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German Pages [232] Year 2006
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Herausgegeben im Auftrag des Departs für Biblische Studien der Universität Freiburg Schweiz von Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen
Band 60
Vandenhoeck & Ruprecht Academic Press Fribourg
Ilze Kezbere
Umstrittener Monotheismus Wahre und falsche Apotheose im lukanischen Doppelwerk
Vandenhoeck & Ruprecht Academic Press Fribourg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Vandenheock & Ruprecht Göttingen ISBN 10: 3-525-53960-6 ISBN 13: 978-3-525-53960-6 AcademicPress Fribourg ISBN 10: 3-7278-1573-6 ISBN 13: 978-3-7278-1573-7 BWHEBB, BWHEBL, BWTRANSH [Hebrew]; BWGRKL, BWGRKN, and BWGRKI [Greek] Postscript® Type 1 and TrueTypeT fonts Copyright © 1994– 2006 BibleWorks, LLC. All rights reserved. These Biblical Greek and Hebrew fonts are used with permission and are from BibleWorks, software for Biblical exegesis and research. © 2007, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen und Academic Press Fribourg / Paulusverlag Fribourg Schwitzerland. Internet: www.v-r.de und www.paulusedition.ch Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: b Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt Inhalt
Vorwort ...................................................................................................
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1. Einleitung ............................................................................................
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2. Die Apotheose in der antiken Welt .....................................................
17
2.1 Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern.........
17
2.2 Die Einstellung zur Apotheose im Judentum..............................
35
2.3 Die Einstellung zur Apotheose im Urchristentum ......................
57
2.4 Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten ...................
71
3. Die wahre Apotheose ..........................................................................
87
3.1 Die Taufe Jesu (Lk 3,21f) ...........................................................
87
3.2 Die Verklärung Jesu (Lk 9,28–36)..............................................
99
3.3 Die Himmelfahrt Jesu (Lk 24,50–53; Act 1,9–11) ..................... 112 4. Die falsche Apotheose......................................................................... 130 4.1 Die Versuchung Jesu (Lk 4,5–8): Die verwerfliche Apotheose des Satans...................................... 130 4.2 Die Vergöttlichung des Herodes Agrippa I. (Act 12,21–23): Die kritisierte Apotheose eines Herrschers................................. 140 4.3 Die Vergöttlichung des Paulus und Barnabas in Lystra (Act 14,8–20): Eine kritisierte Apotheose der Apostel .............. 152 4.4 Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea (Act 10,25f): Eine korrigierte Apotheose, die zur Umkehr führt ..................... 163 4.5 Die Vergöttlichung des Paulus und Silas in Philippi (Act 16,25–34): Eine korrigierte Apotheose, die zur Umkehr führt ..................... 175 4.6 Die Vergöttlichung des Paulus auf der Insel Malta (Act 28,1–6): Die tolerierte Apotheose in der Fama des Volkes ...................... 188
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Inhalt
Zusammenfassung................................................................................... 204 Literatur................................................................................................... 211 Stellenregister.......................................................................................... 220 Begriffs- und Namensregister ................................................................. 230
Vorwort Vorwort
Jedes Buch hat seine Entstehungsgeschichte, wie auch Verfasser ihre Lebensgeschichten haben. Ein Vorwort nennt die Berührungspunkte zwischen beiden Geschichten. Für das vorliegende Buches sind zwei Erfahrungen in meinem Leben wichtig gewesen: erstens die Konfrontation mit dem Personenkult in der ehemaligen Sowjetunion und zweitens die Begegnung mit dem Heidelberger Neutestamentler Prof. Gerd Theißen im Herbst 2000, die zu dem Promotionsprojekt führte, dessen Ergebnis in diesem Buch vorliegt. Bis zur politischen Wende 1991 war meine Heimat Lettland durch erzwungene Zugehörigkeit ein Teil der Sowjetunion. Als Schülerin und Musikstudentin in RƯga sollte ich lernen, dass man die politischen Amtsträger offiziell zu verehren hat und dass sie das Recht haben, das Leben bis ins Detail „von oben“ zu bestimmen. Gegenstimmen wurden als abweichende Minorität bekämpft, Andersdenkende als Feinde betrachtet. Zu den Stimmen, die am schärfsten kontrolliert und auch unterdrückt wurden, gehörte die Kirche. Zu den Stimmen, die ab und zu das erzwungene Schweigen durchbrachen, gehörte die Musik. Sie hat dem Protest Ausdruck gegeben. Daher wird noch heute der Weg Lettlands in die Unabhängigkeit „die singende Revolution“ genannt. Darf man Menschen einen Status geben, der sie über normale Menschen hinaushebt? Meine Erfahrung sagt Nein. Aber erst in Deutschland habe ich erkannt, dass diese Frage auch ein Thema für Theologie und Exegese ist. Dafür bin ich Prof. Gerd Theißen dankbar. Sein theologisches Denken und sein Gespür für die Zusammenhänge zwischen religiösen Überzeugungen und dem sozialen Leben einer Gesellschaft waren für mich eine neue und faszinierende Entdeckung, als ich nach Heidelberg kam, um deutsche Theologie kennen zu lernen. Diese Entdeckung hat mich geprägt und die Weichen für die folgende Arbeit gestellt. Im Zentrum dieser Arbeit steht die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Vergöttlichung von Menschen im ersten Jahrhundert und dem Monotheismus der ersten Christen. Der Polytheismus der Griechen und Römer erleichterte Grenzüberschreitungen zwischen Mensch und Gott. In dieser polytheistischen Welt bildeten die Juden mit ihrem Monotheismus eine abweichende Minorität. Sie duldeten keinen Konkurrenten neben dem einen und einzigen Gott. Christen übernahmen von ihnen die Ablehnung der Apotheose von Menschen, schrieben aber Jesus Christus einen göttlichen
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Vorwort
Status zu und verehrten ihn in kultischer Form. Der Evangelist Lukas gehört zu den wenigen Autoren des Neuen Testaments, der die wahre Apotheose Jesu mit der falschen Apotheose von Menschen kontrastiert. Er tut es in erzählender Form. Das vorliegende Buch will zeigen, dass der Verfasser des lk Doppelwerks mit einem sehr differenzierten Urteil über die Apotheose zwischen Judentum und frühchristlicher Apologetik steht. Mit den Juden teilt er die Ablehnung der Apotheose, mit den Apologeten das Bedürfnis, die Vergöttlichung Jesu verständlich zu machen. Er bezieht sich auf die heidnische Apotheose aber noch nicht wie die Apologeten in der Absicht, die Christologie vor Heiden zu rechtfertigen. Wie ein gottesfürchtiger Jude lehnt Lukas die Apotheose von Menschen, insbesondere jede Selbstapotheose, ab, wirbt aber um Verständnis für die irrtümliche Apotheose, die den Aposteln widerfährt. Nach Lukas erscheint auch in ihr etwas Wahres: In den Aposteln wird eine göttliche Macht spürbar. Göttliche Verehrung aber darf alleine dem Herrn gelten, dem ausschließlich Gott selbst einen gottgleichen Status neben sich verliehen hat. Die Entstehung dieses Buches ist von vielen Menschen unterstützt worden. Vor allem möchte ich meinem Doktorvater Prof. Gerd Theißen danken. Nicht nur für Anleitung und Betreuung meiner Forschungsarbeit, sondern auch für die Feinfühligkeit, mit der er immer wieder Brücken geschlagen hat, auf denen sich meine von „evangelikalen“ Traditionen geprägten Vorstellungen mit der historisch-kritischen Denkweise konstruktiv begegnen konnten. Ferner danke ich herzlich Prof. Christoph Burchard für sein Zweitgutachten mit vielen kritischen und weiterführenden Hinweisen, ebenso Prof. Adolf Martin Ritter für seine kritische Lektüre des Kapitels über die Apotheose bei den Apologeten und für wertvolle Anregungen. Proff. Max Küchler, Peter Lampe und Gerd Theißen danke ich für die Aufnahme des Buches in die Reihe NTOA/STUNT. Mein Dank gilt allen, die direkt und indirekt dazu beigetragen haben, dass dieses Buch geschrieben werden konnte. Der Aufenthalt in Heidelberg zur Vorbereitung des Forschungsprojektes wäre ohne finanzielle Hilfe für mich undenkbar gewesen. Zu danken habe ich an erster Stelle dem Badischen Pfarrverein und dem Kirchenrat i.R. Gerhard Wunderer. Als Stipendiatin des Pfarrvereins bin ich nach Heidelberg gekommen und wurde zwei Jahre von ihm unterstützt. Der Gerhard von Rad-Stiftung der Theologischen Fakultät Heidelberg bin ich für die Finanzierung von zwei weiteren Jahren bis zum Abschluss der Promotionsarbeit dankbar. In der Abschlussphase der Arbeit haben mir viele beim Korrekturenlesen geholfen. Als erste sind Dr. Johannes und Sigrid Kühlewein dankbar zu erwähnen. Für die kritischen Lektüre der Arbeit danke ich ferner Dr. Vera Hirschmann und ganz besonders Ines Pollmann und Dr. Bernhard Mutschler für den letzten Korrekturgang. Die anspruchsvolle Aufgabe der Forma-
Vorwort
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tierung haben freundlicherweise Elfriede Lucius und Felix Alze-Plagge übernommen – herzlichen Dank dafür! Viel Entgegenkommen und Unterstützung durfte ich bei der Finanzierung der Drucklegung erleben. Mein Dank gilt der Badischen Landeskirche, ganz besonders Prof. Jürgen Kegler und Kirchenrat i.R. Gerhard Wunderer, ferner der VELKD, der Nordelbischen Kirche, der Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern, dem Martin-Luther-Bund in Erlangen und der Württembergischen Landeskirche. Herzlichen Dank sage ich allen, die mich von Anfang an zur Promotion ermutigt haben. Vor allem möchte ich mich dafür bei der Lettischen Ev.Luth. Auslandskirche bedanken, insbesondere bei Erzbischof ElmƗrs Ernsts RozƯtis und der lettischen Gemeinde in Minneapolis (USA), die mich schon während des Theologiestudiums in RƯga gefördert haben. Während meines Promotionsstudiums wurde ich in Stuttgart von der lettischen Auslandskirche zur Pfarrerin ordiniert. In der Ev.-Luth. Kirche in Lettland selbst ist die Frauenordination abgeschafft worden. Für Ermutigung muss ich noch vielen anderen danken und nenne hier nur einige Namen: Prof. Wilfried Härle in Heidelberg, Dr. Edzard Rohland in Bonn, meine treuen Freunde Gisela und Heinrich Altrock in Lübeck, meinen langjährigen Kollegen in der Arbeit für Lettland Oswald W. Hahn, die Geschwister aus der Ev. Kommunität Adelshofen und Joachim Müller. Die Entstehung des vorliegenden Buches ist eng mit der Musik und meinem Violinspiel verbunden. Die Kraft zu arbeiten habe ich oft aus der Musik geschöpft. Die Musik gab mir das Gefühl, für Augenblicke zu Hause zu sein und eine Sprache zu sprechen, die nicht übersetzt werden muss. Ich bin dankbar für das gemeinsame Musizieren mit Rosemarie und Hans Kühl in Ziegelhausen, mit Dr. Hermann Rodenhausen in der Heidelberger Peterskirche, mit Renate Sundermeier in der Alten Aula der Universität Heidelberg und für wunderbare Duos für Violine und Gitarre mit Prof. Gerd Theißen. Die letzten Korrekturen der Arbeit habe ich in München eingetragen, neben meiner Arbeit als Krankenhausseelsorgerin und Religionslehrerin am Augustinum. Ich danke für Verständnis und Entgegenkommen Prof. Markus Rückert und meinen Kollegen am Augustinum, Dr. Josef Engstler und vor allem Pfarrerin Irene Silbermann. Mein innigster Dank gilt aber meiner Familie in Lettland. Jedes besondere Ereignis bei meinem Auslandsstudium und jedes Kapitel in diesem Buch wurden von den Gebeten meiner Mutter begleitet – auf Lettisch. München, im Juni 2006
Ilze Kezbere
1. Einleitung Einleitung
Vergöttlichung von Menschen ist ein verbreitetes Phänomen in der Geschichte. Da der Mensch andere Lebewesen weit übertrifft, fällt es ihm nicht schwer sich vorzustellen, dass er eine überragende Rolle in der Welt spielt. Zum Problem wird diese Vorstellung, wenn ein Mensch sich einbildet, etwas Höheres auch im Vergleich mit anderen Menschen zu sein. Am deutlichsten kommt das in der Politik zum Ausdruck, wo es um Macht geht. Meistens wird die Machtfrage durch Gewalt geklärt, aber sie wird auch argumentativ ausgetragen. Religiöse Vorstellungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Andere zu beherrschen aber wird seit den Ursprüngen der Geschichte des menschlichen Denkens als Funktion einer übermenschlichen Kraft empfunden. Unabhängig davon, ob es ausdrücklich gesagt wird, spielt ein Herrscher in der Gesellschaft die Rolle eines „Gottes“, wobei er ein guter oder auch ein böser „Gott“ sein kann. Meistens haben Menschen keine großen Probleme mit der Verehrung eines herausragenden Staatsmannes oder eines genialen Musikers. Schwierig wird es nur, wenn bei der Verehrung Grenzen überschritten werden, die eine oder mehrere Gruppen der Gesellschaft für maßgebend halten. Die größte Sensibilität in diesem Bereich hat die Religion, die in vielen Fällen eine klar formulierte Vorstellung vom Gegenüber Mensch – Gott hat. Nicht selten gerieten religiöse Menschen und Machthaber deswegen in Konflikt. Sehr anschaulich stellt die Geschichte der Römischen Kaiserzeit einen solchen Zusammenstoß vor Augen. Es war eine Zeit und eine Welt, in der die Grenze zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen fließend war. Die Götter wurden oft als Menschen vorgestellt, die Menschen oft als Götter wahrgenommen. Da gerade die Kaiser Ansprüche auf göttliche Verehrung stellten, war die Vergöttlichung von Menschen eine politische Angelegenheit. Man musste sie akzeptieren. Es gab aber eine Gruppe in der Gesellschaft, deren religiöse Vorstellungen die Gleichstellung des Menschen mit Gott aufs strengste verbot. Das waren die Juden. Der jüdische Monotheismus sagt eindeutig: Es gibt nur einen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Es ist eine schwere Sünde, wenn ein Mensch sich einbildet, ein Gott zu sein. In der Ablehnung der Vergöttlichung von Menschen schlossen sich im 1. Jh. n.Chr. die Christen den Juden an. Sie behaupteten, dass sie wie die Juden Monotheisten seien, verehrten aber Jesus Christus als Sohn Gottes und ihren Herrn. Aufgrund ihres Bekenntnisses zu Jesus hatten
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Einleitung
sie zwei Gegner: die Juden, die ihren Monotheismus in Frage gestellt sahen, und die Römer, welche an der Loyalität der Christen wegen ihrer Botschaft von einem neuen Herrscher, dem Kyrios Jesus, zweifelten. Indem sie Juden und Römern ihren Glauben zu erklären versuchten, definierten die Christen gleichzeitig ihre eigene Identität. Derjenige, der in seiner Erzählung mit Hilfe vieler kleiner in ihr zusammengestellter Geschichten versucht hat, den christlichen Glauben in Konfrontation mit der Umwelt narrativ verständlich zu machen, ist der Verfasser des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte. Die Polemik gegen die Apotheose zieht sich wie ein roter Faden durch sein Doppelwerk. Der Begriff Apotheose (nach dem griechischen CXRQSGYUKL) stammt aus der hellenistischen Zeit und bedeutet die Vergöttlichung von zeitweilig zu Menschen gewordenen Gottwesen, von wirklichen Menschen nach dem Tode und von noch lebenden Menschen.1 Heute wird der Begriff Apotheose unterschiedlich verwendet. Im engeren Sinn bezeichnet er im staatlichen Kult die Vergöttlichung der Kaiser. So beschreibt ANDREAS BENDLIN die Apotheose (lat. consecratio) als einen Sonderfall des allgemeinen Phänomens der Vergöttlichung, nämlich als das Vergöttlichungsritual für die verstorbenen Kaiser, von Augustus bis Constantin.2 Im weiteren Sinn bedeutet der Begriff Apotheose grundsätzlich jede Erhöhung eines Menschen zu göttlicher Existenz und schließt alle Formen der Vergöttlichung und Vergottung ein, wie auch die Zeremonien, welche diese Vorgänge begleiten. Nach HENNI WREDE wird dabei vorausgesetzt, dass „sich göttliche und menschliche Welt miteinander berühren“. Meistens wird bei der Apotheose ein hervorragender Mensch mit einem Gott identifiziert, wobei die Taten, Kräfte und Eigenschaften ihn als dessen Epiphanie oder als SGKQL CXPJT erweisen.3 In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Apotheose in diesem weiteren Sinn und daher auch als Synonym zu Vergöttlichung verwendet.
Im Neuen Testament ist Lk der einzige Evangelist, der das Thema der Apotheose in Erzählungen konkretisiert: Er stellt der Verehrung Jesu die Vergöttlichung von Menschen gegenüber.4 Bei der Taufe (Lk 3,21f) und bei der Verklärung (Lk 9,28–36) wird Jesus durch die göttliche Stimme als Sohn Gottes vorgestellt. Er verlässt die Welt als ein göttliches Wesen, indem er in den Himmel aufgenommen wird (Lk 24,51 und Act 1,9–11). Am Ende sei1
Vgl. K. WEGENAST, Art. Apotheosis, KP 1 (1964), 458–460, 459. Vgl. A. BENDLIN, Art. Vergöttlichung II. Griechenland und Rom, DNP 12/2 (2002/2003), 68–69, 68. So auch L. KOEP, Art. Consecratio II, RAC 3 (1957), 284–294, 284. M. CLAUSS, Kaiser und Gott. Herrscherkult im Römischen Reich, München 2001, 364.25f, unterscheidet Konsekration als einen Teil des Vergöttlichungsrituals von der Apotheose im weiteren Sinn. 3 Vgl. H. WREDE, Consecratio in formam deorum. Vergöttlichte Privatpersonen in der Römischen Kaiserzeit, Mainz 1981, 3. 4 Vgl. G. THEISSEN, Das Neue Testament, München 2002, 74. 2
Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern
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nes Evangeliums Lk 24,52 beten die Jünger Jesus als Gott an, und Jesus billigt die ihm entgegengebrachte Verehrung. Offensichtlich ist es die Absicht von Lk, zu zeigen, dass Jesus von Nazaret von Gott selbst vergöttlicht wurde und daher zu verehren ist. Gegenüber der positiv dargestellten Apotheose von Jesus im LkEv steht in den Act eine Reihe von Szenen mit einer Apotheose, die negativ bewertet wird. In Act 12 wird Herodes Agrippa bei seinem eindrucksvollen Auftreten vor dem Volk als Gott bezeichnet. Die Annahme dieser Ehrung endet für Herodes mit dem Tod: Der Engel des Herrn schlägt ihn (Act 12,21–23). In Act 10,25f; 14,8–20; 16,25–34 machen übernatürliche Erscheinungen, welche Petrus und Paulus bei ihrem Missionsdienst begleiten, den Eindruck, dass sie übernatürliche Wesen sind. Andere Menschen sind bereit, die Apostel zu vergöttlichen, stoßen aber auf eine strenge Ablehnung durch die Apostel selbst. Offensichtlich will Lk sagen, dass eine von Menschen initiierte und auf Menschen gerichtete Apotheose zu verwerfen ist. Im Hinblick auf diese zweifache Bewertung kann man von einer wahren und einer falschen Apotheose im lk Doppelwerk reden. Das Kriterium für ihre Unterscheidung ist, woher die Initiative zur Apotheose kommt und auf wen sie sich richtet: Nur die von Gott selbst ausgehende und auf Jesus gerichtete Verehrung ist wahr und annehmbar. Wo die Apotheose auf einer Initiative von Menschen beruht und sich auf Menschen richtet, ist sie falsch und muss unterbunden werden. Dieser Gegensatz zwischen der legitimen Anbetung Jesu und der illegitimen Vergöttlichung von Menschen im lk Doppelwerk wirft mehrere Fragen auf, die durch die vorliegende Arbeit beantwortet werden sollen: 1. Was hat Lk veranlasst, sich dem Thema der Apotheose zuzuwenden? 2. Wo wurde er in seiner Lebenswelt mit dem Phänomen der Apotheose konfrontiert? 3. Was wollte Lk durch seine literarisch bildhaften Szenen der Apotheose sachlich-theologisch sagen? 4. Wie verhält sich die lukanische Differenzierung von wahrer und falscher Apotheose zu anderen Positionen? Man weiß, dass der jüdische Monotheismus jegliche Apotheose von Menschen aufs strengste abgelehnt hat, während bei den christlichen Kirchenvätern wie JUSTIN die Vorstellung der heidnischen Apotheose auf eine positive Weise verwendet wird, um den Heiden das Christentum zu erklären (s.u.). Nimmt Lk zwischen beiden eine Mittelstellung ein? Mit dieser Fragestellung reiht sich die vorliegende Arbeit in die redaktionsgeschichtlichen Arbeiten zur Theologie des Lk ein, aber auch in die neu aufgeflammte Diskussion über Monotheismus und Christentum.
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Einleitung
In der neueren Forschung wurden die Einstellung des Lk zum Römischen Reich und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die Intention des lk Doppelwerkes intensiv diskutiert. Die Einstellung des Lk ist nicht eindeutig. Einerseits erscheint Lk als ein romfreundlicher Verfasser. Andererseits, wenn auch seltener, gibt es bei ihm kritische Töne gegen die staatliche Macht im Allgemeinen und sogar konkret gegen das Imperium Romanum (s.u.). Gerade das lk Doppelwerk spiegelt die Wechselwirkung zwischen Religion und Politik wider. Dass diese Wechselwirkung die neutestamentlichen Schriften mitgestaltet hat, zeigen Forschungen, die das Neue Testament im Lichte der Sozialgeschichte deuten. Hier ist u.a. GERD THEISSEN mit seinen Arbeiten zu nennen, die den Anstoß für die vorliegende Arbeit gegeben haben.5 Den sozialgeschichtlichen Fragen mit dem Schwerpunkt Politik hat sich in den USA eine Arbeitsgruppe der Society of Biblical Literature unter der Leitung von RICHARD A. HORSLEY gewidmet, deren Interpretationsprogramm als „Anti-imperiale Deutung der neutestamentlichen Schriften“ bekannt wurde.6 Für die Untersuchungen des lk Doppelwerkes in seiner Wechselbeziehung zum Staat und besonders zu Kaiser Domitian, ist ferner die Arbeit von MARTIN MEISER zu nennen.7 Zur Apotheose im Römischen Reich gibt es eine Fülle von Literatur. Unter den theologischen Untersuchungen seien z.B. DIETER ZELLER, „Christus unter den Göttern“, „Menschwerdung Gottes – Vergöttlichung von Menschen“,8 unter der historischen Literatur KARL CHRIST, „Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin“, genannt.9 Ein Werk, das die bisherige Forschung zusammenfasst, ist das Buch von MANFRED CLAUSS „Kaiser und Gott. Herrscherkult im Römischen Reich“.10
5 G. THEISSEN, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition, NTOA 8, Fribourg/Göttingen 1989. Ders., Gospel Writing and Church Politics. A Socio-rhetorical Approach, Chuen King Lecture Series 3, Hong Kong 2001. Ders. Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 22001. Zum lk Doppelwerk vgl. besonders PH.F. ESLER, Community and Gospel in Luke-Acts. The Social and Political Motivations of Lucan Theology, SNTS.MS 57, Cambridge 1987. 6 W. POPKES, Literaturbericht. Zum Thema ‚Anti-imperiale Deutung neutestamentlicher Schriften‘, ThLZ 127 (2002), 850–862. R.A. HORSLEY (Hg.), Paul and Empire. Religion and Power in Roman Imperial Society, Harrisburg, Pennsylvania 31997. Ders. (Hg.), Paul and Politics. Ekklesia, Israel, Imperium, Interpretation, Harrisburg 2000. 7 M. MEISER, Lukas und die römische Staatsmacht, in: M. Labahn/J. Zangenberg (Hg.), Zwischen den Reichen. Neues Testament und Römische Herrschaft, TANZ 36, Tübingen/Basel 2002, 175–193. 8 D. ZELLER, Christus unter den Göttern. Zum antiken Umfeld des Christusglaubens, Stuttgart 1993. Ders. (Hg.), Menschwerdung Gottes – Vergöttlichung von Menschen, NTOA 7, Fribourg/Göttingen 1988. 9 K. CHRIST, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis zu Konstantin, München 3 1995. 10 M. CLAUSS, Kaiser und Gott. Herrscherkult im Römischen Reich, München/Leipzig 2001.
Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern
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Die theologische Diskussion über den Monotheismus wurde vor allem durch zwei Werke von LARRY W. HURTADO angestoßen: „One God. One Lord“ und „Lord Jesus Christ“.11 HURTADO zeigt, dass im Judentum Vorstellungen von einem zweiten göttlichen Wesen neben Gott denkbar waren, dass aber die Christen mit der kultischen Verehrung Jesu als Gottes Sohn eine Grenze überschritten, die sonst im Judentum gewahrt wurde. Diese These ist für unsere Arbeit wichtig: Im lk Doppelwerk werden kultische Riten zur Verehrung anderer Menschen verworfen. Jesus lehnt den Kniefall vor dem Satan kategorisch ab. Um so mehr muss man fragen: Warum wird die kultische Verehrung Jesu zugelassen? Am Ende des LkEv knien die Jünger vor dem zum Himmel aufsteigenden Jesus nieder. Aus der weiteren Monotheismusdebatte seien hier nur drei Arbeiten genannt:12 WOLFGANG SCHRAGE zeichnet den Weg vom jüdischen Monotheismus zu einem christologischen Monotheismus über Vorstellungen von Mittlergestalten nach, BERNHARD LANG vertritt die provokative These, dass ein Duotheismus schon in der jüdischen Religion vorhanden war, der im Urchristentum manifest wurde,13 GERD THEISSEN macht eine nur im Monotheismus vorhandene Dynamik, die Theodizeefrage, dafür verantwortlich, dass im Urchristentum Jesus und der Geist neben Gott treten: Gott teilt selbst mit dem Menschen seine Niedrigkeit und verleiht ihm durch seinen Geist Anteil an seiner Hoheit.14 Die vorliegende Arbeit hat drei Teile: Einen religions- und sozialgeschichtlichen Teil, in dem der weitere Kontext des Phänomens der Apotheose in der Antike dargestellt wird: (1) Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern, (2) im Judentum, (3) im Urchristentum, (4) bei den Apologeten. Darauf folgen zwei exegetische Teile, in denen die konkreten Erzählungen mit Apotheoseszenen im lk Doppelwerk ausgelegt und auf ihren sozialgeschichtlichen Hintergrund hin analysiert werden. Dabei werden sachlich zusammengehörende Texte zusammen behandelt. Im zweiten Teil der Arbeit stehen Texte, in denen wahre Apotheosen Jesu dargestellt werden: (1) Die Taufe Jesu (Lk 3,21f), (2) seine Verklärung (Lk 9,28–36) und (3) seine Himmelfahrt (Lk 24,50–53; Act 1,9–11). Dann folgen im dritten Teil der Arbeit die von Lk als falsch abgelehnten Apotheosen. Die 11 L.W. HURTADO, One God. One Lord. Early Christian Devotion and Ancient Jewish Monotheism, Philadelphia/London 1988; ders., Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity, Grand Rapids/Cambridge 2003. 12 W. SCHRAGE, Unterwegs zur Einzigkeit und Einheit Gottes. Zum „Monotheismus“ des Paulus und seiner alttestamentlich-frühjüdischen Tradition, BThSt 48, Neukirchen-Vluyn 2002. Ders., Unterwegs zur Einzigkeit und Einheit Gottes. Zum „Monotheismus“ des Paulus und seiner alttestamentlich-jüdischen Tradition, EvTh 61 (2001), 190–203. 13 B. LANG, Art. Monotheismus, NBL 2 (1995), 834–844. 14 G. THEISSEN, Monotheistische Dynamik im Neuen Testament. Der Glaube an den einen und einzigen Gott und die neutestamentliche Christologie, KuI 20 (2005), 130–143.
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Einleitung
Ablehnung ist hier verschieden stark. An der Spitze der verwerflichen Apotheose steht (1) die satanische Apotheose in der Versuchungsgeschichte (Lk 4,5–8). Dann folgen unter (2) und (3) die blasphemischen Apotheosen des Herodes Agrippa (Act 12,21–23) und der „Apostel“ Paulus und Barnabas in Lystra (Act 14,8–20) und unter (4) und (5) die korrigierten Apotheosen, die als Irrtümer zurecht gerückt werden, also die Verehrung des Petrus durch Cornelius (Act 10,25f) und des Paulus und Silas durch den Gefängniswächter (Act 16,25–34). Am Ende steht die einzige Geschichte, in der die Vergöttlichung eines Menschen nicht kritisiert wird, (6) die tolerierte Apotheose des Paulus auf der Insel Malta (Act 28,1–6). Ein Schlusskapitel wird die Ergebnisse zusammenfassen.
2. Die Apotheose in der antiken Welt Die Apotheose in der antiken Welt
2.1 Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern
Obwohl der Begriff CXRQSGYUKL aus der hellenistischen Zeit stammt, ist die Vergöttlichung von Menschen, insbesondere von Herrschern, weit älter. Für das antike Denken war die „Trennlinie zwischen Gottheit und Mensch“ unscharf.1 „Angesichts der antiken Vorstellungen von Gottheiten lag überhaupt kein Problem darin, einen lebenden Menschen als Gottheit anzusehen, weder für einen Griechen noch für einen Römer.“2 So wurden nicht nur zeitweilig zu Menschen gewordene Gottwesen vergöttlicht, sondern auch Menschen nach ihrem Tode oder noch zu Lebzeiten.3 Meist gewann ein Mensch göttliche Ehrungen kraft seiner Stellung oder auf Grund seiner Leistungen.4 Vor allem wurde in der Antike der Herrscher bzw. der König als jemand angesehen, der mit der Welt der Götter verbunden war, entweder im Sinne einer göttlichen Abstammung, Legitimation oder durch einen göttlichen Handlungsauftrag.5 Die Vergöttlichung von Königen hat eine lange Geschichte schon bei den Völkern des Alten Orients. Eine unauflösliche Verbindung von Staat, 1
Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 30. Vgl. ebd., 31. 3 Vgl. K. WEGENAST, Apotheosis, 459. 4 Die Frage, wie ein Mensch Gott werden kann und wie die Vergöttlichung eines Menschen zu erklären ist, hat schon die antiken Denker beschäftigt. Hier ist besonders Euhemeros von Massene zu erwähnen, nach dessen Namen eine Erklärung für die Vergöttlichung von Menschen und die Entstehung der Götter benannt wurde. Mit Euhemerismus bezeichnet man die Ansicht, dass Götter ursprünglich Menschen waren, die aufgrund ihrer Verdienste divinisiert wurden. H. CANCIKLINDEMAIER, Art. Euhemerismus, RGG4, Bd. II, 1999, Sp. 1657–1658. Von Euhemeros weiß man heute wenig. Das einzig relativ Sichere ist, dass er 311–298 v.Chr. Berater des Makedonenherrschers Kassandros war. In seinem Werk ~Iera. VAnagrafh,, das wahrscheinlich als ein Reisebericht gestaltet war, ging es um eine Inschrift im Zeustempel auf der Inselgruppe der Panchaier. Es war dort die Geschichte der großen Götter Uranos, Kronos, Zeus u.a. niedergeschrieben, die in Wirklichkeit Mitglieder eines alten Fürstengeschlechts der Inselbewohner waren. K. GOLDHAMMER, Art. Euhemerismus, RGG3 2 (1958), Sp. 731. Diese Sterblichen seien wegen ihrer außergewöhnlichen Verdienste um die menschliche Zivilisation vergöttlicht worden. Eine Zusammenfassung von Euhemeros ~Iera. VAnagrafh, (Sacra historia) ist in der „Historischen Bibliothek“ des Diodorus Siculus erhalten. Außer einigen Fragmenten ist das Werk verloren gegangen. Dieser „utopische Roman“, wie das Werk bezeichnet wird, steht gewiss in Verbindung mit der Praxis der Vergöttlichung von Herrschern. M. FUSILLO, Art. Euhemeros, DNP 4, (1998), Sp. 235–236. 5 Vgl. B. PONGRATZ-LEISTEN, Art. Gottkönigtum, DNP 4 (1998), 1167. 2
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Die Apotheose in der antiken Welt
Kosmos und Totenreich stiftete die ägyptische Religion. Seit frühen Zeiten galt in Ägypten der Königsthron als Thron des Himmelsgottes Horus und der regierende König als die Verkörperung des Horus auf Erden.6 Mit dem Übergang vom 3. zum 2. Jahrtausend v.Chr. entwickelte sich die ägyptische Religion zum staatlich organisierten Götter- und Totenkult. Seit der 5. Dynastie (etwa 2500–2300 v.Chr.) setzte sich die Vorstellung von der Gottessohnschaft des Königs durch. Vom Sonnen- und Schöpfergott Re dachte man, dass er den König auf der Erde für immer und ewig eingesetzt hat, um Ordnung, Wahrheit und Gerechtigkeit zu verwirklichen.7 Ab der 4. Dynastie (2570–2450 v.Chr.) trugen die ägyptischen Herrscher den Titel „Sohn des Re“. Re war der wichtigste Gott des ägyptischen Pantheons und der bedeutendste Kultort der Ägypter lag daher in Heliopolis.8
Auch bei den Babyloniern war das Gottkönigtum bekannt. Es bestand eine untrennbare Verbindung zwischen der Institution des Königtums und den Göttern. Ursprünglich galt der Herrscher als Verwalter des der Gottheit gehörenden Landbesitzes. Seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. war die Vorstellung verbreitet, dass das Königtum durch die Götter eingeführt worden war. Der Herrscher konnte sich auf einen kultisch vollzogenen Legitimationsakt seitens der Götter berufen. Während der Herrscher im Kult das Gemeinwesen gegenüber den Göttern vertrat, gewährten ihm die Götter ihrerseits Wohlergehen für das Land. Das Zusammenwirken von Gott und König wurde im jährlichen Neujahrsfest gefeiert.9 Während die Könige der Hethiter erst nach ihrem Tode vergöttlicht wurden und Ahnenopfer empfingen, identifizierten sich die Könige von Akkad schon zu Lebzeiten mit dem Stadtgott.10 Für die Entwicklung der Herrscherapotheose bei den Griechen war das Einströmen orientalischer Kulte und Anschauungen von großer Bedeutung. Obwohl man nicht genau weiß, ob die Griechen zum Herrscherkult ursprünglich „aus eigenem Antrieb oder durch Vermittlung aus dem Vorderen Orient“ kamen,11 wirkten bei der Entstehung von Apotheosevorstellungen und Herrscherkult die Bevölkerungsbewegungen in den hellenistischen Reichen, die Ehrfurcht der Griechen vor der uralten Weisheit des Ostens und politische Einflüsse zusammen.12 Die Königsideologie hellenistischer Dynastien wurde z.B. vom iranischen Herrschercharisma geprägt.13 Der
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Vgl. H. FELBER, Art. Horus, DNP 5 (1998), 742–743, 742. Vgl. J. ASSMANN, Art. Religion III. Ägypten, DNP 10 (2001), 895–897, 895. 8 Vgl. J. QUACK, Art. Re, DNP 10 (2001), 801–802, 801. 9 Vgl. J. RENGER, Art. Religion II. Mesopotamien, DNP 10 (2001), 891–894, 893. 10 Vgl. K. WEGENAST, Apotheosis, 459. 11 Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 20. 12 Vgl. O. GIGON, Art. I. Griechische Religion, 1A–1E, LAW (1965), 2580–2593, 2592. 13 Vgl. C. COLPE, Art. Religion V. Iran, DNP 10 (2001), 899–901. 7
Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern
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Kult der ägyptischen Mutter- und Schutzgöttin Isis breitete sich in der ganzen hellenistischen Welt aus.14 Der Glaube an ein Fortleben nach dem Tode war in der Antike allgemein. Während sich die Ägypter das ewige Leben ziemlich pragmatisch vorstellten und durch die Idealität ihrer Jenseitsvorstellungen dem irdischen Leben Vorbilder gaben, betonten die Jenseitsvorstellungen der Griechen die Grenze zwischen den sterblichen Menschen und den unsterblichen Göttern. Eine große Bedeutung spielten in ihrem religiösen Denken Zwischenwesen zwischen Menschen und Göttern wie die Nymphen und Heroen, welche die Grenze zwischen den Göttern und Menschen bei Homer undeutlich machten.15 Bei Homer wird für Gott außer Theos (SGQL) auch das Wort Dämon (FCKOYP) gebraucht. Mit Theos wurde eher ein bestimmter, in Mythos und Kult fassbarer Gott gemeint, während der Begriff Dämon mehr die bei einer bestimmten Gelegenheit sich äußernde göttliche Kraft bezeichnete, bei der auf eine Individualisierung des Kraftträgers verzichtet wurde. Später verbreitete sich die Auffassung, dass die Dämonen göttliche Wesen niederen Ranges und als gute oder böse Zwischenwesen Vermittler zwischen Göttern und Sterblichen sind. Daher ergab sich eine absteigende Rangfolge in der Hierarchie: Götter, Dämonen, Menschen.16 Leben und Charakter aller göttlichen Wesen wurden bei den Griechen sehr anschaulich vorgestellt. Hier spielte der im griechischen Denken angelegte Anthropomorphismus eine entscheidende Rolle. Geburtsumstände, Jugend, Heranwachsen, Liebesbeziehungen, physisches Aussehen, Charakter und Lebensart jedes einzelnen Gottes waren in den Erzählungen von göttlichen Wesen ein unentbehrliches Thema.17 Das beste Beispiel für phantasievolle Variationen einer Göttergestalt war der griechische Mythos von Zeus, dem obersten Himmelsgott, dem patriarchalischen ‚Vater der Götter und Menschen‘.18
Für das Verstehen des Phänomens der Vergöttlichung in der griechischen Welt ist wichtig, dass nach den Vorstellungen der Griechen die Götter das Tun der Menschen ergänzten. Die Götter waren nicht allmächtig und wirkten nie als Einbruch eines „Ganz-Anderen“ in die menschliche Welt. Sie heilten Kranke, konnten aber gegen den Tod nichts ausrichten.19 In Dichtung und Philosophie konkretisierte sich diese Grenze im Begriff des Schicksals, das eine unabhängige Macht neben den Göttern darstellte. Gerade diese Be14
Vgl. K. JANSEN-WINKEL, Art. Ägypten, E. Spätzeit, DNP 1 (1996/1999), 160–166, 165. Vgl. K. SCHEFOLD, Art. Orient und Antike, LAW (1965), 2146–2158, 2148. 16 Vgl. S.I. JOHNSTON, Art. Dämonen, V. Griechenland und Rom, DNP 3 (1997/1999), 261–264, 262. 17 Vgl. O. GIGON, Art. Mythos, LAW (1965), 2046–2049, 2047. 18 Vgl. A. HENRICHS, Art. Zeus, I–IV, DNP 12/2 (2002/2003), 782–789, 782. 19 Ausnahmen bestätigen die Regel: Herakles wurde entrückt, Ganymed in die Unsterblichkeit aufgenommen. 15
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Die Apotheose in der antiken Welt
grenztheit der göttlichen Macht ermöglichte die Vielzahl der Götter, die sich in ihrer Verschiedenheit gegenseitig ergänzen sollten. Eigentlich erwarteten die Griechen von einem Gott nur solche Taten, die sich in bestimmten Grenzen der Begreifbarkeit und Glaubwürdigkeit hielten.20 Menschliche und göttliche Fähigkeiten waren somit nach griechischem Denken nicht weit voneinander entfernt. Fast alles Außergewöhnliche unter den Menschen wurde bei den Griechen als Zeichen des Göttlichen verstanden. Und je mehr „göttliche“ Eigenschaften oder Taten ein Mensch hervorbrachte, desto mehr teilte er das Wirkungsgebiet der Götter. Aus diesem Grund war es im Hellenismus kein Problem, einen Menschen als persönliche Inkarnation der Gottheit anzusehen.21 Es gab bei den Griechen sogar eine gewisse „Unbekümmertheit“ bei der Verwendung der Bezeichnungen ‚göttlich‘ (SGKQL) oder ‚göttergleich‘ (KXUQSGQL).22 Diese Einstellung, durch welche bedeutende Tote und schließlich sogar Lebende zu Heroen mit Anspruch auf angemessenen Kult erhoben wurden, schaffte die Voraussetzungen für den griechischen Herrscherkult,23 der sich im Hellenismus entwickelte. In Bezug auf Herrscherkult und Apotheose auf der staatlichen Ebene ist wichtig, dass die religiösen Ordnungen mit Staat und Gesellschaft in der Antike aufs engste verknüpft waren. Die Verehrung der Götter und später der göttlichen Herrscher war Sache der ganzen Gemeinschaft, eines Stammes, Sippenverbandes oder der Polis.24 Während dem persönlichen Glauben eine ziemlich große Freiheit gelassen wurde, erwartete man in der Öffentlichkeit vom einzelnen Menschen eine Frömmigkeit (GWXUGDGKC), die korrektes Verhalten gegenüber den ererbten Göttern der Gemeinschaft (Theoi Patrioi) zum Ausdruck brachte.25 In der Regel hatte jede griechische Polis der historischen Zeit einen Gott (Athen z.B. Athene) oder einen Heros als Schutzpatron, der häufig auch als mythischer Stadtgründer oder König der Vorzeit galt. Die griechische Religion war daher an die Polis als die grundlegende soziale Gemeinde lokal gebunden.26 Ein guter Patriot musste sich nach Kräften an Opfern, Festen und Tempelbauten beteiligen. Auch politische Aktionen wurden daher gern unter Berufung auf die Götter unternommen. Diese Art der Religionsausübung ließ pragmatische Motive immer wieder in den Vordergrund treten und forderte nicht selten religiöse Gleichgültigkeit, andererseits aber auch Kritik und Spott heraus, was wiederum zu einer Reihe von Religionsprozessen führte.27
20 21 22 23 24 25 26 27
Vgl. O. GIGON, Religion, 2585–2586. Vgl. K.-H. ROLOFF, Art. Epiphanie, LAW (1965), 837. Vgl. O. GIGON, Religion, 2592. Vgl. ebd., 2593. Vgl. K.-H. ROLOFF, Art. Staatsreligion, LAW (1965), 2875. Vgl. ebd., 2875. Vgl. CH.AUFFARTH, Art. Religion VIII. Griechenland, DNP 10 (2001), 903–910, 906. Vgl. K.-H. ROLOFF, Staatsreligion, 2875.
Die Einstellung zur Apotheose bei Griechen und Römern
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Einer der Ausgangspunkte des Herrscherkultes lag im Heroenkult der Griechen. Ursprünglich gehörten zu den Heroen nur Götter, später, ab dem 5. Jh. v.Chr. wurden auch historische Personen zu Heroen, verdiente Bürger, für das Vaterland Gefallene, Feldherren, große Wohltäter, Könige heroisierte man nach ihrem Tod. In Griechenland und in seinen Kolonien gehörten auch Staatsmänner, besonders die Gründer von Städten manchmal bereits zu Lebzeiten zu dieser Gruppe. Es war eine der Besonderheiten der hellenistischen Zeit, dass auch das Bewusstsein für den Unterschied zwischen Heroen und Göttern schwand. Selbst die lebenden Herrscher konnten als Götter verehrt werden. Allgemein üblich war die Heroisierung der Toten in der Spätzeit. Fast jeder Tote wurde Heros genannt.28 Da die Heroen eine Zwischen- oder Mittlerposition einnahmen, rief man in persönlichen Nöten gerade sie um Hilfe an, weil sie den einfachen Menschen näher standen als die vornehmen olympischen Götter.29 Der beliebteste und prominenteste Heros der Griechen war Herakles, der Prototyp männlicher Kraft und herrscherlicher Tugend. In lokalen Mythen erscheint Herakles als Begründer einer königlichen Genealogie (Hdt. 1,7; 8,131).30 Unter anderem kommt im griechischen Mythos von Herakles das später für den römischen Kaiserkult besonders wichtige Motiv der Himmelfahrt vor: Auf dem Berg Oita steigt Herakles in einer Wolke vom Scheiterhaufen zum Olymp, wo er unter die Unsterblichen aufgenommen wird (Cic.Tusc. 2,20).31
So führte der Weg zum Herrscherkult bei den Griechen über die Vermischung des Sagenhaften mit dem Realen. In der minoischen, mykenischen und frühgriechischen Zeit gab es noch keinen richtigen Herrscherkult. Es waren die Dichter, welche die Könige als Göttersöhne feierten oder sie mit Göttern verglichen.32 Erst mit dem Spartaner Lysander 404/403 v.Chr. begann die überlieferte Geschichte der Vergöttlichung realer Menschen. Auf Samos wurde Lysander wie ein Gott (mit Altar, Opfer, Päanen) verehrt.33 Von Lysander (vielleicht um 455 v.Chr. geboren), dem Feldherrn der Spartaner, ist in der Geschichte der Insel und der Stadt Samos geschrieben, dass er der erste Grieche war, dem die Städte Altäre errichteten und Opfer darbrachten wie einem Gott, und der erste, auf den religiöse Lieder gesungen wurden (Plut.Lys. 18,3f).34 Die Gründe für göttliche Ehrungen sind hier im politischen Bereich zu suchen. Lysander hatte wichtige Siege über Athen in der Endphase des Peloponnesischen Kriegs (um 407–404) errungen und hatte die ins Exil gegangenen Vertreter der herrschenden Oberschicht 28
Vgl. K.-H. ROLOFF, Art. Heroenkult, LAW (1965), 1282–1283, 1283. Vgl. F. GRAF, Art. Heroenkult, DNP 5 (1998), 476–480, 477. 30 Vgl. F. GRAF, Art. Herakles [I], DNP 5 (1998), 387–392, 390. 31 Vgl. H. SICHTERMANN, Art. Herakles, LAW (1965), 1258–1262, 1261. 32 Vgl. C.J. CLASSEN, Art. Herrscherkult, LAW (1965), 1284–1285, 1284. 33 Vgl. O. GIGON, Religion, 2593. 34 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt des Urchristentums, Stuttgart/Berlin/Köln 1996, 19. 29
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Die Apotheose in der antiken Welt
wieder in ihre Heimat zurückgeführt. Da das Helfen und das Retten als Grundfunktionen des Göttlichen verstanden wurden, war es kein Wunder, dass in einem Feldherrn die Manifestation göttlicher Macht erkannt wurde und es zur Apotheose kam. Ursprünglich ist Vergöttlichung aus der spontanen Dankbarkeit von Menschen entstanden, die in hoffnungsloser Lage „Rettung“ erfahren haben.35
Mit dem Beinamen SotƝr wurden bei den Griechen ursprünglich die Götter bezeichnet, von denen in höchster Not, wie Krankheit, Geburt oder Seenot Hilfe erwartet wurde. Als SotƝr galten Asklepios, Artemis, die beiden Dioskuren und besonders Zeus.36 Als das alte mythische Motiv von den rettenden Göttern in Menschengestalt auf historische Personen angewandt wurde, zeigte sich das im Beinamen SotƝr für Personen, die eine Polis, ein Land oder viele Menschen auf einmal unter besonderen Umständen gerettet hatten.37 Gute Beispiele dafür sind die göttliche Ehrung des Ptolemaios I., Antigonos I. und des Feldherrn Demetrius Poliorketes, der die Stadt Athen im Jahre 307 v.Chr. von einer tyrannischen Herrschaft und von der makedonischen Besatzung befreite.38 Ptolemaios I. SotƝr (geb. um 367/366 v.Chr.) war Freund und Leibwächter Alexanders des Großen. Nach dem Tod Alexanders wurde er 323 zum Satrapen von Ägypten ernannt. Die Rettung der Rhodier aus der Belagerung durch Demetrios brachte ihm göttliche Verehrung als ‚Soter‘ ein.39 Vielleicht entwickelte sich aus diesem Beinamen der Kult des SGQL 5YVJT Ptolemaios bzw. der SGQK 5YVJTGL Ptolemaios I. und Berenike.40 Antigonos I. (ca. 382–301 v.Chr.), Kommandeur der griechischen Hopliten unter Alexander dem Großen und Satrap von Großphrygien, bemühte sich als Vorkämpfer der griechischen ‚Freiheit‘ um die Wiedervereinigung des Reiches in seiner Hand.41 Seinen Sohn, den Feldherrn Demetrios Poliorketes (geb. etwa 336), sandte er zur ‚Befreiung‘ Athens, das ihm mit göttlichen Ehren dankte. Das war die erste spontane Vergottung eines Menschen durch Griechen in Europa.42
35
Vgl. D. ZELLER, Christus, 110. Vgl. K. ZIMMERMANN, Art. Soter, DNP 11 (2001), 752–753, 752. 37 Vgl. ebd., 752. Es ist zu beachten, dass die Initiative der Vergöttlichung ursprünglich nicht von den Herrschern oder Wohltätern ausging, sondern von der Seite der Empfänger oder potentiellen Empfänger von Rettung oder Hilfe. Bei der Idee der Vergöttlichung von Menschen bei den Griechen ging es nicht so sehr um die Unsterblichkeit der Vergöttlichten, als vielmehr um deren Bereitschaft, Gebete zu erhören und um ihre Kraft, zu helfen. A. CHANIOTIS, The Divinity of Hellenistic Rulers, in: A. Erskine (Hg.), A Companion to the Hellenistic World, Nalsen, Mass.: Blackwell 2003, 431–445, 432–433. 38 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 21. 39 Vgl. W. AMELING, Art. Ptolemaios I., Soter, DNP 10 (2001), 531–533, 531. 40 Vgl. K. ZIMMERMANN, Soter, 752. 41 Vgl. E. BADIAN, Art. Antigonos [1, Monophtalmos], DNP 1 (1996/1999), 752–753, 752. 42 Vgl. E. BADIAN, Art. Demetrios Poliorketes, DNP 3 (1997/1999), 428–429, 428. 36
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Die Begriffe Retter (UYVJT) und Wohltäter (GWXGTIGVJL) standen sehr nah beieinander. Sowohl im Heroenkult als auch im Herrscherkult wurden die Ehrungen, auch die der Apotheose, oft als Dank für bestimmte Wohltaten verstanden.43 Man verhielt sich nach dem Motto „Wohltaten gegen Ehrungen“.44 Die hellenistischen Herrscher fanden es wichtig, den Beinamen ‚Euergetes‘ zu erwerben. Als gerechte, menschenfreundliche Wohltäter wollten sie den Forderungen der Philosophen, besonders der Stoiker, nach einer aufgeklärten Monarchie im Sinne der Philanthropie entsprechen.45 Ein besonderer Abschnitt in der Geschichte der Vergöttlichung von Menschen bei den Griechen zeichnete sich mit der Person Alexanders des Großen (356–323), des Königs von Makedonien, ab. Er hatte für die damalige Zeit atemberaubende Erfolge für die Griechen gegen die ‚barbarischen‘ Perser errungen und nach der Meinung vieler Zeitgenossen durch sein Wirken in Weltdimensionen die Aufgabe der himmlischen Götter übernommen. 333 schlug Alexander die persische Reichsarmee. 332/331 übernahm er widerstandslos Ägypten und wurde dort zum Pharao gekrönt. 331 stieß er über Euphrat und Tigris weiter vor. Am Ende des griechischen Kreuzzuges gegen die Perser nahm Alexander den persischen Königstitel an. 327 fiel er in Indien ein und erzwang die Huldigung der Fürsten im Pandschab.46 Letztendlich wurde Alexander Beherrscher fast der ganzen damals bekannten Welt und öffnete den Orient der griechischen Kultur, womit das Zeitalter des Hellenismus begann.47
Beim Besuch des Ammonheiligtums in der Wüste von Ägypten wurde Alexander als Sohn von Zeus-Ammon begrüßt und ein Orakel aus Kleinasien bestätigte seine Göttlichkeit.48 Auch wenn die Geburt und die Reise 43 Zu Wohltätern in den griechisch-römischen Quellen vgl. F.W. DANKER, The Endangered Benefactor in Luke-Acts, in: SBL.SPS 20, Chico 1981, 39–48. Er führt als Beispiel mehrere Inschriften an, welche die Dankbarkeit der Stadtbewohner gegenüber einer Person beinhalten, die eine Stadt oder eine bedrohte Gruppe der Gesellschaft durch große Gefahren hindurch beschützt oder gar gerettet hat. Solch eine Person wurde sowohl als euergetƝs als auch anƝr agathos bezeichnet (ebd., 40). Besondere Ehren wurden den Wohltätern erwiesen, welche das eigene Leben für das Leben oder Wohlergehen der anderen riskiert hatten. Solche Fälle haben ihren Widerhall in der Poesie und Rhetorik gefunden, wie z.B. die Geschichte von Alkestis zeigt (ebd., 41). Die Bereitschaft, den höchsten Preis für die Rettung eines anderen zu zahlen, wurde in der antiken Welt als ein Zeichen von aretƝ betrachtet. Es ging um Hochschätzung einer der edelsten Eigenschaften der Menschen (ebd., 43). Auf diesem Hintergrund vertritt F.W. DANKER (ebd., 39) die These, dass Lk das seinerzeit weit verbreitete Modell der griechisch-römischen Wohltäter in Verbindung mit der Gestalt des Gottesknechtes in Jesaja verwandt hat, um die Bedeutung der Person und des Auftretens Jesu seinen Zeitgenossen verständlich zu machen. 44 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 26. 45 Vgl. S. LAUFFER, Art. Sozialpolitik, LAW (1965), 2844–2845, 2844. 46 Vgl. E. BADIAN, Art. Alexander III. der Große, LAW (1965), 106–108, 106. 47 Vgl. E. MEYER, Art. Griechenland III. Geschichte, LAW (1965), 1145–1161, 1156. 48 Vgl. E. BADIAN, Alexandros „der Große“, König von Makedonien, DNP 1 (1996/1999), 468–474, 471.
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Die Apotheose in der antiken Welt
Alexanders zum Tempel des Ammon nach Siwa im Jahre 331 v.Chr. in den Überlieferungen mit recht unglaublichen Legenden umgeben sind, wurde Alexander von seinen Zeitgenossen in der Tat als ein göttlicher Mensch bewundert und verehrt. In Asien war er der Abgott des Heeres und vor den Lydern, Karern und Ägyptern gab er sich als Befreier aus.49 In seinem ganzen Leben wurde Alexander vom Streben nach Macht und einem unmenschlichen Sendungsbewusstsein getrieben. Sehr wahrscheinlich ist, dass er in der Idee vom Gottkönigtum, die er im Osten kennenlernte, ein Instrument seiner Machtpolitik entdeckt hat.50 Auf jeden Fall ist bei ihm eine Tendenz zur Assimilation an die orientalisch-persische Umgebung festzustellen. Alexander und sein Hof trugen teilweise persische Tracht. Da Alexander als Zeussohn und Großkönig auch als Heros anerkannt werden wollte, versuchte er nach 330 auch die Proskynese, die knie- und fußfällige Verehrung des Königs, von den orientalischen Untertanen auf Makedonen und Griechen auszudehnen.51 Die Proskynese (RTQUMWPJUKL) als ein mit einer bestimmten Körperhaltung verbundener Gestus der Verehrung wurde in der griechisch-römischen Antike ursprünglich nur Gottheiten wie Sonne und Mond, Himmel und Erde erwiesen. Im Alten Orient wurde die Proskynese auch vor Herrschern vollzogen, ohne dass sie damit als göttlich betrachtet wurden. Für Perser niederen Standes und griechische Bittsteller war die Proskynese mit einem Fußfall verbunden (RTQURKRVGKP), für die angesehenen Perser und Hellenen mit einer Verneigung.52 Im Laufe der Zeit wurde die Proskynese zum festen Bestandteil des persischen Hofzeremoniells. Von Griechen wurde die Proskynese nicht zu Unrecht als Symbol des absolutistischen Anspruchs des Herrschers verstanden, das monarchische Ambitionen zu verraten schien. Für die Landsleute Alexanders galt sie daher als Zeichen ‚barbarischer‘ Unterwürfigkeit und als anstößige Neuerung. Der Versuch Alexanders, die Proskynese als Hofzeremoniell nicht nur von Orientalen, sondern auch von Griechen und Makedonen zu fordern, stieß auf heftigen Widerstand.53 Die erste Inszenierung der Proskynese bei einem Gastmahl misslang. Der griechische Geschichtsschreiber und Hofhistoriker des Alexanderzuges Kallisthenes von Olynthos, Großneffe des Aristoteles, distanzierte sich, und die Makedonen lachten über den Fußfall. Alexander musste seinen Plan aufgeben.54 Kallisthenes wurde wegen seiner Opposition gegen 49
Vgl. E. BADIAN, Alexander, 107. Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 29. 51 Vgl. E. BADIAN, Alexandros, 473. 52 Vgl. J. WIESEHÖFER, Art. Proskynesis, DNP 10 (2001), 443–444, 443. 53 Vgl. E. BADIAN, Alexander, 107. Dazu muss man bemerken, dass die Geste der Beugung an sich in der Antike noch keine Vergöttlichung bedeutete. Auch die Juden kannten sie als Zeichen des Flehens, Dankens oder besonderer Ehrerbietung (L.W. HURTADO, Lord Jesus Christ, 38). Zum Problem wurde sie für Juden als ein Teil des Zeremoniells vor den Herrschern, weil dadurch eine symbolische Aussage über deren gottähnliches Wesen zum Ausdruck kam. 54 Vgl. E. BADIAN, Alexandros, 473. 50
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die Proskynese im Zusammenhang mit der Verschwörung der Pagen, die Kallisthenes zum Unterricht anvertraut waren, hingerichtet.55
Die Vergöttlichung Alexanders hatte mehrere Gründe. Ein wichtiger Grund lag in seiner Persönlichkeit: Er wurde von einem starken Größen- oder Selbstbehauptungswahn getrieben, besonders am Ende seines Lebens. Alexander hatte sich lange Zeit als Sohn Ammons ausgegeben, bis er schließlich 324 die Griechen aufforderte, ihn als Gott zu verehren.56 Er soll einen Feldzug nach Arabien vorbereitet haben, weil die Araber ihn nicht als Gott anerkennen wollten.57 Schon zu seinen Lebzeiten gab es in verschiedenen griechischen Städten Kleinasiens eine kultische Verehrung Alexanders. Dazu gehörte auch ein Alexandertempel in Ephesus. In vielem waren diese Ehrungen dem schon bekannten Wohltäterkult ähnlich. Alexander galt als derjenige, der die Griechen Kleinasiens 334/33 v.Chr. vom persischen Joch befreit hatte. 324 v.Chr. wurde in Sparta und Athen offiziell darüber diskutiert, ob man Alexander vergöttlichen solle. Das Besondere war in diesem Fall, dass Alexander wahrscheinlich selber den Wunsch nach göttlicher Verehrung übermittelt hatte.58
Unverkennbar ist, dass in den göttlichen Ehrungen gegenüber Alexander die Unterwerfung der unabhängigen Städte ihren Ausdruck fand. Nicht zufällig verbreitete sich der Herrscherkult vor allem in den eroberten Reichen. Gerade dort forderte Alexander mit Erfolg die Anerkennung seiner Göttlichkeit. So wirkten bei seiner Vergöttlichung der Eindruck seiner einmaligen Leistung und sein hochgesteigertes Selbstbewusststein, dazu die teils echte, teils berechnende Unterwürfigkeit der griechischen Staaten und die besonderen Voraussetzungen in der Religion des eroberten Ägypten zusammen.59 Auf jeden Fall wurde Alexander so zum Vorläufer des hellenistisch-römischen Herrscher- und Kaiserkults. Ferner haben die Diadochen von den griechischen Poleis kultische Verehrung gefordert und erhalten.60 Die Ptolemäer und Seleukiden führten den zentral organisierten Staatskult ein. Bei ihnen wurde schon die ganze Dynastie, verstorbene und lebende Könige und ihre Familien, auf Initiative von oben an eigens dazu erbauten Heiligtümern mit besonderer Priesterschaft verehrt.61
55 56 57 58 59 60 61
Vgl. E. BADIAN, Art. Kallisthenes, DNP 6 (1999), 203–204, 204. Vgl. E. BADIAN, Alexander, 108. Vgl. E. BADIAN, Alexandros, 474. Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 34. Vgl. O. GIGON, Religion, 2593. Vgl. ebd., 2593. Vgl. D. ZELLER, Christus, 111.
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Die Apotheose in der antiken Welt
Der Staatskult der toten Herrscher im Seleukidenreich wurde von Antiochos I. eingeführt.62 In vielen Städten verehrte man die Seleukiden kultisch und versetzte sie nach ihrem Tod offiziell unter die Götter. Bei den Ptolemäern, der Diadochendynastie in Ägypten 323–30 v.Chr., wurden die toten und lebenden Könige seit Ptolemaios II. göttlich verehrt.63 Der Königskult ging bei den Ptolemäern am weitesten. Das hing gewiss mit der Tradition der ägyptischen Herrscherverehrung zusammen, doch darf die orientalische Komponente (wie bei den Seleukiden) nicht überschätzt werden: Es ging auch bei den Ptolemäern primär um ein griechisches Phänomen.64
Bei den Griechen wurden aber nicht nur Vertreter der politischen Macht mit einer religiösen Aura umgeben. Göttliche Kraft konnte sich auch in Philosophen, Dichtern, Sehern, Ärzten und Wundermännern manifestieren. Als charismatischer Lehrer, Naturphilosoph und Redner schien Pythagoras aus Samos (geb. um 570) für viele seiner Zeitgenossen einen Zwischenstatus zwischen Mensch und Gott zu haben. In Kroton (Süditalien) gründete er eine religiösphilosophische Gemeinschaft. Pythagoras betrachtete sich selbst als einen vorübergehend in eine irdische Existenz hinabgesunkenen Gott. Bei seinen Anhängern und Schülern genoss er nahezu göttliche Verehrung und wurde von manchen als Inkarnation des Apollon betrachtet.65 Es gab auch die Vorstellung, dass Phythagoras Menschengestalt nur deswegen angenommen hatte, damit die Mitmenschen nicht durch seine Überlegenheit erschreckt und verwirrt würden. Seine Aufgabe in dieser Welt war, Menschen zu heilen und ihnen Gutes zu tun.66 Der wichtigste Heilheros war für die Griechen der Arzt Asklepios. Man kann nicht mehr sicher sagen, ob hinter dieser Gestalt ursprünglich eine reale Person gestanden hat. Auf jeden Fall hat der Mythos ihn zum Heroen gemacht.67 Durch seine wachsende Verehrung wurde aus dem Heros Asklepios ein Gott, den die Ikonographie als einen bärtigen Heiler dem Zeus annäherte.68
Bei den Geschichten von charismatischen Lehrern, Ärzten und Wundertätern zeigt sich am deutlichsten die Überzeugung der Griechen, dass ihre Götter persönlich erscheinen können. Meist erschienen sie den Menschen unerkannt. Entweder waren sie dann an kleinen Einzelheiten zu erkennen oder sie offenbarten sich einzelnen Auserwählten. Auch Fremde konnten unerkannte Götter sein.69 Die Legenden von Asklepios, Pan und den Dioskuren berichten phantasievoll davon, wie Götter – meist helfend oder mah62
Vgl. H.H. SCHMITT, Art. Seleukidenreich, LAW (1965), 2761–2762, 2761. Vgl. H.H. SCHMITT, Art. Hellenistische und römische Zeit, Ägypten, II, A, LAW (1965), 39–40, 39. 64 Vgl. O. GIGON, Religion, 2593. 65 Vgl. CH.RIEDWEG, Art. Pythagoras, [2], DNP 10 (2001), 649–653, 650. 66 Vgl. D. ZELLER, Christus, 97. 67 Vgl. F. GRAF, Art. Asklepios I. Religion, DNP 2 (1997/1999), 94–99, 95. 68 Vgl. ebd., 96. 69 Vgl. F. GRAF, Art. Epiphanie, DNP 3 (1997/1999), 1150–1152, 1151. 63
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nend – den Menschen erschienen waren. Viele periodisch gefeierten Feste bei den Griechen waren mit ihrem Glauben an die alljährliche persönliche Wiederkehr bestimmter Gottheiten (Epidemia) verbunden.70 Zusammenfassend kann man sagen, dass in der Geschichte der Apotheose bei den Griechen eine eigene Entwicklung zu sehen ist. Die griechischen Beinamen wie ‚Retter‘ (UYVJT), ‚Sieger‘ (PKMCVYT), ‚Wohltäter‘ (GWXGTIGVJL), ‚sichtbarer Gott‘ (SGQL GXRKHCPJL) für herausragende Persönlichkeiten wiesen schon früh auf die Gottheit ihres Trägers und die Dankbarkeit der geretteten Personen hin. Allmählich bekam die Verehrung der großen Persönlichkeiten eine kultische Umrahmung mit Tempeln, Altären, ständigen, eponymen Priestertümern und Benennung von Festen und Monaten nach dem vergotteten Herrscher. Vom 2. Jh. v.Chr. an begann der griechische Herrscherkult auf römische Wohltäter der Griechen überzugehen, schließlich auch auf die römischen Kaiser. Besonders im griechischen Osten sah der Kaiserkult wie die Fortsetzung des hellenistischen Königskultes aus. Aus der heutigen Perspektive gesehen, stellt die Apotheose bei den Griechen insgesamt eine Mischung von echter Bewunderung ungewöhnlicher Taten und Macht mit politischer Berechnung dar.71 Im Unterschied zur Religion der Griechen mit ihren vielen lokalen PolisKulten war die römische Religion die Religion eines einzigen Staates und seiner Bürger.72 Die imperiale Politik der einen Stadt Rom und ihre Religion gingen hier „Hand in Hand“, weil die politische Gemeinschaft wie überall in der Antike gleichzeitig auch Kultgemeinschaft war. Für die Römer bedeutete Religion die Verpflichtung, „das Band, das Menschen und Götter vereinte“, zu erhalten und die Riten gewissenhaft auszuführen.73 Das Verhältnis zwischen den Menschen und Göttern stellten sie sich nach dem Muster des Verhältnisses zwischen Patron und Klient vor. Beide Seiten sollten ihre Verpflichtungen getreulich einhalten: Die Menschen widmeten den Göttern den ihnen gebührenden Kult im Vertrauen darauf, dass sie ihrerseits Schutz gewähren würden. Eine Besonderheit der römischen im Unterschied zur griechischen Religion war, dass die Römer weniger geneigt waren, sich ihre Gottheiten in menschlicher Gestalt vorzustellen. Die Erfah70
Vgl. K.-H. ROLOFF, Epiphanie, 837. Vgl. O. GIGON, Religion, 2593. Dabei muss beachtet werden, dass in der Antike eine Trennung von Religion und Politik undenkbar war. P.A. HARLAND, Honours and Worship: Emperors, Imperial Cults and Associations at Ephesus (First to Third Centuries C.E.), SR 25/3 (1996), 319– 334, 322, betont mit Recht, dass es im Kaiserkult nicht nur um politische oder religiöse Absichten ging. Soziologische, religiöse, ökonomische und politische Aspekte waren eng ineinander verwickelt. Er führt mehrere Beispiele kleiner gesellschaftlicher Gruppen in Kleinasien an, bei denen der Kaiserkult eine wichtige Rolle für ihr Selbstverständnis und ihre Selbstdefinition gespielt hat (ebd., 328). 72 Vgl. O. GIGON, Art. II. Römische Religion, A, LAW (1965), 2598. 73 Vgl. H. LE BONNIEC, Art. II. Römische Religion, B-E, LAW (1965), 2598–2607, 2599. 71
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rung eines neutralen göttlichen Waltens, eines numen, lag ihrer Religion zugrunde. Ihre nicht allzu umfangreiche Mythologie hatten sie von den Griechen entliehen.74 In der Zeit, als mit Kaiser Augustus die Geschichte der römischen Kaiser begann, hatte der Glaube an die überlieferten Götter etwas von seiner Bindungskraft verloren. Eine besondere Anziehung übten dagegen die fremden orientalischen Mysterienreligionen aus. Kaiser Augustus wollte zwar durch Wiederbelebung altrömischer Religion und Hinweis auf den schicksalhaften Aufstieg des römischen Volkes die römische Gesellschaft erneuern. Seit seiner Wahl zum pontifex maximus im Jahre 12 v.Chr. leitete er das Sakralwesen des Staates.75 Auf seiner Seite hatte er Livius, Horaz und Vergil, welche in der Literatur das Sendungsbewusstsein Roms zum Ausdruck brachten.76 Der Versuch des Augustus, die nationale Religion zu erneuern, war aber trotzdem nicht besonders erfolgreich. Zur Kaiserzeit wurden Römer massenhaft Anhänger der orientalischen Gottheiten.77 Zu einem der populärsten ägyptischen Kulte im Römischen Reich wurde der Kult der ‚Gottesmutter‘ Isis. Dieser Kult kam schon in der Zeit Sullas nach Rom. Die Einstellung der römischen Kaiser zu den fremden Kulten war unterschiedlich. Während in der Regierungszeit Caligulas der Isis-Kult anerkannt war und auch Domitian große Isis-Tempel baute, wurde unter Augustus und Tiberius der Isis-Kult offiziell verboten.78 Trotzdem kann man die Haltung Roms der ägyptischen Religion gegenüber insgesamt als tolerant bezeichnen.79 Auch die ägyptische Priesterschaft ehrte ihrerseits die römischen Kaiser ohne Probleme ebenso wie früher die Pharaonen und die Ptolemäer.
Neben dem Einfluss der ägyptischen Religionen war bei den Römern der Einfluss der griechischen Religion von größter Bedeutung. Es ist denkbar, dass ihr Kaiserkult vor allem durch diesen Einfluss bestimmt war, auch wenn bei den Römern unabhängig davon ähnliche Vorstellungen verbreitet waren. Die Römer hatten immer geglaubt, dass es etwas Unsterbliches in jedem Menschen gibt. Die Lebenskraft eines Menschen wurde bei ihnen seit frühen Zeiten als genius wie eine Schutzgottheit verehrt.80 Die Legenden von der Göttlichkeit des Scipio Africanus, die man „als Stationen auf dem Weg zur Vergöttlichung eines lebenden Menschen ansehen kann“, 74
Vgl. ebd., 2599. Vgl. H. BELLEN, Art. Princeps, LAW (1965), 2434–2436, 2435. 76 Vgl. H. VOLKMANN, Art. Rom, I D [1]-F, LAW (1965), 2638–2649, 2642. 77 Vgl. H. LE BONNIEC, Römische Religion, 2604. 78 Vgl. M. HAASE/S.A. TAKACS, Art. Isis II. Griechenland und Rom, DNP 5 (1998), 1126–1132, 1130. 79 Vgl. J.W. BARNS, Art. Ägypten. Hellenistische und römische Zeit, B, LAW (1965), 40–42, 41. 80 Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 41. 75
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zeigen, dass dabei das griechische Vorbild von Alexander auf einen Römer übertragen wurde.81 So scheinen auch beim Kaiserkult mehrere Merkmale auf eine Übertragung griechischer religiöser Vorstellungen hinzudeuten. Der römische Herrscherkult bzw. der Kaiserkult entwickelte sich zwar unter dem Einfluss der fremden Religionen, hat sich aber in einem solchen Maße entfaltet, dass er das Römische Reich für lange Zeit bestimmte. Die Geschichte des Römischen Reiches kann in drei Entwicklungsstufen eingeteilt werden: „Im 1. Jh. begann die Gesundung des Kaiserreiches, im zweiten erlebte es seine größte Macht und Blüte, im dritten drohte es in einer Krise zu zerfallen.“82 Es gab innerhalb dieser drei Jahrhunderte drei Kaisergruppen – (1) die Kaiser des julisch-claudischen Kaiserhauses (27 v.Chr. – 68 n.Chr.) und des flavischen Kaiserhauses (69–96), (2) die Adoptivkaiser (96–193) und (3) die Soldatenkaiser (193–284).83 Da die Entstehung des lk Doppelwerkes mit dem 1. Jh. verbunden ist, konzentrieren wir uns in der vorliegenden Arbeit auf die Betrachtung der Apotheose der Kaiser des julischclaudischen und des flavischen Kaiserhauses. Trotz strikter Ablehnung der Monarchie begann mit Octavian, dem Begründer des julisch-claudischen Kaiserhauses, der am 16. Januar 27 den kultischen Ehrennamen Augustus erwarb, die monarchische Führung der Republik durch den ersten Bürger (princeps civium). Obwohl es eigentlich dem Wesen des Prinzipats als Rechtsordnung widersprach, dass der princeps als primus inter pares sich als Gott verehren ließ und die dynastische Erbfolge durchzusetzen suchte,84 wurde mit Augustus der Grundstein für die Entwicklung des römischen Kaiserkultes gelegt. Weil er Nachfolger des postmortal vergöttlichten Caesars war, galt er als Divi filius. Er hatte die Vollmachten eines Imperators und überragte dazu alle Zeitgenossen durch Besitz und auctoritas.85 Als Divi filius wurde Augustus der göttlichen Sphäre angenähert.86 Hier sei darauf hingewiesen, dass bei den Römern ursprünglich nur einzelne Provinzialbeamte zusammen mit der Dea Roma verehrt wurden. Cae81
Vgl. ebd., 42. Vgl. H. VOLKMANN, Rom, 2641. 83 Vgl. ebd., 2641. 84 Vgl. L. DE LIBERO, Art. Princeps, DNP 10 (2001), 328–331, 330. 85 Vgl. H. VOLKMANN, Rom, 2641. 86 Vgl. H. BELLEN, Princeps, 2435. Um die Vergöttlichung der Kaiser im römischen Reich zu verstehen, ist es wichtig zu beachten, dass der Kaiserkult entsprechend den Zeremonien für Gottheiten gestaltet wurde, wie es S.R.F. PRICE in „Gods and Emperors: The Greek Language of the Roman Imperial Cult“, JHS 104 (1984), 79–95, beschreibt. Die Bilder der Kaiser wurden mit den Namen der bekannten Götter versehen. Es wurde den Kaisern geopfert wie Göttern. Die Kaiser wurden theos (Gott) genannt und der Kult diente dazu, den Kaisern gegenüber eusebeia (Ehrfurcht) zu erweisen. Vgl. S.J. FRIESEN, Twice Neokoros. Ephesus, Asia and the Cult of the Flavian Imperial Family, in: Religions in the Graeco-Roman World, Bd. 116, Leiden 1993, 146. 82
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sar war der erste Römer, der zu Lebzeiten Ehren wie ein Gott erhielt und nach dem Tode vom Volk und dann vom Senat als Gott anerkannt und zum Divus Iulius87 mit eigenen Priestern (flamines) erhoben wurde. Man glaubte, dass seine Seele nach der Aufnahme durch die Himmelsgötter sich als Komet gezeigt habe. Im Allgemeinen bedeutete Apotheose im Römischen Reich auch weiterhin die offizielle Anerkennung der Vergöttlichung eines verstorbenen Kaisers. Als Urbild aller Apotheosen galt der Aufstieg des Romulus zu den Göttern nach dessen Tod. Im Falle des Kaisers Augustus wurde aber schon ein lebender Mensch im Osten des Reiches als SotƝr gefeiert und nach Vorbild des hellenistischen Herrscherkults verehrt.88 Die Verehrung des Augustus ist wahrscheinlich vom Romkult vorbereitet worden. Der Kult des göttlich verehrten Rom entstand in Kleinasien im 2. Jh. v.Chr. Nicht selten war mit diesem Kult die Verehrung des Senats und des römischen Volkes verbunden. Auch manchen Statthaltern wurden in diesem Zusammenhang göttliche Ehren erwiesen. Augustus verbot die Errichtung seines Tempels in Rom, gestattete sie aber in den Provinzen unter der Bedingung, dass der Kult seiner Person mit dem Romkult verbunden wird. Augustus wollte so ein Symbol für die Vereinigung des Reichsgedankens mit dem Kaisertum schaffen.89 So wie er sich in Rom selbst als Erneurer und Retter der Republik Legitimität verschaffte, so wollte er im Osten durch Formen religiöser Herrscherverehrung die Legitimität seiner Herrschaft sichern. Ähnlich wie Augustus verhielt sich Kaiser Tiberius. Als er in Asien einen Tempel zu seinen und zu Ehren der Livia zu bauen gestattete, ließ er den Kult des Senats, der an die Stelle der Dea Roma trat, mit der kaiserlichen Familie verbinden. Auch hier ist eine gewisse Entwicklung festzustellen. Im Kult des Claudius in Britannien wurde die Verehrung der Dea Roma nicht mehr erwähnt. Nur in den Provinzen wurde der Kult der Roma bis zur Zeit Hadrians gefeiert.90
Eine andere Besonderheit war, dass der neue Kult nicht für die römischen Bürger bestimmt war. Während Augustus 29 v.Chr. den Asiaten in Pergamon und Nikomedia erlaubte, einen Rom und Augustus geweihten Tempel zu erbauen, wurde den Römern von Ephesos und Nikaia nur gestattet, der 87 Der Name Divus Iulius als Bezeichnung eines verstorbenen Kaisers und der Hinweis auf seine Göttlichkeit waren etwas Neues. Divus war ursprünglich eine Form von deus, meinte aber meistens einen Gott, der früher ein Mensch gewesen war. Im Osten wurde divus mit SGQL übersetzt. Schon Kaiser Octavian hat sich selbst öffentlich als Divi filius, Sohn Gottes, bezeichnet. Vgl. A.Y. COLLINS, The Worship of Jesus and the Imperial Cult, in: C.C. Newman/J.R. Davila/G.S. Lewis (Hg.), The Jewish Roots of Christological Monotheism, Supplements to the Jornal for the Study of Judaism 63 (1999), 234–258, 254. 88 Vgl. C.J. CLASSEN, Herrscherkult, 1285. 89 Vgl. H. LE BONNIEC, Art. Romkult, LAW (1965), 2673–2674, 2673. 90 Vgl. ebd., 2674.
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Roma und dem Heros Julius Caesar einen Tempel zu errichten. Vielleicht äußerte sich in dieser Einschränkung in der Anfangszeit des Kaiserkultes die Annahme, dass ein freier römischer Bürger den lebenden Kaiser nicht verehren sollte.91 12 v.Chr. entwickelte Augustus in Rom einen Kult des Genius Augusti mit den Lares (den altrömischen Schutzgeistern) Augusti. Dieser Kult entstand aus den Libationen (altrömischen Trankspenden für Götter und Verstorbene), welche für seinen Genius geopfert wurden, und verbreitete sich allgemein, wurde aber besonders im Heer gepflegt. Dieser Kult gewann eine zentrale Bedeutung für die Stellung jedes weiteren Princeps. Nach seinem Tod wurde Augustus konsekriert und erhielt als Divus einen Kult mit flamines und sodales Augustales. Die offizielle Anerkennung der Vergöttlichung eines verstorbenen Kaisers folgte auch weiter dem für Augustus geschaffenen Zeremoniell. Auf einem Holzstoß wurde die Leiche des Kaisers verbrannt. Danach ließ man von dieser Stelle aus einen Adler frei, der die Seele des Verstorbenen mit sich nehmen sollte. Wichtig war, dass ein Zeuge bestätigte, er habe den Geist des Kaisers in den Himmel steigen gesehen. Darauf sollte der Senat per Dekret den verstorbenen Kaiser als Gott anerkennen. Aufgrund dessen erhielt der Kaiser den Titel divus und konnte Gegenstand eines postumen Kults werden. Die Träger solcher Kulte hießen je nach dem vergöttlichten Kaiser Sodales Augustales, Claudiales, Flaviales u.a.92 Typisch für die Kaiser sollten ihre „Ewigkeit“, „Unbesiegbarkeit“, „Rastlosigkeit“, „Allgegenwart“, „Schönheit“ sein, und sie selbst wurden als göttlich, heilig und himmlisch beschrieben.93
Jedoch wurde im 1. Jh. die Apotheose nicht selbstverständlich für alle Kaiser vorgenommen. Es gab eine gewisse „Verwaltungstradition“, welche auf Grund der alten Vorstellung von der göttlichmachenden Kraft der Tugend und der felicitas die guten Herrscher durch consecratio ehrte und die schlechten durch damnatio memoriae verdammte. Während consecratio im Römischen Reich die kultische Verehrung einer divinisierten Person bedeutete, war damnatio memoriae die Auslöschung der öffentlichen Erinnerung an eine Person, indem ihr Name und ihre Bildnisse aus öffentlichen Inschriften und Bauwerken entfernt wurden. Hinter diesem Verfahren verbarg sich folgende religiöse Anschauung: Die hervorragenden Herrscher kommen wie Heroen aus der Götterwelt und kehren nach dem Tod dorthin zurück. Wenn die göttliche Herkunft durch Erfolg, Wohltaten und Tugenden nicht deutlich genug zum Vorschein kam, geriet die Göttlichkeit der Herrscher in Zweifel.
91 92 93
Vgl. ebd., 2673. Vgl. H. LE BONNIEC, Art. Apotheose, LAW (1965), 227. Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 256–279.
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Über die Apotheose und die damnatio memoriae von Mitgliedern des Kaiserhauses entschied der Senat.94 Aus der Satire „Apocolocyntosis“ Senecas kann man erschließen, dass eine damnatio memoriae nicht immer den tatsächlichen Leistungen und Verdiensten der betroffenen Person entsprach. Politische Konflikte und Machtansprüche beeinflussten die Entscheidung für oder gegen die „Göttlichkeit“ einer Person.95
Erst seit dem Ende des 1. Jh. wurde die Apotheose des toten Kaisers zur fast ausnahmslosen Regel.96 Von Tiberius bis Domitian wurden einzig Claudius, Vespasian und Titus so geehrt.97 Claudius war römischer Kaiser 41–54 n.Chr. Er wurde von den Prätorianern nach der Ermordung des Caligula auf den Thron erhoben. Trotz vieler guter Vorhaben und positiver Resultate seiner Regierung galt Claudius als Kaiser haltlos und skurril. Dennoch wurde er nach seiner Ermordung 54 durch Senatsbeschluss als divus konsekriert, was von Seneca zum Gegenstand einer Satire gemacht wurde. Die Frau des Claudius, Agrippina, wurde zur Priesterin des divus ernannt.98 Vespasian war römischer Kaiser 69–79. Gemeinsam mit Titus feierte er 71 nach der Beendigung des Jüdischen Krieges einen Triumph. Die Leistungen in diesem Krieg verschafften Vespasian die militärische Legitimation der neuen Dynastie, die von ihm vollbrachten Wunderheilungen in Alexandria trugen zu seiner göttlichen Legitimation bei.99 Vespasian selbst war offensichtlich fest vom schicksalhaften Auftrag seines Hauses überzeugt. Die Orientalen verbanden seinen Aufstieg mit alten Vorstellungen vom Retterkönig und einem aus dem Osten kommenden Weltherrscher.100 Titus, der Sohn des Vespasian, war römischer Kaiser 79–81 n.Chr. Seit 70 war er Befehlshaber im Jüdischen Krieg und wirkte bei der Belagerung und Einnahme Jerusalems mit. Während der kurzen Regierungszeit des Titus ereigneten sich im Römischen Reich mehrere Katastrophen: Durch einen Vesuvausbruch wurde 79 Pompeii und Herculaneum zerstört, 80 brachen in Rom ein Großbrand und die Pest aus. Trotz seines autokratischen Verhaltens am Anfang seiner Regierungszeit erwarb Titus 94
Vgl. W. KIERDORF, Art. Senatus III. Kaiserzeit, DNP 11 (2001), 403–405, 404. Vgl. CH. GISEWSKI, Art. Damnatio memoriae I. Historisch, DNP 3 (1997/1999), 299. 96 Vgl. H. LE BONNIEC, Apotheose, 227. 97 Vgl. ebd., 227. Von Kaiser Tiberius ist bekannt, dass er eine abweisende Einstellung gegenüber seiner eigenen Vergöttlichung hatte. Als die Bewohner von Spanien um Erlaubnis baten, einen Tempel für die Verehrung von Tiberius und seiner Mutter zu bauen, habe Tiberius in seiner Rede vor dem Senat gesagt, er sei nur ein Sterblicher, göttliche Verehrung stehe nur Augustus, dem echten Retter der Welt, zu (Tac.ann. IV,37f). Trotzdem breitete sich seine Verehrung im ganzen Reich aus, besonders im Osten. Geduldet wurde sie von Tiberius aus politischen Gründen. D.L. JONES, Christianity and the Roman Imperial Cult, ANRW 23.2, Berlin/New York 1980, 1023–1054, 1025. 98 Vgl. W. ECK, Art. Claudius, Kaiser [III 1], DNP 3 (1997/1999), 22–26, 25. 99 In Bezug auf die „Wundertat“ des Vespasian wird behauptet, dass er nicht als Wundertäter aus eigener Vollmacht aufgetreten sei, nicht als Gottheit, sondern als Repräsentant einer Gottheit. Nach M. CLAUSS, Kaiser, 115, sind das aber nur theoretische Überlegungen. Für die Geheilten und die, welche „aus diesem Vorgang Glauben an den Herrscher und Vertrauen in seine Fähigkeiten generell schöpften“, war Vespasian eine Gottheit. 100 Vgl. K. CHRIST, Art. Vespasian, LAW (1965), 3219–3220. 95
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später allgemeine Verehrung durch großzügige Hilfsaktionen und Milde, was ihm die Bezeichnung amor ac deliciae generis humani bei Sueton (Suet. Titus 1,1) einbrachte.101 Nach seinem Tode 81 n.Chr. ließ ihn sein Bruder Domitian divinisieren.102
Die Apotheose der Kaiser wurde im Römischen Reich nicht blind anerkannt. Am eindrucksvollsten schildert die Skepsis der gebildeten Römer die Satire ‚Apokolokyntosis‘, in der Seneca die Apotheose des Claudius lächerlich macht. Von Vespasian erzählt man, dass er auf dem Sterbebett ironisch erklärt habe, er fühle, wie er zum Gott werde (Suet.Vesp. 23,4).103 Im 1. Jh. ragten nur wenige Kaiser durch maßlose eigene Ansprüche in Bezug auf Vergöttlichung heraus. Das waren Caligula, Nero und Domitian.104 Caligula, der jüngste Sohn des Germanicus, war römischer Kaiser 37–41 n.Chr. Er wurde nach dem Tode des Tiberius auf Betreiben des Prätorianerpräfekten Macro zum Imperator ausgerufen und vom Senat als Augustus anerkannt. Mehr als alle anderen Kaiser verlangte Caligula göttliche Verehrung und überschritt damit viele Grenzen gegenüber Senat und Volk, sowohl in Rom selbst als auch außerhalb. In Rom wurde noch zu Lebzeiten ein Tempel für Caligula eingerichtet. Den Höhepunkt seiner Ansprüche bildete sein Befehl, im Tempel zu Jerusalem seine Kolossalstatue aufzustellen. Von der daraus entstandenen „Caligula-Krise“ wird noch die Rede sein. Nach seiner Ermordung wurden die Anordnungen Caligulas aufgehoben, seine Statuen und Inschriften vernichtet.105 Nero war römischer Kaiser 54–68 n.Chr. Am Anfang seiner Regierungszeit trat Nero als ein vielversprechender Herrscher auf, der durch besonnene Maßnahmen und Verwaltung Akzeptanz erwarb. Später aber wurde seine Regierungszeit durch sein selbstherrliches Verhalten, durch Verbrechen und Verstöße gegen die römischen Traditionen getrübt, die zu größeren Konflikten führten und eine starke Opposition hervorriefen. Nach dem Brand Roms wurden Christen von Nero angeklagt und in den neronischen Gärten hingerichtet. Nero veranlasste die Ermordung seiner Mutter, seiner Frau und mehrerer Mitglieder des Senats. Nach dem Tod Neros beschloss der Senat, dass jede memoria an Nero getilgt werden solle.106 Domitian, der jüngste Sohn des Vespasian, war römischer Kaiser 81–96. In der Reihe der römischen Kaiser ragte er durch seine autokratische Politik hervor. Domitian war bekannt durch die Forderung oder Duldung gesteigerter Ehren, wie z.B. Triumphaltracht im Senat, Liktoren, Statuenerlass, Monatsumbenennungen, die Formel dominus et deus im engeren kaiserlichen Amtsbereich und die Hofpoesie des Martial und Statius. Mit Nachdruck wurde von Domitian ein ihm gewidmeter Kaiserkult erwartet und verlangt. Durch diesen Anspruch gewann Domitian Gegner in der Senatsaristokratie und bei Philosophen, Stoikern und Kynikern. Unter Domitian wurde die Atmo101 102 103 104 105 106
Vgl. W. ECK, Art. Titus, [3], DNP 12/1 (2002), 633–634, 634. Vgl. W. ECK, Art. Domitianus, DNP 3 (1997/1999), 746–750, 746. Vgl. H. LE BONNIEC, Apotheose, 227. Vgl. C.J. CLASSEN, Herrscherkult, 1285. Vgl. W. ECK, Art. Caligula, DNP 2 (1997/1999), 937–939, 939. Vgl. W. ECK, Art. Nero, [1] A-B, DNP 8 (2000), 851–854, 853–854.
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sphäre im Staat durch Majestätsprozesse und verleumderische Anzeigen vergiftet. Nach seinem Tode 96 sprach der Senat über ihn die damnatio memoriae aus. Viele seiner Statuen und Inschriften wurden vernichtet oder auf andere Kaiser umgearbeitet.107
Im Weiteren wird von Domitian und seiner Bedeutung für das lk Doppelwerk ausführlich die Rede sein. Zusammenfassend kann man vom römischen Kaiserkult sagen, dass er im Grunde dem hellenistischen Herrscherkult entsprach. Der Kaiser wurde als eine mit göttlichen Eigenschaften beschenkte und für das Wohlergehen der Gemeinschaft auserwählte Person verehrt. Auch in diesem Fall wurde ein Mensch als Gott oder den Göttern gleichgeachtet angesehen – entweder kraft seiner Stellung oder auf Grund seiner Leistungen. Man darf nicht vergessen, dass auch die römischen Kaiser wie schon die hellenistischen Könige ihre Wohltaten zu präsentieren suchten. Ins römische Denken wurde die hellenistische Philanthropie unter dem Begriff der Humanität (humanitas) eingebürgert, der besonders von Cicero und Seneca verwendet wurde. Die öffentliche Fürsorge war in erster Linie Sache des Kaisers. Es kam zum Ausdruck in den Münzaufschriften, Dankreden und Ehreninschriften der Kaiserzeit. Schon Augustus rühmte sich seiner großen sozialpolitischen Leistungen. Diese Leistungen umfassten vor allem Geld- und Getreidespenden wie auch Landzuweisungen. Die Humanität des Claudius äußerte sich in der Übernahme der Frumentationen durch die kaiserliche Kasse.108 Nerva führte 97 n.Chr. eine Darlehensstiftung (alimentia) zur Versorgung und Erziehung der Kinder mittelloser Bürger ein. Diese Stiftung wurde von Kaiser Trajan weiter ausgebaut. Das Ziel der von Herrschern erwiesenen Humanität, ihres so genannten „Euergetismus“, war neben anderem, bei der Bevölkerung Sozialprestige zu erwerben.109
Auch im Römischen Reich wurden die Kaiser am Anfang des Kaiserkultes erst nach ihrem Tode durch die Zeremonie der Apotheose zu Göttern. In der weiteren Entwicklung des Kultes kam es dazu, dass sie schon bei Lebzeiten als Götter verehrt wurden. Vor allem die östlichen Provinzen wurden so durch eine ihnen vertraute religiöse Form der Loyalitätsbekundung an das Römische Reich gebunden. Die Apotheose zu Lebzeiten setzte sich aber erst mit einer gewissen Verzögerung in Rom selbst durch, wo man lange an 107
Vgl. W. ECK, Domitianus, 747. Vgl. S. LAUFFER, Sozialpolitik, 2845. 109 Vgl. H. SCHNEIDER, Art. Sozialpolitik, DNP 11 (2001), 760–762, 762. Die Frage, ob die Menschen im römischen Reich in den Kaisern wirklich Götter gesehen haben, war in der damaligen Zeit weniger wichtig. S.J. FRIESEN, Twice Neokoros, 152, weist mit Recht darauf hin, dass aus der Perspektive der Zeitgenossen der Kaiserkult nicht so sehr mit der Frage nach der göttlichen Ontologie verbunden war, sondern mit der Frage nach der Organisation des sozialen Lebens. Die Autorität der Kaiser sollte die menschliche Gesellschaft ordnen und die Autorität der Götter sollte die Kaiser beschützen. 108
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der Fiktion festhielt, dass die Staatsform eine Republik war, die von einer Aristokratie Gleichgestellter beherrscht wurde. Zu dieser Entwicklung haben die überall verbreiteten religiösen Vorstellungen von epiphanen Gottheiten und von Manifestationen des Göttlichen in einem Menschen nicht wenig beigetragen. Die Entwicklung des römischen Kaiserkultes darf erst im 3. Jh. als vollendet angesehen werden. In der Endphase der Entwicklung wurde der Kaiser offiziell mit einem bestimmten Gott gleichgesetzt oder unmittelbar verknüpft, wie z.B. Diokletian mit Iovius und Maximian mit Herculus, und das Hofzeremoniell war unter afrikanischem und östlichem Einfluss äußerst prunkvoll ausgebildet worden.110 Die Tatsache, dass der Kaiserkult im Anfangsstadium mit dem Kult der göttlich verehrten Stadt Rom verbunden war, weist darauf hin, dass es ursprünglich um eine Idee und ein Symbol der Einheit des Staates ging. Auch in der weiteren Geschichte wurde Rom als Mittelpunkt des Reiches angesehen und der Kaiserkult durch den Wunsch der Untertanen verstärkt, sich als loyal gegenüber Rom zu erweisen. Die Provinzen des Römischen Reiches versuchten durch das Erbauen der Tempel für den Kaiserkult in anschaulicher Weise ihre Loyalität, aber auch ihre Dankbarkeit gegenüber Kaiser und Reich kundzugeben. Im Fall des römischen Kaiserkultes ging es nicht immer um eine schmeichlerische Gesinnung gegenüber der Macht. Der Kaiser wurde als Symbol der Einheit des Reiches verstanden. Wer ihn verehrte, erkannte damit die Legitimität und wohltätige Wirksamkeit der Regierung an, welche die Pax Romana über die Welt herrschen ließ.111
2.2 Die Einstellung zur Apotheose im Judentum Die Einstellung zur Apotheose im Judentum
Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat zu der mehrheitlich akzeptierten Meinung geführt, dass der Monotheismus im Judentum keine alte Erscheinung ist, wie sie in der Moses-Tradition dargestellt wird.112 Die vorexilische 110 Vgl. C.J. CLASSEN, Herrscherkult, 1285. Dazu H. BRANDT, Geschichte der Römischen Kaiserzeit von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284–363), Berlin 1998, 92–99, Abb. 11 und 12. 111 Vgl. H. LE BONNIEC, Römische Religion, 2605. 112 B. LANG, Monotheismus, 835, spricht von dem Polytheismus im ersten Stadium der israelitischen Religion. Erst im 8. Jh. v.Chr. beginne die ausschließliche Verehrung Jahwes unter kultischer Vernachlässigung aller anderen Götter, die B. LANG als zweite Phase der israelitischen Religion bezeichnet. Nach 586 v.Chr., seit dem Zeitalter des babylonischen Exils, wird die religiöse Literatur nach „orthodoxen“ Maßstäben redigiert, die Spuren der älteren polytheistischen Religion werden verwischt und der Dekalog mit Dtn 5,6–21 wird zur leitenden Lebensregel. Erst in dieser dritten Phase, in Babylonien, wird nach B. LANG, ebd., 837, ein exklusiver Monotheismus vertreten. F. STOLZ, Wesen und Funktion von Monotheismus, EvTh 61 (2001), 172–189, 189, beschreibt den Übergang der israelitischen Religion von polytheistischen Weltdeutungssystemen
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Die Apotheose in der antiken Welt
Religion ist mehr oder weniger polytheistisch gewesen113 und das Gesetz stellt „nicht den Anfangs-, sondern den Endpunkt einer langen religionsgeschichtlichen Entwicklung im antiken Israel dar“.114 Zur Zeit des Hellenismus hatte das Judentum auf jeden Fall einen hochentwickelten Monotheismus. Es war der erste konsequente Monotheismus in der griechisch-römischen Antike. In ihr kamen die Juden aber in Berührung mit der griechischen Philosophie, die einen theoretischen Monotheismus entwickelt hatte. Bei dieser Begegnung mussten die Juden feststellen, dass sich ihr Glaube stark vom Monotheismus der griechischen Philosophen unterschied.115 Deren theoretischer Monotheismus war problemlos mit der polytheistischen Kultpraxis des Volkes zu verbinden. Moses aber war es gelungen, die monotheistische Erkenntnis auch in der Praxis des Volkes in der Anbetung eines einzigen Gottes zu verwirklichen.116 In dem Glaubenbekenntnis „Schema Israel“ mussten sich die frommen Juden jeden Tag ihres Monotheismus vergewissern (Dtn 6,4–9; Dtn 11,13–21; Num 15,37–41).117 Der Monotheismus der griechischen Philosophen, mit dem die Juden ab der hellenistischen Zeit in Berührung kamen, war synthetisch: Hinter vielen Gottheiten wurde ein und derselbe Gott vermutet. Der Monotheismus der Juden war dagegen exklusiv und ausschließlich.118 Die Verehrung des einzigen Gottes bedeutete die Abkehr von allen anderen Göttern (Ex 20,3) und damit die Absage an alle Formen der heidnischen Religion. Die religiöse Synthese der Griechen und die Exklusivität der jüdischen Religion führten in der Begegnung zu Konflikten. Für Juden hieß es, ihr Recht auf die Verehrung des einen und einzigen Gottes, und dadurch ihre nationale Identität um jeden Preis zu bewahren. Für die jeweiligen heidnischen Herrscher hieß es, ihr Recht auf die von ihnen geforderte Ordnung und oft auch auf die Verehrung ihrer Person durchzusetzen. Eine kurze Darstellung der Konflikte soll den Hintergrund des Apotheosethemas im lk Doppelwerk veranschaulichen.
zum exklusiven Monotheismus als „Verlust a) der geographischen Dimension b) der ikonografischen Dimension und c) der sozialen Analogie (von Königshof und göttlichem Hof) d) der Neukonstituierung des religiösen Symbolsystems.“ 113 Vgl. F. STOLZ, Monotheismus, 180. 114 Vgl. J.CH. GERTZ, Mose und die Anfänge der jüdischen Religion, ZThK 99 (2002), 3–20, 4. 115 Vgl. G. THEISSEN/A. MERZ, Der historische Jesus, Göttingen 21997, 126. 116 Das Thema der vorliegenden Arbeit erlaubt nicht, an dieser Stelle ausführlich auf die Frage der Entwicklung der jüdischen Religion einzugehen. Daher bleibt die These von J.CH. GERTZ undiskutiert, dass das alttestamentliche Bild von Mose als dem Gesetzgeber unhistorisch sei und auch nicht am Anfang der alttestamentlichen Mosedeutung stehe (J.CH. GERTZ, Mose, 5). 117 Vgl. G. THEISSEN/A. MERZ, Jesus, 126. 118 Vgl. ebd., 126.
Die Einstellung zur Apotheose im Judentum
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Einer der ersten Konflikte der jüdischen Religion mit den Ansprüchen der hellenistischen Herrscher ist mit dem Namen des seleukidischen Königs Antiochus IV. Epiphanes verbunden. Sein Versuch, Jerusalem zu hellenisieren, löste um 166 v.Chr. den Makkabäeraufstand aus.119 Von ihm berichten sowohl die Makkabäerbücher (vgl. 1 Makk 1,54–59; 2 Makk 6,1–11) als auch Josephus in seinem Werk „Jüdische Altertümer“. Zweimal eroberte Antiochus Jerusalem. Beim ersten Mal haben seine Anhänger ihm die Tore der Stadt geöffnet, so dass er die Stadt ohne Kampf einnehmen konnte. Er tötete viele seiner Gegner, raubte viel Geld und kehrte nach Antiochia zurück. Zwei Jahre später kam Antiochus mit einer großen Heeresmacht wieder. Diesmal nahm er die Stadt mit List ein. Besonders das Gold und die prachtvollen Weihegeschenke des Tempels hatten Antiochus gereizt.120 Josephus berichtet von einer zynischen Entweihung des jüdischen Tempels: „An der Stelle des Altars ließ der König einen anderen errichten, schlachtete Schweine auf demselben und brachte so Opfer dar, die weder gesetzmäßig noch beim Gottesdienste erlaubt waren. Dann zwang er die Juden, die Verehrung ihres Gottes aufzugeben, seine eigenen Götter anzubeten, ihnen in jeder Stadt und in jedem Dorfe Altäre zu erbauen und täglich Schweine zu opfern.“121 Viele Juden kamen damals teils freiwillig, teils aus Furcht vor der angedrohten Strafe den Geboten des Königs nach. Diejenigen, die Widerstand leisteten, wurden gefoltert und hingerichtet, auch lebend ans Kreuz geschlagen.122
Antiochus IV. Epiphanes ließ sich wie alle hellenistischen Herrscher kultisch verehren, aber das war nicht Gegenstand des Konfliktes. Mit seiner Unterstützung versuchte vielmehr eine radikale Reformpartei in Jerusalem, den Tempel in ein Heiligtum des Zeus Olympios zu verwandeln. Sie identifizierten den jüdischen Schöpfergott mit dem höchsten Gott des griechischen Götterpantheons. Ihr Versuch, die traditionelle jüdische Religion an die Götterverehrung der Umwelt anzupassen, wurde von den meisten Juden nicht als Reform ihrer Religion verstanden, sondern als deren Unterdrückung mit Hilfe des seleukidischen Königs. Für diese Juden war der Anspruch des seleukidischen Herrschers, ein Gott zu sein, und sein Eingriff in den Jerusalemer Tempelkult gewiss Ausdruck derselben Hybris: Nach Dan 7,8 redete das kleine Horn (Antiochus) „große Dinge“ (und dazu werden die Juden auch seine Selbstapotheose gezählt haben), nach Dan 7,24 lästerte er den Höchsten und versuchte, Festzeiten und Gesetz zu ändern. 119
Vgl. A. MEHL, Art. Antiochos IV., [6], DNP 1 (1996/1999), 769. Vgl. JOSEPHUS, Ant 12,248–250. FLAVIUS JOSEPHUS, Jüdische Altertümer, übers. v. H. Clementz, Bd. II, Buch XI bis XX, Halle: Hendel, o.J. 121 Vgl. JOSEPHUS, Ant 12,253f (übers. H. CLEMENTZ, Altertümer, XII,5,4). 122 Vgl. JOSEPHUS, Ant 12,251–256. 120
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Sein Beinamen Epiphanes (der „Epiphane Gott“) wurde bald unter Nichtjuden zu Epimanes (der Verrückte, der Rasende) [Polybios 26,1a (10)].123 Die Religionspolitik der Römer war weit toleranter als die des seleukidischen Herrschers Antiochus Epiphanes. Das zeigt sich bei der Auseinandersetzung zwischen der jüdischen Religion und der römischen Staatsmacht, die mit dem Namen des Pompeius (106–48 v.Chr.) verbunden ist, der 63 Judäa besetzte.124 Seitdem die Römer Syrien besaßen, wurde von ihnen die Notwendigkeit erkannt, die Verhältnisse in der Provinz Iudäa zu regeln, auch um die Front gegen Parthien zu befestigen. Pompeius begab sich mit seinem Heer nach Damaskus und intervenierte von dort im Streit der Brüder Hyrkan und Aristobulos um die Macht in Judäa.125 Da das Verhalten des Aristobulos Widerstand befürchten ließ, rückte Pompeius in Iudäa ein. Aristobulos begab sich zu ihm, versprach ihm Geld und freien Eintritt in die Stadt, wenn er nur vom Kriege abließe.126 Die Krieger des Aristobulos gaben jedoch weder Geld noch die Schlüssel der Stadt ab. Erzürnt ließ Pompeius den Aristobulos gefangen nehmen und rückte gegen die Stadt heran. Der Tempel wurde bis zum Letzten verteidigt. Erst nach einem schweren Kampf nahmen die Römer ihn ein. Josephus erzählt, dass Pompeius mit seinen Begleitern in das Innere des Tempels eindrang, aber nichts angerührt habe, weder den goldenen Tisch, noch das Geld im Tempelschatz. Im Gegenteil: Am nächsten Tag befahl Pompeius den Tempeldienern, das Heiligtum zu reinigen, und ließ Gott die vom Gesetz vorgeschriebenen Opfer darbringen. Selbstverständlich verdiente Pompeius sich damit das Lob der Juden, auch des Geschichtsschreibers Josephus, der in seinen „Altertümern“ die Tugend und die Frömmigkeit des Pompeius würdigt.127
Verglichen mit der Religionspolitik des seleukidischen Königs Antiochus IV. Epiphanes war das Vorgehen des Pompeius ein weit geringerer Verstoß gegen die jüdische Religion. Pompeius durchbrach das Verbot für Heiden, den inneren Tempelbezirk zu betreten und maßte sich an, das Allerheiligste zu betreten, was dem Hohepriester nur einmal im Jahr gestattet war. Danach aber sorgte er für die Weiterführung des jüdischen Kultes. Obwohl hier kein Anspruch auf Apotheose erhoben wurde, war das Vorgehen eine Überschreitung der Grenze zwischen Menschen und Gott. In Psalm Salomos 2 wird das Geschick des Pompeius, der 48 v.Chr. in Ägypten umkam, als Strafe Gottes für seine Hybris dargestellt: „Er bedachte nicht, dass er ein 123 Vgl. E. SCHÜRER, A history of the Jewish people in the age of Jesus Christ (175 B.C.–A.D. 135), hg. u. bearb. v. G. Vermes u. F. Millar, Bd. 1, Edinburgh 1973, 147, Anm. 23. 124 Vgl. W. WILL, Art. Pompeius Magnus, Cn., DNP 10 (2001), 99–107, 103. 125 Vgl. F. MILTNER, Art. Cn. Pompeius Magnus, PRE 42 (1952), [Nr. 31], 2062–2211, 2115. 126 Vgl. JOSEPHUS, Ant 14,54f. 127 Vgl. JOSEPHUS, Ant 14,72–74.
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Mensch sei, und er bedachte nicht das Ende. Er sprach: ‚Ich will Herr über Erde und Meer sein‘, und erkannte nicht, dass Gott groß ist.“ (PsSal 2,28f).128 Ein weiterer Konflikt unter Kaiser Tiberius ereignete sich in den Jahren 26–36 n.Chr. während der Prokuratur des Pontius Pilatus in Iudäa.129 In einer Nacht ließ er Feldzeichen mit Bildnissen des Kaisers nach Jerusalem bringen. Da nach dem jüdischen Gesetz solche Bildnisse verboten sind, reagierten die Juden mit Unruhen. In großen Scharen kamen sie in Caesarea zusammen und baten Pilatus, die Bildnisse zu entfernen. Er aber lehnte das ab. Auf der großen Rennbahn ließ er die Juden von bewaffneten Soldaten umzingeln. Als die Soldaten ihre Schwerter entblößten, fielen alle Juden nieder und boten ihre Nacken dar: Sie wollten lieber sterben als ihr Gesetz übertreten. Nach Josephus hat die standhafte Haltung der Juden den Pilatus dermaßen beeindruckt, dass er Befehl gab, die Feldzeichen aus Jerusalem zu entfernen.130 Bei den Konflikten zwischen den Juden und Pilatus spielt der Anspruch des Kaisers auf Apotheose nur indirekt eine Rolle. Die Bilder auf den Standarten der römischen Soldaten signalisierten für Juden aber nicht nur eine Übertretung des Bilderverbots. Das Bilderverbot war eng mit dem Verbot verbunden, fremde Götter zu verehren. Einen Höhepunkt in der Geschichte der Auseinandersetzungen zwischen der jüdischen Religion und der römischen Herrschermacht bildet die Caligula-Krise um 39/40 n.Chr. Auch wenn man die Gestalt des Gaius nicht als typisch für römische Kaiser betrachten darf, zeigt sein Verhalten die Absurdität der Vergöttlichung eines Menschen.131
128
Vgl. S. HOLM-NIELSEN, Die Psalmen Salomos, JSHRZ 4/2, Gütersloh 1977, 66. Vgl. E. FASCHER, Art. Pilatus, PRE 40 (1950), 1322–1323, 1322. 130 Vgl. JOSEPHUS, Bell 2,172–174. Es wird von Philo, LegGai 299–305, noch ein anderer Fall erwähnt, in den Pilatus verwickelt war. Es könnte sich aber auch um eine andere Version des eben dargestellten Zwischenfalls handeln. Pilatus ließ in Jerusalem in dem ehemaligen Königspalast des Herodes vergoldete Schilde aufstellen, nach Meinung von Philo, weniger um den Kaiser Tiberius zu ehren, als um die Volksmenge zu ärgern. Vier Söhne des Königs und andere angesehene Vertreter des jüdischen Volkes warnten Pilatus, die Schildaufstellung könne zu Unruhen führen. Sie baten ihn, ihre religiösen Gesetze nicht anzutasten. Da Pilatus nicht nachgeben wollte, schickten die jüdischen Volksvertreter ein Bittgesuch an Tiberius. Kaiser Tiberius geriet in Zorn, wie die Juden erhofft hatten, und befahl Pilatus, „die Schilde sofort wegzuschaffen, von der Hauptstadt nach Cäsarea zu bringen und sie im dortigen Augustustempel aufzustellen, was dann auch geschah.“ Mit Erleichterung stellt Philo in seinem Bericht fest: „So wurde beides gewahrt: die Ehre des Kaisers und die alte Sitte der Stadt.“ (Zit. n. PHILO, Von den Machterweisen Gottes. Eine zeitgenössische Darstellung der Judenverfolgungen unter dem Kaiser Caligula, übers. v. H. Lewy, Berlin 1935, 70f). 131 Vgl. PHILOS Schrift Legatio ad Gaium (= Gesandtschaft an Caligula, in: L. Cohn u.a. (Hg.), Philo von Alexandria. Die Werke in deutscher Übersetzung, Bd. 7, Berlin 1964, 166–267). 129
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In die Geschichte ist der Kaiser Gaius Iulius Caesar Germanicus (31. August 12–24. Januar 41 n.Chr.) mit seinem Beinamen ‚Caligula‘ eingegangen.132 Er hat wenig positive Spuren in den Berichten der Geschichtsschreiber hinterlassen. Als besonders charakteristische Züge seiner Regierung werden „die schrankenlose und willkürliche Ausübung der kaiserlichen Allgewalt“ und „schamlose Geldmacherei“ erwähnt.133 Gaius übte oft seine Vollmacht aus, nach eigenem Gutdünken Herrschaftsgebiete zu verteilen: Im Jahre 37 setzte Gaius den Antiochos und Agrippa in ihre angestammten Reiche ein. Etwas später erhob Gaius die thrakischen Prinzen Rhoemetalkes, Polemon und Kotys zu Königen von Thrakien, Pontos samt Bosporos und Kleinarmenien.134 Im Jahre 39 hat Gaius aufgrund einer Denunziation durch Agrippa den Herodes Antipas, den Tetrarchen über Galiläa, abgesetzt.135 Zum Tetrarchen der Ituraeer am Libanon setzte Gaius den Sohaemos ein. Die feierliche Verleihung der Herrschaftswürde erfolgte unter außerordentlichem Gepränge auf dem Forum.136
Gaius verlangte mit einem ausgeprägten Fanatismus den Glauben an seine eigene Gottesnatur. Er ging dabei weiter als seine Vorgänger. Er hatte nden Wunsch, als Manifestation aller möglichen Götter zu gelten.137 Philo berichtet, dass Gaius nicht nur sagte, sondern wirklich glaubte, dass er Gott sei.138 Für Juden beging Gaius dadurch die schwerste Sünde: Er war ein Herrscher, der sich selbst unter die Götter reihen wollte.139 In seinem Werk „Legatio ad Gaium“ beschreibt Philo die „Philosophie“ des Gaius: Die Herdenführer der Tiere sind Menschen, die von der Anlage und der Bestimmung her höhere Wesen sind. Folglich soll der „Herdenführer“ der Menschen, ein Herrscher, auch etwas Höheres als seine Untertanen sein. Er muss im Besitz einer höheren, göttlichen Bestimmung sein.140
132 Das Wort ‚caligula‘ ist eine Verkleinerungsform von ‚caliga‘, Soldatenstiefel, und kann deswegen mit „Legionärstiefelchen“ übersetzt werden. Caligatus bedeutet „gestiefelt“ oder als Substantiv „einfacher Soldat“. Seinen Spitznamen verdankte Kaiser Gaius einem Soldatenscherz. Er war in der Mitte der Armee aufgewachsen und wurde als kleines Kind von seinen Eltern in eine richtige kleine Legionärsuniform gesteckt. Unter den Soldaten war Gaius von seiner Jugend an sehr beliebt. Vgl. SUETONIUS, Die Kaiserviten/De Vita Caesarum. Lat.-dt., Düsseldorf/Zürich 2 2000, 452 (9). Als Kaiser wollte er verständlicherweise den Spitznamen nicht mehr hören. Vgl. M. GELZER, Art. Iulius (Caligula), PRE 10 (1919), Nr. 133, 381–423, 382. 133 Vgl. M. GELZER, Caligula, 396. 134 Vgl. ebd., 392. 135 Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 149. 136 Vgl. M. GELZER, Caligula, 392. 137 Vgl. M. GELZER, Caligula, 409. 138 1 FG *CKQL GBCWVQP GXZGVWHYUGP QWX NGIYP OQPQP CXNNC MCK QKXQOGPQL GKPCK SGQL Vgl. PHILO, LegGai 162. PHILO, Legatio ad Gaium, hg. v. E.M. Smallwood, Leiden 1961. 139 QBL IG MCK WBRGTRJFJUCL VQP CPSTYRQP GXP SGQKL JFJ ITCHGK GBCWVQP Vgl. PHILO, LegGai 218. 140 Vgl. LegGai 76.
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Die Selbstvergöttlichung des Gaius nahm bald skurrile und kuriose Züge an: Am Anfang verglich er sich mit den griechischen ‚Halbgöttern‘, wie mit Dionysos, Herakles und den Dioskuren.141 Später stellte er sich vor, Hermes, Apoll und Ares zu sein, die man für größer als Halbgötter hielt. Kennzeichnend war für Gaius, dass er sich die Ehrungen aller Götter gleichzeitig anzueignen wünschte, während in den Überlieferungen jeder von den Göttern nur je seine eigenen Ehrungen hatte und keinen Anspruch auf die der übrigen erhob.142 Gaius hatte sehr merkwürdige Methoden, wie er seine Vorstellungen bekannt machte. Er trat zum Beispiel vor der Öffentlichkeit als Gott verkleidet auf und ließ sich als Gott anrufen. Dabei benutzte er die Symbole der Gottheiten, um zu verdeutlichen, was für ein Gott er jeweils sei. Öfters trug er eine Strahlenkrone und geschulte Chöre sollten ihm Hymnen singen.143 Wenn man den alten Geschichtsschreibern glauben darf, ging das Verhalten von Gaius im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Absurden. Sueton berichtet, dass Gaius einen Auftrag gegeben hat, Götterbilder aus Griechenland nach Rom zu bringen und ihre Köpfe gegen den seinen auszutauschen. Gaius stellte sich zwischen die Götterbilder und ließ sich von seinen Besuchern anbeten. Seiner eigenen Gottheit stiftete er einen Tempel, Priester und teure Opfertiere. Gaius’ goldene Statue im Tempel wurde täglich mit dem gleichen Gewand bekleidet wie er selbst.144
Philo schließt daraus mit Recht, dass der Grund für das abnormale Verhalten des Gaius Gier, Überheblichkeit und Ehrgeiz waren, unglücklicherweise verbunden mit höchster Machtfülle. Nach Sueton hätte nicht viel gefehlt, und Gaius hätte den Prinzipat in die Herrschaft eines Königs umgewandelt. Weil ihm aber gesagt wurde, dass er schon weit über dem Rang von Fürsten und Königen stehe, begann Gaius, für sich die Würde eines Gottes zu beanspruchen.145 Man kann sich gut vorstellen, dass Gaius für seinen besonderen Status in der Gesellschaft ein Instrument brauchte, das seine ‚göttlichen‘ Rechte 141
Vgl. LegGai 78. F.W. KOHNKE (PHILO, Gesandtschaft, 195, Anm. 2) macht darauf aufmerksam, dass Philo heidnische Vorstellungen über die Funktion der Götter in seiner Argumentation benutzt. Es entsteht so scheinbar eine Einheitsfront von Juden und Heiden. Alle teilen das Argument gegen Gaius, dass nur Wohltäter übermenschliche Ehrungen verdienen (vgl. LegGai 86). Philo bringt weiter das Argument, Wohltäter im wahren Sinne erwarteten nicht, für Götter gehalten zu werden. Als Beispiel führt er Kaiser Augustus an: „Der deutlichste Beweis aber dafür, dass ihm jegliche Überheblichkeit und Eitelkeit angesichts übertriebener Ehrungen abging, liegt darin, dass er es ablehnte, sich jemals als Gott ansprechen zu lassen, verärgert war, wenn man ihn so anredete, und den Juden beipflichtete, deren religiös begründete Abscheu vor solchen Versuchen er genau kannte“ (LegGai 154). 142 Vgl. LegGai 80. 143 Vgl. LegGai 96. 144 Vgl. SUETONIUS, Caligula, 22,3f. 145 nec multum afuit quin statim diadema sumeret speciemque principatus in regni formam converteret. verum admonitus et principum et regum se excesisse fastigum, divinam ex eo maiestatem asserere sibi coepit. Vgl. SUETONIUS, Caligula, 22,2.
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schützen und verteidigen sollte. Zu einem solchen Instrument wurden Majestätsprozesse. In der Kaiserzeit galt ein Verbrechen gegen die Person des Herrschers und seiner Familie als Staatsverbrechen. Schon längst war die Person des Prinzeps durch die lex de maiestate geschützt. Durch die Idee der göttlichen Natur des Herrschers und seiner Identität mit dem Staate verstärkte sich aber dieser Schutz bis zur höchsten Stufe. So wurde das Majestätsverbrechen dem Religionsfrevel angenähert und öfters als sacrilegium bezeichnet. Dieses Verbrechen wurde auch als Asebie, Mangel an Ehrfurcht, bezeichnet.146 Der Schutz der geheiligten Person des Herrschers erstreckte sich bis auf seine Bildnisse. Wer den Bildnissen die schuldige Achtung versagte, riskierte sein eigenes Leben.147 Durch eine Senatsrede leitete Gaius Caligula die förmliche Wiedereinführung der Majestätsprozesse ein. Es wurden sogar die Senatoren angeklagt, die sich zur Regierungszeit seines Vorgängers Tiberius kritisch geäußert hatten. Gaius war der Meinung, dass alleine er als Kaiser Kritik üben dürfe, keinesfalls aber die Untertanen.148 Zu seiner Großmutter Antonia soll Gaius einmal gesagt haben: „Denke immer daran, dass mir alles erlaubt ist und gegen alle!“149
Die Ansprüche des Gaius auf Vergöttlichung und seine Forderung, ihm Verehrungen wie einem Gott zu erweisen, wurden von den Völkern des Römischen Reiches schmeichelhaft erfüllt. Es gab nur eine Ausnahme, die Juden. Für sie gab es nur einen Gott, den Vater und Schöpfer der Welt.150 Diese Hauptregel ihres Glaubens verbot ihnen, sich an der Vergöttlichung des Gaius zu beteiligen. In seinem Werk Legatio ad Gaium erklärt Philo, dass die Juden nie gleichgültig zuschauen konnten, wenn ein Stück ihrer Tradition beseitigt wurde. Was Gaius machte, war nun aber „keine Kleinigkeit, sondern die größte Ungeheuerlichkeit, der Versuch nämlich, das geschaffene, vergängliche Wesen eines Menschen zum ungeschaffenen, unvergänglichen eines Gottes nach eigenem Belieben umzuformen. Das gerade hielten die Juden für die schlimmste Sünde. Denn eher könnte sich Gott in einen Menschen als ein Mensch in Gott verwandeln [...]“151 Die ablehnende Haltung der Juden in der Frage der Vergöttlichung des Kaisers blieb Gaius nicht verborgen. Der Kaiser sah in ihr einen Grund, die Juden zu beargwöhnen und wurde darin von judenfeindlichen Ratgebern unterstützt. Dazu kamen sowohl in der Stadt Jamnia als auch in Alexandria im Jahre 39/40 Umstände, welche zu der bekannten Krise führten, die das Judentum in eine schwere Krise führte. Bei manchen Juden setzte sich 146 147 148 149 150 151
Vgl. K. KÜBLER, Art. Maiestas, PRE 14 (1930), 542–559, 551. Vgl. ebd., 552. Vgl. M. GELZER, Caligula, 397. ‚memento‘, ait, ‚omnia mihi et (in) omnis licere.‘ Vgl. SUETONIUS, Kaiserviten, 490 (29,1). Vgl. LegGai 115. Vgl. LegGai 118, zitiert nach F.W. KOHNKE (PHILO, Gesandtschaft, 205).
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damals die Vorstellung fest, dass hinter dem römischen Staat latent eine widergöttliche Macht steht. In der römischen Machtelite setzte sich umgekehrt die Vorstellung fest, dass die Juden ein widerspenstiges und rebbelisches Volk seien. Jamnia, eine der am meisten bevölkerten Städte Judäas,152 wurde von einem Prokurator des Kaisers verwaltet und galt unter der jüdischen Bevölkerung als altes jüdisches Stammland.153 In der Stadt lebten aber auch Andersstämmige, die einen Teil der jüdischen Gesetze umzustoßen trachteten. Als ihnen klar wurde, dass Gaius großen Wert darauf legte, vergöttlicht zu werden, nutzten sie die Lage auf ihre Weise, um den Juden zu schaden. Von den sich daraus ergebenden Ereignissen berichtet Philo nur in seinem Werk „Legatio ad Gaium“.154 Um die Juden zu ärgern, errichteten die nichtjüdischen Bewohner in der Stadt einen primitiven Altar aus Ziegeln für den Kaiser, weil sie wussten, dass dies eine Verletzung der religiösen Bräuche der Juden bedeutete. Wie zu erwarten, zerstörten die in ihrem religiösen Gefühl tief verletzten Juden den Altar. Der Prokurator Herennius Capito,155 der kaiserliche Steuerkommissar von Judäa, sorgte dafür, dass die Nachricht von den Ereignissen in Jamnia mit vielen Übertreibungen unverzüglich Gaius erreichte.156 Da Jamnia Eigentum des Kaisers war, durften die Römer formal mit vollem Recht das Zerstören ihres Kaiseraltars als eine politische Aktion gegen den Kaiser deuten.157 Als Gaius die Nachricht bekam, reagierte er, ohne lange zu überlegen: Gaius befahl statt eines Ziegelaltars in Jamnia eine vergoldete Riesenstatue im Tempel der Hauptstadt aufzustellen.158 Er hatte in seinem persönlichen Hass gegen Juden schon vorher zugelassen, dass ihre Synagogen in vielen Städten, zuerst aber in Alexandria, mit Bildern und Statuen seiner eigenen Person gefüllt wurden. Als Höhepunkt dieses Handelns kam aber nun sein Befehl, den Tempel in Jerusalem, der „noch unberührt geblieben war“ und als völlig unverletzlich galt, in ein 152
Die Makkabäerbücher kennen Jamnia als eine heidnische Stadt. Im 1. Makkabäerbuch wird Jamnia öfter als Stützpunkt für fremde Heere im Kampf gegen Juden erwähnt (1 Makk 4,15; 5,58; 10,69; 15,40). Von Judas Maccabaeus wurde Jamnia überrumpelt und der Hafen samt der Flotte in Brand gesteckt (2 Makk 12,8f). Zur Zeit Philos war Jamnia überwiegend von Juden bevölkert. Vgl. G. BEER, Art. Jamnia, PRE 9 (1916), 683–685, 684. Während des Krieges gegen Rom 66–70 n.Chr. musste Vespasian Jamnia zweimal besetzen. Nach der Zerstörung Jerusalems wurde Jamnia der Mittelpunkt des jüdischen Lebens, eine Zeit lang auch der Sitz der Talmudgelehrsamkeit. 153 Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 153, Anm. 38. 154 JOSEPHUS erwähnt den Zwischenfall in Jamnia nicht. In seiner Darstellung (Ant 18,262) ist das Vorgehen des Gaius mit dem Misserfolg der Gesandtschaft der alexandrinischen Juden unter der Leitung von Philo zusammenzubringen. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 153. 155 Nach E.M. SMALLWOOD, PHILO, Legatio, 261, ist die Existenz des C. Herennius Capito durch eine Inschrift in Jamnia bezeugt. 156 Vgl. LegGai 202. 157 Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 154. 158 Vgl. LegGai 203.
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Heiligtum für seine Person umzuwandeln und umzudeuten. Er sollte den Namen des Gaius tragen, des „Neuen Zeus Epiphanes“. Um diese Zeit spielte sich in Rom ein anderer Vorgang ab. Zu Gaius waren zwei Delegationen aus Alexandria. Eine der umstrittenen Fragen war die Stellung der Juden in Alexandria. Sie bildeten eine eigene Bürgerschaft, wollten aber als gleichberechtigt anerkannt werden. Grund für die Zuspitzung des Streits zwischen Juden und Griechen war nach Philo die antijüdische Einstellung des Kaisers.159 Die Griechen fürchteten keine Strafe von Gaius, weil der Hass des Kaisers gegen die Juden allgemein bekannt war. So konnte eine schon vorher vorhandene antisemitische Stimmung in der Stadt unter der Regierung des Gaius zu einem richtigen Pogrom werden. Die Alexandriner drangen in die Häuser der Juden, jagten die Besitzer auf die Straße, stahlen Hausrat und Wertgegenstände und schleppten ihre Beute davon. Die Juden selbst wurden auf verschiedene Weise gedemütigt und gefoltert,160 mehrere Synagogen wurden zerstört.161 Da viele jüdische Synagogen inmitten einer dichtbesiedelten Wohngegend lagen und durch Niederbrennen nicht zu vernichten waren, wurden sie entweiht. Alexandriner haben in den Synagogen Bilder des Gaius aufgestellt. In der größten Synagoge wollten sie eine auf einem Viergespann stehende Bronzestatue aufstellen.162
Nach PHILO haben die Alexandriner Gaius schmeichelhaft mit Bildern verehrt, nicht, weil er bei ihnen besonders hochgeschätzt oder beliebt gewesen wäre, sondern weil man die Juden demütigen wollte.163 Philo wirft dem damaligen Präfekten von Ägypten A. Avillius Flaccus vor, dass er das Pogrom nicht verhindert hat. Dieser Vorwurf scheint nicht ohne Grund zu sein. Flaccus war ein Freund des Kaisers Tiberius gewesen. Im Jahr 32 n.Chr. erhielt er den Posten eines Statthalters über Alexandrien und das Land Ägypten und hat die Provinz insgesamt sechs Jahre lang verwaltet, davon fünf Jahre zu Lebzeiten des Kaisers Tiberius.164 Seit Gaius Kaiser wurde, lebte Flaccus in einer ständigen Unsicherheit wegen seines eigenen Schicksals. Flaccus hatte nämlich zur Partei der Gegner der Mutter des Gaius gehört, als sie einst angeklagt und verurteilt worden war.165 In dieser Unsicherheit ließ Flaccus sich leicht überreden, man könne die Gunst des Gaius durch Vorgehen gegen Juden wiedergewinnen. Gegenstand seines Spottes war der jüdische König Agrippa. Aus Furcht 159
Vgl. LegGai 120f und F.W. KOHNKE in PHILO, Gesandtschaft, 206, Anm. 1. Vgl. LegGai 120–128. 161 Vgl. LegGai 132–134. 162 Vgl. LegGai 134. 163 Vgl. LegGai 152–154. 164 Vgl. Flacc. 2–8 sowie PHILO, Machterweise, 11. 165 Vgl. Flacc. 9 sowie PHILO, Machterweise, 11f. Im Herbst 38 wurde Flaccus in der Tat abgesetzt, verhaftet und nach Italien gebracht. In dem Prozess vor dem Kaisergericht wurde er von zwei Feinden aus Alexandrien angeklagt, ins Exil nach Andros verbannt und auf kaiserlichen Befehl ermordet. Vgl. Flacc. 125–190 sowie PHILO, Gesandtschaft, 208, Anm. 2. 160
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vor Gaius, dessen Günstling Agrippa war, spielte Flaccus in der Öffentlichkeit seinen Freund. Insgeheim spottete er aber über Agrippa und erlaubte der Bevölkerung den jüdischen König zu schmähen.166
Während – oder vielleicht – nachdem die Synagogen der Juden in Alexandrien ausgeraubt wurden, griffen die antisemitisch gestimmten Einwohner Alexandrias die Bürgerrechte der Juden an. Flaccus veröffentlichte ein Edikt, wonach er Juden zu Fremden und Nichtbürgern erklärte.167 Die aufgehetzte Menschenmenge reagierte auf dieses Edikt mit dem Verjagen der Juden aus ihren Wohnorten. Die Juden wurden in ein einziges Stadtviertel zusammengetrieben und in verschiedener Weise drangsaliert.168 Wegen der Unruhen in Alexandria erschienen im Winter 38/39 zwei alexandrinische Gesandtschaften vor dem Kaiser in Rom, die Gesandtschaft der Griechen und die Gesandtschaft der Juden. Von dem merkwürdigen Empfang dieser beiden Gesandtschaften berichtet PHILO in seinem Werk „Legatio ad Gaium“.169 Er verfügte über direkte Beziehungen zum römischen Hof und war wegen seiner philosophischen Bildung weit bekannt. Die Absicht der Juden war zweierlei. Erstens, wollten sie den Kaiser über die Judenverfolgung in Alexandrien aufklären und um freie Religionsausübung bitten. Zweitens waren sie im Begriff, eine Petition für die Bewahrung der alten bürgerrechtlichen Stellung der alexandrinischen Juden dem Kaiser zu überreichen. Vier Jahrhunderte lang, also seit der Gründung Alexandrias 331 v.Chr. durch Alexander und der Herrschaft der Ptolemäer, seien die Rechte der alexandrinischen Juden unangefochten gewesen. Die Pflicht des Kaisers wäre es nach Philos Meinung gewesen, diese wichtige Sache gründlich zu untersuchen.170 Die Erwartungen und Hoffnungen der Juden wurden aber nicht erfüllt. In Gaius fanden sie, wie Philo es ausdrückt, keinen Richter, sondern einen Ankläger.171
166
Vgl. Flacc. 18–34 sowie PHILO, Machterweise, 13ff. In PHILO, Legatio, 20, erklärt E.M. SMALLWOOD: „[…] Flaccus attacked the rights of the Jewish RQNKVGWOC by issuing a proclamation in which he declared that the Jews were ,aliens and foreigners‘ in Alexandria. By this measure he apparently degraded them from their legal position of MCVQKMQK (resident aliens) to that of ZGPQK.“ 168 Vgl. PHILO, LegGai 20–21. 169 Vgl. PHILO, Gesandtschaft, 166. Philo war das älteste Mitglied und Führer der jüdischen Gesandtschaft im Jahre 40. Der Bruder von Philo, Alexandros war „alabarches“ bzw. „arabarches“, der leitende Beamte der jüdischen Gemeinschaft in Alexandrien. Vgl. D.T. RUNIA, Art. Philon, DNP 9 (2000), 850–856, 850. Der Neffe von Philo, Tiberius Julius Alexander, diente erfolgreich den Römern. Philo selber war bestrebt, durch seine schriftstellerische Tätigkeit den Kontakt zwischen den alexandrinischen Juden und den Römern, den „gegenwärtigen Herrschern der Welt“. herzustellen. Vgl. G. SCHIMANOWSKI, Philo als Prophet, Philo als Christ, Philo als Bischof, in: F. Siegert (Hg.), Grenzgänge. Menschen und Schicksale zwischen jüdischer, christlicher und deutscher Identität, Münster/Hamburg/London 2002, 36–49, 47. 170 Vgl. LegGai 350. 171 Vgl. LegGai 349–350. 167
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Bei dem Empfang war die Gesandtschaft der Griechen in einer bevorzugten Lage. Da die loyalen Alexandriner für das Aufstellen der Kaiserstatuen waren, die Juden es aber als Angriff auf ihre Religion empfanden, warfen die griechischen Abgeordneten den Juden in Gegenwart des Kaisers öffentlich vor, sie vernachlässigten die Verehrung des Kaisers. Als Einzige unter allen Völkern des Reiches weigerten sie sich, dem Kaiser Bildsäulen zu weihen und bei seinem Namen zu schwören.172 Diesen „Empfang“ beim Kaiser schildert PHILO als Farce: Mit vielen anderen Sachen beschäftigt, lässt der Kaiser die Gesandtschaften hinter sich herrennen. Die Juden würdigt er nur mit ein paar unbedeutenden Bemerkungen und mit einem höhnischen Lächeln: „Ihr seid also die Gottesverächter, die nicht glauben, ich sei ein Gott, ich, der ich schon bei allen anderen anerkannt bin, sondern ihr glaubt an den für euch unbenennbaren Gott!“173 Die Gegner der Juden versuchten nun, die Juden in den Augen des Kaisers schlecht zu machen. Sie behaupteten, dass die Juden eine feindselige Einstellung gegen Gaius hätten und seine Majestät verleugneten.174 Als die Juden sich verteidigten, sie hätten mehrmals für Gaius geopfert,175 erwiderte der Kaiser: „Das mag wahr sein,“ [...] „ihr habt geopfert, aber einem anderen Gott, wenn es auch für meine Person gewesen ist. Was hilft das, ihr habt ja nicht mir geopfert.“176 Am Schluss stellt Gaius „tolerant“ und herablassend fest: „Sie scheinen mir weniger schlechte als armselige Menschen zu sein, Dummköpfe, die nicht glauben wollen, dass mir eines Gottes Natur gehört.“177 Die treuesten Ratgeber des Kaisers und Feinde der Juden waren der Schauspieler Apelles von Askalon178 und der Alexandriner Helikon. Helikon war Verbündeter der alexandrinischen Gegengesandtschaft. Seine Rolle darf man bei den Ereignissen der Caligula-Krise nicht unterschätzen.179 Helikon bekleidete am Hof des Gaius den Rang eines Kammerherrn und Kommandanten der Leibwache und hatte dadurch einen großen Einfluss auf den Kaiser.180
172
Vgl. JOSEPHUS, Ant 18,257–260. LegGai 353, in PHILO, Gesandtschaft, 262. 174 Vgl. LegGai 355. 175 In PHILO, Gesandtschaft, 263, Anm. 1, zählt F.W. KOHNKE die Opfer auf: Im März 37 wurde von Juden das Brandopfer anlässlich der Thronbesteigung des Gaius dargebracht (§11–13; 231–232), Mitte Oktober bis November 37 (§16–19) anlässlich der Krankheit des Kaisers und Herbst 39 bis Sommer 40 anlässlich des Feldzugs in Germanien. 176 LegGai 357, in PHILO, Gesandtschaft, 263. 177 LegGai 367, in PHILO, Gesandtschaft, 264–265. 178 Vgl. M. GELZER, Caligula, 399. 179 Vgl. LegGai 178. 180 Vgl. LegGai 175. 173
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Helikon war in einer antisemitischen Stimmung aufgewachsen. Aufgrund der gleichen Einstellung des Gaius gelang es ihm, besondere Sympathien des Kaisers dadurch zu gewinnen, dass er die Juden verleumdete.181 Philo ist der Überzeugung, dass Helikon von den alexandrinischen Gesandten auch noch bestochen war, sowohl mit Geld als auch mit Ankündigungen von Ehrungen in der Stadt Alexandria.182 Obwohl auch die Juden sich viel Mühe gegeben hatten, Helikon auf ihre Seite zu ziehen, gelang es ihnen nicht.183
In der Erzählung „Legatio ad Gaium“ erfährt der Kaiser von den Ereignissen in Jamnia noch während die Gesandtschaft der Alexandriner bei ihm ist. Die Gesandtschaft der Juden bekommt ihrerseits die Information, Gaius habe befohlen, im Tempel von Jerusalem eine riesengroße Zeusstatue mit den Zügen des Kaisers aufzustellen. Im Fall eines Widerstandes drohe Waffengewalt.184 Gefragt nach den Beweggründen des Gaius, erhalten sie die Auskunft: „Den wichtigsten und ersten Grund“ [...] „kennt ihr wie jedermann: Er will für einen Gott gehalten werden und ist überzeugt, allein die Juden würden sich weigern, dem zuzustimmen. Ihnen könne er kein größeres Unglück zufügen, als wenn er die Heiligkeit ihres Tempels schändete [...]“.185 Im Weiteren spielen zwei Gestalten die Hauptrolle: Der syrische Legat P. Petronius und der jüdische König Agrippa. Als Statthalter verwaltete P. Petronius seit dem Herbst 39 die Provinz Syrien und war der Befehlshaber der syrischen Armee. An ihn sandte Gaius den Befehl, an der Spitze eines Heeres nach Jerusalem zu gehen und seine Bildsäule im Tempel aufzustellen.186 Das bedeutete den Jahwe-Tempel in Jerusalem in ein Heiligtum des neuen Zeus Epiphanes Gaius zu verwandeln.187 Der Kaiser drohte, im Falle des Widerstandes seitens der Juden, die Unruhestifter umzubringen und das gesamte übrige Volk in die Sklaverei zu verkaufen. Nach Philo sollte Petronius als Geleit für die Statue die Hälfte der Euphrat-Armee mitnehmen, die zum Schutz vor einem Einfall östlicher Könige und Völker eingesetzt
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Vgl. LegGai 170. Vgl. LegGai 172. Bald nach der Thronbesteigung durch Claudius erfolgte die Hinrichtung des Helikons. Vgl. PHILO, Gesandtschaft, 229, Anm. 1. 183 Vgl. LegGai 178. 184 Vgl. M. GELZER, Caligula, 399. 185 Vgl. LegGai 198, in PHILO, Gesandtschaft, 226. 186 Vgl. JOSEPHUS, Ant 18,261f. F.W. KOHNKE in PHILO, Gesandtschaft, 223, Anm. 2, ist der Meinung, dass der Versuch, eine Zeusstatue im Tempel aufzustellen, ins Jahre 40 zu datieren ist. Es gibt hier Unterschiede in den Quellen. Nach der „Gesandtschaft an Gaius“ und dem „Jüdischen Krieg“ (2,184ff) bekommt Petronius den Befehl des Gaius in Syrien als dort amtierender Legat. Nach den „Jüdischen Altertümern“ (18,261) wird Petronius mit diesem Befehl von Rom nach Syrien gesandt. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 155. 187 Vgl. R. HANSLIK, Art. Petronius, PRE 37 (1937), [Nr. 24], 1199–1201, 1200. 182
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war.188 Als das ganze Heer vor Ptolemais stand, versammelten sich die Juden in der Ebene bei Ptolemais und baten Petronius um Schutz für ihre heimischen Bräuche und für sich selbst. Josephus behauptet, dass die große Menge der Flehenden und ihre Beharrlichkeit auf Petronius einen tiefen Eindruck gemacht hat.189 Petronius habe versucht, den Juden klar zu machen, dass ihr Verhalten Empörung sei, im ganzen Reich sträubten sich allein die Juden dagegen, Bildsäulen des Kaisers aufzustellen, alle anderen unterjochten Völker hätten in jeder Stadt außer den Bildsäulen anderer Götter auch solche des Kaisers.190 Darauf erwiderten die Juden nach Josephus, ihr Gesetz verbiete eine Abbildung Gottes, geschweige denn eines Menschen im Tempel oder an irgendeiner ungeweihten Stelle des Landes. Sie seien bereit, für ihr Gesetz zu leiden und zu sterben. Wenn Petronius die Bildsäule aufstellen wolle, müsse er zuvor das ganze Volk der Juden opfern.191 So gelang es Petronius nicht, die Juden zu überreden.
Auch wenn Philo das Mitgefühl des Petronius den Juden gegenüber schildert, war ein Beweggrund des Petronius bei seinem Versuch, die Juden zu überreden, die Angst, für die Gehorsamsverweigerung müsse man mit Zorn und Strafe des Gaius rechnen.192 Nach Josephus schrieb Petronius in Antiochien einen Brief an Gaius, in dem jener gestand, dass er die Erledigung seines Auftrages unterlassen musste. Er habe von seinem Einmarsch in Judäa berichtet, von dem Flehen des Volkes um Erlaubnis ihre Gesetzt halten zu dürfen, und von der Gefahr, das ganze Land und die vielen Menschen durch weitere Handlungen zu verlieren.193 Ungefähr zu dieser Zeit hielt sich auch der jüdische König Agrippa in Rom auf. Infolge der Intervention des jüdischen Königs habe Gaius einen neuen Befehl an Petronius anfertigen lassen. Danach sollten keine neuen Schritte in der Statuenangelegenheit geschehen. Wenn das Bild schon im Tempel aufgestellt war, sollte es dort bleiben. Die Versuche der Juden, die Statuen oder Altäre des Kaisers, die in ihrem Lande errichtet wurden, zu zerstören, müssten auf das strengste bestraft werden. Später habe Gaius erfahren, dass Petronius schon von sich aus die militärischen Unternehmungen abgebrochen hatte. Ende Dezember 40 habe er dann einen weiteren 188 Vgl. LegGai 207. Auch bei der Beschreibung des Heeres von Petronius gehen die Berichte der Quellen auseinander. Im „Jüdischen Krieg“ (2,186) zieht Petronius mit drei Legionen nach Palästina, in den „Jüdischen Altertümern“ (18,262) zieht er mit zwei Legionen, also mit der Hälfte der Euphratarmee, nach Süden. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 155. 189 Vgl. Bell 2,192f. 190 Vgl. Bell 2,194. 191 Vgl. Bell 2,195–198. 192 Vgl. LegGai 219–220. 193 Vgl. Bell 2,202f. In der „Geschichte des Jüdischen Krieges“ folgt unmittelbar danach der Bericht von dem Drohbrief des Kaisers, den Petronius durch einen glücklichen Zufall erst nach der Nachricht vom Tode des Gaius erhielt. Vgl. Bell 2,203.
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Brief an Petronius geschrieben, in dem er ihm den Suizid befahl.194 Die Nachricht vom Tod des Gaius habe aber den Boten mit diesem Befehl überholt.195 Philo lässt seine positive Einstellung zu Petronius deutlich erkennen. Er nennt Petronius von Natur aus wohlwollend und gütig. Petronius habe sogar einen Schimmer von der jüdischen Philosophie und Frömmigkeit besessen. Entweder habe ihn seine Bildung dafür empfänglich gemacht, oder es sei ein Geschenk Gottes gewesen: „Wie es scheint, gibt Gott aber den Guten gute Gedanken ein, durch die sie, wenn sie anderen helfen, sich selbst nützen können.“196 Auch der König Iulius Agrippa spielt in den Berichten des PHILO und des JOSEPHUS eine wichtige Rolle. Besonders für Josephus gilt Agrippa als eine höchst bewundernswerte Persönlichkeit, die „aus einem in aller Stille geführten Leben und wider allen Erwartens seiner Bekannten auf den Thron gelangte.“197 Er stieg immer höher in der Gunst des Gaius.198 Philo berichtet von einem Brief, den Agrippa im Herbst 40 geschrieben habe, um Gaius zu überzeugen, die Statue in Jerusalem nicht aufzustellen (LegGai 276–329). Es ist möglich, dass der Brief von Philo selbst verfasst wurde, weil dieses Schreiben eine hohe diplomatische Kunst und eine ausgeprägte moralische Größe aufweist. Philo hat nämlich Agrippa auch sonst öfters beraten.199 194
Vgl. M. GELZER, Caligula, 412. G. THEISSEN diskutiert eine „Langzeitchronologie“, nach der die von Philo und Josephus berichteten Ereignisse sich über mehr als ein Jahr erstreckten. „39/40 wäre der Jamniakonflikt gewesen. Noch im Winter 39/40 brach Petronius nach Phönikien ins Winterquartier auf, gewann dort Zeit mit der Herstellung der Statue. Im Mai wären die Demonstrationen in Phönikien zu datieren, Oktober 40 die Verhandlungen in Tiberias“ (G. THEISSEN, Lokalkolorit, 157). Wenn man die beiden Verhandlungen und Briefe des Petronius an Gaius identifiziert und meint, sie seien entweder im Frühjahr (Philo) oder im Herbst (Josephus) verfasst, kommt man zu einer „Kurzzeitchronologie“ (G. THEISSEN, Lokalkolorit, 157, Anm. 48). 195 Vgl. Bell 2,203. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 159, weist darauf hin, dass der von Josephus geschilderte Zufall ein novellistisches Motiv sein könnte. 196 Vgl. LegGai 245, in PHILO, Gesandtschaft, 237. Petronius könnte während der CaligulaKrise von Juden bestochen worden sein (Ant 18,304), Philo berichtet zumindest von einem Angebot der Juden, ihren Besitz an Petronius zu geben (LegGai 232). Aber insgesamt stand Petronius in gutem Ruf. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 160. Nach R. HANSLIK, Petronius, 1199, stammen von ihm die lex Iunia Petroniana und die lex de servis. Beide treten für einen menschlichen Umgang mit Sklaven ein. 197 Vgl. Ant 18,129 (übers. H. Clementz, Altertümer, XVIII,5,3). 198 Im Jahr 40 erlebte Agrippa eine Erweiterung seines Reiches. Er erhielt Galiläa und Peräa, das Gebiet des Herodes Antipas, den er vor Gaius angeklagt hatte. Nach einer Version der Berichte hat Agrippa von den Vorgängen in Jerusalem und den jüdischen Demonstrationen nichts gewusst, als er im Mai 40 in Rom ankam. Judäa gehörte nicht zu seinem Machtbereich. Vgl. LegGai 261ff und F.W. KOHNKE in PHILO, Gesandtschaft, 241, Anm. 2. Sein Eintreten für den Tempel wird sowohl bei Josephus als auch bei Philo erwähnt. 199 Vgl. PHILO, Machterweise, 9. Im Unterschied zu Philo berichtet Josephus von einer mündlichen Petition Agrippas. Vgl. LegGai 276–329 und Ant 18,289–297.
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Im Drama der Konflikte zwischen der jüdischen Religion und den heidnischen Herrschern hat die Caligula-Krise wieder vor Augen geführt, dass für Juden der Glaube an einen Gott, das wesentliche Element des nationalen Selbstbewusstseins war. Im Angriff auf ihre Religion sahen die Juden einen Angriff auf ihre Identität. Bezeichnend sind im Fall der Caligula-Krise Philos Befürchtungen, mit der Vernichtung des Heiligtums wolle Gaius den Namen des jüdischen Volkes auslöschen.200 Der Glaube an den Schöpfergott und der Tempel dieses Gottes in Jerusalem gehörten für die Juden untrennbar zusammen. Dies kam in großen und kleinen Vorschriften zum Ausdruck. Nichtjuden, welche die Grenze zum innersten Bezirk des Tempels überschritten, drohte die Todesstrafe.201 Besonders streng war der Schutz für das Allerheiligste. Das musste unbetreten und unberührt bleiben. Die Tragik der Ereignisse bei der Caligula-Krise für die Juden war, dass die Aufstellung der Statue im Innersten des Tempels geschehen sollte. Nach den jüdischen Gesetzen durfte das Allerheiligste allein der Hohepriester betreten, und auch er nur einmal im Jahr, am Versöhnungstag (vgl. Lev 16,2.29–34; Hebr 9,7).202 Nach PHILO, schrieb Agrippa in seinem Brief an Gaius vom Tempel: „Gaius, mein Herr, dieses Heiligtum hat von Anfang an keiner Figur, von Menschenhand geschaffen, Einlaß gegeben, weil es der Sitz des wahren Gottes ist. Denn der Maler und Bildhauer Werke sind Nachahmungen der sinnlich wahrnehmbaren Götter. Den Unsichtbaren aber zu malen oder zu formen, hielten unsere Vorfahren für gottlos.“203 „Anderswoher gab es niemanden, keinen Griechen, keinen Barbaren, keinen Satrapen, keinen König, keinen unversöhnlichen Feind, keinen Aufstand, keinen Krieg, keine Eroberung, keine Verwüstung, keine Macht der Erde, die irgendwann eine solche Tempelschädigung gewagt hätte, eine Statue, ein Bild oder anderes Kunstwerk von Menschenhand dort zu errichten.“204
Philo hatte Recht. Das Vorgehen des Gaius Caligula war singulär. Er überbot bei weitem die Religionspolitik des Antiochus IV. Epiphanes im 2. Jh. v.Chr. Gaius Caligula wollte den Tempel in eine ihm gewidmete Kultstätte 200
Vgl. LegGai 194. Vgl. LegGai 212. 202 Wenn ein anderer Priester alleine oder mit ihm zusammen diesen Ort betreten würde oder der Hohepriester selbst an zwei Tagen im Jahr oder an demselben Tag drei- oder viermal hintereinander hineinginge, erwartete ihn die Todesstrafe. Vgl. LegGai 306–307. Bei F.W. KOHNKE in PHILO, Gesandtschaft, 251, Anm. 2, werden die entsprechenden Beispiele angeführt: Aus Lev 16,17 ergibt sich das Verbot, den Tempel während der Sühnehandlung zu betreten. In Lev 16,2 wird die Todesstrafe für den Hohepriester vorgesehen, wenn er außerhalb des Sühnetags das Allerheiligste betritt. Lev 16,12–15 spricht von einem zweimaligen Betreten des Allerheiligsten während der Sühnehandlung durch den Hohepriester. 203 Vgl. LegGai 290, in PHILO, Gesandtschaft, 246. 204 Vgl. LegGai 292, in PHILO, Gesandtschaft, 247. Das Verbot eines Kultbilds im Tempel steht in Ex 20,4; Lev 26,1; Dtn 5,8; 27,15. 201
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verwandeln. Er wollte sich selbst an die Stelle des Gottes setzen, der dort bisher verehrt wurde. Damit verlangte er auch von Juden implizit die Anerkennung seiner Göttlichkeit. Unter Antiochus IV. ging es dagegen nur darum, den jüdischen Gott JHWH mit Zeus Olympios zu identifizieren. Der seleukidische König hatte nicht verlangt, dass der Jerusalemer Tempel zur Stätte des ihm gewidmeten Herrscherkultes werden sollte. Was die Juden von den Römern erwarteten, war im Grunde die Achtung vor der Mitte ihrer Religion. Auf vieles konnten sie verzichten, nur nicht auf die Heiligkeit ihres Tempels. Gaius wurde sein Großvater mütterlicherseits, Marcus Agrippa, als Vorbild vorgehalten. Der sei vom Anblick des Tempels in Jerusalem, der Frömmigkeit der Priester und der Landeseinwohner stark beeindruckt gewesen. Er habe sich an allen Tagen seines Aufenthalts in Jerusalem zum Tempel begeben, sich über das Gebäude und die Gottesdienste gefreut und für den Tempel Weihgeschenke gespendet.205 Ungefähr so sollte nach der Meinung der Juden das Verhalten eines Kaisers gegenüber ihrem Heiligtum aussehen. Das Problem war aber, dass die Römer ganz andere Vorstellungen von der Religion und von der Stellung eines Kaisers hatten. Es waren verschiedene Welten, die hier aufeinander stießen. Für die Juden war das Wichtigste die Ehre ihres Gottes, für die sie bereit waren zu sterben. Für den Vertreter des Römischen Reiches, Gaius Caligula, war das Wichtigste seine eigene Ehre, für die er bereit war, viele zu Tode zu bringen. Nach G. THEISSEN war die Selbstapotheose des Gaius nicht Konfliktursache, sondern konfliktverschärfender Faktor.206 Seine Selbstapotheose war ein Katalysator, durch welchen die Werte beider Seiten herausgefordert wurden. Man kann natürlich fragen, ob der Anspruch des Gaius auf Vergöttlichung den Juden ganz unverständlich war, ob ihnen die Vorstellung von einer göttlichen Stellung eines hervorragenden Menschen, die im Polytheismus kein großes Problem darstellt, ganz fremd war. Trotz des Eintretens der Juden für ihren monotheistischen Glauben gibt es Gründe zu fragen, wie konsequent ihr Monotheismus war.207 Haben die Juden wirklich keine Größe neben Gott vertragen? Hat nicht gerade die eindrucksvolle Transzendenz des einen einzigen Gottes auch sie zur Sehnsucht nach Mittlergestalten geführt, die helfen sollten, die Kluft zwischen Diesseits und Jenseits zu überwinden? Man muss dabei bedenken, dass das Judentum mit 205
Vgl. LegGai 294–297. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 154, nennt den Griff des Gaius nach dem jüdischen Zentralheiligtum eine politische Fehlentscheidung. Dem kann man zustimmen. 207 In Bezug auf die Geschichte der israelitischen Religion, spricht B. LANG, Monotheismus, 838f, von einem „Duotheismus“. In Schriftstellen wie Dtn 32,8f LXX sieht er ein Nebeneinander von El Elyon und Jahwe, einem Schöpfergott und seinem Sohn. 206
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verschiedenen Mittlern, Mittlerfiguren im Umfeld Gottes rechnete, welche offensichtlich die Funktion hatten, „die Distanz zum ferner gerückten Gott zu überbrücken“.208 Es gibt im apokalyptischen und mystischen Judentum sogar bestimmte Analogien zum erhöhten und vergöttlichten Christus:209 Vorstellungen von Engeln, von entrückten Menschen, von der personifizierten Weisheit Gottes und vom Logos.210 Im Judentum lassen sich jedoch drei Kriterien nachweisen, die den Monotheismus wahren. Sie sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie im Urchristentum verletzt werden. Sie gehen implizit aus den Konflikten hervor, seien hier aber noch einmal explizit formuliert: 1. Das Kriterium der göttlichen Transzendenz: Juden personifizierten göttliche Attribute wie die Weisheit, glaubten an Engelwesen und entrückte Menschen wie Henoch und Elia. Aber auf keine dieser Mittlergestalten wurde die Bekenntnisformel von dem „einen Gott“ (GKL SGQL) übertragen.211 Es blieb immer eine Distanz zwischen dem einzigen Gott und allen anderen Gestalten. Philo nennt zwar den Logos einen „zweiten Gott“ (QuaestGen 2,62). Aber er ist nur für die Unvollkommenen Gott, nicht für die Vollkommenen (all 3,207). Die von Gott erhöhten Menschen wie Mose und Elia haben im Himmel keinen gottgleichen Status. Das zeigt noch die neutestamentliche Verklärungsgeschichte, in der Elia und Mose erscheinen und deutlich von Jesus, dem geliebten Sohn Gottes, unterschieden werden (Mk 9,2ff). 2. Das Kriterium der kultischen Verehrung: Keine der vielen Mittlergestalten wird in Anrufungen, Hymnen und Gebeten von Juden kultisch verehrt.212 Die Verehrung des Menschensohns in äthHen 48,5 und 62,9 geschieht erst in der Endzeit, die von den Engeln geforderte Verehrung Adams in der Urzeit (Leben Adams und Evas 12–16). Nichts weist hier auf eine kultische Praxis von Juden in der Gegenwart. Wenn der Hohepriester in einer Tempelzeremonie durch die Juden (nach Hekataios von Abdera, bei Diodorus Siculus, Bibliotheca Historica 40,3,6) und bei einer 208
Vgl. F. STOLZ, Monotheismus, 185. Vgl. S. VOLLENWEIDER, Zwischen Monotheismus und Engelchristologie. Überlegungen zur Frühgeschichte des Christusglaubens, ZThK 99 (2002), 21–44, 25. 210 Vgl. A. CHESTER, Jewish Messianic Expectations and Mediatorial Figures, in: M. Hengel (Hg.), Paulus und das antike Judentum, WUNT 58, Tübingen 1991, 17–89, 62. A.Y. COLLINS, Worship, 236, weist darauf hin, dass besonders im 1. Jh. n.Chr. die monotheistische Theologie nicht von allen Gruppen der Juden geteilt wurde. Besonders Philo und die Weisheit des Salomo kennen Mittlergestalten des transzendenten Gottes wie den Logos und die Weisheit und zeigen dabei einen Einfluss der griechischen Philosophie. 211 P.A. RAINBOW, Jewish Monotheism as the Matrix for New Testament Christology: A Review Article, NT 33 (1991), 78–91, 83. 212 L.W. HURTADO, One God. One Lord, 11–15. 209
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einmaligen Begegnung durch Alexander verehrt wird (Ant 11,331–335), so gilt diese Verehrung dem Gott, dem der Hohepriester dient. Der Lobpreis des Hohepriesters Simon II (Sir 50,1–21) legt ihm keinen göttlichen Status zu.213 Erst die Christen haben eine zweite Gestalt neben Gott kultisch verehrt. 3. Das Kriterium der göttlichen Initiative: Alle Mittlerwesen verdanken ihre Macht und Würde Gott. Kein Mensch kann von sich aus die Initiative ergreifen, um in eine gottgleiche Position einzurücken. Philo betont angesichts der Selbstapotheose des Gaius Caligula, „eher könnte sich Gott in einen Menschen als ein Mensch in Gott verwandeln“ (LegGai 118). Wenn daher der Menschensohn in der Endzeit oder Adam in der Urzeit verehrt werden, so geht die Initiative dazu immer von Gott aus: Er verleiht dem Menschensohn (einem Engelwesen, das einem Menschen ähnlich ist) seine Würde. Er verleiht Adam seine Herrlichkeit. Erst im JohEv erscheint Jesus als eine Gestalt, die von sich aus den Anspruch erhebt, mit Gott gleich zu sein. Und genau dieser Anspruch stößt auf den Widerspruch von Juden (Joh 5,18; 10,30f). Beim folgenden Überblick über die wichtigsten Belege für eine Auflockerung des strengen Monotheismus im Judentum müssen sich diese drei Kriterien bewähren. Die Texte der Weisheitsliteratur, der frühjüdischen Apokalyptik, wie des Danielbuches und 4. Esrabuches, und die Texte aus den Höhlen von Qumran lassen etwas von einem möglichen Nebeneinander zweier Gottheiten ahnen:214 In Dan 7 übergibt ursprünglich ein alter Gott (der „Alte der Tage“) die Herrschaft oder einen besonderen Auftrag an einen jungen Gott, der als Menschensohn bezeichnet wird und dem göttlicher Status verliehen wird (Dan 7,14). In der Weisheitsliteratur der nachexilischen Zeit kommt die „Frau Weisheit“ vor, die Züge einer Göttin hat (vgl. Prov 8,22–30; Sir 24,8).215 Mit der Mythologisierung der Weisheit im hellenistischen Judentum entwickelte sie sich sogar in Richtung einer Hypostase mit den Eigenschaften der Präexistenz und Schöpfungsmittlerschaft. PHILO von Alexandria, der „als eine authentische Stimme eines alexandrinischen Judentums“ bezeichnet werden kann,216 setzte die Weisheit mit dem Logos (NQIQL), der
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Anders C. FLETSCHER-LOUIS, The Worship of Divine Humanity as God’s Image and the Worship of Jesus, in: C.C. NEWMAN u.a. (Hg.), The Jewish Roots of Christological Monotheism, JSJ 63, Leiden 1999, 112–128. Mit Recht kritisch dazu L.W. HURTADO, Lord Jesus Christ, 37–42. 214 Vgl. S. VOLLENWEIDER, Monotheismus, 26. 215 Vgl. B. LANG, Monotheismus, 839. 216 Vgl. G. SCHIMANOWSKI, Philo, 44.
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weltschöpferischen Vernunft Gottes, gleich (Legum allegoriae 1,65).217 Obwohl der NQIQL-Begriff in den jüdischen Schriften meist auf die Größe und Macht Jahwes verweist und daher nicht unbedingt als „Hypostase“ bezeichnet werden kann, gibt es Aussagen, die eine Art Selbständigkeit des Wortes Gottes aufweisen (vgl. Jes 9,7).218 In der Weisheitsliteratur tritt NQIQL in einer Rolle auf, die als Entsprechung zur Weisheit als „der weltzugewandten Seite Gottes“ verstanden werden kann (vgl. Weish 18,15ff). Bei PHILO werden UQHKC und NQIQL miteinander gleichgesetzt oder Gott als Vater und die UQHKC als Mutter des NQIQL dargestellt (vgl. Fug 109).219 Philo kann sogar den Logos als „zweiten Gott“ bezeichnen (QuaestGen 2,62), aber immer bleibt er Gott deutlich untergeordnet. Die jüdischen religiösen Schriften spiegeln sehr differenzierte Vorstellungen von den Engeln wider. Meist treten sie als Wesen in unmittelbarer Nähe Gottes auf und es gibt bestimmte „führende Engel“ am himmlischen Hof, wie Gabriel (Dan 8,16; 9,21), Michael (Dan 10,13.21; 12,1) und Rafael (Tob 5,11ff; 12,15).220 Da die Engel nur Boten Gottes sind, werden sie nie Gegenstand eigener Verehrung,221 kultische Verehrung gilt Gott allein.222 Und doch sind die Grenzen zwischen den Engeln und Gott in manchen Fällen sehr unscharf. Der „Engel des Herrn“ gilt z.B. als Träger des Gottesnamens (Ex 23,20f) und als menschengestaltige Manifestation der Herrlichkeit Gottes (Ez 1,26–28; 8,2). S. VOLLENWEIDER schreibt von diesem Engel des Herrn: „Er vereinigt in sich auch die Züge aller anderen Mittelwesen wie diejenigen Adams, Henochs, der Weisheit, des himmlischen Menschen und des Menschensohns.“ S. VOLLENWEIDER gelangt daher zu der Feststellung: „Bereits der jüdische Monotheismus lässt hiernach einem zweiten Wesen Raum. [...] Tatsächlich messen einige antike jüdische Texte einem einzelnen Engel einen herausragenden, nahezu göttlichen Rang bei.“223 Ähnlich ist es mit den jüdischen Vorstellungen von erhöhten Menschen. Auch wenn es in einer bildhaft – übertragenen Bedeutung geschieht, spricht JHWH zu Mose in Ex 7,1: „Siehe, ich mache dich zum Gott für Pharao“. Und in Ps 8,6 wird der Mensch nur wenig unter die Elohim (ʭyhla) gestellt. 217
Vgl. M. HEIMGARTEN, Art. Weisheit II A, DNP 12/2 (2002), 440–441, 441. S. VOLLENMonotheismus, 26, nennt die Gestalt der Weisheit „Mutter der Christologie“. 218 Vgl. R. HOPPE, Art. Logos, NBL 2 (1995), 659–665, 660. 219 Vgl. ebd., 661. Im hellenistischen Judentum wurde die Sophia nicht selten durch den Logos ersetzt. Je mehr die Sophia ins Jenseits rückte, desto mehr Platz wurde für den Logos frei, der die Distanz zwischen Diesseits und Jenseits überwinden und den Weg zur Weisheit bahnen sollte. Vgl. B.L. MACK, Logos und Sophia. Untersuchungen zur Weisheitstheologie im hellenistischen Judentum, StUNT 10, Göttingen 1973, 187–188. 220 Vgl. H. RÖTTGER, Art. Engel, NBL 1 (1991), 537–539, 539. 221 Vgl. ebd., 538. 222 Vgl. S. VOLLENWEIDER, Monotheismus, 30. 223 Vgl. ebd., 27. WEIDER,
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Das Gottesvolk, der König und die Engel werden nicht selten als Söhne Gottes bezeichnet. Daraus kann man schließen, dass es im Judentum denkbar ist, einen Menschen als Gott zu bezeichnen, der Betreffende durfte sich nur nicht selbst diese Bezeichnung beilegen und nicht kultisch verehrt werden.224 Einen besonderen Fall stellt der jüdisch-hellenistische Tragödiendichter Ezechiel (etwa 3. Jh. v.Chr.) dar. Er hat zwischen ca. 240 v.Chr. und 100 v.Chr. die Geschichte des Auszuges der Israeliten aus Ägypten nach Ex 1–15 dramatisiert.225 Unter anderem schildert Ezechiel in seinem nur fragmentarisch erhaltenen Werk ExagǀgƝ V. 68–82 einen Traum des Moses, der eine imaginäre „Apotheose“ des Moses enthält. E. VOGT sieht als Vorbilder der Traum-Szene jüdische und eine griechische Traditionen, einerseits den Traum Josephs in Gen 37,9, andererseits den Traum Atossas in den Persern und der Klytaimnestra in den Choephoren:226 „Es schien (mir) auf dem Gipfel des Sinai ein Thron, – ein gewaltiger, – zu stehen, der reichte bis in des Himmels Falten; auf dem saß ein vornehmer Mann mit einem Diadem und einem großen Szepter in der Hand, – der viel Glück bedeutenden (linken). Mit der Rechten aber gab er mir einen Wink, und ich trat vor den Thron. Das Szepter aber übergab er mir, und auf dem hohen Thron ließ er mich Platz nehmen, und er übergab mir das Königsdiadem und weicht selbst vom Thron. Ich aber erblicke das ganze Erdenrund und was unter der Erde und über dem Himmel ist, und eine Fülle von Sternen fiel mir zu Knien, ich aber zählte sie alle, und sie zogen an mir vorbei wie ein Heer von Sterblichen. Da erschrak ich und erwache aus dem Schlaf.“227
Könnte es sein, dass in diesem Fall Moses das Symbol der Thora darstellt? Die Frage ist, ob hier die Thora vergöttlicht wird oder der Traum des Moses die Apotheose von ihm selbst relativiert. Moses erschrickt!228 224
Vgl. W. SCHRAGE, Einheit Gottes, 199. Vgl. I. WANDREY, Art. Ezechiel, [2], DNP 4 (1998), 353–354, 353. Fragmente aus der Exagoge von Ezechiel werden von Clemens Alexandrinus zitiert. Vgl. CLEMENS VON ALEXANDRIEN, Stromata. Buch I–IV, GCS 52, Berlin 1960, 96–98. 226 Vgl. E. VOGT, Tragiker Ezechiel, JSHRZ 4/3, Gütersloh 1983, 113–133, 117. 227 Vgl. E. VOGT, ebd., 124. 228 Das Thema vom Thron Gottes und von Mittlergestalten, die göttliche Verehrung im Himmel erhalten, begegnet mehrfach in jüdischen religiösen Schriften, besonders in der jüdischen Mystik. Ein weiterer Beweis dafür ist das hebräische Henochbuch, das zwar jünger als die Exagoge ist und doch eine alte Tradition aufgenommen hat. Vgl. P. VAN DER HORST, Moses’ Throne Vision in Ezekiel the Dramatist, JJS 34 (1983), 21–29, 24. Wie Mose in der Exagoge, so wird auch 225
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Es ist nicht möglich, in der vorliegenden Arbeit das Problem der Mittlergestalten im Judentum umfassend zu diskutieren, weil es lediglich zum Hintergrund des Phänomens der Apotheose gehört und daher nur indirekt mit dem Problem der Apotheose im lk Doppelwerk verbunden ist. Für unser Thema ist die Erkenntnis wichtig, dass es auch in der jüdischen Religion Vorstellungen von Gestalten zwischen Gott und Menschen gab. Mit Recht betont A. CHESTER in Bezug auf die Mittlergestalten im Judentum, dass keine von ihnen, weder die personifizierten Eigenschaften Gottes (Weisheit, Logos), noch die erhöhten Menschen (Moses, Henoch), noch die Engel die gleiche Stellung wie Gott haben. Sowohl ihre Stellung als auch ihre Autorität bekommen diese Gestalten von Gott.229 Sie werden nicht kultisch verehrt. Es ist daher schwierig, die jüdischen Vorstellungen von den Mittlergestalten mit der heidnischen Apotheose zu vergleichen. Es wäre auch gegenüber der Grundeinstellung der Juden nicht gerecht, auf Grund solcher Mittlergestalten von einem Duotheismus zu reden:230 Juden sind überzeugt, dass sie Monotheisten sind! Und in der Tat gab es für die Juden deutliche Grenzen: Die Transzendenz Gottes schuf eine Distanz zwischen dem einen Gott und allen anderen Mittlergestalten. Diese Mittlergestalten wurden Henoch beim Ausüben der göttlichen Funktionen auf dem göttlichen Thron gezeigt. Vgl. ebd., 25. Inhaltlich geht es im Henochbuch um eine Himmelsreise von Rabbi Ischmael. In der Rolle des angelus interpres ist hier Metatron, der bei seinem Aufstieg in dieses höchste Engelwesen verwandelte Henoch (vgl. H. HOFMANN, Das sogenannte hebräische Henochbuch [3 Henoch], Königstein/Ts./Bonn 1984). Wie Mose setzt sich auch Metatron auf den Thron Gottes. Im Unterschied zur Exagoge wird aber Metatron vom Thron Gottes vertrieben und bestraft. In diesem Fall wird deutlich gesagt, dass es nur eine, nur Gottes Herrschaft im Himmel geben darf: „R. Ishmael said: Metatron, the Angel, the Prince of the Presence, the Glory of all heaven, said to me: (1) At first I was sitting upon a great Throne at the door of the Seventh Hall; and I was judging the children of heaven, the household on high by authority of the Holy One, blessed be He. And I divided Greatness, Kingship, Dignity, Rulership, Honour and Praise, and Diadem and Crown of Glory unto all the princes of kingdoms, while I was presiding (lit. sitting) in the Celestial Court (Yeshiba), and the princes of kingdoms were standing before me, on my right and on my left by authority of the Holy One, blessed be He. (2) But when Acher came to behold the vision of the Merkaba and fixed his eyes on me, he feared and trembled before me and his soul was affrighted even unto departing from him, because of fear, horror and dread of me, when he beheld me sitting upon a throne like a king with all the ministering angels standing by me as my servants and all the princes of kingdoms adorned with crowns surrounding me: (3) in that moment he opened his mouth and said: “Indeed, there are two Divine Powers in heaven!“ (4) Forthwith Bath Qol (the Divine Voice) went forth from heaven from before the Shekina and said: “Return, ye backsliding children (Jer. iii. 22), except Acher!“ (5) Then came ‘Aniyel, the Prince, the honoured, glorified, beloved, wonderful, revered and fearful one, in commission from the Holy One, blessed be He and gave me sixty strokes with lashes of fire and made stand on my feet.“ Vgl. H. ODEBERG, 3 Enoch or The Hebrew Book of Enoch, Cambridge 1928, 43–45. 229 Vgl. A. CHESTER, Mediatorial Figures, 64. 230 Vgl. B. LANG, Monotheismus, 838. A.Y. COLLINS betont mit Recht, dass für die meisten Juden der Antike das Entscheidende in ihrem Monotheismus weder die philosophische noch die theologische Bedeutung war, sondern die praktische Frage, welchen Gott sie anbeten sollen. A.Y. COLLINS, Worship, 235.
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nicht kultisch verehrt. Sie verdanken ihren Status allein der Macht und Initiative Gottes. Kein Mensch konnte von sich aus zu solch einer Stellung aufsteigen, erst recht konnte er nicht von sich aus beanspruchen, ein Gott zu sein. Selbstapotheose war eine unvorstellbare Blasphemie. Nur eine einzige aus dem Judentum kommende Gruppe durchbrach die Grenze des jüdischen Monotheismus: die Christen. Aber auch sie hielten sich für Monotheisten. Sie lehnten die Selbstapotheose von Menschen ab. Ihrer Einstellung zur Apotheose wenden wir uns im folgenden Abschnitt zu.
2.3 Die Einstellung zur Apotheose im Urchristentum Die Einstellung zur Apotheose im Urchristentum
Im Doppelwerk des Lk spiegelt sich die Geschichte seiner Zeit deutlicher als in anderen Schriften des NT wieder. Man kann etwas von dieser Geschichte wiedererkennen, wenn man Lk liest. Es gilt aber auch umgekehrt: Die Rekonstruktion der damaligen Welt aus Quellen außerhalb des lk Doppelwerkes hilft, dessen Gedanken zu entziffern. Man muss sowohl die Frage nach der von Lk erzählten Welt als auch die Frage nach der Welt des Erzählers Lk stellen.231 Als Schriftsteller entwirft Lk selbstverständlich sein eigenes Bild der Geschichte, das manche Fragen offen lässt. Eine dieser offenen Fragen ist seine Einstellung zum Römischen Reich. Die Einstellung des Lk ist nicht eindeutig. Einerseits erscheint er als ein romfreundlicher Verfasser. Dafür spricht schon die Tatsache, dass er sein Werk einer Person widmet, von der man annehmen kann, dass sie zur Elite der damaligen Gesellschaft gehörte. Wahrscheinlich hat Lk von seinem einflussreichen Freund Theophilus erwartet, er werde sein Doppelwerk einem breiteren Publikum nahe bringen. Der im Prolog zum LkEv (Lk 1,1–4) erwähnte Theophilus ist nach einer heute oft vertretenen Meinung eine geschichtliche, keine symbolisch-fiktive Persönlichkeit gewesen. Sie wird vom Verfasser mit dem Ehrentitel MTCVKUVQL angesprochen, der im Neuen Testament nur noch in Act 23,26; 24,3 und 26,25 in der Anrede offizieller Beamter verwendet wird.232
Neben den hellenistischen Juden und Christen waren wahrscheinlich auch gebildete Heiden die Zielgruppe des Lk. In der Art und Weise, in der er die Ereignisse erzählt, spürt man die Absicht, die Angst der Römer und speziell der herrschenden Schicht, vor der christlichen Mission zu beschwichtigen: 231 Mit Recht besteht W. STEGEMANN darauf, dass die traditionell literarisch-theologisch ausgerichtete Redaktionsgeschichte des lk Werkes eine sozialgeschichtliche Ergänzung braucht. W. STEGEMANN, Zwischen Synagoge und Obrigkeit. Zur historischen Situation der lukanischen Christen, FRLANT 152, Göttingen 1991, 12. 232 Vgl. G. THEISSEN, Gospel Writing, 87.
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Die Haltung der Christen kann für römische Mitbürger nur von Vorteil sein, das Evangelium ist politisch ungefährlich.233 Diese romfreundliche Einstellung des Lk spiegelt sich in vielen Stellen seiner Schrift wider.234 Die römischen Soldaten zeigen sich bei Lk in positivem Licht (Lk 3,14; 7,1–10; Act 10). Der Prokonsul Sergius Paulus bekehrt sich. Der römische Prokurator Gallio lehnt jüdische Anklagen gegen Paulus ab. Asiarchen, Beamte des Kaiserkults, sind freundschaftlich mit Paulus verbunden (Act 19,31). Der Stadtschreiber von Ephesus verteidigt Christen gegen die Anklage der Asebie (Act 19,35ff). Claudius Lysias, der Kommandant der Kohorten in Jerusalem, und die Statthalter Felix und Festus lehnen die Verurteilung des Paulus ab (Act 23,29; 24,22; 25,4.16.25; 26,32). Ein römischer Offizier in Act 27,43 verhindert die Tötung von Gefangenen und verhält sich menschenfreundlich.235 Als Gefangener darf Paulus in Rom missionieren.236
Seltener gibt es im lk Doppelwerk Texte, in denen kritische Töne gegen die staatliche Macht und gegen das Imperium Romanum laut werden. Lk hat keine Bedenken, im Lobgesang Marias (Lk 1,46–55) vom Sturz der Mächtigen vom Thron und von der Erhöhung der Unterdrückten zu reden. Nicht nur die Wirkung Gottes auf religiösem und ethischem, sondern auch auf sozialpolitischem Gebiet wird besungen.237 Ebenso ist festzustellen, dass Lk die Grenze des christlichen Gehorsams gegenüber der Obrigkeit deutlich markiert. Eindrückliches Beispiel dafür ist die Formulierung im Munde des Apostels Petrus: „Gott muss man mehr gehorchen als den Menschen“ (Act 5,29). Wenn der Verfasser hier vielleicht bewusst an die Apologie des So233
Vgl. F. BOVON, Das Evangelium nach Lukas, EKK 3/1, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1989, 23. Nicht ohne Grund hält J. SPEIGL das lk Doppelwerk für einen Versuch, die romfreundliche Haltung der christlichen Mission zum Ausdruck zu bringen. Auch die Erzählung des Missionswerkes des Apostels Paulus konzentriert sich stark auf die mit Rom besonders verbundenen Städte, z.B. römische Kolonien. Das Anliegen des Verfassers ist hier offensichtlich der Nachweis, dass Paulus überall in der römischen Welt ungehindert predigen konnte. Die Missionsreise des Paulus beginnt mit der Bekehrung eines römischen Statthalters und die Darstellung betont, dass die Großen überall Freunde des Apostels waren. Als letzten Trumpf spielt Paulus mehrfach sein römisches Bürgerrecht aus. Vgl. J. SPEIGL, Der Römische Staat und die Christen. Staat und Kirche von Domitian bis Commodus, Amsterdam 1970, 10. 235 Vgl. M. MEISER, Lukas, 176. 236 Vgl. E. HAENCHEN, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 16[7]1977, 113. 237 Vgl. F. BOVON, Lukas, 94. Das Magnifikat hat immer die besondere Aufmerksamkeit der Exegeten auf sich gezogen, wie M. RESE in seinem Forschungsbericht über das Lukasevangelium zeigt. Während M. LUTHER zu Lk 1,52 versichert, dass damit keine Umkehrung der menschlichen Verhältnisse gemeint sei, hat TH. MÜNTZER im Herbst 1524 behauptet, dass der Text des Magnifikats „ohne alles Verwickeln“ zu nehmen ist: Die Gottlosen werden verstoßen und die Niedrigen erhoben. Vgl. M. RESE, Das Lukas-Evangelium. Ein Forschungsbericht, ANRW 25,3, Berlin/New York 1984, 2265. Im 20. Jh. war für manche Theologen der „Dritten Welt“ der sozialkritische Aspekt im Magnifikat so wesentlich geworden, dass der religiöse Aspekt zurücktrat. In Lateinamerika haben die Armen den Lobgesang Marias als Lied einer revolutionären Arbeiterin interpretiert, das zum Widerstand ermutigt. Vgl. E. CARDENAL, Das Evangelium der Bauern von Solentiname, Bd. 1, Wuppertal 1976, 30. 234
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krates erinnert,238 ist das eine wirklich demonstrative Äußerung in einer Zeit und in einem Staat, in dem es einen Kaiserkult gab. Es gibt auch manche andere Beispiele einer kritischen Betrachtung des römischen Staates im lk Doppelwerk. In der Versuchungsgeschichte steht der Satan selbst in der Rolle dessen, der Königreiche verleiht (Lk 4,6f). Herodes und Pilatus wirken zusammen bei der Vernichtung Jesu (Act 4,27). Antonius Felix wird in Act 24,2–4 von Tertullus, dem Gegner der Christen gelobt, während in Act 24,22–27 auf seine Habsucht und in Act 24,27 und 25,9 auf sein Vorhaben, den Juden Gunst zu zeigen, hingewiesen wird.239
Das unterschiedlich bewertete Phänomen der Apotheose im lk Doppelwerk scheint der differenzierten Einstellung des Lk zum Römischen Reich zu entsprechen und spiegelt wahrscheinlich die Stimmung vieler seiner Zeitgenossen wider. Der Gegensatz zwischen der Anbetung Jesu und der abgelehnten Vergöttlichung von Menschen im lk Doppelwerk wirft die Frage auf, was Lk veranlasst hat, sich dem Thema der Apotheose zuzuwenden. Gab es in seiner Zeit Ereignisse, die ihn mit dem Phänomen der Apotheose konfrontierten und die Gesellschaft seiner Zeit veranlassten, über die Vergöttlichung von Menschen nachzudenken? In der Tat könnte das lk Doppelwerk in einer ganz besonderen geschichtlichen Situation verfasst worden sein, nämlich gegen Ende des 1. Jh., als das Ende eines vergöttlichten Kaisers sowohl von der Minorität der Christen als auch von der Oberschicht als Befreiung gefeiert wurde: nach dem plötzlichen Ende des Kaisers Domitian im Jahre 96 n.Chr. Die Datierung des lk Doppelwerkes ist immer noch offen. Es gibt nur wenige Anhaltspunkte für sie. Einer von ihnen ist die Zerstörung Jerusalems. Das lk Doppelwerk ist nach der Zerstörung Jerusalems, also nach dem Jahre 70 n.Chr. verfasst worden. Lk hat die Logienquelle und das Markusevangelium als Quellen benutzt. Dabei bearbeitet er die markinische Fassung der synoptischen Apokalypse (Lk 21,20–24) in einer Weise, welche die Zerstörung Jerusalems als geschehen voraussetzt.240 Eine gewisse Unsicherheit schafft in diesem Fall nur der Abschluss der Apostelgeschichte, in dem die Erzählung mit dem zweijährigen Wirken des Paulus in Rom plötzlich abbricht (vgl. Act 28,30f). Hat der Verfasser nichts Weiteres von dem Apostel Paulus zu berichten, weil er noch vor dem Tod des Paulus schreibt? Oder entspricht die Szene mit Paulus in Rom am Ende des Buches einem genau überlegten literarischen und historischen Programm des Verfassers, der das Ende des Paulus sehr wohl kann-
238 Vgl. E. PLÜMACHER, Lukas als hellenistischer Schriftsteller. Studien zur Apostelgeschichte, StUNT 9, Göttingen 1972, 18. 239 Vgl. M. MEISER, Lukas, 176. 240 Vgl. I. BROER, Einleitung in das Neue Testament, NEB 1, Würzburg 1998, 136. CH. HEIL, Lukas und Q. Studien zur lukanischen Redaktion des Spruchevangeliums Q, BZNW 111, Berlin/New York 2003, 23.
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te?241 Im ersten Fall muss man eine frühe Entstehungszeit (um das Jahr 60) des Werkes annehmen, im zweiten Fall lässt sich die Entstehungszeit auf später verschieben. Eine späte Datierung zwischen 115 und 130 n.Chr. ist wegen der Nichtbenutzung der Paulusbriefe im lk Doppelwerk fragwürdig. Bei der sorgfältigen und gewissenhaften Arbeit des Verfassers an seinem Bericht (vgl. Lk 1,1–4 und Act 1,1f) fällt es schwer zu glauben, dass er schon bekannte Paulusbriefe außer Acht gelassen hätte. Es ist eher anzunehmen, dass die Sammlung von Paulusbriefen während der Abfassungszeit des lk Doppelwerkes noch nicht existierte oder noch nicht so verbreitet war, dass Lk von ihr gewusst hätte.242 Auf jeden Fall haben die Gemeinden, die Lk voraussetzt, bereits eine feste Verfassung mit Presbytern (Act 14,23; 20,17) und Diakonen (Act 6,1–6). Das entspricht den zwischen 90 und 100 entstandenen Pastoralbriefen.243 Wenn man annimmt, dass Lk von den Umständen und der sozialgeschichtlichen Situation seiner Zeit beeinflusst war, als er an seinem Werk arbeitete, ist eine Entstehungszeit zwischen 80 und 100 n.Chr. wieder interessant.244 Das lk Doppelwerk könnte also in der Regierungszeit von Kaiser Domitian oder kurz nach seinem Ende verfasst sein.245 Diese Datierung kann durch Zusammenhänge zwischen der im lk Doppelwerk vertretenen Sicht der Apotheose und der politischen Situation im Römischen Reich begründet werden. Die Thematisierung der wahren und falschen Apotheose hat wahrscheinlich einen besonderen zeitgeschichtlichen Hintergrund. Es ist gut denkbar, dass kurz nach dem Sturz des Domitian (96 n.Chr.) seine Selbstapotheose sowohl Christen als auch Nichtchristen beschäftigte.
In Bezug auf das lk Doppelwerk zieht die Person des Kaisers Domitian (81–96 n.Chr.) unter den römischen Kaisern aus mehreren Gründen besondere Aufmerksamkeit auf sich. Zum Nachdenken über das Problem der Vergöttlichung von Menschen konnte alleine die Tatsache den Anstoß geben, dass der zu Lebzeiten als göttlich verehrte Kaiser Domitian nach seinem Tod durch eine damnatio memoriae geächtet wurde. Dieser historische Kontext könnte der entscheidende Anstoß für die lk Interpretation der wahren und der falschen Vergöttlichung gewesen sein. Wer war dieser Domitian, der das Problem der Apotheose in der Öffentlichkeit für eine Weile zum Diskussionsgegenstand gemacht hat? Um diese Vgl. J. ROLOFF, Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen 17[1]1981, 5. Die Frage nach der (Nicht)-Benutzung der Paulusbriefe im lk Doppelwerk wird weiter diskutiert. Nach B. SHELLARD, New Light on Luke. Its Purpose, Sources and Literary Context, JSNT.S 215, London/New York: Sheffield Academic Press 2002, hat Lk einige, wenn nicht alle Paulusbriefe gekannt. Der Verzicht auf die ausdrückliche Berufung auf sie sei mit der Rücksicht auf seine unterschiedlichen Adressaten zu erklären. Paulusbriefe hätten den Grund für mehrere Geschichten im lk Doppelwerk gebildet, seien aber von Lk genauso kreativ bearbeitet worden wie seine anderen Quellen. B. SHELLARD, ebd., 31. 243 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 5. 244 R. PESCH, Die Apostelgeschichte, EKK V/1, Zürich/Einsiedeln/Köln 1986, 28, rechnet mit einer Zeit zwischen 80 und Anfang der 90er Jahre, U. SCHNELLE, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 21996, 285, mit der Zeit um 90. 245 Vgl. CH. HEIL, Lukas, 23. 241 242
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Frage zu beantworten, muss ein Blick auf die Dynastie der Flavier geworfen werden. Sie brachte mehrere Herrscher hervor, die besonderen Wert auf ihre göttliche Legitimation legten. Die von Domitian betriebene Überhöhung seiner Person ins Göttliche ist einerseits aus seiner inneren Einstellung, andererseits aus innenpolitischen Gründen zu erklären: Im Grunde war sie die Vollendung der dynastischen Politik seines Vaters, des römischen Kaisers Vespasian, (69–79 n.Chr.), der einen absoluten Herrschaftsanspruch erhoben hatte.246 Dass gerade Vespasian den Kaiserkult gefördert hat, ist kein Wunder. Er war ein Kaiser, der wegen seiner nichtsenatorischen Herkunft ein ausgeprägtes Bedürfnis hatte, seine Stellung zu legitimieren.247 Die Kaiserwürde errang er „nur auf Umwegen“.248 Seine Familie war „eine Familie von dunkler Abstammung und ohne bedeutende Ahnen“.249 Vespasian war Sohn des Steuerpächters Flavius Sabinus. Als junger Mann schlug Vespasian die senatorische Laufbahn ein. Nicht ohne Erfolg war seine Tätigkeit als Heerführer in Britannien.250 Vespasian war auch derjenige, welcher den Kaiser Nero auf seine Reise nach Achaia begleitete. Er erhielt das Kommando gegen die Aufständischen in Iudäa – nach Meinung von K. CHRIST alleine deswegen, weil er dem Kaiser Nero ungefährlich schien251 – und nahm ab 66 am Jüdischen Krieg teil, indem er die römischen Truppen befehligte. Am 1. Juli 69 wurde Vespasian durch Akklamation seiner Truppen in Alexandrien zum Kaiser ausgerufen. In diesem Fall hat „die Macht der Grenzheere einen Kandidaten über alle gesellschaftlichen Schranken“ hinweggetragen.252 Bis zu den Flaviern war es selbstverständlich, dass der princeps der römischen Nobilität entstammte, zumindest durch Adoption. Zur Legitimation der Herrschaft des Vespasian wurden Legenden über ein Heilungswunder, das Vespasian in Ägypten vollbracht habe, und manche Prophezeiungen verbreitet. Man erzählte von einem blinden Mann aus dem Volk und einem anderen mit einem lahmen Bein, die an Vespasian herantraten, als er auf dem Richterstuhl saß. Durch einen Traum hätten beide von Serapis erfahren, dass sie die Heilung ihrer Krankheit von Vespasian erhoffen dürften. Dem einen sollte Vespasian auf das Auge speien, dem anderen das Bein mit seiner Ferse berühren. Nach einem gewissen Zögern habe
246 247 248 249 250 251 252
Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 278. Vgl. W. ECK, Art. Vespasianus, DNP 12/2 (2002), 125–130, 126. Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 59. Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 249. Vgl. W. ECK, Vespasianus, 125. Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 249. Ebd., 249.
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Vespasian es vor der versammelten Menge gewagt und Erfolg gehabt (Suet.Vesp. 7,2f; Tac.hist. 4,81).253 Für Vespasian war jede Bestätigung seiner Legitimation wichtig. Während des Jüdischen Krieges geriet der jüdische Befehlshaber von Galiläa, der spätere Geschichtsschreiber Josephus, in Gefangenschaft. Dass Josephus von Vespasian Freiheit und römisches Bürgerrecht erhielt, ist dadurch zu erklären, dass er „die messianischen Erwartungen seiner Religion und seines Volkes auf Vespasian übertragen und diesem die Herrschaft in Aussicht gestellt hatte“.254 Als Freigelassener der Flavier nannte sich Josephus seitdem Flavius Josephus.
Der Senat hat die Usurpation des Vespasian im Dezember 69 legitimiert. Durch das Volk wurde die lex de imperio Vespasiani beschlossen, welche die innegehabten Rechte und Kompetenzen des Princeps auf Vespasian übertrug.255 Auch der Sieg über die Juden bedeutete für Vespasian und das flavische Haus eine Legitimation als Herrscher und wurde entsprechend gefeiert und propagandistisch ausgeschlachtet. Nachdem Vespasian in Rom zusammen mit seinem Sohn Titus im Juni 71 den Triumph über Iudäa gefeiert hatte, waren die Münzen mit der Aufschrift Iudaea capta Träger dieser Propaganda.256 Vespasian wollte den Principat der eigenen Familie erhalten und wusste „die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu beeinflussen“, um das Haus der Flavier zu festigen.257 Er legte großen Wert auf öffentliche Anerkennungen, akzeptierte viele imperatorische Akklamationen, übernahm gerne das Konsulat und stellte von Anfang an seine Söhne Titus und Domitian als Nachfolger vor.258 Alleine durch den Kaiserkult konnte der Flavier Vespasian die Kontinuität zu seinen julisch-claudischen Vorgängern unter Einschluss des „göttlichen“ Augustus herstellen.259 Vespasian war zweifellos ein religiöser Mensch. Lebenslang war er ein Isis-Verehrer. Seine religiöse Neigung brachte er zum Ausdruck, indem er die Nacht vor seinem Einzug in Rom im Isistempel verbrachte. Viele haben den wunderbaren Aufstieg Vespasians „mit den alten osthellenistischen Vorstellungen des vom Himmel gesandten Retterkönigs und des aus dem Osten kommenden Weltherrschers“ verbunden.260 Auch für die Öffentlichkeit galt er als göttlich. So wird Vespasian von Tacitus in seinem Werk
253 254 255 256 257 258 259 260
Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 59. Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 250. Vgl. ebd., 256. Vgl. ebd., 253. Vgl. ebd., 261. Vgl. W. ECK, Vespasianus, 126. Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 59. Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 260.
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„Agricola“ als Divus Vespasianus bezeichnet.261 Nach seinem Tode im Juni 79 wurde Vespasian konsekriert.262 Es ist aber kaum zu glauben, dass Vespasian sich selbst als Gott betrachtete. Vieles weist darauf hin, dass Vespasian sehr pragmatisch im Herrscherkult ein Mittel zur Machtbefestigung sah. So lassen seine letzten Worte Vae, puto deus fio – „O weh! Ich glaube, ich werde ein Gott!“ – eine sehr nüchterne und ironische Denkweise erkennen (Suet.Vesp. 23,4). Nicht zufällig schaffte Vespasian die Majestätsprozesse ab und ließ seinen Palast unbewacht.263 Vespasian war aber sonst vom schicksalhaften Auftrag seines Hauses überzeugt. Die beiden Söhne von Vespasian, die Fortsetzer der flavischen Dynastie, wurden von der antiken Geschichtsschreibung unterschiedlich beurteilt. Titus galt für sie als der gute Kaiser, Domitian als der schlechte. Die Gestalt des vergöttlichten Kaisers Domitian ist in der Tat eine der am deutlichsten negativ dargestellten Gestalten in der antiken Geschichtsschreibung. Auch wenn das antike Bild von Domitian durch umfassende neuere Untersuchungen korrigiert wurde und der Senatsbeschluss zur damnatio memoriae sich durch Diskrepanzen zwischen dem Senat und dem Kaiser während seiner Regierungszeit erklären lässt – Domitian hatte sowohl den Senat, als auch die senatorisch gesinnten Historiker und Schriftsteller gegen sich264 – ist unverkennbar, dass Domitian in seiner Zeit und in der späteren Geschichte zum Prototyp des Tyrannen wurde.265 Trotz seiner positiven Leistungen in der Verwaltung und der Organisation des Staates und des Rechtswesens266 dominierten in der Überlieferung seine Schattenseiten. Zu diesen Schattenseiten gehörte auch seine Tendenz zur Selbstüberhöhung. Um seine Person herauszuheben, hat Domitian neue Formen in Zeremoniell und Repräsentation eingeführt. Er wurde ständig von vierundzwanzig Liktoren begleitet. Den Senat betrat Domitian nur im Triumphalgewand.267 Bei den Spielen zu Ehren des Jupiter Capitolinus trug 261
Vgl. TACITUS, Agricola, lat. u. dt. Stuttgart 1973, 14f. Vgl. W. ECK, Vespasianus, 129. 263 Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 260. 264 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 60. 265 Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 263. 266 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 60. SUETON schreibt von Domitian: „In der Rechtsprechung war er sorgfältig und eifrig und hielt häufig auf seinem Tribunal auf dem Forum außerordentliche Sitzungen ab. Parteiische Entscheide des Centumviralgerichts hob er auf. Immer wieder ermahnte er die Rekuperatoren, sich nicht auf oberflächliche und schikanöse Begründungen bei Prozessen einzulassen. Richter, die sich als bestechlich erwiesen hatten, bestrafte er samt ihrem ganzen Kollegium mit einem Verweis. [...] Die Behörden in Rom und die Statthalter in den Provinzen hielt er so fest im Zaum, daß es zu keiner Zeit ehrlichere und gerechtere Beamte gab, während wir es erlebten, daß nach Domitian viele Magistrate aller möglichen Verbrechen angeklagt wurden.“ Vgl. SUETONIUS, Domitian, 8 (vgl. Das Leben der Caesaren, Zürich/Stuttgart 1955, 455–457. 267 Vgl. ebd., 275. 262
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Domitian eine purpurne Toga und eine goldene Krone mit den Bildnissen Jupiters, Junos und Minervas.268 In der zweiten Hälfte seiner Regierung ließ er sich mit dominus et deus anreden. Nach einer Beschreibung mehrerer Zeichen seiner Überheblichkeit, fügt Sueton ausdrücklich einen Hinweis auf diese Anrede hinzu: „Er zeigte sich von gleicher Arroganz, als er eine Verfügung im Namen seiner Prokuratoren diktierte; er begann nämlich so: ‚Unser Herr und Gott befiehlt, daß Folgendes zu geschehen habe‘. Seitdem war es üblich, daß man ihn sogar in Briefen und Gesprächen so nannte.“269 Man erzählt, dass diese Anrede dem Juristen Iuventius Celsus das Leben gerettet habe. Angeklagt wegen Verschwörung, soll er bei einer Privataudienz die Proskynese vollzogen haben, Domitian mehrfach mit „Herr und Gott“ angeredet und damit seine Verurteilung abgewendet haben.270 Da die Wendung dominus ac deus in den Dokumenten fehlt, die nachweislich von Domitian selbst ausgehen, bleibt diese Anrede historisch umstritten.271 Dass sie aber einen historischen Anhalt hat, darf unbestritten bleiben. Es ist schwer zu sagen, wie weit Domitian selbst an seine Göttlichkeit glaubte. Dass er als junger Mensch als Isispriester verkleidet den feindlichen Vitellianern aus dem brennenden Kapitol entfliehen konnte,272 hatte ihm die Überzeugung gegeben, dass „sein Leben für Großes vorherbestimmt und deshalb von der Gottheit geschützt sei.“273 Aber das bedeutet noch nicht, dass er sich für einen Gott hielt. Auf jeden Fall hatte er eine positive Einstellung gegenüber der Vergöttlichung durch andere Menschen als er im September 81 n.Chr. Titus’ Nachfolger wurde.274 Es war für Domitian nicht schwer, den Herrscherkult zu fördern, weil Vorstellungen von der Göttlichkeit eines Kaisers schon tief in der Mentalität seiner Zeitgenossen verwurzelt waren. Im Volksglauben stellte man sich eine Gottheit omnipräsent vor. Man glaubte z.B., dass die Kraft des göttlichen Kaisers auch in seiner Abwesenheit wirkte und seinem Wohl diente. Mit dem Namen Domitian ist folgende Legende verbunden. Die Gottheit des Domitian habe seine Fischbestände auf dem Lande geschützt, wenn er in Rom verweilte. Als einmal ein „gottloser Libyer“ in den kaiserlichen Weihern zu fischen versuchte, erblindete er. Daraus wurde geschlossen, dass Domitian eine Gottheit war und der Diebstahl ein Sakrileg bedeutete.275 Für einfache Leute waren kaiserliche Fischteiche und Jagdgründe Besitz einer Gottheit. Es wurde 268
Vgl. SUETONIUS, Domitian, 4,4. Vgl. SUETONIUS, Domitian, 13,2: „pari arrogantia, cum procuratorum suorum nomine formalem dictaret epistulam, sic coepit: ,dominus et deus noster hoc fieri iubet.‘ Unde institutum posthac, ut ne scripto quidem ac sermone cuiusquam appellaretur aliter.“ 270 Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 120. 271 Vgl. M. MEISER, Lukas, 182. 272 Vgl. SUETONIUS, Domitian, 1,2. 273 Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 263. 274 Vgl. ebd., 264. 275 Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 234. 269
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sogar geglaubt, dass Vögel, Fische und Wildtiere die wunderbare Macht des Kaisers spürten. Aber auch die offizielle Symbolik gab ihm göttlichen Rang. Am häufigsten wurde Domitian mit Iupiter identifiziert. Es gab Münzen mit der Abbildung des Kaisers, welcher den Blitz Jupiters in der Hand hält.276 Da Domitian Ehrungen als Jupiter erwiesen wurden, sollte seine Gattin Domitia als Juno verehrt werden. Nach dem Tod des Domitian erhielt sie aufgrund privater Initiative Tempel und Kult im städtischen Rahmen.277 Sueton berichtet, dass es bei öffentlichen Auftritten auf den Kronen des Jupiterpriesters und des flavischen Priesterkollegiums neben den Bildern der Götter auch noch das Bild von Domitian selbst gab (Suet.Dom. 4). Eine von der Stadtgemeinde dem Kaiser Domitian errichtete Inschrift in Puteoli berichtet von der „Großzügigkeit des größten und göttlichen Kaisers“.278
Die Verehrung des Kaisers Domitian hatte zweifellos kultischen Charakter. Es gibt viele Hinweise auf seine kultische Verehrung, besonders von dem Dichter Martial.279 Ihm wurden Trankopfer (Libation) dargebracht,280 für ihn wurden Altäre und Tempel errichtet und er wurde oft mit einer Strahlenkrone dargestellt. Es gab goldene Götterbilder von Domitian, die neben denen der unsterblichen Götter standen. Als lebender Gott wurde Domitian im Kapitol in Rom verehrt und sein Palast wurde sehr wahrscheinlich als Tempel betrachtet.281 Im Domitian-Tempel in Ephesus, der zu Lebzeiten von Domitian dem flavischen Herrscherhaus errichtet wurde, stand „die Kultstatue des Kaisers in vierfacher Lebensgröße“.282 Es gab auch eine kolossale Reiterstatue, welche die Merkmale der Göttlichkeit Domitians zum Ausdruck bringen sollte.283 Die Übertreibungen Domitians bei der Förderung des Herrscherkultes riefen eine religiöse Abscheu vor allem der Juden und auf Seiten der Christen hervor und führten zu Auseinandersetzungen.284 Was die Christen betrifft, war Domitian bestimmt nicht an prinzipiellen Fragen der Lehre und des Glaubens interessiert. „Die These einer umfassenden, von höchster Stelle veranlassten Christenverfolgung unter Domitian und dessen Parallelisierung mit Nero“ ist auf jeden Fall eine „apologetische Fiktion der Kirchenväter.“285 Die Handlungen von Domitian gegen die Christen hatten eher 276 277 278 279 280 281 282
Vgl. ebd., 125. Vgl. ebd., 126. Vgl. ebd., 127. Vgl. ebd., 130. Vgl. ebd., 221. Vgl. ebd., 129. Vgl. CASSIUS DIO, Dio’s Roman History, Bd. 8, LCL 176, Cambridge/London 1968,
67,8,1. 283 284 285
Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 309. Vgl. J. SPEIGL, Der Römische Staat, 50. Vgl. M. MEISER, Lukas, 182.
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einen zufälligen Charakter. J. SPEIGL vertritt die These, dass man in der Regierungszeit Domitians höchstens von dem Versuch einer Christenverfolgung und nicht von einer Verfolgung allgemein sprechen kann. Aber selbst damit ist zu viel behauptet. Sicher ist nur: In der Regierungszeit Domitians befanden sich die Christen in einer kritischen Situation. Es kam vereinzelt zu Pogromen und Hinrichtungen. Daraus wurde erst in der späteren Überlieferung eine Verfolgung. Domitian galt als ein „schlechter“ Kaiser, deswegen wurden neben anderen Schreckenstaten traditionell auch Christenverfolgungen mit seinem Namen verbunden. Wer die schlechten Kaiser waren, hatte „längst die aristokratische Geschichtsschreibung bestimmt“.286 Sowohl die Frage nach dem jüdischen Proselytismus, als auch die nach den Christen hatte Domitian offensichtlich und willkürlich behandelt. Vielleicht wollte er eine Gruppe nach Bedarf gegen die andere ausspielen. Durch das Bewusstsein ihres ungesicherten Status konnte man eine Gruppe „in Schach halten“. Es gab daher die begründete Furcht, dass es auch zu einer Unterdrückung der Sondergruppe der Christen kommen könnte.287 Die Situation der Christen unter Kaiser Domitian und unter seinen Nachfolgern, spiegelt sich indirekt in christlichen Schriften der damaligen Zeit wider. In den Act werden mehrmals die Auseinandersetzungen der göttergläubigen Bevölkerung mit den Christen erwähnt (Act 13,50 in Antiochien, Act 14,4ff in Iconium, Act 14,19 in Lystra, Act 19,23ff in Ephesus, Act 16,19ff in Philippi, Act 17,5ff in Thessalonich, Act 18,12ff in Korinth). Der 1. Petrusbrief erwähnt Lästerungen, Prozesse und Leid um des Namens Christi willen. Offensichtlich hatten die Verfasser dieses Briefes und der Act die konkrete Situation der Christen vor Augen.288 Sie kannten Verfolgungen in Vergangenheit und Gegenwart und rechneten daher mit harter Verfolgung auch in der Zukunft. Besonders aus den Texten der Apokalypse des Johannes ist zu schließen, dass Christen sowohl Verurteilungen vor römischen Gerichten erlebten, als auch Verfolgung durch ein gottfeindliches Reich befürchteten.289
286
Vgl. J. SPEIGL, Der Römische Staat, 33. Vgl. ebd., 42. In ihrem Artikel „Domitian, the Jews and the ‚Judaizers‘ – a simple matter of cupiditas and maiestas?“, Historia 39 (1990), 196–211, 209, vertritt M.H. WILLIAMS die These, dass der Hass von Domitian mehr dem Judentum als solchem galt, als der Weigerung der Juden und Christen, seine Göttlichkeit anzuerkennen. Auch wenn man heute nur zurückhaltend von Verfolgungen unter Domitian spricht und die meisten Quellen ein übertriebenes Bild von ihnen zeichnen, weisen die vielen Hinweise auf die Bosheit Domitians auf eine antisemitische Einstellung und ein Unbehagen gegenüber jeglicher Abweichung von den üblichen Normen. Vgl. M.H. WILLIAMS, ebd., 211. 288 Vgl. J. SPEIGL, Der Römische Staat, 46. 289 Vgl. ebd., 49. 287
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Der 1. Petrusbrief und die Apokalypse des Johannes bezeugen, dass die Diskriminierungen von Christen, die hin und wieder zur Verfolgung einzelner Christen führten, in den Städten des Ostens nicht aufhörten und die Christen als Fremde in der Zerstreuung und Verbannung lebten wie das Gottesvolk in altem Babylon. Dass es dabei auch um das Problem der Vergöttlichung der Kaiser ging, ist verständlich.290 Auch wenn die Attribute des Herrscherkultes, wie z.B. die Kaiserbilder, zum Teil nur sichtbar gemachte Einheitssymbole des Vielvölkerstaates waren, riefen sie Assoziationen mit der Verehrung der falschen Götter hervor. In Apk 13,14f wird das Kaiserbild als Medium satanischer Verführung dargestellt. „Das Tier vom Land bringt die Erdbewohner dazu, ein Bild für das Tier aus dem Meer anzufertigen.“291 Manches von der Wirkung des Kaisers Domitian gegen die Christen kann man aus den Berichten schließen, welche von seinen Nachfolgern erzählen. Der erste Nachfolger Domitians, Kaiser Nerva (96–98 n.Chr.), der von denselben Leuten (Petronius Secundus und Parthenius) auf den Thron erhoben wurde, welche die Ermordung Domitians veranlasst hatten,292 versuchte viele Maßnahmen Domitians rückgängig zu machen. Von Nerva wurden z.B. Anklagen gegen Asebeia bzw. Atheismus und gegen jüdisches Leben nicht mehr zugelassen. Sehr wahrscheinlich ist, dass gerade auf Grund dieser Anklage die Gruppe um Clemens und Domitilla unter der Regierung Domitians 96 n.Chr. verurteilt worden war.293 Clemens und Domitilla waren nahe Verwandte des Kaisers Domitian. Von T. Flavius Clemens weiß man, dass er Konsul im Jahre 95 war und dass er unter Domitian hingerichtet wurde. Die senatorische Dame Flavia Domitilla wurde auf eine Insel verbannt. Da Cassius Dio als Grund der Verurteilung der beiden „Gottlosigkeit“ nennt, „wegen der auch viele andere, die zu den Sitten der Juden abirrten, verurteilt worden sind“, wird vermutet, dass sie vielleicht Christen waren.294 Wahrscheinlich ist das besonders für Flavia Domitilla. Außer Cassius Dio 67,14,1f gibt es noch zwei Autoren, die von Clemens und Domitilla berichten – Suet.Dom. 15,1 und Euseb, KG 3,18,4. Die Un-
290 A.Y. COLLINS, Worship, 250, behauptet mit Recht, dass der Kaiserkult in der Apokalypse von Johannes ein hervorgehobenes Thema bildet, welches die Opposition zur Kaiserverehrung zum Ausdruck bringt. Nach A.Y. COLLINS zeigt das symbolische System im Buch der Offenbarung zwei gegenübergestellte Gestalten, Christus als den erhöhten Vertreter Gottes und den Kaiser Domitian als die irdische Manifestation von Zeus. 291 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 65. 292 Vgl. R. HANSLIK, Art. Nerva, KP 4 (1975), 75–76, 75. 293 Von der Hinrichtung von Flavius Clemens, des Vetters von Domitian, berichtet Sueton. Vgl. SUETONIUS, Domitian, 15,1. 294 Vgl. P. LAMPE, Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte, WUNT II,18, Tübingen 1987, 166.
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terschiede zwischen diesen Berichten lassen vermuten, dass sie voneinander unabhängig sind.295 Nerva rühmte sich auch, Missbräuche bei den Judensteuerprozessen beseitigt zu haben.296 Vielleicht wurden manche Maßnahmen von Nerva auf Grund des Druckes, den christenfreundliche Kreise auf ihn ausgeübt haben, zurückgenommen.297 Nerva hat die von Domitian Verbannten zurückberufen. Er verbot den Gerichten, Anklagen auf Majestätsverbrechen und Anklagen wegen jüdischen Lebens anzunehmen. Damit erhielt die unter Domitian besonders gefährdete Gruppe der Aristokraten und Nichtjuden, unter ihnen auch Christen, denen wegen angeblich jüdischen Lebens ein Prozess drohte, einen Schutz.298 Da Kaiser Nerva nur zwei Jahre regierte, hat erst Kaiser Traian (98–117) eine nachhaltige Regierungspolitik entwickeln können. In Hinblick auf die Person Domitians hat der Ruf des neuen Kaisers nur Negatives gebracht. In seinem Panegyricus auf Traian benutzte der von Traian ernannte Konsul Plinius Domitian als negativen Kontrast für die positiven Eigenschaften des neuen Kaisers. Domitians Gottsein, seine divinitas zu Lebzeiten, wird von Plinius offen angeprangert.299 Plinius lobt die Bescheidenheit Traians, weil ein anderer Kaiser gleiche Verdienste wie die des Traian schon längst als Grund zur Vergöttlichung benutzt hätte. Im Kontrast zum „schlechten Domitian“ erscheint Kaiser Traian als „der Gute“.300 Auf keinen Fall behauptet Plinius aber, dass man einen Kaiser nicht vergöttlichen dürfe. Aufgrund der Konsekration Nervas durfte sein Adoptivsohn Traian nach Plinius eigentlich schon jetzt „Sohn Gottes“ genannt werden. Seine Divinisierung sollte aber als künftiger himmlischer Lohn angesehen werden.301 Aus der Regierungszeit des Kaisers Traian ist uns ein weiterer wichtiger Beleg erhalten. Der Briefwechsel zwischen Plinius, dem kaiserlichen Legaten bzw. Statthalter von Pontus und Bithynien und Kaiser Traian, der die
295
Vgl. ebd., 167. Die 96 n.Chr. von Nerva eingeführten Änderungen bei der Steuerzahlung an den fiscus Judaicus waren von großer Bedeutung für spätere Entscheidungen, wie man die Loyalität von Christen gegenüber dem Staat beurteilen sollte. Nach 96 wurden die Juden von den Römern im Blick auf die Steuern nicht mehr nach ihrer nationalen, sondern nach ihrer religiösen Zugehörigkeit als Juden definiert. Man verlangte ein öffentliches Bekenntnis. Als Plinius um 110 die Christenfrage klären wollte, spielte ein solches Bekenntnis auch von Christen eine entscheidende Rolle. M. GOODMAN, Nerva, the Fiscus Judaicus and Jewish Identity, JRS 79 (1989), 40–44, 44. 297 Vgl. J. SPEIGL, Der römische Staat, 27. 298 Vgl. ebd., 44. 299 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 61. 300 Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 128. TACITUS, Agricola, 65, nennt Domitian einen „schlechten Herrscher“. 301 Vgl. H.-J. KLAUCK, Die religiöse Umwelt, 61. 296
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Rechtslage der Christen im Römischen Reich widerspiegelt.302 Diese Texte zeigen, dass die Verfahren (cognitiones) gegen Christen zur Zeit Traians eine bekannte Erscheinung waren. Es war gebräuchlich, Christen zum Tode zu verurteilen. Anlass für die Prozesse gegen Christen waren meistens Anzeigen.303 Offensichtlich dienten solche Anzeigen oft als politisches Mittel, anderen zu schaden und sich selbst in ein gutes Licht zu stellen. Der Briefwechsel zeigt, dass die römische Einstellung zur Christenfrage nicht nur von religiösen, sondern auch von politischen Gründen bestimmt war. Bei der Christenfrage wurde die Ideologie des Kaisers und des Römischen Reiches sichtbar. Das werdende Christentum und das politische Leben der Gesellschaft standen von Anfang an in Wechselwirkung. Neben den Christen, die vor Domitian gelegentlich in Ungnade fielen, gab es noch zwei Gruppen der Gesellschaft, gegen welche Domitian seine Missgunst richtete. Das waren die Senatoren und die Philosophen. Gegen die opositionellen Senatoren richtete Domitian mehrmals bestimmte Verfolgungsaktionen. Von solchen wird im Jahre 83, 87 und 88/89 berichtet. Seit 92 n.Chr. spricht man von der „Herrschaft des Terrors“. In der Angst um eigene Sicherheit ließ Domitian zwei seiner Vettern hinrichten.304 Philosophen wurden von Domitian aus Rom und Italien vertrieben.305 Besonders die kynischen Wanderprediger und die stoischen Moralisten verdächtigte er, Agitation gegen seine Herrschaft zu treiben. Nach K. CHRIST sind die Maßnahmen gegen Philosophen in die Jahre 88/89 und 93/94 n.Chr. zu datieren, von ihnen wurden sowohl Epiktet als auch Dion Chrysostomos betroffen. Das von vielen ersehnte Ende von Domitian kam im Jahre 96 durch eine Verschwörung von Seiten seiner nächsten Angehörigen. Vielleicht war einer der Gründe des Verrates die Furcht der Menschen um ihre eigene Zukunft.306 Nach dem Tode Domitians rächte sich der Senat an ihm mit dem Beschluss der damnatio memoriae. Es gab auch in diesem Fall andere Meinungen: Die Prätorianer wollten die Konsekration von Domitian erreichen.307 Die Mehrheitsstimmung war aber gegen Domitian. SUETON schreibt: „Nach Domitians Ermordung verhielt sich das Volk gleichgültig, die Soldaten aber waren sehr erbittert, versuchten sofort, seine Aufnahme unter die Götter durchzusetzen, und wären sogar bereit gewesen, ihn zu rächen, wenn es nicht 302
J. SPEIGL weist darauf hin, dass dieser Beleg die erste sichere und authentische, im Wortlaut erhaltene offizielle Stellungnahme der römischen Regierung zur Christenfrage darstellt (vgl. J. SPEIGL, Der Römische Staat, 52). 303 Vgl. PLINIUS D. J., Briefe 10,96–97, in: Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen, Bd. 1: Alte Kirche, hg. v. A.M. Ritter, Neukirchen-Vluyn 1977, 15. 304 Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 282. 305 Vgl. SUETONIUS, Domitian, 10. 306 Vgl. K. CHRIST, Geschichte, 282. 307 Vgl. ebd., 284.
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an Führern gefehlt hätte. Sie erreichten allerdings wenig später ihr Ziel, indem sie hartnäckig auf Bestrafung der Mörder bestanden. Im Gegensatz dazu zeigten die Senatoren die größte Freude, eilten um die Wette in das Rathaus und konnten sich nicht beherrschen, dem ermordeten Kaiser die schmachvollsten und bittersten Beschimpfungen nachzurufen, auch Leitern bringen zu lassen, um seine Ehrenschilde und Bilder öffentlich herunterzureißen und an Ort und Stelle auf dem Boden zu zerschmettern. Zuletzt wurde noch beschlossen, überall auf den Inschriften seinen Namen zu tilgen und jede Erinnerung an ihn auszulöschen.“308
Wenn man zu der am Anfang des Kapitels gestellten Frage nach der Einstellung des Lk zum Römischen Reich zurückkehrt, muss man sagen, dass Lk als Schriftsteller seiner Zeit eng verbunden war. Sein Werk spiegelt nicht nur die Situation wider, die nach der Regierungszeit des Domitian vorhanden war, es spiegelt auch den damaligen Zeitgeist wider. Lk kritisiert nur die Personen und Erscheinungen, welche in seiner Zeit öffentlich kritisiert wurden. Als Bespiele dafür führt M. MEISER die Kritik an Herodes Antipas (Lk 3,19) an, der einerseits ein Freund der Römer war und der doch nach seinem Tode durch die offizielle römische Staatsmacht geächtet wurde. Ein weiteres Beispiel ist die Gestalt des Pontius Pilatus (Lk 13,1–5; Act 4,27), der von Judäa im Jahr 36 n.Chr. abberufen wurde. Genauso erhielten auch die von Lk kritisierten Gallio und Antonius Felix eine negative Bewertung durch seine Zeitgenossen.309 Von den Kaisern erwähnt er nur die „guten Kaiser“: Augustus, Tiberius und Claudius. Man muss dabei beachten, dass Lk die Harmlosigkeit des Christentums unter den Bedingungen eingeschränkter Meinungsfreiheit zu zeigen versuchte.310 Die Kritik an der Apotheose von Menschen passte genau in die Zeit nach dem Sturz des Domitian. Und doch war Lk nicht jemand, der seine Meinung nur nach dem Wind richtet. Wenn man von Paulus sagt, dass seine Verkündigung in Bezug auf den Herrscherkult anti-imperial wirkte,311 muss man auch dem lk Doppelwerk ein kritisches Potential zugestehen. Da die Gegenüberstellung der wahren und der falschen Vergöttlichung im lk Doppelwerk eine sehr bedeutende Rolle spielt, ist nicht ausgeschlossen, dass in der Ermahnung an die Christen, allein Gott anzubeten, der Anspruch römischer Herrscher auf Vergöttlichung scharf kritisiert wird. In Bezug auf die Kritik des Herrscherkultes gilt, dass das ganze NT ein kritisches Potential in sich hat. Schon der Begriff „Evangelium“ war für seine Zeit politisch 308
Vgl. SUETONIUS, Domitian, 23,1. Der Beschluss des Senates konnte nicht verhindern, dass die Verehrung der Familie von Domitian, die als kultische Verehrung in der Provinz Asien eingeführt worden war, nach dem Tod des Kaisers weiterlebte. S.J. FRIESEN, Twice Neokoros, 167, erklärt das mit der tiefen Verwurzelung des Kultes im Leben der Provinz. 309 Vgl. M. MEISER, Lukas, 184. 310 Vgl. ebd., 190. 311 Vgl. W. POPKES, Anti-imperiale Deutung, 855.
Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten
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aufgeladen: In der politisch-diplomatischen Sprache der Kaiserzeit bedeutete GWXCIIGNKQP „Siegesnachricht“. Auch die Vokabeln RKUVKL, FKMCKQUWPJ, UYVJT und GKXTJPJ konnten als konkurrierend verstanden werden. Mit guten Gründen kann man sagen, dass das Evangelium Christi und das des Cäsars in Konkurrenz zueinander gerieten.312 Da zur Zeit des Mk im Jahr 68 n.Chr. in Syrien „Evangelien“ als Nachricht von der Proklamation des Vespasian zum Kaiser gefeiert wurden, fragt G. THEISSEN, ob nicht Mk bewusst seine Jesusdarstellung als „Evangelium“ bezeichnet hat, „weil er sie als ‚Antievangelium‘ zum Aufstieg der Flavier verstand.“313
Im Doppelwerk des Lk mit seinem Thema der Apotheose spiegelt sich die Geschichte seiner Zeit. Das lk Doppelwerk und seine Zeitgeschichte befinden sich in einer Wechselwirkung. Wenn man das Bild der lk Welt durch seinen Bericht in Verbindung mit anderen Quellen rekonstruiert, zeigt sich die kritische Einstellung des Urchristentums gegenüber der Vergöttlichung von Menschen. Der Lebenslauf des Kaisers Domitian zeigte die Absurdität der Apotheose. Das haben die meisten der Zeitgenossen des Lk begriffen. Es gibt daher gute Gründe, die Entstehung des lk Doppelwerkes kurz nach dem Sturz des Kaisers Domitian zu datieren. Die Christen verstanden die Forderungen der Herrscher nach Vergöttlichung als einen Prüfstein ihres Glaubens an den einen und einzigen Gott, der alleine verehrt werden darf. Es ist daher kein Wunder, dass die Apotheose im Urchristentum in Verbindung mit dem Wirken des großen Widersachers, des Satans, gebracht wurde.
2.4 Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten
Die Reflexion der Christen über das Phänomen der Apotheose wurde immer mehr vertieft, je länger und fester das Christentum Wurzeln in der Geschichte schlug. Auch im 2. Jh. setzte es sich mit dem Thema Vergöttlichung auseinander, obwohl sich Perspektive und Ausdrucksweise veränderten. Die christlichen Apologeten im 2. Jh. setzten die Kritik an der Vergöttlichung von Menschen im lk Doppelwerk for, und umgekehrt ist Lk ihr Vorläufer. Auch er befindet sich in einer apologetischen Situation: Als 312 Vgl. ebd., 856. D.L. JONES, Christianity, 1031, erinnert an die schon früher vertretene These, dass der christologische Titel Kyrios (vgl. Phil 2,9–11) im Gegensatz zur kultischen Formel Kyrios Kaisar geprägt wurde. Nach D.L. JONES war Kyrios im Kaiserkult verbreitet und ist auch für die Alltagssprache der römischen Zeit bezeugt. Zuerst wurde der Titel in Bezug auf Augustus 12 v.Chr. gebraucht. Für das 1. Jh. n.Chr. belegt eine Inschrift aus dem Jahr 67 n.Chr. die Bezeichnung Neros als „Herrn der ganzen Welt“. Auch der Prokurator von Judäa bezeichnet in Act 25,26 den Kaiser als Kyrios. Wenn der christologische Kyriostitel auch nicht direkt als Oppositionsbegriff zum Kaiserkult entstanden ist, so hatte die Proklamation Jesu als Kyrios bei den ersten Christen doch ein Gegenüber im Kaisertitel. 313 Vgl. G. THEISSEN, Das Neue Testament, 69.
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Die Apotheose in der antiken Welt
kleine, vom Judentum abgespaltene Gruppen wurden die christlichen Gemeinschaften von ihrer Umwelt wie ein Fremdkörper, meist mit Argwohn, beobachtet und dienten oft als Sündenbock. Um zu überleben, mussten sie ihren Standpunkt erklären und ihre Einstellung rechtfertigen. Lk tat es in seinem Doppelwerk anders als die späteren Apologeten durch Erzählungen. Durch die Szene mit Demetrius in Act 19 zeigt Lk, wie schnell die Christen in Gefahr gerieten, weil sie die traditionellen Lebens- und Kultformen verließen. Als richtige kleine Apologien wirken die Reden des Paulus in Lystra (Act 14,8–17) und in Athen (Act 17,16–33).314 Die Weigerung der Christen, sich am offiziellen Staatskult mit der notwendigen göttlichen Verehrung des Kaisers zu beteiligen, war eine der schwierigsten Fragen. Dem Zweck, um das Verständnis der Umwelt für die Ablehnung der Vergöttlichung zu werben, dienten offensichtlich auch Geschichten über Apotheosen im lk Doppelwerk.
Die Aufgabe der klassischen Apologetik des 2. Jahrhunderts bestand darin aufzuweisen, dass das Christentum eine legale Religion ist, die mit kriminellen Handlungen nichts gemeinsam hat und der römischen Gesellschaft keinen Schaden antun will. Der heikelste Punkt war für die Christen immer noch der Staatskult, welcher die göttliche Verehrung des Kaisers und die Zustimmung zu seiner Apotheose forderte. Auch wenn sich die Christen in allen anderen Bereichen des öffentlichen Lebens vorbildlich verhielten, verweigerten sie sich in diesem Punkte.315 Die Apologeten versuchten daher mit Nachdruck, ihrer Umwelt die Loyalität der Christen gegenüber der Staatsmacht zu versichern. Als Tertullian (ca. 160/170 bis nach 212 n.Chr.) um 197 seine Verteidigungsschrift „Apologeticum“ in Form einer Gerichtsrede verfasste, war sein Hauptanliegen, die Vertrauenswürdigkeit der Christen als Bürger des Römischen Reiches nachzuweisen.316 Er schrieb: „Wir beten allezeit für alle Kaiser um ein langes Leben, um eine ungestörte Herrschaft, um die Sicherheit ihres Hauses, um tapfere Heere, einen treuen Senat, ein rechtschaffenes Volk, um die Ruhe des Erdkreises und welche Wünsche sie immer als Mensch und als Kaiser haben mögen.“317
Trotz aller Loyalität gegenüber der Staatsmacht weist Tertullian aber darauf hin, dass die Christen den Kaiser nicht für Gott halten können: „[...] was soll ich noch länger über die Ehrfurcht und Pietät der Christen gegen den Kaiser reden, den wir mit Notwendigkeit hochachten müssen, als einen, den unser 314
Vgl. L.W. BARNARD, Art. Apologetik I, TRE 3 (1978), 371–411, 372. Einen besonderen Aspekt hebt A.Y. COLLINS, Worship, 257, hervor. Nach A.Y. COLLINS ist sehr wahrscheinlich, dass die Vertrautheit mit dem Kaiserkult die ersten Christen zur Verehrung von Jesus bewegt hat. Durch ihre Weigerung, einen Kaiser anzubeten, drückten sie ihre Verehrung Jesu aus, der für sie der einzige Repräsentant des wahren Gottes war. 316 Vgl. P. HABERMEHL, Art. Q. Septimus Tertullianus, [2], DNP 12/1 (2002), 173–177, 177. 317 Vgl. TERTULLIAN, Apologetikum, BKV 66, Kempten/München 1915, 30. 315
Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten
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Gott auserwählt hat, weshalb ich mit Recht sagen könnte: Als von unserem Gott eingesetzt, gehört der Kaiser mit größerem Recht uns. [...] ich lasse ihn aber dem unterworfen sein, dem ich ihn nicht gleich stelle. Ich nenne den Kaiser nicht Gott, einerseits, weil ich nicht zu lügen verstehe, andererseits, weil ich ihn nicht zu verspotten wage und er auch selbst nicht einmal Gott genannt sein will. Wenn er ein Mensch ist, so ist es ihm als Menschen nützlich, Gott den Vorrang zu überlassen.“318
Man darf von einem Menschen nicht sagen, dass er ein Gott sei, darin waren die Apologeten einig. Diese Meinung vertraten sie auch selbstbewusst gegenüber ihrer Umwelt. In der Apologie des Aristides von Athen aus dem 2. Jh. steht:319 „Die aber von dem Menschen annehmen, daß er Gott sei, sind [sehr] im Irrtum. Wie auch du, o Kaiser, weißt, besteht der Mensch aus den vier Elementen und aus Seele und Geist; deshalb wird er auch Welt genannt; und ohne einen dieser Teile besteht er nicht. Er hat Anfang und Ende, wird geboren und vergeht. Gott aber hat, wie ich sagte, nichts von (alle-) dem in seiner Natur, sondern ist ungemacht und unvergänglich. Deshalb können wir auch unmöglich dem Menschen göttliche Natur beilegen, (ihm,) den zeitweise, wenn er Freude erwartet, Leid trifft, und wenn (er) Lachen (erwartet), Weinen überkommt, [...].“320
Die Erkenntnis des einen einzigen wahren Gottes ist für Aristides die Erkenntnis der Wahrheit und nach seiner Meinung sind es nur die Christen, die „der Erkenntnis der Wahrheit nahe stehen.“321 Hinsichtlich dieser Erkenntnis irren sich sowohl „die Barbaren“, als auch „die Griechen“ und „die Juden“. Die Barbaren verehren das Geschöpf an Stelle seines Schöpfers: sie beten nutzlose Bildsäulen und Elemente wie Erde, Wasser und die Sonne an, die nicht göttlichen Wesens sind.322 Die Griechen verehren erdichtete unmoralische und veränderliche Götter, die nur ein schlechtes Vorbild für die Menschen geben und dadurch viele zu einem lasterhaften Leben verführen.323 Die Juden besitzen zwar eine reinere Gottesidee, verehren aber in Wirklichkeit Engel, indem sie zu großes Gewicht auf Äußerlichkeiten wie Beschneidung, Fasten und Fasttage legen.324 Allein die Christen haben eine wahre Vorstellung von Gott:
318
Vgl. ebd., 33. Obwohl die Apologie des Aristides als älteste vollständig überlieferte christliche Apologie gilt, gehen die Meinungen über die ursprüngliche Textgestalt auseinander. Auch die Datierung des Werkes ist umstritten. Zur Debatte stehen sowohl die Regierungszeit Hadrians (117–138 n.Chr.) als auch die des Antoninus Pius (138–161 n.Chr.). Vgl. P. PILHOFER, Art. Aristides, LACL 32002, 60. 320 Vgl. ARISTIDES, Apologie, VII,1f; Text nach J. Geffcken, Zwei griechische Apologeten, Leipzig/Berlin 1907, 10 (übers. K. Julius, BKV 1,12, Kempten/München 1913, 1–54). 321 Vgl. ARISTIDES, Apologie, 16,1. 322 Vgl. ebd., III–VI; 6–10 Geffcken. 323 Vgl. ebd., VIII–XIII; 10–21 Geffcken. 324 Vgl. ebd., XIV; 21f Geffcken. 319
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Die Apotheose in der antiken Welt
„Denn sie kennen Gott und glauben an ihn als den Schöpfer ‚und Werkmeister des Alls‘, durch den alles und von dem alles ist, der keinen andern Gott neben sich hat [...]“.325
Bei den Ausführungen der Apologie von Aristides gibt es dennoch ein unlösbares Problem: die Menschlichkeit und die Göttlichkeit Jesu Christi. Ist Jesus Christus ein Mensch oder ist er Gott? Und wenn Jesus Christus Gott ist, wie steht es dann bei Christen mit dem Monotheismus? Während Aristides den Griechen vorwirft, dass sie veränderliche Menschen als Götter verehren, stellt er selber Jesus als einen dar, bei dem derselbe Einwand gelten könnte. Nach L.W. BARNARD versuchten die späteren Apologeten diese Schwierigkeit durch die Logostheologie zu überwinden.326 Im Unterschied zu Lk verwenden die Apologeten neue Ausdrucksmittel, um ihrer Umwelt den christlichen Glauben zu erklären: Sie erzählen keine Geschichten, sondern versuchen an das philosophische Denken anzuknüpfen, das Arsenal der philosophischen Begriffe zu benutzen und haben mit diesem neuen Zugang wie mit einer fremden Waffen sowohl ins Schwarze als auch daneben getroffen. In Bezug auf die Kritik der Apotheose von Menschen sind vor allem zwei „Waffen“, zwei Thesen der christlichen Apologeten, zu nennen: (1) Die Apologeten betrachteten die Vernunft (NQIQL) als höchstes Wahrheitskriterium, wobei sie diese Vernunft mit Christus identifizierten. (2) Das aus ihrer Perspektive falsche Denken oder Verhalten gegenüber Gott erklärten sie mit dem Handeln der Dämonen. Auch die falsche Apotheose von Menschen wurde von ihnen auf das Wirken von Dämonen zurückgeführt. Da im klassischen griechischen Denken Leidenschaft (RCSQL) als Negativum galt und im Gegensatz dazu Vernunft (NQIQL) und Wahrheit als Positivum dargestellt wurden, behaupteten die Apologeten, dass „die gesamte griechisch-römische Religion und der größte Teil der griechisch-römischen Philosophie vernunftwidrig und Produkte dämonischer Leidenschaften sind, wohingegen einige Philosophen diesen dämonischen Trug durchschaut und demaskiert haben, indem sie flüchtige Blicke auf den wahren Logos geworfen hatten, der immer da war, um von den Wahrheitsliebenden gesucht zu werden, und der in den letzten Zeiten als Jesus Christus inkarniert wurde.“327 Es fiel im 2. Jh. nicht schwer, den Logos mit Jesus zu vergleichen, wo doch schon Philo den NQIQL als Schöpfung Gottes, als „Erstgeborenen“ (RTYVQIQPQL) oder „Ältesten“ (RTGUDWVCVQL) von dem bezeichnete, was geworden war, und ihn als Mittler zwischen Gott und Welt darstellte.328 325 326 327 328
Vgl. ebd., XV,2; 23 Geffcken. Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 376. Vgl. O. SKARSAUNE, Apologetik IV/1. Alte Kirche, RGG 1 (41998), 616–620, 616. Vgl. R. HOPPE, Logos, 661.
Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten
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Die Logoslehre hat den Apologeten geholfen, dem heidnischen Einwand entgegenzutreten, dass alles, was man beim Christentum besonders lobt und worauf Christen besonders stolz sind, bereits im Heidentum zu finden sei. Gerade die Logoslehre erlaubte das Gute und Edle in der heidnischen Literatur und Philosophie als „christlich“ zu bezeichnen.329 Mit der Gleichsetzung von Logos und Jesus begründeten die Apologeten ihre Behauptung, das Christentum sei selbst so alt wie die Schöpfung. Besonders deutlich zeichnete der Philosoph und christliche Märtyrer JUSTIN, der 165 in Rom hingerichtet wurde,330 Jesus Christus als den Logos im Lichte des alttestamentlichen Wortes Gottes, der neutestamentlichen Überlieferung und des mittleren Platonismus.331 Nach JUSTIN besaß alleine Jesus Christus den ganzen Logos (apol. II,10), die Menschen aber nur gewisse „Keime“ der Wahrheit in ihrer Vernunft (apol. I,46; apol. II,8 und 13).332 Es gibt drei Werke von Justin, die erhalten sind und als originär gelten: Zwei Apologien und der Dialog mit dem Juden Tryphon. Die Erste Apologie wurde um 150–155 verfasst, die andere etwas später.333 Die Apologien verteidigen die Christen gegen den Vorwurf des Atheismus und belegen mittels Schriftbeweis aus dem AT die Gottessohnschaft Christi. Nach Justin erfüllt Jesus Christus die Messiasverheißungen des Alten Testaments. Aber er ist auch eine Erfüllung paganer Vorstellungen: Den Gedanken vom logos spermatikos hat Justin aus der Stoa entliehen. Auf jeden Fall ist das Christentum für ihn die wahre Philosophie.334
155–160 wurde von JUSTIN das Werk „Dialog mit dem Juden Tryphon“, eine antijüdische Apologetik, verfasst.335 Es geht in dieser Schrift um ein Streitgespräch zwischen Justin und einem Juden namens Tryphon aus den Jahren nach 132.336 Als ein besonderes Problem wird für den Juden Tryphon die christliche Lehre vom Messias dargestellt. Nach den jüdischen Vorstellungen soll der Messias als Mensch geboren und im Laufe seines Lebens zum Messias werden (49,1; 67,2). Wenn man sich schon einen leidenden Messias vorstellen könnte, meint Tryphon, darf man dennoch nicht so weit gehen, dass man behauptet, er solle gekreuzigt werden (89,2; 90,1).337 Im Dialog fordert Tryphon mit Recht die Christen heraus, wenn er fragt:
329
Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 377. Vgl. J. RIST, Art. Iustinos Martys, DNP 6 (1999), 106–107, 107. 331 Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 383. 332 Vgl. ebd., 377. 333 Vgl. J. RIST, Iustinos, 107. 334 Vgl. ebd., 107. 335 Der Dialog mit dem Juden Tryphon ist nicht vollständig überliefert. Man vermutet z.B. ein verlorengegangenes Proömium mit einer Widmung an Markus Pompeius, weil dieser am Ende ausdrücklich erwähnt wird (141,5): C.P. VETTEN, Art. Justin der Märtyrer, in: LALC 32002, 413. 336 Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 395. 337 Vgl. ebd., 396. 330
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Die Apotheose in der antiken Welt
„Wie kannst du beweisen, dass es neben dem Weltschöpfer noch einen Gott gibt?“338 „Beweise uns, dass der prophetische Geist außer dem Weltschöpfer noch einen anderen Gott anerkannt hat!“339
Es begegnet wieder die Frage, ob Jesus Christus Gott sei, und wenn ja, wie man das mit dem Glauben an einen einzigen wahren Gott verbinden kann. JUSTIN lässt Tryphon in seinem Dialog die klassischen Argumente der Juden gegen die Göttlichkeit Jesu äußern. Tryphon bleibt bei seiner Überzeugung, dass Christen ihre Hoffnungen auf einen gekreuzigten Menschen setzen.340 Nach jüdischer Vorstellung sei es einfach unmöglich anzunehmen, dass Christus schon seit Ewigkeit wie Gott existiert hat und sich irgendwann so erniedrigt hat, dass er als Mensch aus einem Menschen geboren wurde.341 Christen sollten sich schämen, Märchen zu erzählen, die dem griechischen Mythos von Perseus ähnlich sind, der von Zeus und Danae erzeugt wurde. Es sei viel vernünftiger zu behaupten, dass Jesus ein Mensch von Menschen war, der aufgrund seines gottgefälligen Lebens als Christus berufen wurde.342 Wer wage zu behaupten, dass Gott als Mensch geboren werden wollte und Mensch wurde, der behaupte etwas Unglaubliches und Unmögliches.343 JUSTIN besteht in seinem Dialog dennoch darauf, dass Christen keinen Menschen für Gott halten. Sie wären nie bereit, Götzendienst zu treiben, und haben das häufig unter Todesdrohungen bewiesen.344 Christen hätten nichts mit Polytheismus zu tun. Alle heidnischen Götter seien nur Dämonen.345 Allein auf Grund von Angst würden die Dämonen Götter genannt.346 Dass die Griechen von Dionysos, einem Sohn von Zeus, erzählen, er sei auferstanden und in den Himmel aufgenommen, ist nach Justin dadurch zu erklären, dass Satan die von Moses aufgeschriebenen Prophezeiungen nachgeahmt habe. Ähnlich sei es mit der griechischen Legende von Herakles und seiner Himmelfahrt, wie auch von Äskulap, der geheilt und Tote auferweckt habe: Der Teufel habe die Prophezeiungen von Christus „nachgeahmt“.347 Auch die Geschichte von der Geburt des Perseus aus einer Jungfrau sei „eine Nachäffung durch die trügerische Schlange“.348
338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348
JUSTINI MARTYRIS Dialogus cum Tryphone, 50,1, PTS 47, Berlin 1997, 152. Ebd. 10,3 (87). Ebd. 55,1 (159). Ebd. 48,1 (148). Ebd. 67,2 (185). Ebd. 68,1 (187). Ebd. 34,7 (127). Ebd. 73,3 (196). Vgl. DIOGNET, Der Brief an Diognet, BKV 1,12, München 1913, 1–17,15. JUSTINI MARTYRIS Dialogus cum Tryphone, 69,2–3 (189f). Ebd. 70,5 (192,2f).
Die Einstellung zur Apotheose bei den Apologeten
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Nicht nur für JUSTIN, sondern auch für andere Apologeten ist bezeichnend, dass sie das Pantheon der griechisch-römischen Religion mit den Dämonen identifizierten. Seit Platon wurden mit den Dämonen in den philosophischen Texten Wesen gemeint, welche sich hinsichtlich ihrer Macht zwischen Göttern und Menschen befanden und oft eine Vermittlungsrolle zwischen beiden übernahmen. Sie konnten sowohl gut, als auch böse sein.349 Die Apologeten bewerteten die Dämonen immer nur als „böse und vernunftwidrig“. Nach O. SKARSAUNE sind die Apologeten in diesem Punkt von jüdischen Vorstellungen abhängig und stehen im direkten Gegensatz zu der „differenzierteren und ambivalenteren Haltung“ gegenüber dem Dämonischen in den vorherrschenden Philosophien ihrer Zeit, dem Stoizismus und dem Mittelplatonismus. In dieser Hinsicht weigerten sich die Christen, dem Kompromiss der zeitgenössischen Philosophie mit den „Göttern der Stadt“ zu folgen. Die kompromisslose Position der alten Gründer der Philosophie wie die des Sokrates und des Platon wollten die christlichen Apologeten als Vorbild nehmen. Gerade im Martyrium des Sokrates sahen sie Muster und Bestätigung für ihre radikale christliche Position.350 Die bemerkenswerte Tatsache, dass die Apologien des 2. Jahrhunderts sich oft auf den römischen Kaiser bzw. den Senat beriefen, ist mit dem Gefühl, die Philosophie auf ihrer Seite zu haben zu erklären: Die Apologeten wollten auch im Kaiser einen Philosophen sehen.351 In ihrer Verteidigung bestanden die Apologeten darauf, dass nur die Dämonen für die irrationalen Verleumdungen der Christen verantwortlich seien. Der Kaiser „als wahrer Philosoph“ dürfe nicht ohne Weiteres den Vorurteilen des Volkes glauben und solle die Sache der Christen untersuchen. In der Tat entsprachen die Lebensführung und die Religion der ersten Christen „mehr als sonst irgend jemand den höchsten philosophischen Idealen“.352 Und doch blieb da immer noch ein gefährlicher Punkt für die Verteidigung: Die Weigerung der Christen, vor der Statue des Kaisers Opfer darzubringen und die römischen Götter zu verehren. Dieses Verhalten galt als Verbrechen gegenüber der Politik des Staates, welche die pax romana forderte. Die politische Apologetik versuchte daher das Verhalten der Christen zu rechtfertigen, indem sie behauptete, dass auch die römischen Götter in Wirklichkeit keine Götter seien, und dass religiöse Verehrung „für ein 349
Vgl. S.I. JOHNSTON, Dämonen, 261. Vgl. O. SKARSAUNE, Apologetik, 616. 351 H. V. CAMPENHAUSEN, Griechische Kirchenväter, Stuttgart 61981, 21, weist darauf hin, dass Justin in seiner Apologie das moralisch-theologische und juristische Moment verknüpft hat. Dabei ließ er aber außer Acht „die grundsätzliche Verknüpfung von Staat und Religion, die das römische Reich wie jede antike Ordnung und Staatlichkeit voraussetzen und fordern musste“ und die die „letzte Voraussetzung der Christenverfolgung“ war. 352 Vgl. O. SKARSAUNE, Apologetik, 617. 350
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menschliches Wesen wahrer Frömmigkeit widerspreche“. Nach Meinung der christlichen Apologeten waren die römischen und auch alle anderen Götter keine Götter, „sondern heimliche Dämonen“. So wagten die Apologeten, die gesamte traditionelle Religion als unvernünftig und trügerisch zu bezeichnen. Unterstützung für solche Behauptungen meinten die Apologeten in bestimmten philosophischen Schulen zu finden, wie der Stoa und dem Platonismus. Sehr hilfreich für die Verteidigung war die Kritik des Sokrates an den Göttern Homers. Sokrates wurde von Justin als ein „Christ vor Christus“ dargestellt. Tertullian behauptete in seinem Apol. 46,5, dass Sokrates einen bestimmten Teil der Wahrheit gesehen habe, weil er Kritik an den Göttern übte.353 „Diesen Namen Philosoph fliehen die Dämonen nicht. Warum auch, da die Philosophen die Dämonen den Göttern für gleich halten. Eine der Redensarten des Sokrates lautet: ‚Wenn das Dämonium es erlaubt.‘ Derselbe Sokrat aber, der etwas von der Wahrheit erkannt hatte, als er das Dasein der Götter leugnete, befahl doch bei seinem Ende, dem Äskulap als Opfer einen Truthahn zu schlachten [...].“354
Das Neue, das die Apologeten mit dem klassischen Erbe der Philosophie verbanden, war die Vorstellung, dass die philosophische Vernunft mit dem Christus als Logos identisch sei und von der Macht der Dämonen befreien könne. Als säender Logos (NQIQL URGTOCVKMQL) teilt Christus allen Menschen etwas von sich selbst mit: den Samen des Logos (URGTOC VQW NQIQW). Die Befreiung der Menschen aus der dämonisch-satanischen Knechtschaft, bedeutete die Befreiung aus der Sklaverei der irrationalen Leidenschaften und die Wiederherstellung des Menschen in seiner wahren Vernünftigkeit, die sich „in Gebet und Gehorsam“ zum einzig wirklich existierenden Gott ausdrückt.355 In seiner Ersten Apologie schreibt JUSTIN: „[...] Wir, Leute aus jeder Menschenklasse, die wir einst den Dionysos, den Sohn der Semele, und Latonas Sohn Apollon, die beide aus unnatürlicher Liebe Dinge verübten, die man nicht aussprechen darf, die wir ferner die Persephone und Aphrodite, die bei euch wegen des Adonis in Liebeswahnsinn verfielen, deren Geheimdienst ihr aber noch jetzt feiert, oder den Asklepios oder sonst einen der sogenannten Götter verehrten, haben trotz des angedrohten Todes diese durch Jesus Christus verachten gelernt und haben uns dem ungezeugten und leidenschaftslosen Gotte hingegeben, der, wie wir überzeugt sind, weder zu einer Antiope oder einer anderen ihresgleichen, noch zu 353
Vgl. ebd., 617. Vgl. TERTULLIAN, Apologeticum, 46 (CChr 1,161). 355 Vgl. O. SKARSAUNE, Apologetik, 617. Vgl. dazu J. LORTZ, Tertullian als Apologet, MBTh 10, Bd. 2, Münster 1928, 30. Er sieht hinter dem Dämonen-Motiv der Apologeten den Erlösergedanken der Synoptiker. Man muss sich einen regelrechten Kampf um das Heil vorstellen, der wie im Leben Jesu, auch einen Kampf mit den Dämonen beinhaltet. Der im Heidentum des zweiten Jahrhunderts weit verbreitete Dämonenglauben wurde, so LORTZ, durch den biblischen von christlicher Seite noch verstärkt. 354
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Ganymedes in Liebesraserei gekommen ist, noch auch durch Vermittlung der Thetis von jenem Hundertarmigen befreit zu werden brauchte, noch zum Dank dafür sich des Thetissohnes Achilleus angenommen hat und um der Konkubine Brisëis willen eine Menge von Griechen umkommen ließ. Wer derartiges glaubt, den bedauern wir; Schuld daran tragen, das wissen wir, die Dämonen.“ (Justin apol. I,25)356
Als überzeugender empirischer Beweis für die Wirksamkeit der christlichen Befreiung von den Dämonen wurde von den Apologeten das ethisch vorbildliche Verhalten der Christen und ihre Bereitschaft zum Martyrium angeführt. Nach Meinung der Apologeten übertrafen die ungebildeten Christen die Philosophen, weil sie sich wahrhaft philosophisch verhielten. Das sollte bedeuten, dass der „fleischgewordene Logos“ stärker sei als die Bruchstücke des Logos, die sich durch „philosophische Forschung“ erkennen ließen.357 Die Einsicht, dass die Vergöttlichung und der Glaube an viele Götter von Dämonen und vom bösen Geist herkommen, die den Christen schaden wollen, wurde bei den Apologeten nicht nur negativ verwandt. Man hat auch versucht, mit der Kritik eine Ermahnung zum Ausdruck zu bringen. Der Verfasser des Briefes an Diognet wagte sogar, die „teuflischen Nachahmungen“ in pädagogischer Absicht zu verwenden: Er erklärte durch sie einem Heiden das Christentum. Der Brief an Diognet war eine Apologie des Christentums, die in Form eines Briefes an einen hochgestellten Heiden namens Diognetus gestaltet wurde. Diese Schrift scheint eine Konfrontation der Kirche mit den Fragen der Kreise wiederzuspiegeln, welche ein positives Interesse an Gegenstand und Form des christlichen Gottesdienstes und der christlichen Lebensführung signalisiert hatten (vgl. Diog. 1).358 Es ist nicht sicher, wer genau der Adressat des Briefes war. Vielleicht ist mit Diognet Titus Claudius Diognetus, der „Reichsprokurator in Ägypten in einer Periode heftiger Christenverfolgung“ gemeint, oder sogar der Kaiser Hadrian selbst. Genauso rätselhaft ist die Verfasserschaft des Briefes. Es gab die Meinung, dass der Brief vom Apologeten Quadratus verfasst wurde, der unter der Regierung von Kaiser Hadrian wirkte.359 Sicher ist es aber nicht. Aus dem Text kann man nur schließen, dass sein Verfasser „ein gebildeter Christ war, der eine klassische Erziehung genossen hatte und über beträchtliche schriftstellerische und stilistische Fähigkeiten gebot.“360
356 357 358 359 360
JUSTINI MARTYRIS Apologiae pro Christianis, PTS 38, Berlin 1994, 68. Vgl. O. SKARSAUNE, Apologetik, 618. Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 372. Vgl. ebd., 372. Vgl. ebd., 384.
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Auch die Datierung des Briefes ist unsicher.361 Aus der Einstellung des Verfassers zum Judentum in Kap. 1–10 schließt man, dass sie in Richtung des Barnabasbriefes führt und eine andere Position vertritt als die NT Schriften. Vielleicht stammt der Brief an Diognet aus der Zeit zwischen 70 und 135. Damals war es zum akuten Konflikt zwischen Kirche und Synagoge gekommen. Die Kapitel 1–10 zeigen, dass es noch keinen verbindlichen Kanon der ntl. Schriften gab. Die Christologie scheint im Brief an Diognet „weniger entwickelt als bei Justin oder Origenes.“362 Der Brief hat zwei Teile. Der Anfang, die Kapitel 1–10, ist ein apologetischer Traktat, „der bei heidnischen Interessenten für das Christentum wirbt.“ Der zweite Teil, die Kapitel 11f, ist eher eine Homilie für die Passa-Vigilie und wendet sich an Katechumenen und Christen.363
Als ein feinfühliger Pädagoge weist der Verfasser des Briefes an Diognet darauf hin, dass die Geschichte von Christus den Nichtchristen nicht als befremdlich erscheinen soll. Im Gegenteil – für Nichtchristen sollte sie umso verständlicher wirken, weil sie etwas Ähnliches schon glauben. Im Vergleich mit griechischen Geschichten von den Zeus-Söhnen: Hermes, Asklepios, Dionysos, Herakles u.a. sagten die Christen doch nichts Neues, wenn sie behaupten, dass Christus, der Logos, das erste Geschöpf Gottes, aus einer Jungfrau geboren und gekreuzigt worden sei, gestorben und in den Himmel aufgestiegen. Ebenso werde doch von den Kaisern erzählt und geglaubt, dass sie unsterblich seien, wenn jemand behaupte, er habe ihre Himmelfahrt aus dem Scheiterhaufen gesehen. Der Unterschied sei nur, dass die Christen und ihre Geschichte von Christus bessere Tugenden aufwiesen.364 Das Einzige, was man den Christen vorwerfen könne, sei daher, dass sie nicht dieselben Götter anbeteten wie die Griechen.365 Wenn auch ein christlicher Apologet wie der Verfasser des Briefes an Diognet auf die heidnische Mythologie ohne deren Abwertung zurückgreift, um den Nichtchristen das Christentum verständlich zu machen, so gab es doch eine Erscheinung, welche nie eine positive Erklärung oder pädagogische Verwendung bei den Apologeten finden konnte. Das war die Selbstapotheose von Menschen. Den Drang zur Selbstapotheose schrieben die Apologeten wieder unerbittlich dem unheilvollen Wirken der Dämonen zu. Die Härte im Urteil wurde wahrscheinlich dadurch verschärft, dass sie auch ein innerkirchliches Problem war. Nicht nur der Kaiser forderte göttliche Verehrung. Auch in christlichen Kreisen gab es Personen, die Unruhe und Spaltung brachten, indem sie behaupteten, göttliches Wesen zu besitzen. Es gab gerade am Ende des 1. und im 2. Jh. im Kontext der christlichen 361 362 363 364 365
Vgl. ebd., 383. Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 384. Vgl. ebd., 384. Vgl. DIOGNET, Der Brief, 88. Vgl. ebd., 24 (67).
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Gemeinschaften Menschen, die sich für Gott oder einen Gottessohn, ähnlich wie Christus, ausgaben und damit sogar die Christen selbst in Verlegenheit brachten.366 Ausdrücklich versuchten die Kirchenväter die Grundannahme der christlichen Kirche von einem einzigen Gott und seinem einzigen Sohn Jesus Christus einzuprägen. In seinem umfangreichen Werk „Adversus haereses“ hat IRENAEUS von Lyon (geb. 130–140 n.Chr.) zwischen 180 und 189 die „Häresien“ seiner Zeit und damit auch die Grundgedanken der gnostischen Schulen beschrieben, um die Grundlagen der mehrheitskirchlichen Theologie zu betonen.367 „Als unter seiner [des Bischofs Klemens] Regierung ein nicht unbedeutender Zwist unter Brüdern in Korinth ausbrach, da sandte die römische Kirche ein ganz nachdrückliches Schreiben an die Korinther, riet ihnen eindringlich zum Frieden und frischte ihren Glauben auf und verkündete die Tradition, die sie unlängst von den Aposteln empfangen hatte. Es gebe einen allmächtigen Gott, der Himmel und Erde erschaffen und den Menschen gebildet und die Sintflut geschickt und den Abraham berufen habe; der das Volk aus dem Lande Ägypten hinausgeführt, zum Mose gesprochen, das Gesetz gegeben, die Propheten gesandt, dem Teufel und seinen Engeln aber das ewige Feuer bereitet habe. Daß dieser als der Vater unseres Herrn Jesu Christi von den Kirchen verkündet wird und dies als apostolische Tradition aufzufassen ist, können alle, die da wollen, aus jenem Brief entnehmen; denn der Brief ist älter als die neuen Falschlehrer, die sich über dem Weltenschöpfer und Demiurgen noch einen anderen Gott zurechtlügen.“368
Auf diesem Glaubenshintergrund versucht Irenaeus die Selbstapotheose einiger religiöser Charismatiker umso mehr bloßzustellen. Im ersten Buch von „Adversus haereses“ berichtet er von Simon Magus, auf den er die Entstehung gnostischer Lehren zurückführt.369 Simon Magus wollte nach Lk (Act 8,9ff) die Gabe des Heiligen Geistes für Geld kaufen, nicht nur den Geist selbst, sondern die Fähigkeit, ihn zu verleihen. Nach der lk Szene mit dem Tadel des Petrus setzt Irenaeus seine Erzählung von Simons Selbstapotheose so fort (Iren. adv.haer. 1,23,1): „Nun glaubte er [Simon Magus] erst recht nicht an Gott und begann mit Eifer gegen die Apostel zu streiten. Um gleichfalls zu Ansehen zu gelangen, verlegte er sich noch 366
Vgl. B. LANG, Monotheismus, 841. Vgl. CH. MARKSCHIES, Art. Eirenaios (Irenaeus) von Lyon, DNP 3 (1997/1999), 919–921, 920. Die Datierung von „Adversus Haereses“ geht meist von der Angabe 3,3,3 aus, die den amtierenden römischen Bischof Eleutherus erwähnt. Sein Episkopat wird auf ca. 174–189 angesetzt. U. HAMM, Art. Irenäus von Lyon, in: LACL 32002, 352. Obwohl das Werk des Irenaeus nicht die älteste antihäretische Darstellung ist, wurde es „durch seinen Umfang und durch die klare heilsgeschichtliche Konzeption“ zur Grundlage für die Arbeiten vieler späterer Polemiker (H. KRAFT, Kirchenväter-Lexikon, München 1966, 316). 368 IRENEE DE LYON, Contre les Hérésies (SC 211), Paris 1974, 34/36. 369 Vgl. H. KRAFT, Lexikon, 316. 367
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mehr auf die gesamte Zauberei und versetzte viele Menschen in Erstaunen. Ja, er soll sogar von dem Kaiser Klaudius, zu dessen Zeiten er lebte, mit einem Standbild geehrt worden sein. Dieser Mann nun, der von vielen wie ein Gott verherrlicht wurde, lehrte von sich selbst, er sei unter den Juden als Sohn erschienen, in Samaria als Vater herabgestiegen und bei den übrigen Völkern als der Heilige Geist angekommen. Er sei die allerhöchste Kraft, d.h. der über alles erhabene Vater, und lasse es sich gefallen, unter jedem beliebigen Namen von den Menschen angerufen zu werden.“370
Neben Simon Magus gab es bei den Apologeten noch eine Gestalt, die zum Inbegriff verwerflicher Selbstapotheose wurde: Menander. „Simons Nachfolger war der Samaritaner Menander, gleichfalls ein Oberkünstler in der Zauberei. Nach ihm ist die erste Kraft allen unbekannt; er wurde von den unsichtbaren Kräften als Erlöser für das Heil der Menschen abgesandt. Die Welt wurde von den Engeln gemacht, die ähnlich wie bei Simon von der Ennoia ausgesandt sein sollen. Er fügte hinzu, dass die von ihm gelehrte Zauberkunst Gewalt über die Engel verleihe, welche die Welt gemacht haben. Durch seine Taufe nämlich empfangen seine Schüler die Auferstehung, können fortab nicht sterben, sind unvergänglich, ewig jung und unsterblich.“ (Iren. adv.haer. 1,23,5) 371
In der Ersten Apologie macht auch JUSTIN deutlich, dass es das Werk der Dämonen war, das in den Einbildungen von Simon Magus und Menander zum Ausdruck kam: „[...] Auch nach der Auffahrt Christi zum Himmel haben die Dämonen einzelne Menschen veranlaßt, sich für Götter auszugeben, die nicht nur nicht von euch verfolgt, sondern mannigfacher Ehren gewürdigt wurden. So einen gewissen Samaritaner Simon aus dem Flecken Gittä, der unter Kaiser Klaudius durch die Macht der in ihm tätigen Dämonen in eurer Kaiserstadt Rom Zauberkünste ausgeübt hat, für einen Gott gehalten und wie ein Gott von euch durch eine Bildsäule geehrt wurde. [...] Und fast alle Samariter, auch einzelne unter anderen Völkern, erkennen und verehren ihn als den höchsten Gott, [...]. Von einem gewissen Menander aber, der auch Samariter war aus dem Flecken Kapparetäa, einem Schüler des Simon, wissen wir, daß auch er, unter dem Einflusse der Dämonen stehend, in Antiochien auftrat und durch seine Zauberkunst viele berückte, der sogar seine Anhänger zu dem Glauben brachte, daß sie nicht sterben würden. Und noch jetzt gibt es einige von seinen Anhängern, die dies glauben. Dahin gehört ein gewisser Markion aus dem Pontus, der noch gegenwärtig seine Gläubigen anleitet, einen andern für größer zu halten als Gott den Weltschöpfer; dieser hat mit Hilfe der Dämonen bei allen Volksstämmen viele dazu gebracht, Lästerungen auszusprechen, Gott den Schöpfer dieses Weltalls zu leugnen und sich zu einem anderen zu bekennen, der, weil er höher stehe, Größeres als jener gewirkt habe. Alle, welche ihrer Richtung angehören, heißen, wie schon gesagt, Christen, wie denn auch unter den Philosophen diejenigen, welche nicht die gleichen
370 371
Vgl. IRENEE DE LYON, Contre les Hérésies (SC 264), Paris 1979, 314. Ebd. 23,5 (320).
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Lehrsätze haben, doch den ihnen beigelegten Namen der Philosophie gemeinsam haben.“(Justin, apol. I,26,1–6)372
Die Verbindung des Monotheismus mit dem Glauben an Christus war immer problematisch und ließ sich auch hinter philosophischen Begriffen nicht verbergen. Mit Recht wurden hinsichtlich dieses Problems schon in den Anfängen des Christentums kritische Fragen gestellt. Durch die umfangreiche apologetische Schrift von Origenes (185/6–254 n.Chr.) „Contra Celsum“ (-CVC -GNUQW) ist uns dazu seine Auseinandersetzung mit einem mittelplatonischen Philosophen erhalten,373 in der unter anderem die Reflexion über die Selbstapotheose von Menschen weitergeführt wird. Die Schrift „Contra Celsum“ stellte die Antwort Origenes’ auf die christenfeindliche Kampfschrift des eklektischen Platonikers Celsus dar. Das Werk von Celsus war um 177–180 unter dem Titel „Wahre Lehre“ (CXNJSJL NQIQL) erschienen.374 Mit der wahren Lehre meinte Celsus die „althergebrachte Tradition, auf der die Institutionen der griechisch-römischen Gesellschaft beruhten.“ Nach Celsus zerstörten Juden und Christen diese Tradition und zerrütteten dadurch das Fundament der Gesellschaft.375 Die Christen stellt Celsus „als dümmliche, ungebildete Irrationalisten“ dar. Das Wenige, „was am Christentum akzeptabel sei, decke sich ohnehin mit der Lehre heidnischer Philosophien.“376 Durch sein Werk hat Celsus die historische Zuverlässigkeit der NTBerichte und die Glaubwürdigkeit eines vom eigenen Volk verworfenen Messias in Frage gestellt. Offensichtlich bezweifelte Celsus, dass das Christentum sich auf die Unterstützung der Philosophie berufen dürfe, wenn es die Volksreligiosität verwarf.377
In seiner Gegenschrift plädierte Origenes für Jesus als Christus, indem er sich auf die messianischen Prophezeiungen, auf die Wunder Jesu und auf die Zeugnisse übernatürlicher Kraft berief die er vor allem darin sah, dass 372 Vgl. JUSTINI MARTYRIS Apologiae pro Christianis, 70f Von Simon Magus erzählt Lk in Act 8,9–24. Es ist nicht sicher, wie weit die Berichte der Apologeten der wahren Person des Simons entsprechen. Justin berichtet, dass die Anhänger den Simon für den „ersten Gott“ und seine Begleiterin Helena für dessen „ersten Gedanken“ (GPPQKC) gehalten haben (apol. I,26). Irenaeus schildert den Simon als Urvater aller Häretiker (adv.haer. 1,23,1–4). Wahrscheinlich wurde Simon Magus, der Wundertäter in Samaria, im 2. Jh. mit dem kosmogonischen Erlösermythos einer christlich-häretischen Gruppe verbunden, die ihn an Stelle Christi verehrte. Vgl. J. HOLZHAUSEN, Art. Simon Magus, DNP 11 (2001), 572–573, 572. Von Menander weiß man, dass er ein Gnostiker aus Samaria (Kapparetaia) war und um die Wende vom 1. zum 2. Jh. n.Chr. im syr. Antiocheia wirkte. Justin bezeichnet Menander als Magier und Schüler von Simon (apol. I,26,4). Irenaeus schreibt, dass Menander behauptete, er werde über die weltschöpferischen Engel Macht ausüben. Als der von der ersten Kraft gesandte Retter bot er eine Taufe an, welche die Unsterblichkeit zur Folge hatte (adv.haer. 1,23,5). Auch im Falle Menanders scheint ein Versuch vorzuliegen, einen „Stammbaum“ der Häretiker zu bilden. Vgl. J. HOLZHAUSEN, Art. Menander, DNP 7 (1999), 1221. 373 Vgl. CH. MARKSCHIES, Art. Origenes, DNP 9 (2000), 27–29, 28. 374 Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 392. 375 Vgl. ebd., 392. 376 Vgl. ebd., 392. 377 Vgl. O. SKARSAUNE, Apologetik, 618.
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„die Herzen der Anhänger des Evangeliums voll sind von Frieden und Freude.“378 Das Leiden Christi spricht nach Origenes nicht gegen seine Göttlichkeit. Jesus hat sein Schicksal mit Leiden und Tod vorhergesehen und war dadurch einigen der griechischen Helden wie Sokrates oder Leonidas ähnlich, welche den sicheren Tod gewählt haben, „obwohl sie ihn hätten vermeiden können.“379 Als Argument für die Wahrheit der christlichen Lehre von Gott dient Origenes der Hinweis auf die lasterhaften Götter der Griechen. Mose habe nie solche unmoralischen und unglaubhaften Geschichten über Gott erzählt, wie man sie von den griechischen Göttern kennt, die Celsus verehrt. Der einzige und wahre Gott lenkt nach Origenes alle Dinge durch seine persönliche Vorsehung und es ist eine Beleidigung dieses Gottes, wenn man andere, geringere Götter anbetet. Die Engel seien zwar an der Regierung des Universums beteiligt, aber keiner göttlichen Ehre würdig.380 Die Fragen von Celsus bezeugen, dass es in den religiösen Kreisen Menschen gab, die behaupteten, sie seien die wahren Gottessöhne. In der Frühzeit des Christentums handelte es sich offensichtlich nicht um einen Einzelfall, dass sich Charismatiker für einen neuen Christus ausgaben. „Viele Leute ohne Ruf und Namen gibt es, die mit größter Leichtigkeit und aus ganz zufälliger Ursache teils in Tempeln, teils außerhalb derselben, einige auch bettelnd und Städte oder Kriegslager heimsuchend, sich so gebärden, als ob sie weissagen könnten. Ein jeder dieser Propheten pflegt die Worte im Munde zu führen: ‚Ich bin Gott oder Gottes Sohn oder göttlicher Geist. Ich bin aber gekommen; denn schon bald geht die Welt zugrunde, und ihr, o Menschen, fahrt wegen eurer Ungerechtigkeit dahin. Ich aber will euch retten; und ihr werdet mich mit himmlischer Macht wiederkommen sehen. Selig ist, wer jetzt mich ehrt; auf die andern alle, auch auf Städte und Länder, werde ich ewiges Feuer werfen. Und die Menschen, welche die ihnen bevorstehenden Strafen nicht kennen, werden vergeblich bereuen und seufzen; jene aber, die mir Glauben geschenkt haben, werde ich ewig bewahren.‘“381
Es ist erstaunlich, wie viel Nachahmungen der christlichen Botschaft es in der Frühzeit der christlichen Kirche gegeben hat. Die Frage von Celsus nach dem Wahrheitskriterium ist in diesem Fall berechtigt: „‚Wenn die einen‘, er [Celsus] redet von den Christen, ‚diesen verkündigen, andere aber einen anderen (als Christus), alle aber mit der gleichen Aufforderung bei der Hand sind: ‚Glaube, wenn du gerettet werden willst, oder packe dich fort‘, was werden dann die tun, die in Wahrheit gerettet werden wollen? Werden sie etwa Würfel nehmen, um zu erforschen, wohin sie sich wenden, und wem sie sich anschließen sollen?‘ Hierauf 378
Vgl. L.W. BARNARD, Apologetik, 393. Vgl. ebd., 393. 380 Vgl. ebd., 394. 381 ORIGENES, Contra Celsum, VII,9, GCS Origenes 2, Leipzig 1899, 161 (übers. P. Koetschau, BKV2 53, München 1927). 379
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wollen wir, von dem klaren Sachverhalt ausgehend, folgendes antworten. Wenn es mehrere gegeben hätte, von denen in gleicher Weise wie von Jesus berichtet worden wäre, daß sie als ‚Söhne Gottes‘ in das Leben der Menschen eingetreten wären, und wenn ein jeder von ihnen Anhänger für sich gewonnen hätte, so daß wegen der Gleichheit der Verkündigung ein Streit darüber entstehen mußte, daß der ein Sohn Gottes sei, den die an ihn Glaubenden als solchen bezeugten, so wäre die Äußerung des Celsus begründet gewesen [...].“382
Origenes sieht den Betrug der falschen „Gottessöhne“ dadurch erwiesen, dass die von ihnen inspirierten Bewegungen verschwunden sind. „Nun aber ist Jesus allein ‚Gottes Sohn‘, der zu dem Menschengeschlechte gekommen ist und als solcher auf dem ganzen Erdkreis verkündet wird. Denn diejenigen, welche wie Celsus der Meinung waren, die Werke «Jesu» seien trügerische Wunder, und deshalb eben solche zu vollbringen wünschten, um eine gleiche Herrschaft über die Menschen zu erlangen, erwiesen sich als Leute ohne Bedeutung, so Simon, der Zauberer aus Samaria, und Dositheus, der aus demselben Lande wie jener stammte. Der eine versicherte, ‚er wäre die Kraft Gottes, welche die große genannt wird‘, der andere gab sich für den Sohn Gottes selbst aus. Nirgends in der Welt aber finden sich jetzt noch Simonianer, obwohl Simon, um einen größeren Anhang zu gewinnen, seine Jünger von der Todesgefahr, die man die Christen zu wählen lehrte, dadurch befreite, daß er sie anwies, den Götzendienst als etwas Gleichgültiges zu betrachten. Nicht einmal am Anfang hatten die Simonianer Verfolgungen zu erleiden. Denn der böse Geist, der die Lehre Jesu verfolgte, wusste, daß keine seiner eigenen Absichten durch die Lehren des Simon gefährdet werden würde. Die Dositheaner aber haben es nicht einmal früher zu einer Blüte gebracht; jetzt nun sind sie so vollkommen verschwunden, dass man berichtet, ihre ganze Zahl belaufe sich nicht auf dreißig.“383
Der kurze Überblick über die Epoche der christlichen Apologeten zeigt, dass das Thema der Vergöttlichung von Menschen immer wieder ins Zentrum der Diskussion rückte. Nur die Umstände und der Hintergrund der Diskussion änderten sich: Es gab immer neue Kaiser, es wurden neue Edikte in Bezug auf das religiöse Leben im Römischen Reich herausgegeben, es gab immer neue Kreise der Gesellschaft, die sich für das Christentum interessierten. Die Welt, in die das Christentum hineinwuchs, war die nichtjüdische Welt, die schon immer eine große Freiheit im Umgang mit der Vergöttlichung gehabt hatte. Da auch die christlichen Apologeten meist aus dieser polytheistischen Welt stammten, ist es verständlich, dass sie es wagten, die ihnen vertrauten Vorstellungen von vielen Göttern in der christlichen Verkündigung pädago382
Vgl. ebd., VI,11 (81). Vgl. ebd., VI,11 (81f) und I,57 (GCS Origenes 1,108). Origenes zählt auch Dositheus zu den Personen, welche Selbstapotheose vollbracht haben. Dositheus war Begründer einer samaritanischen Sekte, die wahrscheinlich im 1. Jh. n.Chr. entstanden war und Dosithäer genannt wurden. Dositheus behauptete, er sei der von Mose angekündigte (Dtn 18,15) und von den Samaritanern erwartete Prophet. Origenes berichtet, er habe sowohl die Existenz von Engeln als auch die Auferstehung und das letzte Gericht geleugnet. Vgl. B. EGO, Art. Dositheus, [7], DNP 3 (1997/1999), 801f, 801. 383
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gisch zu verwenden, um das Christentum zu erklären. Sie wollten damit auf die Fragen ihrer Umwelt eine Antwort geben. Bei der Verteidigung ihres Glaubens versuchten die Apologeten Verstärkung aus dem Arsenal der philosophischen Sprache zu holen. Um die Göttlichkeit Jesu zu beweisen, haben sie die altbekannte philosophische Vorstellung vom Logos aufgegriffen. Um Angriffe gegen Christen zu erklären, haben sie die Vorstellung des Volksglaubens von den bösen Geistern, den Dämonen, verwendet. Man kann nicht leugnen, dass sie damit Erfolg hatten. Es gab ein Publikum, das sich von den philosophisch geprägten Schriften der Apologeten angesprochen fühlte, sonst wären die Werke von Aristides, Justin, Irenaeus, Tertullian und Origenes nicht aufbewahrt und weiter überliefert worden. Es gab aber auch Probleme. Auch die philosophische Sprache war nicht in der Lage, den Widerspruch zwischen der monotheistischen Einstellung der Christen und ihrem Glauben an die Göttlichkeit Jesu zu beseitigen. Es ist bewundernswert, mit wieviel Eifer und Treue die Christen trotz aller Schwierigkeiten ihre Theologie weiter entwickelt haben, auch wenn es auf diesem Weg Verluste gab: Das Eifern um die Wahrheit und die weitere Entwicklung auf der politischen Bühne der Geschichte haben dazu beigetragen, dass es immer wieder Streit und Spaltungen gab, auch innerkirchlichen Charakters.384 Und doch blieben die christlichen Denker in einem Punkt einig: Die Apotheose von Menschen durfte nicht geduldet werden.
384 Was die Vergöttlichung der Kaiser anging, so gab es dazu eine Nachgeschichte innerhalb des Christentums, als Kaiser Konstantin nach der Wende in seiner Religionspolitik das Christentum zur Staatsreligion machte. Diese Entwicklungen können nicht mehr im Rahmen der vorliegenden Arbeit besprochen werden. Verwiesen sei daher auf ST. REBENICH, „Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel? Der tote Kaiser in der Spätantike“, ZAC 4 (2000), 300–324.
3. Die wahre Apotheose Die wahre Apotheose
3.1 Die Taufe Jesu (Lk 3,21f) Die Taufe Jesu „Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen. Und während er betete, öffnete sich plötzlich der Himmel, der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme sprach vom Himmel her: ‚Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich meine Freude‘.“1 (Lk 3,21f)
Wenn man sich das Leben Jesu im LkEv und in den Act als ein Gemälde vorstellt, sieht man an drei Stellen eine leuchtende Farbe: Über dem Lebensweg Jesu steht dreimal der Himmel offen. Dreimal umstrahlt ihn der himmlische Glanz direkt von oben und Jesus erscheint als ein göttliches Wesen. Das erste Mal geschieht es bei seiner Taufe (Lk 3,21f), das zweite Mal bei seiner Verklärung (Lk 9,28–36), das dritte Mal bei der Himmelfahrt (Lk 24,50f; Act 1,9). An allen drei Stellen vollzieht sich eine Apotheose Jesu: Bei der Taufe und bei der Verklärung öffnet sich der Himmel, damit die göttliche Stimme zu Gehör kommt, die Jesus zum Sohn Gottes erklärt, nachdem er den Geist erhalten hat und in seiner Herrlichkeit sichtbar geworden war (Lk 3,22; 9,35). Das dritte Mal, bei der Himmelfahrt, öffnet sich der Himmel, um Jesus in die göttliche Welt aufzunehmen (Lk 24,51; Act 1,9). Die Szenen der Vergöttlichung Jesu beginnen mit der Taufe Jesu. Es ist eine faszinierende Erzählung, sowohl in Bezug auf ihre literarisch bildhafte Gestaltung als auch wegen ihrer Bedeutung für die Gemeinde Jesu als Zeugnis vom Leben und Wesen Jesu.2 Das zeigt schon die Tatsache, dass trotz aller Unterschiede in Sprache und theologischer Intention kein Evangelist die Geschichte von der Begegnung Jesu mit Johannes dem Täufer und seiner Taufe ausgelassen hat.3 Sie kommt bei Mk (1,9–11), Lk (3,21f) und Mt (3,13–17) vor. 1 Die Bibel, Einheitsübersetzung Altes und Neues Testament, Freiburg/Basel/Wien 1980. Auch die folgenden Übersetzungen zu Beginn der jeweiligen Kapitel folgen der Einheitsübersetzung. 2 Die heutige NT-Forschung betrachtet die Taufe Jesu als ein gesichertes Datum im Leben Jesu, vgl. G. THEISSEN/A. MERZ, Jesus, 193. 3 Das Thema der Taufe Jesu wird auch im Ebionäerevangelium (W. SCHNEEMELCHER [Hg.], Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 1. Evangelien, Tübingen 51987, 140–141) und im Nazaräerevangelium (ebd., 133) behandelt.
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Die wahre Apotheose
Die Grundstruktur und die Motive der mk Erzählung, die als Quelle für den lk und mt Bericht angenommen wird, sind bei Lk erhalten. Die Geschichte zeichnet sich bei allen drei Synoptikern durch ihre besondere Bildersprache aus: Es geht um den offenen Himmel, den taubenähnlich herabkommenden Geist, die Himmelsstimme. Auch der Evangelist Johannes erzählt in seinem Werk vom Täufer und erwähnt den taubenähnlich herabkommenden Geist (Joh 1,32f), beschreibt die Taufe selbst aber nicht (1,29ff). Da es mehrere Berichte über die Taufe Jesu gibt, sind sie ein dankbares Material für einen Vergleich. Ein solcher Vergleich zeigt, dass Lk als Redaktor in unterschiedlicher Abhängigkeit (oder Unabhängigkeit) von der Überlieferung steht. Gerade bei der Taufgeschichte kommt es gehäuft vor, dass Lk und Mt Übereinstimmungen gegen Mk aufweisen. Sie legen die Annahme nahe, dass Lk neben dem Mk-Stoff noch eine andere Quelle hatte. An Stelle des markinischen GKFGP UEK\QOGPQWL VQWL QWXTCPQWL benützen Lk und Mt das Verbum CXPQKIGKP. 4 Beim Herabkommen des Geistes5 sagen Lk und Mt GXR8 CWXVQP statt GKXL CWXVQP bei Mk. 6 Zur Bezeichnung des Taufaktes verwenden Lk und Mt das Partizip Aor. Pass. DCRVKUSGKL statt des GXDCRVKUSJ bei Mk.7 Im Unterschied zum Plural QWXTCPQK bei Mk und Mt verwendet Lk aber zweimal den Singular QWXTCPQL. Das weist auf die griechische Sprach- und Denkweise des Lk hin.8 Auch der Text der Himmelsstimme bietet Stoff zum Vergleich. Während Mt „QWVQL GXUVKP QB WKBQL OQW QB CXICRJVQL, GXP Y^ GWXFQMJUC“ schreibt (Mt 3,17), gibt Lk den Satz wie Mk als Anrede wieder: „UW GK QB WKBQL QB CXICRJVQL GXP UQK GWXFQMJUC“ (Lk 3,22).9 4 Die Öffnung des Himmels kommt auch in Ez 1,1; Jes 63,19 vor. Sowohl Lk als auch Mt sprechen vom „Geöffnetsein“ des Himmels (CXPGY^ESJPCK Lk 3,21) und erinnern dadurch an Ez 1,1, während der Ausdruck bei Mk „Zerrissensein“ GKFGP UEK\QOGPQWL VQWL QWXTCPQWL (Mk 1,10) an Jes 63,19 denken lässt. Vgl. H. SCHÜRMANN, Das Lukasevangelium, HThK 3/1, Freiburg/Basel 1969, 190, Anm. 9. 5 Lk bezeichnet Gottes Geist als den Heiligen Geist und gestaltet dadurch in eigener Weise die Überlieferung. Der bestimmte Artikel weist vielleicht auf den Charakter der eschatologischen Gabe des Geistes. Bei Lk ist die Tendenz zu „erbaulich-ekklesialer Stilisierung“ sehr ausgeprägt. Vgl. W. WIEFEL, Das Evangelium nach Lukas, ThHK 3, Berlin 1987, 94. Für Lk hat die Taufe Jesu eine große Bedeutung als Urbild und Voraussetzung der christlichen Taufe. Vgl. ebd., 95. 6 Das Beieinander von MCVGDJ und RPGWOC bei Lk ist seltsam, kommt aber auch in Jes 63,14 vor. Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 190, Anm. 10. Lk verstärkt durch das Verbum „niedersteigen“, die Taubengestalt und den bestimmten Artikel den Eindruck, dass es hier um ein personales Wesen geht. Vgl. ebd., 192. 7 Vgl. W. GRUNDMANN, Das Evangelium nach Lukas, ThHK 3, Berlin 51969, 106. 8 Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 95. 9 Bei Lk wird der Inhalt der Himmelsstimme mit der Anrede des Gottesspruchs (UW GK QB WKBQL OQW) durch eine attributive und eine relativische Bestimmung (QB CXICRJVQL, GXP UQK GWXFQMJUC) erweitert. Diese Erweiterung erinnert zwar an die Gottesknechtslieder in Jes 42,1; 44,2. W. WIEFEL, Lukas, 95, lehnt aber die Folgerung ab, dass es hier um den Anfang eines Ebed-Bewusstseins Jesu gehe. Ebensowenig geht es trotz terminologischer Berührungen mit Gen 22,2.12.16 Gottesanrede.
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Aus der Perspektive von Lk wird die Geschichte von Jesu Taufe als ein objektives Ereignis im Leben Jesu dargestellt.10 Eine der schwierigsten Fragen beim Taufbericht ist deswegen die Frage nach der Gattung der Geschichte. Die Taufgeschichte ist bei Lk etwas anderes als eine Vision. Es wird mit keinem Wort von inneren Vorgängen in Jesus berichtet.11 Man könnte das Geschehen im lk Taufbericht eher eine „objektive eschatologische Manifestation“ nennen: Der Himmel öffnet sich und der heilige Geist kommt in einer für alle sichtbaren Erscheinungsform herab. Danach wird die göttliche Stimme hörbar.12 Die Himmelsstimme ist mehr als ein Echo der Gottesstimme, eine bat qol: Gott spricht selbst. „Gott manifestiert sich wieder und spricht wieder.“13 Es ist ein Zeichen der Endzeit.14 Diese Motive eines apokalyptischen Ereignisses, vor allem die feierliche Erklärung der göttlichen Stimme, dass Jesus Gottes Sohn sei, und die Tatsache, dass es sich um ein öffentliches Ereignis am Anfang des Auftretens Jesu vor dem Volk handelt, erklären die Unsicherheit bei der Zuordnung der Geschichte zu einer Gattung. Es gab Vorschläge, die Taufe Jesu sowohl einen Berufungsbericht15 als auch eine Epiphanie16 oder Theophanie17 zu nennen. In der 1. Hälfte des 2. Jh. war im Westen eine Lesart dieses Satzes verbreitet, die Ps 2,7 ähnelte: WKBQL OQW GK UW GXIY UJOGTQP IGIGPPJMC UG. Das Zitat führt aber Lk in Act 13,13 als Beweisstelle für die Auferstehung an. Im Bericht von der Taufe Jesu wird die Angleichung an Mk von den meisten Texten vielleicht deswegen vorgenommen, weil Ps 2,7 den Gedanken an eine Adoption hervorrief. Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 107. 10 Der ganze Satz Lk 3,21 ist von einem GXIGPGVQ FG abhängig. So sind Öffnung des Himmels, Herabkunft des Geistes und Ergehen der Himmelsstimme mit der betend empfangenen Taufe sehr eng verbunden. Lk benutzt auch das ihm eigene UJOGTQP (vgl. 2,11; 4,21; 19,5.9; 23,43). 11 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 108. 12 Grammatikalisch bezeichnend ist, dass in Lk 3,22bf drei Infinitive so angeordnet sind, dass der erste (CXPGY^ESJPCK) den Ermöglichungsgrund für den zweiten und dritten angibt. Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 190. 13 Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 190. Auch H. SCHÜRMANN weist darauf hin, dass die von Lk hinzugefügte Bemerkung über den Heiligen Geist „in Gestalt einer Taube“ (Mk sagt nur MCVCDCKPQP YBL RGTKUVGTCP Mk 1,10) das Moment der allgemeinen Sichtbarkeit und den Manifestationscharakter des Geschehens unterstreichen will. 14 Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 95. 15 Vgl. K. BERGER, Die königlichen Messiastraditionen des Neuen Testaments, NTS 20 (1973/74), 1–44, 28. Anderer Meinung ist F. LENTZEN-DEIS, Die Taufe Jesu nach den Synoptikern. Literarkritische und gattungsgeschichtliche Untersuchungen, FTS 4, Frankfurt a.M. 1970, 287. Es fehlt in der Taufgeschichte ein Auftragswort. 16 Vgl. M. DIBELIUS, Die Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen 1919, 270–273. Auch nach G. THEISSEN darf die Taufe Jesu als eine Epiphanie bezeichnet werden, weil in diesem Fall die Göttlichkeit der Person Jesu an dieser Person selbst erscheint. Vgl. G. THEISSEN, Urchristliche Wundergeschichten. Ein Beitrag zur formgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien, Gütersloh 71998, 102. Jesus erscheint in seiner Hoheit. Vgl. ebd. 104, Anm. 51. 17 Vgl. E. LOHMEYER, Das Evangelium des Markus, KEK 1,2, Göttingen 111951, 22f. Dagegen F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 287. „The account is not a theophany or epiphany, since God does not appear to anyone...“. Vgl. D.L. BOCK, Luke, Bd. 1, Michigan 21999, 334.
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Im Kontext zu 3,7–18 und 4,14–30 zeigt der Taufbericht 3,21 einen doppelschichtigen Aussagegehalt. Er kann als göttliche Deklaration Jesu als des Gottessohnes und als messianische Salbung gedeutet werden.18 Jesus wird vom Himmel selbst in einer Manifestation vor allem Volk als der kommende Stärkere (Lk 3,16f) offenbar gemacht. Die prophetischen Hinweise in Lk 1,41.44f.67–79; 2,29–32 sowie die Ankündigungen der Engel 1,21f.35; 2,10f.14 kommen in dieser Geschichte zur Erfüllung.19 Vielleicht geht es hier wirklich um eine „Christusgeschichte“ eigener Art, die ein analogieloses Offenbarungsgeschehen schildert und für deren Beschreibung es überhaupt keine passende literarische Gattung gibt.20 Der Dienst Jesu beginnt mit einer göttlichen Bestätigung seiner Person.21 Das, was die Himmelsstimme sagt, ist eine Heraushebung der Person Jesu zu göttlichem Rang. Jesus wird aber gleichzeitig in die Mitte der Öffentlichkeit und dadurch in einem tieferen Sinn in die Mitte der Menschheitsgeschichte gerückt. Wenn Lk schreibt: „Es geschah aber, nachdem das ganze Volk getauft wurde, und Jesus getauft worden war [...]“,22 betont er die Einbettung Jesu in den Kreis aller Getauften. Im Unterschied zu Mk, der von dem „jüdischen Land“ und „allen Jerusalemern“ redet (Mk 1,5), und zu Mt, der dazu noch das „Umland des Jordans“ erwähnt (Mt 3,5), stellt Lk die Taufe Jesu in eine große Taufbewegung des Johannes, die das ganze Volk umfasst.
Im lk Bericht wird dadurch eine bemerkenswerte doppelte Perspektive angeboten. Lk sieht und zeigt Jesus einerseits eng mit dem Volk und den Menschen verbunden.23 Andererseits zeigt Lk die Überlegenheit Jesu: Jesus wird aus der Menge durch die göttliche Stimme hervorgehoben. Die Geschichte von der Taufe Jesu zeigt, dass Jesus zugleich ein wahrer Mensch und doch mehr als einer von vielen Menschen ist. Er ist göttlich. Umso auffälliger ist es, dass die Taufe selbst nur kurz erwähnt wird und relativ unbedeutend erscheint. Wie im Vorübergehen wird von ihr in Form eines Genetivus absolutus erzählt, als wollte Lk die Tatsache der Taufe durch Johannes zurückdrängen. Der Umstand, dass Jesus von Johannes dem Täufer getauft wurde, stellt ja unvermeidlich die Frage, warum sich Jesus 18
Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 189. Vgl. ebd., 191. 20 Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 197. Im Falle Lk sieht F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 286, ein Sich-Annähern der Deute-Vision an die Gattung Epiphanie. Den Grund findet er in der Tatsache, dass die nicht-jüdischen Hellenisten die Deute-Vision nicht verstehen konnten. 21 „...the baptism [...] marks the preparation point for Jesus’ ministry, a ministry that begins with divine endorsement.“ Vgl. D.L. BOCK, Luke, 332. 22 Nach der Einheitsübersetzung wird CBRCPVC VQP NCQP mit dem Ausdruck „das ganze Volk“ übersetzt. M. LUTHER hat in Lk 3,21 die alte Ausdrucksweise „alles Volk“ verwendet. 23 F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 285, spricht von einer „Solidarität Jesu mit den Volksscharen“. 19
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von Johannes taufen ließ. Bedurfte Jesus der Sündenvergebung?24 War Johannes größer als Jesus? Das haben alle Evangelisten als Problem erkannt. Mt baut in seinen Bericht (Mt 3,13–17) eine Szene ein, in der der Täufer sich wehrt, Jesus zu taufen, weil es doch umgekehrt sein sollte. Jesus überzeugt Johannes nur mit dem Argument, dass „alle Gerechtigkeit erfüllt werden soll“. Damit macht Mt klar, dass Jesus sich als Gerechter, nicht als Sünder taufen lässt. Johannes versucht die Taufe so zu deuten, dass Jesus zwar mit Sünden belastet zum Täufer kommt, aber nicht seine eigenen Sünden trägt, sondern die Sünden „der Welt“ (Joh 1,29f). Der Täufer soll Jesus nur als den Geisttäufer identifizieren.25 Im Ebionäerevangelium wird berichtet, dass der Täufer beim Hören der Himmelsstimme vor Jesus niederkniet und ausdrücklich bittet, von Jesus getauft zu werden: „Und da, heißt es, fiel Johannes vor ihm nieder und sprach: Ich bitte dich Herr, taufe du mich. Er aber wehrte ihm und sprach: Lass; denn so geziemt es sich, dass alles erfüllt werde.“26 Im Nazaräerevangelium wird ein Gespräch zwischen Jesus und seiner Familie geschildert. Als seine Mutter und seine Brüder ihn auffordern, sich zur Vergebung der Sünden bei Johannes taufen zu lassen, fragt er: „Was habe ich gesündigt, dass ich hingehe und mich von ihm taufen lasse?“ 27 Um das Problem zu vermeiden, lässt Lk in seiner Erzählung Johannes den Täufer kurz vor der Taufe Jesu verschwinden (Lk 3,20)!28 „Erzählt wird eine Taufe ohne Täufer.“29 Das öffentliche Wirken Jesu wird so von der vorherigen Zeit abgehoben. Lk will eine klare Grenze zu einer vergangenen Periode der Menschheitsgeschichte ziehen. Das kommt in Lk 16,16 deutlich zum Ausdruck: Mit dem Erscheinen Jesu in der Öffentlichkeit ist die Zeit 24
Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 94. Wollte Lk die Anstößigkeit der Sündertaufe entschärfen? Vgl. G. THEISSEN/A. MERZ, Jesus, 193. 26 Vgl. W. SCHNEEMELCHER, Neutestamentliche Apokryphen, Bd 1, 141. 27 Vgl. ebd., 133. 28 In den Evangelien, auch bei Lk, erlebt Johannes der Täufer das Prophetenschicksal. Er wird wegen seiner kritischen Botschaft hingerichtet. Wie Elia vor Ahab (1 Reg 21,17–29) wagt auch Johannes vor Herodes Antipas zu treten und ihn zurechtzuweisen. Er tadelt nicht nur die ungesetzliche Heirat des Herodes Antipas, sondern auch sein Gesamtverhalten (Lk 3,19). Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 184. Bei Lk spielt Johannes viel stärker als bei der Überlieferung vor ihm die Rolle des Vorläufers Christi. Die Bußpredigt und Tauftätigkeit werden bei Lk in die Christusankündigung hineingenommen. Da sie auf den UYVJT Jesus zielt, den Gott gemäß der Verheißung Israel zugeführt hat (Act 13,23–25), kann sie von Lk sogar GWXCIIGNK\GUSCK genannt werden. Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 185. Die Geschichtlichkeit der Taufe Jesu wird heute von den meisten Exegeten angenommen. Von Johannes dem Täufer berichtet auch Josephus in Ant 18,116–119. Dass Johannes je ein direktes Zeugnis für Jesus als Messias abgelegt hat, wird oft bezweifelt (vgl. G. THEISSEN/A. MERZ, Jesus, 191), so dass der lk Bericht eine redaktionelle und schriftstellerische Arbeit sein könnte. 29 G. THEISSEN/A. MERZ, Jesus, 193. 25
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des Gesetzes und der Propheten, die Zeit der Verheißung, zu Ende. Es beginnt die Zeit der Erfüllung.30 Die Wende kommt dabei nicht durch die Taufe des Johannes, sondern allein durch Gott. Deswegen wird die Aufmerksamkeit des Lesers fast gewaltsam von Johannes auf Jesus, sein Gebet und die göttliche Stimme gelenkt.31 Bemerkenswert ist, dass Lk in seinem Evangelium nichts vom Märtyrertod des Johannes schreibt, obwohl er 9,7–9 vorausgesetzt wird. Er will kein mit Jesu Tod vergleichbares Schicksal erzählen. Seit Lk 1,5 bis zur Taufe Jesu stehen Johannes und Jesus bei Lk nebeneinander. Nun will aber Lk zeigen, dass Johannes von Jesus überboten wird. Die Tatsache der Konkurrenz zwischen Jesus und Johannes, die wahrscheinlich einen Teil des Hintergrundes für die Evangelien gebildet hat, lässt begreifen, warum die Taufe Jesu in der christlichen Überlieferung immer wieder diskutiert wurde. In der Zurückdrängung der Taufe berühren sich übrigens auch Lk und Joh (Joh 1,32–34).32 Da Jesus zum Sohn Gottes erklärt und zum Geisttäufer eingesetzt wird, ist seine Überlegenheit bei Lk gesichert.33
Die Zurückdrängung der konkurrierenden Größen durch den Schriftsteller Lk erscheint wie eine Lichtregie auf der Bühne. Am Anfang leuchtet Lk den ganzen Raum aus: Johannes den Täufer, die Volksmenge und Jesus. Allmählich geht aber der Lichtstrahl auf Jesus über. Johannes der Täufer verschwindet von der Bühne, die Volksmenge tritt ins Halbdunkel zurück. Am Ende steht Jesus alleine im Licht in der Mitte. Erst in diesem Moment macht Lk den Höhepunkt der Geschichte sichtbar. Dieser Höhepunkt ist die Rede Gottes. Und Gott spricht Jesus direkt an: „Du bist [...]“. Dank des voraussehenden Lichtspiels ist ein Missverständnis ausgeschlossen. Nur Jesus alleine wird angesprochen. Nur auf ihn bezieht sich die Zuwendung und die besondere Geistesgabe Gottes. Jesus ist der geliebte Sohn Gottes.34 30
Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 184. D.L. BOCK, Luke, 335, schreibt: „For Luke, John drops entirely out of this pericope. His name is not explicitly mentioned, so that attention is placed exclusively on Jesus’ prayer and the divine voice. So notable is this absence that Leaney (1958: 109) suggests that Luke’s John does not baptize Jesus, but this ignores Act 10,37f and 13,24f. The omission stresses that this event is entirely God’s work. The endorsement of Jesus is uniquely his.“ 32 Dass diese Tendenz sich verstärkt, zeigt auch Justin, dial. 88,3. Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 94. 33 Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 95. 34 In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die einmalige Stellung Jesu aus der Perspektive der monotheistisch geprägten ersten Christen hingewiesen. Mit Recht betont O. WISCHMEYER, Gottesglaube, Religionen und Monotheismus in der Apostelgeschichte, in: W. Popkes/R. Brucker (Hg.), Ein Gott und ein Herr. Zum Kontext des Monotheismus im Neuen Testament, BSt 68, Neukirchen-Vluyn 2004, 9–40, 38, dass das lk Doppelwerk aus einem Jesus-Buch und einem Geist-Buch besteht. Die Wirkung des Geistes bedeutet für Lk ein Zeichen der Endzeit. In dieser Endzeit offenbart sich Gott in Jesus von Nazareth. Das Besondere bei den Christen ist daher, dass sie den einen Gott Israels als denjenigen interpretieren, der sich „endgültig an Jesus von Nazareth gebunden“ hat. Nur so kann man nach O. WISCHMEYER behaupten, dass Lk und die anderen Evangelisten mit der Gestalt Jesu „die Grenzen eines strengen jüdischen Monotheismus“ nicht überschritten haben. Vgl. O. WISCHMEYER, ebd., 40, gegen G. THEISSEN, Religion, 247. 31
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Direkt bei der Taufe wird nicht erwähnt, dass der herabkommende Geist in oder an Jesus etwas Besonderes bewirkt. Es wird keine pneumatische Kraft geschildert oder eine eschatologische Neuschöpfung angedeutet, welche die Bedingungen der messianischen Ära erfüllen würden.35 Die messianische Bedeutung des Geistes wird erst in 4,16–21 deutlich. Die Kraft des Heiligen Geistes kennzeichnet bei Lk auch weiterhin die Person Jesu (vgl. Lk 4,18.36; 5,17; 6,19; 8,46; 9,1; 10,19; 21,27, Act 2,22).36 In Act 10,36–38 greift Lk sogar explizit auf die Taufgeschichte zurück.
Wenn man das Bild des Lichtspiels im Auge behält, muss man feststellen, dass Jesus sich im Zentrum, im Licht der Bühne ganz passiv verhält. Er betet nur. Aber auch in Bezug auf das Beten lässt Lk mehrere Perspektiven zu. Das Gebet zeigt, dass Jesus eine ganz tiefe und innige Verbindung mit Gott hat, eine Art Verwandtschaft mit ihm. Das Beten charakterisiert den „Sohn Gottes“ auch im weiteren Bericht. Lk führt das Beten in allen bedeutenden Momenten des Wirkens Jesu ein, in die Aussätzigenheilung (Lk 5,16), die Apostelwahl (6,12), das Petrusbekenntnis (9,18), die Verklärung (9,28f), das Vaterunser (11,1), die Gethsemaneszene (22,41 par.) und die Kreuzigung (23,46 Kreuz).37 Die besondere Verbundenheit zwischen Vater und Sohn, die von Lk angedeutet wird, entfaltet sich am deutlichsten im Johannesevangelium (Joh 5,19–21).38 Ob das Sohnesbewusstsein schon zum Tauferlebnis des historischen Jesus gehört hat, kann man nicht eindeutig behaupten. Es gibt auch Gründe für die Annahme, dass Jesus erst mit der Auferstehung als Geistgesalbter und damit als messianischer Sohn erkannt wurde (Röm 1,3; Act 2,35). Sekundär sei diese Erkenntnis ins Leben Jesu, auf die Taufe Jesu, zurückdatiert worden. Die älteste Auffassung vom Leben Jesu sei unmessianisch gewesen. Diese, von WILLIAM WREDE und RUDOLF BULTMANN vertretene Annahme, wird heute von manchen Exegeten in Frage gestellt.39
Durch das Gebet zeigt sich Jesus aber nicht nur als messianischer Sohn Gottes. Er dient zugleich als Vorbild für die Täuflinge in der christlichen Gemeinde.40 Lk gelingt diese Perspektive, indem er einen Zusammenhang zwischen Gebet und Geistgabe herstellt. Die Geistbegabung ist nach Lk Folge des Gebetes Jesu (vgl. Lk 11,13). Im Anschluss an das Gebet erfolgt die erste Geisttaufe, die durch das Motiv des Herabkommens des Heiligen Geistes dargestellt wird. Im lk Bericht bedeutet das, dass auch der vom Geist Erzeugte (vgl. 1,35) den Geist und die Kraft für seinen Dienst zusätz35
Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 192. Vgl. D.L. BOCK, Luke, 335. 37 Vgl. F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 289. 38 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 107. 39 Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 196. 40 F. LENTZEN-DEIS, Taufe Jesu, 285, weist darauf hin, dass Lk in seinem Evangelium immer wieder „eschatologische“ Aussagen ins Paränetische umbiegt. In „christologischen“ Perikopen wird Jesu Vorbildlichkeit für das Leben der Christen hervorgehoben. 36
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lich bekommt.41 Erst ab jetzt ist Jesus voll des Geistes (Lk 4,1.14.18).42 Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt bei dieser Perspektive „von unten“: Durch das Beten zeigt sich Jesus in seinem Wesen als ein Mensch, obwohl er mehr ist als ein Mensch. Er unterstellt sich Gott. Weil Jesus von Lk als Betender geschildert wird, ist klar, dass er wie ein frommer Mensch alles von Gott erwartet. Er fordert keine göttliche Ehre für sich. Jesus will nicht angebetet werden, er betet selbst. Gerade diese Nuance lässt an die Versuchungsgeschichte denken. In der Versuchungsgeschichte folgt Jesus nicht den Forderungen des Satans, er betet den Satan nicht an. Jesus betet wie bei seiner Taufe nur Gott an. Durch das Motiv des Betens bringt Lk eine sehr wichtige Erkenntnis zum Ausdruck: Jesus ist als der zum Sohne Gottes Ernannte voller und wahrer Mensch.43 Als eine Bestätigung dieses wichtigen theologischen Gedankens führt Lk gleich nach der Taufe Jesu in seine Erzählung den Stammbaum Jesu ein (Lk 3,23–38). Während Lk in 3,21 zeigt, dass die Sendung Jesu MCVC RPGWOC in Gott gründet, dient der Text in Lk 3,23–38 als Hinweis darauf, dass Jesus auch MCVC UCTMC von Gott stammt.44 Lk ist der Einzige unter den Synoptikern, der die Verbindung zwischen Taufe und Versuchung unterbricht. Die Tatsache, dass Lk die Genealogie Jesu vor der Versuchung einfügt, weist vielleicht darauf hin, dass die Versuchung eines Gottessohnes ein Beispiel für die Versuchung aller anderen „Gottessöhne“, der Menschen, darstellt. Dem lk Stammbaum liegt 1 Chr 1,1–34; 2,3–15 (vgl. Ruth 4,18–22) zugrunde, für die Reihe zwischen Abraham und Adam Gen 5,3–32 und 11,20–26. Lk will so die Abrahamsabstammung und Davidssohnschaft Jesu sicher stellen.45 Der Stammbaum soll zeigen, dass Jesus der von der Geschichte Israels Verheißene ist. Jesus beginnt seine Tätigkeit im Alter von 30 Jahren, im gleichen Alter, in dem einst David zum König gesalbt wurde und seine Königstätigkeit begann (2 Sam 5,3f). Es ist das Alter der Priester 41
Man muss D.L. BOCK, Luke, 332, zustimmen, dass Lk und Mt im Unterschied zu Mk die göttliche Manifestation und die Bedeutung des Taufereignisses durch ihre Erzählungen von der Kindheit Jesu ungewollt relativiert haben: “The force of the Lucan and Matthean testimony is not as striking as is the material in Mark, because Mark, unlike the other Gospels, lacks an infancy account. Thus, this event for Mark is the first direct divine testimony to Jesus. As such it stands in contrast to Matthew and Luke, who give angelic testimonies in their infancy material (Matt. 1,20f; Luke 1,31–35; 2,10.14).“ 42 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 108. 43 Vgl. ebd., 110. 44 Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 188. Da der als Sohn Gottes Ausgerufene nach dem Stammbaum ein voller und wahrer Mensch ist, liegt es nahe, hier eine Entfaltung des im Bekenntnissatzes in Röm 1,3 Ausgesagten zu sehen. Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 96. 45 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 111. Damit wird aber der Widerspruch zwischen dem Stammbaum und der Kindheitsgeschichte Jesu offensichtlich. Die Kindheitsgeschichte führt die „Entstehung Jesu auf den Heiligen Geist und die Jungfrau Maria zurück“, während der Stammbaum sich auf die „Vaterschaft des Joseph“ gründet. Vgl. ebd., 110.
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(Num 4,3). Auch Joseph begann seine Tätigkeit mit 30 (Gen 41,46) und Ezechiel bekam mit 30 die Berufung zum Propheten (Ez 1,1). Das Alter von 30 Jahren ist also „typisch, nicht historisch“,46 was aber bei Lk kein Gegensatz ist. Auch Mt fügt in seine Erzählung den Stammbaum Jesu ein (Mt 1,2–17). Es gibt aber Unterschiede zwischen den beiden.47 Mt beginnt seinen Stammbaum mit Abraham, führt ihn absteigend über Salomon auf Jesus herab und scheint „die Reihe der legitimen Träger des Königsamtes im Auge zu haben“.48 Lk beginnt bei Jesus und führt in einer Genitivreihe über Nathan zu Adam hinauf.49 Der letzte Genitiv SGQW kennzeichnet Adam und dadurch das Menschengeschlecht als Gottes Werk und Schöpfung.50 Das Ende der Genealogie ist für die jüdische Tradition ungewöhnlich. Man muss annehmen, dass dieser Abschluss bei Lk die Denkweise der hellenistischen Gemeinde widerspiegelt. Sie hatte bestimmt weniger Interesse an einer Verbindung mit David und Abraham als mit Adam. Durch den Stammbaum wird Jesus als der zweite Adam dargestellt (vgl. Röm 5,14–21; 1 Kor 15,22.45–49; Act 17,26.31) und übernimmt eschatologisch-universale und heilsgeschichtliche Funktion.51 „Wie der erste Mensch aus Gottes Hand hervorgegangen ist, so kommt auch er von Gott, hineingestellt in das Geschlecht Davids, dessen Träger Joseph ist.“52 Mit der Erwähnung Gottes am Anfang der Generationskette zeigt Lk, dass Gott der Ursprung der ganzen Menschheitsgeschichte ist und dass Gott die Menschheitsgeschichte sich in Jesus als dem Weltenrichter erfüllen lässt.53 Der erste Mensch ‚Adam‘ war nach dem Bilde Gottes geschaffen 46
Vgl. ebd., 112. Bei Julius Africanus (bei Euseb, KG 1,7,4ff) findet man einen Versuch, die Erklärung der Unterschiede durch die Leviratsehe (Dtn 25,5ff) zu geben. Es wird behauptet, dass WKBQL YBL GXPQOK\GVQ nur ein Versuch sei, das Widersprüchliche zu mildern. Vielleicht stammt diese erklärende Wendung von einem späteren Redaktor (W. GRUNDMANN, Lukas, 111). Vielleicht ist aber das GXPQOK\GVQ eine Einfügung des Lk (W. WIEFEL, Lukas, 98). 48 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 111. 49 Durch den Propheten Nathan könnte von Lk der Königslinie des Mt eine prophetische entgegengestellt werden. Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 97, Anm. 4. Nach dem Exil knüpfen sowohl Lk als auch Mt den Fortgang der David-Linie an Serubbabel. 50 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 112. Bei Lk führen drei mal sieben Namen von Jesus bis zu Serubbabel, drei mal sieben von Salathiel bis zu David, zwei mal sieben von David bis zu Isaak und drei mal sieben von Abraham bis zu Adam. Das Exil liegt zwischen Serubbabel und Salathiel. Vgl. ebd., 112. Wenn man annimmt, dass es sich auch ursprünglich um die 77 Glieder im Stammbaum gehandelt hat, darf man an das Schema einer Zwölfwochenapokalypse denken. „Jesus wäre am Ende der elften der jeweils durch sieben Generationen repräsentierten Weltperiode geboren. Als Vollender der elften wäre er zugleich Anfänger der zwölften und letzten Periode, der eschatologischen Zeit.“ Vgl. W. WIEFEL, Lukas, 97. 51 Vgl. W. GRUNDMANN, Lukas, 111. 52 Vgl. ebd., 112. 53 Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 202. 47
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Die wahre Apotheose
(Gen 1,26). Daher haben alle Menschen ihren Ursprung in Gott, sie sind „von Gottes Geschlecht“ (Act 17,28f). Alle Menschen stammen von Adam und Adam stammt von Gott! Der Stammbaum ordnet aber auch Jesus, den Gottessohn, allen Menschen zu. Man könnte vermuten, Lk möchte mit Hilfe der jüdischen Genealogie zeigen, dass alle Menschen als Nachkommen Adams in gewisser Weise „Söhne Gottes“ sind.54 Auf jeden Fall hat Lk 3,38 eine auffallende Parallele in Act 17,28. Beide Stellen weisen eine universale Perspektive auf. In Lk 3,38 wird Gott als Vater Adams bezeichnet, was bedeuten soll, dass Gott ihn erschaffen hat. In der Areopagrede spricht Lk von der Gottesverwandtschaft des Menschen.55 Diesen schöpfungstheologischen Gedanken drückt Lk mit Hilfe einer antikheidnischen Vorstellung aus, wenn er in Act 17,28 den griechischen Dichter Aratus zitiert: „Wir sind seines (d.h. Gottes) Geschlechts“. Das Zitat „VQW ICT MCK IGPQL GXUOGP“ stammt aus dem Lehrgedicht „Phainomena“ von ARATUS,56 der um 276 v.Chr. nach einem Studium der stoischen Philosophie in Athen am Hof des makedonischen Königs Antigonos Gonatas wirkte.57 Einen ähnlichen Gedanken wie Aratus hatte auch der Stoiker Kleanthes in seinem Zeushymnus ausgedrückt: „Dich zu rufen, geziemt ja den Sterblichen allen. Denn sie stammen aus deinem Geschlecht.“58 Diese Dichtungen reden von Zeus. Zeus wird als „der physische Stammvater der Menschheit“ verstanden.59 Das hat Lk nicht gehindert, solche Zitate der stoischen Philosophen für seine Zwecke zu benützen. Vielleicht hat Lk diesen Zusammenhang bewusst ignoriert und die Aussagen von Zeus problemlos auf den Gott der Bibel übertragen. Vielleicht aber waren diese 54 Es ist aber bezeichnend, dass neben Jesus nur Adam von Lk „Gottes Sohn“ genannt wird. Vgl. D.L. BOCK, Luke, 349. 55 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 462. 56 Vgl. ARATUS, Phaenomena 5, Zürich/Berlin 1964. Bei Aratus diente dieser Satz wahrscheinlich als eine Art Gottesbeweis. G. STÄHLIN zitiert das Gedicht wie folgt: „Zeus muss leben – er kann nicht in dem Grab liegen, das auf Kreta gezeigt wurde! – und zwar weil wir leben; denn in ihm leben wir...“ Lk meint aber mit diesem Satz den Gott der Bibel, in dem Sinne, wie es in Ps 139, 1 Kor 8,6 und Röm 11,36 steht. Da man das griechische „in ihm“ auch mit „durch ihn“ übersetzen kann, wurde der Text vielleicht von den griechischen Lesern so verstanden, dass man durch Gott das Leben und die Fähigkeit hat, sich zu bewegen, und ihm die ganze Existenz verdankt. Vgl. G. STÄHLIN, Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen 11[2]1966, 236. 57 Vgl. M. FANTUZZI, Art. Aratos, DNP 1 (1996/1999), 957–962, 957. 58 Vgl. KLEANTHES fr 537, zitiert bei J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 255. H. CONZELMANN widerspricht der Meinung, dass die Mehrzahl „Dichter“ in Act 17,28 auf Kleanthes neben Aratus weist (H. CONZELMANN, Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 21972, 110). Die Mehrzahl „einige“ könnte auch eine literarische Ausdrucksweise sein und der damaligen Konvention entsprechen (G. SCHILLE, Die Apostelgeschichte des Lukas, ThHK 5, Berlin 21983, 358). Für den Predigtstil wäre es ohnehin angemessen, keinen Dichternamen zu nennen (G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 236). Bezeichnenderweise wird aber in diesem Fall ein Dichterwort als normatives Zeugnis der Wahrheit über Gott genommen (J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 264). 59 Vgl. G. SCHNEIDER, Die Apostelgeschichte, HThK V/2, Freiburg/Basel/Wien 1982, 242.
Die Taufe Jesu
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Ausdrücke auch schon zu allgemein bekannten Sprichwörtern geworden, deren Ursprung man nicht mehr kannte.60 „Das Dichterwort, das ursprünglich besagte: alle Menschen gehören zur Familie des Zeus, des Vaters der Götter und Menschen, diente wohl der hellenistischen Mystik als ein Zeugnis für ihre grundlegende Auffassung: der Mensch ist göttlichen Wesens.“61
Die Frage, ob Lk die Kluft zwischen Paulus und den hellenistischen Philosophen einebnen wollte und sich bemühte, das Evangelium „der damals herrschenden stoischen Popularphilosophie“ anzugleichen, soll noch offen bleiben.62 Die Areopagrede enthält eine Reihe von Motiven aus dem Bereich der stoischen Philosophie und der hellenistischen Mystik. Im ganzen NT ist diese Rede mit ihrem Gottes- und Menschenverständnis singulär.63 In der Areopagrede verwendet Lk im Grunde pantheistisch gedachte Aussagen wie die in der antiken Philosophie verbreitete Trias: „leben, sich bewegen, sein“,64 um den schöpfungstheologisch-biblischen Gedanken auszudrücken: „Die Nähe Gottes zu jedem Menschen ist die Nähe des Schöpfers zu seinen Geschöpfen“.65 Auch der authentische Paulus konnte in seinen Briefen solche Formeln benutzen wie: „aus ihm und durch ihn und zu ihm ist alles“ (Röm 11,36).66 Die Einsicht, dass Gott jedem einzelnen Menschen nahe ist, gehört zum stoischen Denken. Die Stoa behauptete, dass der Mensch eine natürliche Gottesverwandtschaft habe. Der stoische Pantheismus war überzeugt, dass die Gottheit nicht der Welt gegenüber steht, sondern sie als „Logos“ in allen ihren Erscheinungen „durchwaltet“.
60 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 236. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 256, weist darauf hin, dass man die einzelnen Aussagen nicht als direkte Anleihen des Lk bei der zeitgenössischen Philosophie deklarieren kann. Sie könnten auf Traditionen beruhen, „die ihm auf dem Umweg über das hellenistische Judentum zugekommen sind, wo sie im Zuge der interpretatio graeca der biblischen Religion rezipiert worden waren.“ Im hellenistischen Judentum wurde oft auf Motive heidnischer Philosophie zurückgegriffen, um den biblischen Gottesgedanken zum Ausdruck zu bringen. R. PESCH, Die Apostelgeschichte, EKK V/2, Zürich/Einsiedeln/Köln 1986, 139, Anm. 4.2, führt als Beispiel den jüdischen Schriftsteller Aristobul (fr 4) an, der das obengenannte Aratos-Zitat zur Umschreibung der biblischen Schöpfungsaussagen herangezogen hatte. Als Beleg für die Allwirksamkeit und Allgegenwart des einen Schöpfergottes wurden nicht selten Aussagen gebraucht, die ursprünglich pantheistisch gemeint waren. Diese Tradition wurde in der christlichen Heidenmission weitergeführt. 61 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 236. 62 Als Beispiele für Aussagen in der griechischen Popularphilosophie mit dem Topos der Nähe Gottes kann man nennen Dion Chr. or. 12,28, Jos. Ant 8,108 und Senecas Aussage: „prope est a te deus, tecum est, intus est“ (epist. 41) (vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 358; J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 263). 63 Vgl. H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 110. 64 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 255. Erwähnt werden bei ihm Plat.Tim. 37c; Plut.mor. 477c.d. 65 Vgl. ebd., 139. 66 Vgl. W. SCHMITHALS, Die Apostelgeschichte des Lukas, ZBK.NT 3/2, Zürich 1982, 163.
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Die wahre Apotheose
Sie gibt dem Seienden die Harmonie und ermöglicht das gegenseitige Verstehen.67 Dem Menschen als einem vernünftigen Wesen wird von Natur die Vorstellung vom Wesen der Götter mitgegeben. Ein Mensch sei von Natur dem Göttlichen eingepflanzt, mit ihm verwachsen.
Im Vergleich zum AT, das mit der Nähe Gottes zum Menschen nur seine Bereitschaft zum helfenden Eingreifen meint (Dtn 4,7.30; Ps 139,5), scheint Lk in seiner Areopagrede die Nähe Gottes im Sinne einer Gottesverwandtschaft zeigen zu wollen.68 Die Gottesverwandtschaft deutet Lk aber weniger ontologisch als schöpfungstheologisch: „Gott ist dem Menschen nahe, weil er ihn zu seinem Bilde geschaffen hat (Gen 1,26f).“69 Wir können zusammenfassen: Während Lk im Stammbaum Jesu zeigt, dass der Sohn Gottes eine menschliche Abstammung hat, macht er in der Areopagrede deutlich, dass jeder Mensch eine göttliche Abstammung hat. Ist das Menschliche und das Göttliche für Lk so eng miteinander verbunden und verwachsen? Nach den oben genannten Texten scheint es so zu sein. Und doch stimmt es nicht. Lk sieht eine Grenze zwischen Mensch und Gott. Nur Gott darf angebetet werden, nur Jesus darf Gottes Sohn sein, weil Gott selbst und kein Mensch ihn dazu erklärt hat. Nur die Apotheose von Jesus ist eine wahre und richtige Apotheose.
67 68 69
Vgl. ebd., 163. Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 263. Vgl. ebd., 264.
Die Verklärung Jesu (LK 9,28–36)
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3.2 Die Verklärung Jesu (Lk 9,28–36) Die Verklärung Jesu (LK 9,28–36) „Etwa acht Tage nach diesen Reden nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß. Und plötzlich redeten zwei Männer mit ihm. Es waren Mose und Elija; sie erschienen in strahlendem Licht und sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte. Petrus und seine Begleiter aber waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen. Als die beiden sich von ihm trennen wollten, sagte Petrus zu Jesus: Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste aber nicht, was er sagte. Während er noch redete, kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie. Sie gerieten in die Wolke hinein und bekamen Angst. Da rief eine Stimme aus der Wolke: Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Als aber die Stimme erklang, war Jesus wieder allein. Die Jünger schwiegen jedoch über das, was sie gesehen hatten, und erzählten in jenen Tagen niemand davon.“ (Lk 9,28–36)
Ungefähr in der Mitte des LkEv steht die Verklärungsgeschichte (Lk 9,28– 36; par. Mk 9,2–10; Mt 17,1–9).70 Ein zweites Mal kommt Jesu Göttlichkeit zum Vorschein. Im Grunde kann man diese Geschichte unter derselben Überschrift wie Taufe und Himmelfahrt einordnen: Der Himmel steht für Jesus offen, er wird von Gott selbst als göttliches Wesen anerkannt. Die Verklärungsszene bringt aber in den Erzählstoff dieser Geschichten so viele Motive mit verschiedenen Farben hinein, dass sie unter den Vergöttlichungsszenen besonders aufleuchtet. In der Intensität der literarischen Darstellung und in der Pracht des ausgemalten Bildes übertrifft sie bei weitem Taufe und Himmelfahrt.
70 Das Wort OGVCOQTHQWUSCK Mt 17,2; Mk 9,2 (lat. transfigurari) wird in den meisten europäischen Sprachen wörtlich übersetzt, z.B. im Englischen mit „transfigure“. Im Deutschen hat sich seit den Bibelübersetzungen der Reformationszeit „verklären“ durchgesetzt. Die Bibelübersetzungen sind inhaltlich vom Gedanken des Lichtleibs bestimmt. Man kann aber auch das Wort „Verwandlung“ benutzen. Vgl. U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus (Mt 8–17), EKK 1/2, Zürich 1990, 504, Anm. 1. In dieser Arbeit bleiben wir bei der traditionellen Bezeichnung „Verklärung“, weil es in der ganzen Geschichte hauptsächlich um die Bedeutung und nicht nur um die Verwandlung der Gestalt Jesu geht. Für Lk ist bezeichnend, dass er das Verb OGVCOQTHQY durch einen, nach F. BOVON, Lukas, 489, traditionell biblischen Ausdruck VQ GKFQL G=VGTQP (vgl. Dan 3,19 LXX) ersetzt. Vielleicht wollte Lk vermeiden, an die Metamorphosen der Götter zu erinnern. Vgl. E. KLOSTERMANN, Das Lukasevangelium, HNT 2, Tübingen 1919, 469. F. HAUCK, Das Evangelium des Lukas, ThHK 3, Leipzig 1934, 128, ist der gleichen Meinung: Das Verb OGVCOQTHQY schien Lk wahrscheinlich zu sehr an heidnisch hellenistische Erzählungen anzuklingen. Vgl. J. BLINZLER, Die neutestamentlichen Berichte über die Verklärung Jesu, NTA 27, Münster 1937, 46.
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Die wahre Apotheose
Im LkEv bildet sie einen eindeutigen Höhepunkt. Vor einer kleinen Gruppe seiner Jünger wird der besitzlose Prediger des Reiches Gottes, als der Jesus von seiner Umwelt wahrgenommen wurde, mit göttlicher Herrlichkeit umhüllt. Es kann danach keinen Zweifel mehr geben: Er ist göttlich, er ist der Sohn Gottes, der Erwählte, der Messias. Dieser Höhepunkt wird vom Bekenntnis des Petrus (Lk 9,20) eingeläutet, der ersten Ankündigung des Leidens (9,22), dem Ruf zur Nachfolge (9,23) und der Verheißung des Kommens des Menschensohnes in Herrlichkeit (9,26f).71 Zum ersten und zum letzten Mal sehen die Jünger zu Lebzeiten Jesu mit eigenen Augen ein Stück der himmlischen Sphäre, zu der Jesus als Gottes Sohn gehört. Heute würde man das wahrscheinlich ein Schlüsselerlebnis nennen. Es ist daher kein Wunder, dass die Verklärungsgeschichte als Bestätigung und Anhaltspunkt des Glaubens an die Göttlichkeit Jesu schon früh einen besonderen Platz in der christliche Tradition gewann und immer wieder erzählt wurde. So hat das Motiv der Verklärung Jesu in der kanonischen und außerkanonischen christlichen Literatur in verschiedenen Variationen Spuren hinterlassen wie eine bekannte und beliebte Melodie. Die Verklärungsgeschichte wird nicht nur von allen drei Synoptikern weitergegeben, die wahrscheinlich eine ältere Tradition überliefert haben,72 sondern hat auch sonst im NT und in den außerkanonischen Schriften ein Echo gefunden. 71
Vgl. A.M. RAMSEY, The Glory of God and the Transfiguration of Christ, London u.a. 1949, 101. Bei Lk steht die Verklärungsgeschichte in der gleichen Perikopenfolge wie bei Mk und Mt. Er benutzte wahrscheinlich Mk als Vorlage, hat aber auch von Mk unabhängige Details und Gemeinsamkeiten mit Mt. Zu seinen Besonderheiten gehören: das Beten Jesu (Lk 9,28), das Schlafen der Jünger (9,32), das Gespräch des Mose und des Elia mit Jesus über sein Ende (9,31), der Versuch des Petrus, ihre Anwesenheit auszudehnen (9,33), das Verschwinden der Drei in der Wolke (9,34), die Nennung des Johannes vor Jakobus. Lk nennt Mose und Elisa in ihrer chronologischen Reihenfolge, während der Mk-Text (9,4) die merkwürdige Reihenfolge „Elija mit Mose“ aufweist. (Vgl. F. NEIRYNCK, The minor agreements in a horizontal-line synopsis, in: Studiorum Novi Testamenti Auxilia, Bd. 15, Leuven 1991, 51–52). K.H. RENGSTORF, Das Evangelium nach Lukas, NTD 1, Göttingen 3[1]1937, 107, sieht in den kleinen lk Abweichungen von Mk den Einfluss entweder des MtEv oder einer anderen Überlieferung. Die Angabe von acht Tagen in Lk 9,28 kann z.B. weder aus Mk noch aus Mt stammen, weil beide sechs Tage angeben. (Vgl. ebd., 109). Nach F. BOVON, Lukas, 489, lassen sich die Unterschiede des lk und mk Textes dadurch erklären, dass Lk als Redaktor die Erzählungen des Mk mit größerer Freiheit als die Sprüche Jesu behandelt hat. Für Lk war Mk keine „kanonische heilige Schrift“, sondern „ein respektabler, aber zu verbessernder Versuch“. Lk streicht z.B. das Gespräch beim Hinuntergehen (Mk 9,9–13), weil er offensichtlich Johannes den Täufer nicht mit Elia gleichsetzen wollte. Er streicht ferner die Bemerkung über den „Bleicher“ (Mk 9,3b), vielleicht weil sie ihm zu prosaisch für eine Herrlichkeitsszene schien (vgl. F. BOVON, ebd., 489). J. BLINZLER, Die neutestamentlichen Berichte, 51, hält es für unmöglich, dass sich der lk Bericht als „eklektisches Produkt aus Mt und Mk“ erklären lässt. Nach J. BLINZLER, ebd., 89, ist vielmehr anzunehmen, dass in den ersten Jahrhunderten nach Jesu Tod zwei unabhängige Parallelüberlieferungen der Verklärungsgeschichte schriftlich fixiert wurden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Verklärungsgeschichte zum ältesten ursprünglichen Bestand des geschriebenen Wortes gehört. 72
Die Verklärung Jesu (LK 9,28–36)
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Im NT werden außerhalb der Synoptiker Bruchstücke des Themas „Verklärung“ im Johannesevangelium und im 2. Petrusbrief hörbar. Im Johannesevangelium ist 12,28 eine Anspielung auf das Thema Verklärung: „Vater verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme aus dem Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und werde ihn wiederum verherrlichen (MCK GXFQZCUC MCK RCNKP FQZCUY).“73 In 2 Petr 1,16–18 klingt das Motiv deutlicher durch: „Er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: ‚Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.‘ Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren“74 2 Petr setzt dabei unverkennbar die synoptischen Evangelien voraus. Die außerkanonischen Schriften bieten ihrerseits eine ganze Reihe ausführlicher und phantasiereicher Variationen über das Thema Verklärung Jesu. In der Petrusapokalypse bildet die Verklärungsgeschichte mit den Motiven der Himmelsstimme und der Erscheinung von Mose und Elia den äußeren Rahmen für einen Dialog mit dem sich offenbarenden Jesus. Die Jünger bitten Jesus, ihnen einen von den gerechten, aus der Welt geschiedenen Brüder zu zeigen, damit sie wissen, wie diese aussehen, und damit sie es den anderen als Trost und Ermutigung erzählen können. Die Rede ist von Mose und Elia, aber auch von den anderen Gerechten aus dem Alten Bund. Es wird das Jenseits und seine Bewohner beschrieben.75 Bei der Variation des Motivs der Verklärung Jesu in den Petrusakten, 20, liegt das Interesse auf der Beziehung des Petrus zu seinem sich offenbarenden Herrn. Ein besonderes Thema bildet in diesem Fall der Lichtglanz Jesu, der Petrus beinahe seines Augenlichtes beraubt hätte. Mose und Elia kommen in dieser Verklärungsbeschreibung nicht vor.76 In den Johannesakten, 90f, wird die Verklärungsgeschichte in einer Predigt des Lieblingsjüngers Johannes erwähnt. Mose und Elia kommen nicht vor. Jakobus und Petrus haben nach dieser Erzählung bei der Verklärung Jesu ein anderes Bild als Johannes gesehen. In dieser Variation wird der Lieblingsjünger in den Vordergrund geschoben und die Verwandlung Jesu reichlich ausgeschmückt.77 In den Philippusakten wird die Verwandlung des sich offenbarenden Jesus in verschiedenen Gestalten beschrieben,78 aber es wird auch von der Verklärung des Apostels Philippus selbst im Kreise seiner Jünger (60f) berichtet. Da die Jünger voller Angst vor der herrlichen Erscheinung des Philippus sind und die Intensität des Lich-
73
Vgl. H. BALTENSWEILER, Die Verklärung Jesu. Historisches Ereignis und synoptische Berichte, Zürich 1959, 26. 74 Die Bibel, Einheitsübersetzung. 75 Vgl. E. HENNECKE/W. SCHNEEMELCHER (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Bd. 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 31964, 472– 483. 76 Vgl. W. SCHNEEMELCHER (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2, 275. 77 Vgl. ebd., 164–165. 78 Vgl. F. BOVON, Les Actes Apocryphes des Apôtres. Genf 1981, 302.
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Die wahre Apotheose
tes nicht ertragen können, verwandelt er sich wieder in seine ursprüngliche Gestalt und beruhigt die Leute.79
Was hat die christlichen Schreiber, darunter auch den Verfasser des lk Doppelwerkes, an der Verklärungsszene so fasziniert, dass sie ihre Motive in ihren Schriften aufgenommen und zu vielfältigen theologischen Aussagen ausgebaut haben? Steckt die Anziehungskraft des Motivs in der Melodie der Verklärungsgeschichte? Diese Melodie, die so viele zu weiteren Variationen inspiriert hat, ist eigentlich eine Melodie, in der selber schon viele Variationen zusammengeflossen sind. In der Theologie wie auch in der Musik werden für Variationen am liebsten gerade die Themen verwendet, in denen bekannte Motive zu erkennen sind. Sie regen an. Die Motive, die in der Verklärungsgeschichte aufleuchten, stammen aus der biblischen, aber auch aus der außerbiblischen Tradition. Sie klingen mehr oder weniger deutlich durch, scheinen ziemlich leicht zu erkennen zu sein, werden aber von den Exegeten unterschiedlich betont. Zu den wichtigsten gehören (1) das Motiv der Exodus- und Sinaitradition, (2) der Inthronisation, (3) des geliebten Sohnes, (4) des Laubhüttenfestes, (5) des Auferstehungsleibes und ferner (6) das Ostermotiv. Alle sollen im Folgenden kurz erläutert werden. 1. Das Motiv der Exodus- und Sinaitradition Es gibt mehrere Details in der Verklärungsgeschichte, die an die Exodusund Sinaitradition erinnern: Der Berg erinnert an den Sinai,80 die Wolke an die Wolke, die Gottes Gegenwart bezeugt.81 Eine der deutlichsten Parallelen zur Verklärungsgeschichte scheint die alttestamentliche Geschichte von Vgl. M.R. JAMES (Hg.), The Apocryphal New Testament. Oxford 31955, 444. Die Berge haben in der jüdischen Religion wie auch in anderen Religionen immer wieder eine besondere Rolle gespielt. Auf dem Berg Sinai wurde der Wille Gottes dem Mose in Geboten offenbart. Auf dem Berg Zion befand sich die Stadt Gottes, Jerusalem. Nach der Überlieferung der Evangelien geht Jesus auf den Berg, um zu beten und zu lehren (Mt 5,1). Auf einem Berg erwählt Jesus nach einem langen Gebet zwölf Jünger zur Nachfolge (Lk 6,12f). So muss der Berg als ein besonderer Ort auch nach Lk im Leben und im Wirken Jesu auf eine besondere Nähe Gottes und auf seine letzte, entscheidende Offenbarung hinweisen. Das Motiv des Berges im Text und der Hinweis auf das Gebet als Ziel des Aufsteigens in Lk 9,28 bereiten die Erzählung von einer Begegnung mit dem Göttlichen vor. Vgl. F. BOVON, Lukas, 494. Nach H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 555, deutet schon die Bergbesteigung an, dass das folgende Geschehen der natürlichen Sphäre und dem geschichtlichen Leben der Menschen enthoben ist. 81 Die Wolke (PGHGNJ) (Lk 9,34) symbolisiert in der alttestamentlichen Tradition die fließende Grenze zwischen Wirklichem und Transzendentem. Das Motiv der Wolke als Beweis der Gegenwart Gottes ist in der jüdischen Tradition schon in der Geschichte vom Auszug aus Ägypten belegt (Ex 13,21). In Ex 33,9f bezeichnet PGHGNJ in der Wüste die Anwesenheit Gottes. Die Wolke bedeckte den Sinai, lag über dem Stiftszelt (Ex 40,34–38) und erfüllte den Tempel (1 Reg 8,10f). Auch bei der Himmelfahrt Jesu kommt dieses Motiv vor (Act 1,9). Vgl. U. LUZ, Matthäus, 1/2, 507. Nach 2 Makk 2,8 ist die Wolke in der Endzeit das Zeichen der Herrlichkeit Gottes. 79 80
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Mose in Ex 24,1.9.15f zu sein. Das Szenarium beider Geschichten ist fast das gleiche: Mit drei Begleitern, Aaron, Nabad und Abihu, steigt Mose auf den Berg Sinai. Der Berg ist von einer Wolke bedeckt. Am siebten Tag ruft Gott Mose aus der Wolke heraus zu sich. Mose erlebt die Verwandlung seines Aussehens: Als er vom Sinai herabsteigt, ist sein Antlitz strahlend (Ex 34,29–35). Auch die Aufforderung CXMQWGVG CWXVQW bei der Verklärungsszene Jesu erinnert an den Propheten Mose (Dtn 18,15).82 2. Das Motiv der Inthronisation Auf die Parallele zum Thronbesteigungsritual der Jerusalemer Könige weist die Gottesstimme aus Psalm 2,7 hin. Dabei werden Assoziationen an das altägyptische Thronbesteigungszeremoniell wach. Dieses Zeremoniell hatte drei Stufen: a) Die Erhöhung und Begabung des Gott-Königs mit himmlischem Leben, b) seine Präsentation vor den himmlischen Mächten und c) die Übertragung der Herrschaft. Nach U. LUZ wäre es denkbar, in der Verklärung Jesu die erste Stufe des altägyptischen Thronbesteigungszeremoniells zu sehen, bei dem man die Erhöhung und die Begabung mit himmlischem Leben erlebt.83 Andere sehen in ihr schon die zweite Stufe dieses Inthronisationsrituals: die Vorstellung vor dem Hofstaat. 3. Das Motiv des geliebten Sohnes Wenn man aufmerksam zuhört, kann man in der Aussage der Himmelsstimme bei der Verklärung Jesu auch ein Motiv aus der Geschichte von der Opferung Isaaks auf dem Berg Morija in Gen 22,2.12.16 vernehmen: Wie Jesus in der neutestamentlichen Tradition, so wird Isaak im AT mehrmals als der geliebte Sohn bezeichnet.84 4. Das Motiv des Laubhüttenfestes Durch den Vorschlag von Petrus, Hütten für Jesus, Mose und Elia zu bauen, wird die Verklärungsgeschichte um das Motiv des jüdischen Laubhüttenfestes bereichert. Nach H. BALTENSWEILER, geht es bei der Verklärungsszene
82 Vgl. U. LUZ, Matthäus, 1/2, 507. Nach F. BOVON, Lukas, 494, kann ein jüdischer Leser oder ein Kenner der jüdischen Tradition diese Parallelen im Szenarium der Verklärungsgeschichte Jesu, die insgesamt ein alttestamentliches „Mischzitat“ bilden, nicht übersehen. Daher schließt F. BOVON, ebd., 502, die Verklärungsszene sei der Sinaitradition treu geblieben und habe Jesus in seiner prophetischen Vermittlungsrolle bewusst mit Mose verbunden. 83 Es gibt aber nach U. LUZ, Matthäus, 1/2, 508, in der Verklärungsgeschichte keine weiteren Stufen, keine Präsentation vor himmlischen Mächten (das Gespräch mit Mose und Elia kann man nicht als eine Präsentation vor himmlischen Mächten betrachten) und keine Machtübertragung an den König (Jesus bekommt keine Macht übertragen, sondern sein Leidensweg wird bestätigt – freilich nur im LkEv). 84 Vgl. U. LUZ, Matthäus, 1/2, 507.
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Die wahre Apotheose
um die Versuchung Jesu zur zelotisch-politischen Auffassung seines Messiasberufes, die während des Laubhüttenfestes aktualisiert wurde.85 5. Das Motiv des Auferstehungsleibes Die Verklärungsgeschichte will auf das Aussehen Jesu aufmerksam machen. Das Gesicht Jesu verändert sich, seine Kleider werden leuchtend weiß und alles an ihm strahlt (GXZCUVTCRVY)86 himmlischen Glanz und Herrlichkeit aus.a. dieser Akzent eröffnet ein breites Feld von Assoziationen. Glänzende Kleider und Gestalten gehören zur apokalyptischen Symbolik (vgl. Dan 10,5f; Apk 1,12–16).87 Dass der Herr sein Licht auf das Angesicht der Heiligen und auserwählten Gerechten strahlen lässt, so dass sie eine leuchtende Schönheit gewinnen, ist mehrfach in der biblischen und rabbinischen Literatur belegt,88 z.B. Dan 12,3,89 äthHen 62,15f,90 4 Esr 7,97.91 Im NT wird vom eschatologischen Herrlichkeitsleib gesprochen (1 Kor 15,51f). Weil das Kleid auch in der Antike Ausdruck des Standes und der Identität war, darf man dieses Motiv als einen zusätzlichen Hinweis auf die Zugehörigkeit Jesu zur göttlichen Sphäre verstehen.
85 H. BALTENSWEILER, Verklärung Jesu, 58f, nimmt an, dass die gleichen Motive, aus denen die Bergversuchung (Mt 4,8–10; Lk 4,5–8) gebildet wurde, Jesus beschäftigten, als er mit den Jüngern auf den hohen Berg stieg. Besonders bei den Festzeiten erreichte die politische Spannung in Jerusalem einen Höhepunkt. Beim Laubhüttenfest wurde auch Jesus selbst ganz besonders an die weltlich-eschatologischen Hoffnungen seines Volkes erinnert, das sein Heil von einem politischen Messias erwartete. Am sechsten Tag des Laubhüttenfestes suchte Jesus die Einsamkeit auf einem Berg, weil er der großen Versuchung widerstehen musste, den politisch-erfolgreichen Messias im Sinne des Zelotismus zu spielen. Vgl. ebd., 87. So bildet die Verklärung das himmlische Gegenstück zu dem, was der Teufel Jesus anbieten wollte: das Gegenstück zu „den Reichen dieser Welt und ihrem Glanz“ (Mt 4,8). Nach H. BALTENSWEILER, ebd., 81, bedeutet auch das Erscheinen von Elia mit Mose eine Absage an das zelotische Messiasideal, weil die beiden zur Zeit Jesu im Denken des Volkes als Friedens- und Leidensgestalten galten. 86 GXZCUVTCRVY bedeutet nach W. BAUER, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, Berlin/New York 61988, 553, aufglänzen, erglänzen. Vielleicht hat Lk dieses Motiv aus den alttestamentlichen Visionen übernommen (Ez 1,4.7; Nah 3,3). 87 Nach W. GRUNDMANN, Lukas, 192, bekommt sogar das Gewand und das Aussehen Jesu himmlische Lichtart, genau wie sie Gott eigen ist. Vgl. Ps 104,2: „Licht ist dein Kleid...“ 88 Vgl. P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Das Evangelium nach Matthäus, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 1, München: Beck 21956, 752. 89 „Und die da lehren, werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich“ (Dan 12,3). 90 „Und die Gerechten und Auserwählten werden sich von der Erde erhoben haben und werden aufgehört haben, das Angesicht zu senken und sind bekleidet mit dem Gewand der Herrlichkeit.“ S. UHLIG, Das äthiopische Henochbuch, JSHRZ 5/6, Gütersloh 1984, 615. 91 „... dass ihnen [den Gerechten] gezeigt wird, wie ihr Gesicht wie die Sonne leuchten soll und wie sie dem Licht der Sterne gleichen sollen, von nun an nicht mehr vergänglich...“ Vgl. J. SCHREINER, Das 4. Buch Esra, JSHRZ 5/4, Gütersloh 1981, 355.
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6. Das Ostermotiv Das Erscheinen der zwei himmlischen Wesen, die von Lk am Anfang aber als „zwei Männer“ vorgestellt und dann als Mose und Elia identifiziert werden, ruft Assoziationen an die Auferstehungsgeschichte hervor (vgl. Act 1,10).92 R. BULTMANN ist der Ansicht, dass die Verklärung Jesu eine ursprüngliche Auferstehungsgeschichte ist.93 Auch G. THEISSEN erwähnt mehrere Motive in der Verklärungsgeschichte, die an eine Auferstehungserscheinung denken lassen.94 Die Frage, ob die Verklärungsgeschichte ursprünglich eine Ostergeschichte war oder nicht, kann man nicht eindeutig beantworten.95 Klar ist aber, dass 92 Obwohl die Erscheinungsberichte nach Ostern keine einheitliche Gattung bilden, gibt es ein paar Merkmale, die ihnen gemeinsam sind: 1. Es wird von dem Auferstandenen ein Auftrag an die Gruppe seiner Jünger gegeben (vgl. Mk 16,15ff; Mt 28,18ff; Lk 16,15ff). 2. Es gibt einen Wiedererkennungsprozess bei den einzelnen Personen, die nicht zu dem Kreis der zwölf Jünger gehören (vgl. Joh 20,11ff; Lk 24,13ff). Nach K.H. RENGSTORF, Lukas, 110, haben aber die beiden „Männer in weißen Kleidern“ in der Auferstehungsgeschichte Act 1,10 eine ganz andere Funktion als Mose und Elia in der Verklärungsgeschichte. Während die beiden „Männer in weißen Kleidern“ der Auferstehungsgeschichte in Bezug auf Dtn 19,15 als „zuverlässige Erklärer“ dessen verstanden werden können, was mit Jesus geschehen ist, haben Mose und Elia in der Verklärungsszene die Rolle der „Künder des Messias“ (vgl. Dtn 18,15; Mal 3,23). 93 Nach R. BULTMANN klingt der Text der Himmelsstimme, QWVQL GXUVKP QB WKBBQL OQW QB CXICRJVQL (Mk 9,7), nach einer Messiasproklamation Jesu, und das CXMQWGVG CWXVQW kann „nicht nur zu den drei Anwesenden gesprochen“ und nur ihnen zugedacht worden sein, sondern „gilt schlechthin“. Erst Mk habe eine Ostergeschichte als Verklärungsgeschichte im Leben Jesu vorweggenommen, damit sie als himmlische Bestätigung des Petrus-Bekenntnisses und als Weissagung der Auferstehung in bildhafter Form dient. Vgl. R. BULTMANN, Die Geschichte der synoptischen Tradition, FRLANT 29, Göttingen 101995, 278. 94 1. Die Verwandlung Jesu zeigt, dass Jesus in die himmlische Welt eintritt. Das strahlend weiße Gewand ist Symbol seiner Zugehörigkeit zum Himmel. 2. Die himmlische Herrlichkeit, Doxa, scheint ursprünglich bleibend gedacht zu sein, weil in der Verklärungsgeschichte nirgendwo von einer Rückverwandlung die Rede ist. 3. Das Erscheinen von Elia und Mose könnte die Übernahme in den Himmel bedeuten. Auf dem Berg erlebt Jesus nach seiner Auferstehung den Übergang zur himmlischen Realität, eine Art Himmelfahrt. Vgl. G. THEISSEN, Wundergeschichten, 105. 95 Dass erst Mk die Rückdatierung der Ostergeschichte vorgenommen hat, erscheint z.B. A. SUHL, Die Funktion der alttestamentlichen Zitate und Anspielungen im Markusevangelium, Gütersloh: Mohn 1965, 105, allein deswegen nicht glaubhaft, weil Mk eine ausgeprägte Einheitlichkeit seiner Erzählung hat. Sie ist besonders am Anfang und am Ende des Werkes spürbar. J. BLINZLER, Die Neutestamentlichen Berichte, 121, meint, kein Wort in der synoptischen Verklärung lasse zu, dass Christus als Auferstandener gedacht werden könnte. Auch das Gespräch der drei verklärten Gestalten handelt vom zukünftigen Ende Jesu in Jerusalem (Lk 9,31). Sollte Jesus in diesem Moment die Erde verlassen, wären die Worte der Himmelsstimme: „Hört ihn!“ ganz unpassend. Sinnvoll wäre dann nur: „Glaubt an ihn!“ oder „Hört auf das, was er euch gesagt hat!“ Was die kanonischen Verklärungsberichte schildern wollten, ist demnach ein geschichtliches, objektives, übernatürliches Ereignis aus der Zeit nach dem Petrusbekenntnis. Vgl. ebd., 126. Auch nach K.H. RENGSTORF, Lukas, 110, darf man die Verklärung mit einer der Erscheinungen des Auferstandenen oder auch mit der Himmelfahrt schon deswegen nicht gleichsetzen, weil „zum Kern des Berichts“ die Verbindung der Verherrlichung mit der Leidensansage gehört.
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sie erst durch die Ostererfahrung Bestätigung und Eindeutigkeit gewinnen konnte. Die Ostererfahrung hat der Verklärungsgeschichte ihr Siegel aufgeprägt. Nach Lk ist die göttliche Gestalt Jesu voll Doxa (FQZC9,32).96 Und das ist dieselbe Doxa, in die Jesus als Auferstandener bei der Himmelfahrt eingeht (24,26). Man hat den Eindruck, die Verklärungsszene ist ein wichtiges Intermezzo in der lk Erzählung über das Leben Jesu. In der Mitte des Erzählstoffes geht der Vorhang auf, und für einen Augenblick wird das Bühnenbild sichtbar, das schon für die Abschlussszene aufgebaut ist: Jesus erscheint in seiner österlichen, göttlichen Herrlichkeit, in strahlender Doxa. Dann geht der Vorhang wieder zu und die Geschichte setzt ihren Lauf in Richtung auf Kreuz und Tod fort, als ob nichts dazwischen gewesen wäre. Dem Zuschauer oder Zuhörer aber ist gezeigt worden und er soll wissen: Jesus ist nicht nur mehr als die Menschen um ihn herum, was Lk schon bei der Taufe Jesu deutlich gemacht hat, sondern Jesus ist auch viel mehr als ein entrückter Mensch wie Elia oder Mose. Das Erscheinen von Mose und Elia bildet dabei einen wesentlichen Bestandteil in der Melodie der Verklärungsgeschichte. Zu fragen ist, warum die christliche Verklärungstradition gerade diese beiden Gestalten der jüdischen Geschichte neben Jesus so treu bewahrt und weitergegeben hat? Es gibt mehrere Hypothesen, als Antwort auf diese Frage. Einige von ihnen seien erwähnt, um einen Eindruck von der Vielfalt der Erklärungsmöglichkeiten zu geben. 1. Jesus wird in der Verklärungsgeschichte unter den Gestalten gezeigt, die nach der jüdischen Tradition „den Tod nicht geschmeckt“ haben (vgl. Joh 8,52).97 Während diese Erklärung für den Fall Elias zutrifft, da die Tradition seine Himmelfahrt bezeugt (vgl. 2 Reg 2,1ff),98 stößt sie bei der Gestalt Moses auf Schwierigkeiten: Es wurde in der jüdischen Tradition
96 Der Begriff FQZC hat im Septuaginta-Sprachgebrauch die Bedeutungen Ruhm und Macht und soll die göttliche Wesensart beschreiben. Vgl. G. KITTEL, Art. FQZC, ThWNT 2 (1935), 236– 258, 251. Fast alle Aussagen von der FQZC Jesu betreffen die Verklärung des Erhöhten seit Ostern. Zu den Ausnahmen, bei denen dieser Begriff auf den Irdischen angewendet wird, gehört die Geburts- und die Verklärungsgeschichte Jesu. Bei allen Synoptikern kann man die Verklärung Jesu als Vorwegnahme seiner Eschatologie verstehen. Die Beschreibung des Verklärungsvorganges in Mk 9,2f und in Mt 17,2 ist nach G. KITTEL, ebd., 252, nichts als Ausmalung dessen, was im Sonderstück des Lk mit QXHSGPVGL GXP FQZJ^ und GKFQP VJP FQZCP bezeichnet wird. 97 P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Matthäus, 752, weist auf mehrere Belege in der rabbinischen Tradition hin, die von der Bedeutung eines Zeugen sprechen, der den Tod nicht erlebt hat. In Targ Jerusch I Dtn 32,1 z.B. heißt es: „Mose sprach in seinem Herzen: Ich will als Zeugen für dieses Volk nicht Zeugen nehmen, die den Tod in dieser Welt schmecken... ; siehe, ich will als Zeugen solche Zeugen nehmen, die nicht den Tod in dieser Welt schmecken.“ Hier sind aber Himmel und Erde gemeint. 98 Vgl. A.M. RAMSEY, The Glory of God, 110.
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nie einstimmig behauptet, dass Mose nicht gestorben sei.99 Henoch würde hier eher passen als Mose. 2. Elia und Mose sind beide Vorläufer des Messias. Wieder ist es mit der Gestalt des Elias leichter als mit der des Mose.100 Mal 3,22–24 zeigt zwar Mose und Elia zusammen, sonst aber ist die Vorstellung eines endzeitlichen Nebeneinanders von Elia und Mose eher ungewöhnlich.101 3. In der NT-Exegese ist auch die Meinung vertreten worden, dass Mose und Elia als Mittler und Erneuerer des Bundes in der jüdischen Apokalyptik neben Jesus, dem Messias als dem Vollender, stehen sollten.102 4. Nicht ohne Plausibilität ist die Annahme, mit Mose und Elia komme in der Verklärungsgeschichte das biblische Prinzip der Zweizahl der Zeugen zu Gehör, vgl. Apk 11,3.103 Das ist in jedem Fall richtig, erklärt aber nicht, warum gerade Mose und Elia als Zeugen auftreten. 99 In der rabbinischen Tradition gilt nach P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Matthäus, 753, meistens als selbstverständlich, dass Mose gestorben ist, weil Gott den Tod über alle Menschen gleicherweise verhängt hat. Es gibt aber hier und da Aussprüche, nach denen darauf zu schließen ist, dass Moses Seele nicht in die Hand des Todesengels gegeben, sondern unmittelbar von Gott durch einen Kuss hinweggenommen worden sei. Auch in den jüngeren Midraschwerken, die Moses Ende ausführlich behandelt und mit Sagen ausgeschmückt haben, tritt nirgends der Gedanke hervor, dass Mose lebend ins Jenseits hinübergegangen sei. Und trotzdem hat man es nicht für unmöglich gehalten, dass Mose aus der anderen Welt auf Erden erscheinen könnte. Schon bei JOSEPHUS, Ant 4,325f, werden derartige Spekulationen über Mose angedeutet. „Als er [Moses] nun auf dem Berge Abar angekommen war (dieser Berg ragt in der Gegend von Jericho empor, und man hat von ihm einen herrlichen und weiten Ausblick auf das Land Chananaea), entliess er die Ältesten. Darauf umarmte er den Eleazar und den Jesus, und während er noch mit ihnen sprach, liess sich plötzlich eine Wolke auf ihn herab, und er entschwand in ein Tal. In den heiligen Büchern aber hat er geschrieben, er sei gestorben, aus Furcht, man möchte sagen, er sei wegen seiner hervorragenden Tugenden zu Gott hinübergegangen.“ Zit. nach P. BILLERBECK/H.L. STRACK, ebd., 753. 100 Die Hoffnung auf das Kommen von Elia konnte den jüdischen Gegnern der Christen als ein Argument gegen Jesu Messianität dienen: Jesus könne nicht Messias und Gottessohn sein, weil Elia noch nicht wiedergekommen sei. Da auch in den Evangelien die Erwartung als allgemein bekannt und anerkannt vorausgesetzt wird, dass Elia vor dem Anbruch des Endes wiederkehren werde, wird die Erscheinung von Elia bei der Verklärungsgeschichte ausdrücklich betont. Vgl. J. JEREMIAS, Art. Elias im NT, ThWNT 2 (1935), 936–943, 938. 101 Vgl. J. JEREMIAS, Elias, 940. Nach J. JEREMIAS, Art. Moses im NT, ThWNT 4 (1942), 868–878, 871, liegt der Szene auf dem Verklärungsberg die Vorstellung zu Grunde, dass Mose und Elia die beiden Vorläufer des Messias sind. Es ist aber durch Mk 9,13 ausgeschlossen, dass die christliche Gemeinde eine persönliche Wiederkehr des Mose vor dem Ende erwartet hätte. Daher beschränkt sich die Bedeutung der Erscheinung der beiden Gottesboten darauf, dass sie den Anbruch des Endes, nach Lk 9,31 auch den Leidensweg Jesu, ankündigen. 102 Vgl. F. HAUCK, Das Evangelium, 129. 103 Neben der volkstümlichen Erwartung des einen Vorläufers gab es in vorneutestamentlicher Zeit in der apokalyptischen Tradition eine Fassung der Vorläufererwartung, die das Kommen von zwei Vorläufern des Messias lehrte. In der Antichristtradition, wie in Apk 11,3ff und in der koptischen Elia-Apk begegnen Elia und sein Begleiter als Leidensgestalten der Endzeit. Offensichtlich hat es so auch die Sonderüberlieferung des Lk verstanden. Vgl. J. JEREMIAS, Elias, 941.
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5. Eine der klassischen Antworten der Exegeten lautet: Mose und Elia repräsentieren Gesetz und Propheten, die das Los Christi, vor allem sein Leiden, vorausgesehen haben.104 Die Fülle der Assoziationen bei dem Motiv von Mose und Elia ist zu dicht, um einer einzigen Antwort auf die Frage nach dem Grund ihres Erscheinens den Vorrang zu geben. Man muss sich damit zufrieden geben, dass von der Erzählung selbst in jedem Fall angedeutet wird: Jesus befindet sich auf dem Verklärungsberg in Gesellschaft der zwei prominentesten Gestalten der jüdischen religiösen Tradition und er übertrifft sie beide.105 Am Anfang mochte es so scheinen, als sei Jesus in die Welt der großen verstorbenen „Heiligen“ Israels als einer unter mehreren aufgenommen worden. Bezeichnenderweise wird aber in dieser Frage durch ein Missverständnis Klarheit geschaffen. Alle Synoptiker geben zu verstehen, dass Petrus die Situation falsch einschätzte, als er vorschlug, Hütten für Jesus, Mose und Elia zu bauen. Mt lässt den Einwand des Petrus einfach unbeantwortet, Mk erklärt die unpassende Bemerkung mit dem Zustand des Erschrockenseins der Jünger, Lk erwähnt kurz davor, vielleicht als Entschuldigung, dass die Jünger bei der Vision noch schlaftrunken waren (9,32). Es wird aber keinem Leser im ersten Moment wirklich klar, in welchem Sinn die Reaktion des Petrus falsch war. Das hat die Exegeten herausgefordert, nach Deutungen zu suchen. Das Ergebnis ist aber auch diesmal eine sehr große Vielfalt von Antworten. Auch hier können nur ein paar Beispiele darauf hinweisen, welch breites Spektrum von Assoziationen das Motiv nach sich zieht. 1. Eine Annahme ist, Petrus wolle die Himmlischen nach der Art der Irdischen empfangen und, der Sitte der arabischen Gastfreundschaft entsprechend, eine Behausung für die himmlischen Gäste bauen.106 Das Fehlverhalten des Petrus liegt dann darin, dass er zu irdisch und menschlich reagiert. 104
Vgl. F. BOVON, Lukas, 496. M. ÖHLER meint, dass Mose und Elia als Vorbilder für Jesus aufgrund ihres persönlichen Schicksals erscheinen: „Sie wurden von ihren Zeitgenossen bedrängt und verfolgt, aber sie wurden auch, wie Jesus später, in den Himmel entrückt. Sie haben die himmlische Herrlichkeit an sich, die Jesus schon besitzt.“ Vgl. M. ÖHLER, Elia im Neuen Testament. Untersuchungen zur Bedeutung des alttestamentlichen Propheten im frühen Christentum, BZNW 88, Berlin/New York 1997, 231. Nach M. ÖHLER, ebd., 243, steht Jesus besonders mit der Gestalt von Elia in einer „funktionalen Analogie“: „Er tut Wunder, wird verfolgt, seine Botschaft geht an die Heiden, er wird entrückt.“ Und doch übertrifft Jesus sowohl Mose als auch Elia, weil er die Erfüllung der alten Verheißungen und der Prophet der Endzeit ist. Jesus ist der Christus, der Sohn Gottes. 106 E. SCHWEIZER meint mit Recht, dass schon die Wolke, Gottes eigener Wohnraum, zeigen müsste, wie unnötig irdische Hütten sind. Vgl. E. SCHWEIZER, Das Evangelium nach Lukas, NTD 3, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 19[2]1986, 105. U. LUZ, Matthäus, 1/2, 511, Anm. 38, zitiert Proklos v. Konstantinopel, Or 8,3 = PG 65,769: „Ein Zelt für Christus, der mit mir die 105
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2. Es gibt auch die Meinung, Petrus versuche die himmlischen Wesen auf dem Berg festzuhalten. Diese Himmlischen müssten auf dem Berg wohnen wie die Schekina im Tempel oder in der heiligen Stadt wohnte (vgl. Ez 37,27; Sach 2,14; Apk 21,3).107 Der Fehler des Petrus läge dann darin, dass er meinte, himmlische Wesen an einem Ort festhalten zu können. 3. Vielleicht wollte Petrus seinen Meister vor dem Leiden in Jerusalem bewahren. Besonders Lk hebt heraus, dass die Identifikation Jesu als Gottes Sohn und Messias mit seinem Weg in den Tod verbunden ist.108 Kurz vor der Verklärungsszene kündet Jesus seinen Leidensweg an (Lk 9,22). Lk macht das Leiden Jesu zum dauernden Gesprächsthema: Auch in den Ostergeschichten wird auf das Leiden hingewiesen (Lk 24,7.20.25–27.46f; vgl. Act 3,13–16). Im Vergleich zu Mt und Mk verstärkt Lk hier die Verbindung zwischen Kreuz und Ostern. Mose und Elia reden über den Ausgang, den Exodus Jesu (9,31).109 Freilich kann man darunter nicht nur den Tod Jesu, sondern auch seine Himmelfahrt verstehen.110 4. Eine ziemlich verbreitete Hypothese besagt, dass im Vorschlag des Petrus eine Anspielung auf das Laubhüttenfest steckt.111 In der Zeit Jesu hatte das Laubhüttenfest eine eschatologische Perspektive erhalten. Bei diesem Fest wurde die Herrlichkeit Gottes mit besonderer Freude zelebriert. Die zelte für die Gläubigen und das Zelt der Gegenwart Gottes bezog das Judentum aufeinander.112
Wenn man die Verklärungsgeschichte unter dem Aspekt der Teilhabe Jesu an einem göttlichen Status betrachtet, ist noch eine weitere Deutung bedenHimmel ausspannte?! Ein Zelt für ihn, der mit mir die Fundamente der Erde legte?! ... Ein Zelt für den Adam, der keinen Vater, und für den Gott, der keine Mutter hat?!“ 107 Erwähnt bei U. LUZ, Matthäus, 1/2, 511. 108 Vgl. P.R. BALDACCI, The Significance of the Transfiguration Narrative in the Gospel of Luke. A Redactional Investigation, Ann Arbor, Michigan: University Microfilms Internation 1974, 160. 109 Im Gespräch über den „Ausgang“ wird Jerusalem erwähnt, die Stadt, in der sich alles entscheiden wird. Die Ortsangabe „in Jerusalem“ unterstreicht im Begriff GZQFQL die Bedeutung von Tod. GZQFQL steht auch in Hebr 11,22; 2 Petr 1,15 euphemistisch für „Tod“. Jerusalem ist nach Lk 13,34f die Stadt der Prophetenmörder. Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 559. 110 Vgl. J.A. FITZMYER, The Gospel according to Luke (I–IX), AncBib 28, New York u.a.: Doubleday 1970, 800. S.R. GARRETT, „Exodus from Bondage: Luke 9,31 and Acts 12,1–24“ CBQ 52 (1990), 656–680, vertritt die These, dass das Wort „Exodus“ in Lk 9,31 auf eine Verbindung mit der Exodusgeschichte hinweist. Für Lk bedeuteten der Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt Jesu einen „Exodus“, weil Jesus dadurch die Menschen aus der Knechtschaft des Satans in die Freiheit führe. Ähnlich wie Pharao sei der Satan für Lk ein Tyrann. Durch den Sieg Jesu und seine Erhöhung zur Rechten Gottes werde die Verdrängung des Satans aus seiner Stellung im Himmel vollendet. Obwohl Lk eine solche Geschichte vom Zusammenstoß auf kosmischer Ebene nirgendwo eigens thematisiert, sieht S.R. GARRETT eine Andeutung darauf in Lk 10,17–20. 111 Vgl. Lev 23,42f; Als Vorwegnahme der Zukunft: Sach 14,16–21. Vgl. J. KREMER, Lukasevangelium, NEB 3, Würzburg: Echter 1988, 109. 112 Nach H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 560, darf man nicht historisierend einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verklärung und dem Laubhüttenfest konstruieren.
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kenswert. Jesus erschien auf dem Berg in göttlicher Herrlichkeit, die seine Jünger tief beeindruckte. Mit Recht sieht R.H. GAUSE113 in der Verklärungsgeschichte das Moment der Verzückung bzw. Ekstase der Jünger, das auch bei den Visionen des Stephanus (Act 7,55f) und Paulus (Act 9,3–9) enthalten ist. Bei der Verklärungsgeschichte wird ein einmaliges Visionserlebnis des Petrus geschildert, eine nie zuvor empfundene Nähe der göttlichen Herrlichkeit. Kann man daraus schließen, dass Petrus den Ort dieser besonderen Offenbarung Jesu ganz spontan zu einer Kultstätte machen wollte? G. THEISSEN hat zu bedenken gegeben, dass es eine verbreitete Reaktion auf die Erscheinung einer Gottheit war, an der Erscheinungsstätte einen Ort einzurichten, an dem Verehrung möglich war. In der frühen christlichen Tradition habe jedoch niemand daran gedacht, die Stätten der Ostererscheinungen durch kultische Heiligung zu ehren. Er fragt, ob sich nicht die Ablehnung der Verehrung lokaler Epiphaniestätten in der Verklärungsgeschichte niedergeschlagen habe.114 Hinzu kommt ein eng damit verbundenes zweites Motiv: Kein Mensch darf die Initiative zur kultischen Verehrung ergreifen, auch nicht zur Verehrung Jesu. Nur die Stimme Gottes von oben darf feststellen, dass Jesus der geliebte Sohn ist. Nur auf Grund dieser Tatsache sollen die Jünger auf ihn hören. Gerade durch diese Aussage der Himmelsstimme wird Jesus gegenüber Mose und Elia endgültig herausgehoben.115 Es gibt zwei Teile des Verklärungsereignisses: Dem ersten Teil, der himmlischen Vision, die zu sehen ist (Lk 9,29–31), folgt als zweiter Teil die Audition, die zu hören ist (Lk 9,34f). Sie bezeugt die Würde Jesu, indem sie aus Gottes Sicht offenbart: „Dies ist mein auserwählter Sohn, auf ihn hört!“ – QWVQL GXUVKP QB WKBQL OQW QB GXMNGNGIOGPQL, CWXVQW CXMQWGVG (Lk 9,35). Durch dieses Wort bekommt das übernatürliche Zeichen im ersten Teil (Lk 9,29– 31) seine autoritative Deutung (Lk 9,34f). Die Himmelsstimme bildet den Höhepunkt und Abschluss der Offenbarung. Als die himmlische Stimme mit der Forderung zum Hören erklingt, sind Mose und Elia verschwunden. Lk betont diese Tatsache besonders (Lk 9,36). Nur Jesus alleine ist der erwählte Sohn Gottes, auf den man hören soll. Er ist die einzige Autorität. 113
R.H. GAUSE, The Lukan Transfiguration Account. Luke’s Pre-Crucifixion Presentation of the Exalted Lord in the Glory of the Kingdom of God, Diss. Emory University 1975, vgl. Diss. Abstracts 36 (1976) 4569 A. 114 Vgl. G. THEISSEN, Wundergeschichten, 104. 115 Bei Matthäus ist die Himmelsstimme Mt 17,5 identisch mit derjenigen in seiner Taufgeschichte Mt 3,17. Bei Lk folgt die Stimme Gottes der Mk-Fassung, mit Ausnahme eines Wortes: GXMNGNGIOGPQL (Lk 9,35) statt CXICRJVQL (Mk 9,7). F. BOVON, Lukas, 489, deutet MCK GXP VY^ IGPGUSCK VJP HYPJP GWBTGSJ X,JUQWL OQPQL in Lk 9,36 als Anpassung an Mk 9,8. J. KREMER, Lukasevangelium, 109, nennt den Text der Himmelsstimme ein Mischzitat aus Ps 2,7, Jes 42,1 und Dtn 18,15.
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Das ist bei Lk die erste öffentliche Proklamation Jesu als Gottessohn, und damit vollzieht sich hier eine Vergöttlichung Jesu, deren Zeugen auch die Jünger Jesu sind.116 Während der Taufbericht in der Gesamtkomposition des Lk eine christologische Funktion hat (Jesus wird selbst von Gott angesprochen), hat die Verklärung Jesu nach F. BOVON117 eine ekklesiologische Funktion. Die wahre Identität Jesu wird den Jüngern offenbart und von ihnen wird eine Entscheidung (CWXVQW CXMQWGVG) verlangt.118 Bezeichnend für den lk Bericht ist, dass Jesus wie bei seiner Taufe, so auch bei der Verklärung eine passive Rolle spielt. Er betet. Nur bei Lk wird dies ausdrücklich betont. Wird nicht auch dadurch die Ablehnung der kultischen Verehrung durch das Hüttenbauen unterstrichen? Wenn Jesus selber betet, kann er nicht angebetet werden. Der Vorschlag von Petrus wird als ein Missverständnis gedeutet, denn das Hüttenbauen hätte die Gleichheit der drei Gestalten zum Ausdruck gebracht.119 Die drei Gestalten in der Verklärungsszene befinden sich aber nicht auf einer Ebene. Jesus ist höher als Mose und Elia.120 Und nur Gott hat das Recht, jemandem einen so hohen, einen göttlichen Status zuzulegen. Hier ist auf noch einen Aspekt hinzuweisen, der für das Verständnis der Verklärungsszene besonders in Bezug auf die Vergöttlichung von Bedeutung ist. In der Antike wurden Status und Identität einer Person nicht durch ihre persönliche Entwicklung und eigenes Tun bestimmt, sondern viel mehr als heute von der Gruppe oder von höherstehenden Autoritäten verliehen.121 116 Nach F. HAHN, Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum, FRLANT 83, Göttingen 1963, 310, ist die bei Mk erhaltene Fassung der Verklärungsgeschichte 9,2– 8 das älteste Zeugnis für einen wesensmäßig verstandenen hellenistischen Gottessohnbegriff, der sich schon im Bereich des Judenchristentums herausgebildet habe. Das Erfasstwerden vom Geist wurde nicht mehr im Sinne einer Ausrüstung und Begabung verstanden, sondern als Vergottung. Zuerst habe man die durch Geistverleihung begründete Gottessohnschaft im Sinne wesensmäßiger Durchdringung gedeutet, dann als ursprüngliche naturhafte Veranlagung. Von einem messianisch, also funktional bestimmten Gottessohnbegriff gelangte man so zu einem wesensmäßig verstandenen Gottessohnverständnis, obwohl an einem Einsetzungsakt festgehalten wurde. In der Verklärung wird durch die Wolkenstimme mit QWVQL GXUVKP der Verklärte in Form einer Präsentation als Gottessohn ausgewiesen. Nach F. HAHN liegt aber auf der Himmelsstimme kein eigenes Gewicht. Vielmehr komme durch das Verwandlungsmotiv zum Ausdruck, was der Gottessohn in Wahrheit ist. Im Hintergrund der Verklärungsgeschichte im Mk-Evangelium stehe das Motiv der Metamorphose, wie man es aus Mysterienkulten und Zaubertexten kennt. Verwandt sei die Rede von einer Wesensverwandlung der Glaubenden bei Paulus, die auch nur auf Grund hellenistischer Denkweise zu erklären sei (2 Kor 3,18; Röm 12,2). Solche Parallelen wiesen auf den religionsgeschichtlichen Umkreis, innerhalb dessen das OGVCOQTHQWUSCK der Verklärungsgeschichte in Mk 9,2 zu verstehen sei. 117 F. BOVON, Lukas, 502. 118 Vgl. A. SUHL, Die Funktion, 107. 119 Vgl. J.A. FITZMYER, Luke (I–IX), 801. 120 Vgl. ebd., 802. 121 Vgl. P.Y. BRANDT, L’identité de Jésus et l’identité de son disciple. Le récit de la transfiguration comme clef de lecture de l’Evangile de Marc, NTOA 50, Fribourg: Editions Universitaires/Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2002.
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Lk war sich dieser Tatsache bewusst. Es ist bezeichnend, dass er vor dem Messiasbekenntnis und vor der Verklärung (9,17) sogar das Wunder des Seewandels auslässt. Hier beginnt bei Lk die große Lücke. Offensichtlich wollte Lk vermeiden, dass der Eindruck entsteht, Jesus sei als göttliches Wesen auf Grund eigener Werke verehrt worden, wie es in Mt 14,22ff passiert. Es liegt Lk daran, immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass die Epiphanie Jesu allein Gottes Werk und Gottes Recht ist. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. Den Hintergrund der Verklärungsszene bilden nicht nur zahlreiche Motive der alttestamentlichen Tradition, sondern die monotheistische Mentalität des Judentums insgesamt. Lk wusste, dass für den jüdischen Monotheismus Selbstapotheose unerträglich ist. Der eine und einzige Gott kann neben sich keinen Menschen dulden, der sich selbst göttlichen Status verleiht, wohl aber einen Menschen, den er selbst erhöht hat. So soll bei Lk das kurze Intermezzo der Verklärungsgeschichte zum Ausdruck bringen: Schon während seines irdischen Lebens auf dem Weg zum Kreuzestod war Jesus Gottes Sohn. Seine göttliche Würde soll weder Juden noch Römern zum Anstoß werden: den Juden nicht, weil Jesus sich nicht selbst zum Sohn Gott erhöht hat; den Römern nicht, weil sein Weg in Leiden und Tod seiner göttlichen Würde nicht widerspricht. Seine Niedrigkeit im Leiden und seine Erhöhung durch die Auferstehung entsprechen Gottes Willen. Gott allein hat seine Apotheose vollzogen.
3.3 Die Himmelfahrt Jesu (Lk 24,50–53; Act 1,9–11) Die Himmelfahrt Jesu (Lk 24,50–53; Act 1,9–11) „Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben; sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott.“122 (Lk 24,50–53) „Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“123 (Act 1,9–11)
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Die Bibel, Einheitsübersetzung, 1187. Ebd., 1221.
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Wenn man das lk Doppelwerk in Bezug auf die Apotheose von Menschen betrachtet, stellt man bald fest, dass die Himmelfahrt Jesu am ehesten dem entspricht, was man im 1. Jh. n.Chr. als Apotheose verstanden hat. Die Himmelfahrtsszene sieht wie eine „klassische“ Apotheose ihrer Zeit aus.124 Hinter der Vorstellung einer Himmelfahrt, die vor allem in der römischhellenistischen Antike sehr vertraut war, steckt eine alte Überzeugung der Menschen, dass man nicht mit eigenen Kräften den Sitz der Götter erreichen kann. Dafür glaubte man, dass göttliche Hilfe durch Wind, Wolken, Flügel oder Engel besonders auserwählte Menschen befähigen könne, vorübergehend eine Reise in den Himmel zu unternehmen, oder in besonderen Fällen nach dem irdischen Leben in den Himmel zu kommen, um dort für immer zu bleiben.125 Durch eine Himmelfahrt bzw. Jenseitsfahrt konnte die betreffende Person entweder ein überirdisches Wissen oder eine neue, überirdische Identität gewinnen.126 Während aus jüdischer Perspektive ein „Gott-werden“ unsinnig und unmöglich war, konnten Nichtjuden in der Antike ohne Probleme von der Vergöttlichung eines Men-
124 Mit Recht will A.Y. COLLINS, Worship, 242, die Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, dass die religiöse Erfahrung der Nachfolger Jesu im 1. Jh. und ihre Darstellung in ihren Schriften bewusst oder unbewusst von nichtjüdischen hellenistischen und römischen Traditionen mitbeeinflusst wurden. Die Art des Denkens und des Redens der Zeit, die ganze kulturelle Situation hat in vieler Hinsicht die Reflexionen der ersten Christen über die Gestalt Jesu geprägt. Es wäre aber auch falsch, zu behaupten, dass die Verehrung Jesu bei den ersten Christen durch den Einfluss der vielen „heidnischen“ Religionen entstanden ist. Ausführlich dazu L.W. HURTADO, Lord Jesus Christ, 1–78. 125 Vgl. D. ZELLER, Himmelfahrt I. Religionswissenschaftlich, RGG 3 (42000), 1746–1747, 1747. 126 Vgl. B. LANG, Reise ins Jenseits, NBL 3 (2001), 322–334, 323. G. LOHFINK, Die Himmelfahrt Jesu. Untersuchungen zu den Himmelfahrts- und Erhöhungstexten bei Lukas, StANT 26, München: Kösel 1971, hat gezeigt, dass man unter einer Himmelfahrt in der Antike sowohl eine Himmelsreise der Seele, als auch eine Entrückung verstehen konnte. Subjekt der Himmelsreise ist die [WEJ oder das RPGWOC des Menschen. Die Seele wird vom Leib getrennt, der Leib bleibt auf der Erde zurück. Das Interesse des Erzählers liegt im Vorgang der Reise selbst oder in der Ankunft in der himmlischen Welt. Eine Himmelsreise wird aus der Perspektive dessen erzählt, der zum Himmel oder zur Welt der Götter unterwegs ist. Bei einer Entrückung wird der Betreffende aus der Menschenwelt weggenommen und zu den Göttern entrückt. Für eine Entrückung ist bedeutungslos, was auf dem Weg dorthin geschieht. Sie wird vom „irdischen“ Standpunkt aus erzählt. Man erzählt nicht mehr, als ein menschlicher Zuschauer hätte sehen können. Nicht selten ist von menschlichen Zuschauern die Rede. Die antike Entrückung ist ihrem Wesen nach eine leibliche Entrückung. Während sich die Seele bei der Himmelsreise ihren Weg durch die feindlichen Himmelssphären selbst bahnt, bedeutet die Entrückung ein wunderbares Eingreifen der Götter, das den betreffenden Menschen von einem Todesschicksal befreit. Eine Entrückung wurde nur von einzelnen berichtet, während die Himmelsreise der Seele in manchen Kreisen für alle nach dem Tod erwartet wurde. Erst in der Kaiserzeit wurden Entrückungsterminologie und Entrückungsmotive zum Klischee und fanden eine immer undifferenziertere Anwendung. Und doch wurde selbst die römische Kaiserapotheose, die als Entrückung konzipiert war, keineswegs jedem Princeps zugestanden. Nach G. LOHFINK darf die Himmelfahrt Jesu eine Entrückung genannt werden.
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schen reden.127 Nach D. ZELLER hängt das vom jeweiligen Gottesbild ab. Es gab einen großen Unterschied zwischen der Wahrnehmung der Herrscher und des Göttlichen im alten Israel und im Hellenismus. Im alten Israel stellte man sich Gott als zugleich weltüberlegen und geschichtswirksam vor. Daher blieb dem König wenig an göttlichem Glanz „übrig“. Im Hellenismus war zwar die Grenze zwischen Menschen und Göttern durchlässig, es wurde aber die aktive Anwesenheit der Götter in der Geschichte vermisst. Die Entscheidungsgewalt über die Geschichte wurde daher einem irdischen Machthaber zugeschrieben und ihm dann auch eine göttliche Stellung verliehen.128
Wie schon früher erwähnt wurde, war der Gedanke des Weiterlebens nach dem Tod in der Antike nicht selten mit ethischen Idealen verbunden. In der Stoa wurde die Auffassung vertreten, dass die Menschen durch Wohltaten Unsterblichkeit erwerben konnten. Sie ist in Form einer rationalen Theorie in CICEROS Dialog „Vom Wesen der Götter“ (2,62) belegt. Männer, die sich durch Wohltaten auszeichneten, wurden in den Himmel erhoben und mit Recht für Götter gehalten, weil ihr Geist weiterlebt und Ewigkeit genießt.129 Die bekanntesten Geschichten eines Weiterlebens durch Himmelfahrt bzw. Entrückung waren in der Antike bei den Griechen u.a. der Mythos von Herakles und bei den Römern der Mythos von Romulus. Herakles wurde schon in frühen Zeiten bei den Griechen als Heros und Gott kultisch verehrt. Von Herakles wurde erzählt, dass er am Ende seines irdischen Daseins in den Himmel der olympischen Götter aufgenommen wurde. Sowohl PINDAR als auch SOPHOKLES haben über die Entrückung des Herakles auf dem Oita-Gebirge geschrieben. Altorientalische Ikonographie weist eine Szene auf, in der ein Adler, Symbol der Seele des Heroen, von Herakles’ Scheiterhaufen gen Himmel aufsteigt. Hellenistische Philosophen aus kynischen und stoischen Kreisen deuteten Herakles als einen, der seine Gottwerdung als Lohn für lebenslange sittliche Anstrengung und seine Hilfe für die Menschen bekommen hat.130 In der römischen Mythographie ist vor allem die Geschichte über die Entrückung von Romulus Repräsentant für eine Himmelfahrt. Der älteste erhaltene Bericht stammt von LIVIUS (I,16). Er schreibt von einem plötzlich ausbrechenden Unwetter bei der Heerschau auf dem Campus Martius. Eine Wolke umhüllte Romulus, und danach war Romulus nicht mehr da. Die Senatoren trösteten das erschrockene Volk mit der Be127
Vgl. D. ZELLER, Christus, 89. Vgl. D. ZELLER, Menschwerdung, 6. 129 Vgl. D. ZELLER, Christus, 88. 130 Vgl. C. COLPE, Jenseitsfahrt I (Himmelfahrt), RAC 17 (1996), 407–466, 419. Es wäre aber falsch, anzunehmen, dass eine solche „Himmelfahrt“ in der Antike ohne kritische Einwände akzeptiert wurde. CICERO stimmte zu, dass Herakles um seiner Dienste an der Menschheit willen in den Himmel aufgenommen wurde (nat. deor. 2,62; Tusc. 1,32), bezweifelte aber, dass auch sein Leib Unsterblichkeit gewonnen habe (rep. 3,40). JUSTIN sah in der ganzen Idee von der Himmelfahrt des Herakles eine „teuflische Nachahmung“ der christlichen Heilsverheißung (dial. 69,3). Vgl. ebd., 420. 128
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hauptung, dass Romulus in die Höhe entrückt sei. Da ein gewisser Proculus Iulius auch noch bezeugte, er habe auf dem Weg den vom Himmel her erschienenen Romulus getroffen, verehrte das Volk Romulus als Gott. Eine spätere Tradition wusste zu berichten, dass Romulus bei seiner Himmelfahrt befohlen habe, ihn ab jetzt Gott Quirinius zu nennen, und dass es der Wille der Götter sei, dass die von Romulus gegründete Stadt Rom Herrin der Erde werde.131
Himmelfahrtsgeschichten gehörten im 1. Jh. nicht nur zum Repertoire alter Überlieferungen. Die Bewohner des Römischen Reiches wurden selbst immer wieder mit der Apotheose ihrer Herrscher und einer entsprechenden „Himmelfahrt“ konfrontiert. In der Zeit von Augustus bis Konstantin wurden für 36 von 60 Kaisern und für 27 Mitglieder ihrer Familie Kulte eingerichtet.132 Das Geschehen einer Apotheose war staatlich geregelt. Für die Anerkennung eines Kaisers als divus, als göttliches Wesen, gab es eine feste Prozedur, zu der ein Augenzeuge gehörte, der die Seele des verstorbenen Prinzeps von einem Vogel getragen vom Scheiterhaufen zu den Göttern auffahren gesehen hat.133 Es gab eine ganze Reihe von Motiven und Symbolen, die eine Entrückung oder eine Himmelfahrt veranschaulichen sollten. Cäsar war der erste offiziell vergöttlichte Römer.134 Auf einer Gedenkmünze für ihn ist die Erscheinung eines Kometen darge-
131 Vgl. C. COLPE, ebd., 422. Auch in diesem Fall wurden skeptische Stimmen erhoben. Es gab nämlich Gerüchte, dass die Senatoren selbst Romulus beseitigt und danach eine Legende von seiner Himmelfahrt verfasst hatten. Wie es auch gewesen sein mag, der Mythos von der Himmelfahrt des Reichgründers Romulus wurde lange und erfolgreich zur Legitimation der römischen Herrschaft und der Macht des Herrscherhauses verwendet. 132 Vgl. D. ZELLER, Christus, 113. 133 Die Leichenverbrennung wurde im Römischen Reich als wesentlicher Akt der Konsekration verstanden. Die Apotheose, die leibliche Entrückung des verstorbenen Kaisers vom Scheiterhaufen aus zu den Göttern, sollte veranschaulicht werden. Deswegen wurde die Verbrennung durch die Öffentlichkeit, den Pomp und durch das mit dem Verbrennen sichtbar gemachte Aufsteigen in den Himmel als herausragender, würdevoller Akt gestaltet. Auf solche Weise schien den Römern die Aufnahme der Menschen unter die Staatsgötter angemessen zu sein. Vgl. M. CLAUSS, Kaiser, 363. Seit dem 2. Jahrhundert begegneten auf den Münzen die Bildmotive Adler und Scheiterhaufen. Der Adler sollte den Verstorbenen (oder seine Seele) in den Himmel tragen. So ist es auch auf dem Triumphbogen des Titus dargestellt. Vgl. ebd., 366. 134 Die Wurzeln des römischen Kaiserkultes sind, wie wir im ersten Teil dargestellt haben, im hellenistischen Herrscherkult zu suchen. W.-D. HARTWICH betont, dass die römische Reichspropaganda den Mythos von der Selbstverbrennung des Herakles dem Ritual der Kaiserapotheose zugrunde gelegt hat: Dadurch wurde die Kaiserapotheose mit der Gottessohnschaft des Herrschers begründet. Später wurde die Himmelfahrt des Herakles auf den Gottessohn Romulus übertragen, der den neuen Status als Gott Quirinius erhielt. Vgl. W.-D. HARTWICH, Herakles und Jesus Christus als Märtyrer und Imperatoren. Die Gründermythen Roms und seiner Feinde, in: E. Rudolph (Hg.), Mythos zwischen Philosophie und Theologie, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1994, 5–29, 24.
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stellt. Dessen Erscheinung nach der Ermordung habe dem Volk Cäsars Aufnahme in den Himmel bestätigt.135
In der griechisch-römischen Antike gab es neben der Vergöttlichung des toten und dann des lebenden Herrschers im Kaiserkult auch das Modell der Herabkunft eines Gottes auf die Erde.136 Der herabgekommene Gott sollte irgendwann wieder in den Himmel zurückkehren. Nach G. LOHFINK war dabei die Entrückung die einzige Art und Weise, wie überhaupt ein Gott, der auf Erden gelebt hat, „standesgemäß scheiden konnte“.137 Wenn man auf diesem Hintergrund die Himmelfahrt Jesu betrachtet, scheint sie von Lk nach dem Muster der Kaiserapotheose verfasst worden zu sein. Das muss keine bloße Nachahmung bedeuten. G. THEISSEN spricht von einer den paganen Religionen entliehenen Sprache für einen genuin urchristlichen Gedanken.138 135 Vgl. D. ZELLER, Christus, 112. Im Jahre 44 v.Chr., wenige Monate nach Cäsars Ermordung, hielt Oktavian Spiele ab, die sowohl der Ahnherrin der Iulier, Venus Genetrix, als auch seinem Adoptivvater Oktavian geweiht waren. Gerade in dieser Zeit erschien am nördlichen Himmel ein Komet, der für sieben Tage sichtbar blieb. Diese ungewöhnliche Naturerscheinung deutete das Volk als ein himmlisches Zeichen, dass Cäsars Seele unter die unvergänglichen göttlichen Mächte aufgenommen worden sei. Vgl. C. COLPE, Jenseitsfahrt, 427. 136 Vgl. D. ZELLER, Menschwerdung, 5. 137 Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 48. Wie Herakles und Romulus sollte auch der Kaiser den Platz im Olymp durch Verdienste erworben haben. Da die vergöttlichten Kaiser aber Schattenseiten hatten, wurden diese unvollkommenen „Götter“ gelegentlich kritisiert. Erinnert sei an die Entrückungssatire in Werken wie De morte Peregrini von LUKIAN und Apocolocyntosis von SENECA (SENECA, Apocolocyntosis. Die Verkürbissung des Kaisers Claudius, lateinisch/deutsch, übers. u. hg. v. A. Bauer, Stuttgart: Reclam 1981). In seiner Satire beschreibt SENECA die Diskussion im Himmel über das Gottwerden des Claudius: „Den da wollt ihr also jetzt zum Gott machen? Seht euch bloß seinen Körper an, den die Götter nur im Zorn erschaffen haben können. Kurz und gut, drei Worte soll er rasch nacheinander sprechen, und – schafft er’s – er mag mich als einen Sklaven abführen. Wer wird denn den als Gott verehren? Wer an ihn glauben? Sobald ihr solche Figuren zu Göttern macht, wird kein Mensch mehr glauben, daß ihr Götter seid.“ (Apocol. 11,3f). Auch JUSTIN hat schreibt ironisch über die „offizielle“ Vergöttlichung der Kaiser: „Immer findet ihr einen, der beschwört, er habe den eingeäscherten Kaiser vom Scheiterhaufen in den Himmel emporfahren sehen.“ (apol. I,21,3; vgl. C. COLPE, Jenseitsfahrt, 426). Bei den Gebildeten waren eine solche kritische Einstellung und eine Rationalisierung der ursprünglichen Entrückungserzählungen weit verbreitet. Es wurde vermutet, dass Empedokles sich selbst in den Ätna gestürzt habe, Äneas und Hylas ertrunken seien, Romulus in Wirklichkeit von den Senatoren und Ganymed von seinem eigenen Bruder umgebracht worden sei. Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 49. Und doch gab es zu den Zeiten Senecas und Lukians viele, die an die leibliche Entrückung großer Menschen glaubten, sonst hätte die Satire nichts zu kritisieren gehabt. Die Gebildeten selbst bedienten sich des Entrückungsschemas. Cicero wollte z.B. nichts von einem Grab für seine verstorbene Tochter Tullia wissen. Er unternahm die größten Anstrengungen, ihr ein privates Heiligtum zu erbauen. Anders schien ihm ihre CXRQSGYUKL nicht gesichert. Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 50. 138 Vgl. G. THEISSEN, Religion, 90. Eine indirekte, gegenseitige Einflussnahme der Religionen, indem sie einander nachahmen, um mehr oder weniger bewusst einander zu überbieten, nennt G. THEISSEN, ebd., 84, einen Überbietungssynkretismus. Einen Aspekt der Erklärung für die Vergöttlichung Jesu sieht G. THEISSEN, ebd., 71, in der Dissonanzerfahrung der Jünger Jesu. Mit Hilfe der Vergöttlichung Jesu nach seinem Tode versuchten sie den Widerspruch zwischen dem Charisma Jesu und den auf ihn gerichteten positiven Erwartungen auf der einen
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G. FRIEDRICH meint etwas zurückhaltender, dass Lk Terminologie und Motive der Entrückungsmythologie verwendet habe, um seinen Lesern die Bedeutung und Besonderheit der Auferweckung verständlich zu machen.139 Die Auferweckung von den Toten, so meint er, habe die Griechen noch nicht deutlich genug auf die Göttlichkeit einer Person hingewiesen, wohl aber die Entrückung. „Wer von den Göttern entrückt ist, bleibt nicht mehr ein Mensch, sondern er wird, wenn er es nicht schon vorher war, den Göttern gleich.“140 Darin ist G. FRIEDRICH zuzustimmen. Lk standen genug sprachliche Ausdrucksmittel und Symbole der hellenistischen Erhöhungsvorstellungen zur Verfügung, um den Lesern, die aus der geistigen Welt des Hellenismus kamen, den Inhalt des christlichen Bekenntnisses, wonach Jesus zu Gott erhöht sei, anschaulich nahe zu bringen.141 Es war aber bestimmt nicht seine Absicht, Jesus als einen der vielen vergöttlichten Kaiser darzustellen, nur um den Erwartungen seiner Leser zu entsprechen. Man kann vielmehr aus der den Kaiserapotheosen so ähnlichen Himmelfahrtsgeschichte von Lk einen kritisch-polemischen Unterton gegen die Kaiserapotheose heraushören. Anders als die Entrückung der römischen Kaiser ist die Entrückung Jesu die Einsetzung des wahren Weltherrschers. Schon bei der Geburtsgeschichte Jesu (Lk 2,11) hat Lk ihn mit dem aus dem Kaiserkult bekannten Prädikat des Weltheilands (sotƝr) bezeichnet.142 Von der Himmelfahrt Jesu gibt es Augenzeugen. Dies ist eine auffallende Parallele zu den Kaiser-Apotheosen. Nach der Himmelfahrt gehen Jesu Boten, die Apostel, in die ganze Welt. Wie am Anfang des LkEv der Kaiser Augustus die ganze Welt schätzen lässt (Lk 2,1), so lässt Jesus am Anfang der Act seine Botschaft der ganzen Welt verkündigen (Act 1,8). Auch die Nachricht von der Himmelfahrt eines Kaisers wurde bonus nuntius, gute Nachricht, genannt (vgl. SENECA, Die Verkürbissung des Kaisers Claudius, 1,3). Wenn Charisma Jesu und den auf ihn gerichteten positiven Erwartungen auf der einen Seite und seinem Tod am Kreuz und dem Scheitern des von den Jüngern Erhofften auf der anderen Seite zu überwinden. W.-D. HARTWICH, Herakles und Jesus, 21, vergleicht die religiösen Vorstellungen der ersten Christen und anderer Bewohner des Römischen Reiches unter dem Gesichtspunkt der Legitimation eigener Identität. Er parallelisiert die Geschichten über Herakles und Jesus als Gründermythen, welche die Legitimation einer Gruppe sichern sollten. Wie bei Jesus, so kontrastierten auch bei Herakles die Gottessohnschaft und das Königtum mit seinem Leiden. Die Aufgabe des Herakles in dieser Welt war wie die von Jesus, für Gerechtigkeit und Heiligkeit einzutreten. Auch Herakles wurde soter genannt. Während die anderen Märtyrer und Heroen an ihren Gräbern lokal verehrt wurden, erwarben Jesus und Herakles-Romulus durch ihre Himmelfahrt weltweite Bedeutung. Vgl. ebd., 14. 139 Vgl. G. FRIEDRICH, Lk 9,51 und die Entrückungschristologie des Lukas, in: P. Hoffman u.a. (Hg.), Orientierung an Jesus. Zur Theologie der Synoptiker, FS J. Schmid, Freiburg i.Br. 1973, 48–77, 56. 140 Vgl. ebd., 60. 141 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 26. 142 Vgl. ebd., 26.
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nach G. THEISSEN das MkEv ein Gegenevangelium zur Herrscherpropaganda des Hauses der Flavier war,143 so ist es auch denkbar, dass die Zeitgenossen des Lk-Evangelisten in seiner Himmelfahrtsgeschichte das Gegenbild zur Kaiserapotheose (also eine Anti-Apotheose) gesehen haben. Das Thema der Himmelfahrt gehört aber nicht nur zur römischhellenistischen Tradition. Auch im Judentum begegnet die Thematik von der Himmelfahrt bzw. der Entrückung, deren Motive in der Himmelfahrt Jesu mitzuklingen scheinen. Im Unterschied zu der römisch-hellenistischen Tradition ist in der jüdischen Tradition die kultische Verehrung eines zu Gott entrückten Menschen ausgeschlossen. Die Auffahrt eines göttlichen Wesens in den Himmel soll vielmehr Gotteslob auslösen.144 Es gibt mehrere Texte im Alten Testament, in denen die Erscheinung Gottes selbst oder eines Engels durch eine sichtbare Himmelfahrt abgeschlossen wird. Oft stehen in solchen Texten die Auffahrt und die Erkenntnis, wer der Auffahrende in Wirklichkeit war, in einem engem Zusammenhang. Auch im lk Doppelwerk kann man diesen Zusammenhang erkennen: Erst der Auferstandene lehrt die Jünger, wer er ist. Erst seine Himmelfahrt offenbart den Jüngern endgültig sein göttliches Wesen. In Gen 17,22 beendet die Priesterschrift das Erscheinen Gottes vor Abraham mit der Himmelfahrt. So wird auch in Gen 35,13 das Ende der Gotteserscheinung beschrieben. In Ri 6f erkennt Gideon den Engel Jahwes aufgrund eines Zeichens und dessen Auffahrt gen Himmel. Ebenso geschieht das Erkennen bei Manoach und seiner Gattin in Ri 13,20f. In Tobit 12,20–22 wird die Himmelfahrt des Engels Raphael nach seiner Selbstoffenbarung angedeutet. Der Offenbarung und der Auffahrt zum Himmel folgt ein Lobpreis Gottes.145
Zu den bekanntesten Gestalten der Himmelfahrts- bzw. Entrückungstradition in der jüdischen Literatur gehören Henoch, Elia, Abraham, Baruch, Esra, Mose und Zephanja.146 In Gen 5,24 findet man nur eine kurze Notiz über Henoch: „Henoch wandelte mit Gott und war nicht mehr da, denn Gott hat ihn weggenommen“. Damit ist offensichtlich eine leibliche Aufnahme des lebenden Gerechten zu Gott gemeint. Als Entrückung wird sie in Sir 44,16; 49,14; Jub 4,23; Test Isaak 4,2; Josephus, Ant 1,85; 9,28; LibAnt I,16 erwähnt. In der späteren Literatur der Apokalyptiker, wie äthHen, wird Henochs Wandel mit Gott und sein Hingang zu Gott ausführlich geschildert. Man
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Vgl. G. THEISSEN, Religion, 87. Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 73. Vgl. ebd., 72. Vgl. C. COLPE, Jenseitsfahrt, 441–444.
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findet da eine ausgeschmückte Himmelsreise und Visionen eines Gerechten. Auch in slHen wird die Entrückung phantasievoll wiedergegeben.147 In 2 Reg 2,1–18 wird eine sichtbare Himmelfahrt erzählt: Elisa sieht, wie Elias während des Gespräches mit ihm auf feurigem Wagen mit feurigen Pferden im Sturmwind zum Himmel fährt. Die Glaubwürdigkeit des Ereignisses wird durch die vergebliche Suche nach Elia und vor allem durch den von Elia auf Elisa übergehenden Geist bestätigt. Am Ende der Geschichte vollziehen die Prophetenschüler die Proskynese vor Elisa (LXX: RTQUGMWPJUCP 2 Reg 2,15).148 Die Entrückung des Elias wird auch in Sir 48,9.12; 1 Makk 2,58 erwähnt. Im 4. Esrabuch und in der syrischen Baruch-Apokalypse wird von den Entrückungen Esras und Baruchs erzählt. Am Ende des 4. Esrabuches erfährt Esra bei einer Offenbarung, dass die Weltgeschichte auf ihr Ende zugeht (12,10–12) und dass er selbst aus den Menschen entrückt werden wird. Bevor Esra entrückt wird, soll er aber das Volk belehren (12,13.19) und die Offenbarungen niederschreiben (12,23–26). Esra zieht sich für vierzig Tage zurück und schreibt mit Hilfe von fünf Männern die Offenbarungen nieder, danach wird er entrückt. In der syrischen Baruch-Apokalypse verkündet ein Engel dem Baruch, dass er in vierzig Tagen seine Entrückung erleben wird. Bis dahin muss er das Volk belehren. Die Entrückung selbst wird nicht erzählt.149 Trotz seines deutlich angezeigten Todes in Dtn 31,14; 34,5 wird in der jüdischen Tradition gelegentlich auch eine Entrückung des Mose erzählt.150 Für das Thema der Himmelfahrt ist zu beachten, dass in diesem Fall geschrieben steht: Niemand kennt das Grab von Mose bis auf den heutigen Tag. Wenn von einem außergewöhnlichen Menschen in der Antike gesagt wurde, dass sein Grab unbekannt oder nicht vorhanden sei, so bedeutete das für ein hellenistisch geprägtes Denken ein Zeichen der Entrückung. Vielleicht erscheint gerade deswegen der Tod des Mose in den Schriften von Josephus als eine Entrückung.151
147
Vgl. O. BETZ, Entrückung II. Biblische und frühjüdische Zeit, TRE 9 (1982), 683–690,
684.
148
Vgl. ebd., 684. Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 60; J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 25. 150 Vgl. O. BETZ, Entrückung, 685. Neben Mk 9,4 und Apk 11 belegt eine ganze Reihe von Texten, dass man in bestimmten Kreisen mit einer Entrückung des Mose rechnete: Siphre Deuteronomium zu 34,5; Midrasch ha-gadol zum Deuteronomium; Acta Pilati XVI,7; Hieronymus, In Amos IX,6 (CSEL 32,343f); Augustinus, In Johannis evangelium 124,2. Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 68. 151 In der Entrückungsgeschichte Moses berichtet JOSEPHUS, Ant 4,325f, von einer Wolke, die plötzlich über Mose steht und seine Entrückung in ein Tal vor den Augen des Eleazer und des Josua verbirgt. Das Wort CXHCPK\QOCK verwendet Josephus auch bei der Schilderung der Entrückung des Elia und des Henoch. Nach Josephus hat Mose selbst über seinen Tod in den Heiligen Schriften geschrieben, damit später nicht behauptet wird, er sei wegen seiner überragenden Tugend zu Gott entrückt worden. Durch diese Bemerkung zeigt Josephus, dass er sowohl eine Überlieferung von dem Tode, als auch eine von der Entrückung Moses gekannt hat und deswegen das Ende Moses in seiner Darstellung mit dem Charakter eines Geheimnisses umhüllt. 149
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Im Unterschied zur antiken Entrückung spielen im jüdischen Denken Abschiedsgespräche und letzte Worte vor der Entrückung eine wichtige Rolle. In der syrischen Baruch-Apokalypse und im 4. Esrabuch begegnet die Zwischenzeit von 40 Tagen, die es bei antiken Entrückungen nicht gibt. Viel schärfer als im sonstigen antiken Denken wird im jüdischen Denken zwischen Tod und Entrückung unterschieden. Wer stirbt, kann nicht entrückt werden. Wer entrückt wird, muss den Tod nicht schmecken.152 In der Tatsache, dass bei Lk die Himmelfahrt Jesu nach seinem Tod und seiner Auferstehung stattfindet, sieht D. ZELLER daher einen Beweis für eine sekundäre Motivkombination zwischen Entrückung statt des Todes und der paganen Apotheose nach dem Tod.153 Man kann gerade in einer solchen Kombination die Details erkennen, die in den unterschiedlichen Himmelfahrtstraditionen für Lk am wichtigsten sind: a) dass die Himmelfahrt nach dem Tod der betroffenen Person stattfindet und b) dass bei der Himmelfahrt die Augenzeugen eine sehr wichtige Rolle spielen. Die Himmelfahrt war ein Ereignis, das zu sehen war (Lk 24,48; Act 1,8). Da Jesus seine Himmelfahrt und Anbetung durch die Jünger erst nach seinem Tod erlebte, Jesus also den Tod hinter sich hatte, war es unmöglich, dass ihm die Apotheose als sein eigenes Werk zugeschrieben werden konnte. Gott selber und nur er alleine hatte Jesus durch die Auferweckung von den Toten und durch die Himmelfahrt über alle Namen erhoben.154 In diesem Fall war eine Selbstapotheose ausgeschlossen, und dafür gab es Zeugen. Für Lk war das Ereignis des Überganges von der Erde in den Himmel so wichtig, dass Paulus bei Lk kein Apostel werden konnte. Denn Paulus hatte eine Erscheinung des Erhöhten vom Himmel gesehen, war aber kein Augenzeuge der Himmelfahrt. Aufgrund der Wichtigkeit des Ereignisses für Lk erheben sich zwei Fragen, die äußerst schwer zu beantworten sind, obwohl sie in der Exegese ausführlich diskutiert worden sind: (1) Warum berichtet Lk in seinem Doppelwerk zweimal von der Himmelfahrt Jesu und jedes Mal erheblich anders? (2) Warum steht in den kanonischen Schriften des NT die Himmelfahrtsgeschichte nur bei Lk?155 Die theologische Diskussion hinsichtlich
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Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 74. Vgl. D. ZELLER, Himmelfahrt, 1747. 154 Vgl. G. THEISSEN, Das Neue Testament, 37, und ders., Religion, 82. 155 J.A. FITZMYER, The Gospel according to Luke (X–XXIV), AncBib 28A, New York u.a.: Doubleday 1985, 1586, macht darauf aufmerksam, dass der Bericht von der Himmelfahrt im 153
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dieser Fragen kann hier nur ganz grob angedeutet werden. Beide Himmelfahrtsberichte sind in der Tat eigenständig. Im Evangelium schildert Lk die Himmelfahrt Jesu als ein Osterereignis und dieser Bericht erinnert stark an das Motiv des letzten Abschieds der Patriarchen:156 Jesus scheidet von seinen Jüngern mit einem feierlichen Schlusssegen. Die Motive des Segens und der Proskynese aus Lk 24 kommen in Act 1 nicht vor. Die Erzählung in den Act weist vielmehr Merkmale eines Entrückungsmotives auf, das stark an Geschichten wie die von der Entrückung des Romulus (Liv. I,26) erinnert.157 Es gibt bei der Erzählung in Act 1 auch mehrere ganz neue Details: Eine Wolke, die Jesus aufnimmt, Engel, die das Geschehene deuten, und die Angabe der vierzig Tage, die sich zwischen Ostern und Himmelfahrt schieben, während in Lk 24,50f jegliche Zeitangabe fehlt. Nach dem Bericht in Lk 24 könnte der Eindruck entstehen, als sei die Himmelfahrt noch am Abend des Ostertages erfolgt. In den Act hat dagegen die Himmelfahrt am Ende der vierzig Tage eine selbständige Bedeutung neben dem Ostertag.158 Es gibt in den beiden Erzählungen von der Himmelfahrt Jesu auch verschiedene Ortsangaben. Es ist nicht klar, ob Lk mit GBYL RTQL %JSCPKCP in Lk 24,50 und CXRQ QTQWL VQW MCNQWOGPQW GXNCKYPQL in Act 1,12 denselben Ort gemeint hat.159
Die Differenzen zwischen den beiden Berichten über die Himmelfahrt werden sehr unterschiedlich erklärt. Im Wesentlichen gibt es vier Typen von Erklärungen: (1) traditionsgeschichtliche Erklärungen nehmen an, dass Lk verschiedenen Traditionen folgte, (2) literarkritische Erklärungen rechnen mit Interpolationen am Anfang der Apg oder schon am Ende des LkEv, (3) narrativ-stilistische Erklärungen führen die sich widersprechenden Berichte auf Mängel oder bewusste Absichten der Erzählkunst des Lk zurück. Schließlich gibt es noch (4) Deutungen, die das Problem lösen, indem sie verschiedene Himmelfahrten bei Lukas annehmen.
sekundären Markusschluss (Mk 16,19) wahrscheinlich eine andere, von Lk unabhängige Tradition wiedergibt. 156 Vgl. F. BOVON, Art. Himmelfahrt Christi, EKL 2 (31989), 522–523, 522. 157 Vgl. ebd., 522. 158 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 11. 159 E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 157, Anm. 2, meint, dass Lk von der Topographie Jerusalems keine genauen Vorstellungen besessen hat. Ein Sabbatweg (Act 1,12), die Strecke, welche ein Jude am Sabbat gehen durfte, ohne das Gebot Ex 16,29 zu übertreten, betrug 2000 Ellen = 880 m. Josephus, Ant 20,169, schreibt, dass der Ölberg 5 Stadien von Jerusalem entfernt war. Nach Joh 11,18 lag Bethanien etwa 15 Stadien von Jerusalem entfernt. Nach G. LOHFINK, Himmelfahrt, 165, ist GBYL RTQL %JSCPKCP in Lk 24,50 eine schriftstellerische Variation des in Act 1,12 ausgesprochenen Tatbestandes. Bethanien und Ölberg gehören in der Vorstellungen des Lk fest zusammen. Dafür spricht die Bemerkung JIIKUGP GKXL %JSHCIJ MCK %JSCPKCP RTQL VQ QTQL VQ MCNQWOGPQP GXNCKYP (Lk 19,29), die Lk aus Mk 11,1 übernommen hat. Dieser Satz in Mk 11,1 konnte einem Autor, der noch nie in Jerusalem gewesen war, Anlass geben, Bethanien und den Ölberg als topographische Einheit aufzufassen.
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1. A.v. HARNACK nannte die Himmelfahrt bei Lk eine Legende. Er behauptete, dass Lk einst Zuverlässigeres von der Himmelfahrt gehört, später aber „sein besseres Wissen“ mit einer „jüngeren und schlechteren Überlieferung“ vertauscht habe. 160 In der Erzählung am Ende des Evangeliums, die nach A.v. HARNACK schon eine Traditionsbildung voraussetzt, deutet Lk die Himmelfahrt nur an, schildert sie aber nicht als ein sichtbares Ereignis und datiert sie auf den Ostertag. Am Anfang der Act verlegt Lk die Himmelfahrt auf den Ölberg und lässt sie erst nach vierzig Tagen eines ständigen Verkehrs mit den Jüngern erfolgen.161 Das Ende der Geschichte Jesu habe er nach einer Rezension wiedergegeben, die aus Jerusalem kam und in wichtigen Stücken mit der johanneischen Überlieferung übereinstimmte. Später habe Lk den Mythos der vierzig Tage und der sichtbaren Himmelfahrt aufgenommen und sich in den Act zu ihm bekannt. Nach A.v. HARNACK sind die Zerstreuung der Apostel nach zwölf Jahren und die Zerstreuung der jerusalemischen Gemeinde während des Krieges die Voraussetzungen dafür gewesen, dass die Legenden über die Erscheinungen des Gekreuzigten in Jerusalem so üppig und tendenziös wuchern konnten.162 Solche Legenden hätten sich in der zweiten Generation außerhalb – aber zugunsten – Jerusalems oder auch in der sich aufs neue sammelnden Gemeinde Jerusalems selbst entwickelt.163 2. Literarkritische Lösungen rechnen mit einer sekundären Interpolation. Nach K. LAKE bildeten Lk und die Act ursprünglich ein geschlossenes Buch, bei dem Act 11,6ff unmittelbar an Lk 24,49 angeschlossen habe. Bei der Kanonisierung sei es in zwei Bücher getrennt worden. Damals habe das LkEv einen eigenen Schluss und die Acta einen neuen Anfang erhalten.164 Damit wird das Problem nur verlagert. Die Widersprüche zwischen dem Ende des LkEv und dem Anfang von Act werden jetzt ei-
160 Vgl. A.v. HARNACK, Beiträge zur Einleitung in das Neue Testament von A. Harnack, Bd. 3: Die Apostelgeschichte, Leipzig: J.C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1908, 128. 161 Das Problem der Zeitangabe von vierzig Tagen löst G. LOHFINK, Himmelfahrt, 186, dadurch, dass er diese Angabe dem Schriftsteller Lk zuschreibt. Eine wichtige Funktion der Angabe von vierzig Tagen besteht darin, eine Grenze zu setzen. Das Ende der vierzig Tage markiert die Grenze der Ostererscheinungen. Alle folgenden Christuserscheinungen sind anderer Art. Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 14. 162 A.v. HARNACK, Apostelgeschichte, 128, weist darauf hin, dass die legendarischen Überlieferungen von Christus sich schon in den ersten dreißig Jahren unter den Augen der Augenzeugen gebildet haben. Eine jüngere Legende und eine Tendenzlegende sei doch oft wirksamer als das Gedächtnis an die wirkliche Geschichte. Selbst die Erinnerungen von Augenzeugen transformieren und stilisieren sich unter der Herrschaft des „Es musste geschehen“. 163 Vgl. A.v. HARNACK, Apostelgeschichte, 127. 164 K. LAKE/H.J. CADBURY, The Acts of the Apostles, 2 Bde., The Beginnings of Christianity IV/V, London: MacMillan 1933, V, 1ff.
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nem unbekannten Interpolator zugetraut. Diese Hypothese wurde daher in der Forschung weithin aufgegeben.165 3. Die meisten Exegeten neigen zu einer narrativ-stilistischen Lösung. Lk konnte dasselbe Ereignis sehr verschieden erzählen: Bei der Bekehrung des Paulus haben seine Begleiter z.B. einmal die himmlische Stimme gehört und das Licht nicht gesehen (Act 9,7), dann aber haben sie das Licht gesehen und die Stimme nicht gehört (Act 22,9). Das Wort von der Wasser- und Geisttaufe stammt einmal vom Täufer (Lk 3,28), dann von Jesus (Act 11,16). Man kann das als erzählerische Nachlässigkeit des Lukas betrachten oder als geschickte erzählerische variatio, die er einsetzt, um mit verschiedenen Motiven sein Evangelium abzuschließen und seine Apostelgeschichte einzuleiten. 4. Ein vierter Lösungsversuch nimmt an, dass die Himmelfahrt am Ende und am Anfang seiner beiden Bücher für ihn verschiedene Ereignisse darstellen. Schon PH. VIELHAUER meinte, möglicherweise habe Lk „die Himmelfahrt Lk 24 als nur vorläufige und die von Apg 1 als endgültige verstanden oder verstanden wissen wollen.“166 In seiner Dissertation „Der Auferstandene als der Erhöhte und seine beiden sichtbaren Himmelfahrten im lukanischen Doppelwerk“ vertritt J.M. BOHNET die These, dass mit beiden Himmelfahrtsberichten von Lk in der Tat zwei verschiedene Himmelfahrten gemeint und entsprechend dargestellt sind. Die Himmelfahrt in Lk 24 schließt die Reihe der Erscheinungen am Auferstehungstag, die Himmelfahrt in Act 1 schließt die Reihe der Erscheinungen in den 40 Tagen danach. J.M. BOHNET argumentiert in seiner These mit den Unterschieden zwischen Ort und Zeit, wie auch damit, dass Act 1,2ff auf die vorherige Himmelfahrtserzählung zurückgreift. Als ein zusätzliches Argument wird die Tatsache angeführt, dass in Lk 9,51 von den „Tagen der Aufnahme (der Himmelfahrt)“ im Plural gesprochen wird.167 Warum findet man aber den Bericht von einer Himmelfahrt im Neuen Testament nur bei Lukas? Es gibt im Neuen Testament mehrere Aussagen in kurzen, kerygmatischen Formulierungen, die von der Einsetzung Jesu in seine himmlische Machtstellung durch die Auferstehung reden. Die Auferweckung und Erhöhung Jesu sind aber in solchen Aussagen im Neuen Testament außerhalb des lukanischen Doppelwerkes als Einheit aufgefasst. Es
165 Vgl. die Auseinandersetzung damit bei PH. VIELHAUER, Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin: de Gruyter 1975, 383f. 166 PH. VIELHAUER, Geschichte, 384. 167 Vgl. J.M. BOHNET, Der Auferstandene als der Erhöhte und seine beiden sichtbaren Himmelfahrten im lukanischen Doppelwerk, Diss. Theol. Heidelberg 2002.
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geht weder um eine Himmelfahrt vor Zeugen, noch um eine Himmelfahrt, die beträchtliche Zeit nach der Auferstehung stattgefunden hätte.168 Viele Exegeten haben versucht, dieses Rätsel zu lösen. Es gibt einen ganzen Chor von Theologenstimmen. Die These von G. LOHFINK lautet: Die längeren Himmelfahrtserzählungen im lk Doppelwerk sind eine literarische Komposition, die aus verschiedenen Einheiten zusammengesetzt ist. Ihre Geschlossenheit und Anschaulichkeit verdanken sie der schriftstellerischen Kunst des Lukas.169 Für G. BOUWMAN folgt aus der Tatsache, dass die lk Erzählung einen bestimmten theologischen Zug aufweist, noch nicht, dass Lk sie geschaffen habe.170 Lk könnte auch einen authentischen Zug der ältesten Tradition bewahrt haben. Das Entrückungsmotiv tritt aber erst später auf, „als die theologische Aussage der Erhöhung sich zu einer historischen Darstellung der Himmelfahrt entwickelt hat.“171 J. JERVELL spricht sich dafür aus, dass die Vorstellung von Himmelfahrt und Erhöhung, historisch gesehen, auf die Urgemeinde zurückgeht.172 Ähnlich hält J. ROLOFF die Himmelfahrt Jesu für ein Motiv, das von einer bestimmten älteren Tradition geprägt ist.173 Es fehle zwar jedes Anzeichen dafür, dass es vor Lk bereits Berichte von einer Himmelfahrt Jesu als einem eigenen, von der Auferstehung getrennten Ereignis gegeben habe, aber das apokryphe Pet168
Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 15. In Röm 14,9; 1 Kor 15,3–8; 1 Thess 1,9f wird terminologisch nur von der Auferweckung gesprochen, die Erhöhung ist mit ausgesagt. In Eph 4,8–10; Phil 2,6–11; 1 Tim 3,16; Hebr 1,3.5; 2,9; 5,5; 12,2; Mt 28,18b wird terminologisch nur von Erhöhung bzw. Himmelfahrt gesprochen, die Auferweckung ist dabei in der Erhöhungsaussage impliziert. In Röm 8,34 und in Kol 3,1 wird das Sitzen zur Rechten Gottes als Ergebnis der Auferweckung genannt. In Eph 1,19f und 2,5 werden Auferweckungs- und Erhöhungsaussage aneinandergereiht, aber deutlich als zwei Seiten eines einzigen Vorgangs gekennzeichnet. In 1 Petr 1,20f und 3,18.21f werden Auferstehung und Himmelfahrt nacheinander aufgezählt, ohne dass ihre Einheit sichtbar wird. 169 Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt, 159. 170 Vgl. G. BOUWMAN, Die Erhöhung Jesu in der lukanischen Theologie, BZ 14 (1970), 257– 263, 259. 171 Vgl. G. BOUWMAN, Erhöhung Jesu, 263. 172 Vgl. J. JERVELL, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 17[1] 1998, 121. 173 So auch J. JERVELL, Apostelgeschichte, 120. Vgl. R. PESCH, Apostelgeschichte, V/1, 72. Nach R. PESCH, Apostelgeschichte, V/1, 74, hat Lk die ihm vorgegebene Tradition von der Entrückung Jesu bewusst aufgegriffen und ausgestaltet, weil sie ihm erlaubte, das Kerygma von der Erhöhung Jesu von dem seiner Auferweckung zu unterscheiden und an das Augenzeugnis der Apostel zu binden. Lk hat die Unterscheidung von Auferweckung und Erhöhung/Entrückung nach der vierzigtägigen Zwischenzeit aufgegriffen und literarisch überliefert. Seit der Mitte des 2. Jh. hat diese Unterscheidung immer mehr an Raum gewonnen neben der ältesten Konzeption der Identität von Auferweckung und Erhöhung Jesu. Justin ist dann der erste, bei dem die Himmelfahrt in den Glaubensformeln einen festen Platz einnimmt und der sie als sichtbares Geschehen bezeichnet. Am Ende des 2. Jh. benutzte Irenäus von Lyon die lk Darstellung als Hilfe im Kampf gegen die Gnosis. Vgl. R. PESCH, Apostelgeschichte, V/1, 75. G. BOUWMAN, Erhöhung Jesu, 263, meint, dass die zeitliche Distanz zwischen Auferstehung und Himmelfahrt lk Theologie ist.
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rusevangelium enthalte eine Ostererzählung, die auf eine Weiterentwicklung der Überlieferung vom leeren Grab (Mk 16,1–8) zurückgehe, ihre Wurzeln wahrscheinlich im 1. Jahrhundert habe und für die Vorgeschichte der Himmelfahrtserzählung interessant sein könne.174 Die zwei Männer „in leuchtend weißen Gewändern“, die sowohl in der Apostelgeschichte, als auch im Petrusevangelium in Erscheinung treten, bilden nach J. ROLOFF ein starkes Indiz dafür, dass Lk eine Fassung der Grabesgeschichte kannte, die im wesentlichen der des Petrusevangeliums entsprach und die bereits von der Erhöhung Jesu in den Himmel erzählte.175 Diese Tradition habe Lk als Ausgangsbasis genommen, um die Aufnahme Jesu in den Himmel in der Weise einer antiken Entrückungsszene zu erzählen. J. ROLOFF weist aber auch darauf hin, dass Lk keineswegs naiv die Christologie dem Mythos preisgegeben hat. Lk setzt gerade umgekehrt sehr bewusst den Mythos als Interpretament der Christologie ein.176
F. BOVON nennt die Himmelfahrtsgeschichte bei Lk einen Narrativisierungsversuch des sehr verbreiteten frühchristlichen österlichen Erhöhungsmotivs.177 Die Betonung auf der narrativen Gestaltung eines vertrauten Erhöhungsmotivs ist auf jeden Fall richtig. Auch wenn eine letzte Antwort auf die Frage, wie weit die Himmelfahrt auf den Lk-Evangelisten zurückgeht, noch nicht gegeben werden kann, ist die Funktion der Himmelfahrt und die Intention ihrer narrativen Gestaltung in beiden Teilen seines Werkes deutlich. Am Ende des LkEv erfüllt die Himmelfahrt die Funktion einer Kadenz, welche die ganze Erzählung vom Leben Jesu durch eine Reihe bezeichnender Akkorde zu einem voll klingenden Finale leitet.178 Als Einleitung der Apostelgeschichte hat sie dagegen die Funktion eines Präludi-
174 Im Petrusevangelium, 9,35–10,40, findet man die Ostergeschichte aus der Perspektive der Wachsoldaten: „Sie sahen, wie sich der Himmel einen Spaltbreit öffnete und zwei Männer, von leuchtendem Glanz umhüllt, von dort herabstiegen und auf das Grab zugingen. Der Stein am Eingang des Grabes geriet von selbst ins Rollen und wich zur Seite. Er gab den Eingang zum Grab frei, und die beiden jungen Männer gingen hinein. Als die Soldaten das sahen, weckten sie den Hauptmann und die Ältesten auf, die sich ebenfalls an der Wache beteiligten. Und während sie noch berichteten, was sie gesehen hatten, bot sich ihnen ein weiterer erstaunlicher Anblick: Drei Männer traten nebeneinander aus dem Grab, die zwei äußeren geleiteten den dritten in ihrer Mitte an den Armen. Hinter ihnen kam ein Kreuz heraus. Und auf einmal reichten die beiden äußeren Männer mit ihrem Haupt bis zum Himmel, doch der, den sie in ihrer Mitte führten, überragte den Himmel.“ Vgl. K. BERGER/CH.NORD, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, übers. u. komm. v. K. Berger u. Chr. Nord, Frankfurt a. M. 1999, 678–679. 175 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 18. 176 Vgl. ebd., 25. 177 Vgl. F. BOVON, Himmelfahrt, 522. 178 K. BERGER ordnet die Darstellungen des Lebens Jesu in die Gattung des Philosophenbios ein. Vgl. K. BERGER, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, ANRW II 25.2, Berlin: de Gruyter 1984, 1031–1432, 1242. Nach K. BERGER haben Lk und Mt durch die Kindheitsgeschichten die Philosophenvita zu einer Königsvita umgestaltet.
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ums, welches die folgende Geschichte von der Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt feierlich einleiten soll.179 In der Reihe der Apotheoseszenen Jesu im LkEv (von der Taufe über die Verklärung bis zur Himmelfahrt) bildet die Himmelfahrtsgeschichte in ihren beiden Fassungen einen krönenden Abschluss, ein zur ganzen Lebensgeschichte Jesu passendes Finale (vgl. Mk 16,8!). Während sich die Taufstimme, die Jesus als Gottessohn erklärt, bei Lk alleine an Jesus wendet, wird die Verklärungsszene von drei seiner Jünger miterlebt – dazu von Mose und Elia. Bei der Himmelfahrt schließlich sind alle Jünger (außer Judas) anwesend. In der Erzählung kommen mehrere besonders feierliche Details vor, die vorher nicht betont wurden, wie z.B. Segen, Proskynese und Missionsauftrag. So kann man die Himmelfahrt als Höhepunkt der Apotheose Jesu bezeichnen. Was die Intention des Himmelfahrtsberichtes angeht, bedeutet sie im LkEv zuerst den Beweis für die Überwindung des Leidens (Lk 24,26). Christus musste leiden und dann in die Herrlichkeit eingehen, das Kreuz musste überwunden werden. Im Finale wird Jesus nicht nur vorübergehend verwandelt, er wird in den Himmel aufgehoben (Lk 24,51). Liturgische Feierlichkeit erhält die Himmelfahrtserzählung im LkEv durch die Geste des Segnens Jesu. Er betet nicht mehr, wie er es sonst bei der Taufe und der Verklärung tut, er segnet (24,50f). „Es ist nicht nur Geste des Abschieds, sondern auch Machterweis des Auferstandenen, auf den die Proskynese der Jünger (V.52) die angemessene Antwort darstellt (dazu Plutarch, Rom 27,8; 28,3)“.180 Wie feierlich der Abschluss der Jesusbiographie bei Lk ist, zeigt ferner das Motiv der Freude und des Gotteslobes in Jerusalem in Lk 24,52f. Die große Freude, mit der die Jünger nach Jerusalem zurückkehren, erinnert an die Freude, welche die Engel in Lk 2,10 ausriefen. Lk scheint hier darauf hinzuweisen, dass die am Anfang der Geschichte ausgerufene Freude bei der Himmelfahrt Wirklichkeit geworden ist.181 Das Segnen mit erhobenen Händen in der Zusammenstellung der Begriffe GWXNQIGY und GXRCKTY VCL EGKTCL findet man in der Septuaginta in Sir 50,20. Zum Empfang des Segensspruches wirft sich das Volk in Proskynese nieder (Sir 50,21; vgl. 50,17) und lobt Gott (Sir 50,22).182 Erst bei der Himmelfahrt, im Finale seiner Geschichte, wird Jesus
als Gott durch die Geste der Proskynese verehrt (Lk 24,52). Die Annahme des RTQUMWPGKP bei der Himmelfahrt lässt an die Ablehnung des RTQUMWPGKP 179
J.A. FITZMYER, The Gospel (X–XXIV), 1588, sieht im doppelten Himmelfahrtsbericht von Lk das entscheidende Zeichen für die Heilsgeschichte. Der Himmelfahrtsbericht am Ende des Evangeliums beendet die Periode des Lebens Jesu, der Himmelfahrtsbericht am Anfang der Acta leitet die Periode der Kirche ein. 180 Vgl. O. BETZ, Entrückung, 688. 181 Vgl. E. SCHWEIZER, Das Evangelium, 252. 182 Vgl. G. LOHFINK, Himmelfahrt,169.
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in der Versuchungsgeschichte denken. Offensichtlich will Lk betonen, dass Jesus nun die Macht über die ganze Welt hat, die er als Angebot des Satans nicht angenommen hatte. Wie das Motiv des Segnens, so verwendet Lk auch das Motiv der Proskynese nur am Ende seines Evangeliums, nur im Finale. Wenn Lk sonst im Evangelium davon berichtet, wie Menschen vor Jesus niederfallen, gebraucht er entweder das Wort RKRVY oder RTQURKRVY. Im Gegensatz zu Mt führt Lk niemals RTQUMWPGY in die Markusvorlage ein. In Mk 5,6, wo die Markusvorlage RTQUMWPGY hat, ersetzt Lk es durch RTQURiRVY (vgl. Lk 8,28). An den Stellen, wo Lk sonst das Niederfallen der Menschen vor Jesus erwähnt, geht es nicht um Anbetung, sondern um Bitte (Lk 8,41), Danksagung (Lk 17,16) oder Furcht (Lk 5,8; 8,47). Die redaktionelle Tendenz von Lk zielt eher auf das Vermeiden des Begriffes RTQUMWPGKP gegenüber dem irdischen Jesus. Dadurch gibt aber der Schriftsteller Lk dem Motiv der Proskynese im Finale eine literarisch besonders hervorgehobene und theologisch pointierte Stellung. Während in Sir 50,21 die Proskynese nicht dem segnenden Hohenpriester, sondern Gott gilt, gilt die Proskynese in Lk 24,52 dem segnenden und auffahrenden Christus: RTQUMWPJUCPVGL CWXVQP. Damit wird Christus die Verehrung erwiesen, die allein Gott zukommt.183 Nach G. LOHFINK scheint Lk mit der Verknüpfung von Himmelfahrt und Proskynese wieder ein vertrautes Motiv des hellenistischen Denkens aufzuweisen. Im griechischhellenistischen Bereich ist der Begriff RTQUMWPGKP nach einer Entrückung gut belegt (bei Sophokles, Oedipus Coloneus 1654, Plutarch, Romulus 27,8f und Lukian, De morte Peregrini 39). Die Entrückung war in der Antike das Erkenntniskriterium der Göttlichkeit eines Menschen. Entweder zeigte sie, dass ein Mensch zum Gott geworden ist oder dass der Betreffende von vornherein SGQL gewesen war. Aus diesem Erkenntniskriterium ergab sich notwendigerweise die Anbetung und Verehrung dessen, der entrückt wurde.184
Zu den wichtigsten theologischen Akzenten des Himmelfahrtsberichtes gehört ferner die Verleihung des Heiligen Geistes an die zurückbleibenden Jünger. Nicht nur, dass Jesus den Geist wie bei seiner Taufe bekommt, nun gibt er ihn weiter (Act 2,33). Wie bei Elia so wird auch von Jesus unmittelbar vor der Entrückung das Kommen des Geistes verheißen. Durch den erhöhten Christus wird die endzeitliche Geistausgießung vermittelt und von Gott gegeben (vgl. Act 2,33; Eph 4,7–12).185 Das Gemeinsame in den beiden Himmelfahrtsberichten ist, dass Jesus vor seiner Himmelfahrt den Jüngern das Versprechen gibt, dass sie von Gott die Kraft des Geistes bekommen werden (Lk 24,49; Act 1,8). Jesus ermahnt die Jünger deswegen in 183 184 185
Vgl. ebd., 172. Vgl. ebd., 173. Vgl. O. BETZ, Entrückung, 689.
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Jerusalem zu bleiben, bis dieses Versprechen in Erfüllung geht (Lk 24,49; Act 1,4) und weist darauf hin, dass die Jünger nun seine Zeugen (OCTVWTGL) sein werden (Lk 24,48; Act 1,8). Es wird von Lk deutlich betont, dass das Zeugnis von Jesus, von der Umkehr und von der Vergebung der Sünden allen Völkern verkündigt werden muss (Lk 24,47; Act 1,8). Der Heilige Geist wird sowohl in Lk 24,49 als auch in Act 1,8 als FWPCOKL bezeichnet. Eine besondere theologische Aussage der Himmelfahrtserzählung ist weiter die Verknüpfung von Entrückung und Parusie.186 „Christus wird demnach in leiblicher Gestalt und mit den Wolken zur Erde kommen. Der alttestamentlich-jüdischen Erwartung eines Elia redivivus (Mal 3,23; vgl. Sir 48,10; 4 Esr 6,26) entspricht die christliche Hoffnung auf die Parusie des Menschensohns (Mk 13,26 par.; 14,62 par.; vgl. Joh 16,16.22; Apk 1,7; 14,14–16).“187 Schließlich beginnt mit der Himmelfahrt für Jesus seine Herrschaft. Ab diesem Zeitpunkt tritt der universale Missionsbefehl für „alle Völker“ in Kraft (Lk 23,47). Auch von diesem letzten Aspekt her sind Himmelfahrt und Erhöhung Jesu eine Herausforderung für die Zeitgenossen des lk Doppelwerkes. Während die verschiedenen Herrscher im Römischen Reich die Stellung der Götter zu erwerben strebten, verkündete die „Gute Botschaft“ von Jesus, dass es einen Weltherrscher gibt, dem alle Mächte und Gewalten im Himmel und auf Erden unterworfen sind.188 Anders als für Proculus, den Augenzeugen bei der Entrückung des Romulus, sollte aber nicht die Himmelfahrt Jesu als solche zum Gegenstand der Verkündigung werden, sondern allen Menschen sollte die Auferstehung und Erhöhung Jesu bezeugt 186 Das Motiv der Wolke in Act 1,9 ist als symbolisches Motiv mit dem Thema der Parusie (Act 1,6–11) eng verbunden. Die Wolke der Parusie entspricht bei Lk der Wolke der Himmelfahrt. Bei den Synoptikern spielt die Formel vom Menschensohn, der auf den Wolken des Himmels wiederkommt, eine wichtige Rolle (vgl. Mk 13,26 parr. Mt 24,30/Lk 21,27; Mk 14,62 par. Mt 26,64; auch in Apk 1,7; 14,14–16; Didache 16,8). Bei der Himmelfahrt in Act bedeutet das Motiv der Wolke: Jesus wird am Ende der Welt auf die gleiche Weise auf der Wolke wiederkommen (QWBVYL GXNGWUGVCK), wie er durch die Wolke zum Himmel entrückt wurde. Vgl. G. SCHNEIDER, Die Apostelgeschichte, HThK V/1, Freiburg/Basel/Wien 1980, 205. 187 O. BETZ, Entrückung, 689. Nach E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 157, scheint die Himmelfahrtsgeschichte in Act 1, die von den Empfindungen der beteiligten Personen schweigt, „unsentimental“ und von einer „befremdenden Nüchternheit“ zu sein. Die Jünger werden aber als Modell einer Überzeugung dargestellt, die in den christlichen Gemeinden zu Lebzeiten des Lk noch vorherrschte: der Naherwartung des Endes. Nach E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 158, ersetzt Lk diese Naherwartung durch eine neue Form christlicher Hoffnung. Diese verzichtet auf jede Datierung der Parusie und lebt insofern nicht mehr im Schauen, sondern bescheidet sich mit dem Unanschaulichen. R. PESCH, Apostelgeschichte, V/1, 70, widerspricht der Annahme, dass Lk den Geist als Ersatz für die Naherwartung der Parusie verstand und auf die Naherwartung des Endes verzichtet habe. Nach R. PESCH gehört es gerade zur theologischen Leistung des Lukas, dass er die Parusieerwartung als Stetserwartung mit dem Rückblick auf die Geschichte der Mission verbindet und die Naherwartung als Konstitutivum christlicher Existenz festhält. 188 Vgl. G. THEISSEN, Religion, 89.
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und verkündigt werden (Act 1,22; 2,32–36; 3,15.25; 10,40–42; 13,30– 37).189 Im Blick auf alle oben aufgelisteten theologischen Intentionen bei der finalen Apotheose, kann man die Art, wie Lk die Himmelfahrtsgeschichte dargestellt hat, eine lk „Komposition“ (auch im musikalischen Sinne dieser Metapher) nennen. Lk lässt das Thema der Apotheose Jesu mit genau denselben Akkorden erklingen, mit welchen die Heroen- und KaiserApotheosen ausgedrückt werden. Die Akkorde sind alle bekannt, und trotzdem wird der Unterschied zwischen den Kaiser-Apotheosen und der Himmelfahrt Jesu bei Lk deutlich, weil Lk sie in eine andere Tonlage transponiert: Es gibt für ihn keinen Zweifel, dass diese Himmelfahrt wirklich geschehen ist und dass die Apotheose Jesu wahr ist. Bei Lk fehlt jeder Zweifel, jede Ironie, jede Unechtheit, jede Schmeichelei, jeder Hintergedanke, die bei den Geschichten der Kaiserapotheosen so oft mitschwingen. Lk transponiert diese Moll-Klänge in Dur und übertrifft damit die anderen Apotheosegeschichten. Er gestaltet das Thema als eine Hymne voll Freude und Lob und gibt damit einer großen Harmonieerfahrung der ersten Christen Ausdruck. Der Verfasser des lk Doppelwerkes ist nicht durch eine Dissonanzerfahrung,190 durch das Ringen mit einer Enttäuschung über die Kreuzigung Jesu und das Versagen der Jünger motiviert, sondern durch den Glauben an Jesu Auferstehung: Christus ist Gottes Sohn.
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Vgl. O. BETZ, Entrückung, 689. Vgl. G. THEISSEN, Religion, 72.
4. Die falsche Apotheose Die falsche Apotheose
4.1 Die Versuchung Jesu (Lk 4,5–8): Die verwerfliche Apotheose des Satans Die Versuchung Jesu „Da führte ihn der Teufel (auf einen Berg) hinauf und zeigte ihm in einem einzigen Augenblick alle Reiche der Erde. Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen, und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: In der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“ (Lk 4,5–8)1
Die Apotheose des Satans nimmt einen gesonderten Platz unter den „falschen Apotheosen“ im lk Doppelwerk ein. Sie befindet sich in der Reihe der Versuchungen, von denen sowohl Lk, als auch Mk und Mt am Anfang ihrer Evangelien berichten: Lk 4,1–13; Mk 1,12f; Mt 4,1–11.2 Der vierte Evangelist, Johannes, erwähnt die Versuchung Jesu nicht. Einen Grund dieses Schweigens sah z.B. Origenes in der Tatsache, dass die Versuchung an eine menschliche und nicht an eine göttliche Person denken lässt: „Johannes nimmt seinen Ausgang von Gott und bietet daher kein Geschlechtsregister Jesu; Gott kann nicht versucht werden. Die Synoptiker, von denen Matthäus und Lukas ein Geschlechtsregister bringen, sprechen von Christus als von einem Menschen; deshalb beschreiben sie die Versuchung Jesu.“3 Daran ist richtig, dass gerade Lk großen Wert darauf legt, die Menschlichkeit Jesu zu betonen. Das passt zum historischen Hintergrund des lk Doppelwerkes Ende des 1. Jh. n.Chr., den man auch bei der Versuchungsgeschichte nicht außer Acht lassen darf. 1
Die Bibel, Einheitsübersetzung, 1154. Der Bericht des Mk stellt eine selbstständige und in sich geschlossene Version der Versuchungsgeschichte dar. Vielleicht war der Markusbericht ursprünglich nicht mit der Erzählung von der Taufe Jesu verknüpft. Vgl. E. LOHMEYER, Die Versuchung Jesu, ZSTh 14 (1937), 619–650, 621. Nach E. LOHMEYER zeigt der Vergleich der erzählenden Einleitung des Mt mit Mk, dass Mt einer mit Mk verwandten, aber selbstständigen mündlichen oder schriftlichen Überlieferung folgt. Mt hat nicht die eigenartige Anmerkung des Mk: „Er war mit den Tieren“ und keine Versuchung vierzig Tage lang, sondern ein ebenso langes Fasten vor der Versuchung. Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 622. Lk streicht die Engelnotiz von Mk 1,13 (par. Mt 4,11) wahrscheinlich wegen seiner besonderen Angelologie: Die Engel dienen nur Gott, nicht dem Messias. Lk streicht auch Mk 13,27. Auch nach der Erhöhung stehen die Engel nicht im Dienste des Messias. Vgl. H. CONZELMANN, Zur Lukasanalyse, ZThK 49 (1952), 16–33, 21. 3 Vgl. K.-P. KÖPPEN, Die Auslegung der Versuchungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Alten Kirche, BGBE 4, Tübingen 1961, 42. 2
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Im Unterschied zu der Versuchungsgeschichte bei Mk erzählen Mt und Lk von einem Gespräch zwischen Jesus und dem Satan.4 In einer direkten Konfrontation fordert der Satan Jesus auf, ihn anzubeten und zu vergöttlichen. Diese Zumutung lehnt Jesus schroff ab.5 Die Forderung des Satans, ihn anzubeten, ist im lk Doppelwerk ein eindrucksvolles Beispiel einer Apotheose, die kompromisslos verworfen wird. Das Besondere ist in diesem Fall, dass der Satan selbst die Apotheose verlangt. Keine andere Apotheose bei Lk wird von der vergöttlichten Person selbst gefordert. Das Ansinnen, eine Person neben Gott zu setzen, wird in Lk 4,1–13 als eine im wörtlichen Sinne teuflische Versuchung abgelehnt. In den großen Linien stimmt die Versuchungsgeschichte bei Lk mit der des Mt überein. Die Szene als solche hat Lk von seinen Quellen übernommen.6 In allen drei synoptischen Evangelien folgt die Versuchung Jesu 4 Bei der Versuchungsgeschichte hat man es mit einer besonderen literarischen Form und Überlieferung zu tun. Das Erzählte wird dialogisch gedeutet und ein deutender Dialog erzählend umrahmt. Durch diese Zusammenstellung bildet die Versuchungsgeschichte nicht nur eine inhaltlich, sondern auch formal gegliederte Einheit. Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 650. Da die beiden Gesprächspartner, Jesus und der Satan, die Worte der heiligen Schrift benutzen, scheint die Versuchungsgeschichte bei Mt und Lk ihre Herkunft in einer alten Streitgesprächstradition zu haben. Nach F. BOVON, Lukas, 202, streiten der Teufel und der Sohn Gottes mit Bibeltexten wie zwei Rabbinen. Auch R. BULTMANN, Die Geschichte, 272, sieht im Dialog zwischen Jesus und dem Teufel die Widerspiegelung einer „rabbinischen Disputation“. Die dialogische und polemische Form der Versuchungsgeschichte lässt die Auseinandersetzung mit dem Judentum als Sitz im Leben denkbar erscheinen. Die Thematik ist nicht nur die Ethik, sondern auch die Christologie. Vgl. F. BOVON, Lukas, 194. 5 Nach H. SEESEMANN, Art. RGKTC MVN., ThWNT 6 (1959), 23–37, 24, gehört die Versuchung zu den wesentlichen Gedanken der Bibel. Seit dem Sündenfall (vgl. Gen 3) steht der Mensch unter der ständigen Bedrohung durch die Versuchung: Entweder prüft und erprobt ihn Gott oder der Satan. Der Begriff RGKTC\Y wird aber auch verwendet, wenn Menschen Gott versuchen. Im AT sind die großen Frommen Vorbilder der bestandenen Versuchung und des bewährten Glaubens: Abraham (Gen 22,1ff; Sir 44,20f; 1 Makk 2,52; Hebr 11,17; Jak 2,21), Joseph (1 Makk 2,53), Hiob (Hiob 1,6ff; 5,17ff; 42,10ff; Jak 5,11). In der jüngeren Überlieferung tritt oft der Gedanke auf, dass der Mensch durch den Widersacher Gottes vor die Entscheidung für oder gegen Gott gestellt wird. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Geschichte von der Volkszählung im AT. Nach 2 Sam (LXX 2 Reg) 24,1 reizt Gott selbst David zu der Gott missfallenden Volkszählung, nach dem jüngeren Paralleltext 1 Chr 21,1 aber der Satan. In der jüdischen Apokalyptik ist der Gegensatz zwischen Gott und dem Satan immer häufiger anzutreffen. Er findet sich auch bei Jesus. Als Beispiele seien die Dämonenaustreibungen genannt, mit denen „das Gottesreich schon gekommen ist“ (Mt 12,28), sowie Jesu Worte, die den Jüngern Macht über den Feind zusprechen (Lk 10,18f). Etwas Ähnliches findet man in der jüdischen Hoffnung auf den eschatologischen Vollender wie in Test Levi 18,12: „Von ihm wird Beliar gebunden, und seinen Kindern gibt er Macht, auf böse Geister zu treten.“ Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 643. Nach dem Bericht der synoptischen Evangelien überwindet Jesus den Satan mit dem Gehorsam gegenüber der Thora und durch Erfüllen des Willens Gottes. Auf diese Weise erweist er sich als der von Johannes dem Täufer angekündigte „Stärkere“. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 215. 6 Bei Lk scheint in der Versuchungsgeschichte eine Verbindung mehrerer Quellen vorzuliegen – mindestens der Spruchquelle Q und der Markustradition. Mit ziemlich großer Sicherheit kann man behaupten, dass sowohl Lk als auch Mt die ältere Markustradition gekannt haben. Nach
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seiner Taufe und nimmt in Mt und Lk durch die zweimal wiederholte Formel GKX WKBQL GK VQW SGQW auf die in der Taufe Jesu geschehene Sohnesproklamation Bezug. Die Versuchungsperikope wird so eng mit dem Taufbericht verklammert.7 In allen drei synoptischen Evangelien folgt das öffentliche Auftreten Jesu in Galiläa. Die Verbindung der Motive des Versuchtwerdens und des öffentlichen Auftretens mit dem Ruf zum Glauben beruht auf einer festen Tradition. Nach der eschatologischen Lehre des Judentums soll vor dem Ende eine Zeit der satanischen Versuchungen eintreten. In dieser Zeit oder auch vor ihr wird Gott eine Frist der Buße setzen (vgl. Weish 12,10; Hebr 12,7; Apk 14,6f).8 Wenn man diese Vorstellung auf den Kontext der Versuchungsgeschichte überträgt und das öffentliche Auftreten Jesu als Ruf zur Buße und zur Umkehr versteht, ergibt sich, dass der Satan jemanden versucht, der zur Buße rufen will: „Je unbedingter die Notwendigkeit des Bußrufes, um so dringlicher tritt die Gegenwirkung des Satans als Versuchung an den Rufenden heran.“9 Nach E. LOHMEYER ist die Notwendigkeit der Buße in den Evangelien mit der Nähe des Himmelreiches begründet.10 Die Versuchung richtet sich gegen den Menschensohn und damit gegen die Sache der eschatologischen Vollendung. Der Bußruf erklingt aber nicht wie in Apk 14,6f mit göttlicher Gewalt vom Himmel her, sondern in der menschlichen Lehre eines frommen Galiläers. Entsprechend muss die Erzählung den eschatologischen Charakter des Geschehens in einem geschichtlichen Ereignis verhüllen und doch mit allen eschatologischen Mächten erfüllen. Darum führt der Satan selbst die Versuchung Jesu durch.11
Bei den Synoptikern gibt es nur eine kleine Abweichung in der Reihenfolge der Ereignisse. Sie bezieht sich auf die Verhaftung Johannes des Täufers. Nach der Versuchung Jesu berichten Mk und Mt von der Verhaftung des Johannes und von Jesu Auftreten in Galiläa (Mk 1,14; Mt 4,12). Vor der Notiz über die öffentliche Verkündigung Jesu in Galiläa (Mt 4,17) zitiert Mt noch eine jüdische Prophezeiung über den Messias (Mt 4,13–16 = Jes 8,23). Lk knüpft dagegen den Bericht vom öffentlichen Auftreten Jesu in Galiläa unmittelbar an die Geschichte der VersuMeinung von U. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus (Mt 1–7), EKK 1/1, Zürich 1985, 160, ist die der lk Versuchungsgeschichte verwandte Versuchungsgeschichte im MtEv zu einem relativ späten Zeitpunkt ohne direkte Abhängigkeit von der Versuchungsgeschichte im MkEv entstanden. 7 Bei Mk steht die Taufe Jesu in 1,9–11. Die Versuchung Jesu folgt unmittelbar danach: „Und sofort treibt der Geist ihn hinaus in die Wüste.“ (Mk 1,12). Bei Mt steht die Taufe Jesu in 3,13–17. Auch Mt verknüpft die Taufe gleich mit der Versuchung Jesu: „Darauf wurde Jesus vom Geist in die Wüste hinausgeführt, um vom Teufel versucht zu werden.“ (Mt 4,1). Nach Lk kommt die Versuchung Jesu zwar auch nach der Taufe und wird mit den Worten eingeleitet: „Jesus aber, voll heiligen Geistes, kehrte vom Jordan zurück und wurde vierzig Tage vom Teufel versucht“ (Lk 4,1). Lk schiebt aber in seiner Erzählung zwischen die Taufe (Lk 3,21f) und die Versuchung (Lk 4,1–13) den Bericht über den Stammbaum Jesu ein (Lk 3,23–38). 8 Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 645. 9 Vgl. ebd., 646. 10 Vgl. ebd., 646. 11 Vgl. ebd., 647.
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chung an (Lk 4,14). Im Unterschied zu Mk und Mt sagt Lk hier nichts mehr von Johannes. Von der Verhaftung des Johannes hatte er schon vor der Taufe Jesu erzählt (Lk 3,19f). Lk gelingt es wieder, den Lichtstrahl in seiner Erzählung uneingeschränkt auf der Gestalt Jesu zu richten.
Trotz aller Gemeinsamkeiten mit Mk und Mt zeichnet sich die Versuchungsgeschichte Jesu bei Lk durch mehrere kleine Details aus. Schon die Reihenfolge der drei Versuchungen bei Mt und Lk ist unterschiedlich. Im MtEv entspricht sie der Spruchquelle Q: (1) Versuchung in der Wüste, (2) auf dem Tempeldach, (3) auf dem Berg.12 Bei Lk folgen aufeinander: (1) Versuchung in der Wüste, (2) auf einem hochgelegenen Ort (Berg), (3) auf dem Tempeldach. Die unterschiedliche Reihenfolge bei Lk und Mt kann man sowohl mit der Variabilität der mündlichen Überlieferung als auch mit der gezielten redaktionellen Arbeit des Lk erklären.13 Für das Thema der Apotheose wäre es wichtig zu wissen, ob die Reihenfolge die Bedeutung der Anbetung des Satans zu unterstreichen, zu verstecken oder zu relativieren versucht. Nach F. BOVON hat Lk die Reihenfolge umgestellt, weil damit „die für Lukas unangenehme Frage nach der politischen Macht“ nicht den abschließenden, d.h. wichtigsten Platz einnimmt: Sie gehört zu den „vorletzten Dingen“. Die Versuchung Gottes (Lk 4,12) am Ende der Geschichte erweist sich dadurch in der Abstufung der drei Versuchungen als die schwerwiegendste.14 Dagegen meint R. MORGENTHALER, In der Versuchungsgeschichte wolle Lk diejenige Versuchung, die er für die wichtigste hält, dadurch hervorheben, dass er sie in die Mitte stellt 12
Vgl. P. HOFFMAN/CH.HEIL (Hg.), Die Spruchquelle Q, Darmstadt 2002, 36. Wegen der anderen Reihenfolge fällt bei Lk am Ende der Bergversuchung die Aussage WBRCIG UCVCPC (Mt 4,10) weg. Vielleicht wurde Lk zu seiner Reihenfolge dadurch bewogen, dass nach QWXM GXMRGKTCUGKL MWTKQP VQP SGQP UQW (Mt 4,7; Lk 4,12) kein weiterer Angriff folgen durfte. In der dritten Versuchung kommt in der stehengebliebenen Aussage GKX WKBQL GK VQW SGQW, die eigentlich nicht hätte wieder auftauchen dürfen, die ursprüngliche Reihenfolge der Versuchungen zu Tage (E. KLOSTERMANN, Lukasevangelium, 421). Durch seine Reihenfolge der Versuchungen erzielt Lk eine Steigerung. Der zweimal durch die Schrift abgewiesene Teufel beruft sich schließlich selbst auf die Schrift. Deshalb ist die letzte Versuchung für Jesus die schwerste. Vgl. D. RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, BZNW 112, Berlin 2003, 96. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 216, Anm. 14, findet die Reihenfolge bei Mt sinnvoller als bei Lk: Erst nach der Versuchung mit frommen Schriftzitaten lässt Satan „die Maske fallen und verlangt offenen Götzendienst“. Dabei wird bei Mt der lokale Horizont von Versuchung zu Versuchung ausgeweitet: „Von der Wüste über die heilige Stadt bis zur ganzen Welt“. Die entscheidende Frage nach dem Glauben an den einen und einzigen Gott bildet bei Mt den Höhepunkt der Ereignisse. Man sieht aber bei Lk in der Redaktion der Versuchungsgeschichte seine theologische Tendenz. Zu den Messiasanschauungen von Lk passt, dass das Wirken Jesu in Jerusalem gipfelt. In der Verlagerung der Versuchung von der Wüste nach Jerusalem spiegelt sich der Lebensweg Jesu. In Jerusalem vollendet sich sein Geschick (vgl. Lk 13,34f). Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 214. Ferner passt die Reihenfolge der Versuchungen bei Lk zum besonderen Stellenwert des Tempels bei Lk (vgl. Lk 1,5ff; 24,52). Vgl. D. RUSAM, Das Alte Testament, 96. 14 Vgl. F. BOVON, Lukas, 193. 13
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und mit den beiden anderen umrahmt.15 Die Frage muss offen bleiben. Sicher aber hat die Forderung des Satans nach Anbetung und deren Ablehnung durch Jesus, unabhängig davon, wo sie in der Versuchungsgeschichte steht, im lk Doppelwerk eine große Bedeutung. Bei der Versuchung Jesu bietet der Satan Jesus alle Herrlichkeit (FQZC) (Lk 4,6; par. Mt 4,8) und die ganze Machtfülle (GXZQWUKC) (nur in Lk 4,6) der Welt (QKXMQWOGPJ) unter der Bedingung an, dass Jesus ihn anbetet. Jesus antwortet darauf mit Dtn 6,13 und bekennt sich dadurch zu der grundlegenden Forderung, die jeder Jude alltäglich in seinem Glaubensbekenntnis ‚Schema‘ (Dtn 6,4f) aussprach. Besonders hier, in der Versuchungsgeschichte, zeigt Lk, dass er mit dem monotheistischen Glauben seiner jüdischen Tradition kompromisslos jede Apotheose zurückweist. Das jüdische Glaubensbekenntnis der gläubigen Hingabe an den einen und einzigen Gott aus Dtn 6,13f schließt die Anerkennung jeder Macht aus, die der Macht und Herrschaft Gottes widerstrebt (vgl. Act 4,19f; 5,29). Im Grunde stellt die zweite Versuchung Jesus vor die Frage, ob er dem Willen Gottes den Vorrang vor dem eigensüchtigen Gebrauch all dessen gibt, was die Welt an Macht und Ansehen bietet. Als Sohn Gottes leidet Jesus Hunger und hat die Mühsale eines armen Lebens vor sich. Stattdessen bietet der Satan Jesus als Lohn für seine Anbetung an, alle Herrlichkeit und Macht der Erde zu besitzen und wie ein Gott zu herrschen. Jesus antwortet mit dem Satz, der Gott als den einzigen Herrn anerkennt (vgl. Dtn 6,4f).16 Damit bleibt Jesus seinem monotheistischen jüdischen Glaubensbekenntnis treu.
Die Versuchungsgeschichte ist eine Versuchung im alttestamentlichen Sinne. Der Teufel verheißt einen großen Lohn und fordert dafür eine entsprechende Leistung.17 Die Versuchung mit der Herrlichkeit der Welt findet nach Mt und Q18 auf einem Berg statt (Mt 4,8).19 Von dort überblickt Jesus die Erde. Lk sagt nichts von einem Berg. Nur das Partizip CXPCICIYP (Lk 4,5) lässt einen höher gelegenen Ort ahnen und verbirgt vielleicht einen Rest des Bergmotivs in sich.20 Bei Lk sieht Jesus alle Königreiche des bewohnten Landes. Indem Lk den hohen Berg weglässt und dafür GXP UVKIOJ^ ETQPQW in den Text einfügt, ersetzt er das Raumwunder des Matthäus durch 15 Vgl. R. MORGENTHALER, Roma – Sedes Satanae. Röm 13,1ff im Licht von Luk. 4,5–8, ThZ 12 (1956), 289–304, 290. 16 Vgl. K.H. RENGSTORF, Lukas, Das Evangelium, 53. 17 Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 640. 18 Vgl. P. HOFFMAN/CH.HEIL (Hg.), Spruchquelle, 36. 19 Der sehr hohe Berg, von dem man alle Reiche der Welt überschauen kann, begegnet in der jüdischen Apokalyptik: „Steige darum auf den Gipfel dieses Berges hinaus, so werden alle Länder dieser Erde an dir vorüberziehen und die Gestalt dieser bewohnten Welt, der Berge Gipfel und des Tales Tiefe, des Meeres Gründe und die Zahl der Flüsse; so siehst du, was du hinterlässt und wohin du gehst“ (syrBar 76,3; übs. AF.J. Klijn, JSHRZ V, 173; vgl. Dtn 34,1–4; Apk 21,10). Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 640. 20 Vgl. F. BOVON, Lukas, 199, Anm. 34.
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ein Zeitwunder.21 Im Unterschied zu Mt, der in der Versuchungsgeschichte jüdisch-biblische Begriffe benutzt, verwendet Lk staatsrechtliche Begriffe seiner Zeit: QKXMQWOGPJ und GXZQWUKC.22 Während Mt 4,8 von Königreichen des MQUOQL spricht, ändert Lk das zu DCUKNGKC VJL QKXMQWOGPJL (4,5) und betont, dass es in der Macht des Satans steht, Königreiche zu verleihen. Mit dem Begriff QKXMQWOGPJ lässt Lk unvermeidlich an die politische Welt seiner Zeit denken, an das Imperium Romanum.23 Die Versuchungsgeschichte stellt zwar kein Geschehen in der uns vertrauten Realität dar, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass das Modell für die Bergversuchung aus der realen Welt stammt.24 Der Satan erinnert mit seinen Ansprüchen bei Lk an die Gestalt des römischen Kaisers. Schon die Juden der Zeit Jesu sahen die damalige römische Weltmacht unter der Leitung Sammaëls (= Satans) selbst.25 In der Abfassungszeit des lk Doppelwerkes gab es mehrere Erfahrungen, die aus jüdischer Perspektive beim Kaiser an den Satan denken ließen. Eine 21 Vgl. R. MORGENTHALER, Roma, 291. Nach R. MORGENTHALER wusste Lk, dass es „solch einen Berg nicht gibt“ und dass der Text des Mt rational nicht zu verstehen ist. 22 Vgl. L. BORMANN, Recht, Gerechtigkeit und Religion im Lukasevangelium, StUNT 24, Göttingen 2001, 239. Nach einer gründlichen Untersuchung des Begriffes bei Lk hat R. MORGENTHALER, Roma, 294, festgestellt, dass GXZQWUKC bei Lk auf der einen Seite in ausgeprägter Weise „staatsrechtlich“ verwendet wird (von 8 Sondergutstellen, in denen Lk den Begriff GXZQWUKC verwendet, bezieht sich dieser Begriff in einem ausgesprochen politisch-rechtlichen Sinn auf die Staatsmacht in Lk 12,11; 19,17; 20,20; 23,7). Auf der anderen Seite stellt er fest, dass die Beziehung des Ausdruckes auf die Herrschaft der Finstermächte in Act 26,18 und Lk 22,53 gegenüber dem gemeingriechischen Sprachgebrauch neu ist. Durch Einfügung in die Versuchungsgeschichte Lk 4,6, verwendet Lk diesen Ausdruck in seiner doppelten Bedeutung: einerseits als Bezeichnung der Satansmacht, andererseits als Bezeichnung der Staatsmacht. 23 Vgl. L. BORMANN, Recht, 238. Den Begriff QKXMQWOGPJ verwendet Lk öfters (vgl. Lk 2,1; 4,5; 21,26; Act 11,28; 17,6.31; 19,27; 24,5). Nach F. BOVON, Lukas, 199, Anm. 35, spiegelt der Gebrauch dieses Wortes die lk Universalitätsperspektive wider. Für Lk bedeutet QKXMQWOGPJ den Raum der zivilisierten, d.h. bekannten Welt innerhalb der Grenzen des Römischen Reiches. S.R. GARRETT, The Demise of the Devil. Magic and the Demonic in Luke’s Writings, Minneapolis 1989, 38, macht darauf aufmerksam, dass der Hinweis auf die “bewohnte Erde“ (oikumene) ein Seitenstück zur Aussage in Apk 13,7f ist, in der das Tier aus dem Meer damit beauftragt wird, mit den Heiligen zu kämpfen: „Und ihm wurde Macht gegeben, zu kämpfen mit den Heiligen und sie zu überwinden; und ihm wurde Macht gegeben über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen. Und alle, die auf Erden wohnen, beten es an, deren Namen nicht vom Anfang der Welt an geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes, das geschlachtet ist.“ Der Satan im lk Bericht hat Ähnlichkeiten mit dem Tier aus dem Meer. Beiden ist die Macht über die bewohnte Erde gegeben. Beide streben danach, angebetet zu werden. In der Apokalypse des Johannes überträgt das erste Tier seine Macht auf das zweite Tier vom Lande, den falschen Propheten, der große Wunder tut. In der Versuchungsgeschichte ist der Satan bereit, die Macht auf Jesus zu übertragen, damit auch er große Wunder tun kann. Falls Jesus diese Macht annehmen würde, wäre er wie das zweite Tier ein falscher Prophet, der magische Zeichen vollbringt und dem Satan dient. Dadurch wäre der Plan Gottes zerstört und der Satan hätte die Macht und Ehre behalten, die Gott alleine gehören. Vgl. S.R. GARRETT, The Demise of the Devil, 38. 24 Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 217. 25 Vgl. P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Matthäus, 153.
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vorläufige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Konfliktes zwischen Jesus und dem Satan könnte lauten: Vorausgesetzt ist die Forderung, ein bis in alle Lagen des menschlichen Lebens eingreifendes Gesetz Gottes zu erforschen und zu erfüllen. Diese Forderung muss in einem Volk erfüllt werden, das politisch unterdrückt und sozial geächtet ist. In solch einer Situation nimmt der Gedanke der Versuchung zu. Die allgemeinmenschliche, moralische Stärke des eschatologischen Vollenders bildet den Hintergrund der Versuchungsgeschichte.26 Jesus besteht exemplarisch die Versuchungen, die das Volk in seinem Auftrag bestehen muss. In „Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien“ bietet G. THEISSEN eine weitergehende Hypothese an: Die Szene der Versuchung Jesu auf dem Berg ist unter dem Eindruck absolutistischer römischer Herrscher formuliert worden. In ihrer ersten Fassung in Q spiegelt sie den Konflikt des Kaisers Gaius Caligula mit dem jüdischen Monotheismus wider, der um das Jahr 40 n.Chr. ausgebrochen war. Drei Elemente, die bei der Versuchung auf dem Berg von Lk dargestellt werden, sind auch mit der Person des Kaisers Gaius verbunden. Diese Elemente sind: „(1.) eine Proskynese vor dem Herrscher der Welt, der (2.) die Macht hat, Königreiche zu vergeben und dessen Verehrung (3.) ein direkter Verstoß gegen die Verehrung des einen und alleinigen Gottes ist.“27 Viele Details sprechen für die Hypothese von G. THEISSEN. Gerade bei der lk Versuchungsszene ist die Anspielung auf den Kaiser als Abbild des Satans am deutlichsten. Schon in Lk 2,1 wird ein Kaiser erwähnt, der Macht über die ganze QKXMQWOGPJ hat, um sie schätzen zu lassen. Aber auch in anderen Stellen zeigt sich dieses Wort als spezifisch für Lk ( 21,26). In Mt 4,9 sagt der Satan, auf die Weltreiche zeigend: VCWVC UQK RCPVC FYUY GXCP RGUYP RTQUMWPJUJ^L OQK. In Lk 4,6f wird die Rede des Satans um folgende Worte ergänzt: UQK FYUY VJP GXZQWUKCP VCWVJP C=RCUCP MCK VJP FQZCP CWXVYP Q=VK GXOQK RCTCFGFQVCK MCK Y^ GXCP SGNY FKFYOK CWXVJP> UW QWP GXCP RTQUMWPJUJ^L GXPYRKQP GXOQW GUVCK UQW RCUC. Zur Zeit Jesu hatten die diversen Königreiche der Ökumene nur eine identische GXZQWUKC und FQZC: Sie verkörperte sich im Imperium Romanum! In der Versuchungsgeschichte muss die GXZQWUKC des Imperium Romanum gemeint sein. Diese GXZQWUKC ist nach Lk fest in der Hand des Teufels, der sie anderen verleiht, obgleich er eingestehen muss, dass auch ihm diese Machtfülle „übergeben“ wurde.28 Der Vergleich mit dem Text der Spruchquelle Q zeigt, dass Lk den ursprünglichen Text der Redequelle gerade an dieser Stelle erweitert hat.29 26 27 28 29
Vgl. R. MORGENTHALER, Roma, 645. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 217. Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 211. Vgl. P. HOFFMAN/CH.HEIL (Hg.), Spruchquelle, 36.
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Durch die redaktionelle Arbeit des Lk wurde das diabolische Verständnis des römischen Imperiums unterstrichen.30 Hinter dem Teufel wird bei Lk noch viel deutlicher als in Q der Herrscher der Welt sichtbar. F. BOVON nennt das „die pessimistische Sicht der Welt“, die Lk eigen ist.31 Mit dieser Sicht steht Lk aber nicht alleine. Sie wird sowohl von der jüdischen Tradition als auch von anderen Schriften des Neuen Testaments bezeugt. Nach jüdischer Anschauung stehen alle Völker unter der Leitung von mehr oder weniger gottfeindlichen Engelfürsten. Der Satan wird öfters als MQUOQMTCVYT bezeichnet. LvR 18 (118a) findet sich folgender Beleg: R. Jochanan († 279) hat im Namen des R. Eliezer b. Jose ha-Gelili (um 150) gesagt: „Als die Israeliten am Berge Sinai standen u. sprachen Ex 24,7: ‚Alles, was Jahve geredet hat, wollen wir tun und hören‘, rief Gott den Todesengel u. sprach zu ihm: ‚Obwohl ich dich zum Weltherrscher (MQUOQMTCVYT) über die Menschen gemacht habe, so sollst du doch nichts mit dieser Nation (Israel) zu schaffen haben; denn es sind meine Kinder [...]‘“.32 Auch nach den Belegen im Neuen Testament ist die gegenwärtige Welt dem Teufel übergeben. In Eph 2,2 wird der Satan als Herrscher und Machthaber genannt und von der Welt gesagt, dass die Menschen in ihr unter Satans Herrschaft leben. In 2 Kor 4,4 wird Satan „Gott dieser gegenwärtigen Welt“ genannt oder QB SGQL VQW CKXYPQL VQWVQW. Die Weltherrschaft des Satans ist aber begrenzt. Nach Lk 4,6 hat er zwar die Verfügung über die Weltmächte, sie ist ihm aber „übergeben“. Das bezeichnet seine Grenzen.33
Der Gedanke der Satansherrschaft über die Welt steht den apokalyptischen Vorstellungen des Judentums sehr nah. In diesem Gedanken wurzelt die Verbindung zwischen dem Verlangen und dem Versprechen Satans in der Versuchungsgeschichte. Der Satan strebt danach, das Unrecht der tatsächlichen Herrschaft über die Welt und ihre Reiche zu vollenden, indem er sich zum „Gott dieses Äons“ macht. Der Satan verspricht gleichzeitig seinen Anhängern die Weltherrschaft. Das Abtreten der Herrschaft über alle Reiche ist für ihn nur deswegen denkbar, weil jeder, der sie von ihm empfängt, Herrscher von seinen Gnaden ist.34 30 H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 211, geht davon aus, dass die lk Fassung der Versuchungsgeschichte schon in der Redequelle enthalten war. Dafür spreche die Tatsache, dass Lk in seinem Werk durchgehend die Loyalität des Christusglaubens dem römischen Staat gegenüber betont. Mt habe den etwas holprigen Text geglättet und dabei hätten seine christologischen Interessen mitgewirkt: Mt stellt die Bergversuchung betont an den Schluss und setzt sie der Bergszene in Mt 28,16–20 gegenüber. So hat Mt die Vorlage Lk 4,6a gekürzt und Lk 4,6b mit Rücksicht auf Mt 28,17f ausgelassen. 31 Vgl. F. BOVON, Lukas, 200, sieht ein zusätzliches Argument für lk Redaktion darin, dass Jesus auf die Behauptung der politischen Vollmacht des Satans über die Reiche der Welt nicht eingeht. Dieses Motiv scheint in den Text eingeschoben zu sein. 32 Zit. nach P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Matthäus, 149. 33 Vgl. H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas, BHTh 17, Tübingen 1954, 135. 34 Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 641.
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Nach K. RENGSTORF will der Satan durch das Verlangen einer Huldigung nur erreichen, dass er die Erde als „Weltherrscher“ besitzt. Der Herrscher der oberen Welt bleibt unbestreitbar Gott. Das Wachsen der Königsherrschaft Gottes in dieser Welt bedeutet den Sturz des Satans als Herr der Welt (vgl. Lk 10,18). Die Anerkennung des Satans als Weltherrscher bedeutet eine „Hemmung ihrer Ausbreitung“.35 U. LUZ weist darauf hin, dass RCUCL VCL DCUKNGKCL VQW MQUOQW im MtEv der DCUKNGKC VYP QWXTCPYP gegenübersteht, die Jesus und der Täufer verkünden (vgl. Mt 4,17; 3,2).36
Nach G. THEISSEN wird der Satan in der Versuchungsgeschichte von Lk für das Römische Reich transparent, wenn er als Weltherrscher göttlichen Status und entsprechende Verehrung für sich verlangt.37 Dem kann man zustimmen. In der Abfassungszeit des LkEv war die in der Bergversuchung von Lk erwähnte Proskynese eine Geste, welche den Kaisern entweder spontan oder wie bei Domitian auf dessen Befehl hin dargebracht wurde. Unter Domitian war es möglich, Einfluss zu gewinnen, wenn man ihn als dominus et deus verehrte. Wo das geschah, konnten die Christen im Haupte des römischen Staates nicht mehr den Wahrer des Rechtes, sondern nur noch den personifizierten Satan sehen. Die These von G. THEISSEN, welche in der Versuchungsgeschichte eine christliche Verarbeitung der Caligulakrise sieht und den Satan mit dem Kaiser Caligula identifiziert, wird von N.H. TAYLOR weiterentwickelt.38 Er betont, dass die Versuchungsgeschichte eine Polemik der Christen in Palästina gegen den jüdischen König Agrippas I. widerspiegelt und ihn als Gegenfigur Jesu darstellt: „While Agrippa obtained his kingdom through subservience to Caligula, the personification of Satan, Jesus had refused to submit to Satan, and had rejected the reward of temporal power and kingship. Agrippa is the antitype of Jesus. Whereas Jesus was condemned by the Jewish hierarchy, executed by the Romans, and exalted by God, Agrippa was revered by the Jewish people, crowned by the Romans, and would be destroyed by God“.39
Nicht nur die Ablehnung der Weltherrschaft durch Jesus ist das Thema dieser Versuchung, sondern viel mehr die Anbetung des einen und einzigen Gottes. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Geschichte in der Zeit vor dem jüdischen Aufstand eine kritische Funktion gegen den Zelotismus bekommen hat.40 Nach H. SCHÜRMANN geht es aber bei der Bergversuchung nicht um die politische Messiasherrschaft, sondern um die Anbetung des Teufels. „Alle Reiche der Welt“ sollen nur als „Köder“ dienen. Bezeichnend ist, dass der Teufel Jesus aus freien Stücken das zu sein ver35
Vgl. K.H. RENGSTORF, Lukas, 53. Vgl. U. LUZ, Matthäus, 1/1, 159, Anm. 2. 37 Vgl. G. THEISSEN, Religion, 116. 38 Vgl. N.H. TAYLOR, The Temptation of Jesus on the Mountain: A Palestinian Christian Polemic against Agrippa I, JSNT 83 (2001), 27–49, 27. 39 N.H. TAYLOR, The Temptation, 49. 40 Vgl. U. LUZ, Matthäus, 1/1, 162. 36
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spricht, was Christus durch die Mühsal seines geschichtlichen Lebens und Wirkens werden soll.41 Im MtEv wird das noch deutlicher als im LkEv: Mit dem Wort des Teufels im Anfang des Evangeliums korrespondiert das Wort des Auferstandenen an seinem Ende: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18).42 Es ist auffallend, dass Lk in seinem Versuchungsbericht von einer Proskynese vor dem Satan spricht. In den Vorstellungen der Urgemeinde konnte die Geste der Proskynese zwei Assoziationsbereiche hervorrufen. Im weltlichen Verständnis war sie als Akt der Huldigung mit der Verleihung von Herrschaft verbunden. Zugleich diente sie aber als Ausdruck jener unbedingten Hingabe und Gebundenheit, die Gott allein zukommt.43 Dieser Doppelsinn des RTQUMWPGKP macht das versucherische Moment den Adressaten des LkEv deutlich. Im lk Doppelwerk hat der Begriff RTQUMWPGY immer auch religiösen Sinn. Die Proskynese ist bei Lk Gott vorbehalten und erst nach seiner Auferstehung kommt sie Jesus zu (vgl. Lk 24,52). In den Paralleltexten zu Mt 8,2; 9,18 und Mk 5,6; 15,19 ersetzt Lk jedes Mal das Wort RTQUMWPGY durch andere Formulierungen. Wenn die Proskynese bewusst vor jemand anderem als Gott vollzogen wird, wird sie nach Lk zum Götzendienst (vgl. Act 7,43). Petrus weist z.B. Cornelius zurecht, der ihn über Gebühr durch Proskynese verehrt (vgl. Act 10,25f).44 Im Evangelium verwendet Lk diesen Begriff zweimal, und zwar nur in der Versuchungsgeschichte. Jesus weigert sich, vor dem Satan niederzufallen (vgl. Lk 4,7f).45 R. MORGENTHALER weist darauf hin, dass die Proskynese im Orient allen als Götter verehrten Herrschern dargebracht wurde. Je weiter die Römer in den Orient vordrangen, um so öfter kam es vor, dass auch den Caesaren auf diese Weise gehuldigt wurde, ob sie es wollten oder nicht. Die Apokalypse des Johannes zeigt, dass gerade die Proskynese im Kaiserkult für die Christen zu einem Prüfstein, zum articulus stantis et cadentis ecclesiae, wurde. In der Apokalypse wird von der Proskynese in den Abschnitten gesprochen, die eindeutig von Rom und dem Kaiser reden (vgl. Apk 13,4.8.12.15).46 (Von der Proskynese als kultischem Gestus ist das Niederfallen als Ausdruck einer Bitte in extremer Not zu unterscheiden. Diese Situation liegt bei unseren Texten aber nicht vor).
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Vgl. H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 212. Vgl. E. LOHMEYER, Versuchung Jesu, 641. 43 Vgl. ebd., 641. 44 Vgl. R. MORGENTHALER, Roma, 295. 45 Vgl. D. RUSAM, Das Alte Testament, 93. Zu der Aussage des Satans „Wenn du niederfällst und mich anbetest, mir huldigst“ führt H.L. STRACK/P.BILLERBECK, Matthäus, 153, ein Beispiel aus Schab 105b Bar an: „So ist es der Kunstgriff des bösen Triebes (= Satan): heute sagt er zu einem Menschen: Tue das! u. morgen sagt er: Tue das! bis er ihm sagt: Diene den Götzen! u. der Mensch geht hin u. tut es [..]“. 46 Vgl. R. MORGENTHALER, Roma, 295. 42
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Die falsche Apotheose
Bei Lk ist das Imperium Romanum kein Unrechtsstaat per se. Lk kann es auch positiv beschreiben. In ihm gibt es sowohl gute als auch schlechte Beamte. Die Frage ist, wie neben dieser empirischen Bewertung die Bewertung des Staates als Satansstaat stehen kann, die eine radikale mythologische Kritik beinhaltet. Vielleicht steht hinter der Bergversuchung die Vorstellung, dass die Weltherrschaft den Römern als translatio imperii übergeben ist? Vielleicht will die mythologische Interpretation sagen, dass das Imperium Romanum nur vorübergehend der Bereich der satanischen Herrschaft ist. Denn, wenn dem Satan die Weltherrschaft von Gott „gegeben würde“, kann sie ihm auch wieder „genommen“ werden. Die Einstellung der christlichen Gemeinde gegenüber der Staatsmacht ist nach Lk klar: Solange der Staat fordert, was des Kaisers ist, kommt es zu keinem Konflikt zwischen ihm und den Gläubigen. Sobald der Staat aber fordert, was Gottes ist, die Anbetung durch Proskynese, kommt es unausweichlich zum Konflikt.47 Unter solchen Umständen kann die christliche Gemeinde in der Staatsmacht nur noch das Antlitz dessen sehen, der um den Preis der Proskynese schon ihren Kyrios zu Fall bringen wollte.48 Jesus erscheint bei der Versuchung und der Taufe als derjenige, der die Absichten des Teufels erfüllen oder durchkreuzen kann. Dabei hängt von seinem Entschluss nicht nur die Entscheidung über sein eigenes Schicksal ab, sondern auch das des Teufels und aller Reiche der Welt. Mit der Ablehnung der Apotheose des Satans äußert Jesus seine Bereitschaft zum unbegrenzten Vertrauen zu Gott dem Vater. Jesus nimmt nur, was Gott ihm gibt, „mag es der Anteil an seiner Herrlichkeit oder aber das Kreuz sein“.49
4.2 Die Vergöttlichung des Herodes Agrippa I. (Act 12,21–23): Die kritisierte Apotheose eines Herrschers Die Vergöttlichung des Herodes Agrippa I. „Am festgesetzten Tag nahm Herodes im Königsgewand auf der Tribüne Platz und hielt vor ihnen eine feierliche Ansprache. Das Volk aber schrie: Die Stimme eines Gottes, nicht eines Menschen! Im selben Augenblick schlug ihn ein Engel des Herrn, weil er nicht Gott die Ehre gegeben hatte. Und von Würmern zerfressen, starb er.“ (Apg 12,21–23) 47
Mit Recht ist P. MIKAT zu dem Ergebnis gekommen, dass im lk Doppelwerk die „grundsätzliche Loyalität gegenüber dem Staat“ Hand in Hand mit ihrer „unaufhebbaren Begrenzung“ geht: „Denn die Christen, die Gott die Doxa schulden, für die Christus ‚Kyrios‘, ‚Soter‘ und ‚Soterion‘ ist, müssen dann mit der politischen Gewalt in Konflikt geraten, wenn diese Anspruch auf das erhebt, was Gottes und nur Gottes ist.“ Vgl. P. MIKAT, Lukanische Christusverkündigung und Kaiserkult. Zum Problem der christlichen Loyalität gegenüber dem Staat, in: J. Listl (Hg.), Religionsrechtliche Schriften, SKRA 5/2, Berlin 1974, 828. 48 Vgl. R. MORGENTHALER, Roma, 303. 49 Vgl. K.H. RENGSTORF, Lukas, 53.
Die Vergöttlichung des Herodes Agrippa I.
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„De morte persecutorum“ („vom Tod der Verfolger“) hieß eine später beliebte christliche Gattung, an die Lk mit seiner Erzählung vom Tod des Herodes Agrippa I. in Act 12 denken lässt.50 Den Hintergrund und Rahmen bildet bei Lk der Bericht über die Ausbreitung des Evangeliums und der Feindschaft gegen die Christen. Kurz nach Beginn der Zusammenarbeit von Barnabas und Saulus (Act 11,25f und 11,29f) fängt Herodes an, die Christen in Jerusalem zu verfolgen. Unmittelbar nach dem Bericht vom Ende des Herodes Agrippa I. wird die Erzählung von der Missionsarbeit des Barnabas und Saulus fortgesetzt (Act 12,25). Damit bildet der Erzählstoff von der Ausbreitung der Botschaft Gottes einen gut erkennbaren Rahmen, in den die Szene von der Vergöttlichung und vom Tod des Herodes eingefügt wird. Die Apotheose geschieht im jüdischen Land, in Cäsarea, in der Hauptresidenz des Agrippa,51 in einer Stadt, die immer wieder Spannungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bürgern erlebt hatte. In der Zeit des römischen Prokurators Gessius Florus führten die Spannungen zu blutigen Unruhen und haben die jüdischen Freiheitskriege gegen die Römer ausgelöst. Unter Kaiser Vespasian wurde Cäsarea zur römischen Kolonie mit begrenztem Rechtsstatus. Unter Alexander Severus hat sie den Titel einer Metropolis erworben.52 Vom Tod des Herodes Agrippa I. in Caesarea berichten sowohl der Evangelist Lk (Act 12,20–23) als auch Josephus (Ant 19,343–352). Der Verlauf der Ereignisse ist bei Lk und Josephus grundsätzlich derselbe, nur Details weichen voneinander ab. Im Unterschied zu Josephus flicht Lk die Herodesgeschichte in seinen Bericht über die Urgemeinde ein. Dadurch bekommt sie bei ihm eine besondere Deutung. Wahrscheinlich fügt Lk in Act 12 drei für die Urgemeinde wichtige Überlieferungen zu einer literarischen Einheit zusammen: Die Geschichte von der Hinrichtung des Zebedaiden Jakobus, von der Befreiung des Petrus und vom Tod des Herodes in Cäsarea.53 50
Vgl. E. PREUSCHEN, Die Apostelgeschichte, HNT 4/1, Tübingen 1912, 75. Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 191. 52 Vgl. M. GÖRG, Art. Cäsarea, NBL 1 (1991), 361–362, 361. 53 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 186. Nach A. WEISER, Die Apostelgeschichte, ÖTK.NT 5/1, Gütersloh/Würzburg 1981, 283, ist Act 12,1–23 eine planvoll angelegte kompositorische Einheit in drei Teilen: (1) Act 12,1–10: Bericht vom Befreiungswunder an Petrus; (2) Act 12,11– 17: Bericht über dessen Auswirkung auf Christen, auf Petrus und die Gemeindeglieder im Haus Marias; (3) Act 12,18–23: Bericht über Auswirkungen auf Nichtchristen, auf die Soldaten und Herodes. Nach E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 373, ist die Komposition von Act 12 symmetrisch: Die zwei Herodesgeschichten, seine Verfolgung und sein Tod, werden von zwei Sätzen über die Hin- bzw. Rückreise des Barnabas und Saulus gerahmt. Dazwischen liegt das zweigeteilte Kernstück des Kapitels: die Befreiung des Petrus (V.5–11) und dessen Wiedersehen mit der Gemeinde (V.12,12–17). Die zwei Schwerpunkte sind die Rettung des Petrus einerseits und der Tod des Herodes andererseits. Dadurch werden diese beiden Personen zu Gegenspielern. 51
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Die falsche Apotheose
Die Herodesgeschichte wird von Lk mit der Petruserzählung in den Act (vgl. 3,1–10; 9,32–43; 10,1–11,18) eng verknüpft. Von Herodes Agrippa I. berichten die Rahmenstücke der Petrusgeschichte in 12,1–4 und 12,20–23. Am Beginn (12,1f) ist sie mit dem Bericht über die Verfolgung der Gemeinde in Jerusalem und über die Hinrichtung des Zebedaiden Jakobus durch Herodes Agrippa I. verbunden, am Schluss (12,20–23) mit dem Bericht von der Vergöttlichung und dem Straftod des gottlosen Herrschers.54 Die Petruserzählung55 scheint ihrerseits eine besondere Einfügung in die lk Erzählung über die Kollekte der Antiochener für die Jerusalemer (Act 11,27–30 und 12,24f) zu sein.56 Eingebettet in die Gemeindegeschichte, weist der lk Bericht vom plötzlichen Tod des Herrschers (12,20–23) unübersehbar darauf hin, dass sein Tod die Strafe für das Vorgehen gegen die Christen, konkret gegen die Apostel Jakobus und Petrus (12,1–4.5.6.11.19), ist.57
Man muss beachten, dass Lk alleine indirekt durch seine Komposition in Act 12 den Tod des Agrippa als göttliche Strafe für die Christenverfolgung deutet, indem er am Anfang die Hinrichtung des Jakobus erzählt und am Ende den Tod dessen, der für diese Hinrichtung verantwortlich war, schildert. Direkt sagt er es aber nicht mit eigenen Worten. Das könnte darauf hinweisen, dass Lk eine jüdische und keine christliche Quelle über den Tod S.R. GARRETT, Exodus, 660, sieht bei der Befreiungsgeschichte von Petrus einen engen Zusammenhang mit dem Exodus-Gedanken im lk Doppelwerk. Die wunderbare Befreiung von Petrus und der anschließende Tod des Herodes seien Widerspiegelung eines kosmischen Geschehens, der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu und dem anschließenden Fall des Satans (S.R. GARRETT, Exodus, 670). 54 Vgl. R. PESCH, Apostelgeschichte, V/1, 360. Nach H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 79, ist die lk Fassung der Herodesgeschichte die „verkürzte Wiedergabe einer ausführlicheren (schriftlichen) Version“. Durch Verkürzung seien Einzelheiten wie die „Stellung des Blastus, Verlauf der Verhandlung, Bedeutung des Gewandes und Motivierung des Zurufs der Menschenmenge“ undeutlich geworden. 55 H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 77, nennt Act 12,3–10 eine in sich geschlossene Personallegende, die im Wesentlichen von Lk unversehrt erhalten ist und in Act 5,18–23 eine Dublette hat. 56 B.W. LONGENECKER, Lukas Aversion to Humps and Hollows: The Case of Acts 11.27– 12.25, in: NTS 50 (2004), 185–204, 197, weist darauf hin, dass Act 11,27–12,25 eine von Lk bewusst geplante Struktur zeigt. Die Unterbrechung in der Erzählung über Barnabas und Paulus (11,27–30/12,25) durch die Geschichte von Petrus (12,1–24) sei nicht mit einem historischen Interesse von Lk verbunden, sondern mit seiner Absicht, literarisch überzeugend den Übergang vom petrinischen zum paulinischen Teil des Buches zu schaffen. Durch diesen Übergang werden Petrus und Paulus als gleich wichtig behandelt und müssen nicht einander den Platz räumen. 57 Nach J. ZMIJEWSKI, Die Apostelgeschichte, RNT 5, Regensburg 1994, 472, dürften die Verfolgungen und der Tod des Königs bereits vor der „Kollektenreise“ der beiden Antiochener stattgefunden haben. Es handle sich um eine „eingeschobene, geschichtlich zurückgreifende Episode“. Lk habe zeigen wollen, dass die Gemeinden von Jerusalem und Antiochia trotz aller Unterschiede in der Verfolgung zusammenhielten. Für die Einheit und Solidarität sprächen die Reihenfolge und der Zusammenhang der Ereignisse: Die Jerusalemer haben Barnabas nach Antiochien gesandt, er bringt mit Saulus zusammen eine Kollekte und steht in der Stunde der Verfolgung der Gemeinde bei. Lk wollte zeigen, dass die Verfolgung und der Tod des Verfolgers die Ausbreitung des Wortes Gottes nicht gehindert, sondern gefördert haben. Vgl. ebd., 473.
Die Vergöttlichung des Herodes Agrippa I.
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des Herodes vor sich hatte.58 Wahrscheinlich war diese jüdische Quelle Herodes-freundlich: Es wird nicht gesagt, dass Herodes göttliche Verehrung verlangt. Nur weil er sie von Nichtjuden duldet, trifft ihn die göttliche Strafe. Nach D.R. SCHWARTZ beinhaltet das kleine Fragment vom Tod Agrippas Act 12,20–23 vier Wörter, die sonst nirgendwo im NT vorkommen: SWOQOCEGY, VCMVQL, UMYNJMQDTYVQL, FJOJIQTGY.59 Da die ersten drei Worte bei Philo (In Flaccum 108) belegt sind, weisen sie auf eine jüdische Quelle, nicht aber primär auf Josephus. Nach dieser jüdischen Tradition verursachen die Ansprüche auf göttliche Verehrung bei Agrippa I., ähnlich wie bei Gaius Caligula, den Zorn Gottes, und Agrippa wie Flaccus (In Flaccum 170–175) erkennen die Gerechtigkeit der göttlichen Strafe.60 Abgesehen von der besonderen kontextbedingten Deutungstendenz bei Lk stimmen Lk und Josephus darin überein, dass Herodes Agrippa starb, weil er sich als Gott verehren ließ.61 Sowohl bei Lk als auch bei Josephus erlag Agrippa der Versuchung des von den Juden verurteilten Herrscherkultes.62 Josephus erzählt, dass Herodes Agrippa sich nach Caesarea zu Schauspielen begab, in der Zeit, in der die Festtage für das Wohlergehen des Kaisers gefeiert wurden (Ant 19,343).63 Da Josephus den Namen des Kaisers nicht nennt, für dessen UYVJTKC die Festspiele in Cäsarea veranstaltet wurden, gibt es keinen sicheren Anhaltspunkt für das Datum von Agrippas Tod. Es könnte sich um Wettkämpfe zu Ehren des Claudius oder Augustus handeln.64 Früh am Morgen des zweiten Tages ist Herodes im Theater, die ersten Strahlen der Sonne beleuchten das Silber auf seinem Gewand und der schimmernde Glanz des Silbers ist so stark, dass die Leute erschaudernd ihre Augen von ihm abwenden müssen (Ant 19,344). In diesem Moment erfolgt in der Erzählung des Josephus der Akt der Vergöttlichung: Die Schmeichler nennen Herodes einen Gott und erklären laut, dass sie in Zukunft ein überirdisches Wesen in ihm verehren werden (Ant 19,345). Ihnen wird keine taktische Überlegung unterstellt. 58
Vgl. D.R. SCHWARTZ, Agrippa I. The Last King of Judaea, TSAJ 23, Tübingen 1990, 146. Vgl. ebd., 147. 60 Vgl. ebd., 149. Bei Josephus (Ant 19,347) erkennt Agrippa I. seine Untat, das NT weiß davon nichts. 61 Vgl. S. MASON, Flavius Josephus und das Neue Testament, Tübingen/Basel 2000, 165. 62 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 188. 63 Diese Spiele wurden in Cäsarea damals alle fünf Jahre pro salute Caesaris gefeiert. Vgl. H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 79. Sie gehörten zum staatlichen Kaiserkult. Vgl. E.M. SMALLWOOD, The Jews under Roman Rule. From Pompey to Diocletian, SJLA 20, Leiden 1976, 187. 64 Vgl. M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus zwischen Damaskus und Antiochien. Die unbekannten Jahre des Apostels, WUNT 108, Tübingen 1998, 380. Das Datum des Todes ist umstritten. D.R. SCHWARTZ, Agrippa, 145, setzt dass Datum des Todes im Oktober 43 an. M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 369, vermuten, dass das richtige Datum Anfang 44 war. 59
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Die falsche Apotheose
Nur Lk stellt als Hintergrund des folgenschweren Auftretens des Herodes Agrippa in Cäsarea, bei dem die Vergöttlichung geschah, ein Problem im politisch-wirtschaftlichen Bereich dar. Nach Act 12 waren die Beziehungen zwischen dem König Herodes Agrippa I. und den Tyrern und Sidoniern höchst gespannt: Der König hatte einen Groll65 auf sie, die Tyrer und Sidonier waren aber wirtschaftlich vom König abhängig und wollten Frieden mit ihm schließen (Act 12,20). Den Grund der von Lk nur im Vorbeigehen erwähnten gespannten Beziehungen zwischen Herodes und den Bewohnern von Tyros und Sidon kann man nur erraten.66 Die Hafenstädte Tyros und Sidon gehörten zur Landschaft Syrophönizien und zur römischen Provinz Syrien. Aus der lk Erzählung kann man schließen, dass Herodes einen Wirtschaftskrieg gegen die beiden Städte im benachbarten Syrien führte. Vielleicht hatte er ein Handelsembargo über sie verhängt. Phönizien erzeugte nicht genügend Getreide und war deswegen auf Zufuhr angewiesen.67 Der Wirtschaftskrieg könnte aber auch durch die Konkurrenz der phönizischen Häfen mit Cäsarea verursacht sein.68 Die strukturelle Abhängigkeit Phöniziens von Palästina in der Lebensmittelversorgung könnte man schon in 1 Reg 5,23 und in Ez 27,17 angedeutet finden. Trotzdem ist der von Lk berichtete aktuelle Konflikt zwischen Herodes und den Städten Tyros und Sidon sonst nirgendwo in den Quellen belegt.
Auf jeden Fall ist die Stimmung des Volkes am Tag, an dem König Herodes seine Entscheidung in der Streitfrage öffentlich verkündigen soll, höchst gespannt. Als Herodes Agrippa vor dem Volk auftritt, vergöttlicht es den König, indem es in schmeichlerischer Absicht schreit, dass es Gottes Stimme sei, die sie nun hören: SGQW HYPJ MCK QWXM CXPSTYRQW (Act 12,22).69 H.-J. KLAUCK macht darauf aufmerksam, dass gerade der Hinweis auf die göttliche Stimme des Königs in Act 12,22 versteckte scharfe Kritik seitens des Lk am Kaiser65
SWOQOCEGY in Act 12,20 bedeutet heftig zürnen. Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 742. Nach Josephus war die Einstellung der Bewohner von Tyros ausgeprägt judenfeindlich. Es kam mehrmals zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, auch während des jüdischen Krieges (vgl. Bell 2,478; Ant 14,313317.321). Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 81. 67 Vgl. E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 79. 68 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 371. Ein weiterer Hintergrund der Erzählung vom Tod des Herodes I. Agrippa könnte die Erinnerung daran sein, dass Tyros wegen eines peinlichen Streites, den Agrippa dort mit seinem Schwager Antipas gehabt hatte (vgl. Ant 18,147–150), dem König verhasst war (E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 79). 69 SGQW HYPJ (in der Handschrift D HYPCK) MCK QWXM CXPSTYRQW in Act 12,22 kann übersetzt werden mit: „Das ist der Ausspruch eines Gottes und nicht eines Menschen.“ Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 1737. Es handelt sich hier um die Verehrung der Person, die an ihrer Stimme als göttlich erkannt wird und nicht um die Verehrung der Stimme selbst, die in der Antike auch bekannt war. Vgl. H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 80. Mehr Klarheit über das Motiv des Zurufs will eine Lesart in D schaffen, in der am Anfang von Act 12,22 geschrieben steht: MCVCNNCIGPVQL FG CWXVQW VQKL 6WTKQKL... „Bei Gelegenheit seiner Versöhnung mit den Tyrern ...“. Die Menge wird durch die Milde des Königs und durch den Gedanken an den Gewinn begeistert und huldigt dem König mit übergroßer Ehre (E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 79). 66
Die Vergöttlichung des Herodes Agrippa I.
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kult beinhaltet, die bei einem aufmerksamen Leser nicht unbeachtet bleiben konnte. Die „schöne Stimme“ als Grund zur Akklamation gab es nämlich zur Zeit von Kaiser Nero, der wie Herodes Agrippa ein unehrenhaftes, frühes Ende nahm. TACITUS berichtet, dass es bei Nero ständig Begleiter gab, die „Tag und Nacht lärmenden Beifall erschallen ließen, indem sie die schöne Gestalt des Fürsten und seine Stimme mit Götternamen belegten.“ (Tacitus, Ann. XIV 15,5).70 DIO CASSIUS schreibt: „Nachdem der Kaiser so, begleitet von den Soldaten, den Rittern und den Senatoren, durch den Zirkus und über das Forum gezogen war, stieg er zum Kapitol empor und begab sich von dort in seinen Palast. Die ganze Stadt aber war mit Girlanden geschmückt, während die gesamte Bevölkerung und besonders laut gerade die Senatoren im Chore riefen: ‚Heil dir, Olympiasieger, heil, pythischer Sieger! Augustus! Heil Nero, unserem Herkules! Heil Nero, unserem Apollo! Der einzige Sieger der Großen Tour! Der einzig Eine vom Beginn der Zeit! Augustus! Augustus! Göttliche Stimme! Selig, welche dich hören dürfen!‘“ (Cass. Dio 67(68),20,4–6).71
In Act 12,23 wird der König im selben Augenblick, in dem er vom Volk als Gott verehrt wird und auf der höchsten Stufe der Ehre zu sein scheint, von dem Engel des Herrn „geschlagen“ und stirbt durch eine unerklärliche Krankheit. So folgt nach Lk der Vergöttlichung von Herodes unmittelbar der Eingriff Gottes. Unter anderem lässt Lk in seiner Geschichte vertraute Motive der jüdischen Tradition wiedererkennen: Wie in Dan 3,95 LXX befreit Gott selber Petrus, indem er seinen Engel aussendet und ihn „herausreißt“ aus „der Hand“ (vgl. Ex 18,4) des Herodes, wie er die Väter aus Ägypten „herausgerissen“ hat (Act 7,10.34). In beiden Fällen steht eine Form von GXZCKTGY.72 Bezeichnend ist, dass Lk durch seine Erzählung nahe legt, Herodes sei durch den Schlag desselben Engels gestorben, der Petrus befreit hatte (Act 12,7 und 12,23). Beide Male wird von Lk für die Handlung des Engels dasselbe Verb RCVCUUY verwendet.73 Nach J. ZMIJEWSKI hat die Herodesgeschichte einen für Strafwundergeschichten kennzeichnenden Aufbau: Die Vorgeschichte des Todes (V.20), der unmittelbare Anlass des Todes, das prunkvolle Auftreten des Herodes, seine göttliche Verehrung durch das Volk (VV.21f) und der Tod selbst als Strafgericht Gottes (V.23).74
70 Vgl. H.-J. KLAUCK, Magie und Heidentum in der Apostelgeschichte des Lukas, SBS 167, Stuttgart 1996, 56–57. 71 Der Text aus DIO CASSIUS wird oben nach H.-J. KLAUCK, Magie, 57, zitiert. 72 Vgl. R. PESCH, APOSTELGESCHICHTE, V/1, 365. 73 Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 1280. 74 Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 469. S.R. GARRETT, Exodus, 676, sieht in der Geschichte des Herodes eine Anspielung auf die ironischen Klagelieder über gefallene Könige in Jes 14 und 28–32, die eine göttliche Stellung für sich beansprucht hatten. In Jes 14,10–14 sagen die Mächtigen der Welt:: „ ‚Auch du bist schwach geworden wie wir, und es geht dir wie uns. Deine Pracht ist herunter zu den Toten gefahren samt dem Klang deiner Harfen. Gewürm wird dein Bett sein und Würmer deine Decke.‘ Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie wurdest du zu Boden geschlagen, der du alle Völker niederschlugst! Du aber gedachtest in deinem
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Die falsche Apotheose
Die Beschreibung des Herodes-Todes bei Lk folgt der Art und Weise, in der auch sonst in der Antike der Tod von Gottesverächtern geschildert wurde.75 Auch der Tod des Judas in Act 1,18f ist in ähnlicher Weise dargestellt. In der Handschrift D wird der Text von Act 12 noch weiter ausgemalt mit dem Motiv, dass Herodes noch bei lebendigem Leib von Würmern verzehrt wurde.76 In Jos. Ant 17,169 und in Bell 1,656 werden vergleichbare Qualen bei der Erzählung vom Tod Herodes des Grossen geschildert. In seinem Bericht vom Tod des Herodes Agrippa I. (Ant 19,343–352) erwähnt Josephus den Wurmfrass zwar nicht, schreibt aber von einem heftigen Leibschmerz, der nach fünf Tagen im königlichen Palast den Tod des Herodes herbeiführte. Seine Darstellung deutet auf eine Blinddarm- oder Bauchfellentzündung.77 Vielleicht benutzt er keine wunderhaften Züge in seinem Bericht, weil seine Quelle den vom Volk geliebten Fürsten nicht als von Gott geschlagen zeichnen wollte. Anstatt des „Engels des Herrn“ bringt Josephus die Legende vom Erscheinen eines „religiös gleichsam neutralen Schicksalsvogels“, eines Uhus.78 JOSEPHUS selbst aber formuliert den Anlass des Todes für die Leser seiner Geschichte mit deutlichen Worten: Der König starb, weil er die Schmeichelei, die eindeutig gottlos (CXUGDJL) war, nicht zurückwies (Ant 19,346). Nach JOSEPHUS erkennt Herodes Agrippa im Angesicht des Todes die Gerechtigkeit der Strafe vor seinen Freunden an und bekennt, dass er nur ein sterblicher Mensch sei, der nicht würdig ist, als Gott verehrt zu werden.79 Dass Lk diesem, auch von ihm angedeuteten Grund des Todes noch durch seine Komposition die Strafe für die Christenverfolgung hinzufügt, kann man gut verstehen, wenn man die ganze Geschichte aus seiner Herzen: ‚Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen, ich will mich setzen auf den Berg der Versammlung im fernsten Norden. Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten.‘ Ja, hinunter zu den Toten fuhrest du, zur tiefsten Grube.“ 75 Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 469. Die Todeskrankheit „Wurmfraß“ wird z.B. bei Herodot 4,205 beschrieben, wo Pheretime eines schlimmen Todes stirbt: Noch zu Lebzeiten wimmelt ihr Körper von Maden. Das wird als Strafe Gottes für ihre übertriebene Rachsucht erklärt. In Pausanias IX 7,2 füllt sich der Leib Kassanders mit Wasser und die Würmer kommen aus ihm hervor. Vgl. A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/1, 286. 76 Die Handschrift D liest: MCVCDCL CXRQ VQW DJOCVQL IGPQOGPQL UMYNJMQDTYVQL GVK \YP MCK QW=VYL (GXZG[WZGP): „und er stieg von der Tribüne herab, wurde noch lebend von Würmern zerfressen, und so starb er“. Diese Lesart erlaubt daran zu denken, dass der Tod des Herodes „nicht auf der Stelle eintrat“. Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 100, Anm. w. 77 Vgl. E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 79. 78 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 373. 79 Vgl. Jos. Ant 19,347: QB SGQL WBOKP GXIY, HJUKP, JFJ MCVCUVTGHGKP GXRKVCVVQOCK VQP DKQP, RCTCETJOC VJL GKBOCTOGPJL VCL CTVK OQW MCVG[GWUOGPCL HYPCL GXNGIEQWUJL QB MNJSGKL CXSCPCVQL WBH8 WBOYP JFJ SCPGKP CXRCIQOCK, FGMVGQP FG VJP RGRTYOGPJP, J^ SGQL DGDQWNJVCK MCK ICT DGDKYMCOGP QWXFCOJ^ HCWNYL, CXNN X GXRK VJL OCMCTK\QOGPJL NCORTQVJVQL.
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theologischen Perspektive anschaut.80 Es gibt aber auch historische Tatsachen, die eine solche Sicht aus der lk Zeitgeschichte heraus verständlich machen. Man kann historisch verständlich machen, warum Herodes Agrippas I. die Christen verfolgte. Wie die meisten Herrschenden, die nicht an Christenverfolgungen interessiert waren, hatte Herodes Agrippa I. nur situative Gründe, die ihn zum Verfolger werden ließen.81 Sie sind mit dem Lebenslauf Agrippas und mit den politischen Umständen im Römischen Reich verbunden. Herodes Agrippa I. erschien auf der Bühne der politischen Ereignisse in der Zeit kurz vor der Caligula-Krise und hat dadurch eine besondere Rolle in der jüdischen Geschichte spielen können. J. ROLOFF nennt ihn „eine der schillerndsten Gestalten im damaligen politischen Kräftespiel der östlichen Provinzen des Römerreiches.“82 Herodes Agrippa I. (10 v.Chr. bis 44 n.Chr.) war der Enkel Herodes des Grossen, Sohn des Aristobulos und der Berenike, Schwager des Herodes Antipas.83 Herodes Agrippa I. hatte ein leichtsinniges Abenteuerleben geführt, bis er im wörtlichen Sinne aus dem Gefängnis auf den Thron geriet: Herodes` kaiserlicher Freund Caligula (37–41) befreite ihn aus der Gefangenschaft, verlieh ihm 37 n.Chr. den Königstitel und gab ihm die Tetrarchien des Philippus und Lysanias (Batanäa, Abilena). Um 40 n.Chr. fügte er auch das Gebiet des Antipas (Galiläa, Peräa) hinzu. Als Dank für die Beteiligung an seinem Aufstieg und seiner Wahl zum Kaiser84 verlieh Claudius (41–54) Herodes Agrippa I. 41 n.Chr. dazu noch Judäa mit Samaria, das seit 6 n.Chr. von römischen Prokuratoren verwaltet worden war.85 Die Er80 Schon G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 101, vertritt die These, dass die Verknüpfung der Herodes-Legende mit dem Befreiungswunder an Petrus sekundär ist, weil Act 12,22f den Tod als göttliche Strafe für den Übermut des Herrschers versteht. Nur der heutige Gesamt-Kontext lässt seinen Tod als Strafe für seine Verfolgertätigkeit erscheinen. 81 Vgl. G. THEISSEN, Die Verfolgung unter Agrippa I. und die Autoritätsstruktur der Jerusalemer Gemeinde. Eine Untersuchung zu Act 12,1–4 und Mk 10,35–45, in: U. Mell/U.B. Müller (Hg.), Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte, Berlin/New York 1999, 263–289, 271. Dass die Verfolgung nicht sein ureigenes Anliegen war, beweist schon bei Lk die Tatsache, dass Agrippa die Wachsoldaten des Petrus zwar hinrichten ließ (vgl. Act 16,27; 27,42), der Angelegenheit mit Petrus aber nicht weiter nachging. Vgl. M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 380. 82 J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 185. 83 M. GÖRG, Art. Agrippa, NBL 1 (1991), 62. Lk kennt in seinem Werk verschiedene „Herodes“, nämlich Agrippa I. und „Agrippa“ (II). In der rabbinischen Tradition wird mehrfach ein König Agrippa erwähnt (z.B. in Bik 3,4; Bik 2,10 (102)/LvR 3 (107a); Midr Ps 22 §31/Sota 7,8). Es wird nicht konkretisiert, ob von Agrippa I. oder Agrippa II. die Rede ist. Da Herodes Agrippa I. der pharisäischen Partei nahe stand, vermutet man aber, dass Agrippa I. gemeint ist. Er genoss die Sympathie des Volkes. Vgl. P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Das Evangelium nach Markus, Lukas und Johannes und die Apostelgeschichte, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 2, München: Beck 21956, 709. 84 Vgl. E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 75. 85 Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 460.
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weiterung des Herrschaftsgebietes war nicht nur eine Dankbarkeitsgeste, sondern auch ein Versuch, das durch die Caligula-Krise erschütterte Judäa zu beruhigen.86 Als jüdischer König herrschte Herodes Agrippa I. 41–44 über das ganze Reich seines Großvaters Herodes des Grossen. Sein Urgroßvater Antipas war Edomiter. Auch wenn Herodes Agrippa nach drei Generationen als Jude betrachtet werden durfte, ist es nicht ausgeschlossen, dass seine Herrschaft von vielen als „heidnische“ Herrschaft empfunden wurde. Die Legitimität seines Königtums war umstritten.87 Es ist daher kein Wunder, dass sowohl nach Lk als auch nach Josephus Herodes Agrippa I. sich die Gunst des jüdischen Volkes sichern musste. Bei Lk lässt Agrippa in Act 12 Petrus gefangen setzen, weil er weiß, dass schon die Hinrichtung des Jakobus „den Juden gefiel“. Das in den Act erwähnte Paschafest war eine politisch günstige Gelegenheit für die Demonstration einer pro-jüdischen Haltung. Jerusalem war voll von Festpilgern und es herrschte dabei immer eine gesteigerte öffentliche Sensibilität. Nach Lk plante Herodes Agrippa, Petrus nach dem Fest aburteilen zu lassen. Es wäre ein propagandistisch wirksamer Schauprozess gewesen.88 Bei der von Lk erzählten Verfolgungsaktion unter Herodes Agrippa I. wird aber als Todesopfer namentlich nur Jakobus, der Bruder des Zebedaiden Johannes, genannt. Nur hier wird im NT direkt über die Hinrichtung eines Apostels berichtet.89 Auch wenn der Bericht von seinem Tod ganz knapp ist,90 ist diese Ausnahme verständlich: Jakobus war der erste aus dem Zwölferkreis, der den Märtyrertod erlitt. Sein Märtyrertod prägte sich bestimmt dem Gedächtnis der christlichen Gemeinde ein. Über einen Prozess gegen Jakobus hören wir nichts. Das lässt vermuten, dass hier von einem „gesetzlos- willkürlichen Vorgehen des Christenverfolgers“ Herodes Agrippa die Rede sein soll.91 In Mk 10,38f wird das Schicksal des Jakobus und des Johannes durch die Metaphern für Konflikt, Verfolgung und Tod – „Schwert“, „Kelch“ und „Taufe“ angedeutet.92 Sowohl Act 12,1ff als auch 86
Vgl. M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 370. Vgl. G. THEISSEN, Verfolgung, 270, Anm. 14. 88 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 189. 89 Vgl. A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/1, 289. 90 Die Kürze des Berichtes lässt mehrere Erklärungen zu. Vielleicht ist die Hinrichtungsnotiz des Jakobus in Act 12 ursprünglich ein Bestandteil der Petrusgeschichte gewesen, mit der Funktion, die Spannung der Erzählung zu steigern (G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 361). Vielleicht ist sie die Verkürzung eines längeren Martyriumsberichts. Einen ausführlichen Martyriumsbericht hatte Lk schon bei Stephanus gegeben (J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 185–187). Die Kürze des Berichtes ist aber grundsätzlich nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass Lk auch den Tod Johannes des Täufers im Vergleich zum MkEv sehr kurz wiedergibt (G. THEISSEN, Verfolgung, 264, Anm. 2). 91 Vgl. R. PESCH, Apostelgeschichte, V/2, 363. 92 Vgl. G. THEISSEN, Verfolgung, 264. 87
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Mk 10,35ff beziehen sich traditionell auf die Verfolgung unter Herodes Agrippa I.: Act 12,1ff ist eine kurze historiographische Notiz, Mk 10,35ff eine Komposition aus älteren Traditionen mit einem vaticinium ex eventu in der Mitte.93 Dass Herodes Agrippa I. gerade Jakobus aus dem Weg räumen ließ, bestätigt die besondere Stellung des Jakobus in der christlichen Gemeinde.94 Um die öffentliche Stimmung zu „testen“, brauchte Herodes Agrippa einen bekannten und bedeutenden Vertreter der Gemeinde.95 Vielleicht war es eines der Ergebnisse der Verfolgung, dass das Leitungsgremium der Urgemeinde, die Apostel, zurücktraten. Die Leitung der Gemeinde ging auf jeden Fall immer mehr auf den Herrenbruder Jakobus (vgl. 1 Kor 15,7; HebrEv) und das Ältestengremium über (erwähnt Act 11,30).96 Die Hinrichtung des Jakobus mit dem Schwert zeigt, dass Herodes, der ansonsten in seiner Politik Pharisäern entgegenkam, nicht das ‚mosaische‘ Strafrecht anwandte, sondern als Klientelkönig der Römer das ius gladii ausgeübt hat. Nach jüdischem Recht wäre Jakobus gesteinigt worden.97 Bei Juden wurde die Enthauptung mit dem Schwert nur bei Mördern und bei Bürgern einer verführten Stadt geübt (Sanh 9,1).98 Diese Details beleuchten eine charakteristische Tendenz in den Handlungen des Herodes: Er bemühte sich, es beiden Seiten, der jüdischen und der heidnischen, recht zu machen, hinterließ aber eben deswegen ein schillerndes Bild.99 J. ROLOFF nennt das Leben und das Wirken des Herodes Agrippa I. eine „virtuos praktizierte Schaukelpolitik“: „Außenpolitisch gab er sich als moderner hellenistischer Herrscher und als willfähriger Parteigänger des Kai93
Vgl. ebd., 288. Vgl. F. MUSSNER, Apostelgeschichte, NEB 5, Würzburg 1984, 72. 95 Vgl. M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 374. 96 Vgl. ebd., 383. G. THEISSEN, Verfolgung, 263, weist darauf hin, dass die Verfolgung unter Agrippa I. eine Krise für die Urgemeinde bedeutete, durch die eine Entwicklung hin zu neuen Autoritätsstrukturen in der Urgemeinde beschleunigt wurde. An die Stelle des Personalcharismatikers Petrus trat in Jerusalem der Herrenbruder Jakobus, der seine Autorität dynastisch und funktional legitimieren konnte (Act 15,13ff; 21,18ff). Das gewaltsame Vorgehen des Agrippa bewirkte darüber hinaus eine generelle Umorientierung in der Urgemeinde. Es gab „Impulse zu neuen, weiter gespannten missionarischen Aktivitäten“ (M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 394). Ein positives Ergebnis war der intensivierte Kontakt zwischen geflohenen Jerusalemer Christen mit den jungen gemischten oder überwiegend heidenchristlichen Gemeinden außerhalb des Heiligen Landes (ebd., 388). 97 Vgl. G. THEISSEN, Verfolgung, 268 und M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 375. 98 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 188. 99 Nicht ohne Erfolg versuchte Herodes Agrippa das Vertrauen der Juden zu gewinnen. Seine Treue zu den jüdischen Sitten war aber nur eine Fassade. In seinem Herzen hatte die römische Ausbildung tiefe heidnische Spuren hinterlassen. Herodes Agrippa I. war nicht von „pharisäischer Frömmigkeit erfüllt“. In seiner Stellung als König genoss Herodes gerne „Bankette, Luxus und Pracht“. „Schließlich starb er nach einem wahrhaft glanzvollen Auftritt, der nicht gerade von strenger Rechtgläubigkeit zeugt“ (M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 377, Anm. 1558). 94
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sers, innenpolitisch jedoch tat er alles, um seine Verbundenheit mit den traditionsbestimmten Kräften des Judentums unter Beweis zu stellen. So gewann er die Zuneigung der Pharisäer und damit auch die des von ihnen beherrschten Volkes.“100 Opfer seines Bemühens, sowohl bei Juden als auch bei Heiden in Ansehen zu stehen, waren die Christen. G. THEISSEN nennt die Ursachen, welche Agrippa veranlassten, die kleine Minorität der Christen zu verfolgen:101 1. Nach der Caligulakrise strebte der Kaiser Claudius in seiner Religionspolitik nach Sicherung der traditionellen Lebensweise von Juden und Heiden. Wenn Agrippa I. diese Politik durchsetzen wollte, wurde die christliche Minorität zum Problem, weil sie durch Abweichung vom traditionellen Lebensstil Unruhe schaffen konnte. 2. Durch die Christenverfolgung konnte Agrippa I. Einfluss und Ansehen bei der sadduzäischen Aristokratie des Landes gewinnen. An der christlichen Botschaft von der Auferstehung Jesu und an der Kritik am Tempel haben insbesondere die Sadduzäer Anstoß genommen. Agrippa I. war dem Sadduzäismus gegenüber sehr positiv eingestellt. Er hat sogar einen sadduzäischen Hohepriester eingesetzt. 3. Agrippa I. hatte nach Philo (LegGai 197–337) und Josephus (Ant 18,256–309) bei der Überwindung der Caligulakrise eine wichtige Rolle gespielt, indem er sich für den Tempel eingesetzt und ihn „gerettet“ hat. Als ein gefeierter Beschützer des Tempels wollte er auch weiter streng gegen Tempelkritiker vorgehen. Die Tempelweissagung Jesu wurde immer wieder gegen Christen ausgespielt (vgl. Mk 14,56–58; Act 6,13f). Christen erwarteten in der Tat wesentliche Änderungen am Tempel, insofern sie den Heiden Zugang zum Tempel zu ermöglichen hofften (vgl. Mk 11,17).102 Daher wurden aber die Christen oft zu „Sündenböcken“ und „Blitzableitern“ des Zorns im Volk über alle Tempelkritiker. Die diplomatischen Bemühungen von Herodes Agrippa zur Verständigung von Juden und Heiden haben ihm dennoch keinen guten Ruf hinterlassen. Die jüdischen Untertanen behaupteten nach dem Tod des Herodes Agrippa, er sei als Gottesfeind gestorben, die heidnischen Untertanen vergalten ihm seine „Wohltaten“ dadurch, dass sie die Statuen seiner Töchter in Bordellen aufstellten.103
100 101 102 103
Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 186. Vgl. G. THEISSEN, Verfolgung, 274–280. Vgl. G. THEISSEN, Lokalkolorit, 175. Vgl. M. HENGEL/A.M. SCHWEMER, Paulus, 377.
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Bei Lk wird die Apotheose von Herodes Agrippa als falsche Apotheose dargestellt. Sie wird durch den Erzähler korrigiert, die Korrektur führt aber in der Erzählung niemanden zur Umkehr. Ein wichtiges Argument gegen die Vergöttlichung des Herodes Agrippa bildet die implizit in der lk Erzählung enthaltene Feststellung, dass der Mensch ein sterbliches Wesen ist: Er kann trotz gesellschaftlicher Stellung, Macht und Möglichkeiten seinem eigenen Schicksal nicht entrinnen. In der Geschichte über König Antiochus in 2 Makk 9,12 lässt der Erzähler den König noch vor dem Tod seine Überheblichkeit bereuen und erkennen: „Ein sterblicher Mensch sollte sich Gott unterordnen und nicht meinen, er wäre ihm gleich.“ Sehr wahrscheinlich war dieser Gedanke Lk und vielen Adressaten seines Werkes vertraut und ließ über das Schicksal von Gaius, Herodes Agrippa I. oder Domitian nachdenken, die alle eines außergewöhnlichen, plötzlichen Todes gestorben waren.104 Nur Gott darf göttliche Ehre beanspruchen. Selbst Gottes Sohn Jesus hat sie nicht von allen akzeptiert. Die Annahme der Apotheose durch Agrippa scheint bei Lk ein Gegenbild zur Ablehnung der Akklamation Jesu durch die Dämonen zu sein (Lk 4,41). Sie ist darüber hinaus vor allem ein Gegenbild zur Apotheose des Petrus durch den heidnischen Hauptmann Cornelius. Beide Apotheoseszenen finden in Caesarea statt. Der Leser weiß, dass dort schon einmal ein gottesfürchtiger Heide sein Verhalten korrigiert hatte. Der jüdische König hätte sich (theoretisch) an dem Apostel ein Beispiel nehmen können, der die Apotheose des Cornelius zurückgewiesen und sich dazu bekannt hatte, dass er ein Mensch wie alle anderen ist. Stattdessen verfolgte Herodes Agrippa den Apostel. Auch wenn bei Lk Herodes Agrippa selbst die Vergöttlichung nicht fordert, sondern nur akzeptiert, wird dem Leser der Geschichte klar: Seine Einstellung ist falsch gewesen, er hat einen gottlosen Frevel zugelassen. Dass Herodes Agrippa ein jüdischer Herrscher war, macht den Zwischenfall mit der Apotheose aus der Sicht des Lk umso schlimmer. Ein Jude hätte über den einen und einzigen Gott Bescheid wissen müssen. Gerade deswegen wird diese Apotheose so hart bestraft: durch das Eingreifen Gottes selbst.
104 P. MIKAT, Christusverkündigung, 827, fasst es treffend zusammen: „Zwar wird bei Lukas die römische Herrscherapotheose nicht unmittelbar angesprochen; das hätte sich auch schwerlich mit der apologetischen Tendenz der lukanischen Schriften in Einklang bringen lassen. Aber wenn die Act Gottes Strafgericht über den Herrscher erzählt, der nicht Gott die Doxa gab, so handelt es sich hier um die generelle Ablehnung der im Osten üblichen Deifikation des Herrschers.“
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4.3 Die Vergöttlichung des Paulus und Barnabas in Lystra (Act 14,8–20): Eine kritisierte Apotheose der Apostel Die Vergöttlichung des Paulus und Barnabas „In Lystra war ein Mann, der von Geburt an gelähmt war; er saß ohne Kraft in den Füßen da und hatte nie gehen können. Er hörte der Predigt des Paulus zu. Dieser blickte ihm fest ins Auge; und da er sah, daß der Mann darauf vertraute, gerettet zu werden, rief er laut: Steh auf! Stell dich aufrecht auf deine Füße! Da sprang der Mann auf und ging umher. Als die Menge sah, was Paulus getan hatte, fing sie an zu schreien und rief auf lykaonisch: Die Götter sind in Menschengestalt zu uns herabgestiegen. Und sie nannten den Barnabas Zeus, den Paulus aber Hermes, weil er der Wortführer war. Der Priester des «Zeus vor der Stadt» brachte Stiere und Kränze an die Tore und wollte zusammen mit der Volksmenge ein Opfer darbringen. Als die Apostel Barnabas und Paulus davon hörten, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen unter das Volk und riefen: Männer, was tut ihr? Auch wir sind nur Menschen, von gleicher Art wie ihr; wir bringen euch das Evangelium, damit ihr euch von diesen nichtigen Götzen zu dem lebendigen Gott bekehrt, der den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen hat und alles, was dazugehört. Er ließ in den vergangenen Zeiten alle Völker ihre Wege gehen. Und doch hat er sich nicht unbezeugt gelassen: Er tat Gutes, gab euch vom Himmel her Regen und fruchtbare Zeiten; mit Nahrung und mit Freude erfüllte er euer Herz. Doch selbst mit diesen Worten konnten sie die Volksmenge kaum davon abbringen, ihnen zu opfern. Von Antiochia und Ikonion aber kamen Juden und überredeten die Volksmenge. Und sie steinigten den Paulus und schleiften ihn zur Stadt hinaus, in der Meinung, er sei tot. Als aber die Jünger ihn umringten, stand er auf und ging in die Stadt. Am anderen Tag zog er mit Barnabas nach Derbe weiter.“ (Act 14,8–20)
Den Rahmen der Geschichte von Paulus und Barnabas in Lystra bilden dynamische und emotional expressive Erzählungen des Lk, in denen er die Verkündigung des Evangeliums und auch die Reaktion auf diese Verkündigung schildert. Vor den Ereignissen in Lystra werden die Erlebnisse der Apostel in Antiochien und Ikonien dargestellt. In Antiochien in Pisidien hat die Predigt des Paulus in der Synagoge einen Konflikt hervorgerufen. Die Juden widersprachen den Aposteln, verlästerten die Botschaft (Act 13,45) und hetzten die führenden Leute der Stadt gegen Paulus und Barnabas auf, so dass sie festgenommen und aus der Stadt ausgewiesen wurden (Act 13,50). Die ablehnende Einstellung der Juden ist für Lk einer der Gründe dafür, dass Paulus und Barnabas mit dem Evangelium zu den Heiden gehen (Act 13,46). In Ikonien rief die Rede der Apostel lebendige Resonanz hervor. Sowohl Juden als auch Nichtjuden kamen zum Glauben. Von denen aber, die sich nicht überzeugen lassen wollten, wurde ein Anschlag gegen Paulus und Barnabas geplant. Die Apostel wurden gezwungen, nach Lystra zu fliehen (Act 14,6).
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Lystra steht bei Lk für eine Wende in seiner Erzählung: Den Anfang der Heidenmission. Lystra105 war eine Stadt in Lykaonien, etwa vierzig Kilometer südlich von Ikonium. 6 v.Chr. wurde sie unter Augustus die östlichste Militärkolonie in Pisidien und hieß Colonia Julia Felix Gemina Lustra.106 Seit 41 n.Chr. war sie Grenzstadt der römischen Provinz Galatien. Die Erzählung der Act setzt voraus, dass in Lystra keine jüdische Gemeinde mit Synagoge existierte, obwohl es auch dort Juden gab (vgl. Act 16,1–3).107 Nach Lk waren die Einwohner von Lystra Heiden.108 Sie beteten die griechischen Götter an, hatten einen Zeus-Tempel vor der Stadt, kannten den Opferkult (Act 14,13) und sprachen ihre lykaonische Sprache (Act 14,11). Aus dem Text geht hervor, dass die Bevölkerung von Lykaonien wie in den meisten Teilen der hellenistischen Welt außerhalb Griechenlands zweisprachig war.109 Auf dieser „Bühne“, auf heidnischem Boden im Römischen Reich, lässt Lk ein spannendes Ereignis geschehen, bei dem die Apotheose von Menschen im Mittelpunkt steht. Die Erzählung wirkt einheitlich, obwohl sie Merkmale aufweist, die an eine Zusammenstellung von unterschiedlichem Traditionsgut denken lassen.110 Schon die Textüberlieferung hat nachträg105 .WUVTC wird außer Act 14,6.8.21 auch in Act 16,1.2; 27,5 und in 2 Tim 3,11 erwähnt. An drei Stellen gilt .WUVTC als Plural: In Act 14,8; 16,2 und 2 Tim 3,11. Der Ortsname Lystra wird vom Verfasser der Act verschieden gebraucht, z.B. als Akkusativform .WUVTCP in Act 14,6.21 und Act 16,1, als Dativform .WUVTQK9 aber in Act 14,8 und Act 16,2. Vgl. F. BLASS/A. DEBRUNNER/F. REHKOPF, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 171990, §57,2. 106 Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 157, Anm. 12. 107 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 409, Anm. 1. 108 D.PH. BÉCHARD, Paul outside the walls: a study of Luke’s socio-geographical universalism in Acts 14:8–20, Rom 2000, 431, macht auf den sozio-geographischen Horizont der Ereignisse in Lystra aufmerksam. Lk schildert die Atmosphäre in einem von den Zentren der Kultur wie Athen weit entfernten Ort. Die Apostel haben die Aufgabe, unter den Landbewohnern in Regionen an der Grenze der bewohnten Welt das Evangelium zu verkündigen. 109 Das Fortleben der Volkssprachen, wie es die Act voraussetzt, ist sogar für viel spätere Zeit belegt, z.B. für Galatien unter anderem von Hieronymus. Neben der einheimischen Sprache verstanden alle die griechische. Nach Lk wurde Paulus von dem Gelähmten in Lystra verstanden. Da die Einheimischen lykaonisch sprachen, verstanden aber offensichtlich Paulus und Barnabas die Absicht der Menschenmenge nicht gleich, als sie sich vorbereitete, ihnen als Göttern zu opfern (E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 408). 110 Es gibt in der Lystra-Episode Brüche im Text: Die Aktionen der Juden gegen die Missionare (Act 14,19) sind so wenig motiviert wie das plötzliche Auftreten von Jüngern (Act 14,20) ohne vorherige Gründung einer Gemeinde. Nach J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 214, ist eine Personallegende, in deren Mittelpunkt Paulus steht (Act 14,19f), schlecht in den Kontext eingefügt. Nach G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 304, wurde die Lystra-Episode in den Pisidien-Lykaonien-Bericht eingearbeitet. Die Heilung in Lystra setzt nur Paulus voraus, während der Schluss mit Barnabas und Paulus rechnet. Da die Reihenfolge Barnabas-Paulus unlukanisch ist, muss man damit rechnen, dass die Heilungsgeschichte schon vorliterarisch im Blick auf das Delegatenpaar umgestaltet worden ist. Ein weiterer kleiner Hinweis auf eine Überarbeitung ist die ungewöhnliche Wortstellung in Act 14,8: GXP .WUVTQK9 trennt CXFWPCVQ9 von dem zugehörigen VQK9 RQUKP. Könnte die Ortsangabe nachträglich in eine ursprünglich unlokalisierte Geschichte eingeführt worden sein? E.
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lich die Verbindung zwischen verschiedenen Teilen durch Zusätze verstärkt.111 Nach J. ROLOFF hat Act 14,8–20 Material verschiedener Art und Herkunft aufgenommen: Erstens eine ältere Missionslegende (Act 14,8–14), zweitens eine lk Redekomposition (Act 14,15–17) und drittens eine traditionelle Pauluslegende (Act 14,19f).112 G. SCHNEIDER nennt die verschiedenen Elemente, die in der Episode in Lystra zu erkennen sind, „traditionelle Bausteine“. Nach ihm sind das: Erstens die Erzählung von der Heilung des Lahmen (Act 14,8–11a), zweitens Grundmotive der Missionspredigt vor Heiden (Act 14,15b–17) und drittens eine phrygische Sage von der Erscheinung eines Götterpaares (Act 14,11b–18). Für die Pauluslegende in Act 14,19f kann man eine Traditionsgrundlage in 2 Tim 3,11 sehen.113
Von den einzelnen „Bausteinen“ dominiert die Rede der Missionare (Act 14,15–17) in der Gesamtperikope Act 14,8–20. Rein formal ist sie der Wunderheilungserzählung untergeordnet. Nach J. ROLOFF hat die kurze Wundergeschichte nur die Bedeutung einer Exposition der Apotheoseszene, die ohne solche Vorbereitung nicht verständlich wäre. Diese enge Verbindung einzelner Teile der Geschichte ist ein Argument dafür, Act 14,8–14 als Einheit zu betrachten.114 Die Heilungsszene in Act 14, ist gattungsgemäß aufgebaut. Sie enthält alle wichtigen kompositionellen Elemente einer Wundergeschichte: Exposition, Mitte und Schluss.115 In der Exposition (VV. 8f) kommt die Vorstellung des Kranken (V. 8a) und die Charakterisierung seiner Krankheit vor (V. 8b.c)116 sowie der Auftritt des Wundertäters HAENCHEN, Apostelgeschichte, 408, meint dagegen, dass die Beziehung zu Lykaonien durch Act 14,11 gegeben ist. Auch R. PESCH, Apostelgeschichte, V/2, 54, bringt Argumente für eine Einheitlichkeit der Überlieferung: Die Aktionen der in Lystra lebenden Juden (vgl. Act 16,1f) gegen die Missionare waren nicht unmotiviert, wenn man annimmt, dass die in ländlichen Gebieten wohnenden Juden von den städtischen Synagogen in Antiochia und Ikonion abhängig waren. Auch ist das Auftreten von Jüngern in Act 14,20 vorbereitet. Nach Act 14,7 predigten die Apostel in den Städten Lykaoniens, Lystra und Derbe. Das setzt eine längere missionarische Wirksamkeit und wahrscheinlich einen missionarischen Erfolg von Barnabas und Paulus voraus. 111 Der Übergang von Act 14,8–18 zu Act 14,19f ist abrupt. Mehrere Handschriften versuchen, durch eine längere oder kürzere Einschaltung den Bruch zu glätten. Die Handschriften C D E al haben in Act 14,19 eingeschoben: FKCVTKDQPVYP FG CWXVYP MCK FKFCUMQPVYP. Die Handschriften C und mehrere Minuskeln versuchen zusätzlich, den plötzlichen Umschwung der Volksmenge zu erklären: FKCVTKDQPVYP FG CWXVYP MCK FKFCUMQPVYP GXRJNSCP VKPG9 X,QWFCKQK CXRQ 8,MQPKQW MCK 8$PVKQEGKC9 MCK FKCNGIQOGPYP CWXVYP RCTTJUKC GRGKUCP VQW9 QENQW9 CXRQUVJPCK CXR8 CWXVYP NGIQPVG9 QBVK QWXFGP CXNJSG9 NGIQWUKP CXNNC RCPVC [GWFQPVCK. Nach H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 89, sind solche Varianten „verschiedene Formen schlechter Paraphrase“. 112 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 213. 113 Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 155. 114 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 213. 115 Vgl. G. THEISSEN, Wundergeschichten, 82. 116 Im Vergleich mit den anderen Parallelstellen ist dieser Mann wie der von Act 3,9 von Geburt an gelähmt (EYNQ9 GXM MQKNKC9 OJVTQ9 CWXVQW), anders als der von Act 9,33. Vgl. G. STÄHLIN,
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(V. 9a), die Kontaktaufnahme durch den fixierenden Blick und die Feststellung des Glaubens an die Rettung. Im Zentrum der Wundergeschichte stehen das Heilungswort (V. 10a),117 die Konstatierung und die Demonstration der Heilung (V. 10b). Im Schlussteil (VV. 11f) finden sich die Motive der Beglaubigung der Heilung (V. 11a) sowie der Akklamation (V. 11b.c) und der Admiration (V. 12).
Die Erzählung über die Heilung des Kranken in Lystra hat die nächsten Parallelen in der Heilung des Gelähmten durch Petrus am „Schönen Tor“ des Tempelvorhofs (Act 3,1–10) und in der Heilung des Gelähmten durch Petrus in Lydda (Act 9,32–35).118 Die Person des Gelähmten wird in Act 14,8–12 nicht näher vorgestellt. Hier hat Lk absichtlich mit Farben gespart, indem er die Angaben über den Kranken und seine Vorgeschichte auf das „absolut nötige Minimum“ beschränkt hat.119 Er berichtet auch nicht, was nach der Heilung mit dem Gelähmten geschieht. Für Lk steht das Wunder im Mittelpunkt und nicht die Person, an der es sich vollzieht. Um die Aufmerksamkeit auf das Ereignis zu lenken, bleibt auch der Hintergrund der Heilungsszene im Dunkeln: Es ist nicht gesagt, ob der Kranke am Stadttor oder am Eingang des Zeustempels saß, ob er ein ständiger Bettler war oder von den Angehörigen dorthin gebracht wurde, um die Apostel zu hören. Das Besondere bei der Gestalt des Gelähmten ist, dass Apostelgeschichte, 191. H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 8, meint, dass die Vielzahl der Angaben über die Länge und Schwere der Krankheit („ohne Kraft“, „lahm vom Mutterschoss an“, noch nie „umhergegangen“) bei dem Gelähmten in Act 14,8 „manieriert“ wirkt. In den Handschriften D gig fehlt z.B. in der Tat EYNQ9. Es wurde sehr wahrscheinlich nach CXFWPCVQ9 als unnötig empfunden. Man kann aber der Meinung zustimmen, dass das Gebrechen des Lahmen in dreifacher Form, in der die Häufung beschwerlicher Momente der Steigerung dienen (vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 304), beschrieben sind, damit die Größe des kommenden Wunders deutlich hervortritt. Das Leiden des Mannes wird eindeutig als unheilbar beschrieben. Vgl. A. WIKENHAUSER, Die Apostelgeschichte. Das Neue Testament übersetzt und kurz erklärt, Bd. 5, Regensburg 21951, 133 und G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 157. Durch die Beschreibung des hoffnungslosen Falles wird auch die übersteigerte Reaktion auf das große Wunder mit Apotheoseszene (Act 14,11f) vorbereitet (R. PESCH, Apostelgeschichte, 56 und E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 408, Anm. 4). 117 In Act 14,10 wird die Redeweise des Apostels Paulus als laut beschrieben. Im Großen und Ganzen ist HYPJ OGICNJ für den Verfasser der Act ein beliebter Ausdruck. Man findet ihn in Act 7,57.60; 8,7; 16,28; 26,24 und in Lk 4,33; 8,28; 17,15; 19,37; 23,23.46. Vgl. E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 88. Die Wortstellung OGICNJ HYPJ in Act 14,10 kommt im NT sonst nur in Act 16,28 und 26,24 vor. 118 Die Berührungen mit dem Text in Act 3,2–10 haben zu der Annahme geführt, dass der Verfasser mit Act 14,8–12 Paulus und Petrus parallelisieren wollte. Aber die Übereinstimmung zwischen beiden Erzählungen beruhen auf typischen Zügen der Gattung Wundergeschichte (H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 87). Deshalb ist eine Nachbildung der früheren petrinischen Wundererzählung unwahrscheinlich (E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 408, Anm. 7). Ferner sind Berührungen mit dem Text in Lk 5,17–26 festzustellen. Der Verfasser könnte eine Parallele zum Wirken Jesu hergestellt haben, um den apostolischen Dienst als Fortsetzung des charismatischen Wirkens Jesu in nachösterlicher Zeit darzustellen (J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 533) 119 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 216.
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Paulus bei ihm gleich merken kann,120 dass er nach dem Hören121 der Verkündigung das feste Vertrauen hat, gerettet zu werden: GEGK RKUVKP VQW UYSJPCK (Act 14,9).122 Diese kleine Bemerkung ist für Lk die Voraussetzung für das kommende Wunder. An dieser Stelle bringt Lk die erzählte Zeit für einen Moment zum Stehen, indem er Details aufleuchten lässt: Paulus sieht den Gelähmten fest an (CXVGPKUC9)123 und befiehlt ihm mit lauter Stimme, aufzustehen.124 Und der Gelähmte wird gesund. Manche Handschriften (C D E al) lassen die Heilung des Kranken wie in Act 3,6 durch den Namen Jesu geschehen, indem der Apostel Paulus zu dem Gelähmten sagt: UQK NGIY GXP VY QXPQOCVK X,JUQW &TKUVQW. Bei einer solchen Nennung des Jesusnamens würde aber das Missverständnis der Hörer unmöglich, dadurch verlöre die ganze Geschichte ihre Pointe.125 Vielleicht fehlt aus demselben Grund die Geste der Proskynese im Unterschied zu Act 10,25; 16,29. An dieser Geste hätten Paulus und Barnabas die Verirrung der Heiden trotz mangelnder Sprachkenntnisse erkennen können und es wäre nicht zum Opfern gekommen.126 Das Missverständnis ist für die Apotheoseszene in Lystra wesentlicher: In ihrer Begeisterung über das Wunder meinen die Bewohner von Lystra in Paulus und Barnabas die Gestalten ihrer Götter zu erkennen. Hier wird unübersehbar, dass es sich in Lystra um Heiden handelt, die eine grundsätzlich andere Vorstellung von Göttern hatten als die Juden von ihrem Gott.
120 Laut der Erzählung hat der Apostel Paulus hier eine besondere Gabe, den Glauben in einem Menschen zu sehen, so wie Jesus im Menschen sah, was sich dem Blick der anderen entzieht (vgl. Mt 9,4; 12,25; Lk 6,8; 9,47; Joh 2,25). 121 Hier ist wahrscheinlich ein gläubiges Hören gemeint. So wird das auch in der Handschrift D angedeutet durch die Einfügung „voller Furcht“. 122 Besonders deutlich hat der Verfasser die Tatsache herausgehoben, dass der Glaube die nötige Voraussetzung für die Rettung und die Heilung ist. Dieser Gedanke kommt im lk Doppelwerk oft vor (Lk 5,20; 8,48; 17,19; Act 3,16). Man muss aber beachten, dass RKUVKP VQW UYSJPCK in Act 14,9 nicht nur im Sinne des subjektiven Vertrauens zu deuten ist, sondern als Glauben im Hinblick auf das objektive Heil – ähnlich wie in Lk 7,50; 8,48; 17,19; Act 3,16 (Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 157). 123 CXVGPKUC9 ist Aorist Partizip von CXVGPK]Y, hier mit Dativ, und bedeutet „gespannt auf etwas oder jemanden hinsehen“ (W. BAUER, Wörterbuch, 240). G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 395, nennt das „Starren“, die für die magische Wirkung entscheidende Blickverbindung, die er auch in Act 3,4 und Act 13,9 sieht. 124 Der machtvolle Anruf des Apostels: „Stelle dich aufrecht auf deine Füße!“ – CXPCUVJSK GXRK VQW9 RQFC9 UQW QXTSQ9 erinnert sehr stark an die Worte, durch die Gott Ezechiel berief (vgl. Ez 2,1). Nach A. WIKENHAUSER, Apostelgeschichte, 133, liegt aber in einem lauten, energischen Befehl eine „gewisse Kraft der Suggestion, so dass der Kranke in solchem Fall unwillkürlich gehorcht und etwas tut, was er bisher noch nie getan hat“. Auch wenn das Wunder hier keine Heilung durch Suggestion war, konnte Paulus zusätzlich dieses natürliche Mittel bei der Heilung anwenden. 125 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 408, Anm. 8. 126 Vgl. ebd., 410, Anm. 4.
Die Vergöttlichung des Paulus und Barnabas
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Nach J. ROLOFF ist es der Sinn dieser Episode zu zeigen, dass es oft Schwierigkeiten gab, weil die christlichen Missionare nach dem Modell der heidnischen Wandermissionare und Gottesmänner beurteilt wurden, die anscheinend mit den physischen Kräften der Gottheiten erfüllt waren.127 Da bei solch einem Modell die Grenze zwischen Gott und Mensch fließend war, haben die in der jüdischen Gottesvorstellung verwurzelten Christen abweisend reagiert. Für sie war es die Ursünde des Heidentums, nicht zwischen der Gottheit und den irdischen Manifestationen ihres Wirkens zu unterscheiden. Der Verfasser der Act hat dieses missionarische Grundproblem in einer in den Einzelheiten unhistorischen Modellszene festgehalten.
Die Erklärung, warum die Einheimischen die beiden jüdischen Wunderheiler so schnell für Götter halten konnten, liegt nicht nur darin, dass in der damaligen Zeit solche Gottesmänner zum religiösen Alltag gehörten. Im Grunde ist die Apotheoseszene in Act 14,8–20 eins der anschaulichsten Beispiele für den Zusammenstoß des jüdischen Glaubens mit der Kraft des Volksglaubens und mit der allgemein verbreiteten Bereitschaft des antiken Menschen, „mit dem Erscheinen von Gottheiten in Menschengestalt zu rechnen“.128 Gerade in der Gegend von Lystra hat eine phrygische Sage vom greisen Ehepaar Philemon und Baucis fortgelebt, bei denen Zeus und Hermes einst in Menschengestalt eingekehrt waren. Diese Sage findet sich bei Ovid, Metamorphosen, VIII 611–724.129 Die Bewohner von Lystra konnten das von ihnen erlebte Wunder so verstehen, dass sich der alte Mythos von den Göttern, die in Menschengestalt auf der Erde handeln, in ihrer Gegenwart verwirklichte. Mit den griechischen Mythen gut vertraut, glauben nach Lk die Leute in Barnabas den Göttervater Zeus und in Paulus den Götterboten Hermes zu erkennen.130 Die Apotheose der Apostel geschieht daher auf Grund des 127
Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 214. M. CLAUSS, Kaiser, 19. Nach M. CLAUSS lebte der antike Mensch des Mittelmeerraumes mit der „Vorstellung auf Erden anwesender Gottheiten“. 129 Vgl. OVIDIUS, Metamorphosen, München 91980, 306–311. 130 Nach O. BAUERNFEIND, Die Apostelgeschichte, ThHK 5, Leipzig 1939, 182, meinten die Leute von Lystra in Barnabas Zeus zu erkennen, weil er besonders machtvoll wirkte. Nach H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 88, ist die Überordnung des Barnabas jedoch nur scheinbar, weil ihn die Gleichsetzung mit Zeus zum „Statisten“ macht. Auch J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 213, meint, dass die Erklärung in Act 14,12 für die Rollen beider Missionare künstlich ist. Nach ihm wurde Barnabas einst als der große Missionar gezeichnet, der in vorbildlicher Weise typische Situationen der Heidenmission durchsteht. Die Diskussion wird noch spannender dadurch, dass die Handschriften D gig h syp am Anfang von Act 14,14 nur CXMQWUC9 FG %CTPCDC9 MCK 2CWNQ9 lesen: QKB CRQUVQNQK ist in diesem Fall weggelassen. Man hat einst Anstoß daran genommen, dass die Apostelbezeichnung für den zuerst genannten Barnabas verwandt wurde (G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 154). Möglicherweise lauteten die Namen, die man den Aposteln gab, auf lykaonisch ganz anders als in Griechisch. Bei Zeus könnten die Einheimischen an Pappas gedacht haben und bei Hermes an Men, einen anatolischen Hauptgott (E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 409, Anm. 4). Nur nach dem überall in der damaligen Welt angewandten Prinzip der interpretatio graeca wurden sie mit Zeus und Hermes gleichgesetzt (G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 192). 128
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Glaubens, dass diese Götter vom Himmel herabgestiegen sind. In der Gegend von Lystra wurden in der Tat griechische Inschriften gefunden, die gerade Zeus und Hermes zusammen nennen.131 Eine bemerkenswerte, wenn auch nur vorübergehende Rolle spielt der Priester aus dem Zeus-Tempel in der Apotheoseszene. Die Begeisterung der Menschenmenge reißt ihn mit, und er unterstützt die Vergöttlichung der Apostel.132 Seine Bereitschaft, der Menschenmenge zu folgen, verleiht dem Gesamtereignis einen erwähnenswerten psychologischen Akzent: Da ist einer, der gleich handelt, wie man es von ihm erwartet. Wollte Lk damit sagen, dass der heidnische Priester unter dem Einfluss einer Massenpsychose geglaubt habe, dass vor ihm die Götter Zeus und Hermes in Menschengestalt stünden? Oder hat Lk absichtlich an seinem Beispiel gezeigt, dass es immer Leute gibt, die bei jeder Erregung der launischen Menge mitlaufen? Oder will er zeigen, dass die Priester die Wahrheit ahnen, aber inadäquat zumAusdruck bringen? Lk erwähnt die üblichen Gegenstände und Zeichen eines religiösen Ritus, Stiere und Blumenkränze,133 und gibt dadurch zu verstehen, dass es sich nicht um eine spontane Handlung, sondern um einen rituellen Opferkult handelt. In diesem Fall hat die Apotheoseszene einen politischen Kontext: Sie gehört zum offiziellen Kult der Polis. 131
Sie gehören aber erst dem 3. Jh. n.Chr. an (E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 410, Anm. 1). Die Frage, warum Paulus mit Hermes identifiziert wurde, ist nicht leicht zu beantworten. Die am weitesten verbreitete Annahme ist, dass Paulus als überzeugender Redner den Namen des Götterboten erhalten hat. In Act 14,12 heißt Paulus QB JBIQWOGPQ9 VQW NQIQW – der Wortführer. Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 696. Da in diesem Abschnitt die für den Verfasser des lk Doppelwerkes untypische Reihenfolge Barnabas-Paulus zweimal vorkommt (vgl. Act 14,12.14), wird meist angenommen, dass dieser Geschichte eine alte in Antiochia beheimatete Barnabas-Legende zu Grunde liegt, in der Barnabas die wichtigste Rolle spielt (J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 213). 132 Es gibt Textzeugen (z.B. D gig), die in Act 14,13 mit QKB KBGTGKL die Mehrzahl bezeugen. Das würde ein Priesterkollegium meinen. Gewöhnlich war ein Tempel einem einzelnen Priester unterstellt (E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 89). Nach Meinung von E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 410, Anm. 2, weist die von D bezeugte Mehrzahl auf das Priesterkollegium eines großen griechischen Tempels und zeigt, wie die Dimensionen der Szene im Laufe der Überlieferung gesteigert wurden. Sehr wahrscheinlich befand sich der Tempel außerhalb der Stadtmauer, wie das bei Tempeln und später bei Kirchen üblich war. Der große Opferaltar stand in Griechenland in der Regel vor dem Tempel im Freien. Der Zeus-Tempel von Lystra wurde bislang nicht gefunden (Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 192). 133 Stiere (VCWTQ9) waren als Opfer im Zeuskult jener Länder üblich. Sie werden als Opfertiere aber auch im Neuen Testament erwähnt, in Hebr 9,13 und 10,4. Mit den Kränzen oder Blumengewinden (UVGOOCVC) wurden Opfertiere geschmückt. Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 158, Anm. 33.34. M. CLAUSS, Kaiser, 222–224.331, weist darauf hin, dass ein Stier als wertvolles Opfer im Römischen Reich zum öffentlich gepflegten Kult des Schutzgottes des Kaisers gehörte. Dadurch unterschied sich z.B. dieser Kult in der Hauptstadt von dem vielerorts gepflegten unblutigen Dankopfer von Weihrauch und Wein. Der Stier galt als Opfertier für die wichtigsten Götter des römischen Pantheon, darunter auch Iupiter. Vgl. a.a.O., 316. Die Darstellungen eines Stieropfers in der caserna dei vigili in Ostia verweisen auf die kultische Verehrung der Kaiser. Vgl. ebd., 337.
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Um so größere Bedeutung gewinnt dadurch die schroffe Ablehnung der Vergöttlichung durch die Apostel. Durch das Zerreißen der Kleidung, dadurch, dass sie in die Menschenmenge sprangen (Act 14,14),134 und durch die Rede des Paulus (Act 14,15–17) wird die Kritik an ihr demonstriert. Das Kleiderzerreißen war bei Juden eine Demonstration des Entsetzens angesichts einer Gotteslästerung.135 Der Sinn dieser Handlung wird den Heiden mit einer besonderen Rede Act 14,15–17 erklärt; es ist die erste wirkliche Heidenpredigt im lk Doppelwerk.136 Bemerkenswert ist, dass bei dieser „Predigt“ jedes konkrete Wort über die alttestamentliche Heilsgeschichte und auch über Jesus fehlt. Nach G. STÄHLIN kann der Verfasser der Act den Inhalt der christlichen Botschaft sehr verschieden und oft sehr unvollständig angeben (vgl. Act 10,42; 13,38): Die Ergänzung dessen, was sonst noch dazugehört, überlässt er oft dem Leser. Wozu Paulus hier aufruft, ist die Umkehr zu dem lebendigen Gott. Das war die übliche Forderung an Proselyten. Warum der Verfasser diesen Ruf zur Umkehr GWXCIIGNK\GUSCK (vgl. Act 14,15) nennt, ist nicht einfach zu beantworten. G. STÄHLIN meint, es sei selbstverständlich, dass eine solche Umkehr noch mehr umfasst.137
Das Ziel der Heidenpredigt in Act 14 ist die Zurückweisung der Apotheose und ihre Kritik.138 Aber sie weist auch auf eine neue Situation für die Predigt der Apostel hin: Die Mission wendet sich von jetzt an heidnischen Menschen zu, die vom Glauben Israels in keiner Weise berührt sind. Bisher war in den Act von gottesfürchtigen Heiden die Rede, die zwar nicht Glieder des Gottesvolkes waren, doch den monotheistischen Glauben teilten. Die Heiden, von denen von nun an die Rede ist, sind dagegen Leute, die vom Polytheismus der hellenistischen Welt geprägt sind. Die Mission musste eine neue Form der Verkündigung für sie entwickeln. Während die erste paulinische Missionspredigt vor Juden in Act 13 ausführlich mitgeteilt wird, erfahren wir von der ersten Heidenpredigt in Act 14 auffallend wenig. Vielleicht wollte der Verfasser den genaueren
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Eine Parallele ist in Jdt 14,16f zu finden, wo Bagoas aus dem Zelt herausspringt. Mit Kleiderzerreißen reagierte auch der Hohepriester, als Jesus seine vermeintliche Gotteslästerung aussprach (Mt 26,65). Nach G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 192, war diese Geste den kleinasiatischen Heiden allerdings kaum verständlich. 136 „Ein Präludium der Areopagrede“ wird sie manchmal genannt (G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 192.) oder ein „knapper Abriss der Topoi der Heidenpredigt nach lukanischer Darstellung“ (H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 89). Dagegen meint J. JERVELL, Apostelgeschichte, 377, dass es sich nicht um eine Predigt oder Rede handelt, sondern um einige polemische Sätze gegen die geplante Opferhandlung und die Abgötterei. Nach ihm sind die Worte nur dazu bestimmt, die Handlung des Zeuspriesters zu verhindern. 137 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 193. 138 Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 531. 135
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Die falsche Apotheose
Inhalt dieser Predigt der großen Szene auf dem Areopag in Act 17 vorbehalten.139 Der Inhalt der Rede ist übersichtlich dargestellt. Es wird den falschen Gottesvorstellungen, den nichtigen Götzen (VC OCVCKC) der Heiden der wahre lebendige Gott (SGQ9 \YP)140 der jüdischen heiligen Schriften gegenübergestellt, mit dem Aufruf, sich dem lebendigen Gott zuzuwenden.141 Von diesem Gott müssen die Heiden142 Folgendes wissen: Zunächst ist er ein Richter, der für die Geschichte zuständig ist. Bisher hat er die Heiden ihren eigenen (bösen) Wegen überlassen.143 Außerdem erweist er sich auch für die Heiden als Wohltäter durch Regenfälle oder Regenzeiten, die der Erde ihre Fruchtbarkeit schenken und damit den Menschen Nahrung und Freude.144
Das negative Besondere bei der Heidenpredigt und der Ablehnung der Apotheose ist, dass sie zu keiner Umkehr auf Seiten der Heiden führt. Im Gegenteil, das Ergebnis ist Feindschaft gegen die Christen. Die heidnischen Bewohner Lystras‘, welche die Apotheose vollziehen (Act 14,8–20), werden von Lk als eine leicht aufzuhetzende, sehr impulsive Menschenmenge dargestellt, die in dieser Geschichte immer im Plural von QB QENQ9 begegnet.145 Am Anfang sind sie noch keine Feinde von Paulus und Barnabas, sondern Bewunderer und Verehrer. Durch ein übernatürliches Geschehnis, die sofortige Heilung des Gelähmten, geraten sie in ekstatische Begeisterung und halten Paulus und Barnabas für die vom Himmel herabgestiegenen Götter (Act 14,11). Hier ist nochmal zu betonen, dass die Bewohner Lystras wirklich glauben, dass Götter vom Himmel herabgestiegen sind. Der Grund der Apotheose ist in diesem Fall die Unwissenheit der Heiden. Aus ihrer Perspektive verehren sie keine Menschen, sondern Götter. Paulus und Bar139
Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 414. Die Begriffe VC OCVCKC und SGQ9 ]YP sowie GXRKUVTGHGKP, die der Verfasser des lk Doppelwerkes in dieser ersten Heidenpredigt verwendet, sind nach H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 89, „Stichworte der jüdischen Missionsliteratur, welche vom Christentum aufgenommen wurden“, z.B. in Röm 1,21 und in 1 Thess 1,9f. 141 Die Handschrift P 45 erweitert in dieser Stelle: CXRQUVJPCK CXRQ MCK GXRKUVTGHGKP. 142 Am Anfang spricht der Redner von den Heiden in der 3. Person („alle Völker“), dann aber in der 2. Person Plural. Man kann hier bestimmt gewisse Parallelen ziehen zu der Redeweise in Act 17,25f. 143 Im Blick auf Act 17,30 kann man das als eine für Heiden entschuldigende Erklärung verstehen, dass Gott die Völker ihren eigenen Weg gehen ließ. Es ist bestimmt ein Gegensatz zu dem Gedanken in Röm 1,20, in dem behauptet wird, dass die Heiden gegenüber der wahren Gotteserkenntnis ohne Entschuldigung sind. Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 411. 144 Der Gedankengang in Act 14,17 ist Griechen bekannt. Schon von Sokrates wird (nach XENOPHON, mem. IV,4,3ff) bezeugt, dass er seinen Gesprächspartner auf den Gedanken gebracht habe, wie sorgfältig die Götter alles, was Menschen brauchen, vorbereitet haben und ausführen: Durch passende Jahreszeiten sind die Menschen mit Nahrung und Freude versorgt (vgl. A. WIKENHAUSER, Apostelgeschichte, 134). 145 QENQK ist ein lk Lieblingswort. Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 1214. 140
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nabas sind aber in den Augen des Lk „Boten“. Lk will dies besonders betonen. Deswegen nennt er Paulus und Barnabas nur an dieser Stelle gegen seine sonstige Gewohnheit „Apostel“: Er gibt hier nicht gedankenlos eine Quelle wieder, will auch keinen neuen Apostelbegriff benutzen, als handle es sich bei Paulus und Barnabas nur um Apostel der Gemeinden und nicht um Apostel Christi. Sie sind Apostel Gottes (Act 14,4.10). Als aber die Apotheose abgelehnt wird, verwandeln sich die Bewohner Lystras in Feinde von Paulus und Barnabas. Unter dem Einfluss der Gegnern der Apostel sind sie in ihrem glühenden Hass bereit, Paulus wie einen Verbrecher zu steinigen (Act 14,19). Von der Steinigung des Apostels Paulus wird unmittelbar nach der Szene der Vergöttlichung erzählt. Die Dynamik der Geschichte ist faszinierend: Die Gegner der Apostel, die Juden von Antiochia in Pisidien und von Ikonion, sind da. Die Menschenmenge bringen sie schnell auf ihre Seite und zusammen versuchen sie, Paulus als Gotteslästerer (vgl. Act 14,5) zu steinigen (Act 14,19).146 Dabei ist die Steinigung als Strafe in diesem Fall ein Akt willkürlicher Lynchjustiz.147 In einem ordnungsgemäßen Prozess hätte die Steinigung außerhalb der Stadt vollzogen werden müssen. Auf jeden Fall ist es ein Wunder, dass ein Mensch die Steinigung überlebt. Noch mehr: Der Erzähler behauptet, dass der Betroffene am nächsten Tag seine Fußreise fortsetzen konnte.148 Die Botschaft von Jesus Christus soll weiter verkündet werden.149 146 In den Handschriften von Minuskeln, syh.mg und mae wird der Text in Act 14,19 erweitert durch die Anklage der Juden, dass Paulus und Barnabas nichts Wahres sagen, sondern in allem lügen. 147 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 218. 148 Die Stelle, in der Paulus die Episode der Steinigung aus seinem Leben erwähnt, ist 2 Kor 11,25. Es ist auffällig, dass in diesem Zusammenhang von Barnabas keine Rede ist. Vielleicht haben die Juden ihren überlegenen Gegenspieler in Paulus erkannt? Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 195. 149 D.P. BÉCHARD, Paul Among the Rustics: The Lystran Episode (Acts 14:8–20) and Lucan Apologetic, CBQ 63 (2001), 84–101, sieht in der Geschichte von Lystra eine apologetische Absicht. Die Satire des Lucian über Peregrinus (etwa Mitte des 2. Jh. n.Chr.) zeigt, dass der Erfolg der christlichen Mission durch ihr ungebildetes, leichtgläubiges Publikum erklärt und diskreditiert werden konnte. Die Erzählung über die Mission des Paulus in Lystra hält sich an ein Schema, das auch bei DIO CHRYSOSTOMOS, Orationes 35,9f, am Ende des 1. oder Anfang des 2. Jh. erscheint. Es geht um einen Weisen, der auf Grund seiner besonderen Kraft im Denken und Reden in seinem Publikum falsche Vorstellungen über seine Identität hervorruft. Um dem entgegenzuwirken, soll der Weise zum Ausdruck bringen, dass auch er „nur ein Mensch ist“, wie die anderen. Das geschieht mit Motiven, die auch in der Lystraepisode vorkommen: (1) Er soll die Kleider zerreißen, (2) nackt auf die Straße laufen, (3) betonen, dass er nicht besser ist als die anderen, (4) sich mit Steinen oder Erdklumpen bewerfen lassen. So hat nach D.P. BÉCHARD, auch Paulus gehandelt, um zu beweisen, dass für ihn die Wahrheit und nicht billiger Ruhm bei ungebildeten Landbewohnern wichtig ist. Paulus will die Menschen auch in den von Zentren der Kultur weit entfernten Gebieten evangelisieren und nicht manipulieren.
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Die falsche Apotheose
Die Vergöttlichung der Apostel, das Thema der Lystraepisode, kann man im lk Kontext als „falsche Apotheose“ bezeichnen. Das erste und wichtigste Kriterium für diese Bewertung ist leicht zu erkennen. Es ist die Tatsache, dass die Vergöttlichung an Menschen (Paulus und Barnabas) durch Menschen, die Einwohner von Lystra und den Zeus-Priester, vollzogen wird. Die Apotheose kommt „von unten“, von Seiten der Menschen, und nicht „von oben“, von der himmlischen Seite, durch die göttliche Stimme (wie bei der Taufe Jesu, Lk 3,22) oder durch die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit (wie bei der Verklärung Jesu, Lk 9,28–36). Die Heilung des Gelähmten ist nach Lk als Zeichen von Gott zu verstehen, das er gibt, um sein Wort, die Botschaft, die Paulus und Barnabas verkündigen, zu bestätigen (Act 14,3). Die Reihenfolge der Ereignisse ist in der lk Erzählung sicherlich kein Zufall: Die Heilung des Gelähmten folgt der göttlichen Botschaft, die der Gelähmte gehört hat. Durch sie hat er den Glauben erworben, gerettet zu werden (Act 14,9). Mit der Apotheoseszene in Lystra zeigt Lk seinen Lesern, dass die besonderen Zeichen Gottes die Menschen, durch die sie geschehen, nicht übernatürlich und göttlich machen. Diese Zeichen verwandeln die Menschen nicht, sondern weisen auf die Vollmacht des Herrn, in dessen Namen die Menschen wirken. In die Rede des Apostels führt Lk absichtlich die Formulierung des Unterschiedes zwischen dem wahren Gott und den nichtigen Göttern ein. Das Kennzeichen des wahren Gottes ist, dass er der lebendige Schöpfer des Himmels und der Erde ist, der nicht nur Juden, sondern auch Nichtjuden am Leben erhält und erhalten hat. Auffallend ist die von Paulus betonte positive Einstellung Gottes zu den Menschen, eine Einstellung, die auch die Nichtjuden positiv einschließt. Nach Paulus ist Gott der gute Herrscher, der nicht durch autoritäre Machtausübung, sondern durch Zuwendung seine Größe zeigt. Hat Lk damit auch den Unterschied zwischen Gott und dem römischen Kaiser gemeint? Gerade an der Geschichte von der Vergöttlichung der Apostel in Lystra zeigt Lk, dass die Apotheose von Menschen eine falsche Vorstellung ist. Durch die Rede des Apostels Paulus zu den Einwohnern von Lystra, die mit dem Schrei (Act 14,15) beginnt: „Ihr Männer, was macht ihr da?“ (CPFTGL VK VCWVC RQKGKVG;), macht Lk deutlich, dass hier ein Missverständnis vorliegt. Das Argument des Apostels Paulus gegen die Idee der Vergöttlichung lautet ganz einfach: „Wir sind doch Menschen genauso150 wie ihr!“ (Act 14,15). Ist das nicht auch eine indirekte, scharfe Kritik an allen Menschen, die sich einbilden, mehr als andere Menschen zu sein? Auch der römische 150 QBOQKQRCSGK9 bedeutet „gleichartig, von gleichen Empfindungen, Zuständen, Erfahrungen“, in diesem Fall also „Menschen wie ihr“. Dieses Wort wird auch in Weish 7,3; 4 Makk 12,13 und Jak 5,17 verwendet. Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 1148.
Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea.
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Kaiser und die griechischen Feldherren, die durch hervorragende Eigenschaften oder durch besondere Macht eine hohe Stellung in der Gesellschaft erworben hatten und von vielen geehrt wurden, waren letztlich Menschen wie alle anderen.
4.4 Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea (Act 10,25f): Eine korrigierte Apotheose, die zur Umkehr führt Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea. „Am folgenden Tag kamen sie nach Cäsarea. Kornelius erwartete sie schon und hatte seine Verwandten und seine nächsten Freunde zusammengerufen. Als nun Petrus ankam, ging ihm Kornelius entgegen und warf sich ehrfürchtig vor ihm nieder. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch. Während er sich mit ihm unterhielt, ging er hinein und fand dort viele Menschen versammelt.“ (Act 10,24–27)
Die Szene der Begegnung von Petrus und Cornelius, bei der eine Apotheose vollzogen wird, ist von Lk sehr eindrucksvoll dargestellt und erinnert an einen königlichen Empfang, an ein Hofzeremoniell. Petrus kommt nach Cäsarea, begleitet von einem Soldaten und zwei Haussklaven des Cornelius, die nach antikem Brauch als Boten zu Petrus geschickt worden waren. Außerdem kommen einige (nach Act 11,12 sechs) Brüder, das heißt Christen, aus Joppe (Act 10,23) mit ihnen. Cornelius erwartet sie (vgl. Lk 1,21; 8,40), umringt von seinen Verwandten und Freunden, die er zu dem für ihn wichtigen Treffen zusammengerufen hat (Act 10,24).151 Bei diesem Treffen wirft sich der Hauptmann Cornelius vor Petrus nieder (RTQUMWPGY)152 und demonstriert dadurch seine Unterwürfigkeit gegenüber dem Apostel Petrus auf eine Weise, wie das in lk Zeit gegenüber dem Kaiser oder einem übernatürlichen göttlichen Wesen üblich war. In Bezug auf das Thema der Apotheose lenkt gerade die kleine Geste der Proskynese 151 Nach der Handschrift D läuft einer der Sklaven, die Petrus aus Joppe geholt hatten, voraus, um Cornelius zu benachrichtigen, bevor die Reisegesellschaft die Stadt erreicht. So eilt Cornelius dem Apostel eine längere Strecke entgegen und begrüßt ihn gleich nach dem Betreten der Stadt: 2TQUGIIK\QPVQ9 FG VQW 2GVTQW GKX9 VJP -CKUCTGKCP RTQFTCOYP GK9 VYP FQWNYP FKGUCHJUGP RCTCIGIQPGPCK CWXVQP QB FG -QTPJNKQ9 GXMRJFJUC9 MCK UWPCPVJUC9 CWXVY^ RGUYP (Act 10,25). Bei dieser Variante fällt es leichter, das Wort UWPQOKNYP in Act 10,27 zu verstehen. Wenn Petrus und Cornelius sich am Stadttor trafen und die Strecke vom Stadttor bis zum Haus des Hauptmannes zusammen gehen mussten, blieb auch Zeit und Raum für ein freundliches Gespräch. 152 Die Handschrift D liest RGUYP RTQ9 VQW9 RQFC9 (... zu Füßen) statt RGUYP GXRK VQW9 RQFC9 (Er fiel auf die Füße). Nach RTQUGMWPJUGP fügt D CWXVQP an (Act 10,25). Der Ausdruck mit GXRK ist singulär und könnte die ursprüngliche Lesart sein. Die Verbindung von RKRVY und RTQUMWPGY ist im NT häufig. Vgl. Mt 2,11; 4,9; 18,26.29; Apk 5,14; 19,4; 22,8.
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Die falsche Apotheose
die Aufmerksamkeit auf sich. Ist es eine Geste der Ehrung oder der Anbetung? Geht es hier wirklich um eine Apotheose oder nicht? Die Darstellung des Fußfalles des Cornelius und der abweisenden Reaktion des Apostels Petrus (Act 10,25b.26) lässt vor allem an die schriftstellerische Gestaltung des Lk denken. In Vielem entspricht das Verhalten des Cornelius der demütigen Selbsteinschätzung des Hauptmanns von Kapernaum in Lk 7,3–7, die Lk gegenüber Mt 8,7f noch deutlicher herausgearbeitet hat.153 Man könnte daher annehmen, dass auch in der Proskynese der Corneliusgeschichte keine eigentliche Anbetung zu sehen ist, sondern nur eine tiefe Ehrungsgeste, eine Huldigung gegenüber einem besonderen Menschen.154 Obwohl Proskynese in der lk Zeit als ein typisch heidnischer Brauch galt und Assoziationen mit dem Kaiserkult hervorrief, kannte auch das Judentum eine solche Geste als eine ehrende Huldigung den Männern gegenüber, die auf eine besondere Weise Gottes Macht ausübten (vgl. 1 Sam 24,9; 28,14; 1 Reg 1,16.2331; 2 Reg 2,15). Es wäre kein Wunder, wenn Cornelius in der lk Erzählung direkt nach seiner Engelvision Petrus wie einen König (vgl. Mt 2,11) oder einen zweiten zu ihm gesandten Boten Gottes besonders ehren würde.155 Man muss aber beachten, dass die Geste der Proskynese in der Corneliusgeschichte schroff abgelehnt wird. Indem Petrus Cornelius aufrichtet und ähnlich wie Paulus in Lystra (14,15) sagt, dass auch er selbst nur ein Mensch sei (Act 10,26), zeigt Lk deutlich, dass Petrus die Proskynese des Hauptmannes Cornelius als Zeichen der Verehrung eines übermenschlichen Wesens in ihm bzw. als Vergöttlichung verstanden hat. Die Erklärung von Petrus beim Aufrichten des Hauptmannes: „Auch ich selbst bin ein Mensch!“ – MCK GXIY CWXVQ9 CPSTYRQ9 GKXOK (Act 10,26) ist das wichtigste Argument gegen die Vergöttlichung.156 In der Textvariante D steht es noch
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Vgl. A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/1, 257. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 149, weist auf die vielen Parallelen zwischen den Gestalten des Hauptmannes Cornelius und des Hauptmannes von Kapernaum hin. Sowohl Cornelius von Cäsarea als auch der Hauptmann von Kapernaum sind Hauptleute in der römischen Besatzungstruppe. Cornelius wird als Gottesverehrer bezeichnet (Act 10,2.22), von dem Kapernaumer kann man das annehmen, weil in seinem Namen die Ältesten der Juden zu Jesus gesandt werden (Lk 7,3). In beiden Fällen erwähnt der Erzähler Folgendes: (1) die Wohltaten der Hauptperson gegenüber den Juden (Act 10,2; Lk 7,5); (2) ihren guten Ruf bei den Juden (Act 10,22; Lk 7,4); (3) die Sendung der Boten (Act 10,7; Lk 7,3), Soldaten und Diener, die den Hauptpersonen zu Diensten stehen (Act 10,24; Lk 7,6); (4) eine bedeutungsvolle Begegnung in der Nähe des Hauses (Act 10,25, Lk 7,6); (5) Zeichen der Ehrfurcht des Heiden gegenüber einem Juden (Act 10,25f; Lk 7,6); (6) das große Staunen des Gottesboten (Act 10,34f.45f; Lk 7,9); (7) Anerkennung der gläubigen Heiden (Act 10,47f; 11,17f; Lk 7,9; vgl. Mt 8,10). 154 Vgl. O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 147, ähnlich auch J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 424. 155 Vgl. T. ZAHN, Die Apostelgeschichte des Lucas, KNT 5/1, Leipzig 1919, 352. 156 Vgl. Act 14,15; Apk 19,10; 22,8f.
Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea.
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schroffer ausgedrückt: „Was machst du! Steh auf; denn auch ich bin ein Mensch wie du.“ In diesem Fall muss beachtet werden, dass die Ablehnung der Proskynese als einer Geste, die einem Menschen göttliche Ehre verleiht, ein Topos der urchristlichen Verkündigung (vgl. Act 14,15) war. Sie sollte die „richtige Haltung eines Christen“157 in einer Zeit und in einem Staat demonstrieren, die für Vergöttlichung von Menschen ausgesprochen offen waren.158 Wenn man nun in dieser Proskynese einen Akt der Apotheose sieht, muss man weiter fragen, wie diese Szene unter die vielen Apotheoseszenen bei Lk eingeordnet werden kann. Obwohl sie ähnlich wie die Szene in Lystra (Act 14) zu den abgelehnten, also zu den falschen Apotheosen gehört, weil sie sich von einem Menschen an einen anderen Menschen richtet, gibt es einige Besonderheiten. Den größten Unterschied zu dem Ereignis in Lystra, bei dem die Ablehnung der Apotheose Feindschaft gegen die Christen hervorruft, bildet die Tatsache, dass der Ablehnung der Apotheose und ihrer Korrektur in Cäsarea die Bekehrung eines Heiden folgt. Diesen Unterschied lassen der Rahmen der lk Erzählung und die Darstellung ihrer Hauptgestalten erkennen. Die Handlung der Geschichte, die Begegnung des jüdischen Christen Petrus mit einem römischen Hauptmann und damit auch die Vergöttlichungsszene, finden in Cäsarea statt. Das ist kein Zufall. Diese Stadt im jüdischen Land hatte in der Zeit, die Lk schildert, eine besondere Bedeutung für die Römer: Sie war eine am Meer gelegene römische Provinzhauptstadt (Act 10,1–8.24–48). Ursprünglich hieß sie „Stratonsturm“.159 Im Jahre 10 oder 12 Jahr n.Chr. war sie von Herodes dem Großen wiederaufgebaut und mit einem künstlichen Hafen ausgestattet worden, von Römern dann zu Ehren von Kaiser Augustus, dem Gönner Herodes des Großen, in -CKUCTGKC 5GDCUVJ umbenannt.160 Dem Kaiser zu Ehren hatte Herodes hier (wie in Sebaste) einen Tempel des Kaiserkults errichtet. Josephus schreibt darüber: „Und der Hafeneinfahrt gegenüber stand auf einem Hügel ein durch Schönheit und Größe ausgezeichneter Tempel des Caesars; darin befand sich eine gewaltige Bildsäule des Caesars, die ihrem Vorbild, dem Zeus in Olympia, nichts nachgab, und eine zweite der Roma, der Hera von Argos gleich.“ (Jos. Bell 1,414)
157
Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 247. Die ersten Christen konnten damit bei nachdenklichen Zeitgenossen durchaus auf Verständnis hoffen. AELIAN, var. hist. 8,15, erzählt von Philippus von Mazedonien, dass dieser sich allmorgendlich habe zurufen lassen: „Philipp, du bist ein Mensch“. (AELIANUS, C., Historical Miscellany, LCL 486, Cambridge 1997). 159 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 168. 160 Vgl. J. ROLOFF, ebd., 168. 158
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Die falsche Apotheose
Schon im Jahre 6 n.Chr. nach der Absetzung des Herodes-Sohnes Archelaos und der Umwandlung Judäa-Samarias in eine kaiserliche Provinz des Römerreiches wurde Cäsarea zum Sitz der Hauptgarnison des Landes und des Statthalters. Nach Josephus, Bell 3,409, war die Bevölkerung in der Stadt überwiegend heidnisch. Geographisch bedeutete Cäsarea für Lk eine Zwischenstation zwischen Jerusalem und Antiochien (vgl. Act 8,40). Genau solch eine Zwischenposition, diesmal im religiösen Sinne, nimmt in der lk Geschichte der Hauptmann Cornelius ein. Wie auf einer Brücke steht er zwischen Judentum und Heidentum, in gewisser Nähe und in gewissem Abstand zu beiden Seiten hin: Er ist ein Heide, der jüdischer Religiosität nahe steht. Lk zeichnet seine Gestalt sehr sorgfältig. Cornelius ist ein römischer Centurio (GBMCVQPVCTEJ9),161 d.h. ein aus dem Mannschaftsstande hervorgegangener Offizier, der eine Hundertschaft, in diesem Fall die sogenannte Italienische Kohorte – die URGKTC 8,VCNKMJ (Act 10,1) – anführt.162 Man kann annehmen, dass Cornelius aus einer der vielen Freigelassenenfamilien mit dem Namen Cornelius stammt, die es seit Lucius Cornelius Sulla (138–78 v.Chr.) in Rom gab. Der Name Cornelius war seit dessen Freilassung von Tausenden von Sklaven sehr häufig. Aus solchen Freigelassenen, die das römische Bürgerrecht besaßen, bestand wahrscheinlich auch seine Italienische Kohorte, die einen Teil der Garnison von Cäsarea bildete.163
Auf der einen Seite ist Cornelius also Vertreter der römischen Staatsmacht, ein Heide. Auf der anderen Seite ist er aber ein Gottesfürchtiger, ein Sympathisant der jüdischen Religion. GWXUGDJ9 (Act 10,2), wie Lk Cornelius beschreibt, bedeutet „fromm“ und bezeichnet im Grunde eine persönliche Qualität. Die weitere Beschreibung HQDQWOGPQ9 VQP SGQP (Act 10,2) könnte dasselbe bedeuten, aber auch etwas spezifischer darauf hinweisen, dass jemand zu den Heiden gehörte, die am Synagogengottesdienst teilnahmen, ohne durch Übernahme des ganzen Gesetzes vollberechtigte Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinde – RTQUJNWVQK – zu werden.164
161
Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 477. In Syrien ist in der Zeit von 69 n.Chr. bis ins 2. Jh. eine Kohorte nachzuweisen, die cohors II Italica civium Romanorum [...] exercitus Syriaci oder cohors militaria Italica voluntariorum quae est in Syria hieß. In Cäsarea lagen Auxiliartruppen, eine Reiterabteilung und fünf Kohorten Fußvolk. In den Jahren der Regierungszeit von Agrippa I. (41–44 n.Chr.), die der Verfasser des lk Doppelwerkes schildert, standen keine römischen Truppen in dieser Stadt (H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 69). Falls eine Abteilung der italienischen Kohorte zur Zeit des Lk in Cäsarea stationiert war, hat er als Schriftsteller in Act 10,1 und 27,1 die militärischen Verhältnisse im Cäsarea seiner Tage für die Zeit der Urgemeinde zu Grunde gelegt (W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 104). 163 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 150. 164 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 333. 162
Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea.
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Aus der Perspektive der alttestamentlichen jüdischen Frömmigkeit wird Cornelius von Lk als ein vorbildlicher Gottesfürchtiger gezeichnet. Er übt in seinem Leben Gerechtigkeit – HQDQWOGPQ9 CWXVQP MCK GXTIC\QOGPQ9 FKMCKQUWPJP: Er betet regelmäßig, gibt viele Almosen (Act 10,2) und hat einen guten Ruf unter den Juden (Act 10,22).165 In den religiösen Schriften der Juden und der Judenchristen werden Gebet und Almosen oft als Zeichen echter Frömmigkeit erwähnt (vgl. Tob 12,8; Mt 6,2ff; Did 15,4).166 In gewisser Weise ist das göttliche Wohlgefallen, das der Engel Gottes in der Vision dem Cornelius zusichert (Act 10,3f), als Lohn für seine Frömmigkeit zu verstehen: Laut alter jüdischer Tradition „steigen“ die Gebete und Almosen in der Tat „auf vor Gott“ und werden als Opfer angesehen, die Gott an seine Gnade und Zusage oder an die Verdienste der Frommen „erinnern“.167 Sowohl die dargestellte Frömmigkeit (Act 10,2.4.31.35) als auch der Akzent auf der gesetzlichen Bindung (Act 10,14) sprechen für die judenchristliche Herkunft der ganzen Geschichte oder mindestens für ein vom Schriftsteller Lk gewolltes judenchristliches Kolorit in ihr. Kleine Details wie die Rolle des Engels (Act 10,3ff 22,30f; vgl. Lk 1,11ff.26ff) oder die jüdischen Gebetsstunden (Act 10,3.9.30) lassen das deutlich erkennen.168 Sowohl Petrus als auch Cornelius bekommen die Anweisung für das Treffen in einer übernatürlichen Weise beim Beten (Act 10,3–6 und 10,9–16). Nach jüdischer Vorstellung sind die Gebetszeiten Zeiten der Offenbarung, und Lk nimmt auf dieses Motiv häufig Bezug (Lk 1,8ff;4,31; 9,11f; Act 10,9ff; 16,25ff; 22,17ff). Nach Lk ist die Vision von Cornelius so eng mit seiner jüdischen Frömmigkeit verbunden, dass es keinen Zweifel geben kann, dass sie von dem Gott Israels kommt.169 Eine Vision zur Gebetszeit am Nachmittag ist dementsprechend kultisch legitimiert und kann kein „Traumgesicht“ sein. Dabei ruft der Engel Cornelius mit seinem Namen (vgl. Act 9,4.10). Eine besondere Färbung für die Darstellung der heidnischen im Unterschied zur jüdischen Welt gewinnt die Geschichte dadurch, dass Cornelius als Nichtjude den Engel im Gespräch mit Petrus einen „Mann in einem leuchtenden Gewande“ (Act 10,30) nennt. So wird ein Engel Gottes mehrmals in den Geschichten des lk Doppelwerkes bezeichnet (Act 1,10; Lk 24,4). Nach Lk ist der Engel in der Corneliusge165 QB NCQ9 ist ein Begriff, mit dem das Volk Israel bezeichnet wird. Von dem guten Ruf bei der jüdischen Nation ist im Sinne der Korneliusgeschichte auch in Act 6,3 und 22,12 die Rede. 166 Vgl. K. BERGER/CH.NORD, Das Neue Testament, 310. 167 Vgl. Ps 141,2; Hebr 13,15; 1 Petr 2,5; Apk 5,8; 8,3. Die biblische Wendung besagt, dass Gebete und Almosen zum Gedenken vor Gott aufsteigen. Wie schon in Ex 17,14; Sir 35,8f; 50,16 und Tob 12,12 sind auch die Gebete des Cornelius für Gott „verpflichtend“. Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 304. 168 G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 151, macht darauf aufmerksam, dass hier der einzige Bericht innerhalb der Act vorliegt, in dem der jüdische Name des Petrus, Simon, begegnet (Act 10,5.18.32; 11,13). Diese kleine Nuance trägt zur jüdischen Färbung der Corneliusgeschichte bei. 169 Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 304.
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Die falsche Apotheose
schichte wieder eine Gestalt des Boten Gottes (Act 5,19; 8,26; 12,7) und des Künders seines Willens (Act 8,26; 12,7).170
Die kleine Szene der Vergöttlichung von Petrus stellt den gottesfürchtigen Cornelius auch aus der Perspektive der jüdischen Normen in ein ausgesprochen positives Licht. Cornelius, ein Nichtjude, beachtet die Tradition der Juden und kommt Petrus entgegen, damit der jüdische Apostel nicht gezwungen ist, ins Haus eines Nichtjuden hineinzugehen. Er, Cornelius, ein angesehener römischer Hauptmann, fühlt seine Unterwürfigkeit gegenüber der göttlichen Erscheinung so deutlich, dass er sich vor einem Juden wie vor einem Kaiser niederwirft. Als Sympathisant der jüdischen Lebensweise und Religion ist Cornelius für Lk offensichtlich der Vertreter einer ganzen Gruppe der Gesellschaft seiner Zeit. Es gab im 1. Jh. n.Chr. größere und kleinere Kreise der Heiden, so genannte Gottesverehrer oder Gottesfürchtige, hauptsächlich aus den gebildeten Schichten, die sich an jüdische Gemeinden in der Diaspora angeschlossen hatten. Lk bezeichnet diese Leute entweder mit HQDQWOGPQK VQP SGQP (in den Acta bis 13,26) oder mit UGDQOGPQK VQP SGQP (in den Acta von 13,43 ab). Zu dieser Gruppe der Gottesfürchtigen sind auch die Hausleute von Cornelius zu zählen. Der Soldat, der die zwei Haussklaven nach Joppe begleitet, wird deshalb als „fromm“ bezeichnet (Act 10,7), weil er als Ordonnanz nicht zum Haushalt des Cornelius gehören konnte. So tritt nach Lk in der Corneliusgeschichte überhaupt kein „reiner“ Heide auf.171
Obwohl die Gottesfürchtigen an einen Gott, den Schöpfer und Herrn des Himmels und der Erde glaubten, die Sabbatgottesdienste besuchten (vgl. Act 13,16.26.43), die Wallfahrten nach Jerusalem machten und die griechische Übersetzung des Alten Testaments kannten (vgl. Act 8,26ff), galten sie für Juden immer noch als Heiden, weil sie sich nicht zu Beschneidung und Proselytentaufe entschlossen und nur eine Auswahl der Gesetze hielten (vgl. Act 15,20).172 Als Gottesfürchtige durften sie aber in den Synagogen auftreten und wurden als Mitglieder der Synagoge betrachtet. In der Synagoge verunreinigten sie die Juden nicht. Man kann also Cornelius nicht als „reinen“ Heiden bezeichnen, auch wenn er rechtlich zu den „unreinen“ Heiden gehörte.173 Er befand sich in einer Zwischenposition zwischen Juden und Heiden. Die Korrektur seiner heidnischen Denkweise, die Petrus mit der Ablehnung der Apotheose voll170
Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 168. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 304. 172 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 150. Wäre Cornelius, ein Centurio der römischen Streitkräfte, zum Judentum übergetreten, hätte er auch seinen Beruf aufgeben müssen. Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 104. 173 J. JERVELL, Apostelgeschichte, 304. 171
Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea.
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brachte, baute den Rest der Distanz ab, die ihn von dem Gott der Juden und vom Glauben an Christus noch trennte. Nach Ablegen seiner letzten heidnischen Vorstellungen konnte sich Cornelius den Judenchristen anschließen. Mit der Gestalt des Cornelius hat Lk sehr wahrscheinlich auch ein für sein Doppelwerk wesentliches apologetisches Ziel verfolgt. Wenn ein römischer Hauptmann als gottesfürchtiger Mann und getaufter Christ dargestellt wurde, musste dem Leser klar werden, dass am Anfang der christlichen Bewegung die Beziehungen zwischen einem Befehlshaber der am Sitz des römischen Statthalters stationierten Kohorte und den Vornehmsten der christlichen Apostel höchst freundlich sein konnten. Auf der staatlichen Ebene gab es also keinen Grund für die Christenverfolgung.174
Dass Lk die Begegnung des Apostels Petrus mit diesem gottesfürchtigen römischen Hauptmann Cornelius als einen äußerst wichtigen Meilenstein in der von ihm geschriebenen Geschichte sah, kann man aus ihrer Breite und der Sorgfalt schließen, mit der er sie narrativ gestaltet hat. Die Geschichte vom Hauptmann Cornelius (Act 10,1–11,18) ist der längste Einzelbericht neben dem Prozessbericht des Paulus (Act 21–28) und der Rede des Stephanus (Act 7,2–53) als der längsten Rede in der Apostelgeschichte. Die ganze Erzählung kann in sieben Einzelabschnitte gegliedert werden: 1. 2. 3. 4.
10,1–8: 10,9–16: 10,17–23a: 10,23b–33:
5. 10,34–43: 6. 10,44–48: 7. 11,1–18:
Die Vision des Cornelius. Die Vision des Petrus. Ankunft der Boten des Cornelius bei Petrus in Joppe. Begegnung des Petrus mit Cornelius in Cäsarea, darunter auch die Vergöttlichungsszene in 10,25f. Rede des Petrus vor Cornelius und dessen Freundeskreis. Die Geistbegabung der heidnischen Hörer. Rede des Petrus zur Rechtfertigung der Corneliustaufe.175
Literarisch ist die Erzählung durch mehrere direkte Reden, eine relativ lange Predigt (Act 10,34–43) und viele Wiederholungen (z.B. Act 10,22.30–32; 11,5–17) gestaltet. Die Doppelvision des Cornelius in Cäsarea (Act 10,3–8.30–33; 11,13f) und die des Petrus in Joppe (Act 10,9–16.19; 11,5–12) wird jeweils dreifach erzählt. Dieses erzählerische Mittel verwendet Lk auch in der Geschichte von der Bekehrung des Paulus (Act 9,10ff).176 Gerade bei der Corneliusgeschichte zeigt Lk wieder eine große erzählerische Freiheit. Die Wiederholung der ganzen Geschichte in Act 11 ist bei 174 175 176
Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 105. Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 60. Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 105.
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Die falsche Apotheose
weitem nicht wörtlich. Dies wundert aber nicht, wenn man bedenkt, dass es zu den schriftstellerischen Eigenschaften des Lk gehört, seine Berichte beim Wiederholen zu variieren (siehe die beiden Himmelfahrtsgeschichten oder die dreimalige Erzählung von der Berufung des Paulus vor Damaskus!). Durch den Wechsel der Ausdrücke und durch „mehrere Neuformungen kleiner sachlicher Unausgeglichenheiten“ scheint Lk wirklich einer spannenden Erzählung den Vorzug vor einer „langweiligen“ Genauigkeit und Widerspruchsfreiheit zu geben.177 Durch die Gestalt des Cornelius zeigt Lk, dass das Thema des Abschnittes, in dem die Vergöttlichung des Petrus vorkommt, die Führung Gottes zu den Nichtjuden ist. Noch bedeutet das kein „grundsätzliches Ja“ zur Heidenmission oder gar zur Anerkennung der gesetzesfreien Heidenmission, sondern ist eher im Sinne eines Weges zu den Gottesfürchtigen zu verstehen, die mit dem jüdischen Glauben sympathisierten.178 Auch die Missionsarbeit scheint sich hier auf einer Brücke zwischen Juden und echten Heiden zu befinden. Es geht nämlich um einen Fall, bei dem mit den Vorkenntnissen der angesprochenen Personen im Bereich der jüdischen Religion zu rechnen ist. Unübersehbar kommt das in der Predigt des Petrus zum Ausdruck. Diese Predigt ist kein Beispiel für eine typische Missionspredigt. Durch die wörtlichen Anklänge an das griechische AT (vgl. Act 10,34 und Dtn 10,17; Act 10,40 und Dtn 21,22) zeigt sie zwar den Zusammenhang der Heidenmission mit den Überlieferungen Israels.179 Es gibt aber mehrere Merkmale, die für eine echte Missionspredigt ungewöhnlich sind. Diese Merkmale hat J. ROLOFF zusammengefasst:180 (1) Es fehlt in der Predigt der Corneliusgeschichte der für alle Missionspredigten zentrale Aufruf zur Buße und zum Glauben. (2) Die Predigt enthält keine für das heidenmissionarische Kerygma typische Verkündigung des einen Schöpfergottes (vgl. 14,15ff; 17,24ff). Stattdessen wird die Betonung auf das Leben und das Wirken Jesu gelegt (das ist die einzige Darstellung des Lebens Jesu außerhalb der Evangelien!181). Vor allem wird diese Erzählung mit den Worten „Ihr kennt ja das Geschehen [...]“ eingeleitet. (3) An erster Stelle steht in der Predigt von Petrus der Hinweis auf das Gericht, wobei hier der älteste 177 In Act 11,10 wird alles, CBRCPVC, emporgezogen, statt, wie 10,16, VQ UMGWQ9; in 11,12 wird FKCMTKPGKP gesagt statt wie in 10,20 FKCMTKPGUSCK; in 11,5 wird das UMGWQ9 bis zu Petrus herabgelassen (CETK GXOQW) statt allgemein 10,11 GXRK VJ9 IJ9. Erst im zweiten Bericht erfährt man, dass die von Joppe nach Cäsarea mitwandernden Christen bei der Ankunft der Cornelius-Boten im Haus des Simon waren (Act 11,11 gegen 10,23), insgesamt sechs Leute (Act 11,12). In 11,12 wird der Name des Cornelius nicht genannt, offensichtlich auf Grund der „generalisierenden Tendenz der Petrusrede in Jerusalem“ (G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 65, Anm. 40). 178 Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 313. 179 Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 106. 180 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 167. 181 Vgl. ebd., 172.
Die Vergöttlichung des Petrus in Cäsarea.
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Beleg für eine im nachapostolischen Schrifttum weit verbreitete Formel (vgl. 2 Tim 4,1) zu finden ist, die später in das apostolische Glaubensbekenntnis Eingang fand.182
Für das Thema der Apotheose ist es wichtig zu beachten, dass Petrus in seiner Predigt deutlich darauf hinweist, dass allein Jesus Christus der Herr (Act 10,36) und der von Gott bestimmte Richter über alle ist (Act 10,42). Diese Behauptung unmittelbar nach dem Zwischenfall mit der Proskynese weist jede Vergöttlichung von Menschen als falsch zurück. Und doch geht es trotz der Predigt und der Korrektur der Apotheose in der Corneliusgeschichte nicht nur um die Belehrung der gottesfürchtigen Heiden. Angesichts der heidnischen Überzeugungen, die in der kleinen Apotheoseszene zum Ausdruck kommt, soll Petrus selbst zu wichtigen Einsichten kommen. Vielleicht ist Lk deshalb verständnisvoll gegenüber den Resten heidnischen Denkens bei Cornelius, weil auch im Denken des Christen Petrus einige Vorurteile gegenüber Heiden abgebaut werden sollen.183 Auch Petrus befindet sich in seinem Inneren auf einer „Brücke“, in einer Lage, die Schritte zur Überwindung der Distanz zwischen Juden und Heiden fordert. Petrus scheint nach Lk ein Vertreter der gesetzlichen jüdischen Frömmigkeit zu sein, welche die alten jüdischen Gebetszeiten einhält, den strengen jüdischen Reinheitsgesetzen nachfolgt und sich dadurch unerbittlich von den Heiden abgrenzt. Um die göttliche Legitimation der Überwindung religiöser Vorurteile zu betonen, stellt Lk bei ihrer Überwindung in der Corneliusgeschichte die Zeichen der göttlichen Autorität heraus. Durch das Motiv des Engels, eines übernatürlichen Gottesboten (Act 10,3), und der Öffnung des Himmels (Act 7,56; 10,11; Lk 3,21) wird schon am Anfang der Geschichte auf die göttliche Führung und Initiative hingewiesen. Dass es bei dem ganzen Ereignis um einen genauen Plan Gottes geht, lässt Lk weiter durch den fließenden Verlauf der Handlung verstehen. Jedes Ereignis ist zum richtigen Zeitpunkt mit dem nächsten Ereignis verbunden. So erreichen z.B. die Gesandten des Cornelius das Haus des Apostels Petrus
182 Vgl. ebd., 173. Nach J. ROLOFF sprechen die genannten Merkmale dafür, dass es sich zu dem Zeitpunkt, an dem die Predigt gehalten wurde, nicht mehr um eine eigentlich missionarische Situation handelt. Auf Gottes Initiative hin war die Bekehrung der Heiden schon geschehen und sie waren in die Gemeinde eingegliedert. Hier hat es der Leser deswegen mit einem Typus der innergemeindlichen Predigt zu tun und nicht mit einer Missionspredigt. Auch W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 102, meint, dass Lk bei der Corneliusgeschichte nicht die Absicht verfolgt, seine Gemeinden für die Heidenmission bzw. für das universale Christentum zu öffnen. Seine Gemeinden waren heidenchristliche Gemeinden, die vielmehr das Problem hatten, dass die Juden sich dem Evangelium verschlossen. 183 Nach M. DIBELIUS, Aufsätze zur Apostelgeschichte, Göttingen 41961, 104, und J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 165, geht es in der Corneliusgeschichte nicht so sehr um die Bekehrung des Hauptmannes, sondern um das Abbauen der Vorurteile von Petrus.
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Die falsche Apotheose
genau in dem Augenblick, in dem er über die Vision und die Anweisung Gottes, die er bekommen hat, nachdenkt (Act 10,17f).184 Von Gott selbst wird Petrus offenbart, dass er als Jude einen Nichtjuden besuchen darf, ohne unrein zu werden (Act 10,28). Von Gott selbst wird Petrus offenbart, dass die Nichtjuden genauso wie die Juden erwählt sind, die Gabe des Heiligen Geistes zu bekommen, wenn sie an Jesus glauben (Act 10,44–47). Da diese göttlichen Anweisungen für das damalige gesellschaftliche Denken sehr ungewöhnlich waren, meint J. JERVELL, dass die Geste der Proskynese allein schon mit der „aufsehenerregenden Tatsache“ zu erklären ist, dass ein gesetzesfrommer Jude in das Haus eines Nichtjuden kommt.185 Das ist nicht ganz überzeugend, weil der Verkehr der Juden mit Nichtjuden zwar sehr begrenzt, aber nicht ganz ausgeschlossen war. Jede „nähere Berührung“ mit den Nichtjuden setzte einen gesetzestreuen Juden „der Gefahr aus, sich levitisch zu verunreinigen“. Man betrat ein nichtjüdisches Haus „nur ungern“ und noch unangenehmer war für einen Juden, einen Nichtjuden, einen Goi, im „eigenen Haus zu sehen“. Deswegen „konnte von einer Tischgemeinschaft zwischen Juden und Gojim kaum die Rede sein“, egal „ob der Israelit der einladende oder der eingeladene Teil war“. Die Mischnastellen, die für das Speisen eines Juden in Gemeinschaft mit Nichtjuden besondere Bestimmungen festsetzen, beweisen aber, dass die Tischgemeinschaft mit den Gojim in der Praxis immer wieder vorkam.186
Es ist unter diesen Umständen verständlich, dass Distanzüberwindung zwischen Juden und Heiden alles andere als einfach war. Deswegen zeigt Lk einen Prozess, durch den der Apostel Petrus schrittweise geführt wird. Der erste Schritt ist für ihn, die drei Boten des Heiden für eine Nacht bei sich, bzw. im Haus seines Gastgebers, des Gerbers Simon (vgl. Act 10,6), gastlich aufzunehmen (Act 10,23), was vom jüdischen Unterscheidungsdenken her problematisch war. Wie schon oben gesagt, hatte die Beherbergung und 184 Das offene Tuch in der Vision des Petrus enthält reine und unreine Tiere der gesamten auf Erden vorkommenden Fauna in einer ungeordneten Zusammenstellung (diese Beschreibung in ihrer theologisch geprägten Sprache erinnert an den Schöpfungs- und Sintflutbericht, vgl. Gen 1,24; 6,20 und Röm 1,23), von denen Petrus unterschiedslos essen soll. Symbolisch ist damit die Gemeinschaft von Juden und Heiden in der christlichen Gemeinde dargestellt, die Petrus anerkennen soll. Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 105. Nach H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 69, stimmt die lk Auswertung mit der ursprünglichen Absicht der Vision nicht überein. Von Hause aus zielt sie nicht auf Menschen, Juden und Heiden, sondern auf Speisen in der Diskussion von Rein und Unrein (vgl. Act 10,15b). Die Thematik von Rein und Unrein in Bezug auf Speisen findet sich schon im Judenchristentum und geht auf die Jesustradition zurück. Der Verfasser der Act konnte diese schon in der Überlieferung vorgegebene Vision in die Corneliusgeschichte hineinlegen, „weil zu seiner Zeit die beiden Themen (Menschen und Speisen) schon verschmolzen waren“. 185 Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 308. 186 Vgl. P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments. Abhandlungen zur Neutestamentlichen Theologie und Archäologie, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 4/1, München: Beck 21956, 374.
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Bewirtung der Heiden im jüdischen Haus eine verunreinigende Wirkung. Der zweite Schritt für Petrus ist, von einer zusätzlichen Vision ermahnt, das Haus eines Heiden selber zu betreten (Act 10,28). Danach nimmt Petrus den Bericht des Cornelius von der Engelserscheinung (Act 10,30ff) zum Anlass, einem Heiden das Evangelium zu verkündigen. Erst auf Grund der Wiederholung des Pfingstgeschehens am Ende der Geschichte ist er bereit, die Heiden durch die Taufe in die Gemeinde aufzunehmen (Act 10,44) und mit ihnen Lebensgemeinschaft zu pflegen (Act 10,48).187 Petrus erlebt hier schrittweise eine „Bekehrung“, die Paulus vor Damaskus auf einmal erfährt. Die Rolle der Petrusgestalt in der Corneliusgeschichte ist deswegen von großer Bedeutung, weil der Apostel Petrus nach Lk den Heiden stellvertretend für die ganze Kirche volle Eingliederung in die christliche Gemeinde gewährt (Act 10,48; 11,3). Dank seiner Einstellung wird diese Lebensgemeinschaft von der Urgemeinde akzeptiert (Act 11,18).188 Nicht umsonst zeigt Lk nach der Begegnung des Petrus mit Cornelius in Cäsarea Jerusalem als den Ort, an dem das Geschehnis auf der kirchlichen Ebene bewertet wird (Act 11,2–18). Eine göttliche Bestätigung bekommt aber das Ereignis durch die Ausgießung des Heiligen Geistes schon in Cäsarea. Während der Rede (Act 10,34– 43), in der Petrus bezeugt, dass in jedem Volk diejenigen für Gott angenehm sind, die ihn fürchten und Gerechtigkeit üben, kommt der Heilige Geist auf die Nichtjuden herab.189 Das ist der Höhepunkt der Geschichte. Durch die Ausgießung des Heiligen Geistes auf den Hauptmann Cornelius und seine Leute, die sich in der Zungenrede äußert,190 wird den Anwesenden klargemacht, dass Gott die Nichtjuden in seiner Kirche genauso annimmt wie die Juden, die an Jesus glauben. Die Nichtjuden dürfen nach Gottes Willen auf Jesu Namen getauft werden (Act 10,44–47).191 187 Es geht in der Corneliusgeschichte wahrscheinlich um eine judenchristliche Missionslegende, deren Absicht es war, anhand einer fundamentalen Erfahrung des Petrus, für die Mission an „Gottesfürchtigen“ einzutreten und deren volle Eingliederung in die Gemeinde auch ohne Beschneidung gutzuheißen. Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 165. 188 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 149. Gerade in diesem Punkt tritt die frühere Erzählung von der Bekehrung eines Heiden durch Philipp in Act 8,26ff in seiner Bedeutung zurück. 189 Später deutet Lk dieses Geschehen (Act 10,44–48) durch Petrus selbst als ein zweites Pfingsten (Act 11,17). 190 Im Unterschied zu dem Bericht in Act 2,6–11, in dem das Phänomen der Glossolalie als Sprechen in verschiedenen irdischen Sprachen zu verstehen ist, muss man hier eher mit dem ekstatischen Zungenreden in himmlischen Sprachen, mit einem ekstatischen Lobpreis Gottes wie in Act 19,6 rechnen (W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 106; J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 174). 191 Nach der Vorstellung der Urgemeinde gehörten die Taufe als Übertritt in die Gemeinde und der Geist als Lebenswirklichkeit der Gemeinde unlösbar zusammen. Wem Gott seinen Geist gab, dem konnte die Gemeinde die Taufe nicht verweigern. Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 106. In der Corneliusgeschichte tauft aber Petrus nicht selbst, sondern ordnet die Taufe
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Die falsche Apotheose
Wenn man nun auf die am Anfang gestellte Frage nach der Bewertung der Apotheose zurückkommt, kann man erstens sagen, dass es bei der Corneliusgeschichte in der Tat um einen Akt der Vergöttlichung geht. Die Erklärung von Petrus beim Aufrichten des Hauptmannes: „Auch ich selbst bin ein Mensch!“ kann nur eine Ablehnung der Vergöttlichung bedeuten. Diese Vergöttlichung ist aus der Perspektive von Lk als eine „falsche“ Apotheose zu betrachten: Ein Mensch, der Hauptmann Cornelius, begrüßt einen anderen Menschen, den Apostel Petrus, als ein göttliches Wesen. In diesem Fall beurteilt aber Lk denjenigen, der die Apotheose vollbringt, nicht so streng wie er es bei anderen Apotheoseszenen, bei der satanischen Apotheose oder bei der Apotheose des Herodes Agrippa, tut. Es kommt keine göttliche Strafe über Cornelius. Petrus lehnt die Apotheose ab, verweist in seiner Rede auf Jesus, korrigiert die falsche Apotheose und befördert so die Bekehrung des Hauptmannes. Diese Milde in der Bewertung ist offensichtlich mit der von ihm positiv gezeichneten Person des Hauptmannes verbunden. Cornelius ist ein Gottesfürchtiger und doch noch ein Heide, bei dem etwas Unwissenheit und Unverständnis in Bezug auf jüdische Überzeugungen verzeihbar sind. Durch die Geste der Proskynese kommen sein heidnisches Denken, aber auch seine ehrliche Ehrerbietung gegenüber dem Apostel Christi zum Vorschein. Lk gibt zu verstehen, dass bei der Reaktion des Hauptmannes die vorausgehenden Ereignisse eine wesentliche Rolle gespielt haben. Der Hauptmann hat in einer Vision den Engel Gottes gesehen und diese außerordentliche Erscheinung hat ihn zutiefst erschüttert (Act 10,4a). Dann verwirklicht sich alles, was der Hauptmann in der Vision erfahren hat. Nach der lk Erzählung ist es daher kein Wunder, dass der Heide Cornelius sich überwältigt fühlt, in der Gestalt des Apostels Petrus ein übernatürliches Wesen sieht und vielleicht in Petrus Gott selbst ehren will.192 Seiner Gewohnheit und seiner Stellung entsprechend benutzt Cornelius zur Äußerung seiner Ehrerbietung die Geste der Proskynese. Gerade aus dieser Geste sieht man, dass Cornelius, der sich sonst innerlich und weithin auch äußerlich vom Heidentum gelöst hat, doch „mit einem Bein noch im Heidentum steht“.193 Als ehemaliger Heide steht Cornelius immer noch in der Gefahr, die „Grenze zwischen Gott und Geschöpf zu verwischen“ (vgl. Act 3,12; 14,11ff; 28,6).194 Durch das korrigierende Han-
lediglich an. Vielleicht spiegelt sich hier die spätere kirchliche Praxis wider (vgl. 1 Kor 1,14f.17), wonach die Taufe grundsätzlich durch Glieder bzw. Amtsträger der jeweiligen Ortsgemeinde vollzogen wurde. Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 174. 192 Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 247. 193 Vgl. ebd., 153. 194 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 171.
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deln und durch die Predigt des Petrus legt Cornelius diesen Rest seiner heidnischen Vorstellungen ab. Dass Cornelius ein römischer Hauptmann in Caesarea ist, gibt der ganzen Erzählung eine besondere Pointe. Caesarea war neben Sebaste ein Zentrum des Kaiserkultes in Palästina, also der Verehrung eines Menschen als Gott. Wir können zwar nicht sicher sein, dass Lk vom Kaisertempel in Caesarea wusste. Jedoch kennt er den Namen „Caesarea“, der in sich schon eine Huldigung an den Kaiser darstellt. Gerade in dieser dem Kaiser gewidmeten Stadt verehrt ein römischer Beamter anstatt des Kaisers einen christlichen Apostel wie einen Gott und wird von seinem Irrtum befreit. Aber nicht nur Cornelius und Petrus tun in diesem Fall Schritte, um die Hindernisse auf dem Weg zur Begegnung zu beseitigen. Durch seine Corneliusgeschichte und durch sein differenziertes Urteil über die Apotheose in der heidnischen Welt baut auch der Schriftsteller Lk selbst eine Brücke. Diese Brücke soll zu den Herzen der Adressaten seines Doppelwerkes führen und ihre Begegnung mit dem Christentum fördern.
4.5 Die Vergöttlichung des Paulus und Silas in Philippi (Act 16,25–34): Eine korrigierte Apotheose, die zur Umkehr führt Die Vergöttlichung des Paulus und Silas in Philippi. „Plötzlich begann ein gewaltiges Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Mit einem Schlag sprangen die Türen auf, und allen fielen die Fesseln ab. Als der Gefängniswärter aufwachte und alle Türen des Gefängnisses offen sah, zog er sein Schwert, um sich zu töten; denn er meinte, die Gefangenen seien entflohen. Da rief Paulus laut: Tu dir nichts an! Wir sind alle noch da. Jener rief nach Licht, stürzte hinein und fiel Paulus und Silas zitternd zu Füßen. Er führte sie hinaus und sagte: Ihr Herren, was muß ich tun, um gerettet zu werden? Sie antworteten: Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du und dein Haus. Und sie verkündeten ihm und allen in seinem Haus das Wort Gottes. Er nahm sie in jener Nachtstunde bei sich auf, wusch ihre Striemen und ließ sich sogleich mit allen seinen Angehörigen taufen. Dann führte er sie in seine Wohnung hinauf, ließ ihnen den Tisch decken und war mit seinem ganzen Haus voll Freude, weil er zum Glauben an Gott gekommen war.“ (Act 16,26–34)
Wie in einem Spielfilm, so lebendig und schnell folgen die Ereignisse in der Gefängnisszene von Philippi aufeinander. Um Mitternacht befinden sich Paulus und Silas im Gefängnis, wo sie zu Gott beten und ihn singend laut preisen.195 Ein plötzliches Erdbeben erschüttert die Mauern des Gefängnisses, die Türen springen auf, die Fesseln der Gefangenen fallen ab. Durch 195
5,19.
Vgl. das Verb WBOPGKP in Mt 26,30; Mk 14,26; Hebr 2,12 und die WBOPQK in Kol 3,16; Eph
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sein Niederfallen196 vor dem Apostel Paulus und Silas sowie durch die Anrede „Ihr Herren“ (MWTKQK) stellt der Gefängniswärter sie göttlichen Wesen gleich und sofort folgt die Korrektur der Vergöttlichung von Seiten der Missionare: Auf die Frage nach der Rettung weisen Paulus und Silas auf Jesus als Herrn und Retter hin: RKUVGWUQP GXRK VQP MWTKQP X,JUQWP MCK UYSJUJ^ UW MCK QB QKMQL UQW (Act 16,31).197 Das große Erzähltempo bei der Gefängnisszene hat den Nachteil, dass manche kleine Hinweise im Stoff sich zu schnell dem Blick entziehen. In diesem Fall kann man die tiefere Bedeutung einzelner Details erst dann richtig wahrnehmen, wenn man den „Film“ der Erzählung stoppt, zurückspult und sich Zeit nimmt, über Details nachzudenken. Für das Thema der Apotheose ist das Detail des Fußfalls des Gefängniswärters besonders interessant. Wenn man es genauer betrachtet, muss man feststellen, dass diese Szene den Höhe- und Wendepunkt in der Geschichte vom Wirken der Missionare in Philippi bildet, weil sie zur Bekehrung des heidnischen Gefängniswärters führt. Nach diesem Ereignis dürfen Paulus und Silas das Gefängnis und die Stadt verlassen und mit der Botschaft Gottes weiterziehen. Um den tieferen Sinn des kleinen „Zwischenfalles“ der Vergöttlichung in der lk Erzählung richtig zu begreifen, sollen zuerst das Teilbild um ihn herum und die handelnden Personen in ihm betrachtet werden. Den Hintergrund für die Geschehnisse in Philippi bilden die Reiseberichte von Paulus und seinen Begleitern. Der Weg nach Philippi wird von Lk als eine lebendige und sehr persönliche Führung oder, besser gesagt, als eine direkte Steuerung durch den Heiligen Geist geschildert. Der Heilige Geist „erlaubt den Aposteln nicht“, in der Provinz Asien das Wort Gottes zu verkündigen (Act 16,6). Der Heilige Geist „lässt nicht zu“, weiter nach Bithynien zu ziehen (Act 16,7). Durch eine besondere Vision bekommt Paulus Weisung, nach Mazedonien zu gehen (Act 16,9). So kommen198 Paulus und Silas auf dem Weg von Troas über Samothrake199 und Neapolis200 direkt nach Philippi (Act 16,11). Nach Bekehrung des Gefängniswärters und Entstehung der Gemeinde in Philippi reisen sie über Amphipolis und Apollonia weiter nach Thessalonich (Act 17,1). 196 RTQURKRVY mit Dativ der Person „jemandem zu Füßen fallen“ steht im NT in Mk 3,11; 5,33 (par. Lk 8,47); Lk 8,28 (diff Mk); Act 16,29; Lk 5,8. (G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 217, Anm. 67). 197 Diesen Satz lässt Lk sinngemäß auch Petrus zu Cornelius in Act 11,14 sagen. 198 GWXSWFTQOGKP in Act 16,11 bedeutet nach W. BAUER, Wörterbuch, 649, „geradenwegs (weiter) fahren“. 199 Eine Insel im Ägäischen Meer, halbwegs zwischen Trias und Philippi. 200 Die Textarten a A B Dc pc lesen 0GCP RQNKP, während C D* E Y Koine 0GCRQNKP bezeugen (Act 16,11). Neapolis war Hafenstadt am Stremonischen Busen, nahe des etwas landeinwärts gelegenen Philippi (H. WENDT, Die Apostelgeschichte, KEK 3, Göttingen 51913, 244).
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Unmittelbar vor den Ereignissen im Gefängnis finden die Begegnungen des Paulus und seiner Begleiter mit der Purpurhändlerin Lydia201 bei einer Gebetsstätte am Fluss202 und mit der besessenen Sklavin auf der Straße statt. Durch die Begegnung mit Lydia eröffnet sich für Paulus die Möglichkeit, den ersten kleinen Christenkreis in Philippi zu gründen. Literarisch bildet die Bekehrung der Lydia und ihres Hauses einen Rahmen für die Gefängniserzählung: Vor ihrer Gefangenschaft lernen Paulus und Silas Lydia kennen (Act 16,13–15), nach ihrer Freilassung treffen sie in ihrem Haus Mitglieder der Gemeinde (Act 16,40), von denen sie vor der Weiterreise Abschied nehmen.203 Noch enger mit der Gefängnisszene verbunden ist die Begegnung des Paulus mit der besessenen Sklavin: Die Austreibung des Wahrsagegeistes204 201 Nach P. PILHOFER, Philippi. Die erste christliche Gemeinde Europas, Bd. 1, WUNT 87, Tübingen 1995, 237, war .WFKC ein seltener Name in der Abfassungszeit des lk Doppelwerkes. Sehr wahrscheinlich war es ein Ethnikon („eine lydische Frau“, „Lyderin“), das als Rufname verwendet wurde, weil .WFKC ein Femininum zu .WFKQL ist. Obwohl man daher den echten Namen der Frau nicht wissen kann, ist P. PILHOFER, Philippi, 238, der Meinung, dass es in diesem Fall um eine historische Person geht, die in christlichen Kreisen von Philippi „zur Zeit des Lukas noch wohlbekannt war.“ Thyatira, die Heimat der Frau, war eine lydische Stadt. Das Handwerk der Purpurfärbung wurde außer in Phönizien besonders in Lydien betrieben. Eine dort gefundene Inschrift erwähnt die Zunft der Purpurfärbung. Man darf annehmen, dass Lydia vermögend gewesen war. Die Purpurstoffe waren eine ausgesprochene Luxusware der damaligen Zeit. 202 Mit RTQUGWEJ (wörtlich „Gebet“) in Act 16,13.16 kann sowohl eine Gebetsstätte als auch eine jüdische Synagoge gemeint sein. Eine genaue Unterscheidung zwischen RTQUGWEJ und UWPCIYIJ lässt sich nicht feststellen. In den seltenen Fällen, in denen ein heidnischer Gebetsplatz so heißt, ist nach W. BAUER, Wörterbuch, 1429, fast immer jüdischer Einfluss möglich. Die Lage am Wasser, wie sie in Act 16,13 beschrieben wird, war für Synagogen beliebt, um bequeme Gelegenheit zu den levitischen Waschungen zu geben (H. WENDT, Apostelgeschichte, 245). 203 Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 211. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 344, meint, der ursprüngliche Sinn der ganzen Geschichte in Act 16,16–40 sei, die Gemeinde von Philippi als paulinisch-silvanische Gründung zu bezeugen. Er ordnet die Geschichte unter die Gemeindegründungstraditionen ein. Diese Tradition lässt sich bei allen Bestandteilen in der Erzählung von Philippi erkennen. Es gibt hier: (1) Den Erstbekehrten; (2) Lokalkenntnisse zu Philippi; (3) die Namen des Botenpaares – Paulus und Silas; (4) wundersame Bekehrungsumstände; (5) die Bekehrungsnotiz; (6) die Taufnotiz; (7) einen Hinweis auf eine erste Hausgemeinde, an welche die Ortsgemeinde anknüpfen konnte; (8) die Bezugnahme auf örtliche Besonderheiten – römische Stadtorganisation; (9) gewisse historische Erinnerungselemente – vgl. 1 Thess 2,2; (10) die Anknüpfung an den alten exorzistischen Motivkreis, wenigstens in der Exposition. 204 Die in der Rede der Sklavin gebrauchte Gottesbezeichnung „höchster Gott“ findet sich im NT außer in einem Zitat in Hebr 7,1 nur im Munde von Dämonen; Mk 5,7; Lk 8,28 (O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 209). Ähnlich wie Jesus zuerst von der Seite der dämonischen Kräfte als ein göttliches Wesen erkannt wurde (Mk 1,24; 3,11; 5,7), so erkennt und bezeugt die Wahrsagerin kraft ihrer dämonischen Begabung die höhere Bedeutung des Paulus und seiner Genossen. Durch die Szene von der Austreibung des Dämons parallelisiert Lk das Wirken des Paulus mit dem Auftreten sowohl von Jesus als auch von Petrus. Vgl. Act 5,16 und Act 19,12. Dass Paulus über das Rufen der Wahrsagerin aufgebracht ist (FKCRQPJSGKL vgl. Act 4,2), kann dadurch erklärt werden, dass die heilige Sache, der er diente, nicht durch unreinen Geist bezeugt werden sollte. Das Entschwinden (GXZJNSGP in Act 16,18) des dämonischen Geistes bedeutet aber für die Besitzer
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aus der jungen Frau205 ist der Grund für die Verhaftung von Paulus und Silas. Sie werden von den Besitzern der Sklavin bei den Stadtobersten206 in der Gerichtsstätte207 als Unruhestifter208 (16,19–24) angeklagt und geraten ins Gefängnis. Die Welt, die Lk in Act 16 schildert, ist eine heidnische Welt, für Paulus und seine Begleiter die erste Begegnung mit der europäischen Umwelt, die „zunächst“ als eine „fremde“ und „abweisende“ erscheint.209 Philippi wird von Lk als die erste Stadt im Bezirk Mazedoniens bezeichnet.210 Mit der Bezeichnung RTYVJ konnte die Stadt sowohl wegen der damaligen Größe, als auch wegen ihrer besonderen Geschichte bezeichnet werden. Der volle Name dieser Weltstadt war Colonia Julia Augusta Philippensis.211 Er stammte von dem Mazedonierkönig Philippus, dem Vater Alexanders des Großen. Nach der Schlacht von Actium (31 v.Chr.) wurde die Stadt zur römischen Kolonie. Auf Geheiß des Siegers Octavian wurden dort Anhänfür die Besitzer der Sklavin das Entschwinden (GXZJNSGP in Act 16,19) der Hoffnung auf ihren Gewinn. Darum sind sie zornig (H. WENDT, Apostelgeschichte, 246). 205 RCKFKUMJ bezeichnet eigentlich ein Mädchen, meistens dienenden Standes, konnte aber auch eine Dienerin, Magd oder Sklavin meinen (W. BAUER, Wörterbuch, 1223). 206 CTEQPVGL (Stadtrichter) in Act 16,19 und UVTCVJIQK (die Prätoren oder duumviri, die beiden auf ein Jahr gewählten höchsten Magistratsbeamten der römischen Kolonie) in Act 16,20 bezeichnen die obersten römischen Beamten in den Koloniestädten. CTEQPVGL ist ein allgemeiner Ausdruck, UVTCVJIQK ein spezieller. Die CTEQPVGL als Stadtrichter hätten die Kläger an die UVTCVJIQK verwiesen (H. WENDT, Apostelgeschichte, 247). 207 CXIQTC bedeutet „Marktplatz“, in Act 16,19.35 ist aber damit der Ort einer Gerichtsverhandlung gemeint, die auf dem Marktplatz stattfand (W. BAUER, Wörterbuch, 22). 208 Der Ausdruck GXMVCTCUUY kommt selten im NT vor und bedeutet mit VKPC jemanden “verwirren, erregen, aufwiegeln“ (W. BAUER, Wörterbuch 494). Außer Act 16,20 und Act 15,24 begegnet er in Ps 18,5 und Weish 17,3; 18,17. 209 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 243. P. PILHOFER, Philippi, 154–155, bezweifelt, dass für den Verfasser des lk Doppelwerkes der Begriff (WXTYRJ von Bedeutung gewesen wäre. Er kommt weder in den Act noch irgendwo anders im NT vor. Nach P. PILHOFER wird nicht Europa, sondern Makedonien von Lk herausgestellt. Da die „topographischen, die historischen und insbesondere die verwaltungstechnischen Detailkenntnisse“ im lk Bericht „ohne Parallele“ sind, kommt P. PILHOFER, Philippi, 157, zum Ergebnis, dass Lk selbst ein Bewohner der Stadt Philippi gewesen war, ein griechisch sprechender Makedonier. 210 Die Beschreibung von Philippi JBVKL GXUVKP RTYVJL VJL OGTKFQL /CMGFQPKCL RQNKL macht Schwierigkeiten wegen des VJL OGTKFQL. Nach W. BAUER, Wörterbuch, 1023, ist die Übersetzung „erste Stadt des betreffenden Bezirkes von Mazedonien“ nur schwer erträglich. Formell fehlt der Artikel bei RTYVJ und sachlich war Philippi weder die Hauptstadt der Provinz Mazedonien (die Hauptstadt war Amphipolis, vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 474, Anm. 4) noch eines ihrer Bezirke. Sprachlich könnte die „erste“ Stadt auch von einer zeitlichen Folge her verstanden werden, als die erste Stadt, in der etwas geschieht. Nach der von BDR empfohlenen alten Konjektur des Johannes Clericus steht im Text RTYVJL OGTKFQL VJL /CMGFQPKCL RQNKL – „eine Stadt des ersten Bezirkes von Mazedonien“. In der Tat wurde Mazedonien unter den Römern im Jahr 168 v.Chr. in vier Bezirke eingeteilt. Für P. PILHOFER, Philippi, 161, bedeutet das Wissen von der Einteilung Makedoniens in vier OGTKFGL einen weiteren Beweis, dass Lk als ein Makedonier über die betreffende Region gut informiert war. 211 Vgl. E. HAENSCHEN, Apostelgeschichte, 474, Anm. 2.
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ger des geschlagenen Antonius angesiedelt, die ihren Landbesitz in Italien zugunsten von Veteranen des Octavians hatten räumen müssen.212 So war Philippi eine Ansiedlung von römischen Bürgern, vorwiegend von ausgedienten Soldaten und Beamten (Act 16,12).213 Die Bürger von Philippi genossen mehrere Vorrechte: Die städtische Selbstverwaltung (libertas), Befreiung von Tributen und Besteuerungen (immunitas) und dieselben Rechte, die sie als Bürger einer italienischen Stadt gehabt hätten (ius Italicum).214 Dieser Hintergrund lässt besser verstehen, warum gerade im Bericht von Philippi das römische Bürgerrecht von Paulus und Silas auftaucht und wie selbstverständlich als ein Vorteil dargestellt wird (16,37f). Von der Erzählung her bleibt vielleicht etwas unklar, warum Paulus und Silas darauf verzichten, sich gleich durch die Berufung auf ihr römisches Bürgerrecht vor Misshandlung und Gefängnis zu schützen. Mit dem Hinweis auf den tumultuarischen Charakter des Vorgangs lässt aber Lk verstehen, dass die Möglichkeit zur wirksamen Berufung auf jenes Recht und ein warnendes „Civis Romanus sum“ undenkbar war.215 Laut 2 Kor 11,25 hat Paulus sich in gleicher Lage auch sonst nicht auf dieses Recht berufen.216 Dass es den beiden Aposteln hinterher noch richtig und notwendig erscheint, ihr römisches Bürgerrecht geltend zu machen (16,37), könnte man sowohl als Rücksicht auf ihre Ehre als auch auf den sicheren Fortbestand der jungen Gemeinde in Philippi verstehen.
Die oben geschilderten Gegebenheiten zeigen, dass Lk mit der Geschichte in Philippi seine Leser tief in das Leben der hellenistischen Welt hineinführt. Gerade kleine Details bestätigen als zusätzliche Informationsträger den Zusammenhang mit der hellenistischen Welt: Der Dämon der besessenen Bauchrednerin217 trägt z.B. den Namen aus dem Mythos von Delphi
212
Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 244. Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 606. 214 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 474, Anm. 3. 215 Vgl. H. WENDT, Apostelgeschichte, 247. 216 Diskutiert wird die Frage, warum Paulus auf seinen Bürgerrechten so spät besteht. Nach H. OMERZU, Der Prozeß des Paulus. Eine exegetische und rechtshistorische Untersuchung der Apostelgeschichte, BZNW 115, Berlin 2002, 161, hätte Paulus Gelegenheit gehabt, sein Bürgerrecht früher am Tag bekannt zu geben. In einer ähnlichen Situation in Act 22,25 wird die Geißelung auf diese Begründung hin aufgeschoben. Eher dient die späte Bekanntgabe der Bürgerrechte den erzählerischen Absichten von Lk. Das Leiden des Paulus in Philippi kann als Misshandlung dargestellt werden, ohne die römischen Beamten in ein „zu schlechtes Licht“ zu stellen (H. OMERZU, ebd., 163). 217 Nach P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Apostelgeschichte, 743, bezeugt PLUTARCH, De defectu oraculorum c. 9, dass man zu seiner Zeit die GXIICUVTKOWSQK, die Bauchredner, RWSYPGL genannt habe. Die LXX gibt mit GXIICUVTKOWSQL Lev 20,27 das Textwort bwa = „Totengeist“ wieder. Die Vulgata übersetzt bwa in Lev 20,27 mit pythonicus spiritus: Vir sive mulier, in quibus pythonicus vel divinationis fuerit spiritus, morte puniantur. Unter einem RPGWOC RWSYP hat man hiernach „einen Totengeist verstanden, der seine Offenbarungen auf dem Weg des Bauchredens kundtat“. 213
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„Python“.218 Motive wie das Erdbeben, WBOPQK und die Entfesselung aller Gefangenen in der Befreiungsgeschichte erinnern stark an volkstümliche hellenistische Wundererzählungen, viel mehr als es in den Gefängnisgeschichten in Act 5 und 12 der Fall ist.219 Diese heidnische, hellenistische Welt wird von Lk als pluralistisch, mit gesellschaftlichen und religiösen Spannungen geschildert. Der Bericht von der Begegnung mit Lydia besagt, dass es in der Stadt Philippi eine jüdische Minderheit gab, von der manche Gläubige sich am Sabbat zum Gebet am Fluss220 außerhalb der Stadt versammelten (Act 16,13). Man kann annehmen, dass die Frauen, die sich an der Gebetsstätte trafen, Gottesfürchtige wie Lydia waren (vgl. 13,50; 17,4.12). Das könnte ein Grund dafür sein, dass Lk die Bekehrung von Lydia in Act 16,13–15 nur kurz erwähnt, während er den Bericht von der Bekehrung des Gefängniswärters fast zu einer Novelle ausbreitet.221 Die Bekehrung eines Gottesfürchtigen hat Lk schon in der Geschichte von Petrus und Cornelius (Act 10) ausführlich beschrieben. Nach Lk gehörte es zu den Missionsmethoden des Paulus, Kontakt mit gottesfürchtigen Heiden aufzunehmen, die sich der Synagoge angeschlossen hatten, ohne zum Judentum überzutreten.222 Dass die Beziehungen zwischen Römern und Juden in Philippi nicht problemlos waren, ist aus dem lk Bericht selbst zu schließen: Die Anklage, Paulus und Silas seien Juden, die Unruhe in der Stadt stiften und gegen die römische Ordnung auftreten, ruft nach Lk eine strenge Sofortmaßnahme von Seiten der Stadtobersten hervor. Paulus und Silas werden geprügelt223 und ins Gefängnis geworfen, wo sie von dem Gefängniswärter sicher verwahrt werden sollen (Act 16,22f). Es ist zu beachten, dass die Anklage gegen Paulus und Silas den kommerziellen Aspekt, den eigentlichen Grund, verschweigt, und mit Schlagwörtern des „römischen Nationalismus“ und „heidnischen Antijudaismus“ operiert.224 Die Anklage verrrät 218
Python hieß der von Apollo getötete Drache in Delphi. In der hellenistischen Zeit wurde das Wort zur Bezeichnung eines Bauchredners gebraucht (G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 345). 219 Vgl. O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 208. 220 Etwa zwei Kilometer westlich von Philippi fließt der Fluss Gangites. 221 Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 345. 222 Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 149. 223 Durch das Imperfekt GXMGNGWQP in Verbindung mit dem Infinitiv Präsens TBCDFK\GKP wird das Andauern des Vorganges bezeichnet (BDR, §57,4, Anm. 2; 58,3). 224 Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 609. Die Austreibung eines Geistes konnte nicht gerichtlich bestraft werden. Nach Lk ist die Anklage der Besitzer als ihre Rache an Paulus zu verstehen, weil sie eine Einnahmequelle verloren hatten. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 477, Anm. 3, hält eine Anklage gegen Paulus in Philippi historisch für glaubwürdig, aber nicht wegen dieses Anlasses, sondern wegen seiner Missionstätigkeit. Das Christentum wurde damals vom Judentum noch nicht unterschieden. Obwohl es eine religio licita war, durfte das Judentum unter Römern nicht Proselyten machen. In Philippi gab das besondere Probleme, weil diese Stadt eine römische colonia war. In Philippi muss man mit einer längeren Missionstätigkeit des Paulus rechnen.
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antijüdische Propaganda: QWVQK QKB CPSTYRQK GXMVCTCUUQWUKP JBOYP VJP RQNKP X,QWFCKQK WBRCTEQPVGL MCK MCVCIIGNNQWUKP GSJ C? QWXM GZGUVKP JBOKP RCTCFGEGUSCK QWXFG RQKGKP B4YOCKQKL QWUKP (Act 16,20). Im scharfen Gegensatz zu dem X,QWFCKQK WBRCTEQPVGL steht das B4YOCKQKL QWUKP. Das vor VJP RQNKP vorangestellte JBOYP ist gegenüber dem QWVQK QKB CPSTYRQK betont.225 A. WEISER behauptet, dass „trotz einer gewissen Toleranz“ die Eigenart der jüdischen Bräuche von den Römern „skeptisch betrachtet“ wurde.226 Offiziell wurde der Übertritt zum Judentum für Römer zwar erst um die Mitte des zweiten Jahrhunderts verboten,227 es gab aber immer wieder ein Aufflammen des Antijudaismus unter der heidnischen Bevölkerung, der vor allem durch das soziale Verhalten der Synagoge und ihrer Mitglieder hervorgerufen wurde: Die Juden feierten Sabbat, hielten sich an ihre Speisegesetze und lehnten den Militärdienst ab.228 TACITUS schrieb: Iudeorum mos absurdus sordidusque – „Die Sitte der Juden ist widerwärtig und häßlich“.229
Die Bevölkerung der Stadt Philippi wird in der Erzählung von Lk durch die Menschenmenge (QB QENQL) repräsentiert (16,22). Wie bei den Ereignissen in Lystra (Act 14) ist auch in Philippi die Menschenmenge leicht aufzuhetzen. Die Einwohner von Philippi versammeln sich auf dem Marktplatz vor dem städtischen Gericht und unterstützen die Anklage der Besitzer der von dem Wahrsagegeist befreiten Sklavin.230 Wie in Lystra stellt Lk mit der Menschenmenge eine Größe dar, die leicht zu begeistern und leicht zu empören ist. Ihre Meinung hängt unmittelbar von der Überzeugungskraft des jeweiligen Redners und von der jeweiligen Stimmung ab. Gerade bei dem Phänomen der Vergöttlichung eines Menschen fällt dies auf. Wenn man nun zur Vergöttlichungsszene kommt, ist es wichtig zu beachten, dass es hier zum ersten Mal um die Bekehrung eines „echten“ Heiden geht. Im Unterschied zur Corneliusgeschichte in Act 10,1ff ist der Gefängniswärter in 16,23ff kein Gottesfürchtiger. Der Kerkermeister bzw. der oberste Gefängniswärter231 wird von Lk nur als ein treuer römischer Soldat und ein vom Charakter her entschlossener Mann dargestellt. Bei der Feststellung, dass die Türen des Gefängnisses offen sind und er seinen Auftrag nicht erfüllt hat, ist der Gefängniswärter ohne weiteres bereit, sich zu töten (Act 16,27). Seine spontane Reaktion lässt sich nach Lk vielleicht dadurch erklären, dass er aus der Perspektive eines römischen Soldaten sofort begreift: Er hat seinen Auftrag nicht ausgeführt und keiner seiner Oberen wird ihm ein Wunder glauben und ihm mildernde Umstände zubil225
Vgl. H. WENDT, Apostelgeschichte, 247. Vgl. A. WEISER, Die Apostelgeschichte, ÖTK.NT 5/2, Gütersloh 1985, 436. 227 Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 423. 228 Vgl. A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/2, 436. 229 TACITUS, Hist. 5,5. 230 „Zugleich“, „zusammen“ (UWPGRGUVJ) mit den Anklägern, wendet sich die Volksmenge gegen die Angeklagten. 231 Vgl. J. ZMIJEWSKI, Apostelgeschichte, 609. 226
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ligen.232 Dieses Denken ist für die Adressaten der Acta gut nachvollziehbar. Ein ähnlicher Fall, der mit einer Hinrichtung der Wächter endet, ist von Lk schon in Act 12,19 geschildert worden. Der Gefängniswärter von Philippi will mit seinem Selbstmord der Todesstrafe zuvorkommen. In seiner religiösen hellenistischen Denkweise konnte der Gefängniswärter glauben, dass die Götter sein Verderben wollen.233 Es ist von daher verständlich, dass er im tief empfundenen Gefühl der Todesnähe den überraschenden Zuruf des Apostels Paulus im Dunkeln OJFGP RTCZJ^L UGCWVY^ MCMQP C=RCPVGL ICT GXUOGP GXPSCFG als ein übernatürliches Eingreifen in sein Schicksal empfand (Act 16,28). Paulus erscheint für den heidnischen Soldaten wie ein „Theios AnƝr“, der die entfernten, verborgenen Dinge durchschaut und dessen charismatischer Schrei Wunder bewirkt.234 Nachdem der Gefängniswärter beim Licht der Fackeln (HYVC) bestätigt sieht, was Paulus gerufen hat, muss er glauben, es sei eine höhere Macht gewesen, die ihn an der „Pforte des Hades“ aufgehalten hat.235 Der Gefängniswärter sieht vor sich Menschen, die nach hellenistischen Vorstellungen von Übernatürlichem umgeben sind. Zur Steigerung der Spannung wird von Lk eine sehr reiche Palette von Motiven der heidnischen und christlichen Tradition verwendet: Das Wunder geschieht um Mitternacht, einer Zeit, die dem Überirdischen vorbehalten ist (vgl. Act 20,7; Mt 25,6). Wie in Act 4,31 kündigt das Erdbeben die Nähe des im Gebet angerufenen Gottes an. Wie in Act 5,19 und 12,10 öffnen sich die Türen; wie in Act 12,7 fallen die Fesseln ab.236 Nach H.H. WENDT ist der Zweck des von Lk erwähnten Erdbebens in der Gefängnisgeschichte nicht unbedingt die Befreiung von Paulus und Silas, sondern ihre Beglaubigung als von Gott gesandte und geschützte Personen, die dann auch den Glauben des Gefängniswärters hervorruft.237 Dem kann man zustimmen. Das Erdbeben um Mitternacht zeigt Lk als Eingriff Gottes, als seine Antwort auf das Gebet. Diesmal dient der göttliche Eingriff nicht nur zur Befreiung der Gefangenen, sondern noch viel mehr zur Bekehrung des römischen Gefängniswärters. Aufgrund des übernatürlichen Geschehens kommt er mit seinen Angehörigen zum Glauben an Jesus. Nach J. ROLOFF gilt das Interesse des Erzählers dem wunderbaren Erweis göttlicher Macht. Es geht um die Demonstration der Macht des hinter den Gefangenen stehen-
232
Im Falle höherer Gewalt konnte der Aufseher straffrei ausgehen. Vgl. DIGESTEN 12,48,3, erwähnt bei G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 347. 233 Vgl. O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 210. 234 Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 347. 235 Vgl. O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 210. 236 Bei Euripides (Bacchen 455ff; vgl. Origenes Celsus II,34) liest man Ähnliches: „Von selbst lösten sich ihnen die Fesseln von den Füßen, und die Türriegel öffneten sich ohne menschliche Hand“. Zitiert bei W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 151. 237 Vgl. H. WENDT, Apostelgeschichte, 248.
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den Gottes. Durch diese Demonstration wird die Bekehrung des Gefängniswärters ausgelöst.238 Wegen der vielen dicht miteinander verknüpften Motive ist aber gerade bei der Gefängnisgeschichte in Philippi die Gattung schwer zu erkennen. Es gibt in dieser Frage eine rege Diskussion unter den Theologen. W. SCHMITHALS redet in diesem Fall von einer Legende, die viele typische Züge dieser Gattung enthält und die in diesem Fall zwei Motive verbindet: Bekehrung und Befreiung. Bei beiden Zügen sind die entsprechenden Parallelen zu den wunderbaren Erlebnissen des Apostels Petrus deutlich zu erkennen.239 Paulus wird wie Petrus (Act 5,18; 12,5) ins Gefängnis geworfen und auf das Sicherste verwahrt. Die Darstellung in Act 16,23bf dient wie bei Petrus in Act 12,6 als Kontrast zur wunderbaren Befreiung. Wie es sich für den leidenden Gerechten gehört,240 loben die gefesselten Apostel Gott öffentlich. J. ROLOFF weist darauf hin, dass in dem Fall von Act 16,11–40 ein Befreiungswunder eher unspezifisch ist, weil es eigentlich nicht die Rettung der Gefangenen zum Ziel hat: Die Gefangenen machen von der geschenkten Freiheit keinen Gebrauch. R. KRATZ ist der Meinung, dass die Bekehrungserzählung des Kerkermeisters überlieferungsgeschichtlich am Anfang gestanden hat. Das Befreiungswunder dient nur als sekundäre Exposition für das „Wunder der Bekehrung“. Erzählziel ist in diesem Fall von vornherein das Bekehrungsereignis.241 Nach W. WEISS überspielt Lk die direkte Verknüpfung von Befreiungsgeschehen und Bekehrung, indem er die Proskynese- und dazu eine Lehrgesprächsszene an die Befreiungserzählung anschließt.242
Das Problem bei der spannenden Szene mit dem Fußfall des Gefängniswärters ist, dass es hier keine direkte Abwehr gegen das Zeichen der Vergöttli238
Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 246. Nach W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 152, geht es Lk darum, Paulus auf der ersten Station der europäischen Mission erneut als Parallele zu Petrus darzustellen, sowohl hinsichtlich seiner Gefangenschaft und wunderbaren Befreiung als auch hinsichtlich seiner Missionspredigt. W. SCHMITHALS wendet sich gegen die Meinung, nach der die Parallelisierung von Paulus und Petrus angebliche urchristliche Gegensätze von petrinischem Judenchristentum und paulinischem Heidenchristentum in der Zeit des Lk zum Ausgleich bringen solle. Durch Parallelisierung ordne Lk Paulus in die apostolische Tradition ein, deren Träger die Zwölf Apostel sind und deren Repräsentant Petrus ist. Irrlehrer, die behaupten, Paulus sei ein von Jesus direkt berufener Apostel und habe ein anderes Evangelium als das der Zwölf verkündigt, täuschten sich und ihre Hörer über die wahre Botschaft des Heidenmissionars. Seine Bedeutung sei gerade deshalb so groß, weil er wie Petrus wirkte. 240 TestJos 8,5 gibt ein Beispiel dafür, wie ein leidender Frommer im Gefängnis Gott lobt. Der gefangene Josef bezeugt: „Als ich in Fesseln war,“ hörte die Ägypterin „wie ich den Herrn pries im finstern Haus und meinen Gott mit fröhlicher Stimme lobte.“ (vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 151; E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 478, Anm. 3). Auch Sokrates schreibt im Gefängnis Lobgesänge (Epikt diss II 6,26; vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 247). 241 Vgl. R. KRATZ, Rettungswunder. Motiv-, traditions- und formkritische Aufarbeitung einer biblischen Gattung, EHS.T 123, Frankfurt a. M. 1979, 499. 242 W. WEISS, Zeichen und Wunder, WMANT 67, Neukirchen 1995, 113. 239
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chung, gegen die Geste der Proskynese gibt, wie sie in Act 10,26 zu sehen war. Dass der Gefängniswärter sich vor Paulus und Silas niederwirft, könnte zeigen, dass er Paulus und Silas für göttliche Wesen hält,243 zeigt es aber für sich genommen nicht deutlich genug. Der Kniefall ist in Extremsituationen von Bitte und Dank keine göttliche Verehrung. Auch die Anrede „Herren“ (MWTKQK), mit der schon Cornelius den Engel Gottes bei seiner Vision anspricht (MWTKG – Act 10,4), könnte entweder bestätigen, dass der Gefängniswächter Paulus und Silas als Götter bezeichnete, oder aber „bloß“ einen „tiefen Respekt bekunden“.244 Ein wirklich starkes Argument dafür, dass der Gefängniswärter das ganze Ereignis auf der religiösen Ebene gedeutet und verstanden hat und daher mit dem Fußfall einen Akt der Apotheose vollzog, lässt aber seine Frage nach der Rettung vermuten: MWTKQK VK OG FGK RQKGKP K=PC UYSY; – „Was muss ich tun, um gerettet zu werden?“ (Act 16,30).245 Fast unmittelbar nach dem Fußfall erfolgt die Antwort des Paulus auf diese Frage mit der Weisung an den Gefängniswächter, Jesus als Herrn anzuerkennen, um gerettet zu werden. Paulus weist von sich weg auf Jesus hin (Act 16,31). So ist das Schlüsselwort in der Gefängnisszene in Philippi der Begriff Rettung. Nicht zufällig fällt der Gefängniswärter vor Paulus und Silas nieder und redet sie als MWTKQK an. Er ist überzeugt, dass es in ihrer Macht steht, ihn zu retten. Aus diesem Grund zählt G. THEISSEN die Gefängnisgeschichte in Act 16,16ff zu den Rettungswundern. In ihnen geht es um die Überwindung feindlicher Mächte, um die Besiegung von Natur- und Staatsmacht, wobei die Befreiung oft von der göttlichen Kraft der Gefangenen ausgeht.246 Ähnlicher Meinung ist J. ROLOFF: Der Gefängniswärter identifiziert Paulus und Silas als Träger numinoser Macht, die das wunderbare Geschehen ausgelöst haben. Daher tut er das „für einen Heiden in dieser Situation Naheliegende“, indem er ihnen als mutmaßlichen Götterboten die Proskynese erweist und sie nach den Bedingungen für seine Rettung vor ihrem Zorn fragt.247 Erst nach dieser Phase der Erkenntnis haben Paulus und Silas die Chance, dem Gefängniswärter die eigentliche Rettung kundzutun.248 Ähnlich wie der Apostel Petrus vor den führenden Priestern in Jerusalem sagt Paulus, dass nur Jesus Christus und sonst niemand die Rettung bringen 243
Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 425. Vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 217, Anm. 69. 245 T. ZAHN, Apostelgeschichte, 580, meint, dass der Gefängniswärter sich vor Paulus und Silas allein deswegen niederwirft, um sich zu überzeugen, ob auch ihre Füße aus dem Klotz frei geworden seien. Die Proskynese hätte Lk deutlich ausgedrückt und sie nicht ohne abwehrende Äußerung der Apostel gelassen. 246 Vgl. G. THEISSEN, Wundergeschichten, 107. 247 J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 247. 248 Vgl. G. THEISSEN, Wundergeschichten, 111. 244
Die Vergöttlichung des Paulus und Silas in Philippi.
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kann: Es ist von Gott den Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, in dem sie gerettet werden können (Act 4,12). Damit wird jede Vergöttlichung von Menschen auf dieser Erde für falsch und irrig erklärt. Vielleicht ist auch der in der Antwort des Apostels Paulus gegebene Hinweis auf den Kyrios eine stillschweigende Korrektur der Ehrerbietung vor den Kyrioi.249 Diese Korrektur der heidnischen Vorstellungen von göttlichen Wesen und göttlichen Herren trägt auf jeden Fall entscheidend dazu bei, dass sich der Gefängniswärter bekehrt. Nachdem er die Botschaft vom wahren UYSJPCK gehört hat, wird er christusgläubig. Genauso spontan wie zum Selbstmord ist der Gefängniswärter nun zum neuen Leben bereit. In seiner neuen Erkenntnis und in tiefer Ehrfurcht vor den Boten Gottes wäscht der Gefängniswärter die Wunden von Paulus und Silas,250 nimmt die beiden in sein Haus auf und lässt sich in derselben Nacht taufen (Act 16,33f).251 Sein Gläubigwerden an den Herrn Jesus Christus wird am Schluss der Episode als ein Gläubigwerden an den einen wahren Gott dargestellt. Das Ende der Gefängnisgeschichte wird von Lk genauso lebendig erzählt wie der Anfang und hat wieder eine Spannung wie ein Film. Wenn man die Erzählung vor den inneren Augen ablaufen lässt, rückt gleich das Thema des römischen Bürgerrechts ins Zentrum des Bildschirmes. Am Morgen nach der abenteuerlichen Nacht bekommt der Gefängniswärter die Weisung von den Stadtobersten, Paulus und Silas heimlich freizulassen (Act 16,35),252 wobei es nicht deutlich wird, ob der Freilassungsbefehl, den die Gerichtsboten253 überbringen, durch das nächtliche Erdbeben veranlasst wurde.254 Nach dem christlichen Friedenswunsch255 des Gefängniswärters,
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Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 348. In dieser Geste der Nächstenliebe des Gefängniswärters in Act 16,33 sieht W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 152, ein Handeln nach dem Vorbild des barmherzigen Samaritaners in Lk 10,34. 251 Da es ziemlich wahrscheinlich ist, dass in diesem Fall Paulus und Silas selber die Taufe vollzogen haben, berichtet eine alte Überlieferung, der Gefängniswärter von Act 16 sei der Stephanus von 1 Kor 1,16 und 16,15 gewesen. Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 222. 252 Die offenen Fragen, woher die Prätoren am anderen Morgen plötzlich um die Unschuld der Gefangenen wissen und warum Paulus nicht schon vor der Auspeitschung sein römisches Bürgerrecht zur Geltung gebracht hat, führen W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 151, zur Annahme, dass die Darstellung von der Verhaftung und Freilassung nicht ursprünglich mit Act 16,16–22 verbunden gewesen sein kann. Ansonsten stimmt die Erzählung von den Ereignissen in Philippi mit den Berichten in 2 Kor 11,25 und 1 Thess 2,2 überein, so dass man einen historischen Kern in der von Lk benutzten Quelle nicht bezweifeln muss. 253 Mit TBCDFQWEQK sind in Act 16,35.38 die Liktoren gemeint (W. BAUER, Wörterbuch, 1468). hmg 254 Die Handschriften D syr setzen das Motiv des Erdbebens in den Text von Act 16,35 ein: JBOGTCL FG IGPQOGPJL UWPJNSQP QKB UVTCVJIQK GXRK VQ CWXVQ GKXL CXIQTCP MCK CXPCOPJUSGPVGL VQP UGKUOQP VQP IGIQPQVC GXHQDJSJUCP MCK CXRGUVGKNCP VQWL TBCDFQWEQWL NGIQPVGL CXRQNWUQP VQWL CXPSTYRQWL GXMGKPQWL. 250
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den er Paulus und Silas auf den Weg in die Freiheit mitgibt, erfolgt aber eine überraschende Wende. Unter Berufung auf sein römisches Bürgerrecht256 beklagt er sich bei den Stadtoberen: Er und Silas seien ohne Prozess und richterliches Urteil257 geprügelt und ins Gefängnis geworfen worden. Die Stadtoberen sollen persönlich herkommen und sie freilassen.258 Nun geschieht in der Geschichte eine merkwürdige Veränderung der Rollen. Die Stadtobersten sind erschrocken, als sie die Nachricht von Paulus hören, bekennen sich schuldig vor den beiden Aposteln,259 entschuldigen sich bei ihnen und bitten sie demütig, die Stadt zu verlassen (Act 16,38f).260 255 RQTGWQOCK GXP GKXTJPJ, vgl. Ri 18,6; 2 Reg 3,21. Ähnliche Wendungen begegnen in Mk 5,34; Lk 7,50; Lk 8,48; Act 15,33; Jak 2,16. Die Handschrift D hat diesen christlichen Wunsch „in Frieden“ gestrichen, weil Paulus die Aufforderung zu gehen in Act 16,37 ablehnt. 256 In den Geißelungen von 2 Kor 11,25 sieht W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 153, ein Argument gegen die Annahme, dass Paulus ein römisches Bürgerrecht besaß. Es sei ein Motiv des Schriftstellers Lukas: Mit der künstlichen Berufung auf das römische Bürgerrecht bereite Lk die Ereignisse in Jerusalem und Cäsarea vor (in Act 21ff), in denen die Berufung des Paulus auf sein römisches Bürgerrecht eine entscheidende Rolle spielen solle (vgl. Act 25,12; 26,32). Nach H. WENDT, Apostelgeschichte, 249, sind die Zweifel an der Geschichtlichkeit des römischen Bürgerrechts des Paulus unbegründet. In Act 22,28 gibt Lk zu verstehen, dass Paulus das römische Bürgerrecht von Geburt an besaß. Obwohl die Einwohner von Tarsus als solche das Recht nicht hatten, gab es damals in Kleinasien viele Juden, die römische Bürger waren. Auf der wahrheitswidrigen Behauptung, das römische Bürgerrecht zu besitzen, stand die Todesstrafe. U. SCHNELLE, Paulus. Leben und Denken, Berlin/New York 2003, 44–46, widerlegt die Argumente gegen das Bürgerrecht von Paulus mit folgenden Argumenten: Wenn man behauptet, dass die Berufung auf das römische Bürgerrecht in der Geschichte von Philippi „merkwürdig spät“ komme, werde die schriftstellerische Arbeit von Lk nicht genug berücksichtigt. Allein wegen der erzählerischen Spannung hätte Lk das Bürgerrecht von Paulus am Ende seiner Szene einführen wollen. Die Überstellung des Paulus nach Rom wäre schwer zu erklären, wenn er nicht auf Grund seines römischen Bürgerrechts an den Kaiser hätte appellieren können. Die Geißelung römischer Bürger sei zwar verboten gewesen, in der Praxis aber habe es Übertretungen dieser Regel gegeben (vgl. Jos. Bell 2,308; Cic.Verr. II 5,161–167; Liv. X 9,4f). Auch die Tatsache, dass Paulus einen Handwerksberuf ausübte, beweise nicht seinen niedrigen Sozialstatus, so dass deswegen an den Erwerb des Bürgerrechtes durch seinen Vater oder ihn selbst nicht zu denken sei. Paulus könnte den Beruf auch zur Sicherung seiner Unabhängigkeit ausgeübt haben. Das römische Bürgerrecht sei in der frühen Kaiserzeit nicht nur hochgestellten Persönlichkeiten zugänglich gewesen. Wahrscheinlich besaß Paulus es „als Nachkomme eines freigelassenen jüdischen Sklaven“ (U. SCHNELLE, Paulus, 46). 257 CXMCVCMTKVQL bedeutet „unverurteilt“, „ohne geordnetes Prozessverfahren verurteilt“. Dieser Begriff kommt nur noch in Act 22,25 vor (W. BAUER, Wörterbuch, 57). 258 Nach W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 153, ist eine ähnliche Szene bei Lukian (Toxaris 33) zu finden. Dort nehmen unschuldig Gefangene eine Fluchtgelegenheit nicht wahr und erzwingen statt der ihnen gewährten Freilassung eine ausdrückliche Anerkennung ihrer Unschuld. K. KLIESCH, Apostelgeschichte, SKK.NT 5, Stutgart 1986, 115, meint, es gehöre zum Propagandastil des lk Doppelwerkes, gegenüber der römischen Obrigkeit zu zeigen: Das Christentum ist nicht staatsfeindlich, muss aber manche Praktiken im Staat ihrer Unmenschlichkeit wegen entlarven, wann immer es um Heil und Befreiung eines Menschen geht. 259 Durch die lex Valeria und die lex Porcia war römischen Bürgern Freiheit von der entehrenden Geißelungsstrafe zugesichert (vgl. Liv. II,8.X,9). 260 Die Handschrift D erweitert den Text in Act 16,39 mit den Worten: „Sie kamen mit vielen Freunden in das Gefängnis und redeten ihnen zu, sie sollten weggehen, indem sie sprachen: Wir
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Es ist nicht zu übersehen, dass der Hinweis auf das Bürgerrecht von Paulus wieder eine apologetische Tendenz des Lk besitzt. Auf diesem Weg macht Lk die politische Unschuld der Missionare sehr anschaulich. Was Lk seinen Lesern sagen möchte, ist Folgendes: Es hat immer Vorwürfe gegen die Christen gegeben, man sieht in ihnen Unruhe stiftende Juden (vgl. Act 16,20ff) und unterstellt ihnen politische Unzuverlässigkeit. Diese Vorwürfe sind aber stets unbegründet. Der große Heidenmissionar Paulus war sogar ein römischer Bürger und die römischen Behörden haben sich in der frühen Zeit der Mission nicht gescheut, die Unschuld der Christen zuzugeben. Damit haben sie ein Vorbild gegeben für die römischen Statthalter und Magistrate zur Zeit des Lk, damit auch sie die Christen als loyale Staatsbürger ansehen.
In der Exegese wird oft Anstoß daran genommen, dass sich Paulus und Silas erst nach Misshandlung und Gefangenschaft auf ihr römisches Bürgerrecht berufen. Wenn man in diesem Rettungswunder stärker als bisher die Auseinandersetzung mit falscher und wahrer Apotheose sieht, kann man diese erzählerische „Ungeschicklichkeit“ verständlich machen: Würden die Missionare heimlich die Stadt verlassen und das Rettungswunder danach offenbar werden, so würde ein heidnisches Milieu an einen Besuch der Götter glauben. Paulus und Silas aber insistieren darauf, dass sie Römer sind. Betont sagen sie „römische Menschen“: CXPSTYRQWL B4YOCKQWL WBRCTEQPVGL (Act 16,37). Das wollen sie offiziell anerkannt wissen. Einerseits wird ihre menschliche Ehre dadurch wiederhergestellt, andererseits aber sind sie jetzt davor geschützt, für mehr als Menschen gehalten zu werden. Die Stadtoberen selbst sind Zeugen dafür. So ist die Apotheoseszene in Philippi in eine dichte Schicht aus Farben anderer Ereignisse und Themen eingezeichnet. Und doch bildet sie als Bekehrung eines „echten“ Heiden einen Wendepunkt in der Geschichte. Fragt man nach der Bewertung dieser Apotheose, so fällt es nicht schwer festzustellen, dass es sich auch hier um eine falsche Apotheose handelt. Das wichtigste Kriterium für die Bewertung der Vergöttlichung ist wieder die Tatsache, dass die Apotheose von Menschen durch einen Menschen vollzogen wird. Wieder wird bei der Anbetung der Ausgangspunkt „von unten“, von der Seite des Menschen, genommen. Für den Gefängniswärter in Philippi, wie auch für den römischen Hauptmann Cornelius in Caesarea, bedeutet die Korrektur seiner falschen heidnischen Vorstellungen über die Apotheose von Menschen den entscheidenden Schritt in Richtung des Christwerdens. Bei dem gottesfürchtigen Cornelius ist dieser Schritt allerdings der letzte in einer längeren Kette von Schritten auf dem Weg vom Heidentum zur Erkenntnis des wahren waren in Unkenntnis, was euch betrifft, (und wussten nicht,) dass ihr gerechte Männer seid. Sie führten sie hinaus und redeten ihnen zu, indem sie sagten: Geht von dieser Stadt weg, damit sie sich nicht wieder bei uns zusammentun und gegen euch Geschrei erheben“ (vgl. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 210, Anm. w).
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Gottes, während für den Gefängniswärter dieser Schritt der Anfang und die Vollendung auf einmal ist. Bedeutet dies, dass Menschen ohne Vorkenntnisse einfacher zu bekehren sind? Oder liegt vielleicht der Unterschied einfach am Erzähltempo des lk Berichtes? In einem Film bleibt man schließlich auch selten bei den Details stehen.
4.6 Die Vergöttlichung des Paulus auf der Insel Malta (Act 28,1–6): Die tolerierte Apotheose in der Fama des Volkes Die Vergöttlichung des Paulus auf der Insel Malta „Als wir gerettet waren, erfuhren wir, dass die Insel Malta heißt. Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war. Als Paulus einen Haufen Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, fuhr infolge der Hitze eine Viper heraus und biss sich an seiner Hand fest. Als die Einheimischen das Tier an seiner Hand hängen sahen, sagten sie zueinander: Dieser Mensch ist gewiss ein Mörder; die Rachegöttin lässt ihn nicht leben, obwohl er dem Meer entkommen ist. Er aber schleuderte das Tier ins Feuer und erlitt keinen Schaden. Da erwarteten sie, er werde anschwellen oder plötzlich tot umfallen. Als sie aber eine Zeitlang gewartet hatten und sahen, dass ihm nichts Schlimmes geschah, änderten sie ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott.“ (Act 28,1–6)
Mit der Geschichte von der Vergöttlichung auf Malta versetzt Lk seine Leser für eine Weile auf eine von der Umwelt abgeschnittene Insel. Nach einem Schiffbruch befinden sich Paulus und seine Begleiter an einem fremden Ort, in einer schwierigen Lage, an sonderliche Umstände und fremde Menschen ausgeliefert. Von der Stimmung und der Umgebung her nimmt diese Geschichte einen besonderen Platz im Wirken des Paulus und der Apostelgeschichte ein. Interessanterweise stellt diese letzte Apotheose des lk Doppelwerkes einen Sonderfall auch in Bezug auf die Vergöttlichung dar. In Act 28,1–6 bezeichnen die Bewohner der Insel Malta Paulus als einen Gott und diese Apotheose wird weder kritisiert noch korrigiert noch bestraft. Weder Paulus noch Lk als Erzähler äußern sich ablehnend zu dieser Apotheose. Es bleibt zu fragen, ob Lk diesmal die Apotheose eines Menschen als berechtigt empfindet oder vielleicht am Ende seines Werkes zugeben muss, dass die Vergöttlichung von Menschen eine unvermeidliche Erscheinung in seiner Welt ist, die zu korrigieren oder zu bekämpfen sinnlos ist. Akzeptiert Lk diesmal die Apotheose eines Menschen als berechtigt? Um diese Fragen zu beantworten, wollen wir in Gedanken Lk und seinem Paulus auf die fremde Insel folgen und versuchen, uns die Welt so vorzustellen, wie Lk sie gesehen haben mag.
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Wenn man die Malta-Geschichte und deren von Lk gezeichnete Umwelt genauer erforschen will, stößt man auf viele Probleme. Die erste Frage, die unvermeidlich aufkommt, theologisch aber nicht besonders schwerwiegend ist, ist folgende: Wo befindet sich Paulus mit seinen Begleitern nach dem Schiffbruch eigentlich? In der lk Erzählung Act 28,1 wird die Insel /GNKVJ genannt. Die Streitfrage ist, ob mit ihr das heutige Malta oder ein anderer Ort gemeint ist.261 Zwei Meinungen lenken besondere Aufmerksamkeit auf sich: die Malta- und die Kephallenia-Theorie.262 Die ältere von beiden, die Malta-Theorie, wird von der großen Mehrheit der Theologen, z.B. von J. WEISS, E. PREUSCHEN, T. ZAHN, G. STÄHLIN und G. SCHNEIDER unterstützt. Nach dieser Theorie ist mit dem Namen /GNKVJ in Act 28 die südlich von Sizilien gelegene Insel, das heutige Malta, gemeint. Im ersten Jahrhundert bildete Malta mit seinen vielen Häfen einen Stützpunkt für den Ost-West-Verkehr im Mittelmeer und wurde gerne zur Überwinterung genutzt. Seit 218 v.Chr. stand diese Insel unter römischer Herrschaft.263 Aufgrund der traditionellen Malta-Theorie wird auch im Weiteren der Einfachheit halber die ganze Szene mit dem Namen Malta verbunden. Die Kephallenia-Theorie wird von HEINZ WARNECKE in seiner Arbeit „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus“ vorgeschlagen und entfaltet.264 Obwohl sie überwiegend abgelehnt wird,265 veranschaulicht sie den Hintergrund der Malta-Szene auf eine so prägnante Weise, dass sie hier etwas ausführlicher erwähnt werden soll.
261 Man kann kaum das adjektivische /GNKVJPJ statt /GNKVJ in Act 28,1 für ursprünglich annehmen, das nur in den Lesevarianten B* lat syh bo bezeugt wird. 262 Es gibt auch manche andere Vermutungen in Bezug auf die Insel /GNKVJ. R. KNOPF, Die Apostelgeschichte, SNT 1, Göttingen 1906, 122, der die Malta-Theorie vertritt, erwähnt z.B. auch die Annahme, dass hinter der oben genannten Bezeichnung, hauptsächlich wegen der Bemerkung von Adria in Act 27,27, die dalmatinische Insel Meleda stecken könnte. Auch Meleda wurde früher /GNKVJ genannt. Diese Meleda-Theorie bezeichnet R. KNOPF als eine „sicher unrichtige Ansicht“. Auch E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, lehnt die Meleda-Theorie ab. Nach ihm hat diese Hypothese ihren Grund allein in dem Lokalpatriotismus ihrer Verteidiger. 263 Vgl. W. RADL, Art. /GNKVJ, EWNT 2 (21981), 993. 264 H. WARNECKE, Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus, SBS 127, Stuttgart 1987. 265 Eine dezidierte Gegenposition vertreten J. WEHNERT mit dem Aufsatz: Gestrandet. Zu einer neuen These über den Schiffbruch des Apostels Paulus auf dem Wege nach Rom (Apg 27–28), ZThK 87 (1990), 67–99, und M. REISER, Von Caesarea nach Malta. Literarischer Charakter und historische Glaubwürdigkeit von Act 27, in: F.W. Horn (Hg.), Das Ende des Paulus. Historische, theologische und literaturgeschichtliche Aspekte, BZNW 106, Berlin/New York 2001, 49–73. J.A. FITZMYER schreibt: „The name MelitƝ has nothing to do with Mljet (Melite Illyrica), a small island off the coast of Dalmatia (opposite modern Dubrovnik) with which Ignazio Georgi, an eighteenthcentury Benedictine, once tried to identify the place of Paul’s shipwreck. This view has been espoused in modern times by Acworth, Meinardus, and Warnecke.“ J.A. FITZMYER, The Acts of the Apostles. A New Translation with Introduction and Commentary, AncBib 31, New York u.a. 1998, 782.
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Die geographischen Angaben in Act 28,1–10 sind folgende: Auf der Romfahrt geriet das Schiff in Seenot zwischen Kreta und Süditalien und war auf einer Insel (PJUQ9)266 gestrandet (Act 27,27–28,6). Diese Insel wird von den Einwohnern Melite (/GNKVJ) genannt (Act 28,1) und liegt laut Act 27,27 in der Adria (GXP VY^ 8$FTKC^). Da Paulus nach Lk seine Reise mit einem alexandrinischen Schiff fortsetzt, das auf /GNKVJ überwintert hat (Act 28,11f), kann man folgern, dass die Insel sich am Seeweg von Ägypten nach Sizilien befand. Ein solcher Etappenhafen könnte nach H. WARNECKE eher die Insel Kephallenia sein als das „ungünstig gelegene Malta“.267 Nach Act 28,11–13 war Syrakus auf Sizilien der Ziel- und Wendehafen des alexandrinischen Schiffes. H. WARNECKE fragt, warum das Schiff nicht die weitere Tagesetappe von Malta nach Syrakus weitergefahren war, sondern in Sichtweite der Insel überwinterte. Es ist ebenso rätselhaft, warum das Schiff die Insel mitten im Winter wieder verließ. Nach H. WARNECKE ist die winterliche Weiterfahrt von der Insel mit einem besonderen Wetterphänomen im kephallenischen Meeresraum zu erklären. Um die Zeit der Wintersonnenwende gibt es in dieser Gegend eine kurze Periode von ruhigen, klaren Tagen, die sogenannten ‚Eisvogeltage‘. Wenn die Seeleute in der Antike nicht aufgrund der regnerischen und stürmischen Wetterlage von Ende September bis Anfang April auf Kephallenia ausharren wollten, konnten sie für die Meeresüberquerung in Richtung Syrakus die ‚Eisvogeltage‘ nutzen. So gelangte auch Paulus nach dreimonatigem Aufenthalt im Wintermonat Januar auf einem alexandrinischen Schiff im Zeitraum von gut zwei Tagen nach Syrakus.268 Für die Kephallenia-Theorie spricht die Tatsache, dass in dieser Gegend der Sturmwind Scirocco während der Winterzeit dichte Wolkenmassen, den sogenannten Scirocconebel, bildet, der auf eine besondere Weise die Landschaft verdeckt und einhüllt. Aufgrund dieser Naturerscheinung ist zu verstehen, warum die Seeleute am 14. Tag der Irrfahrt die Insel nicht identifizieren konnten.269 Für die westgriechische Insel Kephallenia spricht nach H. WARNECKE ferner die Tatsache, dass auf dieser Insel das Winterhalbjahr durch kräftige Niederschläge und Kälte gekennzeichnet ist. Auf Malta gehen im Herbst keine Wolkenbrüche mit heftigem, anhaltendem Regen nieder, um deretwillen Paulus hätte Schutz suchen müssen (Act 28,2).270 266 Nach der Forschung von H. WARNECKE, Romfahrt, 67, Anm. 42, kann man unter dem Wort PJUQ9 nicht nur eine Vollinsel, sondern auch eine Halbinsel oder eine Landzunge verstehen. 267 Vgl. ebd., 78. Im Laufe der Jahrhunderte habe Malta eher als eine Zuflucht für Schiffbrüchige gedient denn als ein gewünschter Etappenhafen für die Überwinterung. So der Vertreter der Malta-Theorie G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 322. 268 Vgl. H. WARNECKE, Romfahrt, 107. 269 Schon in der Odyssee von Homer wird erwähnt, dass der Kephallenenkönig Odysseus seine heimatliche Inselwelt auf Grund des eigentümlichen Scirocconebels nicht identifizieren konnte. Hom.Od. XIII 187–196, zitiert bei H. WARNECKE, Romfahrt, 99. 270 Vgl. ebd., 100. In diesem Punkt teilt auch G. SCHILLE die Einwände von H. WARNECKE gegen die Malta-Theorie. Er weist, Apostelgeschichte, 471, auf die Tatsache hin, dass auf Malta im Spätherbst kein kalter Wintertag vorstellbar ist. Die Normaltemperatur kann für diese Jahreszeit um 22 Grad Celsius liegen, wobei der auf Malta häufige Südostwind eine fast unerträgliche Hitze mit sich führt. So ist es anzunehmen, dass die Geschichte in Act 28,1–10 einen sehr viel
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Neben der geographischen Lage gehören zum Hintergrund der Apotheoseszene auch die dortigen Menschen: Die Einheimischen werden von Lk Barbaren (QKBB DCTDCTQK) genannt. Diesen Begriff verwendet Lk nur hier in der Apostelgeschichte. Auf keinen Fall bringt er damit eine dem heutigen Empfinden vertraute abwertende oder sogar diskriminierende Haltung zum Ausdruck.271 Nach W. BAUER beinhaltet das Wort Barbaren in Act 28,2.4 die Bedeutung von ungriechisch und ausländisch.272 Man muss den Begriff DCTDCTQK nicht unbedingt als einen Hinweis auf die Kultur der so beschriebenen Leute verstehen. Dieser Ausdruck könnte sich hier alleine auf die Sprache und Abstammung der Inselbewohner beziehen. Das Wort DCTDCTQ9 hat die Grundbedeutung, die aus der Verdoppelung der Anfangssilbe zu erschließen ist: ‚stammelnd redend‘ oder ‚undeutliche Laute aussprechend‘. Von daher wurde in der Antike mit diesem Wort jeder bezeichnet, der eine nichtgriechische Sprache sprach und sich damit unter Griechen als Ausländer zu erkennen gab.273 Schon durch die Tatsache, dass er die nicht griechisch redenden Bewohner von /GNKVJ in Act 28,2.4 DCTDCTQK nennt, verrät Lk nach A.v. HARNACK seine eigene hellenische Abkunft.274 Wenn man (nach der Malta-Theorie) bei der Malta-Geschichte an die Insel Malta denkt, könnte die Bezeichnung DCTDCTQK auf die phönizische Abkunft der Insulaner hinweisen. Da sie Barbaren genannt werden, sprachen sie wahrscheinlich als Umgangssprache weder Griechisch noch Latein, obwohl im Unterschied zu Act 14,11 ihre fremde Sprache in der Erzählung sonst nicht hervorgehoben wird. Wenn die Einwohner der Insel punisch oder phönizisch redeten,275 konnte sich Paulus selbst vielleicht einigermaßen mit ihnen verständigen, weil das Phönizische dem Hebräischen verwandt ist und Paulus das alte Hebräisch und Aramäisch offensichtlich verstand.276 Sicher ist das nicht. Auf jeden Fall war für Paulus der nördlicheren Schauplatz als Malta gehabt hat. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 323, sieht keinen Grund, die winterliche Kälte auf Malta zu bezweifeln, weil sich die Natur auch in den Subtropen für durchnässte Schiffbrüchige nach einem heftigen Nordoststurm durch den Regen sehr unfreundlich zeigen kann. 271 Vgl. J. JERVELL, Apostelgeschichte, 615. 272 Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 267. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Josephus in der 1. Vorrede zum Bellum Judaicum seine Landsleute und Stammesgenossen, die Juden, als Barbaren bezeichnet (R. KNOPF, Apostelgeschichte, 122). 273 Vgl. H. BALZ, Art. DCTDCTQL, EWNT 1 (21980), 473–475, 473. 274 Vgl. A.V. HARNACK, Apostelgeschichte, 58. 275 E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 155. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 323, meint, von der Malta-Theorie ausgehend, dass es hier um einen phönizisch-punischen Dialekt geht, weil die Insel Malta einst im Besitz Karthagos gewesen war. 276 Nach T. ZAHN, Die Apostelgeschichte des Lucas, KNT 5/2, Leipzig/Erlangen 1921, 840, Anm. 3, konnte hier von einem richtigen Gespräch keine Rede sein. Einer der Beweise dafür ist das Wort GXRKIKPYUMGKP. Das Wort GXRKIKPYUMGKP, mit dem das Kennenlernen der Ortsnamen in Act 28,1 beschrieben wird, bedeutet nicht wie manchmal IKPYUMGKP jedes beliebige Erkennen oder
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Name der Insel einfach zu verstehen, denn im Grunde hat das Wort /GNKVJ den hebräischen Stamm ʨʬʭ. Die Vertreter der Malta-Theorie weisen darauf hin, dass auf dieser Insel das phönizische Element noch im ersten Jahrhundert stark vertreten war, während sonst auf Sizilien die griechische Kultur gesiegt hatte. Es gab in der Zeit des Römischen Reiches viele Leute, die mehr oder weniger Griechisch und Latein konnten, weil die Insel Malta einen lebhaften Handelsund Schiffsverkehr mit allen am Mittelmeer liegenden Häfen pflegte und eine Ansiedlung römischer Bürger und Veteranen war. Die vielen einfachen Leute auf der Insel konnten vermutlich „nur ihre punische Muttersprache verstehen, sprechen und lesen.“277 Und dennoch weiß man von der römischen Kaiserzeit, dass die phönizische Eigenart auf Malta ganz zu verschwinden drohte.278 Die Bewohner der Insel Kephallenia waren dagegen Provinzgriechen, welche irgendwann vom südillyrischen Festland eingewandert waren. Auch sie kannten die lateinische Sprache nicht. Ihre griechische Mundart galt für die hellenistisch Gebildeten als „barbarisch“, weil sie kaum verständlich war.279 Die Geschichte von der Vergöttlichung des Apostels Paulus auf der Insel /GNKVJ (Act 28,1f) beginnt mit einer Beschreibung der Einstellung der Einheimischen zu den Schiffbrüchigen: Die Einwohner der Insel nehmen die Schiffbrüchigen zu sich (RTQUCPCNCODCPGKP)280 und die Geretteten dürfen sich bei kaltem Regenwetter am Feuer der Einheimischen wärmen. Diese ausgeprägte Gastfreundschaft (HKNCPSTYRKC)281 war nach H. WARNECKE besonders auch für die Bewohner der Insel Kephallenia kennzeichnend.282 Wissen, auch nicht solches, das durch Mitteilung anderer entsteht und nur darauf beruht wie z.B. in Act 1,7 oder in Act 17,19, sondern ein auf eigener Erfahrung beruhendes Wissen und Erkennen. 277 Vgl. T. ZAHN, Apostelgeschichte, 5/2, 842. 278 Vgl. A. WIKENHAUSER, Die Apostelgeschichte und ihr Geschichtswert, NTA 8,3–5, Münster 1921, 412. 279 H. WARNECKE, Romfahrt, 114. Er führt mehrere Beispiele an, welche die Eigenart dieser Mundart auf der Insel Kephallenien veranschaulichen und schlussfolgert: „Solche, von der Sprache her kaum verständlichen Menschen sind die Kephallenen bis ins letzte Jahrhundert selbst für diejenigen humanistisch gebildeten Forscher geblieben, die insbesondere Alt- und Neugriechisch perfekt beherrschen.“ 280 Das Wort RTQUCPCNCODCPGKP bedeutet nicht wie RTQUNCODCPGKP „zu irgendeinem Zweck jemand an sich heranziehen (wie in Act 17,5 oder in Mt 16,22), bei sich aufnehmen“, sondern „eines Ermatteten oder Verzagten sich annehmen“. Vgl. T. ZAHN, Apostelgeschichte, 5/2, 844. 281 )KNCPSTYRKC bedeutet allgemein „die Menschenfreundlichkeit“ und „die Menschenliebe“. In dem Fall von Act 28,2 ist das mehr im Sinne der ‚Gastlichkeit‘ zu verstehen. Vgl. W. BAUER, Wörterbuch, 1712. G. LÜDEMANN, Das frühe Christentum nach der Tradition der Apostelgeschichte, Göttingen 1987, 270, meint, dass die freundliche Aufnahme nach einem Schiffbruch zum Topos der Reiseberichterstattung gehört. 282 Vgl. H. WARNECKE, Romfahrt, 117. Hier führt H. WARNECKE in Anm. 43. auch ein Zitat von Homer als Beleg an: Hom. Od. XV 223–281.
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Für das Thema der Apotheose ist es wichtig, dass in Act 28,1–6 die religiösen Vorstellungen der „Barbaren“ zum Ausdruck kommen. Sie verstehen im Schlangenbiss die Wirkung der strafenden göttlichen Gerechtigkeit. Es lag nahe, dass sie auf solche Gedanken kommen konnten. Denn sie hatten inzwischen Zeit und Gelegenheit gehabt, zu erfahren, dass ein Teil der Schiffbrüchigen Verbrecher waren.283 An dieser Stelle trägt wieder die Diskussion über den geographischen Hintergrund der Malta-Geschichte zur Information bei. Es ist eine verbreitete Annahme, dass in Act 28,4 die Vorstellung der Einheimischen von der Rache der Gerechtigkeitsgöttin Dike ('KMJ) gemeint ist.284 Dike, eine Personifikation der Gerechtigkeit, war eine Zeustochter, die besonders im peloponesischen Raum (in Korinth, Argos, Megaris und Olympia) verehrt wurde. Darin liegt ein Problem für die Maltahypothese: Viele Ureinwohner Maltas verstanden weder Griechisch noch Latein.285 Wenn sie jedoch an die griechische Göttin Dike geglaubt hätten, müsste der „Sieg der griechischen Kultur“ in diesem Gebiet schon so weit gediehen sein, dass „von Barbaren keine Rede mehr sein konnte“. Im westgriechischen Inselraum war die Lage dagegen anders. Gerade auf der Insel Kephallenia wurde die Göttin Dike besonders geehrt. Die Kephallenen waren der Dike verpflichtet, weil sie für das Rechtsleben zuständig war. Bis in die Neuzeit wurde z.B. die Rechtspflege von mehreren FKMCUVJTKC, Gerichtshöfe und einem RTYVQFKMGKQP, einem Appellationsgericht, in Argostoli besorgt.
Im Text wird bei den „Barbaren“ auf der Insel /GNKVJ der Glauben an die Unentrinnbarkeit des Schicksals und der gerechten Strafe, die ggf. den Mörder durch Schlangenbiss treffen wird, vorausgesetzt. Es handelt sich um vertraute Motive im Altertum. Das zeigt folgendes antike Grabepigramm des Dichters STATILIUS FLACCUS (1. Jh. v.Chr.) auf einen durch Schlangenbiss getöteten, schiffbrüchigen Seemann (vgl. Anthologia Graeca Buch VII, Nr. 290): „Ach, er entrann zwar dem Sturm und der Wut des verderblichen Meeres aber gestrandet als er lag in dem libyschen Sand nicht vom Gestade entfernt und beschwert von Schlafe, dem letzten nackt und bloß, wie er müde geworden vom traurigen Schiffbruch,
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Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 323. Es wird sogar angenommen, dass die Schlange in Act 28,4 die Verkörperung der Gerechtigkeitsgöttin Dike sei. Weil Paulus den Anschlag der Göttin überlebt und sie tötet, erweise er sich in den Augen der Inselbewohner als ein mächtigerer Gott als Dike. Durch diesen Sieg habe Paulus die Apotheose seiner Person veranlasst (J. WEHNERT, Gestrandet, 94). Dass die Schlange die Gerechtigkeitsgöttin verkörpere, wird freilich durch nichts angedeutet. 285 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 366. 284
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biss die Viper ihn tot. Was rang er gegen die Wogen? Nicht entrann er dem Los, das ihm zu Lande bestimmt.“286
Der Gedanke, dass niemand der göttlichen Gerechtigkeit entgeht, ist als Überlieferung ebenso im Alten Testament bezeugt, z.B. Jes 24,18 und Jer 48,44. Wunderbare Rettung vor tödlicher Gefahr wurde von den antiken Menschen auch als göttliche Beglaubigung der Schuldlosigkeit des Betroffenen verstanden. Auch dieses Motiv der göttlichen Anerkennung ist den Juden nicht fremd. Von der Schule des Chizqija (um 240) ist als tannaitische Tradition folgender Text überliefert: „Mag auch seit dem Tage, da das Heiligtum zerstört wurde, das Synhedrium aufgehört haben, die vier (gerichtlichen) Todesstrafen (Steinigung, Verbrennung, Enthauptung u. Erdrosselung) haben nicht aufgehört. Haben sie denn nicht aufgehört? Sie haben wohl aufgehört, aber das Gesetz betreffs der vier Todesarten hat nicht aufgehört. (Gott führt es aus auch ohne einen irdischen Gerichtshof.) Wer der Steinigung sich schuldig gemacht hat, der fällt entweder vom Dach oder ein wildes Tier zerstampft ihn; wer sich der Verbrennung schuldig gemacht hat, der stürzt entweder in eine Flamme hinein oder eine Schlange beißt ihn: wer sich der Tötung (durch Schwert) schuldig gemacht hat, der fällt entweder in die Hände der (römischen) Regierung oder Räuber kommen über ihn; wer sich der Erdrosselung schuldig gemacht hat, der geht entweder in einem Fluss unter oder er stirbt an Erstickung.“287
Der Beweis der Unschuld durch Bewahrung vor einem Schlangenbiss befreit die Einwohner der Insel nicht von ihrem Aberglauben. Paulus widerlegt zwar ihre Annahme, dass er ein Mörder sei, indem er das giftige Tier ins Feuer schleudert.288 Ihr heidnischer Glaube kommt aber weiterhin darin zum Ausdruck, dass sie Paulus nun als einen Gott bezeichnen. Aus der Perspektive der Einheimischen ist das verständlich. Wenn ein Mensch gegen Gift gefeit ist, muss er nach ihren Vorstellungen dem Tod überlegen sein:289 Nur ein übermenschliches Wesen kann nach einem Schlangenbiss am Leben bleiben. Nach der bisherigen Erfahrung auf der Insel hätte Paulus langsam anschwellen (RKORTJOK)290 und dann umfallen müssen. Weil dies 286 Zit. nach E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 682. J. WEHNERT, Gestrandet, 93, weist darauf hin, dass die „von Lukas verwendete Motivkette – Schiffbruch, Rettung auf eine Insel, Begegnung mit der Schlange“ zu den ältesten bekannten Erzählstoffen gehört. 287 Zit. nach P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Apostelgeschichte, 772. 288 T. ZAHN, Apostelgeschichte, 5/2, 845, bewertet diese Handlung aus pädagogischer Sicht: Paulus habe den naiven Glauben der guten Leute nicht mit schulmeisterlichen Worten zurechtgewiesen, er habe ihn durch die Tat widerlegt, indem er unbeschädigt die Schlange ins Feuer warf. 289 Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 323. 290 Das Wort RKORTCUSCK im Text ist Infinitiv Passiv von RKORTJOK und bedeutete bei den Medizinern entweder ein Zustand, in dem der Kranke von einem inneren Brande verzehrt wurde, von Fieber glühte oder eine entzündliche Schwellung erlebte. In dem Fall von Act 28,6 ist nach W. BAUER, Wörterbuch, 1325, beides möglich. Keineswegs beschränkte sich aber der Gebrauch dieses Terminus in der Antike auf die Fachwissenschaft Medizin.
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nicht geschieht, verkehrt sich die Meinung (OGVCDCNQOGPQK)291 der Einheimischen ins Gegenteil um, und sie sagen ähnlich wie in Act 14,11, dass Paulus ein Gott sei (Act 28,6). Auch in dieser Geschichte schildert Lk den Meinungsumschwung einer Menschenmenge. Aufgrund der Tatsache, dass Paulus von einer Schlange gebissen wird, sind sich nämlich die Leute einig: Paulus ist ein Mörder (Act 28,4). Als Paulus den Schlangenbiss überlebt, halten sie ihn für einen Gott (Act 28,6). Im Vergleich zu anderen Wundergeschichten von der Vergöttlichung von Menschen (z.B. der Heilung des Gelähmten in Lystra in Act 14,9f oder dem Erdbeben in Philippi in Act 16,25f) scheint die Bewahrung des Paulus vor dem Schlangenbiss auf der Insel /GNKVJ in Act 28,3–5 eine ziemlich bescheidene Sache zu sein. J. WEISS meint daher, dass die Geschichte in Act 28,1–6 ein Beispiel dafür sei, wie aus Begebenheiten, die an sich „noch nicht den Charakter eines Wunders haben“, durch den „naiven Beobachter wunderbare Vorgänge gemacht werden“.292 A.v. HARNACK ist noch kritischer, indem er behauptet, dass im Zusammenhang mit dem Schlangenbiss auf ‚Malta‘ nichts erzählt wird, was auffallend wäre: „Der Verfasser Lk will, dass es als Wunder beurteilt werden soll“ und die Leser/Zuhörer „ihm glauben“.293 Die Malta-Geschichte erfordert etwas mehr Mühe und Phantasie als die anderen Geschichten in den Act, um die Umwelt des Lk aus seiner Perspektive wahrzunehmen. Es handelt sich in Act 28 um eine besondere Situation und Umwelt. Fern von Großstädten wie Rom oder Athen führt uns Lk auf eine Insel im Meer, auf der die Einheimischen besonders eng mit der Natur verbunden leben, mit Naturerscheinungen gut vertraut sind und aus ihrer Erfahrung gelernt haben, bei dem Biss einer Viper mit den schlimmsten Folgen, mit Atemlähmung oder Herztod des Betroffenen, zu rechnen.294 Hier kann man wieder auf die Diskussion über Malta oder Kephallenia zurückgreifen. In Bezug auf die Fauna der Insel /GNKVJ ist zu beachten, dass es in der Geschichte
291 Der Satzteil Act 28,6b ist auf eine besondere Weise konstruiert: Der Genitivus absolutus hat das gleiche Subjekt wie das Prädikat des ganzen Satzes (BDR § 428 A.9). 292 Nach R. KNOPF, Apostelgeschichte, 122, ist das „Wunder“ in Act 28,3–6 ganz praktisch zu erklären: Entweder hatte die Schlange Paulus nicht gebissen oder sie war keine Giftschlange. 293 A.v. HARNACK, Apostelgeschichte, 121. Ähnlich meint E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 155, dass es sich objektiv um ein Missverständnis handelt: Eine harmlose Ringelnatter sei von den Bauern für giftig gehalten worden. Er ist aber der Überzeugung, dass Lk selbst das beschriebene Erlebnis ebenso wie die Zuschauer als ein Wunder ansah. Der Erzähler spricht von einer Giftschlange. 294 H. WARNECK, Romfahrt, 108, betont die Lebensgefahr, mit der Inselbewohner bei Vipern und Ottern rechnen müssen. Für „nichts Auffälliges“, wie A.v. HARNACK das Erlebnis mit der Schlange bezeichnet, könne es nur einer halten, der diese Gefahren nicht kennt.
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von Act 28,3–6 sehr wahrscheinlich um eine Sandviper (GEKFPC)295 geht. Einer der Belege dafür ist der Terminus MCSCRVY in Act 28,3. Das ist ein Fachausdruck, den Ärzte für giftige Stoffe gebrauchten, die in den Körper gelangen. Die Tatsache, dass es auf Malta keine Giftschlangen gibt, während die Insel Kephallenia bis heute noch mehr als zwanzig Arten solcher Schlangen einschließlich der Sandviper bewohnen, könnte ein weiterer Anhaltspunkt für die Kephallenia-Theorie sein.296 Jedoch wissen wir nicht, ob es in der Antike nicht doch giftige Schlangen auf Malta gegeben hat.
Es ist verständlich, dass die Leute auf der Insel /GNKVJ es für ein echtes Wunder halten, dass Paulus nach dem tödlichen Biss einer Giftschlange am Leben bleibt. Die Erzählung will sagen, dass Paulus von einer Giftschlange wirklich gebissen wurde, aber vor jedem Schaden bewahrt blieb.297 In der von Lk geschilderten Welt ist es ein Wunder, keine Selbstverständlichkeit. Der Abschnitt Act 28,1–10 enthält zwei miteinander verbundene Episoden einer Wundergeschichte: Act 28,2–6 (die Erzählung vom wunderbaren Erweis der Unschuld des Paulus) und Act 28,7–10 (die Erzählung von der Heilung eines Ruhrkranken und einen Sammelbericht über andere Krankenheilungen). Sie entsprechen aber nach W. SCHMITHALS ganz dem schriftstellerischen Stil von Lk.298 Eingerahmt sind die genannten Episoden, in denen Paulus die Hauptrolle spielt, von dem Motiv der gastfreundlichen Haltung der Inselbewohner in Act 28,2.10. Als Verbindung zwischen den Erlebnissen auf der Seefahrt in Act 27 und den Ereignissen auf der Insel in Act 28 dienen der Begriff FKCUYSGPVG9, der das Stichwort für die weitere Erzählung bildet, und das für Lk’ Erzählstil kennzeichnende „Wir“.299 Der Abschnitt vom Aufenthalt des Paulus auf der Insel /GNKVJ gehört zu den letzten Wir-Berichten in der Apostelgeschichte. Die Bedeutung des „Wir“ bleibt nicht die ganze Geschichte hindurch dieselbe. In Act 27 sind mit „wir“ alle Schiffsinsassen gemeint, in Act 28 meistens nur noch Paulus mit seinen christlichen Gefährten. Der Übergang von der einen zur anderen Bedeutung des Wortes ist abrupt und unmotiviert, weswegen aus ihm gefolgert wird, dass das „Wir“ in Act 28,1–10 ein Stilmittel des Verfassers ist.300 M. DIBELIUS ist der Meinung, dass dem Reisebericht hier eine „profane“ Darstellung von Fahrt und Schiffbruch als Modell oder Quelle gedient hat. In diese „profane“ Darstellung habe Lk ein paar kleine Nachrichten über Paulus 295 E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 155, schreibt, dass GEKFPC keine konkrete Schlangenart bezeichnet, sondern allgemein ‚Giftschlange‘. Dieses Wort wird auch von Plato in symp. 218a gebraucht. Vipera ist aber die römische Übersetzung des griechischen GEK9 oder GEKFPC. Die Begriffe Sandviper und Sandotter sind synonym, nur die Gattung Vipera bezeichnet die so genannten Echten Ottern. Vgl. H. WARNECKE, Romfahrt, 108. 296 Vgl. H. WARNECKE, Romfahrt, 109. 297 Vgl. O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 277. 298 Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 233. 299 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 681. 300 So beschreibt das J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 366. Gegen diese Folgerung wendet sich R. PESCH, Apostelgeschichte, 297.
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eingefügt.301 Daher sei der ganze Reisebericht „eine weltliche Komposition mit Paulus-Einlagen“.302 J. ROLOFF rechnet dagegen damit, dass erst Lk den Reisebericht in Act 28 geschaffen hat.303 Dafür sprechen nach J. ROLOFF folgende Argumente: Erstens bezeugen der Aufbau der drei Einheiten (Act 28,2–6.8.9) und ihr Verhältnis zueinander eine wohldurchdachte lk Komposition. Zweitens entspricht das Summarium in Act 28,9 nach Funktion, Inhalt, Form und Stil den Summarien in Lk 5,15; Act 5,16; 19,11f. Drittens ist für das Verständnis der Episode in Act 28,3–6 die vorher erzählte Notlage und Rettung eine wesentliche Bedingung. Viertens gibt es in dem Textabschnitt typisch lk stilistische und inhaltliche Indizien. Fünftens ist in der Gestaltung eine Parallele zu Lk 22,51 festzustellen, wo Jesus (abweichend von Mk und Mt) das Ohr heilt, das einer seiner Anhänger verletzt hat. Wie Jesus sich auf dem Weg des Leidens als Heilender und Rettender erweist, so ist das auch bei seinem Nachfolger Paulus. 304
Da die Apotheose auf der Insel nicht abgelehnt wird, liegt es nahe zu fragen, ob Lk als hellenistischer Schriftsteller Paulus in dieser Geschichte als einen SGKQ9 CXPJT darstellen will, der mit Recht seine Ehrung akzeptieren darf. Das entspräche dem vertrauten hellenischen Motiv des Gottesmannes, der Macht über Gift und Schlangen hat und auf dem Höhepunkt des Geschehens als Retter aktiv in die Ereignisse eingreift.305 Es ist auffallend, dass Lk die Geschichte von der Vergöttlichung des Paulus auf der Insel /GNKVJ mit Erzählungen eingerahmt hat, die gerade die Autorität und Vollmacht des Paulus hervorheben. Am Anfang der Reise ist Paulus einer unter vielen Gefangenen auf dem Schiff nach Italien (Act 27,1). Während der schweren Seefahrt, die mit Lebensgefahr verbunden ist, stellt sich heraus, dass Paulus eine ausgeprägte Fähigkeit hat, in einer außerordentlichen Lage Menschen zu ermutigen und zu überzeugen. Mehrmals ist es gerade Paulus und nicht der Hauptmann oder der Kapitän, der alle 276 Seefahrer kommandiert (vgl. Act 27,21f.30–32.33–36). So ist seine Überlegenheit schon bis zum Ereignis auf der Insel Malta allen sichtbar geworden. Auch nach dem Ereignis mit dem Schlangenbiss erfährt Paulus als Wohltäter sehr viel Erfolg und Anerkennung unter den Einwohnern der Insel, weil er den an fiebriger Ruhr (RWTGVQKL MCK FWUGPVGTKY^)306 erkrankten Vater des angesehenen Publius heilt 301
Vgl. M. DIBELIUS, Aufsätze, 174. A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/2, 667, sieht, dass die Wundererzählungen auf der Insel /GNKVJ über Paulus ebenfalls in den aus dem Seefahrtsbericht vorgegebenen Rahmen eingefügt sind. Ein Argument für diese Annahme ist wieder der Unterschied zwischen dem Wir- und Er-Stil des Erzählens. 303 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 365. 304 Vgl. A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/2, 667. 305 Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 469. 306 Die Bezeichnung der Krankheit mit den Begriffen RWTGVQK9 MCK FWUGPVGTKY ist nach E. PREUSCHEN, Apostelgeschichte, 156, medizinisch korrekt. Der Plural RWTGVQK ist nahe liegend, weil die Fieberkurve bei dieser Krankheit steigt und fällt. Im ersten Jahrhundert wurde die hier 302
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(Act 28,8) und danach noch viele andere Kranke (Act 28,9). Der Abschied von der Insel Malta ist für Paulus ein Triumph: Er wird von den Einwohnern der Insel hoch geehrt und mit allem beschenkt, was er und seine Begleiter auf der Reise brauchen (Act 28,10). Auf jeden Fall wirkt Paulus bei diesem letzten Abschnitt der Act wie „ein mächtiger Wundermann, der rings um sich Segen verbreitet“.307 Nach T. ZAHN wird im Laufe der Geschichte durch den Zusammenhang zwischen dem dreimal wiederholten Wort FKCUYSJPCK (in Act 27,44; 28,1.4) und der Lebensgeschichte des Paulus eine Wende zum Ausdruck gebracht.308 Von /GNKVJ an erscheint Paulus nicht mehr als Gefangener. Auch seine militärische Begleitung wird vom Verfasser nicht mehr erwähnt. Der Eindruck, dass es hier durch die besondere Heraushebung der Person des Paulus um „die höchste Steigerung des SGKQ9-CXPJT-Motivs“ in den Act geht,309 wird hauptsächlich noch dadurch verstärkt, dass es bei den Wundern in Act 28 keinen Hinweis auf die Macht des Namens Jesu gibt, der auf Glauben zielen würde. Der Text scheint lediglich zeigen zu wollen, was für eine übernatürliche Macht der Wundertäter Paulus hat.310 G. SCHILLE meint deswegen, dass die Wundergeschichten in Act 28,1–10 zu den Personallegenden gehören, in denen Paulus durch eine kleine Aretalogie (einen Lobpreis eines Gottes oder eines göttlichen Helden) geehrt wird.311 Innerhalb der Act ist dieser Abschnitt zweifellos die eindrucksvollste Geschichte, die der „Glorifizierung der Person des Apostels Paulus“ dient. Wichtig ist aber zu sehen, dass es hier um einen Mann geht, der sich unter der Führung und Herrschaft seines Gottes weiß und auch Heilungen durch das Gebet vollzieht. Es wird von Lk deutlich hervorgehoben, dass die Überlegenheit des Paulus auf dem Auftrag Gottes basiert (vgl. Act 27,23– 25). Man könnte hier höchstens von einem Motiv reden, nach dem „die letzten Kilometer des Märtyrers vor dem Ort seines Zeugnisses von den ständig gesteigerten Ehrungen“ begleitet wird.312 Die Rolle des Wohltäters, die Paulus auf der Insel /GNKVJ spielt, erinnert unübersehbar an das Wirken Jesu. Nach Lk heilt auch Jesus die fieberkranke Schwiegermutter seines Gastgebers Petrus (Lk 4,38f). Auch Jesus benützt nach Lk die Handaufle-
beschriebene Art von Infektionskrankheit mit der Darmentzündung für sehr gefährlich gehalten, weil sie oft zum Tod führte. 307 Vgl. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte, 685. 308 Vgl. T. ZAHN, Apostelgeschichte, 5/2, 839. 309 Vgl. H. CONZELMANN, Apostelgeschichte, 157. 310 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 365. 311 Vgl. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 472. 312 G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 473. Nach R. PESCH, Apostelgeschichte,V/2, 299, betont der Verfasser die Ehrungen der Heiden auf der Insel im Blick auf die anschließende Konfrontation des Paulus mit Juden in Rom (Act 28,17–31).
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gung bei der Heilung (Lk 5,12), und auch bei ihm ist der Andrang von kranken Menschen die Folge einer Heilung.313 J. ROLOFF weist ferner darauf hin, dass das Interesse des Verfassers bei der Erzählung von der Romreise einen anderen Schwerpunkt hat als z.B. in der Lystra-Szene (Act 14,15). Bei dem Malta-Bericht interessiert ihn nicht wie dort die „religiöse Desorientiertheit polytheistischer Heiden und die Antwort des Evangeliums auf diese“.314 Es wird nichts von einer missionarischen Tätigkeit des Predigers Paulus auf der Insel oder der Gründung einer christlichen Gemeinde während des dreimonatigen Aufenthalts des Paulus auf /GNKVJ gesagt.315 Lk verfolgt hier offensichtlich ein anderes Ziel und will zeigen, dass selbst Heiden die augenfällige göttliche Lenkung im Leben des Paulus erkennen und sich gezwungen fühlen, sie in ihren religiösen Begriffen zum Ausdruck zu bringen.316 Paulus wird gegenüber den Seeleuten und den Einheimischen auf der Insel eindeutig als einer gezeigt, der mit seiner Aufgabe (Act 27,23ff) unter einem besonderen Schutz Gottes steht.317 Im Rahmen des ganzen NT könnte man annehmen, dass in der Geschichte über die Bewahrung des Paulus nach dem Schlangenbiss in Act 28 etwas von dem Versprechen Jesu nachklingt, seinen Nachfolgern Vollmacht zu geben, die sie vor allerlei Macht des Feindes, auch vor Schlangen und Skorpionen bewahren wird (vgl. Lk 10,19). Vielleicht gehört das Fragment Act 28,2–6 zu einer volkstümlichen Tradition, die in der Bewahrung des Paulus vor dem Gift der Schlange ein Zeichen gesehen hat, dass er ein wahrer Bote Jesu sei.318 Die Bewahrung vor den Folgen des Schlangenbisses auf der Insel Malta ist dann als ein Zeichen von Gott zu verstehen.
313
Vgl. G. STÄHLIN, Apostelgeschichte, 323. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 367. 315 Vgl. O. BAUERNFEIND, Apostelgeschichte, 276. In diesem Zusammenhang bemerkt G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 403, dass vielleicht gerade deswegen eine Unklarheit bei den Wundern auf /GNKVJ bleibt, um zu zeigen, dass erst die christliche Verkündigung aufzeigen kann, wie die Wunder auf Gott zu beziehen und theologisch zu deuten sind. G. SCHILLE, Apostelgeschichte, 470, bemerkt etwas ironisch, dass es zu den menschenfreundlichen Zügen „jeder sauberen Exegese“ gehört, zuzugeben, dass es „verkündigungsarme oder sogar -freie Bereiche innerhalb der Heiligen Schrift gibt“. Der Text in Act 28,1–10 sei ein Beispiel dafür. Nach J. JERVELL, Apostelgeschichte, 617, predigt Paulus niemals das Evangelium den sogenannten „reinen Heiden“. Diese Behauptung steht aber in Widerspruch zur Geschichte vom Gefängniswärter in Philippi. 316 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 367. 317 Ähnlich sieht F. MUSSNER, Apostelgeschichte, 156, die Absicht des Verfassers. Nach seiner Formulierung ist es in diesem Fall dem Verfasser einzig wichtig, seinen „Helden“ zu verherrlichen und seine Schuldlosigkeit durch den ihm von Gott gewährten Schutz herauszustellen. 318 Vgl. J. ROLOFF, Apostelgeschichte, 366. In Bezug auf diese Frage gehen die Meinungen der Exegeten auseinander. Entweder wurde das entsprechende Wort im sekundären Markusschluss (Mk 16,18) erst auf Grund von Act 28,3.5 formuliert oder Lk hat den Text aus Mk 16,17f schon vor Augen, als er das Motiv von den Zeichen der Vollmacht der Jünger Jesu in der Geschichte von /GNKVJ ausarbeitete (so W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 233). 314
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Es gibt eine bemerkenswerte Überlieferung in der jüdischen Literatur, welche die Bewahrung vor einem Schlangenbiss als Zeichen des göttlichen Schutzes für die Gerechten darstellt. Es handelt sich um einen Zeitgenossen des Paulus, Rabbi Chanina ben Dosa, der um 70 n.Chr. gelebt hat. Nach dem Biss einer gefährlichen Giftschlange bleibt er am Leben, aber die Schlange stirbt. „An einem Orte hielt sich einmal eine Schlange auf, die den Menschen Schaden zufügte. Man kam u. teilte es dem R. Chanina b. Dosa (um 70) mit. Er sprach: Zeiget mir ihr Loch. Als man es ihm gezeigt hatte, setzte er seine Ferse auf den Locheingang. Da kam die Schlange heraus u. biss ihn – u. starb. Er aber nahm sie auf seine Schulter u. brachte sie ins Lehrhaus und sprach zu ihnen: Seht, meine Kinder, nicht die Schlange tötet, sondern die Sünde tötet. Seit jener Stunde hat man gesagt: Wehe dem Menschen, dem eine Schlange begegnet, u. wehe der Schlange, der R. Chanina b. Dosa begegnet!“ (Berakh 33a).319
Nach der Darstellung von Lk ist es der lebendige Gott, der sich Paulus auf dem Schiff bei einem Seesturm durch einen Engel offenbart hat (vgl. Act 27,23), der die Kranken heilen kann und der seine Diener mit Vollmacht zum Ungewöhnlichen ausrüstet. Lk betont am Ende seines Doppelwerkes, dass keine Bedrohung auf dem Meer und auf der Erde imstande ist zu verhindern, dass Gottes Plan in Erfüllung geht (vgl. Act 27,23). Es geht daher in der Malta-Geschichte nicht um Paulus als SGKQ9 CXPJT, sondern um Paulus, der unter der Führung Gottes steht. Der Leser soll erkennen: Paulus erfährt in außergewöhnlichen Ereignissen „die Hilfe, die von Gott kommt“ (Act 26,22).320 Wird nun Paulus am Ende der Act von Lk wirklich als einer dargestellt, der aufgrund seiner Eigenschaften und guten Taten göttlicher Ehre würdig ist? Nach den geschilderten Begebenheiten in den Act und den Kriterien der vorliegenden Arbeit gehört die Szene auf Malta zu den falschen Apotheosen. Bei ihr sind mehrere Ähnlichkeiten mit den anderen lk Geschichten von Vergöttlichung zu beobachten, welche W. SCHMITHALS mit Recht ein Lieblingsmotiv des Lk nennt.321 Die Vergöttlichung wird erneut als Folge einer außerordentlichen Erscheinung dargestellt. Die Menschen erleben Paulus als mit übernatürlicher Macht begabt und behaupten, dass er ein Gott sei. Die Vergöttlichung kommt von der Seite der Zuschauer „von unten“. Es ist nicht Gottes Stimme oder Gottes Erscheinung, die hier einen Menschen zu Gott erhebt, wie es bei Jesus geschildert wird, sondern allein die Meinung der Menschen. Bei den Bewohnern der Insel Malta ruft das eine große Bewunderung hervor. Im Unterschied zu den anderen Geschichten in den Act (z.B. Act 10,25f; 14,11) steht man aber hier vor der rätselhaften Tatsache, dass die Vergöttlichung von Paulus in Act 28,1–6 mit keinem Wort abgewiesen wird. 319 320 321
Zit. nach P. BILLERBECK/H.L. STRACK, Apostelgeschichte, 772. Vgl. R. PESCH, Apostelgeschichte, V/2, 298. Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 233.
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Nach M. DIBELIUS dient der Satz „sie sagten, er sei ein Gott“ (GNGIQP CWXVQP GKPCK SGQP) sogar „als ein Ruhmestitel, mit dem die Erzählung triumphierend schließt.“322 Daher müsse man die Geschichte als heidnisch empfinden, nicht als christlich.323 So nennt M. DIBELIUS die ganze Geschichte in Act 28,1–6 „eine weltlich erzählte Anekdote“. Nach seiner Meinung gibt es zwar keinen Grund, diese Geschichte für eine fremde, auf Paulus übertragene Tradition zu halten, und doch klingt sie nicht nach einer christlichen Paulus-Überlieferung.324 Als solche sollte sie unbedingt einen christlichen Schluss haben, der das Entsetzen über die Menschenvergötterung ausdrückt.325 Hat Lk hier eine heidnische Apotheose ohne Kritik passieren lassen?
Es gibt aber mehrere Anzeichen im Text, die dafür sprechen, dass Lk die Apotheose von Paulus als falsch darstellt, ohne es direkt zu sagen. Obwohl Paulus in der Tat mit keinem Wort die Vergöttlichung ablehnt, wird vor allem durch den Kontext der Malta-Geschichte gezeigt, dass sich der Apostel auf der Insel als Diener Gottes versteht, wie er das schon auf dem Schiff den anderen erklärt hatte (Act 27,23). Der Leser ist auch durch die früheren Geschichten gut genug vorbereitet, um „den Aberglauben der Leute bei der Vergöttlichung“ zu durchschauen.326 Daher behauptet A. WEISER zu Recht, dass Lk die „Fehleinschätzung der Einheimischen“ als einen heidnischen Irrtum auf sich beruhen lässt, im „Vertrauen darauf, dass die Leser Paulus und Gott, dem er dient, zu unterscheiden wissen“.327
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Vgl. M. DIBELIUS, Aufsätze, 180. Vgl. M. DIBELIUS, ebd., 174, nennt den ganzen Fahrtbericht in Act 27 und 28 „eine weltliche Komposition mit Paulus-Einlagen“. 324 Vgl. ebd., 173. G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, 401, meint dagegen, dass beide Paulusepisoden (Act 28,2–6.7–9) aus der Überlieferung stammen. Nach J. WEHNERT, Gestrandet, 95, ist das Fehlen einer theologischen Korrektur der Apotheose „am zwanglosesten so zu erklären“, dass Lk „keine Überlieferung von einer paulinischen Evangeliumspredigt auf Malta besaß.“ J. WEHNERT sieht in der Malta-Szene bei Lk überhaupt keine konkreten Orts- oder Zeitangaben und betont, dass es „keine historisch verwertbaren Traditionen über die Gefangenschaftsreise des Paulus nach Rom“ gibt. Die Abschlussszene gehöre zur schriftstellerischen Konzeption des Lk: „Paulus, der Staatsmacht und den Naturmächten scheinbar ohnmächtig ausgeliefert, reist in Wahrheit als souveräner Bote seines Herrn nach Rom, um der Hauptstadt der antiken Welt das Christusereignis zu bezeugen (Apg 28,31).“ Ebd., 99. 325 A. WEISSENRIEDER, „Er ist ein Gott.“ Apg 28,6. Apg 28,1–10 vor dem Hintergrund archäologisch-ikonographischer und medizinhistorischer Quellen, in: dies./F. Wendt/P.v. Gemünden (Hg.), Picturing the New Testament, WUNT II, 193, Tübingen 2005, 127–156, sieht in der Bezeichnung Paulus´ als Gott und in seinen Heilungen auf der Insel Malta die Einsetzung des Paulus zum göttlichen Arzt. Das könnte ein Ersatz oder sogar eine Überbietung des Aposteltitels sein, der Paulus im lk Doppelwerk vorenthalten wird. 326 Vgl. W. SCHMITHALS, Apostelgeschichte, 234. Ähnlich G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte, V/2, 403: Lk zeigt, was durch die christliche Verkündigung gegenüber den Heiden in der Welt noch an theologischer Deutungsarbeit zu tun bleibt. Die Einstellung des Verfassers wurde schon in Act 14,8–18 gezeigt. Für ihn „gehören titulare Akklamationen irdischer Wundertäter oder Machthaber in den Bereich des Heidentums“ (G. THEISSEN, Wundergeschichten, 169). 327 A. WEISER, Apostelgeschichte, 5/2, 669. 323
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Die falsche Apotheose
Lk hat noch weitere Hinweise darauf gegeben, wie er diese Apotheose im Gerücht der Leute verstanden wissen will: Seine Darstellung lässt offen, ob Paulus überhaupt von diesem Gerücht erfährt und erfahren konnte. Wie wir gesehen haben, werden die Menschen auf Malta zweimal als „Barbaren“ charakterisiert, nicht deshalb, weil es ihnen an Menschlichkeit fehlt. Im Gegenteil, ihre philanthropia wird ausdrücklich hervorgehoben (Act 28,2). „Barbaren“ sind sie, innerhalb der lk Erzählung, weil sie nicht die Sprache des Paulus verstehen und Paulus nicht ihre Sprache – unabhängig davon, wie viel der historische Paulus von ihrer Sprache verstand. Die Kommunikation mit ihnen geschieht in der lk Erzählung weitgehend nonverbal. Sie helfen den Gestrandeten durch Wärme und Schutz. Sie sehen, wie Paulus von einer Schlange gebissen wird. Das alles konnte man ohne Worte verstehen. Paulus hat also nicht mitbekommen können, was diese „Barbaren“ über ihn in ihrer Sprache sagten. Nur der allwissende Erzähler weiß, dass sie Paulus für einen Gott hielten. Aber auch der allwissende Erzähler behandelt diese Apotheose anders als die anderen Apotheosen. Er hätte durchaus erzählen können, wie die Malteser in Riten ihre Verehrung des Paulus als eines göttlichen Wesens bekundeten – so wie es die ebenfalls fremdsprachigen Lykaonier getan hatten. Aber wir finden weder eine Proskynese noch eine Akklamation noch ein Opfer. All das wäre auch auf einer non-verbalen Ebene verständlich gewesen. Das Fehlen dieser rituellen Verhaltensweisen zeigt: Paulus wird vom Volk auf Malta für ein göttliches Wesen gehalten, aber nicht als Gott verehrt. Auch deshalb kann und muss Paulus nicht auf die Fama des Volkes reagieren! Paulus korrigiert diese Apotheose also deswegen nicht, weil er gar nichts von ihr wissen konnte. Der allwissende Erzähler korrigiert sie durch die folgenden Ereignisse. Der Aufenthalt auf Malta wird in zwei Abschnitten erzählt. Der erste spielt (weitgehend) im Freien unter einfachen Menschen, welche die natürliche Hilfsbereitschaft schlichter Menschen haben. Der zweite spielt im Hause des angesehensten Mannes auf Malta. Dieser trägt den lateinischen Namen Publius und kann schon deshalb nicht zu den „Barbaren“ gehören, die keine der damaligen Weltsprachen, Griechisch und Latein, verstanden. Auch in diesem Milieu tritt Paulus mit seiner Wundermacht hervor. Er heilt dadurch, dass er betet. Diese Heilung eines Kranken durch Gebet ist ein Zeugnis dafür, dass Paulus selbst kein Gott ist, sondern als Mensch auf die Hilfe des Gottes angewiesen, unter dessen Macht und Führung er steht. Er kann nicht aus eigener Kraft und Vollmacht heilen, wie Jesus es tat (vgl. Lk 4,40). Aber nicht genug damit, auch die Reaktion auf die Heilungen an den Kranken der Insel zeigt, dass er nicht für einen Gott gehalten wird. Die Menschen auf der Insel erweisen Paulus und seinen Gefährten nämlich „große Ehren“ und geben ihnen alles mit, was sie „brauchen“ (Act 28,10).
Die Vergöttlichung des Paulus auf der Insel Malta
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Ehrungen (timai) werden Menschen erteilt. Vor allem aber haben nur Menschen Bedürfnisse. Göttern braucht man nicht mitzugeben, was sie nötig haben! Sie sind autark. Die Heiltätigkeit des Paulus führt so wie von selbst zu einer Korrektur der ersten Reaktion auf seine Wundermacht. Mochte das unwissende Volk Paulus irrtümlich für einen Gott halten, aufgrund seines Wirkens in der Oberschicht von Malta im Haus des Publius, in das viele aus dem Volk strömen, wird die Meinung des unwissenden Volkes stillschweigend, aber deutlich korrigiert. Dennoch bleibt erstaunlich, dass der Verfasser des lk Doppelwerks das ihn beschäftigende Thema der wahren und falschen Apotheose mit einer solchen Geschichte abschließt. Er will mit ihr wohl ausdrücken: Wenn einfache Menschen in den Aposteln etwas Göttliches spüren, so ahnen sie im Kern etwas Richtiges. Gefährlich ist eine Apotheose erst, wenn sie offiziell kultische Formen annimmt und von der Oberschicht einer Stadt getragen wird – wie in Lystra – oder wenn sie von einem mächtigen Politiker wie Herodes Agrippa toleriert wird. Das Verständnis, das Lk hier zeigt, könnte als Beweis dafür dienen, dass er im Grunde keine Probleme damit hat, die Apotheose als spontane Reaktion auf Rettungserfahrungen zu akzeptieren. Unter Heiden ist das für ihn ein nahe liegendes Verhalten. Das würde einen zusätzlichen Grund für die Annahme liefern, dass Lk kein gebürtiger Jude war, der eine tiefe Abscheu gegen jede Apotheose gehabt hätte, sondern ein gottesfürchtiger Heide.
Zusammenfassung Zusammenfassung Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass der Verfasser des lk Doppelwerks das Phänomen der Apotheose nicht unbeachtet lassen konnte. Die Vergöttlichung von Menschen gehörte zu seiner Lebenswelt. Das Besondere seiner schriftstellerischen und theologischen Leistung ist, dass er diese vertraute Erscheinung zu einem Prisma gemacht hat, das die Widerspiegelungen des damaligen gesellschaftlichen Lebens innerhalb seines Doppelwerks in theologische Aussagen verwandelt und beleuchtet. Man kann dabei gewisse Regeln erkennen, nach denen Lk gesellschaftliche und religiöse Werte zum Ausdruck gebracht hat. Zwei Feststellungen dazu sind möglich: Erstens hat Lk einen guten Sinn für das Farbenspiel: Es gibt bei ihm nicht nur Schwarz- und Weißtöne, nicht einmal in der Bewertung der Apotheose; er urteilt differenziert. Zweitens spiegelt das von Lk aufgestellte Prisma eine reale Welt wider – seine Geschichten haben einen historisch zuverlässigen Hintergrund: die Welt des Römischen Reichs im 1. Jh. n.Chr. Die antike Apotheose ist in ihren Anfängen wahrscheinlich aus einer spontanen Dankbarkeit der Griechen gegenüber ihren Helden, den Feldherren, entstanden. Basierend auf Erfahrungen im Osten mit Alexander dem Großen, verbreitete sich der Herrscherkult mit einem entsprechenden Hofzeremoniell, zu dem die Proskynese gehörte, in der griechisch-römischen Welt und fand seinen Höhepunkt im offiziellen Herrscherkult des Römischen Reiches. In der Blütezeit des römischen Kaiserkultes schrieb Lk seine Geschichte Jesu und der Anfänge der christlichen Gemeinschaft, um diese einem breiteren Publikum vorzustellen. Wenn man über die Apotheose von Herrschern urteilt, muss man berücksichtigen, dass nicht alle blind an die Umwandlung der Herrscher in Götter glaubten. Das zeigt die bekannte Satire von Seneca: „Verkürbissung des Kaisers Claudius“ („Apocolocyntosis sive Ludus de morte Claudii Neronis“). Der gesunde Menschenverstand erkannte durchaus die Willkür im Umgang mit der Apotheose: Es gab Herrscher, die vergöttlicht wurden und denen dann wieder durch Senatsbeschluss ihre Würde genommen wurde. Die Vergöttlichung der Herrscher gehörte zur Ordnung des Imperiums, die nur in seltenen Fällen öffentlich kritisiert werden durfte. Und dennoch gab es ausnahmsweise hin und wieder solche Zeiten. Eine solche Zeit, die sich wahrscheinlich mit der Abfassungszeit des lk Doppelwerkes deckt, war die Zeit nach 96 n.Chr. Mehrere Argumente sprechen dafür, dass das lk Dop-
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pelwerk damals in einer ganz besonderen geschichtlichen Situation verfasst wurde: nach dem plötzlichen Ende der Regierungszeit des vergöttlichten Kaisers Domitian im Jahre 96 n.Chr. Damals wurde das Ende der Regierung sowohl von der Minorität der Christen als auch von der Oberschicht der Gesellschaft, dem Senat, wie von Kreisen der Philosophen als Befreiung gefeiert. Das spiegelt sich in mehreren theologischen Aussagen des lk Doppelwerkes wider. Es gibt aber noch weitere, tiefer gehende Zusammenhänge. Am Ende des 1. Jh., als das lk Doppelwerk verfasst wurde, hatte der Herrscherkult schon eine z.T. dramatische Geschichte hinter sich. Ein Volk unter römischer Herrschaft wehrte sich gegen die Ansprüche des Herrscherkultes, besonders gegen die Vergöttlichung der Herrscher: die Juden. In der Zeit, als sich die griechisch-römische Welt und die religiösen Vorstellungen der Juden begegneten, besaß das Judentum schon einen hoch entwickelten Monotheismus. Der Auslöser vieler Konflikte zwischen beiden Welten, der griechisch-römischen und der jüdischen, war die Apotheose von Menschen. Wenn fremde Herrscher Ansprüche auf ihre Vergöttlichung auch unter Juden und im jüdischen Land erhoben, rief das bei den Juden heftigen Widerstand hervor. Die Krise unter dem Kaiser Gaius Caligula ist ein Beispiel für die Schärfe des Konfliktes und für die Standhaftigkeit, mit der Juden ihren religiösen Überzeugungen folgten. Für Griechen und Römer war es selbstverständlich, einen Menschen für Gott halten zu können, für Juden war es unmöglich. Im Judentum wurde nicht zwischen einer wahren und einer falschen Apotheose unterschieden. Jede Apotheose eines Menschen, die von Menschen kam, wurde abgelehnt. In der Ablehnung der Apotheose von Menschen folgte den Juden die neue, nach dem Tod Jesu entstandene religiöse Gemeinschaft der Christen. Und doch waren sich beide Gruppen nicht einig. Was sie trennte, war der Glaube an die Göttlichkeit Jesu Christi. Mit der Entstehung des Christentums wurde früher oder später die Frage des Monotheismus in der religiösen Diskussion aktuell. Die ersten Christen, meistens jüdischer Abstammung, behaupteten, dass sie entschiedene Monotheisten waren, und doch verliehen sie Jesus aus Nazareth die höchste göttliche Würde. Möglicherweise konnten sie diese an sich widersprüchliche These vertreten, weil das Judentum der damaligen Zeit selbst Vorstellungen von Mittlergestalten zwischen Gott und Menschen kannte. Die jüdischen Überlieferungen der nachexilischen Zeit spiegeln die Vorstellungen von der Weisheit als Schöpfungsmittlerin und Offenbarerin wider. Man sprach von einem Logos, der zugleich mit Gott wirkte. Der Tragiker Ezechiel aus dem 3. Jh. v.Chr. baute in eines seiner Werke die Szene von der Apotheose des Moses im Traum ein. Während man beim letzten Beispiel von einem Einzelfall reden könnte, gehörten die Geschichten von der Entrückung des Mose, Elia und Henoch
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zur allgemein anerkannten Tradition. Solche Mittlergestalten konnten als Brücke vom Judentum zum Christentum dienen, auch wenn die Christen einen Schritt über solche Vorstellungen von göttlichen Mittlergestalten hinaus gingen: Sie verehrten den zu Gott erhöhten Christus auch in ihrer kultischer Praxis. Die große Bedeutung solcher Mittlergestalten zeigt der Versuch von Justin, mit Hilfe von Mittlergestalten in den jüdischen Schriften den eigenen christlichen Glauben zu erklären. Er deutet alle diese Gestalten von Anfang an als Erscheinungen Jesu. Justin tadelt die Heiden nicht, weil sie den Kaiser vergöttlichen oder ihn zu den Söhnen Gottes zählen. Er hält zwar eine solche Apotheose für falsch und führt sie auf das Handeln von Dämonen zurück, versucht aber positiv mit ihrer Hilfe Verständnis für das Christentum zu schaffen: Die Heiden dürfen die Christen nicht verurteilen und ablehnen, wenn diese Jesus als Gott verehren. So gewinnt für Justin die Apotheose von Menschen eine pädagogische und apologetische Bedeutung. Lk erklärt die Apotheose von Menschen anders als die Apologeten nicht als ein Werk der Dämonen. Die Dämonen ahnen vielmehr in Jesus die wahre Göttlichkeit. Ungewollt werden sie zu Zeugen der wahren Apotheose, nicht aber zu Urhebern der abzulehnenden falschen Apotheose. Mit seiner Bewertung steht Lk offensichtlich in der Mitte zwischen der schroffen jüdischen Ablehnung der Apotheose und der apologetischen Verwendung der heidnischen Apotheose. Im Grunde setzt Lk die jüdische Ablehnung der Apotheose fort, ist aber imstande, die heidnische irrtümliche Apotheose von Menschen differenziert zu bewerten. Wo Lk die Apotheose korrigiert und toleriert, steht er der Einstellung der späteren christlichen Apologeten nahe. Die Neigung der Heiden, aus Menschen Götter zu machen oder in Menschen auf die Erde herabgestiegene Götter zu sehen, ist nicht völlig verkehrt, sie richtet sich aber auf die falschen Personen. In Wirklichkeit darf sich die Apotheose nur auf Jesus richten. Die Menschen verehren irrtümlich die Gesandten Christi und nicht Christus selbst, den sie aber unbewusst meinen. So wie die Athener den unbekannten Gott verehren und sich aufklären lassen müssen, dass sie den einen und einzigen Gott meinen, so verehren einige Heiden in den Aposteln den ihnen noch unbekannten Kyrios Jesus. Sie müssen durch die Apostel aufgeklärt werden. Seine Bewertung der Apotheose und den Weg zur Erkenntnis der Vergöttlichung Jesu bringt Lk narrativ zum Ausdruck. Durch die literarische Gestaltung der Szenen und durch die Beschreibung der beteiligten Personen gibt Lk seinem Leser zu verstehen, ob es um eine wahre oder eine falsche Apotheose geht. Für die Unterscheidung einer wahren und einer falschen Vergöttlichung folgt Lk konsequent seiner Regel: Nur die von Gott selbst ausgehende und auf Jesus gerichtete Verehrung ist wahr, richtig und annehmbar. Wo die Apotheose von Menschen kommt und sich auf Menschen
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richtet, ist sie falsch und muss überwunden werden. So sind wahre Apotheosen bei Lk nur mit der Person Jesu verbunden. Bemerkenswert ist, dass Lk auch für Jesus den ersten Teil dieser Regel gelten lässt: Auch er initiiert nicht die auf ihn gerichtete Apotheose. Er erscheint vielmehr als ein Mensch, der seinen ganzen Status Gott verdankt. Bei der ersten Szene der wahren Apotheose, bei der Taufe Jesu (Lk 3,21f), scheint Lk gleich ein großes Risiko einzugehen, indem er dem Leser von Anfang an das Allerschwierigste im Christentum vor Augen führt: Die wahre Menschlichkeit und die wahre Göttlichkeit Jesu. Nach Lk gehört Jesus zum Volk, das von Johannes dem Täufer getauft wurde. Der Stammbaum ordnet Jesus deutlich allen Menschen zu: Alle Menschen stammen von Adam ab und Adam stammt von Gott ab (3,23–38)! Und dennoch ist Jesus mehr als einer von vielen Menschen. Durch die Apotheose der göttlichen Stimme wird Jesus aus der Menge hervorgehoben. Um klar zu machen, dass Jesus alles von Gott erwartet und sein göttlicher Status nicht sein eigener Anspruch ist, zeigt Lk Jesus als einen Betenden. Jesus ist dabei ein Gegenbild zur Selbstapotheose eines Kaisers. Mit dem Motiv des Betens macht Lk seine Leser gleichzeitig auf die Versuchungsszene Jesu aufmerksam. Jesus folgt nicht der Aufforderung des Satans, ihn anzubeten. Jesus betet nur Gott an. Das Beten kommt auch in der zweiten Apotheose Jesu vor, bei seiner Verklärung (Lk 9,28–36). Durch das Motiv des Betens zeigt Lk, dass Jesus sich wieder seinem Vater unterordnet, obwohl er durch seine Verwandlung und durch die göttliche Stimme göttlichen Status bekommen hat. Den, der selbst betet, kann man nicht anbeten. Vielleicht versucht Lk dadurch auf seine eigene Weise das rätselhafte Missverständnis der Jünger zu klären. Die kultische Anbetung Jesu darf nicht von Menschen eingesetzt werden, sondern nur von Gott. Jesus erscheint dabei als mehr als ein entrückter Mensch wie Elia oder Mose. Er verwandelt sich vorübergehend in eine göttliche Gestalt, die voller Doxa ist (Lk 9,32). Das ist nach Lk dieselbe Doxa, in die er als Auferstandener bei der Himmelfahrt geht (Lk 24,26). Mit der dritten Apotheose Jesu, der Himmelfahrt (Lk 24,51; Act 1,9–11), betritt Lk einen Bereich, der in zweifacher Hinsicht eine Herausforderung bedeutet. Die erste Herausforderung stellt sich Lk selbst. Es ist das Wagnis, einen von den bisherigen Überlieferungen unabhängigen Bericht vom Leben Jesu zu bieten. Lk ist der Erste und der Einzige, der die Erhöhung Jesu, die in der Briefliteratur eine allgemein akzeptierte Überzeugung ist, auf narrative Art darstellt. Die zweite Herausforderung gilt dem Leser. Sie ergibt sich aus der Ähnlichkeit der lk Himmelfahrtsszene mit den Kaiserapotheosen. Die Himmelfahrt, die auch Analogien in den Entrückungsgeschichten der jüdischen Tradition in der Vergangenheit hat, musste bei den nichtjüdischen Adressaten des Werkes unvermeidlich Assoziationen mit
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den Himmelfahrten der Kaiser in der Gegenwart hervorrufen. Durch ein paar Motive gelingt es Lk aber, seinen Lesern die Überlegenheit Jesu gegenüber den Kaisern klar zu machen. Jetzt, bei seiner Himmelfahrt, betet Jesus nicht mehr, er segnet (Lk 24,50f) und verleiht den Heiligen Geist (Act 2,33). Erst jetzt, bei seiner Himmelfahrt, wird Jesus durch Proskynese als Gott verehrt (Lk 24,52). Die Annahme des RTQUMWPGKP bei der Himmelfahrt lässt den Leser wiederum an die Ablehnung des RTQUMWPGKP in der Versuchungsgeschichte denken. Bei der Himmelfahrt besitzt Jesus jene Macht über die ganze Welt, die er als Angebot des Satans nicht angenommen hat. Für Jesus beginnt jetzt seine Herrschaft. Ab diesem Zeitpunkt tritt der universale Missionsbefehl für „alle Völker“ in Kraft (Lk 24,47). In Kontrast zu den Szenen der wahren Vergöttlichung Jesu bildet Lk eine Reihe von Szenen, die falsche Apotheosen darstellen. Mit erstaunlicher Deutlichkeit zeigt Lk durch narrative Mittel seine Einstellung zu den jeweiligen Szenen, die alle mit Zeichen von Vergöttlichung verbunden sind. Eine der in den Quellen vorgegebenen Szenen, die Versuchungsgeschichte Jesu (Lk 4,1–13), stellt Lk auf solche Weise dar, dass der Leser an seine konkrete geschichtliche Situation, an das Römische Reich, denken muss. Im Unterschied zu anderen Evangelisten verwendet Lk hier staatsrechtliche Begriffe seiner Zeit: QKXMQWOGPJ und GXZQWUKC. Der Satan hat in der Geschichte von Lk wie ein Kaiser die Macht, Herrschaft in der Welt zu verleihen, wem er will. Der Satan will wie Gaius Caligula dazu zwingen, dass er selbst angebetet wird. Nicht umsonst fordert er die Proskynese von Jesus. Die Aufforderung, eine Person neben Gott zu setzen, wird von Jesus schroff als eine teuflische Versuchung abgelehnt. In der Versuchungsgeschichte zeigt Lk eindeutig, dass er auf der Seite der jüdischen Tradition steht, die ohne Kompromisse jede Apotheose zurückweist. Lk hat aber als ein Heidenchrist seine heidnische Umwelt realistisch genug gesehen und verstanden, dass man eine Erscheinung wie die Apotheose nicht undifferenziert verurteilen kann. Dafür war die Vergöttlichung von Menschen ein zu sehr verbreitetes Phänomen in der Gesellschaft und hatte eine sehr verschiedene Bedeutung bei den Beteiligten. Um eine Übersicht über die differenzierte Bewertung des Phänomens im lk Doppelwerk zu schaffen, werden in der vorliegenden Arbeit die Szenen der falschen Apotheose in mehrere Gruppen geordnet. Neben der verwerflichen satanischen Apotheose gibt es die kritisierten oder blasphemischen Apotheosen, die zu keiner Umkehr führen; die korrigierten Apotheosen, die zur Umkehr führen, und schließlich eine tolerierte Apotheose in der Fama des Volkes. Zu den kritisierten oder blasphemischen Apotheosen gehören die Geschichte vom Tod des Königs Herodes Agrippa I. (in Act 12,20–23) und die Geschichte von der Reaktion der Bewohner Lystras auf die Wundertaten der „Apostel“ Paulus und Barnabas (Act 14,8–20). Bei diesen beiden kriti-
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sierten Apotheosen merkt man einen politischen Kontext, beide geschehen nicht spontan, sondern bedienen sich vorgeprägter, ritueller Formen, beide sind letztlich mit Feindschaft gegen Christen verbunden. Bei der narrativen Bewertung der Apotheose von Herodes Agrippa I. (Act 12,20–23), die neben dem Bericht über die Christenverfolgung eingebaut ist, zeigt Lk eine ausgesprochene Strenge. Die Apotheose wird nicht korrigiert, es gibt keinen der Beteiligten, der aufgrund des Geschehens zu einer richtigen Erkenntnis gekommen wäre. Durch eine kurze Bemerkung des Erzählers erfährt nur der Leser, dass der König sterben muss, weil er die Ehre angenommen hat, die Gott alleine zusteht. Vielleicht war es die Absicht von Lk zu betonen, dass ein jüdischer König über den einen und einzigen Gott Bescheid wissen musste. Für einen Juden gab es keine Entschuldigung, wenn er in blasphemischer Weise göttliche Ehren akzeptierte. Die Annahme der Apotheose durch Agrippa könnte Lk als Gegenbild zur Ablehnung der Akklamation Jesu durch die Dämonen dargestellt haben (Lk 4,41). Wie durch einen Schleier kann man im Hintergrund der Akklamationsgeschichten bei Lk die Umrisse des offiziellen Kaiserkultes erkennen. Auch die zweite schroff kritisierte Apotheose (Act 14,8–20) stellt ein Bild dar, in dem sich die Umrisse einer Szene aus dem politischen Leben der lk Zeit, aus dem offiziellen Kult einer Polis, widerspiegeln. Das ist die Vergöttlichung von Paulus und Barnabas in Lystra. Die Apotheose wird in dieser Geschichte von den heidnischen Bewohnern der Stadt vollzogen. Im Unterschied zum jüdischen König, der die Apotheose wahrscheinlich aufgrund politischer Berechnung wider besseres Wissen angenommen hat, glauben nach Lk die heidnischen Bewohner Lystras wirklich, dass Götter vom Himmel herabgestiegen sind. Der Grund der Apotheose ist in diesem Fall die Unwissenheit der Menschen. Der Versuch, sie aufzuklären, gelingt aber nicht. Sehr realistisch berichtet Lk vom Misserfolg einer Missionspredigt. Als Paulus und Barnabas die Apotheose ablehnen, verwandeln sich die Menschen in Lystra in Feinde der Apostel. Korrigierte Apotheosen, die zur Umkehr führen, werden von Lk wieder in zwei Geschichten dargestellt: Das sind die Geschichte von Petrus und dem Hauptmann Cornelius (Act 10,25f) und die Geschichte von Paulus, Silas und dem Kerkermeister von Philippi (Act 16,25–34). Das Gemeinsame ist hier die Spontaneität der religiösen Reaktion auf das Wirken der Apostel durch einzelne Menschen. Es fehlt eine rituell gestaltete Apotheose wie bei den beiden blasphemischen Apotheosen – wie die Akklamation des Volkes bei Herodes I. Agrippa oder wie der Opferkult einer Stadt bei Paulus und Barnabas in Lystra. Die Apotheose in Form der spontanen fußfälligen Verehrung ist kein politischer Akt, sie ist menschlich verständlich. In beiden Geschichten äußern Menschen ihre aufrichtige Ehrerbietung gegenüber den Aposteln. Aber auch ihre Apotheose wird deutlich korrigiert, und
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diese Korrektur ist ein Teil der Bekehrung zum Christentum. Sowohl der Kerkermeister als auch der Hauptmann sind Heiden. Der Hauptmann Cornelius ist schon ein gottesfürchtiger Heide, der Kerkermeister ein „echter“ Heide. Es sieht so aus, dass aus der Perspektive des Lk bei beiden Versuchen der Vergöttlichung eines Menschen ein Rest Heidentum nachwirkt. Nach Überwindung dieses Restes kommen beide Heiden zum christlichen Glauben. Die letzte Apotheose des lk Doppelwerkes (Act 28,1–6) ist eine tolerierte Apotheose, die nur in der Fama des Volkes geschieht. Sie ist ein Sonderfall dar. Die Bewohner der Insel Malta bezeichnen Paulus als Gott. Das Besondere ist dabei, dass die Apotheose weder kritisiert noch korrigiert noch bestraft wird. Möglicherweise wird die Apotheose hier deswegen toleriert, weil sie nicht mit kultischen Handlungen wie Proskynese, Akklamation oder Opfern verbunden ist. Wahrscheinlich muss man sich die Situation so vorstellen, dass Paulus überhaupt nicht gemerkt oder auch nicht verstanden hat, für wen ihn die Menschen auf der Insel hielten. Die Geschichte betont unübersehbar, dass die Inselbewohner „Barbaren“ sind, d.h. dass Paulus ihre Sprache gar nicht verstehen konnte. So hat Paulus keinen Grund zu reagieren, wenn gesagt wird, dass Paulus ein Gott sei. Keine wahrnehmbare Geste verrät ihm das. Aber auch der (allwissende) Erzähler korrigiert hier nichts. Diese Geschichte könnte als Beweis dafür dienen, dass Lk im Grunde keine Probleme hat, die Apotheose im Heidentum zu tolerieren. Die Heiden ahnen in seinen Augen etwas Richtiges, wenn sie im Christentum eine göttliche Kraft wirken sehen, aber sie sehen nicht den wahren Ursprung dieser Kraft. Diese verständnisvolle Einstellung zur Apotheose wäre ein zusätzlicher Grund für die Annahme, dass Lk kein geborener Jude war, der eine tiefe Abscheu gegen jede Apotheose gehabt hätte, sondern dass wir uns ihn als einen gottesfürchtigen Heiden vorstellen dürfen. Wenn man das ganze Spektrum der Farben im kleinen Prisma des Themas der Apotheose bei Lk überblickt, sieht man, dass Lk im Unterschied zu späteren Apologeten die heidnische Neigung zur Apotheose nicht dazu „benutzt“, um die Christologie zu erklären. Er will die Ausstrahlungskraft und die Autorität der Apostel verständlich machen. Sowohl im Licht der wahren als auch der falschen Apotheose interpretiert Lk das Erscheinen einer göttlichen Macht in der Mission der Kirche. Und damit wirbt er indirekt um Verständnis für die wahre Apotheose, die nur Einem neben dem Schöpfergott der Juden gilt – dem Herrn Jesus Christus.
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Stellenregister Stellenregister
Register
1. Altes Testament Genesis 1,24 1,26f 1,26 3 5,3–32 5,24 6,20 11,20–26 17,22 22,1ff 22,2 22,12 22,16 35,13 37,9 41,46
172 98 96 55, 118, 131 94 118 172 94 118 131 88, 103 88, 103 88, 103 118 55 95
Exodus 1–15 7,1 13,21 16,29 17,14 18,4 20,3 20,4 23,20f 24,1 24,7 24,9 24,15f 33,9f 34,29–35 40,34–38
55 54 102 121 167 145 36 50 54 103 137 103 103 102 103 102
Levitikus 16,2 16,12–15 16,17 16,29–34
20,27 23,42f 26,1
179 109 50
Numeri 4,3 15,37–41
19,15 21,22 25,5ff 27,15 31,14 32,1 32,8f LXX 34,1–4 34,5
98 98 35 50 36 134 134 134 170 36 85, 103, 105, 110 105 170 95 50 119 106 51 134 119
Richter 6f 13,20f 18,6
118 118 186
Ruth 50 50 50 50
4,18–22
24,9 28,14
164 164
2. Samuel 95 36
Deuteronomium 4,7 4,30 5,6–21 5,8 6,4–9 6,4f 6,13f 6,13 10,17 11,13–21 18,15
1. Samuel
94
5,3f 24,1
94 131
1. Könige = 1. Regum 1,16 1,23 1,31 5,23 8,10f 21,17–29
164 164 164 144 102 91
2. Könige = 2. Regum 2,1–18 2,1ff 2,15 3,21
119 106 119, 164 186
1. Chronik 1,1–34 2,3–15 21,1
94 94 131
Hiob 1,6ff 5,17ff 42,10ff
131 131 131
Psalmen 2,7 18,5 104,2 139 139,5 141,2
89, 110 178 104 96 98 167
221
Stellenregister Ezechiel
Proverbien 8,22–30
53
Jesaja 8,23 9,7 14 14,10–14 24,18 28–32 42,1 44,2 63,14 63,19
132 54 145 145 194 145 88, 110 88 88 88
Jeremia 48,44
194
1,1 1,4 1,7 1,26–28 2,1 8,2 27,17 37,27
88, 95 104 104 54 156 54 144 109
54 104 54 54 54 104
Nahum 3,3
104
Maleachi
Daniel 3,19 LXX 3,95 LXX 7 7,8 7,14 7,24 8,16
9,21 10,5f 10,13 10,21 12,1 12,3
99 145 53 37 53 37 54
3,22–24 3,23
107 105, 128
Sacharja 2,14 14,16–21
109 109
2,202f 2,203 2,308 2,478 3,409
48 48, 49 186 144 166
2. Frühjüdische Literatur Äthiopischer Henoch 48,5 62,15f 62,9
52 104 52
4. Esra 6,26 7,97 12,10–12 12,13 12,19 12,23–26
128 104 119 119 119 119
Der Tragiker Ezechiel 68–82
206 55
Josephus antiquitates judaicae 1,85 118 4,325f 107, 119 8,108 97 9,28 118 11,331–335 53 12,248–250 37 12,251–256 37 12,253f 37 14,54f 38
14,72–74 14,313 14,317 14,321 17,169 18,116–119 18,129 18,256–309 18,257–260 18,261f 18,261 18,262 18,289–297 18,304 19,343–352 19,343 19,344 19,345 19,346 19,347 20,169
38 144 144 144 146 91 49 150 46 47 47 43, 48 49 49 141, 146 143 143 143 146 143, 146 121
de bello iudaico 1,414 165 1,656 146 2,172–174 39 2,184ff 47 2,186 48 2,192f 48 2,194 48 2,195–198 48
Buch der Jubiläen 4,23
118
Liber antiquitatum biblicarum I,16
118
1. Makkabäer 1,54–59 2,52 2,53 2,58 4,15 5,58 10,69 15,40
37 131 131 119 43 43 43 43
2. Makkabäer 2,8 6,1–11 9,12 12,8f
102 37 151 43
222
Register
4. Makkabäer 12,13
162
Philo de fuga et inventione 109 54 In Flaccum 2–8 9 18–34 108 125–190 170–175
44 44 45 143 44 143
Laegatio ad Gaium 20–21 45 76 40 78 41 80 41 86 41 96 41 115 42 118 42, 53 120–128 44 120f 44 132–134 44 134 44 152–154 44 154 41 162 40 170 47 172 47 175 46 178 46f 194 50 197–337 150 198 47 202 43
203 207 212 218 219–220 232 245 261 276–329 290 292 294–297 299–305 306–307 349–350 350 353 355 357 367
43 48 50 40 48 49 49 43, 49 49 50 50 51 39 50 45 45 46 46 46 46
Legum Allegoriae 3,207 52 Quaestiones in Genesim 2,62 52, 54 Psalmen Salomos 2 2,28f
38 39
Jesus Sirach 24,8 35,8f 44,16 44,20f 48,9 48,10 48,12
53 167 118 131 119 128 119
49,14 50,1–21 50,17 50,20 50,21 50,22
118 53 126 126 126f 126
Testament Isaaks 4,2
118
Testament Josefs 8,5
183
Testament Levis 18,12
131
Weisheit Salomos 7,3 12,10 17,3 18,15ff 18,17
162 132 178 54 178
(syrische) Baruch– Apokalypse 76,3
134
Tobit 5,11ff 12,8 12,12 12,15 12,20–22
54 167 167 54 118
Vita Adae et Evae 12–16
52
6,2ff 8,2 8,7f 8,10 9,4 9,18 12,25 12,28 14,22ff 16,22
167 139 164 164 156 139 156 131 112 192
3. Neues Testament Matthäusevangelium 1,2–17 1,20f 2,11 3,2 3,5 3,13–17 3,17 4,1–11 4,1
95 94 163f 138 90 87, 91, 132 88, 110 130 132
4,7 4,8–10 4,8 4,9 4,10 4,11 4,12 4,13–16 4,17 5,1
133 104 104, 134 136, 163 133 130 132 132 132, 138 102
223
Stellenregister 17,1–9 17,2 17,5 18,26 18,29 24,30 25,6 26,30 26,64 26,65 28,16–20 28,17f 28,18ff 28,18 28,18b
99 99, 106 110 163 163 128 182 175 128 159 137 137 105 139 124
Markusevangelium 1,5 1,9–11 1,10 1,12f 1,12 1,13 1,14 1,24 3,11 5,6 5,7 5,33 5,34 9,2–10 9,2–8 9,2ff 9,2f 9,2 9,3b 9,4 9,7 9,8 9,9–13 9,13 10,35–45 10,35ff 10,38f 11,1 11,17 13,26 13,27 14,26 14,56–58 14,62 15,19 16,1–8
90 87, 132 88f 130 132 130 132 177 176f 127, 139 177 176 186 99 111 52 106 99, 111 100 100, 119 105, 110 110 100 107 147 149 148 121 150 128 130 175 150 128 139 125
16,8 16,15ff 16,17f 16,18 16,19
126 105 199 199 121
Lukasevangelium 1,1–4 1,5ff 1,5 1,8ff 1,11ff 1,21f 1,21 1,26ff 1,35 1,41 1,44f 1,46–55 1,52 1,67–79 2,1 2,10 2,11 2,14 2,29–32 3,7–18 3,14 3,16f 3,19 3,19f 3,20 3,21f 3,21 3,22 3,22bf 3,23–38 3,28 3,38 4,1–13 4,1 4,5–8 4,5 4,6f 4,6 4,6a 4,6b 4,7f 4,12 4,14 4,14–30
57, 60 133 92 167 167 90 90, 163 167 90, 93 90 90 58 58 90 117, 135f 94, 126 89, 117 90, 94 90 90 58 90 70, 91 133 91 12, 15, 87– 99, 132, 207 88ff, 94, 171 87f, 162 89 94, 132, 207 123 96 130ff, 208 94, 132 16, 104, 130–140 134, 135 59, 136 134, 137 137 137 139 133 94, 133 90
4,16–21 4,18 4,21 4,33 4,36 4,38f 4,40 4,41 5,8 5,12 5,15 5,16 5,17–26 5,17 5,20 6,8 6,12f 6,12 6,19 7,1–10 7,3 7,3–7 7,4 7,5 7,6 7,9 7,50 8,28 8,40 8,41 8,46 8,47 8,48 9,1 9,7–9 9,17 9,18 9,20 9,22 9,23 9,26f 9,28–36 9,28f 9,28 9,29–31 9,31 9,32 9,33 9,34f
93 93f 89 155 93 198 202 151, 209 127, 176 199 197 93 155 93 156 156 102 93 93 58 164 164 164 164 164 164 156, 186 127, 155, 176f 163 127 93 127, 176 156, 186 93 92 112 93 100 100, 109 100 100 12, 15, 87, 99–112, 162, 207 93 100, 102 110 100, 105, 107, 109 100, 106, 108, 207 100 110
224 9,34 9,35 9,36 9,47 9,51 10,17–20 10,18f 10,18 10,19 10,34 11,1 11,13 12,11 13,1–5 13,34f 16,15ff 16,16 17,15 17,19 19,5 19,9 19,17 19,29 19,37 20,20 21,20–24 21,26 21,27 22,41 22,51 22,53 23,7 23,23 23,43 23,46 23,47 24 24,4 24,7 24,13ff 24,20 24,25–27 24,26 24,46f 24,47 24,48 24,49 24,50–53 24,50f 24,50 24,51
Register 100, 102 87, 110 110 156 123 109 131 138 93, 199 185 93 93 135 70 109, 133 105 91 155 156 89 89 135 121 155 135 59 135f 93, 128 93 197 135 135 155 89 93, 155 128 121, 123 167 109 105 109 109 106, 126, 207 109 128, 208 120, 128 122, 127 15, 112–129 87, 121, 126, 208 121 12, 87, 126, 207
24,52f 24,52
126 13, 126f, 133, 139, 208
Johannesevangelium 1,29ff 1,29f 1,32–34 1,32f 2,25 5,18 5,19–21 8,52 10,30f 11,18 12,28 16,16 16,22 20,11ff
88 91 92 88 156 53 93 106 53 121 101 128 128 105
Apostelgeschichte 1 1,1f 1,2ff 1,4 1,6–11 1,7 1,8 1,9–11 1,9 1,10 1,12 1,18f 1,22 2,6–11 2,22 2,32–36 2,33 2,35 3,1–10 3,2–10 3,4 3,6 3,9 3,12 3,13–16 3,15 3,16 3,25 4,2
121ff, 128 60 123 128 128 192 117, 120, 127 12, 15, 112– 129, 207 87, 102, 128 105, 167 121 146 129 173 93 129 127, 208 93 142, 155 155 156 156 154 174 109 129 156 129 177
4,12 4,19f 4,27 4,31 5 5,16 5,18–23 5,18 5,19 5,29 6,1–6 6,3 6,13f 7,2–53 7,10 7,34 7,43 7,55f 7,56 7,57 7,60 8,7 8,9–24 8,9ff 8,26ff 8,26 8,40 9,3–9 9,4 9,7 9,10ff 9,10 9,11f 9,31–43 9,32–35 9,33 10 10,1–11,18 10,1–8 10,1ff 10,1 10,2 10,3–8 10,3–6 10,3ff 10,3f 10,3 10,4 10,4a 10,5 10,6 10,7 10,9–16 10,9ff
185 134 59, 70 167, 182 180 177, 197 142 142, 183 168, 182 58, 134 60 167 150 169 145 145 139 110 171 155 155 155 83 81 168, 173 168 166 110 167 123 169 167, 169 167 142 155 154 58, 180 142, 169 165, 169 181 166 164, 166f 169 167 167 167 167, 171 167, 184 174 167 172 164, 168 167, 169 167
225
Stellenregister 10,9 10,11 10,14 10,15 10,16 10,17–23 10,17f 10,18 10,20 10,22 10,23 10,23b–33 10,24–48 10,24–27 10,24 10,25f 10,25 10,25b 10,26 10,27 10,28 10,30–33 10,30–32 10,30ff 10,30 10,31 10,32 10,34–43 10,34f 10,34 10,35 10,36 10,36–38 10,37f 10,40 10,40–42 10,42 10,44–48 10,44–47 10,44 10,45f 10,47f 10,48 11 11,2–18 11,3 11,5–17 11,5 11,6ff 11,10 11,11 11,12
167 170f 167 172 170 169 172 167 170 164, 167ff 163, 170ff 169 165 163 163f 13, 16, 139, 163–175, 200, 209 156, 163f 164 164, 184 163 172f 169 169 173 167 167 167 169, 173 164 170 167 171 93 92 170 129 159, 171 169, 173 172f 169, 172f 164 164 173 169 173 173 169 170 122 170 170 163, 170
11,13f 11,13 11,14 11,16 11,17f 11,17 11,18 11,25f 11,27–12,25 11,27–30 11,28 11,29f 11,30 12 12,1–24 12,1–23 12,1–10 12,1–4 12,1ff 12,1f 12,3–10 12,5–11 12,5 12,6 12,7 12,10 12,11–17 12,11 12,18–23 12,19 12,20–23 12,20 12,21–23 12,22f 12,22 12,23 12,24f 12,25 13 13,9 13,13 13,16 13,23–25 13,26 13,30–37 13,38 13,43 13,45 13,46 13,50 14
169 167 176 123 164 173 173 141 142 142 135 141 149 13, 141– 148, 180 109, 142 141 141 142, 147 148 142 142 141 142, 183 142, 183 145, 168, 182 182 141 142 141 142, 182 141ff, 208f 144 13, 16, 140 147 144 145 142 141f 159 156 89 168 91 168 129 159 168 152 152 66, 152, 180 159, 165, 181
14,3 14,4ff 14,4 14,5 14,6 14,7 14,8–20 14,8–18 14,8–17 14,8–14 14,8–12 14,8–11a 14,8f 14,8 14,8a 14,8b 14,8c 14,9f 14,9 14,9a 14,10 14,10a 14,10b 14,11ff 14,11f 14,11 14,11a 14,11b 14,11b–18 14,11c 14,12 14,13 14,14 14,15–17 14,15ff 14,15 14,15b–17 14,17 14,19f 14,19 14,20 14,21 14,23 15,13ff 15,20 15,24 15,33 16 16,1–3 16,1f
162 66 161 161 152f 154 13, 16, 152– 163, 208f 154, 201 72 154 155 154 154 153, 155 154 154 154 195 156, 162 155 155, 161 155 155 174 155 153f, 160, 191, 195, 200 155 154f 154 155 155, 157f 153, 158 157ff 154, 159 170 159, 162, 164f, 199 154 160 153f 66, 153f, 161 153 153 60 149 168 178 186 178, 185 153 154
226 16,1 16,2 16,6 16,7 16,9 16,11–40 16,11 16,12 16,13–15 16,13 16,16–40 16,16–22 16,16ff 16,16 16,18 16,19–24 16,19ff 16,19 16,20ff 16,20 16,22f 16,22 16,23ff 16,23bf 16,25–34 16,25ff 16,25f 16,26–34 16,27 16,28 16,29 16,30 16,31 16,33 16,35 16,37f 16,37 16,38f 16,38 16,39 16,40 17 17,1 17,4 17,5ff 17,5 17,6 17,12 17,16–33 17,19 17,24ff 17,25f 17,26
Register 153 153 176 176 176 183 176 179 177, 180 177, 180 177 185 184 177 177 178 66 178 187 178, 181 180 181 181 183 13, 16, 175– 188, 209 167 195 175 147, 181 155, 182 156, 176 184 176, 184 185 178, 185 179 179, 186f 186 185 186 177 160 176 180 66 192 135 180 72 192 170 160 95
17,28f 17,28 17,30 17,31 18,12ff 19 19,6 19,11f 19,12 19,23ff 19,27 19,31 19,35ff 20,7 20,17 21,18ff 21–28 21ff 22,9 22,12 22,17ff 22,25 22,28 22,30f 23,26 23,29 24,2–4 24,3 24,5 24,22–27 24,22 24,27 25,4 25,9 25,12 25,16 25,25 25,26 26,18 26,22 26,24 26,25 26,32 27 27,1 27,5 27,21f 27,23–25 27,23ff 27,23 27,27–28,6 27,27 27,30–32 27,33–36
96 96 160 95, 135 66 72 173 197 177 66 135 58 58 182 60 149 169 186 123 167 167 179, 186 186 167 57 58 59 57 135 59 58f 59 58 59 186 58 58 71 135 200 155 57 58, 186 196, 201 166, 197 153 197 198 199 200f 190 189f 197 197
27,42 27,43 27,44 28 28,1–10 28,1–6 28,1f 28,1 28,2–6 28,2 28,3 28,3–5 28,3–6 28,4 28,5 28,6 28,6b 28,7–10 28,7–9 28,8 28,9 28,10 28,11–13 28,11f 28,17–31 28,30f 28,31
147 58 198 189–201 190, 196fff 16, 188–204, 210 192 189ff, 198 196–201 190ff, 196, 202 196, 199 195 195fff 191–198 199 174, 194f 195 196 201 197f 197f 196ff, 202 190 190 198 59 201
Römerbrief 1,3 1,20 1,21 1,23 5,14–21 8,34 11,36 12,2 13,1ff 14,9
93f 160 160 172 95 124 96f 111 134 124
1. Korintherbrief 1,14f 1,16 1,17 8,6 15,3–8 15,7 15,22 15,45–49 15,51f 16,15
174 185 174 96 124 149 95 95 104 185
227
Stellenregister 2. Korintherbrief
2. Timotheusbrief
3,18 4,4 11,25
3,11 4,1
111 137 161, 179, 185
Epheserbrief 1,19f 2,5 4,7–12 4,8–10 5,19
124 124 127 124 175
Philipperbrief 2,6–11 2,9–11
124 71
Kolosserbrief 3,1 3,16
124, 175 175
1. Thessalonicherbrief 1,9f 2,2
124, 160 177, 185
1. Timotheusbrief 3,16
153f 171
3,18 3,21f 2. Petrusbrief
Hebräerbrief 1,3 1,5 2,9 2,12 5,5 7,1 9,7 9,13 10,4 11,17 11,22 12,2 12,7 13,15
124 124 124 175 124 177 50 158 158 131 109 124 132 167
Jakobusbrief 2,16 2,21 5,11 5,17
186 131 131 162
1. Petrusbrief
124 1,20f 2,5
66f 124 167
124 124
1,15 1,16–18
101 109 101
Johannesapokalypse 1,7 1,12–16 5,8 5,14 8,3 11 11,3ff 11,3 13,4 13,7f 13,8 13,12 13,14f 13,15 14,6f 14,14–16 19,4 19,10 21,3 21,10 22,8
67 128 104 167 163 167 107, 119 107 107 139 135 139 139 67 139 132 128 163 164 109 134 163f
4. Frühchristliche Literatur Acta Pilati XVI,7
119
Aristides apologia VII,1f XV,2
73 74
1 1–17 1–17,15 11f 24 88
79 80 76 80 80 80
Ebionäerevangelium
Augustinus in Johannis evangelium 124,2 119 Didache 15,4 16,8
Hebräerevangelium
Diogenet
167 128
EbionEv
87, 91
Euseb Historia Ecclesiastica 1,7,4ff 95 3,18,4 67
HebrEv
149
Hieronymus In Amos IX,6
119
Irenäus adversus hairesis 1,23,1 81 1,23,1–4 83 1,23,5 82f 3,3,3 81
228
Register
Johannesakten 90f
101
Justin apologia I 21,3 25 26 26,1–6 26,4 46 apologia II 8 10 13
116 79 83 83 83 75
50,1 55,1 67,2 68,1 69,3 70,5 73,3 89,2 90,1 141,5
Nazaräerevangelium NazEv
75 75 75
dialogus cum Tryphone 10,3 76 34,7 76 48,1 76 49,1 75
76 76 75f 76 114 76 76 75 75 75
87, 91
Origenes contra Celsum I,57 85 II,34 182 VI,11 85 VII,9 84
Petrusevangelium 9,35–10,40
125
Petrusakten 20
101
Philippusakten 60f
101
Tertullian apologeticum 30 72 33 73 46 78 46,5 78 de carne Christi 1,161 78
5. Griechisch–Römische Literatur Aelian
Diodorus Siculus
Livius
varia historia 8,15 165
bibliotheca historica 40,3,6 52
Aratus
Dion Chrysostomos
I,16 I,26 II,8 X,9,4f
Phaenomena 5 96
orationes 12,28 35,9f
97 161
Cassius Dio 67(68),20,4–6 145 67,8,1 65 67,14,1f 67
Epiktet dissertationes II 6,26 183
Cicero
Euripides
de natura deorum 2,62 114
bacchae 455ff
de re publica 3,40 114
Herodot
in Verrem II 5,161–167 186
1,7 4,205 8,131
Tusculunarum disputationum 1,32 114 2,20 21
114 121 186 186
Lucian de morte Peregrini 116 39 127 Ovid metamorphoses VIII 611–724 157
182
Pausanias IX 7,2
21 146 21
146
Platon Timaios 37c
Homer
Plutarch
Odyssea XV 223–281 192
Lysias 18,3f
97
21
229
Stellenregister Sophokles
moralia 447c 447d
97 97
Romolus 27,8f 27,8 28,3
127 126 126
38
Seneca apocolocyntosis 1,3 117 11,3f 116 32, 116, 204 epistulae 41
Statilius Flaccus 193 Sueton
Polybios 26,1a (10)
Oedipus Coloneus 1654 127
97
15,1 23,1
67 70
Titus 1,1
33
Vespasian 7,2f 23,4
62 33, 63
Tacitus
Caligula 22,2 22,3f
41 41
Domitian 1,2 4 4,4 8 10 13,2
64 65 64 63 69 64
Agricola 65
68
annales IV,37f XIV 15,5
32 145
historiae 4,81 5,5
62 181
Begriffs- und Namensregister Begriffs- und Namensregister Agrippa 40, 44–51, 138, 141–151, 166, 209 Ägypten 18–28, 38, 44, 55, 61, 79, 81, 102, 145, 190 Akklamation 61, 145, 151, 155, 202, 209f Alexandria 32, 39–47, 53 Antigonos 22, 96 Antiochien 48, 66, 82, 142f, 152, 166 Apotheose (s.a. Herrscherapotheose, Kaiserapotheose und Selbstapotheose) 7, 8, 12–23, 27–39, 55–60, 70–74, 86f, 98, 112f, 115, 118, 120, 126, 129–134, 140f, 151ff, 157, 159–165, 168, 171, 174f, 184, 187f, 193, 197, 201–210 Asiarchen 58 Augustus 12, 14, 28–34, 41, 62, 70f, 115, 117, 143, 145, 153, 165 Barbaren 50, 73, 191, 193, 202, 210 Barnabas 16, 141f, 152f, 156–162, 208f Baucis 157 Caesar 30f, 40 Cäsarea 39, 141, 143f, 163–166, 169f, 173, 186 Claudius/Klaudius 30, 32ff, 47, 58, 70, 79, 82, 116f, 143, 147, 150, 204 Cornelius 16, 139, 151, 163–176, 180, 184, 187, 209 damnatio memoriae 31f, 34, 60, 63, 69 Dämon 19, 179 Dike 193 Divi filius 29f Divinisierung 68 divus 30, 31, 63 dominus et deus 33, 64, 138 Domitian 14, 28, 32ff, 58–71, 138, 151, 205 Dositheus 85 Doxa 105f, 140, 151, 207 Duotheismus 15, 51, 56 Elia 52, 91, 100–111, 118f, 126ff, 205, 207 Engel 13, 54ff, 73, 82ff, 90, 113, 118f, 121, 126, 130, 140, 145, 167, 174, 184, 200 Entrückung 113–121, 124–129, 205 Epiphanes 37, 38, 44, 47, 50 Epiphanie 12, 20, 26f, 89f, 112 Euhemeros 17 Ezechiel 55, 95, 156, 205
Flaccus 44f, 143, 193 Flavia Domitilla 67 Fußfall 24, 183, 184 Gaius Caligula 42, 50ff, 136, 143, 205, 208 genius 31 Gottesboten 107, 164, 171 Gottessohnschaft 18, 75, 111, 115, 117 Gottkönigtum 17, 18, 24 Hadrian 79 Heidenmission 97, 153, 157, 170f Helikon 46f Henoch 52, 56, 107, 118f, 205 Herakles 19, 21, 41, 76, 80, 114–117 Hermes 41, 80, 152, 157f Herodes Agrippa 13, 16, 140–151, 174, 203, 208f Herodes Antipas 40, 49, 70, 91, 147 Heroenkult 21, 23 Herr (s.a. Kyrios) 39, 50, 64, 91f, 104, 138, 171 Herrscherapotheose (s.a. Apotheose, Kaiserapotheose und Selbstapotheose) 18 Herrscherkult 12, 14, 18, 20f, 23–35, 63f, 70, 115, 204f Himmelfahrt 15, 21, 76, 80, 87, 99, 102, 105–129, 142, 207 Himmelsreise 56, 113, 119 Imperium Romanum 14, 58, 135f, 140 Jakobus 99ff, 141f, 148f Jamnia 42f, 47 Jerusalem 33, 37, 39, 43, 47, 49ff, 58, 99, 102, 104f, 109, 112, 121f, 126, 128, 133, 141f, 148f, 166, 170, 173, 184, 186 Joppe 163, 168ff Kaiserapotheose (s.a. Apotheose, Herrscherapotheose und Selbstapotheose) 113–118, 129, 207 Kaiserkult 21, 27f, 33ff, 59, 61f, 67, 71f, 116f, 139f, 143, 164 Kallisthenes 24f Kephallenia 189–195 Konsekration (consecratio) 12, 31, 68f, 115 Konstantin 14, 35, 86, 115 Kyrios (s.a. Herr) 12, 71, 140, 185, 206 Logos 52–56, 74–80, 86, 97, 205
Begriffs- und Namensregister Lysander 21 Lystra 16, 66, 72, 152–165, 181, 195, 199, 203, 209 Malta 16, 188–195, 199–203, 210 Menander 82f Mittlergestalten 15, 51f, 55f, 205f Mittlerwesen 53 Monotheismus 7, 11, 13, 15, 35f, 51–57, 74, 81, 83, 92, 112, 136, 205 Mose 36, 52, 54f, 81, 84f, 99–111, 118f, 126, 205, 207 Nero 33, 61, 65, 145 Opfer 21, 37f, 46, 77f, 150ff, 158, 167, 202 Paulus 13, 15f, 52, 58f, 70, 72, 97, 110f, 120, 123, 142f, 147–164, 169, 173–202, 208, 209, 210 Petronius 47ff, 67 Petrus 16, 58, 81, 99ff, 103, 105, 108–111, 139, 141f, 145, 147–151, 155, 163–177, 180, 183f, 198, 209 Petrusakten 101 Petrusbekenntnis 93, 105 Petrusevangelium 125 Philemon 157 Philippi 66, 175–187, 195, 199, 209 Pilatus 39, 59, 70 princeps 29, 61 Proskynese 24, 64, 119, 121, 126f, 136, 138ff, 156, 163ff, 171f, 174, 183f, 202, 204, 208, 210 Ptolemaios 22, 26
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Ptolemais 48 Publius 197, 202f Qumran 53 Rom 12, 19, 27–35, 41–49, 58–65, 69, 75, 82, 115, 139, 153, 166, 186, 189, 195, 198, 201 Romulus 30, 114–117, 121, 127f Salomo 52 Scipio Africanus 28 Selbstapotheose (s.a. Apotheose, Herrscher– apotheose und Kaiserapotheose) 8, 37, 51ff, 57, 60, 80–85, 112, 120, 207 Senat 30–33, 62f, 69, 72, 77, 205 Silas 16, 175–187, 209 Simon Magus 81ff soter, SotƝr 22, 30, 117 Syrakus 190 Syrien 38, 47, 71, 144, 166 Theoi Patrioi 20 Theophanie 89 Tiberius 28–33, 39, 42, 44f, 70 Titus 32f, 62ff, 79, 115 Traian 68 Transzendenz 51f, 56 Vergöttlichung 7, 11–33, 39, 42, 51, 59f, 64, 67–72, 79, 85ff, 111ff, 116, 140–145, 151f, 158–171, 174ff, 181, 184f, 187f, 192, 195, 197, 200f, 204–210 Vespasian 32f, 43, 61ff, 71, 141 Weisheit 18, 52–56, 205 Wohltäter 21, 23, 27, 41, 160, 197