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German Pages 562 [564] Year 2006
Wolfram von Eschenbach
Titurel
Wolfram von Eschenbach
Titurel Mit der gesamten Parallelüberlieferung
des »Jüngeren Titurel«
Kritisch herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Joachim Bumke und Joachim Heinzle
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2006
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie, detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
ISBN 13: 9783-484-64028-3
ISBN 10: 3-484-64028-6
© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006 Ein Unternehmen der K. G. Saur Verlag GmbH, München http: //www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz: Johanna Boy, Brennberg Druck und Einband: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten
Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung
VII IX
Überlieferung (IX) - Anordnung der Texte (XIV) - Einrichtung der Texte und Apparate: Alterer Titurel (XV) - Einrichtung der Texte und Apparate: Jüngerer Titurel (XVI) - Dokumentation zur Einarbeitung der alten Fragmente in den Jüngeren Titurel (XVIII) - Stellenkommentar (XIX) Exkurs: Das Problem der metrischen Form (XIX)
Lesetext: Die drei Fassungen des Älteren Titurel Dokumentation: Die Überlieferung des Älteren und des Jüngeren Titurel
1 99
Stellenkommentar
451
Namenverzeichnis
493
Abkürzungs-und Literaturverzeichnis
515
Register zum Stellenkommentar
521
Abbildungen
525
Vorwort Der Plan zu dieser Ausgabe entstand vor fünfzehn Jahren. Seither haben wir kontinuierlich, wenn auch mit wechselnder Intensität an ihr gearbeitet. Im Lauf der Zeit haben sich die Richtlinien der Edition wiederholt geändert, die Grundkonzeption aber blieb von Anfang an dieselbe. Dem veränderten Stand der überlieferungsgeschichtlichen Forschung Rechnung tragend, wollten wir die überlieferten Textformen in ihrer Eigenart als Fassungen ernstnehmen, anstatt eklektisch einen synthetischen Text aus ihnen zusammenzusetzen, wie es die älteren Herausgeber getan haben. Das bedeutete, daß drei Texte (G, Η, M) separat ediert und nach Maßgabe des technisch Möglichen synoptisch dargestellt werden mußten. Zum anderen wollten wir die gesamte Parallelüberlieferung des Jüngeren Titurel dokumentieren, die bis heute nur unvollständig publiziert ist und meistens aus zweiter oder dritter Hand und entsprechend fehlerhaft zitiert wird. In diesen beiden Punkten unterscheidet sich unsere Ausgabe von der inzwischen erschienenen Ausgabe von Helmut Brackert und Stephan Fuchs-Jolie. Das größte Verdienst dieser Ausgabe liegt ohne Zweifel in dem erschöpfenden Kommentar, der alle nur denkbaren Interpretationsfragen eingehend diskutiert. Die Breite des Kommentars von Brackert und Fuchs-Jolie hat uns den Entschluß erleichtert, unsererseits einen schlanken Kommentar zu geben, der sich auf die Probleme des elementaren Textverständnisses konzentriert. An Titurel-Ausgaben besteht nun kein Mangel mehr. Wir hoffen, daß man die hier vorgelegte neben den anderen nützlich finden wird. Daß sie mehr als fünfhundert Seiten braucht, um den kurzen Text zu präsentieren, erfüllt uns nicht nur mit Freude. Doch sehen wir dem Vorwurf der Überdokumentation gelassen entgegen. Der Umfang ist der Preis, der für die Bequemlichkeit der Leser und Benutzer zu entrichten war. Sie sollen ohne umständliches Blättern und Nachdenken an jeder Stelle auf einen Blick die Informationen finden, die sie benötigen. Die lange Entstehungszeit der Ausgabe und die Arbeit an zwei weit entfernten Orten haben das Risiko von Fehlern und Inkonsequenzen erhöht. Wir können nur um Nachsicht bitten und hoffen, daß sich jedenfalls die gravierenden Mängel in erträglichen Grenzen halten. Die Ausgabe wäre nicht zustande gekommen ohne die Hilfe vieler. Tanja Mattern, Henrike Manuwald und Reinhold Katers in Köln, Annegret Pfalzgraf und Nathanael Busch in Marburg haben engagiert und sorgfältig Materialien besorgt und gesichtet, die Texte und die Dokumentationen überprüft und Korrektur gelesen. Klaus Klein hat die Angaben zu den Handschriften in der Einleitung durchgesehen und ergänzt. Cornelia Saier vom Max Niemeyer Verlag hat mit Umsicht die schwierige Herstellung des Bandes betreut. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat uns die Mittel für die Bezahlung von Mitarbeitern und einer Lehrstuhlvertretung gewährt. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank. Köln und Marburg, im Juni 2005
Joachim Bumke Joachim Heinzle
Einleitung Diese Ausgabe von Wolframs Titurel verfolgt zwei Ziele. Sie will zum einen bequem lesbare kritische Texte der drei überlieferten Fassungen des Werks bieten und sie durch Übersetzungen und einen Kommentar für das Verständnis aufschließen. Und sie will zum andern die gesamte Parallelüberlieferung des Jüngeren Titurel in ihrem Verhältnis zur Überlieferung der alten Fragmente dokumentieren.
Überlieferung Die Fragmente von Wolframs Titurel, im folgenden Älterer Titurel (ÄT) genannt, sind in drei Handschriften überliefert:1 G
München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 19. Mitte 13. Jh.; 75 Bll.; Pergament; Blattgröße 2 9 5 - 3 0 0 χ 210 mm; bairisch-ostalemannisch; der Titurel (164 Strophen) auf Fol. 71r-74r, davor Parzival G (Fol. lr-70v), danach Prosa-Nachträge (Fol. 75r) und zwei (in der Forschung Wolfram zugeschriebene) Tagelieder (Fol. 75v). Lit.: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Titurel,Tagelieder. Cgm 19 der Bayerischen Staatsbibliothek München. Transkription der Texte von Gerhard Äugst, Otfried Ehrismann und Heinz Engels. Mit einem Beitrag zur Geschichte der Handschrift von Fridolin Dressler. Bd. 1: Faksimileband. Bd. 2: Textband. Stuttgart 1970. - Litterae, S. VIII und 3ff. [vollständige Abb. des Titurel-Teils]. - Becker, S. 82ff. - Schneider, S. 150ff. - T h o m a s Klein: Die Parzivalhandschrift Cgm 19 und ihr Umkreis. In: Wolfram-Studien 12(1992), S. 3 2 - 6 6 . - Elisabeth Klemm: Die illuminierten Handschriften des 13. Jahrhunderts deutscher Herkunft in der Bayerischen Staatsbibliothek. Textband. Wiesbaden 1998. (Katalog der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek in München. 4.), S. 217ff. - Ulrich M o n t a g / K a r i n Schneider: Deutsche Literatur des Mittelalters. Handschriften aus dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek München mit Heinrich Wittenwilers Ring als kostbarer Neuerwerbung. München 2003. (Bayerische Staatsbibliothek München. Schatzkammer 2003 = Patrimonia. 249.), S. 42ff. - Vgl. MR 13 und Abb. 1.
Η Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Ser. nova 2663. 1 5 0 4 - 1 5 1 5 / 1 6 von Hans Ried für Kaiser Maximilian I. geschrieben; 238 Bll.; Pergament; Blattgröße 460 χ 360 mm; südbairisch; Sammelhs. (>Ambraser HeldenbuchHandschriftencensus< der >Marburger Re-
pertorienc www.marburger-repertorien.de.
Überlieferung
XI
D Berlin, Staatsbibliothek, mgf 470. Um 1410-1413; 240 Bll.; Papier; Blattgröße 310 χ 220 mm; südbairisch (aus dem Traungau?); der JT auf Fol. lr-228r, danach (Fol. 229v-240v) Wernher der Gartenaere: Helmbrecht. Lit.: Wolf, S. LVIIff. - Litterae, S. XII und 25ff. [Abb. S. 55-57 mit Wolf Str. 680,3-718,4], - Becker, S. 123ff. - Ulrich Seelbach: Späthöfische Literatur und ihre Rezeption im späten Mittelalter. Berlin 1987. (Philologische Studien und Quellen. 115.), S. 45ff. - Becker / Overgaauw, S. 98ff.
Ε
London, British Library, MS Add. 30984. 4. Viertel 15. Jh.; 305 Bll.; Papier; Blattgröße 300 χ 220 mm; westmitteldeutsch (ripuarisch). Lit.: Wolf, S. LXff. - Litterae, S. XII und 28f. [Abb. von Fol. 29v-30r mit Wolf Str. 687,3-709,2], - Becker, 5. 127 f.
H ' Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cpg 141.4 Um 1365-1380; noch 132 Bll.; Papier; Blattgröße 300 χ 200-220 mm; schwäbisch. Der Text ist durch den Verlust mehrerer Blätter stark lückenhaft; in den für die Wolfram-Rezeption relevanten Teilen fehlen die Strophen 700-789,2 (ÄT 5 33,3-102,2). Lit.: Wolf, S. LXIIIff. - Litterae, S. XII und 30 [Abb. Fol. 40v mit Wolf Str. 691-699,2], - Becker, S. 128. - Werner Schröder: Die Heidelberger Handschrift Η (cpg 141) des Jüngeren Titurel. Bde. 1-3. Stuttgart 1994-1995. (Akademie der Wissenschaften und der Literatur [Mainz]. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse. 1994/1. 1994/11. 1995/3.) [Abdruck], - Nyholm, S. VHIff. und Iff. [Abdruck], - Vgl. MR14.
J
Druck o. O. [Straßburg], o. Dr. [Johann Mentelin], 1477. 307 Bll.; 4°. Für die vorliegende Ausgabe wurde das Exemplar der Staatsbibliothek Berlin (Signatur: 4° Inc. 2086; Blattgröße: 290 χ 210 mm) benutzt. Lit.: Wolf, S. LXVf. - Litterae, S. XIII und 31ff. [Abb. Fol. (36r) - (37r) mit Wolf Str. 684,4-714,1], - Becker, S. 243ff. [mit Exemplarnachweisen]. - Becker / Overgaauw, S. 84ff.
Κ Berleburg, Fürstlich Sayn-Wittgensteinsche Schloßbibliothek, RT 2/1 (früher Litr. T. Nr. 437). 1479; 742 Bll.; Blattgröße 287 χ 215 mm; illustriert (ganzseitige kolorierte Federzeichnungen an den Kapitelanfängen); mitteldeutsch. Der Text des JT wird ab der VII. Lage auf dem unteren Drittel jeder Seite von einer Abschrift der Ilias Latina begleitet. Lit.: Wolf, S. LXVIf. - Litterae, S. XIII und 34ff. [Abb. Lage VII, Fol. Rollengedicht< oder einen Auszug aus einem solchen handelt, dessen Eintrag als Melodie-Weiser fungieren sollte. Im aufgeschlagenen Buch direkt neben den ersten Strophen des JT stehend, besagte die Aufzeichnung dann: »das Epos singt man« (oder: kann man singen) »nach der (womöglich bekannten) Melodie von lamer ist mir entsprungen«15. Für die Wolfram-Philologie ist die Überlieferung ohne Belang. Ob Wolfram zu seinem unvollendeten Werk überhaupt eine Melodie geschaffen hat und wie sie gegebenenfalls aussah, können wir nicht wissen.
Die Titurel-Strophe steht in der Tradition der Langzeilenstrophik, wie sie aus dem frühen Minnesang und aus der Heldendichtung seit dem Nibelungenlied bekannt ist. Die Analyse führt auf einen klar konturierten strukturellen Rahmen, stößt im einzelnen aber auf erhebliche Schwierigkeiten: Die Länge bzw. die Füllung der Verse, die Anverskadenzen, der Sitz der Zäsur scheinen zu schwanken und sind nicht selten unklar. Zum Teil beruhen die Unregelmäßigkeiten gewiß auf Textverderbnis, doch genügt diese Erklärung angesichts ihrer Art, ihres Umfangs und ihrer Bezeugung nicht. Man muß damit rechnen, daß Wolfram den Text in unfertigem Zustand hinterlassen hat oder daß er die Metrik von vornherein offen und variabel konzipierte. Beweisen läßt sich hier freilich nichts. Wolfgang Mohr hat die verschiedenen Möglichkeiten in einer These verbunden, die eindrucksvoll verdeutlicht, was gewesen sein könnte, und zugleich bewußt macht, daß wir nicht wissen können, was war: »Erstens: Wolfram selbst probierte aus, was er der Strophe an Freiheiten zumuten konnte. Zweitens: Die Strophen haben an vielen Stellen noch nicht die vom Dichter beabsichtigte endgültige Gestalt gefunden. Drittens: Man muß für die erste Niederschrift mit einem Manuskript rechnen, das Korrekturen enthielt, die von den Abschreibern nicht immer richtig verstanden wurden. Viertens: Wer versuchte, von dieser Grundlage aus die Überlieferung zu bewahren, geriet selbst ins Experimentieren mit der Form.« 16
Wie immer die Unregelmäßigkeiten zu beurteilen sein mögen, 17 für den Dichter des JT waren sie nicht tolerabel. Er hat die Strophen reguliert und das neue Regelmaß durch die Einführung von obligaten Zäsurreimen in der ersten und zweiten Zeile unterstrichen. 13 14
15
16 17
Die Datierung aufgrund des Entwicklungsgrades der Schrift verdanken wir Karin Schneider (brieflich). Überblick über den Forschungsstand bei Brackert / Fuchs, S. 29ff.; zum vermeintlichem Zeugnis der sog. Hinweisstrophen im JT jetzt Thomas Neukirchen: Krumb und sliht. Über die sogenannten Hinweis- und Kunststrophen im Überlieferungszweig I des Jüngeren Titurel. In: ZfdA 132 (2003), S. 62-76. Volker Mertens: Zu Text und Melodie der Titurelstrophe: lamer ist mir entsprungen. In: Wolfram-Studien 1 (1970), S. 219-239, hier S. 230. Mohr (1977), S. 148. Eine neue Erklärung, die angesichts der Überlieferungslage nicht weniger spekulativ ist als diejenige Möhrs, haben jetzt Brackert / Fuchs (S. 33ff.) ins Spiel gebracht: Sie erwägen, ob die Unregelmäßigkeiten in der musikalischen Realisierung des Textes mit der Melodie der Sigunen-Klage wenigstens teilweise ausgeglichen wurden.
Exkurs: Das Problem der metrischen
XXI
Form
E s könnte sein, daß schon Wolfram gelegentlich Zäsurreime verwendet hat. 18 Sichern lassen sie sich in der Überlieferung der alten Fragmente aber nur in Strophen, die nicht in G enthalten sind: in der HM-Strophe 3 0 b und in den M-Strophen 7 3 b - 7 3 d . Wahrscheinlich ist ein Zäsurreim auch in der HM-Strophe 30a gewollt (hier von einigen Herausgebern seit Lachmann und Stutz [S. 4 6 2 ] zugunsten eines schlankeren Abverses durch Zäsur nach sol in Vers 1 vermieden). In G ist die Ansetzung eines Zäsurreims lediglich für Str. 123 diskutabel (under'.wunder - s.u.). In anderen Fällen enthalten die Verse zwar potentielle Reimwörter, doch erlaubt es die Verteilung des Wortmaterials nicht, Reime anzusetzen: so in 2 9 a (nur H: veterltir.schrin, im J T als Reim), 6 0 (H: miclr.dich, G abweichend), 6 3 (nur G: karr.man), 7 3 a (nur M: nam'.stam, im J T als Reim) und 103 (GM: vürstinne:minne). Stammten einige dieser Zäsurreime tatsächlich von Wolfram, wären sie nicht mehr als ein sporadisch angebrachter Schmuck. Im J T wirken die Zäsurreime dagegen systematisch darauf hin, daß der Bau der Strophe durchsichtig bzw. hörbar wird.
In der Fassung des J T hat die Strophe den folgenden Grundriß: 4kl (v) a: 4kl b 4kl (v) a: 6kl b 6kl c 4kl (v):
6kl c
Abgesehen von den Zäsurreimen, fügt sich der überlieferte Text der alten Fragmente im großen und ganzen diesem Modell. Die meisten Verse lassen sich mit seiner Hilfe interpretieren, wenn man bereit ist, in größerem Umfang Senkungssynkopen und mehrsilbige Senkungen im Verseingang (Auftakt) und im Versinnern zu akzeptieren. Doch ist grundsätzlich mit Abweichungen zu rechnen. S o scheinen manche Verse um eine Hebung kürzer zu sein, als das Modell vorsieht (Dreiheber in den Anversen, Drei- und Fünfheber in den Abversen), z.B.: 28,1 G
Do Tämpunteire
8.1 G
Du hast bi dinen ziten
schiltes
113,1
Ich vär uf einem wage
eine wile
stärp
und Kärideiz der kläre ämbet
3.2 G
und ob der minnen süeze
5,2 G
daz imer kiusche
37,4 G 42,4 G
so hohen pris erwärp bi siner zit nie einer noch der er wärt iedoch in herzen not geslozzen von Sigunen
ie säelden kraft an mir
und stäet ekelt dem herzen
begienge
nähet änder minne
Man kann diese An- und Abverse als unterfüllte (in Heuslers Terminologie >stumpfe< oder >überstumpfevon Pelrapeire< nannte. Er bat, seine kleine Tochter damit zu belehnen. Er verzichtete auf Schwert, Helm und Schild.
13
Erstes Fragment
14
[Η 29]
Η 27
Sigüne wart daz kint genant in der toufe, die ir vater Kiöt het vergolten mit vil tiurem koufe, wan er wart ir muoter durch si äne. die sich der gräl ie zem ersten tragen lie, daz was Tschiostäne.
Η 28
Der vürste het sin lant von Tampuntiere, sinem bruoder, dem künige, den man hiez >von Pelrapiereüz der starken Β erbester aus dem starken Berbester< nannte. Selber hieß er Tschionatulander. So hohen Ruhm erwarb zu seinen Zeiten nie ein anderer.
Μ 11
Ein teil wil ich iu des kindes ... benennen sin ... der hiez Gurnamanz von ... künde ouch isen zetrennen des pflac ... maneger hurte sin vater hiez Gurzegri... durch Tschoi de la kurte
Μ 12
Mohute hiez sin muoter Ehkunates ... des riehen pfalnzgräven ... hiez üz der starken Berbester selbe hiez er Schoinatulander so höhen piis erwarp nie bi siner zit... ander Μ 12,2
prebester.
G36-G37 Erstes Fragment
36 G 36 La 4i JT 704
37 G 37 La 42 JT 705
Ein teil ich wil des kindes art iu benennen. sin ane was von Gräharz Gurnomanz, künde isen zetrennen. des pflac er zer tjost mit manger hurte. sin vater was genant Gurzgri. der lac tot umbe Schoi de la kurte. Mahute hiez sin muoter, Ehkunates swester, des riehen pfalenzgräven, den man da nante >üz der starken Berbesteraus dem starken Berbester< nannte. Selber hieß er Schoinatulander. So hohen Ruhm erwarb zu seiner Zeit nie ein anderer.
29
Erstes Fragment H48-H49, M13-M14
30 Η 48
Daz ich des werden Gurzgrien sun niht benande vor der maget Sigünen, daz was des schult, daz man ir muoter sande üz der pflege von dem reinen gräle. ir geburt si zucket noch her vür und ir künne, daz lieht gemäle.
Η 49
Alle gräles diet, daz sint die erweiten, immer saelic hie und dort, an den staeten piis die gezelten. nü was ouch Sigüne des selben sämen, der üz von Montsalvätsch wart in die werlt gesaet, den da sit die heilhaften nämen.
Η 48,2 Η 49,2 Η 49,3 Η 49,4
zigaunen. erweiten. Sugaune. üz] vnns. gesaet] gesait. heilhaften] halhafften.
Η 48
Daß ich den Sohn des edlen Gurzgri nicht vor dem Mädchen Sigune nannte, hatte seinen Grund darin, daß man ihre Mutter aus dem Dienst vom reinen Gral gesandt hatte. Ihre Geburt gibt ihr noch den Vorrang und ihr Geschlecht, das strahlend-schöne.
Η 49
Alle Leute vom Gral, das sind die Erwählten, immer selig hier und dort, zu denen gezählt, die unvergänglichen Ruhm besitzen. Nun war auch Sigune von diesem Samen, der von Montsalvatsch aus in die Welt gesät wurde, den dort dann die Glücklichen empfingen.
Μ 13
Daz ich des werden Gurzgrien ... benande ... der magt Sigünen diu ... ir muoter ... sande üz der pflege von dem ... ir höchgeburt... zucket her vür und ir künne ... gemäle
Μ 14
Al des gräles diet daz sint... imer saelec hie und dort in den staeten pris ... gezelten nü was ... Sigüne von dem selben sämen ... Muntsalvätsch ... wart gesaet den ... nämen
Μ 13,4 Μ 14,4
Vor zucket ist noch der Auslaut ch des vorhergehenden Wortes zu erkennen: ouch (wie G) oder noch (wie H)? Nach den Anfangsbuchstabe d des folgenden Worts zu erkennen: die (wie G) oder da (wie
H)?
G38-G39 Erstes Fragment
38 G 38 Daz ich des werden Gurzgrien sun niht benande La 43 vor der maget Sigünen diu genöz des: ir muoter man sande JT706 üz der pflege von dem reinen gräle. ir höchgeburt si zucket ouch her vür unde ir künne, daz lieht gemäle. 39 G 39 La 44 JT 707
Al des gräles diet, daz sint die erweiten, imer saelec hie und dort, in den staeten pns die gezelten. nü was Sigüne ouch von dem selben sämen, der üz von Muntsalvätsche in die werlt wart gesaet, den die heilhaften nämen.
G 39,2
staen.
G 38
Daß ich den Sohn des edlen Gurzgri nicht vor dem Mädchen Sigune nannte - die profitierte davon: man hatte ihre Mutter aus dem Dienst vom reinen Gral gesandt. Ihre hohe Geburt gibt ihr auch den Vorrang und ihr Geschlecht, das strahlend-schöne.
G 39
Alle Leute vom Gral, das sind die Erwählten, immer selig hier und dort, zu denen gezählt, die unvergänglichen Ruhm besitzen. Nun war Sigune auch von diesem Samen, der von Muntsalvatsche aus in die Welt gesät wurde, den die Glücklichen empfingen.
31
32
Erstes Fragment H50-H52, M15
Η 50
Swä des sämen iht wart bräht hin von dem lande, der muoste werden berhaft an prise, wan in viel ein schür üf die schände, da von Kanvoleiz verre ist bekennet. si wart in maniger zungen ie der getriuwen houbtstat genennet.
Η 51
Wol dir, Kanvoleiz, wie man sprichet dine staete von herzenlicher liebe, diu üf dir geschach niht ze spaete! minne huop sich da vruo an zweien kinden. al diu werlt möhte nie ir tumpheit dar under bevinden.
Η 52
Der stolze Gamuret dise kint bi ein ander in siner kemenäten zöch. Tschionatulander dannoch was niht starc an sinem sinne. er wart doch sit beslozzen in herzen nöt von Sigünen minne.
Η 51,2 Η 51,4
der. der.
Η 50
In welches Land auch immer etwas von diesem Samen gebracht wurde, der mußte Ruhmes-Früchte hervorbringen, denn ihnen fiel ein Hagelschauer auf die Schande. Dafür ist Kanvoleis weit bekannt. Es wurde in vielen Sprachen stets Hauptstadt der Treuen genannt.
Η 51
Wohl dir, Kanvoleis, wie rühmt man deine Treue wegen der innigen Liebe, die in dir nicht zu spät geschah! Liebe zeigte sich da früh an zwei Kindern. Die ganze Welt hätte nie ihre Torheit darin finden können.
Η 52
Der stolze Gamuret erzog persönlich diese Kinder zusammen. Tschionatulander war damals noch nicht verständig. Trotzdem wurde er dann in Fesseln der Herzensnot geschlagen von der Liebe zu Sigune.
Μ 15
... des sämen hin iht wart... dem lande ... werden berhaft an ... viel ein schür... die schände da von Kanvoleiz ... bekennen ... zungen der ... ge nenne η
Μ 15,4
genennen] möglich auch genennet.
G40-G42 Erstes Fragment
33
40 G 40 La 45 JT708
Swä des selben sämen hin wart bräht von dem lande, daz muose werden berhaft und in vil reht ein schür üf die schände, da von Kanvoleiz verre ist bekennet. si wart in manger zungen der triuwen houbetstat genennet.
41 G 41 La 46 JT 709
Owol dich, Kanvoleiz, und herzenliche liebe, minne huop sich vruo da diu ergie so lüterliche,
42 G 42 La 47 jT7io
Der stolze Gahmuret disiu kint mit ein ander in siner kemenäten zöch. dö Schoinatulander w a s dannoch niht starc an sinem sinne, er wart iedoch in herzen not geslozzen von Sigünen minne.
G 40,4 G 41,4 G 42,2
wie man sprichet dine staete diu üf dir geschach niht ze spaete! von zwein kinden. al diu werlt möht ir truopheit dar under niht vinden.
gennet. ergit. schoyinatulander.
G 40
In welches Land auch immer etwas von diesem Samen gebracht wurde, das mußte Früchte hervorbringen und ihnen ein rechter Hagelschauer auf die Schande sein. Dafür ist Kanvoleis weit bekannt. Es wurde in vielen Sprachen Hauptstadt der Treue genannt.
G 41
Wohl dir, Kanvoleis, wie rühmt man deine Treue und die innige Liebe, die in dir nicht zu spät geschah! Liebe zeigte sich da früh an zwei Kindern. Die war so rein, die ganze Welt hätte von ihrem Schmutz nichts darin finden können.
G 42
Der stolze Gachmuret erzog persönlich diese Kinder miteinander. Als Schoinatulander damals noch nicht verständig war, wurde er trotzdem in Fesseln der Herzensnot geschlagen von der Liebe zu Sigune.
Erstes Fragment
34
Η 53
Owe des, si sint noch ze tump ze solcher angest. swä minne wirt begriffen in der jugent, diu weret aller langest, ob daz alter minne sich geloubet, dannoch wont diu jugent in ir banden, minne ist an kreften unberoubet.
Η 54
Owe, minne, waz touc din kraft under kinder? einer, der niht ougen hete, der möhte dich spüren, ob er gienge blinder, minne, dü bist alze maniger slahte. alle schribaer künden niht erschriben der dinen wunder art und din ahte.
Η 55
Sit man den rehten münich in der minne und den wären klüsner wol beswert, sint gehörsam ir sinne, daz si leistent manigiu dinc, doch küme diu minne twinget ritter under helme. diu minne ist vil enge an ir rüme.
Η 56
Minne hat begriffen daz smal und daz breite. minne hat hie üf erde hüs und ze himel ist reine vür got ir geleite. diu minne ist allenthalben wan ze helle. diu starke minne erlamt an ir kreften, ist zwivel mit wanke ir geselle.
Η 53,4 Η 55,3 Η 56,3
H53-H56
der. maniger. der.
Η 53
Ach, sie sind noch zu unerfahren für solche Bedrängnis. Wo die Liebe in der Jugend ergriffen wird, da währt sie am längsten. Wenn das Alter auf Liebe verzichtet, bleibt die Jugend noch in ihren Fesseln, ist Liebe an Kräften nicht beraubt.
Η 54
Ach, Liebe, wie paßt deine Kraft zu Kindern? Einer, der keine Augen hätte, der könnte dich spüren, wenn er als Blinder umherginge. Liebe, du bist zu vielfältig. Alle Schreiber könnten die Art deiner Wunder und dein Wesen nicht voll beschreiben.
Η 55
Da man den rechten Mönch und auch den wahren Klausner >bei der Liebe< mit Erfolg beschwört, wenn sie gehorsam sind, so daß sie vieles leisten, wenn auch mit Mühe die Liebe bezwingt Ritter unterm Helm. Die Liebe ist sehr beengt an ihrem Raum.
Η 56
Liebe umfängt das Schmale und das Breite. Liebe ist hier auf der Erde zuhause und im Himmel geleitet sie herrlich zu Gott. Die Liebe ist überall, nur nicht in der Hölle. Die starke Liebe erlahmt an ihren Kräften, gesellen sich Zweifel und Wankelmut zu ihr.
G43-G46 Erstes Fragment
43 G 43 La 48 JT 711
44 G 44 La 49 JT 712
45 G 45 La 50 JT 713
46 G 46 La 5i 17114
Owe des, si sint noch ze tump ze solcher angest, wan swä diu minne in der jugent begriffen wirt, diu wert aller langest, ob daz alter minnen sich geloubet, dannoch diu jugent wont in der minnen bant, minne ist krefte unberoubet. Owe, minne, waz touc dm kraft under kinder, wan einer, der niht ougen hat, der möhte dich spehen wärer blinder? minne, du bist alze manger slahte. gar alle schrfbaere künden nimer volschriben din art noch din ahte. Sit daz man den rehten münch in der minne und ouch den wären klosenaere wol beswert, sint gehörsam ir sinne, daz si leistent mangiu dinc, doch küme minne twinget riter under helme. minne ist vil enge an ir rüme. Diu minne hat begriffen daz smal und daz breite. minne hät üf erde und üf himele vür got geleite. minne ist allenthalben wan ze helle. diu starke minne erlamet an ir krefte, wirt der zwivel mit wanke ir geselle.
G 43,1 G 44,2
si fehlt. ze solcher] zes zesolher. eine.
G 43
Ach, sie sind noch zu unerfahren für solche Bedrängnis, doch wo die Liebe in der Jugend ergriffen wird, da währt sie am längsten. Wenn das Alter auf Liebe verzichtet, bleibt die Jugend noch in der Fessel der Liebe, ist Liebe ihrer Kraft nicht beraubt.
G 44
Ach, Liebe, wie paßt deine Kraft zu Kindern, wo dich selbst einer, der keine Augen hat, als wirklich Blinder erspähen könnte? Liebe, du bist zu vielfaltig. Alle Schreiber der Welt könnten dein Wesen nicht voll beschreiben.
G 45
Da man den rechten Mönch und auch den wahren Klausner >bei der Liebe< mit Erfolg beschwört, wenn sie gehorsam sind, so daß sie vieles leisten, wenn auch mit Mühe Liebe bezwingt Ritter unterm Helm. Liebe ist sehr beengt an ihrem Raum.
G 46
Die Liebe umfängt das Schmale und das Breite. Liebe hat auf der Erde und im Himmel das Recht, zu Gott zu geleiten. Liebe ist überall, nur nicht in der Hölle. Die starke Liebe erlahmt an ihrer Kraft, gesellen sich Zweifel und Wankelmut zu ihr.
35
Erstes Fragment
36
Η 57
Ä n e w a n e und an
H57-H15
z w i v e l , diu b e i d e ,
w a s diu m a g e t S i g ü n e
u n d Tschionatulander mit leide,
da w a s diu starke l i e b e z u o g e m e n g e t . i c h saget iu v o n ir k i n t l i c h e n Η 13
Ir s c h a m l i c h e zuht
u n d diu art ir g e s l e h t e s
(si w ä r e n ü z lüterlicher
Η 14
m i n n e erborn) diu t w a n c si ir rehtes:
d a z si ü z e n tougenlich
ir minne
an iren klären l i b e n
u n d inne an d e n h e r z e n
Tschionatulander
bi i m e n b ö t d e m w e r d e n d i e warp er und want Tschionatulander
hälen verquälen.
m o h t w o l sin w i s e
von maniger süezen botschaft,
Η 15
m i n n e Wunders vil, w a n d a z e z s i c h lenget.
die Franzoser künigin Anpflise
Anschevine. vil d i c k e ir s e n e d e not. nü w e n d e o u c h d i e sine!
vil o f t wart d e s i n n e n
u m b s i n e n o e h e i m Gamuret,
w i e w o l er k ü n d e sprechen
mit sinnen
und w i e er s i c h v o n k u m b e r k ü n d e s c h e i d e n . d e s j ä h e n i m h i e vil der t o u f b a e m diet.
Η Η Η Η Η Η Η
13fr. 13,1 13,2 13,3 13,4 14,3 15,2
a l s a m täten dort d i e heiden.
Vgl. App. zu Η12-18 (S. 8). der. der. tougenlich ir minne hälen (JT ABD54) verqualten. Ensweine. sprechen] sprechn künde.
fehlt.
Η 57
Ohne Wankelmut und Zweifel, die beiden, waren das Mädchen Sigune und Tschionatulander, voll Leid. Dazu war große Freude gemengt. Ich könnte euch von ihrer kindlichen Liebe viel Wunderbares erzählen, aber es wird zu lang.
Η 13
Ihre anerzogene Scham und ihre ererbte Natur (sie waren aus reiner Liebe geboren) zwangen sie zu dem, was ihnen zukam: daß sie nach außen in Heimlichkeit ihre Liebe verbargen an ihren schönen Körpern und innen in den Herzen vor Qual vergingen.
Η 14
Tschionatulander war sehr erfahren durch viele süße Botschaften, die der Franzosen Königin Anpflise durch ihn dem edlen Anschevin gesandt hatte. Die hatte er ausgerichtet und ihnen sehr oft ihre Liebesnot genommen. Jetzt möge er auch ihm die seine [nehmen!
Η 15
Tschionatulander hatte oft an seinem Vetter Gamuret bemerkt, wie klug er reden konnte und wie er sich von Kummer befreien konnte. Das bescheinigten ihm hier viele Christen. Dasselbe taten dort die Heiden.
G47-G49
47 La 52 JT715
Erstes Fragment
37
G 47 Äne wane und äne zwivel, diu beide, was diu maget Sigüne, Schoinatulander, mit leide, gröziu liebe was dar zuo gemenget. ich seit iu von ir kintlicher
minne vil wunders, wan daz ez sich lenget.
47a [G -] La 53 JT7I6
48 La 54 JT 717
G 48 Schoinatulander moht ouch sin wise von manger süezen botschaft, die diu Franzoise kiingin Anpfli.se tougenliche enbot dem Anschevine. die erwarp er und wände in
vil dicke ir sorge, nu wende ouch die sine!
49 G 49 La 55 JT 718
Schoinatulander
vil dicke wart innen,
wie siner muomen sun Gahmuret künde sprechen mit manlichen sinnen unde wie sich der von kumber künde scheiden, des jach im vil der tiuschen diet. als taeten ouch die werden heiden.
G 49,2 G 49,4
Gahmiret. taen.
G 47
Ohne Wankelmut und Zweifel, die beiden, waren das Mädchen Sigune, Schoinatulander, voll Leid. Dazu war große Freude gemengt. Ich könnte euch von ihrer kindlichen Liebe viel Wunderbares erzählen, aber es wird zu lang.
G 48
Schoinatulander war auch erfahren durch viele süße Botschaften, die der Franzosen Königin Anpflise heimlich dem Anschevin gesandt hatte. Die hatte er ausgerichtet und ihnen sehr oft ihre Sorge genommen. Jetzt möge er auch ihm die seine [nehmen!
G 49
Schoinatulander hatte oft bemerkt, wie seiner Tante Sohn Gachmuret männlich klug reden konnte und wie der sich von Kummer befreien konnte. Das bescheinigten ihm viele Deutsche. Dasselbe taten auch die edlen Heiden.
38
Erstes Fragment
H16-H60
Η 16
Alle, die minne pflegent und minne an sich leiten, die hoeren von magtlicher sorge und von manlichen arbeiten, da von ich iu arbeite künde dem rehten wolgemuoten, der durch liebe ie senende not bevünde.
Η 58 (17)
Der süeze Tschionatulander genante. alle sin genendekeit mit grözer sorge in küme gemante. dö sprach er: »Sigüne, hilfriche, nü hilf mir, süeze maget, üz den sorgen, so tuost dü hilfeliche!
Η 59
Duzisse üz Katelangen, lä mich geniezen ich hoere sagen, dü sist erboren von der art, die nie künde verdriezen, si waeren wol gehilflich mit ir lone, t die ie kumerliche not durch si genäde würbe t des selben an mir schone!«
Η 60
»Beds amis, schoener vriunt, sprich, waz du meinest! lä hoeren, ob dü mit zühten dich des willen gegen mir so vereinest, daz din klagende bete müge vervähen! dü wizzest reht ein wärheit, so solt dü dich gegen mir niht vergähen.«
Η 16,1 Η 58 Η 60,1
phlegen. Die ersten beiden Zeilen auch als Str. 17 (vgl. Komm, zu 13ff. - Abweichungen in der Dokumentation S.2II). Beafamis.
Η 16
Alle, die lieben und Liebe auf sich nahmen, die mögen jetzt von der Sorge eines Mädchens und von Mannhaftigkeit in Not hören! Davon erzähle ich euch Qualen und zwar dem wahren Wohlgesonnenen, der je durch Liebe schmerzliches Begehren erfuhr.
Η 58
Der schöne Tschionatulander faßte Mut. Seine ganze Kühnheit brachte ihn mit großer Sorge mühsam dazu. Da sagte er: »Sigune, Hilfreiche, nun hilf mir, liebes Mädchen, aus den Sorgen, dann handelst du hilfreich!
Η 59
Duchesse aus Katelangen, laß mir zugute kommen ich höre sagen, du stammtest von Leuten ab, die niemals zögerten, volle Entschädigung zu leisten [...] Verspiele das nicht an mir!«
Η 60
»Bei ami, lieber Freund, sag, was du willst! Laß hören, ob deine Absicht, der Sitte entsprechend, von der Art ist, daß deine klagende Bitte Erfolg haben kann! Weißt du das nicht genau, dann übereil dich nicht mir gegenüber!«
G50-G52
39
Erstes Fragment
[G 53]
50 G 50 La 57 JT 720
Der süeze Schoinatulander genante, als sin gesellekeit in sorgen manecvalt in küme gemante. do sprach er: »Sigüne, helferiche, nü hilf mir, werdiu maget,
üz den sorgen, so tuostü helfecliche!
51 G 51 La 58 JT721
52 G 52 La 59 JT 722
Duzisse üz Katelangen,
lä mich geniezen -
ich hoere sagen, dü sist erboren von der art, die nie künde verdriezen, sine waeren helfec mit ir lone, swer durch si kumberllche not enpfie. diner saelden an mir schone!« »Beäs amis, nü sprich, schoener vriunt, waz du meinest! lä mich hoeren, obe dü dich des willen gein mir so vereinest, daz din klagendiu bet iht müge vervähen! düne wizzest es vil rehte die wärheit, söne soltü dich niht vergähen.«
G 52,4
vervahen.
G 50
Der schöne Schoinatulander faßte Mut, das Beisammensein brachte ihn unter vielen Sorgen mühsam dazu. Da sagte er: »Sigune, Hilfreiche, nun hilf mir, edles Mädchen, aus den Sorgen, dann handelst du hilfreich!
G 51
Duchesse aus Katelangen, laß mir zugute kommen ich höre sagen, du stammtest von Leuten ab, die niemals zögerten, Entschädigung zu leisten, wenn jemand durch sie Kummer und Not erlitt. Verspiele nicht dein Heil an mir!
G 52
»Bei ami, nun sag, lieber Freund, was du willst! Laß mich hören, ob deine Absicht von der Art ist, daß deine klagende Bitte Erfolg haben kann! Weißt du das nicht genau, dann übereil dich nicht!«
40
Erstes Fragment
H61-H63
[Η 16]
Η 61
»Swä genäde wonet, da sol man si suochen. vrou, ich beger genäde an dich. des solt dü durch din güete geruochen. werde gesellikeit diu stet wol den kinden. swä rehte gnäd nie gewan ze tuonne, wer mac si da vinden?«
Η 62
Si sprach: »dü solt din truren durch troesten da künden, da man dir baz gehelfen müge dan ich. anders dü kanst dich versünden, ob dü gerest, daz ich dir kumber wende, wan ich bin reht ein weise, miner mäge, landes und liute eilende.«
Η 63
»Ich weiz wol, dü bist landes und liut gröze vrouwe. des beger ich alles niht, wan daz din herze durch diu ougen mich anschouwe, also daz ez den kumber min bedenke. tuo der minne ir reht, e diu minne uns beiden die sinne verkrenke!«
Η 61,4 Η 63,4
Rüeme. der.
Η 61
»Wo Gnade wohnt, da soll man sie suchen. Herrin, ich begehre Gnade von dir. Darauf sollst du um deiner Güte willen eingehen. Edle Freundschaft die ziemt sich für Kinder. Wo rechte Gnade nie etwas zu tun bekam, wer kann sie da finden?«
Η 62
Sie sagte: »Um Hilfe zu bekommen, sollst du dein Leid dort melden, wo man dir besser helfen könnte als ich. Sonst tust du unrecht, wenn du begehrst, daß ich dir Kummer nehme, denn ich bin eine wahre Waise, fern von meinen Verwandten, dem Land und den Leuten.«
Η 63
»Ich weiß genau, du bist an Land und an Leuten eine große Herrin. Von all dem begehre ich nichts, sondern nur, daß mich dein Herz so durch die Augen ansieht, daß es sich meines Kummers annimmt. Tu, was die Liebe fordert, bevor die Liebe uns beide um den Verstand bringt!«
G53-G56
53 G 53 La 56 JT719
54 G 54 La 60 JT 723
55 G 55 La 61 JT724
56 G 56 La 62 JT 725
Erstes Fragment
Alle, die minne pflägen und minne an sich leiten, nu hoeret magetliche sorge und manheit mit den arbeiten! da von ich wil äventiure künden den rehten, die durch herzeliebe ie senende not erfünden. »Swä genäde wonet, da sol man si suochen. vrouwe, ich ger genäden. des solt du durch dine genäde geruochen. werdiu gesellekeit stet wol den kinden. swä rehtiu genäde nie niht gewan ze tuonne, wer mac si da vinden?« Si sprach: »dü solt trüren durch troesten da künden, da man dir baz helfen mac, danne ich möhte. anders dü kanst dich sünden, ob dü gerst, daz ich dir kumber wende, wan ich bin reht ein weise, aller mäge und der liute mines landes eilende.« »Ich weiz wol, dü bist landes und liute groz vrouwe. des enger ich alles niht, wan daz mich din herze dur din ouge schouwe, also daz ez den kumber min bedenke. nu hilf mir schiere, e daz din minne min herze und die vreude verkrenke!«
G 55,2
ich fehlt.
G 53
Ihr alle, die ihr liebtet u n d L i e b e auf e u c h n a h m t , hört jetzt v o n d e r Sorge eines M ä d c h e n s und v o n M a n n h a f t i g k e i t in Not! D a v o n will ich e i n e G e s c h i c h t e e r z ä h l e n den R e c h t e n , die j e d u r c h tiefe L i e b e s c h m e r z l i c h e s B e g e h r e n e r f u h r e n .
G 54
» W o G n a d e w o h n t , d a soll m a n sie s u c h e n . Herrin, ich b e g e h r e G n a d e . Darauf sollst du u m d e i n e r G n ä d i g k e i t willen e i n g e h e n . Edle F r e u n d s c h a f t ziemt sich f ü r Kinder. W o rechte G n a d e nie e t w a s zu tun b e k a m , w e r k a n n sie d a finden?«
G 55
Sie sagte: » U m H i l f e zu b e k o m m e n , sollst du Leid dort m e l d e n , w o m a n dir b e s s e r h e l f e n k a n n , als ich es k ö n n t e . Sonst tust du unrecht, w e n n du begehrst, d a ß ich dir K u m m e r n e h m e , d e n n ich bin eine w a h r e Waise, f e m v o n allen Verwandten und d e n Leuten m e i n e s L a n d e s . «
G 56
»Ich w e i ß genau, d u bist an L a n d und an Leuten eine g r o ß e Herrin. Von all d e m b e g e h r e ich nichts, s o n d e r n nur, d a ß m i c h dein Herz so d u r c h dein A u g e ansieht, d a ß e s sich m e i n e s K u m m e r s a n n i m m t . N u n hilf m i r b a l d , b e v o r die L i e b e zu dir m e i n H e r z und d a s G l ü c k vernichtet!«
41
42
Erstes Fragment
H64-H67
Η 64
»Swer so minne hat, daz sin minne ist gewaere gegen einem also lieben vriunde, als du mir bist, der mac wol leben äne swaere. wirt aber von mir genant immer minne, got weiz wol, daz ich niht erkenne weder minnen verlust noch ir gewinne.
Η 65
Ist minne ein si oder ein er? maht dü mir minne bediuten? und ist minne ein si, kumt mir minne, wie sol ich si triuten? muoz ich si behalten bi den tocken? vliugt minne ungern üf die hant durch die wilde? ich kan minne wol locken.«
Η 66
»Vrou, ich hän vernomen von vrouwen und von mannen, minne kan den jungen, den alten so schuzlichen spannen, daz si mit gedanken sere schiuzet. si triffet äne wenken, daz loufet, kriuchet, vliuget oder vliuzet.
Η 67
Do erkantest dü, süeze maget, minne wol von maeren. minne ist an gedanken. daz mac ich wol mit mir selben bewaeren. des betwinget si diu starke liebe. minne stilt üz minem herzen vreude und kläre varwe, ez entöhte einem diebe.«
Η Η Η Η Η Η
64,4 65,2 65,3 67,1 67,3 67,4
meinen. ich fehlt. si fehlt. mage. es. entaugt.
Η 64
»Wenn jemand so liebt, daß seine Liebe aufrichtig ist gegenüber einem so lieben Freund, wie du mir bist, dann kann dieser ohne Beschwernis leben. Doch wenn ich auch von Liebe rede, Gott weiß genau, daß ich weder den Verlust noch den Gewinn kenne, die die Liebe bringt.
Η 65
Ist Liebe eine Sie oder ein Er? Kannst du mir Liebe erklären? Und ist Liebe eine Sie, wenn Liebe zu mir kommt, wie soll ich freundlich zu ihr sein? Muß ich sie bei den Puppen aufbewahren? Will Liebe nicht auf die Hand fliegen, weil sie nicht zahm ist? Ich kann Liebe gut locken.«
Η 66
»Herrin, ich habe von Frauen und von Männern gehört, daß Liebe auf Junge, auf Alte den Bogen so zielgenau spannen kann, daß sie mit Gedanken Wunden schießt. Sie trifft unfehlbar alles, was läuft, kriecht, fliegt oder schwimmt.
Η 67
Du hast, liebes Mädchen, Liebe vom Hörensagen kennengelernt. Liebe ist in Gedanken. Das kann ich jetzt mit mir selbst beweisen. Dazu zwingt sie die starke Zuneigung. Liebe stiehlt Freude aus meinem Herzen und frisches Aussehen, es schickte sich nicht einmal für [einen Dieb.«
G57-G59 Erstes Fragment 57 G 57 La 63 jt 726/27
43
»Swer so minne hat, daz sin minne ist gevaere deheinem als lieben vriunt, als du mir bist, daz wort im gebaere w j r t v o n m j r n i m e r benennet >minneLiebegehundetbeleintBluome diu wilde