Trauer in Familien – wenn das Leben sich wendet [1 ed.] 9783666405105, 9783525405109


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Trauer in Familien – wenn das Leben sich wendet [1 ed.]
 9783666405105, 9783525405109

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Leben.Lieben.Arbeiten

SYSTEMISCH BERATEN

Petra Rechenberg-Winter

Trauer in Familien – wenn das Leben sich wendet

V

Leben.Lieben.Arbeiten

SYSTEMISCH BERATEN Herausgegeben von Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe

Petra Rechenberg-Winter

Trauer in Familien – wenn das Leben sich wendet

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 2 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-666-40510-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: © Leoco/shutterstock.com © 2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Zu dieser Buchreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort von Jochen Schweitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Vorbemerkung der Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

I Der Kontext: Keiner trauert für sich allein . . . . . . . . . . . 12 »Wollust ist die Lust zu wollen« – Trauer bei lebensverkürzender Erkrankung und am Lebensende (Fallbeispiel 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16   1 Uneindeutige Verluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   2 Wendepunkt, Wendezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   3 Trauer und Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   4 Wiederanbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 20 25 28

II Die systemische Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 »Und dann war alles schwarz« – Tod eines Familienmitglieds (Fallbeispiel 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 32   5 Trauer – eine gesunde Antwort auf existenzielle Verluste . . . . .   6 Genogramm, Systemskulptur, Ressourcenarbeit . . . . . . . . . . . .   7 Lebensflussmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   8 Biografisches Schreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 43 49 51

»Die Kindheit weggerissen« – Geschwistertrauer (Fallbeispiel 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56   9 Erschwerte Trauerprozesse – Grenzen systemischer Beratung 58 10  Ausblick für systemisch Beratende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

III Am Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 11 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 12 Weiterführende Informationen und Kontakte . . . . . . . . . . . . . . 74 13 Materialhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 14 Die Autorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Zu dieser Buchreihe

Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwer machen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) haben mit unseren intimen Beziehungen zu tun, mit deren Anfang und deren Ende, mit Liebe und Hass, mit Fürsorge und Vernachlässigung, mit Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten. Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrieben,

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allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungen« werden skizziert. Auf unter 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick. Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Thera­pie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen »Grundlagenwissen« (1996/2012) und zum »störungsspezifischen 8

Wissen« (2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das »kontextspezifische Wissen« der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben. Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind. Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten. Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe

Vorwort

Das Sterben ist, gemeinsam mit der Geburt, das wohl existenziellste Ereignis im Leben jedes einzelnen Menschen. Dasselbe kann möglicherweise für den Verlust eines geliebten Menschen durch Sterben innerhalb der Familie gelten. Daher ist »Trauer in Familien« ein besonders schöner Band am Beginn einer Buchreihe, die sich den großen Herausforderungen des Lebens widmet. Es ist – so viel Schwärmen sei mir erlaubt – in mehrerer Hinsicht ein wunderbares Buch. Petra Rechenberg-Winter rückt darin das Sterben und die Trauer als »unsere angeborene Fähigkeit, Verluste zu überstehen und uns … neu zu orientieren« (S. 21) aus seinen in modernen Gesellschaften oft marginalisierten Randstellungen ins Zentrum unseres Lebens. Sie vermittelt uns wohlwollendes Verständnis dafür, wenn Familienmitglieder intuitiv eine »Aufgabenverteilung« beim Trauern vornehmen – eine Spezialisierung, in der ein Mitglied für das traurige Rückwärtsschauen, ein anderes für »Es muss jetzt trotzdem weitergehen«, ein drittes für »Lasst mir meine Ruhe« und ein viertes für »Wir müssen darüber sprechen« zuständig wird. Sie erklärt uns anschaulich die »Pendelbewegungen« des Trauerns und führt uns ein in die Vielzahl und das Verständnis »erschwerter« Trauerprozesse. Petra Rechenberg-Winter veranschaulicht die ganze Breite möglicher Trauerreaktionen und macht sie verständlich als individuell und kollektiv sinnvolle Bewältigungsprozesse in Wendezeiten – auch da, wo (sehr oft) Trauernde an den Trauerreaktionen der Mittrauernden leiden.

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Das Buch beschreibt, wie eine breite Palette systemischer und anderer Beratungstechniken sowie entwicklungspsychologische Trauerprozess-Modelle einfühlsam mit trauernden Familien genutzt werden können. Ausführlich geschieht das für die Genogramm­arbeit, das Lebensflussmodell und das biografische Schreiben. Aber auch von Netzwerklandkarten, Schatzkisten, Foto-Betrachtungen und Freudenbiografien ist zu lesen, von behutsamer Auftragsklärung und einfühlsamem ressourcenorientiertem Fragen. Von außerhalb 10

des engeren systemberaterischen Bezugsrahmens grüßen Verena Kast als jungianische Analytikerin, Albert Camus als Existential­ philosoph und eine Reihe renommierter Trauerforscher. Schließlich finde ich auch den Schreibstil der Autorin wunderbar – nicht verwunderlich, ist Petra Rechenberg-Winter doch als »Master of Biografical and Creative Writing« auch als Klinische ­Poesie- und Bibliotherapeutin tätig. Ich selbst habe das Buch mit großem persönlichem und fachlichem Gewinn gelesen und wünsche dies auch allen Leserinnen und Lesern. Jochen Schweitzer

Vorbemerkung der Autorin

Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« zeichnet sich durch eine kurze und verdichtete Darstellung eines Themas aus. Für mich als Autorin ist es damit unmöglich, die einzelnen eingesetzten methodischen Zugänge ausführlich zu beschreiben. Ich helfe mir, indem ich mich bei den Interventionen durchgängig sowohl auf ein Standardwerk systemischer Beratung beziehe, das »Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I« (von Schlippe u. Schweitzer, 2012), und ebenso auf das »Kursbuch systemische Trauer­ begleitung« (Rechenberg-Winter u. Fischinger, 2010). Zur leichteren Orientierung vermerke ich jeweils die entsprechenden Seitenzahlen. Für eine gendergerechte Sprache wechsle ich zwischen weiblicher und männlicher Form in zufälliger Reihenfolge, alle mögen sich bitte mitgemeint fühlen.

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Der Kontext: Keiner trauert für sich allein

S

ystemische Beratung orientiert sich an der Systemtheorie, um die Komplexität familiären Geschehens zu berücksichtigen

und der Erfahrung Rechnung zu tragen, dass eine Veränderung,

wie klein oder umfangreich sie auch sein mag, einen offenen Entwicklungsprozess des gesamten Familiensystems auslösen kann, unerwartete Prozesse anstößt und unvorhersehbare Wirkungen auf das Beziehungsgefüge zeigt (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 89 ff.).

Kontext

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Systemische Beratung berücksichtigt folgende zentralen systemischen Prämissen, die an dieser Stelle vorausgesetzt und daher nur stichwortartig skizziert werden: ȤȤ Die Mitglieder eines Systems sind wechselseitig dynamisch miteinander verbunden und bilden eine ihnen eigene momentane Struktur. ȤȤ Der Mensch verhält sich so in diesem Kontext statt Der Mensch ist so. Er kann sich jederzeit anders verhalten, wenn sich der Kontext ändert. Den Kontext in Beratungsprozesse einzubeziehen, ist deshalb ein zentrales Element systemischer Begleitung. ȤȤ Menschen konstruieren ihre Wirklichkeit, daher regen systemische Interventionen an, Erfahrungen, Erlebnisse anders, d. h. neu und konstruktiver in die persönliche Wahrnehmung einzuordnen. ȤȤ Ressourcenorientierung überwiegt gegenüber Problemorientierung. Dennoch gilt es, die Probleme, mit denen Menschen systemische Beratung aufsuchen, anzuerkennen und zu würdigen. ȤȤ Jedes System strebt nach Wachstum und Veränderung. ȤȤ Systemisch gesehen gibt es kein richtig und falsch, sondern wirksam/förderlich und unwirksam/beschwerlich. ȤȤ Systemische Betrachtung denkt und handelt nicht im Entwederoder, sondern in den Kategorien von sowohl – als auch, und vermittelt diese Sichtweise den Klientinnen, um sie anzuregen, ihre (Handlungs-)Optionen zu erweitern.

ȤȤ Systemische Intervention geht davon aus, dass Systeme über Möglichkeiten der Autoorganisation verfügen, die von außen beratend lediglich angestoßen werden können. Die bekannte Metapher vom System als einem Mobile verdeutlicht diese wechselwirksamen Zusammenhänge gegenseitiger Bezüglichkeit, in der sich Menschen innerhalb ihrer Bezugssysteme verhalten. tion der einzelnen Systemmitglieder sind geklärt. Der Abstand der

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einzelnen Teile ist festgelegt, und so regulieren Systemmitglieder

Kontext

Jedes Mobileteil hat seinen bestimmten Platz, d. h. Rolle und Funk-

ihre unterschiedlichen Nähen und Distanzen untereinander ebenso wie die (Entwicklungs-)Räume, die den Einzelnen zugestanden werden. Die Grenzen sowohl untereinander als auch nach außen sind bekannt. Wenn sich nun die Situation eines Mitglieds verändert, beispielsweise ein Mobileteil mit einem schweren Gewicht belastet wird, dann gerät das gesamte System in Unruhe, alle Teile sind in Mitleidenschaft gezogen, geraten ins Schwanken. Die Mobilefäden verwickeln sich, und das System wird alles versuchen, diese zu entwirren. Doch vielleicht schafft es dies nicht aus eigener Kraft und benötigt EntWicklungs-Hilfe von außen, wie systemische Beraterinnen, die darin unterstützen, sich aus diesen Verstrickungen zu befreien. Doch Achtung, sobald sich ein engagierter Profi diesem System nähert und couragiert beim belasteten Mobileteil untergreift, gerät wiederum das gesamte System in Unruhe, alle werden von den Interventionen erfasst, alle geraten erneut ins Trudeln. Systemische Beratung berücksichtigt diese dynamischen Zusammenhänge und verfügt über vielfältige methodische Angebote für die Entwicklungsprozesse aller Beteiligten. Und neben allem fachlichen Know-how ist eine wesentliche Wirkung in der Beziehung zur Beraterin begründet. Im wissenschaftli-

chen Projekt »TrauErLeben – Wirkung von Trauerbegleitung im Rahmen der emotionalen und sozialen Bewältigung von tiefgehenden und komplizierten Trauerprozessen« (­www.projekt-trauererleben.de) weist Michael Wissert dies nach. Auffallend ist dabei die große Bedeutung, die trauernde Menschen dem Zuhören als Wirkfaktor beimessen, der Akzeptanz ihrer Trauer, dem Austausch untereinander und dem Blick auf Stärken.

Kontext

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»Wollust ist die Lust zu wollen« Trauer bei lebensverkürzender Erkrankung und am Lebensende (Fallbeispiel 1) Kürzlich fragt Frau F. bei mir wegen einer Beratung für sich und ihre Partnerin an. Sie ist 52 Jahre, arbeitet als Unternehmensberaterin in eigener Firma und lebt seit fünf Jahren in einer festen Partnerschaft mit Frau A. Die beiden hatten sich in einer Klinik während ihrer Rehabilitationsmaßnahmen kennengelernt, Frau A. nach einem Schlaganfall und Frau F. nach Burn-out. Seit drei Jahren ist Frau F. an einem Multiplen Myelom erkrankt. Damals war sie von der Leiter gefallen, hatte sich dabei einen Wirbelbruch zugezogen, und in diesem Zusammenhang wurde überraschend für beide die Erstdiagnose gestellt. Frau F. erlebte dies »wie aus heiterem Himmel«. Nach der Operation war sie eine Zeit lang querschnittsgelähmt, was sich zurückbildete, sodass sie heute wieder gehen kann, wenn auch unsicher, wenig trittsicher und mit diversen Koordinationsproblemen. Trotz schlechter Prognose stabilisierte sich ihre Situation. Regelmäßige medizinische Überprüfungen ohne Befund bestärkten sie in ihrer Hoffnung, »wieder gesund« zu sein.

Im Frühjahr 2016 zeigten entsprechende Blutwerte und gezielte Untersuchungen eine aggressive Neubildung. Frau F. erhielt die Prognose einer Lebenserwartung von einem halben bis einem Dreivierteljahr mit Chance auf eine längere Lebenszeit bei einer komplexen Spezialbehandlung, für die sie sich entschied. Gelegentlich äußert sie zaghafte Hoffnung auf Heilung, doch in der Regel spricht sie davon, dass es ihr nicht darum ginge, sondern um gewonnene Zeit, ihre Liebe zu leben. Mindestens drei weitere welles Erkrankung und dessen Weg. Nach der ersten Chemotherapie konnte Frau F. entlassen werden. In sechs Wochen ist eine erneute Chemotherapie geplant, eventuell ist mit einer dritten Chemotherapie zu rechnen. Zu ihrer psychischen Situation berichtet sie von ihrem Gefühl, »den Boden unter den Füßen zu verlieren«. Sie fühle sich selbst zunehmend fremd und verspüre Widerwillen gegenüber ihrer Hinfälligkeit. Sie pendelt zwischen Hoffnung und Verzweiflung; ihre Liebe zu Frau A. motiviert sie für die belastende Behandlung. Als angestrebtes Wunschziel setzten sich beide eine Wanderung in Südfrankreich. Frau A., 48  Jahre, war bis zu ihrem Schlaganfall »leidenschaftliche Taxi-Fahrerin«. Seitdem ist sie halbseitig gelähmt, kann aber inzwischen wieder sprechen. Sie ist kognitiv orientiert und bewältigt ihren Alltag im Rollstuhl. Sie beschreibt, dass sich ihr »Gehirn umgebaut« habe, was einen hohen Energieaufwand bedeute und ihre geringe Belastbarkeit erkläre. Auch erlebt sie sich in ihrer Persönlichkeit verändert. Frau A. ist frühberentet. Bis sich Frau A. und Frau F. kennenlernten, waren beide Einzelgänge­ rinnen mit einer »gewissen Sehnsucht nach Beziehung«. »Befeuert

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Kontext

Jahre wünscht sie sich. Sie nahm intensiv Anteil an Guido Wester-

durch die Not« verliebten sich die beiden und erleben ihr gemein­ sames Leben bis heute als große Lebensliebe. Peter Rühmkorfs »Wollust ist die Lust zu wollen« (Rühmkorf, 2008, S. 57) sei von Beginn an ihr gemeinsames Motto und Ansporn. Frau F. kaufte damals eine Wohnung, die barrierefrei und großzügig ausgestattet ist und für beide zu einem tief empfundenen Zuhause wurde. Nun aktualisieren sich angesichts der wieder aufbrechenden

Kontext

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Erkrankung von Frau F. für beide sehr persönliche Lebensthemen, für die sie sich professionelle Begleitung wünschen. Frau F. stellt ihre bisher ambivalente Beziehung zu ihrer zwei Jahre älteren Schwester infrage und überlegt, sich von dieser zu trennen, denn »ich brauche meine Kraft allein für mich«. Ihre Behandlung erlebt sie als »gestundete Zeit«, die sie intensiv mit ihrem »großen Glück füllen« möchte. Sie hat in ihrer Firma einen Geschäftsführer eingesetzt, doch seitdem liefe diese auf geringerem Niveau. Damit sei langfristig ihre wirtschaftliche Existenz infrage gestellt. In ihrer sozialen Stellung erlebe sie sich zunehmend unsicher. Zur Unterstützung besonders in Gesundheitsfragen hat sie einen Berufsbetreuer engagiert, dem sie auch Vorsorgevollmacht erteilte und ihn »als Garant, auf mein Leben aufzupassen«, versteht. Als dieser kürzlich das Wort »Krise« aussprach, konnte Frau F. es zwar annehmen, doch plante sie gleichzeitig eine Reise. Frau A. erlebt existenzielle (Zukunfts-)Angst in sowohl psychischer als auch wirtschaftlicher Art. Sie äußert sich unsicher, ob sie den Herausforderungen, die Frau F.s Erkrankung mit sich bringt, gewachsen sein wird, denn bisher sei diese der stabile Part in ihrer Beziehung gewesen. Das führe immer wieder zu Streit, den eigentlich beide für überflüssig erachten und gerne vermeiden möchten. Beide trauern darüber, ihr bisheriges Leben nicht mehr weiterführen zu können, ihre gesellschaftlichen Kontakte kaum mehr

wahrnehmen zu können. Es sei ein »Riesenschmerz«, sich derart verbunden und nah zu sein und doch »voneinander lassen zu müssen«. Als erschreckend erleben beide, dass sie mitunter in aller Verbundenheit sich abweisend fremd erleben, »jede in ihren Gedanken versunken«, und immer wieder stelle sich ihnen die Frage »Warum?«.

1  Uneindeutige Verluste Dieses Praxisbeispiel mag möglicherweise erst einmal nicht als Trauerfall erscheinen, leben doch beide Partnerinnen, keine ist verstorben. Trauer ohne Tod? Die amerikanische Familientherapeutin Pauline Boss hat in diesem Zusammenhang den Begriff des Uneindeutigen Verlusts geprägt (Boss, 2008). Menschen sind körperlich anwesend, doch psychisch oder mental sind sie nicht mehr die alten. Das ist beispielsweise bei Demenz der Fall, wenn der erkrankte Mensch sich mehr und mehr verändert und sich aus dem gemeinsamen Leben zurückzieht, körperlich präsent ist, doch psychisch nicht mehr als Lebenspartner zur Verfügung steht. Die andere Form des uneindeutigen Verlustes liegt umgekehrt vor bei körperlicher Abwesenheit und psychischer Anwesenheit. Diese stellt sich zum Beispiel ein, wenn Angehörige durch ein Flugzeugunglück über dem Pazifik verschollen sind, nie aufgefunden werden und keine Toten zum Begreifen im doppelten Wortsinn vorhanden sind. Hoffend, bangend, verzweifelt lässt sich das Unglaubliche noch weniger erfassen. Hier sind die Betrauerten psychisch sehr präsent, und ihre Hinterbliebenen müssen (sich) den Tod, den sie mit aller Kraft abzuwehren versuchen, selbst herstellen. Womöglich war dies der Grund, der manche Frauen davon abhielt, ihren im Zweiten Weltkrieg vermissten Ehemann für tot erklären zu lassen, auch wenn das bedeutete, auf Witwenrente zu verzichten.

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Die Themen der Beratung von Frau F. und Frau A. kreisen häufig um den jeweiligen persönlichen Verlust ihrer körperlichen Integrität und das, was sich jetzt (noch) an »Woll-Lust« leben lässt: »Ich bin doch mehr als meine Erkrankung – viel mehr gelebtes Leben.« Wir sprechen über bedeutsame Wendepunkte in ihrer jeweiligen Biografie und in der gemeinsamen Geschichte.

Kontext

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2  Wendepunkt, Wendezeit Das Konzept vom Wendepunkt zählt zu den Standards systemischer Beratung. Wendepunkte bezeichnen Übergänge in der Biographie Einzelner (Life Event) in Wechselwirkung mit ihrer Umgebung. Holzschnittartig wird dabei unterschieden zwischen regulären, schicksalhaften und gewählten Wendepunkten. Reguläre Wendepunkte wären z. B. Geburt, Einschulung, Berufsbeginn, Partnerschaft, Krankheit, Ende der Berufstätigkeit oder Tod. Schicksalhafte Wendepunkte sind z. B. Arbeitslosigkeit, Unfall, Behinderung, Verlust von Heimat, Suizid. Als gewählte Wendepunkte bezeichnen wir z. B. Coming-out oder berufliche Neuorientierung. Von den unmittelbar und mittelbar Betroffenen werden Wendepunkte und die damit verbundenen Veränderungszeiten häufig als Krise erlebt, denn das bisher gelebte Lebensgleichgewicht trägt nicht mehr. Erfahrungen von Chaos, Desorientierung und Umwälzung stellen sich ein, bis allmählich eine neue Homöostase gefunden wird. Damit sind Wendezeiten Entwicklungsprozesse des trauernden Abschiednehmens bei gleichzeitigem Hineinwachsen in eine neue Lebensgestaltung. Ihre Bearbeitung ist von biografischen Erfahrungen, kulturellem Hintergrund und sozialem Kontext maßgeblich beeinflusst.

Systemische Fragen an den Wendepunkt helfen den Klientinnen und Klienten, sich zu orientieren: ȤȤ Was ist geschehen? •• Was/wer hat bis heute geholfen/unterstützt/getragen? •• Wer gehört zum aktuellen sozialen Netz? ȤȤ Gab es früher auch schon einen (ähnlichen) Wendepunkt? •• Wie wurde er seinerzeit bewältigt? •• Welche Unterstützung wurde erfahren? •• Welche Chancen können retrospektiv gesehen werden? ȤȤ Welche Unterstützungsangebote werden heute gewünscht? •• Wer könnte um Hilfe gebeten werden? •• Welcher nächste Schritt ist jetzt notwendig? ȤȤ Angenommen, Sie betrachten Ihre aktuelle Situation in »Zukunft« (z. B. in fünf Jahren): •• Was sehen Sie, wie Sie die jetzige Situation bewältigt haben? •• Was/wer war für Ihre Bewältigung förderlich/hinderlich? •• Was/welche Fähigkeiten werden Sie gelernt/entwickelt haben? •• Welchen Gewinn könnten Sie dann entdecken? Trauern setzt bereits dann ein, wenn Lebensentwürfe verloren gehen, bisher tragende Pläne sich nicht mehr verwirklichen lassen und unwiderbringliche Veränderungen ins Leben eindringen. Die Diagnose einer lebensverkürzenden Erkrankung mit einem unheilbaren Verlauf ist ein existenzieller Verlust für den erkrankten Menschen und die mit ihm verbundenen Bezugspersonen. Deren Leben wird nie wieder wie vorher sein. Das ruft bei allen individuelle Trauerprozesse hervor, denn Trauer ist unsere angeborene Fähigkeit, Verluste zu überstehen und uns den veränderten Gegebenheiten entsprechend neu zu orientieren, um unser Leben langfristig an diesen neuen Bedingungen auszurichten. Gezwungen Abschied zu nehmen

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Kontext

•• Was wurde ergänzend gewünscht/erwartet?

heißt im buchstäblichen Sinn, sich scheiden zu müssen vom Verlorengehenden und gleichzeitig die wertvollen Erinnerungen mit ihren prägenden Erfahrungen ins weitere Leben mitzunehmen. Ob uneindeutiger oder eindeutig realer Verlust: Sobald uns etwas fürs persönliche Leben Bedeutsames verloren geht oder dieser bevorstehende Verlust als unverrückbare Realität wahrgenommen wird, müssen Systeme die Karten neu mischen. Rollen und Funktionen der einzelnen Mitglieder verändern sich, Nähe und Distanzen unter-

Kontext

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einander sind neu auszuloten, persönliche Grenzen und Räume neu abzustecken. Kräfte und Ressourcen aller sind anders einzubringen. Die Kommunikation innerhalb des Familiensystems und nach außen verändert sich. Wie sprechen wir miteinander? Welche Namen und Begriffe geben wir all diesen neuen Erfahrungen? Welche Empfindungen kann ich wem mitteilen? Was behalte ich für mich? Worauf können wir uns als Paar bzw. Familie einigen, es unserer Umgebung mitzuteilen? Was bleibt innerhalb unseres Systems? Vor vielen Jahren begleitete ich Frau W., deren Mann lebensverkürzend erkrankt war und dem es sehr wichtig war, so lange als irgend möglich, weiter Normalität zu leben. Er verbot seiner Frau und den beiden erwachsenen Töchtern mit jemandem außerhalb des engsten Familienkreises über die Erkrankung zu sprechen. Seine Angehörigen wollten ihm diesen Wunsch erfüllen. Doch für seine Frau wurde diese Zusage zunehmend zum Problem. Den starken Anforderungen als Lehrerin fühlte sie sich durch ihre privaten Belastungen kaum noch gewachsen, denn niemand konnte auf sie und ihre Situation Rücksicht nehmen, da niemand davon wissen durfte. Vielmehr forderten Kolleginnen und Kollegen Nachsicht oder baten Frau W. um Unterstützung. Zunehmend fühlte sie sich überfordert, ließ sich krankschreiben und nutzte den geschützten Raum meiner Praxis, um mit mir über all die Erfahrungen, Gedanken, Gefühle, Hoffnungen und Verzweiflungen zu sprechen, die sie im erlebten

Ausmaß nicht mit ihrem Mann oder ihren Töchtern teilen wollte. Bis nach dem Tod ihres Mannes nutzte Frau W. unsere Gespräche, um die Tiefen eigenen Erlebens vom familiären Miteinander ein Stück weit zu trennen: »Das ist meine Sache, damit belaste ich nicht meine Lieben. Es ist für alle schwer genug. Die Momente unbelasteten Miteinanders brauche ich dringend für mein Weiterleben.« Trauer ist ein komplexes Geschehen. Etwas Wesentliches geht verTrauerprozesse auf all diesen Ebenen des Menschseins heraus, auf

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denen es sich nun zu lösen gilt. Das zeigt sich in vielfältigen körper-

Kontext

loren, mit dem sich der ganze Mensch verbunden hat. Und so fordern

lichen Symptomen, tiefen Emotionen, spirituellen Auseinandersetzungen und sozialen Veränderungen. In der Beratung von Frau F. und Frau A. sprachen diese häufig Sinnfragen an: Warum wir? Wozu? Welche Perspektiven haben wir hier? Tragen sie über dieses Leben hinaus? Was hilft unser Wollen und Wünschen? Auf der spirituellen Ebene stellen sich neben Jenseitsfragen viele andere Suchbewegungen nach Erklärungen. Warum gerade jetzt? Warum auf diese Art? Wie kann der Gott, dem ich bisher die Treue hielt, dies zulassen? Wer trägt Schuld? Welchen Sinn ergibt dieser Verlust? (Wie) kann ich weiterleben? Was hält mich im Leben? Was vermag mich durch dieses Leid zu tragen? Diese Fragen mögen mitunter über den üblichen Beratungsrahmen hinausgehen, doch sie gehören zur trauernden Auseinandersetzung, denn sie drehen sich um das persönliche Eingebundensein in größere (Beziehungs-)Zusammenhänge über menschliche Beziehungen hinaus. Wenn das persönliche Sinnkonzept zerbrochen ist, wer hält dann eine schützende Hand über uns? Wenn der Sinn abhandenkommt, ist eine tiefe Neuorientierung erforderlich. Das Leben aushalten ohne Sinn ist schwierig. Menschen

suchen dann Trost, und wenn der Sinn vorerst darin gesehen wird, das Sinnlosigkeitsempfinden auszuhalten. Manchmal liegt der Sinn darin, dass es keinen Sinn zu erkennen gibt, und das verlangt Mut. Wer mit trauernden Menschen arbeitet, hat Sinnfragen stand­ zuhalten, denn sie nehmen in der Auseinandersetzung mit dem Verlust einen großen Raum ein und konfrontieren mit der eigenen Sterblichkeit. In der Trauer erkennen Menschen, dass das Bezienicht weiter wachsen kann. Dass sie derart auf sich zurückgeworfen

Kontext

hungsselbst (Kast, 1999), das sie mit dem Verlorenen gebildet haben, 24

sind, lässt Menschen einen darin verborgenen Sinn infrage stellen. Menschen, die Traumata oder heftige Krisen erlebt haben, sagen nicht selten rückblickend von sich selbst, dass sie sich dadurch entwickelt haben (posttraumatic growth). Sie sind am Schicksalsschlag, der sie existenziell erschütterte, gewachsen. Vermutlich kann man daran nicht nicht-reifen. Beispielsweise bemerken Menschen, dass sie sich seitdem intensiver freuen. Die schwere Erfahrung und das Wissen, damit umgegangen zu sein, vermittelt Gefühle der Dankbarkeit und führt zu einer neuen Form der Beziehung zu sich selbst. Sie erleben sich als belastungsfähiger, können besser zu sich stehen und bezeichnen sich oftmals als spiritueller als vor dem Verlust. All dieser Gewinn kann neben der Trauer stehen, neben Wehmut und Sehnsucht. Das heißt jedoch keinesfalls, dass es zu empfehlen ist, trauernden Menschen vorschnell Entwicklungsperspektiven in Aussicht zu stellen, irgendwann würden sie erkennen können, dass all dies Leid für irgendetwas gut gewesen ist. Im Gegenteil ist es unsere Aufgabe, empfundene Trostlosigkeit, Klagen und Hadern, Leiden und Ringen um Halt mitfühlend zu begleiten und nicht in die persönlichen Trauerprozesse einzugreifen. Mitgefühl umfasst zusätzlich zur empathischen Einfühlung den Wunsch, hilfreich zu handeln und Hilfreiches zu bewirken. Können Beraterinnen oder Berater sich in dieser Art

fürsorglich verhalten, ermöglichen sie es vielleicht den trauernden Menschen mitfühlender mit sich selbst zu werden. Sie betonen dann implizit Respekt vor den Leidenden und vermitteln deren Würde. Hoffnungslosigkeit gehört zu jedem Leben wenn es so nicht mehr weitergeht. Das ist eine Phase und kein Dauerzustand wie bei Suizidalität, Depression oder Lebensverzweiflung. Hoffnung ist ein Element jeder therapeutischen Begegnung, und allem mit sich selbst, um langfristig »das Leben zu bejahen bis in

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seine Leiden hinein« (Camus, 2013). Beratung heißt dann, auf dem

Kontext

die erlebte Hoffnungslosigkeit der Begleiteten braucht Mitgefühl, vor

Verlust-Ohr zu hören und gleichermaßen unseren Entwicklungsblick und unser Hoffnungsohr für unsere Klientinnen offen zu halten. Verena Kast weist in diesem Zusammenhang auf die hilfreiche Bedeutung der Freude hin. Sich an Freudiges zu erinnern, hilft beim Trauern (Kast, 1997) und nimmt inzwischen in der Trauerbegleitung entsprechenden Raum ein. Im aufmerksamen Zuhören bei freud­ vollen Erlebnissen und interessierten Nachfragen durch die Beraterin werden die positiven Wirkungen emotional verstärkt. Nicht die sachliche Information wirkt dabei, sondern die lebendig-gefühlte Erzählung, denn der Verlust muss emotional bearbeitet werden. Freude birgt Hoffnung in sich und unterstützt den Willen, am Leben zu sein bzw. sich das Leben im wahrsten Sinn des Wortes (wieder) zu nehmen, es zu ergreifen und sich zu entscheiden, weiterzuleben.

3  Trauer und Konflikt Für die systemische Beratung trauernder Familien sind die Untersuchungsergebnisse von Hans Goldbrunner interessant (Goldbrunner, 2006). In seinem »Dialektischen Trauerverständnis« geht er davon aus, dass existenzielle Verluste Menschen aus ihrem bis-

herigen persönlichen und sozialen Gleichgewicht bringen und damit per se konflikthaft sind. In diesem Verständnis ist Trauer als ein Bewältigungsversuch anzusehen, um zu einer neuen und der neuen Lebenssituation angemessenen Balance zu finden. Intrapsychisch und zwischenmenschlich spielen sich komplexe dynamische Pendel­bewegungen ab, ein Hin- und Herschwingen zwischen vorerst unvereinbaren Gegensätzen. Als dialektischer Prozess finden diese Ausschläge so lange statt, bis auf neuen Ebenen die jeweiligen

Kontext

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Pole zu einer tragenden Homöostase ausgependelt sind. »Konflikte sind nicht Zeichen pathologischer[,] sondern Bestandteil gesunder Trauer« (Goldbrunner, 2006, S. 24). Die konflikthafte Auseinandersetzung ordnet er sechs Erfahrungsfeldern zu: Ablösung (vom Verlorenen) versus Bindung (als innere Repräsentanten), Emotion versus Kognition (Gedanken und Gefühle fallen auseinander, passen nicht mehr zueinander), Passivität (nach außen) versus Aktivität (innere dynamische Auseinandersetzung), Privatheit (individuelle Trauer) versus Öffentlichkeit (mit ausgesprochenen oder vermeintlichen Erwartungen an den trauernden Menschen), Statik (langsamer innerer Prozess) versus Dynamik (umfangreiche Veränderungen), Ohnmacht (dem Schicksal gegenüber) versus Grandiosität (diese Situation durchstehen zu können). Konfliktsituationen, die Frau F. und Frau A. beschreiben, entzünden sich oftmals an Kleinigkeiten, die beide zwar als Banalitäten ansehen. Andererseits finden sie sich wiederholt in mitunter heftigen Streitsituationen wieder. Sie erleben sich als kleinlich und gleichermaßen verbissen, ihre Positionen zu vertreten. Was wird aus uns?, fragen sie sich beunruhigt, zertrümmern wir am Ende das Beste, das wir haben? Goldbrunner fokussiert weniger den Trauerprozess als vielmehr die emotionalen und sozialen Widersprüche, die Menschen in Ver-

lustsituationen erleben. Damit ergänzt er die gängigen Trauermodelle um die interessante Perspektive, Trauer aus ihrer Sonderstellung zu befreien, mit alltäglichen Lebensvollzügen zu verknüpfen und normale Bewältigungsformen wieder stärker ins Bewusstsein zu heben. Indem er die gegensätzlichen Empfindungen in ihrem dialektischen Spannungsverhältnis durchdekliniert, fügt er die Breite menschlicher Erschütterungserfahrungen in einen ganzheitlichen in diesem Konzept, die jeweils erlebte Spannungsdynamik auszu-

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balancieren und Konflikte als unabdingbare Bestandteile der Trauer

Kontext

Gesamtzusammenhang. Eine zentrale Entwicklungsaufgabe heißt

durchzustehen. Die Sichtweise, dass beide aktuell aus ihrer eigenen und der gemeinsamen Bahn geworfen sind, bestätigen Frau A. und Frau F. und ebenso, dass dies wohl alle Menschen in eine Dysbalance bringt. Aus dem Gleichgewicht geraten sind wir innerlich mit uns uneins und spannungsvoll. Das entlädt sich schnell auch im Zwischenmenschlichen, und besonders miteinander verbundene Menschen leiden dann an sich und der/dem Anderen. Damit wollen es Frau A. und Frau F. beherzt aufnehmen, um sich den verbleibenden Perspektiven zuzuwenden und dem bereits im ersten Treffen geäußerten Gedanken, mehr als die Krankheit zu sein, nachzugehen. Beide tauschen sich nun vermehrt miteinander über ihr bisheriges Leben aus, lassen Kindheitserinnerungen aufleben, durchleben nochmals besondere Situationen ihrer Jugendzeit, persönliche Höhepunkte des Lebens, Erfahrungen von Scheitern und früherem Leid. Erzählend verbinden sie sich mit ihrem Leben, das so viel mehr als ihre Krankheiten umfasst. In der Beratung rege ich an, dass sie ihre Freudenbiografie (Kast, 1997) erstellen, indem sie Erzählungen zusammentragen, Fotos, Erinne­rungsstücke, bedeutsame Musikstücke und Literatur.

4 Wiederanbindung In der Erinnerung können wir uns an freudvolle Begebenheiten anbinden, diese noch einmal erleben und uns gefühlsmäßig selber »anstecken«. Diese Kraftquellen tragen wir in uns als bedeutsames persönliches Potenzial und finden in ihnen eine Fähigkeit, die mit der Trauer geschwisterlich verbunden ist. Eng gehören Trauer und Freude zusammen und lassen sich nicht dauerhaft trennen, sollen

Kontext

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nicht beide Qualitäten gleichermaßen verkümmern. Die folgende Geschichte vom Trauer- und vom Freudenbein mag dies illustrieren: »In einem fernen Land in einer anderen Zeit lebten Menschen wie du und ich in einem kleinen Reich. Ihr Leben dort war neben angenehmen Tagen und freudvollen Zeiten häufig hart und voller Mühsal. Nun war der alte König gestorben und sein Sohn wurde zum neuen Herrscher gekrönt. Wie sein Vater wollte auch er gerecht und weise herrschen und gut für sein Volk sorgen. So kam ihm der Gedanke, am Krönungstag der jubelnden Menge zuzurufen, dass er ein neues Gesetz erlassen habe: ›Ab heute soll es in unserem Land nur noch glückliche Menschen geben! Schweres, Leid und Traurigkeit sind verboten. Ausschließlich Freude soll die Menschen erfüllen!‹ Wie war die Begeisterung groß. Welch ein wunderbares Dekret, welch hoffnungsvolle Perspektive! Alle Anwesenden applaudierten stürmisch und gratulierten sich begeistert zu ihrem neuen Regenten, der einfühlsam ihre Sehnsüchte erkannt hatte und Wunder­ bares verfügte. Diese Menschen hatten wie wir zwei Beine – eines für die Freude, das andere für die Trauer. Und nach diesem neuen Erlass lebten sie nun auf ihrem Freudenbein. Hüpfend gingen sie ihren Verrichtungen nach, hopsten durch

die Straßen und hatten großen Spaß. Lustig war es, dem Nachbarn plötzlich auf ganz neue Art zu begegnen, und die Kinder staunten über ihre hampelnden Eltern. So ging es eine ganze Weile munter zu im Lande, bis anstelle des anfänglichen Übermuts erstes Unbe­hagen spürbar wurde. ›So einseitig!‹, raunten sich manche zu. ›Unbequem!‹, gaben andere zu bedenken. Und im Laufe der Zeit wurde es immer anstrengender, sich auf nur einem Bein langsam vorwärts zu bewegen. Das Trauerbein verimmer weniger freuen. So ging es eine ganze Weile. Der junge König beobachtete sorgenvoll das Geschehen und besprach sich schließlich mit seinen Ratgebern. Nach einigen Überlegungen fanden sie eine Lösung, die umgehend bekanntgegeben wurde: ›Ab heute gilt ein neues Gesetz. Es darf auf dem Freuden- und auf dem Trauerbein gleichermaßen gelebt werden! Trauer und Freude, rechts und links gehören wieder zusammen!‹ Erleichtert hörten die Menschen diese kluge Entscheidung ihres Herrschers. Und diesmal jubelten sie ihm noch lauter und begeisterter zu, bevor sie mit federnden Schritten und balancierend in ihre Häuser zurückgingen, froh über ihre wiedergewonnene Bewegungsfreiheit! Seitdem ist große Zufriedenheit in dem kleinen Reich. Bis heute geht die Bevölkerung auf zwei Beinen und alle achten aufmerksam darauf, keines zu vernachlässigen. Und wenn die geneigten Leserinnen und Leser sich vielleicht noch wundern, dann regen wir an, sich jetzt auf die eigenen Beine zu stellen und es selbst auszuprobieren« (Kopp-Breinlinger u. Rechenberg-Winter, 2003, S. 135).

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kümmerte und die Menschen konnten sich an ihrem Freudenleben

Die systemische Beratung

»Und dann war alles schwarz«  Tod eines Familienmitglieds (Fallbeispiel 2) Herr M. meldet sich telefonisch auf Empfehlung seiner Hausärztin und im Einverständnis mit seiner Ehefrau bei mir. Vor sieben Monaten verunglückte bei einem Verkehrsunfall die 17-jährige Tochter R., mittlere von drei Töchtern. Seitdem sei ihr aller Leben völlig aus den Fugen geraten, nichts sei mehr wie es einmal war, und auch

Beratung

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untereinander sei alles anders. Er und seine Frau wüssten nicht mehr weiter, sowohl im Umgang miteinander als auch im Umgang mit den beiden Töchtern (19 und 14 Jahre) funktioniere nichts mehr. Wir vereinbaren ein Erstgespräch mit der gesamten Familie. Zum ersten Treffen erscheinen Herr M. (53), Frau M. (48) und die Töchter G. (19) und W. (14). Die Kontaktaufnahme während des Joinings gelingt schnell, doch die Stimmung erinnert mich stark an die einer Beerdigung. Besonders Frau M. sieht leidend aus und wirkt auf mich leicht vernachlässigt, im Gegensatz zu ihrem Ehemann, der von der Arbeit kommend im modernen Anzug einen sehr gepflegten Eindruck vermittelt. G. und W. erscheinen mir bedrückt, angespannt, abwartend. Beide Töchter rücken, sobald sie Platz genommen habe, ihre Stühle enger aneinander. Herr M. berichtet sachlich-distanziert in knapper Darstellung vom Unfallhergang, währenddessen weint seine Frau, und die Töchter scheinen zu erstarren, beide fixieren den Boden. »Seh’n Sie, so geht es bei uns den ganzen Tag zu«, informiert er mich. Auf Nachfrage bestätigt seine Familie dies. Seit R.s Tod sei ihre Familienwelt schwarz. Ich erkundige mich, wie die einzelnen Familienmitglieder die Zeit seit der Tragödie bis jetzt überstanden haben, was dazu beitrug zu überleben und wer in ihrer Umgebung als hilfreich erlebt

wurde. Einige persönliche und soziale Ressourcen kommen dabei zur Sprache. Dann klären wir, was sich bei allen jeweiligen Veränderungswünschen während der Beratung nicht verändern sollte, was schützens­wert und (für mich) unantastbar ist. Erst dann erfrage ich bei allen ihre Wünsche und Erwartungen an mich. Als einer der gemeinsamen Nenner stellt sich heraus, dass den weiteren Familienbestand machen. Das kommt erstmals zur

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Sprache und alle sind erstaunt über diese Gemeinsamkeit. Hier löst

Beratung

sich alle, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise, Sorge um

sich bereits etwas die angespannte Stimmung. Auf meine Frage, was die Einzelnen bisher versucht haben, um die Familie zusammenzuhalten, berichtet W., dass sie keinesfalls ihre Mutter noch trauriger stimmen wolle und sie vor ihrer eigenen Niedergeschlagenheit schützen möchte. In den Familien ihrer Freundinnen fühle sie sich sicher und dort verbringe sie die meiste Freizeit, und mit denen besuche sie manchmal Memorialseiten von Internet-Foren. G. erklärt ihre täglichen Diskobesuche damit, dass sie dort regelmäßig mit R. gewesen sei und sie dort noch spürt. Auch sei Tanzen eine gute Form, ihre unaussprechliche Wut rauszulassen. Frau M. weiß wenig zu antworten, sie könne eigentlich nur weinen und sei entsetzt darüber, wie unsensibel sich ihre Familie um ihre eigenen Dinge kümmert, statt um R. zu trauern. Herr M. erläutert, dass er als Selbstständiger mehr als ohnehin schon arbeite, damit nicht auch noch die Firma auseinanderfällt, und dass er so versuche die wirtschaftliche Existenz der Familie zu sichern. Ich biete eine Geschichte an, die von einer nomadisierenden Gruppe handelt. Auf dem Weg vom Sommer- zum Winterlager wird sie überfallen und muss schwere Verluste hinnehmen. Was tun die Einzelnen? Keinesfalls hocken sich alle an den Wegrand, um zu klagen. Sie

wären damit noch viel angreifbarer, als sie es in diesem beschädigten Zustand ohnehin bereits sind. Vielmehr werden Einzelne (vermutlich Frauen) es übernehmen, für alle zu klagen und dem existenziellen Schmerz Ausdruck zu verleihen. Die Anführer der Gruppe werden auf ein angemessenes Tempo achten, einige werden scheinbar unbeeindruckt weiterhin nach Beeren und Wasserstellen suchen, sich ums Vieh kümmern. Und es wird solche geben, die scheinden Anschluss zu verlieren. Herzlose Bande? Keineswegs, denn in

Beratung

bar herzlos die langsam werdenden Klagenden antreiben, nicht 34

ihrem unterschiedlichen, sich teilweise widersprechenden Verhalten liegt ein tiefe Weisheit und ein wertvoller lebenserhaltender Sinn. Wir können davon ausgehen, dass alle entsetzt sind, verschreckt, schmerzhaft verstört, zornig, verzweifelt und vieles mehr. Doch sie sind Überlebenskünstler, die intuitiv wissen, wie sie die unterschiedlichsten Empfindungen untereinander aufteilen. Die Komplexität des Erlittenen ist von keinem Menschen in Gänze wahrzunehmen, das würde jeden überfordern. Also teilen die miteinander Verbundenen sich die Gefühle und entsprechenden Verhaltensweisen auf. Da sorgen einige für Chancen, dass ihr Leben weitergeht, und gehen tatkräftig ihren Aufgaben nach, während andere Schmerz, Leid und Angst aller beklagen. Erst wenn die Gruppe ihr Winterlager eingerichtet und so weit als möglich gesichert hat, werden die bisher Tapferen ihren Schmerz wahrnehmen, in tradierten Ritualen ausdrücken und sich ihren Gefühlen zuwenden können. Dann werden die ehemals Klagenden ihnen Essen kochen oder sich anderweitig um die anfallende Versorgung der Gruppe kümmern. Diese Gemeinschaft überlebt, weil sie sich die Emotionen und anstehenden Aufgaben teilt, jede und jeder übernimmt so viel, wie momentan persönlich und fürs Gesamte tragbar ist. Fein abgestimmt, unbewusst und im tradierten Wissen darum, nur so zu überleben.

Ich bitte die Familie, sich darüber auszutauschen, wobei unter anderem Frau M. sagt: »Durch mich fließen die Tränen der gesamten Familie.« Diesen Aspekt greife ich auf, indem ich erfrage, wer alles zum Familiensystem gehört, und erstelle auf der Flipchart ein Genogramm über drei Generationen. Die Eltern von Herrn M. leben beide nicht mehr, sein Vater verstarb, als er 16 Jahre war. Als Einzelkind übernahm er daraufhin viel Verantwortung, er habe früh gewusst, liches weil bewährtes Muster Herr M. aktuell zurückgreift. Frau M.

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ist die ältere von zwei Schwestern und berichtet von ihrer engen

Beratung

wie viel von ihm abhängt. Es wird allen deutlich, auf welch verläss-

Beziehung zu ihren Eltern. Deren Erwartungen, dass sich Frau M. nun verstärkt um sie kümmert, kann Frau M. aufgrund ihrer Verzweiflung und körperlicher Kraftlosigkeit nicht nachkommen, wofür sie sich schäme und schuldig fühle. Wir besprechen, wie eine angemessene Unterstützung der Eltern/Großeltern aussehen kann und welche nächsten Klärungsschritte wer übernehmen wird. Als ich die Generation der Kinder zeichne, sind alle erstaunt, dass ich in der mittleren Position ihre Schwester aufführe. »Aber die ist doch tot«, empört sich W. und die anderen reagieren betroffen. Ich erkläre mein Tun damit, dass in meinem Verständnis Bindungen nicht verloren gehen, auch wenn Beziehungen nicht mehr lebbar sind, und dass kein Mensch jemals aus seinem familiären Bezugssystem hinausfallen kann. Das führt zu einem längeren Gespräch der Familie untereinander und zu deutlicher Erleichterung, unter dieser Betrachtung doch immer verbunden zu blieben. G. weist darauf hin, dass so gesehen es doch ganz okay sei, wenn sie Pullover ihrer verstorbenen Schwester trägt, um diese um sich zu spüren. Zum Abschluss dieser ersten Familiensitzung bitte ich Familie M., ihre jeweiligen Erkenntnisperlen zusammenzutragen. Dann beschließen alle, im Anschluss miteinander zu R.s Grab zu gehen und »ihr von dem hier zu erzählen« (W.).

Zu Beginn der zweiten Familiensitzung berichtet die Familie, wie die neuen Sichtweisen der ersten Sitzung – »schon abgefahren« (G.) – ihr Zusammenleben verändert haben. Erstmals war es ihnen möglich, miteinander über ihre Erinnerungen mit R. zu sprechen. Das sei bis dahin tabu gewesen, keiner wollte das Leid der anderen vergrößern. Dieses gemeinsame Bemühen betone ich, und wir sammeln andere Schutzversuche der Einzelnen, was zu Erstaunen und einiger Erheiterung führt. Wir besprechen, auf welche Weise die

Beratung

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Einzelnen analog zu der Nomadengruppe bisher versuchten, ihren Beitrag zum Familienzusammenhalt zu leisten. Das ergibt einen anderen Blick, der von allen auf ihre Art aufgegriffen wurde. Wir sprechen über Veränderungen seit R.s Tod, und es kommt schnell zur Sprache, wie sich die Nähe untereinander gewandelt habe. Zu diesem Thema biete ich der Familie an, dies konkret darzustellen. Parallel bauen alle eine persönliche Klötzchenskulptur, so wie sie ihre Familiensituation hinsichtlich Nähe und Distanz aktuell erleben. Dann stellen sie diese nacheinander vor, erklären, welches Klötzchen wen repräsentiert. Wir arbeiten Übereinstimmungen und Unterschiede heraus, und die Familie spricht miteinander darüber. Anschließend erstellt jeder eine eigene Wunschskulptur, so wie es für sie in einem Jahr sein sollte. Auch darüber tauscht sich die Familie aus und erarbeitet Perspektiven, sowohl individuell als auch fürs familiäre Miteinander. Zu den gemeinsamen Vorhaben gehört, das gemeinsame Abendessen wiederaufzunehmen. Früher selbstverständlicher Teil des Alltags, ist dies seit R.s Tod abgebrochen. Frau M. äußert Sorge, ob sie dazu wohl jeden Tag in der Lage sein würde, und die Familie erstellt einen Plan, wer an den einzelnen Wochentagen die Vorbereitungen übernehmen werde. Herr M. kündigt an, dass er neben Essen auch für Blumen sorgen werde. Als Beobachtungsaufgabe schlage ich vor, bis zum nächsten Mal genau darauf zu achten, was sich für sie täglich

dadurch verändert, sich dies zu notieren und zur nächsten Sitzung mitzubringen. Familie M. kommt noch zu einer dritten und abschließenden Sitzung, denn sie fühlen sich in der Lage, nun »allein zurechtzukommen«, wie Frau M. sagt. Es ist auffallend, wie gepflegt sie aussieht. Ich spreche sie auf diese Änderung an, und sie berichtet, erstmals wieder beim Friseur gewesen zu sein. Es habe für sie einen 37

Tochter, die doch so gerne leben und sich schön machen würde. Auf

Beratung

Riesenschritt bedeutet, sich angesichts des Grässlichen um ihr Äußeres zu kümmern. Ob ich der Meinung sei, das sei Verrat an ihrer meine Frage an die anderen, was sie vermuten, wie R. diese Zweifel ihrer Mutter beantworten würde, sind sich alle vier einig, dass R. für ihre Lieben das Beste wünschen würde, könnten wir sie befragen. Herr M. hat Fotos mitgebracht und bittet, diese miteinander anzusehen. Seine Familie ist zwar erstaunt, doch stimmt sie zu. Ich bitte Herrn M., die Bilder in die Mitte zu legen, und die anderen, sich jeweils ein Foto auszuwählen, das sie spontan besonders anspricht. Nacheinander erzählen sie von ihren Assoziationen dazu. Nachdem sie sich auf ein Porträt von R. einigen konnten, legen sie miteinander aus allen Fotos ein Familienmosaik, das sie abschließend auf einen großen Papierbogen kleben, um es zu Hause an R.s Zimmertür anzubringen. In der Abschlussrunde sage ich, wie beeindruckt ich vom Be­ mühen aller um den Familienzusammenhalt bin, ihre Kraft, sich dem Verlust zu stellen, bewundere und ihren Mut, es mit dem so grundsätzlich anderen Weiterleben aufzunehmen. Circa anderthalb Jahre später erhalte ich eine E-Mail von Herrn M., in der er sich im Namen seiner Familie nochmals für die hilfreiche Beratung bedankt und ein Foto mit allen vier beifügt, Frau M. hält ein Foto von R. gut sichtbar in die Kamera. Er berichtet, dass alle Familienmitglieder auch in ihrem jeweiligen Umfeld sich als gut unterstützt erlebten.

5 Trauer – eine gesunde Antwort auf existenzielle Verluste Was leisten Familie M. und wie sie all die vielen anderen Systeme, die sich existenziellen Verlusten stellen müssen? Dafür hat sich seit Sigmund Freud der Begriff Trauerarbeit eingebürgert, der sich seitdem mit verschiedenen Modellen verbindet: von linearen Phasenmodellen (Bowlby, 1980; Kübler-Ross, 1972; Kast, 1999) über das Modell

Beratung

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der zu bewältigenden Traueraufgaben (Worden, 2011) bis zum Dualen Prozessmodell der Bewältigung von Verlusterfahrungen (Stroebe u. Schut, 2010). Letzteres, abgekürzt DPM, wird als ein anerkanntes Modell aktueller Trauerforschung diesem Buch zugrunde gelegt, lässt es sich doch mit kulturspezifischen Untersuchungen ebenso verbinden wie mit Ergebnissen aus Bindungsforschung, Stress­modellen, Traumaforschung, Genderstudien, soziokulturellen Betrachtungen und nicht zuletzt mit systemischen Ansätzen interpersonaler Bewältigungsprozesse. Ein zentraler Baustein dieses weitreichenden Erklärungsmodells besteht darin, dass die aktive Auseinandersetzung mit existenziell bedeutsamen Verlusten zwischen zwei einander ausschließenden Richtungen in abwechselnden Pendelbewegungen erfolgt. Ausgehend von zwei Kategorien, die bei Trauernden Stress auslösen können, wird angenommen, dass diese von Anfang an um Aufmerksamkeit der Betroffenen konkurrieren. Doch gleichzeitig lassen sie sich nicht bewältigen, der Mensch kann sich nur einer Kategorie zuwenden und muss in dieser Zeit die Konfrontation mit der anderen vermeiden. Verlustbezogene Stressoren haben bzw. verlustorientiertes Bearbeiten haben unmittelbar mit dem Verlust und der Bindung zum Verlorenen zu tun. Beide beinhalten, dass sich der Trauernde mit Erinnerungen, Emotionen, Sehnsüchten, Gedanken, Erlebnissen, Empfindungen auseinanderzusetzen hat.

Wiederherstellungsbezogene Stressoren (bzw. wiederherstellungsorientiertes Bewältigen) rücken die veränderten Lebensumstände in den Vordergrund. Was ist als Nächstes zu tun? Wie geht es weiter? Es geht um die Organisation des alltäglichen Lebens oder die Regelung finanzieller Veränderungen. Sowohl der Verlust als auch neue Situationen können stark belastend sein, Angst auslösen oder sich als unüberwindbar darstellen. Für 39

bringliche Verluste fordern dazu heraus, diese als nicht änderbar

Beratung

beide Belastungsarten setzen Menschen sowohl emotionsfokussierte als auch problemorientierte Bewältigungsstrategien ein. Unwiederanzuerkennen. Dabei helfen emotionsorientierte Strategien, Gefühle auszuhalten, zu regulieren und zu dosieren. Problemorientiertes Verhalten ermöglicht es dagegen, pragmatisch anstehende Herausforderungen wie Haushalt oder Nachlassfragen zu regeln. Immer eine Seite zurzeit, denn die beiden Gesichtshälften des Janus schauen in entgegengesetzte Richtungen. Wie können wir uns dies vorstellen? Stroebe und Schut (2015) gehen von einem pendelnden Mechanismus aus, einem beständigen Oszillieren zwischen den Stressoren des Neugestaltens und der Verlustbewältigung. Vom ersten Moment an setzt diese Dynamik ein zwischen Zeiten, in denen der Verlust im Vordergrund steht, und Zeiten, in denen es dann wieder um Alltagsfragen geht, um den vielschichtigen Anforderungen, die der Verlust mit sich bringt, begegnen zu können. Die von Müller und Willmann (2016, S. 51) aus Angaben von Stroebe und Schut (2007, S. 396) erstellte Abbildung skizziert diesen doppelten Prozess und zeigt auf, wie verlustbetonte und anpassungsorientierte Strategien ineinandergreifen (Abbildung 1). Bei einer derartigen Betrachtung gewinnen Phänomene wie Vermeidung und Verdrängung eine neuen Bedeutung und werden zu erforderlichen Auszeiten und notweniger Priorisierung, die Res-

Alltagserfahrungen

Wiederherstellungsorientiert

Verlustorientiert

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Trauerarbeit Wellen von Schmerz Transformieren der Bindung zum Verstorbenen Veränderungen im Leben vermeiden, verdrängen

Sich den Veränderungen im Leben stellen Neue Dinge unter­nehmen Ablenkung von der Trauer, Leugnung, Vermeidung des Schmerzes Neue Rollen, neue Identitäten, neue Beziehungen aufnehmen

Oszillieren

Abbildung 1: Schema des Dualen Prozessmodells – DPM (Müller u. Willmann, 2016, S. 51)

pekt verdienen. In Bankverhandlungen ist es hilfreich, emotionsbezogene Verhaltensweisen in den Hintergrund zu stellen und sich auf die anstehenden Fragen problem- und lösungsorientiert zu konzentrieren. Abgesehen vom aktuell Geforderten ist es für Trauernde wichtig, sich Erholungspausen zu gönnen, ist Trauern doch psychisch-physische Schwerstarbeit. Gelingt es dabei weitgehend, beide Seiten immer wieder auszubalancieren, wird es langfristig gelingen, den Verlust als Realität zu akzeptieren. Sich allmählich auf die veränderte Welt als neue Lebenswirklichkeit einzustellen, ermöglicht, in eine Welt ohne den verstorbenen Menschen hineinzuwachsen und die damit verbundenen Anforderungen zu meistern. Den Trauerschmerz wieder und wieder zu bearbeiten, ist nur auszuhalten, wenn zeitweise bewusst

davon Abstand genommen wird. Allmählich wird es mehr und mehr möglich, eine dauerhafte Verbindung zur verstorbenen Person inmitten des Aufbruchs in ein neues Leben zu gestalten, in veränderte Rollen hineinzuwachsen und neue Beziehungen einzugehen. »Trauer ist wie das Meer bei Windstärke 9, und dann plötzlich ist Flaute«, beschreibt eine Klientin die wechselnden Intensitäten ihres kommen und ziehen zu lassen und die innere Verfassung in gewis-

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ser Weise mit dem aktuellen Kontext abzustimmen, dann sind Trau-

Beratung

Erlebens. Wenn es gelingt, Schmerz in Wellen zu erleben, Gefühle

ernde auf einem guten Weg. Und gut heißt hier lediglich normal und keineswegs schön. Dass es durchaus als extrem anstrengend, völlig ungewohnt und überfordernd erlebt wird, liegt in der Natur der Sache (Müller u. Willmann, 2016, S. 52 f.). Auf dem Hintergrund dieses Erklärungsmodells lassen sich interpersonale Bewältigungsprozesse beschreiben. So können wir die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Familie M. deuten: Frau M. agiert vor allem verlustbezogen, während Herr M. den wiederherstellungsorientierten Part übernimmt. Das entspricht den Ergebnissen geschlechterspezifischer Untersuchungen, nach denen in Deutschland eher Frauen Hilfe von Trauerangeboten in Anspruch nehmen, bei denen sie sich über ihre Erlebnisse und Gefühle austauschen können. Männer sind mehr auf der Suche nach praktischen Hilfen für konkrete Probleme (Müller u. Willmann, 2016, S. 58). Das DPM hat sich auch in der Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund bewährt, da es unbewertet die unterschiedlichen Reaktionsweisen nebeneinander stellt und damit unterschiedliche kulturelle Verhaltensregeln wertschätzend berücksichtigt, ohne den einen richtigen Weg zu suchen. Auch zeitbezogene Veränderungen lassen sich mit den oszillierenden Pendeleffekten erklären. Die einzelnen Familienmitglieder

verhalten sich situationsbezogen und kontextabhängig sowohl emotions- als auch anpassungsbezogen – und dies wechselwirksam im zwischenmenschlichen Zusammenspiel. Bei Familie M. zeigt sich dies deutlich in ihrer dynamischen Bezogenheit aufeinander und ihrer jeweiligen kognitiven (Neu-)Bewertung. Mit diesem Modell beantworte ich auch gerne Fragen wie »Bin ich jetzt verrückt? So kenne ich mich gar nicht. Was ist nur mit mir los?«. Kein Trauerprozess gleicht dem anderen, und auch wenn

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Menschen bereits viele Verluste zu durchleiden hatten, der aktuelle fühlt sich wieder völlig anders an, so wie jede Beziehung mit einzigartigen Erfahrungen gelebt wird. So erklärt sich, dass Trauernde über ihre Gedanken, Empfindungen, Impulse erschrecken, sich neu wahrnehmen und erleben, dass sie sich selbst fremd sind. »Was geschieht mit mir?« ist auch eine Suche nach Orientierung, in welcher Seelenlandschaft man sich befindet. Anhand des Dualen Modells lässt sich eine grobe Landkarte skizzieren und hilfreiche Informationen zum normalen, gesunden Trauerprozess lassen sich einflechten. »Wo befinden Sie sich im Moment?«, »Woran erkennen Sie das?« sind ordnende Fragen, die zu einem gewissen distanzierenden Überblick anregen. Stroebe und Schut (2015) berücksichtigen in ihrem überarbeiteten Dualen Prozessmodell inzwischen auch die familiale Ebene. Sie belegen, dass die Dynamiken innerhalb der Familie ebenso wechselwirksam das persönliche Leben der einzelnen Familienmitglieder untereinander beeinflussen wie Reaktionen und Erwartungen des sozialen Umfelds. Hinzu kommen nicht selten familiäre Belastungen wie finanzielle Probleme, rechtliche Fragen und Veränderungen innerhalb der familiären Beziehung, die bewältigt werden müssen.

6  Genogramm, Systemskulptur, Ressourcenarbeit Eine erprobte Betrachtung dieses Zusammenspiels ermöglicht das Genogramm (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 228 ff.), das ich gerne in einer der ersten Sitzungen auf der Flipchart erstelle. »So habe ich das noch gar nicht gesehen!«, höre ich oft, wenn sich die einzelnen Familienmitglieder in ihr Bezugssystem generations­ 43

damals damit umgegangen wurde. Eventuell kennen die Anwesen-

Beratung

übergreifend eingeordnet betrachten. Familiäre Erfahrungen mit Verlusten verschiedener Art kommen zur Sprache, außerdem, wie den diese Situationen nur aus Erzählungen, doch auch diese sind als Narrativ wirksam und vielleicht hilfreiche Impulsgeber für die aktuelle Situation. Frau M. benannte, keine Kraft für ihre Mutter zu haben, doch im Gespräch zeigte sich bald, dass es noch andere Familienmitglieder gibt, die darauf angesprochen werden könnten. Familie M. wurde anhand der Genogrammarbeit auch deutlich, dass ihre Tochter und Schwester R. immer zu ihnen gehören wird, dass zumindest diese Ordnung verlässlich bestehen bleibt, auch wenn die Lebenswelt aller Familienmitglieder aus den Fugen geraten ist. Bei längeren Beratungsprozessen lassen sich ergänzende Informationen einfügen, Eigenschaften der einzelnen Personen, Kennzeichnung der jeweiligen Familienatmosphäre, Streitfragen, Geheimnisse, Tabus (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 229). So entsteht ein (historisches) Familienbild, das sich auch über die Beratung hinaus weiter ausweiten lässt. Im Zentrum der zweiten Sitzung von Familie M. stand die Skulpturarbeit, eine symbolisch-handlungsorientierte Intervention mit dem Ziel, die familären Beziehungen räumlich angeordnet zu verstehen (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 280 ff.). Damit die Familie ihr Nähe-Distanz-Gefüge mit einem gewissen Abstand betrachtet, verzichtete ich auf die Skulpturarbeit mit ihnen als Menschen, und

auch die Darstellung mit Stühlen schien mir zu intensiv, sodass ich auf Klötzchen als symbolische Stellvertreter zurückgriff, diese auf dem Boden von den Einzelnen parallel aufstellen ließ und so die Möglichkeit anbot, von oben auf die eigenen Skulpturen und die der anderen zu schauen. Aufstehen und Darum-herum-Gehen schuf zusätzliche Perspektiven. Die Klötzchenskulptur wurde von meinen Lehrern Gisal und Werner Wnuk-Gette entwickelt (Rechenberg44

ganzheitlichen Zugang zu Aspekten des komplexen Familiensystems.

Beratung

Winter u. Fischinger, 2010, S. 136 und CD, Nr. 15) und bietet einen Als einen Vorteil schätze ich, dass beim Erstellen der Skulptur nicht gesprochen wird und alle über die gleiche Darstellungsform verfügen, unabhängig von ihrer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und ihrer sonstig eingespielten Kommunikation. Bedeutsame Themen, unterschiedliches Erleben und Übereinstimmungen lassen sich in der Auswertung schnell erkennen und in ihrer gegenseitig bedingten Bezogenheit erfassen. Auch bei dieser Methode bleiben die verstorbenen Mitglieder als relevante Bindungspersonen im System integriert. Es beruhigt viele Klienten, dass sie, auch wenn sie sich wieder ihrem Leben zuwenden, die Toten nicht verlieren, sondern verbunden bleiben und ihre Nähe bzw. Distanz regulieren können. Denn eine solche Nähe wird nicht per se als positiv erlebt. Vielleicht ermöglicht der Tod, sich aus ambivalenten oder hoch belasteten Beziehungen zu entfernen und dem Verstorbenen einen Platz zuzuweisen, der neue und weitere Lebensentwürfe eröffnet. Auch für diese Prozesse bieten die unterschiedlichen Formen der Skulptur­ arbeit vielfältig bewährte Zugänge. In der Beratung mit Familie M. wurde viel gesprochen. Das liegt auch daran, dass ich die Einzelnen als verbal ähnlich stark erlebte und sie mir berichteten, dass sie bereits früher viel miteinander gesprochen hätten, etwa bei den gemeinsamen Mahlzeiten. Daran wollte ich

anknüpfen und die Familie darin unterstützen, tragende und von allen als angenehm empfundene Umgangsformen zu aktivieren. So besprachen wir diverse familiäre Potenziale und erforschten, auf welche persönlichen und sozialen Kräfte, Fähigkeiten und Ressourcen zurückgegriffen werden kann. Welche Erfahrungen früherer Genera­ tionen könnten hilfreiche Ansätze bieten? In existenziellen Verlust­ situationen kommt schnell der Blick auf Kompetenzen abhanden, 45

Sie es bisher geschafft?« Verblüffung auslösen. Etwas bewältigen zu

Beratung

stattdessen gewinnen Ohnmachtsempfinden, Desorientierung und Verwirrung die Oberhand. Da kann bereits die Frage »Wie haben können, und sei es, jeden einzelnen Tag durchzustehen, ist dann ein unerwarteter Gedanke und eine kleine Öffnung aus erlebtem schicksalhaft Gefangensein hinaus. Hier bietet die systemische Kommunikation mit ihren lösungsorientierten Fragen hilfreiche Perspektiverweiterungen (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 55 ff.): »Was trägt?«, »Was/wen erleben Sie aktuell als hilfreich?«, »Von wem fühlen Sie sich unterstützt?«, »Wessen Zuwendung schwächt Sie?«, »Was wünschen Sie sich für die nächsten Tage?« Auch wenn mir in Trauerzusammenhängen der Begriff lösungsorientiert mitunter nur schwer über die Lippen kommt, weil es hier einfache Lösungen nicht gibt, setze ich diese Frageform doch viel und sehr gerne als entwicklungsorientierte Interventionen ein (Rechenberg-Winter u. Fischinger, 2010, S. 110 ff. und CD, Nr. 27). In der Begleitung trauernder Menschen nimmt die Ressourcenarbeit einen großen Stellenwert ein, in stützenden Gesprächen (»Wie können/werden Sie die nächsten Tage gestalten?«), erinnerungsfördernd (»Wofür sind Sie [besonders] dankbar?«) oder zirkulär zukunfts­ bezogen wie bei Familie M. (»Was, stellen Sie sich vor, könnte/würde R. Ihnen wünschen?«).

Wenn die Beratungssituation stockt und ich mich frage: »Was nun?«, dann erinnert mich dieses Was bereits an drei lösungsorientierte Interventionen, denn ich kann nach Wünschen fragen, nach Ausnahmen, in denen die Situation ein wenig leichter ist, und um eine Skalierung bitten: »Wenn Sie sich eine Skala vorstellen, auf der die Zahl Eins das Minimum und die Zahl Zehn das Optimale darstellt, wo befinden Sie sich jetzt in dieser Situation? Woran erkennen Sie dies? Wo möchten Sie sich am Ende unserer Sitzung einordnen?

Beratung

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Was ist dann anders? Was genau und was noch? Was kann ich dazu beitragen? Was werden Sie dazu tun?« Diese und ähnliche Fragen können äußerst wirksam die Gedankenmuster der Klientin unterbrechen, auf gewisse Weise heilsam verwirren und zu neuer, anderer Betrachtung einladen (Rechenberg-Winter u. Fischinger, 2010, CD, Nr. 38). In der systemischen Beratung trauernder Familien liegt ein Schwerpunkt auf der Ressourcenarbeit, es gilt Kräfte zu betonen und Potenziale herauszuarbeiten. Beziehungsprobleme lassen sich in dieser Auseinandersetzung mit dem Verlust kaum bearbeiten, zu sehr ist die aktuelle Trauer heftig im Vordergrund. Dafür bietet sich dann ein späterer Zeitpunkt an, wenn das Leben wieder ausreichend stabil erlebt wird. Mit meinem Systemkommentar zum Abschluss des Beratungsprozesses der Familie M. beabsichtigte ich, Hoffnung und positive Entwicklungserwartungen zu fördern, indem ich einige meiner Beobachtungen der Familie zur Verfügung stellte und dafür mich bzw. meine Einschätzung nutzte (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 214 f.). Doch vorher griff ich ressourcenorientiert die Situation auf, in der Herr M. Fotos auspackte, und entwickelte daraus das Fotomosaik als Intervention.

Kreatives Arbeiten gehört zu meinem bevorzugten Vorgehen, stellt uns das Leben doch permanent in unerwartete Situationen, die es kreativ zu beantworten gilt oder die uns zu phantasievollen Strategien auffordern. Bei Familie M. ging der kreative Impuls von Herrn M. aus, als er Familienfotos zur letzten Sitzung mitbrachte und auf diese Weise seine Familie animierte, sich über ihre unterschiedlichen Erinnerungen auszutauschen. In dieser Sequenz berührte ger wurden und dabei zu einer gewissen Leichtigkeit zurückfand.

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Diese Erfahrung wollte ich die Familie über die Situation hinaus

Beratung

mich, wie jedes Familienmitglied in diesem Miteinander lebendi-

erhalten, indem ich anbot, das entstandene Fotomosaik aufzukleben, mitzunehmen und gemeinsam zu überlegen, wo bei ihnen zu Hause dafür ein guter Platz wäre. Fotos und andere Erinnerungsstücke spielen für Hinterbliebene oft eine große Rolle, sodass es nur zu nahe liegt, dies kreativ und gestaltend in die Beratung einzubeziehen. Farben, Stifte, Papier, Schere, Klebstoff, Knete, Symbolisches und anderes Kreativ­material sollten immer zur Hand sein, um tiefen und unaussprechlichen Eindrücken einen aktiven Ausdruck zu verleihen. Viele Menschen verdichten ihre Verzweiflung als Lyrik, formulieren in Briefen an ihren Toten Offengebliebenes und was noch gesagt werden will. Sie malen Lebenspanoramen oder Trauerwege, gestalten Erinnerungsplätze, komponieren oder wählen andere künstlerische Zugänge. Im systemischen Beratungskontext mit Trauernden sind kreative Zugänge längst bedeutsame Interventionen, die systemische mit kunsttherapeutischen Ansätzen verbinden. Systemische Beraterinnen, Therapeuten, Coaches und Supervisorinnen wissen um die Wirkkraft erlebnisorientierter Methoden und deren nachhaltige Wirkung, besonders dann, wenn Worte fehlen. Auch zeigen aktuelle Forschungsergebnisse, dass diejenigen Bereiche des Gehirns, die für Stimmungen entscheidend sind, eher in Bildern denken (Heimes, 2012).

Kunstorientierte Beratung basiert auf der produktiven Synergie von Sprache und künstlerischem Tun als einem Prozess von der Festschreibung zur Spielraumerweiterung. Sie gründet wesentlich auf der Methode der sogenannten intermodalen Dezentrierung. Damit ist eine Distanzierung vom eigentlichen Problem und vom Anliegen der Klientin gemeint. Das Loslassen des Problems geschieht in der zeitlich begrenzten Hinwendung zu einer anderen, gestalterischkünstlerischen Tätigkeit. Diese führt zu neuartigen Erfahrungen in

Beratung

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Bezug auf das eigene Denken, Handeln, Erleben und im weitesten Sinne kunstvollem Leben. Es besteht die Möglichkeit, von einer gewählten künstlerischen Form (z. B. Arbeiten mit Farbe) im Verlauf der Therapie oder Beratung in eine andere Kunstform (z. B. Arbeit mit poetischen Texten) zu wechseln. Diese Überführung des Werks in einen neuen künstlerischen Modus macht die intermodale Dezentrierung aus (Eberhard u. Knill, 2009). Kennzeichnend für alle künstlerischen Zugänge ist deren Niederschwelligkeit. Die eingesetzten Mittel und Medien sollen einfach in der Anwendung und attraktiv im gestalterischen Potenzial sein – orientiert am Prinzip low skills, high sensitivity. Der Realitätsbezug wird anschließend im Erfahrungsaustausch bzw. in der Auswertung hergestellt (Rechenberg-Winter u. Haußmann, 2015). Die professionelle Haltung der Beraterin ist wie immer in der systemischen Haltung getragen von Begegnungsmut, Nichtwissen, wertschätzender Neugier, kunstanaloger Haltung (Eberhardt u. Knill, 2009, S. 29). Sie basiert auf dem Prinzip der Selbstorganisation, einer Werk- und Prozess-Orientierung und Ressourcenbetonung. So wird Kunst als ein Subkommunikationssystem verstanden (Krieger, 1997), in dem die Aufmerksamkeit auf das Unvorhergesehene und Überraschende gelenkt wird, auf neue Möglichkeiten und hoffnungsvolle Optionen, die aus erlebter Notenge eines Gebietes der Sorge hinausblicken lässt. Dem im Alltag erlebten Mangel an Spielraum wird eine

Befähigungserfahrung entgegengesetzt, die diesen ein Stück weit entgrenzt und entwicklungsförderliche Rekonstruktionen ermöglicht. Ergänzend möchte ich meinem Werkstatteinblick noch zwei bewährte Interventionen hinzufügen, die ich häufig in Beratungen mit Trauersystemen einsetze: Die Arbeit mit dem Lebensfluss und das biografische Schreiben.

7 Lebensflussmodell Das Lebensflussmodell entwickelte der Familientherapeut Peter Nemetschek als analoges Arbeiten zum Entdecken persönlicher Ressourcen, Lösungsoptionen und Ansatzpunkte für mögliche Entwicklungsschritte und Veränderungen (Theuretzbacher u. Nemetschek, 2016). Ein farbiges Seil symbolisiert das persönliche Leben von der Zeugung bis in eine weite Zukunft hinein. Erfahrungen, Wendepunkte, Krisen und ruhige Abschnitte lassen sich in Kurven, Richtungs­ änderungen, Knoten darstellen bis zum sogenannten Jetzt-Punkt, der am Lebensfluss deutlich etwa in der Mitte des Seils markiert ist. Der zukunftsgerichtete Seilabschnitt wird gradegelegt, denn diese Zeit ist noch offen, und er sollte in Richtung Fenster ausgerichtet sein, in eine offene Weite voller unbekannter Möglichkeiten hinein. Dann nimmt der Klient den Jetzt-Standpunkt ein, indem er sich an diesen Platz stellt und von der Beraterin angeregt wird, sich mit der aktuellen Situation zu verbinden: »Welche Bilder entstehen? Wie sieht es dort aus? Welche Jahreszeit? Welche Tageszeit? Welches Wetter? Ist jemand dabei? Was ist körperlich wahrzunehmen? Welche Gefühle treten auf? Welche Gedanken? Gibt es Impulse?« Nachdem der JetztPunkt derart erkundet ist, wird der Klient gebeten, im Zukunfts­

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abschnitt des Seils den Geschafft-Punkt zu bestimmen und zu markieren. Der Ausflug in die Zukunft beginnt: »Angenommen, es wird sich positiv für Sie entwickeln und Sie wären in Ihrem Trauer­prozess ein gutes Stück weitergekommen, hätten Vieles geschafft, was ist dann anders?« Der Klient nimmt jetzt diesen Standpunkt ein, verbindet sich wieder mit seinen auftretenden Bildern und Wahrnehmungen, die Beraterin fragt: »Wie könnten Menschen seiner Umgebung darauf reagieren? Was könnten sie bemerken? Welche ihrer

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Reaktionen darauf sind vorstellbar?« Eventuell kann es perspektivisch sinnvoll sein, noch einen weiteren Zukunftspunkt anzulegen und ähnlich zu erkunden, den sogenannten Schmunzel-Punkt: »Wenn Sie sich vorstellen, dass irgendwann einmal in weiter Zukunft Ihr Leben wieder heller ist und Sie rückblickend Ihren Trauerprozess betrachten, was könnte sich entwickelt haben? Was wünschen Sie sich?« Vom Zukunftspunkt aus wird die Wegstrecke bis zum Jetzt-Punkt betrachtet und imaginiert, welche Schritte dies erforderte, wer unterstützt haben könnte, welche eigenen Fähigkeiten und Kräfte getragen haben, was unterstützend gewesen sein könnte und welche der Lebenserfahrungen vom Lebensbeginn an bis zum Jetzt-Punkt hilfreich genutzt werden konnten. Dann wird der Seilabschnitt vom Zukunftspunkt bis zum Jetzt-Punkt abgeschritten, letzterer wieder eingenommen und von dort aus werden mit Blick auf den Zukunftsabschnitt des Seils nächste, kleine, machbare Schritte besprochen und präzise erarbeitet: »Woran werden Sie die gewünschte Entwicklung erkennen?« Diese Intervention lässt sich sowohl in der Einzelberatung einsetzen als auch mit der Familie. Bei mehreren Personen legen alle parallel im Raum ihren Lebensfluss, nehmen wie beschrieben den Jetzt- und Geschafft-Punkt ein und berichten nacheinander von ihren Erfahrungen. Sie können sich auch zu ihren jeweiligen Lebens-

flüssen einladen, einzelne Abschnitte erläutern und so miteinander die Perspektiven, Ressourcen und Hoffnungen der Familie sammeln (Rechenberg-Winter u. Fischinger, 2010, S. 144 ff.). In Trauerzeiten ist es Menschen mitunter nicht möglich sich vorzustellen, dass es in ihrem Leben weitergehen könnte und schon gar nicht, wie das aussehen könnte. Der Lebensfluss bindet den aktuellen Verlust ins gesamte gelebte Leben ein und verdeutlicht, dass es und dass bisher schon einige krisenhaften Wendepunkte bewältigt

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werden konnten. Der Blick in die Zukunft verbindet sich mit Hoff-

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ein Abschnitt ist, wenn auch ein existenziell entsetzlich schwerer,

nungsaspekten und unserem systemischen Grundverständnis, dass wir Menschen auch schwerste Zeiten überleben und das Potenzial besitzen, an ihnen, wenn auch leidvoll, zu wachsen.

8  Biografisches Schreiben Dieser humanistische Blick liegt auch dem biografischen Schreiben zugrunde (Rechenberg-Winter u. Haußmann, 2015), das einen kreativen Zugang bietet, Leid zu wandeln. Kreatives biografisches Schreiben versteht sich als ein kraftvoll-künstlerischer Ausdruck überraschender Selbstbegegnung. Dadurch dass Erlebnisse nochmals und wieder neu erzählt werden, verändern sie sich in dieser Auseinandersetzung. Schreiben ist langsamer als Sprechen, fordert zu anderen Formulierungen heraus, fördert selbstachtsame Betrachtung, gibt dem sprachlosen Leid eine Form. Das beschriebene Blatt wird zum Gegenüber und damit das Erlebte zu einem Dialogpartner persönlicher Auseinandersetzung. Die Heilkraft von Sprache und Schrift ist bekannt, als magische Formel, Zuspruch, Psalm, Gebet, Prophezeiung, Bekenntnis und Segnung formulieren sie verdichtet vielfältige tragende Menschheitserfah-

rungen. Hierbei geht es vor allem um den kreativen Prozess des sich ausdrückenden Schreibens, einen work of progress, und weniger um ein produktives Ergebnis. Die psychodynamische Wirkung des Schreibens ist in internationalen Studien belegt (Heimes, 2012), und die Verbindung mit systemischer Beratung gelingt leicht, nutzen wir kreative Interventionen doch längst als bedeutsame methodische Zugänge. Biografisches Schreiben lässt sich als ein kreativer Prozess daran 52

der Kreativitätsforschung belegt sind. In der Inspirationsphase wer-

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erkennen, dass es alle Bereiche des Kreativprozesses aufweist, die in den Erfahrungen, Eindrücke, Assoziationen, Gedanken gesammelt. Schon bald entwickeln diese ihr Eigenleben, erweitern oder verdichten sich und werden in dieser Inkubationsphase bebrütet. Vorausgesetzt, die Schreibenden nehmen eine weitgehend unvoreingenommene Haltung ein, neugierig erforschend. Und bitte keine Ansprüche, denn es bedarf der spielerischen Beschäftigung mit den unterschiedlichsten und widersprüchlichen Erfahrungen und den vielfältigen Empfindungen und Gedanken. Alles ist willkommen, findet während des Schreibens seinen Platz und wird weiter verwandelt in der Illuminationsphase beleuchtet, durchdrungen. Allmählich gestaltet sich ein aussagekräftiger Text in der Verifikationsphase. Die Wirkung des kreativen biografischen Schreibens wird im Integrativen Ansatz (Rechenberg-Winter u. Haußmann, 2015, S. 22) mit den drei S zusammengefasst, einem Zusammenklang von Stil (Wortwahl), Spiel (Formulierung, Textgestaltung) und der Selbstbegegnung. Schreiben vermag von innerem Druck zu entlasten, Gefühlserinnerungen anzureichern und von allzu Bedrohlichem zu distanzieren. In der Beratung trauernder Menschen kann Schreiben helfen, den Grenzsituationen des Lebens zu begegnen, sich Ängsten und Ohnmachtserfahrungen zu stellen, Sinnfragen aufzugreifen. Das eigene Erleben findet unbestrittenen Ausdruck in der Zwischenwelt des Papiers. Für Erlebtes, Empfundenes, Gedachtes und alles, was

im Moment bedeutsam erscheint, ist Raum. So lassen sich Denken, Fühlen, Wollen, Befürchten, Sehnen bearbeiten und ein schwankender Lebensbogen kann sich allmählich festigen. Das Leben wird in immer neuen Facetten neu erzählt. Einfache abwandelbare Schreibinterventionen des Von-der-­SeeleSchreibens reichen vom Tagebuchschreiben, dem Brief an den verstorbenen Menschen oder an sich selbst, von beschreibend-bewahrenden Freudenmomenten über lyrische Kleinformate wie Elfchen zen und Erinnerungsstücken illustriert. Elfchen und Haiku bieten in ihrer strengen Form ein wirksames Strukturelement tiefer Emotionen. Das Elfchen besteht aus elf Wörtern in fünf Zeilen, von denen die erste aus einem Wort besteht, die zweite aus zwei Wörtern, die dritte und vierte entsprechend aus drei bzw. vier Wörtern und die letzte Zeile aus einem Wort. Einfach und eindrücklich. Nein nicht du du und ich auseinander geschleudert ins Nichts nein Ein Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die aus drei Zeilen besteht, der ersten mit fünf Silben zu einer Situation, einer zweiten mit sieben Silben zu einer Empfindung und der dritten Zeile mit wiederum fünf Silben mit einer freien Aussage. Wenn – die – An – der – welt Uns – ein’s – Tags – freund – lich – um – fängt Wä – re – das – ein – Trost?

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und Haiku bis zu autobiografischen Texten, vielleicht mit Fotos, Skiz-

In der Familienberatung ist die Interaktion der Familienmitglieder untereinander bedeutsam, ein Schwerpunkt liegt auf der zwischenmenschlichen Interaktion untereinander und in Bezug auf die soziale Umwelt. Die Formen ihres Zusammenlebens sind gleichermaßen fürs Entstehen und Überwinden psychischer Symptome maßgebend. Deshalb bezieht Familienberatung so weit als möglich die Familienmitglieder ein, die real anwesenden ebenso wie die zirkulär eingebundenen Abwesenden.

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Schreiben nun die Anwesenden erst einmal für sich nach Anweisung einen Text und lesen ihn einander anschließend laut vor, eröffnen sich völlig neue Begegnungsfelder mit sich und untereinander. Eine persönliche Erzählung zu Einem Familienereignis, das ich gerne erinnere, bringt vielfältige Kräfte und Ressourcen ans Licht. Ein identitätsstärkendes ABeCeDarium der Familie bietet eine strukturierte Gedichtform, deren Zeilen den Buchstaben des Alphabets folgen. Jeder Buchstabe am Zeilenbeginn ist Anfangsbuchstabe eines Wortes oder eines Satzes dieser Zeile: Als ich dich verlor Büßte ich das Eigentliche ein Cancelte das meine Welt Demolierte mein Ich Engel wandten sich ab … Dies sind Einladungen für Erinnerungen, Assoziationen, Wünsche. Sollten sich Einfallsbarrieren einstellen, wird bei einem anderen Buchstaben weitergeschrieben und später ergänzt (RechenbergWinter u. Randow-Ruddies, 2017, S. 181). Oftmals biete ich an, eine Klage zu schreiben, denn »[a]lles hat seine Zeit […] töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen

hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit; weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit« (Prediger Salomo/Buch Kohelet 3, 1–8, in Luther-Übersetzung). »Die Klage ist eine ganzheitliche Ausdrucksform, die Sprache mit Melodie und Rhythmus verbindet. Sie ist aus anthropologischer Sicht eine archaische Form der Sprache, die ursprünglich singend war […]. Klagegesänge schützen uns, denn während wir klagen, können wir nicht regredieren. Der Rhythmus ist eine Stütze, um unsere emotionale zufallen« (Canacakis, 2013, S. 26). Die Klage bietet mit der klassisch-griechischen Achtsilbigkeit der Zeilen eine haltgebende Struktur für vertieftes Erleben, Leidensschrei und leidenschaftliche Anklage. Wenn Familienmitglieder ihre Klage(lieder) vortragen, bitte ich sie, dies im Stehen zu tun, um ihren Worten aufrichtigen Nachdruck zu verleihen und gegenseitig ihr empfundenes Leid zu würdigen. Dies ist eine sehr intensive Intervention, denn Jammern und Klagen ist nicht sehr populär, sondern werden eher als unangenehmes Verhalten abgelehnt. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Klage eine kulturübergreifend bedeutsame Ausdrucksform ist, auf die wir in existenziellen Krisen nicht verzichten sollten. Im Beratungskontext lässt sich ein geschützter Raum für unterdrückte Schmerzen anbieten, der deren Ausdruck als heilsame Begegnung mit sich selbst und den anderen Familienmitgliedern legitimiert. Aus dem verbreiteten Appell »Großer Indianer kennt keinen Schmerz« wird »Großer Indianer kennt seinen Schmerz«.

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Rührung auszudrücken, ohne in kleinkindhaftes Jammern zurück-

»Die Kindheit weggerissen« Geschwistertrauer (Fallbeispiel 3) Frau B. fragt auf Empfehlung der Hausärztin wegen einer Therapie für ihre neunjährige Tochter G. an, die sich seit einem halben Jahr mehr und mehr zurückziehe. Damals sei ihr jüngerer Bruder C. dreijährig an einer angeborenen neurologischen Erkrankung mit schwerwiegenden Behinderungen verstorben. Ich bitte die gesamte Fami-

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lie zu einem ersten Beratungsgespräch und erkläre, dass ich nicht mit Kindern allein arbeite und in der Situation dieser Familie davon ausgehe, dass der Tod von C. für alle einen entsetzlichen Verlust bedeutet, der sie als gesamte Familie miteinander herausfordert. Die Tochter zu diesem Zeitpunkt einzeln kennenzulernen, würde sie aus ihrem ohnehin tief verletzten Bezugssystem exklusiv herausnehmen. Es sei gleich vorangestellt, dass es bei diesem einen Beratungsgespräch mit einem vereinbarten Follow-up-Telefontermin nach vier Monaten blieb. In dieser Sitzung erstellte ich, während die Familie von sich berichtete, ein Genogramm, und wir kennzeichneten ausführlich die Geschwisterebene, die G. als »mal so und mal so«, also ambivalent bezeichnete. Die Krankheit lebte als einflussreiches Familienmitglied seit C.s Geburt mit im Haus und erforderte große Rücksichtnahmen von G., die bis zu ihrem sechsten Lebensjahr als Einzelkind gelebt hatte. Es wurde deutlich, wie viel Aufmerksamkeit C. täglich benötigte, dass dazu wiederholte Krankenhausaufenthalte notwendig waren, aufwendige Behandlungen zu bewerkstelligen waren und zunehmend mehr Hilfsdienste in die Familie kamen. Dies ließ ich mir anhand einer Netzwerkkarte (Herwig-Lempp, 2009) beschreiben. Hierfür wird eine Flipchart in vier gleich große Rechtecke eingeteilt, die als Bereiche für Familie, Freunde, Arbeitsfeld bzw. Schule gekennzeichnet sind. Das vierte Feld repräsentiert die professionellen Unterstützungssysteme und Behandelnde. In der

Mitte wird ein kleines Feld angelegt, in das die Familienmitglieder ihre Namen in einer von ihnen ausgesuchten Farbe schreiben. Von diesem Ausgangspunkt aus schreiben sie die Namen der fürs jeweilige Feld bedeutsamen Personen entsprechend der spontan empfun­ denen Nähe/Distanz hinein. So wird deutlich, wie Familie B. ihre Verbindungen und Grenzen nach innen und außen erlebt (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 141 ff.), wer aktuell als bedeutsam Familie wird deutlich, wie angefüllt ihr professionelles Feld besonders

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während des letzten Lebensjahrs von C. belebt war und wie leer es

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wahrgenommen und wer von wem als belastend erlebt wird. Der

nun ist. Wer spricht nun mit ihnen über C.? Wie ist es für die Eltern zu verkraften, wenn ihnen zukünftig immer mehr die Entwicklungsschritte anderer gleichaltriger Kinder vorgeführt werden, während sie keine neuen Geschichten von C. erzählen können? Ich erkundige mich, wie sie untereinander von C. sprechen, und erfahre, dass dies weitgehend vermieden wird, um »uns gegenseitig nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen« (Herr B.). Wir sprechen darüber, dass dieser Schutz möglicherweise auch einsam macht und die verbleibenden Beziehungen weniger spüren lässt. Und wir überlegen, wie C. einen guten Platz im Familiensystem und in den Herzen aller behalten könne. Ich bot die Möglichkeit an, gemeinsam eine Schatzkiste oder ein Memory Book (Fischinger, 2016) anzulegen, um dort Erinnerungsstücke, Kritzelbilder, Fotos, verbindende Symbole zu sammeln, über die erzählt werden kann. G. greift diese Idee schnell auf, sie wird ihrem Bruder ein Bild malen. Frau B. reagiert auf meinen Vorschlag anfangs betroffen, weint, schließt sich dann bald G. an und schlägt vor, die Schachtel unsortierte Familienfotos auf besondere Bilder hin zu ordnen. Alle einigen sich darauf, es soll eine Schatzkiste werden, zu der sie C.s rote Spielkiste umwandeln wollen. Am Ende der Stunde bedankt sich Herr B. für die Möglichkeit »wieder zusammen über C. zu erzählen«. Vier Monate später ruft

mich Frau B. an, um zu berichten, dass es zwar ein sehr schwerer Weg für alle sei, doch sie seien sich einig, ihn miteinander gehen zu können.

9 Erschwerte Trauerprozesse – Grenzen systemischer Beratung

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Verletzte Systeme fallen oftmals aus ihren sozialen Bezügen, und besonders nach einer langjährigen Erkrankung. Da bietet Netzwerkarbeit gute Interventionen, um nicht in sozialer Isolation zu verharren, sondern Wege ins veränderte soziale Leben zurückzufinden. Im Hinblick auf trauernde Geschwister wissen wir aus der Trauerforschung (Röseberg u. Müller, 2014), dass für Kinder in gewisser Weise die Kindheit mit dem Tod vorbei ist. Der Familienverbund besteht nicht mehr in der vertrauten Form, das Geschwisterkind lebt nicht mehr, und Eltern wie nahe Angehörige sind nicht mehr die alten, sind sie doch auch tief in eigene Trauerprozesse eingebunden. Spezielle Gruppenangebote für trauernde Kinder und bei entsprechender Diagnose auch kinderpsychotherapeutische Behandlung können bei diesen Mehrfachverlusten hilfreich sein (Fischinger, 2016). Ein weiteres Thema sprechen Frau B. und Herr B. nur kurz als Nebensatz an, nämlich dass ihre Ehe in all den Jahren gelitten und sich eher in eine Geschwisterbeziehung verwandelt habe. Wenn wir Trauer und Konflikt als miteinander verschränkt betrachten (Goldbrunner, 2006), bieten sich Erklärungen für die Tatsache, dass sich statistisch signifikant mehr Paare nach einem existenziellen Verlust trennen als Nicht-Betroffene. Nach dem Tod eines Kindes streben nach Angaben des Bundesverbands Verwaiste Eltern in Deutschland e. V. sogar 80 Prozent der Elternpaare eine Trennung an (Hagenberg-Miliu, 2011).

Andersherum macht es Sinn, in der systemischen Beratung bei zerstrittenen Paaren und Familien nach Verlusten zu fragen und zurückliegende Trauerprozesse zumindest hypothetisch mit einzubeziehen. Bei der Betrachtung systemischer Beratung mit trauernden Familien habe ich mich bisher auf die gesunden Aspekte der Trauer als Entwicklungsprozess beschränkt. Zusammenfassend skizziert können diese auf somatischer Ebene umfassen: Vermehrtes Schlafverhalperliche Erschöpfung oder Getriebensein, Konzentrations­schwäche,

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Herz-Kreislauf-Symptome sind nur einige Reaktionsweisen. Auch

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ten oder Schlaflosigkeit, gesteigertes Essen oder Appetitlosigkeit, kör-

sexuelle Wünsche und Verhaltensweisen verändern sich, manche suchen recht bald einen neuen (Sexual-)Partner, möchten sich ihrer Vitalität vergewissern, andere verlieren scheinbar völlig das Interesse an körperlicher Intimität. Erhöhte Sehnsucht nach körperlicher Nähe ist mitunter mit Schuldgefühlen verbunden, einen Verrat an der Trauer zu begehen. Beides führt oft zu Fragen nach der eigenen Normalität, nach Gesundheit, Genuss und Lebensfreude. Sexualität ist eine verschwiegene Seite der Trauer, wird von Begleitern häufig nicht bedacht, von Trauernden aus Scham nicht benannt (Roser, 2014). Auf der psychischen Ebene erleben sich Menschen oftmals als fremd. Bin ich noch normal?, fragen sie sich angesichts bisher nicht gekannter Gefühle in mitunter wenig gefilterter Intensität. So kenne ich mich gar nicht, berichten sie, und tatsächlich erleben sie sich in dieser Verlustsituation neu. Kein Trauerprozess verläuft wie ein vorheriger, denn jedem liegt eine ureigene Beziehung zugrunde. Trauern ist mehr als Traurigsein, denn es umfasst das gesamte Spektrum an Emotionen, zu denen ein Mensch fähig ist. Gefühle tiefer Verzweiflung, unbändigen Zorns, quälender Schuldgefühle oder zehrender Sehnsucht sind nur einige. Das Erleben ist mitunter unerwartet heftig und scheint den Trauernden in seinen Besitz zu reißen und in strudelnde Tiefen zu stoßen. Das kostet mitunter enorme Kraft

und erklärt, warum es nicht möglich ist, den Sinn eines kurzen Zeitungsartikels zu verstehen oder an einem Gespräch aufmerksam teilzunehmen. Trauern stammt etymologisch vom mittelhochdeutschen truren ab und bedeutet fallen, sinken, matt, kraftlos werden, den Kopf sinken lassen (Duden, ohne Jahr, S. 861). Ein großer Teil persönlicher Kraft und Aufmerksamkeit richtet sich nach innen, ist in trauernder 60

Umgebung zur Verfügung. Denken wir an typische Körperhaltun-

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Auseinandersetzung gebunden und steht damit nicht mehr für die gen trauernder Menschen, sehen wir sie sitzend, in sich zusammengesunken und wie abwesend vor uns. Das erklärt, weshalb sich viele Menschen in Trauerzeiten als sozial inkompetent erleben und auf ein ehrlich gemeintes »Melde dich, wenn du etwas brauchst« nicht reagieren können. Sie sind darauf angewiesen, dass ihr Umfeld sie hält. Trauerriten, wie z. B. das jüdische Schiwa-Sitzen, berücksichtigen dies, denn hier kommen die Angehörigen, Freunde, Gemeindemitglieder zu den Trauernden ins Haus, sitzen schweigend bei ihnen, bringen Essen mit, beten mit ihnen, gedenken des Verstorbenen und halten die Trauernden in ihren sozialen Bezügen: »Die Schiwa beginnt nach dem Begräbnis und zieht sich bis zum Morgen des 7. Tages hin. Der Unterschied bei der Schiwa ist, dass Trauernde dort eine Auszeit von der täglichen Routine und der Beteiligung am tagtäglichen Leben nehmen, um sich ganz dem Gedenken an den Verstorbenen zu widmen und die Art, wie sie sie oder ihn in ihrem Leben ehren werden und Trost von ihren Familien und der Gemeinde erfahren« (Jüdische Info, o. J.). Der trauernde Rückzug in sich selbst erklärt auch, weshalb sich oftmals die nahestehenden Familienangehörigen kaum zu trösten vermögen. Zu sehr sind sie in ihre Trauerprozesse eingebunden, als dass sie offen für die anderen sein könnten. Diese Begründung leuchtet Familien ein, wenn sie verständnislos registrieren, dass die ihnen

Nächsten gerade in dieser Situation sich so fremd oder distanziert verhalten. Die Erklärung hilft der Familie dabei, neben dem Trennenden auch erkennen zu können, dass der Schmerz sie verbindet, der jedoch zu groß ist und zu individuell ausgeprägt, als dass ausreichend Kraft bliebe, sich gegenseitig wie gewünscht zu unterstützen. Dieser soziale Rückzug ist ein innerlich aktiver Prozess, der unter anderem dazu dient, die Bindung zum Verlorenen zu bewahwerden kann. Aus der Bindungsforschung (von Schlippe u. Schweit-

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zer, 2012, S. 64 ff.) wissen wir um die existenzielle Bedeutung des

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ren, wenn die Beziehung dazu nicht mehr in bisheriger Weise gelebt

Verbundenseins, die dazu führt, dass auch nach dem Verlust eine persönliche Bindung zum Verlorenen erhalten bleibt, wenn auch in modifizierter Form als innere Repräsentanten. Trauerprozesse gestalten sich zirkulär, selbstbezüglich und in dynamischer Selbstorganisation. Und die Trauernden pendeln zwischen dem Realisieren des Verlusts und der tiefen Sehnsucht, eine neue innere Beziehung zum Verstorbenen zu finden. Trauerarbeit kann deshalb als kreative Beziehungsarbeit angesehen werden (Kachler, 2016). In seinem Konzept der Fortgesetzten Bindungen (Continuing Bonds) weist Dennis Klaas darauf hin, dass der Tod Leben beendet, doch nicht zwangsläufig das Erleben der Verbundenheit mit dem Verstorbenen (Klaas, 2006). Dabei geht es nicht um aufrechterhaltene oder gelöste Verbindungen, vielmehr wird es in der systemischen Beratung darum gehen, welche Aspekte der Bindungen gelöst werden sollten und welche es zu erhalten gilt. Eine weitere Betrachtung könnte sein, welche Formen der Verbindung es gibt und welche Funktionen diese einnehmen. Dabei wäre zu erarbeiten, welche Zusammenhänge zwischen problematischer bzw. erfolgreicher Verlustbearbeitung und andauernder Bindung bestehen. Nicht für jeden Menschen ist der Gedanke, fortgesetzt verbunden weiterzuleben, ein Trost. Dann kann der Aufbau

einer neuen inneren Beziehung eine entwicklungsförderliche Bearbeitungsstrategie sein. Neben der Qualität der Bindung und des Bindungsstils (von Schlippe u. Schweitzer, 2012, S. 64 f.) spielt der Faktor Kultur eine bedeutsame Rolle dafür, wie andauernde Beziehungen wirken. George A. Bonanno (2009) verweist auf die individuellen Jenseits­ vorstellungen, die Menschen haben. Gehen sie von einer Wieder­ vereinigung nach dem Tod aus? In der systemischen Beratung sollte

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dieser Aspekt in den Blick genommen werden, gerade um heraus­ zufinden, wie sich eine andauernde Bindung auf die Verlustbearbeitung auswirkt und ob sie die Zuwendung zum eigenen neuen Leben im Wege steht oder sie befördert. Für Beraterinnen ist es bedeutsam, erschwerende und behindernde Faktoren in Trauerprozessen zu erkennen und eigene Kompetenzgrenzen einschätzen zu können. Derzeit wird bei der Neufassung des DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und der Überarbeitung des ICDKatalogs (International Classification of Deseases) die abrechnungsfähige Diagnose der anhaltenden Trauerstörung für Trauerprozesse diskutiert, die eventuell psychotherapeutischer oder medizinischer Behandlung bedürfen. Begriffe wie komplizierte Trauer oder verlängerte Trauerstörung sind im Gespräch. Eine Arbeitsgruppe des Deutschen Bundesverbandes Trauerbegleitung (BVT) empfiehlt für eine nachvollziehbare Differenzierung und einen entsprechenden Qualifizierungsgrad der Begleiterinnen und Berater die ausschließliche Verwendung von vier Begriffen: ȤȤ nicht-erschwerte Trauer, ȤȤ erschwerte Trauer, ȤȤ traumatische Trauer, ȤȤ komplizierte Trauer (»verlängerte Trauerstörung«).

Dabei wird unter anderem der Faktor Zeit berücksichtigt: der Zeitraum der Vorbereitung auf einen Verlust/Tod, die Dauer vom Todeszeitpunkt bis sechs Monate nach dem Verlust, sechs bis dreizehn Monate nach Todeszeitpunkt sowie die Zeit ab dreizehn Monate nach Todeszeitpunkt. Nicht-erschwerte Trauerreaktionen können zu jedem dieser Zeitpunkte beobachtet werden; erschwerte Trauer kann ebenfalls zu jedem Trauer werden bzw. sich ab sechs Monaten auch zu traumatischer

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Trauer oder ab dreizehn Monaten zu komplizierter Trauer entwickeln.

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dieser Zeitpunkte auftreten, kann jedoch auch zu nicht-­erschwerter

Mit erschwerter Trauer ist zu rechnen, wenn das Verhältnis von Risikofaktoren und Ressourcen in einem Trauerprozess ungünstig erscheint. Solche Risikofaktoren sind unter anderem Begleitumstände des Todes, eine mit Gewalt verbundene Todesart, eine ambivalente Beziehung zwischen Trauernden und Verstorbenen, Mehrfachverluste, mögliche traumatische Bilder oder eigene Erkrankungen. Menschen, die starke Emotionen meiden und erschwert Gefühle wahrnehmen und ausdrücken können, gelten ebenso als gefährdet wie Fälle mit sozial aberkannter Trauer, fehlenden sozialen Netzwerken und Unterstützung. Als Ressourcen im Trauerprozess gelten hingegen ein tragendes soziales Netz, ausreichender sozio-ökonomischer Status und finanzielle Sicherheit, tragende Werte und Überzeugungen, subjektives Erleben von Selbstwirksamkeit, Fähigkeit zur Selbstberuhigung, Fähigkeit zur situationsangemessenen Nutzung der vorhandenen persönlichen und sozialen Ressourcen. Die Diagnose traumatische Trauer lässt sich ab einem Zeitpunkt von sechs Monaten nach dem Verlust/Tod stellen, wenn das Fortbestehen von belastenden Symptomen auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) hinweist, die den Trauerprozess überlagert.

Ab dem Zeitpunkt von dreizehn Monaten kann unter bestimmten Umständen von komplizierter Trauer gesprochen werden, wenn die trauernden Menschen angeben, einen anhaltend starken Seelenschmerz zu erleiden, begleitet von nicht nachlassender Verzweiflung über den Verlust und einer unstillbaren Sehnsucht nach dem Verstorbenen. Sie klagen über ihre Unfähigkeit, an aktuellen Erlebnissen wenigstens für Momente Freude zu empfinden. Es gibt begründete Hinweise, dass es in der Vorgeschichte von

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Menschen mit komplizierter Trauer oftmals unsichere Bindungserfahrungen in der Kindheit gab, frühere Verluste in der Kindheit und Jugend oder eine ausschließliche und besonders enge Bindung an den Verstorbenen. Die wirksamste Unterstützung für komplizierte Trauerprozesse scheint in stark strukturierten und zeitlich begrenzten Therapie­ angeboten zu bestehen. Eine (kurzfristige) Psychotherapie ist im Unterschied zu einer Trauer-Beratung vorrangig auf lebensbehindernde Anteile von Trauer gerichtet. Ihren Abschluss findet eine derartige Begleitung nicht im Ende jeglicher Trauer, sondern in der wiedererlangten Fähigkeit der Klienten, ihre individuellen Trauerprozesse selbstständig fortzuführen. Als traumatische Trauer lässt sich ein Trauerprozess bezeichnen, der durch traumatische Erlebnisse überlagert und geprägt wird. Die relevanten Symptome finden sich in den Bereichen der Erinnerung, des Gefühlserlebens und des Verhaltens wie etwa unwillkürliche Erinnerungsblitze an belastende Szenen im Krankheits- und Sterbe­prozess oder Nachhallerinnerungen, die mit starken Gefühlen und Körperreaktionen verbunden sind. Auch kann ein auffälliger Umgang mit Orten und Situationen, die an die Erkrankung und das Sterben eines nahestehenden Menschen erinnern, ein Hinweis auf trauma­tische Trauer sein, ebenso ein ungewöhnlicher Umgang mit den eigenen

Gefühlen, entweder als völlige Emotionslosigkeit beim Erzählen von Erinnerungen (Dissoziation) oder als ein Überschwemmt-­Werden von Gefühlen bis zum Zusammenbruch. Auch eine durchgehend höhere Reizbarkeit und Angespanntheit (Hyper-Arousal), die oft zu Schlaflosigkeit führt und sich in Misstrauen und verstärkter Aggression äußern kann, spricht für eine traumatische Trauer (Metz, 2016). Die Einführung einer neuen eigenständigen Diagnose der anhalstritten. Denn wenn Trauer eine natürliche Reaktion auf Verlust ist,

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wird sie dann mit einer solchen Diagnose nicht unangemessen patho-

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tenden Trauerstörung (»prolongued grief disorder«) ist nicht unum-

logisiert? Und ist die Terminologie (anhaltende Trauerstörung) nicht problematisch, wenn es zur Trauer gehört, dass sie anhaltend ist und eine zeitliche Komponente viel zu kurz greift? Wen stört die Trauer? Trauer ist nicht die Störung, sondern es sind die im jeweiligen Einzelfall individuellen und besonderen Bedingungen, die eine an sich gesunde Trauer stören, erschweren, blockieren. Andererseits ermöglicht eine Diagnose entsprechende Behandlungsoptionen bei Belastungsstörungen nach einem schwerwiegenden Verlust und ebenso eine aufmerksame Versorgungsforschung (Wagner, 2016, S. 251). Welche Position wir auch in der Diskussion vertreten, für systemische Beraterinnen und Berater kann die differenzierte Benennung verschiedener Trauerverläufe hilfreich für eine genaue sensible Betrachtung sein und Hinweise geben, wann eine psychotherapeutische oder fachärztliche Behandlung angezeigt ist.

10  Ausblick für systemisch Beratende Wer andere Menschen professionell berät, ist generell zu einer aufmerksamen Selbstbeziehung verpflichtet, und in der systemischen Beratung trauernder Familien gilt dies ganz besonders. Arbeit im

Grenzbereich von Leben und Tod, die Begegnung mit existenziellen Krisen und schicksalshaften Notsituationen berührt uns Beraterinnen in besonderer Weise. Leidsituationen hilfreich standzuhalten, ist nur in selbstachtsamer Reflexion zu leisten. Der Philosoph ­Wilhelm Schmid (2007) bezeichnet dies als Lebenskunst, mit sich selbst befreundet zu sein, als »Sorge um ein maßvolles Selbstverhältnis, das in der Lage ist, das Selbst zu festigen und zu anderen hin zu In unserer Zeit der sogenannten Postmoderne sind wir in einem

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öffnen« (Schmid, 2007, S. 16). 66

Maße auf uns selbst verwiesen, das vorherige Generationen unseres Kulturkreises so nicht kannten. Lebensentwürfe und sinnstiftende Orientierungen wählen wir individuell und weitgehend gelöst von religiösen, politischen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Beziehungen. Vieles ist uns möglich, von dem vor hundert Jahren die Menschen kaum träumen konnten. Eine rasante Entwicklung bisher kaum vorstellbarer Möglichkeiten und weltweiter Verflechtungen fordert uns heraus, unser Leben aktiv selbstbestimmt zu gestalten. Das erleben wir streckenweise als mühevoll und in anderen Zeiten als bereichernd und erfüllend. Pendelnd zwischen dem Wunsch nach Wiederherstellung manch alter Zusammenhänge und stimulierenden Vorwärtsbewegungen in neue Räume bilden wir unsere Gegenwart, und »mit all den unvermeidbaren Widersprüchen und Konflikten, die das nach sich zieht, versuchen [wir], die Existenzform vorwegzunehmen, die die eigentlich richtige wäre« (Adorno nach Schmid, 2007, S. 14). Professionelle sollten ihre Motivation nutzen, Energie und Kreativität zu aktivieren, ihre persönlichen Reaktionen wertschätzend wahrzunehmen sowie ihre privaten und beruflichen Erfahrungen miteinander sinnstiftend im Rahmen ihrer individuellen Lebenskunst zu verbinden.

Auf sich achtgeben ist dabei eine Selbstverpflichtung, der angesichts herausfordernder Aufgaben, eindrucksvoller menschlicher Begegnungen, außergewöhnlicher Belastungen oder Drucksituationen besondere Bedeutung zukommt. Um Desillusionierung und Überforderungsreaktionen oder gar Burn-out zu vermeiden, sollten wir all unser Wissen und unser Engagement, das wir den Klientinnen und ihren Zugehörigen zukommen lassen, auch für uns selbst nutzen. samer, wesentlicher und sinnstiftender Lebensgestaltung. Diese Kompetenzen sollten wir für uns selbst gleichermaßen einsetzen wie für die Menschen, die sich unserer Profession anvertrauen. Und wenn wir in unsere Arbeit selbstverständlich Angehörige und Freundinnen unserer Klienten einbeziehen, warum dann nicht auch mit aufmerksamem Blick auf die uns tragenden Bezugspersonen achten? Wir allein sind für uns verantwortlich, denn wenn wir nicht auf uns achten, wer sollte es dann tun? Unbestritten gibt es daneben die unerlässliche Fürsorgepflicht der Arbeitgeber, doch die ersetzt nicht unsere Selbstfürsorge. Vielmehr sollte sich beides idealerweise zu einem tragenden Self-Care-Konzept verbinden (Müller u. ­Pfister, 2014). Von den einzelnen Beraterinnen erfordert dies den aufmerksamen Blick auf sich selbst und das alltägliche Zusammenspiel im kollegialen Team. Was gibt mir Halt? Was trägt mich und gibt mir Unterstützung? Denn all das, was für unser persönliches Dasein sinnstiftend ist, stabilisiert uns. Ein solch individuelles, eigenverantwortliches Handeln kompetenter Selbstfürsorge bedeutet nicht, sich rücksichtslos durchzusetzen. Ganz im Gegenteil strebt es nach einer Balance zwischen Geben und Nehmen, Rollenidentifikation und Rollendistanz, Fremd­ bestimmung und Selbstbestimmung. Damit ist der Begriff Selbstfür-

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Die Beratung trauernder Systeme sensibilisiert für Aspekte bedeut-

sorge der Gegenbegriff zu Burn-out, denn gelingt diese Balance nicht, steigt die Wahrscheinlichkeit für Erschöpfung und Überforderung. Selbstbestimmung stellt sich nicht von selbst ein, vielmehr ist sie eine ernsthafte und beharrliche Arbeit an sich selbst. Ein beständiger individueller Wachstumsprozess, in dem wir uns als verantwortlich handelndes Wesen erleben (Dietrich, 2016). Hohe Anforderungen sind das, die hier an Berater gestellt werden. Doch um die eigenen Themen nicht mit denen der Klientinnen und

Beratung

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Klienten zu vermengen, ist Selbstachtsamkeit ebenso unverzichtbar wie eine gründliche Auseinandersetzung mit den persönlichen Systemerfahrungen, prägenden familiären, gesellschaftlichen und historischen Kontextbedingungen. Wer gut beraten möchte, sollte mindestens einmal auch gute Klientin, guter Klient sein in gründlicher ernsthaft reflexiver Auseinandersetzung. Auf die Familien­ rekonstruktion als eine solch wirksame Selbsterfahrung möchte ich an dieser Stelle beispielhaft hinweisen (von der Recke u. WolterCornell, 2017). Schließen möchte ich das zweite Kapitel mit diesen Worten: »Ich wünsche dir jeden Tag einen Moment Zeit für dich allein. Damit du dir begegnest, dir in die Seele schaust. Und damit du innehältst zwischen dem hastigen Tun und Wollen. Oder: Du spürst vielleicht, was du wirklich möchtest?! Möglicherweise gelingt dir eine neue Sichtweise des Bisherigen?« (Buchmann, 1998, S. 4).

Am Ende

11 Literatur

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Bonanno, G. A. (2009). The other Side of Sadness. What the New Science of Bereavement Tells Us about Life after Loss. New York: Basic Books. Boss, P. (2008). Verlust, Trauma und Resilienz. Die therapeutische Arbeit mit dem »uneindeutigen Verlust«. Stuttgart: Klett-Cotta. Bowlby, J. (1980). Attachment and Loss. Volume 3: Loss – Sadness and Depression. London: Basic Books. Buchmann, K. E. (1998). Ich wünsche Dir … Lahr: SKV-Ed. Camus, A. (2013). Die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt. Frankfurter Rundschau online vom 07.11.2013. Zugriff am 18.05.2017 unter http:// www.fr.de/kultur/literatur/albert-camus-die-zaertliche-gleichgueltigkeit-der-welt-a-658307 Canacakis, J. (2013). Eindruck verlangt nach ganzheitlichem Ausdruck. Interview. Leidfaden – Fachmagazin für Krisen, Leid und Trauer, 2 (3), 25–27. Dietrich, D. (2016). So gelingen Veränderungen! Mit hypnosystemischen Lösungen werden, wer Sie sein können. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Duden (o. J.). Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache (4. Aufl.). Mannheim u. a.: Dudenverlag. Eberhart, H., Knill, P. (2009). Lösungskunst – Lehrbuch der kunst- und ressourcenorientierten Arbeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Fischinger, E. (2016). In der Erinnerung ankern. Die Trauer von Kindern und Jugendlichen mit Memory Books begleiten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Goldbrunner, H. (2006). Dialektik der Trauer: ein Beitrag zur Standort­ bestimmung der Widersprüche bei Verlusterfahrungen. Berlin u. Münster: Lit. Hagenberg-Miliu, E. (2011). Verwaiste Eltern. Wenn das eigene Kind stirbt. Zugriff am 23.02.2017 unter http://www.ekir.de/www/service/ eltern-13743.php Heimes, S. (2012). Warum Schreiben hilft. Die Wirksamkeitsnachweise der Poesietherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Herwig-Lempp, J. (2009). Die VIP-Karte als ein »Kreagnose«-Instrument. In P. Pantucek, D. Röh (Hrsg.), Perspektiven Sozialer Diagnostik (S. 243–254). Münster u. a.: Lit. Jüdische Info (o. J.). Die Grundlagen. Die Schiwa und andere Trauervorschriften. Zugriff am 22.02.2017 unter http://de.chabad.org/library/ article_cdo/aid/1062067/jewish/Die-Grundlagen.htm

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Kachler, R. (2016). Hypnosystemische Trauerbegleitung: Ein Leitfaden für die Praxis (4. Aufl.). Heidelberg: Carl Auer. Kast, V. (1997). Freude, Inspiration, Hoffnung. Frankfurt a. M.: dtv. Kast, V. (1999). Trauern. Phasen und Chancen eines psychischen Prozesses. Stuttgart: Kreuz. Klaas, D. (2006). Continuing Conversation about Continuing Bonds. Death Studies, 30 (9), 843–858. Kopp-Breinlinger, K., Rechenberg-Winter, P. (2003). In der Mitte der Nacht beginnt ein neuer Tag. Mit Verlust und Trauer leben. ­München: Kösel. Krieger, D. (1997). Kommunikationssystem Kunst. Wien: Passagen. Kübler-Ross, E. (1972). Interviews mit Sterbenden. Stuttgart: Kreuz-Verlag. Metz, C. (2016). Die vielen Gesichter der Trauer: Anregungen zum Umgang mit Trauer und Trauernden. Zugriff am 12.12.2016 unter http:// www.psychotherapie-wissenschaft.info/index.php/psy-wis/article/ view/39/178 Müller, H., Willmann, H. (2016). Trauer: Forschung und Praxis verbinden. Zusammenhänge verstehen und nutzen. Göttingen: ­Vandenhoeck & Ruprecht. Müller, M., Pfister, D. (Hrsg.) (2014). Wie viel Tod verträgt das Team? Belas­tungs- und Schutzfaktoren in Hospizarbeit und Palliativmedizin. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Rechenberg-Winter, P. (2015). Leid kreativ wandeln. Biografisches Schreiben in Krisenzeiten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Rechenberg-Winter, P., Fischinger, E. (2010). Kursbuch systemische Trauerbegleitung (2., bearb. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Rechenberg-Winter, P., Haußmann, R. (2015). Arbeitsbuch Kreatives und biografisches Schreiben. Gruppen leiten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Rechenberg-Winter, P., Randow-Ruddies, A. (2017). Poesietherapie in der systemischen Praxis. Interventionen für die Einzel-, Paar-, Familienund Gruppentherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Recke, T. von der, Wolter-Cornell, U. (2017). Dimensionen systemischer Familienrekonstruktion. Lebensentwürfe in familiärem, historischem und politischem Kontext. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Röseberg, F., Müller, M. (Hrsg.) (2014). Handbuch Kindertrauer: die Begleitung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Roser, T. (2014). Sexualität in Zeiten der Trauer: Wenn die Sehnsucht bleibt. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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Rühmkorf, P. (2008). Paradiesvogelschiß. Reinbek: Rowohlt. Schlippe, A. von, Schweitzer, J. (2012). Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen. Göttingen: V ­ andenhoeck & Ruprecht. Schmid, W. (2007). Mit sich selbst befreundet sein. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Stroebe, M. S., Schut, H. (2010). The Dual Process Model of Coping with Bereavment: A Decade On. OMEGA, 61 (4), 273–289. Stroebe, M., Schut, H. (2015). Family Matters in Bereavment: Toward an Integrative Intra-Interpersonal Coping Model. Perspectives on Psychological Science, 10 (6), 873–879. Theuretzbacher, K., Nemetschek, P. (2016). Coaching und Systemische Supervision mit Herz, Hand und Verstand (4. Aufl.). Stuttgart: KlettCotta. Wagner, B. (2016). Wann ist Trauer eine psychische Erkrankung? Psychotherapeutenjournal, 15 (3), 250–255. Worden, W. J. (2011). Beratung und Therapie in Trauerfällen (4., überarb. Aufl.). Bern: Huber.

12  Weiterführende Informationen und Kontakte Adressen für weiterführende Informationen

ȤȤ Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF): www.dgsf.org ȤȤ Bundesverband Trauerbegleitung e. V. (BVT): www.bv-trauerbegleitung.de ȤȤ Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP): www.dgpalliativ­ medizin.de ȤȤ Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V.: www.dhpv.de

13 Materialhinweise Literatur

ȤȤ »Leidfaden – Fachjournal für Krisen, Leid und Trauer« er­scheint mit vier Themenheften pro Jahr im Verlag V ­ andenhoeck & Ruprecht. Übersicht der bisher erschienenen Ausgaben: http://www.v-r.de/ de/leidfaden/m-0/500062/ ȤȤ »Edition Leidfaden – Basisqualifikation Trauerbegleitung« ist eine ten Aspekten der Trauerbegleitung. Die Reihe erscheint im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Übersicht der bisher erschienenen Bände: http://www.v-r.de/de/edition_­ leidfaden_basisqualifikation_trauerbegleitung/sd-0/178 Filme

ȤȤ Teischel, O. (2017). Trauerspiel – Einführung in die existenzielle Filmtherapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Eine Fundgrube gut kommentierter Filme: http://www.v-r.de/de/ trauerspiel_einfuehrung_in_die_existenzielle_filmtherapie/t-0/ 1086926/ Trauer und Paardynamik: ȤȤ The Broken Circle (2012). Belgien/Niederlande. Regie: Felix Van Groeningen. http://brokencircle.pandorafilm.de Geschwistertrauer: ȤȤ Nur Wolken bewegen die Sterne (1998). Norwegen. Regie: Torun Lian. https://absolutmedien.de/film/163/Nur+Wolken+bewegen+ die+Sterne Empathie und Care: ȤȤ Empathy: The Human Connection to Patient Care. Cleveland Clinic. https://www.youtube.com/watch?v=cDDWvj_q-o8&feature=youtu.be

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Reihe zu ausgewählten und bisher kaum oder gar nicht publizier-

Dennoch – Lachen in der U-Bahn: ȤȤ Buddha on the Train (2002). Belgien. Regie: Christine Rabette. https://www.youtube.com/watch?v=Lakg26y2nhg&feature= youtu.be Texte

Ad Sinn: ȤȤ Anaïs Nin, Es gibt keinen kosmischen Sinn. Zit. nach Kinnier, R.

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(2006). Die Frage nach dem Sinn des Lebens und 199 Antworten. München: Knesebeck. S. 205. Ad Leben: ȤȤ Erich Fromm. Z. B. Fromm, E., de Martino, R., Suzuki, D. T. (1972). Zen-Buddhismus und Psychoanalyse. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. S. 123. Ad Achtsamkeit: ȤȤ Michael Ende, Vom Aufstellen der Lichter. In: Die Welt des Michael Ende. Geschichten und Gedanken über Freiheit, Fantasie und Menschlichkeit. CD 2 (2009). Schwäbisch Hall: steinbach sprechende bücher. Ad Lebensbilanz: ȤȤ Nadine Stair, Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte. In: J. Canfield (2002), Hühnersüppchen für die Seele. Geschichten, die das Herz erwärmen. München: Goldmann. Ad Perspektiven: ȤȤ Michel Ende, Das Lied von der Anderswelt. In: Die Welt des Michael Ende. Geschichten und Gedanken über Freiheit, Fantasie und Menschlichkeit. CD 2 (2009). Schwäbisch Hall: steinbach sprechende bücher. Ad Tod: ȤȤ Safijja von Bahila, Auf den Tod ihres Bruders. In: U. Hahn (1992), Stechäpfel. Stuttgart: Reclam S. 144.

Ad Trauer: ȤȤ Dietrich Bonhoeffer, Dankbarkeit. In: D. Bonhoeffer (2013), Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft (21. Aufl.). Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. S. 102. Ad Trauerbegleitung: ȤȤ Mascha Kaléko, Ausverkauf in gutem Rat. In: M. Kaléko (2009), Mein Lied geht weiter. Hundert Gedichte (9. Aufl.). München: dtv. S. 140.

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14  Die Autorin Petra Rechenberg-Winter ist Diplom-­ Pädagogin und Psychologin, Approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Systemische Therapeutin (PTK), Familientherapeutin (DGSF), Supervisorin (DGSF, DGSv, PTK, DGPB), Lehrende

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für Beratung, Coaching, Supervision und

®

Mediation (DGSF), Ausbilderin BM ( ), Akkreditierter Fortbildungsveran­stalterin (PTK Bayern), Klinische P ­ oesie- und Bibliotherapeutin (DGPB) sowie Leiterin von Schreibwerkstätten (DGPB). Sie hat den Master of Arts (Biografical and Creative Writing). Petra Rechenberg-Winter arbeitet in eigener Praxis, im Leitungsteam des Hamburger Instituts für systemische Weiterbildung (HISW), als Dozentin im Hospiz- und Palliativkontext und als Fachautorin. Und neben aller beruflichen Betriebsamkeit engagiert sie sich ehrenamtlich in diversen gesellschaftlichen Bereichen, die ihr am Herzen liegen, genießt Natur, Klein- und Großkunst und ist nicht zuletzt glückliche Mutter und dankbare Großmutter.