75], 227. 80 Vgl. hierzu den editorischen Bericht in: Schlick, Hans Reichenbach, Relativitätstheorie und Erkenntnis a priori [Anm. 75], 499–506. 81 Schlick, Kritizistische oder empiristische Deutung der neuen Physik? [Anm. 75], 240. 82 Schlick, Kritizistische oder empiristische Deutung der neuen Physik? [Anm. 75], 232. 83 Vgl. Michael Friedman, Dynamics of Reason. Stanford 2001. 84 Zu Schlicks Biographie und Werk vgl. Fynn Ole Engler, Mathias Iven, Moritz Schlick (1882–1936). Philosoph und Physiker, in: Hans-Uwe Lammel, Gisela Boeck (Hg.), Rostocker gelehrte Köpfe. Referate der interdisziplinären Ringvorlesung des Arbeitskreises ›Rostocker Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte‹ im Wintersemester 2009/2010. Norderstedt 2013, 33–54; Herbert Feigl, Moritz Schlick, in: Erkenntnis 7 (1937/38), 393–419; Brian McGuinness (Hg.), Zurück zu Schlick. Eine Neubewertung von Werk und Wirkung. Wien 1985; Heiner Rutte, Moritz Schlick (1882–1936), in: Neue Österreichische Biographie, Bd. 19. Wien 1977, 120–128; Friedrich Stadler, Der Philosoph Moritz Schlick (1882–1936), in: Conceptus 37 (1982), 75–80; Friedrich Stadler, The Vienna Circle. Studies in the Origins, Development, and Influence of Logical Empiricism. Wien/NewYork 2001, 722–723; sowie Edgar Zilsel, Moritz Schlick, in: Die Naturwissenschaften 11 (1937), 161–167. 85 Vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 722. 86 Vgl. Massimo Ferrari, An Unknown Side of Moritz Schlick’s Intellectual Biography: the Reviews for the ›Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie‹ (1911–1916), in: Friedrich Stadler (Hg.), The Vienna Circle and the Logical Empiricism. Re-Evaluation and Future Perspectives. Dordecht/Boston/London 2002, 63–79; sowie Michael Heidelberger, Kantianism and Realism: Alois Riehl (and Moritz Schlick), in: Michael Friedman, Alfred Nordmann (Hg.): The Kantian Legacy in Nineteenth Century Science. Cambridge MA, 2006, 227¢247.
616 87
Endnoten
Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 723. Vgl. Rudolf Haller, Der erste Wiener Kreis, in: Erkenntnis 22 (1985), 341–358. 89 Vgl. Arthur Liebhert, Wien [Bericht der Philosophische Gesellschaft an der Universität Wien. Ortsgruppe Wien der Kant-Gesellschaft], in: Kant-Studien 32 (1927), 556, 556. 90 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], »Dokumentation: Die Ermordung von Moritz Schlick«, 920–961; Peter Malina, Tatort: Philosophenstiege, in: Michael Benedikt, Rudolf Burger (Hg.): Bewußtsein, Sprache und Kunst. Wien 1988, 231–253. 91 Vgl. Ferrari, Schlick’s Intellectual Biography [Anm. 86], 63–79, 64–66. 92 Vgl. Ferrari, Schlick’s Intellectual Biography [Anm. 86], 64. 93 Ferrari, Schlick’s Intellectual Biography [Anm. 86], 68. 94 Hans Jürgen Wendel, Fynn Ole Engler, Einleitung, in: Moritz Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre, hg. v. Hans Jürgen Wendel, Fynn Ole Engler. Wien/New York 2009, 9–10. 95 Vgl. Moritz Schlick, Rezension zu P. Natorp, Die logischen Grundlagen der exacten Wissenschaften (Berlin/Leipzig 1910), in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 35 (1911), 254–260; Moritz Schlick, Rezension zu L. Goldschmidt, Zur Wiedererweckung kantischer Lehre (Gotha 1910), in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 35 (1911), 261–262; Moritz Schlick, Rezension zu M. Frischeisen-Köhler, Wissenschaft und Wirklichkeit (Leipzig/Berlin 1912), in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 37 (1913), 145–148; Moritz Schlick, Rezension zu H. Cornelius, Transzendentale Systematik. Untersuchungen zur Begründung der Erkenntnistheorie (München 1916), in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 40 (1916), 384–386. 96 Moritz Schlick, Die philosophische Bedeutung des Relativitätsprinzips, in: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik 159 (1915), 129–175, 165. 97 Vgl. Ferrari, Schlick’s Intellectual Biography [Anm. 86], 64. 98 Juha Manninen, Towards a Physicalistic Attitude, in: Stadler (Hg.), Logical Empiricism [Anm. 86], 133–151, 134. 99 Moritz Schlick, Kritische oder empirische Deutung der neuen Physik? Bemerkungen zu Ernst Cassirers Buch »Zu Einsteinischen Relativitätstheorie«, in: Kant-Studien 26 (1921), 96–112, 99. 100 Moritz Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre, hg. v. der Schriftleitung der »Naturwissenschaften«, Bd. 1. Berlin 21925, 117. 101 Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre [Anm. 100], 317. 102 Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre [Anm. 100], 366. 103 Vgl. Moritz Schlick, Gibt es ein materiales Apriori?, in: ders., Gesammelte Aufsätze 1926–1936. Wien 1938, 19–31, 20. 104 Schlick, Gibt es ein materiales Apriori? [Anm. 103], 22–23. 105 Schlick, Allgemeine Erkenntnislehre [Anm. 100], 81. 106 Ernst Cassirer, Ausgewählter wissenschaftlicher Briefwechsel, hg. v. John Michael Kreis. Hamburg 2009, 95. 107 Moritz Schlick, Fragen der Ethik. Wien 1930, 8. 108 Vgl. Schlick, Fragen der Ethik [Anm. 107], 15. 109 Moritz Schlick, Aphorismen. Wien 1962, 44. 110 Paolo Parrini, On the Formation of Logical Empiricism, in: Stadler (Hg.), Logical Empiricism [Anm. 86], 9–21, 10. 88
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617
Zur Biographie von Edgar Zilsel vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 749–764; Johann Dvorˇak, Edgar Zilsel und die Einheit der Erkenntnis. Wien 1981; Johannes Lenhard, Wolfgang Krohn, Das Gesetz der großen Zahlen. Edgar Zilsels Versuch einer Grundlegung physikalischer und sozio-historischer Gesetze, in: Karin Hartbecke, Christian Schütte (Hg.), Naturgesetze. Historisch-systematische Analysen eines wissenschaftlichen Grundbegriffs. Paderborn 2006, 291–318. 112 Vgl. hierzu die Unterlagen über Zilsels Dissertation und Studienabschluss im Jahre 1915: Philosophische Rigorosenprotokolle (Ph 59.24), Protokollnummer 4116, Universitätsarchiv Wien (UAW). 113 Vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 749; Dvorˇak, Edgar Zilsel [Anm. 111], 20. 114 Edgar Zilsel, Der einführende Philosophieunterricht an den neuen Oberschulen, in: Volkserziehung 1 (1921), 324–341; ders., Kant als Erzieher, in: Schulreform 3 (1924), 182–188. 115 Vgl. Dvorˇak, Edgar Zilsel [Anm. 111], 22. 116 Vgl. Dvorˇak, Edgar Zilsel [Anm. 111], 20–22. 117 Vgl. Klaus Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie ein antisemitisches Professorenkartell der Universität Wien nach 1918 jüdische und linke Forscherinnen und Forscher vertrieb. url: www.academia.edu/4258095/Geheimsache_Bärenhohle._Wie_ein_antisemitisches_Professorenkartell_der_Universität_Wien_nach_1918_judische_und_linke_Forscherinnen_und_Forscher_vertrieb._2013_ (Letzter Zugriff: 17. 5. 2014). 118 Vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 749. 119 Vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 749. 120 Vgl. Dvorˇak, Edgar Zilsel [Anm. 111], 29. 121 Vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 749. 122 Vgl. Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 296. 123 Vgl. Edgar Zilsel, Das Anwendungsproblem. Ein philosophischer Versuch über das Gesetz der großen Zahlen und die Induktion. Leipzig 1916, 13. 124 Zilsel, Das Anwendungsproblem [Anm. 123], 154. 125 Adolf Fick, Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeiten. Würzburg 1883. 126 Zilsel bezieht sich in dieser Arbeit auf folgende Werke Kants: Kritik der reinen Vernunft, Kritik der Urteilskraft, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. 127 Zilsel, Das Anwendungsproblem [Anm. 123], 75–76. 128 Zilsel, Das Anwendungsproblem [Anm. 123], 144. 129 Vgl. Zilsel, Das Anwendungsproblem [Anm. 123], 175. 130 Vgl. Zilsel, Das Anwendungsproblem [Anm. 123], 175. 131 Vgl. Zilsel, Das Anwendungsproblem [Anm. 123], 175–180. 132 Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 302. 133 Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 13. 134 Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 25. 135 Vgl. Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 305. 136 Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 305. 137 Vgl. Lenhard, Krohn, Das Gesetz der grossen Zahlen [Anm. 111], 295. 138 Edgar Zilsel, Die Geniereligion. Ein kritischer Versuch über das moderne Persönlichkeitsideal, mit einer historischen Begründung. Wien/Leipzig 1918.
618 139
Endnoten
Eine vollständige Bibliographie in: Edgar Zilsel, The Social Origins of Modern Science, hg. v. Diederick Raven, Wolfgang Krohn, Robert S. Cohen. Dordrecht/Boston/London 2000, 243–245. 140 Vgl. Stadler, The Vienna Circle [Anm. 84], 752–754. 141 Vgl. Dvorˇak, Edgar Zilsel [Anm. 111], 36–39. 142 Zilsel, Der einführende Philosophieunterricht [Anm. 114], 328. 143 Dvorˇak, Edgar Zilsel [Anm. 111], 37. 144 Zilsel, Kant als Erzieher [Anm. 114], 182–188, 184f. 145 Zilsel, Kant als Erzieher [Anm. 114], 183. 146 Edgar Zilsel, Philosophische Bemerkungen, in: Edgar Zilsel, Wissenschaft und Weltanschauung. Aufsätze 1929–1933, hg. v. Gerald Mozetic. Wien/Köln/Weimar 1992, 31–45, 34. Zuerst erschienen in: Der Kampf 22 (1929), 178–186. 147 Zilsel, Philosophische Bemerkungen [Anm. 146], 34. 148 Vgl. zur Biographie Neuraths: Sandner, Otto Neurath [Anm. 8]; Paul Neurath, Otto Neurath (1882–1945). Leben und Werk, in: Paul Neurath, Elisabeth Nemeth (Hg.), Otto Neurath oder die Einheit on Wissenschaft und Gesellschaft. Wien 1994, 13–96; Elisabeth Nemeth, Friedrich Stadler (Hg.), Encyclopedia and Utopia. The Life and Work of Otto Neurath (1882–1945). Dordrecht 1996; Nancy Cartwright, Jordi Cat, Lola Fleck, Thomas Uebel, Otto Neurath: Philosophy between Science and Politics. Cambridge 1996; Uebel, Vernunftkritik [Anm. 18]. 149 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 16–28. 150 Vgl. Uebel, Vernunftkritik [Anm. 18], 288–289. 151 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 42–53. 152 Die Arbeit ist in zwei Teilen erschienen: Otto Neurath, Zur Anschauung der Antike über Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 32 (1906), 577–606, sowie: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 34 (1907) 145–205. 153 Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 47. 154 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 47. 155 Vgl. Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 27–33. 156 Vgl. Uebel, Vernunftkritik [Anm. 18], 103–167; Haller, Der erste Wiener Kreis [Anm. 30]. 157 Vgl. Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 27–28. 158 Vgl. Cartwright, Cat, Fleck, Uebel, Philosophy between Science and Politics [Anm. 148], 14–18. 159 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 72–77. 160 Vgl. Günther Sandner, »Was Menschenkraft zu leisten vermag«. Otto Neurath und die Kriegswirtschaftslehre, in: Wolfram Dornik, Julia Walleczek-Fritz, Stefan Wedrac (Hg.), Frontwechsel. Österreich-Ungarns »Großer Krieg« im Vergleich. Wien 2013, 377–397. 161 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 91–106. 162 Vgl. Otto Neurath, Durch die Kriegswirtschaft zur Naturalwirtschaft. München 1919, 1. 163 Vgl. Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 753. 164 Vgl. Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 39–52; Cartwright, Cat, Fleck, Uebel, Philosophy between Science and Politics [Anm. 148], 43–55. 165 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 165–177.
Kant und der Wiener Kreis 166
619
Vgl. Matthew Eve. Christopher Burke, Otto Neurath: From Hieroglyphics to Isotype. A visual Autobiography. London 2010. 167 Siehe Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 191–192. 168 Otto Neurath, Gesellschaft und Wirtschaft. 100 Bildtafeln. Leipzig 1931. 169 Kurt Tucholsky, Auf dem Nachttisch, in: ders., Gesammelte Werke. 1931, Bd. 9. Reinbek bei Hamburg 1995, 139–145, 144. 170 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 184. 171 Zitiert nach: Anne Siegetsleitner, Ethik und Moral im Wiener Kreis. Zur Geschichte eines engagierten Humanismus. Wien/Köln/Weimar 2014, 196. 172 Vgl. Thomas Uebel, The Enlightenment Ambition of Epistemic Utopianism: Otto Neurath’s Theory of Science in Historical Perspective, in: Ronald Giere, Alan Richardson (Hg.), Origins of Logical Empiricism. Minneapolis 1996, 91–113. 173 William M. Johnston, Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen im Donauraum 1848 bis 1938. Wien 2006, 201. 174 Vgl. Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 84–85. 175 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 234–240. 176 Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 240. 177 Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 402–431. 178 Vgl. Otto Neurath, Einheit der Wissenschaft als Aufgabe (1935), in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 2, 625–630. 179 Otto Neurath, Foundations of the Social Sciences, in: Otto Neurath, Rudolf Carnap, Charles Morris (Hg.), Foundations of the Unity of Science. Toward an International Encyclopedia of Unified Science, Bd. 2. Chicago 1970, 1–52. 180 Vgl. Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 87–90. 181 Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 90. 182 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 271–273. 183 Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 274–277. 184 Zitiert nach: Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 245. 185 Vgl. Neurath, Neurath. Leben und Werk [Anm. 148], 95. 186 Vgl. Otto Neurath, Wissenschaftliche Weltauffassung, Sozialismus und Logischer Empirismus. Frankfurt am Main 1979, 19. 187 Vgl. Thomas Uebel, Otto Neurath’s Idealist Inheritance: The Social and Economic Thought of Wilhelm Neurath, in: Synthese 103(1995), 87–121. 188 Vgl. Otto Neurath, Lebensgestaltung und Klassenkampf. Berlin 1928. 189 Vgl. Sandner, Otto Neurath [Anm. 8], 286. 190 Vgl. Rudolf Haller, Studien zur Österreichischen Philosophie. Amsterdam 1979; ders., Fragen zu Wittgenstein [Anm. 30]; William Johnston, Austrian Mind. An intellectual and social history, 1848–1938. Berkeley 1983. Für weitere Literatur zur Österreichischen Philosophie siehe den Beitrag von Alexander Wilfing, Kant und die »österreichische Philosophie« – Eine Einführung, in diesem Band, 19–27. 191 Die Zwischenspiel-These findet sich bei Neurath an zwei verschiedenen Stellen: Otto Neurath, Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung (1930/1931), in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 1, 371–386, 381; ders., Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 676. 192 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41]. 193 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 688.
620 194
Endnoten
Vgl. Otto Neurath, Der Logische Empirismus [Anm. 40], 743–744. Vgl. zum Konzept der wissenschaftlichen Weltauffassung: Donata Romizi, The Vienna Circle’s »Scientific World-Conception«: Philosophy of Science in the Political Arena, in: Hopos 2 (2012) 2, 205–242. 196 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 692–693. 197 Vgl. Franz Brentano, Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand: nebst Abhandlungen über Plotinus, Thomas von Aquin, Kant, Schopenhauer und Auguste Comte. Hamburg 1986; Ernst Mach, Die Analyse der Empfindungen. Jena 1922, 24 Anm. 198 Vgl. hierzu etwa die besonders originelle, ideengeschichtliche Ausdeutung dieses Ansatzes bei Johannes Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt. Von Bolzano über Freud zu Kelsen: Österreichische Wissenschaftsgeschichte 1848–1938. Bielefeld 2010. 199 Haller, Fragen zu Wittgenstein [Anm. 30], 22. 200 Rudolf Haller, Gibt es eine österreichische Philosophie?, in: ders., Fragen zu Wittgenstein [Anm. 30], 31–43, 43. 201 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 676. 202 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 676. 203 Vgl. zum Herbartianismus: Feichtinger, Wissenschaft als reflexives Projekt [Anm. 198], 120–131; Andreas Hoeschen, Lothar Schneider, Herbartianismus im 19. Jahrhundert: Umriss einer intellektuellen Konfiguration, in: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hg.), Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit. München 2006, 447–477; zur Rezeption der Philosophie Christian Wolffs in Österreich etwa: Werner Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration. Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie. Amsterdam 1982, 45. 204 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 686. 205 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 676. 206 Vgl. hierzu die grundlegende Studie von Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 203], 45. 207 Neurath, Der Logische Empirismus [Anm. 40], 742. 208 Neurath, Der Logische Empirismus [Anm. 40], 741. 209 Neurath, Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung [Anm. 191], 372. 210 Neurath, Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung [Anm. 191], 384. 211 Neurath, Wege der wissenschaftlichen Weltauffassung [Anm. 191], 373–374. 212 Vgl. hierzu die ausführliche Fußnote in: Otto Neurath, Einheitswissenschaft und Psychologie (1933), in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 2, 587–610, 597 Anm. 213 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 682. 214 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 678. 215 Neurath, Einheitswissenschaft und Psychologie [Anm. 212], 597 Anm. 216 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 678. 217 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 682. 218 Die Kritik am kategorischen Imperativ Kants findet sich in zahlreichen Texten Neuraths. Die hier zitierte Stelle findet sich in der Schrift: Otto Neurath, Lebensgestaltung und Klassenkampf (1928), in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 1, 227–294, 228. 219 Vgl. Neurath, Einheit der Wissenschaft als Aufgabe [Anm. 178], 625–630. 220 Uebel, Empiricism at the crossroads [Anm. 15]. 195
Kant und der Wiener Kreis 221
621
Vgl. Otto Neurath, Die Einheitswissenschaft und ihre Enzyklopädie, in: ders., Philosophische und methodologische Schriften [Anm. 17], Bd. 2, 777–786, 785. 222 Neurath, Die Zukunft des Logischen Empirismus [Anm. 41], 701. 223 Golo Mann, Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland. Frankfurt am Main 1986, 373. 224 Vgl. allgemein zur Biographie Rudolf Carnaps: Andr¦ W. Carus, Carnap and Twentieth-Century Thought. Cambridge 2007; Andr¦ W. Carus, Carnap’s intellectual development, in: Michael Friedman, Richard Creath (Hg.), The Cambridge Companion to Carnap. Cambridge 2007, 19–42; Thomas Mormann, Rudolf Carnap. München 2000, 13–37; Stadler, Studien zum Wiener Kreis [Anm. 1], 667; Rudolf Carnap, Mein Weg in die Philosophie. Stuttgart 1993. 225 Vgl. Carus, Carnap and Twentieth-Century Thought [Anm. 224], 41–50. 226 Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 5. 227 Vgl. Gottfried Gabriel, Introduction: Carnap brought Home, in: Steve Awodey, Carsten Klein (Hg.), Carnap brought Home: the view from Jena. Chicago 2004, 3–24. 228 Vgl. Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 8; Wilhelm Flitner, Erinnerungen: 1889–1945. Paderborn 1986, 204. 229 Rudolf Carnap, Der Raum. Ein Beitrag zur Wissenschaftslehre. Berlin 1922 (= KantStudien Ergänzungsheft, Bd. 56). 230 Vgl. Walter Laqueur, Young Germany: A History of the German Youth Movement. New York 1962. 231 Vgl. Meike G. Werner, Moderne in der Provinz: Kulturelle Experimente im Fin-de-SiÀcle Jena. Göttingen 2003; Meike G. Werner, Jugend im Feuer. August 1914 im Serakreis, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 8/2 (2014), 19–34. 232 Vgl. Micha Brumlick, Rudolf Carnap, in: Barbara Stambolis (Hg.), Jugendbewegt geprägt. Essays zu autobiographischen Texten von Werner Heisenberg, Robert Jungk und vielen anderen. Göttingen 2013, 191–197. 233 Vgl. Wilhelm Flitner, Erinnerungen: 1889–1945. Paderborn 1986, 360. 234 Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 14–16. 235 Rudolf Carnap, Über die Aufgabe der Physik, in: Kant-Studien 28 (1923), 90–107; Rudolf Carnap, Über die Abhängigkeit der Eigenschaften des Raumes von denen der Zeit, in: Kant-Studien 30 (1925), 331–345. 236 Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 23; vgl. Christian Thiel, Carnap und die wissenschaftliche Philosophie auf der Erlanger Tagung 1923, in: Rudolf Haller, Friedrich Stadler (Hg.), Wien-Berlin-Prag. Der Aufstieg der wissenschaftlichen Philosophie. Zentenarien Rudolf Carnap – Hans Reichenbach – Edgar Zilsel. Wien 1993, 175–188. 237 Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung [Anm. 4]. 238 Rudolf Carnap, Der logische Aufbau der Welt. Berlin 1928. 239 Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 32. 240 Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 52. 241 Rudolf Carnap, Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache, in: Erkenntnis 2/4 (1932), 219–244. 242 Rudolf Carnap, Die logische Syntax der Sprache. Wien 1934 (= Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung, Bd. 8). 243 Carnap, Mein Weg in die Philosophie [Anm. 224], 64. 244 Vgl. Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft [Anm. 12], Bd. 1.
622 245
Endnoten
Vgl. George Reisch, How the Cold War transformed Philosophy of Science: To the Icy slopes of Logic. Cambridge 2005, 272–282. 246 Vgl. Mormann, Rudolf Carnap [Anm. 224], 13–36. 247 Siehe Sauer, Österreichische Philosophie [Anm. 203]. 248 Kurt Walter Zeidler, Kritische Dialektik und Transzendentalontologie. Der Ausgang des Neukantianismus und die post-neukantianische Systematik R. Hönigswalds, W. Cramers, B. Bauchs, H. Wagners, R. Reiningers und E. Heintels. Bonn 1995, 65ff. 249 Alois Riehl, Realistische Grundzüge. Eine philosophische Abhandlung der allgemeinen und nothwendigen Erfahrungsbegriffe. Graz 1870, II. 250 Riehl, Realistische Grundzüge [Anm. 249], 8f. 251 Alois Riehl, Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung für die positive Wissenschaft, Bd. 2: Die sinnlichen und logischen Grundlagen der Erkenntnis. Leipzig 1879, 67. 252 Kurt Walter Zeidler, Der »Österreichische« Neukantianismus, in: Michael Benedikt, Endre Kiss, Reinhold Knoll (Hg.), Verdrängter Humanismus – Verzögerte Aufklärung, Bd. 4: Anspruch und Echo. Sezession und Aufbrüche in den Kronländern zum Fin-de-SiÀcle. Klausen-Leopoldsdorf 1998, 253–268. 253 Riehl, Realistische Grundzüge [Anm. 249], 26. 254 Vgl. Alois Riehl, Der Philosophische Kritizismus. Geschichte und System, Bd. 1: Geschichte des philosophischen Kritizismus. Leipzig 21908, 6, 19–207; Richard Hönigswald, Über die Lehre Hume’s von der Realität der Außendinge. Berlin 1904; Robert Reininger, Philosophie des Erkennens. Leipzig 1911, 137–290; ders., Locke, Berkeley, Hume. München 1922. 255 Vgl. Alois Riehl, Moral und Dogma. Wien 1871; ders., Friedrich Nietzsche. Der Künstler und Denker. Stuttgart 1897; Robert Reininger, Friedrich Nietzsches Kampf um den Sinn des Lebens. Der Ertrag seiner Philosophie für die Ethik. Wien/Leipzig 1922; ders., Wertphilosophie und Ethik. Die Frage nach dem Sinn des Lebens als Grundlage einer Wertordnung. Wien/Leipzig 1939. 256 Zur Biographie siehe Karl Nawratil, Robert Reininger. Leben – Wirken – Persönlichkeit. Wien 1969. 257 Vgl. Wolfgang Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Eine historisch-kritische Einführung. Wien 1952, 278–302; Erwin Rogler, Wirklichkeit und Gegenstand. Untersuchungen zur Erkenntnismetaphysik Robert Reiningers. Frankfurt am Main 1970; Zeidler, Kritische Dialektik und Transzendentalontologie [Anm. 252], 245–290. 258 Reininger, Friedrich Nietzsches Kampf um den Sinn des Lebens [Anm. 255], 182ff. 259 Robert Reininger, Metaphysik der Wirklichkeit. Zweite, gänzlich neubearbeitete und erweiterte Auflage, Bd. 1. Wien 1947, 11. 260 Reininger, Philosophie des Erkennens [Anm. 254], 347f. 261 Vgl. Paul Natorp, Allgemeine Psychologie nach kritischer Methode. Tübingen 1912, 38f., 122. Dazu Robert Reininger, Das Psycho-Physische Problem. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung zur Unterscheidung des Physischen und Psychischen überhaupt. Wien/ Leipzig 1916, 316. 262 Vgl. Robert Reininger, Jugendschriften 1885–1895. Aphorismen 1894–1948, hg. und eingeleitet v. Karl Nawratil. Wien 1974, 64, 66, 77ff. 263 Reininger, Philosophie des Erkennens [Anm. 254], 355, 357, 372. 264 Reininger, Metaphysik der Wirklichkeit [Anm. 259], Bd. 1, 266. 265 Vgl. Reininger, Metaphysik der Wirklichkeit [Anm. 259], Bd. 1, 39f., 88.
Kant und der Wiener Kreis 266
623
Dazu Zeidler, Kritische Dialektik und Transzendentalontologie [Anm. 252], 267–283, 275f. 267 Vgl. Reininger, Metaphysik der Wirklichkeit [Anm. 259], Bd. 1, 396; Bd. 2. Wien 21948, 179. 268 Vgl. Reininger, Metaphysik der Wirklichkeit [Anm. 259], Bd.1, 59; Bd. 2, 184. 269 Reininger, Metaphysik der Wirklichkeit [Anm. 259], Bd. 2, 141ff. 270 Siehe Franz Weisz, Der frühe Heintel. Leben, Werk und Lehre von 1912 bis 1949. Mit einem kurzen Überblick über sein späteres Schaffen, Diss. Wien 2009, url: http://othes. univie.ac.at/5767/1/2009-02–15_7505539.pdf (Letzter Zugriff 11. 3. 2015). 271 Vgl. Erich Heintel, Selbstdarstellung, in: Ludwig J. Pongratz (Hg.), Philosophie in Selbstdarstellungen, Bd. 3. Hamburg 1977, 133–188; ders., Zur Systematik der Philosophie, in: Andr¦ Mercier (Hg.), Philosophische Selbstbetrachtungen, Bd. 12. Bern/Frankfurt am Main/New York 1985, 104–140; Helmut Gehrke, Theologie im Gesamtraum der Wirklichkeit. Zur Systematik Erich Heintels. Wien/München 1981; Zeidler, Kritische Dialektik und Transzendentalontologie [Anm. 252], 291–330. 272 Erich Heintel, Nietzsches »System« in seinen Grundbegriffen. Leipzig 1939, 29. 273 Erich Heintel, Die beiden Labyrinthe der Philosophie. Systemtheoretische Betrachtungen zur Fundamentalphilosophie des abendländischen Denkens. Bd. 1: Einleitung und I. Teil: Neopositivismus und Diamat (Histomat). Wien/München 1968, 178f. 274 Heintel, Die beiden Labyrinthe der Philosophie [Anm. 273], 181. 275 Siehe Erich Heintel, Sprachphilosophie, in: Wolfgang Stammler (Hg.), Deutsche Philologie im Aufriß, Bd. 1. Berlin 1952, 453–498; ders., Einleitung zu J. G. Herder, Sprachphilosophische Schriften, hg. v. Erich Heintel. Hamburg 1964; ders., Einführung in die Sprachphilosophie. Darmstadt 1972, 21975, 31986, 41991. 276 Vgl. Heintel, Die beiden Labyrinthe der Philosophie [Anm. 273], 11, 20. 277 Die Problemlösung sucht Heintel zuletzt in einer »Theorie der Sinnstufen«: Grundriß der Dialektik. Ein Beitrag zu ihrer fundamentalphilosophischen Bedeutung, Band II: Zum Logos der Dialektik und zu seiner Logik, Darmstadt 1984, 284ff. 278 Vgl. Rudolf Eisler, Einführung in die Erkenntnistheorie. Darstellung und Kritik der erkenntnistheoretischen Richtungen. Leipzig 1907, IX, XI f., 242ff. 279 Vgl. Peter Heintel, System und Ideologie. Der Austromarxismus im Spiegel der Philosophie Max Adlers. Wien/München 1967; Alfred Pfabigan, Max Adler. Eine politische Biographie. Frankfurt am Main 1982; Christian Möckel, Sozial-Apriori. Der Schlüssel zum Rätsel der Gesellschaft. Leben, Werk und Wirkung Max Adlers. Frankfurt am Main 1993. 280 Dazu Hans Amrhein, Kants Lehre vom ›Bewusstsein überhaupt‹ und ihre Weiterbildung bis auf die Gegenwart. Berlin 1909. 281 Max Adler, Kausalität und Teleologie im Streite um die Wissenschaft. Wien 1904, 187f. 282 Vgl. url: http://gedenkbuch.univie.ac.at/ (Letzter Zugriff: 11. 3. 2015); Hans Herzka, Zum Gedenken an Oskar Ewald, in: Neue Wege 55 (1961), 274f.; Michael Benedikt, Drei Generationen religiöser Sozialismus: Oskar Ewald (Friedländer), in: Michael Benedikt, Reinhold Knoll, Cornelius Zehetner (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung: Philosophie in Österreich von 1400 bis heute, Bd. 5: Im Schatten der Totalitarismen. Vom philosophischen Empirismus zur kritischen Anthropologie. Philosophie in Österreich 1920–1951. Wien 2005, 297–302. 283 Oskar Ewald, Kants kritischer Idealismus als Grundlage von Erkenntnistheorie und Ethik. Berlin 1908, 15.
624 284
Endnoten
Vgl. Oskar Ewald, Die Probleme der Romantik als Grundfragen der Gegenwart. Berlin 1904; ders., Gründe und Abgründe. Präludien zu einer Philosophie des Lebens, 2 Bde. Berlin 1909; ders., Lebensfragen. Leipzig 1910. 285 Oskar Ewald, Die französische Aufklärungsphilosophie. München 1924, 158. 286 Zur Biographie Kelsens siehe Hans Kelsen, Selbstdarstellung (1927) sowie Autobiographie (1947), in: ders., Hans Kelsen Werke, Bd. 1: Veröffentlichte Schriften 1905–1910 und Selbstzeugnisse, hg. v. Matthias Jestaedt in Kooperation mit dem Hans Kelsen-Institut. Tübingen 2007, 19–28 und 29–92; Rudolf Aladr M¦tall, Hans Kelsen. Leben und Werk. Wien 1969. Das vorliegende Porträt orientiert sich darüber hinaus an den Homepages des Hans Kelsen-Instituts url: http://www.univie.ac.at/staatsrecht-kelsen/leben.php (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014) sowie des Austria Forums url: http://austria-forum.org/af/Wissens sammlungen/Biographien/Kelsen,_Hans (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). Zur Primär- und Sekundärliteratur zu Kelsen siehe url: http://www.hans-kelsen.org (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 287 Kelsen, Autobiographie (1947) [Anm. 286], 32. 288 M¦tall, Kelsen [Anm. 286], 4; vgl. Kelsen, Autobiographie (1947) [Anm. 286], 33. 289 Kelsen, Autobiographie (1947) [Anm. 286], 33. 290 Kelsen, Autobiographie (1947) [Anm. 286], 34. 291 Kelsen, Autobiographie (1947) [Anm. 286], 35. 292 Vgl. Hans Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre: entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze, 2. Neudruck d. 2., um eine Vorr. verm. Aufl. Aalen 1984 (Tübingen 1923). 293 Vgl. die beiden voneinander divergierenden Auflagen der Reinen Rechtslehre: Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, Studienausgabe der 1. Auflage 1934, hg. und mit einer Einleitung v. Matthias Jestaedt. Tübingen 2008; und Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, Nachdruck der Aufl. 1960. Wien 2000. 294 Vgl. Kelsen, Selbstdarstellung (1927) [Anm. 286], 21 und M¦tall, Kelsen [Anm. 286], 15. 295 Kelsen, Selbstdarstellung (1927) [Anm. 286], 22. 296 Vgl. url: http://www.univie.ac.at/staatsrecht-kelsen/kreis.php (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014); Die Wiener rechtstheoretische Schule. Ausgewählte Schriften von Hans Kelsen, Adolf J. Merkl und Alfred Verdross, 2 Bde., hg. v. Hans Klecatsky, Ren¦ Marcic, Herbert Schambeck. Wien 1968; Rudolf Aladr M¦tall (Hg.), 33 Beiträge zur Reinen Rechtslehre. Wien 1974. 297 Vgl. url: http://www.univie.ac.at/staatsrecht-kelsen/leben.php (Letzter Zugriff: 18. 11. 2014). 298 Kelsen, Selbstdarstellung (1927) [Anm. 286], 21. 299 Kelsen, Autobiographie (1947) [Anm. 286], 36. 300 Vgl. dazu Wolfgang Kersting, Neukantianische Rechtsbegründung, in: Dietmar Willoweit (Hg.): Die Begründung des Rechts als historisches Problem. München 2000, 269–314, hier 296; vgl. Fritz Sander, Hans Kelsen: Die Rolle des Neukantianismus in der Reinen Rechtslehre. Eine Debatte zwischen Sander und Kelsen, hg. v. Stanley L. Paulson. Aalen 1988. 301 Zu den folgenden Absätzen in gekürzter und leicht modifizierter Form vgl. Sophie Loidolt, Einführung in die Rechtsphänomenologie. Tübingen 2010, 133–141. 302 Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], III.
Kant und die Phänomenologie
625
303
Hans Kelsen, Was ist die Reine Rechtslehre? (1953), in: Gerd Roellecke (Hg.), Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? Darmstadt 1988, 232–253, 243. 304 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], 64. 305 Kelsen, Reine Rechtslehre (1934) [Anm. 293], 65. 306 Horst Dreier, Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen. Baden-Baden 1986, 295. Vgl. auch Detlef Horster, Rechtsphilosophie zur Einführung. Hamburg 2002, 77. 307 Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], 205. 308 Vgl. Kersting, Neukantianische Rechtsbegründung [Anm. 300], 273. 309 Vgl. Hans Kelsen, Was ist juristischer Positivismus? in: Juristenzeitung 20/15/16 (1965), 466–469, hier 468f.; vgl. Kersting, Neukantianische Rechtsbegründung [Anm. 300], 273f. 310 Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], 4. 311 Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], 3. 312 Siehe Robert Alexy, Begriff und Geltung des Rechts. Freiburg/München 2002, 155; vgl. dazu auch ebd., 154–198. 313 Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], 205. 314 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) [Anm. 293], 228ff. 315 Vgl. Fritz Schreier, Die Wiener rechtsphilosophische Schule, in: Rudolf Aladr M¦tall (Hg.), 33 Beiträge zur Reinen Rechtslehre. Wien 1974, 419–436, hier 419. 316 Schreier, Die Wiener rechtsphilosophische Schule [Anm. 315], 428. 317 Vgl. Felix Kaufmann, Kant und die Reine Rechtslehre, in: M¦tall (Hg.), 33 Beiträge zur Reinen Rechtslehre [Anm. 315], 141–152; Friedrich Stadler (Hg.), Phänomenologie und logischer Empirismus. Zentenarium Felix Kaufmann. Wien 1997; Ota Weinberger, Werner Krawietz (Hg.), Reine Rechtslehre im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker. Wien 1988; Sophie Loidolt, Einführung in die Rechtsphänomenologie. Tübingen 2010.
Kant und die Phänomenologie 1
Vgl. Robin D. Rollinger, Austrian Phenomenology. Brentano, Husserl, Meinong and Others on Mind and Object. Heusenstamm 2008, 1–22. 2 Vgl. dazu das Kapitel »Kant und die Zensur« in diesem Band. 3 Vgl. hierzu Kurt R. Fischer, Philosophie aus Wien. Wien/Salzburg 1991, 113. 4 Vgl. Franz Brentano, Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand, hg. v. Oskar Kraus, neu eingeleitet v. Franziska Mayer-Hillebrand. Hamburg 1968, 7–23. 5 Edmund Husserl, Die Idee der Phänomenologie. Fünf Vorlesungen, in: ders., Gesammelte Werke. Husserliana, Bd. 2, hg. v. Walter Biemel. Den Haag 1973, 48. 6 Siehe Martin Heidegger, Vorwort zur vierten Auflage (1973), in: ders., Gesamtausgabe, hg. v. Friedrich Wilhelm v. Herrmann, Bd. 3: Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt am Main 1991, XIV. 7 Richard Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie. Berlin 1933, 182f. Vgl. auch Hönigswald, Grundlagen der Erkenntnistheorie, hg. v. Woldietrich Schmied-Kowarzik. Hamburg 1997, 62f. 8 Brentano, Die vier Phasen der Philosophie [Anm. 4], 7.
626 9
Endnoten
Die im Folgenden allgemeinen biographische Daten stammen aus: Peter Anton von Brentano di Tremezzo, Stammreihen der Brentano mit Abriß der Familiengeschichte. Bad Reichenhall 1933; Oskar Kraus, Franz Brentano. Zur Kenntnis seines Lebens und seiner Lehre. München 1919; Anton Marty, Franz Brentano. Eine biographische Skizze, in: ders., Gesammelte Schriften, hg. v. Josef Eisenmeier, Alfred Kastil, Oskar Kraus, Bd. I/1. Halle a. S. 1916; Reinhard Kamitz, Franz Brentano: Wahrheit und Evidenz, in: Josef Speck (Hg.), Grundprobleme der großen Philosophen, Bd.: Philosophie der Neuzeit III. Schleiermacher, Bolzano, Schopenhauer, Kierkegaard, Brentano, Nietzsche. Göttingen 1983, 160–197; Mauro Antonelli, Seiendes, Bewußtsein, Intentionalität im Frühwerk von Franz Brentano. Freiburg/München 2001; William M. Johnston, Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen im Donauraum 1848 bis 1938. Wien 1974; Wilhelm Baumgartner, Franz-Peter Burkard, Franz Brentano. Eine Skizze seines Lebens und seiner Werke, in: Reinhard Fabian, Rudolf Haller, Norbert Henrichs (Hg.), International bibliography of Austrian philosophy 1982/1983. Amsterdam/Atlanta 1990, 17–53. 10 Vgl. Dale Jacquette, Introduction: Brentano’s philosophy, in: ders., (Hg.), The Cambridge Companion to Brentano. Cambridge UK 2004, 1–19, 6. 11 Vgl. Antonelli, Intentionalität im Frühwerk Brentanos [Anm. 9], 439–441. 12 Vgl. Carl Stumpf, Erinnerungen an Franz Brentano, in: Kraus, Franz Brentano [Anm. 9], 87–149, 129. 13 Vgl. Kamitz, Franz Brentano [Anm. 9], 160. 14 Vgl. Barry Smith, Austrian Philosophy. The Legacy of Franz Brentano. Chicago/La Salle (Illinois) 1994, 28. 15 Vgl. Rollinger, Austrian Phenomenology [Anm. 1], 23. 16 Vgl. Kamitz, Franz Brentano [Anm. 9], 161. Vgl. Wolfgang Huemer, Franz Brentano, in: Edward N. Zalta (Hg.), Stanford Encyclopedia of Philosophy, url: http://plato.stanford.edu/ entries/brentano/ (Letzter Zugriff: 04. 05. 2014, 01:00). 17 Edmund Husserl, Erinnerungen an Franz Brentano, in: Kraus, Franz Brentano [Anm. 9], 151–167, 167. 18 Franz Brentano, Briefe Franz Brentanos an Hugo Bergmann, in: Philosophy and Phenomenological Research 1946 (7), 141. 19 Vgl. Franz Brentano, Über die Gründe der Entmutigung auf philosophischem Gebiete (1874), in: ders., Über die Zukunft der Philosophie, hg. v. Oskar Kraus, neu eingeleitet v. Paul Weingartner. Hamburg 1986, 83–100. 20 Vgl. Kamitz, Franz Brentano [Anm. 9], 164. 21 Kraus, Franz Brentano [Anm. 9]; Marty, Franz Brentano, 21. 22 Vgl. Kraus, Franz Brentano [Anm. 9], 17. 23 Vgl. Rollinger, Austrian Phenomenology [Anm. 1], 17. 24 Vgl. Liliana Albertazzi, From Kant to Brentano, in: Liliana Albertazzi, Massimo Libardi, Roberto Poli (Hg.), The School of Franz Brentano. Dordrecht/Boston/London 1996, 423–464, 455. 25 Vgl. Kamitz, Franz Brentano [Anm. 9], 162. 26 Vgl. Antonelli, Intentionalität im Frühwerk Brentanos [Anm. 9], 25f. 27 Eberhard Tiefensee, Philosophie und Religion bei Franz Brentano (1838–1917). Tübingen/Basel 1998, 221. 28 Stumpf, Erinnerungen an Franz Brentano [Anm. 12], 148f.
Kant und die Phänomenologie 29
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Vgl. Tiefensee, Philosophie und Religion bei Franz Brentano (1838–1917) [Anm. 27], 229. 30 Vgl. Franz Brentano, Geschichte der Philosophie der Neuzeit, aus dem Nachlass, hg. v. Klaus Hedwig. Hamburg 1987, 303. 31 »Vera philosophiae methodus nulla alia nisi scientiae naturalis est.« Zitiert nach: Franz Brentano, Die Habilitationsthesen (1866), in: ders., Über die Zukunft der Philosophie [Anm. 19], 136f. Vgl. auch Franz Brentano, Über die Zukunft der Philosophie, hg. v. Oskar Kraus. Leipzig 1929, 147. 32 Tiefensee, Philosophie und Religion bei Franz Brentano (1838–1917) [Anm. 27], 229. Vgl. Franz Brentano, Über die Zukunft der Philosophie [Anm. 19], 87 und 91f. 33 Edmund Husserl, Erinnerungen an Franz Brentano, in: Kraus, Franz Brentano [Anm. 9], 151–167, 159. 34 Vgl. Brentano, Geschichte der Philosophie der Neuzeit [Anm. 30], 8f. 35 Vgl. Dale Jacquette, Introduction: Brentano’s philosophy, in: ders. (Hg.), The Cambridge Companion to Brentano. Cambridge UK 2004, 1–19, 12; Jan T. J. Srzednicki, Franz Brentano’s Analysis of Truth. The Hague 1965, 10f. 36 Antonelli, Intentionalität im Frühwerk Brentanos [Anm. 9], 238. 37 Antonelli, Intentionalität im Frühwerk Brentanos [Anm. 9], 443. 38 Vgl. Eliam Campos, Die Kantkritik Brentanos. Bonn 1979, 9f. 39 Brentano, Die vier Phasen der Philosophie [Anm. 4], 6. 40 Vgl. Brentano, Die vier Phasen der Philosophie [Anm. 4], 7–23. 41 Stumpf, Erinnerungen an Franz Brentano [Anm. 12], 89f. 42 Brentano, Die vier Phasen der Philosophie [Anm. 4], 7. 43 Brentano, Die vier Phasen der Philosophie [Anm. 4], 4. 44 Franz Brentano, Versuch über die Erkenntnis, aus dem Nachlass hg. v. Alfred Kastil, erweitert und neu eingeleitet v. Franziska Mayer-Hillebrand. Hamburg 1970, 6. 45 Josef Hasenfuß, Hermann Schell als Wegbereiter zum II. Vatikanischen Konzil. Sein Briefwechsel mit Franz Brentano. Paderborn 1978, 92. 46 Vgl. Albertazzi, From Kant to Brentano [Anm. 24]; vgl. Smith, Austrian Philosophy [Anm. 14], 44f. 47 Brentano, Versuch über die Erkenntnis [Anm. 44], 48. 48 Kraus, Franz Brentano [Anm. 9], 57. 49 Franz Brentano, Die Lehre vom richtigen Urteil, aus dem Nachlass hg. v. Franziska Mayer-Hillebrand. Bern 1956, 184. 50 Vgl. Vctor Faras, Sein und Gegenstand. Der Gegenstand des Denkens als ontologisches Problem im Werk von Franz Brentano. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. 1968, 91f. 51 Brentano, Versuch über die Erkenntnis [Anm. 44], 40. 52 Vgl. Franz Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt, Bd. 2, hg. v. Oskar Kraus mit neuen Abhandlungen aus dem Nachlass. Hamburg 1955, 205; Brentano, Versuch über die Erkenntnis [Anm. 44], 48; Franz Brentano, Vom Dasein Gottes, hg. v. Alfred Kastil. Hamburg 1968, 104f. 53 Brentano, Versuch über die Erkenntnis [Anm. 44], 26. 54 Kraus, Franz Brentano [Anm. 9] 67. 55 Brentano, Vom Dasein Gottes [Anm. 52], 105.
628 56
Endnoten
Brentano, Vom Dasein Gottes [Anm. 52], 109. Franz Brentano, Kategorienlehre, hg. v. Alfred Kastil. Hamburg 1968, 139. 58 Franz Brentano, Aristoteles und seine Weltanschauung. Damstadt 1967, 46. 59 Vgl. Campos, Die Kantkritik Brentanos [Anm. 38], 33–37 und 40–43. 60 Kraus, Franz Brentano [Anm. 9], 68f. 61 Kamitz, Franz Brentano [Anm. 9], 163. 62 Vgl. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt [Anm. 52], Bd. 2, 53f. 63 Vgl. Brentano, Versuch über die Erkenntnis [Anm. 44], 7–45; Brentano, Vom Dasein Gottes [Anm. 52], 78–101. 64 Brentano, Vom Dasein Gottes [Anm. 52], 110. 65 Franz Brentano, Nieder mit den Vorurteilen, ein Mahnruf im Geiste von Bacon und Descartes, sich von allen blinden a-priori loszusagen (1903), in: Brentano, Versuch über die Erkenntnis [Anm. 44], 11f. 66 Brentano, Vom Dasein Gottes [Anm. 52], 35. 67 Vgl. Campos, Die Kantkritik Brentanos [Anm. 38], 56–59. 68 Vgl. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt [Anm. 52], Bd. 2, 43f. 69 Massimo Libardi, Franz Brentano (1838–1917), in: Albertazzi, Libardi, Poli (Hg.), The School of Franz Brentano, 25–79, 47f. 70 Vgl. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt [Anm. 52], Bd. 2, 11. 71 Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt [Anm. 52], Bd. 2, 40/41. 72 Vgl. Andrea Borsato, Innere Wahrnehmung und innere Vergegenwärtigung. Würzburg 2009, 23ff. 73 Tiefensee, Philosophie und Religion bei Franz Brentano (1838–1917 [Anm. 27], 169. 74 Vgl. Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt [Anm. 52], Bd. 2, 138ff. 75 Vgl. Brentano, Vom Dasein Gottes [Anm. 52], 420; Brentano, Kategorienlehre [Anm. 57], 123. 76 Vgl. Tiefensee, Philosophie und Religion bei Franz Brentano (1838–1917) [Anm. 27], 224. 77 Franz Brentano, Nachlass, geordnet und katalogisiert von Franziska Mayer-Hillebrand. Cambridge 1951, Manuskript Metapysik, Blatt 31945. 78 Kant, Prol, AA IV, 315. 79 Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkt [Anm. 52], Bd. 2, 114. 80 Franz Brentano, Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand (1895), in: ders., Die vier Phasen der Philosophie, hg. v. Oskar Kraus. Leipzig 1926, 9, 19f. Vgl. ders., Ueber die Zukunft der Philosophie. Wien 1893, 6. 81 Franz Brentano, Die vier Phasen der Philosophie [Anm. 4], 23. 82 Franz Brentano, Meine letzten Wünsche für Oesterreich. Stuttgart 1895, 32f. 83 Gerhard Benetka, Geschichte der Fakultät für Psychologie, url: http://psychologie.uni vie.ac.at/fileadmin/user_upload/fak_psychologie/files/Geschichte_der_Fakult%C3%A4t _f%C3%BCr_Psychologie.pdf (Letzter Zugriff: 10. 3. 2015). 84 Werner Sauer, Österreichische Philosophie zwischen Aufklärung und Restauration. Beiträge zur Geschichte des Frühkantianismus in der Donaumonarchie. Amsterdam 1982. 85 Wolfgang Künne, Zur Geschichte der philosophischen Bolzano-Rezeption bis 1939, in: Helmut Rumpler (Hg.), Bolzano und die Politik. Staat, Nation und Religion als Herausforderung für die Philosophie im Kontext von Spätaufklärung, Frührationalismus und Restauration. Wien 2000, 311–352; 313. Vgl. ders., ›Die Ernte wird erscheinen …‹. Die
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Kant und die Phänomenologie
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Geschichte der Bolzano-Rezeption (1849–1939), in: Heinrich Ganthaler, Otto Neumaier (Hg.), Bolzano und die österreichische Geistesgeschichte. St. Augustin 1997, 9–82. 86 Franz Prihonsky, Neuer Anti-Kant oder Prüfung der Kritik der reinen Vernunft nach den in Bolzano’s Wissenschaftslehre niedergelegten Begriffen. Bautzen 1850, 49f. 87 Franz Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkte. Leipzig 1874, 115. 88 Brentano, Psychologie [Anm. 87], 115. 89 Brentano, Psychologie [Anm. 87], 167. 90 Kazimierz Twardowski, Idee und Perception. Eine erkenntnis-theoretische Untersuchung aus Descartes. Wien 1892. 91 Kazimierz Twardowski, Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen. Eine psychologische Untersuchung. Wien 1894, 17. 92 Bernard Bolzano, Wissenschaftslehre. Versuch einer ausführlichen und größtentheils neuen Darstellung der Logik, 4 Bde., Bd. 1. Sulzbach 1837, § 67, 304. 93 Twardowski, Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen [Anm. 91], 24. 94 Alexius Meinong, Zum Terminus »Objektiv«, in: ders., Gesamtausgabe, hg. v. Rudolf Haller, Rudolf Kindinger, 7 Bde., Bd. 4 »Über Annahmen«. Graz 1977, 99, § 14. Vgl. ders., Über Gegenstandstheorie, Bd. 2: Abhandlungen zur Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie. Graz 1971, 502. 95 Alexius Meinong, Abhandlung IV. Über Gegenstände höherer Ordnung und deren Verhältnis zur inneren Wahrnehmung, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 94], Bd. 2, 381. Vgl. 483. 96 Alexius Meinong, Selbstdarstellung, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 94], Bd. 7: Selbstdarstellung. Vermischte Schriften. Graz 1978, 14. 97 Meinong, Selbstdarstellung [Anm. 96], 15; ders., Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie [Anm. 94], 486, 514–524. 98 Meinong, Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie [Anm. 94], 486. 99 Meinong, Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie [Anm. 94], 485–488. 100 Meinong, Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie [Anm. 94], 487. Vgl. Meinong, Das Objektiv, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 94], Bd. 4, 42–105. 101 Meinong, Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie [Anm. 94], 489. 102 Ernst Mally, Untersuchungen zur Gegenstandstheorie des Messens. o. O. u. J., 126f. 103 Meinong, Erkenntnistheorie und Gegenstandstheorie [Anm. 94], 489. 104 Meinong, Selbstdarstellung [Anm. 96], 19. 105 Meinong, Selbstdarstellung [Anm. 96], 22. 106 Ernst Mally wurde 1879 in Krainburg geboren. Er übernahm nach Meinongs Tod die Leitung des psychologischen Laboratoriums und wurde 1925 mit der Bestellung zum o. Prof. definitiv dessen Nachfolger. Mally lehrte bis 1942 in Graz und starb 1944. 107 Ernst Mally, Logische Schriften, hg. v. Karl Wolf, Paul Weingartner. Dordrecht 1971, 54–62. 108 Bertrand Russell, On Denoting, in: Mind 14 (1905), 479–493. 109 Vgl. Rudolf Haller (Hg.), Jenseits von Sein und Nichtsein. Beiträge zur Meinong-Forschung. Graz 1972; Kenneth J. Perszyk, Nonexistent objects. Meinong and Contemporary Philosophy. Dordrecht 1993; Dale Jacquette, Meinongian Logic. The Semantics of Existence and Nonexistence. Berlin 1996; Jocelyn Benoist, Repr¦sentations sans objet. Aux origines de la ph¦nom¦nologie et de la philosophie analytique. Paris 2001; The School of Alexius Meinong, hg. v. Liliana Albertazzi, Dale Jacquette, Roberto Poli. Aldershot 2005; Arkadiusz
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Endnoten
Chrudzimski, Gegenstandstheorie und Theorie der Intentionalität bei Alexius Meinong. Dordrecht 2007. 110 Alle biographischen Angaben sind folgenden Werken entnommen: Hans Rainer Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung, Zeugnisse in Text und Bild. Freiburg/München 1988; Thomas Rentsch, Edmund Husserl, in: Bernd Lutz (Hg.), Metzler Philosophen-Lexikon: Von den Vorsokratikern bis zu den Neuen Philosophen. Stuttgart 1995, 412–419; Iso Kern, Husserl und Kant. Den Haag 1964 und Peter Prechtl, Edmund Husserl – Zur Einführung. Hamburg 1998. 111 Rentsch, Edmund Husserl [Anm. 110], 412. 112 Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung [Anm. 110], 271. 113 Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung [Anm. 110], 271. 114 Vgl. Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung [Anm. 110], 345. 115 Vgl. Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung [Anm. 110], 101. 116 Vgl. Rentsch, Edmund Husserl [Anm. 110]. 117 Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], 46–50. 118 Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], »Vorwort«. 119 Vgl. Nathan Rotenstreich, Synthesis and Intentional Objectivity. Dordrecht 1998. Vgl. generell Tom Rockmore, Kant and Phenomenology. Chicago 2011. 120 Übersetzung v. Verf.; Robert Sokolowski, Husserl und Kant, in: Philosophy and Phenomenological Research 26/1 (1965), 132–134. 121 Vgl. Rollinger, Austrian Phenomenology [Anm. 1], 1–22. 122 Übersetzung v. Verf.; Sokolowksi, Husserl und Kant [Anm. 120], 132. 123 Husserl, Die Idee der Phänomenologie [Anm. 5], 48. Vgl. Dermot Moran und Joseph Cohen, The Husserl dictionary. London/New York 2012, »Kant, Immanuel (1724–1804)«, 178–179, 178. 124 Edmund Husserl, Ideen zur einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Zweites Buch: Phänomenologische Untersuchungen zur Konstitution, in: ders., Gesammelte Werke. Husserliana, Bd. 4, hg. v. Marly Biemel. Den Haag 1952, Beilage XIII (1936), 438. 125 Husserl, Die Idee der Phänomenologie [Anm. 5], 48. 126 Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], »Vorwort«. 127 ˇ apek, Gespräche mit Masaryk. München 2001, 107. Karel C 128 Vgl. Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung [Anm. 110], 132. 129 Vgl. Robin D. Rollinger, Husserl’s Position in the School of Brentano. Utrecht 1996. 130 Stephan Körner, On Brentano’s Objections to Kant’s Theory of Knowledge, in: Topoi 6 (1987), 11–17. 131 Wei Zhang, Schelers Kritik an der phänomenologischen Auffassung des gegenständlichen Apriori bei Husserl, in: Prolegomena 10/2 (2011), 265–280, 266, url: http://hrcak.srce. hr/file/110496 (Letzter Zugriff: 22. 9. 2014). 132 Jocelyn Benoist, Husserl and Bolzano, in: Anna-Teresa Tymieniecka (Hg.), Phenomenology World-Wide. Dordrecht 2003, 98–100. 133 Vgl. Karl Schuhmann, Intentionalität und intentionaler Gegenstand beim frühen Husserl, in: ders., Selected Papers on Phenomenology, hg. v. Cees Leijenhorst, Piet Steenbakkers. Dordrecht 2004, 119–136, 120. 134 Zhang, Schelers Kritik an der phänomenologischen Auffassung [Anm. 131], 267.
Kant und die Phänomenologie 135
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Edmund Husserl, Aufsätze und Rezensionen (1890–1910), in: ders., Gesammelte Werke. Husserliana, Bd. 22, hg. v. Bernhard Rang. Den Haag 1979, 156. 136 Edmund Husserl, Erste Philosophie (1923/4). Erster Teil: Kritische Ideengeschichte, in: ders., Gesammelte Werke. Husserliana, Bd. 7, hg. v. Rudolf Boehm. Den Haag 1956, Beilage XX (1908), 387. 137 Husserl, Erste Philosophie (1923/4) [Anm. 136], 281. 138 Zhang, Schelers Kritik an der phänomenologischen Auffassung [Anm. 131], 266. 139 Edmund Husserl, Philosophie der Arithmetik, mit ergänzenden Texten (1890–1901), in: ders., Gesammelte Werke. Husserliana, Bd. 12, hg. v. Lothar Eley. Den Haag 1970, 311. 140 Vgl. Moritz Schlick, Gibt es ein Materiales Apriori? (1930), in: ders., Gesammelte Aufsätze (1926–1936). Wien 1969, 20–30. 141 Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], 324. 142 Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], 321. 143 Vgl. Zhang, Schelers Kritik an der phänomenologischen Auffassung [Anm. 131], 273. 144 William Johnston, Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Wien 2006, 303. 145 Edmund Husserl am 1. 2. 1922 an Paul Natorp, in: ders., Gesammelte Werke. Husserliana: Edmund Husserl Dokumente, Bd. 3/5, hg. v. Karl Schuhmann. Den Haag 1994, 147f. 146 Rentsch, Edmund Husserl [Anm. 110], 412. 147 Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung [Anm. 110], »Tagebucheintrag vom 4. November 1907«, 225. 148 Vgl. das Vorlesungs- und Seminarverzeichnis im Anhang I von Kern, Husserl und Kant [Anm. 110]. 149 Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], 326. 150 Vgl. dazu: Kern, Husserl und Kant [Anm. 110], 2. Teil, Kap. 1–7. 151 Husserl, Erste Philosophie (1923/4) [Anm. 136], 281. 152 Christian Bermes, Philosophie der Bedeutung – Bedeutung als Bestimmung und Bestimmbarkeit: eine Studie zu Frege, Husserl, Cassirer und Hönigswald. Würzburg 1997, 176. 153 Edmund Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Hamburg 1982, 77. 154 Zur Biographie Heideggers vgl. Helmuth Vetter, Grundriss Heidegger. Hamburg 2014, 385–402; Rüdiger Safranski, Ein Meister aus Deutschland. Frankfurt am Main 2001; Dieter Thomä, Reinhard Mehring, Leben und Werk Martin Heideggers im Kontext, in: Dieter Thomä (Hg.), Heidegger-Handbuch. Stuttgart 2013, 541–568. 155 Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 10: Der Satz vom Grund. Frankfurt am Main 1997. 156 Martin Heidegger, Das Wort, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 12: Unterwegs zur Sprache. Frankfurt am Main 1985, 205–225. 157 Für eine überblickshafte Gegenüberstellung der verschiedenen Positionen, die sich im Verlaufe der bereits seit den vierziger Jahren bestehenden Kontroverse herauskristallisiert haben, siehe Dieter Thomä, Heidegger und der Nationalsozialismus, in: ders. (Hg.), Heidegger-Handbuch. Stuttgart 2013, 108–132. 158 Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 94: Überlegungen II–VI (Schwarze Hefte 1931–1938). Frankfurt am Main 2014; Bd. 95: Überlegungen VII–XI (Schwarze Hefte 1938/39). Frankfurt am Main 2014; Bd. 96: Überlegungen XII–XV (Schwarze Hefte 1939–1941). Frankfurt am Main 2014.
632 159
Endnoten
Bereits vor der Veröffentlichung der Schwarzen Hefte im Frühjahr 2014 wurde die Debatte erneut entfacht, nachdem ihr Herausgeber Peter Trawny 2013 das Erscheinen der bislang unbekannten Denktagebücher angekündigt hatte. Seither findet die Diskussion eine hohe mediale Resonanz. Günther Figal sah sich im Januar 2015 vor dem Hintergrund der Veröffentlichung des Bandes gar dazu genötigt, als Vorsitzender der Heidegger-Gesellschaft zurückzutreten. Siehe hierzu die Pressemitteilung des SWR2 vom 16. 01. 2015. 160 Für einen Überblick über die umfassende und facettenreiche Rezeption Heideggers siehe den Sammelband von Dieter Thomä, Heidegger-Handbuch. Stuttgart 2013. 161 Eine Auseinandersetzung mit der ersten Kritik findet sich in den Vorlesungen der zwanziger Jahre (Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 20: Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs; Bd. 24: Die Grundprobleme der Phänomenologie; Bd. 25: Phänomenologische Interpretation von Kants Kritik der reinen Vernunft; Bd. 27: Einleitung in die Philosophie; in Sein und Zeit (Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 2), in Kant und das Problem der Metaphysik (Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 3), in Vorlesungen und Seminaren aus den dreißiger Jahren (Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 41: Die Frage nach dem Ding; Bd. 84.1: Seminare: Kant – Leibniz – Schiller), aber auch noch in den sechziger Jahren (Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 9: Wegmarken). 162 Vgl. Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 6.1: Nietzsche. Frankfurt am Main 1996. 163 Vgl. vor allem Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 31: Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die Philosophie. Frankfurt am Main 1982. 164 Vgl. Martin Heidegger, Vorwort zur ersten Ausgabe der »Frühen Schriften«, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 1: Frühe Schriften. Frankfurt am Main 1978, 56. 165 Vgl. Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 56/57: Zur Bestimmung der Philosophie. Frankfurt am Main 1987. 166 Siehe Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 2: Sein und Zeit. Frankfurt am Main 1977, 32. 167 Siehe Heidegger, Vorwort zur vierten Auflage [Anm. 6], XIV. 168 Siehe Heidegger, Vorwort zur vierten Auflage [Anm. 6], XIV. 169 Siehe Heidegger, Vorwort zur vierten Auflage [Anm. 6], XIV. 170 Siehe Otto Friedrich Bollnow, Über Heideggers Verhältnis zu Kant, in: Neue Jahrbücher (1933), 225–226. 171 Kant, KrV, A805/B833. 172 Vgl. Kant, Log, AA IX, 25. 173 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 217. 174 Siehe Dieter Sturma, »Kant und das Problem der Metaphysik«. Die Endlichkeit menschlicher Erkenntnis, in: Dieter Thomä, Heidegger-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart 2003, 103–110, 108. 175 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 127. 176 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 22. 177 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 91. 178 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 91. 179 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 160. 180 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 168. 181 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 138.
Kant und die Phänomenologie 182
633
Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 116. Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 176. 184 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 196. 185 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 9. 186 Siehe Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik [Anm. 6], 218. 187 Vgl. Heidegger, Vorwort zur zweiten Auflage [Anm. 6], XVII. 188 Eine Ausnahme stellen zum Beispiel dar : Steven Crowell, Jeff Malpas (Hg.), Transcendental Heidegger. Stanford 2007; Christian Steffen, Heidegger als Transzendentalphilosoph. Heidelberg 2005; Tom Rockmore (Hg.), Heidegger, German Idealism and NeoKantianism. New York 2000; Frank Schalow, The Renewal of the Heidegger-Kant Dialogue. Action, Thought, and Responsibility. Albany 1992. 189 Siehe Sturma, »Kant und das Problem der Metaphysik« [Anm. 174], 109. 190 Heidegger selbst verweist auf Hansgeorg Hoppe, Wandlungen in der Kant-Auffassungen Heideggers, in: Vittorio Klostermann (Hg.), Durchblicke. Frankfurt am Main 1970, 284–317; vgl. Heidegger, Vorwort zur vierten Auflage [Anm. 6], XIV. 191 Vgl. Sturma, »Kant und das Problem der Metaphysik« [Anm. 174], 109f. 192 Siehe Heidegger, Anhang. Aufzeichnungen zum Kantbuch, in: ders., Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 3: Kant und das Problem der Metaphysik. Frankfurt am Main 1991, 251. 193 Vgl. Martin Heidegger, Gesamtausgabe [Anm. 6], Bd. 20: Prolegomena zur Geschichte des Zeitbegriffs. Frankfurt am Main 1979. 194 Siehe Emerich Coreth, Heidegger und Kant, in: Johannes B. Lotz S. J. (Hg.), Kant und die Scholastik heute. München 1955, 207. 195 Siehe Coreth, Heidegger und Kant [Anm. 194], 225. 196 Siehe Coreth, Heidegger und Kant [Anm. 194], 225. 197 Für die biographischen Angaben zur Person Richard Hönigswald vgl. Gerd Wolandt, Hönigswald, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), 345–346 [Onlinefassung], url: http:// www.deutsche-biographie.de/sfz32869.html (Letzter Zugriff: 6.5.2014); ferner Roswitha Grassl, Der junge Richard Hönigswald. Eine biographisch fundierte Kontextualisierung in historischer Absicht. Würzburg 1998; vgl. Roswith Grassl/Peter Ichart-Willmes, Denken in seiner Zeit. Ein Personalglossar zum Umfeld Richard Hönigswalds. Würzburg 1997; vgl. Utz Maas, Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945, Bd. 2. Tübingen 2010, »Richard Hönigswald« und Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, Richard Hönigswalds transzendentalanalytische Philosophie in Abgrenzung von Cassirer, Heidegger Hegel, in: Michael Benedikt, Reinhold Knoll, Cornelius Zehetner (Hg.), Verdrängter Humanismus – verzögerte Aufklärung, Bd. 5. Wien 2005, 325–343, 332. 198 Vgl. Roswitha Grassl und Peter Richart-Willmes, Denken in seiner Zeit. Ein Personenglosar zum Umfeld Richard Hönigswalds. Würzburg 1997, »Meinong, Alexius«, 86–87 und »Riehl, Alois«, 105–106; vgl. Kurt Walter Zeidler, Richard Hönigswald: Prinzip und Tatsache, in: Sabine S. Gelhaar (Hg.), Zur Präsenz der Philosophie. Kleine Studien zu N. Hartmann. E. Husserl und R. Hönigswald. Dartford 2004 (= Transzendentalphilosophie heute, Bd. 14), 129–156, 130ff. 199 Vgl. Rollinger, Austrian Phenomenology [Anm. 1], 1–22. 200 Vgl. Zeidler, Richard Hönigswald [Anm. 198], 137ff. 201 Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie [Anm. 7], 158f. Vgl. Kurt Walter Zeidler, Hönigswalds Kritik der Husserlschen Phänomenologie, in: Ernst Wolfgang Orth, Darius
183
634
Endnoten
Aleksandrowicz (Hg.), Studien zur Philosophie Richard Hönigswalds. Würzburg 1996, 147–162, 148). 202 Vgl. Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie [Anm. 7], 181f. Vgl. Peter RichartWillmes, Denken in seiner Zeit. Ein Personenglosar zum Umfeld Richard Hönigswalds. Würzburg 1997, »Husserl, Edmund«, 57–58). 203 Vgl. Hönigswald, Grundlagen der Erkenntnistheorie [Anm. 7], 232. 204 Vgl. Gerd Wolandt, Richard Hönigswald: Philosophie als Theorie der Bestimmtheit, in: Josef Speck (Hg.), Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart II. Göttingen 1973, 43–101, »Hönigswald und der Neukantianismus«, bes. 56f. 205 Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie [Anm. 7], 182f. Vgl. auch Hönigswald, Grundlagen der Erkenntnistheorie [Anm. 7], 62f. 206 Richard Hönigswald, Die Philosophie der Renaissance bis Kant. Berlin/Leipzig 1923, 276f. 207 Vgl. Sturma, »Kant und das Problem der Metaphysik« [Anm. 174]. 208 Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie [Anm. 7], 182f. 209 Martin Heidegger am 25. 6. 1933 an Einhauser, in: ders., Gesamtausgabe, hg. v. Hermann Heidegger, Bd. 16. Frankfurt am Main 2000, 132f. 210 Vgl. Schmied-Kowarzik, Richard Hönigswalds transzendentalanalytische Philosophie [Anm. 197], 332.
Zitierweise und Siglenverzeichnis
Die Texte der im Band behandelten Autoren und Autorinnen werden, wo möglich, nach standardisierten Akademie-Ausgaben oder den jeweils gängigsten Ausgaben zitiert. Alle Belege werden in Endnoten angeführt. Mit Ausnahme der Schriften Kants wird Quellenliteratur bei der ersten Nennung mit ausführlichen bibliographischen Angaben und in der Folge mit Kurztiteln zitiert. Hervorhebungen im Original werden kursiv wiedergegeben, Ergänzungen und Anmerkungen stehen in eckigen Klammern, gefolgt von den Initialen des Verfassers oder der Verfasserin. Sofern nicht anders angegeben, stammen Übersetzungen von den Autorinnen und Autoren. Die Schriften Kants werden grundsätzlich nach der Paginierung und dem Textbestand der Gesammelten Schriften sowie unter Verwendung des beiliegenden Siglen-Verzeichnisses zitiert. Die Kritik der reinen Vernunft wird nach der Paginierung der ersten Auflage von 1781 (A) und der zweiten Auflage von 1787 (B) zitiert. Die Kritik der reinen Vernunft, die Kritik der Urteilskraft, die Kritik der praktischen Vernunft und die Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik werden, so weit als möglich, nach dem Textbestand der jeweils neuesten Ausgaben im Verlag Felix Meiner zitiert. Zitationsschema: Kant, Sigle oder Titel [der Schrift], Sigle [der Ausgabe] Bd.Nr., Seite[n]. Beispiele: Kant, Anth, AA VIII, 182. Kant, KU, AA V, 174–176. Kant, KrV, B 23. »Kant, Anth, AAVIII, 182« verweist beispielsweise auf die Seite 182 in Kants Anthropologie in pragmatischer Hinsicht im siebten Band seiner Gesammelte Schriften; »Kant, KrV, B 23« auf die Seite 23 von Kants Kritik der reinen Vernunft in der zweiten Auflage von 1787 (B) und nach Möglichkeit auf den Textbestand der Ausgabe, die 1998 von Jens Timmermann bei Felix Meiner herausgegeben wurde.
636
Zitierweise und Siglenverzeichnis
Siglen zu Immanuel Kants Schriften Gesammelte Schriften, Bde. 1–22 hg. v. der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 23 hg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, ab Bd. 24 hg. v. der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Berlin 1900ff. Anth: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (AA VII). EEKU: Erste Einleitung in die Kritik der Urteilskraft (AA XX) GMS: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (AA IV). GSK: Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (AA I) IaG: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (AA VIII) KpV: Kritik der praktischen Vernunft (AA V), mit einer Einleitung, Sachanmerkungen und einer Bibliographie von Heiner F. Klemme hg. v. Horst D. Brandt und Heiner Klemme. Hamburg 2003. KrV: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Originalausgabe hg. v. Jens Timmermann, mit einer Bibliographie von Heiner Klemme. Hamburg 1998. KU: Kritik der Urteilskraft (AA V), mit einer Einleitung und Bibliographie hg. v. Heiner F. Klemme, mit Sachanmerkungen von Piero Giordanetti. Hamburg 2001. Log: Logik (AA IX) MAN: Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (AA IV) MS: Die Metaphysik der Sitten (AA VI). MSTL: Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre (AA VI). NTH: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels (AA I) OP: Opus Postumum (AA XXI und XXII). Prol: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (AA IV), eingeleitet und mit Anmerkungen hg. v. Konstantin Pollock. Hamburg 2001. RL: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (AA VI) RGV: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (AA VI). SF: Der Streit der Fakultäten (AA VII) TG: Träume eines Geistersehers, erläutert durch die Träume der Metaphysik (AA II) TP: Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (AA VIII) VAZeF: Vorarbeiten zu Zum ewigen Frieden (AA XXIII) WA: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (AA VIII) ZeF: Zum ewigen Frieden (AA VIII)
AA:
Abbildungsverzeichnis
Vorwort Abb. 1: Stadtplan von Wien, 1798, Quelle: Wien Museum, Signatur: HMW 169791. Abb. 2: Kant-Kartusche, Hauptgebäude der Universität Wien, Foto: Georg Soulek. Abb. 3: Karl Goetz, Immanuel Kant, Silbermedaille zum 200. Geburtstag mit Segelschiff auf wolkenumkränztem Erdball, 98 mm, 309,94 g, 1924, Quelle: Münzenhandlung Harald Möller GmbH.
Kant und die Zensur Abb. 1:
Abb. 2:
Abb. 3: Abb. 4:
Abb. 5: Abb. 6:
Max Pollak, Blick über den Universitätsplatz gegen die Akademie der Wissenschaften und die Universitätskirche, Farbige Radierung (Mischtechnik), um 1910, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pk 3003, 473. Aula der alten Universität Wien, heute Akademie der Wissenschaften, in: Franz Grillparzer, Tagebücher und Reiseberichte. Mit zeitgenössischen Illustrationen, hg. v. Klaus Geißler. Wien 1980, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Universität Wien, 2015, Foto: Aurelia Littig. Dekret, das die ›Kritik der reinen Vernunft‹ verurteilt und verbietet, 1827, Quelle: Christian Göbel, Kants Gift. Wie die ›Kritik der reinen Vernunft‹ auf den ›Index Librorum Prohibitorum‹ kam, in: Norbert Fischer (Hg.), Kant und der Katholizismus. Stationen einer wechselhaften Geschichte. Freiburg i. Br./Wien 2005. Franz Anton Zauner, Joseph II., Josefsplatz, Wien, 1807, Foto: Aurelia Littig. Kaspar Clemens Eduard Zumbusch, Franz Joseph I., Juristenstiege,
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Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9:
Abb. 10:
Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13:
Abb. 14:
Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18:
Abb. 19: Abb. 20:
Abbildungsverzeichnis
Universität Wien, 1886, Foto: Ing. Alexander Arnberger, Raum- und Ressourcenmanagement, Universität Wien. Pompeo Marchesi, Kaiser Franz II./ I., Innerer Burghof, Wien, 1846, Foto: Alexander Wilfing. Lazarus Bendavid, Vorlesungen über die Critik der reinen Vernunft [Titelblatt]. Wien 1795, Quelle: Google Books. Peter Miotti, Über die Falschheit und Gottlosigkeit des Kantischen Systems nebst einer Antwort auf A. Kreil‹s Bemerkungen über die jüngste Schrift des Herrn Miotti [Titelblatt]. Wien 1801. Carl Kundmann, Franz Exner, Leopold Graf von Thun und Hohenstein, Hermann Bonitz, Arkadenhof, Universität Wien, 1893, Foto: Ren¦ Steyer und Armin Plankensteiner, Quelle/Copyright: Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien. Konrad Geyer, Johann Friedrich Herbart, in: Die großen Deutschen im Bilde. O.O. 1936, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Alois Flir, Die Neugestaltung der österreichischen Universitäten [Titelblatt]. Wien 1853, Quelle: ÖNB Wien, Signatur 207018-C. August Steininger, Robert Zimmermann, Lithographie, vor 1898, Quelle: Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Signatur No. P-2273-B. Moses Samuel Lowe, Lazarus Bendavid, in: Bildnisse jetztlebender Berliner Gelehrten mit Ihren Selbstbiographien. Berlin/Leipzig 1806, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Stephan Tichy, Philosophische Bemerkungen über das Studienwesen in Ungarn [Titelblatt]. Pest/Ofen/Kaschau 1792. Rosenstingl/Schmitner, Stift Melk, 1736/1750, Quelle: Archiv Stift Melk. Matern Reuß, Soll man auf katholischen Universitäten Kants Philosophie erklären? [Titelblatt]. Wirzburg 1789, Quelle: Google Books. Benediktiner Universität in Salzburg, in: Prospectus Elegantiores Splendidissimae Archiepiscopalis Urbis Salisburgensis praecipuarumque in ea Illustrium, ac maxime mirabilium, tam Sacrarum quam profanarum Aedium, um 1912, Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, Kartensammlung, Größe: 56 x 48 cm, url: http:// gauss.suub.uni-bremen.de/suub/hist/index.jsp ?id=V.2.a.235–162 (Letzter Zugriff: 16. 7. 2015). Vinzenz Eduard Milde, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00012324_01. Emanuel Pendl, Franz von Zeiller, Arkadenhof, Universität Wien, 1891, Foto: Ren¦ Steyer und Armin Plankensteiner, Quelle/Copyright: Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien.
Abbildungsverzeichnis
639
Abb. 21: Franz Egger, Das natürliche öffentliche Recht, nach den Lehrsätzen des seligen Freyherrn C. A. von Martini vom Staatsrechte, mit beständiger Rücksicht auf das natürliche Privat-Recht des k.k. Hofrathes Franz Edlen von Zeiller [Titelblatt]. Wien/Triest 1809. Abb. 22: Franz von Zeiller, Das natürliche Privat-Recht [Titelblatt]. Wien 21808. Abb. 23: Ernst Gottmann, Ernst Topitsch, 1968, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pf 42.910:C (1). Abb. 24: ReferentInnen der ÖAW-Tagung ›Recht – Geschichte – Religion‹, 2004, Foto: Österreichische Akademie der Wissenschaften/Robert Herbst. Abb. 25: Rudolf Langthaler, Herta Nagl-Docekal (Hg.), Glauben und Wissen. Ein Symposium mit Jürgen Habermas [Buchumschlag]. Wien 2007.
Kant und Karl Leonhard Reinhold Abb. 1:
Abb. 2:
Abb. 3:
Abb. 4:
Abb. 5:
Peter Copmann, Karl Leonhard Reinhold, Pastellgemälde auf Karton, ca. 44 x 54 cm, um 1821, in: Karl Leonhard Reinhold. Korrespondenzausgabe der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 1. Korrespondenz 1773–1788. Stuttgart-Bad Cannstatt/Wien 1983. Personaleintrag in den Klosterakten mit Vermerk zu Konversion und Tod Reinholds, Foto: Philipp Schaller, Quelle: Barnabiten-Archiv der Wiener Pfarre Sankt Michael, Acta R.R. P.P. Provincialu [m] Germaniae ab an. MDCCXLIX. usque ad; Catalogus Omnium Personarum Congregationis Clericorum Regularium S. Pauli Apostoli Provinciae Germaniae additis earum officijs, dignitatibus, meritis, annis publicae Professionis, Primitiarum, aetatis, mortis, aliarumque notabilium rerum Circumstantijs. Wir danken der Pfarre Sankt Michael und ihren Mitarbeitern Constanze Gröger, Mag. Doris Fries und Robert Passini. Michaelerplatz, Wien, Aufnahme aus der Einmündung der Schauflergasse gegen die Michaelerkirche, um 1900, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer 119.010 – C. Wiener Freimaurerloge, 1785, Öl auf Leinwand, Höhe: 74 cm, Breite: 94 cm, Rahmenmaß: 96,5 x 119,5 x 8,5 cm, Quelle: Wien Museum, HMW 47927. Notiz zu Reinholds Flucht aus Sta. Margharita in den Klosterakten, Foto: Philipp Schaller, Quelle: Barnabiten-Archiv der Wiener Pfarre Sankt Michael, Acta R.R. P.P. Provincialu [m] Germaniae ab an. MDCCXLIX. usque ad; Catalogus Omnium Personarum Congregationis Clericorum Regularium S. Pauli Apostoli Provinciae Germaniae additis earum officijs, dignitatibus, meritis, annis publicae Professionis, Primitiarum, aetatis, mortis, aliarumque notabilium rerum
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Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8:
Abb. 9: Abb. 10:
Abb. 11:
Abb. 12:
Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19:
Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22:
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Circumstantijs. Wir danken der Pfarre Sankt Michael und ihren Mitarbeitern Constanze Gröger, Mag. Doris Fries und Robert Passini. Der Teutsche Merkur 4 [Titelblatt]. Weimar 1786, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Karl Leonhard Reinhold, Briefe über die Kantische Philosophie [Titelblatt]. Leipzig 1790. Edmund Adolf Schmidt, Das Johannisthor im Jahre 1898, mit Karl Leonhard Reinholds erstem Jenaer Auditorium rechts vom Johannistor, Zeichnung, 1898, Quelle: Stadtmuseum Jena. Immanuel Kant, Critik der Urteilskraft [Titelblatt]. Frankfurt/Leipzig 2 1792, Quelle: Stiftsbibliothek Melk. Brief, Karl Leonhard Reinhold am 9. April 1789 an Immanuel Kant, Quelle: Universitätsbibliothek Tartu, Signatur F 3, Mrg CCXCI, Bd. 1, Nr. 145, 635–638. Brief, Karl Leonhard Reinhold am 12. Oktober 1787 an Immanuel Kant, Quelle: Universitätsbibliothek Tartu, Signatur F 3, Mrg CCXCI, Bd.1, Nr. 305, 621–624. Philippus Velijn, Jens Immanuel Baggesen, Punktierstich nach einer Zeichnung von Cornelia Scheffer, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00092383_01. Eduard Eichens, Novalis (Friedrich Freiherr von Hardenberg), Kupferstich, 1845, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pg 302: I(1). Johann Benjamin Erhard, Über das Recht des Volkes zu einer Revolution [Titelblatt]. Jena/Leipzig 1795, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Franz Hanfstaengl, Friedrich Immanuel Niethammer, Druckgrafik, 1832, Quelle: Stadtmuseum München, Signatur G M IV/917. August Prinzhofer, Paul Freiherr von Herbert, 1859, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00021240_01. Die Herbertsche Bleiweißfabrik in Wolfsberg, um 1900, Quelle: Landesmuseum für Kärnten, Inventarnummer LG-Foto-504. Brief, Johann Benjamin Erhard am 13. September 1791 an Franz Paul von Herbert, Quelle: ÖNB Wien, Signatur Autogr. 130/1-7 Han. Alois von Saar, Kaernthen. Der Wörther-See bey Klagenfurth, Lithographie nach einer Zeichnung von Bonaventura de Ben, um 1830, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer +Z110395806. P. Merker, Karl Leonhard Reinhold, Medaille, Braunschweig, 1794, Quelle: Bildarchiv Stadtmuseum Saalfeld. Karl Leonhard Reinhold, Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens [Titelblatt]. Prag/Jena 1789. Johann Friedrich Jugel, Johann Gottlieb Fichte, Lithographie nach
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641
einem Gemälde von Heinrich Anton Dähling von 1808, 1814, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00134795_01. Abb. 23: Brief, Karl Leonhard Reinhold am 5. Juli 1793 an Franz Paul von Herbert über Baggesens Besuch in Jena, Quelle: ÖNB Wien, Signatur Autogr. 130/1–3 Han.
Kant und Osteuropa Abb. 1:
Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4:
Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13:
Abb. 14:
Abb. 15:
Karte von Österreich-Ungarn, Zusammensetz-Spiel für die Jugend, Quelle: Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.h./Sascha Rieger. Smuel Köteles, Quelle: Vasrnapi Ujsg [Sonntagszeitung] 24, 1911, Quelle: gemeinfrei. Jûzsef Rozgonyi, Dubia de Initiis transcendentalis idealismi Kantiani, ad viros clarissimos Jacob et Reinhold [Titelblatt]. Pestini 1792. Jûzsef Rozgonyi, Dubia de Initiis transcendentalis idealismi Kantiani, ad viros clarissimos Jacob et Reinhold, Vorwort in Form eines Briefs an Jacob und Reinhold. Pestini 1792. Mrkû Laci, Kroly Böhm, Bronzeplakette im Hof der evangelischen Diözese, Klausenburg, 2012, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Bernt Alexander, in: Ferenc Halmos (Hg.), Encyclopedia of Pannonia. The Hungarians manual. Budapest 1993, 355. Sndor Tavaszy, Quelle: Nachlass Sndor Tavaszy, Mrton Tonk. Franz Jaschke, Klausenburg, in Öl kolorierte Lithografie, 1823, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pk 95, 10. Gheorghe Laza˘r, anonymes Porträt in Öl, Quelle: High School »Gheorghe Lazar« Avrig, 2015. Alexandre Quintet, Titu Maiorescu, 1882, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Tomsˇ Garrigue Masaryk, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pf 1400 D2. Tomsˇ G. Masaryk, Zkladov¦ konkretn¦ logiky [Titelblatt]. Praha 1885. Tomsˇ Garrigue Masaryk, Medaille, anlässlich seines 85. Geburtstags hergestellt, 1935, Quelle: url: http://www.ma-shops.at/hardelt (Letzter Zugriff: 16. 7. 2015). Anton Weber, Erker am Karolinum der Universität Prag, Pinsel- und Federzeichnung, vor 1896, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pk 1131, 2305. Max Steiner, Quelle: Lexikus-Verlag.
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 16: Ljubljaner Schule für Psychoanalyse, v.l.n.r.: Dolar, Krecˇicˇ (Journalistin), Zupancˇicˇ, Zˇizˇek, Quelle: Mladina Magazine. Abb. 17: Andy Miah, Slavoj Zˇizˇek, 2008, Quelle: Wikipedia, Creative Commons. Abb. 18: Alenka Zupancˇicˇ, Quelle: Mladina Magazine. Abb. 19: Alenka Zupancˇicˇ, Ethik des Realen: Kant, Lacan. Wien 1995, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Abb. 20: Bernardo Bellotto (Canaletto), Krakauer Vorstadt vom Krakauischen Tor aus, 1778, in: Bernardo Bellotto, Stefan Kozakiewicz, Henner Menz, Bernardo Bellotto genannt Canaletto in Dresden und Warschau: Ausstellung vom 8. Dezember 1963 bis 31. August 1964 im Albertinum Dresden. Dresden 1964, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Abb. 21: Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, 5. Präliminarartikel. Königsberg 1795, Quelle: ÖNB Wien, Signatur FRANZ 22177. Abb. 22: Kazimierz Wojniakowski, Anna Sapiez˙yna, 1798, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Abb. 23: Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy), Roman Ingarden, 1937, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei.
Kant und seine Dichter Abb. 1: Abb. 2:
Abb. 3:
Abb. 4: Abb. 5:
Abb. 6:
Abb. 7:
Friedrich Schiller, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00002059_02. Friedrich Schiller, Über Anmut und Würde [Titelblatt]. Leipzig 1793, Quelle: SLUB Dresden, Signatur Phil.C.807, url: http://digital.slubdresden.de/id417643799 (Letzter Zugriff: 07. 08. 2015), (CC-BY-SA 4.0). Kants Reaktion auf Schillers ›Anmut und Würde‹, in: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft. Königsberg 21794, 10f., Quelle: Google Books. Josef Kriehuber, Franz Grillparzer, Lithographie, 1841, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00001442_01. Josefine Wessely als Hero in ›Des Meeres und der Liebe Wellen‹, Burgtheater Wien, 1885–1887, in: Franz Grillparzer, Tagebücher und Reiseberichte. Mit zeitgenössischen Illustrationen, hg. v. Klaus Geißler. Wien 1980, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Notiz von Franz Grillparzer zu seiner Auffassung von Kant, 1837, Quelle: Wienbibliothek im Rathaus, Tgb. 3196, Signatur H.I.N. 81817, Blatt 7r/v. Viktor Tilgner, Franz Grillparzer, Fries, Marmor, Burgtheater Wien, 1988, Foto: Georg Soulek.
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Rudolf Weyr, Carl Kundmann, Carl Hasenauer, Denkmal Franz Grillparzer (v.l.n.r. ›Die Ahnfrau‹, ›Der Traum ein Leben‹, ›König Ottokars Glück und Ende‹, ›Sappho‹, ›Medea‹, ›Des Meeres und der Liebe Wellen‹), Volksgarten Wien, 1889, Foto: Ren¦ Steyer, Quelle/Copyright: Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien. Joseph Schreyvogel, zeitgenössischer Stich nach einem Aquarellporträt von Capeller, vor 1882, in: Anselm Salzer, Illustrierte Geschichte der deutschen Literatur, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Carl Postl, Das alte Burgtheater, Kupferstich, in: Franz Grillparzer, Tagebücher und Reiseberichte. Mit zeitgenössischen Illustrationen, hg. v. Klaus Geißler. Wien 1980, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Schreyvogelgasse, 1010 Wien, Foto: Aurelia Littig. Joseph Axmann, Ernst Freiherr von Feuchtersleben, nach einem Gemälde von Josef Matthäus Aigner, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00010608_01. Moritz von Schwind, Ein Schubertabend bei Ritter von Spaun, Reproduktion nach Sepiazeichnung von Moritz von Schwind, 1868, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer 461.681-B. Ernst Freiherr von Feuchtersleben, Zur Diätetik der Seele [Titelblatt]. Wien 1838. Valere aude! [Wage es, gesund zu sein!] als Variation auf Kants Wahlspruch Sapere aude! [Wage es, weise zu sein!]. Josef Axmann, Friedrich Schlegel, nach einer Zeichnung von Auguste von Buttlar, 1829, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer PORT_00014012_01. Adalbert Stifter, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pf 95: C ( 5). Dora Kallmus (Madame d’Ora), Karl Kraus, 1908, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer 203430-D. Karl Kraus, Erste Ausgabe der ›Fackel‹ [Titelblatt], 1899, Quelle: AAC – Austrian Academy Corpus. AAC-FACKEL, Online Version: »Die Fackel. Herausgeber : Karl Kraus, Wien 1899–1936«, AAC Digital Edition Nr. 1, url: http://www.aac.ac.at/fackel (Letzter Zugriff: 15. 10. 2014). Karl Kraus, Zum ewigen Frieden, 1918, Quelle: AAC – Austrian Academy Corpus. AAC-FACKEL, Online Version: »Die Fackel. Herausgeber : Karl Kraus, Wien 1899–1936«, AAC Digital Edition Nr. 11, url: http://www.aac.ac.at/fackel (Letzter Zugriff: 15. 10. 2014). Karl Kraus, Ein Kantianer und Kant, 1918, Quelle: AAC – Austrian Academy Corpus. AAC-FACKEL, Online Version: »Die Fackel. Herausgeber : Karl Kraus, Wien 1899–1936«, AAC Digital Edition Nr. 1, 1, url: http://www.aac.ac.at/fackel (Letzter Zugriff: 15. 10. 2014). Rainer Maria Rilke, Reprofoto nach Aufnahme aus dem Jahre 1906, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pf 2291:C (1).
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 22: Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers [Titelblatt], hg. v. Karl Kehrbach. Leipzig 1902. Abb. 23: Edith Barakovich, Egon Friedell, 1931, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Abb. 24: Gedenktafel für Egon Friedell, Gentzgasse 7, 1180 Wien, Foto: Aurelia Littig. Abb. 25: Robert Musil in seinem Arbeitszimmer im Exil in Genf, 1941, Quelle: Karl Corino, Robert Musil-Institut Klagenfurt, Kärnten. Abb. 26: Militär-Unterrealschule in Eisenstadt, Postkarte, um 1900. Das Konvikt zu W. aus Musils Die Verwirrungen des Zöglings Törleß stellt eine Analogie zu dieser vom Autor besuchten Schule dar. Abb. 27: Franz Kafka, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pf 1544:C (5). Abb. 28: Brief, Franz Kafka am 16. Oktober 1917 an Felice Bauer, Quelle: Archiv Kritische Kafka-Ausgabe. Abb. 29: Franz Kafka, Zeichnungen, Quelle: ÖNB Wien, Signatur 655.192-B, 295. Abb. 30: Barbara Ruppel, Tierwerdung – Franz Kafka, Die Verwandlung, Käfer mit Menschenkopf unter einem fauligen Apfel, Schrift und Vogel, Silbergußmedaille, 58,3 mm, 67,38 g, 2007, Quelle: Leipziger Münzhandlung Heidrun Höhn. Abb. 31: Heinz Bachmann, Ingeborg Bachmann, Rom, 1962, Quelle/Copyright: Heinz Bachmann Abb. 32: Thomas Bernhard, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pk 3.368, 4. Abb. 33: Michael Maertens als Kant mit Papagei Friedrich bei der Fotoprobe einer Aufführung von ›Immanuel Kant‹, Burgtheater Wien, 2009, Quelle: ÖNB Wien/APA, Inventarnummer APA_20090918_PD2267. Abb. 34: Brief, Maria von Herbert an Immanuel Kant im August 1791, Quelle: Universitätsbibliothek Tartu, Signatur F 3, Mrg CCXCI, Bd.1, Nr. 161, 705/06. Abb. 35: Franz Schuh, 2009, Foto: Roland Schlager, Quelle: ÖNB Wien/APA, Inventarnummer APA_20091002_PD0315.
Kant und der Wiener Kreis Abb. 1:
Abb. 2: Abb. 3:
Die ›Philosophische Gesellschaft‹ an der Universität Wien konstituiert sich zu einer Ortsgruppe der Kant-Gesellschaft, in: Kant-Studien 32, 1927, 556. Theodor Bauer, Moritz Schlick, um 1930, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer Pf 29.355:E (1). Bodenplatte mit Inschrift zum Gedenken an Moritz Schlick am Ort des
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Attentats, Philosophenstiege, Universität Wien, 1991, Quelle/Copyright: Universität Wien. Abb. 4: Zeichnung zum Mord an Moritz Schlick, in: Illustrierte Kronen Zeitung, 25. Juni 1936, 1, Quelle: ÖNB Wien, Signatur 440.370-D.Per. Abb. 5: Edgar Zilsel, Das Anwendungsproblem. Ein philosophischer Versuch über das Gesetz der großen Zahlen und die Induktion [Titelblatt]. Leipzig 1916. Abb. 6: Otto Neurath, 1945, Quelle: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung Wien, Signatur V3/141. Abb. 7: Rudolf Carnap, 1923, Quelle: Institut Wiener Kreis. Abb. 8: Günther Baszel, Robert Reininger, Arkadenhof, Universität Wien, 1967, Foto: Ren¦ Steyer und Armin Plankensteiner, Quelle/Copyright: Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien. Abb. 9: Max Adler, Quelle: ÖNB Wien, Inventarnummer 196.808 – B. Abb. 10: Rede Max Adlers zum 100. Todestag Kants, Quelle: ÖNB Wien, Signatur 417.672-B.2. Abb. 11: Ferdinand Welz, Hans Kelsen, Arkadenhof, Universität Wien, 1984, Foto: Ren¦ Steyer und Armin Plankensteiner, Quelle/Copyright: Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien. Abb. 12: Hans Kelsen, Reine Rechtslehre. Einleitung in die rechtswissenschaftliche Problematik [Titelblatt]. Leipzig/Wien 1934.
Kant und die Phänomenologie Abb. 1:
Abb. 2:
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Abb. 6:
Vincenc Makovsky, Tomsˇ Garrigue Masaryk, Arkadenhof, Universität Wien, 1996, Foto: Ren¦ Steyer und Armin Plankensteiner, Quelle/ Copyright: Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien. Franz Brentano, Aufnahme aus den letzten Lebensjahren, in: Hans Rainer Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung. Zeugnisse in Text und Bild. Freiburg 1988, 253. Einladung des Dekanats zur Gedenkfeier für Brentano und Enthüllung der Brentano-Büste im Arkadenhof der Universität Wien, 1952, Quelle: Archiv der Universität Wien. Wunsch auf Wiederernennung Franz Brentanos zum ordentlichen Professor, unterzeichnet mit 38 Jastimmen und keiner Gegenstimme des Kollegiums, 1880, Quelle: Archiv der Universität Wien. Brief, Franz Brentano an das Dekanat der Universität Wien mit der Bitte um ein Stehpult für seine Vorlesung, 1876, Quelle: Archiv der Universität Wien. Fragment aus einer Vorlesung Brentanos, in der er sich kritisch mit
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Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9:
Abb. 10: Abb. 11:
Abb. 12:
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Abb. 16:
Abb. 17:
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Kants Begriff der Erscheinung bzw. des Phänomens auseinandersetzt, Quelle: Franz Brentano-Archiv, Karl Franzens-Universität Graz. Josef Kriehuber, Bernard Bolzano, Lithographie nach Heinrich Hollpein, 1849, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Alexius Meinong, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Brentanos annotiertes Exemplar der ›Kritik der reinen Vernunft‹, Ausgabe von G. Hartenstein, Leipzig 1838, Quelle: Franz BrentanoArchiv, Karl Franzens-Universität Graz. Edmund Husserl, um 1900, Quelle: Wikipedia, gemeinfrei. Edmund Husserls Vorlesungen über Kant, in: Iso Kern, Husserl und Kant. Eine Untersuchung über Husserls Verhältnis zu Kant und zum Neukantianismus. Den Haag 1964, 2Die doppelten Jahreszahlen bezeichnen die Wintersemester, die einfachen die Sommersemester. 3 Gemeint sind jeweils Wochenstunden. Husserls annotiertes Exemplar der ›Kritik der reinen Vernunft‹ (Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Text der Ausgabe 1781 mit Beifügung sämmtlicher Abweichungen der Ausgabe 1781, hg. v. Karl Kehrbach. Leipzig 21878). Mit freundlicher Genehmigung des HusserlArchiv Leuven. Tagebuch-Eintrag Edmund Husserls vom 25. September 1906. Mit freundlicher Genehmigung des Husserl-Archiv Leuven. Edmund Husserl, Kant und die Idee der Transcendentalphilosophie. Nach einer Festrede gehalten bei der Kantfeier der Universität Freiburg i. Br. am 1. Mai 1924, Rede zum 200. Geburtstag Kants, 1924. Mit freundlicher Genehmigung des Husserl-Archiv Leuven. Martin Heidegger, in: Frank Schalow, Alfred Denker, Historical dictionary of Heidegger’s philosophy. Lanham 22010, Quelle: Universitätsbibliothek Wien. Martin Heidegger und Edmund Husserl, in: Hans Rainer Sepp, Edmund Husserl und die phänomenologische Bewegung. Zeugnisse in Text und Bild. Freiburg 1988, 321. Martin Heidegger, Gutachten Hönigswald betreffend, Quelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Signatur MK 43772.
Autorinnen und Autoren
Beck, Max (BA), Studierender, Universität Wien. Bondeli, Martin (PD Dr.), Philosophisches Institut, Universität Bern. Bozˇuk, Marek, Studierender, Universität Wien. Brinnich, Max (Mag.), Universitätsassistent (Prae-Doc), Institut für Philosophie, Universität Wien. Dek, Eszter (Dr.), Sz¦ch¦nyi-Nationalbibliothek, Budapest. Deibl, Johannes (Mag.), Stiftsbibliothek Melk. Deibl, Helmut Jakob (P. Dr. OSB), Universitätsassistent (Post-Doc), Institut für Systematische Theologie, Fachbereich Theologische Grundlagenforschung, Universität Wien. Diaconu, Ma˘da˘lina (Univ.-Doz. DDr.), Institut für Philosophie, Institut für Romanistik, Universität Wien. Diaconu, Marin (Conf. Univ. Dr.), Polytechnische Universität Bukarest. Egyed, P¦ter (Prof. Dr.), Ungarisches Institut für Philosophie, Babes¸-Bolyai Universität, Cluj-Napoca. Fillafer, Franz L. (Dr.), Max Weber Fellow, Europäisches Hochschulinstitut, San Domenico di Fiesole.
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Autorinnen und Autoren
Flucher, Elisabeth (Mag.), Promotionsprogramm »Theorie und Methodologie der Textwissenschaften und ihre Geschichte (TMTG)«, Institut für Germanistik, Osnabrück. Gerber, Sophie (Dr.), Kongressassistentin, Institut für Philosophie, Universität Wien. Geml, Gabriele (Mag.), Fellow, Kolleg Friedrich Nietzsche, Klassik Stiftung Weimar. Heller, Georg (BA), Studierender, Universität Wien. Kalteis, Bernadette (Mag.), Stiftsbibliothek Melk. Karsek, Jindrˇich (Dr. phil. habil.), Fachbereich Philosophie und Religionswissenschaft, Karls-Universität Prag. Kloc-Konkołowicz, Jakub (Dr.), Institut für Philosophie, Universität Warschau. Krappmann, Jörg (doc. Mgr, PhD), Institut für Germanistik, Palacky´-Universität, Olomouc. Leschanz, Christoph (Ing., BA), Studierender, Universität Wien. Loidolt, Sophie (Dr.), Universitätsassistentin (Post-Doc), Institut für Philosophie, Universität Wien. Mester, B¦la (PhD), Forschungszentrum Geisteswissenschaften, Institut für Philosophie, Ungarische Akademie der Wissenschaften, Budapest. Nagl-Docekal, Herta (Univ.-Prof. i.R. Dr.), Institut für Philosophie, Universität Wien. Naschert, Guido (Dr.), Weimar. Perecz, Lszlû (Prof. Dr.), Institut für Rechtswissenschaft, Technische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität Budapest. Ring, Olga (BA), Studierende, Universität Wien.
Autorinnen und Autoren
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Sauer, Werner (Ao.Univ.-Prof.i.R. Dr.), Institut für Philosophie, Karl-FranzensUniversität Graz. Schaller, Philipp (Mag.), Universitätsassistent (Prae Doc), Institut für Philosophie, Universität Wien. Schmidt, Philipp (MMag.), Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Prae Doc), Institut für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät Karl-Franzens-Universität Graz und Doktorand, Institut für Philosophie, Universität Wien. Schneck, Sebastian (BA), Wien. Scholzen, Caroline (Mag.), Doktorandin, Institut für Germanistik, Universität Wien. Simoniti, Jure (Dr.), Institut für Philosophie, Universität Ljubljana. Stoppelkamp, Bastian (M.A.), Universitätsassistent (Prae Doc), Institut für Philosophie, Universität Wien. Tonk, Mrton (Univ.-Prof. Dr.), Institut für Europäische und Internationale Studien, Sapientia Universität, Cluj-Napoca. Ungvri-Zrnyi, Imre (PhD), Dozent, Departement für Philosophie an der ungarischsprachigen Studienrichtung, Babes¸-Bolyai Universität, Cluj-Napoca. Waibel, Violetta L. (Univ.-Prof. Dr., MA), Professorin für Europäische Philosophie und Continental Philosophy, Institut für Philosophie, Universität Wien. Wilfing, Alexander (Mag.), Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen, Abteilung Musikwissenschaft, Österreichische Akademie der Wissenschaften. Zeidler, Kurt Walter (tit. Univ.-Prof. Dr.), Institut für Philosophie, Universität Wien. Zouhar, Jan (Prof. PhDr.), Institut für Philosophie, Masaryk-Universität Brno. Zovko, Jure (Prof. Dr.), Institut für Philosophie, Universität Zadar, Universität Zagreb.