Thermodynamik – Verstehen durch Üben: Band 2 Wärmeübertragung 9783110411294

Similar to Volume 1 Energy Theory, the second volume Heat Transfer focuses on deepening understanding through the power

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German Pages 278 Year 2017

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung
1.1 Rechnen mit physikalischen Größen
1.2 Hinweise für das Lösen von Aufgaben
1.3 Grundmechanismen bei der Wärmeübertragung
1.4 Wärmestrom und Wärmestromdichte
1.5 Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen
1.5.1 Dichte und Volumenausdehnung
1.5.2 Spezifische Wärmekapazität und Enthalpie
1.5.3 Viskosität
1.5.4 Wärmeleitfähigkeit
1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen
2. Wärmeleitung in Feststoffen
2.1 Fourier'sches Gesetz der Wärmeleitung
2.2 Fourier'sche Differentialgleichung für das Temperaturfeld
2.3 Berechnung stationärer Wärmeleitvorgänge
2.3.1 Die mathematische Beschreibung stationärer Wärmeleitprobleme
2.3.2 Eindimensionale, stationäre Wärmeleitung
2.3.3 Zweidimensionale stationäre Wärmeleitung
2.3.4 Stationäre Wärmeleitung durch mehrschichtige Wände
2.3.5 Stationäre Wärmeleitung in einer Rippe an der ebenen Wand
2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung
2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge
2.5.1 Analytische Lösungen für ebene Wand, Zylinder und Kugel
2.5.2 Instationäre Wärmeleitung in halbunendlicher Wand
2.5.3 Berührungstemperatur bei thermisch idealem Kontakt
2.5.4 Sprungantwort einer Blockkapazität
2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung
3. Wärmeübergang durch Konvektion
3.1 Physik des konvektiven Wärmeübergangs
3.2 Dimensionslose Kennzahlen für den konvektiven Wärmeübergang
3.3 Korrelationen für den Wärmeübergang
3.3.1 Freie Konvektion
3.3.2 Erzwungene Konvektion
3.3.3 Mischkonvektion
3.3.4 Wärmeübergang bei Verdampfung und Kondensation
3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang
4. Wärmedurchgang
4.1 Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten
4.2 Größenordnungen für Wärmedurchgangskoeffizienten
4.3 Ermittlung wirtschaftlicher Isolierdicken
4.4 Verstehen durch Üben: Wärmedurchgang
5. Wärmestrahlung
5.1 Einführung in die phänomenologische Beschreibung
5.2 Strahlung schwarzer Oberflächen
5.3 Emission und Absorption grauer und realer Flächen
5.4 Strahlungsaustausch zwischen festen Körpern
5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung
6. Kombiniertes Auftreten von Wärmetransportmechanismen
7. Anhang
7.1 Verzeichnis der Aufgaben
7.2 Verzeichnis der Abbildungen
7.3 Verzeichnis der Formelzeichen
7.4 Maßeinheiten
7.5 Tafeln mathematischer Funktionen
7.6 Thermophysikalische Stoffeigenschaften
7.7 Emissionsverhältnisse für ausgewählte Oberflächen
7.8 Strahlungsfunktion des schwarzen Körpers
Literatur
Index
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Thermodynamik – Verstehen durch Üben: Band 2 Wärmeübertragung
 9783110411294

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Michael Seidel Thermodynamik – Verstehen durch Üben De Gruyter Studium

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Michael Seidel

Thermodynamik – Verstehen durch Üben | Band 2: Wärmeübertragung

Autor Prof. Dr. Michael Seidel Rheinische Fachhochschule Köln [email protected]

ISBN 978-3-11-041124-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041129-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042386-0

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: xtrekx/iStock/thinkstock Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Ingenieure nutzen bei der phänomenologischen Analyse von Wärmeübertragungsaufgaben eine speziell auf das Fach zugeschnittene methodische Basis, die sich an vielen Stellen auf abstrakte Gleichungen mit dimensionslosen Kennzahlen stützt. Beim Erlernen wird genau das wegen einer zunächst verloren geglaubten Anschaulichkeit als sehr schwierig empfunden. Einmal mit dieser Arbeitsweise durch das selbständige Lösen erster kleiner Aufgaben vertraut, erkennt man die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und die Vorteilhaftigkeit dieses Vorgehens aber von ganz allein. Dieses Buch beschränkt sich nicht auf die Beschreibung von Zusammenhängen durch Größengleichungen, sondern arbeitet gleichfalls mit Zahlenwerten sowie Maßeinheiten und setzt damit auf Fertigkeiten, die im Berufsalltag des Ingenieurs eine große Rolle spielen, in der Ausbildung heute aber leider manchmal vernachlässigt werden. Der Leser findet hier deshalb nicht nur eine effiziente Vorbereitung auf anstehende Klausuren, sondern am Beispiel der Wärmeübertragung auch zahlreiche Hinweise, die nützlich für den Einstieg des Jungingenieurs in den Beruf sind. Zur praktischen Anwendung des Lehrstoffes benötigt man schließlich noch Tafelwerte spezieller mathematische Funktionen und Werte zu physikalischen Stoffeigenschaften, für die im Anhang eine erste Auswahl zusammengestellt wurde. Theorie ohne Praxis führt bald zum Irrtum, Praxis ohne Theorie ist auf den glücklichen Zufall angewiesen. Eine zielgerichtete günstige Beeinflussung unseres Lebensumfeldes, enthusiastischer formuliert, die Verbesserung der Welt, macht die Faszination des Ingenieurberufs aus und gelingt nur in der festen Verbindung von Theorie und Praxis. Mit dem Ansatz „Verstehen durch Üben“ soll dies mit zwei Zielen schon fester Bestandteil im Studium werden. Eng an häufig wiederkehrende Fallkonstellationen orientiert soll erstens das Gefühl für Größenordnungen sowie die Intuition für ein effektives Vorgehen bei der Lösung geschult werden. Zweitens ist selbstkritisch zu prüfen, inwieweit die mathematisch abstrakte Theorie und die fachlichen Zusammenhänge tatsächlich so verstanden wurden, dass sie zur Lösung praktischer Fragestellungen abrufbar sind. Die konkreten Aufgaben erleichtern bei der vertiefenden Begleitung von Vorlesungen im Maschinenbau, im Bauwesen sowie in der Verfahrenstechnik den Erwerb einer fachgebietsübergreifenden Kompetenz. Dies ist auch nach dem Studium bei der Weiterbildung von Ingenieuren oder Wärmetechnikern hilfreich, denn so entsteht aus erfolgreicher Anregung für die Bearbeitung spezieller Probleme die gewinnbringende Motivation, Qualität und Energieeffizienz in vielen Bereichen noch weiter zu steigern. Ein induktives Vorgehen, bei dem mit speziellen Beispielen ein allgemein gültiges Gesetz abgeleitet wird, spricht einen großen Zuhörerkreis an, weil man so – je nach Grad der Vorkenntnisse – auf kürzestem Wege zur wirklichkeitsnahen, aber mathematisch oft anspruchsvollen Analyse findet. Erregen interessante Erscheinungen die Aufmerksamkeit eines Studierenden, entfacht sich der Antrieb zum tieferen Eindringen in die dafür relevanten Gesetzmäßigkeiten fast von selbst. Ein engagierter Hochschullehrer kann diese Situation nutzen, um den Studierenden eine innigere Teilhabe am betreffenden Fachgebiet zu ermögliDOI 10.1515/9783110411294-001

VI

Vorwort

chen. Element für Element wird analysiert, differenziert und schließlich zu einer neuen Ordnung zusammengeführt, die sich – ganz nach betriebenem Aufwand und persönlicher Neigung – mit mehr oder weniger Zufriedenheit überblicken lässt. Die Berufspraxis fordert vom Ingenieur aber oft das umgekehrte, deduktive Vorgehen: Ein allgemeines Gesetz wird nach Maßgabe des konkreten Falles spezifiziert. Oft erreicht man dabei Vereinfachungen, die die Lösung erleichtern. Für Leser ganz unterschiedlicher Herkunft muss man sich aber dem Anspruch stellen, beide Herangehensweisen zu unterstützen. Die passend ausgesuchten und detailliert dargestellten Lösungen einzelner Fragestellungen führen Schritt für Schritt zum Verständnis der allgemeinen Gesetze der Wärmeübertragung. Andererseits kann die Auseinandersetzung mit dem kompakt dargestellten Lehrbuchwissen ausgewählter Themenbereiche der Wärmeübertragung die Fähigkeit schulen, komplexe Fragestellungen im Kontext konkreter technischer Herausforderungen des Wärmetransportes in überschaubare und im besten Fall mit elementaren Mitteln lösbare Teilaufgaben aufzuspalten. Ein interessanter Aspekt ist die Übertragbarkeit der hier demonstrierten mathematischen Methoden auf die Lösung von Aufgaben in anderen Fachgebieten. Die Lösungen der Differentialgleichungen zur Wärmeleitung sind bekanntlich bei Nutzung entsprechender Analogien geeignet, Sickerströmungen oder elektrodynamische Felder zu analysieren. Einige anerkannte Lehrbücher stellen diese Analogien ausführlich vor. Insbesondere Probleme der Stoffübertragung (Diffusion mit ersten und zweiten Fickschen1 Gesetz) werden aus der Perspektive der Mathematik parallel abgehandelt. Für die Interpretation der Ergebnisse praxisnaher Rechenaufgaben werden aber neben den mathematischen umfangreiche fachspezifische Kenntnisse benötigt. Natürlich sind bei den Differentialgleichungen für die Diffusion die Anfangs- und Randbedingungen nach den Erfordernissen des konkreten Problems auf der Basis des zugehörigen Fachwissens zu definieren. Deshalb wurde hier von einer entsprechenden Erörterung abgesehen im Vertrauen darauf, dass die gekonnte Handhabung des mathematischen Instrumentariums für die Wärmeübertragung eine gute Grundlage ist, sich schnell in die anderen Fachgebiete einzuarbeiten und durch analoges Anwenden des Wissens in diesen Bereichen leichter effiziente Lösungswege für Probleme zu finden. Dem Studenten Sascha Hein von der RFH Köln bin ich für die sorgfältige Umsetzung der Abbildungen in das vom Verlag geforderte elektronische Format zu besonderem Dank verpflichtet. Michael Seidel Rösrath, im Februar 2017

1

Adolph Fick (1829–1901), Professor für Physiologie in Zürich und Würzburg, entdeckte 1855 die Diffusionsgesetze.

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

1

Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

1

1.1

Rechnen mit physikalischen Größen.......................................................................... 1

1.2

Hinweise für das Lösen von Aufgaben ...................................................................... 4

1.3

Grundmechanismen bei der Wärmeübertragung........................................................ 5

1.4

Wärmestrom und Wärmestromdichte ........................................................................ 8

1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4

Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen .................................................... 10 Dichte und Volumenausdehnung.............................................................................. 11 Spezifische Wärmekapazität und Enthalpie ............................................................. 15 Viskosität ................................................................................................................. 16 Wärmeleitfähigkeit .................................................................................................. 17

1.6

Verstehen durch Üben: Grundlagen ......................................................................... 19

2

Wärmeleitung in Feststoffen

2.1

Fourierʼsches Gesetz der Wärmeleitung .................................................................. 35

2.2

Fourierʼsche Differentialgleichung für das Temperaturfeld ..................................... 37

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

Berechnung stationärer Wärmeleitvorgänge ............................................................ 43 Die mathematische Beschreibung stationärer Wärmeleitprobleme ......................... 43 Eindimensionale, stationäre Wärmeleitung ............................................................. 44 Zweidimensionale stationäre Wärmeleitung ............................................................ 48 Stationäre Wärmeleitung durch mehrschichtige Wände .......................................... 49 Stationäre Wärmeleitung in einer Rippe an der ebenen Wand ................................. 51

2.4

Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung .................................................... 56

2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4

Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge ......................................................... 87 Analytische Lösungen für ebene Wand, Zylinder und Kugel .................................. 89 Instationäre Wärmeleitung in halbunendlicher Wand .............................................. 91 Berührungstemperatur bei thermisch idealem Kontakt ............................................ 93 Sprungantwort einer Blockkapazität ........................................................................ 94

2.6

Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung ................................................. 99

3

Wärmeübergang durch Konvektion

3.1

Physik des konvektiven Wärmeübergangs ............................................................. 122

35

122

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.2

Dimensionslose Kennzahlen für den konvektiven Wärmeübergang ......................127

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4

Korrelationen für den Wärmeübergang ..................................................................131 Freie Konvektion ....................................................................................................133 Erzwungene Konvektion ........................................................................................136 Mischkonvektion ....................................................................................................140 Wärmeübergang bei Verdampfung und Kondensation ...........................................141

3.4

Verstehen durch Üben: Wärmeübergang ................................................................147

4

Wärmedurchgang

4.1

Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten ...................................................166

4.2

Größenordnungen für Wärmedurchgangskoeffizienten ..........................................171

4.3

Ermittlung wirtschaftlicher Isolierdicken ...............................................................173

4.4

Verstehen durch Üben: Wärmedurchgang ..............................................................175

5

Wärmestrahlung

5.1

Einführung in die phänomenologische Beschreibung ............................................198

5.2

Strahlung schwarzer Oberflächen ...........................................................................205

5.3

Emission und Absorption grauer und realer Flächen ..............................................210

5.4

Strahlungsaustausch zwischen festen Körpern .......................................................213

5.5

Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung ................................................................220

6

Kombiniertes Auftreten von Wärmetransportmechanismen

243

7

Anhang

245

7.1

Verzeichnis der Aufgaben .......................................................................................245

7.2

Verzeichnis der Abbildungen ..................................................................................248

7.3

Verzeichnis der Formelzeichen ...............................................................................251

7.4

Maßeinheiten ..........................................................................................................255

7.5

Tafeln mathematischer Funktionen .........................................................................257

7.6

Thermophysikalische Stoffeigenschaften ...............................................................259

7.7

Emissionsverhältnisse für ausgewählte Oberflächen ..............................................264

7.8

Strahlungsfunktion des schwarzen Körpers ............................................................266

166

198

Literatur

268

Index

269

1

Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

1.1

Rechnen mit physikalischen Größen

Alle wesentlichen Aussagen zu physikalischen Größen, Einheiten und Naturkonstanten, die für die Wärmeübertragung Bedeutung haben, sind in den Tabellen 7-1 bis 7-3 des Anhangs zusammengefasst. Naturgesetze gelten unabhängig davon, welche Formelzeichen für bestimmte Größen verwendet und in welchen Maßeinheiten diese Größen gemessen werden. Größengleichungen beschreiben ausschließlich die mathematischen Beziehungen zwischen den physikalischen Größen. So gilt zum Beispiel die Gleichung für den Umfang eines Kreises U aus dem Produkt doppelter Radius 2r und Kreiskonstante π losgelöst von speziellen Maßeinheiten. U = π ⋅ 2r

(1-1)

Bei der Messung einer physikalischen Größe2 wird diese in Vielfachen oder Teilen einer zugehörigen Maßeinheit ermittelt, sie besteht also immer aus einer quantitativen und qualitativen Komponente. In Größengleichungen sind die Größen demnach immer als Produkt von Zahlenwert und Maßeinheit einzusetzen. Zur Bestimmung des Erdumfangs mit (1-1) ist die Größe r einzusetzen, also der Erdradius rE als rE = {rE }⋅ [rE ] = 6.356.766 m . Man lässt das Multiplikationszeichen zwischen Zahlenwert und Maßeinheit weg, die Maßeinheit wird (im Unterschied zu den kursiven Formelzeichen) mit senkrecht stehenden Buchstaben geschrieben. Vorteil der Größengleichung ist, dass sie nicht vorschreiben, welche Einheiten zu verwenden sind, für die Rechnung können sogar – korrekte Umrechnung vorausgesetzt – Einheiten benutzt werden, die in der Aufgabenstellung gar nicht genannt wurden. Werden Größen wiederholt mit gleichen Einheiten benutzt, kann man auch auf zugeschnittene Größengleichungen zurückgreifen. Hier treten in der Gleichung stets die Quotienten aus Größe und ihrer Einheit auf, also praktisch Zahlenwerte wie zum Beispiel

2

t 5 t   t  =  − 32  =  − 32  ⋅ 1,8 °C 9  °F   °F 

(1-2a)

T  t  =  + 459,67  ⋅1,8 K  °F 

(1-2b)

Die Forderung nach der Messbarkeit einer physikalischen Größe als Charakteristikum geht auf Albert Einstein zurück.

DOI 10.1515/9783110411294-002

2

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Zahlenwertgleichungen stellen reine mathematische Verknüpfungen von Zahlenwerten dar, wie beispielsweise für die Ermittlung von Zahlenwerten der thermodynamischen Temperatur aus Zahlenwerten der Celsiustemperaturskala.

{T } = {t} + 273,15 {t} = {T } − 273,15

(1-3)

Die Maßeinheit einer abgeleiteten Größe folgt aus einer Einheitengleichung. Dabei werden die in einer Größengleichung vorkommenden Größen in eckige Klammern gesetzt und nur die entsprechenden Maßeinheiten betrachtet. So gewinnt man zum Beispiel die Maßeinheit für die Temperaturleitfähigkeit a über die entsprechende Einheitengleichung.

[a] = [λ ] = [ρ ]⋅ [c p ]

W/(m K) W ⋅ m2 m2 = = Ws s kg/m 3 ⋅ J/(kg K)

(1-4)

Die Zahlenwerte physikalischer Größen werden durch Messungen mit Geräten gewonnen, deren Anzeigen vom Menschen nur mit beschränkter Genauigkeit abgelesen werden können. Abgesehen von sehr seltenen Ausnahmen3 sind die Zahlenwerte von physikalischen Größen Dezimalzahlen mit beliebig vielen Ziffern, von denen aber praktisch nur eine endliche Zahl zuverlässig (sicher im Sinne von statistischen Auswertungen) bestimmt werden kann. Diese Anzahl von Ziffern nennt man signifikante Stellen der physikalischen Größe. Der Zahlenwert einer physikalischen Größe G wird in wissenschaftlicher Notation dargestellt als

{G} = A ⋅10b mit der Mantisse A ( 1 ≤ A ≤ 10 ) und dem Exponenten b

(1-5)

Die Ziffern der Mantisse A stellen die signifikanten Stellen des Zahlenwertes der physikalischen Größe dar. Alternativ kann man auch anstelle von 10b die Einheit der physikalischen Größe mit einer Vorsilbe der Tabelle 7-2 skalieren. Beispiele: Größe wissenschaftliche Notation Anzahl der signifikanten Ziffern –3 2 0,0037 m 3,7·10 m = 3,7 mm 2 100 ℓ 1,0·10 ℓ 1 (oft irrtümlich 3 angesetzt!) 2 100,1 ℓ 1,001·10 ℓ 4 1.150.000 W 1,15·106 =1,15 MW 3 0 8,3144621 kJ/(kmol K) 8,3144621·10 J/(mol K) 8 3 3 3 3 7.850 kg/m 7,85·10 kg/m = 7,85 g/cm 3 Die signifikanten Stellen von Zahlenwerten physikalischer Größen spielen eine Rolle bei der Interpretation der Ergebnisgenauigkeit von Rechnungen. Die vom Taschenrechner angezeigte Stellenzahl täuscht schnell eine Scheingenauigkeit vor. Studienanfänger fragen daher oft nach der „gewünschten Zahl“ von Nachkommastellen. Dies geht aber am Sachverhalt vorbei, denn eine Entfernungsangabe ohne Nachkommastellen mit 1346 m kann viel genauer sein als eine Angabe mit zwei Nachkommastellen von 1,34 km. Grundsätzlich ist es beim Verknüpfen von physikalischen Größen sinnvoll, die erreichbare Genauigkeit des Ergebnisses aus der Genauigkeit der Eingangsgrößen und der Art der Verknüpfung abzuschätzen. Erste 3

Eine prominente Ausnahme ist der radioaktive Zerfall von Atomkernen.

1.1 Rechnen mit physikalischen Größen

3

Hinweise zur Genauigkeit der Eingangsgrößen erhält man aus deren signifikanten Ziffern. Wie sich diese Unsicherheiten dann in der Rechnung auswirken, analysiert man mit dem Fehlerfortpflanzungsgesetz. Hängt eine physikalische Größe y = f(xi) von n unabhängigen Parametern mit xi = x ± Δxi ab, kann der Maximalfehler Δymax abgeschätzt werden zu  ∂y ∂y ∂y Δy max = ± ⋅ Δx1 + ⋅ Δx2 + ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ Δxn  ∂x1 x xn ∂ ∂ 2 

   

(1-6)

Für den maximalen Fehler wird in (1-6) unterstellt, dass sich die Einflüsse sämtlicher Messfehler/Unsicherheiten in jeweils ein und derselben Richtung überlagern. Praktisch wird dies bei einer größeren Zahl von Parametern nur sehr selten zutreffen. Deshalb berechnet man anstelle von Δymax alternativ oft einen mittleren Fehler Δym nach dem Prinzip der Gaußʼschen Fehlerquadratsumme 2

2

 ∂y    ∂y   ∂y Δy m = ±  Δx1  +  Δx2  + ⋅ ⋅ ⋅ +  Δxn   ∂x1   ∂x2   ∂xn 

2

(1-7)

Die Genauigkeit bei der Festlegung von Basisgrößen4 scheint aus der Sicht „normaler“ Anwendungen viel zu hoch, aber auf den Meter genaue Positionsangaben mittels satellitengestützten GPS (Global Positioning System) sind nur mit sehr genau festgelegten Basisgrößen möglich. Ähnliches gilt für die Genauigkeit bei der Bestimmung von Naturkonstanten. Betrachtet man die Verknüpfung von einer beliebigen Zahl von Eingangsgrößen zu einem durch eine Rechenvorschrift gegebenen Funktionswert aus analytisch mathematischer Perspektive, spielen signifikante Ziffern keine Rolle. So ist beispielsweise 10 + 2,313 = 12,313. Im Bereich der numerischen Mathematik entsprechen die signifikanten Ziffern der internen Rechnergenauigkeit. Bei Rechnungen entstehen dann unter Umständen Abschneidefehler. Ähnlich gelagert sind die Probleme bei der Verknüpfung von physikalischen Größen, die mit Messunsicherheiten behaftet sind. Für das Ergebnis einer Addition oder Subtraktion (Strichrechnung) sind nur die gemeinsamen Dezimalstellen (Nachkommastellen) als sicher und damit signifikant anzusehen, also 10 J + 2,213 J ≈ 12 J oder 10,0 J + 2,213 J ≈ 12,2 J. Werden zwei fast gleich große physikalische Größen voneinander subtrahiert, kann es bei einer zu geringen Zahl signifikanter Ziffern zur Auslöschung von Dezimalstellen kommen, zum Beispiel 4,18 MPa – 4,1 MPa ≈ 0 MPa im Verhältnis zu 4,18 MPa – 4,10 MPa ≈ 0,08 MPa oder 4,2 MPa – 4,1 MPa ≈ 0,1 MPa. Bei Multiplikation und Division (Punktrechnung) bestimmt die Genauigkeit der Eingangsgröße mit der kleinsten Anzahl signifikanter Ziffern die sicher erreichbare Ergebnisgenauigkeit, also 4,2 W·1 h ≈ 4 Wh, alternativ aber 4,2 W·3.600 s ≈ 15.000 Ws ≈ 4,2 Wh. Komplizierter werden die Verhältnisse, wenn bei den Verknüpfungen physikalischer Größen mit Messunsicherheiten neben den vier Grundrechenarten mathematische Operationen der zweiten Stufe (Potenzieren, Radizieren und Logarithmieren) eine Rolle spielen. Manchmal verursachen kleinste Rundungsfehler in Zwischenschritten erhebliche Genauigkeitsverluste im Endergebnis, die dann auch zu völlig falschen Schlussfolgerungen führen können. Deshalb sollten Zwischenschritte nach Möglichkeit auf der Ebene Größengleichung verbleiben und das Einsetzen konkreter Werte für die physikalischen Größen erst in der vollständig entwickelten Formel beginnen. Erscheint dies der Über4

1 m = Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während der Dauer von 1/299.792.458 s durchläuft.

4

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

sichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit wegen für die Lösung einer umfangreichen Aufgabe als nicht zweckmäßig, sollte man für die Zwischenschritte die erreichbare analytische Genauigkeit der Zahlenwerte (in der Regel Taschenrechnergenauigkeit) nutzen. In Verstehen durch Üben haben wir dies auch deshalb so gehandhabt, um beim Leser für die Nachrechnung zweifelsfrei klar zu machen, welche Größe wo eingesetzt wurde, wohl wissend, dass sich die Ergebnisgenauigkeit an einigen Stellen eigentlich aus der Genauigkeit der Eingangsdaten nicht vollumfänglich darstellen lässt.

1.2

Hinweise für das Lösen von Aufgaben

Alle Lösungen der in diesem Buch beschriebenen Aufgaben beruhen auf wenigen physikalischen Grundgesetzen. Wir greifen oft auf die Massenerhaltung in Form der Kontinuitätsgleichung für kompressible sowie für inkompressible Fluide und auf die Energieerhaltung nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik zurück. Der zweite Hauptsatz trifft häufig benötigte Aussagen zur Richtung von Wärmeströmen. Mit diesen Zusammenhängen sollte man als Einsteiger in das Ingenieurfach Wärmeübertragung gut vertraut sein. Bei der tieferen Beschäftigung mit den grundlegenden Zusammenhängen des Fachs stößt man schnell auf das Fourierʼsche Gesetz zur Wärmeleitung, auf die geometrischen und physikalischen Ähnlichkeitsgesetze beim Wärmeübergang und das Stefan-Boltzmannʼsche Gesetz zum Energietransport durch Strahlung. In der Literatur wird die große Vielfalt der mit diesen Gesetzen zu behandelnden Fragestellungen in einer mathematisch anspruchsvollen, aber zwangsweise sehr allgemein gehaltenen, abstrakten Sprache formuliert. Die eigentliche Herausforderung bei der Untersuchung eines konkreten Problems besteht dann in der Beherrschung des notwendigen mathematischen Instrumentariums, um Gleichungen zu erhalten, die mit überschaubarem Aufwand zu lösen sind. Zum tieferen Verständnis der Prozesse ist dies unerlässlich. Viel zu schnell sind gerade Berufsanfänger heute geneigt, Fragestellungen auf hohem Abstraktionsniveau einer vermeintlich leistungsfähigen Software anzuvertrauen. Rückschläge für die Forschung und Entwicklung sind dann bedauerlicherweise fast vorprogrammiert. Neben der unerlässlichen Beherrschung der Grundlagen geht es bei der Lösung von praktischen Problemen immer auch um das effizient zum Ziel führende methodische Gerüst. Dabei ist eine systematische Arbeitsweise besonders wichtig. Aus Erfahrung wird hierzu ein Schema mit folgenden Schritten vorgeschlagen: 1. Analysieren Sie das Problem anhand einer realitätsnahen Skizze und verschaffen sich dabei eine Übersicht über bekannte Größen. Erfassen Sie auch Größen, die während des zu untersuchenden Prozesses konstant bleiben. 2. Identifizieren Sie die gesuchten Größen und werden Sie sich darüber klar, in welcher Genauigkeit diese benötigt werden. 3. Prüfen Sie die Zulässigkeit von Idealisierungen und vereinfachenden Annahmen. Entwickeln Sie daraus ein Modell, das die relevanten Zusammenhänge hinreichend exakt beschreibt. 4. Formulieren Sie die Bilanzgleichungen mit zugehörigen Rand- und Anfangsbedingungen sowie – wenn erforderlich – Kopplungsgleichungen in dem zuvor gewonnenen Modell. Mittels äquivalenter Umformungen lösen Sie nach den Unbekannten auf und prüfen die Dimensionen der zu berechnenden Größen.

1.3 Grundmechanismen bei der Wärmeübertragung 5. 6. 7.

5

Beschaffen Sie die benötigten Stoffwerte! (für Luft und Wasser in der Regel kein Problem, für andere Stoffe, insbesondere bei Abweichungen von den Normbedingungen, sehr oft problematisch) Berechnen Sie die Unbekannten durch Einsetzen der bekannten Größen bzw. Lösung der auftretenden Gleichungen. Arbeiten Sie solange wie möglich mit den symbolischen Formelzeichen und setzen Sie Zahlenwerte erst zum Schluss ein. Prüfen Sie Vorzeichen und Größenordnung der Ergebnisse. Übertragen Sie die erhaltenen Resultate zur Plausibilisierung auf andere Ihnen bekannte Situationen und leiten Sie aus den Ergebnissen Folgerungen ab.

Das hier skizzierte Vorgehen ist weder Dogma noch Sammlung wohlfeiler Ratschläge. Man kann durchaus – je nach individueller Neigung – den einen oder anderen Schritt weglassen, sollte sich aber, wenn es bei der Bearbeitung einer Aufgabe hakt, an das prinzipielle Vorgehen bei einer Problembearbeitung erinnern. Die im Buch vorgestellten Lösungen der Übungsaufgaben sind an ein entsprechendes Muster angelehnt. Die Aufgabenstellungen wurden aber meist so formuliert, dass man gleich mit Schritt 3 beginnen kann.

1.3

Grundmechanismen bei der Wärmeübertragung

Die thermodynamische Energielehre definiert Wärme als eine Form von Energie, die allein infolge von Temperaturunterschieden zwischen System und Umgebung oder zwischen benachbarten Systemen unterschiedlicher Temperatur über die Systemgrenze ausgetauscht wird. Auch in einem adiabaten System (Systemgrenzen sind wärmeundurchlässig) können Temperaturunterschiede Wärmeströme zum Temperaturausgleich hervorrufen. Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik fließt die Wärme immer in Richtung fallender Temperatur. Die thermodynamische Energielehre liefert aber keine Aussage zu den Zusammenhängen zwischen treibender Temperaturdifferenz und übertragenem Wärmestrom oder wie schnell und intensiv die stets irreversibel ablaufende Wärmeübertragung vonstatten geht. Der Beantwortung dieser Fragen widmet sich die Wärmeübertragung als zweite Säule der Technischen Thermodynamik. Auf Grundprobleme der Wärmeübertragung stößt man sowohl im Alltag als auch in den verschiedensten Technikbereichen wie zum Beispiel der Energietechnik, der Fahrzeugtechnik, der Gebäudetechnik, der Bio- und Medizintechnik sowie der Lebensmitteltechnik. Sicherheitstechnische Aspekte des Betriebs von Wärmekraftwerken sind sehr eng mit Fragen des Wärmeübergangs verknüpft. Die Optimierung von Wärmeleitung, von Wärmeübergang, des Wärmeaustauschs durch Temperaturstrahlung oder von ganzen Wärmetauschern hilft die Energieeffizienz in fast allen Lebensbereichen zu verbessern. Auch wenn uns solche Vorgänge wie die Abkühlung heiß zubereiteter Getränke, die Heizung mit Fernwärme oder das Warmlaufen eines Motors sehr vertraut erscheinen, erfordert die entsprechend präzise ingenieurtechnische Beschreibung doch ein tiefes Wissen zu den Wärmetransportmechanismen und die Beherrschung eines anspruchsvollen mathematischen Instrumentariums. Bei der von jedermann schon einmal wahrgenommenen Aufheizung oder Auskühlung eines Gebäudes treten alle drei Wärmetransportmechanismen kombiniert in komplizierten, gegenseitigen Abhängigkeiten auf, so dass für eine zutreffende Beschreibung ein höchst komplexes Modell mit vielen Einzelbausteinen benötigt wird. Die Frage, ob man

6

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

die Heizung eines Hauses bei Abwesenheit bis auf einen Frostschutz zurück nimmt oder ob man besser durchheizt, ist nicht so einfach zu beantworten, wie es übereifrige Energiesparberater glaubend machen wollen. Die genaue Temperaturmessung von Fluiden mit einem Thermometer ist gleichfalls nur auf den ersten Blick einfach. Die endliche und nicht verschwindende Wärmekapazität des Thermometerkörpers führt zu einem zeitlichen Verzug bei der Anzeige der tatsächlichen Temperatur des Fluids und ist insbesondere bei Aufheizungsoder Abkühlungsprozessen zu beachten. Außerdem kann der Strahlungsaustausch mit der Umgebung die Anzeige des Thermometers verfälschen. Bei bewegten Fluiden sind die Zusammenhänge mit der dynamischen Temperatur zu beachten, man darf nicht davon ausgehen, dass die vom Thermometer angezeigte Temperatur auch tatsächlich der des strömenden Fluids entspricht. Die Aufgabe des Ingenieurs besteht bei Fragen zur Wärmeübertragung darin, den Wärmefluss von der höheren zur niederen Temperatur als natürlichen Vorgang je nach Zielstellung zu hemmen oder zu begünstigen. Damit sind Probleme der Wärmedämmung angesprochen oder auf der anderen Seite die Verbesserung von Wärmeübertragern in der chemischen Industrie, Beherrschung von Kühlprobleme an Flugkörpern, Steuerung von Abkühlprozessen zur lunkerfreien Gussteilherstellung und vieles andere mehr. Außerdem untersucht der Ingenieur die Temperaturverteilung in einem Körper unter unterschiedlichen Bedingungen mit dem Ziel, die Grenzen der Temperaturbelastung für Werkstoffe oder anderer Güter zuverlässig einzuhalten oder um solide Grundlagen für die Berechnung von Wärmespannungen zu schaffen. Bei der Wärmeübertragung folgt der stofflich gebundene Transport (Wärmeleitung und Konvektion) anderen Gesetzmäßigkeiten als der stofflich nicht gebundene Transport (Wärmestrahlung). Entsprechend unterschiedlich sind die Herangehensweisen bei der Untersuchung dieser Phänomene. Die Wärmeleitung beruht auf der Energieübertragung zwischen den kleinsten, unmittelbar benachbarten Teilchen des Körpers (Atome oder Moleküle), wenn sich diese bei ihrer Bewegung berühren. Dabei ist der jeweilige Aggregatzustand eine wichtige Einflussgröße. So wird zum Beispiel in Metallen die Energie zwischen den kleinsten Teilchen durch Elektronendiffusion übertragen, während bei Gasen fast ausschließlich die Moleküldiffusion auftritt. Wie innere Reibung oder Diffusion ist die Wärmeleitung ein Transportphänomen, bei dem die zu der jeweiligen Temperatur gehörige kinetische Energie der Atome beziehungsweise Moleküle übertragen wird. Unter Konvektion versteht man den Wärmetransport von einem bewegten Fluid (Flüssigkeit, Dampf oder Gas) an eine feste Wand oder umgekehrt von der Wand an das Fluid. Im Gegensatz zur Wärmeleitung in Feststoffen liegt beim Wärmetransport durch Konvektion zusätzlich zur Wärmeleitung noch eine durch den beteiligten Fluidstrom hervorgerufene makroskopische Teilchenbewegung vor (con + veho = (lat.): zusammen + fahren). Der direkt mit der Teilchenbewegung verbundene Wärmefluss hängt wesentlich vom Strömungszustand des Mediums ab. Man unterscheidet erzwungene und freie Konvektion je nachdem, ob die Strömung durch äußere Kräfte (Pumpenantrieb) bewirkt wird oder sich in Folge der Auftriebskräfte ausbildet. Die Wärmeübertragung wird hier maßgeblich durch die Gesetze der Fluiddynamik bestimmt. Bei Darstellungen, die sich vorrangig auf die typischen Aufgabenklassen bei Wärmetransport konzentrieren, vermittelt eine oberflächliche Betrachtung gelegentlich den Eindruck, Konvektion sei ein eigenständiger Wärmetransportmechanismus. Völlig zu

1.3 Grundmechanismen bei der Wärmeübertragung

7

Recht zitiert deshalb [8] eine Passage aus einem von Nußelt5 1915 veröffentlichten Aufsatz Das Grundgesetz des Wärmeübergangs: „Es wird vielfach in der Literatur behauptet, die Wärmeabgabe eines Körpers habe drei Ursachen: die Strahlung, die Wärmeleitung und die Konvektion. Diese Teilung der Wärmeabgabe in Leitung und Konvektion erweckt den Anschein, als hätte man es mit zwei unabhängigen Erscheinungen zu tun. Man muss daraus schließen, dass Wärme auch durch Konvektion ohne Mitwirkung der Leitung übertragen werden könnte. Dem ist aber nicht so.“ Bei der Strahlung wird Energie in kleinen, nicht weiter teilbaren Beträgen (Photonen) zwischen einem wärmeren und kälteren festen, flüssigen oder gasförmigen Körper ausgetauscht. Bei diesem Energietransport durch elektromagnetische Wellen (Schwingungen) ist im Gegensatz zur stoffgebunden Wärmeleitung und Konvektion, wo Wärme nur in Richtung monoton fallender Temperatur fließen kann, kein stoffliches Übertragungsmedium erforderlich, so dass zum Wärmeaustausch in Körpern auch Gebiete mit niedrigerer Temperatur durchdrungen werden können (Austausch von Strahlungsenergie zwischen Sonne und Erde im Kosmos). Der Strahlungsaustausch zwischen Sonne und Erde ist die entscheidende Voraussetzung für die Ausbildung eines Leben ermöglichenden Klimas in der Erdatmosphäre. Dieser Energieaustausch wird entscheidend durch die Strahlungseigenschaften der nur in Spuren vorkommenden Stoffe Kohlendioxid und Wasserdampf bestimmt. Die Kenntnis der Natur der Sonnenstrahlung ist eine elementare Voraussetzung für die Entwicklung von Technologien zur effizienten Nutzung der Solarenergie. Andererseits sei darauf verwiesen, dass die thermische Strahlung bei der Raumfahrt die einzige Möglichkeit darstellt, Wärme zu übertragen. Das für die hier zu behandelnde thermische Strahlung bedeutsame Wellenlängenspektrum reicht vom Bereich der ultravioletten Strahlung (UV) über das sichtbare Licht (VIS) bis zum Bereich der infraroten Strahlung (IR). Thermische Strahlung findet zwischen zwei oder mehreren Körperoberflächen statt, wobei die einzelnen Körper nach dem Sender-EmpfängerPrinzip Strahlung sowohl aussenden (emittieren) als auch einen Teil der auftreffenden Strahlung aufnehmen (absorbieren). Wärmeleitung, konvektiver Wärmeübergang und Wärmestrahlung werden jeweils mit spezifischen mathematischen Ansätzen beschrieben und gelöst. Bei fast allen realen Wärmetransportvorgängen treten die einzelnen Mechanismen kombiniert in unterschiedlichen Gewichtungen und in gegenseitigen Abhängigkeiten auf. Oftmals ist eine Wärmeleitung in einem Festkörper gemeinsam mit einem Wärmeübergang an ein umgebendes Fluid zu untersuchen. In diesem Fall spricht man von einem konjugierten Wärmeübergangsproblem. Die Schwierigkeit besteht bei dieser oder einer noch komplexeren Kombination (zum Beispiel bei parallel bedeutsamer Wärmestrahlung) darin, ein den verschiedenen Ansprüchen gerecht werdendes Modell für eine hinreichend genaue Lösung zu finden. Außerdem gibt es Phänomene, bei denen die Wärmestrahlung im Verhältnis zur Wärmeleitung und Konvektion beim Energietransport dominiert. Wasseransammlungen auf Kunststoffplanen, die über Pflanzenflächen gespannt wurden, können über Nacht gefrieren, obwohl die Temperatur in den bodennahen Schichten nicht unter 0 °C gefallen war, denn neben dem Wärmeaustausch mit der Luft durch Leitung und Konvektion ist der Strahlungsverlust zwischen der wasserbedeckten Ober5

Nußelt, Ernst Kraft Wilhelm (1882–1957), deutscher Ingenieur, Professor in Dresden (1915), Karlsruhe (1920–1925) und München (1925–1952), Begründer der Ähnlichkeitstheorie der Wärmeübertragung.

8

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

fläche und dem kalten Nachthimmel zu berücksichtigen. Ähnlich ist auch die fehlende Wohnklimabehaglichkeit in Räumen mit sehr kalten Innenwänden und Fensterflächen zu erklären. Die Körperoberfläche eines (lebenden) Menschen strahlt mehr Energie auf diese ab als beim Strahlungsaustausch von den kalten Wand- und Fensterflächen zurückgestrahlt wird. Für die Fensterflächen kann der Effekt durch Verdeckung mit einer Gardine sofort gemindert werden. Für ein angenehmes Raumklima bei kalten Wänden kann man dann durch Steigerung der Raumtemperatur sorgen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass man mit niedrigeren Raumtemperaturen auskommt (Energieeinsparung), wenn der Strahlungsaustausch zwischen Mensch und Raumumfassung gering gehalten wird.6 Die drei Wärmetransportmechanismen werden einzeln vorgestellt, so dass aus diesen Bausteinen ein komplexes Berechnungsmodell nach den Erfordernissen der konkreten Untersuchungsziele entwickelbar ist. Zunehmende Übung erhöht die Sicherheit bei der mathematischen Formulierung des Problems, um dann zu prüfen, ob mit akzeptablem Aufwand eine geschlossen analytische Lösung oder numerische Verfahren eingesetzt werden muss.

1.4

Wärmestrom und Wärmestromdichte

Physikalisch beruht ein Wärmestrom auf vielfältigen Wechselwirkungen zwischen kleinsten Teilchen (Moleküle, Atome, Elektronen). Mathematisch sind diese Elementarvorgänge nach derzeitigem Stand der Forschung noch nicht durchgängig exakt zu beschreiben. Der Ingenieur greift deshalb wieder auf die phänomenologische Analyse zurück, für die man die Größen Temperatur, Zeit und Wärme verwendet. Für die Temperatur kommt es außer bei der Wärmestrahlung nicht auf den Nullpunkt der Temperaturskala an, denn es spielen nur Temperaturdifferenzen eine Rolle. Deshalb ist der Nullpunkt auch zweckmäßig verschiebbar, so dass die Celsiustemperaturskala in den meisten Fällen problemlos angewendet werden kann. Bei der Wärmeübertragung wird eine gegebene Energie(wärme)menge Q in einer bestimmten Zeit τ infolge eines Temperaturunterschieds in Richtung fallender Temperatur durch einen Wärmestrom Q (Wärmeleistung) von einem Körper auf einen anderen übertragen. Tab. 1-1:

Größenordnungen typischer Wärmeleistungen in kW.

Kerzenflamme Mensch (in Ruhe) Backofen Heizung in Einfamilienhaus Dampferzeuger in Kraftwerk Sonne

50 W = 0,05 kW 100 W = 0,10 kW 4 kW 10 bis 15 kW 1.800 MW = 1.800.000 kW 370·1021 kW

Vorteilhaft ist hier gleichfalls die schon aus der thermodynamischen Energielehre bekannte Arbeitsweise, Rechnungen zunächst mit spezifischen Werten auszuführen und später über die Größenmaßstäbe die Ergebnisse an die realen Umfänge anzupassen. Das Verhältnis von in 6

Man kann es aber auch übertreiben. Der Autor musste sich schon ernsthaft mit der Begutachtung der „Erfindung“ einer Tapete befassen, die schwache Mikrowellen aussenden sollte, um die zur Erzeugung eines behaglichen Wärmeempfinden in Wohnräumen „energiefressenden“ Heizungen energiesparend durch innere Aufheizung des menschlichen Gewebes zu ersetzen.

1.4 Wärmestrom und Wärmestromdichte

9

Normalenrichtung stehenden Wärmestrom Q zur Größe der wärmeübertragenden Fläche bezeichnet man als Wärmestromdichte oder Heizflächenbelastung. q =

Q A

Q = q ⋅ A

[q ] = 1 W/m 2

(1-8)

[Q ] = 1 W

(1-9)

Im Unterschied zu (1-8) kennzeichnen wir mit dem Zusatzzeichen „~“ die volumenspezifische Ergiebigkeit oder Leistungsdichte ~ Q q (τ , x, y, z ) = V

~ [q ] = 1 W/m 3

(1-10)

Eine volumenspezifische Ergiebigkeit tritt beispielsweise bei einer elektrischen Widerstandsheizung oder auch bei biologischen, chemischen sowie bei nuklearen Reaktionen auf. Tabelle 1-2 enthält Angaben zur Größenordnung einiger Wärmestromdichten. Die dort ausgewiesene Solarkonstante ist die mittlere extraterrestrische Wärmestromdichte, die bei einem mittleren Abstand Erde – Sonne ohne den Einfluss der Atmosphäre senkrecht zur Strahlrichtung die Erde erreicht. Im eigentlichen Sinne ist die Solarkonstante keine Konstante, denn die Strahlungsleistung der Sonne selbst schwankt – wenngleich in engen Grenzen – als Folge des Sonnenflecken-Zyklus. Da sich die Erde in einer elliptischen Bahn um die Sonne bewegt, variiert auch der Abstand Erde – Sonne. Dadurch schwankt die Solarkonstante um den Mittelwert 1367 W/m2. Die Erdatmosphäre und ihr Klima beeinflussen die als sogenannte Globalstrahlung auf der Erdoberfläche ankommende Sonnenenergie. Bei günstigen Verhältnissen (wolkenfreier Himmel, Sonnenhöchststand) kann diese 1070 W/m2 erreichen, bei ungünstigen Verhältnissen bei 500 W/m2 liegen. Tab. 1-2:

Größenordnungen für ausgewählte Wärmestromdichten in W/m2.

Grenze Wahrnehmbarkeit auf der Haut Schmerzgrenze für Haut (abhängig vom Hauttyp) Wärmeabgabe des menschlichen Körpers Deckenstrahlungsheizkörper Fußbodenheizung Heizkörper (Warmwasser-Zentralheizung) Solarkonstante Globalstrahlung (auf der Erdoberfläche ankommende Strahlung) Siederohre im Benson-Kessel (überkritischer Dampf) Brennelement im Kernreaktor

40 W/m2 2000–2500 W/m2 50 W/m2 90–120 W/m2 100–160 W/m2 bis 500 W/m2 1367 W/m2 500–1070 W/m2 500.000 W/m2 1.000.000 W/m2

Der Wärmetransport in Richtung abnehmender Temperatur bei endlichem Temperaturgradienten ist thermodynamisch immer ein irreversibler Prozess, weil man damit dem thermischen Gleichgewichtszustand näher kommt oder diesen sogar erreicht. Die daraus folgende energiewirtschaftliche Entwertung der Energie kann über die Verschiebung der Anteile von Exergie und Anergie durch die Vermehrung der Entropie bewertet werden. Die infolge des Wärmetransports abnehmende Exergie und zunehmende Anergie resultiert aus der Erzeugung von Entropie. Bei der Wärmeleitung ist der örtliche Temperaturgradient für die lokale Entropiepro-

10

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

duktion maßgebend. Für die Konvektion ist zusätzlich die Entropiezunahme durch die in der Strömung mit dem Druckverlust dissipierte mechanische Energie zu beachten. In allen Fällen basiert die Berechnung der Entropieproduktion auf den sich ergebenden Temperatur- und Geschwindigkeitsfeldern, deren Bestimmung wir uns für die einfachsten Fälle in den folgenden Kapiteln mit analytisch geschlossenen Lösungen nähern werden. Bei komplexen Vorgängen, wie sie häufig in der Praxis vorkommen, ist man jedoch auf die mit Hilfe des Computers numerisch ermittelten Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder angewiesen. Die Exergieminderung in einem Wärmeübertragungsprozess sollte so gering wie möglich gehalten werden. Am Beispiel der thermodynamischen Kreisprozesse für Wärmekraftanlagen ergibt sich zum Beispiel diese Forderung aus der Tatsache, dass man dort im Höchstfall nur die mit der Wärmeübertragung für den Prozess bereitgestellte Exergie der Wärme in die gewünschten anderen Energieformen umwandeln kann und Exergievernichtung dieses Potential schmälert.

1.5

Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen

Die Berechnung von Temperaturfeldern und darauf fußenden Wärmeströmen setzt mit Ausnahme der quellfreien stationären Wärmeleitung bei Randbedingungen erster Art immer die Kenntnis von Stoffeigenschaften (Zusammenstellung siehe Tabelle 1-3) voraus, die als Zustands- oder Transportgrößen vom jeweiligen thermodynamischen Zustand abhängen, in der Regel von Temperatur und Druck. In den technisch bedeutsamen Bereichen ist die Veränderlichkeit der Werte mit der Temperatur häufig deutlich, die Veränderlichkeit mit dem Druck hingegen selten stärker ausgeprägt. Die Temperatur stellt deshalb eine zentrale Zustandsgröße für die Charakterisierung des thermischen Energiezustandes eines Stoffes dar. Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase weisen in Bezug auf Temperaturänderungen jeweils ein unterschiedliches, aber für die jeweilige Stoffgruppe typisches Verhalten auf. Bei Berechnungen sind also die entsprechenden spezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Tab. 1-3:

Wichtige Stoffgrößen für die Analyse von Wärmeübertragungsproblemen.

Stoffeigenschaft Dichte Wärmeausdehnung - linear - kubisch spezifische Wärmekapazität Viskosität - dynamische - kinematische Wärmeleitfähigkeit

Formelzeichen ρ

Maßeinheit kg/m3

1 g/cm3 = 1000 kg/m3

α β c

1/K 1/K kJ/(kg K)

1 kJ/(kg K) = 1000 J/(kg K)

η ν λ

Pa s m2/s W/(m K)

1Pa s = 1 kg/(m·s)

Die stoffspezifischen Zusammenhänge zwischen den thermodynamischen Zustandsgrößen bildet man über Zustandsgleichungen ab, die entweder vollständig empirisch oder auf der Basis von Berechnungsmodellen gewonnen werden. Die meisten dieser Modellvorstellungen gehen vom speziellen Aufbau der Atome/Moleküle sowie den Wechselwirkungskräften zwischen ihnen aus. Sie beruhen auf nicht phänomenologisch begründeten Untersuchungsmethoden, die wir hier nicht weiter verfolgen.

1.5 Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen

11

Bei den Gasen sind die interessierenden Stoffwerte in den benötigten Abhängigkeiten von Druck und Temperatur leider nur für Stickstoff, Sauerstoff, Kohlendioxid und Luft, bei den Flüssigkeiten nur für Wasser hinreichend gut allgemein bekannt. Sie beruhen auf sehr präzisen Messungen und Gleichungen, die über bestimmte Temperatur- und Druckbereiche mit hoher Genauigkeit interpolieren/extrapolieren (siehe Tabellen 7.6-4 und 7.6-5). Ansonsten ist man auf einzeln veröffentlichte Literaturwerte oder auf diverse Berechnungsmodelle angewiesen. Im VDI-Wärmeatlas [7] sind diese für eine große Zahl technisch wichtiger Fluide anwenderfreundlich aufbereitet.

1.5.1

Dichte und Volumenausdehnung

An die Dichte ρ = ρ(p, T) beziehungsweise das spezifische Volumen v = v(p, T) sind hohe Genauigkeitsforderungen zu stellen. Feststoffe und Flüssigkeiten („praktisch“ inkompressibel) Hier ist in erster Näherung nur die Temperaturabhängigkeit der Dichte zu berücksichtigen. Der Differentialquotient (∂V/∂T)p als Ausdruck für die (isobare) Wärmeausdehnung beschreibt die Tatsache, dass ein jeder Stoff bei einer Temperaturänderung unter gleichbleibenden Druck seine Dichte (sein spezifisches Volumen) ändert. Für einen festen Temperatursprung ist diese Volumenänderung für Flüssigkeiten (und Gase) höher als für feste Körper. Die mathematische Behandlung der thermischen Volumenausdehnung bei konstantem Druck kann auf die aus der Physik allgemein bekannte lineare Längenänderung zurückgeführt werden. Die Länge eines dünnen Stabes l, der die Temperatur t besitzt, ergibt sich mit dem jeweiligen zwischen t und t0 gemittelten linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten α l für den betreffenden Stoff zu l (t ) = l (t 0 ) ⋅ (1 + α l (t − t 0 )) = l (t 0 ) + l (t 0 ) ⋅ α l ⋅ Δt

α l |tt0 =

l (t ) − l (t 0 ) 1 Δl = ⋅ l (t 0 ) ⋅ Δt l (t 0 ) Δt

[α ] = 1/ K

(1-11) (1-12)

Den linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten eines Stoffes αl = αl(t) bei einer ganz bestimmten Temperatur t erhält man durch den Grenzübergang α l (t ) = lim

Δt →0

1 Δl 1 dl ⋅ = ⋅ l (t 0 ) Δt l (t 0 ) dt

(1-13)

Bildet man nun aus den drei Längen l1(t), l2(t) und l3(t) ein Volumen V(t), ergibt sich V (t ) = l1 (t 0 ) ⋅ l 2 (t 0 ) ⋅ l3 (t 0 ) ⋅ (1 + α l ⋅ Δt ) 3 = V (t 0 ) ⋅ (1 + 3 ⋅ (α l ⋅ Δt ) + 3 ⋅ (α l ⋅ Δt ) 2 + (α l ⋅ Δt ) 3 ) . Bei zu vernachlässigenden Gliedern zweiter und dritter Ordnung entsteht mit β ≈ 3α l als Volumenausdehnungskoeffizient V (t ) = V (t 0 ) ⋅ (1 + 3α l ⋅ Δt ) = V (t 0 ) ⋅ (1 + β ⋅ Δt )

ρ (t ) =

ρ 0 (t 0 ) 1 + β (t − t 0 )

(1-14a) (1-14b)

12

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

mit analoger Anwendung von (1-12) für den Volumenausdehnungskoeffizienten β |tt0 =

V (t ) − V (t 0 ) 1 ΔV = ⋅ V (t 0 ) ⋅ Δt V (t 0 ) Δt

[β ] = 1/ K

(1-14c)

Bei kleinen Temperaturdifferenzen ändert sich das Volumen von Stoffen in charakteristischer Weise gemäß (1-14) linear mit der Temperatur. Die Stoffdichte folgt dann daraus mit ρ (t ) =

ρ (t 0 ) ⋅ V (t 0 ) ρ (t 0 ) m = = V (t ) V (t 0 ) ⋅ (1 + β ⋅ Δt ) 1 + β ⋅ Δt

(1-15)

Erhöht sich die Temperatur in einer durch Gefäßwände an der Volumenausdehnung gehinderten Flüssigkeit, steigt ihr Druck. Mit p(t) als Druck infolge einer Temperaturerhöhung um Δt = t – t0 führt der Ansatz

p (t ) V (t ) = → p (t 0 ) V (t 0 )

p(t ) = p (t 0 ) ⋅ (1 + β ⋅ Δt ) = p(t 0 ) ⋅ (1 + γ ⋅ Δt )

p (t ) = p (t 0 ) ⋅

V (t 0 ) ⋅ (1 + β ⋅ Δt ) V (t ) auf = p (t 0 ) ⋅ V (t 0 ) V (t 0 )

(1-16)

In (1-16) bezeichnet man mit γ den mittleren isochoren Spannungskoeffizienten, für den formal γ ≡ β und damit auch [γ ] = 1 / K gilt. Aus (1-15) geht hervor, dass sich die Dichte eines Stoffes mit zunehmender Temperatur verringert. Von dieser Regel gibt es jedoch Ausnahmen, eine der bekanntesten ist die Dichteanomalie des Wassers. Die höchste Dichte (ein Maximum) mit 999,972 kg/m3 erreicht Wasser bei 3,98 °C (≈ 4 °C), siehe dazu Tabelle 1-4. Bei 0 °C besitzt: • 1 g flüssiges Wasser ein Volumen von VW = 1,00016 cm3 • 1 g Wassereis ein Volumen von VEis = 1,09000 cm3 Während des Erstarrens des Wassers nimmt sein Volumen also um rund 9 % zu. Daraus resultiert die Sprengwirkung eingeschlossenen Wassers. Die Dichteanomalie des Wassers ist auch die Ursache für die thermische Schichtung von Binnengewässern. Im Sommer bildet sich in Binnenseen eine stabile Schichtung aus. An der Wasseroberfläche entsteht mit dem Temperaturanstieg eine Schicht leichteren, oben aufliegenden Wassers, das nicht in größere Tiefen absinken kann. So wird das Vordringen warmen Wassers in tiefere Schichten verhindert. Im Winter sinkt beim Abkühlen von Gewässern Wasser von 4 °C (also bei maximaler Dichte) nach unten auf den Grund. Meist kühlt das Wasser in Seen solange ab, bis in etwa überall 4 °C herrschen. Bei einem weiteren Abkühlen von der Wasseroberfläche her liegen dann kältere, aber leichtere Schichten auf, so dass das Zufrieren von oben her erfolgt. Eine Durchmischung der gewässergrundnahen Schicht mit maximaler Dichte findet auch nicht mehr statt, da die kälteren Schichten nicht mehr Absinken können. So überleben Fische in Gewässern mit einer ausreichenden Tiefe am Grund in einer Wasserschicht von 4 °C. Die Dichte von flüssigem Wasser als Funktion der Temperatur bei physikalischem Normdruck kann relativ einfach approximiert werden durch die zugeschnittene Größengleichung ρ (t ) kg/m 3

≈ 999,972 −

7  t  ⋅ − 4 1000  °C 

2

1.5 Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen Tab. 1-4: t in °C 7

Dichte des flüssigen Wassers bei einem Druck von 1,013 bar als Funktion der Temperatur. ρ in kg/ℓ

t in °C

ρ in kg/ℓ

t in °C

ρ in kg/ℓ

0,99984

14

0,99924

40

0,99221

1

0,99990

16

0,99894

45

0,990,21

2

0,99994

18

0,99859

50

0,98803

3

0,99996

20

0,99820

55

0,98569

4

0,99997

22

0,99777

60

0,98319

5

0,99996

24

0,99729

65

0,98055

6

0,99994

26

0,99678

70

0,97776

7

0,99990

28

0,99623

75

0,97484

8

0,99985

30

0,99564

80

0,97179

9

0,99978

32

0,99502

85

0,96861

10

0,99970

34

0,99437

90

0,96530

11

0,99960

36

0,99368

95

0

12

13

0,99950

38

0,96188 8

100

0,99296

0,95835

Die Druckabhängigkeit einer Flüssigkeitsdichte (die Zusammenpressbarkeit einer Flüssigkeit) wird über die Kompressibilitätskoeffizienten χ beschrieben, dessen Definition sich an das Hookesche Gesetz der Mechanik anlehnt. Dieses Gesetz beschreibt im elastischen Bereich den Zusammenhang zwischen Spannungen σ und Dehnungen ε über den Elastizitätsmodul E für isotropes Materialverhalten von Feststoffen in der Form: σ = E ⋅ε

oder

F Δl = E⋅ l A

[E ] = 1 Pa

Ein hoher Betrag des Elastizitätsmoduls bedeutet demnach, dass das betreffende Material seiner elastischen Verformung einen entsprechend hohen Widerstand entgegensetzt. Bei den meisten Feststoffen sind die Elastizitätsmoduln für Zug- und Druckbeanspruchung gleich groß (Ausnahmen sind zum Beispiel Beton und Knochen). Zur Analyse der bei Druckaufprägungen folgenden Verringerung der Fluidvolumina definiert der Fluidmechaniker analog zu dem aus der Mechanik bekannten Elastizitätsmodul E für Feststoffe einen Kompressionsmodul9 K für Fluide. ΔV Δp =− = − χ ⋅ Δp V K

mit χ =

1 K

und [χ ] = 1 Pa -1

ΔV = −V ( p0 ) ⋅ χ ⋅ Δp oder V ( p) = V ( p0 ) ⋅ (1 − χ ⋅ ( p − p0 ))

(1-17)

Der Kompressibilitätskoeffizient χ ist der Kehrwert des Kompressionsmoduls K (oder Elastizitätsmoduls E). Sehr kleine Werte von χ stehen für eine geringe Kompressionsneigung. 7 8 9

Dichte von Eis bei 0 °C: ρ ≈ 0,91743 kg/ℓ. Dichte von Wasserdampf 100 °C und 1,013 bar: ρ ≈ 0,0005976 kg/ℓ. Achtung! Begrifflich nicht verwechseln mit dem Kompressionsfaktor, wie gelegentlich der Realgasfaktor der allgemeinen Zustandsgleichung für ideales Gas bezeichnet wird!

14

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Flüssigkeiten besitzen deutlich höhere Werte für χ als Feststoffe, die aber im Verhältnis zu den Werten für Gase immer noch sehr niedrig sind, weswegen man von einer „praktischen“ Inkompressibilität von Flüssigkeiten spricht (vergleiche dazu Tabelle 7.6-1). Mit dem Minuszeichen in der Definition (1-17) wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Drucksteigerung (Δp > 0) immer eine Volumenabnahme (ΔV < 0) bewirkt. Ausgehend von Δρ ΔV dρ m ρ ⋅V m dρ dV =− = + χ ⋅ Δp =− ρ= =− 2 =− 2 ρ ( p0 ) V ρ V V ( p0 ) dV V V ist für die funktionale Abhängigkeit der Dichte einer Flüssigkeit vom Druck festzuhalten ΔV = −V ( p0 ) ⋅ χ ⋅ Δp oder V ( p) = V ( p0 ) ⋅ (1 − χ ⋅ ( p − p0 ))

(1-18)

Für die Dichte ρ = ρ(p) bedeutet (1-18) nun ρ ( p) =

ρ ( p 0 ) ⋅ V ( p0 ) ρ ( p0 ) m = = V ( p) V ( p0 ) ⋅ (1 − χ ⋅ ( p − p0 )) 1 − χ ⋅ ( p − p0 )

(1-19)

Ändern sich Temperatur und Druck einer Flüssigkeit gleichzeitig, folgt aus (1-15) und (1-19) ρ (t , p) =

ρ (t 0 , p0 ) (1 + β ⋅ Δt ) ⋅ (1 − χ ⋅ Δp)

(1-20)

Ideales Gas und ideale Gasgemische (hohe Kompressibilität) In den bekannten Modellgrenzen steht hier die Zustandsgleichung ρ=

p Ri ⋅ T

oder v =

Ri ⋅ T p

(1-21)

zur Verfügung, mit der die Abhängigkeiten von Druck und Temperatur gut zu erfassen sind. Mit Hilfe der partiellen Ableitungen von (1-21) definiert man folgende Größen: • Volumenausdehnungskoeffizient β bei konstantem Druck: 1  ∂v  1  ∂V  β = ⋅  = ⋅  v  ∂T  p V  ∂T  p

β=





[ β ] = 1 K −1

(1-22)

p Ri 1 ⋅ = Ri ⋅ T p T

Spannungskoeffizient γ bei konstantem Volumen: γ=

1  ∂p  ⋅  p  ∂T  v

γ=

R v 1 ⋅ i = Ri ⋅ T v T

[ γ ] = 1 K −1

(1-23)

Kompressibilitätskoeffizient χ bei konstanter Temperatur: 1  ∂v 

[ χ ] = 1 Pa −1 = 1

χ = − ⋅   v  ∂p T χ =−

p Ri ⋅ T

 R ⋅T ⋅  − i 2 p 

 1 =  p 

m s2 kg

(1-24)

1.5 Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen

15

Das Minuszeichen in Definition (1-24) führt in Übereinstimmung mit der Realität bei einer Steigerung des Druckes für positive Werte von χ zu einer Verminderung des Volumens. Bei idealem Gas sind Volumenausdehnungskoeffizient und Spannungskoeffizient bei gleicher Temperatur T gleich groß. β =γ =

1 T

(1-25)

Zwischen den mit (1-22) bis (1-24) definierten Größen besteht bei gleichem Bezugszustand p = f(v, T) der Zusammenhang β = p ⋅γ ⋅ χ

(1-26)

Gleichung (1-26) wird genutzt, um auf die experimentell komplizierte Bestimmung des isothermen Kompressibilitätskoeffizienten χ verzichten zu können.

1.5.2

Spezifische Wärmekapazität und Enthalpie

Bei der Wärmeübertragung sind Enthalpien, die ihrerseits aus der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Druck berechnet werden, als Bilanzgrößen möglichst genau zu bestimmen. Die spezifische Wärmekapazität ist definiert als die Wärme, die man ohne Änderung des Aggregatzustandes 1 kg eines Stoffes für eine Temperaturerhöhung um 1 K zuführen muss.



h = c(t )dt

[h] = 1 kJ/kg

und [c ] = 1 kJ/(kg K)

(1-27)

Die spezifische Wärmekapazität als Ausdruck für die Energiespeicherfähigkeit von setzt sich in der Regel aus einem temperaturunabhängigen, die kinetische Energie (Translation und Rotation) des Teilchens beschreibendem Anteil (funktional erkennbar bei sehr niedrigen Temperaturen) und einem temperaturabhängigen, vor allem bei höheren Temperaturen angeregten Anteil für die Schwingungsenergie der Teilchen zusammen. Ideales Gas als theoretischer Modellstoff besteht als Punktmassen, die kinetische Energie nur translatorisch in den drei Koordinatenrichtungen speichern können. Daher sind die spezifischen Wärmekapazitäten cp und cV hier vollständig temperaturunabhängig gegeben durch: cp =

κ κ −1

⋅R

cV =

1 ⋅R κ −1

mit κ =

cp cV

und c p = cV + R

Für reale Gase, die sich wie ideale Gase verhalten, ist in Bezug auf die Temperaturabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität die Teilchenstruktur ausschlaggebend. Einatomige Gase, wie die Edelgase (He, Ne, Ar, Kr, Xe) können kinetische Energie nur durch Translation und Rotation speichern und weisen deshalb auch konstante, nicht von der Temperatur abhängige Werte für die spezifischen Wärmekapazitäten auf. Für reale Gase, deren Moleküle aus mehreren Atomen bestehen, dominiert zunächst bei sehr niedrigen Temperaturen der temperaturunabhängige, durch Translation und Rotation verursachte temperaturunabhängige Anteil der spezifischen Wärmekapazität. Bei höher werdenden Temperaturen nimmt die spezifische Wärmekapazität gemäß beginnender Schwingungsanregung monoton mit der Temperatur zu.

16

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Sind alle Schwingungen im Molekül voll angeregt, mündet die Temperaturfunktion der spezifischen Wärmekapazität wieder in einem relativ konstanten Wert. Tab. 1-5: p in bar 1 50 100 200

Tab. 1-6:

p in bar 1 50 100 200

Spezifische (isobare) Wärmekapazität von Wasser und Dampf (Werte in Klammern) in kJ/(kg K) als Funktion von Temperatur und Druck nach VDI-Wärmeatlas, Springer Verlag 11. Auflage 2013. 0 °C 4,219 4,196 4,172 4,129

50 °C 4,180 4,168 4,157 4,136

100 °C (2,072) 4,206 4,194 4,173

150 °C (1,986) 4,296 4,281 4,252

200 °C (1,976) 4,474 4,447 4,398

250 °C (1,989) 4,851 4,788 4,682

300 °C (2,012) (3,171) 5,682 5,317

350 °C (2,040) (2,661) (4,012) 8,106

400 °C (2,070) (2,459) (3,096) (6,360)

Spezifische isobare Wärmekapazität von trockener Luft10 in kJ/(kg K) mit M = 28,9586 kg/kmol und Gaskonstante RL = 287,12 J/(kg K) als Funktion von Temperatur und Druck nach VDI-Wärmeatlas, Springer Verlag 11. Auflage 2013. 0 °C 1,006 1,107 1,211 1,354

50 °C 1,008 1,072 1,135 1,230

100 °C 1,011 1,056 1,099 1,167

150 °C 1,017 1,051 1,081 1,132

200 °C 1,025 1,051 1,074 1,114

250 °C 1,035 1,055 1,073 1,105

300 °C 1,045 1,062 1,077 1,103

400 °C 1,069 1,080 1,090 1,109

500 °C 1,093 1,101 1,108 1,122

Die Druckabhängigkeit der spezifischen Wärmekapazität spielt erst bei höheren Drücken eine Rolle, bei denen zusätzlich intermolekulare Anziehungskräfte berücksichtigt werden müssen. Dies ist insbesondere bei Gasen zu beachten. Zur Vergrößerung des Teilchenabstands ist dann nämlich zusätzlich Energie aufzuwenden. Wird diese Energie nicht von außen zugeführt, kühlt sich expandierendes Gas ab. Diesen Effekt nutzt man bei der Luftverflüssigung durch adiabate Drosselung aus. Ein solcher Zusammenhang ist mit dem Modell ideales Gas nicht zu beschreiben. Hier gehen wir definitionsgemäß davon aus, dass zwischen den Teilchen zu keiner Zeit Anziehungs- oder Abstoßungskräfte wirken. Eine Verflüssigung von idealem Gas ist also nicht möglich.

1.5.3

Viskosität

Die Viskosität ist ein Maß für den Fließwiderstand von Fluiden (Zähigkeit = Widerstand eines Volumenelementes gegen einen erzwungenen Ortswechsel) in reibungsbehafteten Strömungen. Ursache ist der stete Impulsaustausch unter den Teilchen, die an festen Wänden ihren Impuls abgeben, so dass sie dort haften bleiben. Zwischen den haftenden und unmittelbar darüber gleitenden Teilchen treten durch Impulsübertragung quer zur Strömungsrichtung sogenannte Scherkräfte als Ursache für die innere Reibung (viskoses Verhalten) auf. Die Viskosität spielt eine Rolle bei der Berechnung von Druckverlusten in Strömungen sowie bei der Bestimmung von Wärmeübergangskoeffizienten zwischen festen Wänden und Flui10

Trockene Luft als ideales Gas besitzt für die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck einen druckund temperaturunabhängigen Wert von c = κ ⋅ R = 1,4 ⋅ 0,28712 kJ ≈ 1,005 kJ . p L κ −1

0,4

kg K

kg K

1.5 Thermophysikalische Eigenschaften von Stoffen

17

den. Man unterscheidet zwischen der dynamischen Viskosität η und der kinematischen Viskosität ν, die mit der Dichte ρ in Beziehung stehen über η = ρ ⋅ν

[η ] = 1 Pa ⋅ s = 1 kg/(m ⋅ s)

(1-28)

In der Literatur werden gelegentlich noch Werte für die dynamische Viskosität in Poise (P) und Centipoise (cP) angegeben. 1P =1

g kg = 0,1 = 0,1 Pa ⋅ s cm ⋅ s m ⋅s

1 cP = 10 -3 Pa ⋅ s = 1 mPa ⋅ s

Der Name kinematische Viskosität leitet sich aus dem Umstand ab, dass die dafür abgeleitete Maßeinheit nur aus den kinematischen Einheiten Meter und Sekunde zusammengesetzt ist. ν=

η ρ

[ν ] = 1 N/m

2

⋅s

kg/m 3

=1

m2 s

(1-29)

In älterer Literatur findet man für die kinematische Viskosität noch die nach Stokes11 benannte Maßeinheit 1 St = 10–4 m2/s. Tab. 1-7:

p in bar 1 50 100 200

Kinematische Viskosität von trockener Luft in 10–6 m2/s mit M = 28,9586 kg/kmol und Gaskonstante RL = 287,12 J/(kg K) als Funktion von Temperatur und Druck nach VDI-Wärmeatlas, Springer Verlag 11. Auflage 2013. 0 °C 13,5 0,2792 0,1496 0,09233

50 °C 18,22 0,3789 0,2010 0,1175

100 °C 23,46 0,4884 0,2575 0,1461

150 °C 29,20 0,6072 0,3183 0,1774

200 °C 35,39 0,7348 0,3836 0,2110

250 °C 42,03 0,8709 0,4531 0,2467

300 °C 49,07 1,015 0,5265 0,2844

350 °C 64,35 1,326 0,6845 0,3655

400 °C 81,12 1,666 0,8570 0,4537

Die Viskosität von Flüssigkeiten ist wesentlich größer als die von Gasen (siehe Tabelle 7.6-4 und 7.6-5). Flüssigkeiten und Gase weisen außerdem ein gegenläufiges Temperaturverhalten auf. Bei Flüssigkeiten nimmt die Zähigkeit η mit zunehmender Temperatur ab, weil hier die Wechselwirkungskräfte zwischen Molekülen mit steigender Temperatur geringer werden. Bei Gasen dagegen steigt der Impulstransport mit höher werdender Temperatur, so dass die Viskosität hier proportional mit T zunimmt. Gleichzeitig ist eine (meist schwach ausgeprägte) Druckabhängigkeit vorhanden. Insbesondere bei der kinematischen Viskosität von Gasen ist jedoch der Druckeinfluss über die Dichte zu beachten.

1.5.4

Wärmeleitfähigkeit

Die Wärmeleitfähigkeit λ ( [λ ] = 1 W/(m K) ) ist eine messbare Stoffeigenschaft, deren Höhe in der Regel in der Reihenfolge der Aggregatzustände fest, flüssig, gasförmig abnimmt (siehe Tabellen 7.6-2 bis 7.6-5). Gase weisen die niedrigsten Werte für die Wärmeleitfähigkeit auf. Hierauf beruht das geringe Wärmeleitvermögen von schaumartigen Isolierstoffen, denn sie 11

George Gabriel Stokes (1819–1903), irischer Mathematiker und Physiker, leistete wichtige Beiträge zur Strömungsmechanik (Navier-Stokes-Gleichungen), zur Ausbreitung elektromagnetischer Wellen und zur Spektralanalyse des Lichts. Er prägte den Namen Fluoreszenz für die Spontanemission von Licht nach entsprechender Anregung, die er bei Calciumflourid beobachtete.

18

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

enthalten eine Vielzahl kleiner gasgefüllter Hohlräume. Auf der sehr niedrigen Wärmeleitfähigkeit von Argon ( λ Ar ≈ 0,02 W/(m K) ) beruht die Verwendung als Schutzgas für beheizte Tauchanzüge. Neben der eigenständigen Bedeutung der Wärmeleitfähigkeit als Stoffeigenschaft geht diese auch in die für die Betrachtung einer instationären Temperaturfeldentwicklung wichtige Temperaturleitfähigkeit a ein (siehe Formel (2-4)). Beim konvektiven Wärmeübergang spielt sie eine Rolle für die Berechnung von Wärmeübergangskoeffizienten. λ = Wärmeleitkoeffizient

λ = λ (T , p)

[λ ] = 1

W mK

Zur Untersuchung der technisch interessanten Wärmeleitprobleme in Feststoffen reicht bei häufig geringer Temperaturabhängigkeit des Wärmeleitkoeffizienten die Verwendung der Tafelwerte aus der Literatur im Allgemeinen aus. Neben der oft lediglich gering ausgeprägten Temperaturabhängigkeit ist bei der Wärmeleitfähigkeit der Druck nur bei Flüssigkeiten, Dämpfen sowie Gasen relevant. In Gasen, Dämpfen und Flüssigkeiten haben wir es gleichzeitig nur dann mit reiner Wärmeleitung zu tun, wenn diese Stoffe in engen Spalten und Kanälen durch Reibung in ihrer Bewegung stark gehemmt sind. Sobald eine durch Temperaturunterschiede hervorgerufene Zirkulation hinzutritt, arbeitet man zweckmäßig mit einem scheinbaren oder wirksamen Wärmeleitkoeffizienten, der auch ein Äquivalent für die „scheinbare“ Wärmeleitung infolge der Konvektionsbewegung enthält. Die Höhe des Wärmeleitkoeffizienten und seine funktionalen Abhängigkeiten von der Temperatur sowie zusätzlich vom Druck für Gase und Flüssigkeiten ermittelt man entweder experimentell oder rechnerisch mit physikalischen Modellen, die nicht auf einer phänomenologischen Betrachtung fußen (siehe entsprechende Fachliteratur, zum Beispiel [7]). Tab. 1-8: p in bar 1 50 100 200

Tab. 1-9: p in bar 1 50 100 200

Wärmeleitkoeffizient von Wasser und Dampf (Werte in Klammern) in W/(m K) als Funktion von Temperatur und Druck nach VDI-Wärmeatlas, Springer Verlag 11. Auflage 2013. 0 °C 0,5557 0,5593 0,5630 0,5701

50 °C 0,6406 0,6432 0,6457 0,6508

100 °C (0,02456) 0,6800 0,6828 0,6883

150 °C (0,02884) 0,6841 0,6874 0,6941

200 °C (0,03344) 0,6629 0,6670 0,6750

250 °C (0,03834) 0,6180 0,6235 0,6339

300 °C (0,04353) (0,05430) 0,5551 0,0708

350 °C (0,04898) (0,05666) (0,06910) 0,4885

Wärmeleitfähigkeit trockener Luft in W/(m K) mit M = 28,9586 kg/kmol und RL = 287,12 J/(kg K) als Funktion von Temperatur und Druck nach VDI-Wärmeatlas, Springer Verlag 11. Auflage 2013. 0 °C 0,02436 0,02665 0,02985 0,03751

50 °C 0,02808 0,02989 0,03231 0,03801

100 °C 0,03162 0,03311 0,03506 0,03962

150 °C 0,03500 0,03627 0,03789 0,04169

200 °C 0,03825 0,03935 0,04074 0,04399

250 °C 0,04138 0,04235 0,04356 0,04640

300 °C 0,04442 0,04528 0,04636 0,04886

400 °C 0,05024 0,05095 0,05182 0,05384

500 °C 0,05580 0,05640 0,05712 0,05881

Zum tieferen Verständnis der mit dem Wärmetransport verknüpften Erscheinungen muss man folgende (qualitative) Eigenschaften des Wärmeleitkoeffizienten kennen:

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen •

19

Bei Metallen erfolgt die Wärmeleitung außer durch die Molekülschwingungen noch durch Elektronenströme, weil die Elektronen dort nicht an einen festen Platz gebunden sind, sondern im Gitterverband umherwandern. Deshalb weisen elektrische Leiter (Tabelle 7.6-2) wesentlich höhere Wärmeleitfähigkeiten als elektrische Nichtleiter (Tabelle 7.6-3) auf. Kristalline Feststoffe leiten die Wärme besser als amorphe. Für chemisch reine Metalle (Periodensystem der Elemente) nimmt die Wärmeleitfähigkeit in der Regel mit steigender Temperatur leicht ab. So zum Beispiel auch für festes Quecksilber, für flüssiges Quecksilber dagegen steigt die Wärmeleitfähigkeit signifikant an, ist aber deutlich niedriger als im festen Zustand. Während sich die Wärmeleitfähigkeit mit wachsenden Temperaturen für ferritische Stähle merklich vermindert, steigt sie für austenitische Stähle deutlich an. Mit steigenden Temperaturen nimmt in der Regel die Wärmeleitfähigkeit von Flüssigkeiten ab (Ausnahme Wasser) und von Gasen zu. Größenordnungen der Wärmeleitfähigkeit für Fluide: Flüssigkeiten 0,1 bis 0,2 W/(m K), Ausnahme Wasser (siehe Tabelle 7.6-4) Gase 0,01 bis 0,03 W/(m K), Ausnahmen: Wasserstoff λH 2 ≈ 0,2 W/(m K) und Helium λHe ≈ 0,14 W/(m K)

• •

• • • •

Tab. 1-10: Größenordnungen für Wärmeleitfähigkeiten ausgewählter Flüssigkeiten und Gase. Flüssigkeiten Organische Flüssigkeiten: λ = 0,1…0,2 W/(m K) z. B. Benzol: λ(20 °C) = 0,154 W/(m K) Wasser und Ammoniak: λ = 0,2…0,6 W/(m K) z. B. Ammoniak λ(20 °C) = 0,494 W/(m K) Salzschmelzen: λ = 0,5…3 W/(m K) z. B. Natriumkarbonat λ(1135 °C) = 1,83 W/(m K) Metallschmelzen: λ = 10…100 W/(m K) z. B. Natrium: λ(100 °C) = 85,8 W/(m K)

Gase (Werte immer bei 100 °C) Argon λ = 0,02089 W/(m K) Kohlendioxid λ = 0,02287 W/(m K) Luft λ = 0,03162 W/(m K) Fluor λ = 0,0318 W/(m K) Helium λ = 0,1793 W/(m K) Wasserstoff λ = 0,2149 W/(m K)

Argon ist das Gas mit der niedrigsten Wärmeleitfähigkeit. Man nutzt es deshalb manchmal als Schutzgas für die Wärmeisolation von beheizten Tauchanzügen.

1.6

Verstehen durch Üben: Grundlagen

Aufgabe 1-1: Fehlerrechnung I – Erforderliche Genauigkeit von Eingangsgrößen Der Polradius der Erde sei zu rE = (6.356.766 ± 1) m bestimmt12 und man suche den daraus resultierenden Erdumfang in gleicher Genauigkeit. Wie viele Dezimalstellen (Nachkommastellen) werden dann für die Kreiskonstante π maximal benötigt? Prüfen Sie, ob die beiden unten aufgeführten Näherungen für die Kreiskonstante π diese Genauigkeit gewährleisten!

12

In der Literatur findet man davon abweichende Werte, weil die Erde keine ideale Kugelgestalt hat und der Radius so vom Breitengrad abhängig ist. Der Äquatorradius beträgt ca. 6.378 km, der Polradius ca. 6.357 km, der mittlere Radius (volumengleiche Kugel) etwa 6.371 km.

20

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

1. Näherung (6 Nachkommastellen richtig)

2. Näherung (9 Nachkommastellen richtig)

355 ≈ 3,1415929 falsch! π≈ 113

π≈

Gegeben: rE = 6.356.766 m

ΔrE = ±1 m

103.993 ≈ 3,1415926530 falsch! 33.102

ΔU = ±1 m

Vorüberlegungen: Die Kreiskonstante π (Ludolfsche Zahl) ist ungefähr anzugeben mit13: π ≈ 3,141 592 653 589 793 238 462 643 383 279 502 884 197 169 399 Die minimal erforderliche Anzahl von Dezimalen für die Kreiskonstante π folgt aus dem maximal zulässigen Fehler für den Erdumfang U, der sich aus U = π·2rE bestimmt. Für den maximalen Fehler gilt die Abschätzung: | ΔU max | =

∂U ∂U Δπ + ΔrE = 2rE ⋅ | Δπ | +2π ⋅ | ΔrE | ∂π ∂rE

Lösung: Δπ =

| ΔU max | −2π ⋅ | ΔrE | 2rE

Der maximal zulässige Fehler für die Kreiskonstante Δπmax ergibt sich, wenn die Unsicherheiten für Umfang und Radius jeweils unterschiedliches Vorzeichen haben (hier ΔU = +1 m und ΔrE = –1 m). | (+1) m − 2π ⋅ (−1) m | Δπ max = = ±0,000000572868 = ±5,72868 ⋅10 −7 2 ⋅ 6.356.766 m

Mit diesem Ergebnis kann die sechste Nachkommastelle für π beeinflusst werden, so dass π mit mindestens 7 genauen Nachkommastellen benötigt wird. Die erste oben angegebene Näherung für die Kreiskonstante ist deshalb im Zuge der hier einzuhaltenden Genauigkeit zu verwerfen, die zweite erfüllt hingegen die gestellten Genauigkeitsanforderungen. Mit Taschenrechnern, die in der Regel zehn Stellen (9 Nachkommastellen) für π anzeigen, kann die geforderte Genauigkeit zur Berechnung des Erdumfangs gewährleistet werden. U = 2 ⋅ π ⋅ rE

U = 2 ⋅ π ⋅ 6.356.766 m = 39.940.738,73 m ≈ 39.940.739 m (Taschenrechnergenauigkeit für π) U = 2⋅

355 ⋅ 6.356.766 m = 39.940.742,12 m ≈ 39.940.742 m (Abweichung von 3 m) 113

U = 2⋅

103.993 ⋅ 6.356.766 m = 39.940.738,73 m ≈ 39.940.739 m (Genauigkeit erreicht!) 33.102

13

Der Mönch Ludolf von Ceulen (1539–1610) errechnete 35 Nachkommastellen von π, die letzten vier davon auf seinem Totenbett (0288), die dann auf seinen Grabstein gemeißelt wurden.

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen

21

U = 2 ⋅ 3,141592653589793238 ⋅ 6.356.766 m = 39.940.738,73 m ≈ 39.940.739 m

(keine Steigerung

der Genauigkeit) Gleiche Überlegungen für eine angestrebte Genauigkeit von ±1 mm führt auf: | (+1) mm − 2π ⋅ (−1) mm | = ±5,72869 ⋅ 10 −10 2 ⋅ 6.356.766.000 mm

Δπ max =

Mit diesem Befund wäre für die Kreiskonstante zu verwenden π = 3,1415926535 und damit zu prüfen, ob der Taschenrechner diese Genauigkeit intern zur Verfügung stellt.

Aufgabe 1-2: Fehlerrechnung II – Fehlerfortpflanzung Ein elektrischer Heizstab mit der Leistung Pel erwärme verlustfrei ein Volumen Wasser V mit der Dichte ρ und mittleren spezifischen Wärmekapazität c , so dass sich die Wassertemperatur um eine Temperaturdifferenz Δt erhöht. Wie hoch ist der maximale relative Fehler für die dafür benötigte Zeit τ, wenn elektrische Leistung, Volumen, Dichte und spezifische Wärmekapazität jeweils einen relativen Fehler von 1,5 % und die Temperaturdifferenz einen relativen Fehler von 3 % aufweisen? Gegeben: ρ, V, c , Δt, Pel, τ

Δρ

ρ

= ±0,015 ,

ΔP ΔV Δc Δ(Δt ) = ±0,015 , = ±0,015 , el = ±0,015 , = ±0,03 Pel Δt V c

Vorüberlegungen: Aus der Grundgleichung der Kalorik folgt: Pel ⋅τ = ρ ⋅ V ⋅ c ⋅ Δt

τ=

ρ ⋅V ⋅ c ⋅ Δt Pel

Lösung:  ∂τ ∂τ ∂τ ∂τ 1 1 ∂τ 1 1 1  Δτ  = ± Δρ ⋅ + ΔV ⋅ + Δc ⋅ + Δ (Δt ) ⋅ + ΔPel ⋅     ∂c τ ∂V τ τ ∂ (Δt ) τ ∂Pel τ   τ  max  ∂ρ

 Δρ ΔV ΔP Δc Δ ( Δt )  Δτ  + − el = ± + + +    Δt V c Pel  τ  max  ρ

mit ∂τ ∂ (Δt )

=

ρ ⋅V ⋅ c Pel

∂τ ρ ⋅ V ⋅ c ⋅ Δt =− ∂Pel ( Pel ) 2

  = ± (1,5 % + 1,5 % + 1,5 % + 3,0 % + 1,5% ) = ± 9 %  

Pel ∂τ 1 ρ ⋅V ⋅ c Δ(Δt ) ⋅ Δt ⋅ = ⋅ Δ(Δt ) ⋅ = Pel ∂ (Δt ) τ ρ ⋅V ⋅ c ⋅ Δt Δt Pel ΔP ρ ⋅ V ⋅ c ⋅ Δt ∂τ 1 ⋅ ΔPel ⋅ = − ⋅ ΔPel ⋅ = − el τ ρ ⋅ V ⋅ c ⋅ Δt Pel ∂Pel ( Pel ) 2

22

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Aus diesem Beispiel ist verallgemeinernd zu erkennen, dass wenn physikalische Größen durch Multiplikation und/oder Division miteinander verknüpft werden, der maximale relative Fehler durch Addition der relativen Fehler der Eingangsgrößen abschätzbar ist. Problematisch an dieser Abschätzung ist jedoch, dass wegen der Addition der relativen Fehler (alle Unsicherheiten weisen in die gleiche Richtung) sich mit zunehmender Zahl der einzubeziehenden Parameter der ausgewiesene Gesamtfehler schnell eine stattliche (meist unrealistische) Größe aufweist.

Aufgabe 1-3: Fehlerrechnung III – absoluter und relativer Fehler einer Temperaturdifferenz Oft werden Temperaturdifferenzen aus gemessenen und daher zwangsläufig mit Fehlern behafteten Einzeltemperaturen ermittelt. a) Schätzen Sie die maximalen und den mittleren absoluten sowie relativen Fehler für eine Temperaturdifferenz zwischen einer gemessenen Endtemperatur von 177 °C und Anfangstemperatur von 175 °C ab, wenn der absolute Fehler für beide Temperaturmessungen ±0,2 K beträgt! b) Kommentieren Sie das Verhältnis relativer Fehler der Einzeltemperaturmessung und relativer Fehler der Verknüpfung dieser Einzelmessung zur Temperaturdifferenz Δt! Gegeben: t2 = 17 °C

t1 = 15 °C

Δt2 = ±0,2 K

Δt1 = ±0,2 K

Lösung: a) maximaler, mittlerer und relativer Fehler der Temperaturdifferenz t 2 − t1 ∂ (Δt ) = +1 ∂t 2

t 2 − t1 = 17 °C − 15 °C = 2 K

∂ (Δt ) = −1 ∂t1

maximaler absoluter Fehler:  ∂ ( Δt )  ∂ ( Δt ) ⋅ Δt1  = ± + 1 ⋅ 0,2 K + − 1 ⋅ 0,2 K = ± 0,4 K ⋅ Δt 2 + (Δ (Δt )) max = ±  ∂t 2  ∂ t 1  

(

)

mittlerer absoluter Fehler: 2

2

 ∂ (Δt )   ∂ (Δt )   +   = ± (+1 ⋅ 0,2 K) 2 + ( −1 ⋅ 0,2 K) 2 = ± 0,28284 K (Δ(Δt )) m = ±  ∂ t ∂ t  2   1 

maximaler relativer und mittlerer relativer Fehler der Temperaturdifferenz Δ( Δt )) max ±0,4 K  Δ(Δt )  = = = ± 0,2   t 2 − t1 177 °C − 175 °C  Δt  max Δ(Δt )) m ±0,28284 K  Δ(Δt )  = = ± 0,14142   = t 2 − t1 177 °C − 175 °C  Δt  m

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen

23

b) Analyse der Entwicklung der relativen Fehler der Einzeltemperaturmessungen ±

0,2 K Δt =± = 0,00113 t2 177 °C

±

0,2 K Δt =± = 0,00114 t1 175 °C

Obwohl die relativen Fehler der Einzelmessungen für beide Temperaturen nur geringfügig über 0,1 % liegen, ergibt sich für die Temperaturdifferenz ein maximaler relativer Fehler von 20 % und ein mittlerer relativer Fehler von immerhin noch etwas mehr als 14 %! Die Differenzbildung von fehlerbehafteten Messgrößen, die in etwa gleicher Größenordnung vorliegen, führt sehr oft zu dem problematischen Ergebnis, dass die relativen Fehler der Differenz wesentlich größer sind als die relativen Fehler der Eingangswerte. Um diesen Effekt zu begrenzen, muss man messtechnisch erhebliche Aufwendungen betreiben!

Aufgabe 1-4: Temperaturbedingte Ausdehnung von Stäben Eine lückenlos verlegte Eisenbahnschiene aus Stahl werde unterschiedlich erwärmt. a) Welche Druckspannungen entstehen aus den (verhinderten) Dehnungen bei einer Erwärmung durch Sonneneinstrahlung um 20 K im Gleis? b) Welcher Längenunterschied resultiert aus den Unterschieden zwischen Sommer- und Wintertemperaturen ( Δt = 40 K ) für einen 1 km langen Schienenstrang? Gegeben: Stahl: α l = 11⋅10 −6

1 (Tabelle 7.6-1) K

a) Δt = 20 K

b) Δt = 40 K

E = 210 ⋅10 3

N (Tabelle 7.6-1) mm 2

l0 = 1.000 m

Lösung: a) Ermittlung der Druckspannungen Die (verhinderte) Dehnung ε als mechanische Größe ergibt sich aus Formel (1-12) Δl = α ⋅ Δt . Mit der ebenfalls aus der Mechanik bekannten Beziehung σ = E ⋅ ε folgen l N 11 1 die entstehenden Druckspannungen aus σ = E ⋅ α ⋅ Δt = 210.000 ⋅ ⋅ 20 K = 46,2 MPa mm 2 10 6 K

zu ε =

Diese Druckspannung liegt etwa bei 10 % der Streckgrenze von Schienenstahl. b) Längenänderung infolge Sommer-/Wintertemperatur Aus Formel (1-12) folgt Δl = l0 ⋅ α l ,St ⋅ Δt = 1000 m ⋅11 ⋅10 -6 1/K ⋅ 40 K = 44 cm , also 0,044 %!

24

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Aufgabe 1-5: Wärmeausdehnung beim Bohren von Metallen Mit einem Stahlbohrer von 6,00 mm Durchmesser (bei 20 °C) wird ein Loch in eine Messingscheibe gebohrt. Zu Beginn des Bohrvorgangs weisen Bohrer und Scheibe eine einheitliche Temperatur von 20 °C auf. Während des Bohrens erwärmen sich Bohrer und Messingscheibe auf 180 °C. Welchen Durchmesser hat das Loch in der Scheibe, wenn sich diese wieder auf 20 °C abgekühlt hat? Gegeben: Stahlbohrer: dB = 6,00 mm Messingscheibe:

αB = 11·10–6 K–1 αS = 19·10–6 K–1

t0 = 20 °C t0 = 180 °C

t = 180 °C t = 20 °C

Vorüberlegungen: Die Wärmeausdehnung findet hier jeweils in zwei verschiedenen Körpern statt. Dazu müsste der Volumenausdehnungskoeffizient herangezogen werden. Praktisch interessiert hier jedoch nur die Ausdehnung/Schrumpfung in radialer Richtung, so dass wir mit den linearen Ausdehnungskoeffizienten aus Tabelle 7.6-1 arbeiten können. Der Durchmesser des Stahlbohrers vergrößert sich durch die Erwärmung um Δt gemäß Gleichung (1-11), so dass der Lochdurchmesser beim Bohren größer als der ursprüngliche Durchmesser des Bohrers ausfällt. Mit der Abkühlung um Δt nach dem Bohren verkleinert sich der Lochdurchmesser nach Maßgabe der Wärmedehnung von Messing. Der Durchmesser der Bohrung in der Messingscheibe bei 20 °C muss also kleiner sein als der des Bohrers bei 20 °C, weil αB < αS und die Temperaturdifferenz als gleich angenommen wird. Lösung: d B (t ) = d B (t0 ) ⋅ (1 + αB (t − t0 )) und dann d S (t 0 ) = d B (t ) ⋅ (1 + α S (t 0 − t ))

d B (180 °C) = 6,00 mm ⋅ (1 + 11 ⋅ 10−6 K −1 ⋅ (180 °C − 20 °C)) = 6,01056 mm

d S (20 °C) = 6,01056 mm ⋅ (1 + 19 ⋅ 10−6 K −1 ⋅ (20 °C − 180 °C)) = 5,992 mm

Aufgabe 1-6: Scheinbarer Volumenausdehnungskoeffizient von Flüssigkeiten in Gefäßen In einen leeren Kraftstofftank aus Stahl, dessen Volumen 60 ℓ beträgt, wird Benzin mit einer Temperatur von 20 °C eingefüllt. Wie viel Liter Benzin darf in den Tank eingefüllt werden, wenn bei einer Temperatursteigerung von Tank und seinem Inhalt auf 41 °C ein unkontrolliertes Ausfließen verhindert werden soll? Gegeben: Benzin βB = 1060·10–6 K–1 VT = 60 ℓ t1 = 20 °C

Stahl βSt =3·αl = 33·10–6 K–1 t2 = 41 °C Δt = 21 K

(beides aus Tabelle 7.6-1)

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen

25

Vorüberlegungen: 1. Möglichkeit für einen Lösungsansatz: Mit der Temperaturerhöhung von t1 auf t2 vergrößert sich sowohl das Volumen des Benzins als auch des Tanks, so dass ein Teil der Volumenzunahme des Tankinhalts von der Volumenzunahme des Tanks aufgefangen wird. Für die Ausdehnung des Benzins ist deshalb ein scheinbarer Volumenausdehnungskoeffizient anzusetzen, der sich ergibt aus: β = βB − βSt = 1027 ⋅ 10−6 ⋅ 1/K . Daraus folgt dann VT = VB (t1 ) ⋅ (1 + β ⋅ Δt ) und man kann nach der

unbekannten Einfüllmenge für das Benzin bei der Temperatur t1 auflösen. 2. Möglichkeit für einen Lösungsansatz Bei der Temperatur t2 = 41 °C muss das Tankvolumen dem Tankinhalt entsprechen VT (t 2 = 41 °C) = VB (t 2 = 41 °C) → VT (t1 = 20 °C) ⋅ (1 + β St ⋅ Δt ) = VB (t1 = 20 °C) ⋅ (1 + β B ⋅ Δt ) Auch hier kann man jetzt nach der unbekannten Einfüllmenge für das Benzin bei der Temperatur t1 auflösen. Lösung: 1. Möglichkeit: VT

V B (t1 = 20 °C) =

1 + β ⋅ Δt

=

60  = 58,733  1 + 1027 ⋅ 10 -6 ⋅ 1/K ⋅ 21 K

2. Möglichkeit: VB (t1 = 20 °C) = VT

1 + β St ⋅ Δt 1 + 33 ⋅10 -6 ⋅1/K ⋅ 21 K = 60  ⋅ = 58,733  1 + β B ⋅ Δt 1 + 1060 ⋅ 10 -6 ⋅1/K ⋅ 21 K

Beim Einfüllen muss die Füllmenge ca. 1,267 ℓ unter der des Tankvolumens von 60 ℓ liegen. Vernachlässigt man die Volumenausdehnung des Stahls würde man eine maximal mögliche Einfüllmenge ermitteln von VB (t1 = 20 °C) =

VT 1 + β B ⋅ Δt

=

60  = 58,694  1 + 1060 ⋅ 10 -6 ⋅1/K ⋅ 21 K

also mit einem relativen Fehler von ungefähr 0,07 %.

Aufgabe 1-7: Scheinbarer Volumenausdehnungskoeffizient bei Flüssigkeitsthermometern Ein aus Glas gefertigtes Flüssigkeitsthermometer verwende einmal Quecksilber und einmal gefärbtes Ethanol als Thermometerflüssigkeit. Der lineare Ausdehnungskoeffizient für das Thermometerglas betrage 6·10–6 K–1. a) Welchen Innendurchmesser in mm müsste die Kanüle des Thermometers jeweils aufweisen, wenn die Skala des Thermometers mit einer Teilung von 1 °C je mm gestaltet wird und der Vorratsbehälter am unteren Ende ein Volumen von 0,25 cm³ besitzen soll?

26

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

b) Wie hoch ist jeweils das Volumen der Thermometerflüssigkeit in ml bei einem Kanülendurchmesser von 0,3 mm, wenn die Thermometerflüssigkeit bei einem Temperaturanstieg von 18 °C auf 30 °C um 6,5 cm steigt? Gegeben: Volumenausdehnungskoeffizient β der Thermometerflüssigkeit aus Tabelle 7.6-1 αGlas = 6·10–6 K–1 βHg = 181·10–6 K–1 und βEth = 1100·10–6 K–1 a) Δt = 1 K ≡ Δh = 1 mm V0 = 0,25 cm3 b) Δl = 6,5 cm

d = 0,3 mm

Δt = 30 °C – 18 °C = 12 K

Lösung: a) Kanülendurchmesser für vorgegebene Teilung auf der Strichplatte der Skala scheinbare Volumenausdehnungskoeffizienten der Thermometerflüssigkeiten: β Hg ≡ β Hg − 3 ⋅ α Glas = (181 − 18) ⋅10 −6 1/K = 163 ⋅10 −6 K -1

β Eth ≡ β Eth − 3 ⋅ α Glas = (1100 − 18) ⋅10 −6 1/K = 1082 ⋅10 −6 K -1

wegen V0 = 0,25 cm3 wählt man zweckmäßig Δt = 10 K ≡ Δh = 1 cm V (Δh) = V0 (1 + β ⋅ Δt ) = V0 + V0 ⋅ β ⋅ Δt und ΔV =

π 4

d 2 ⋅ Δh sowie

ΔV = V (t 0 + Δt ) − V0 = V0 ⋅ β ⋅ Δt führt auf:

π 4

d 2 ⋅ Δh = V0 ⋅ β ⋅ Δt → d =

Quecksilber:

d=

4 ⋅ V0 ⋅ β ⋅ Δt π ⋅ Δh

4 ⋅ 0, 25 cm3 ⋅ 163 ⋅ 10−6 K −1 ⋅ 10 K ≈ 0,0228 cm = 0,228 mm π ⋅ 1 cm

Wir haben die Temperaturabhängigkeit des Volumenausdehnungskoeffizienten hier nicht berücksichtigt. So zeigt eine auf 0 °C und 100 °C abgeglichene und gleichmäßig unterteilte Temperaturskala eines Quecksilberthermometers wegen der Temperaturabhängigkeit des Volumenausdehnungskoeffizienten bei 50 °C eine um 0,1 °C zu hohe Temperatur an.

Ethanol:

d=

4 ⋅ 0, 25 cm3 ⋅ 1082 ⋅ 10−6 K −1 ⋅ 10 K ≈ 0,0587 cm = 0,587 mm π ⋅ 1 cm

b) Volumen Thermometerflüssigkeit bei Kanülendurchmesser d = 0,3 mm = 0,03 cm ΔV (Δt ) = ΔVFlüssig − ΔVGlas = A ⋅ Δl → β Flüssig ⋅ V ⋅ Δt − 3α Glas ⋅ V ⋅ Δt = A ⋅ Δl ( ß Flüssig − 3α Glas ) ⋅ V ⋅ Δt =

π 4

d 2 ⋅ Δl

→ V=

π ⋅ d 2 ⋅ Δl 4 ⋅ ( β Flüssig − 3α Glas ) ⋅ Δt

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen Quecksilber:

V=

Ethanol:

V=

27

π ⋅ 0,032 cm² ⋅ 6,5 cm -6

4 ⋅ (181 − 18) ⋅10 ⋅1/K ⋅12 K

=

π ⋅ 0,032 cm² ⋅ 6,5 cm -6

4 ⋅ (1100 − 18) ⋅10 ⋅1/K ⋅12 K

18378,31702 cm³ ≈ 2,35 cm³ = 2,35 ml 7824 =

18378,31702 cm³ ≈ 0,354 cm³ = 0,354 ml 51936

Aufgabe 1-8: Volumenzunahme verschiedener Materialien Wie hoch ist die prozentuale Volumenzunahme, wenn folgende Materialien von 0 °C auf 40 °C erwärmt werden? a) Kupfer b) Wasser c) Hydrauliköl d) Luft Gegeben: Linearer bzw. kubischer Volumenausdehnungskoeffizient nach Tabelle 7.6-1 Kupfer:

βCu(20 °C) = 49,5·10–6 K–1 (aus βCu = 3·αCu)

Wasser: Hydrauliköl: Luft: t1 = 0 °C

βWasser(20 °C) = 207·10–6 K–1 βÖl(20 °C) = 710·10–6 K–1 βL(20 °C) = 3674·10–6 K–1 t2 = 40 °C

Lösung: V (t ) = V0 ⋅ (1 + β ⋅ Δt ) Gleichung (1-14c) →

a)

Kupfer

b) Wasser c)

V (t ) − 1 = β ⋅ Δt mit Δt = t 2 − t1 = 40 K V0

β ⋅ Δt = 49,5 ⋅10 −6 K -1 ⋅ 40 K ≈ 0,00198 ≈ 0,2 % β ⋅ Δt = 207 ⋅10 −6 K -1 ⋅ 40 K ≈ 0,00828 ≈ 0,83 %

Hydrauliköl β ⋅ Δt = 710 ⋅10 −6 K -1 ⋅ 40 K ≈ 0,0284 ≈ 2,8 %

d) Luft

β ⋅ Δt = 3674 ⋅10 −6 K -1 ⋅ 40 K ≈ 0,14696 ≈ 14,7 %

Für d) kann alternativ entwickelt werden: p ⋅ ΔV = m ⋅ RL ⋅ ΔT und p ⋅ V = m ⋅ RL ⋅ T →

ΔV ΔT = V0 T0



V (T ) − 1 = β ⋅ ΔT V0

Daraus ist ersichtlich, dass hier (wie für alle idealen Gase) gilt β = V (T ) 1 − 1 = β ⋅ ΔT = ⋅ 40 K = 0,14644 ≈ 14,6 % V0 273,15 K

1 T0

28

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Aufgabe 1-9: Isochorer Spannungskoeffizient Eine Hohlkugel ist bei 19 °C gerade vollständig mit Quecksilber unter einem Druck von 1 bar gefüllt. Welchen Druck erreicht das Quecksilber bei einer Temperaturerhöhung auf 21 °C? Gegeben: t2 = 21 °C p1 = 1 bar t1 = 19 °C Tabelle 7.6-1: Stoffwerte für Quecksilber: βHg(20 °C) = 181·10–6 K–1 und χHg = 35,05·10–12 Pa–1 Vorüberlegungen: Der Zusammenhang zwischen Druck und Temperatur bei konstantem Volumen ist gegeben durch  ∂p  dp =   dT  ∂T V

 ∂p   = γ ⋅ p nach (1-23). Mit  ∂T V

mit dem isochoren Spannungskoeffizienten  β χ

Gleichung (1-26) folgt dann γ ⋅ p =

Lösung: Die Integration von dp = p2 = 1 bar +

β β ⋅ dT führt auf p 2 = p1 + (T2 − T1 ) χ χ

181 ⋅10 -6 K -1 ⋅ 2 K = 104,28 bar 35,05 ⋅10 -12 Pa -1

Aufgabe 1-10: Druckentstehung in Gefäßen bei verhinderter Ausdehnung Welcher Druck in bar wird erreicht, wenn bei einem Druck von 1 bar in einer Stahlumhüllung a) ein blasenfrei eingeschlossenes Hydrauliköl von 20 °C auf 60 °C erwärmt und b) trockene Luft von 20 °C auf 60 °C erwärmt wird? Gegeben: Stoffwerte aus Tabelle 7.6-1 a) Hydrauliköl:

β Öl = 710 ⋅10 −6 ⋅1/K

χ Öl = 320 ⋅ 10−12 Pa −1

b) Luft:

β Luft = 1/293,15 K

χ Luft = 1 ⋅ 10−5 Pa −1

α l ,St = 11 ⋅10 −6 ⋅1/K

β St = 33 ⋅10 −6 ⋅1/K

Stahl:

t1 = 20 °C

t2 = 60 °C

Δt = 40 K

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen

29

Vorüberlegungen: Das Volumen des Fluides (Hydrauliköl oder trockene Luft) kann sich in der Höhe nur nach Maßgabe der temperaturbedingten Ausdehnung der Stahlumhüllung vergrößern. In diesem Bereich folgt die Ausdehnung des eingeschlossenen Fluids einem sich aus den Volumenausdehnungskoeffizienten des Fluids sowie des Stahls ergebenden scheinbaren Volumenausdehnungskoeffizienten. Die aus der stärkeren Neigung zur Ausdehnung resultierende, darüber hinaus gehende Volumenausdehnung ist durch die Umhüllung behindert und führt unter Berücksichtigung des Kompressibilitätskoeffizienten χ zum Druckaufbau gemäß (1-18). Lösung:  ΔV   ΔV  = 0 folgt +    V  Ausdehnung  V  Kompression

Wegen 

 ΔV   ΔV  = −     V  Ausdehnung  V  Kompression

Mit den Gleichungen (1-14) und (1-18) ergibt sich daraus: − β St β ( β Fluid − β St ) ⋅ Δt = −( − χ Fluid ⋅ Δp ) → Δp = Δt ⋅ Fluid und χ Fluid a)

p 2 = p1 + Δp

Hydrauliköl Δp = 40 K ⋅

(710 − 33) ⋅10 −6 ⋅1/K = 846,25 bar 320 ⋅10 -12 ⋅1/Pa

p2 = 1 bar + 846,25 bar = 847,25 bar

b) Trockene Luft 1 1 − 33 ⋅10 −6 K 293,15 K Δp = 40 K ⋅ = 0,13513 bar 1 ⋅10 -5 Pa -1

p 2 = (1 + 0,13513) bar = 1,13513 bar

Alternativ könnte man auch über die Grundgleichung für ideales Gas einen Lösungsansatz gewinnen. T2 p1 ⋅ V1 p2 ⋅ V1 ⋅ (1 + β st Δt ) = → p2 = p1 ⋅ T1 ⋅ (1 + β St ⋅ Δt ) T1 T2 p 2 = 1 bar ⋅

333,15 K = 1,13495 bar 293,15 K ⋅ (1 + 33 ⋅10 -6 K -1 ⋅ 40 K)

Bei Vernachlässigung der Ausdehnung der Stahlumhüllung könnte man auch eine isochore Zustandsänderung ansetzen mit p2 T2 → = p1 T1

p2 = p1 ⋅

T2 333,15 K = 1 bar ⋅ = 1,13645 bar T1 293,15 K

Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass wegen der geringen Kompressibilität von Flüssigkeiten im Falle einer behinderten Ausdehnung in diesen bei steigenden Temperaturen im Unterschied zu den hoch kompressiblen Gasen schnell sehr hohe Drücke entstehen.

30

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Aufgabe 1-11: Beispiele für den isochoren Spannungskoeffizienten a) Welcher Temperatursprung Δt ist für ein Gas von 20 °C in einer Stahlflasche noch tolerabel, wenn der Druck in der Flasche von 20 auf maximal 25 bar steigen darf? p2 = 25 bar t1 = 20 °C Gegeben: p1 = 20 bar Lösung: Aus Gleichung (1-16) wird abgeleitet Δp / p = γ ⋅ Δt und mit γ = 1 / T nach (1-23) für ideales Gas folgt Δt = T ⋅

Δp 5 bar = 293,15 K ⋅ = 73,29 K p 20 bar

Achtung! In die Formel (1-16) muss die thermodynamische Temperatur eingesetzt werden: Alternativ könnte man das Gesetz von Gay-Lussac für ideales Gas anwenden und rechnen: T2 = T1 ⋅

p2 25 bar = 293,15 K ⋅ = 366,44 K p1 20 bar

ΔT = T2 − T1 = (366,44 − 293,15) K = 73,29 K

b) Welche Druckerhöhung Δp erfährt ein Fahrradreifen, wenn sich die eingefüllte unter einem Druck von 1,4 bar stehende Luft während der Fahrt von 10 °C auf 35 °C erwärmt? t2 = 35 °C Δt = 25 K p1 = 1,4 bar Gegeben: t1 = 10 °C Lösung: Δp ΔT = p1 T1

Δp = p1 ⋅

ΔT 25 K = 1,4 bar ⋅ = 0,1236 bar T1 283,15 K

Auch hier kann alternativ das Gesetz von Gay-Lussac für konstantes Volumen angewendet werden. Gay-Lussac selbst hat sein Gesetz aus der Untersuchung des Ausdehnungsverhaltens von Gasen bei konstantem Druck (isobarer Volumenausdehnungskoeffizient) und bei konstantem Volumen (isochorer Spannungskoeffizient) gewonnen. c) Ein fester Behälter (ohne Temperaturausdehnung) enthalte 2 kg Wasser von 1 bar und 20 °C. Welche Wärme in kWh muss eine elektrische Heizwendel im Behälter für einen Druckanstieg auf 5 bar zuführen und welche Temperatur in °C besitzt dann das Wasser? Gegeben: t1 = 20 °C p2 = 5 bar m = 2 kg p1 = 1 bar aus Tabelle7.6-1: β (20 °C) = 207 ⋅ 10−6 K −1 und χ = 456 ⋅ 10−12 Pa −1 Lösung: 1. Möglichkeit: Lineare Interpolation aus Tabelle 9-17 (Band I) v1 = 0,00100180 m³/kg h1 = 84,0118 kJ/kg p1 = 1 bar; t1 = 20 °C: p2 = 5 bar; v2 = 0,0010018 m³/kg: erfordert eine lineare Interpolation zwischen: v = 0,00100161 m³/kg und v = 0,00100278 m³/kg t 2 = 20 °C +

(0,0010180 − 0,00101161) m³/kg ⋅ ( 25 °C − 20 °C) = 20,81 °C 0,00100278 − 0,00100161) m³/kg

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen h2 = 84,3882

31

kJ (0,0010180 − 0,00101161) m³/kg kJ kJ + ⋅ (105,298 − 84,3882) = 87,7838 kg 0,00100278 − 0,00100161) m³/kg kg kg

u 2 = h2 − p 2 ⋅ v 2 = 87,7838 u1 = h1 − p1 ⋅ v1 = 84,0118

kJ kN m³ kJ − 500 ⋅ 0,0010018 = 87,2829 kg m² kg kg

kN m³ kJ kJ − 100 ⋅ 0,0010018 = 83,9116 kg m² kg kg

Q = m ⋅ (u 2 − u1 ) = 2 kg ⋅ (87,2829 − 83,9116) kJ/kg = 6,7426 kJ = 0,0019 kWh

2. Möglichkeit: Zustandsgleichungen kondensierter Gase ρ (t1 , p1 ) mit Δt = t 2 − t1 und Δp = p2 − p1 ρ 2 (t 2 , p 2 ) = (1 + β ⋅ Δt )(1 − χ ⋅ Δp ) Für ρ = konstant (Masse und Volumen ändern sich im Prozess nicht) entsteht daraus: 1 + β ⋅ Δt = Q=

1 und mit Q = m ⋅ c ⋅ Δt folgt schließlich 1 − χ ⋅ Δp

 m⋅c  1  − 1 β  1 − χ ⋅ Δp 

wobei Δp = p2 – p1 = 5 bar – 1 bar = 4 bar = 4·105 Pa

Die mittlere spezifische Wärmekapazität von Wasser setzen wir auch im Bereich zwischen 1 und 5 bar mit einem Wert von c = 4,19 kJ/(kg K) an. 2 kg ⋅ 4,19 kJ/(kg K)  1  ⋅ − 1 = 7,3855 kJ ≈ 0,0021 kWh -6 -1 −12 -1 5 207 ⋅10 K  1 − 456 ⋅ 10 Pa ⋅ 4 ⋅ 10 Pa  Q 7,3855 kJ = 20 °C + ≈ 20,9 °C Temperatur des Wassers im Behälter t = t 0 + m⋅c 2 kg ⋅ 4,19 kJ/(kg K) Q=

Schon eine Temperaturerhöhung von 0,9 K bewirkt ein Ansteigen des Drucks auf das Fünffache. Die dafür aufzuwendende Wärme ist mit etwa 0,002 kWh relativ gering. Eine Temperaturerhöhung von ca. 17 K würde zu einer Drucksteigerung auf etwa 200 bar führen.

Aufgabe 1-12: Untersuchungen zur spezifischen Wärmekapazität Ermitteln Sie den wertmäßigen Unterschied zwischen der spezifischen Wärmekapazität für konstanten Druck und für konstantes Volumen bei einem Druck von 1 bar und einer Temperatur von 20 °C jeweils für Wasser und für Aluminium sowie den relativen Fehler, der bei Vernachlässigung dieses Unterschieds bei der spezifischen Wärmekapazität gemacht wird! Gegeben: H2O: cp = 4,185 kJ/(kg K) β = 207·10–6 K–1 Al: cp = 0,888 kJ/(kg K) β = 70,5·10–6 K–1

ρ = 998,2 kg/m3 χ = 456·10–12 Pa–1 ρ = 2700 kg/m3 χ = 13,8889·10–12 Pa–1

(Tabelle 7.6-4 für 20 °C) (Tabelle 7.6-1) (Tabelle 7.6-2) (Tabelle 7.6-1)

32

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

Vorüberlegungen: Für die Lösung dieser Aufgabe müssen wir ausgehend von den kalorischen Zustandsgleichungen mit Differentialquotienten rechnen. Dazu werden mit Bezug zu den Formelnummern aus Band I wichtige Sachverhalte so aufgearbeitet, dass sie hier direkt verwendet werden können. Formel (3-3): Definition der Enthalpie h = u + p ⋅ v liefert nach Differentiation dh = du + p ⋅ dv + v ⋅ dp

Formel (3-4):

Innere Energie u = u(v, T) beschrieben durch das vollständige Differential  ∂u   ∂u   ∂u  du =   dT +   dT = cV dT +   dT ∂ ∂ T v v   T  ∂v T

Formel (3-10):

dh = c p dT führt mit (3-3) und (3-4) für konstanten Druck (vdp = 0) auf:

 ∂u  c p ⋅ dT = cV ⋅ dT +   dT + p ⋅ dv →  ∂v T

 ∂u    ∂v  c p − cV =   + p  ⋅   ∂ v  T   ∂T  p

Mit dieser Gleichung ist der Unterschied zwischen den spezifischen Wärmekapazitäten cp und cV zu ermitteln, sofern die Zustandsgleichungen der betreffenden Stoffe bekannt sind.  ∂u   = 0 . Außer ∂v T

Für ideales Gas ist mit dem Überströmversuch von Gay-Lussac bekannt: 

R  ∂v   = i und somit der Zusammenhang c p − cV = Ri . p  ∂T  p

dem folgt mit p ⋅ v = Ri ⋅ T für 

 ∂u   geeignet zu untersuchen, wofür wir  ∂v T

Für andere Stoffe, die nicht ideale Gase sind, ist 

auf Formel (5-7) in Verbindung mit (3-4) zurückgreifen: ds =

 du + pdv 1  ∂u  1  ∂u  = ⋅  dT +   + p  dv T T  ∂T  v T  ∂v  T 

Wenn die Entropie s für geschlossene Systeme als Zustandsgröße (= vollständiges Differential) s = s(v, T) existiert, gilt:  ∂s   ∂s  ds =   dT +   dv mit der Integrabilitätsbedingung:  ∂v T  ∂T  v ∂  ∂s  ∂   = ∂v  ∂T  v ∂T

 ∂s     ∂v T

oder

 ∂  1  ∂u   ∂  1   ∂u   =     + p    ∂v  T  ∂T  v  ∂T  T   ∂v T 

Die Ausführung der Differentiation ergibt: 0=−

1  ∂u  p 1  ∂p  ⋅  − + ⋅  T 2  ∂v T T 2 T  ∂T  v

 ∂u   ∂p   =  ⋅T − p ∂ v  T  ∂T 

oder 

Damit ist für die Differenz der spezifischen Wärmekapazitäten gegeben:  ∂u    ∂v   ∂p   ∂v  c p − cV =   + p  ⋅   = T ⋅  ⋅  ∂ ∂ v T p  ∂T  v  ∂T  p  T  

1.6 Verstehen durch Üben: Grundlagen

33

Lösung: (hier beziehen sich die Nummern der Formeln wieder auf Band II)  ∂p   ∂v  c p − cV = T ⋅   ⋅  (aus den Vorüberlegungen übernommen)  ∂T  v  ∂T  p

 ∂p   folgt aus (1-26) in Verbindung mit (1-22) bis (1-24)  ∂T  v

Für den Differentialquotienten 

 ∂v       ∂T  p 1  ∂v  1  ∂p  1  ∂v   ∂p  β = p ⋅ γ ⋅ χ oder   = p ⋅   ⋅  −    →   = − v  ∂T  p p  ∂T  v  v  ∂p T   ∂v   ∂T  v    ∂p T 2

 ∂v     ∂T  p c p − cV = −T ⋅  ∂v     ∂p T c p − cV = −T ⋅

 ∂v   = −v ⋅ χ so dass  ∂p T

und aus Definition (1-24) gewinnen wir 

v2 ⋅ β 2 β2 β2 = T ⋅v⋅ =T ⋅ −v⋅χ χ ρ ⋅χ

Größenmäßige Auswertung ergibt für Wasser:

c p − cV = 293,15 K ⋅

(207 ⋅ 10−6 1/K) 2 J kJ = 27,596 ≈ 0,0276 3 −12 2 998,2 kg/m ⋅ 456 ⋅ 10 m /N kg K kg K

Δc 0,0276 kJ/(kg K) = = 0,0066 4,185 kJ/(kg K) c

Fehler 0,66 %

Aluminium: c p − cV = 293,15 K ⋅

(70,5 ⋅ 10−6 1/K) 2 J kJ = 38,854 ≈ 0,0389 2700 kg/m 3 ⋅ 13,8889 ⋅ 10−12 m 2 /N kg K kg K

Δc 0,0389 kJ/(kg K) = = 0,0437 0,888 kJ/(kg K) c

Fehler 4,37 %

Aufgabe 1-13: Ermittlung von Stoffwerten für trockene Luft a) Welchen Wert besitzt die mittlere spezifische Wärmekapazität für trockene Luft bei 1 bar zwischen 50 und 650 °C? t2

cp

t2 t1

c

=

p (t )dt

t1

t 2 − t1

als mittlere spezifische Wärmekapazität nach dem Mittelwertsatz der Integ-

ralrechnung kann durch numerische Integration der zumeist in Tabellenform vorliegenden

34

1 Einführung in die Ingenieurwissenschaft Wärmeübertragung

wahren spezifischen Wärmekapazitäten cp(t) über eine summierte Simpsonʼsche Formel mit äquidistanter Zerlegung in 2m Teilintervalle berechnet werden: b



f ( x )dx ≈

a

m −1 m −1  h  f ( a ) + f (b ) + 4 ⋅ f (a + (2k + 1) ⋅ h) + 2 ⋅ f ( a + 2k ⋅ h)    3 k =0 k =1 



mit der Schrittweite h =



b−a 2m

m = 2 zerlegt das Integrationsintervall von Δt = 650 °C − 50 °C = 600 K in vier gleiche Bereiche, die Schrittweite beträgt h = 150 K. Dann folgt mit den Werten der Tabelle 7.6-5: 650 °C

c

p (t )dt



50 ° C

cp

650 °C 50 °C

=

(

)

150 K c p (50 °C) + c p (650 °C) + 4 ⋅ c p (200 °C) + 4 ⋅ c p (500 °C) + 2 ⋅ c p (350 °C) und für 3

50 K kJ kJ ⋅ (1,008 + 1,126 + 4 ⋅1,025 + 4 ⋅1,093 + 2 ⋅1,057 ) = 1,060 600 K kg K kg K

m = 1 zerlegt das Integrationsintervall von Δt = 600 K in zwei gleiche Bereiche mit der Schrittweite h = 300 K. Als Integrationsformel entsteht so die Keplersche Fassregel: 650 °C

c

p (t )dt

50 ° C

cp

650 °C 50 °C

=



(

300 K c p (50 °C) + c p (650 °C) + 4 ⋅ c p (350 °C) 3

)

100 K kJ kJ ⋅ (1,008 + 1,126 + 4 ⋅1,057 ) = 1,060 (hinreichend genau) 600 K kg K kg K

Alternativ sind auch die im VDI-Wärmeatlas [7] tabellierten Werte für die spezifische Enthalpie verwendbar. Dann ist zu rechnen: cp

t2 t1

=

h(t 2 ) − h(t1 ) t 2 − t1

cp

650 °C 50 °C

=

kJ h(650 °C) − h(50 °C) (661,1 − 2518) kJ/kg = = 1,060 600 K 600 K kg K

b) Welchen Wert besitzt die kinematische Viskosität für trockene Luft bei 50 °C und 50 bar? Die dynamischen Viskositäten η von Fluiden sind genauso wie ihre Wärmeleitfähigkeiten λ von der Temperatur, aber praktisch außer in der Nähe des kritischen Punktes nicht vom Druck abhängig. Wegen der Imkompressibilität von Flüssigkeiten sind auch ihre kinematischen Viskositäten ν kaum vom Druck abhängig. Die Kompressibilität von Gasen erfordert jedoch bei ν die Berücksichtigung des antiproportionalen Verhaltens zum Druck. ν ( p, t ) = ν ( p Bezug , t ) ⋅

p Bezug p

Mit Tabelle 7.6-5 steht die Temperaturfunktion der kinematischen Viskosität bei einem Bezugsdruck von pBezug = 1 bar zur Verfügung, so dass nun gerechnet werden kann: ν (50 bar, 50 °C) = ν (1 bar, 50 °C) ⋅

m2 m 2 1 bar 1 bar = 182,2 ⋅10 −7 ⋅ = 3,644 ⋅10 −7 s s 50 bar 50 bar

Tatsächlich weist der VDI-Wärmeatlas aus: ν(50 bar, 50 °C) = 3,789·10–7 m2/s. Der relative Fehler des oben errechneten Wertes liegt bei knapp 4 % des Tafelwertes.

2

Wärmeleitung in Feststoffen

2.1

Fourierʼsches Gesetz der Wärmeleitung

Bei phänomenologischer Betrachtung der Wärmeleitung beschreibt man das skalare Tempera turfeld t = t(x, y, z, τ) und den vektoriellen Wärmefluss q , ohne auf die Natur der zu Grunde liegenden intermolekularen Wechselwirkungen einzugehen. Erfahrungsgemäß treten Wärmeströme im Temperaturfeld immer dort auf, wo entsprechende Temperaturgradienten vorliegen. Insofern liegt ein, erstmals von Fourier14, vorgeschlagener Ansatz q ~ gradt nahe.   q = −λ ⋅ gradt = −λ ⋅ ∇t

 ∂t  ∂t  ∂t  grad t = ∇t = e x + e y + ez ∂x ∂y ∂z  ∂t  1 ∂t  ∂t  eϕ + e z grad t = ∇t = er + ∂r r ∂ϕ ∂z  1 ∂t  1 ∂t  ∂t  grad t = ∇t = eψ eϕ + er + ∂r r ⋅ sin ϕ ∂ψ r ∂ϕ

(2-1)

(kartesische Koordinaten x, y, z) (Zylinderkoordinaten r, φ, z) (Kugelkoordinaten r, φ, ψ)

Das Minuszeichen in (2-1) berücksichtigt, dass der Wärmestromdichte-Vektor stets in Richtung abnehmender Temperatur weist. In der Mathematik wird gradt eines skalaren Ortsfeldes t(x, y, z) = t(r) als das (positive) Vektorfeld definiert, das jedem Punkt des Temperaturfeldes einen Vektor größter Funktionszunahme zuordnet. Gleichung (2-1) umfasst abhängig vom verwendeten mathematischen Koordinatensystem für  jede Koordinatenrichtung genau eine Gleichung: Die Differentialoperatoren ( ∇t = Nabla t oder grad t = Gradient t) gestatten eine vom Koordinatensystem unabhängige Darstellung. Die Wärmestromdichte in Richtung Flächennormale für kartesische Koordinaten bestimmt sich aus:    ∂t ∂t ∂t   ∂t  ∂t  ∂t      +  q = q ⋅ n = −λ ⋅  ex + e y + ez  ⋅ (ex + e y + ez ) = −λ ⋅  + ∂y ∂z   ∂x ∂y ∂z   ∂x

14

Jean Baptiste Fourier (1768–1830), Professor für Analysis an der École Polytechnique in Paris. 1822 legte er eine geschlossene mathematische Theorie für die Wärmeleitung vor. Für die Lösung von Randwertaufgaben bei der instationären Wärmeleitung gab er die nach ihm benannten Fourier-Reihen an.

DOI 10.1515/9783110411294-003

36

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Abb. 2-1:

Kartesische Koordinaten, Zylinderkoordinaten und Kugelkoordinaten.

Abbildung 2-1 illustriert wie die Koordinaten für einen Punkt P in den jeweiligen Koordinatensystemen angegeben werden. Für die Kugelkoordinaten bestehen gewisse Analogien zum Gitternetz der Erde. In der Abbildung oben entspricht der Winkel φ bei den Kugelkoordinaten den Längengraden und der Winkel ψ den Breitengraden15. q x = −λ

∂t ∂x

q y = −λ

q r = −λ

∂t ∂r

q ϕ = −λ ⋅

q r = −λ

∂t ∂r

q ϕ = −λ ⋅

q z = −λ

∂t ∂z

(kartesische Koordinaten x, y, z)

1 ∂t r ∂ϕ

q z = −λ

∂t ∂z

(Zylinderkoordinaten r, φ, z)

1 ∂t r ∂ϕ

qψ = −λ ⋅

∂t ∂y

∂t 1 r ⋅ sin ϕ ∂ψ

(Kugelkoordinaten r, φ, ψ)



Für die nach (1-8) definierte lokale Wärmestromdichte q taucht im Fourierʼschen Gesetz der Wärmeleitung (2-1) die in Kapitel 1.5.4 vorgestellte Wärmeleitfähigkeit λ als Proportionalitätsfaktor auf. Für isotrope Materialien stellt die Wärmeleitfähigkeit λ einen Skalar dar und hängt damit vom Ort, aber an einem festen Ort nicht von der Richtung ab. Isotropes Materialverhalten kann aber nicht immer uneingeschränkt vorausgesetzt werden. Holz leitet zum Beispiel die Wärme in Faserrichtung wesentlich besser als quer dazu. Anisotropie tritt ebenfalls bei Kristallen sowie bei geschichteten Stoffen (Sperrholz oder Blechpakete) auf. In den anisotropen Fällen ist der Wärmeleitkoeffizient ein Tensor. Hier verläuft der Temperaturgra15

Längengrade (longitude) werden von Greenwich 0° nach Osten positiv gezählt und die geografische Breite ist ausgehend von Äquator 0° nach Norden positiv definiert.

2.2 Fourierʼsche Differentialgleichung für das Temperaturfeld

37

dient nicht parallel zu den Materialachsen und die Richtung des Wärmestroms weicht von der des Temperaturgradienten ab.  Die vektorielle Wärmestromdichte q ist immer so definiert, dass für den Wärmestrom dQ durch ein beliebig orientiertes Flächenelement dA mit dem Einheitsvektor in Richtung der  äußeren Flächennormale n gilt:   dQ = q (r ,τ ) ⋅ n ⋅ dA = q (τ ) ⋅ cos β ⋅ dA

 x    wobei r =  y  z  

(2-2)

  Nach Abbildung 2-2 bilden der Vektor n und der Vektor q den Winkel β. Steht der Vektor  q senkrecht auf dA (also Winkel β = 0), wird der Wärmestrom dQ in Normalenrichtung am größten. Außerdem sieht man die drei Isothermen t, t + ∆t und t – ∆t in einem ebenen Temperaturfeld. Bei Ausdehnung auf eine räumliche Betrachtung lassen sich Isothermenflächen als Flächen mit jeweils gleicher (konstanter) Temperatur darstellen. Da am selben Punkt nicht zugleich zwei verschiedene Temperaturen herrschen können, schneiden sich Isothermenflächen unterschiedlicher Temperatur im Körper niemals. Eine Fläche konstanter Temperatur innerhalb eines Körpers endet entweder an seiner Oberfläche oder verläuft als geschlossene Kurve innerhalb des Körpers.

Abb. 2-2:

2.2

Flächenelement dA mit dem Vektor der Wärmestromdichte (links) sowie Richtung des Temperaturgradienten gradt und des Vektors der Wärmestromdichte in einem Punkt P (rechts).

Fourierʼsche Differentialgleichung für das Temperaturfeld

Ein in Bezug auf Ort und Zeit bekanntes Temperaturfeld gestattet mit (2-1) die Bestimmung der durch Leitung transportierten Wärmeströme an beliebigen Stellen eines zu untersuchenden Körpers. Die Kenntnis der durch Wärmeleitung hervorgerufenen Temperaturverteilungen in festen Körpern ist außerdem für viele technische Analysen von höchstem Interesse. Kommt es wegen vorhandener Temperaturunterschiede in einem Körper oder in mechanisch verbundenen Körpern zu unterschiedlichen Wärmedehnungen, entstehen mechanische Spannungen, die von einer Beschädigung bis zur Zerstörung des Bauteils führen können. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für geschlossene Systeme und das Fourierʼsche Gesetz der Wärmeleitung (2-1) führen auf die Fourierʼsche Differentialgleichung (2-3) als

38

2 Wärmeleitung in Feststoffen

eine partielle Differentialgleichung ersten Grades und zweiter Ordnung, die das gesuchte von Ort und Zeit abhängige Temperaturfeld t = t(x, y, z, τ) im Zusammenhang mit den zugehörigen Anfangs- und Randbedingungen beschreibt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: • Vorliegen eines einzigen homogenen, isotropen Körpers in fester Phase • der Aggregatzustand ändert sich nicht • Stoffwerte sind unabhängig von Druck und Temperatur. ~ q ∂t (2-3) = a ⋅ ∇ 2t + ∂τ ρ ⋅ cp Neben den bekannten Stoffeigenschaften Dichte ρ und spezifische Wärmekapazität cp (für konstanten Druck) sowie der nach (1-10) definierten volumenspezifischen Ergiebigkeit ~ ~ q = q (τ , t , x, y, z ) tritt hier mit dem Temperaturleitkoeffizienten a als Maß für die Geschwindigkeit der Temperaturänderungen im Körper eine neue Stoffgröße auf, die berechnet werden kann aus a=

λ ρ ⋅cp

[a] = 1 m2/s

(2-4)

Niedrige Werte für den Temperaturleitkoeffizienten a haben ein langsames Fortschreiten der Temperaturwelle in einem Stoff zur Folge. Für ausgewählte Feststoffe, Flüssigkeiten und Gase können die Temperaturleitfähigkeiten den Tabellen 7.6-2 bis 7.6-5 entnommen werden. Bemerkenswert ist, dass die Temperaturleitkoeffizienten für Metalle und Gase oft von fast gleicher Größenordnung sind. Temperaturunterschiede in einer Metallschicht gleichen sich also etwa genauso schnell aus wie in einem Luftspalt. Kartesische Koordinaten (– ∞ < x 5 ln(2a / r ) r

2π ln(u + u 2 − 1 )

mit

a 2 − r12 − r22 2 ⋅ r1 ⋅ r2

2π a > 1,4 : S l ≈ 0,93 ln(a / b) − 0,0502 b 2π a < 1,4 : S l ≈ 0,785 ln(a / b) b

Sl ≈

2π ln(1,08a / d )

Dieses Vorgehen lässt sich für prismatische Körper auch bei einer zweidimensionalen Wärmeleitung anwenden. Prismatische Körper besitzen über ihre Länge (Höhe) stets den glei-

2.3 Berechnung stationärer Wärmeleitvorgänge

49

chen Querschnitt, so dass der entsprechende Geometriefaktor praktischerweise auf die Länge l bezogen und damit auch dimensionslos wird. Sl =

S l

(2-20)

Q = λ ⋅ S l ⋅ (t1 − t 2 ) l

 Q  W   =1 m l 

(2-21)

Gleichung (2-21) kann angewendet werden, wenn die Querschnittsfläche des Körpers einen einfach zusammenhängenden Bereich (in Tabelle 2-1 schraffiert) bildet und bei sonst adiabaten Umrandungen an zwei unterschiedlichen Randbereichen die konstanten Temperaturen t1 und t2 anliegen. Weitere Fallkonstellationen enthält [7].

2.3.4

Stationäre Wärmeleitung durch mehrschichtige Wände

Die Betrachtung der stationären Wärmeleitung durch mehrschichtige Wände wird durch eine bestehende Analogie zum Ohmʼschen Gesetz der Elektrotechnik erleichtert. Basis für diese Analogiebetrachtung ist die Annahme, dass der „fließende“ Wärmestrom als Analogon zum fließenden elektrischen Strom einer Potentialdifferenz (Wärmeleitung: Temperaturdifferenz; Elektrotechnik: Spannung (gegen null)) und einem Widerstand (Wärmeleitung: thermischer Widerstand Rth; (hier Wärmeleitung Rλ) Elektrotechnik: Ohmʼscher Widerstand Rel) zugeordnet ist . Tab. 2-2:

Analogie Wärmeleitung zum Ohmʼschen Gesetz.

Ohmʼsches Gesetz Wirkung

Elektrischer Strom I

Wärmeleitung Wärmestrom Q

U Rel

Δt Q = Rth

I=

Potentialdifferenz Widerstand

Spannung U – 0 U −0 Rel = [Rel ] = 1 V = 1 Ω I A Rel = ρ el ⋅

L L = A σ el ⋅ A

Temperaturdifferenz (t1 – t2) Rλ = Rλ =

t1 − t 2 Q

δ λ⋅A

[Rλ ] = 1 K

W

ebene Wand

σ el spez. elektrische Leitfähigkeit

δ Schichtdicke λ Wärmeleitfähigkeit

A

A

L

Leiterlänge Leiterquerschnittsfläche

Wandfläche

50

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Der Wärmestrom muss analog zum elektrischen Strom bei einer Anordnung von Wärmewiderständen in einer Reihenschaltung durch alle Schichten gleich groß sein. Die Größe des Wärmeleitwiderstandes für jede einzelne Schicht i einer ebenen Wand und damit Höhe des Temperaturabfalls in dieser Schicht ergeben sich aus der Schichtdicke δi und der Materialeigenschaft λi. Die abfallende Temperaturdifferenz ∆ti in jeder Materialschicht i entspricht dem Spannungsabfall in einem analogen elektrischen Widerstand. Die Summe der Spannungsabfälle in jedem einzelnen Widerstand Rel, i entspricht dem Spannungsabfall aus dem Gesamtwiderstand Rel. Gleiches gilt analog für die Temperaturdifferenzen bei der Wärmeleitung, so dass mit Bezug auf Abbildung 2-6 auszugehen ist von t −t t −t t −t t1 − t 4 t −t = 1 2 = 2 3 = 3 4 Q = 1 4 = 1 δ2 1 δ3 Rλ , ges 1  δ1 δ 2 δ 3  1 ⋅ δ1 ⋅ ⋅  ⋅  + +  A λ2 A λ3 A  λ1 λ 2 λ3  A λ1

(2-22a)

Bei bekannten äußeren Wandtemperaturen t1 und t4 sind die Temperaturen der inneren Schichten t2 und t3 bestimmbar. Der Gesamtwiderstand für die Wärmeleitung beträgt Rλ , ges = Rλ ,1 + Rλ , 2 + Rλ ,3 . Prinzipiell können die einzelnen Summanden vertauscht werden, ohne dass sich die zugehörige Gesamttemperaturdifferenz Δt = t1 − t 4 ändert. Die Zwischenschichttemperaturen nehmen dann aber andere Werte an. Wegen gegebener Temperaturbeständigkeiten bestimmter Schichten kann es deshalb durchaus zwingende konstruktive Gründe geben, eine bestimmte Reihenfolge bei der Anordnung der Wärmeleitwiderstände einzuhalten.

Abb. 2-7:

Temperaturverlauf bei stationärer Wärmeleitung in einer dreischichtigen ebenen Wand.

Interessiert man sich nicht für die Zwischenwandtemperaturen, kann man die dreischichtige Wand homogenisieren und als einschichtige Wand mit einem äquivalenten Wärmeleitkoeffizienten betrachten.

λ äqui =

δ1 + δ 2 + δ 3 δ1 δ 2 δ 3 + + λ1 λ 2 λ3

(2-22b)

Die Formeln (2-22a) und (2-22b) sind bei entsprechenden Aufgabenstellungen leicht für jeweils eine beliebige Zahl von Schichten anzupassen.

2.3 Berechnung stationärer Wärmeleitvorgänge

2.3.5

51

Stationäre Wärmeleitung in einer Rippe an der ebenen Wand

Auf einer wärmeabgebenden Fläche angebrachte Rippen (flächig ausgedehnt) oder auch Nadeln (stabförmig) sorgen lokal für eine Vergrößerung der Oberfläche und zu einer Erhöhung des Wärmeflusses. Die stetige Wärmeabgabe über den Rippenumfang führt vom Fuß aufwärts zur Spitze zu abnehmender Temperatur und zur damit Verringerung des Wärmeflusses in der Rippe. Für die Berechnung des von einer Rippe übertragenen Wärmestroms benötigt man also die Temperaturverteilung in der Rippe. Nachfolgend betrachten wir nur die stationäre Temperaturverteilung einer Rippe mit konstanten Rippenquerschnitt AR und einer Rippenhöhe h. In Abbildung 2-8 ist nicht nur die Rippentemperatur t(x), sondern auch die für die rechnerische Verarbeitung oftmals vorteilhafte Übertemperatur als Temperaturdifferenz zur Umgebungstemperatur ∆t(x) = t(x) – tU dargestellt.

Abb. 2-8:

Stationäre Temperaturverteilung in einer Rippe mit konstantem Rippenquerschnitt AR und Rippenumfang U.

Zur Förderung des Verständnisses der zugehörigen Berechnungsformeln deuten wir nachfolgend kurz ihre Entstehung an. Für die Modellbildung zur Berechnung des Rippentemperaturfeldes nehmen wir an: • Die Rippe mit dem konstanten Querschnitt AR = b·s (vergleiche Abbildung 2-8) ist so dünn, dass man die Temperaturverteilung in der Rippe als eindimensional in Längsrichtung der Rippe betrachten kann. Damit wird unterstellt, dass die Temperatur über den jeweiligen Rippenquerschnitt konstant ist. • Die Temperaturverteilung folgt einer speziellen aus Gleichung (2-1) abgeleiteten Differentialgleichung. An der Rippenoberfläche gelte Randbedingung (2-8) mit konstanten Wärmeübergangskoeffizienten α und mit konstanter Umgebungstemperatur tU. Die wärmeübertragende Oberfläche als Rippenmantelfläche AM ergibt sich mit dem Umfang U = 2(b+s) aus dAM = U·dx. • Am Rippenfuß liege ein idealer thermischer Kontakt vor und es herrsche einheitlich die Temperatur t(x = 0) = t0. Der Wärmeleitkoeffizient λ des Rippenmaterials sei von der Temperatur unabhängig.

52

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Der über die Rippenoberfläche bei konstanter Querschnittsfläche AR eindimensional in xRichtung über eine Länge dx abgegebene Wärmestrom dQ entspricht der Differenz: dQ dQ = Q x − Q x +dx = Q x − (Q x − dx) dx

und mit der entsprechenden Komponentengleichung aus (2-1) für die Übertemperatur ∆t: dQ = −λ ⋅ AR ⋅

d( Δt ) d (Δt ) d 2 ( Δt ) d 2 ( Δt ) d x λ A dx + λ ⋅ AR ⋅ − λ ⋅ AR ⋅ = − ⋅ ⋅ R dx dx dx 2 dx 2

Die Randbedingung dritter Art für die wärmeabgebende Rippenoberfläche U ⋅ dx lautet: − dQ = α ⋅ U ⋅ dx ⋅ (t − tU ) = α ⋅ U ⋅ dx ⋅ Δt = α ⋅ dAM ⋅ (t − tU )

Im stationären Fall muss der Wärmestrom in der Rippe über die Rippenoberfläche abgegeben werden, so dass λ ⋅ AR ⋅

d 2 ( Δt ) dx = α ⋅ U ⋅ dx ⋅ Δt oder mit dx 2

μ=

d 2 (Δt ) − μ 2 ⋅ Δt = 0 folgt. dx 2

α ⋅U λ ⋅ AR

Nun liegt für die Übertemperatur Δt und den Rippenparameter μ eine homogene lineare Differentialgleichung mit konstanten Koeffizienten vor, deren Lösung mit dem mathematischen Ansatz Δt = epx über die charakteristische Gleichung p2 – μ2 = 0 → p1 = –μ und p2 = +μ dargestellt werden kann durch: Δt ( x) = C1 e − μ ⋅ x + C 2 e + μ ⋅ x

Aus den beiden Randbedingungen am Rippenfuß (x = 0) und an der Rippenstirnseite (x = h) können die Konstanten C1 und C2 angepasst werden. x = 0:

Δt ( x = 0) = Δt 0 = t 0 − tU

x = h:

d (Δt ) dx

Δt 0 = C1 e 0 + C 2 e 0

Δt 0 = C1 + C 2

(Wärmestrom über die Rippenstirnseite ist zu vernachlässigen)

=0 x =h

Gemäß Randbedingung an der Rippenstirnseite ist die allgemeine Lösungsfunktion nach x zu differenzieren, so dass für die Konstante C1 folgt: d (Δt ) dx

= 0 = − μC1e − μ ⋅h + μC 2 e + μ ⋅h → C1 = C 2 ⋅ x=h

e + μ ⋅h e − μ ⋅h

Für die Konstante C2 geht man von der Randbedingung am Rippenfuß aus: Δt 0 = C1 + C 2 = C 2 ⋅

e + μ ⋅h + C2 = C2 e − μ ⋅h

 e + μ ⋅h + e − μ ⋅h ⋅  e − μ ⋅h 

   

so dass sich nun die Konstanten C1 und C2 bestimmen zu: C 2 = Δt 0 ⋅

e

e − μ ⋅h + e − μ ⋅h

+ μ ⋅h

C1 = Δt 0 ⋅

e

e + μ ⋅h + e − μ ⋅h

+ μ ⋅h

2.3 Berechnung stationärer Wärmeleitvorgänge

53

(μ·h) ist ein dimensionsloser Parameter, der sich aus der inversen Länge μ, [μ] = 1/m, und der Rippenhöhe h, [h] = 1m, ergibt und den man in der Literatur oft als dimensionslose Rippenhöhe bezeichnet. 1 Unter Beachtung von cosh( z ) = e z + e − z ergibt sich so die spezielle Lösung der Differen2 tialgleichung:

(

Δt ( x) = Δt 0 ⋅

)

e + μ (h− x) + e − μ (h− x ) e + μ ⋅h + e − μ ⋅h

Δt ( x) = Δt 0 ⋅

cosh(μ [h − x]) cosh(μ ⋅ h)

(2-23)

Formel (2-23) liefert für die Übertemperatur an der Stirnseite der Rippe Δt ( x = h) = Δt h wegen x = h cosh( μ [h − h]) = cosh(0) = 1

Δt h = Δt 0 ⋅

1 cosh(μ ⋅ h)

(2-24)

Für den Wärmestrom über die Fläche AR = b·s am Rippenfuß d(Δt ) Q ( x = 0) = Q 0 = −λ ⋅ AR ⋅ dx

x =0

ergibt die Differentiation der allgemeinen Lösung im Zusammenhang mit den Bestimmungsgleichungen für die Konstanten C1 und C2 −

d ( Δt ) e μ ⋅h − e − μ ⋅ h e − μ ⋅h − e + μ ⋅h μ = μ ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h) = + ⋅ Δ t = − μ (C 2 − C1 ) = − μ ⋅ Δt 0 ⋅ μ ⋅h 0 dx e μ ⋅h + e − μ ⋅h e + e − μ ⋅h Q 0 = μ ⋅ λ ⋅ AR ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h)

(2-25)

Bei größeren Rippenstärken kann der die Stirnfläche der Rippe verlassende Wärmestrom nicht vernachlässigt werden, dort ist bei x = h anzusetzen: q = α h ⋅ Δt h . Der Wärmeübergangskoeffizient αh muss nicht notwendig dem Wärmeübergangskoeffizienten α über der Mantelfläche der Rippe entsprechen. Für die Verteilung der Übertemperatur ∆t in der Rippe ergibt sich dann:

Δt ( x) = Δt 0

αh ⋅ sinh( μ [h − x ]) μ ⋅λ α cosh(μ ⋅ h) + h sinh( μ ⋅ h) μ ⋅λ

cosh(μ [h − x ]) +

(2-26)

und für die Übertemperatur an der Rippenstirnwand ∆t(x = h) = ∆th Δt h = Δt 0

1

α cosh( μ ⋅ h) + h ⋅ sinh( μ ⋅ h) μ ⋅λ

(2-27)

54

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Der von der Rippe insgesamt abgegebene Wärmestrom an die Umgebung entspricht dem Wärmestrom vom Rippenfuß bei x = 0: Q 0 = α ⋅ λ ⋅ AR ⋅ U ⋅ Δt 0 ⋅

tanh( μ ⋅ h) + 1+

αh μ ⋅λ

(2-28)

αh ⋅ tanh(μ ⋅ h) μ ⋅λ

Abschließend betrachten wir den Fall, dass bei x = h die Temperatur th vorgegeben ist (Bestimmung durch Messung möglich). Die Übertemperatur ∆t(x) an einer beliebigen Stelle x bestimmt sich aus Δt ( x) = Δt 0 ⋅

sinh( μ[h − x]) sinh( μ ⋅ x) + Δt h ⋅ sinh( μ ⋅ h) sinh( μ ⋅ h)

(2-29)

Zur Bestimmung der Wärmeabgabe über die Rippenmantelfläche im Bereich 0 < x < h, berechnen wir die Wärmeströme durch den Rippenquerschnitte in x-Richtung für x = 0 und x = h. Für einen beliebigen Querschnitt an einer Stelle x erhält man λ ⋅ AR ⋅ μ ⋅ Δt 0 Q ( x) = sinh(μ ⋅ h)

  Δt ⋅  cosh(μ[h − x]) − h ⋅ cosh(μ ⋅ x)  Δt 0  

(2-30)

λ ⋅ AR ⋅ μ ⋅ Δt 0  Δt  Für x = 0 folgt aus (2-30): Q ( x = 0) = ⋅  cosh(μ ⋅ h) − h  und sinh( μ ⋅ h)

Δt 0 



 λ ⋅ AR ⋅ μ ⋅ Δt 0  Δt h ⋅ cosh(μ ⋅ h)  , so dass der zwischen für x = h folgt aus (2-30): Q ( x = h) = ⋅ 1 −

sinh( μ ⋅ h)



Δt 0



0 < x < h über der Mantelfläche abgegebene Wärmestrom errechnet werden kann aus  Δt  cosh(μ ⋅ h) − 1 Q = Q ( x = 0) − Q ( x = h) = λ ⋅ AR ⋅ μ ⋅ Δt 0 ⋅ 1 + h  ⋅  Δt 0  sinh( μ ⋅ h)

(2-31)

Zur Bewertung der Wirksamkeit von Rippen wird ein Rippenwirkungsgrad ηR definiert als das Verhältnis des tatsächlich über die Mantelfläche AM abgegebenen Wärmestroms nach Gleichung (2-25) oder (2-28) einer real ausgeführten Rippe zum theoretischen Wärmestrom, den die (ideale) Rippe abgeben könnte, wenn sie über ihre gesamte Länge die Übertemperatur vom Rippenfuß ∆t0 aufweisen würde, also Wärmeleitkoeffizient Rippenmaterial λ → ∞ oder Wärmeleitwiderstand der Rippe Rλ → 0. Führt man mit t R die über die Rippenlänge h gemittelte Rippentemperatur ein, dann ist ηR =

t R − tU Q 0 Q = = 0 t 0 − tU Q 0 (ideale Rippe) Q max

(2-32)

Für eine Rippe ohne Wärmeverlust über die Stirnfläche ergibt sich in Verbindung mit (2-25) η R ==

μ ⋅ λ ⋅ AR ⋅ Δt 0 ⋅ tanh(μ ⋅ h) λ ⋅ AR 1 und mit 2 = α ⋅U ⋅ h ⋅ Δt 0 α ⋅U μ

ηR =

1 ⋅ tanh( μ ⋅ h) μ ⋅h

(2-33)

2.3 Berechnung stationärer Wärmeleitvorgänge

Abb. 2-9:

55

Rippenwirkungsgrad ηR als Funktion der dimensionslosen Rippenhöhe (μ·h).

In langen Rippen mit (μ·h) > 2 fällt die Übertemperatur Δt(x) rasch ab, wodurch ein Teil der Rippe nur wenig Wärme überträgt. Optimierungsrechnungen legen nahe, das (μ·h) ≈ 1,42 einen guten Kompromiss zwischen Wirkungsgrad der Rippe und ihrem Materialeinsatz darstellen können. Eine andere Art der Bewertung von Rippen erfolgt durch die Rippenleistungsziffer εR, die definiert ist als das Verhältnis des tatsächlich über die Rippe abgegebenen Wärmestroms nach Gleichung (2-25) oder (2-28) zum Wärmestrom über die Fläche am Rippenfuß ohne Rippe (also ohne Oberflächenvergrößerung, AR(x = 0) oder bei konstantem Rippenquerschnitt AR) mit der Materialtemperatur t0. Man strebt immer εR >> 1 an. Für eine Rippe ohne Wärmeverlust über die Stirnfläche nach 2-25 folgt so Q 0

εR =  Q

min

=

Q 0 μ ⋅λ λ ⋅U = ⋅ tanh(μ ⋅ h) = ⋅ tanh(μ ⋅ h) α ⋅ AR ⋅ (t 0 − tU ) α α ⋅ AR

(2-34)

Zylindrische Nadeln nach Abbildung 2-10 mit dem Durchmesser d und der Nadelhöhe h weisen genauso wie die Rechteckrippen über ihre gesamte Höhe einen konstanten Querschnitt und einen konstanten Umfang auf, so dass die für die Rechteckrippen abgeleiteten Beziehungen gleichfalls angewendet werden können, sofern die inverse Länge μ bereitgestellt wird aus μ=

4 ⋅α λ ⋅d

Abb. 2-10: Zylindrische Nadel mit Nadelhöhe h und Zylinderdurchmesser d.

(2-35)

56

2 Wärmeleitung in Feststoffen

t −t Aus (2-32) ist Q 0 = η R ⋅ α ⋅ U ⋅ h ⋅ (t 0 − tU ) zu folgern und gleichzeitig gilt Q 0 = 0 U . Dabei RR

bezeichnet RR den thermischen Widerstand der Rippe. RR =

1

(2-36)

η R ⋅ α ⋅U ⋅ h

(2-36) ermöglicht eine vorteilhafte Einbindung der Rippenkonstruktionen in Analysen über thermische Widerstände gemäß der Analogie zum elektrischen Gleichstromkreis.

2.4

Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

Aufgabe 2.4-1: Stationäre Wärmeleitung in ebener Wand mit RB zweiter und dritter Art Eine feste, 20 cm starke Wand habe an der Wandfläche auf der Außenseite die konstante Wandtemperatur von 10 °C. Der isotrope Wärmeleitkoeffizient für das Wandmaterial sei als konstanter Wert mit 15 W/(m K) gegeben. Berechnen Sie für den stationären Zustand die Wandtemperatur an der Innenseite und die Temperatur in Wandmitte, wenn an der Innenseite der Wand als Randbedingung a) ein konstanter Wärmestrom von 600 W/m2 b) ein konstanter Wärmeübergangskoeffizient von 750 W/(m2 K) und eine konstante Umgebungstemperatur von 40 °C gegeben sind! c) Bestimmen Sie den aus der Wärmeleitung in Aufgabenteil (a) folgenden Entropiestrom S und weisen Sie nach, dass dieser Prozess irreversibel ist, also erfahrungsgemäß nicht in Richtung steigender Temperatur umgekehrt werden kann! Betrachten Sie dazu die wärmeleitende Wand als abgeschlossenes thermodynamisches System mit den Wandflächen als Systemgrenzen und nutzen Sie dazu die aus der Energielehre bekannte Tatsache, dass die Entropieänderung für irreversible Prozesse dann nach dS ≥ dQ/T positiv ausfallen muss.

Gegeben: Wand: δ = 0,2 m λ = 15 W/(m K) Randbedingungen: Außenwand: tW,a = 10 °C Innenwand: a) q = 600 W/m 2

b) α = 750 W/(m2 K)

tU = 40 °C

Vorüberlegungen: Diese stationäre, eindimensionale Wärmeleitung folgt der Differentialgleichung (2-12b), deren allgemeine Lösung in ebenen Wänden in Kapitel 2.3.2 als t ( x) = C1 + C2 x ermittelt wurde. Wir müssen also nur noch die Konstanten C1 und C2 aus den gegebenen Randbedingungen für die spezielle Lösung des Problems bestimmen. Auf der linken Wandseite ist für a) eine Randbedingung 2. Art nach Gleichung (2-7a) zu berücksichtigen, für b) eine Randbedingung 3. Art nach Gleichung (2-8). An der Außenwand liegt in beiden Fällen mit der Temperaturvorgabe eine Randbedingung 1. Art vor.

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung Randbedingung 1. Art:

57 (Wand außen)

t ( x = xW ,a ) = tW ,a = 10 °C q = −λ

a) Randbedingung 2. Art:

 t −t dt → q = −λ ⋅  − W ,i W ,a δ dx 

t ( x = xW ,i ) = tW ,i = tW,a +

b) Randbedingung 3. Art: q = −λ

q ⋅ δ

t ( x = xW ,i ) = tW ,i =

(Wand innen)

λ

dt = α (tU − t w,i ) dx

 λ  = ⋅ (tW ,i − tW ,a )  δ

λ (t − t ) = α (tu − tW ,i ) δ W ,i W ,a

λ tW ,a α ⋅δ λ 1+ α ⋅δ

tU +

(Wand innen)

Das für die Entropiestromberechnung erforderliche abgeschlossene System besteht hier aus den zunächst durch eine gedachte wärmeundurchlässige Wand getrennten Teilsystemen 1 (Innenwand) und 2 (Außenwand). Mit der Entfernung der adiabaten Trennwand ist dann das Temperaturgleichgewicht im Gesamtsystem gestört. Zum Ausgleich wird spontan eine bestimmte Wärmemenge in Richtung der niedrigeren Temperaturen transportiert. Nach Aufgabenstellung sollen hier über die gesamte zu betrachtende Zeit die Wandtemperaturen links und rechts verschiedene, aber konstante Werte aufweisen. Folglich kommt es nicht zu einem Temperaturausgleich, sondern zur Ausbildung eines stationären Temperaturprofils mit Übertragung eines konstanten Wärmestroms von links nach rechts. Oben in der Aufgabenstellung erwähnte Formel ist deshalb auf Ströme umzuschreiben und zu integrieren. dS = −

T −T dQ dQ + = dQ ⋅ 1 2 T1 T2 T1 ⋅ T2

T −T → S2 − S1 = ΔS = Q12 ⋅ 1 2 T1 ⋅ T2

Die Verwendung thermodynamischer Temperaturen ist mit der Natur der für die Lösung notwendigen Formeln zwingende Voraussetzung. Lösung: a) Randbedingung 2. Art Bestimmung der Konstanten C1 und C2 q ⋅ δ

Wandinnenseite:

tW ,i = tW ,a +

Wandaußenseite:

tW ,a = C1 + C 2 ⋅ xW ,a = tW ,a +

λ

= C1 + C 2 ⋅ xW ,i → C1 = tW ,a + q ⋅ δ

λ

q ⋅ δ

λ

− C 2 ⋅ xW ,i

− C 2 xW ,i + C 2 xW ,a

führt mit δ = xW ,a − xW ,i auf C 2 = −

q

λ

q

und C1 = t w,a + (δ + xw,i ) λ

q

Aus t ( x) = C1 + C2 x folgt nun die spezielle Lösung mit t ( x) = tW ,a + ( xW ,a − x) λ

Temperatur linke Wandseite:

t ( x = xw,i = 0) = 10 °C +

600 W/m 2 ⋅ 0,2 m = 18 °C 15 W/(m K)

58

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Temperatur Wandmitte:

t ( x = 0,1 m) = 10 °C +

600 W/m 2 ⋅ (0,2 − 0,1) m = 14 °C 15 W/(m K)

b) Randbedingung 3. Art Bestimmung der Konstanten C1 und C2 Wandinnenseite tW ,i =

λ t α ⋅ δ W ,a = C + C x 1 2 W ,i λ 1+ α ⋅δ

tU +

Wandaußenseite tW ,a = C1 + C 2 xW ,a =

λ t α ⋅ δ W ,a − C x + C x 2 W ,i 2 W ,a λ 1+ α ⋅δ

tU +

λ α ⋅δ C2 = − λ δ  1 +  α ⋅δ tW ,a

C1 =

λ t α ⋅ δ W ,a − C x 2 W ,i λ 1+ α ⋅δ

tU +

tU +

tW ,a   ⋅δ 

λ tW ,a x W ,a α ⋅δ und C1 = tW ,a − tW ,a ⋅ ⋅ + λ  δ δ  1 +   α ⋅δ  xW ,a

tU +

Spezielle Lösung der Differentialgleichung aus t ( x) = C1 + C2 x : λ

x − x  tU + α ⋅ δ tW , a   + t ( x) = tW , a 1 − W , a λ δ   1+ α ⋅δ

 x −x  ⋅  W , a  δ 

Temperatur linke Wandseite mit x = 0 m: t ( x = x w,i

 0,2 m   + = 0) = 10 °C ⋅ 1 −  0,2 m 

15 W/(m K) ⋅ 10 °C  0,2 m  750 W/(m 2 K) ⋅ 0,2 m  = 37,27 °C ⋅  15 W/(m K)  0,2 m  1+ 750 W/(m 2 K) ⋅ 0,2 m

40 °C +

Temperatur Wandmitte mit x = 0,1 m:  0,1 m  t ( x = 0,1 m) = 10 °C ⋅ 1 −  +  0,2 m 

15 W/(m K) ⋅10 °C  0,1 m  750 W/(m 2 K) ⋅ 0,2 m ⋅   = 23,63 °C 15 W/(m K)  0,2 m  1+ 750 W/(m 2 K) ⋅ 0,2 m

40 °C +

Wie man an den Ergebnissen sieht, spielt bei Vorgabe von Randbedingungen 2. und 3. Art die Wärmeleitfähigkeit des betreffenden Materials für die stationäre Temperaturverteilung gemäß (2-12) eine Rolle, obwohl in Gleichung (2-12) selber, die Wärmeleitfähigkeit des Materials als Parameter gar nicht auftritt. Liegen für ein quellenfreies, stationäres Wärmeleitproblem ausschließlich Randbedingungen erster Art (Vorgabe der Wandtemperatur) vor, ist die resultierende Temperaturverteilung allerdings tatsächlich unabhängig von der Materialeigenschaft Wärmeleitfähigkeit.

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

59

Abb. 2-11: Temperaturverläufe in einer ebenen Wand bei Randbedingung zweiter und dritter Art.

c) Nachweis der Irreversibilität der Wärmeleitung Aus Aufgabenteil (a) übernehmen wir die errechnete Temperatur für die Innenwand mit T1 = TW,i = 291,15 K, die Außenwandtemperatur ist gegeben mit T2 = TW,a = 283,15 K. 1. Schritt: Berechnung des Wärmestroms aus Wärmestromdichte Q12 = q ⋅ A = 600 W/m 2 ⋅ 10 m 2 = 6 kW

2. Schritt: Berechnung Entropiestrom T −T 291,15 K − 283,15 K kW ≈ + 0,58225 ΔS = Q12 ⋅ 1 2 = 6 kW ⋅ 291,15 K ⋅ 283,15 K K T1 ⋅ T2

Der sich einstellende neue Gleichgewichtszustand wird nicht wieder spontan verlassen. Der positive Entropiestrom zeigt an, dass der Prozess der Wärmeleitung nicht ohne Änderungen in der Umgebung rückgängig gemacht werden könnte. In Übereinstimmung mit den Aussagen des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik entspricht das auch unserer Erfahrung.

Aufgabe 2.4-2: Stationäre Wärmeleitung mit temperaturabhängiger Wärmeleitfähigkeit Wir betrachten noch einmal 2.4-1 Aufgabe a) unter der Bedingung, dass für den Wärmeleitkoeffizienten eine lineare Temperaturabhängigkeit vorgegeben ist. Berechnen Sie wiederum die linke Wandtemperatur tW,i und die Temperatur in Wandmitte t(x = 0,1 m)!

Gegeben: Wand:

δ = 0,2 m

λ (t ) = λ0 (1 + a1 ⋅ t )

Randbedingungen: Innenseite: q = 600 W/m 2

λ0 = 15 W/(m K)

a1 = 0,01 K −1

Außenseite: tW,a = 10 °C

Vorüberlegungen: In der ebenen Wand ist bei temperaturabhängiger Wärmeleitfähigkeit der Temperaturverlauf nicht mehr linear und man kann nicht von der Laplaceschen Differentialgleichung (2-12)

60

2 Wärmeleitung in Feststoffen

ausgehen, die in Kapitel 2.3 aus der Fourierʼschen Differentialgleichung (2-3) abgeleitet wurde, für die λ = konstant vorauszusetzen war. Stattdessen greift man auf das Fourierʼsche Gesetz der Wärmeleitung (2-1) zurück und schreibt für den eindimensionalen Fall q = −λ0 (1 + a 2 ⋅ t )

dt . Eine lokale Abhängigkeit des Wärmeleitkoeffizienten (zum Beispiel dx

verursacht durch Feuchteunterschiede oder Hohlräume im Baumaterial) können wir mit diesem Ansatz nicht berücksichtigen. Nach Aufgabenstellung steigt der Wärmeleitkoeffizient mit steigender Temperatur, so dass er an der linken einen höheren Wert besitzt als an der rechten Wandseite. Mit einem konstanten Wärmestrom q = 600 W/m 2 von links nach rechts ist der Temperaturgradient in der linken Wandhälfte kleiner als in der rechten. Abweichend von Abbildung 2-11 verschieben wir den Koordinatenursprung zur Innenwand, also xW,i = x = 0. Lösung: tW , a

δ



q ⋅ dx = −λ0

x



 (1 + a ⋅ t )dt 1

tx

q (δ − x)

λ0

= tW , a +



→ q (δ − x) = −λ0 t + 

t

a1 2  W , a t 2  t x

a1 2 a tW , a − t x − 1 t x2 2 2

In Normalform zur Anwendung der p,q-Lösungsformel lautet diese quadratische Gleichung: t x2 +

 2q ⋅ (δ − x) 2  2 2 t x −  + tW , a + tW , a  = 0 a1 ⋅ a a λ 0 1 1  

t ( x) = t x = −

1 ± a1

 1  2q ⋅ (δ − x) 2 2 + + tW , a + tW , a  a1 a12  λ0 ⋅ a1 

Die Lösung mit dem Minuszeichen vor der Wurzel entfällt aus physikalischen Gründen (es würde eine negative Temperatur resultieren). Temperatur linke Wandseite: t ( x = 0) = −

1K K2 2 ⋅ 600 W/m 2 ⋅ 0,2 m 2 ⋅ 10 °C + + + (10 °C) 2 + = 17,05 °C -4 -1 0,01 10 15 W/(m K) ⋅ 0,01 K 0,01 K -1

Temperatur in Wandmitte: t ( x = 0,1 m) = −

1K K2 2 ⋅ 600 W/m 2 ⋅ 0,1 m 2 ⋅ 10 °C + + + (10 °C) 2 + = 13,57 °C -4 0,01 10 15 W/(m K) ⋅ 0,01 K -1 0,01 K -1

Aufgabe 2.4-3: Fußbodenheizung bei verschiedenen Randbedingungen Eine elektrische Fußbodenheizung mit einer elektrischen Anschlussleistung von 960 W sei unter einem 34 mm starken Marmorboden auf einer Fläche 8 m2 in einem Badezimmer ver-

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

61

legt. Der Wärmeübergangskoeffizient Marmor/Luft im Badezimmer betrage 8 W/(m2 K), die Lufttemperatur dort 23 °C. a) Welche Temperatur weist die Marmorbodenoberfläche während des Heizungsbetriebes auf? b) Prüfen Sie, ob der spezifische Wärmewiderstand von 0,15 m2 K/W als empfohlener Wert für Fußbodenheizungen überschritten ist, wenn eine Badematte mit einer Stärke von 4,5 mm (spezifischer Wärmewiderstand 0,115 m2 K/W) auf den Marmorboden gelegt wird! c) Werden die vom Hersteller angegebenen 75 °C als dauerverträgliche Maximaltemperatur für die Badematte an ihrer Unterseite überschritten? Gehen Sie von einem idealen thermischen Kontakt zwischen Badematte und Marmorboden aus! d) Diskutieren Sie, welche Wirkung die Abdeckung mit einer Badematte hätte, wenn anstelle der elektrischen eine warmwassergeführte Fußbodenheizung verlegt wäre! Gegeben: Q = 960 W

A = 8 m2

δM = 0,034 m

α = 8 W/(m2 K)

tR = 23 °C

R*BM = 0,115 m2 K/W R*max = 0,15 m2 K/W

λM = 2,8 W/(m K) Tabelle 7.6-3

Vorüberlegungen: Fußbodenheizungen schaffen ein angenehmes Raumklima durch eine großflächige Heizung mit relativ niedrigen Oberflächentemperaturen (Nutzung von Niedertemperaturwärme). Die in klassischen Heizkesseln typischerweise erzeugten Vorlauftemperaturen für das Heizwasser von 60 bis 80 °C sind nicht geeignet, von Wärmepumpen in Höhe von 38 °C zur Verfügung gestelltes Warmwasser dagegen schon. Für elektrisch betriebene Fußbodenheizungen sind unabhängig von einer ökologischen Bewertung der Herkunft des Stroms die entstehenden Betriebskosten wirtschaftlich trotz angebotener Sonderstrompreise meist nicht akzeptabel, tragbar allenfalls in Niedrigenergiehäusern. Als kleinere Zusatzheizung in bestimmten Räumen, zum Beispiel im Badezimmer, kann die Fußbodenheizung in der „Übergangszeit“ für die Heizperiode manchmal helfen, Energiekosten zu sparen. Die Wärmestromdichten von Fußbodenheizungen liegen zwischen 100 und 160 W/m2. Beheizt man größere Flächen elektrisch, so dass Anschlussleistungen von mehr als 2 kW erforderlich werden, ist dies dem zuständigen Stromnetzbetreiber anzuzeigen. In Bezug auf die wirksame Wärmeübertragung liegen elektrischen Fußbodenheizungen und Warmwasser-Fußbodenheizungen jeweils unterschiedliche Randbedingungen zu Grunde, die hier näher analysiert werden sollen. Eine elektrische Heizwendel erzeugt einen steten Wärmestrom (Randbedingung zweiter Art), der die Temperatur im beheizten Raum durch Erhöhung der Fußbodentemperatur immer weiter steigen lässt (theoretisch unbegrenzt). Eine Warmwasser-Fußbodenheizung sorgt bei einer entsprechenden Verlegung für eine konstante (maximale) Temperatur an der Fußbodenoberfläche (Randbedingung erster Art), die zu keiner Zeit überschritten werden kann. Der Raum wird nur solange beheizt, bis die Raumtemperatur die maximale Temperatur des Fußbodens angenommen hat. Eine darüber hinaus gehende angebotene Heizleistung wird über den Rücklauf des Heizwassers abgeführt. Mit (2-15b) haben wir den Wärmewiderstand mit einer Maßeinheit K/W definiert. Hier wird zweckmäßigerweise mit einem flächenspezifischen Wärmewiderstand gearbeitet R * = Rλ / A .

62

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Abb. 2-12: Thermophysikalische Bedingungen für die elektrische Fußbodenheizung nach Aufgabe 2-4.3.

Lösung: a) Oberflächentemperatur Marmorboden aus q = konstant q =

Q 960 W W = = 120 2 A 8 m2 m

q = α ⋅ (tW − t R )

→ tW = t R +

q

α

= 23 °C +

120 W/m 2 = 38 °C 8 W/(m 2 K)

b) Gesamtwiderstand = Reihenschaltung Wärmewiderstand Marmor + Wärmewiderstand Badematte RM =

δM 0,034 m m2 K = = 0,012143 λM 2,8 W/(m K) W

R ges = RM + RBM = (0,012143 + 0,115) m 2 K/W = 0,127143 m 2 K/W < 0,15 m 2 K/W

Forderung wird eingehalten! Die Kombination Parkett (R* = 0,1 bis 0,15 m2 K/W) und Teppich (R* = 0,12 m2 K/W bei 4,6 mm Stärke) sind wegen Überschreitung des empfohlenen Wertes für den Gesamtwärmewiderstand für Fußbodenheizungen R*max nicht zu empfehlen. c) Fußbodenoberflächentemperatur im durch Badematte abgedeckten Bereich Unterstellt man jetzt auch einen Wärmeübergangskoeffizienten von 8 W/(m2 K) für den Bereich Oberseite Badematte/Badezimmer beträgt die Temperatur tW,BM an der Oberseite der Badematte 38 °C (unveränderte Randbedingung dritter Art). Mit dem Temperaturabfall über dem Wärmewiderstand der Badematte ist die Temperatur zwischen Marmorboden und Badematte als Schichttemperatur Marmorboden/Badematte tM/BM zu ermitteln, sofern man einen thermisch idealen Kontakt unterstellen kann. q =

t M / BM − tW , BM RBM

t M / BM = tW + q ⋅ RBM = 38 °C + 120

W m2 K ⋅ 0,115 = 51,8 °C 2 W m

Diese Temperatur wäre nach den Herstellerangaben unschädlich. Ein idealer thermischer Kontakt ist jedoch nur annähernd durch vollständiges Verkleben der Badematte erreichbar. Praktisch wird man also noch einen weiteren Wärmewiderstand durch die sehr dünne Luftschicht zwischen Fußboden und Matte berücksichtigen müssen.

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

63

Auf die durch die elektrische Fußbodenheizung an das Badezimmer abgegebene Wärme hat die Abdeckung einer Teilfläche des Fußbodens keinen Einfluss, denn die jeweilige Oberflächentemperatur stellt sich durch die thermischen Vorgänge im Badezimmer ein. Im Bereich der Badematte erhöht sich die Temperatur in den elektrischen Heizwendeln und in der Folge davon auch unter der Badematte. Für diese allein aus den Wärmeleitbedingungen abgeleiteten Temperaturen gibt es theoretisch keine obere Grenze, praktisch begrenzt die Temperaturfestigkeit der Heizwendeln den Temperaturanstieg. Auch die Raumtemperatur könnte mit einer elektrischen Fußbodenheizung theoretisch beliebig hoch steigen, solange die Heizung in Betrieb ist. d) Warmwasser-Fußbodenheizung Bei der Warmwasser-Fußbodenheizung gibt das warme Wasser durch die im Fußboden verlegten Rohre Wärme an den Raum ab. Das Wasser tritt mit Vorlauftemperatur in die Heizung ein und verlässt abgekühlt auf Rücklauftemperatur das Heizsystem. Mit gewissen Vereinfachungen ist aus Vor- und Rücklauftemperatur eine konstante mittlere Temperatur zu ermitteln. Anstelle des konstanten als Randbedingung zweiter Art angesetzten Wärmestroms tritt jetzt mit einer fest vorgegebenen Temperatur eine Randbedingung erster Art. Eine zusätzliche Isolation durch die Badematte hat dann eine andere Wirkung. An keiner Stelle der Heizung kann eine höhere Temperatur als die Vorlauftemperatur auftreten. Der erhöhte Wärmewiderstand führt zur Verringerung des an das Badezimmer abgegebenen Wärmestroms und als Folge davon zu einer niedrigeren Oberflächentemperatur. Für eine gleiche Heizleistung müsste nun dort, wo die Matte liegt, die Vorlauftemperatur erhöht werden.

Aufgabe 2.4-4: Stationäre Wärmeleitung im Zylinder mit Randbedingung erster Art Ein sehr langes Aluminiumkabel mit einem Leiterquerschnitt von 3 cm2 sei mit einer PEIsolierung von 2 cm Stärke ummantelt. Die äußere Mantelfläche der Isolierung besitze die konstante Temperatur tW,a. Ferner sei der spezifische elektrische Widerstand von Aluminium als entsprechend temperaturgemittelter Wert gegeben mit ρel,Al = 2,45·10–6 Ω·cm. a) Mit welcher Stromstärke in A darf der Strom durch das Kabel maximal fließen, damit bei einer Temperatur der äußeren Mantelfläche der Isolierung von 0 °C die Temperatur in der Isolierung nirgends den Wert von 60 °C übersteigt? b) Wie ändert sich die maximal zulässige Stromstärke, wenn die Temperatur der äußeren Mantelfläche der Isolierung 20 °C beträgt? c) Wie hoch ist unter den Bedingungen von a) die Temperatur in der Mitte des Kabels?

Gegeben: AAl = 3 cm2 = 3·10–4 m2 δPE = 0,02 m

ρel, Al = 2,45·10–6 Ω·cm a) tW,a = 0 °C

tmax = 60 °C b) tW,a = 20 °C

64

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Vorüberlegungen: Die in Wärme umgewandelte elektrische Verlustleistung des Aluminiumkabels errechnet sich mit dem spezifischen elektrischen Widerstand über die Kabellänge l Pel = I 2 ⋅ R el = I 2 ⋅ ρ el , Al ⋅

l A Al

Den benötigten Wärmeleitkoeffizienten für Aluminium entnehmen wir Tabelle 7.6-2 mit λAl = 237 W/(m K) und den für Polyethylen mit λPE = 0,35 W/(m K) aus Tabelle 7.6-3. Der Radius des Aluminiumkabels rAl beträgt: rAl = Der

äußere

Radius

des

Kabels

rK

A

π

=

3 ⋅10 −4 m 2

= 0,977 cm = 0,00977 m .

π

insgesamt

ergibt

sich

damit

aus:

rK = r Al + δ PE = (0,977 + 2) cm = 2,977 cm .

Die maximal zulässige Temperatur tmax = 60 °C für das Isoliermaterial tritt als Schichttemperatur zwischen Kabel und Isolierung auf und ist durch die Temperaturvorgabe hier als Randbedingung erster Art aufzufassen.

Abb. 2-13: Schnitt durch ein ummanteltes Aluminiumkabel nach Aufgabe 2.4-5.

Lösung: a) maximal zulässiger Stromfluss bei Begrenzung der Temperatur des Isoliermaterials Ansatz für die volumenspezifische Ergiebigkeit aus Widerstandswärme zu Kabelvolumen: ρ ⋅l I 2 ⋅ ρ ⋅l ~ P I2 q = el = max ⋅ el , Al = max 2el , Al V AAl ⋅ l AAl AAl ~

Die gesamte Wärmeproduktion des Kabels beträgt damit Q = q ⋅ V =

2 I max ⋅ ρ el , Al

AAl

=

2 I max ⋅ ρ el , Al ⋅ l

π ⋅ rAl2

und muss über die Kabeloberfläche abgegeben werden. Mit der maximal zulässigen Wandtemperatur der Kabelisolierung innen tmax = t(r=rAl) = 60 °C und der gegebenen Temperatur der Isolierung an der äußeren Mantelfläche von tW,a = t(rK) = 0 °C kann der Vorgang als stationäres Wärmeleitproblem durch die Kabelisolierung als Zylinder nach (2-16a) aufgefasst werden.

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung 2 I max ⋅ ρ el , Al ⋅ l 2π ⋅ l ⋅ λ PE Q = ⋅ (t max − tW , a ) = r π ⋅ rAl2 ln K rAl

65

I max = π ⋅ r AL



2λ PE (t max − tW , a )

ρ el , Al ⋅ ln

rK r Al

2 ⋅ 0,35 W/(m K) ⋅ 60 K = 1203,95 A V 2,977 cm 2,45 ⋅10 − 6 ⋅10 − 2 m ⋅ ln A 0,977 cm

I max = π ⋅ 0,00977 m

b) zulässige Stromstärke bei äußerer Manteltemperatur von 20 °C 2 ⋅ 0,35 W/(m K) ⋅ 40 K = 983,02 A V 2,977 cm 2,45 ⋅10 − 6 ⋅ 10 − 2 m ⋅ ln A 0,977 cm

I max = π ⋅ 0,00977 m

c) Temperatur in Kabelmitte Ausgangspunkt ist Gleichung (2-12a) zugeschnitten auf radiale (eindimensionale) Wärmeleitung in Zylinderkoordinaten ~ q d 2 t 1 dt + ⋅ + =0 dr 2 r dr λ Al



~ 1 d  dt  q =0 ⋅ r ⋅  + r dr  dr  λ Al



Nach Trennung der Veränderlichen folgt d r ⋅

(Kontrolle durch Produktregel!)

~ dt  q ⋅ r dr und die erste Integration liefert =− dr  λ Al

 ~ 2  q~ ⋅ r C1  dt q ⋅ r dr und die r =− + C1 . Erneute Trennung der Veränderlichen zu dt =  − +   2λ Al dr 2λ Al r   ~ q ⋅ r 2 + C1 ln r + C 2 . Jetzt zweite Integration führt in Übereinstimmung mit (2-18b) auf t (r ) = − 4λ Al

sind durch Vorgabe der entsprechenden Randbedingungen die frei wählbaren Konstanten C1 und C2 zu bestimmen: 1. t(r = 0) = endlicher Wert → wegen lim ln r = −∞ folgt deshalb C1 = 0 r →0

2.

t(r = rAl) = tmax →

t max = −

~ q r Al2 4λ Al

+ C2



C 2 = t max +

~ q r Al2 4λ Al

Damit ergibt sich für die radiale Temperaturverteilung im Kabel t (r ) =

~ q 4λ Al

(r

2 Al

)

− r 2 + t max mit der volumenspezifischen Ergiebigkeit:

I2 ⋅ ρ 1203,952 A 2 ⋅ 2,45 ⋅ 10−6 V/A ⋅ 10−2 m W q = max 2 el,Al = = 394.584,91 3 4 −8 9 ⋅ 10 m m AAl

66

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Für die Kabelmitte ist r = 0 zu setzen, so dass schließlich folgt: t (r = 0) =

~ q ⋅ r Al2 394.584,91 W/m 3 ⋅ (0,00977 m) 2 + t max = + 60 °C = 60,04 °C 4 ⋅ λ Al 4 ⋅ 237 W/(m K)

Aufgabe 2.4-5: Stationäre Wärmeleitung im Zylinder mit Randbedingung dritter Art Ein Brennstab der Länge lBr für einen Druckwasserreaktor bestehe aus einer sehr dünnwandigen zylindrischen Zirkoniumhülse (ri(Zr) = 4,65 mm), die mit dem Kernbrennstoff Urandioxid (UO2) gefüllt sein soll. Durch Kernreaktionen wird eine konstante (also weder vom Radius noch von der Temperatur abhängige) volumenspezifische Wärmeleistung von 740 MW/m3 freigesetzt. Der Wärmeleitkoeffizient für Urandioxid sei mit 2,0 W/(m K) gegeben. Im Primärkreislauf wird der Brennstab von unter hohem Druck stehenden Wasser bei einer mittleren Temperatur von 317 °C gekühlt, wobei für den Wärmeübergangskoeffizienten BrennstabWasser 6500 W/(m2 K) anzusetzen ist. Berechnen Sie die maximale, im Kern des Brennstabes auftretende Temperatur unter der Bedingung, dass der Wärmewiderstand der Zirkoniumhülse vernachlässigt werden kann und gehen Sie von ra(UO2) = ri(Zr)= rBr aus

Gegeben: Brennstab:

rBr = 0,00465 m

Randbedingung: α = 6500 W/(m2 K)

λUO2 = 2,0 W/(m K)

~ q = 740 MW/m3

tW = 317 °C

Vorüberlegungen: Im zylinderförmigen Kernbrennstab ist die stationäre eindimensionale Wärmeleitung in radialer Richtung bei Vorliegen innerer Wärmequellen und Randbedingung dritter Art am äußeren Zylindermantel zu betrachten. Im stationären Zustand ist davon auszugehen, dass der im Brennstab entstehende Wär~ ~ mestrom Q = q ⋅ V = q ⋅ π ⋅ rBr2 ⋅ lBr in radialer Richtung durch Wärmeleitung an das Kühlwasser abgegeben wird Q = −λUO2 ⋅ (2π ⋅ rBr ⋅ l Br ) ⋅ dt / dr . Lösung: Aus den Vorüberlegungen zur Energiebilanz folgt die Differentialgleichung ~ dt 2 und daraus nach Trennung der Veränderlichen q ⋅ π ⋅ rBr l Br = −λUO2 ⋅ (2π ⋅ rBr l Br ) ⋅ dr t ( r = rBr ) rBr ~ q ⋅ r dt = − dr 2λUO2



t ( r =0)

 0

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

67

Die gesuchte Temperatur im Kern des Brennstabes t(r = 0) ergibt sich damit aus t (r = 0) = t (rBr ) +

~ 2 q ⋅ rBr 4λUO2

Die hier benötigte Temperatur an der äußeren Zylindermantelfläche t(rBr) ist über die Randbedingung dritter Art zu bestimmen. ~ 2 Q = q ⋅ (π ⋅ rBr l Br ) = α ⋅ (2π ⋅ rBr l Br ) ⋅ (t ( rBr ) − tW )



t (rBr ) = tW +

~ q ⋅ rBr 2α

Für die Temperatur in Brennstabmitte t(r = 0) kann nun geschrieben werden: t (r = 0) = tW +

~ r2 q  rBr + Br  2  α 2λUO2

6 2 2     = 317 °C + 740 ⋅10 W ⋅  0,00465 m + 0,00465 m  = 2581,8 °C 3 2    2m  6500 W/(m K ) 2 ⋅ 2,0 W/(m K)  

Aufgabe 2.4-6: Wärmeleitung in Kugel (Bestimmung eines Wärmeleitkoeffizienten) Eine Messeinrichtung zur Ermittlung des Wärmeleitkoeffizienten besteht aus einer Hohlkugel (Innenradius hier 125 mm), in deren Mitte eine beheizbare Metallkugel (Radius Metallkugel hier 75 mm) angeordnet ist. Der verbleibende freie Raum in der Hohlkugel dient zur Aufnahme des zu untersuchenden Stoffes. Bei der Bestimmung des Wärmeleitkoeffizienten eines speziellen Sandes betrug die der Metallkugel im Beharrungszustand zugeführte Heizleistung 4,7 W. Die Oberflächentemperatur an der inneren Metallkugel wurde mit 25,9 °C gemessen und die Temperatur an der inneren Oberfläche der Hohlkugel zu 20 °C bestimmt. Berechnen Sie a) den Temperaturverlauf t(r) an den Stützstellen r = 85 mm, r = 95 mm, r = 105 mm, r = 115 mm! b) Bestimmen Sie den Wärmleitkoeffizienten λ des Sandes aus den Versuchsdaten!

Abb. 2-14: Schnitt durch die beheizbare Hohlkugel zur Messung des Wärmeleitkoeffizienten eines Sandes.

Gegeben: r1 = 0,075 m

t1 = 25,9 °C

r2 = 0,125 m

t 2 = 20,0 °C

Q = 4,7 W

68

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Vorüberlegungen: Der Innenraum der Hohlkugel ist mit dem Sand gefüllt, dessen Wärmeleitkoeffizient bestimmt werden soll. Über die Temperaturmessung kann man kontrollieren, wann der stationäre Zustand eingetreten ist. Zwischen den beiden Temperaturmessstellen liegt dann eine stationäre Wärmeleitung ohne Wärmequellen in radialer Richtung vor. Die Kugelgeometrie ist die einzige Geometrie, für die in einer endlichen Größe tatsächlich eine eindimensionale Wärmeleitung beobachtet werden kann. Für Platte und Zylinder benötigt man unendliche Abmessungen um die Wärmeverluste über die jeweiligen Stirnflächen vernachlässigen zu können. Deshalb ist die hier für den Versuch zur Bestimmung des Wärmeleitkoeffizienten verwendete Hohlkugel eine kluge Wahl. In der Literatur werden die Wärmeleitfähigkeiten für Sand wie folgt angegeben: Sand trocken λ = 0,27 W/(m K) Sand feucht λ = 0,58 W/(m K) Lösung: a) Bestimmung des Temperaturverlaufes Ausgangspunkt für die Ermittlung des Temperaturverlaufes t(r) ist die Differentialgleichung (2-12), die für die oben beschriebenen Bedingungen die Form annimmt: d 2 t 2 dt + ⋅ =0 dr 2 r dr

Mit der Substitution z = dt dt dz 1 dt = ⋅ =− 2 ⋅ dr dz dr r dz

d 2t 1 dz 1 dt und daraus und 2 in obiger Gleichung = − 2 folgt für dr dr r dr r

und 2

d 2t d  1 dt  2 dt  1  d 2 t dz 2 dt  1  d 2 t = = 3 ⋅ +  2  ⋅ 2 (Produktregel!) − 2 ⋅  = + 3 ⋅ + − 2 ⋅ 2 ⋅ 2 dr  r dz  dr r d z  r  d z d r r d z  r  dz

Eingesetzt in die Ausgangsgleichung ergibt sich damit: 2

2 dt  1  d 2 t 2 dt d 2t ⋅ + 2  ⋅ 2 − 3 ⋅ = 0 oder kompakter =0 3 r dz  r  dz r dz dz 2

Allgemeine Lösungen dieser Differentialgleichung sind schon aus Aufgabe 2.4-1 bekannt. t ( z ) = C1 ⋅ z + C 2 =

C1 + C2 r

Die frei wählbaren Integrationskonstanten C1 und C2 der allgemeinen Lösung werden für die spezielle Lösung aus den Randbedingungen 1. Art an der inneren und äußeren Kugeloberfläche bestimmt: t (r = r1 ) = t1 :

t1 =

C1 + C2 r1

t (r = r2 ) = t 2 :

t2 =

C1 + C2 r2

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung Daraus ergeben sich die Konstanten C1 und C2 zu C1 =

69 t 2 − t1 1 t −t und C 2 = t1 − ⋅ 2 1 , so 1 1 r1 1 1 − − r2 r1 r2 r1

dass man in Übereinstimmung mit Gleichung (2-13c) erhält: t ( r ) = t1 +

t 2 − t1  1 1 ⋅ − 1 1  r r1 − r2 r1

   

t (r = 75 mm) = t1 = 25,9 °C

t (r = 85 mm) = 25,9 °C +

  (20 − 25,9) °C 1 1 ⋅  −  = 24,16 °C 1 1 0 , 085 m 0 , 075 m   − 0,125 m 0,075 m

t (r = 95 mm) = 25,9 °C +

t (r = 105 mm) = 25,9 °C +

t (r = 115 mm) = 25,9 °C +

( 20 − 25,9) °C 1 1 − 0,125 m 0,075 m

  1 1  = 22,79 °C ⋅  −  0,095 m 0,075 m 

  (20 − 25,9) °C 1 1 ⋅  −  = 21,69 °C 1 1 0 , 105 m 0 , 075 m   − 0,125 m 0,075 m (20 − 25,9) °C 1 1 − 0,125 m 0,075 m

  1 1  = 20,77 °C ⋅  −  0,115 m 0,075 m 

t (r = 125 mm) = t2 = 20,0 °C

Verschaffen Sie sich eine Vorstellung vom hyperbolischen Temperaturverlauf durch grafisches Auftragen der Temperatur über den Kugelradius! b) Wärmeleitkoeffizient aus Daten der Versuchseinrichtung Bei stationärer Wärmeleitung für den gefüllten Bereich der Hohlkugel mit konstantem Wärmefluss in radialer Richtung (Beharrungszustand) gehen wir von Gleichung (2-17a) aus. t −t Q = 4π ⋅ λ ⋅ 1 2 1 1 − r1 r2

Aufgelöst nach dem Wärmeleitkoeffizienten λ ergibt sich: 1 1 1 1 − −  Q r1 r2 4,7 W 0,075 m 0,125 m W ⋅ = ⋅ = 0,3381 λ= 4π t1 − t 2 4π 25,9 °C − 20,0 °C mK

Der hier ermittelte Wert fügt sich plausibel in die schon bekannten Literaturwerte ein.

70

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Aufgabe 2.4-7: Wärmeleitung in zweischichtiger ebener Wand (Reihenschaltung) Auf einer 10 mm starken Stahlwand der Brennkammer eines Heizkessels hat sich nach längerem Betrieb eine Kesselsteinschicht gebildet. Im Auslegungszustand bei sauberer Heizfläche betrage die Heizflächenbelastung 400 kW/m2. Auf welchen Wert geht die Heizflächenbelastung im momentanen Betriebszustand zurück, unter der Annahme, dass die mittleren Temperaturen der Wandoberflächen konstant geblieben und folgende Wärmeleitkoeffizienten gegeben sind: a) Stahl mit 0,1 % C: λSt = 52 W/(m K) bei mittlerer Temperatur von 200 °C Kesselstein δ = 1 mm, λK = 1,5 W/(m K) (Kesselstein feucht) b) Stahl mit 0,1 % C: λSt = 52 W/(m K) bei mittlerer Temperatur von 200 °C Kesselstein δ = 2 mm, λK = 1,5 W/(m K) (Kesselstein feucht) c) austenitischer Stahl: λSt = 18 W/(m K) bei mittlerer Temperatur von 200 °C Kesselstein δ = 2 mm, λK = 0,93 W/(m K) (Kesselstein andere Zusammensetzung)

Gegeben: q = 400 kW/m 2

Stahl (Index „St“): Kesselstein (Index „K“)

δSt = 0,01 m λSt = 52 W/(m K) λSt = 18 W/(m K) (austenitisch) δK = 0,001 m/ δK = 0,002 m λK = 1,5W/(m K)/ λK = 0,93 W/(m K)

Vorüberlegungen: Bei dieser eindimensionalen Wärmeleitung sind die Wärmeleitwiderstände in Reihe geschaltet. Für den Betriebszustand ist daher bei gleichen Wandtemperaturen und größeren Wärmeleitwiderständen mit einer verringerten Wärmestromdichte zu rechnen. Für den Auslegungszustand (saubere Heizfläche) wird der Index „A“ verwendet, für den Betriebszustand (mit Kesselstein) „B“.

Abb. 2-15: Brennkammerwand mit außenseitig angelagerten Kesselstein. a) Auslegungszustand b) Betriebszustand c) Ersatzschaltbild für Wärmewiderstände

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

71

Lösung: Heizflächenbelastung: Δt im Auslegungszustand: q A =

δ St λSt

im Betriebszustand: q B =

Δt

δ St δ K + λSt λK

Wegen gleichbleibender Wandtemperaturen (Δt = konstant) folgt: q B = q A ⋅ a)

δ St λSt

δ St δ K + λSt λK

1 mm Kesselsteinschicht: kW q B = 400 2 ⋅ m

0,01 m kW 52 W/(m K) = 89,55 2 0,01 m 0,001 m m + 52 W/(m K) 1,5 W/(m K)

b) 2 mm Kesselsteinschicht: kW q B = 400 2 ⋅ m

0,01 m kW 52 W/(m K) = 50,4 2 0,01 m 0,002 m m + 52 W/(m K) 1,5 W/(m K)

Schon eine sehr dünne Kesselsteinschicht vermindert die übertragene Wärmeleistung deutlich. In diesem Beispiel bewirkt eine 2 mm starke Kesselsteinschicht einen Rückgang der Heizleistung um 87,5 %.

c)

kW q B = 400 2 ⋅ m

0,01 m kW 18 W/(m K) = 82,12 2 0,01 m 0,002 m m + 18 W/(m K) 0,93 W/(m K)

Man beachte die unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten für Stahl. Aus der Perspektive der Wärmeleitung ist Stahl eben nicht Stahl! Gleichzeitig ist es schwierig, Wärmeleitfähigkeiten für Kesselstein wegen unterschiedlicher Zusammensetzungen und unterschiedlichem Feuchtegehalt zuverlässig anzugeben.

Aufgabe 2.4-8: Wärmeisolierung Gebäudehülle (Widerstände in Reihenschaltung) Die Hülle eines Gebäudes bestehe aus ebenen Wänden mit einer Gesamtfläche von 300 m2. Die Wandfläche auf der Gebäudeinnenseite weise eine konstante Wandtemperatur von +20 °C, an der Außenseite eine konstante Wandtemperatur von –12 °C auf. Die dreischichtige Wand verfüge über eine 1,5 cm starke Innenputzschicht (Wärmeleitfähigkeit 0,79 W/(m K), eine 24 cm dicke Ziegelwand und eine Außenputzschicht aus Mörtel von 2,5 cm Stärke. Die

72

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Gebäudehülle soll eine Wärmedämmung mit 8 cm starken Styropor-Schaumstoffplatten erhalten. a) Welcher Wärmestrom wird vom ungedämmten Gebäude an die Umgebung abgegeben und wie hoch sind die einzelnen Schichtwandtemperaturen? b) Berechnen Sie den Wärmestrom an die Umgebung und die einzelnen Schichtwandtemperaturen, wenn die Dämmplatten zwischen Außenputz und Ziegelwand angebracht werden! c) Berechnen Sie den Wärmestrom an die Umgebung und die einzelnen Schichtwandtemperaturen, wenn die Dämmplatten zwischen Innenputz und Ziegelwand angebracht werden! Gegeben: Innenputz (Gips und Kalk) Ziegelwand (lufttrocken) Außenputzmörtel Styropor-Schaumstoffplatten

δIP = 0,015 m δZW = 0,240 m δAP = 0,025 m δSP = 0,080 m

A = 300 m2

tW,a = –12 °C

tW,i = +20 °C

λIP = 0,790 W/(m K) λZW = 0,580 W/(m K) λAP = 0,930 W/(m K) λSP = 0,029 W/(m K)

(Aufgabentext) (Tabelle 7-4) (Tabelle 7-4) (Tabelle 7-4)

Vorüberlegungen: Das Problem kann als stationäre eindimensionale Wärmeleitung mit Randbedingung erster Art durch eine mehrschichtige ebene Wand betrachtet werden. Der Verlustwärmestrom Q über die Gebäudehülle insgesamt hängt nicht von der Anordnung der Schichten ab. Für den Fall b) und c) ergeben sich damit gleiche Verlustwärmeströme, die Schichttemperaturen hingegen verändern sich.

Abb. 2-16: Temperaturprofil für Wärmeleitung durch eine Gebäudewand.

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

73

Lösung: a) Wärmestrom und Schichtwandtemperaturen ohne Dämmschicht Wärmewiderstände der einzelnen Wandschichten: δ IP 0,015 m K = = 0,06329 ⋅10 −3 λ IP ⋅ A 0,79 W/(m K) ⋅ 300 m 2 W δ 0,240 m K RZW = ZW = = 1,37931 ⋅10 −3 2 λZW ⋅ A 0,58 W/(m K) ⋅ 300 m W δ AP K 0,025 m R AP = = = 0,08961 ⋅10 −3 λ AP ⋅ A 0,93 W/(m K) ⋅ 300 m 2 W RIP =

In dieser dreischichtigen Wand liegt in der Ziegelschicht wegen des höchsten Wärmewiderstandes auch der größte Temperaturabfall vor, der kleinste Temperaturabfall tritt in der Innenputzschicht auf. Wärmestrom aus Gesamttemperaturdifferenz zu Gesamtwiderstand: Q =

tW ,i − tW ,a RIP + RZW + R AP

=

(20 °C − (−12 °C)) = 20,885 kW (0,06329 + 1,37931 + 0,08961) ⋅10 -3 K/W

Schichtwandtemperaturen aus Temperaturdifferenz in der Schicht zu Schichtwiderstand tW ,i − t Z ,i Q = RIP

→ tZ,i = tW,i − Q ⋅ RIP = 20,00 °C − 20,885 kW ⋅ 0,06329 ⋅ 10−3

K = 18,68 °C W

t Z ,i − t Z ,a Q = RZW

→ tZ,a = tZ,i − Q ⋅ RZW = 18,68 °C − 20,885 kW ⋅ 1,37931 ⋅ 10−3

K = −10,13 °C W

Temperaturdifferenzen in den Schichten: Δt IP = (20,00 − 18,68) °C = 1,32 K

Δt ZW = (18,68 − (−10,13)) °C = 28,81 K

Δt AP = (−10,13 − (−12,00)) °C = 1,87 K

b) Wärmestrom und Schichtwandtemperaturen bei Außendämmung Wärmewiderstand der Styroporplatte RSP =

δ SP 0,08 m K = = 9,1954 ⋅10 −3 2 λSP . A 0,029 W/(m K) ⋅ 300 m W

Dieser Wärmewiderstand ist mit Abstand der größte Schichtwiderstand, deshalb ist hier jetzt auch die höchste Temperaturdifferenz zu erwarten. Q =

tW ,i − tW ,a RIP + RZW + RSP + R AP

=

(20 °C − (−12 °C)) = 2,983 kW (0,06329 + 1,37931 + 9,1954 + 0,08961) ⋅10 -3 K/W

Schichtwandtemperaturen aus Temperaturdifferenz in der Schicht zu Schichtwiderstand tW ,i − t Z ,i Q = RIP

→ tZ,i = tW,i − Q ⋅ RIP = 20,00 °C − 2,983 kW ⋅ 0,06329 ⋅ 10−3

K = 19,81 °C W

t Z ,i − t Z ,a Q = RZW

→ tZ,a = tZ,i − Q ⋅ RZW = 19,81 °C − 2,983 kW ⋅ 1,37931 ⋅ 10−3

K = 15,70 °C W

74 t −t Q = Z ,a S ,a RSP

2 Wärmeleitung in Feststoffen → tS,a = tZ,a − Q ⋅ RSP = 15,70 °C − 2,983 kW ⋅ 9,1954 ⋅ 10−3

K = −11,73 °C W

Temperaturdifferenzen in den Schichten bei Außendämmung: Δt IP = (20,00 − 19,81) °C = 0,19 K

Δt ZW = (19,81 − 15,70) °C = 4,11 K

Δt SP = (15,70 − (−11,73)) °C = 27,43 K

Δt AP = (−11,73 − (−12,00)) °C = 0,27 K

c) Wärmestrom und Schichtwandtemperaturen bei Innendämmung Wärmewiderstand und Gesamtwärmestrom können aus b) übernommen werden Schichtwandtemperaturen aus Temperaturdifferenz in der Schicht zu Schichtwiderstand tW ,i − t S ,i Q = RIP

→ t S ,i = tW ,i − Q ⋅ RIP = 20,00 °C − 2,983 kW ⋅ 0,06329 ⋅ 10 -3

t −t Q = S ,i S ,a RSP

→ t S ,a = t S ,i − Q ⋅ RSP = 19,81 °C − 2,983 kW ⋅ 9,1954 ⋅10 -3

t S ,a − t Z ,a Q = RZW

→ t Z ,a = t S ,a − Q ⋅ RZW = −7,62 °C − 2,983 kW ⋅1,37931 ⋅10 -3

K = 19,81 °C W

K = − 7,62 °C W K = − 11,73 °C W

Temperaturdifferenzen in den Schichten bei Innendämmung: Δt IP = (20,00 − 19,81) °C = 0,19 K

Δt SP = (19,81 − (−7,62)) °C = 27,43 K

Δt ZW = (−7,62 − ( −11,73)) °C = 4,11 K

Δt AP = (−11,73 − (−12,00)) °C = 0,27 K

Je nach Lage der Isolierschicht unterscheiden sich – wie Abbildung 2-16 zeigt – die Temperaturen in den mittleren Wandschichten erheblich. Die jeweiligen Temperaturprofile haben zunächst nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die temperaturabhängige Wärmeleitfähigkeit in den einzelnen Wandschichten, sind aber in anderer Beziehung sehr bedeutungsvoll. Bei innenseitiger Wärmedämmung liegen in diesem Beispiel die Temperaturen im Außenputz sowie in der Ziegelwand ausschließlich als negative Temperaturen vor. Somit werden im Vergleich zur außenseitigen Wärmedämmung die Gefahr der Taupunktunterschreitung (Kondensation von diffundierender Luftfeuchtigkeit und Schimmelbildung) und die Gefahr für Bauschäden durch Frost infolge gefrierender Feuchtigkeit erhöht. Der sogenannte Taupunkt wird unterschritten, wenn die Temperatur der feuchten Luft unterhalb der Siedetemperatur des Wassers liegt, die dem Partialdruck für die Luftfeuchtigkeit entspricht (bei 0 °C Partialdrücke niedriger als 6 mbar). Eine dann einsetzende erhöhte Durchfeuchtung des Baumaterials (insbesondere der Isolierschichten) führt zu einem Ansteigen der Wärmeleitfähigkeit und daraus folgend der Wärmeverluste. Bei der Beurteilung der Effizienz einer Wärmeisolierung an Bauteilen ist die solide Kenntnis der Wärmeleitfähigkeit der Baustoffe von sehr hoher Bedeutung. Insbesondere bei Dämmstoffen begnügt man sich nicht wie hier in der Beispielaufgabe vorgerechnet mit Nennwerten der Wärmeleitfähigkeit aus Tafeln, die die Eigenschaften von Dämmstoffen unter Laborbedingungen wiedergeben. Für den Nachweis des Erfüllungsgrades gesetzlicher Mindeststandards an den Wärmeschutz stützt man sich auf Bemessungswerte der Wärmeleitfähigkeit, die in DIN V 4108-4:2006/06 definiert sind. Darüber hinaus gelten für die Herstellung von Wärmedämmstoffen genormte Grenzwerte für die Wärmeleitfähigkeit, die nicht überschritten werden dürfen.

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

75

Die Folgen einer Innenisolierung sind verkleinerte Wohnflächen und kürzere Zeiten für Aufheizung oder Auskühlung der betreffenden Räume. Die Außenisolierung sorgt für eine Erhöhung der Wärmespeicherung durch die Wände mit der Folge, dass sich die Räume langsamer aufheizen oder abkühlen, also über die Tageszeit sowie über das Jahr angenehmeres Raumklima schaffen. Bei außenseitiger Dämmung bleibt gleichzeitig die Wohnfläche erhalten. Man sollte sich also nach Möglichkeit für die Außendämmung entscheiden und wenn dies nicht möglich (Denkmalschutz), Lösungen unter Berücksichtigung der bauphysikalischen Wirkungen der Innendämmung entwickeln.

Aufgabe 2.4-9: Reihen- und Parallelschaltung von Wärmewiderständen ebene Wand Für den Bau von Kühlhäusern ist der auf die Wandfläche bezogene Kühlbedarf q K infolge der Wärmedurchlässigkeit der Wandkonstruktion zu untersuchen. Im Auslegungsfall sollen die Wandtemperaturen außen +30 °C und innen –10 °C betragen. Welche Kühlleistung in W/m2 wird für 1 m2 Wand benötigt, wenn die Wand a) außen aus 30 cm gegossenen Kiesbeton und nach innen aus einer 8 cm starken StyroporSchaumstoff-Isolierung sowie einer 1,5 mm starken Verblendung aus Edelstahl (Wärmeleitkoeffizient 15 W/(m K)) besteht b) und wenn zusätzlich auf 1 m2 Wandfläche für Stege zwischen Betonwand und Verblendung zu deren Befestigung 2 cm2 Edelstahl-Wärmebrücken zu berücksichtigen sind?

Gegeben: Beton: Styropor: Edelstahl: Wandtemperaturen:

δB = 0,300 m δSty = 0,080 m δESt = 0,0015 m tW,a = +30 °C

λB = 1,280 W/(m K) λSty = 0,029 W/(m K) λESt = 15,0 W/(m K) tW,i = –10 °C

(Tabelle 7.6-3) (Tabelle 7.6-3)

Vorüberlegungen: Der Fall a) ist als Reihenschaltung der Wärmeleitwiderstände der Wandschichten, Aufgabenteil b) als Kombination aus Reihen- und Parallelschaltung für die Wärmeleitwiderstände nach Ersatzschaltbild in Abbildung 2-17 zu berechnen.

Abb. 2-17: Elektrische Ersatzschaltbilder für die Wärmewiderstände in Aufgabe 2.8-4.

76

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Lösung: a) spezifische Kühlleistung für Wand ohne Wärmebrücken tW ,a − tW ,i Q K = Rλ , ges



q K =

tW ,a − tW ,i A ⋅ Rλ , ges

A ⋅ Rλ , ges = A ⋅ ( RB + RSty + RESt ) =

A ⋅ Rλ , ges = q K =

δ B δ Sty δ ESt + + λ B λSty λ ESt

0,3 m 0,08 m 0,0015 m m2 K + + = 2,9931 1,28 W/(m K) 0,029 W/(m K) 15 W/(m K) W

W 30 °C − (−10 °C) = 13,36 2 m 2,9931 (m 2 K)/W

(Beachte: 30 °C − (−10 °C) = 40 K !)

b) erforderliche Kühlleistung für Wand mit Wärmebrücken AESt = 0,0002 m 2

ASty = 0,9998 m 2

A = ASty + AESt A ⋅ Rλ , ges = A ⋅ ( RB +

1 1 1 + RSty RESt

+ RESt ) =

δB + λ B ASty A

δ Sty λSty

A + ESt λ ESt A

+

δ ESt λ ESt

A ⋅ Rλ , ges =  0,3 m 0,08 m 0,0015 m  m2 K   = 2,734928207 + + W  1,28 W/(m K) 0,9998 ⋅ 0,029 W/(m K) + 0,0002 ⋅ 15 W/(m K) 15 W/(m K) 

q K =

t W , a − t W ,i A ⋅ Rλ , ges

=

40 K W = 14,62 2 2 2,734928207 m K/W m

Die Befestigungsstege führen als Wärmebrücken zu einem Kühlleistungsmehrbedarf. Bei 200 m2 Wandfläche folgt Q = (14,62 − 13,36) W/m 2 ⋅ 200 m 2 ≈ 0,25 kW als Zusatzleistung.

Aufgabe 2.4-10: Äquivalente Wärmeleitfähigkeit bei Reihen- und Parallelschaltung von Wärmewiderständen Ein Transformatorkern bestehe aus n Eisenblechen (λE = 81 W/(m K)) von je 1 mm Stärke, die zur Begrenzung von Wirbelströmen durch eine elektrisch isolierende Lackoxidschicht (λS = 0,08 W/(m K)) von 0,12 mm Stärke getrennt sind. Berechnen Sie jeweils die äquivalenten Wärmeleitkoeffizienten λx und λy für einen Wärmestrom Q x senkrecht zu den Schichten

und für einen Wärmestrom Q y parallel zu den Schichten! Gegeben: λE = 81 W/(m K) λS = 0,08 W/(m K)

δE = 0,001 m δS = 0,00012 m

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

77

Vorüberlegungen: Der Aufbau des Transformatorkerns ist in Abbildung 2-16 skizziert mit seinen Abmessungen δy und δz sowie δx = n·(δE + δS). Der äquivalente Wärmleitkoeffizient λx für den Wärmestrom Q x senkrecht zu den Schichten ergibt sich aus der Reihenschaltung der n Wärmeleitwiderstände des Eisenblechs und der Lackoxidschicht. Für die Berechnung des äquivalenten Wärmeleitkoeffizienten λy für den Wärmestrom Q y parallel zu den Schichten ist die Parallelschaltung der Wärmewiderstände zu beachten. Nach Tabelle 2.2 ist für den Wärmeleitwiderstand einer ebenen Wand Rλ = δ /(λ ⋅ A) anzusetzen.

Abb. 2-18: Anisotropes Verhalten eines Transformatorkerns.

Lösung: Äquivalenter Wärmeleitkoeffizient λx: Der Gesamtwiderstand für die Wärmeleitung in x-Richtung enthält die gesuchte Größe λx. Gleichzeitig setzt sich dieser Widerstand aus der Addition der in Reihe geschalteten Einzelwiderstände für das Eisenblech und die Lackoxidschicht zusammen. Rλ , x = n ⋅ ( RλE + RλS )

λx =



n ⋅ (δ E + δ S ) n ⋅δ S n ⋅δ E + = λ x ⋅ (δ y ⋅ δ z ) λE ⋅ (δ y ⋅ δ z ) λS ⋅ (δ y ⋅ δ z )



δE +δS δE δS = + λx λE λS

δE +δS (0,001 + 0,00012) m W = = 0,7406 0,001 m 0,00012 m δE δS m K + + λE λS 81 W/(m K) 0,08 W/(m K)

Äquivalenter Wärmeleitkoeffizient λy: Der Gesamtwärmeleitwiderstand für die parallel geschalteten Wärmeleitwiderstände von den Eisenblechen Rλ,E und den Lackoxidschichten Rλ,S enthält die gesuchte Größe λy. Rλ , E = Rλ , y =

δy λE ⋅ δ E ⋅ δ z 1 1 1 + n ⋅ Rλ , E n ⋅ Rλ ,S

Rλ ,S =



δy λS ⋅ δ S ⋅ δ z δy

λ y ⋅ n(δ E + δ S ) ⋅ δ z

=

1

λ E ⋅ n ⋅ δ E ⋅ δ z λS ⋅ n ⋅ δ S ⋅ δ z + δy δy

78

2 Wärmeleitung in Feststoffen

λ y ⋅ n ⋅ (δ E + δ S ) ⋅ δ z = λE ⋅ n ⋅ δ E ⋅ δ z + λS ⋅ n ⋅ δ S ⋅ δ z λy =

λ E ⋅ δ E + λS ⋅ δ S 81 W/(m K) ⋅ 0,001 m + 0,08 W/(m K) ⋅ 0,00012 m W = = 72,33 δE +δS 0,001 m + 0,00012 m mK

Die äquivalenten Wärmeleitfähigkeiten in x- und y-Richtung unterscheiden sich deutlich!

Aufgabe 2.4-11: Zweidimensionale stationäre Wärmeleitung (Rohr im Erdreich) Ein Heißwasser führendes Rohr von 30 cm Durchmesser sei in einer Tiefe a (RohrachseErdoberfläche) von 0,8 m im Erdreich verlegt. Im stationären Betriebszustand weist die äußere Mantelfläche des Rohres eine Temperatur von 60 °C auf. Der Wärmeleitkoeffizient des Erdbodens sei mit 1,2 W/(m K) gegeben. An der Erdoberfläche betrage der Wärmeübergangskoeffizient 8,5 W/(m2 K), die Lufttemperatur über dem Boden 10 °C. Welcher Verlustwärmestrom fällt aus 1 m Rohrlänge an?

Gegeben: Rohr: Boden:

tR,a = 60 °C

r = 0,15 m λEB = 1,2 W/(m K)

a = 0,8 m 2

α = 8,5 W/(m K )

tL = 10 °C

Vorüberlegungen: Die Aufgabe wird hier als ein Problem zur stationären zweidimensionalen Wärmeleitung im halbunendlichen Raum beschrieben. An der Erdoberfläche (Index „EO“) ist eine Randbedingung dritter Art vorgegeben. Den Verlustwärmestrom berechnet man vorteilhaft mit Formel (2-21) und verwendet den entsprechenden Geometriefaktor aus Tabelle 2-3. Wegen der geringen Temperaturleitfähigkeit von Erdreich bildet sich tatsächlich fast nie eine stationäre Wärmeleitung aus. Für eine realistische Analyse des instationären Wärmeleitvorgangs müssten allerdings zeitliche Temperaturverläufe von Rohrwand, Außenluft, Erdoberfläche und Grundwasser über das gesamte Jahr bekannt sein. Meist sind diese Daten aber nicht bekannt und man arbeitet selbst bei numerischer Berechnung mit zeitlichen Mittelwerten dieser Temperaturen. Lösung: Q = λEB ⋅ S l ⋅ (t R ,a − t EO ) l

Für den Geometriefaktor ist gemäß Tabelle 2-3 anzusetzen: a 0,8 m = = 5,3333 > 5 → Sl ≈ r 0,15 m

2π 2π ≈ ≈ 2, 654354 a 1, 6 m ln(2 ) ln( ) r 0,15 m

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

79

Die Temperatur an der Erdoberfläche muss aus der Randbedingung bestimmt werden: − λ EB

dt = α ⋅ (t EO − t L ) dx

t EO



− λ EB



l



dt = α ⋅ (t EO − t L ) dx

tR ,a

0

λEB (t R ,a − t EO ) = α ⋅ t EO ⋅ l − α ⋅ t L ⋅ l t EO =

λ EB ⋅ t R ,a + α ⋅ l ⋅ t L 1,2 W/(m K) ⋅ 60 °C + 8,5 W/(m 2 K) ⋅ 1 m ⋅10 °C = = 16,185567 °C λ EB + α ⋅ l 1,2 W/(m K) + 8,5 W/(m 2 K) ⋅1 m

W W Q = 1,2 ⋅ 2,6543545 ⋅ (60 − 16,185567) K = 139,56 m mK l

Aufgabe 2.4-12: Stationäre Wärmeleitung in Rippe Gegeben sei eine Rechteckrippe nach Abbildung 2-8 mit den Maßen h = 50 mm, b = 10 mm und s = 1,5 mm und einer Temperatur am Rippenfuß von 100 °C, einer Umgebungstemperatur von 25 °C sowie einem konstanten Wärmeübergangskoeffizienten von 25 W/(m2 K). Lösen Sie jeweils für die Rippenwerkstoffe Kupfer, Edelstahl (Chrom-Nickel-Stahl) und Polyethylen folgende Aufgabenstellungen: a) Welcher Rippenwirkungsgrad ergibt sich bei Vernachlässigung des Wärmestroms an der Stirnseite der Rippe? b) Welche Temperatur in °C liegt in der Rippenspitze vor? c) Skizzieren sie den Temperaturverlauf t(x) im Bereich 0 ≤ x ≤ h! d) Welche Leistungsziffer ε ergibt sich für die Rippe? e) Wie ist für die Rippe aus Edelstahl die Rippenhöhe h zu wählen, damit 80 % des theoretisch möglichen Wärmestroms über die Rippe abgegeben werden können?

Gegeben: Wärmeleitkoeffizient Rippenmaterial: λESt = 14,7 W/(m K) λCu = 397 W/(m K)

λPE = 0,35 W/(m K)

(Tab. 7.6-2)

(Tab. 7.6-2)

(Tab. 7.6-3)

Rippenparameter: Randbedingungen:

h = 50 mm t0 = 100 °C

b = 10 mm α = 25 W/(m2 K)

Vorüberlegungen: Für die Lösung der Aufgabe werden nach Kapitel 2.3.5 benötigt: – die dimensionslose Rippenhöhe (μ·h) – der abgegebene Wärmestrom ohne Rippe – die Übertemperatur am Rippenfuß Δt0 – die Hyperbelfunktionen

s = 1,5 mm tU = 25 °C

80

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Zur Berechnung der dimensionslosen Rippenhöhe (μ·h) ist zunächst aus der Rippengeometrie unabhängig vom verwendeten Material die wärmeübertragende Fläche am Rippenfuß AR und der wärmeabgebende Rippenumfang U zu ermitteln. AR = b ⋅ s = 10 mm ⋅1,5 mm = 15 mm 2

μ=

U = 2(b + s ) = 2 ⋅11,5 mm = 23 mm

Kupfer:

μ=

25 W/(m 2 K) ⋅ 23 ⋅10 -3 m 1 = 9,82637 m 397 W/(m K) ⋅15 ⋅10 -6 m

( μ ⋅ h) = 0,491318

Edelstahl:

μ=

25 W/(m 2 K) ⋅ 23 ⋅10 -3 m 1 = 51,0657 -6 m 14,7 W/(m K) ⋅15 ⋅10 m

( μ ⋅ h) = 2,55329

25 W/(m 2 K) ⋅ 23 ⋅ 10 -3 m 1 = 330,944 -6 m 0,35 W/(m K) ⋅ 15 ⋅ 10 m

( μ ⋅ h) = 16,5472

Polyethylen: μ =

α ⋅U λ ⋅ AR

W Wärmestrom ohne Rippe: Q = α ⋅ AR ⋅ (t 0 − tU ) = 25 2 ⋅15 ⋅10 −6 m 2 ⋅ 75 K = 28,125 mW m K

Übertemperatur am Rippenfuß:

Δt 0 = t 0 − tU = 100 °C − 25 °C = 75 K

Definition der Hyperbelfunktionen: sinh( μ ⋅ h) =

e + μ ⋅h − e − μ ⋅h 2

cosh( μ ⋅ h) =

e + μ⋅h + e − μ ⋅h 2

tanh( μ ⋅ h) =

sinh( μ ⋅ h) e + μ ⋅h − e − μ ⋅h = cosh( μ ⋅ h) e + μ ⋅h + e − μ ⋅h

tanh( μ ⋅ h) = 1 −

2 e

2⋅μ ⋅h

+1

Lösung:

a) Rippenwirkungsgrad nach Formel (2-33) η R =

tanh( μ ⋅ h) μ ⋅h

Kupfer:

ηR =

tanh(0,491318) 0,455262 = = 0,926614 0,491318 0,491318

Edelstahl:

ηR =

tanh(2,55329) 0,9879594 = = 0,3869358 2,55329 2,55329

Polyethylen:

ηR =

tanh(16,5472) 1 ≈ = 0,0604332 16,5472 16,5472

b) Temperatur an der Rippenspitze t(x = h) = th = Δth + tU in Verbindung mit (2-24) Kupfer:

Δt h =

Δt 0 75 K = = 66,7768 K cosh( μ ⋅ h) cosh(0,491318)

t h = 91,78 °C

Edelstahl:

Δt h =

Δt 0 75 K = = 11,6035 K cosh( μ ⋅ h) cosh(2,55329)

t h = 36,60 °C

Polyethylen:

Δt h =

Δt 0 75 K = = 0,0000098 K cosh( μ ⋅ h) cosh(16,5472)

t h ≈ 25 °C

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

81

c) Temperaturverlauf in der Rippe Zusätzlich zu der für alle Rippenmaterialien gegebenen Temperatur bei x = 0 und den jeweils errechneten Temperaturen bei x = 50 mm (Rippenspitze) errechnen wir noch die Temperaturen bei x = 12,5 mm, x = 25 mm sowie x = 37,5 mm. Dazu betrachten wir den Fall, dass die Temperatur th vorgegeben ist und verwenden Formel (2-29). Δt ( x) = Δt 0 ⋅

sinh( μ ⋅ [h − x]) sinh( μ ⋅ x) + Δt h ⋅ sinh( μ ⋅ h) sinh( μ ⋅ h)

μCu = 9,82637 m −1

Kupfer:

Nebenrechnung: sinh( μ Cu ⋅ 0,0375 m) sinh(0,368489) 0,7537699 = = = 0,7370755 sinh( μ Cu ⋅ 0,050 m) sinh(0,491318) 1,0226495 sinh( μ Cu ⋅ 0,0250 m) sinh(0,2456593) 0,4962752 = = = 0,4852838 sinh( μ Cu ⋅ 0,050 m) sinh(0,491318) 1,0226495 sinh( μ Cu ⋅ 0,0125 m) sinh(0,1228296) 0,2462774 = = = 0,2408229 sinh( μ Cu ⋅ 0,050 m) sinh(0,491318) 1,0226495 Δt ( x = 12,5 mm) = 75 K ⋅ 0,7370755 + 66,7768 K ⋅ 0,2408229 = 71,36 K

t ( x = 12,5 mm) = 96,36 °C

Δt ( x = 25,0 mm) = 75 K ⋅ 0,4852838 + 66,7768 K ⋅ 0,4852838 = 68,80 K

t ( x = 25,0 mm) = 93,80 °C

Δt ( x = 37,5 mm) = 75 K ⋅ 0,2408229 + 66,7768 K ⋅ 0,7370755 = 67,28 K

t ( x = 37,5 mm) = 92,28 °C

Edelstahl:

μESt = 51,0657 m−1 (ohne Nebenrechnung)

Δt ( x = 12,5 mm) = 75 K ⋅

3,3196728 0,6825608 + 11,6035 K ⋅ = 40,23 K 6,3857095 6,3857095

Δt ( x = 25,0 mm) = 75 K ⋅

1,6520059 1,6528059 + 11,6035 K ⋅ = 22,42 K 6,3857095 6,3857095

t ( x = 25,0 mm) = 47,42 °C

Δt ( x = 37,5 mm) = 75 K ⋅

0,6825608 3,3196728 + 11,6035 K ⋅ = 14,05 K 6,3857095 6,3857095

t ( x = 37,5 mm) = 39,05 °C

Polyethylen:

t ( x = 12,5 mm) = 65,23 °C

μPE = 330,944 m −1 (ohne Nebenrechnung)

Δt ( x = 12,5 mm) = 75 K ⋅

122.881,7536 31,110776 + 0,0000098 K ⋅ = 1,2 K 7.679.406,489 7.679.406,489

t ( x = 12,5 mm) = 64,61 °C Δt ( x = 25,0 mm) = 75 K ⋅

1.961,966871 1.961,966871 + 0,0000098 K ⋅ = 0,02 K 7.679.406,469 7.679.406,469

t ( x = 25,0 mm) = 25,02°C

82

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Schon bei einer Rippenhöhe von 12,5 mm beträgt der Unterschied zwischen Rippentemperatur und Umgebungstemperatur nur noch 1,2 K. Bei einer Rippenhöhe von 25 mm ist die Übertemperatur schon praktisch auf null gefallen, so dass eine weitere Verlängerung der Rippe nur noch Materialverschwendung darstellt.

Abb. 2-19: Temperaturverlauf in einer Rechteckrippe in Abhängigkeit von der Rippenhöhe für unterschiedliche Rippenmaterialien.

Aus Abbildung 2-19 wird deutlich, dass sich als Rippenwerkstoff Materialien mit hohem Wärmeleitkoeffizienten besonders eignen und dass mit zunehmender Rippenhöhe sich die Temperatur in der Rippe der Umgebungstemperatur annähert. Q Rippe

d) Leistungsziffer ε =  Q

mit Q Rippe = Q 0 = μ ⋅ λ ⋅ AR ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h)

ohne Rippe

Kupfer: W 15 m 2 1 Q 0 = 9,82637 ⋅ 397 ⋅ ⋅ 75 K ⋅ 0,455262 = 1998 mW m K 10 6 m

ε Cu =

1998 mW ≈ 71 28,125 mW

ε Est =

834,33 mW ≈ 30 28,125 mW

ε PE =

130,329 mW ≈ 4,63 28,125 mW

Edelstahl: 1 W 15 m 2 Q 0 = 51,0657 ⋅14,7 ⋅ ⋅ 75 K ⋅ 0,987959 = 834,33 mW m m K 10 6

Polyethylen: W 15 m 2 1 Q 0 = 330.994 ⋅ 0,35 ⋅ ⋅ 75 K ⋅1 = 130,329 mW m K 10 6 m

e) Rippenhöhe für 80 % Rippenwirkungsgrad Der maximal theoretisch mögliche Wärmestrom würde übertragen, wenn über die gesamte Höhe der Rippe die Temperatur t0 am Rippenfuß vorläge. In Verbindung mit der Definition des Rippenwirkungsgrades (2-33) ist also die Gleichung 0,8·(μ·h) = tanh(μ·h) zu lösen. Diese Gleichung kann nicht explizit nach der dimensionslosen Rippenhöhe·(μ·h) respektive der Rippenhöhe h aufgelöst werden. Von den numerischen Verfahren ist das Newtonʼsche Iterationsverfahren nicht

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

83

geeignet, da in dem Intervall mit einem gewinnbaren Startwert und allen folgenden Näherungswerten die Lipschitzbedingung nur bedingt erfüllt ist. Deshalb greifen wir hier auf die Regula falsi zurück. Für die Intervallschachtelung benötigt man zwei Startwerte. Aus der Tatsache, dass in praxi Rippen sehr oft mit einer dimensionslosen Rippenhöhe von ·(μ·h) < 1 ausgeführt werden, sind auch zwei brauchbare Startwerte zu gewinnen, z. B. (μ·h)(0) = 1 und (μ·h)(1) = 0,75. Die Iterationsvorschrift für die Funktion tanh(μ·h) – 0,8·(μ·h) lautet nun ( μ ⋅ h) ( n+1) = ( μ ⋅ h) ( n ) − ( μ ⋅ h) ( 2) = 0,75 −

( μ ⋅ h) ( n ) − ( μ ⋅ h) ( n−1) f (( μ ⋅ h) ( n ) ) − f (( μ ⋅ h) ( n−1) )

⋅ f (( μ ⋅ h) ( n ) )

0,75 − 1 ⋅ (0,035149) = 0,8694654 + 0,035149 − (−0,0384058)

( μ ⋅ h) (3) = 0,8694654 −

0,8694654 − 0,75 ⋅ (0,055301) = 0,8917705 + 0,0055301 − 0,035149

( μ ⋅ h) ( 4) = 0,8917706 −

0,8917706 − 0,8694654 ⋅ (−0,0011493) = 0,8879326 (−0,0011493) − 0,0055301

Die nächste Iteration liefert über (μ·h)(5) = 0,8880144 einen Wert mit sieben gültigen Ziffern. Mit μ ESt = 51,0657 m -1 errechnet man aus diesem Wert eine Rippenhöhe von h=

0,8880144 ≈ 17,4 mm 51,0657 m -1

Aufgabe 2.4-13: Optimierung Rippenparameter Rechteckrippe Für eine sehr dünne Rechteckrippe aus Aluminium mit einer konstruktiv vorgegebenen Breite von 10 mm sollen bei einem konstanten Wärmeübergangskoeffizienten von 10 W/(m2 K), einer Temperatur am Rippenfuß von 50 °C und einer Umgebungstemperatur von 15 °C die Rippendicke s sowie die Rippenhöhe h so festgelegt werden, dass die feste Kühlleistung von 1 W bei minimalem Materialeinsatz (Rippenvolumen) gewährleistet ist. Welcher Rippenwirkungsgrad, welche Leistungsziffer und welche Temperatur in der Rippenspitze werden erreicht?

Gegeben: Q 0 = 1 W

λAl = 237 W/(m K) (Tabelle 7.6-2)

α = 10 W/(m2 K)

t0 = 50 °C

tU = 15 °C

Δt0 = 35 K

Vorüberlegungen: Mit der Forderung nach einer sehr dünnen Rippenausführung ist U = 2(b + s ) ≈ 2b als Näherung für den Rippenumfang gerechtfertigt. Außerdem kann man für die Berechnung der Kühlleistung Q 0 von Formel (2-25) ausgehen und den Wärmefluss über die Stirnfläche der Rippe vernachlässigen: Q 0 = μ ⋅ λ ⋅ b ⋅ s ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h) mit AR = b ⋅ s .

84

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Das minimal erforderliche Rippenvolumen für die Übertragung von Q 0 ergibt sich nach den Regeln der Extremalrechnung aus

dV ( μ ⋅ h ) = 0 . Dabei ist das Rippenvolumen als Funktion d ( μ ⋅ h)

des dimensionslosen Rippenparameters (μ·h) zu formulieren, da damit alle relevanten Nebenbedingungen einbezogen werden können. Als vorteilhaft hat sich dabei erwiesen, von folgender Aufteilung der Faktoren für das Volumen auszugehen: V = b⋅s⋅h = b⋅

( s ) ⋅ hs ⋅ μμ 3

mit μ =

2α α ⋅U α ⋅ 2b = = λ ⋅ AR λ ⋅b⋅ s λ⋅s

Lösung:

Formel (2-25) liefert einen in das Produkt für das Volumen einsetzbaren Term für s : Q 0 = μ ⋅ λ ⋅ b ⋅ s ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h) = 2α ⋅ λ ⋅ s ⋅ b ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h)

s=

Q 0 b ⋅ 2α ⋅ λ ⋅ Δt 0 ⋅ tanh( μ ⋅ h)

3

 Q 0  b ⋅ 2α ⋅ λ ⋅ Δt 0 

 1 ( μ ⋅ h)  ⋅ ⋅  tanh 3 ( μ ⋅ h) 2α 

→ V = b ⋅

λ

Fassen wir alle in Bezug auf die vorgesehene Optimierung unveränderlichen Größen zu einer Konstanten K zusammen, folgt für das Volumen V ( μ ⋅ h) = K ⋅

Q 03 ( μ ⋅ h) mit K = 2 3 b ⋅ 4α 2 ⋅ λ ⋅ Δt 03 tanh ( μ ⋅ h)

dV ( μ ⋅ h ) =0 d ( μ ⋅ h)



1  3 2 ⋅ ( μ ⋅ h) opt  tanh ( μ ⋅ h) opt − 3 tanh ( μ ⋅ h) opt ⋅ cosh 2 ( μ ⋅ h) opt  K ⋅ tanh 6 ( μ ⋅ h) opt   

tanh( μ ⋅ h) opt − 3(μ ⋅ h )opt ⋅

1 =0 cosh 2 ( μ ⋅ h) opt

   =0   

→ (μ·h)opt = 1,419223190024014

Für die weitere Rechnung runden wir die numerische Lösung auf (μ·h)opt ≈ 1,419. Aus der oben gewonnenen Formel für s ergibt sich nun die optimale Rippenstärke sopt: sopt =

Q 02 12 W 2 = b 2 ⋅ 2α ⋅ λ ⋅ Δt 02 ⋅ tanh 2 ( μ ⋅ h) opt 10 -4 m 2 ⋅ 20 W/(m 2 K) ⋅ 237 W/(m K) ⋅1225 K 2 ⋅ 0,889390125 2

sopt ≈ 2,18 mm

Die optimale Rippenhöhe hopt errechnet sich aus hopt = mit μ opt =

2α = λ ⋅ sopt

( μ ⋅ h) opt

μ opt

20 W/(m 2 K) 1 = 6,22175 237 W/(m K) ⋅ 0,00218 m m

hopt = 1,419 ⋅

m ≈ 22,8 cm 6,22175

2.4 Verstehen durch Üben: Stationäre Wärmeleitung

85

Zur Berechnung der Temperatur in der Rippenspitze greifen wir auf Formel (2-24) zurück: Δt h = Δt 0 ⋅

1 cosh( μ ⋅ h) opt

= 35 K ⋅

1 = 16 K cosh(1,419)

t ( x = h) = tU + Δt h = 15 °C + 16 K = 31 °C

Die Temperatur in der Spitze optimal im Sinne der Aufgabenstellung dimensionierter prismatischer Rippen liegt immer in der Nähe des Mittelwertes zwischen Umgebungstemperatur und Wandtemperatur am Rippenfuß. Der Rippenwirkungsgrad ergibt sich aus Formel (2-33) ηR =

tanh( μ ⋅ h) opt ( μ ⋅ h) opt

=

tanh(1,419) 0,889390125 = ≈ 0,6268 1,419 1,419

Bei optimierter Rippenausführung werden für den Rippenwirkungsgrad etwas weniger als 2/3 des idealen Wertes erreicht. Für die Rippenleistungsziffer nach Formel (2-34) können wir hier vom gegebenen Wärmestrom über die Rippe Q 0 von 1 W ausgehen. Zu ermitteln wäre nur noch der Wärmestrom, der ohne Rippe über einer dem Rippenquerschnitt AR entsprechenden Fläche abgeführt wird. Q 0

εR =  Q

min

=

Q 0 1W = ≈ 131 α ⋅ b ⋅ sopt ⋅ (t 0 − tU ) 10 W/(m 2 K) ⋅ 0,01 m ⋅ 0,00218 m ⋅ (50 °C − 15 °C)

Aufgabe 2.4-14: Ermittlung der Temperaturverteilung in einer zylindrischen Nadel In einem Topf mit kochender Suppe (100 °C) wird beständig mit einem Rührlöffel aus Edelstahl (zylindrischer Stiel, 9 mm Durchmesser) umgerührt. Der Wärmeübergangskoeffizient betrage 14 W/(m2 K), die Umgebungstemperatur 32 °C. Untersuchen Sie die stationäre Temperaturverteilung im Stiel des Rührlöffels, wenn der Stiel 40 cm aus der Suppe herausragt an den Stellen 10 cm, 20 cm, 30 cm und am Stielende bei 40 cm! Über die Stirnseite am Ende des Stiels werde keine Wärme an die Umgebung abgegeben!

Gegeben: α = 14 W/(m2 K) d = 0,009 m x1 = 0,1 m

t0 = 100 °C h = 0,4 m x2 = 0,2 m

tU = 32 °C

λESt = 14,7 W/(m K) (Tabelle 7.6-2)

x3 = 0,3 m

x4 = 0,4 m

86

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Vorüberlegungen: Der aus der kochenden Suppe herausragende Stiel des Rührlöffels wird als zylindrische Nadel aufgefasst. Nach Formel (2-35) ergibt sich für den Rippenparameter μ: μ=

4 ⋅α 4 ⋅14 W/(m 2 K) 1 = = 20,57378 λ ESt ⋅ d 14,7 W/(m K) ⋅ 0,009 m m

Die Übertemperatur am Rippenfuß beträgt: Δt 0 = t 0 − tU = 100 °C − 32 °C = 68 K Zur Erinnerung die Definition der Hyperbelfunktion: cosh( μ ⋅ h) =

e μh + e − μh 2

Lösung: Die Übertemperatur an einer Stelle x wird nach Formel (2-23) berechnet Δt ( x) = Δt 0

cosh( μ (h − x)) cosh( μ ⋅ h)

Die Temperatur an der Stelle x folgt dann aus: t ( x) = tU − Δt ( x) Δt ( x1 ) = 68 K

cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,3 m) 239,60487 = 68 K = 8,69 K 1875,0018 cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,4 m)

t ( x1 ) = 32 °C + 8,69 K = 40,69 °C Δt ( x2 ) = 68 K

cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,2 m) 30,6268 = 68 K = 1,11 K 1875,0018 cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,4 m)

t ( x2 ) = 32 °C + 1,11 K = 33,11 °C Δt ( x3 ) = 68 K

cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,1 m) 3,9766066 = 68 K = 0,14 K 1875,0018 cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,4 m)

t ( x3 ) = 32 °C + 0,14 K = 32,14 °C

Δt ( x4 ) = 68 K

1 1 = 68 K = 0,04 K 1875,0018 cosh(20,57378 m -1 ⋅ 0,4 m)

t ( x4 ) = 32 °C + 0,04 K = 32,04 °C

Die Oberflächentemperatur der menschlichen Haut an der Hand beträgt etwa 32 °C. Beim dauerhaften Rühren der Suppe braucht man nicht befürchten, dass der Löffelstiel zu heiß wird, wenn man ihn in ungefähr 20 cm Abstand zur Oberfläche der kochenden Suppe anfasst. Ein Löffel aus Aluminium hätte allerdings bei x2 = 0,2 m eine deutlich zu hohe Temperatur. λAl = 237 W/(m K) (Tabelle 7.6-2) Δt ( x2 ) = 68 K

μ=

4 ⋅α = λ Al ⋅ d

4 ⋅14 W/(m 2 K) 1 = 5,1238757 237 W/(m K) ⋅ 0,009 m m

cosh(5,1238757 m -1 ⋅ 0,2 m) 1,572673 = 68 K = 27,1 K 3,9466007 cosh(5,1238757 m -1 ⋅ 0,4 m)

t ( x2 ) = 32 °C + 27,1 K = 59,1 °C

2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

2.5

87

Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

Neben den Wärmeflüssen an den Körperoberflächen ist bei der instationären Wärmeleitung auch die Wärmespeicherung im Körper selbst von Bedeutung. Für die mathematische Behandlung zeitlich veränderlicher Temperaturfelder im Raum gemäß der partiellen Differentialgleichung (2-3) mit den Grenzbedingungen (2-5) bis (2-8) steht heute ein große Vielfalt von Software auf Basis numerischer Verfahren wie der Methode der finiten Elemente oder der finiten Differenzen zur Verfügung. Die Fourierʼsche Differentialgleichung für die Wärmeleitung ist mit Mitteln der Analysis nur dann lösbar, wenn man hinreichend vereinfachende Annahmen trifft. Eine Beschränkung auf eine eindimensionale instationäre Wärmeleitung bei konstanten Stoffwerten sowie der Verzicht auf eine Betrachtung von inneren Wärmequellen oder –senken führt von der Differentialgleichung (2-3) auf die einfacher aufgebauten partiellen Differentialgleichungen (2-9) und (2-11a) oder in dimensionsloser Form auf (2-11b). Nach (2-9) ist die zeitliche Temperaturänderung ∂t/∂τ an jedem Punkt im Körper proportional zur Temperaturleitfähigkeit a, die als Materialeigenschaft ein Maß für die Änderungsgeschwindigkeit der Temperatur ist. Stoffe mit hoher Temperaturleitfähigkeit geben die Temperaturänderungen schnell weiter. Außerdem verknüpft (2–9) die zeitliche Temperaturänderung an einem Punkt im wärmeleitenden Körper mit der Krümmung des Temperaturverlaufes in der Umgebung des Punktes. Für ∂2t/∂x2 > 0 (nach den Regeln der Kurvendiskussion aus der Mathematik konvexe Funktionskurve) ist auch ∂t/∂τ > 0 und somit nimmt die Körpertemperatur zu. Bei konkaven Kurvenverlauf ist ∂t/∂τ < 0 und die Temperatur des Körpers nimmt ab (siehe dazu auch Abbildung 2-18).

Abb. 2-20: Bedeutung der Krümmung des Temperaturverlaufes bei instationärer Wärmeleitung und des Sonderfalles der stationären Wärmeleitung.

Fast alle analytischen Lösungen stellen darauf ab, die partielle Differentialgleichungen für die instationären Wärmeleitprobleme mit den unabhängigen Variablen für die Koordinate x, y, z und die Zeit τ in eine gewöhnliche Differentialgleichung mit nur einer unabhängigen Variablen zu überführen. Je nach Verfahren nutzt man entsprechend jeweils unterschiedliche Gegebenheiten aus. Die Variablenreduktion ist allerdings nur dann einfach, wenn als unabhängige Variablen des zu untersuchenden Problems die Zeit und eine Ortskoordinate auftreten, so dass sich viele mathematisch exakte Lösungen für die instationäre Wärmeleitung auf den eindimensionalen Fall beschränken. Eine Möglichkeit zur Lösung der partiellen Differentialgleichungen (2-11a) oder (2-11b) unter Beachtung der schon erwähnten Einschränkungen für die Anwendung analytischer Verfahren besteht in der Anwendung der Laplace-Transformation.

88

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Das Vorgehen zum Bearbeiten von Aufgabenstellungen für die instationäre Wärmeleitung, die sich für die Anwendung der Laplace-Transformation eignen, ist ausführlich in [2] dargestellt und soll hier nicht weiter behandelt werden. Wenngleich man nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur im Allgemeinen zu Recht davon ausgehen kann, dass die mathematischen Voraussetzungen zur Anwendung dieses Verfahrens in diesem Bereich allgemein gegeben sind, bleibt schlussendlich immer zu prüfen, ob die gefundene Lösung die Ausgangsdifferentialgleichung mit den zugehörigen Grenzbedingungen befriedigt. In Kapitel 2.5.1 beschäftigen wir uns für die Lapalace-Transformation mit dem bei instationären Wärmeleitproblemen häufigen Fall, dass bei der Rücktransformation komplexe Integrale auftreten, die mit dem Satz von Cauchy zur Funktionentheorie auszuwerten sind. Im Ergebnis entstehen dann unendliche Reihen, deren Glieder Exponentialfunktionen sind, die für größer werdende Zeiten τ abklingen. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der beiden unabhängigen Variablen x, τ besteht in der Bildung einer dimensionslosen Kennzahl wie in Formel (2-40) als Ähnlichkeitsvariable ζ vorgestellt (siehe Kapitel 2.5.2). In bestimmten Fällen besitzt ein Körper bei Abkühlungs- oder Aufheizungsvorgängen an jeder Stelle praktisch die gleiche Temperatur (Blockkapazität – siehe Kapitel 2.5.4). An die Stelle einer räumlichen Temperaturverteilung tritt nun eine konstante Temperatur und man muss nur noch die Temperaturentwicklung über der Zeit betrachten. Damit entsteht aus der partiellen Differentialgleichung eine gewöhnliche Differentialgleichung mit der unabhängigen Variablen Zeit τ. Alle drei hier erwähnte Verfahren sind geeignet, Testlösungen für die Nutzung von Software zur numerischen Behandlung größerer Aufgaben bereitzustellen. Bevor man für komplexe Sachverhalte eine örtliche und zeitliche Diskretisierung durch Festlegung der jeweiligen Schrittweiten vornimmt, ist es nützlich zu studieren, inwieweit man bei vereinfachter Geometrie und konstanten Stoffwerten durch die Wahl bestimmter Zeitschrittweiten und Elementgrößen mit den numerischen Verfahren die analytische Lösung tatsächlich erreicht. Dabei kann man sich durchaus auf bestimmte kritische Querschnitte und Zeitpunkte konzentrieren. Die Anwendung der hier vorgestellten analytischen Verfahren erfordert manchmal einen sehr hohen mathematischen Auswerteaufwand, insbesondere wenn die Lösungsfunktionen unendliche Reihen enthalten. Dann sind zur Gewährleistung einer technisch befriedigenden Lösung für kleine Zeitintervalle sehr viele Reihenglieder zu berücksichtigen, was die praktische Handhabung oft einschränkt. Aufgabe 2.6-4 basiert auf einer speziellen, in [2] vorgestellten Lösung zu einem zweidimensionalen, instationären Wärmeleitproblem mit mehreren unendlichen Reihen, wie sie aus der Anwendung der Laplace-Transformation resultieren. Auch hier ist durch die Schachtelung der unendlichen Reihen der Auswerteaufwand extrem hoch, woraus zu erkennen ist, dass analytisch exakte Lösungen für mehrdimensionale instationäre Wärmeleitprobleme kaum noch Vorteile im Verhältnis zu numerischen Näherungslösungen bieten, deren Genauigkeit durch die Feinheit der Diskretisierung nach Ort und Zeit beliebig eingestellt werden kann.

2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

2.5.1

89

Analytische Lösungen für ebene Wand, Zylinder und Kugel

Die Fourierʼsche Differentialgleichung für eine instationäre eindimensionale Temperaturverteilung nebst zugehörigen Grenzbedingungen wurde mit Gleichung (2-11) für die drei Elementargeometrien (unendlich ausgedehnte ebene Wand, unendlich langer Zylinder mit adiabaten Stirnflächen und Kugel) aufgeschrieben. Bei Betrachtung des dimensionslosen Temperaturfeldes θ(ξ, Fo) mit Gleichung (2-11b) lassen sich bei Vorliegen symmetrischer Randbedingungen erster und dritter Art analytische Lösungen durch Fourier-Reihen in einer einheitlichen Form angeben: Θ(ξ , Fo) =



 f (μ 1

k )⋅

2

f 2 ( μ k ⋅ ξ ) ⋅ e − μk ⋅Fo

(2-37)

k =1

Wegen der symmetrischen Form aller drei Elementargeometrien sowie voraussetzungsgemäß außerdem symmetrisch vorliegender gleicher Randbedingungen kann man sich auf die Betrachtung der zeitlichen Entwicklung des Temperaturfeldes in einer Symmetriehälfte des jeweiligen Körpers beschränken. Dazu wird der Körper an der Symmetrieachse aufgeschnitten und die Schnittfläche als adiabat (Randbedingung zweiter Art mit q = 0 ) betrachtet, was den Rechenaufwand erheblich reduziert. Die dimensionslose Ortskoordinate ξ nach Formel (2-10b) läuft immer von ξ = 0 auf der körpermittigen Symmetrieachse bis ξ = +1 zur Außenfläche der rechten Symmetriehälfte oder bis ξ = –1 zur Außenfläche der linken Symmetriehälfte. Abweichend von den Festlegungen zur Definition (2-10a) für den Prozess der Aufheizung oder Abkühlung ist hier für die dimensionslose Übertemperatur Θ sowie für die Anfangsbedingung τ = 0 oder Fo = 0 immer festgelegt: Θ=

t − tW t 0 − tW

und Θ(ξ , Fo = 0) = 1

(2-38)

Mathematisch kann die eindimensionale, instationäre Wärmeleitung für die drei erwähnten Elementargeometrien mit den in Tabelle 2-3 aufgeführten dimensionslosen Randbedingungen abschließend formuliert werden, wobei für die Randbedingung zweiter Art gesonderte Betrachtungen erforderlich sind. Tab. 2-3:

Dimensionslose Randbedingungen für Gleichung (2-37) an der Stelle ξ = +1.

1. Art

Θ(ξ = 1, Fo) = 0

2. Art

3. Art *



q ⋅ L ∂Θ = W ∂ξ ξ =1 λ (t 0 − t ∞ )



∂Θ = Bi ⋅ Θ(ξ = 1, Fo) ∂ξ ξ =1

Jedes Reihenglied in (2-37) enthält einen Eigenwert μk, der aus einer nichtlinearen Eigenwertgleichung resultiert. Die entsprechende Eigenwertgleichung hat jeweils für Geometrie und die Randbedingungen eine charakteristische Gestalt (siehe Tabelle 2-4).

90

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Tab. 2-4:

Eigenwertgleichungen zu Gleichung (2-37) für Randbedingungen 1. Art und 3. Art bei verschiedenen Geometrien. Randbedingung 1. Art

Geometrie

Randbedingung 3. Art

π

μk

unendliche Platte

cot( μ k ) = 0 ⇔ μ k = ( 2k − 1) ⋅

unendlicher Zylinder

J 0 (μ k ) = 0

J 0 (μk ) =

Kugel

sin( μ k ) = 0 ⇔ μk = k ⋅π sin( μ k ) − μ k ⋅ cos( μ k )

μ k ⋅ cot( μ k ) = 1 − Bi

cot( μ k ) =

2

Bi

μk Bi

J1 (μ k )

Für die einzelnen Elementargeometrien sind die Funktionen f1 und f2 in Gleichung (2-37) so definiert, wie in Tabelle 2-5 angegeben. Tab. 2-5:

Funktionen f1(μk) und f2(μk) zu Gleichung (2-37) bei verschiedenen Geometrien.

Geometrie

f1(μk)

f2(μk)

unendliche Platte

2 sin( μ k ) μ k + sin( μ k ) ⋅ cos(μ k )

cos( μ k ⋅ ξ )

unendlicher Zylinder

2 J1 ( μ k ) 2 μ k J 0 ( μ k ) + J12 ( μ k )

J 0 (μ k ⋅ ξ )

Kugel

2

(

)

sin( μ k ) − μ k ⋅ cos( μ k ) μ k − sin( μ k ) ⋅ cos(μ k )

sin( μ k ⋅ ξ ) μk ⋅ξ

Abgesehen von den Randbedingungen 1. Art für Platte und Kugel sind die Bestimmungsgleichungen für die benötigten Eigenwerte μk in Tabelle 2-4 transzendent und damit nicht direkt nach den gesuchten Eigenwerten μk auflösbar. Man erhält die Eigenwerte in erster Näherung auf grafischem Wege oder durch Anwendung numerisch iterativer Verfahren. Da die Eigenwerte mit wachsender Laufvariable k schnell wachsen, ist davon auszugehen, dass die Beiträge höherer Summenterme in (2-37) betragsmäßig schnell abnehmen, sofern die FourierZahlen nicht sehr niedrig sind (also für Zeiten im absolutem Anfangsbereich liegen). Deshalb lässt sich für genügend große Zeiten (oft reicht Fo > 0,25) das Temperaturfeld θ(ξ, Fo) von ebener Wand, Zylinder und Kugel durch das jeweilige erste Reihenglied der Fourier-Reihe (2-37) näherungsweise angeben: 2

(2-39a)

Θ(ξ , Fo) ≈ f1 ( μ1 ) ⋅ J 0 ( μ1 ⋅ ξ ) ⋅ e − μ1 ⋅Fo

2

(2-39b)

sin( μ1 ⋅ ξ ) − μ12 ⋅Fo ⋅e μ1 ⋅ ξ

(2-39c)

Ebene Wand (Fo > 0,30):

Θ(ξ , Fo) ≈ f1 ( μ1 ) ⋅ cos( μ1 ⋅ ξ ) ⋅ e − μ1 ⋅Fo

Zylinder (Fo > 0,25): Kugel (Fo > 0,20):

Θ(ξ , Fo) ≈ f1 ( μ1 ) ⋅

2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

2.5.2

91

Instationäre Wärmeleitung in halbunendlicher Wand

Betrachtet wird hier eine eindimensionale instationäre Wärmeleitung nach (2-9) in einer ebenen Platte mit unendlich ausgedehnter Plattenstärke (x→∞) und sprunghafter Änderung der Temperatur an der Wandfläche t(x = 0) = tW. Anstelle der partiellen Differentialgleichung mit den unabhängigen Variablen x für den Ort und τ für die Zeit löst man eine gewöhnliche Differentialgleichung für eine einzige dimensionslose Ähnlichkeitsvariable ζ gemäß Definition (2-40). Mit (2-40) werden x und τ mit Hilfe der Temperaturleitfähigkeit a zu einer dimensionslosen Größe zusammengefasst. Das Modell der halbseitig unendlich ausgedehnten Wand ist auch für eine Platte endlicher Stärke (Dicke δ) als Näherungslösung für sehr kurze Zeiten (Fo t0 = t(τ = 0) verwenden wir analog zu (2-10a) die dimensionslose Temperatur Θ+ =

 x  Θ + = erfc(ζ ) → t ( x,τ ) = t0 + (tW − t0 ) ⋅ erfc   (2-41a)  2⋅ a⋅τ 

t − t0 tW − t 0

Für Abkühlvorgange tW < t0 = t(τ = 0) greifen wir zurück auf Θ− =

 x  Θ − = erf (ζ ) → t ( x,τ ) = t0 + (t0 − tW ) ⋅ erf   (2-41b)  2⋅ a⋅ τ 

t − tW t 0 − tW

In der Literatur (zum Beispiel [3] und [6]) wird die Transformation der Gleichung (2-9) in eine gewöhnliche Differentialgleichung mit den dimensionslosen Ähnlichkeitsvariablen ζ nach (2-40) sowie der dimensionslosen Temperatur θ nach (2-41) beschrieben, deren spezielle Lösung im Zusammenhang mit einer über der Zeit konstanten Randbedingung erster Art an der freien Wandfläche (Vorgabe von tW) in (2-41) festgehalten ist. Mathematisch ergeben sich die Fehlerfunktion18 erf(ζ) und die dazu komplementäre Fehlerfunktion erfc(ζ) und ihre Beziehung zueinander aus erf (ζ ) =

2

ζ

π 

2

e −u du

und erfc(ζ ) =



e π 

−u 2

du

(2-42a)

+ 0 , 0487ζ 3 )

(2-42b)

ζ

0

erf (ζ ) = 1 − e − (1,119ζ +0,6833ζ

erfc(ζ ) = 1 − erf (ζ )

18

2

2

Leider wird gelegentlich auch in Lehrbüchern die Fehlerfunktion erf(ζ) gleichgesetzt mit der Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung Φ(ζ) und auf entsprechende Tabellen mit den zugehörigenFunktionswerten verwiesen. Φ(ζ ) = 1



ζ

e



u2 2 du

.

Tatsächlich besteht zwischen der Standard-Normalverteilung Φ(ζ) und

−∞

der Fehlerfunktion erf (ζ ) der Zusammenhang: erf (ζ ) = 2 ⋅ Φ (ζ ⋅ 2 ) − 1

92

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Für beide Funktionen sind in den Tabellen 7-1 und 7-2 die Funktionswerte für Argumente im Bereich 0,00 ≤ ζ ≤ 2,99 zusammengestellt. Für größere Argumente empfiehlt sich die Verwendung der alternierenden Reihe erfc(ζ ) =

2

  1 3 15 105 945 1 − + − + − + − ⋅ ⋅ ⋅  2 4 6 8 10  4 ⋅ζ 8 ⋅ζ 16 ⋅ ζ 32 ⋅ ζ π ⋅ζ  2 ⋅ζ 

e −ζ

(2-43)

Der Fehler für Funktionswerte nach der Entwicklung (2-43) ist betragsmäßig kleiner als das jeweils letzte verwendete Reihenglied.

Abb. 2-21: Überlagerung berechneter Temperaturen im Modell „doppelt unendliche Wand“.

Für Platten mit endlicher Dicke δ steigt bei Nutzung des Modells halbunendliche Wand der Fehler mit dem Anwachsen der Fourier-Zahl Fo, da für die Lösung dann auch Temperaturänderungen bedeutsam sind, die im nicht erfassten Plattenvolumen auftreten. Im Bereich von 0,05 < Fo < 0,3 hilft man sich durch Überlagerung einer Lösung von links und einer von rechts gemäß Abbildung 2-21. Man nennt diese Überlagerung auch „doppelte unendliche Wand“. Θ(ζ li , ζ re , Fo) = Θ li + Θ re − 1 = erfc(ζ li ) + erfc(ζ re ) − 1

(2-44)

Bei der Berechnung der aus der Temperaturverteilung (2-41) folgenden Wärmestromdichte greift man oft auf den materialabhängigen Wärmeeindringkoeffizienten b als weitere charakteristische Größe der instationären Wärmeleitung zurück. Der Wärmeeindringkoeffizient b ist definiert durch b = λ ⋅ ρ ⋅c =

λ a

[b] = 1 W 2⋅

s m K

(2-45)

Für die Wärmestromdichte in der Tiefe x zur Zeit τ ergibt sich dann: x2

q ( x,τ ) = −λ

x2

b(t − t ) − (t − t ) − dt = + λ ⋅ W 0 e 4 aτ = W 0 e 4 a τ dx π ⋅ a ⋅τ π ⋅τ

(2-46)

2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

93

Damit ist die an der Oberfläche der Platte (x = 0) eindringende Wärmestromdichte q 0 aus Gleichung (2-46) bestimmbar über q 0 = q ( x = 0,τ ) =

b(tW − t 0 )

(2-47)

π ⋅τ

Aus den Formeln (2-46) und (2-47) geht hervor, dass in Übereinstimmung mit den Vorzeichenvereinbarungen der Thermodynamik bei Aufheizvorgängen (tW > t0) der Wärmestrom als zugeführter Wärmestrom positiv zu bilanzieren ist, für Abkühlvorgänge (tW < t0) als abgeführter Wärmestrom negativ.

2.5.3

Berührungstemperatur bei thermisch idealem Kontakt

Zwei halbunendlich ausgedehnte Körper mit jeweils konstanter, aber unterschiedlicher Anfangstemperatur t1 und t2 werden gemäß Abbildung 2-22 ohne zusätzlichen Wärmewiderstand thermisch direkt so miteinander verbunden, dass der unstetige Temperaturverlauf unverzüglich in einen stetigen Verlauf übergeht und sich in der Kontaktebene x = 0 eine Berührungstemperatur tB ausbildet. Die Temperaturfeldentwicklung in jedem der beiden Körper kann aus (2-41) berechnet werden.

Abb. 2-22: Thermisch idealer Kontakt zweier halbunendlicher fester Körper.

Durch Wärmezufuhr heizt sich Körper 1 auf ( q1 > 0 ) und Körper 2 gibt Wärme ab ( q 2 < 0 ). An der Trennfläche x = 0 kann keine Wärme gespeichert werden, so dass die aus (2-47) berechenbaren Wärmeströme an dieser Stelle betragsmäßig übereinstimmen müssen. q1 ( x = 0) = − q 2 ( x = 0)

b1 t1 + t 2 b1 ⋅ t1 + b2 ⋅ t 2 b2 = tB = b1 b1 + b2 +1 b2



b1 (t B − t1 )

π ⋅τ

=

b2 (t 2 − t B )

π ⋅τ

(2-48)

Die zeitunabhängige Kontakttemperatur tB nach (2-48) liegt näher an der Temperatur des Körpers mit dem größeren Wärmeeindringkoeffizienten b gemäß (2-45). Deshalb fühlen sich

94

2 Wärmeleitung in Feststoffen

unterschiedliche Materialien gleicher Temperatur bei Berührung mit der Hand unterschiedlich „warm“ an. Stoffe mit großem Wärmeeindringkoeffizienten b sind berührungskalt. Dagegen eignen sich Stoffe mit kleinem Wärmeeindringkoeffizienten b gut als Oberflächenmaterial für Fußböden, da sich die Oberfläche durch geringe Wärmeableitung schnell erwärmt. Für den Sonderfall gleicher Materialien unterschiedlicher Anfangstemperatur (also b1 = b2 und t1 ≠ t 2 ) führt (2-48) in Übereinstimmung mit der Erfahrung auf tB =

t1 + t 2 2

Die Berührungstemperatur tB stellt sich natürlich auch bei idealem thermischen Kontakt zweier Körper mit endlicher Dicke ein. Dies ist der praktisch relevante Fall. Hier ist Berührungstemperatur jedoch nicht zeitunabhängig, sondern gilt nur im Kurzzeitbereich. Unterstellt man, dass beide Körper zusammen ein adiabates System bilden, nähert sich die Berührungstemperatur tB mit zunehmenden Temperaturausgleich der Ausgleichstemperatur tA an nach Maßgabe von tA =

2.5.4

(m ⋅ c)1 ⋅ t1 + ( m ⋅ c) 2 ⋅ t 2 (m ⋅ c)1 + (m ⋅ c) 2

(2-49)

Sprungantwort einer Blockkapazität

Ein beliebig gestalteter Festkörper mit einer konstanten Ausgangstemperatur t0 und dem Volumen V mit wärmeübertragender Oberfläche A und einer spezifischen Wärmekapazität c stehe über den konstanten mittleren Wärmeübergangskoeffizienten α mit einem Fluid, das die konstante Umgebungstemperatur tU besitze, im Wärmeaustausch. An den Festkörper stellen wir ferner die Forderung, dass seine Temperatur von der Zeit τ abhängig, aber zu jedem Zeitpunkt innerhalb des gesamten Körpers konstant ist. Innerhalb des Körpers treten also keine Temperaturdifferenzen auf. Einen solchen Körper bezeichnet man als Blockkapazität. Die Temperatur für den gesamten Körper im Block ist zeitlich veränderlich, aber an jedem Punkt des Körpers für einen ausgewählten Zeitpunkt einheitlich. Ein Behälter, der über einen Wärmedurchgangskoeffizienten k mit der Umgebung thermisch gekoppelt und mit einem stets gut durchmischten Fluid gefüllt ist, kann mathematisch wie eine Blockkapazität behandelt werden. Daher spricht man anstelle vom Modell Blockkapazität gelegentlich vom Modell des ideal gerührten Behälters. Ein über die Körperoberfläche tretender Wärmestrom ändert die im Körper gespeicherte Energie nach Maßgabe von dt dt Q = m ⋅ c ⋅ = ρ ⋅V ⋅ c ⋅ dτ dτ

(2-50)

Der gewöhnlichen Differentialgleichung (2-50) werden folgende Anfangs- und Randbedingungen zugeordnet: • Anfangsbedingung: t (τ = 0) = t 0 •

Randbedingung dritter Art:

Q = −α ⋅ A ⋅ (t − tU ) mit folgenden Bedingungen: t > t → Körper gibt Wärme ab Q < 0 U

t < tU → Körper nimmt Wärme auf Q > 0

2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

95

Mit (2-50) sowie der oben aufgeführten Randbedingung dritter Art folgt nun aus der Tatsache, dass der Wärmeübergang Fluid/Körper an der Körperoberfläche alleinige Ursache für den Wärmetransport in oder aus dem Körper ist: ρ ⋅V ⋅ c ⋅

dt = −α ⋅ A ⋅ (t − tU ) dτ

und nach Trennung der Veränderlichen

(2-51) dt α⋅A =− dτ kann die allgemeine Lösung von t − tu ρ ⋅V ⋅ c

Gleichung (2-50) gefunden werden mit t − tU = K ⋅ e



α⋅A ⋅τ ρ ⋅V ⋅c

(2-52)

Die frei wählbare Konstante K in der allgemeinen Lösung (2-52) führt bei der Anfangsbedingung t(τ = 0) = t0 auf K = t 0 − tU . Ferner definiert man für (2-52) eine Zeitkonstante ϑ als charakteristische Größe für die Blockkapazität ϑ=

ρ ⋅V ⋅ c m ⋅ c = α⋅A α⋅A

mit [ϑ ] = 1 s

(2-53)

Gleichung (2-52) erscheint nun in der Form t − t u = (t 0 − tU ) ⋅ e



τ ϑ

(2-54)

Mit (2-54) können damit in Bezug auf die Erreichung des Gleichgewichtszustandes folgende Aussagen getroffen werden: • •

τ = 1⋅ϑ :

t (τ ) − tU = (t 0 − tU ) ⋅ e −1 = (t 0 − tU ) ⋅ 0,36788

Die treibende Temperaturdifferenz ist auf circa 36 % ihres Ausgangswertes gefallen. τ = 5 ⋅ϑ : t (τ ) − tU = (t 0 − tU ) ⋅ e −5 = (t 0 − tU ) ⋅ 0,0067379 Die treibende Temperaturdifferenz ist auf circa 0,67 % ihres Ausgangswertes gefallen und der Gleichgewichtszustand fast erreicht!

Grundsätzlich (aber im Ingenieurwesen weniger üblich) könnte zur Charakterisierung eines Ausgleichsvorganges mit dem Modell Blockkapazität gleichfalls die in der Physik als Halbwertszeit bekannte Zeit τH , herangezogen werden, nach der sich die anfängliche Temperaturdifferenz zwischen Blockkapazität und Umgebung halbiert hat. Dann ist anzusetzen: − t (τ ) − tU 1 = → e t 0 − tU 2

τH ϑ

=

1 → e 2

τH ϑ

=2

Die Halbwertszeit τH dann mit der Zeitkonstante ϑ in dem festen Zusammenhang τ H = ln 2 ⋅ ϑ ≈ 0,69315 ⋅ ϑ

(2-55)

Die Zeitkonstante ϑ beschreibt außerdem den Einfluss der Geometrie auf Verhalten des Körpers bei Auskühlung/Aufheizung über eine charakteristische Länge L*BK .

96

2 Wärmeleitung in Feststoffen ϑ=

ρ ⋅c V ρ ⋅c * ⋅ = ⋅ LBK α A α

(2-56)

Für ansonsten festgehaltene Bedingungen vollzieht sich zum Beispiel ein Abkühlvorgang umso langsamer, je größer L*BK ist. Für folgende spezielle Geometrien kann die charakteristische Länge L*BK = V / A besonders einfach ermittelt werden: •

Symmetrische Platte (Dicke = 2R)

L*BK =

2R ⋅ A =R 2⋅ A



Zylinder (Durchmesser = 2R)

L*BK =

π ⋅ R2 ⋅ h R = (A = Mantelfläche; h >> R) π ⋅ 2R ⋅ h 2



Kugel (Durchmesser = 2R)

4 ⋅π ⋅ R3 R L*BK = 3 = 3 4 ⋅π ⋅ R 2

Unter diesen Bedingungen – überall gleiches R vorausgesetzt – würde die Kugel am schnellsten den Gleichgewichtszustand mit der Umgebung erreichen. Grundsätzlich sind diese Überlegungen auch übertragbar zur Abschätzung des Auskühlverhaltens unterschiedlicher Gebäudetypen. Häuser in kompakter Bauweise kühlen nicht so schnell aus wie Häuser mit Erkern und anderen Oberflächen vergrößernden Anbauten. Ist das Haus fast „würfelförmig“ gebaut, kühlt es langsamer aus als ein Haus, bei dem eine Abmessung wesentlich kleiner ist als die anderen beiden. Je mehr Wärme über die Oberfläche der Blockkapazität abgegeben oder aufgenommen wird, desto niedriger muss der Widerstand für die Wärmeleitung im Inneren für die Blockkapazität sein, damit dort im gesamten Bereich eine einheitliche Temperatur herrscht. Das Verhältnis von Wärmeleit- zu Wärmeübergangswiderstand wird durch die Biot-Zahl (2-10d) ausgedrückt. Das Modell Blockkapazität setzt also mindestens Bi < 1 voraus, unbedenklich ist die Anwendung des Modells für Bi < 0,15. In diesem Fall eignet sich die Blockkapazität auch zur Bestimmung des mittleren Wärmeübergangskoeffizienten. Für größere Biot-Zahlen treten nicht konstante Temperaturverteilungen sowohl im Körper als auch in seiner unmittelbaren Umgebung auf. Im Grenzfall Bi → ∞ (α → ∞) wird zum Zeitpunkt τ = 0 die Wand schon Umgebungstemperatur annehmen, während im Inneren des Körpers erst allmählich der Temperaturausgleich anläuft. So wie die in der Blockkapazität gespeicherte Energie bei Vorliegen eines Temperaturunterschiedes zur Umgebung gegen einen thermischen Widerstand an die Umgebung abgegeben wird, entlädt sich in einem analogen Vorgang ein Kondensator mit der Kapazität C gegen einen Ohmʼschen Widerstand. Einander entsprechende Einflussgrößen sind dabei: • als den Ausgleichsvorgang treibender Potentialunterschied die Temperaturdifferenz (t (τ ) − tU ) und die Spannung U • die im System gespeicherten Erhaltungsgrößen innere Energie ( ρ ⋅V ⋅ c ⋅ Δt ) und elektrische Ladung Q = C ⋅ U • die den Transport hemmenden Widerstände Wärmeübergangs- bzw. Wärmedurchgangswiderstand ( 1 /(α ⋅ A) bzw. 1 /( k ⋅ A) ) und Ohmʼscher Widerstand Rel Das Modell Blockkapazität eignet sich auch zur rechnerischen Eingrenzung des Thermometerfehlers erster Art. Gemeint ist damit der systematische Messfehler bei der Temperaturmes-

2.5 Berechnung instationärer Wärmeleitvorgänge

97

sung, der dadurch entsteht, dass die Anzeige der Temperatur eines sich stetig aufheizenden Fluides durch ein Thermometer immer erst mit einem gewissen Zeitverzug erfolgt, der der kleinen, aber nicht verschwindenden Wärmekapazität des Sensorbereiches des Thermometers geschuldet ist. Für den Sensorbereich des Thermometers, also für das Ausdehnungsgefäß der Thermometerflüssigkeit oder die so genannte Thermometerperle, gelten in guter Näherung die Bedingungen für die Blockkapazität. Für Gleichung (2-51) müssen wir jetzt aber noch ergänzen, dass keine konstante, sondern eine mit der Zeit τ stetig wachsende Umgebungstemperatur tU vorliegt. Vereinfachend unterstellen wir eine lineare Abhängigkeit von der Zeit mit einer konstanten Aufheizgeschwindigkeit β. tU (τ ) = tU (0) + β ⋅τ

[β ] = 1 K

(2-57)

s

Damit nimmt Bilanzgleichung (2-51) die Gestalt an ρ ⋅ V ⋅ c dt ⋅ = −(t (τ ) − tU (τ )) α ⋅ A dτ

(2-58)

Die Differentialgleichung (2-58) löst man praktisch durch eine Überführung in eine Differentialgleichung mit den dimensionslosen Variablen (durch hochgestellten * gekennzeichnet) dimensionslose Zeit τ* τ* =

α ⋅ A ⋅τ ρ ⋅V ⋅ c

(2-59)

und unter Hinzuziehung eines beliebig wählbaren Referenztemperaturintervalls Δtref die dimensionslosen Temperaturen Θ* (τ ) =

t (τ ) − t 0 Δt ref

(2-60a)

ΘU* (τ ) =

tU (τ ) − t 0 (t 0 + β ⋅τ ) − t 0 β β ρ ⋅V ⋅ c * = = ⋅τ = ⋅ ⋅τ Δt ref Δt ref Δt ref Δt ref α ⋅ A

(2-60b)

Die Differenz Θ* − ΘU* =

(t (τ ) − t 0 ) (tU (τ ) − t 0 ) t (τ ) − tU (τ ) und wegen vorausgesetzter Be− = Δt ref Δt ref Δt ref

liebigkeit des Referenztemperaturintervalls kann man es ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit immer so wählen, dass gilt Δt ref = β ⋅

ρ ⋅V ⋅ c . Damit folgt aus Gleichung (2-58): α⋅A

ρ ⋅ V ⋅ c dt dt = − β ⋅ (Θ* − ΘU* ) ⋅ = − Δt ref (Θ* − ΘU* ) oder dτ α ⋅ A dτ

(2-61)

In (2-61) muss der Differentialquotient dt/dτ nun noch ersetzt werden durch dΘ* / dτ * . Aus (2-60a) folgt nach Differentiation: dΘ* (τ ) 1 = dt (τ ) Δt ref

oder dt = dΘ* ⋅ Δt ref = dΘ* ⋅ β ⋅

ρ ⋅V ⋅ c α⋅A

98

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Aus (2-59) folgt nach Differentiation dt = dτ

α⋅A dτ * ρ ⋅V ⋅ c = oder dτ = dτ * ⋅ und somit folgt für dτ ρ ⋅V ⋅ c α⋅A

ρ ⋅V ⋅ c * α ⋅ A = dΘ ⋅ β . In endgültig dimensionsloser Form nimmt Gleichung (2-61) nun ρ ⋅V ⋅ c dτ * dτ * ⋅ α⋅A

dΘ * ⋅ β ⋅

die Gestalt einer mittels Variation der Konstanten lösbaren inhomogenen Differentialgleichung erster Ordnung an: β⋅

ρ ⋅V ⋅ c dΘ* dΘ* = − β ⋅ (Θ* − ΘU* ) → + Θ* = + ΘU* und in Verbindung mit Δt ref = β ⋅ sowie * α⋅A dτ dτ *

(2-60b) folgt schließlich dΘ + Θ* = τ * dτ *

(2-62)

Mathematisch einfach sind die Differenzen zwischen der augenblicklich tatsächlichen Temperatur des kontinuierlich aufgeheizten Fluids und der vom Thermometer angezeigten Temperatur zu diskutieren, wenn man für die Lösung der Differentialgleichung (2-62) zusätzlich die dimensionslose Randbedingung Θ* (τ * = 0) = 0 , also tU (τ = 0) = 0 , vorgibt, so dass die Lösung für (2-62) lautet: *

Θ* (τ * ) = e −τ + τ * − 1

(2-63)

Für das Zeitverhalten gemäß Gleichung (2-63) können somit zwei Aussagen getroffen werden: 1. für kleine Zeiten ( τ * → 0) : Θ* = 1 − τ * +

*

e −τ ≈ 1 − τ * +

(τ * ) 2 2

Abbruch der Taylorreihe führt auf

(τ * ) 2 (τ * ) 2 +τ * −1 = 2 2

2. für große Zeiten ( τ * → ∞) :

*

lim e −τ = 0 → Θ* = τ * − 1 *

τ →∞

Aus Abbildung 2-23 ist nun zu ersehen, dass für hinreichend große Zeiten der Zeitverzug zwischen der vom Thermometer angezeigten Temperatur und der tatsächlichen Temperatur des sich aufheizenden Fluides Δτ* = 1 beträgt. Eine dimensionsbehaftete Auswertung liefert: Thermometerfehler = Δt = tU − t ( τ → ∞) = β ⋅ Zeitverzug = Δτ =

ρ ⋅V ⋅ c α⋅ A

ρ ⋅V ⋅ c α⋅ A

(2-64) (2-65)

Bei vorgegebener Aufheizgeschwindigkeit β sollte man zur Minimierung des Thermometerfehlers für einen sehr guten Wärmeübergang sorgen und die Wärmekapazität C = ρ ⋅ V ⋅ c der Thermometerperle möglichst gering halten.

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

99

Abb. 2-23: Thermometerfehler erster Art für sehr kleine und sehr große Zeiten.

2.6

Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

Aufgabe 2.6-1: Physikalische Ähnlichkeit bei Maßstabsänderungen Schließen Sie von der Kochzeit eines Hühnereis (70 g, 7 Minuten) auf die erforderliche Kochzeit für ein Ei eines Straußen (1,4 kg) und für ein Ei einer Wachtel (10 g)!

Gegeben: Hühnerei: (Index H): Straußenei (Index S): Wachtelei (Index W):

mH = 0,07 kg mS = 1,4 kg mW = 0,01 kg

τH = 7 Minuten

Vorüberlegungen: Zur Lösung greift man hier zweckmäßig auf die auch in Kapitel 3.3 erläuterten Bedingungen „physikalische Ähnlichkeit“ bei Maßstabsveränderungen zurück. Die geometrische Ähnlichkeit wollen wir für alle Eier als erfüllt ansehen und im Modell von einer Kugelform ausgehen. Vernachlässigt werden alle im Inneren des Eies auftretenden Umwandlungen des Eiweißes. Stoffwerte sind hier als nicht von der Temperatur abhängige Materialeigenschaften für die verschiedenen Eier jeweils gleich, also zum Beispiel ρ = ρH = ρS = ρW. Unter Missachtung der physikalischen Ähnlichkeit würde ein einfacher Dreisatz über die Eimasse für das Straußenei 140 Minuten Kochzeit, für das Wachtelei etwa 1 Minute ergeben. 0,07 kg : 7 Minuten = 1,4 kg : x x=

7 Minuten ⋅1,4 kg = 140 Minuten 0,07 kg

0,07 kg : 7 Minuten = 0,01 kg : x x=

7 Minuten ⋅ 0,01 kg = 1 Minute 0,07 kg

100

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Lösung:

(Fo)H = (Fo)S →

aH ⋅ τ H a ⋅τ = S 2S RH2 RS

→ τS =

RS2 ⋅τ H RH2

In der Aufgabenstellung wird jedoch nicht Bezug genommen auf die charakteristische Länge R für die dimensionslose Zeit (2-10c), sondern auf die Masse der Eier. Mit m = ρ ⋅ V und 4 3

4 3

dem Kugelvolumen V = π ⋅ R 3 ergibt sich m = ρ ⋅ π ⋅ R 3 und für den Kugelradius als charakteristische Länge damit R = 3 Straußenei:

RS2

 3mS =   4π ⋅ ρ S

3⋅ m . 4π ⋅ ρ

2

3   

Hühnerei:

2

2

2

2

RH2

 3mH =   4π ⋅ ρ H

2

3   

 m 3  1,4 kg  3 R2  ⋅ 7 min. = 51,6 min. τ S = 2S ⋅ τ H =  S  ⋅ τ H =  RH  0,07 kg   mH 

τW

m R2 = W2 ⋅ τ H =  W RH  mH

3  0,0 1kg  3  ⋅ τ H =   ⋅ 7 min. ≈ 2 min.   0,07 kg  

Von der Masse her entspricht ein Straußenei hier 20 Hühnereiern. Dies ist unter Beachtung der üblichen Schwankungen bei der Größe beider Eier als Naturprodukte ein realistischer Maßstab. Aber eine zwanzigfache Eigröße bedeutet noch lange nicht eine zwanzigfache Kochzeit, der einfache Dreisatz würde hier zu falschen Schlüssen führen. Für die Praxis muss die hier ermittelte Kochzeit vor dem Hintergrund der getroffenen Annahmen dennoch kritisch hinterfragt werden. Die Schale der Straußeneier ist deutlich stärker als die der Hühnereier, was zu etwas längeren Kochzeiten als errechnet führt. Entsprechende Überlegungen sind auch für den Vergleich Hühnerei und Wachtelei anzustellen.

Aufgabe 2.6-2: Instationäre eindimensionale Wärmeleitung in einer Kugel In einem Eierkocher werden Eier, die zu Beginn der Erwärmung die einheitliche Anfangstemperatur von 20 °C aufwiesen, mit kondensierendem Dampf von 100 °C erwärmt. Berechnen Sie unter folgenden vereinfachenden Bedingungen welche Temperaturen im Inneren des Eies nach 5 und nach 7 Minuten erreicht werden: 1. Das Ei wird als Kugel aus homogenen Material mit 50 mm Durchmesser betrachtet. 2. Für die homogene Eimasse sei jeweils unabhängig von der Temperatur die Dichte mit 1050 kg/m³, die Wärmeleitfähigkeit mit 0,5 W/(m K) und die spezifische Wärmekapazität mit 3,2 kJ/(kg K) vorgegeben. 3. Der Wärmeübergangskoeffizient kondensierender Dampf/Ei sei so hoch, dass man an der äußeren Eischale von einer konstanten Temperatur von 100 °C ausgegangen werden kann (Randbedingung 1. Art!).

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

101

Gegeben: ρ = 1050 kg/m³ λ = 0,5 W/(m K) cp = 3200 J/(kg K) t0 = 20 °C tW = 100 °C τ1 = 300 s ξ = 0 (dimensionslose Ortkoordinate in Kugelmitte)

d = 0,05 m → r = 0,025 m τ2 = 420 s

Lösung: a=

λ 0,5 W/(m K) m² = = 0,14881 ⋅10 −6 ρ ⋅ c p 1050 kg/m³ ⋅ 3200 J/(kg K) s

Fo(τ 1 ) =

(nach Definition (2-4))

a ⋅τ 1 0,14881 ⋅10 −6 m²/s ⋅ 300 s = = 0,0714288 r2 0,025 2 m²

Fo(τ 2 ) =

0,14881 ⋅10 −6 m²/s ⋅ 420 s = 0,1 0,025 2 m²

Gleichung (2-37) ist nach Tabelle 2-5 für die eindimensionale Wärmeleitung in einer Kugel ∞

zu spezifizieren als Θ(Fo, ξ ) =  2 k =1

sin( μ k ) − μ k ⋅ cos( μ k ) sin( μ k ⋅ ξ ) − μk 2 ⋅Fo ⋅ ⋅e mit den Eigenwerμ k − sin( μ k ) ⋅ cos( μ k ) μk ⋅ξ

ten nach Tabelle 2-4 von μ1 = π, μ2 = 2π, μ3 = 3π, μ4 = 4π usw. Der Ausdruck f 2 ( μ k , ξ ) =

sin( μ k ⋅ ξ ) 0 wird für ξ = 0 wegen der Form unbestimmt. Nach der μk ⋅ξ 0

Regel von Bernoulli und l`Hospital folgt dann lim

ξ →0

sin( μ k ⋅ ξ ) cos( μ k ⋅ ξ ) ⋅ μ k = lim = 1 . Unter ξ →0 μk ⋅ξ μk

Beachtung der Nullstellen für die Sinusfunktion kann man dann vereinfachend schreiben: Θ(Fo, ξ = 0) =



2 k =1

− μ k ⋅ cos( μ k )

μk

⋅1 ⋅ e − μ k

2

⋅Fo

=



 − 2 ⋅ cos(μ

k ) ⋅e

− μ k 2 ⋅Fo

k =1

Θ(Fo(τ 1 ), ξ = 0) = 2

2

2

2

(−2) ⋅ (−1) ⋅ e −π ⋅Fo(τ1 ) + ( −2) ⋅ (+1) ⋅ e −4π ⋅Fo(τ1 ) + (−2) ⋅ (−1) ⋅ e −9π ⋅Fo(τ1 ) + (−2) ⋅ ( +1) ⋅ e −16π ⋅Fo(τ1 ) + ... = + 0,988242843 − 0,119224284 + 0,003511827 − 0,000025256 + −... ≈ 0,872505129 ≈ 0,872505

Die Berücksichtigung Glieder höherer Ordnung trägt nicht mehr sinnvoll zur Verbesserung der Genauigkeit des Ergebnisses bei. t (τ 1 , r = 0) = tW − Θ(t 0 − t w ) → t (300 s, 0 m) = 100 °C − 0,872505 ⋅ ( 20 °C − 100 °C) ≈ 30,2 °C Für τ2 = 420 s oder mit Fo(τ2) = 0,1 folgt dann Θ(Fo(τ 2 ), ξ = 0) = 2

2

2

(−2) ⋅ (−1) ⋅ e −π ⋅Fo(τ 2 ) + (−2) ⋅ (+1) ⋅ e −4π ⋅Fo(τ 2 ) + (−2) ⋅ (−1) ⋅ e −9π ⋅Fo(τ 2 ) + (−2) ⋅ (+1) ⋅ e −16π + 0,745415677 − 0,038592605 + 0,000277553 − 0,000000277 + −...≈ 0,7071 t (τ 2 , r = 0) = tW − Θ(t 0 − t w )

2

⋅Fo(τ 2 )

+ ... =

→ t (420 s, 0 m) = 100 °C − 0,7071 ⋅ (20 °C − 100 °C) ≈ 43,43 °C

Trotz der starken Vereinfachungen spiegeln sich hier unsere Erfahrungen mit dem Eierkochen gut wieder. Zwischen 41 °C und 43 °C beginnt die Eimasse zu gerinnen. Beim sogenannten 5-Minuten-Ei ist das Eigelb noch flüssig, beim 7-Minuten-Ei schon leicht fest (hart gekocht).

102

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Aufgabe 2.6-3: Temperaturfeld in ebener Wand mit Randbedingungen 1. Art (Lösungen für kleine Zeitschritte mit Modell halbunendliche Wand) Eine aus Kiesbeton gegossene Wand von 40 cm Stärke habe eine gleichmäßige Temperatur von 18 °C. Zu einem Zeitpunkt τ = 0 werden die Temperaturen sprunghaft an der linken und rechten Wandseite konstant auf jeweils 100 °C gebracht. a) Untersuchen Sie, bis zu welcher Zeit man in den wandflächennahen Schichten das Modell halbunendliche Wand anwenden kann, in dem Sie die Zeit bestimmen, zu der in Wandmitte erstmals ein Temperaturanstieg von 0,5 K erreicht wurde und vergleichen Sie dieses Resultat mit der empfohlenen dimensionslosen Zeitgrenze Fo = 0,05! b) Ermitteln Sie den Temperaturverlauf von rechter Wandfläche bis Wandmitte (Schrittweite Δx = 5 cm) für die Zeit τ2 = 30 Minuten! c) Welche Wärmeströme dringen an der rechten Wandseite zur Zeit τ1 = 1 Minute und zur Zeit τ2 = 30 Minuten ein? d) Bestimmen Sie die Temperatur in Wandmitte nach 2 h durch das Überlagerungsmodell zweimal halbunendliche Wand!

Gegeben: a = 0,662·10–6 m2/s λ = 1,28 W/(m K) (Tabelle 7.6-3 für Kiesbeton) δ = 0,4 m t0 = 18 °C tW = 100 °C x2 = 0,10 m x3 = 0,15 m x4 = 0,20 m x1 = 0,05 m τ1 = 60 s

τ2 = 1.800 s

τ3 = 7.200 s

Vorüberlegungen: Für die eindimensionale instationäre Wärmeleitung liegen symmetrische Randbedingungen 1. Art bei konstanter Anfangstemperaturverteilung vor. Damit wird sich in der Kiesbetonwand ein symmetrisches Temperaturfeld ausbilden, so dass eigentlich die Betrachtung der zeitlichen Temperaturverteilung in einer Symmetriehälfte ausreicht (zum Beispiel rechte Hälfte). Man analysiert den Temperaturverlauf in Abhängigkeit von der Eindringtiefe, zum Beispiel in 5 cm Wandtiefe beträgt die Ortskoordinate x = 0,15 m (siehe Abbildung 2-24), die Eindringtiefe für die Wandmitte ergibt sich aus xE = δ/2 – x = 0,2 m – 0 m = 0,2 m.

Abb. 2-24: Kiesbetonwand mit symmetrisch anliegenden Randbedingungen 1. Art links und rechts.

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

103

Der Rückgriff auf die halbunendliche Wand ist solange zulässig, wie in einer Tiefe von δ/2 im Wandmaterial keine Temperaturänderungen auftreten, die das Temperaturfeld in der linken Wandhälfte beeinflussen. Das Modell halbunendliche Wand für die Berechnung von Temperaturfeldern in Platten mit endlicher Plattenstärke versagt, wenn mit zunehmender Zeit für die Lösung Bereiche relevant werden, die das endliche Plattenvolumen übersteigen. Lösung: a) Grenze für die Anwendung des Modells halbunendliche Wand Nach Aufgabenstellung wählen wir als Grenze die Zeit, in der in Plattenmitte xE = 0,2 m erstmals die Temperatur t = t0 + Δt mit Δt = 0,5 K auftritt. Mit dieser Temperaturdifferenz unterstellen wir, dass die Systemgrenze in der Symmetrieachse nicht mehr adiabat ist und die weitere zeitliche Entwicklung des Temperaturfeldes auch von der anderen Symmetriehälfte beeinflusst wird. Θ+ =

t − t0 = erfc(ζ ) tW − t 0

18,5 °C − 18 °C = 0,0060976 = erfc(ζ ) 100 °C − 18 °C

Der Tabelle 7-2 ist zu entnehmen, dass erfc(ζ) = 0,0060976 zwischen den Werten ζ = 1,93 und ζ = 1,94 liegt, so dass eine lineare Interpolation mit den Tafelwerten führt auf ζ = 1,93 +

ζ =

0,0060976 − 0,00634 (1,94 − 1,93) = 1,9393246 0,00608 − 0,00634

xE 2 ⋅ a ⋅τ

Fo =



τ=

2

xE 0,04 m 2 ⋅10 6 = = 4.016,43 s 4a ⋅ ζ 2 4 ⋅ 0,662 m 2 /s ⋅1,9393246 2

a⋅τ 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 4.016,43 s = = 0,0665 > 0,05 (δ / 2 )2 0,04 m 2

zulässige Grenze für Fo-Zahl wird

überschritten, für die Anwendung des Modells halbunendliche Wand sind hier weniger als 4.000 s zulässig. Gleichzeitig können wir schlussfolgern, dass mit Δt = 0,5 K offenbar ein nicht mehr tolerierter und zu hoher Wert für den Wärmestrom an der adiabaten Systemgrenze folgt! Aus Fo = 0,05 ergibt sich τ =

Fo ⋅ (δ / 2 )2 0,05 ⋅ 0,04 m 2 = = 3.021,15 s a 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s

Danach ist mit dem Modell halbunendliche Wand für das vorliegende instationäre Wärmeleitproblem ein maximaler Zeitraum von nur etwas mehr als 50 Minuten geeignet. Der Ansatz t = t0 + Δt mit Δt = 0,1 K führt auf

18,1 °C − 18 °C = 0,00122 = erfc(ζ ) 100 °C − 18 °C

Jetzt entnehmen wir Tabelle 7-2, dass erfc(ζ) = 0,00122 zwischen den Werten ζ = 2,28 und ζ = 2,29 liegt. Eine entsprechende lineare Interpolation mit den Tafelwerten führt auf ζ = 2,29 +

ζ =

0,00122 − 0,00120 (2,28 − 2,29) = 2,286666 0,00126 − 0,00120

xE 2 ⋅ a ⋅τ



τ=

2

xE 0,04 m 2 ⋅10 6 = = 2.888,92 s 2 4a ⋅ ζ 4 ⋅ 0,662 m 2 /s ⋅ 2,286666 2

104

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Unter dieser Voraussetzung würden Zeiten von etwas mehr als 48 Minuten die Anwendung des Modells halbunendliche Wand gestatten. Dies entspricht einer Fourier-Zahl von Fo =

0,662 ⋅ 10 −6 m 2 /s ⋅ 2.888,92 s a⋅τ = = 0,0478 < 0,05 2 (δ / 2) 0,04 m 2

b) Bestimmung des Temperaturprofils in der Wand nach 30 Minuten Ermittlung der Ähnlichkeitsvariablen ζ nach (2-40) für τ2 = 1.800 s und x1 bis x4: • Grundsätzlicher Rechenweg am Beispiel 5 cm Eindringtiefe: ζ1 =

x E1 2 ⋅ a ⋅τ 2

=

0,05 m -6

2

2 ⋅ 0,662 ⋅10 m /s ⋅1.800 s

erfc(ζ 1 = 0,7242) = 0,3057505

= 0,7242

→ Θ + (ζ 1 ) =

t − t0 = erfc(ζ 1 ) tW − t 0

(Interpolation aus Tabelle 7-2)

t ( x E1 ,τ 1 ) = t 0 + (tW − t 0 ) ⋅ erfc(ζ 1 ) = 18 °C + (100 °C − 18 °C) ⋅ 0,3057505 ≈ 43,07 °C



Zusammenstellung der Ergebnisse für τ2 = 1.800 s und unterschiedliche Eindringtiefen t ( x E1 = 0,05 m,τ 2 ) = t 0 + (tW − t 0 ) ⋅ erfc(ζ 1 ) = 18 °C + (100 °C − 18 °C) ⋅ 0,3057505 ≈ 43,07 °C t ( x E 2 = 0,10 m,τ 2 ) = t 0 + (tW − t 0 ) ⋅ erfc(ζ 2 ) = 18 °C + (100 °C − 18 °C) ⋅ 0,04051 ≈ 21,32 °C t ( x E 3 = 0,15 m,τ 2 ) = t 0 + (tW − t 0 ) ⋅ erfc(ζ 3 ) = 18 °C + (100 °C − 18 °C) ⋅ 0,002123 ≈ 18,17 °C t ( x E 4 = 0,20 m,τ 2 ) = t 0 + (tW − t 0 ) ⋅ erfc(ζ 4 ) = 18 °C + (100 °C − 18 °C) ⋅ 0,00004 ≈ 18,003 °C

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus Aufgabenteil (a) sehen wir hier, dass das Modell halbunendliche Wand für eine Zeit von τ2 = 30 Minuten gut anwendbar ist, denn in Wandmitte liegt rechnerisch immer noch die Anfangstemperatur von 18 °C vor, so dass auch in der Eindringtiefe von 20 cm kein Wärmestrom in eine tiefer gelegene Schicht transportiert wird. Anders verhält es sich für eine Zeit von τ3 = 3 h = 7.200 s ζ4 =

xE 4 2 ⋅ a ⋅τ 3

=

0,2 m 2 ⋅ 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 7.200 s

1,4485

→ erfc(1,4485) = 0,04051

t ( x E 4 = 0,20 m,τ 3 ) = t 0 + (tW − t 0 ) ⋅ erfc(ζ 4 ) = 18 °C + (100 °C − 18 °C) ⋅ 0,04051 ≈ 21,322 °C

Diese Temperatur liegt schon deutlich über der Anfangstemperatur von 18 °C. In einer unendlich ausgedehnten Wand wäre zu dieser Zeit schon ein entsprechender Wärmetransport in tiefer gelegene Schichten erfolgt, so dass das Modell halbunendliche Wand da auf die endliche Wand nicht mehr anwendbar ist. Die errechnete Temperatur von 21,322 °C entspricht der Temperatur in einer Tiefe von 20 cm nach einer Zeit von 2 h, aber nicht der Temperatur in Wandmitte einer 40 cm starken Wand. c) Wärmeströme an der rechten Wandseite nach Gleichung (2-47) mit Wärmeeindringkoeffizienten b nach Gleichung (2-45)

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung q 0 (τ ) =

b ⋅ (tW − t 0 )

q 0 (τ 1 ) = q 0 (τ 2 ) =

mit b =

π ⋅τ

λ a

=

1,28 W/(m K) -6

2

0,662 ⋅10 m /s

1573,2 W ⋅ s /(m 2 K) ⋅ (100 °C − 18 °C)

π ⋅ 60 s 1573,2 W ⋅ s /( m 2 K) ⋅ (100 °C − 18 °C)

π ⋅1.800 s

105

= 9.396,09

W m2

= 1.715,48

W m2

= 1573,2

W⋅ s m2 K

d) Temperatur in Wandmitte für τ3 = 7.200 s durch Überlagerung Prüfung, ob Modell „doppelt unendliche Wand“ anwendbar Fo =

a⋅τ 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 7.200 s = = 0,12 < 0,3 2 (δ / 2) 0,04 m 2

Θ(ζ li , ζ re ,τ 3 ) = Θ li + Θ re − 1 = erfc(ζ li ) + erfc(ζ re ) − 1

In Wandmitte gilt: ζ li = ζ re =

xE 4 2 ⋅ a ⋅τ 3

=

0,2 m 2 ⋅ 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 7.200 s

1,4485

→ erfc(1,4485) = 0,04051

Θ(ζ li , ζ re ,τ 3 ) = erfc(ζ li ) + erfc(ζ re ) − 1 = 0,04051 + 0,04051 − 1 = −0,91898 t ( x E 4 ,τ 3 ) = t 0 + Θ(ζ li , ζ re ,τ 3 ) ⋅ (tW − t 0 ) = 100 °C − 0,91898 ⋅ (100 °C − 18 °C) = 24,64 °C

Das Modell „doppelte halbunendliche Wand“ liefert hier eine realistische Temperatur für die Wandmitte (vergleiche auch nächste Aufgabe!).

Aufgabe 2.6-4: Temperaturfeld in ebener Wand mit Randbedingungen 1. Art Für die in Aufgabe 2.6-3 gegebene Situation in einer ebenen Wand mit symmetrischen Randbedingungen sollen durch die analytisch exakte Lösung nach der Reihenentwicklung (2-37) die für den Kurzzeitbereich erhaltenen Ergebnisse überprüft und darüber hinaus auch Temperaturen für größere Zeitbereiche (Fo > 0,3) berechnet werden. Demgemäß ergeben sich jetzt für eine Anfangstemperatur von 18 °C und eine zum Zeitpunkt null sprunghaft an rechter und linker Wandseite erhöhte Temperatur von 100 °C folgende Aufgabenstellungen a) Ermitteln Sie den Temperaturverlauf in der rechten Wandhälfte von Wandmitte (Schrittweite Δx = 5 cm) bis zur rechten Außenwand nach 30 Minuten! b) Ermitteln Sie den Temperaturverlauf in der rechten Wandhälfte von Wandmitte (Schrittweite Δx = 5 cm) bis zur rechten Außenwand nach 2 Stunden! c) Ermitteln Sie die jeweiligen Temperaturen in der Wandmitte nach einer, 6 sowie 12 Stunden!

Gegeben: (vergleiche auch 2.6-2) a = 0,662·10–6 m2/s λ = 1,28 W/(m K) (Tabelle 7.6-3 für Kiesbeton) t0 = 18 °C tW = 100 °C

δ = 0,4 m

106

2 Wärmeleitung in Feststoffen

dimensionslose Ortskoordinaten geordnet nach steigenden Eindringtiefen: ξ1 =

15 cm = 0,75 20 cm

τ1 = 1.800 s

ξ2 =

10 cm = 0,50 20 cm

τ2 = 7.200 s

ξ3 =

5 cm = 0,25 20 cm

ξ4 =

0 cm =0 20 cm

τ3 = 36.000 s

Abb. 2-25: Kiesbetonwand mit symmetrisch anliegenden Randbedingungen 1. Art links und rechts.

Vorüberlegungen: Gleichung (2-37) mit der dimensionslosen Übertemperatur Θ nach (2-38) ist nach Geometrie und Randbedingungen für die vorliegende Aufgabe zu spezifizieren. Für die ebene Wand ergibt sich nach Tabelle 2-5 Θ(ξ , Fo) =



μ k =1

k

2 2sin( μ k ) ⋅ cos( μ k ⋅ ξ ) ⋅ e −μk ⋅Fo + sin( μ k ) ⋅ cos( μ k )

Die Eigenwerte μk für alle k = 1, 2, 3,…, ∞ bestimmen sich hier nach Tabelle 2-4 aus der Gleichung μ k = (2k − 1) ⋅ π / 2 . Damit wird cos(μk) = 0 und obige Gleichung vereinfacht sich zu Θ(ξ , Fo) =



 k =1

2sin( μ k )

μk

2

⋅ cos( μ k ⋅ ξ ) ⋅ e − μk ⋅Fo

Das Koordinatensystem für die dimensionslose Ortskoordinate ξ wurde in Übereinstimmung mit den Forderungen zu Anwendung von Gleichung (2-37) so gelegt, dass ξ = 0 auf der körpermittigen Symmetrieachse verläuft und die Außenfläche bei ξ = 1 erreicht wird. Die Temperatur t (τ = 0) = t 0 führt in Übereinstimmung mit den Forderungen für den Startpunkt auf Θ = 1 , nach unendlich langer Zeit ist t (τ → ∞) = tW und somit Θ = 0 . Aus Gleichung (2-37) wird:

t (ξ , Fo) = tW + (t 0 − tW ) ⋅



 k =1

2 sin( μ k )

μk

Lösung: a) Temperaturen nach 30 Minuten (Kurzzeitbereich Fo < 0,05) Fo =

0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅1.800 s a⋅τ = = 0,02979 < 0,05 (δ / 2) 2 0,04 m 2

2

⋅ cos( μ k ⋅ ξ ) ⋅ e − μk ⋅Fo

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

107

Die Θ(ξ , Fo) zugehörige Reihe konvergiert bei n = 9 : 9

μ k =1

k

2 2sin( μ k ) ⋅ cos( μ k ⋅ ξ ) ⋅ e − μk ⋅Fo = 0,6942647359 + sin( μ k ) ⋅ cos(μ k )

Die Temperatur in 5 cm Wandtiefe von der rechten Wandseite aus gesehen errechnet sich damit über t (ξ1 = 0,75,τ = 1.800 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,6942647359 = 43,070 °C

Für die anderen Punkte ergeben sich: t (ξ 2 = 0,50,τ = 1.800 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,9594814808 = 21,323 °C t (ξ 3 = 0,25,τ = 1.800 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,9978779198 = 18,174 °C t (ξ 4 = 0,τ = 1.800 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,9999162369 = 18,007 °C

Für den Kurzzeitbereich sind leider verhältnismäßig viele Reihenglieder bis zur Konvergenz erforderlich, mit den Modell halbunendliche Wand wurden hier die gleichen Ergebnisse mit deutlich geringeren Aufwand erzielt! b) Temperaturen nach zwei Stunden (erweiterter Kurzzeitbereich Fo < 0,3) Fo =

a⋅τ 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 7.200 s = = 0,11916 < 0,3 2 (δ / 2) 0,04 m 2

Die Konvergenz der Reihe ergibt sich hier wegen der höheren Fo-Zahl schon bei n = 4. t (ξ1 = 0,75, τ = 7.200 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,3910897257 = 67,391 °C t (ξ 2 = 0,50, τ = 7.200 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,6921432634 = 43,244 °C t (ξ 3 = 0,25, τ = 7.200 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,8650882417 = 29,063 °C t (ξ 4 = 0, τ = 7.200 s) = 100 °C + (18 °C − 100°C) ⋅ 0,9189629648 = 24,645 °C

Das Ergebnis für die Wandmitte mit einer Temperatur von 24,64 °C haben wir auch schon aus der Überlagerung mit dem Modell doppelte unendliche Wand in der vorangegangenen Aufgabe erhalten. c) Temperaturentwicklung in Wandmitte In Wandmitte mit ξ = 0 ist die Entstehung der Temperatur aus der analytischen Lösung besonders einfach zu verfolgen, da immer f 2 ( μ k ) = cos( μ k ⋅ ξ ) = cos(0) = 1 . Mit den speziellen Eigenschaften der Sinus-Funktion für die Eigenwerte μ k = ( 2k − 1) ⋅ π / 2 vereinfacht sich auch die Funktion f1 ( μ k ) zu f1 ( μ k ) =

2 ⋅ (−1) k +1

μk

.

Mit steigenden Fo-Zahlen ist auch zusätzlich mit einer raschen Konvergenz der Reihe zu rechnen. Die Effekte können mit dem Taschenrechner nachverfolgt werden. Temperatur nach einer Stunde

Fo =

0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 3.600 s a⋅τ = ≈ 0,06 > 0,05 2 (δ / 2) 0,04 m 2

108

2 Wärmeleitung in Feststoffen

k

μk

1 2 3 4 5 6

1,570796327 4,71238898 7,853981634 10,995574287 14,137166941 17,278759595

f1 ( μ k ) =

2 ⋅ (−1) k +1

2 ⋅ (−1) k +1

2

e − μk ⋅Fo

μk

+1,273239545 –0,424413181 +0,254647908 –0,181891363 +0,141471060 –0,115749049

μk

2

⋅ e − μk ⋅Fo

0,862393111 0,263844175 0,024696304 0,000707226 0,000006196 0,000000016

+1,098033013 –0,111978945 +0,006288862 –0,000128638 +0,000000876 –0,000000002

Σ

+0,992215166

t (ξ 4 = 0, τ = 1 h) = 100 °C + (18 °C − 100 °C) ⋅ 0,992215166 = 18,638 °C

Temperatur nach 6 Stunden k

μk

1 1,570796327 2 4,71238898 3 7,853981634

f1 ( μ k ) =

Fo =

a⋅τ 0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 21.600 s = ≈ 0,35748 > 0,3 2 (δ / 2) 0,04 m 2

2 ⋅ (−1) k +1

μk

+1,273239545 –0,424413181 +0,254647908

2 ⋅ (−1) k +1

2

e − μk ⋅Fo

μk

2

⋅ e − μk ⋅Fo

0,413934907 0,000356770 2,65·10–10

+0,527038293 –0,000151417 +0,000000000

Σ

+0,526886876

t (ξ 4 = 0, τ = 6 h) = 100 °C + (18 °C − 100 °C) ⋅ 0,526886876 = 56,795 °C

Wenn wir nur das erste Reihenglied berücksichtigt hätten (Näherungsformel für große Zeiten) ergäbe sich schon eine hinreichende Genauigkeit für die Temperatur: t (ξ 4 = 0, τ = 6 h) = 100 °C + (18 °C − 100 °C) ⋅ 0,527038293 = 56,783 °C

Temperatur nach 12 Stunden k

μk

1 1,570796327 2 4,71238898 3 7,853981634

f1 ( μ k ) =

Fo =

2 ⋅ (−1) k +1

μk

+1,273239545 –0,424413181 +0,254647908

0,662 ⋅10 −6 m 2 /s ⋅ 43.200 s a⋅τ = = 0,715 >> 0,3 2 (δ / 2) 0,04 m 2 2 ⋅ (−1) k +1

2

e − μk ⋅Fo

μk

2

⋅ e − μk ⋅Fo

0,171325197 0,000000090 7·10–20

+0,218138017 –0,000000038 +0,000000000

Σ

+0,218137979

t (ξ 4 = 0, τ = 12 h) = 100 °C + (18 °C − 100 °C) ⋅ 0,218137979 = 82,113 °C

Gleiches Ergebnis erhält man, wenn nur das erste Reihenglied berücksichtigt wird!

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

109

Nachteilig für diese Art der analytischen Lösung ist die Tatsache, dass für sehr kleine Zeiten relativ viele Reihenglieder berücksichtigt werden müssen. Aber bei der Nutzung eines Kalkulationsprogramms wie zum Beispiel Excel auf dem Personalcomputer fällt dies jedoch kaum ins Gewicht.

Aufgabe 2.6-5: Zweidimensionale instationäre Wärmeleitung in einer dünnen Platte Gegeben sei eine quadratische dünne Platte mit einer Seitenlänge von 1,6 m, die eine Anfangstemperatur von 0 °C besitze. Zu einem Zeitpunkt 0 wird gemäß Abbildung 2-26 die Platte links mit einer Temperatur von 250 °C und rechts mit 50 °C beaufschlagt. Am oberen und unteren Plattenrand liegen immer 0°C an. Der Wärmeleitkoeffizient des Plattenmaterials betrage 418 W/(m K), die volumetrische Wärmekapazität 2,457 MJ/(m3 K). Ferner sei die mit einer Laplace-Transformation erzeugte Reihe für das Temperaturfeld t(x,y,τ) gegeben, die hier [2] entnommen wurde: t ( x, y , τ ) =

4



π

tW , L ⋅ sinh(ϑ m [ D x − x]) + tW , R ⋅ sinh(ϑ m x) (2m − 1) ⋅ sin(ϑ m ⋅ D x )

m =1

⋅ sin( 2m − 1) ⋅ π

y ⋅Θ Dy

Dabei bedeuten neben l und m als Laufvariablen für die geschachtelte Reihe: Θ=−

8 Dx2

   





l  (2m − 1) ⋅ ε (t 2 l ,m

l =1 m=1

ϑm = (2m − 1) ⋅

π Dy

und

W ,L

ε l2,m =

)

− (−1) l ⋅ tW , R sin(lπ ⋅

x  y −ε l2,m ⋅a⋅τ ) ⋅ sin(2m − 1) ⋅ π ⋅ ⋅e Dx  Dy

l 2 ⋅π 2 + ϑm2 Dx2

Abb. 2-26: Ebene Platte mit Anfangs- und Randbedingungen für die zweidimensionale instationäre Wärmeleitung.

Gegeben: Materialeigenschaften:

c~ = 2,457 MJ/(m 3 K)

λ = 418 W/(m K)

(entspricht in etwa den Werten für Silber – vergleiche Tab. 7-3) Grenzbedingungen:

t (τ = 0) = 0 °C

Geometrie:

ebene, quadratische Platte mit Seitenlänge D = 1,6 m

tW , L = 250 °C

tW , R = 50 °C

110

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Vorüberlegungen: Die oben gegebene Berechnungsvorschrift für das zweidimensionale Wärmeleitproblem mit Randbedingungen erster Art ist bereits so komplex, dass man sich zweckmäßig ein Tool für ein Kalkulationsprogramm auf einem Personalcomputer schafft. Zur Kontrolle sind für ausgewählte Orte und Zeiten Temperaturen in der Ergebnistabelle 2-6 zusammengefasst. Man achte darauf, dass man insbesondere für kleine Zeiten, genügend Reihenglieder berücksichtigt. Hier wurde die numerische Rechnung abgebrochen, wenn der Fehler kleiner als Δt = ±0,002 K war. Die in der Reihenentwicklung zu berücksichtigende Temperaturleitfähigkeit a ergibt sich zu a=

2 418 W/(m K) λ −6 m 170 , 126 10 =~= = ⋅ ρ ⋅ c p c 2,457 ⋅10 6 Ws/(m3 K) s

λ

Lösung: Tab. 2-6:

Ergebnisse der Reihenentwicklung für eine zweidimensionale Wärmeleitung in einer ebenen Platte.

x in m

y in m

0,2

0,8

93,994 °C

150 s

132,522 °C

300 s

151,077 °C

450 s

161,936 °C

600 s

169,000 °C

750 s

176,434 °C

1000 s

0,4

0,8

19,155 °C

52,354 °C

75,280 °C

90,868 °C

101,897 °C

114,242 °C

1,4

0,8

18,799 °C

26,507 °C

30,293 °C

32,787 °C

34,847 °C

37,895 °C

0,2

0,2

76,328 °C

97,543 °C

105,921 °C

110,403 °C

113,201 °C

116,083 °C

Auf der Symmetrieachse der Platte bei y = 0,8 m kann man unter den hier gegebenen Bedingungen für kleine Anfangszeiten in der Nähe des rechten und linken Randes auch näherungsweise eine eindimensionale Wärmeleitung (in einer halbunendlichen Wand) unterstellen. Für den kleinsten ausgewiesenen Zeitraum von 150 s (dimensionslos Fo ≈ 0,04) rechnen wir jetzt die Temperaturen an den Punkten 1 (0,2 m; 0,8 m) und 3 (1,4 m; 0,8 m) mit dem Modell halbunendliche Wand nach. Dieses Modell eignet sich zur Ermittlung der eindimensionalen Temperaturverteilung auch für Wände mit endlichen Dicken im Kurzzeitbereich (Fo < 0,05). Beide Punkte sind noch oberflächennah, Punkt 1 markiert eine Eindringtiefe von 20 cm auf der linken Seite der 1,6 m langen Platte, Punkt 3 die gleiche Eindringtiefe von der rechten Seite her. Im Bereich y = 0,8 m ist auch für den Kurzzeitbereich der Einfluss der zweidimensionalen Wärmeleitung noch nicht stark ausgeprägt. Für eine Zeit von 150 s haben wir am Punkt 1 (0,2 m; 0,8 m) nach oben ausgeführter Rechnung eine Temperatur von t(x1, y, τ1) = 93,99 °C ermittelt. Nach dem Modell halbunendliche Wand ergibt sich: ζ1 =

x1 2 ⋅ a ⋅τ 1

=

0,2 m 2 170,126 ⋅10 -6 m 2 /s ⋅150 s

Θ + = erfc(ζ 1 ) = erfc(0,626) = 0,38059 +

≈ 0,626 (Bestimmung Ähnlichkeitsvariable)

0,626 − 0,62 (0,37295 − 0,38059) ≈ 0,376 0,63 − 0,62

(lineare Interpolation für erfc in Tabelle 7-2 zwischen den Argumenten 0,62 und 0,63)

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

111

Mit (2-41) für die Achse y = konstant = 0,8 m kann die Temperatur am Punkt 1 über die dimensionslose Temperatur Θ + berechnet werden zu: t ( x1 ,τ 1 ) = t (τ = 0) + (tW , L − t (τ = 0)) ⋅ Θ + = 0 °C + 250 K ⋅ 0,376 = 94,00 °C

Die Übereinstimmung mit dem Ergebniswert aus Tabelle 2-6 ist sehr gut. Für 20 cm Eindringtiefe von der rechten Wandseite her wurde für τ = 150 s nach Tabelle 2-nn im Punkt 3 eine Temperatur von t(x3, y, τ1) = 18,799 °C errechnet. Das Modell halbunendliche Wand liefert hier: ζ 3 = ζ 1 und t ( x3 ,τ 1 ) = t (τ = 0) + (tW , R − t (τ = 0)) ⋅ Θ + = 0 °C + 50 K ⋅ 0,376 = 18,8 °C

Die Übereinstimmung der Ergebnisse ist gleichfalls sehr gut.

Aufgabe 2.6-6: Kontakttemperatur zweier endlicher Körper im Kurzfristbereich Ein Mensch betrete barfuß einen Fußboden, der eine konstante Temperatur von 16 °C aufweise. Der Wärmeeindringkoeffizient für menschliches Gewebe sei mit 1080 W s /( m 2 K ) , die Hauttemperatur mit 32 °C gegeben. (Die Temperatur im Körperinneren ist höher, die Hauttemperaturen als Oberflächentemperaturen liegen beim gesunden Menschen im Bereich von 31 bis 32 °C.) Berechnen Sie die sich unmittelbar einstellende Kontakttemperatur, wenn der Fußboden aus a) Edelstahlblech (Cr-Ni-Stahl) im Schwimmbad b) Marmor (Treppe im Hotel) c) Korkfliesen (Kinderzimmer) besteht!

Gegeben: Mensch:

tM = 32 °C

Fußboden: Edelstahl (Cr-Ni): Marmor: Kork:

tF = 16 °C a1 = 3,75·10–6 m2/s a2 = 1,30·10–6 m2/s a3 = 0,11·10–6 m2/s

bM = 1080

W s m2 K

λ1 = 14,7 W/(m K) (Tabelle 7.6-2) λ2 = 2,80 W/(m K) (Tabelle 7.6-3) λ3 = 0,041 W/(m K) (Tabelle 7.6-3)

Vorüberlegungen: Wir unterstellen idealen thermischen Kontakt und berechnen die sich im ersten Moment einstellende Kontakttemperatur nach (2-48).

112

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Lösung: 1. Schritt: Berechnung des Wärmeeindringkoeffizienten nach Gleichung (2-45)

Edelstahl

b1 =

Marmor

b2 =

Kork

b3 =

λ1 a1

λ2 a2

λ3 a3

=

=

=

14,7 W/(m K) -6

2

3,75 ⋅10 m /s

= 7591

2,80 W/(m K) -6

= 2455,8

W s m2 K

= 123,62

W s m2 K

2

1,30 ⋅10 m /s 0,041 W/(m K) -6

2

0,11 ⋅10 m /s

W s m2 K

2. Schritt: Kontakttemperaturen nach Gleichung (2-48) Edelstahl

b ⋅ t + bM ⋅ t M tB = 1 F = b1 + bM

Marmor

b ⋅ t + bM ⋅ t M = tB = 2 F b2 + bM

Kork

b ⋅ t + bM ⋅ t M = tB = 3 F b3 + bM

7591

W s W s ⋅16 °C + 1080 2 ⋅ 32 °C m2 K m K ≈ 18 °C W s W s 7591 2 + 1080 2 m K m K W s W s ⋅16 °C + 1080 2 ⋅ 32 °C m2 K m K ≈ 20,89 °C W s W s 2455,8 2 + 1080 2 m K m K

2455,8

W s W s ⋅16 °C + 1080 2 ⋅ 32 °C m2 K m K = 30,37 °C W s W s 123,62 2 + 1080 2 m K m K

123,62

Wegen des kleinen Wärmeeindringkoeffizienten für Kork spürt man auf der Haut kaum einen Temperaturunterschied, obwohl die Korkfliese nur eine Temperatur von 16 °C aufweist. Die Resultate bestätigen also anschaulich die allgemein bekannte Wahrnehmung, dass sich Körper mit hohem Wärmeeindringkoeffizienten besonders „kalt“ anfühlen, wenn ihre Temperatur deutlich unter der Hauttemperatur liegt. Ist die Temperatur des betreffenden Körpers hingegen deutlich höher als die Hauttemperatur, fühlt er sich entsprechend „heißer“ an (Effekt: Hand taucht in ruhendes heißes Wasser → b(H2O bei 50 °C) ≈ 1635 W s /(m2 K)). Können Sie sich jetzt vorstellen, warum Saunabänke aus Holz hergestellt werden und nicht aus dem einfacher hygienisch zu säubernden Material Edelstahl?

Aufgabe 2.6-7: Ideal gerührter Behälter, Abkühlung Tee Zur Untersuchung der Bedingungen für die Teezubereitung wird 200 ml siedendes Wasser in ein sehr dünnwandiges Gefäß gegeben und mit Temperaturmessungen bei konstanter Umgebungstemperatur von 20 °C der sich anschließende Abkühlvorgang beobachtet: Zeit τ in Minuten 2 10 15 20 30 Temperatur t(τ) in °C 90 57 46 37 29

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

113

Der Einfluss des Gefäßes auf die Abkühlung kann vernachlässigt werden. Für die mittlere Dichte des Wassers ist 1 kg/dm3, für die spezifische Wärmekapazität 4,19 kJ/(kg K) und für den mittleren Wärmeleitkoeffizienten 0,676 W/(m K) anzusetzen. a) Welche Anfangstemperatur t0 = t(τ = 0) besaß das Wasser und nach welcher Zeit ist es bis auf Umgebungstemperatur abgekühlt? b) Die optimalen Genusstemperaturen für Tee liegen je nach Sorte zwischen 65 °C und 40 °C. Nach welcher Zeit würde der Tee die Genusstemperatur von 42 °C erreichen, wenn Sie für den Tee die thermophysikalischen Eigenschaften von Wasser unterstellen? Gegeben: Gefäß V = 0,0002 m3 Tee ρ = 1000 kg/m3

h = 0,08 m cp = 4,19 kJ/(kg K)

tU = 20 °C Abkühlkurve wie oben

Vorüberlegungen: Die Aufgabe kann mit dem Modell ideal gerührter Behälter nach Gleichung (2-54) gelöst werden. Die Anfangstemperatur t0 muss allerdings nach den Regeln der Ausgleichsrechnung für die fünf vorliegenden Messungen berechnet werden. Die zu bestimmende Ausgleichskurve vermittelt auch eine Zeitkonstante ϑ nach Gleichung (2-53). Lösung: a) Anfangstemperatur und Zeit für das Erreichen des thermischen Gleichgewichts 1. Schritt: Ausgleichskurve bestimmen Wenn (2-54) logarithmiert wird, kann man eine einfach zu handhabende lineare Ausgleichsgerade in der Form y = m·x + b berechnen. τ  ln(t (τ ) − tU ) = ln(t 0 − tU ) −   ϑ  y = ln(t (τ ) − tu )

mit folgenden Substitutionen: x =τ

b = ln(t 0 − tU )

m=−

1

ϑ

Logarithmen können nur von reinen Zahlen, nicht aber von Größen mit Maßeinheiten gebildet werden. Deshalb wird hier jetzt ausschließlich mit Zahlenwerten gerechnet. Für die Zeit wird abweichend von den Angaben in der Aufgabenstellung die SI-Einheit s gewählt! Tab. 2-7:

Daten für die Berechnung der Ausgleichskurve nach Aufgabe 2.6-6.

n

xi = τ i

1 2 3 4 5

120 600 900 1.200 1.800

Σ

4.620

yi = ln( t ( τ ) − t u )

xi2

x i ⋅ yi

ln(90-20) = 4,2484952 ln(57-20) = 3,6109179 ln(46-20) = 3,2580965 ln(37-20) = 2,8332133 ln(29-20) = 2,1972246

14.400 360.000 810.000 1.440.000 3.240.000

509,81942 2.166,5507 2.932,2869 3.399,8560 3.955,0042

16,1479480

5.864.400

12.963,518

114

2 Wärmeleitung in Feststoffen n

n⋅

n

i

i

i =1

n

n⋅

x i =1

b=

i

i =1

m=

1  n 

n

 x ⋅ y −  x ⋅ y 2 i

 −  

n

y

i =1 2



n

 x 

−m

i =1

=

5 ⋅12.963,518 − 4.620 ⋅16,147948 = −0,0012267 5 ⋅ 5.684.400 − 4.620 2

i

i =1



n

i

i

1

 x  = 5 (16,147948 + 0,0012267 ⋅ 4.620) = 4,3630604 i

i =1

Die Resubstitution liefert: ϑ = −

1 1 =− = 815,21125 und die Anfangstemperatur t0 m − 0,0012267

aus: b = ln(t 0 − tU ) → e b = t 0 − tU → t 0 = tU + e b = 20 + e 4,3630604 = 98,497 τ

Damit lautet die Ausgleichskurve t (τ ) = 20 °C + (78,497 K) ⋅ e 815,211 s 2. Schritt: gesuchte Parameter mit Ausgleichskurve berechnen: Anfangstemperatur: t (τ = 0) = 20 °C + (78,497 K) ⋅ e 0 = 98,497 °C Diese Anfangstemperatur entspräche in etwa der Siedetemperatur bei 964 mbar. Damit läge ein sehr niedriger Luftdruck vor. Zu beachten ist aber, dass mit dem Einfüllen des siedenden Wassers in das dünnwandige Gefäß von diesem sofort etwas Wärme aufgenommen wird. Zur Bestimmung der Zeit für den Temperaturausgleich setzen wir die fünffache Zeitkonstante an: 5 ⋅ ϑ = 5 ⋅ 815,211 s ≈ 4076 s . Das entspricht ca. 68 Minuten. Setzen wir diese Zeit in die Ausgleichskurve ein, stellen wir fest, dass immer noch eine kleine Temperaturdifferenz verbleibt. Diese ist aber so gering, dass praktisch kaum noch messbare Wärmemengen ausgetauscht werden. b) Ermittlung der Zeit zum Erreichen der optimalen Genusstemperatur t ( τ = ?) = 42 °C = 20 °C + (78,497 K) ⋅ e ln

(42 − 20) K τ =− 78,497 K 815,211 s



τ 815,211 s

→ τ = − ln 0,2802655 ⋅ 815,211 s = 1036,963 s

Die Abkühlzeit bis zum Erreichen der Temperatur von 42 °C beträgt ca. 17,28 Minuten. Nach dieser Zeit stellt sich die optimale Genusstemperatur für diese Teesorte ein. Eine Alternative zu dieser Rechnung wäre die lineare Interpolation für die Zeit zwischen den Temperaturmesswerten 46 °C und 27 °C. Hier ergibt sich: τ = 15 Minuten +

42 °C − 37 °C (20 − 15) Minuten = 17,78 Minuten 46 °C − 37 °C

Obwohl der zu interpolierende Zusammenhang nicht einer linearen Funktion folgt, ist das Ergebnis durchaus brauchbar. Das liegt vor allem daran, dass hier die Temperaturänderungsgeschwindigkeit in diesem Bereich schon deutlich abgenommen hat und das Zeitintervall hinreichend klein ist.

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

115

Aufgabe 2.6-8: Blockkapazität Analogie zum Kondensator Eine kleine (1/8 oz.) Goldmünze (3,89 g, 999,9 Au, Durchmesser 17,5 mm) mit einer Anfangstemperatur von 0 °C werde zu einem Zeitpunkt τ = 0 s in einem Raum mit konstanter Lufttemperatur von 24 °C gebracht. Nach 6,5 Minuten besitze die Münze die einheitliche Temperatur von 20 °C.

a) b) c) d)

Wie groß ist der mittlere Wärmeübergangskoeffizient Luft an Münze in W/(m2 K)? Welche Wärmemenge in J hat die Münze nach einer Minute aufgenommen? Nach welcher Zeit ist der Temperaturausgleich abgeschlossen? Wie sind elektrischer Widerstand in Ω und die Kapazität eines Kondensators in F zu bemessen, damit man diesen Aufwärmvorgang durch das Verfolgen der Spannung über dem Kondensator (1 V ≡ 1 °C) bei seiner Aufladung nachbilden kann?

Gegeben: Münze: Stoffdaten:

mAu = 0,00389 kg t(90 s) = 20 °C ρ = 19.260 kg/m3

r = 0,00875 m tU = 24 °C c = 129 J/(kg K)

t(τ = 0 s) = t0 = 0 °C t(τ = 390 s) = 20 °C λ = 316 W/(m K) (entnommen Tabelle 7.6-2)

Vorüberlegungen: Wir fassen die Münze vereinfachend (unabhängig vom geriffelten Rand und der Prägung) als Zylinder auf und bestimmen aus der gegebenen Masse über m = ρ·V das Volumen und damit aus V = π·r2·h die Zylinderhöhe und Zylinderoberfläche A. V= h=

m

ρ

=

3,89 ⋅10 −3 kg = 0,201973 ⋅10 −6 m 3 ≈ 0,2 cm 3 19.260 kg/m 3

V 0,201973 ⋅10 −6 m 3 = = 0,0839706 ⋅10 −2 m ≈ 0,84 mm π ⋅ r 2 π ⋅ (0,875 ⋅10 −2 m) 2

A = 2π (r 2 + r ⋅ h) = 2π (0,008752 m 2 + 0,00875 m ⋅ 0,000839706 m) = 5, 2722 ⋅ 10−4 m 2

Voraussetzung zur Berechnung eines mittleren Wärmeübergangskoeffizienten α nach dem Modell Blockkapazität sind Biot-Zahlen nach (2-10d) < 0,15. Die dabei zu verwendende charakteristische Länge ist der Zylinderradius (hier: r = 0,00875 m). Bei der freien Konvektion treten Wärmeübergangskoeffizienten von 3 bis 30 W/(m2 K) auf. Unabhängig von der Lage im Raum lassen die kleinen Abmessungen der Münze sehr niedrige Wärmeübergangskoeffizienten erwarten, mit denen die Forderung Bi < 0,15 bequem einzuhalten ist.

Abb. 2-27: Elektrischer Schaltkreis zur Nutzung der Analogie Blockkapazität.

Zur Nutzung der Analogie zwischen Temperaturausgleich durch Aufwärmung und Aufladung eines Kondensators betrachten wir einen aus elektrischen Widerstand und Kondensator be-

116

2 Wärmeleitung in Feststoffen

stehenden elektrischen Schaltkreis nach Abbildung 2-23. Bei Schließen des Schalters zum Zeitpunkt τ = 0 fließt solange elektrischer Strom, bis der Kondensator vollständig aufgeladen und dort die Spannung UC = U0 erreicht ist. Sowohl Strom als auch Spannung können messtechnisch bequem erfasst werden. Aus der Maschengleichung folgt unter Verwendung der in Kapitel 2.5.2 erwähnten analogen Größen: U 0 = Rel ⋅ q +

1 q C

U 0 = Rel ⋅ C ⋅

dU C +UC dτ

− ln(U 0 − U C ) =

und mit q = C ⋅ U C sowie mit der Zeitkonstante ϑ = Rel ⋅ C →

τ +K ϑ

U0 −UC = ϑ ⋅

→ U0 −UC = K ⋅ e

dU C dτ





U

dU C = 0 −UC



ϑ

τ ϑ

Bestimmung der frei wählbaren Konstanten K aus Anfangsbedingung U C (τ = 0) = 0 U 0 − 0 = K ⋅ e0 → K = U 0

U C (τ ) = U 0 − U 0 ⋅ e



τ ϑ

= U 0 (1 − e



τ ϑ

)

Für den zeitlichen Verlauf des bei der Aufladung des Kondensators fließenden Stroms für Gleichspannung ergibt sich aus U (τ ) = U R + U C und mit U R = Rel ⋅ I sowie U C = U (τ ) = Rel ⋅ I +

I ⋅τ C



dU (τ ) dI I = Rel ⋅ + dτ dτ C

dU (τ ) = 0 und somit 0 = Rel dτ der Veränderlichen führt unter Verwendung der Zeitkonstanten ϑ = Rel ⋅ C

Wegen der anliegenden Gleichspannung ist

dI dτ dτ =− =− I Rel ⋅ C ϑ



q I ⋅τ = C C

ln I = −

τ +K ϑ

→ I = K ⋅e





dI I + . Trennung dτ C

auf

τ ϑ

Die frei wählbare Konstante K in der allgemeinen Lösung der Differentialgleichung wird aus der Anfangsbedingung I (τ = 0) = I 0 = I 0 = K ⋅ e −0

U0 bestimmt. Rel

K = I0

Die gesuchte spezielle Lösung der Differentialgleichung für den zeitlichen Verlauf des Stromes für die Aufladung eines Kondensators bei anliegender Gleichspannung lautet demnach I (τ ) = I 0 ⋅ e



τ ϑ

τ

=

U0 − ϑ ⋅e Rel

Die mathematischen Gleichungen, die die Sprungantwort einer Blockkapazität und das zeitliche Verhalten von Strom und Kondensatorspannung beschreiben, sind gleich strukturiert. Auch die jeweils definierten Zeitkonstanten besitzen eine einheitliche Temperatur. Bei der Blockkapazität ergibt sich die Zeitkonstante ϑ aus dem Produkt des Wärmeübergangswiderstandes Rα = 1 /(α ⋅ A) und der Wärmekapazität C = m ⋅ c = ρ ⋅V ⋅ C , für die Kondensatoraufladung aus elektrischem Widerstand Rel und der elektrischen Kapazität des Kondensators C.

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

117

Lösung: a) Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten α aus der Zeitkonstanten ϑ

Aus Gleichung (2-54) folgt für tU > t0 und mit t0 = 0 °C tU − t (τ ) = (tU − t 0 ) ⋅ e



τ ϑ

→ t (τ ) = tu − tU ⋅ e



τ ϑ

τ



− t (τ ) = 1− e ϑ tU

Mit t(τ = 390 s) = 20 °C folgt für die Zeitkonstante ϑ − 20 °C = 1− e 24 °C

390 s

ϑ



− 5 = 1− e 6

390 s

ϑ

→ ϑ=−

τ 1 ln 6

=−

390 s = 217,66314 s − 1,7917595

Unter Nutzung von (2-56) ergibt sich nun für den Wärmeübergangskoeffizienten α=

W ρ ⋅ V ⋅ c m ⋅ c 3,89 ⋅10 −3 kg ⋅129 Ws/(kg K) = = ≈ 4,37 2 -4 2 ϑ⋅A ϑ ⋅ A 217,66314 s ⋅ 5,2722 ⋅ 10 m m K

Die Voraussetzungen für die Anwendung des Modells Blockkapazität sind gegeben, weil: Bi =

α ⋅ r 4,37 W/(m 2 K) ⋅ 0,00875 m = = 0,000121 < 0,15 316 W/(m K) λ

b) aufgenommene Wärme nach einer Minute (τ = 60 s) 1. Schritt: Ermittlung der Münztemperatur nach einer Minute t (τ ) = t u ⋅ (1 − e



τ ϑ

) = 24 °C ⋅ (1 − e



60 s 217,66314 s

) ≈ 5,78 °C

2. Schritt: Grundgleichung der Kalorik Q12 = m ⋅ c ⋅ (t (60 s) − t 0 ) = 3,89 ⋅ 10 −3 kg ⋅129 J/(kg K) ⋅ (5,78 °C − 0 °C) ≈ 2,9 J

c) Ansatz für Zeit zum Temperaturausgleich τ = 5 ⋅ ϑ τ = 5 ⋅ 217,66314 s ≈ 1088,3 s

Nach etwas mehr als 18 Minuten beträgt die verbleibende Temperaturdifferenz MünzeUmgebung ~ 0,16 K. d) Analogie Aufwärmung/Aufladung elektrischer Kondensator

Abb. 2-28: Verlauf von Spannung U und Strom I über der Zeit τ bei Aufladung eines Kondensators.

118

2 Wärmeleitung in Feststoffen

Für eine äquivalente Zeitkonstante ϑ = Rel ⋅ C zur Aufladung des Kondensators ist zu wählen:

{C} ≡ {m ⋅ c} = 3,89 ⋅10 −3 ⋅129 = 501,81⋅10 −3 und {Rel } = 

1  =

α ⋅ A 

1 = 434,03693 4,37 ⋅ 5,2722 ⋅10 −4

Mit den aus der Elektrotechnik bekannten Maßeinheiten für den elektrischen Widerstand V As und für die elektrische Kapazität 1 F = 1 können wir die Zeitkonstante angeben A V mit ϑ = 434,03693 Ω ⋅ 501,81 mF = 217,8 s . Bei 24 V Ausgangsspannung wird nach 6,5 Minuten 1Ω =1



390 s

die Spannung U c (390 s) = 24 V ⋅ (1 − e 50,227114 s ) ≈ 20 V erreicht. Dieser Wert entspricht den 20 °C, die für den Aufwärmvorgang nach Aufgabenstellung gegeben sind. Das in Abbildung 2-24 skizzierte Verhalten von Spannung und Strom beim Laden und Entladen eines Kondensators entspricht den Ausführungen des Kapitels 2.5.4 zur Aufheizung und Abkühlung einer Blockkapazität. Werden die entsprechenden Parameter maßstäblich eingestellt, kann anstelle der Aufheizung der Goldmünze die Spannung im Schaltkreis nach Abbildung 2-23 gemessen werden.

Aufgabe 2.6-9: Blockkapazität zur Bestimmung des Thermometerfehlers In einem Behälter werden 1,5 kg Wasser mit einer elektrischen Beheizung so erwärmt, dass die Wassertemperatur pro Minute um 15 K zunimmt. Wegen der Dünnwandigkeit des Behälters soll seine Temperatur gleichfalls immer um 15 K pro Minute zunehmen. Im Übrigen kann man aber die behältereigene Wärmekapazität vernachlässigen. In der elektrischen Heizung treten 2,5 % Verluste auf. Außerdem gehen über die Behälterwände noch einmal 16,5 % der an das Wasser abgegebenen Wärme als Verlust an die Umgebung verloren. Die spezifische Wärmekapazität für Wasser ist als konstanter Wert mit 4,19 kJ/(kg K) anzusetzen. Die Wassertemperatur wird während des Aufheizvorganges stetig mit einem Quecksilberthermometer gemessen. Das Ausdehnungsgefäß für das Quecksilber besitze eine kugelförmige Gestalt mit einem Durchmesser von 0,6 cm. Der Einfluss des Thermometerglases auf den Thermometerfehler darf vernachlässigt werden. Für das Quecksilber seien die Dichte mit 13,595 g/cm3 und die spezifische Wärmekapazität mit 0,1393 kJ/(kg K) gegeben. Der Wärmeübergangskoeffizient WasserThermometerperle wurde zuvor mit 200 W/(m2 K) bestimmt. a) Welche Leistung in kW muss die elektrische Heizung besitzen, um das Wasser unter den oben angegebenen Bedingungen mit der genannten Aufheizgeschwindigkeit zu erwärmen? b) Schätzen Sie rechnerisch den Thermometerfehler erster Art in Kelvin als systematischen Fehler bei der Temperaturmessung ab! c) Ermitteln Sie die Zeitverzögerung für das Anzeigen der tatsächlichen Wassertemperatur in Sekunden!

Gegeben: Wasser: Quecksilber: Thermometer:

mW = 1,5 kg ρHg = 13.595 kg/m3 d = 0,006 m

cW = 4,19 kJ/(kg K) cHg = 0,1393 kJ/(kg K) α = 200 W/(m2 K)

β = 0,25 K/s

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung

119

Vorüberlegungen: a) Aufheizgeschwindigkeit β → Leistung in kW aus Energiebilanz mit 2,5 % Verlust in elektrischer Heizung und 16,5 % Wärmeverlust des Behälters an die Umgebung β=

15 K K = 0,25 60 s s

0,975 ⋅ Pel = 1,165 ⋅ m ⋅ cW ⋅ β

( Q V = 0,165 ⋅ m ⋅ cW ⋅ β )

kJ K ⋅ 0,25 kg K s ≈ 1,88 kW 0,975

1,165 ⋅ 1,5 kg ⋅ 4,19 Pel =

b) Thermometerfehler erster Art nach Formel (2-64) 1 ⋅π ⋅ d3 V d Kugel: = 6 = A 6 π ⋅d2 Δt = β ⋅

ρ ⋅V ⋅ c d ρ ⋅c K 0,006 m 13595 kg/m 3 ⋅ 139,3 J/(kg K) =β⋅ ⋅ = 0,25 ⋅ ⋅ = 2,367 K α⋅A 6 α s 6 200 W/(m 2 K)

c) Zeitverzögerung für das Anzeigen der tatsächlichen Temperatur nach Formel (2-65) Δτ =

ρ ⋅ V ⋅ c ρ ⋅ d ⋅ c 13595 kg/m3 ⋅ 0,006 m ⋅ 139,3 J/(kg K) = = = 9,47 s α⋅A α ⋅6 200 W(m 2 K) ⋅ 6

Aufgabe 2.6-10: Abschmelzen einer Eismasse Ein Eiswürfel und eine Eiskugel mit einer Masse von jeweils 4 g Eis und einheitlicher Blocktemperatur von 0 °C werden in eine Umgebung aus Luft mit der konstanten Temperatur von 10 °C gebracht. Der Wärmeübergangskoeffizient Eis/Luft betrage 12 W/(m2 K), die Dichte des Eises 918 kg/m3 und seine Schmelzenthalpie 333,5 kJ/kg. a) Nach wie vielen Stunden ist der Eiswürfel vollständig geschmolzen, wenn er beim Schmelzen stets die Gestalt eines Würfels behält? b) Nach wie vielen Stunden ist die Eiskugel vollständig geschmolzen, wenn sie beim Schmelzen stets die Gestalt einer Kugel behält? c) Nach wie vielen Stunden ist die Hälfte der Eismasse bei der Eiskugel geschmolzen, wenn sie beim Schmelzen stets Kugelgestalt behält?

Gegeben: Eis (Blockkapazität): Randbedingung:

ρE = 918 kg/m3 tU = 10 °C

mE = 4·10–3 kg σE = 333,5 kJ/kg α = 12 W/(m2 K)

t0 = 0 °C

Vorüberlegungen: Die Differentialgleichung der Blockkapazität (2-50) muss für die Lösung dieser Aufgabe modifiziert werden, denn Δt = tU – t0 = 10 °C – 0 °C = 10 K als die treibende Temperaturdif-

120

2 Wärmeleitung in Feststoffen

ferenz bleibt hier wegen der konstanten Schmelztemperatur ts = t0 als einheitliche Blocktemperatur über die Zeit konstant. Aber mit dem Abschmelzvorgang verringert sich die Eismasse, was gleichzeitig mit der Verringerung des Eisvolumens und der Eisoberfläche verbunden ist. Bildet die Eismasse das thermodynamische System, wird aus der Umgebung ein Wärmestrom aufgenommen, so dass die gegebene Randbedingung 3. Art zu formulieren ist als Q (τ ) = +α ⋅ A(τ ) ⋅ Δt . Mit zunehmender Schmelzzeit vermindert sich das Eisvolumen, weswegen aus Q(τ ) = m(τ ) ⋅ σ E = ρ E ⋅ V (τ ) ⋅ σ E die zeitliche Änderung der für das Schmelzen erforderlichen Wärme sich errechnet aus: ρ ⋅ V (τ ) ⋅ σ E dQ =− E dτ dτ

Behält die Eismasse während des Schmelzvorganges ihre grundsätzliche Gestalt bei, ist das Volumen V als Funktion der Oberfläche A darstellbar als V = F ⋅ 3 A3 , wobei F eine allein von der speziellen Gestalt des Körpers abhängige Konstante darstellt. Würfel: V = a 3 4 3

Kugel: V = πr 3

A = 6a 2

a=

A 6

V=

A = 4πr 2

r=

A 4π

V=

A3 = 63 1 6⋅ π

1 216

⋅ A3

⋅ A3

FW ≈ 0,0680414 FK ≈ 0,0940316

In einer differentiell kleinen Zeit können wir beim Schmelzen Volumen und Oberfläche als konstante Größen auffassen. 3 dV (τ ) F ⋅ A (τ ) 3 dA = = ⋅ F ⋅ A(τ ) ⋅ dτ dτ 2 dτ

(innere und äußere Ableitung!)

Lösung: Aus den Vorüberlegungen kann abgeleitet werden: −

ρ E ⋅ V (τ ) ⋅ σ E = α ⋅ A(τ ) ⋅ Δt dτ

→ −

ρ E ⋅1,5 ⋅ F ⋅ A ⋅ dA ⋅ σ E = α ⋅ A(τ ) ⋅ Δt dτ

Wenn zur Zeit τ = 0 die Oberfläche als A0 und bei der Zeit für das vollständige Schmelzen τ = τS die Oberfläche A verschwunden ist (A = 0) kann obige Differentialgleichung bestimmt integriert werden. A= 0



A(τ ) −1/ 2 dA = −

A= A0

A= A0



A(τ ) −1 / 2 dA = +C ⋅

A= 0

τS

τS

α ⋅ Δt ⋅ dτ = −C ⋅ dτ ρ E ⋅ σ E ⋅1,5 ⋅ F τ τ



=0



=0

mit C =

α ⋅ Δt ρ E ⋅ σ E ⋅1,5 ⋅ F

τS

 dτ

τ =0

→ 2 ⋅ ( A0 − 0) = C ⋅τ S

→ τ S = 2⋅

A0 C

a) Zeit für das Schmelzen des Eiswürfels Für einen Eiswürfel (Index „W“) der Masse mE mit Oberfläche A0 zu Beginn des Schmelzvorgangs erhalten wir als Zeit für das vollständige Schmelzen:

2.6 Verstehen durch Üben: Instationäre Wärmeleitung  mE A0,W =   ρ E ⋅ FW

CW =

   

2/3

  4 ⋅10 −3 kg  =  3  918 kg/m 0 , 0680414 ⋅  

121

2/3

≈ 0,0016 m 2 = 16 cm 2

α ⋅ Δt 12 W/(m² K) ⋅10 K m = = 3,840415 ⋅10 −6 ρ E ⋅ σ E ⋅1,5 ⋅ FW 918 kg/m³ ⋅ 333.500 J/kg ⋅1,5 ⋅ 0,0680414 s

τS = 2⋅

0,0016 m² 3,840415 ⋅10 -6 m/s

≈ 20.831,08s ≈ 5,79 h

b) Zeit für das Schmelzen der Eiskugel Für eine Eiskugel (Index „K“) der Masse mE mit Oberfläche A0 zu Beginn des Schmelzvorgangs erhalten wir als Zeit für das vollständige Schmelzen: A0, K

 mE =   ρ E ⋅ FK

CK =

   

2/3

  4 ⋅10 −3 kg  =  3   918 kg/m ⋅ 0,0940316 

2/3

≈ 0,00129 m 2 = 12,9 cm 2

α ⋅ Δt 12 W/(m² K) ⋅ 10 K m = = 2,77893 ⋅ 10 −6 ρ E ⋅ σ E ⋅1,5 ⋅ FK 918 kg/m³ ⋅ 333.500 J/kg ⋅1,5 ⋅ 0,0940316 s

τ S = 2⋅

0,00129 m² 2,77893 ⋅10 -6 m/s

≈ 25.849,21 s ≈ 7,18 h

c) Zeit für das Abschmelzen der Eiskugel auf halbe Masse Die zu einer Eiskugel mit einer Masse von 2 g gehörige Kugeloberfläche beträgt  m /2 A1/ 2, K =  E  ρ E ⋅ FK

τ S = 2⋅

   

2/3

  2 ⋅10 −3 kg  =  3   918 kg/m ⋅ 0,0940316 

0,00129 m² − 0,000812722 m² 2,77893 ⋅10 -6 m/s

2/3

≈ 0,000812722 m 2

≈ 5.331,74 s ≈ 1,48 h

Wegen der kleineren Oberfläche der Kugel wird in einer fixen Zeiteinheit weniger Wärme als beim Würfel aufgenommen, so dass die Kugel deutlich langsamer schmilzt. Interessant ist auch, dass die Aufschmelzzeit nicht linear verläuft, die Anwendung eines Dreisatzes für ein anteiliges Aufschmelzen ist hier also nicht möglich.

3

Wärmeübergang durch Konvektion

3.1

Physik des konvektiven Wärmeübergangs

Beim konvektiven Wärmeübergang betrachtet man den Energietransport von einer festen Wand an ein bewegtes Fluid (oder umgekehrt). Dabei überlagern sich zwei Energieströme zu einem resultierenden Wärmestrom. Parallel zur festen Wand wird in der Strömung mit den Fluidmasseteilchen Enthalpie transportiert und in Wandnormalenrichtung findet infolge eines Temperaturunterschiedes zwischen Fluid- und Wandtemperatur ein Energietransport durch Wärmeleitung statt. Für alle Fluide (Gase, Dämpfe sowie Flüssigkeiten) gelten hinsichtlich des Wärmeüberganges jeweils gleiche Gesetzmäßigkeiten. Je nach Strömungsursache unterscheidet man aber zwei verschiedene Arten der Konvektion: 1. freie Konvektion (Strömung wird nur durch Auftriebskräfte hervorgerufen) z. B. Raumheizkörper, Thermik 2. erzwungene Konvektion (Strömung wird durch Pumpen oder Gebläse mit einer erzeugten Druckdifferenz erzwungen) Auf Isaac Newton geht ein Ansatz zurück, der zum Ausdruck bringt, dass der konvektiv übertragene Wärmestrom von der Temperaturdifferenz zwischen Fluidtemperatur t∞ und Wandtemperatur tW sowie der wärmeübertragenden Fläche A abhängt. Q = α ⋅ A ⋅ (t ∞ − tW ) oder q = α ⋅ (t ∞ − tW )

Abb. 3-1:

(3-1a)

Konvektiver Wärmeübergang und Ausbildung einer ausgebildeten thermischen Grenzschicht.

Abbildung 3-1 zeigt eine der sich zwischen fester Wand und frei strömenden Fluid ausbildenden Grenzschichten. Tatsächlich überlagern sich hier immer zwei Grenzschichten, eine Strömungsgrenzschicht mit einem Geschwindigkeitsprofil von c = 0 an der Wand bis zur Strömungsgeschwindigkeit der ungestörten Außenströmung und eine TemperaturgrenzDOI 10.1515/9783110411294-004

3.1 Physik des konvektiven Wärmeübergangs

123

schicht, in der sich ein Temperaturverlauf im Fluid von der Wandtemperatur tW auf die Temperatur in der Außenströmung t∞ einstellt. Der im Ansatz (3-1) als Proportionalitätsfaktor eingeführte Wärmeübergangskoeffizient α stellt eine kompliziert verkettete Funktion zahlreicher Parameter dar. Hier fließen zum Beispiel die Strömungsgeschwindigkeit des Fluids, der Strömungszustand (laminar oder turbulent), die temperaturabhängigen Stoffeigenschaften des Fluids wie Dichte, Wärmeleitfähigkeit, dynamische Viskosität und spezifische Wärmekapazität, die Geometrie (Form und Lage der wärmeübertragenden Fläche) und schließlich sogar die Richtung des Wärmestroms ein. Die temperaturabhängigen thermophysikalischen Eigenschaften des Fluids in der Temperaturgrenzschicht bezieht man allgemein auf eine konstante, als mittlere Grenzschichttemperatur aufgefasste Bezugstemperatur tB, die oft aus dem arithmetischen Mittel von der Wandtemperatur tW und der Temperatur des Fluids außerhalb der Temperaturgrenzschicht t∞ ermittelt wird. tB =

tW + t ∞ 2

(3-2)

Den Ansatz (3-1a) können wir in Analogie zu (2-14) auch in die Form bringen t −t Q = ∞ W Rα

[α ] = 1

mit dem Wärmeübergangswiderstand Rα =

W m2 K

1

α⋅A

(3-3)

[Rα ] = 1 K

W

Die Temperaturen tW und t∞ haben entlang des Strömungsweges lokal fast immer verschiedene Werte, sind also nicht konstant, sondern hängen vom Ort ab. So unterscheiden sich Fluidtemperaturen als auch Wandtemperaturen am Ein- und Austritt eines Wärmeübertragers erheblich und damit wegen der temperaturabhängigen Stoffwerte auch der örtliche Wärmeübergangskoeffizient. Bei der Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten α für die Berechnung der Wärmeströme gemäß (3-1a) wird jedoch zumeist über den Strömungsweg integral gemittelt. l

α =

1 α ( x)dx l



(3-4)

0

Für die unterschiedlichen Temperaturen des Fluids entlang des Strömungsweges setzt man dabei oft die aus dem arithmetischen Mittel von Eintritts- und Austrittstemperatur gebildete mittlere Fluidtemperatur als konstante Temperatur an. t∞ =

tE + t A 2

(3-5)

Auch für die Wandtemperatur über dem Strömungsweg verwendet man in (3-1a) einen geeignet gewählten konstanten Temperaturwert. Für durchströmte Rohre wird der mittlere Wärmeübergangskoeffizient α abweichend von (3-1a) mit einer konstanten mittleren logarithmischen Temperaturdifferenz Δtm definiert. q = α ⋅ Δt m

mit Δt m =

(tW − t E ) − (tW − t A ) t −t ln W E tW − t A

(3-1b)

124

3 Wärmeübergang durch Konvektion

Reibungseffekte bewirken, dass das strömende Fluid unmittelbar an der festen Wand haftet (Prandtlʼsche Haftbedingung, Strömungsgeschwindigkeit c = 0). Könnte man die Behandlung des Problems allein auf diese Stelle reduzieren, wäre für den Wärmeübergang ausschließlich die Wärmeleitung im Fluid heranzuziehen, der Enthalpietransport in der Strömung hätte keine Bedeutung. Tatsächlich ist aber schon in geringsten Abständen von der Wand die Fluidgeschwindigkeit von null verschieden, so dass sich innerhalb einer Grenzschicht ein Temperaturprofil einstellt. Der Gradient der Temperaturverteilung in der Grenzschicht bestimmt die Intensität des konvektiven Wärmeübergangs. Da mit zunehmender Grenzschichtdicke der Temperaturgradient kleinere Werte annimmt, wird man in erster Näherung feststellen können, dass der Wärmeübergangskoeffizient umgekehrt proportional zur Grenzschichtdicke ist (α ~ 1/δth). Leider hilft diese Aussage praktisch nicht viel weiter, da im konkreten Fall die Grenzschichtdicke δth nicht bekannt ist. Wegen der Vielfalt von Einflussfaktoren auf die Intensität des Wärmeübergangs ist eine rein analytische Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten α in nur sehr seltenen Fällen möglich, zum Beispiel für die ausgebildete laminare Rohrströmung. Die rechnerische Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten erfordert die Kenntnis der Temperaturverteilung im strömenden Fluid, die wiederum erst dann bestimmbar ist, wenn man die Geschwindigkeitsverteilung im Fluidstrom kennt. Im Allgemeinen muss deshalb der Wärmeübergangskoeffizient α als ein summarischer Wert für alle konkreten Bedingungen experimentell ermittelt werden. Die Vielzahl der dazu erforderlichen Versuche kann man – wie von Nußelt19 vorgeschlagenen – durch Anwendung der Ähnlichkeitstheorie einschränken. Dafür fasst man jeweils mehrere Einflussgrößen zu dimensionslosen Kennzahlen zusammen (Erhöhung der Übersichtlichkeit durch Verringerung der Anzahl der Parameter) und leitet aus einem Experiment Gleichungen mit diesen dimensionslosen Kennzahlen ab. Von Vorteil ist dabei, dass die einzelnen Stoffgrößen nicht unabhängig voneinander den Wärmeübergangskoeffizienten bestimmen, sondern nur in bestimmten Kombinationen. Die gleiche Größe bestimmter dimensionsloser Kennzahlen lässt bei Vorliegen gleicher Maßstabsfaktoren für physikalische Größen sowie für geometrische Abmessungen zwischen Modell und dem real untersuchten Gegenstand (physikalische und geometrische Ähnlichkeit) auf gleiche Verhältnisse beim Wärmeübergang schließen. Damit ist es möglich, die auf experimentellen Ergebnissen beruhenden Wärmeübergangskorrelationen aus einem konkret untersuchten Modell auf ähnliche Geometrien anderer Größenordnung und/oder auf bestimmte andere Versuchsparameter zu übertragen. Die dimensionslosen Kennzahlen ergeben sich aus der Entdimensionierung der dem betreffenden Vorgang zu Grunde liegenden Differentialgleichungen. Alternativ kann man für die Gewinnung der dimensionslosen Kennzahlen auch das Π-Theorem von Buckingham anwenden. Am einfachsten nachzuvollziehen ist die Gewinnung von dimensionslosen Kennzahlen aus der Dimensionsanalyse. Diese Methode führt allerdings nur dann zum Ziel, wenn alle für den Vorgang relevanten Parameter a priori bekannt sind. Auf das Prinzip gehen wir mit einer Beispielaufgabe in Kapitel 3.4 ein.

19

Ernst Kraft Wilhelm Nußelt (1882–1957), deutscher Ingenieur, bahnbrechende Veröffentlichungen zur Wärmeübertragung, u. a. zur Begründung der Ähnlichkeitstheorie beim Wärmeübergang (1915).

3.1 Physik des konvektiven Wärmeübergangs Tab. 3-1:

125

Größenordnungen für Wärmeübergangskoeffizienten bei reiner Konvektion. Luft

α = 3 .… 30 W/(m2K)

Wasser

α = 100 … 700 W/(m2K)

erzwungene

Luft

α = 25 ….. 350 W/(m2K)

Konvektion

Wasser

α = 500 … 10.000 W/(m2K)

zähe Flüssigkeiten

α = 60 …. 600 W/(m2K)

freie Konvektion

α = 1.500 … 20.000 W/(m2K)

siedendes Wasser kondensierender Dampf

Tropfenkondensation

α = 35.000 … 40.000 W/(m2K)

Filmkondensation

α = 3.500 … 12.000 W/(m2K)

In Kapitel 3.2 werden die für den konvektiven Wärmeübergang wichtigen dimensionslosen Kennzahlen vorgestellt, ohne dass wir näher auf ihre mathematische Herleitung eingehen, um anschließend in Kapitel 3.3 die Handhabung dieser dimensionslosen Kennzahlen bei der Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten α zu skizzieren. Der sichere Umgang damit erfordert neben größter Sorgfalt viel Erfahrung, die der Studierende naturgemäß in und unmittelbar nach der Ausbildung noch nicht mitbringt. Deshalb sollte der Anfänger immer mit den in Tabelle 3-1 genannten Größenordnungen für Wärmeübergangskoeffizienten die Ergebnisse umfangreicher Rechnungen überschlägig auf Plausibilität prüfen. Wegen der großen Bedeutung für die Intensität des konvektiven Wärmeübergangs führt Tabelle 3-2 zudem typische mittlere Strömungsgeschwindigkeiten in Leitungen auf. Tab. 3-2:

Richtwerte für mittlere Geschwindigkeiten von Fluiden bei stationärer Rohrströmung.

Fluid und Besonderheiten der Leitungen

c in m/s

Wasser: längere Leitungen Trinkwasserleitungen Saugleitungen von Pumpen (Kavitation!) Druckleitungen von Pumpen Zuleitungen für Turbinen

0,7 bis 2,5 1,0 bis 2,0 0,5 bis 2,0 1,5 bis 4,0 2,0 bis 8,5

Wasserdampf: trocken gesättigter Dampf überhitzter Dampf (Niederdruck < 10 bar) überhitzter Dampf (Mitteldruck < 40 bar) überhitzter Dampf (Hochdruck < 120 bar)

15 bis 30 15 bis 20 20 bis 35 30 bis 60

Luft: Normzustand und niedrige Drücke Pressluft

10 bis 40 5 bis 10

In vielen technischen Anwendungen tritt der Wärmeübergang durch Konvektion in Kombination mit der Wärmestrahlung auf. Der durch Strahlung übertragene Wärmestrom wird dann oft so behandelt als rühre er auch von einer Konvektion her. Dadurch sind für bestimmte technische Konstellationen mitunter deutlich höhere Erfahrungswerte zu Wärmeübergangskoeffizienten ausgewiesen als eigentlich durch reinen Wärmeübergang infolge Konvektion

126

3 Wärmeübergang durch Konvektion

erreichbar. Im Zweifel hilft immer eine überschlägige Nachrechnung, um zu erkennen, welche zusätzlichen Effekte in den Erfahrungswert eingeflossen sein könnten. Für die Wände geschlossener Räume mit natürlicher Luftbewegung setzt man allgemein für den Wärmeübergangskoeffizienten α = 8 W/(m2 K) an. Der Wärmeübergangskoeffizient an Fußböden und Decken kann bei einem Wärmestrom von unten nach oben (also zum Beispiel Fußbodenheizung) mit α = 8 W/(m2 K) angenommen werden, ist hingegen der Wärmestrom von oben nach unten gerichtet (kalter Fußboden) kann α = 6 W/(m2 K) abgeschätzt werden. An den Außenseiten von Wänden bei mittlerer Windgeschwindigkeit von 2 m/s herrschen meist Bedingungen, die einem Wärmeübergangskoeffizienten von α = 23 W/(m2 K) entsprechen. Im Allgemeinen gilt: • Bei Gasen ist der Wärmeübergang deutlich schlechter als bei Flüssigkeiten. Die höchsten Wärmeübergangskoeffizienten werden bei Verdampfung oder Kondensation erreicht. • Je größer die Fluidgeschwindigkeit c, desto größer der Wärmeübergangskoeffizient α. • Bei nicht abreißender turbulenter Strömung ist der Wärmeübergang immer besser als bei laminarer, allerdings sind bei turbulenter Strömung dann die Druckverluste höher. Ein interessantes Phänomen des konvektiven Wärmeübergangs sind die sogenannten „gefühlten Temperaturen“. In heißen Sommern stellt man in Büros manchmal Tischventilatoren zur „Kühlung“ auf. Wird man von dem erzeugten Luftstrom getroffen, verbessert sich der Wärmeübergang von unserer Haut an die Umgebung durch erhöhte Konvektion (sowie zusätzlich durch erhöhte Verdunstung) und wir empfinden dies als Kühlung. Eine Temperaturmessung im „kühlen“ Luftstrom würde allerdings zeigen, dass seine Temperatur nicht unterhalb der Raumtemperatur liegt, sondern sogar ganz leicht darüber, denn die Energie, mit der der Luftstrom bewegt wird, dissipiert durch Reibung in Wärme. In Wetterberichten wird manchmal neben den gemessenen Lufttemperaturen tL auch die gefühlte Temperatur tf erwähnt. Gemeint ist damit eine fiktive Temperatur, die bei Windstille (c = 0) auf denselben Wärmeübergang zwischen menschlichen Körper und Umgebung führen würde, wie er tatsächlich bei den vorhandenen Windgeschwindigkeiten (c > 0) auftritt. Unter Annahme einer einheitlichen konstanten Körperoberflächentemperatur von tK = 33 °C führt die obige Definition einer gefühlten Temperatur auf α c = 0 (t K − t f ) = α c L (t K − t L ) mit: αc = 0 = Wärmeübergangskoeffizient bei Windstille α cL = Wärmeübergangskoeffizient bei Wind mit der Geschwindigkeit cL

Die Korrelation des Wärmeübergangs zu einem zweckmäßig gewählten Modell (senkrecht stehender Zylinder, quer angeströmt) liefert für den Wärmeübergangskoeffizienten α eine Nußeltbeziehung Nu, die die gefühlte Temperatur tf als Variable enthält: Nu c = 0 (t K − t f ) = Nu c L (t K − t L )

 t f = tK −

Nu c L Nu c = 0

(t K − t L )

3.2 Dimensionslose Kennzahlen für den konvektiven Wärmeübergang

127

In der Literatur werden für Windgeschwindigkeiten unterhalb von 25 m/s Näherungsformeln angegeben, die in etwa auf folgende Anhaltswerte für die gefühlte Temperatur führen: Tab. 3-3:

Gefühlte Temperaturen bei Windbewegung. tL = +4 °C 0,8 °C - 4,2 °C - 8,4 °C - 9,1 °C

cL = 4 m/s cL = 8 m/s cL = 16 m/s cL = 20 m/s

3.2

tL = –4 °C

tL = –12 °C

- 8,1 °C - 14,5 °C - 19,8 °C - 20,7 °C

- 17,0 °C - 24,7 °C - 31,2 °C - 32,3 °C

tL = –20 °C - 25,9 °C - 35,0 °C - 42,6 °C - 43,9 °C

Dimensionslose Kennzahlen für den konvektiven Wärmeübergang

Neben der Verringerung der Zahl der notwendigen Experimente für eine allgemeine Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten erleichtert die Verwendung dimensionsloser Kennzahlen auch Auswertung und Darstellung der gefundenen Lösungen. Daher ist es sinnvoll, zunächst die für die Berechnung des konvektiven Wärmeübergangs wichtigsten Kennzahlen einzuführen. Für ihre nähere Bezeichnung hat man auf die Namen von Forschern zurückgegriffen, die mit ihren wissenschaftlichen Beiträgen geholfen haben, das Fachgebiet Wärmeübertragung zu entwickeln. Nußelt-Zahl Die Nußelt-Zahl gibt als dimensionsloser Wärmeübergangskoeffizient an, in welchem Verhältnis der konvektive Wärmeübergang zur reinen Wärmeleitung im Fluid steht. Nu =

α ⋅l* λ

(3-6)

α Wärmeübergangskoeffizient λ Wärmeleitfähigkeit l* charakteristische Länge Tab. 3-4:

[α] = 1 W(m2 K) [λ] = 1 W(m K) [l*] = 1 m

Häufig gewählte charakteristische Längen in Nußelt-Korrelationen.

Geometrische Form

charakteristische Länge l* =

waagerechte Platten senkrechte Wände und Zylinder durchströmte Rohre

waagerechte Platten lmin Höhe h Innendurchmesser di Anströmlänge π·r Kugeldurchmesser d Spaltbreite δ

umströmte, horizontale Rohre20 Kugeln kleine Spalte

20

Bei nicht kreisrunden Strömungskanälen verwendet man in Anlehnung an den hydraulischen Durchmesser aus der Strömungstechnik einen gleichwertigen Durchmesser dgl = 4·A/U, wobei A die durchströmte Querschnittsfläche und U der wärmetauschende Umfang ist.

128

3 Wärmeübergang durch Konvektion

Für die Wärmeleitung in der thermischen Grenzschicht des Fluids gilt: t ∞ = Temperatur des Fluids außerhalb der Grenzschicht (hinreichλ q = (tW − t ∞ ) δ th ender Abstand zur Wand) Mit dem Ansatz (3-1) für den konvektiven Wärmeübergang folgt daraus für die Nußelt-Zahl: α (tW − t ∞ ) =

λ λ (t − t ) → α = δ th W ∞ δ th

Nu =

α ⋅l* l* = λ δ th

Die Nußelt-Zahl setzt also die charakteristische Länge l* einer um- beziehungsweise durchströmten Geometrie in Relation zur Stärke der Grenzschicht δth. dt − λ ⋅ dt / dy für die Nußelt-Zahl geGleichzeitig kann aus q = − λ = α (tW − t∞ ) oder α = dy tW − t∞ −dt / dx * ⋅ l und man erkennt, dass die Nußelt-Zahl angibt, um schlussfolgert werden Nu = tW − t∞ wie viel mal das sich mit dem konvektiven Wärmeübergang ausbildende Temperaturprofil steiler ist als das der reinen Wärmeleitung im Fluid. Die Biot-Zahl nach (2-10d) sowie die Nußelt-Zahl nach (3-5) sind als dimensionslose Kennzahlen bis auf spezifisch zu wählende charakteristische Längen gleich definiert und beschreiben dennoch unterschiedliche Sachverhalte. Bi =

α ⋅ L* λ

Nu =

α ⋅l* λ

Untersucht man die Temperaturverteilung in einem Festkörper, ist die den Wärmeübergangskoeffizienten α enthaltene Biot-Zahl eine dimensionslose Randbedingung dritter Art und beschreibt in diesem Zusammenhang das Verhältnis von Wärmeleitwiderstand im Festkörper zum Wärmeübergangswiderstand am Rand. Die Wärmeleitfähigkeit λ in Gleichung (2-10d) bezieht sich auf die des Festkörpers! Die Nußelt-Zahl hingegen ist nach den obigen Ausführungen sowohl als Maßstab für die Dicke der thermischen Grenzschicht in Relation zur charakteristischen Länge als auch als dimensionsloser Temperaturgradient an der Wand aufzufassen. Die Wärmeleitfähigkeit λ in (3-6) bezieht sich auf die des Fluids! Reynolds-Zahl Die Reynolds-Zahl als das dimensionslose Verhältnis der Trägheitskräfte zu den durch die Zähigkeit der Fluide hervorgerufenen Reibungskräften ist geeignet, den Strömungszustand (laminar oder turbulent) zu beschreiben. Re =

c ⋅l*

ν

=

Trägheitskräfte Reibungskräfte

c Strömungsgeschwindigkeit l* charakteristische Länge ν kinematische Viskosität

(3-7) [c] = 1 m/s [l*] = 1 m [ν] = 1 m2/s

3.2 Dimensionslose Kennzahlen für den konvektiven Wärmeübergang

129

Unter Turbulenz wird eine kinematisch irreversible Bewegung von Fluiden zusammengefasst, die vor allem bei höheren Strömungsgeschwindigkeiten, großen Abmessungen des Strömungsraumes und bei niedriger Fluidzähigkeit auftritt. Die Reynolds-Zahl ist ein Stabilitätskriterium für die Strömung und trifft mit der kritischen Reynolds-Zahl Rekrit eine Aussage, wann eine laminare Strömung instabil (turbulent) wird. Oberhalb der kritischen Reynolds-Zahl schaukeln sich zufällige Störungen des laminaren Geschwindigkeitsprofils auf und führen schließlich zu seiner Zerstörung. Unterhalb von Rekrit klingen die Störungen des Geschwindigkeitsprofils durch Dämpfung aus, so dass der laminare Zustand stets erhalten bleibt. Insgesamt bedeutet das, dass unterhalb Rekrit immer laminare Strömung vorliegen muss, oberhalb Rekrit jedoch vorliegen kann. In der Technik ist es daher üblich, zwischen folgenden Strömungsbereichen zu unterscheiden: • laminare Strömung 0 < Re < Rekrit • Übergangsbereich Rekrit < Re ≤ 5· Rekrit • turbulente Strömung 5· Rekrit < Re Für die charakteristische Länge l* in (3-7) gelten die schon für die Nußelt-Zahl (3-6) getroffenen Aussagen. Anstelle des gleichwertigen Durchmessers dgl für nicht kreisförmige Querschnitte bei der Durchströmung ist hier aber der hydraulische Durchmesser dh = 4·A/U zu verwenden, wobei A die durchströmte Querschnittsfläche und U der benetzte Umfang ist. Grashof-Zahl g⋅ Gr =

g β ρ Δt

ρ ∞ − ρW ⋅ (l * ) 3 ρW ν

2

=

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ (l * ) 3

ν

2

=

Fallbeschleunigung isobarer Volumenausdehnungskoeffizient Dichte (ρW = ρ(t = tW)) des Fluids Temperaturdifferenz Δt = tW − t ∞

l* charakteristische Länge ν kinematische Viskosität Aus Gleichung (1-14) kann abgeleitet werden:

Auftriebskräfte Trägheitskräfte

(3-8)

g = 9,80665 m/s2 [β] = 1/K [ρ] = 1 kg/m3 [Δt] = 1 K [l*] = 1 m [ν] = 1 m2/s ρ ∞ − ρW = β ⋅ Δt ρW

Achtung! Mit Ausnahme des isobaren Volumenausdehnungskoeffizienten, der aus der Temperatur der ungestörten Strömung t∞ zu bilden ist, sind für die Stoffwerte die Bezugstemperaturen nach (3-2) maßgebend. Für ideale Gase gilt: β = 1/T∞. Prandtl-Zahl Die Prandtl-Zahl als Stoffeigenschaft von Fluiden steht für das Verhältnis von Strömungsgrenzschicht zur Temperaturgrenzschicht (Relation für den Impulstransport infolge von Reibung zum Wärmetransport durch Wärmeleitung). Pr = 1 bedeutet, dass beide Grenzschichten gleiche Stärke aufweisen. Dies ist für Gase annähernd erfüllt. Die Prandtl-Zahl ist in den

130

3 Wärmeübergang durch Konvektion

Stoffwerttabellen 7.6-4 für Wasser und 7.6-5 für trockene Luft als Funktion der Temperatur dargestellt. Pr =

η ⋅ c p ν Impulstransport durch Reibung = = λ a Wärmetransport durch Leitung

ν kinematische Viskosität

[ν] = 1 m2/s

Größenordnungen: Öl: Pr ≈ 1000 Wasser: Pr ≈ 7

(3-9)

a Temperaturleitfähigkeit

Luft: Pr ≈ 0,7

[a] = 1 m2/s

Quecksilber: Pr ≈ 0,03

Rayleigh-Zahl Bei der freien Konvektion ist praktisch immer das Produkt aus der Grashof-Zahl und der Prandtl-Zahl maßgeblich, so dass man beide dimensionslosen Kennzahlen zu einer neuen (abgeleiteten) Kennzahl zusammenfasst. Ra = Gr ⋅ Pr =

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ (l * ) 3 ν ⋅a

(3-10)

Archimedes-Zahl Jede erzwungene Konvektion mit Wärmeübergang an die Umgebung enthält wegen der sich durch Temperaturunterschiede ausbildenden Dichteunterschiede gleichfalls zu einem gewissen Teil eine freie Konvektion. Ist die Reynolds-Zahl der erzwungenen Konvektion sehr groß, kann der Anteil der freien Konvektion vernachlässigt werden. Bei sehr kleinen Reynolds-Zahlen und gleichzeitig großen Grashof-Zahlen für die freie Konvektion ist die Wirkung der erzwungenen Konvektion vernachlässigbar. Ar =

Gr (Re)

2

=

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ (l * ) 3 ⋅ν 2 2

2

* 2

ν ⋅ c ⋅ (l )

=

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ l * c2

(3-11)

Für senkrecht beheizte Wände unterstellt man zum Beispiel: • Ar ≤ 0,225 ausschließlich erzwungene Konvektion • 0,225 < Ar < 10 erzwungene und freie als Mischkonvektion • Ar > 10 nur freie Konvektion Verlaufen die Strömungen der freien und erzwungenen Konvektion in dieselbe Richtung kann man in einem definierten Gültigkeitsbereich mit einer korrigierten Reynolds-Zahl die Nußelt-Gleichungen für erzwungene Konvektion anwenden. 2 Re korr = Re erzw +

Gr 2,5

für 0,5 < Pr < 2.500 und 0,1 < Re < 107

(3-12)

3.3 Korrelationen für den Wärmeübergang

3.3

131

Korrelationen für den Wärmeübergang

Die Ähnlichkeitstheorie trifft beim konvektiven Wärmeübergang zwei Grundaussagen: 1. Zwischen den in Kapitel 3.2 vorgestellten Kennziffern besteht beim konvektiven Wärmeübergang ein funktionaler Zusammenhang, den man zweckmäßig in der Form Nu = f(Re, Gr, Pr) formuliert, weil Nu mit dem Wärmeübergangskoeffizienten α die gesuchte Größe enthält. Wie die Funktion im konkreten Fall aussieht, kann aus der Ähnlichkeitstheorie nicht hergeleitet werden, dazu bedarf es vielmehr des Experimentes. Bei der freien Konvektion sind die Aussagen der Reynolds-Zahl schon in der Grashof-Zahl enthalten, so dass die Reynolds-Zahl bei der Beschreibung der entsprechenden funktionalen Zusammenhänge keine Rolle spielt. Bei einer erzwungenen Konvektion hat die Auftriebsströmung hingegen (fast) keine Bedeutung für den Wärmeübergang. Für die jeweilige Formulierung des funktionalen Zusammenhangs als Korrelation bedeutet dies nun: • freie Konvektion: Nu = f(Gr, Pr) • freie, Konvektion, schleichende BewegungNu = f(Gr·Pr) = f(Ra) • erzwungene Konvektion Nu = f(Re, Pr) 2. Weisen die Ähnlichkeitskriterien Nu, Re, Pr und Gr für Wärmeübergänge an geometrisch ähnlichen Körpern gleiche Größen auf, dann ist auch die physikalische Ähnlichkeit gegeben, so dass die aus einem Versuch gewonnenen Erkenntnisse auf entsprechend passende andere Fälle übertragen werden können. Nußelt21 konnte mit Bezug auf obige Erläuterungen als Erster zeigen, dass die Gleichungen in definierten Bereichen immer in Form eines Produktes von Potenzen auftreten, zum Beispiel für die erzwungene Konvektion Nu = C ⋅ Re m ⋅ Pr n

(3-13)

wenn das betrachtete Wärmeübergangsproblem exakt den Vorgaben aus der Ähnlichkeitstheorie folgt. Für die Anwendung von Nußelt-Gleichungen ist allgemein zu beachten: • Oftmals ist die Wandtemperatur tW für die Berechnung der mittleren Grenzschichttemperatur nach (3-2) zur Ermittlung der temperaturabhängigen Stoffwerte des Fluids nicht von vornherein bekannt. Dann sind geeignete Annahmen zu treffen (Wandtemperatur schätzen) und nach Vorliegen eines entsprechenden Ergebnisses für den Wärmeübergangskoeffizienten dieses α zu nutzen, die geschätzte Wandtemperatur tW zu überprüfen. Gegebenenfalls muss man sich der Realität durch erneute Rechnung iterativ nähern. • Bei Rohrströmungen ist der Wärmeübergang in der Einlaufstrecke (also in dem Bereich, in der die Strömung ihr endgültiges Geschwindigkeitsprofil ausbildet) höher, weil der Geschwindigkeitsgradient an der Wand dort größer als bei der voll ausgebildeten Strömung ist. Insbesondere bei kurzen Rohren mit einem hohen Anteil des Einlaufbereiches an der Gesamtrohrlänge ist für den Wärmeübergangskoeffizienten ein Erhöhungsfaktor in der Form von [1 + (d/l)2/3] zu berücksichtigen. • Die Nußelt-Korrelationen sind in der Regel für konstante Stoffwerte bei der Temperatur tB nach Gleichung (3-2) abgeleitet. Bei größeren Temperaturunterschieden zwischen Wand und Fluid und/oder stärkerer Temperaturabhängigkeit der Stoffwerte (Flüssigkeiten) ist die Richtung des Wärmestroms zu beachten. In Flüssigkeiten liegt beim Heizen 21

Gleichungen in Form von (3-13) heißen deshalb Nußelt-Gleichungen.

132

3 Wärmeübergang durch Konvektion ein besserer Wärmeübergang vor als beim Kühlen, weil in Flüssigkeiten die dynamische Viskosität mit steigender Temperatur abnimmt und damit der für den Wärmeübergang maßgebliche Geschwindigkeitsgradient an der Wand zunimmt. Der Wärmeübergangskoeffizient α wird dann mit dem Faktor (η/ηW)n beziehungsweise (Pr/PrW)m korrigiert. Dabei sind η und Pr bei der Temperatur t∞ oder bei Rohrströmungen t ∞ nach Gleichung (3-5) der ungestörten Strömung und ηW oder PrW bei der Wandtemperatur tW einzusetzen. Die Höhe der Exponenten n und m ist in erster Linie abhängig von der Art des Fluids (Flüssigkeit, Dampf, Gas). Für Flüssigkeiten wird die Richtung des Wärmestroms häufig mit dem Faktor K = (η/ηW)0,14 korrigiert. Neuere Untersuchungen empfehlen: für Flüssigkeiten: K = (Pr/PrW)0,11 für Heizen in Rohrströmungen bei 0,1 < (Pr/PrW) < 10 • • K = (Pr/PrW) 0,25 für Kühlen in Rohrströmungen bei 0,1 < (Pr/PrW) < 10 • K = (Pr/PrW)0,25 für angeströmte Platten bei 0,5 < (Pr/PrW) < 500 für Gase: • K = (T/TW)0,45 in Rohrströmungen 0,5 < T/TW < 2,0; Re > 2320, T in K • K ≈ 1 keine Korrektur bei umströmten Platten, dort mittlere Grenzschichttemperatur für Stoffwerte verwenden!

Abb. 3-2:

Temperaturprofile in der Grenzschicht beim Heizen und Kühlen.

Der Ermittlung eines Wärmeübergangskoeffizienten mit Hilfe der Ähnlichkeitstheorie liegt das folgende allgemeine Lösungsschema zu Grunde: 1. Zusammenstellung der Eingangsgrößen (Geometrien, Temperaturen, Stoffwerte, Strömungsgeschwindigkeiten) 2. Festellen der Konvektionsart (freie oder erzwungene Konvektion, Konvektion mit Phasenübergang) 3. Untersuchung der Strömungsform (laminar, turbulent) und Besonderheiten der Strömung (Umströmung, Durchströmung, Strömung in Spalten) 4. Berechnung der relevanten dimensionslosen Kennzahlen 5. Auswahl einer geeigneten Nußelt-Korrelation (Prüfung des Gültigkeitsbereiches) und zahlenmäßige Ermittlung des dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten, gegebenenfalls mit Berücksichtigung des Temperatureinflusses der Stoffwerte durch Nu = Nu0·K 6. Errechnung des Wärmeübergangskoeffizienten α aus der Definition (3-6): α = Nu ⋅

λ l*

(3-14)

3.3 Korrelationen für den Wärmeübergang

133

Die Verwendung einer empirisch gewonnenen Korrelation in Schritt 5 beschränkt in Verbindung mit den Toleranzen bei den Eingangsgrößen (insbesondere Fehlergrenzen der Stoffwerte) die technisch erreichbare Genauigkeit in vielen Fällen auf drei signifikante Ziffern. Deshalb sollte der rechnerisch ermittelte Wert für den Wärmeübergangskoeffizienten dann auf diese Genauigkeit gerundet werden.

3.3.1

Freie Konvektion

Energietransport durch freie Konvektion ist die Folge von Dichteunterschieden im Fluid. Beheizt man eine senkrecht stehende Platte sind die wandnahen Fluidschichten spezifisch leichter als die weiter entfernt liegenden. So entsteht ein statischer Druckunterschied zwischen den Schichten, der eine aufwärts gerichtete Strömung mit dem in Abbildung (3-3) gezeigten Geschwindigkeitsprofil bewirkt.

Abb. 3-3:

Konvektive Auftriebsströmung an senkrechter Wand.

a) Korrelationen für die Vertikale Der mittlere, dimensionslose Wärmeübergangskoeffizient Nu für laminare und turbulente Strömung an der vertikalen Wand mit der Wandhöhe h wird von [7] angegeben mit

[

Nu Wand = 0,825 + 0,387(Ra ⋅ f1 (Pr ) )1/ 6   0,492  9 / 16  f1 (Pr) = 1 +      Pr  

]

2

(3-15)

−16 / 9

Gültigkeit: 0,1 ≤ Ra ≤ 1012 und 0,001 < Pr < ∞; charakteristische Länge l* = Wandhöhe h Für den senkrecht stehenden Zylinder der Höhe h und vom Durchmesser d wird Nu bei gleichen Gültigkeitsbereichen unter Rückgriff von (3-15) ermittelt. Die charakteristische Länge ist hier die Zylinderhöhe h.

134

3 Wärmeübergang durch Konvektion Nu Zyl = Nu Wand + 0,435 ⋅

h d

(3-16)

Gültigkeit: 0,1 ≤ Ra ≤ 1012 und 0,001 < Pr < ∞; charakteristische Länge l* = Zylinderhöhe h b) Korrelationen für geneigte ebene Flächen Wärmeabgabe an der Oberseite oder Wärmeaufnahme an der Unterseite einer schrägen Wand führt in beiden Fällen zu einem nach oben gerichteten Wärmestrom. Die Grenzschichten lösen sich beim Übergang von der laminaren zur turbulenten Strömung mit Erreichen einer kritischen Rayleigh-Zahl Rakrit von der Wand ab. Für den Bereich der turbulenten Ablösung empfiehlt [7] die Verwendung von Nu Wand = 0,56(Ra krit ⋅ cos γ )1 / 4 + 0,13(Ra 1/ 3 − Ra 1/3 krit )

(3-17)

Gültigkeit: Ra > Rakrit

Ra krit = 10 (8,9−0,00178⋅γ

1, 82

)

charakteristische Länge l* = Überströmlänge h

In die im Gültigkeitsbereich angegebene Näherungsbeziehung für Rakrit ist der Neigungswinkel γ gegenüber der Vertikalen als Zahlenwert im Gradmaß einzusetzen. Wärmeabgabe an der Oberseite oder Wärmeaufnahme an der Unterseite einer schrägen Wand führt zur Ausbildung stabiler Grenzschichten (siehe Abbildung 3-4).Der dimensionslose Wärmeübergangskoeffizient Nu kann hier näherungsweise mit der Korrelation (3-15) berechnet werden, wenn anstelle der Fallbeschleunigung g deren zur vertikalen Fläche parallele Komponente g·cosγ (also Raγ = Ra·cosγ) und als charakteristische Länge l* die Überströmlänge h eingesetzt wird.

Abb. 3-4:

Stabile Grenzschichten an schräger Wand bei freier Konvektion.

c) Korrelationen für die Horizontale Für horizontale, ebene Flächen (Rechtecke, Kreisscheiben) wird als charakteristische Länge l* in den dimensionslosen Kennzahlen die Anströmfläche als Verhältnis von Oberfläche A

3.3 Korrelationen für den Wärmeübergang

135

zum Umfang U verwendet, wobei die wärmeübertragende Fläche Teil einer unendlich ausgedehnten Ebene ist. l* =

A a ⋅b = U 2( a + b )

für Rechtecke mit Seitenlänge a, b

(3-18a)

für Kreisscheiben mit Durchmesser d

(3-18b)

π

d2 A d l = = 4 = πd 4 U *

Heizung auf der Oberseite oder Kühlung auf der Unterseite Nu = 0,766 ⋅ [Ra ⋅ f 2 (Pr)]

1/ 5

  0,322 11/ 20  f 2 (Pr) = 1 +       Pr 

Gültigkeit:

−20 / 11

(3-20)

laminare Strömung Ra·f2(Pr) ≤ 7·104 und 0 < Pr < ∞

Nu = 0,15 ⋅ [Ra ⋅ f 2 (Pr)]

1/ 3

Gültigkeit:

(3-19a)

in Verbindung mir (3-20)

(3-19b)

turbulente Strömung Ra·f2(Pr) ≥ 7·104 und 0 < Pr < ∞

Heizung auf der Unterseite oder Kühlung auf der Oberseite   0,492  9 / 16  f1 (Pr) = 1 +      Pr  

Nu = 0,6 ⋅ [Ra ⋅ f1 (Pr)]

1/ 5

Gültigkeit:

103 < Ra·f1(Pr) < 1010

−16 / 9

(3-21)

f1(Pr) wie Gleichung (3-15)

Für einen horizontalen Zylinder wird in [7] die Beziehung (3-22) empfohlen:

[

  0,559  9 /16  f 3 (Pr) = 1 +      Pr  

]

1/ 6 2

Nu Zyl = 0,752 + 0,387 ⋅ (Ra ⋅ f 3 (Pr) )

(3-22)

−16 / 9

Gültigkeit: 3,9·10–5 < Ra < 3,9·1012 und 0 < Pr < ∞; charakteristische Länge l * =

π 2

d (Anströmlänge)

136

3 Wärmeübergang durch Konvektion

d) Korrelationen für Kugeln Für Kugeln vom Durchmesser d wird Nu bei nicht zu kleinen Durchmessern und Temperaturdifferenzen wiederum in einem eingeschränkten Gültigkeitsbereich von 103 ≤ Ra ≤ 1012 und 0,001 < Pr < ∞ unter Rückgriff auf (3-15) ermittelt. Die charakteristische Länge ist hier der Kugeldurchmesser d. Für Ra < 103 gibt [7] folgende Gleichung an:    Pr Nu Kugel = 0,56 ⋅   ⋅ Ra   0,846 + Pr  

1/ 4

(3-23)

+2

Gültigkeit: Ra ≤ 103 und 0,001 < Pr < ∞; l* = Kugeldurchmesser d Für sehr kleine Temperaturdifferenzen und/oder Kugeldurchmesser (Ra → 0) strebt NuKugel gegen den Grenzwert 2.

3.3.2

Erzwungene Konvektion

Bei der erzwungenen Konvektion liegt anders als bei der freien Konvektion keine Kopplung zwischen Geschwindigkeits- und Temperaturprofil in der Grenzschicht vor, denn das Geschwindigkeitsfeld wird von außen (zum Beispiel durch ein Gebläse) aufgeprägt. Die beim Einströmen eines Fluids in ein Rohr entstehende Grenzschicht wächst im Zuge des hydromechanischen (oder hydraulischen) Einlaufs infolge der auftretenden Wandreibung stromabwärts. Die Kontinuität bewirkt wegen der geringeren Geschwindigkeiten in den wandnahen Schichten dann eine Beschleunigung der Kernströmung. Erreicht die hydrodynamische Grenzschicht die Rohrachse, ändert sich das Geschwindigkeitsprofil nicht mehr und man spricht für diesen Fall von einer hydrodynamisch ausgebildeten Strömung. Die hydrodynamische Einlauflänge kann bei laminarer Strömung abgeschätzt werden über:   0,6 lhyd ,lam =  0,056 ⋅ Re +  ⋅ d i 1 + 0 , 035 ⋅ Re  

(3-24a)

Für die sehr kurzen Einlauflängen bei turbulenten Strömungen gilt die Abschätzung: (3-24b)

10 ⋅ d i ≤ lhyd ,tur ≤ 60 ⋅ d i

Bei Annahme eines gleichzeitig vorliegenden hydrodynamischen und thermischen Einlaufs kann die thermisch Einlauflänge bei laminarer Strömung abgeschätzt werden durch: tW = konstant :

qW = konstant :

lth,lam = 0,037 ⋅ Re ⋅ Pr ⋅ d i

bei Pr = 0,7

(3-25a)

lth,lam = 0,0335 ⋅ Re ⋅ Pr ⋅ d i

bei Pr → ∞

(3-25b)

lth,lam = 0,053 ⋅ Re ⋅ Pr ⋅ d i

Pr = 0,7

(3-25c)

lth,lam = 0,043 ⋅ Re ⋅ Pr ⋅ d i

bei Pr → ∞

(3-25d)

3.3 Korrelationen für den Wärmeübergang

137

Für turbulente Strömungen setzt man in der Praxis zur Abschätzung der Länge bis zur hydrodynamisch und thermisch voll ausgebildeten Grenzschicht oft nur grob an: (3-26)

lhyd ,tur = lth,tur ≈ 10 ⋅ d i

Der Wärmeübergang ist in laminarer und turbulenter Strömung unterschiedlich intensiv und wird deshalb durch jeweils spezifische Nußelt-Gleichungen (Nulam für laminare und Nutur für turblente Grenzschichtströmung) korreliert. Bei Rohrströmungen geht man davon aus, dass unterhalb der kritischen Reynoldszahl von 2.320 stets laminare Strömung vorliegt. In einem Übergangsbereich von 2.320 < Re < 10.000 können kleinste Störungen zu einem Umschlag in die Turbulenz führen. Die Entwicklung der turbulenten Strömung nach Überschreiten von Rekrit hängt von den Verhältnissen beim Rohreinlauf, von der Art der Zuströmung und ihren Geschwindigkeitsschwankungen ab. Oberhalb von Re = 104 liegt dann aber mit Sicherheit turbulente Rohrströmung vor. a) Korrelationen für durchströmte Rohre Der in den nachstehenden Korrelationen angegebene mittlere dimensionslose Wärmeübergangskoeffizient Nu enthält den mittleren Wärmeübergangskoeffizienten α, der nach Gleichung (3-1b) für eine mittlere logarithmische Temperaturdifferenz definiert ist. Bei laminarer Strömung werden die Randbedingungen konstante Wandtemperatur tW = konstant und konstante Wandwärmestromdichte qW = konstant unterschieden (Formeln nach [7]). 1/ 3   d   Nu Rohr,lam = 3 49,37 + 1,615 ⋅  Re⋅ Pr ⋅ i  − 0,7  l    

Gültigkeit: tW = konstant und 0 < Re⋅ Pr⋅

Nu Rohr,lam

3

(3-27)

di 17 kW/m 2 von Blasensieden ausgehen. Ausschließlich gültig für Wasser im Druckbereich 0,5 bar < p < 20 bar empfehlen einige Autoren für die horizontale und vertikale Heizfläche gleichermaßen die Anwendung von

{α } = 0,274 ⋅ {q}0,75 ⋅ {p}0,25 {α } = 0,00565 ⋅ {tW

− t s ( p )} ⋅ {p} 3

in kW/(m² K)

(3-41)

in kW/(m² K)

(3-42)

Bei kleineren Übertemperaturen arbeiten nur wenige große Keimstellen. Mit steigenden Übertemperaturen werden immer mehr auch kleinere Keimstellen aktiviert, bis deren Zahl pro Flächeneinheit so groß ist, dass die Flüssigkeit nach dem Ablösen einer Blase die Heizfläche nicht wieder benetzen kann und damit ein kritischer Wert für die Wärmestromdichte (oder Heizflächenbelastung) erreicht ist. Dabei haben sich dann so viele wandnahe Dampfblasen zusammengeschlossen, dass sie einen Dampffilm zwischen Wand und Flüssigkeit bilden (Filmsieden). Zunächst bricht der Dampffilm wieder zusammen und man spricht vom instabilen Filmsieden.

Abb. 3-8:

Wärmeübergangskoeffizient bei verschiedenen Siedeformen in Abhängigkeit von der Temperaturdifferenz zur Heizfläche.

3.3 Korrelationen für den Wärmeübergang

145

Bei einem fortgesetzten Ansteigen der Wandtemperatur stabilisiert sich der Dampffilm und sorgt so beim stabilen Filmsieden für einen zusätzlichen Wärmewiderstand. Die stark abfallenden Wärmeübergangskoeffizienten verringern die Wärmeabfuhr über die verdampfende Flüssigkeit, so dass sich die Heizfläche rapide aufheizt. Bei aufgeprägter Wärmestromdichte (elektrische oder nukleare Beheizung) kann das zur Zerstörung der Heizfläche bei Überschreiten der Schmelztemperatur des Materials führen (Siedekrise erster Art). Die Siedekrise erster Art ist bei einer Beheizung mit einem flüssigen oder dampfförmigen Heizmedium vermeidbar, da dann nicht die Wärmestromdichte, sondern die Übertemperatur aufgeprägt werden kann. Abbildung 3-8 zeigt auch deutlich, dass einem fest vorgegebenen Wärmeübergangskoeffizienten α verschiedenen Übertemperaturen Δt zugeordnet werden können (Hysterese-Verhalten). Der Bereich zwischen Blasensieden und stabilen Filmsieden ist instabil und nicht erreichbar durch Vorgabe eines Wärmeübergangskoeffizienten mittels Wärmestromdichte, sondern nur durch eine zum Beispiel mit kondensierendem Dampf bereitgestellte entsprechend konstante Wandtemperatur. Für einen Druck von 1 bar können Übertemperaturen von 95 °C < Δt < 100 °C als untere Grenze für ein stabiles Filmsieden angesehen werden. Den Umschlagpunkt zum stabilen Filmsieden bezeichnet man auch als Leidenfrost-Punkt22. Wenn beim stabilen Filmsieden die Heizfläche nicht mehr mit Flüssigkeit benetzt werden kann, kontrolliert der zwischen Heizfläche und Flüssigkeit abströmende Dampffilm den Wärmeübergang. Hier ist dann auch die durch Strahlung von der Heizfläche an die Flüssigkeit übertragene Wärme zu berücksichtigen. Für die Sicherheit von Verdampfern darf die kritische Wärmestromdichte unter Betriebsbedingungen nicht überschritten werden. Zu ihrer Bestimmung schlägt [7] folgende Korrelationen für die vollständig auf Siedetemperatur gebrachte Flüssigkeit bei stabilem Blasensieden vor: q krit = 0,144 ⋅ r ⋅ ( ρ F − ρ D ) ⋅ ρ D ⋅ 4 ( g ⋅ σ ) / ρ F ⋅ Pr −0, 245

(3-43)

q krit = 0,145 ⋅ r ⋅ ρ D ⋅ 4 g ⋅ σ ⋅ ( ρ F − ρ D )

(3-44)

r kJ/kg Verdampfungsenthalpie ρD kg/m3 Dichte des Dampfes 3 ρF kg/m Dichte der Flüssigkeit 2 g m/s Fallbeschleunigung σ N/m Oberflächenspannung der Flüssigkeit Aus (3-43) und (3-44) ist ersichtlich, dass die kritische Wärmestromdichte signifikant vom Druck abhängt. Für alle Fluide steigt die Dichte mit dem Druck an, Verdampfungsenthalpie und Oberflächenspannung nehmen jedoch ab. Wegen dieser gegenläufigen funktionalen Abhängigkeiten wächst die kritische Wärmestromdichte zunächst mit steigendem Druck, um dann ab Drücken von p = pkrit/3 wieder abzunehmen. Bei kritischem Druck nimmt die kritische Wärmestromdichte den Wert Null an.

22

Johann Gottlieb Leidenfrost (1715–1794).

146

3 Wärmeübergang durch Konvektion

c) Verdampfung bei erzwungener Konvektion (Strömungssieden) Hier ist es sinnvoll, zwischen der Umströmung eines Körpers im Siedezustand (z. B. Umströmung eines Rohres) und der Durchströmung durch ein räumlich begrenztes Volumen (Durchströmung eines Rohres) zu unterscheiden. Die Wärmeübergänge für das stille Sieden bei Körperumströmungen sind stets besser als die bei ausschließlicher freier Konvektion. Der Übergang zum Blasensieden erfolgt meist bei gleicher Fluidüberhitzung wie bei rein freier Konvektion. Da die erzwungene Strömung entstehende Dampfblasen tendenziell von der Heizfläche entfernt, treten mit wachsenden Strömungsgeschwindigkeiten auch immer höhere Wärmeübergänge auf. Beim Siedevorgang für Körperdurchströmungen wird einem Flüssigkeitsmassenstrom ein Wärmestrom zugeführt, so dass die Flüssigkeit nach einer bestimmten Lauflänge vollständig verdampft, sofern die Wärmestromdichte die dafür erforderliche Mindesthöhe besitzt.

Abb. 3-9:

Wärmeübergangsformen am senkrecht beheizten Rohr.

Bei einem senkrechten, von einer Flüssigkeit durchströmten Rohr, das von außen mit einer konstanten Wärmestromdichte beaufschlagt wird, beobachten wir am Eintritt und in dem Bereich, ab dem die Flüssigkeit vollständig verdampft ist, relativ niedrige Wärmeübergangskoeffizienten, so wie man diese gemäß der Nußelt-Gleichungen für einphasige Systeme berechnet. In der Siede/Verdampfungszone (Übergang von Dampfanteil x = 0 auf x = 1) findet ein komplizierter zweiphasiger Verdampfungsprozess statt, den man physikalisch in verschiedene Stadien einteilt (vergleiche Abbildung 3-9). Den Ort im Strömungsverlauf, an dem das Fluid wieder einphasig vorliegt, bezeichnet man als Stelle der Austrocknung. Ab dieser Stelle wird der Wärmeübergang wieder erheblich schlechter und infolge dessen nehmen die Wandtemperaturen deutlich zu. Die plötzliche Verschlechterung des Wärmeübergangs wird in der Literatur als kritischer Siedezustand oder als Siedekrise zweiter Art beschrieben. Die einheitliche Verwendung des Begriffes Siedekrise für zwei völlig verschiedene Erscheinungen kann irritieren. Wenn in einem Rohr die vollständige Verdampfung einer Flüssigkeit

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

147

erfolgen soll, ist die Siedekrise erster Art (Filmsieden) durch technische Maßnahmen vermeidbar, die schnelle Erreichung der Siedekrise zweiter Art (Austrocknung) ist aber gerade Ziel der Bemühungen. Zur Abschätzung der anzustrebenden Wärmestromdichte, mit der ein vorgegebener Massenstrom mit Siedetemperatur ts(ps) über eine vorgegebene Rohrlänge l vollständig verdampft werden kann, ermittelt man zunächst die Energiestromdichte aus der Energiebilanz q =

Q m ⋅ r (t s ) m (h′′ − h′) = = A A A

Erreicht die Wärmestromdichte den Wert für die kritische Wärmestromdichte (das heißt es kommt zur Siedekrise erster Art, die unbedingt vermieden werden muss) kann man mit einer Verlängerung des Rohres und damit Verringerung der Wärmestromdichte bei gleich bleibendem Wärmestrom Abhilfe schaffen.

3.4

Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

Aufgabe 3-1: Herleitung einer dimensionslosen Kennzahl Leiten Sie mit Hilfe der Dimensionsanalyse eine den Strömungszustand in einer Rohrleitung beschreibende, dimensionslose Kennzahl ab.

Vorüberlegungen: Für diese Art der Bestimmung dimensionsloser Kennzahlen müssen alle den Strömungszustand beschreibenden und beeinflussenden physikalischen Größen vollständig bekannt sein. Nachfolgend sind die hier relevanten Größen mit Formelzeichen und Maß in Basiseinheiten aufgeführt: • Rohrinnendurchmesser di m • Strömungsgeschwindgkeit c m/s • dynamische Viskosität η kg/(m s) • Fluiddichte ρ kg/m³ Lösung: Für die gesuchte, dimensionslose Kennzahl K wählt man einen aus den vier obigen Einflussgrößen bestehenden Potenzansatz mit dem Ziel, die Exponenten i, j, k, l so zu wählen, dass die Maßeinheiten im zugehörigen Einheitenansatz verschwinden. j

K = d i ⋅ c j ⋅η k ⋅ ρ l



k

l

 m   kg   kg  mi ⋅   ⋅   ⋅ 3  =1  s   ms  m 

Für die im Ansatz auftauchenden Basiseinheiten muss dann gelten: Dimension Basiseinheit

Gleichung i + j − k −3l

Länge

m

m

Zeit

s

s − j −k = 1

Masse

kg

kg

k +l

=1

=1 →

Exponent i + j − k − 3l = 0

(1)

−j−k =0

(2)

k +l =0

(3)

148

3 Wärmeübergang durch Konvektion

Das für die Exponenten entstehende Gleichungssystem besteht aus drei Gleichungen mit vier Unbekannten. Für die Lösung verfügen wir deshalb über eine der Unbekannten frei und setzen l = 1. Aus Gleichung (3) folgt dann k = –1, aus (2) j = +1 und damit schließlich aus Gleichung (1) i = 1. Diese Werte für die Exponenten führen auf eine Kennzahl K mit K = d 1 ⋅ c1 ⋅ η −1 ⋅ ρ 1 =

c⋅d ⋅ρ

η

=

c⋅d

η/ρ

=

c⋅d

ν

≡ Re

Als Resultat erhalten wir die uns natürlich schon bekannte Reynolds-Zahl. Wichtiger als das Ergebnis selber ist das hier vorgestellte methodische Gerüst, mit auch für andere Arbeitsgebiete dimensionslose Kennzahlen gebildet werden können.

Aufgabe 3-2: Güte von Näherungsformeln für Wärmeübergang bei freier Konvektion Ein beheiztes Rohr mit einem Außendurchmesser von 300 mm befinde sich in ruhender, trockener Luft von 6 °C und weise an der äußeren Rohrwand eine Temperatur von 54 °C auf. a) Berechnen Sie jeweils den Wärmeübergangskoeffizienten Rohrwand/Luft für die Rohrlängen 0,4 m, 1,2 m und 3,6 m bei senkrecht stehendem Rohr und für ein Rohr in horizontaler Lage mit den in Kapitel 3 vorgestellten Nußelt-Korrelationen in Verbindung mit dem in Kapitel 3.3. vorgestelltem allgemeinen Lösungsschema! b) Die VDI-Richtlinie 2055 (August 1992) gibt für den Wärmeübergangskoeffizienten α in W/(m2 K) durch freie Konvektion von Luft an Rohren im Gültigkeitsbereich d3·Δt > 1 m3 K die folgenden Näherungsformeln an: α = 1,71 ⋅ 3 Δt (senkrecht stehendes Rohr) α = 1,21 ⋅ 3 Δt (waagerechtes Rohr)

c)

23

Errechnen Sie die Wärmeübergangskoeffizienten α nach diesen Näherungsformeln und vergleichen Sie die Ergebnisse mit denen aus (a)! Auf Michejew23 geht der Gedanke zurück, die an Kugeln, horizontalen und vertikalen Zylindern sowie an vertikalen Wänden experimentell gewonnenen Ergebnisse für die freie Konvektion durch eine einzige Nußelt-Gleichung zu korrelieren. Für Pr ≥ 0,7 hat er Nu = C·(Gr·Pr)n vorgeschlagen und in Abhängigkeit von den Verhältnissen in der Auftriebsströmung folgende Parameter für C und n vorgeschlagen: Gr·Pr C n charakteristische Längen l* –3 < 10 0,50 0 vertikale Zylinder und Wände: Höhe h –3 2 1·10 bis 5·10 1,18 1/8 horizontale Zylinder, Kugeln: Durchmesser d 2 7 5·10 bis 2·10 0,54 1/4 horizontale Wände: kleinere Seitenlänge a 2·107 bis 1·1013 0,135 1/3 Stoffwerte sind für die Bezugstemperatur nach Gleichung (3-2) einzusetzen. Welche Wärmeübergangskoeffizienten α ergeben sich durch die MichejewGleichungen? Michejew, M. A.: Grundlagen der Wärmeübertragung, Verlag Technik Berlin, 3. Auflage 1968.

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang Gegeben: Stahlrohr:

da = 0,3 m l1 = 0,4 m

tW = 54 °C l2 = 1,2 m

149

t∞ = 6 °C Δt = 54 °C – 6 °C = 48 K l3 = 3,6 m

Lösung: a) Nußelt-Korrelationen gemäß [7] nach allgemeinem Lösungsschema: 1. Neben der Erfassung der oben unter gegeben aufgeführten Größen müssen die Stoffwerte für trockene Luft aus Tabelle 7.6-5 bei der Bezugstemperatur tB nach Gleichung (3-2) ermittelt werden. tB =

tW + t ∞ 54 °C + 6 °C = = 30 °C und damit aus Tabelle 7.6-5: 2 2

ν = 162,6·10–7 m2/s

λ = 0,02662 W/(m K)

Pr = 0,7068

1 1 β (6 °C) = = = 0,003582 K −1 T∞ 279,15 K

2.

Es liegt freie Konvektion vor.

3.

In vertikaler und horizontaler Rohreinbausituation bilden sich jeweils spezifische Grenzschichten aus, die die Intensität des Wärmeübergangs beeinflussen. Daher sind auch entsprechend spezifische Nußelt-Korrelationen mit jeweils unterschiedlichen charakteristischen Längen zu verwenden.

4.

Für die freie Konvektion ist die Rayleigh-Zahl relevant. Mit Blick auf die schon ermittelte Prandtl-Zahl verwenden wir vorteilhaft: Ra = Gr ⋅ Pr =

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ (l * ) 3

senkrechtes Rohr: l1* = h1 = 0,4 m :

ν2 Ra =

⋅ Pr

9,80665 m/s 2 ⋅ 48 K ⋅ 0,4 3 m 3 ⋅ 0,7068 = 2,885092309 ⋅108 279,15 K ⋅162,6 2 ⋅10 −14 m 4 /s 2

Ra ≈ 3 ⋅108

l2* = h2 = 1,2 m :

Ra =

9,80665 m/s 2 ⋅ 48 K ⋅1,2 3 m 3 ⋅ 0,7068 = 7.789.749.235 279,15 K ⋅162,6 2 ⋅10 −14 m 4 /s 2

Ra ≈ 8 ⋅10 9

l3* = h3 = 3,6 m :

Ra =

9,80665 m/s 2 ⋅ 48 K ⋅ 3,6 3 m 3 ⋅ 0,7068 = 2,103232293 ⋅1011 279,15 K ⋅162,6 2 ⋅10 −14 m 4 /s 2

Ra ≈ 2 ⋅1011

waagerechtes Rohr: charakteristische Länge unabhängig von Rohrlänge l* =

π 2

⋅ da =

π 2

l1* = 0,4712 m :

⋅ 0,3 m = 0,4712 m Ra =

9,80665 m/s 2 ⋅ 48 K ⋅ 0,4712 3 m 3 ⋅ 0,7068 = 4,71623660 ⋅108 279,15 K ⋅162,6 2 ⋅10 −14 m 4 /s 2

Ra ≈ 4,7 ⋅108

150

3 Wärmeübergang durch Konvektion 5.

Ermittlung des dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten Nu senkrechtes Rohr: (Gleichung (3-15))

[

] + 0,435 ⋅ dh

1/ 6 2

Nu Zyl = 0,825 + 0,387 ⋅ (Ra ⋅ f1 (Pr) )

  0,492  9 /16  f1 (Pr) = 1 +      Pr  

−16 / 9

a

  0,492  9 / 16  = 1 +      0,7068  

−16 / 9

= 0,346338398

anwendbar, weil: 0,1 ≤ (Ra = 3 ⋅108 ) ≤ 1012 0,001 ≤ (Pr = 0,7068) ≤ ∞

0,1 ≤ (Ra = 8 ⋅ 10 9 ) ≤ 1012

0,1 ≤ ( Ra = 2 ⋅ 1011 ) ≤ 1012

für l1* = h1 = 0,4 m folgt:

(

Nu Zyl = 0,825 + 0,387 ⋅ 2,885092309 ⋅108 ⋅ 0,346338398 

)

1/ 6 



2

+ 0,435 ⋅

0,4 m = 84,51446225 0,3 m

für l2* = 1,2 m folgt: NuZyl = 234,7410597 und für l3* = 3,6 m NuZyl = 672,6530725 waagerechtes Rohr: (Gleichung 3-22))

[

Nu Zyl = 0,752 + 0,387(Ra ⋅ f 3 (Pr) )1 / 6

  0,559  9 / 16  f 3 (Pr) = 1 +      Pr  

−16 / 9

]

2

  0,559  0,5625   = 1 +     0,7068  

−16 / 9

= 0,326661942

anwendbar, weil: 3,9 ⋅ 10 −5 < Ra = 4,7 ⋅ 10 8 < 3,9 ⋅ 1012 und 0 ≤ (Pr = 0,7068) ≤ ∞

[

Nu Zyl = 0,752 + 0,387 ⋅ (4,7162366 ⋅ 108 ⋅ 0,326661942)1 / 6

6.

]

2

= 94,33041517

Wärmeübergangskoeffizient α aus Definition (3-6): senkrechtes Rohr: h1 = 0,4 m

α = Nu ⋅

h2 = 1,2 m

α = Nu ⋅

h3 = 3,6 m

α = Nu ⋅

λ l1*

λ l 2*

λ l3*

= 84,51446225 ⋅

0,02662 W/(m K) W = 5,62 2 0,4 m m K

= 234,7410597 ⋅ = 672,6530725 ⋅

0,02662 W/(m K) W = 5,21 2 1,2 m m K

0,02662 W/(m K) W = 4,97 2 3,6 m m K

waagerechtes Rohr: l * = 0,4712 m

α = Nu ⋅

λ l*

= 94,33041517 ⋅

0,02662 W/(m K) W = 5,33 2 0,4712 m m K

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

151

b) Verwendung Näherungsformeln nach VDI-2055 Nachweis der Anwendbarkeit: d 3 ⋅ Δt > 1 m 3 K

0,33 m 3 ⋅ 48 K = 1,296 m 3 K > 1 m 3 K

senkrechtes Rohr:

{α } = 1,71⋅ 3 {Δt} = 1,71⋅ 3 48 = 6,215

waagerechtes Rohr:

{α } = 1,21 ⋅ 3 {Δt} = 1,21 ⋅ 3 48 = 4,397

Für das waagerechte Rohr entsteht durch die Verwendung der Näherungsformel ein relativer Fehler von circa 17 %. Für das senkrechte Rohr fällt auf, dass die funktionale Abhängigkeit von der Zylinderhöhe in der Näherung nicht widergespiegelt wird. c) Wärmeübergangskoeffizient α nach Michejew senkrechtes Rohr: Hier können wir für die Berechnung der Nußelt-Zahlen die Rayleigh-Zahlen aus a) übernehmen. Unter Hinweis auf diese Ergebnisse ist die Michejew-Gleichung Nu = 0,135·Ra1/3 anzuwenden. Dadurch entfällt in diesem speziellen Fall wieder die Berücksichtigung der Abhängigkeit des mittleren Wärmeübergangskoeffizienten von der Höhe h = l*, weil: α = Nu ⋅

λ l

*

= 0,1353 Gr ⋅ Pr ⋅

λ l

*

= 0,135 ⋅ 3

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ (l * ) 3

ν2

⋅ Pr ⋅

λ l*

= 0,135 ⋅ 3

g ⋅ β ⋅ Δt

ν2

⋅ Pr ⋅ λ

Stellvertretend ermitteln wir deshalb den Wärmeübergangskoeffizienten α für: Nu = 0,135·(2,885092309·108)1/3 = 89,20454931

h1 = 0,4 m: α = Nu ⋅

λ l1*

= 89,20454931 ⋅

0,02662 W/(m K) W = 5,93 2 0,4 m m K

waagerechtes Rohr: Anders als bei der Nußelt-Korrelation (3-22) ist hier der Durchmesser d als charakteristische Länge für die Rayleigh-Zahl zu verwenden. l* = d = 0,3 m:

Ra =

9,80665 m/s 2 ⋅ 48 K ⋅ 0,33 m 3 ⋅ 0,7068 = 172.205.477,9 279,15 K ⋅ 162,6 2 ⋅ 10 −14 m 4 /s 2

Ra ≈ 1,7 ⋅ 10 8

Damit ist gleichfalls die oben schon für das senkrechte Rohr verwendete MichejewGleichung anzuwenden: Nu = 0,135 ⋅ Ra 1/3 = 0,135 ⋅ 172.205.477,91 / 3 = 75,10740432

α = Nu ⋅

λ l*

= 75,10740432 ⋅

0,02662 W/(m K) W = 6,29 2 0,3 m m K

Der Vergleich mit der Korrelation (3-22) zeigt auch hier größere Abweichungen.

Aufgabe 3-3: Einfluss der charakteristischen Länge auf Wärmeübergang an vertikaler Wand Ein rechteckiges Glasfenster kann in unterschiedlicher Einbauform in eine Gebäudefassade integriert werden. Welcher Wärmestrom in W wird über die Fensterfläche abgegeben, wenn

152

3 Wärmeübergang durch Konvektion

das Fenster eine einheitliche Oberflächentemperatur von 25 °C aufweist, die Lufttemperatur der Umgebung –5 °C beträgt und das Fenster a) eine Breite von 2,5 m und eine Höhe von 1 m b) eine Breite von 1 m und eine Höhe von 2,5 m c) eine Breite von 2,5 und eine Höhe von 4 m aufweist? Gegeben: tW = 25 °C

a) l* = 1,0 m

t∞ = –5 °C

b) l* = 2,5 m

c) l* = 4,0 m

Vorüberlegungen: Für die Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten α folgen wir dem in Kapitel 3.3 vorgestellten allgemeinen Lösungsschema. Die Wärmeverluste über das Fenster können dann jeweils mit Q = α ⋅ A ⋅ (tW − t ∞ ) bestimmt werden. Lösung: 1. Stoffwerte für trockene Luft aus Tabelle 7.6-5 bei der Bezugstemperatur tB nach Gleichung (3-2) tB =

tW + t ∞ 25 °C + (−5 °C) = = 10 °C und damit aus Tabelle 7.6-5: 2 2

ν = 144,0·10–7 m2/s

λ = 0,02512 W/(m K)

Pr = 0,7095

1 1 = = 0,003729 K -1 β ( −5 °C) = T∞ 268,15 K

2.

Hier liegt freie Konvektion an einer senkrechten Wand vor. Die charakteristische Länge l* für die Nußelt-Korrelation ist die Wandhöhe h, die Breite des Fensters hat keinen Einfluss auf die Höhe des Wärmeübergangskoeffizienten α, wohl aber auf die Wärmeverluste über das Fenster.

3.

Es entsteht eine Auftriebsströmung an einer beheizten Wand.

4. Für die freie Konvektion ist die Rayleigh-Zahl relevant. Mit Blick auf die schon ermittelte Prandtl-Zahl verwenden wir vorteilhaft: Ra = Gr ⋅ Pr =

g ⋅ β ⋅ Δt ⋅ (l * ) 3

senkrechte Wand: l1* = h1 = 1,0 m :

ν2 Ra =

⋅ Pr

9,80665 m/s 2 ⋅ (25 °C − (−5 °C)) ⋅ 13 m 3 ⋅ 0,7095 = 0,3753977 ⋅ 1010 268,15 K ⋅ 144,0 2 ⋅ 10 −14 m 4 /s 2

Ra ≈ 3,8 ⋅ 10 9

Die Rayleigh-Zahlen für b) und c) unterscheiden sich in Bezug auf a) nur noch durch die dritte Potenz der charakteristischen Längen: l 2* = h2 = 2,5 m : Ra = 0,3753977 ⋅ 1010 ⋅ {2,5}3 = 5,8655882 ⋅ 1010 Ra ≈ 5,9 ⋅ 1010 l3* = h3 = 4,0 m :

Ra = 0,3753977 ⋅ 1010 ⋅ {4,0}3 = 24,0254528 ⋅ 1010

Ra ≈ 2,4 ⋅ 1011

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang 5.

153

Ermittlung des dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten Nu für die vertikale Wand

[

Nu Wand = 0,825 + 0,387 ⋅ (Ra ⋅ f1 (Pr))1 / 6   0,492  9 / 16   f1 (Pr) = 1 +     Pr  

−16 / 9

]

2

  0,492  9 / 16    = 1 +    0,7095  

−16 / 9

= 0,3469318

anwendbar, weil: 0,1 ≤ (Ra = 5,9 ⋅1010 ) ≤ 1012

0,1 ≤ (Ra = 3,8 ⋅ 10 9 ) ≤ 1012 0,001 ≤ (Pr = 0,7095) ≤ ∞

0,1 ≤ (Ra = 2,4 ⋅1011 ) ≤ 1012

a) Nu = 0,825 + 0,387 ⋅ 0,3753977 ⋅ 1010 ⋅ 0,3469318

(

)

1/ 6 

2

(

)

2

(

)



b) Nu = 0,825 + 0,387 ⋅ 5,8655882 ⋅ 1010 ⋅ 0,3469318 



1/ 6 

c) Nu = 0,825 + 0,387 ⋅ 24,0254528 ⋅1010 ⋅ 0,3469318 



1/ 6 



2

= 185,3385883 = 442,9359759 = 697,10907

6. Wärmeübergangskoeffizient aus Definition (3-6) h1 = 1,0 m

α = Nu ⋅

h2 = 2,5 m

α = Nu ⋅

h3 = 4,0 m

α = Nu ⋅

λ l1*

λ l 2*

λ l3*

= 185,3385834 ⋅

0,02512 W/(m K) W = 4,66 2 1,0 m m K

= 442,9359759 ⋅

0,02512 W/(m K) W = 4,45 2 2,5 m m K

= 697,10907 ⋅

0,02512 W/(m K) W = 4,38 2 4,0 m m K

Die ermittelten Wärmeübergangskoeffizienten entsprechen den in Tabelle 3-1 aufgeführten Erfahrungswerten. Durch den Einfluss der sich mit zunehmender Wandhöhe stärker ausbildenden Grenzschicht nimmt der Wärmeübergangskoeffizient Fenster/Umgebung ab. Wärmeverluste an die Umgebung: Q = α ⋅ A ⋅ (tW − t ∞ )

mit A = b ⋅ h

W a) Q = 4,66 2 ⋅ 2,5 m ⋅ 1,0 m ⋅ (25 °C − (−5 °C)) = 349,5 W m K

W b) Q = 4,45 2 ⋅ 2,5 m ⋅ 1,0 m ⋅ (25 °C − (−5 °C)) = 333,75 W m K

W c) Q = 4,38 2 ⋅ 2,5 m ⋅ 4,0 m ⋅ (25 °C − (−5 °C)) = 1314 W m K

Die Einbauform (hochkant oder quer) hat einen deutlich geringeren Einfluss auf die konvektiven Wärmeverluste als die Fenstergröße. Praktisch sind aber auch noch die bei Sonnenschein möglichen solaren Gewinne zu bilanzieren, die mit größeren Fenstern steigen. Nachts sollten dann durch zusätzliche Wärmewiderstände (Vorhänge und Fensterläden) die höheren konvektiven Wärmeverluste so weit wie möglich gemindert werden.

154

3 Wärmeübergang durch Konvektion

Aufgabe 3-4: Freie und Mischkonvektion an geneigten Wänden Die Glasabdeckung eines Solarflachkollektors mit einer Neigung von 60° gegenüber der Vertikalen sei 2,5 m lang und 1 m breit. Sie besitze eine einheitliche Oberflächentemperatur von 25 °C, die Lufttemperatur betrage –5 °C. a) Wie hoch ist der Wärmeverluststrom der Kollektorfläche durch freie Konvektion bei ruhender Luft? b) Wie hoch ist der Wärmeverluststrom der Kollektorfläche, wenn Wind mit einer Geschwindigkeit von 0,9 m/s den Kollektor von unten nach oben überströmt?

Gegeben: tW = 25 °C

l* = 2,5 m

t∞ = –5 °C

γ = 60°

Vorüberlegungen: Für die Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten α folgen wir dem in Kapitel 3.3 vorgestellten allgemeinen Lösungsschema. Bei den Stoffwerten und den dimensionslosen Kennzahlen greifen wir teilweise auf Ergebnisse der Aufgabe 3-2 zurück. Die Wärmeverluste durch Konvektion über der Kollektorabdeckung berechnen wir mit Q = α ⋅ A ⋅ (tW − t ∞ ) . Lösung: a) freie Konvektion Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten 1. Stoffwerte für trockene Luft aus Tabelle 7.6-5 bei der Bezugstemperatur tB = 10 °C λ = 0,02512 W/(m K) ν = 144,0·10–7 m2/s Pr = 0,7095 β ( −5 °C) =

2. 3.

1 1 = = 0,003729 K -1 T∞ 268,15 K

Hier liegt nach Aufgabenstellung eine freie Konvektion an einer geneigten Wand vor. Es entsteht eine Auftriebsströmung nach oben an einer beheizten, geneigten Wand. Zunächst entsteht dabei eine laminare, anschließend im Bereich Rakrit ist mit Turbulenz und Ablösung der Grenzschicht zu rechnen. Ra krit = 10 8,9−0,00178⋅γ

1,82

= 10 8,9−3,06658913 = 681.417,1921

Ra ≈ 6,8 ⋅ 10 5

4. Für die freie Konvektion ist die Rayleigh-Zahl relevant. Aus Aufgabe 3-2 können wir übernehmen l * = h = 2,5 m : Ra = 0,3753977 ⋅ 1010 ⋅ {2,5}3 = 5,8655882 ⋅ 1010 Ra ≈ 5,9 ⋅ 1010 5. Auswahl der Nußelt-Korrelation Wegen Ra > Rakrit ist Korrelation (3-17) zu wählen. Nu Wand = 0,56(Ra krit ⋅ cos γ )1/ 4 + 0,13(Ra 1 / 3 − Ra 1/3 krit ) Nu Wand = 0,56 (681.417,19 21 ⋅ cos 60 °)1 / 4 + 0,13((5,8655882 ⋅ 10 10 )1 / 3 − 681.417,19 211/3 ) Nu Wand = 507,1935576

6.

Errechnung des Wärmeübergangskoeffizienten aus Definition (3-6) α = Nu ⋅

λ l*

= 507,1935576 ⋅

0,02512 W/(m K) W = 5,10 2 2,5 m m K

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

155

W Verlustwärmestrom: Q = α ⋅ A ⋅ (tW − t ∞ ) = 5,10 2 ⋅ 1 m ⋅ 2,5 m ⋅ (25 °C − (−5 °C)) = 382,5 W m K

Bemerkenswert ist, dass die Wärmeverluste der geneigten gegenüber der vertikalen Wand (siehe vorherige Aufgabe) noch einmal zunehmen. Ursache ist die sich im Fall der geneigten Wand ablösende Grenzschicht mit zusätzlichen Turbulenzen. b) Mischkonvektion Ermittlung des Wärmeübergangskoeffizienten 1. Stoffwerte für trockene Luft aus Tabelle 7.6-5 bei der Bezugstemperatur tB = 10 °C λ = 0,02512 W/(m K) ν = 144,0·10–7 m2/s Pr = 0,7095 β ( −5 °C) =

2.

1 1 = = 0,003729 K -1 T∞ 268,15 K

c = 0,9 m/s

Nach Aufgabenstellung liegt eine Mischkonvektion an einer geneigten Wand vor. Ar =

Gr Ra 5,8655882 ⋅ 1010 = = ≈ 3,386 2 2 Re Pr ⋅ Re 0,7095 ⋅ 156.250 2

0,225 < Ar =3,386 < 10 ist eine Bestätigung für das Vorliegen der Mischkonvektion 3.

Re =

c ⋅ l*

ν

=

0,9 m/s ⋅ 2,5 m = 156.250 144,0 ⋅ 10 -7 m 2 /s

Re ≈ 1,6 ⋅ 10 5

Mit Re ≈ 1,6 ⋅ 10 5 liegt hier die durch den Wind indizierte Strömung im Übergangsbereich zwischen laminarer und turbulenter Strömung, so dass wir auf die aufwändige Korrelation (3-33) in Verbindung mit (3-31) und (3-32) zurückgreifen müssen. 4. Für die Mischkonvektion sind die Reynolds- und Prandtl-Zahl relevant. Re = 156.250 Pr = 0,7095/ Nu frei = 507,1935576 schon berechnet in a) 5. Auswahl der Nußelt-Korrelation für Mischkonvektion: Gleichung (3-35) „+“ für gleichgerichtete Mischkonvektion Nu Misch = 3 Nu 3erzw + Nu 3frei anwendbar, weil 0,1 ≤ Pr ≤ 100

T 2 + Nu 2tur ⋅  ∞ Nu erzw = Nu lam  TW

   

0,12

Nu lam = 0,664 ⋅ Re ⋅ 3 Pr = 0,664 ⋅ 156.250 ⋅ 3 0,7095 = 234,0968441

(3-31)

0,8

Nu tur =

0,037 ⋅ Re ⋅ Pr 1 + 2,443 ⋅ Re −0,1 ⋅ (Pr 2 / 3 − 1)

Nu tur =

0,037 ⋅ 156.250 0,8 ⋅ 0,7095 = 441,9284513 1 + 2,443 ⋅ 156.250 −0,1 ⋅ (0,7095 2 / 3 − 1)

 268,15 K  Nu erzw = 441,9284513 2 + 234,09684412 ⋅    298,15 K 

(3-32)

0,12

= 493,7780926

Nu Misch = 3 493,7780926 3 + 507,1935576 3 = 630,6858687

6.

Errechnung des Wärmeübergangskoeffizienten aus Definition (3-6) α = Nu ⋅

λ l*

= 630,6858687 ⋅

0,02512 W/(m K) W = 6,34 2 2,5 m m K

156

3 Wärmeübergang durch Konvektion

W Verlustwärmestrom: Q = α ⋅ A ⋅ (tW − t ∞ ) = 6,34 2 ⋅1 m ⋅ 2,5 m ⋅ (25 °C − ( −5 °C)) = 475,5 W m K

Ein ganz leichter Wind führt schon zu einer deutlichen Steigerung des Wärmeübergangskoeffizienten und damit zu höheren Wärmeverlusten (fast 25 %).

Aufgabe 3-5: Erzwungene Konvektion bei in einem Rohr strömenden heißen Wassers In einer 3 m langen Rohrleitung, die über einen Innendurchmesser von 15 mm verfügt, ströme heißes Wasser mit einer Geschwindigkeit von 1,2 m/s. Das Wasser tritt mit 77 °C in die Rohrleitung ein und verlasse diese mit einer Temperatur von 73 °C. Die mittlere Temperatur an der Innenwand des Rohres sei zunächst unbekannt und werde aufgrund der thermischen Verhältnisse auf 70 °C geschätzt. a) Ermitteln Sie den Wärmeverlust über die gesamte Rohrlänge in W! b) Welche Innenwandtemperatur liegt tatsächlich vor?

Gegeben: di = 0,015 m l=3m tW = 70 °C (geschätzt)

c = 1,2 m/s

tE = 77 °C

tA = 73 °C

Vorüberlegungen: Für den Wärmeverlust gilt die Energiebilanz unter Verwendung von (3-1b): m W ⋅ cW ⋅ Δt = α i ⋅ Ai ⋅ Δt m ↔

ρW ⋅ c ⋅

π 4

d i2 ⋅ (t E − t A ) = α i ⋅ π ⋅ d i ⋅ l ⋅

(tW − t E ) − (tW − t A ) (t − t E ) ln W (tW − t A )

Der rechte Term der Energiebilanz ist aus den gegebenen Größen explizit bestimmbar, der linke Term enthält mit dem Wärmeübergangskoeffizienten αi und der mittleren Temperaturdifferenz Δtm zwei von der Wandtemperatur tW abhängige Größen. Die Wandtemperatur kann deshalb nur iterativ (mit einer Fixpunktiteration) gelöst werden. Die benötigten Stoffwerte für Wasser sind aus Tabelle 7.6-4 für die mittlere Fluidtemperatur tB = (tE + tA)/2 = (77 °C + 73 °C)/2 = 75 °C zu ermitteln: ρ = 974,86 kg/m³ ν = 0,3872·10–6 m²/s Pr(tW = 70 °C) = 2,562

cW = 4,192 kJ/(kg K) Pr = 2,384

λ = 0,66358 W/(m K)

Wegen des zu erwartenden deutlichen Temperaturunterschiedes zwischen mittlerer Fluidtemperatur und Wandtemperatur muss der Einfluss der temperaturabhängigen Stoffwerte auf den dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten berücksichtigt werden durch:  Pr Nu = Nu 0 ⋅ K = Nu 0 ⋅   PrW

   

0, 25

Lösung: a) Wärmeverlust über die Rohrleitung π kg m π J Q V = ρW ⋅ c ⋅ d i2 ⋅ cW ⋅ (t E − t A ) = 974,86 3 ⋅ 1,2 ⋅ ⋅ 0,015 2 m 2 ⋅ 4192 ⋅ 4 K = 3466,39 W 4 s 4 kg K m

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

157

b) Rohrwandinnentemperatur über Wärmeübergangskoeffizient Lösungsschema für Ermittlung Wärmeübergangskoeffizient nach Kapitel 3.3 1. Zusammenstellung der Eingangsgrößen (siehe Gegeben und Vorüberlegungen) 2. Zu untersuchen ist der konvektive Wärmeübergang bei erzwungener Rohrströmung. c ⋅ di

1,2 m/s ⋅ 0,015 m = 46.487,6033 0,3872 ⋅10 −6 m 2 /s

3.

Re =

4. 5.

Re >> 2320 → turbulente voll ausgebildete Rohrströmung Es muss eine mittlere Nußelt-Zahl berechnet werden. Berechnung des dimensionslosen Wärmeübergangskoeffizienten Nu nach (3-29) Nu =

ν

=

  d  2 / 3   Pr 1 +  i   ⋅  ⋅ 1 + 12,7 ⋅ ξ / 8 ⋅ (Pr 2 / 3 − 1)   l    PrW (ξ / 8) ⋅ Re⋅ Pr

   

0 , 25

ξ = (1,8 ⋅ lg Re− 1,5) −2 = 0,020996645

anwendbar, weil 104 ≤ Re = 4,6·104 ≤ 106 und 0,1 ≤ Pr = 2,384 ≤ 1000 1 2  3   2,384  4 0,0026246 ⋅ 46487,6033 ⋅ 2,384 0 , 015 m    = 194,66666 Nu = ⋅ 1 +    ⋅  1 + 12,7 ⋅ 0,05123066 ⋅ (2,384 2/3 − 1)   3 m    2,562   

6.

Wärmeübergangskoeffizient α aus Definition (3-6) α = Nu ⋅

λ di

= 194,66666 ⋅

W 0,66358 W/(m K) ≈ 8612 2 0,015 m m K

Der hier errechnete Wärmeübergangskoeffizient liegt im Erfahrungsbereich von 500 bis 10.000 W/(m² K) nach Tabelle 3-1. Errechnung der Rohrinnenwandtemperatur aus Q = α i ⋅ π ⋅ d i ⋅ l ⋅ (t i − tW ) tW = t i −

Q 3366,39 W = 75 °C − ≈ 72,23 °C αi ⋅π ⋅ di ⋅ l 8612 W/(m 2 K) ⋅ π ⋅ 0,015 m ⋅ 3 m

Interpolation mit Werten aus der Tabelle 7.6-4 liefert: PrW (72,23 °C) = 2,562 +

72,23 °C − 70 °C (2,384 − 2,562) = 2,482 75 °C − 70 °C

 2,384     2,482 

0, 25

= 0,98997931

Mit der verbesserten Wandtemperatur errechnet sich der dimensionslose Wärmeübergangskoeffizient Nu = 196,216674 und damit α ≈ 8680 W/(m² K). Für die mittlere Wandtemperatur folgt daraus: tW = 75 °C −

3366,35 W ≈ 72,26 °C 8680 W/(m 2 K) ⋅ π ⋅ 0,015 m ⋅ 3 m

Aufgabe 3-6: Erzwungene Konvektion bei in einem Rohr strömendem Dampf Durch eine 15 m lange Rohrleitung aus Stahl mit einem Innendurchmesser von 260 mm, strömen 850 ℓ/s Dampf mit einer mittleren Temperatur 262 °C bei einem Druck von 5 bar. Die Rohrwandtemperatur innen betrage im Mittel über die Rohrlänge 258 °C.

158

3 Wärmeübergang durch Konvektion

a) Bestimmen Sie den Wärmeübergangskoeffizienten an der Rohrwand innen! b) Welche Wandtemperatur herrscht unter diesen Bedingungen auf der Außenseite des 4,5 mm starken Rohres aus Stahl, wenn für das Rohrmaterial eine mittlere Wärmeleitfähigkeit von 52 W(m K) angesetzt werden kann? Hinweis: Zur Lösung benötigt man Stoffwerte für Dampf, die hier nach Feststellung der Bezugstemperatur als Auszug aus einer entsprechenden Wasserdampftafel gegeben werden! Gegeben: di = 0,260 m

δ = 0,0045 m ti = 262 °C

V = 0,85 m³/s

λSt = 52 W/(m K) tW,i = 258 °C

l = 15 m

Vorüberlegungen: Außendurchmesser Rohr: da = di + 2·δ = 0,26 m + 0,009 m = 0,269 m Bezugstemperatur für Stoffwerte Dampf: t B = (ti + tW ,i ) / 2 = (262 °C + 258 °C)/2 = 260 °C Wegen ts(5 bar) ≈ 152 °C ist der Dampf überhitzt. Die Stoffwerte entnehmen wir einer Wasserdampftafel mit: v = 0,484135 m³/kg λ = 0,0398 W/(m K) cp = 2,0730 kJ/(kg K) η = 18,58·10–6 kg/s Zur Feststellung der Strömungsform wird die Reynolds-Zahl benötigt, die ihrerseits auch von der Strömungsgeschwindigkeit c abhängt. Aus der Kontinuitätsgleichung ist ableitbar: c=

4 ⋅ V 4 ⋅ 0,85 m³/s m V = = = 16 s Ai π ⋅ d i2 π ⋅ 0,26 2 m²

(c Rekrit = 2320 → turbulent

4. Relevante Kennzahlen Re, Pr 5. Nußelt-Korrelation Nu =

  d 2/ 3  1 +  i   mit ξ = (1,8 ⋅ lg Re − 1,5) −2 anwendbar, weil: ⋅ 1 + 12,7 ξ / 8 ⋅ (Pr 2 / 3 − 1)   l   (ξ / 8) ⋅ Re⋅ Pr

10 4 < Re ≈ 4,6 ⋅10 5 < 10 6

0 ≤ Pr ≈ 0,97 ≤ 1000

d i / l ≈ 0,01734 < 1

Einfluss der Temperaturabhängigkeit der Stoffwerte auf den Wärmeübergang wird hier wegen des geringen Temperaturunterschiedes zwischen Fluid und Wand vernachlässigt! ξ = (1,8 ⋅ lg(462.468,872) − 1,5) −2 = 0,013220449 Nu =

2/3 0,001652556 ⋅ 462.468,872 ⋅ 0,9677   0,26 m   ⋅ 1 +    = 798,0241613 1 + 12,7 ⋅ 0,040651644 ⋅ (−0,02165095)   15 m  

6. Errechnung des Wärmeübergangskoeffizienten α aus der Definition (3-6) α = Nu ⋅

λ di

= 798,0241613 ⋅

0,0398 W/(m K) W ≈ 122 0,26 m m² K

Vom Stoff her ist der überhitzte Dampf Wasser. Dieses Wasser tritt jedoch aufgrund seines thermodynamischen Zustandes als überhitzter Dampf und damit in einer gasähnlichen Form auf. Im Vergleich zu den Erfahrungswerten für den Wärmeübergangskoeffizienten aus Tabelle 3-1 erscheint das Ergebnis deshalb plausibel. b) Bestimmung der Rohrwandtemperatur außen aus der Bedingung Q = konstant : t i − tW ,i Rα ,i

=

tW ,a = tW ,i

tW ,a

tW ,i − tW ,a Rλ

und Rα ,i =

1 αi ⋅ π ⋅ di ⋅ l

Rλ =

ln(d a / d i ) λSt ⋅ 2 ⋅ π ⋅ l

α ⋅ d ⋅ ln(d a / d i ) R − λ (ti − tW ,i ) = tW ,i − i i ⋅ (ti − tW ,i ) Rα ,i λSt ⋅ 2

 269 mm  122 W/(m² K) ⋅ 0,26 m ⋅ ln ⋅4 K  260 mm  ≈ 257,95 °C == 258 °C − 52 W/(m K) ⋅ 2

Aufgabe 3-7: Erzwungene Konvektion bei quer angeströmtem Zylinder Ein 2 m langer Aluminiumdraht von 8 mm Durchmesser besitze anfänglich eine Temperatur von 100 °C werde von Luft mit 20 °C und einer Geschwindigkeit von 7 m/s quer angeströmt. a) Ermitteln Sie einen mittleren Wärmeübergangskoeffizienten für den Wärmeübergang vom Draht an die Luftströmung! Diskutieren Sie die Konstanz des errechneten Wertes in Bezug auf Ort und Zeit!

160

3 Wärmeübergang durch Konvektion

b) Nach ungefähr welcher Zeit hat sich der Draht auf die Hälfte des Ursprungswertes abgekühlt? Gegeben: Temperaturen: tA = 100 °C Draht: d = 0,008 m ρAl = 2700 kg/m3

tE = 50 °C l=2m cAl = 888 J/(kg K)

t∞ = 20 °C λAl = 237 W/(m K)

Vorüberlegungen: Die Strömungsverhältnisse für den quer angeströmten Zylinder sind nicht einfach zu beschreiben. Es empfiehlt sich daher, auf die Betrachtung der örtlichen Verteilung des Wärmeübergangskoeffizienten zu verzichten und eine Nußelt-Korrelation für einen mittleren Wert auszuwählen. Für die Beantwortung von (b) ist zu prüfen, ob der Draht eine Blockkapazität darstellt und seine Temperatur an jedem Ort tatsächlich nur eine Funktion der Zeit ist. Dazu muss der Wärmewiderstand des Drahtes deutlich niedriger als der der Luft sein. Zum Nachweis verwenden wir die Biot-Zahl mit der Forderung Bi = α·d/λAl < 0,15. Lösung: a) Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten nach Lösungsschema in Kapitel 3.3 1. Neben den gegebenen Eingangsgrößen sind die Stoffwerte für Luft nach Tabelle 7.6-5 bei der Bezugstemperatur tB = (tA + t∞)/2 = (100 °C + 20 °C)/2 = 60 °C zu bestimmen: λ = 0,0288 W/(m K) ν = 192,2·10–7 m2/s Pr = 0,7035 PrW = 0,7004 2. Der Draht (geometrisch Zylinder) wird durch erzwungene Konvektion gekühlt. Die Luft als das beteiligte Fluid heizt sich auf. Die charakteristische Länge ist der Zylinderdurchmesser l* = d. 3. Es liegt eine Zylinderumströmung vor, die im Bereich 5 < Re < 40 laminar und im Bereich 300 < Re < 300.000 voll turbulent ist. 4. Für die erzwungene Konvektion ist die Reynolds- und die Prandtl-Zahl relevant. Re =

c⋅d

ν

=

7 m/s ⋅ 0,008 m = 2913,6316 voll turbulent, weil 300 < Re ≈ 2913 < 300.000 192,2 ⋅10 −7 m 2 /s

5. Verwendung der Nußelt-Korrelation (3-34b) mit c = 0,26 m = 0,6 n = 0,35 und p = 0,25  Pr Nu m = 0,26 ⋅ Re 0,6 ⋅ Pr 0,37 ⋅   PrW

6. α = Nu ⋅

λ d

= 27,39058702 ⋅

   

0, 25

 0,7035  = 0,26 ⋅ 2913,6316 0,6 ⋅ 0,70350,37 ⋅    0,7004 

0, 25

= 27,39058702

0,0288 W/(m K) W = 98,6 2 0,008 m m K

Der hier ermittelte Wert ist als mittlerer Wert an jeder Stelle der Drahtoberfläche gültig. In Bezug auf die Abkühlzeit ist der Wärmeübergangskoeffizient jedoch nicht konstant, für eine genauere Rechnung müsste man die sich verringernde Oberflächentemperatur mit den Konsequenzen für die Stoffwerte der Luft berücksichtigen.

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

161

b) Bestimmung der Abkühlzeit auf 50 °C 1. Schritt: Prüfung, ob Draht unter diesen Bedingungen Blockkapazität ist Bi =

α ⋅ d 98,6 W/(m 2 K) ⋅ 0,008 m = ≈ 0,0033 17

kW m2

→ Blasensieden

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

163

c) Temperatur tW am Boden des Topfes über Wärmeübergangskoeffizient nach (3-41): α = 0,274 ⋅ {q}0,75 ⋅ {p}0, 25 = 0,274 ⋅ 117,89255 0,75 ⋅ 10, 25 = 9,803 → α = 9.803 W/(m 2 K)

Der errechnete Wärmeübergangskoeffizient liegt im Erfahrungsbereich nach Tabelle 3-1. q = α ⋅ (t s ( p ) − tW )

→ tW = t s ( p ) +

q

α

= 99,6059 °C +

117,89255 kW/m 2 ≈ 111,6 °C 9,803 kW/(m 2 K )

Das Blasensieden tritt hier bei einer Übertemperatur von ca. 12 K auf. d) Zeit für vollständige Verdampfung Die Verdampfung findet bei konstant bleibender Siedetemperatur statt, der Edelstahltopf nimmt nach Erreichen der Siedetemperatur keine Wärme mehr auf. Q = mW ⋅ r ( p) = 0,9997 kg ⋅ 2257,51 kJ/kg = 2256,83 kJ

2256,83 kJ Q = = 1074,68 s ≈ 18 Minuten  (3 − 0,9) kW Pel − QV

e) Kritische Wärmestromdichte für Wasser nach verschiedenen Korrelationen empfohlene Korrelation (3-44): q krit = 0,145 ⋅ r ⋅ ρ D ⋅ 4 g ⋅ σ ⋅ ( ρ F − ρ D ) q krit = 0,145 ⋅ 2257,51 q krit = 1219,3

kJ kg m N kg ⋅ 0,590312 3 ⋅ 4 9,80665 2 ⋅ 0,0588 ⋅ (958,635 − 0,590312) 3 kg m m s m

kW m2

Korrelation (3-43) informativ: q krit = 0,144 ⋅ r ⋅ ( ρ F − ρ D ) ⋅ ρ D ⋅ 4 ( g ⋅ σ ) / ρ F ⋅ Pr −0, 245 q krit = 0,144 ⋅ 2257,51

kJ kg kg 9,80665 m/s 2 ⋅ 0,0588 N/m ⋅ (958,635 - 0,590312) 3 ⋅ 0,590312 3 ⋅ 4 ⋅1,761−0, 245 kg m m 958,635 kg/m 3

q krit = 1053,96

kW m2

Zur Vermeidung einer Siedekrise erster Art muss die Anschlussleistung der Herdplatte kleiner sein als: Pel = Q = q krit ⋅

π 4

d 2 = 1219,3

kW π ⋅ ⋅ 0,18 2 m 2 = 31,03 kW m2 4

164

3 Wärmeübergang durch Konvektion

Aufgabe 3-9: Wärmeübergangskoeffizient an Verdampferheizfläche In einem Verdampfer wird 600 °C heißes Rauchgas eingesetzt, um an einer ebenen Heizfläche trocken gesättigten Dampf von 2 bar zu erzeugen. Die Heizfläche besteht aus einem 3 mm starken Stahlblech mit einer Wärmeleitfähigkeit von 52 W/(m K). Rauchgasseitig wurde der Wärmeübergangskoeffizient an der Heizfläche mit 80 W/(m² K) ermittelt. Wie groß ist der Wärmeübergangskoeffizient auf der Wasserseite der Heizfläche beim Verdampfen und welche Heizflächenbelastung in kW/m² wird dann erreicht?

Gegeben: tR = 600 °C

αR = 80 W/(m K)

δSt = 0,003 m

λSt = 52 W/(m K)

Vorüberlegungen: Die Siedetemperatur beim Siededruck von 2 bar beträgt ts(p) = 120,212 °C (siehe Band I, Tabelle 9-16). Für die konstante Heizflächenbelastung q ergeben sich mit der Reihenschaltung der einzelnen Wärmewiderstände zum auf die Heizfläche bezogenen Gesamtwiderstand RW* und den Bezeichnungen tW,W für Wandtemperatur Heizfläche Wasser sowie tW,R für Wandtemperatur Heizfläche Rauchgas folgende Beziehungen (vergleiche auch Kapitel Wärmedurchgang): q =

t R − t s ( p) 1

αW

δ 1 + St + λ St α R

=

Δt ges RW*

=

tW ,W − t s ( p ) tW , R − tW ,W t R − tW , R = = 1 1 δ St

αW

λ St

αR

Überschlägig kann man davon ausgehen, dass der Wärmeübergangswiderstand an der wasserseitigen Heizflächenwand wegen der nach Tabelle 3-1 zwischen 1.500 W/(m² K) und 20.000 W/(m² K) liegenden, hohen Werte für αW vernachlässigbar klein ist. Mit einem Schätzwert für αW von 5.000 W/(m² K) können wir für die Heizflächenbelastung einen Näherungswert berechnen zu q =

Δt ges 1

αW

δ 1 + St + λ St α R

=

479,788 K W = 37.607,74194 2 1 m² K 0,003 m ⋅ m K 1 m² K m + + (5.000) W 52 W 80 W

Wegen q > 17 kW/m 2 ist an der Heizfläche von Blasensieden auszugehen und für den wasserseitigen Wärmeübergangskoeffizienten Gleichung (3-42) anzusetzen: {α W } = 5,65 ⋅ {ΔtW }3 ⋅ {p} mit αW in W/(m² K) und p in bar Lösung: Unter Verwendung von ΔtW = tW,W – ts(p) können wir wegen der Beziehungen zwischen jeweiliger Temperaturdifferenz und zugehörigen Wärmewiderständen für die bei Reihenschaltung konstant bleibende Heizflächenbelastung schreiben: q = α W ⋅ ΔtW =

Δt ges − ΔtW

δ St 1 + λ St α R

oder 5,65 ⋅ {ΔtW }3 ⋅ {p}⋅ ΔtW =

Δt ges − ΔtW

δ St 1 + λ St α R

3.4 Verstehen durch Üben: Wärmeübergang

165

Einsetzen der gegebenen Zahlenwerte führt auf die Gleichung: 5,65 ⋅ {ΔtW }4 =

479,788 − {ΔtW } oder 11,3 ⋅ {ΔtW }4 + 79,6324655 ⋅ {ΔtW } − 38.206,7 = 0 0,003 1 + 52 80

Zur numerischen Lösung dieser Gleichung verwendet man vorteilhaft das Newtonʼsche Näherungsverfahren mit ΔtW( n +1) = ΔtW( n ) −

f (ΔtW( n ) ) f ′( ΔtW( n )

mit

f ( ΔtW ) = 11,3 ⋅ ΔtW4 + 79,6324655 ⋅ ΔtW − 38.206,7 f ′(ΔtW ) = 45,2 ⋅ ΔtW3 + 79,6324655

Für den Startwert n = 0 ist aus den Vorüberlegungen ΔtW( 0) = 7,5 K zu übernehmen. Schon nach zwei Iterationen erreicht man den hinreichend genauen Wert von ΔtW ≈ 7,605 K . Eingesetzt in (3-42) erhält man für den wasserseitigen Wärmeübergangskoeffizienten

{α W } = 5,65 ⋅ {ΔtW }3 ⋅ {p} = 5,65 ⋅ 7,6053 ⋅ 2 ≈ 4.970

α W ≈ 4.970 W/(m 2 K )

Die Heizflächenbelastung kann nun unter Verzicht auf Schätzwerte bestimmt werden zu q = α W ⋅ ΔtW = 4.970 W/(m 2 K) ⋅ 7,605 K ≈ 37.797 W/m 2

Bei vollständiger Vernachlässigung des Wärmeübergangswiderstandes an der Wasserseite ergibt sich eine Heizflächenbelastung von q ≈ 38.208 W/m 2 . Der relative Fehler für diese Vereinfachung beträgt danach also knapp 1,1 %.

4

Wärmedurchgang

4.1

Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten

Oft ist die Aufgabe gestellt, einen Wärmestrom zu berechnen, der von einem wärmeren Fluid durch eine feste Wand hindurch an ein kälteres Fluid übertragen wird. Dabei muss die Wärme zunächst vom wärmeren Fluid auf die Wand übergehen, in der Wand durch Leitung transportiert und schließlich von der Wand auf das kältere Fluid übertragen werden. Anstelle der Einzelvorgänge wird der gesamte als Wärmedurchgang bezeichnete Wärmetransport so betrachtet, dass die dabei oft unbekannten Wandtemperaturen nicht in Erscheinung treten. In Abbildung 4-1 ist der sich dabei einstellende Temperaturverlauf qualitativ für den nachfolgend immer als stationär betrachteten Vorgang dargestellt.

Abb. 4-1:

Wärmedurchgang als Kombination aus Wärmeübergang, Wärmeleitung und Wärmeübergang.

Für den beim Wärmedurchgang infolge des Temperaturgefälles zwischen den Fluidtemperaturen innen und außen (ti und ta) induzierten Wärmestrom kann in Anlehnung an den Ansatz (3-1a) sowie Definition (3-3) geschrieben werden t −t Δt Q = k ⋅ A ⋅ (t i − t a ) = i a = 1 /(k ⋅ A) Rk

so dass man damit zwei neue Größen definiert: • Wärmedurchgangskoeffizient k [k] = 1 W/(m² K) • Wärmedurchgangswiderstand Rk [Rk] = 1 K/W

(4-1)

(wie α)

Der Wärmedurchgangskoeffizient k besteht demnach aus drei Anteilen. • einem vom Wärmeübergang des wärmeabgebenden Fluids an die Wand bestimmten Anteil • einem vom Wärmeübergang von der Wand an das wärmeaufnehmende Fluid bestimmten Anteil • einem nur von den Eigenschaften der festen Trennwand bestimmten Anteil DOI 10.1515/9783110411294-005

4.1 Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten

167

Der Wärmedurchgangswiderstand Rk ist gleich der Summe der am Wärmedurchgang beteiligten und in Reihe geschalteten Wärmewiderstände Rk = Rα ,i + Rλ + Rα ,a .

(4-2)

Die Verwendung von Gleichung (4-1) erfordert wegen der Temperaturänderungen in den Grenzschichten eine Präzisierung der betreffenden Temperaturbegriffe. Als kalorische Mitteltemperaturen (auch adiabate Mischungstemperaturen) ti und ta werden diejenigen Temperaturen definiert, die man bei guter Durchmischung des Fluids messen könnte. Rechnerisch erhält man die kalorische Mitteltemperatur, wenn man sie über alle lokalen Energieströme im Strömungsquerschnitt integriert. Für ebene Wände, die in allen N Schichten die konstante Wandfläche A aufweisen, folgt für die Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten k aus Q = k ⋅ A ⋅ (t i − t a ) =

k=

ti − t a = Rα ,i + Rλ + Rα ,a

ti − t a 1 1 + αi ⋅ A A

N

δn 1 + λ α a ⋅A n =1 n



1  1  +  αi 

N

δn 1 + λ αa n =1 n



(4-3a)

(4-4a)

   

Bei Zylindern und Kugeln ist die Fläche A = A(r), so dass man sich bei Anwendung von Gleichung (4-3) für die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten k die zu den jeweiligen Wärmewiderständen gehörigen Flächen durch Indizes kennzeichnen und sich für eine Bezugsfläche entscheiden muss. Meist wählt man dazu die Außenfläche Aa. Für Zylinder mit N Schichten folgt unter Rückgriff auf die schon in Kapitel 2.3.2 verwendete Substitution für den Übergang von kartesischen Koordinaten zu Zylinderkoordinaten x = ln r und aus (4-2a) δ = x a − xi = ln ra − ln ri = ln Q = k a ⋅ Aa ⋅ (t i − t a ) =

ra sowie für den Wärmeleitwiderstand (2-16b) ri ti − t a

1 + α i ⋅ Ai

N +1

 n =1

r 1 1 ln n +1 + 2π ⋅ l ⋅ λn rn α a ⋅ Aa

(4-3b)

Ein Koeffizientenvergleich liefert die Berechnungsvorschrift für den auf die Außenfläche bezogenen Wärmedurchgangskoeffizienten ka (beachte: ra = rN+1!) ka =

ka =

1 N +1 Aa ra r 1 + ⋅ ln n +1 + α i Ai n=1 λn rn αa



1 ra + α i ri

N +1

ra

n =1

n

λ

⋅ ln

rn +1 1 + rn αa

=

1 da + αi di

N +1

 n =1

da d 1 ⋅ ln n+1 + 2 ⋅ λn dn αa

(4-4b)

168

4 Wärmedurchgang

Für Kugeln folgt analog aus der Substitution für den Übergang von kartesischen Koordinaten zu Kugelkoordinaten x = 1/r sowie aus (4-2a) in Verbindung mit dem Wärmeleitwiderstand (2-17b) (beachte: ra = rN+1!) ka =

ra2

α i ⋅ ri2

+

N +1

 n =1

1 1 = (4-4c) N +1 2 2 1 1 1 da da  1 1  1 +  − +  − + λn  ri ra  α a α i ⋅ d i2 n =1 2 ⋅ λn  d i d a  α a ra2



Die Gleichungen (4-3) und (4-4) setzen für den jeweiligen Wärmedurchgang voraus, dass zwischen den Schichten zusätzlich kein thermischer Kontaktwiderstand auftritt. Bei einem engen Kontakt der Wandschichten wird dies vom Grundsatz her erfüllt. Bei weniger gut wärmeleitenden Baumaterialien ist die Berücksichtigung eines Kontaktwiderstandes infolge dünner Luftspalte zwischen den Schichten in der Regel nicht erforderlich. Für Brennelemente in Kernreaktoren verpresst man aber den sehr kleinen Spalt zwischen Uranzylinder und Brennelementhülle zur Verminderung des Kontaktwiderstandes mit sehr gut wärmeleitendem Helium (Vergleiche Tabelle 1-10 zur Wärmeleitfähigkeit von Helium und Luft). Dünne, den Wärmedurchgang behindernde Luftspalte zwischen Bauteilen in Anlagen werden manchmal mit Kunstharz ausgegossen, um den Kontaktwiderstand herabzusetzen. Dämmstoffe für kältetechnische Anwendungen sollten wegen kondensierender Luftfeuchtigkeit stets nur über abgeschlossene Hohlräume oder über eine solide Dampfsperre verfügen. Weisen die Einzelwiderstände im Wärmedurchgangswiderstand Rk nach Gleichung (4-2) erhebliche Größenunterschiede auf, bestimmt der größte Teilwiderstand die Höhe von Rk. In den meisten praktischen Situationen dominiert einer der beiden Wärmeübergangswiderstände. Unterscheiden sich also die Wärmeübergangskoeffizienten αi und αa deutlich voneinander, hat der größere von beiden auf die Höhe des Wärmedurchgangskoeffizienten k gemäß den Formeln (4-4) kaum Einfluss. Der Wärmedurchgangskoeffizient k ist immer kleiner als der kleinste der beiden Wärmeübergangskoeffizienten. Der entscheidende Einfluss auf die Höhe des Wärmedurchgangskoeffizienten k geht immer vom größten der in Reihe geschalteten Wärmewiderstände aus. So kann der Wärmedurchgangskoeffizient k für Dampferzeugerrohre, in denen innen fließendes Wasser durch außen anliegende Rauchgase verdampft wird, durch k ≈ αRauchgas abgeschätzt werden, die anderen Wärmewiderstände spielen im Vergleich zu diesem kaum eine Rolle. Die Effizienz von Wärmeübertragern steigt mit verbessertem Wärmedurchgang. Die Bemühungen dazu müssen auf der Seite mit dem niedrigeren Wärmeübergangskoeffizienten ansetzen. Neben Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit oder dem Einbau von Turbulenzeinrichtungen kann die Vergrößerung der Heizfläche durch Rippen oder Nadeln sinnvoll sein. In Wärmeübertragern kann eine Verschmutzung durch Kesselstein oder Ruß eine erhebliche Verschlechterung des Wärmedurchgangs verursachen. Bei Rohrleitungen hingegen versucht man zum Schutz vor Wärmeverlusten bewusst, den Wärmedurchgang durch Aufbringen einer zusätzlichen Isolierschicht zu behindern. Jede auf einer ebenen Wand aufgebrachte Isolierschicht der Stärke δ führt zu einer Erhöhung des Gesamtwärmewiderstandes und damit zur Verringerung von Wärmeverlusten. Eine auf einen Zylinder oder eine Kugel aufgebrachte Isolierschicht der Stärke δ = ra – ri kann jedoch den Wärmestrom auch erhöhen, weil der die Wärmeverluste vermindernde Wärmeleitwiderstand mit der Isolierdicke wächst, gleichzeitig aber die für den Wärmeübergang an der Außenwand zur Verfügung stehende Fläche zunimmt. Solange der äußere Wärmeübergangswi-

4.1 Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten

169

derstand Rα,a den thermischen Gesamtwiderstand dominiert, erhöhen sich die Wärmeverluste mit dem durch die Isolierung zunehmenden Außendurchmesser. Für die Berechnung eines Wärmestroms durch ein dünnwandiges Rohr, das mit einer Isolierschicht der Stärke δ versehen wurde, kann man oft den inneren Wärmeübergangswiderstand und den Wärmeleitwiderstand des Rohrmaterials vernachlässigen. So entsteht aus Q = k a ⋅ 2π ⋅ ra ⋅ l ⋅ (t i − t a ) =

2π ⋅ ra ⋅ l ⋅ Δt ra , Rohr ra ra r r 1 + + a ln a + ln α i ri , Rohr λ Rohr ri , Rohr λiso ri ,iso α a

mit Rα,i → 0, wenn α → ∞ und Rλ,Rohr → 0, wenn ra,Rohr ≈ ri,Rohr. Für ra = ri,iso + δiso folgt dann Q =

2π ⋅ ra ⋅ l ⋅ Δt 2π ⋅ l ⋅ λiso ⋅ Δt = . ra ra 1   λiso + ln 1 + δ iso  + ln λiso ri ,iso α a  ri ,iso  δ   α a ri ,iso (1 + iso ) ri ,iso

Setzt man zur Vereinfachung darüber hinaus noch C = 2·π·l·λiso·Δt entsteht die Funktion    δ Q = C ⋅ ln1 + iso   ri ,iso   

   λ iso  +   δ iso  α a ri ,iso (1 + ) ri ,iso 

−1

= Q (δ iso )

Nach den Regeln der Kurvendiskussion steigt der Wärmestrom mit zunehmender Isolierstärke so lange, wie dQ / dδ > 0 .  −2          δ λiso α a ⋅ λiso dQ  1    1  ⋅ ⋅ − = − C ⋅  ln(1 + iso ) + δ iso    δ iso ri ,iso dδ  ri ,iso  δ  )   1+ α a ri ,iso (1 +  (α a ri ,iso ) 2 ⋅ 1 + iso ri ,iso    ri ,iso    r    i ,iso 

    2        

Zur Interpretation des zunächst sperrigen Ausdrucks halten wir fest, dass der linke in eckigen Klammern stehende Term stets negativ ist. Für dQ / dδ > 0 muss also auch der rechte in eckigen Klammern stehende Term negativ sein und mit ra = ri,iso + δiso folgt: 1 1+

δ iso ri ,iso



1 ri ,iso


2 λ1 ⋅ TE 113,2755 ⋅10 −6 m K

v2 =

c2 1,43876866 ⋅10 −2 m K = 19,58147776 > 2 = λ2 ⋅ TE 734,76 ⋅10 −6 m K

∞ − iv Damit ist die Reihe F0−λT = 154  e 4 ([(i ⋅ v + 3) ⋅ i ⋅ v + 6]⋅ i ⋅ v + 6) anzuwenden. Für v1 ergeben

π

i =1

i

sich Werte, für die man dann F0−λ1T ≈ 0 ansetzen kann, für v2 benötigt man von obiger Reihe gleichfalls nur das erste Glied. Es ergibt sich ein Wert von F0−λ21T ≈ 4,235 ⋅10 −6 d ⋅ ( F0−λ2 − F0−λ1 ) = 0,93 ⋅ (4,235 ⋅10 −6 − 0) = 3,94 ⋅ 10 −6

Das bedeutet, dass etwa 0,0004 % der von den Festkörpern im Treibhaus ausgehenden Strahlung das Treibhaus im Wege der Temperaturstrahlung wieder verlassen kann. Aus der Differenz zum durchgelassenen Anteil der Solarstrahlung ergibt sich die meist sehr deutliche Aufwärmung. Die infolge des Wärmedurchgangs auftretenden Verluste infolge hoher Lufttemperatur im Inneren und niedrigerer Lufttemperatur in der Umgebung spielen dann vor allem bei ausbleibender Solarstrahlung (zum Beispiel in der Nacht) eine Rolle. Der hier angedeutete Effekt wird auch bewusst bei der Solarthermie, also der Gewinnung von Wärme durch solare Strahlung, genutzt. Die Solarthermie kann einen höheren Anteil des Sonnenspektrums nutzen als die Fotovoltaik.

Aufgabe 5-6: Solarkollektor Ein einfach aufgebauter Solarkollektor bestehe aus einer rückseitig isolierten schwarzen Absorberfläche (ε ≈ 1) und einer parallel dazu angeordneten dünnen, schützenden Glasscheibe, die für die auftreffende Solarstrahlung im Wellenlängenbereich sichtbares Licht vollkommen durchlässig, für die von der Absorberfläche ausgehende langwellige Wärmestrahlung absolut undurchlässig sei (Idealisierung für die Modellbildung!). Der Raum zwischen Absorberfläche und Glasscheibe enthalte Luft. Die konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten zischen Absorberfläche und Luft sowie zwischen Luft und Glas sind jeweils mit

230

5 Wärmestrahlung

2 W/(m² K) anzusetzen. Die Strahlungswärmeübertragung im langwelligen Bereich zwischen Absorberfläche und Glasscheibe soll näherungsweise durch einen äquivalenten konstanten Wärmeübergangskoeffizienten von 9 W/(m² K) berücksichtigt werden. Der Wärmeübergang durch Konvektion und Strahlung zwischen Glasscheibe und Umgebungsluft an der Außenwand des Kollektors soll mit dem konstanten Wärmeübergangskoeffizienten von 25 W/(m² K) zusammenfassend berücksichtigt werden. Wärmeverluste nach unten und über die Randflächen des Kollektors sind zu vernachlässigen. Die Sonnenstrahlung treffe mit der konstanten Leistungsdichte von 700 W/m² auf den Kollektor, die Temperatur der Umgebungsluft weise die konstante Temperatur von 10 °C auf. a) Wie hoch ist die maximal an der Absorberfläche auftretende Temperatur tA , wenn dem Kollektor keine Nutzleistung entzogen wird? b) Wie hoch ist dann die Lufttemperatur tL im Inneren des Kollektors? Gegeben: αK = 2 W/(m² K)

αS = 9 W/(m² K) q S = 700 W/m²

αa = 25 W/(m² K)

t∞ = 10 °C

Vorüberlegungen: Die hier gegebene Situation entspricht ungefähr der, mit der üblicherweise der Treibhauseffekt beschrieben wird. Außerdem darf man annehmen, dass in der Glasscheibe praktisch keine Temperaturunterschiede auftreten und kann deshalb von einer einheitlichen Temperatur tG ausgehen (dünnes Glas). Ohne Entnahme von Nutzleistung durch einen Flüssigkeitsstrom in den Rohren auf der Absorberfläche stellt sich ein stationärer Zustand ein, bei dem die eingestrahlte Wärmeleistung den aus konvektiven und durch Wärmestrahlung verursachten Verlustwärmestromdichten entspricht. q S = qV = qV , K + qV ,S

Abb. 5-16: Solarkollektor und Modellskizze zur Ausprägung des stationären Zustands nach Aufgabenstellung.

Für die konvektive Verlustwärmestromdichte qV ,K existiert zwischen Absorberfläche und Glasplatte ein Gleichgewicht, aus dem die unbekannte Lufttemperatur tL im Inneren des Kollektors für die Berechnung zunächst eliminiert werden kann. Glasplatte: qV ,K = α K ⋅ (t L − tG ) Absorberfläche: qV ,K = α K ⋅ (t A − t L ) Aus α K ⋅ (t A − t L ) = α K ⋅ (t L − tG ) folgt t L =

t A + tG α und daraus qV ,K = K ⋅ (t A − tG ) 2 2

5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung

231

Damit ist der konvektive Verlustwärmestrom auf die für den Strahlungsaustausch relevanten Temperaturen tA und tG zurückgeführt. Für die Wärmeverluste durch Strahlung zwischen Absorber- und Glasplatte ist nach Aufgabenstellung vereinfacht anzusetzen: qV ,S = α S ⋅ (t A − tG )

Der Verlustwärmestrom an der Außenseite des Kollektors infolge Konvektion und Wärmestrahlung wird durch den äquivalenten Wärmeübergangskoeffizienten αa bestimmt nach qV = α a ⋅ (t G − t ∞ ) . Lösung: a) maximale Temperatur der Absorberplatte Aus der Bedingung für den stationären Zustand folgt zunächst die nach unterstelltem Modell einheitliche Temperatur der Abdeckplatte des Absorbers aus Glas. q S = qV → q S = α a ⋅ (tG − t ∞ ) → tG = t ∞ +

q S

αa

= 10 °C +

700 W/m² = 38 °C 25 W/(m² K)

Die eingestrahlte Wärmeleistung entspricht im stationären Zustand dem gesamten Verlustwärmestrom aus q S = qV = qV , K + qV ,S → q S = t A = 38 °C +

αK 2

⋅ (t A − tG ) + α S (t A − tG ) → t A = tG +

q S

αK / 2 +αS

700 W/m² = 108 °C (1 + 9) W/(m² K)

b) Lufttemperatur im Inneren des Solarkollektors tL =

t A + tG 108 °C + 38 °C = = 73 °C 2 2

Kommentar: An allen relevanten Flächen des Solarkollektors treten Konvektion und Strahlung gemeinsam auf. Der Anteil der Wärmeübertragung durch Strahlung ist hier ausschließlich über entsprechende Äquivalenzzuschläge zum Wärmeübergangskoeffizienten α berücksichtigt worden. Es ist daher lehrreich zu prüfen, inwieweit mit den hier getroffenen Ansätzen der Wärmeaustausch zwischen Absorberfläche und Glasabdeckung des Kollektors richtig erfasst wurde. Wir gehen wieder aus von q S = qV = qV , K + qV ,S

→ q S = α K ⋅ (t A − t L ) +

 T  4  T  4  CS ⋅  A  −  G   1 / ε 1 + 1 / ε 2 − 1  100   100    

Für den konvektiven Anteil der Wärmestromverluste errechnet sich damit eine Höhe von qV , K = 2 W/(m² K) ⋅ (108 °C − 73 °C) = 70 W/m²

Für ε1 = 1 und ε2 ≈ 0,95 (Tabelle 7.7-2 enthält für Glas die Werte ε(90 °C) = 0,94 und ε(838 °C) = 0,47), so dass sich für den Strahlungsanteil der Wärmestromverluste ergibt:

[

]

qV ,S = 0,95 ⋅ 5,67 W/(m² K 4 ) ⋅ 3,8115 4 − 3,1115 4 K 4 = 631,94 W/m 2

Die eingestrahlte Leistung von 700 W/m² als Summenwert dieser beiden Anteile wird ganz gut erreicht, so dass die Rechnung mit obigen Annahmen gut plausibilisiert ist.

232

5 Wärmestrahlung

Aufgabe 5-7: Graue Strahlung nach Stefan-Boltzmannʼschen Gesetz Eine flach geöffnete Hand (modelliert als Kreisscheibe mit 12 cm Durchmesser) befinde sich in 10 cm Abstand über einer Herdplatte mit 20 cm Durchmesser und einer Temperatur von 500 °C. Das Emissionsverhältnis der Herdplatte betrage 0,7. Welche Wärmeleistung in W wird empfängt die Hand von der Herdplatte und welches Wärmeempfinden stellt sich ein?

Gegeben: Herdplatte: Geometrie:

T1 = 773,15 K r1 = 0,1 m

ε1 = 0,9 r2 = 0,06 m

h = 0,1 m

Vorüberlegungen: Der von der Herdplatte (Index 1) die Handoberfläche (Index 2) erreichende Wärmestrom bestimmt sich aus dem Stefan-Boltzmannʼschen Gesetz unter Berücksichtigung der entsprechenden Sichtfaktoren. Zur Bestimmung des Sichtfaktors F12 gehen wir hier von der in Abbildung 5-12 rechts dargestellten Situation aus. Unterstellt man für die Herdplatte eine keramische (nicht metallische) Oberfläche, kann man mit dem gegebenen konstanten Emissionsverhältnis von grauer Strahlung ausgehen. Aussagen zum Wärmeempfinden leiten wir aus den in Tabelle 1-2 gegebenen Werten ab. Wärmestrahlung wird ab 40 W/m² wahrgenommen, die Schmerzgrenze liegt je nach Hauttyp bei 2000 bis 2500 W/m². Lösung: 1. Schritt: Bestimmung der Flächengrößen A1 und A2 sowie des Sichtfaktors F12 A1 = π ⋅ r12 = π ⋅ (0,1 m) 2 = 0,0314159 m 2 x=

r1 0,1 m = =1 h 0,1 m

F12 =

y=

A2 = π ⋅ r22 = π ⋅ (0,06 m) 2 = 0,0036 m 2

r2 0,06 m = = 0,6 h 0,1 m

z = 1+

1+ y2 1 + 0,36 = 1+ = 2,36 1 x2

2  1  1  y ⋅ z − z 2 − 4   = ⋅ 2,36 − 5,5696 − 4 ⋅ 0,36 = 0,1639291 2  x  2  

[

]

2. Schritt: Berechnung von Q1 4

4

W  773,15   T  4 Q1 = F12 ⋅ A1 ⋅ ε 1 ⋅ C s ⋅  1  = 0,1639291 ⋅ 0,0314159 m 2 ⋅ 0,9 ⋅ 5,67 2 4 ⋅   K = 93,9 W m K  100   100 

3. Schritt: Interpretation Wärmeempfinden q1 =

Q1 93,9 W W = ≈ 2989 2 A1 0,314159 m 2 m

Die Intensität der Abstrahlung von der Herdplatte liegt deutlich über dem Schmerzempfinden der menschlichen Haut!

5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung

233

Aufgabe 5-8: Strahlenschutzschirm Zur Verringerung von Energieverlusten durch Strahlung setzt man dünne Strahlenschutzbleche ein, die zwischen den im Strahlungsaustausch befindlichen Flächen angebracht werden. Gegeben seien das Emissionsverhältnis ε1 der linken ebenen Wand mit der Wandtemperatur T1 und die entsprechenden Werte für die rechte ebene Wand mit ε2 und T2. Das Emissionsverhältnis des Strahlenschutzschirmes sei ε3, der Wärmewiderstand des Schirmes sei wegen seiner sehr geringen Dicke vernachlässigbar, so dass auf beiden Oberflächen des Schirmes die konstante Temperatur T3 herrsche. a) Auf welchen Anteil fällt der stationäre Energieverlust durch Strahlung bei Anordnung eines Strahlenschutzbleches zwischen zwei parallelen Wänden, wenn die Konvektion und Wärmeleitung zwischen den Wänden vernachlässigt werden können? b) Aus welchem Material sollten Strahlenschutzschirme gefertigt sein? c) Untersuchen Sie nach dem Modell unendlich ausgedehnte, parallele Platten den Strahlungsverlust einer Oberfläche aus hitzebeständig oxidiertem Eisen mit einer Wandtemperatur von 200 °C an eine Betonwand mit 35 °C ohne Strahlenschutzschirm und mit Strahlenschutzschirm aus einer sehr dünnen Aluminiumfolie (εn = 0,04)! Welche Temperatur in °C stellt sich als Temperatur des Strahlenschutzschirms im stationären Zustand ein? d) Welcher Nettowärmestrom wird ohne Schirm von der Eisenwand an die Betonwand übertragen, wenn anstelle unendlich ausgedehnter Wände gleich große Wände mit den Abmessungen a = 3 m und b = 5 m jeweils in einem Abstand h = 1 m sowie h = 5 m betrachtet werden?

Gegeben: T1 = 473,15 K εn = 0,639 (Tabelle 7.7-1 für hitzebeständig oxidiertes Eisen 200 °C) T2 = 308,15 K εn = 0,940 (Tabelle 7.7-2 für Beton 35 °C) T3 = ? εn = 0,040 (nach Aufgabenstellung für Aluminiumfolie) Abmessungen der rechteckigen Wände: a = 3 m, b = 5 m Abstand: h = 1 m und h = 5 m

Abb. 5-17: Strahlenschutzschirm zwischen zwei im Strahlungsaustausch befindlichen Wänden.

Vorüberlegungen: Wir unterstellen, dass die Vorgänge im Vakuum stattfinden und so konvektive Wärmeübergänge keine Rolle spielen. Damit ist es auch unerheblich, an welcher Stelle der Schirm zwischen den Wänden 1 und 2 positioniert wird.

234

5 Wärmestrahlung

Lösung: a) Senkung der Abstrahlverluste durch Strahlenschutzschirme

Nettowärmestrom ohne Schirm:

q12 =

1 ⋅ σ s ⋅ (T14 − T24 ) 1/ ε1 + 1/ ε 2 −1

nach Gleichung (5-28)

Der von Wand 1 auf die linke Oberfläche des Strahlungsschutzschirms (A3 in Abb. 5-17) emittierte Energiestrom wird teilweise reflektiert und nach Maßgabe von ε3 absorbiert, so dass sich im dünnwandigen Schirm die einheitliche Temperatur T3 einstellt. Von der rechten Oberfläche des Strahlenschutzschirms wird der zuvor absorbierte Energiestrom an die Wand 2 gestrahlt. q Sch,1 =

1 ⋅ σ s ⋅ (T14 − T34 ) 1/ ε1 + 1/ ε 3 − 1

und q Sch, 2 =

1 ⋅ σ s ⋅ (T34 − T24 ) 1/ ε 3 + 1/ ε 2 − 1

q Sch,1 und q Sch, 2 sind über die im Schirm als konstant unterstellte Temperatur T3 gekoppelt.

Wird T3 in beiden Gleichungen eliminiert, erhält man die Bestimmungsgleichung des Nettowärmestroms von Wand 1 zu Wand 2 für die Anordnung mit Schirm nach Abbildung 5-16. q Sch =

1 ⋅ σ s ⋅ (T14 − T24 ) 1/ ε1 + 1/ ε 3 − 1 + 1/ ε 2 + 1/ ε 3 − 1

Das Verhältnis der Wärmeströme mit und ohne Schirm ergibt sich damit q Sch ε1 + ε 2 − ε1 ⋅ ε 2 = q 0 ε 1 + ε 2 + 2 ⋅ ε 1 ⋅ ε 2 ⋅ (1 / ε 3 − 1)

Interessant sind folgende Vereinfachungen, die aus zusätzlichen Bedingungen für die Emissionsverhältnisse resultieren: • beide Wandflächen gleiches Material • Schirm und Wandflächen gleiches Material q Sch 1 ε 3 ⋅ (2 − ε ) für (ε1 = ε2 = ε) = ⋅ q 0 2 ε + ε 3 ⋅ (1 − ε )

q Sch 1 = für (ε1 = ε2 = ε3) q 0 2

Bei nichtmetallischen Körpern liegen die Emissionsverhältnisse gleiche Temperaturbereiche vorausgesetzt dicht beieinander. Zumindest grob ist so der Schutz vor Sonnenstrahlung durch textile Schirme (ε1 = ε2 = ε3) auf etwa 50 % abzuschätzen. Wenn die Emissionsverhältnisse für Wand und Schirm gleich groß sind, vermindert sich bei Einsatz von N Schirmen der Abstrahlverlust auf: q Sch = q12 /( N + 1)

b) geeignete Materialien für Strahlenschutzschirme Haben die Wände 1 und 2 nichtmetallische und deshalb nahezu schwarz strahlende Oberflächen (ε1 ≈ ε2 ≈ 1) erhält man

q Sch 1 = ⋅ ε 3 . Wenn also Strahlenschutzschirme ein möglichst q12 2

niedriges Emissionsverhältnis (blank polierte Metalle) aufweisen, lässt sich der Abstrahlungsverlust noch weiter reduzieren.

5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung

235

c) Wirkung Strahlenschutzfolie aus Aluminium q12 =

1 1 W ⋅ σ s ⋅ (T14 − T24 ) = ⋅ 5,67 ⋅10 −8 (473,15 4 − 308,15 4 ) K 4 1/ ε1 + 1/ ε 2 − 1 1 / 0,639 + 1 / 0,94 − 1 m² K 4

q12 = 1430,8 W/m 2

q Sch =

1 ⋅ σ s ⋅ (T14 − T24 ) 1/ ε1 + 1/ ε 2 + 2 / ε 3 − 2

q Sch =

1 W ⋅ 5,67 ⋅10 −8 (473,15 4 − 308,15 4 ) K 4 = 46,03 W/m² 1 / 0,639 + 1 / 0,94 + 2 / 0,04 − 2 m² K 4

q Sch 46,03 W/m² = ≈ 0,032 q12 1430,8 W/m²

Strahlungsschutzschirm reduziert den Abstrahlverlust auf 3,2 %!

Die Abschirmwirkung von Aluminium wird vielfach genutzt, zum Beispiel in der Technik für hochwirksame Isolierungen in der Kältetechnik. Zum Warmhalten werden Speisen in Aluminiumfolien gewickelt. Menschen mit schweren Brandverletzungen deckt man mit Aluminiumfolien ab, um Wärmeverluste über die beschädigte Haut zu verhindern, Feuerwehrleute tragen Schutzkleidung mit aluminiumverspiegelter Oberfläche, um sich von der Zustrahlung heißer Oberflächen und heißer Flammen zu schützen. Für die Berechnung der Temperatur des Strahlenschutzschirmes gehen wir vom stationären Zustand aus, für den gilt: q Sch,1 = q Sch,2 oder 1 1 ⋅ σ s ⋅ (T14 − T34 ) = ⋅ σ s ⋅ (T34 − T24 ) 1/ ε1 + 1/ ε 3 −1 1/ ε 2 + 1/ ε 3 − 1 1/ ε 2 + 1/ ε 3 − 1 ⋅ (T14 − T34 ) = T34 − T24 1/ ε1 + 1/ ε 3 − 1

zur Vereinfachung wird gesetzt z =

1/ ε 2 + 1/ ε 3 − 1 1/ ε1 + 1/ ε 3 − 1

Aufgelöst nach der Schirmtemperatur T3 ergibt sich:  z ⋅ T14 + T24 T3 =   1+ z

mit z =

   

0, 25

 0,980398337 ⋅ 473,154 K 4 + 308,15 4 K 4   =   1,980398337  

0, 25

= 413,96 K

t 2 = 140,81 °C

1 / 0,94 + 1 / 0,04 − 1 = 0,980398337 170,639 + 1 / 0,04 − 1

Als Folge der Vernachlässigung von Wärmeleitung und Konvektion im Zwischenraum der Wände (könnte zum Beispiel mit Luft gefüllt sein) stellt sich die Temperatur T3 des Strahlenschutzschirms unabhängig von seiner Position zwischen den beiden Wänden ein. Der gegenseitige Abstand des Strahlenschutzschirms von Eisenwand und Betonwand spielen dann eine Rolle, wenn der Wärmeleitwiderstand der ruhenden Luft und die Wärmeübergangswiderstände etwa durch das Modell der wirksamen Wärmeleitfähigkeit einbezogen werden.

236

5 Wärmestrahlung

d) Nettowärmestrom zwischen endlich ausgedehnten Wänden

(

)

q12 =

Q12 = F12 ⋅ ε 1 ⋅ ε 2 ⋅ σ s ⋅ T14 − T24 A

F12 =

  2  1 (1 + x 2 )(1 + y 2 ) x y ⋅ ln + x 1 + y 2 ⋅ arctan + y 1 + x 2 ⋅ arctan − x arctan x − y arctan y  2 2  π ⋅ xy  2 1+ x + y 1+ y2 1+ x2  

• Sichtfaktor F12 für Abstand der Wände h = 1 m: x = 3 m/1 m = 3 y = 5 m/1 m = 5 F12 =

 2  10 ⋅ 26 3 5 + 3 ⋅ 26 ⋅ arctan + 5 ⋅ 10 ⋅ arctan − 3 arctan 3 − 5 arctan 5 0,5 ln 1 + 9 + 25 π ⋅3⋅5  26 10 

F12 = 0,612996075

• Sichtfaktor F12 für Abstand der Wände h = 5 m: x = 3 m/5 m = 0,6 y = 5 m/5 m = 1 F12 =

  2 1,36 ⋅ 2 0,6 1 + 0,6 ⋅ 2 ⋅ arctan + 1,36 ⋅ arctan − 0,6 arctan 0,6 − arctan1 0,5 ln 1 + 0,36 + 1 π ⋅ 0,6 ⋅1  2 1,36 

F12 = 0,136271856

Berechnung des Nettowärmestroms von Wand 1 an Wand 2 q12 (h = 1 m) = 0,612996075 ⋅ 0,639 ⋅ 0,94 ⋅ 5,67 ⋅10 −8

W W ⋅ (473,15 4 − 308,15 4 ) K 4 ≈ 858,08 2 4 m K m

q12 (h = 5 m) = 0,136271856 ⋅ 0,639 ⋅ 0,94 ⋅ 5,67 ⋅10 −8

W W ⋅ (473,15 4 − 308,15 4 ) K 4 ≈ 190,75 2 4 m K m

2

2

Kommentar: Im Verhältnis zu den unendlich ausgedehnten Wänden verringert sich der durch Strahlung übertragene Wärmestrom bei Annahme endlicher Wandflächen durch den zu berücksichtigenden Sichtfaktor. Je weiter die Wände voneinander entfernt sind, desto „weniger sehen sie sich“. Dadurch sinkt auch der Betrag des übertragenen Wärmestroms.

Aufgabe 5-9: Korrektur einer Thermometermessung Ein Thermometer mit Quecksilberfüllung sei in einem Raum senkrecht und frei aufgehängt und zeigt im Beharrungszustand eine Temperatur von 18 °C an. Die Wände im Raum sollen eine jeweils konstante Wandtemperatur von 14 °C aufweisen. Der Strahlungskoeffizient des Thermometers betrage CT = 5,36 W/(m2 K4). Für die Berechnung des den konvektiven Wärmeübergang an das Thermometer erfassenden Wärmeübergangskoeffizienten soll folgende Näherungsgleichung verwendet werden: α = [3,49 + 0,093({t L }− {tT }] in W/(m2 K)

a) Welches Emissionsverhältnis besitzt das Thermometer? b) Welche Temperatur in °C besitzt die Luft im Raum tatsächlich?

5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung

237

Gegeben: tT = 18 °C tW = 14 °C CT = 5,36 W/(m2 K4) Zahlenwertgleichung für konvektiven Wärmeübergangskoeffizienten wie oben Vorüberlegungen: Das Thermometer steht im thermischen Gleichgewicht mit der Umgebungsluft und verliert wegen der niedrigeren Wandtemperaturen durch Strahlungsaustausch einen Nettowärmestrom an die Wände im Raum, so dass im Beharrungszustand eine Temperatur von tT = 18 °C angezeigt wird. Bezeichnet man mit AT die Oberfläche des Thermometers lautet die Gleichgewichtsbedingung für die angezeigte Temperatur:  T  4  T  4  T  − W    100   100  

α ⋅ AT ⋅ (t L − tT ) = CT ⋅ AT ⋅ 

Lösung: a) Emissionsverhältnis Thermometer ε=

CT 5,36 W/(m² K 4 ) = ≈ 0,945 C S 5,67 W/(m² K 4 )

folgt aus Gleichung (5-36)

Im Hinblick auf den tabellierten Wert für die diffuse Emission von Glas in Tabelle 7.7-2 ε(90 °C) = 0,876 erscheint das Ergebnis plausibel. b) tatsächliche Lufttemperatur tL im Raum Die Gleichgewichtsbedingung aus den Vorüberlegungen enthält die gesuchte Lufttemperatur tL im Raum. Mit der Zahlenwertgleichung für den konvektiven Wärmeübergang entsteht 

4

  TW    −  100   100 

[3,49 + 0,093({t L }− {tT })]⋅ (t L − tT ) = CT  TT

4

 

Die rechte Gleichungsseite stellt eine Energiestromdichte q in W/m² dar. Im Hinblick auf die Benutzung einer Zahlenwertgleichung auf der linken Gleichungsseite verwenden wir diese Energiestromdichte später nur als Zahlenwert.  T  4  T  4  W W q = CT ⋅  T  −  W   = 5,36 ⋅ 2,9115 K 4 − 2,8715 K 4 = 20,73362 m² m² K 4  100   100  

[

]

In der Zahlenwertgleichung nutzen wir außerdem auch {t L }− {tT } = (t L − tT ) = {Δt} . Mit α = [3,49 + 0,093({t L }− {tT }] und {q} = 20,73362 entsteht die Zahlenwertgleichung 3,49 ⋅ {Δt}+ 0,093 ⋅ {Δt}2 = {20,73362} umgeformt zu

{Δt}2 + 37,526882 ⋅ {Δt}− 222,94215 = 0

Die Lösungen dieser quadratischen Gleichung lauten:

{Δt}1/ 2 = −18,763441 ± 352,06671 + 222,94215 = −18,763441 ± 23,979342 und somit {Δt}1 ≈ 5,22 → t L − tT ≈ +5,22 K → t L ≈ tT + 5,22 K ≈ 18 °C + 5,22 K ≈ 23,22 °C

{Δt}2 ≈ −42,74 (diese Lösung entfällt aus physikalischen Gründen!)

238

5 Wärmestrahlung

Aufgabe 5-10: Wärmeverluste durch Strahlung in Dewargefäß I Die blank versilberte evakuierte Doppelwand einer vollständig mit heißem Wasser gefüllten Thermosflasche weise ein konstantes Emissionsverhältnis von 0,02 auf. Der zylindrische Teil messe im Durchmesser 14,5 cm und besitze eine Länge von 25 cm. Der Abstand zwischen beiden Wänden sei so klein, dass man von Außen- und Innenfläche in fast gleicher Größe ausgehen kann. Die umhüllende, äußere nach innen zeigende Fläche der Doppelwand reflektiere spiegelnd. Bei konstanter Außenwandtemperatur von 20 °C ist die Abhängigkeit des Verlustwärmestroms durch Strahlung in W von der Innenwandtemperatur in der Thermosflasche zu berechnen. Die Innenwandtemperatur ist in einem Bereich von 90 °C, über 70 C, 50 °C bis 30 °C zu variieren. a) In welcher Zeit kühlt sich das in das eingefüllte Wasser (ρW = 1000 kg/m3 und cW = 4,19 kJ/(kg K)) von 90 °C auf 50 °C ab, wenn nur die Strahlungswärmeverluste berücksichtigt werden? b) Wie stark müsste im Mittel eine umhüllende ebene Korkwand (λK = 0,04 W/(m K)) sein, um für den in (a) beschriebenen Abkühlvorgang eine gleiche Isolationsgüte zu gewährleisten?

Gegeben: ε = 0,02 tW,a = 20 °C = konstant λK = 0,04 W/(m K)

d = 0,1 m tW,I = (90 … 30) °C

l = 0,25 m ρW = 1000 kg/m3

cW = 4,19 kJ/(kg K)

Abb. 5-18: Aufbau des Dewargefäßes und Orte für Wärmeverluste.

Vorüberlegungen: Die von der Innenwand emittierte Strahlung trifft vollständig auf die Außenwand und wegen der spiegelnden Reflexion der Umhüllung auch umgekehrt. Deshalb kann man vom Strahlungsaustausch zwischen zwei (unendlich) ausgedehnten ebenen Wänden nach Gleichung (5–32) ausgehen. Für die Flächen setzen wir an A1 ≈ A2 ≈ A. Der Strahlungsaustauschkoeffizient berechnet sich nach Gleichung (5-33):

5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung

239

CS = 5,67 W/(m 2 K 4 ) W = 0,0572727 2 4 . 1/ ε1 + 1/ ε 2 − 1 2/0,02 − 1 m K

C12 =

Die Größe der Fläche für den Strahlungsaustausch ergibt sich aus der Zylindermantelfläche A = π ⋅ d ⋅ l und der Oberfläche der Halbkugel am Boden A = (π / 2) ⋅ d 2 . Lösung: a) Berechnung der Abkühlzeit strahlende Fläche: A = π ⋅d ⋅l +

π 2

d 2 = π ⋅ d (l +

d ) = π ⋅ 0,145 m ⋅ (0,25 m + 0,0725 m) = 0,146908726 m² 2

konstante Außenwandtemperatur:  T  4  T Q12 = C12 ⋅ A ⋅  W ,i  −  W ,a  100   100   Q = 0,841943887 W

  

 TW ,a   100

4

  = 2,9315 4 K = 73,851547 K 4 

4

 = 0,0572727 W ⋅ 0,146908726 m 2 ⋅ [173,91786 − 73,851547] K 4  m2 K 4 

12

4

tW,i = 90 °C:

 TW ,i   = 3,7315 4 K = 173,91786 K 4   100 

tW,i = 70 °C:

 TW ,i   = 3,4315 4 K = 138,65515 K 4  100  

tW,i = 50 °C:

 TW ,i   = 3,2315 4 K = 109,04773 K 4   100 

tW,i = 30 °C:

 TW ,i   = 3,0315 4 K = 84,455958 K 4  100  

4

4

4

Q12 = 0,841943887 W Q12 = 0,545248423 W Q12 = 0,296135734 W Q12 = 0,089224023 W

Für die Berechnung der Zeit für die Abkühlung von 90 °C auf 50 °C verwenden wir einen mittleren Wärmeverluststrom von Q12 = QV = 0,55 W . Das Volumen des Wassers errechnet sich aus: V=

π 4

d 2 ⋅l +

π 12

d 3 = 0,0041282 m 3 + 0,0007981 m 3 = 0,0049263 m 3

Für die dem Wasser entzogene Wärme kann angesetzt werden: Q = ρW ⋅ V ⋅ cW ⋅ Δt = 1000

Q

τ=  = Q V

kg Ws ⋅ 0,0049263 m 3 ⋅ 4190 ⋅ 40 K = 825652,6 Ws kg K m3

825652,6 Ws = 1501186,5 s ≈ 417 h ≈ 17,4 Tage 0,55 W

Praktisch vollzieht sich die Abkühlung wesentlich schneller, da insbesondere über den Deckel auch noch konvektive Wärmeverluste auftreten.

240

5 Wärmestrahlung

b) vergleichbare Isolierung mit Kork Auch hier wählen wir Q12 = QV = 0,55 W als mittleren Verlustwärmestrom und in erster Näherung setzen wir für die Innenwandtemperatur die mittlere Wassertemperatur von 70 °C und für die Außenwandtemperatur die Umgebungstemperatur von 20 °C an. Damit ergibt sich 0,04 W/(m K) ⋅ 0,146908726 m 2 λ⋅A ⋅ (70 °C − 20 °C) ≈ 0,534 m δ =  ⋅ (tW ,i − tW ,a ) = 0,55 W Q V

Eine Korkschicht von ca. 53,4 cm hätte die gleiche Isolationswirkung wie die vorgestellte Thermosflasche. Daraus kann man erkennen, wie effizient die doppelwandig verspiegelten Gefäße mit evakuiertem Hohlraum sind.

Aufgabe 5-11: Wärmeverluste durch Strahlung in Dewargefäß II Man betrachte den Abkühlvorgang von heißem Wasser (Dichte ρW = 1000 kg/m³, spezifische Wärmekapazität cW = 4,19 kJ/(kg K)) in einem annähernd kugelförmigen Dewargefäß mit sehr dünnen Glaswänden, dass sich in einer Raumstation im All befinde. Der innere Durchmesser betrage 14,5 cm, der evakuierte Spalt zwischen inneren und äußeren Durchmesser 5 mm. Die Oberflächen des Gefäßes seien silbrig verspiegelt mit einen Emissionsverhältnis von 0,02. Das Wasser im Dewargefäß besitze anfangs eine Temperatur von 90 °C, die Temperatur in der Raumstation solle die konstante Höhe von 20 °C aufweisen. a) Berechnen Sie den anfänglichen Wärmeverlust, wenn die Oberflächen als spiegelnd betrachtet werden können! b) Berechnen Sie den anfänglichen Wärmeverlust, wenn die Oberflächen als diffus strahlend betrachtet werden können! c) In welcher Zeit kühlt sich das Wasser um die Hälfte ab?

Gegeben: t1 = 90 °C di = 0,145 m

t2 = 20 °C δ = 0,005 m

ε1 = ε2 = 0,02 = konstant Δt = (t1 − t 2 ) / 2 = (90 °C − 20 °C)/2 = 35 K (Abkühlung)

Vorüberlegungen: Wir unterstellen, dass die dünnen Glaswände jeweils die Temperatur ihrer Umgebung annehmen. Die für den Strahlungsaustausch relevanten Oberflächentemperaturen betragen demnach T1 = 363,15 K und T2 = 293,15 K. Für AO = π ⋅ d 2 als Kugeloberfläche für die Flächen: •

A1 = π ⋅ d i2 = π ⋅ 0,145 2 m² = 0,066051985 m²



A2 = π ⋅ d a2 = π ⋅ 0,155 2 m² = 0,075476763 m² mit d a = d i + 2δ = 0,145 m + 0,01 m = 0,155 m

Unter der Voraussetzung spiegelnder Strahlung können die konzentrischen Kugeloberflächen für den Strahlungsaustausch wie parallele ebene Wände unendlicher Ausdehnung betrachtet

5.5 Verstehen durch Üben: Wärmestrahlung

241

und so die Gleichungen (5-30) oder (5-32) angewendet werden. Dann folgt für die Bestimmung der Wärmeverluste gemäß Aufgabenteil (a): A ⋅ σ ⋅ (T 4 − T24 ) Q12 = 1 s 1 1/ ε1 + 1/ ε 2 − 1

Für die Annahme diffus strahlender Oberflächen gemäß Aufgabenteil (b) wäre dagegen Gleichung (5-34) anzusetzen: A ⋅ σ ⋅ (T 4 − T24 ) Q12 = 1 s 1 A 1 / ε 1 + 1 (1 / ε 2 − 1) A2

Betrachtet man das Wasser im Dewargefäß nach dem Modell des ideal gerührten Behälters, ist die Temperatur des Wassers eine Funktion der Zeit T1 = T1 (τ ) und die Differentialgleichung − ρW ⋅ VW ⋅ cW ⋅ T1 =TE





T1 =TA

(

)

dT1 A1 ⋅ σ s ⋅ T14 (τ ) − T24 = zu integrieren, so dass folgt: dτ 1/ ε1 + 1/ ε 2 − 1 τ

A1 ⋅ σ s dT1 = ⋅ dτ T14 − T24 ρW ⋅ VW ⋅ cW ⋅ (1 / ε 1 + 1 / ε 2 − 1) 0



Lösung: a) Wärmeverlust durch Strahlung bei spiegelnden Oberflächen 0,066051985 m 2 ⋅ 5,67 ⋅10 −8 W/(m 2 K 4 ) ⋅ (363,154 − 293,15 4 ) K 4 Q12 = = 0,3785 W 1/0,02 + 1/0,02 − 1

b) Wärmeverlust durch Strahlung bei diffus strahlenden Oberflächen 0,066051985 m 2 ⋅ 5,67 ⋅10 −8 W/(m 2 K 4 ) ⋅ (363,154 − 293,154 ) K 4 Q12 = = 0,4035 W 0,066051985 m² 1/0,02 + (1/0,02 − 1) 0,075476763 m²

Die gering erscheinenden Unterschiede von etwas mehr als 5 % zu (a) ergeben sich vor allem aus den nicht allzu weit auseinander liegenden Flächen A1 und A2. c) Zeit τ bis zum Abkühlen des Wassers von Anfangstemperatur t1 = tA = 90 °C auf t2 = t1 –Δt = tE = 55 °C TE

Mit elementaren Mitteln möglich, aber aufwändig ist die Lösung von: − 

TA

dT1 . Aus BeT14 − T24

quemlichkeit greifen wir hier jedoch auf eine mathematische Formelsammlung34 zurück und finden das unbestimmte Integral

a

4

dx a+x x 1 1 = ln + arctan + C . Angewandt auf a − x 4 4 a 3 a − x 2a 3

das zu lösende Integral in den Grenzen von TA = 363,15 K und TE = 328,15 K ergibt sich: 34

Hans-Jochen Bartsch: Taschenbuch mathematischer Formeln, Hanser Verlag 21. Auflage; S.754, Integral (105).

242

5 Wärmestrahlung T1 =TE

TE

 1 T +T T  dT1 1 − =  3 ln 1 2 + 3 arctan 1  = 4 4   T T T − T − T2  4T2 2T2 2  1 2 TA 1 T1 =TA



TE



T

TA

dT1 (T + T2 ) /(TE − T2 ) 1 1 = ⋅ ln E + (TA + T2 ) /(TA − T2 ) 2T24 − T24 4T23

4 1

 T T ⋅  arctan E − arctan A T T2 2 

   

π

Mit mW = ρW ⋅ VW = ρW ⋅ ⋅ d i3 ergibt sich für die Abkühlzeit τ 6

τ=

mW ⋅ cW ⋅ (1 / ε 1 + 1 / ε 2 − 1)  1 (T + T2 ) /(TE − T2 ) 1 ⋅  3 ⋅ ln E + 4 A1σ s ( T + T ) /( T − T ) 2T2 A A 2 2  4T2

 T T ⋅  arctan E − arctan A T T2 2 

   

Bei der Auswertung mit Zahlenwerten ergeben sich schnell Verluste signifikanter Ziffern. Auch aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt sich hier ein sukzessives Vorgehen. mW = 1000 kg/m 3 ⋅

π 6

⋅ (0,145 m) 3 = 1,596256317 kg

mW ⋅ cW ⋅ (1 / ε 1 + 1 / ε 2 − 1) 1,596256317 kg ⋅ 4190 J/(kg K) ⋅ (50 + 50 − 1) = = 1768002,66 ⋅108 s ⋅ K 3 A1σ s 0,06605195 m² ⋅ 5,67 ⋅10 -8 W/(m 2 K 4 )

1 1 0,009923624 = = 3 3 4 ⋅ T2 4 ⋅ (293,15 K) 10 6 K 3 ln

und

1 1 0,019847248 = = 3 3 2 ⋅ T2 2 ⋅ (293,15 K) 10 6 K 3

(TE + T2 ) /(TE − T2 ) (328,15 K + 293,15 K ) /35 K 17,75142857 = ln = ln = 0,638343236 (T A + T2 ) /(T A − T2 ) (363,15 K + 293,15 K)/70 K 9,375714286

arctan

TE T 328,15 K 363,15 K − arctan A = arctan − arctan = 0,84167218 − 0,891654991 = −0,04998281 293,15 K 293,15 K T2 T2

[

τ = 1768002,66 ⋅10 2 s ⋅ K 3 ⋅ 0,009923624 K −3 ⋅ 0,638343236 + 0,019847248 K −3 ⋅ (−0,04998281)

]

τ = 944583,1843 s = 262,38 h ≈ 11 Tage

Praktisch ergeben sich durch die Verluste infolge Wärmeleitung am Gefäßhals viel kürzere Abkühlzeiten.

6

Kombiniertes Auftreten von Wärmetransportmechanismen

Wärmestrahlungsaustausch zwischen Festkörpern tritt praktisch immer gemeinsam mit konvektiven Wärmeübergängen oder mit Wärmeleitvorgängen auf. Um solche Vorgänge mit vernünftigem mathematischen Aufwand zu beherrschen, muss sich mit vielen erforderlichen Idealisierungen auseinandersetzen. Im Strahlungsaustausch stehende Oberflächen bestehen oft aus Materialien, deren für die Strahlung relevanten Stoffeigenschaften sich mit Oberflächentemperatur, Wellenlänge und Richtung verändern. Sollen Rechnungen noch mit dem Taschenrechner ausführbar sein, müssen Oberflächeneigenschaften idealisiert werden. In dieser Hinsicht ist es beispielsweise sehr hilfreich, die betreffenden Oberflächen als schwarz strahlend anzunehmen, denn damit entfallen reflektierte Strahlungsanteile und der emittierte Energiestrom wird diffus abgestrahlt. Damit bleibt die Energiestromdichte einer gegebenen isothermen Oberfläche unabhängig von ihrer Richtung. Aus der Perspektive der Wärmestrahlung können diese Oberflächen als ideal angesehen werden. Am Strahlungsaustausch unbeteiligte Objekte werden meist vernachlässigt. Hemisphärische und fotochemische Effekte sowie Interferenzerscheinungen können jedoch den Wärmetransport durch Strahlung erheblich beeinflussen und sind dann entsprechend aufwändig bei der Modellbildung einzubeziehen. Technisch sind zusätzlich oft nicht ideale Oberflächen zu untersuchen, bei denen die spektralen und/oder gerichteten Eigenschaften in ihrer Temperaturabhängigkeit berücksichtigt werden müssen. Tritt die Strahlung kombiniert mit Leitung und/oder Konvektion auf, ist es wichtig zu prüfen, welche Interaktionen zwischen Strahlung auf der einen sowie Leitung und/oder Konvektion auf der anderen Seite bestehen, also zu untersuchen, ob Strahlung und Leitung oder Strahlung und konvektiver Wärmeübergang jeweils unabhängig voneinander wirken. Prominente Fallbeispiele für gemeinsames Auftreten von Leitung und Strahlung sind Wärmeverluste von Dewargefäßen oder Wärmeverluste bei Satelliten im All. Bei allen Heizflächen sind konvektive Wärmeübergänge und Wärmestrahlung gleichzeitig zu berücksichtigen. Wenn Konvektion und Strahlung wechselwirkungsfrei ablaufen, ist es praktisch, einen äquivalenten Wärmeübergangskoeffizienten α äq = α Kon + α Str zu bilden. Der Wärmeübergangskoeffizient für den Strahlungsanteil wird bestimmt aus dem Emissionsverhältnis der Wand εW, der Wandtemperatur TW und der effektiven Gastemperatur der Umgebung TG für die Abstrahlung in den Halbraum. α Str =

q Str ε ⋅ σ ⋅ (T 4 − TG4 ) = W s W tW − tG tW − tG

(6-1)

Der Term (TW4 − TG4 ) kann mithilfe der binomischen Formeln aufgespalten werden in (TW4 − TG4 ) = (TW2 + TG2 ) ⋅ (TW2 − TG2 ) = (TW2 + TG2 ) ⋅ (TW + TG ) ⋅ (TW − TG ) , so dass für q Str folgt: DOI 10.1515/9783110411294-007

244

6 Kombiniertes Auftreten von Wärmetransportmechanismen

q Str = α Str (tW − tG ) = ε W ⋅ σ s (TW2 + TG2 ) ⋅ (TW + TG ) ⋅ (TW − TG )

Durch Koeffizientenvergleich ermittelt man für den Wärmeübergangskoeffizienten infolge der parallel zur Konvektion auftretenden Strahlung: α Str = ε W ⋅ σ s ⋅ (TW2 + TG2 ) ⋅ (TW + TG ) = C Str ⋅ βT

(6-2)

Durch Koeffizientenvergleich von (6-2) ermittelt man für den Strahlungskoeffizienten C Str = ε W ⋅ σ s und für die sogenannte Temperaturfunktion β T = (TW2 + TG2 ) ⋅ (TW + TG ) . Bei der Messung von Gastemperaturen in Räumen, deren Wandtemperaturen sich deutlich von den zu messenden Gastemperaturen unterscheiden, muss ebenfalls das gleichzeitige Auftreten von Konvektion und Strahlung beachtet werden. Bezeichne TT die vom Thermometer im Beharrungszustand angezeigte Temperatur, dann wird an das Thermometer ein konvektiver Wärmestrom übertragen. Q Kon = α Kon ⋅ AT ⋅ (TG − TT )

Das Thermometer steht gleichzeitig im Strahlungsaustausch mit den Umfassungswänden des Raumes, wobei man von AT