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German Pages 50 Year 2022
Karsten Müller
Thermodynamik ohne Formeln
essentials
essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich • als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet • als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld • als Einblick, um zum Thema mitreden zu können Die Bücher in elektronischer und gedruckter Form bringen das Fachwissen von Springerautor*innen kompakt zur Darstellung. Sie sind besonders für die Nutzung als eBook auf Tablet-PCs, eBook-Readern und Smartphones geeignet. essentials sind Wissensbausteine aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aus Technik und Naturwissenschaften sowie aus Medizin, Psychologie und Gesundheitsberufen. Von renommierten Autor*innen aller Springer-Verlagsmarken.
Karsten Müller
Thermodynamik ohne Formeln
Karsten Müller Rostock, Deutschland
ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-662-65780-5 ISBN 978-3-662-65781-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Désirée Claus Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany
Was Sie in diesem essential finden können
• Eine Einführung in die Grundlagen der Thermodynamik und einige ihrer Anwendungen • Eine Darstellung des Faches ohne mathematische Gleichungen • Die Prinzipien der Umwandlung von Energie • Einsatzgebiete der Thermodynamik außerhalb der Energietechnik
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Vorwort: Thermodynamik ohne Formeln
Ende des 18. Jahrhunderts, also vor über 200 Jahren, erhielt James Watt ein Patent für seine Dampfmaschine. Damit war es möglich, eine Maschine schwere Arbeiten verrichten zu lassen. Kein Mensch oder Tier musste die Last mehr bewegen, stattdessen wurde die Kraft dafür nun einfach aus Wärme gewonnen. Das griechische Wort für „warm“ ist thermós (θερμ´oς). Das griechische Wort für Kraft ist dýnamis (δναμις). ´ Zusammen ergibt das den Begriff Thermodynamik. Doch war die Thermodynamik als wissenschaftliche Disziplin und als Fach in der Ausbildung von Ingenieuren damit noch lange nicht geboren. Dampfmaschinen verbreiteten sich im Laufe der Zeit immer mehr und Ingenieure versuchten sie zu verbessern. Ein wichtiges Ziel war dabei die Erhöhung der Effizienz. Je weniger Kohle verbrannt werden musste, um eine bestimmte Arbeit zu verrichten, desto kostengünstiger konnte die Maschine betrieben werden. Reibung zu verringern hilft dabei. Doch das bringt nicht beliebig viel. Früher oder später kommt der Punkt, an dem sich zeigt: Es gibt eigene Naturgesetze, die die Effizienz von Dampfmaschinen begrenzen. So entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts diejenige Disziplin, die sich mit der Umwandlung von Wärme in mechanische Arbeit befasst und deren Gesetzmäßigkeiten genau diese Zusammenhänge beschreiben: Die Thermodynamik. Wie alle Wissenschaftsdisziplinen lässt sich auch die Thermodynamik auf wenige elementare Gesetze zurückführen. Solche grundlegenden Naturgesetze sind Erfahrungssätze, die sich nicht beweisen lassen, sich aber immer wieder bewähren. Sie werden als Axiome oder Postulate bezeichnet. Entscheidend sind dabei zwei Dinge: Zum Einen müssen sie falsifizierbar sein. Es muss also ein grundsätzliches Experiment geben, mit dem das Axiom, sofern es falsch ist, widerlegbar wäre. Zum Anderen muss die Axiomatik in sich widerspruchsfrei sein. Ist eine der beiden Bedingungen nicht erfüllt, dann handelt es sich nicht um
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Vorwort: Thermodynamik ohne Formeln
Wissenschaft, sondern um Pseudo-Wissenschaft, wie bei der Homöopathie oder der Flat-Earth-Theorie. Im Deutschen heißen die Axiome der Thermodynamik „Hauptsätze“. Es gibt keinen Beweis für deren Richtigkeit. Jeder Versuch, die Hauptsätze der Thermodynamik zu widerlegen, ist jedoch immer wieder kläglich gescheitert. Fällt ein Teigklumpen nach unten, so bleibt er auf dem Boden liegen. Er springt nicht, nachdem er eine Weile dort gelegen hat, plötzlich wieder in die Höhe. Wenn er es täte, dann wäre der 2. Hauptsatz der Thermodynamik widerlegt. Bisher hat sich allerdings noch kein Teigklumpen von selbst in die Luft erhoben. Genauso ist jeder Versuch ein Perpetuum Mobile zu bauen früher oder später in einer Blamage für diejenigen Erfinder geendet, die den Fehler gemacht haben damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Hauptsätze der Thermodynamik bewähren sich seit Jahrhunderten erfolgreich gegen jeden Versuch sie zu widerlegen. Ausgehend von diesen Hauptsätzen lässt sich die gesamte Thermodynamik ableiten und damit nicht nur die Funktionsweise von Dampfmaschinen verstehen. Fast die gesamte Energietechnik basiert auf thermodynamischen Prinzipien. Daneben bestimmt die Thermodynamik, welche chemischen Reaktionen ablaufen. Sie erklärt, wie Schnapsbrennen oder Teekochen funktioniert und wie das Klima auf der Erde zustande kommt. Sie beschreibt, wieso das Blut so beschaffen ist wie es ist und warum die Kiemen von Fischen nicht mehr genügend Sauerstoff bekommen, wenn die Temperatur im Fluss zu hoch wird. Sie ist der Grund dafür, dass ein feuchter Keller besser im Winter als im Sommer getrocknet wird und für vieles mehr. Um all diese Dinge zu erklären und sie aus den Hauptsätzen abzuleiten, braucht es normalerweise eine Menge an Mathematik. In einer Thermodynamikvorlesung wird in der Regel mit einer Unzahl von Gleichungen und Formeln jongliert. Diese mathematische Beschreibung ist enorm wichtig, denn nur so lassen sich präzise Aussagen und eindeutige Zahlenwerte für den Bau von Maschinen ableiten. Auf der anderen Seite trägt es mit dazu bei, dass sich Thermodynamik bei Studenten oft einer eher bescheidenen Beliebtheit erfreut. Aus diesem Grund will dieses Buch versuchen die Thermodynamik einmal ganz ohne Formeln zu erklären. Ganz zum Schluss sind ein paar wichtige Gleichungen zu den behandelten Themen einmal zusammengefasst, damit Interessierte dort nachsehen können. In den nächsten Kapiteln werden wir die Thermodynamik aber einmal ganz ohne mathematische Schreibweisen kennenlernen. So entsteht hoffentlich ein Gefühl für die Phänomene der Thermodynamik, während die abstrakte Darstellung durch die Mathematik zunächst zurückgestellt wird.
Vorwort: Thermodynamik ohne Formeln
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Ein besonderer Dank gebührt an dieser Stelle noch Michael Beer, Stefan Knipl, Anatol Leinweber und Vinzent Strobel für die wertvollen Kommentare zum Manuskript. Alle eventuell verbliebenen Fehler gehen allein auf mein Konto. Karsten Müller
Inhaltsverzeichnis
1 Der 1. Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 Der 2. Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3 Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Carnot: Der hypothetische Kreisprozess und die maximale Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Joule und Rankine: Kreisprozesse für Turbinen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Otto und Diesel: Kreisprozesse für Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Warum wird ein feuchter Keller besser im Winter getrocknet? . . . 4.2 Warum ist Destillation so kompliziert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Warum ersticken Fische, wenn es keinen Kühlturm gibt? . . . . . . . 4.4 Warum kann Photovoltaik nicht zu 100 % effizient sein? . . . . . . . .
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5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 Anhang: Wer doch Formeln sehen will . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Über den Autor
Karsten Müller, Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, Albert-Einstein-Straße 2, 18059 Rostock E-Mail: [email protected] Institutshomepage: https://www.ltt.uni-rostock.de/
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Der 1. Hauptsatz
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik ist das Gesetz von der Erhaltung der Energie. Er besagt, dass Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Dadurch bleibt der Energieinhalt eines abgeschlossenen Systems konstant. Wie alle Hauptsätze, so lässt sich auch der erste Hauptsatz auf verschiedene, letztlich gleichbedeutende Arten formulieren. Eine alternative Formulierung ist, dass ein Perpetuum mobile 1. Art unmöglich ist. Solche Perpetua mobilia sind hypothetische Maschinen, die nicht nur von selbst laufen, sondern dies ohne jede äußere Antriebsleistung immer schneller tun. Sie würden quasi Energie aus dem Nichts erschaffen. Der Umstand, dass zwar unzählige Leute schon versucht haben, ein solches Perpetuum mobile zu bauen, daran aber letztlich immer gescheitert sind, zeigt, dass der 1. Hauptsatz wohl korrekt ist. Die Aussage des 1. Hauptsatzes, dass der Energieinhalt eines abgeschlossenen Systems konstant bleibt, führt sehr oft zu einem grundlegenden Missverständnis. Der Begriff „abgeschlossen“ besagt, dass das System mit seiner Umgebung keine Energie austauschen kann. Ist es möglich, Energie in Form von Wärme oder Arbeit mit der Umgebung auszutauschen, aber keine Stoffe, so handelt es sich um ein geschlossenes System. Ein offenes System liegt vor, wenn das System außerdem Stoffe aufnehmen und abgeben kann. Ein einfaches Beispiel für ein offenes System ist eine Tasse mit heißem Tee. Das System „Teetasse“ tauscht zum einen Energie mit der Umgebung aus, indem unter anderem durch die Wand und über die Flüssigkeitsoberfläche Wärme übertragen wird. Das System „Teetasse“ tauscht daneben Stoffe mit der Umgebung aus, da der heiße Tee teilweise verdampft. Der heiße Dampf transportiert nicht nur Wasser aus dem System „Teetasse“, sondern er enthält selbst Energie. Dadurch transportiert er zusätzlich Energie aus dem System heraus. Konsequenterweise ändert sich der Energieinhalt des Systems. Gilt der 1. Hauptsatz also nicht für offene Systeme wie unsere Teetasse? © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 K. Müller, Thermodynamik ohne Formeln, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2_1
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Der 1. Hauptsatz
Abb. 1.1 Graphische Veranschaulichung der Bilanz über ein System; im Fall der Energie sind Erzeugung und Vernichtung jeweils gleich null
Der entscheidende, aber weit verbreitete Denkfehler ist zu übersehen, dass jedes offene System als Teil eines größeren, abgeschlossenen Systems angesehen werden kann. Im Grunde genommen ist jedes System, egal ob offen, geschlossen oder abgeschlossen, Teil des abgeschlossenen Systems „Universum“. Innerhalb dieses abgeschlossenen Systems bleibt der Energieinhalt konstant. Die Kunst ist jetzt nur noch, aus dieser Erkenntnis eine sinnvolle Schlussfolgerung für offene Systeme zu ziehen. Hierzu gilt es zunächst einmal das Prinzip der Bilanzierung zu verstehen, das in Abb. 1.1 veranschaulicht ist. Bilanzen klingen zunächst einmal nach Betriebswirtschaftslehre. Und tatsächlich lässt sich das Prinzip gut daran erklären. Das System sei nun ein Unternehmen (oder eine ganze Volkswirtschaft). Dieses System kann bezüglich des Gelds als offenes System betrachtet werden. Der Geldinhalt kann sich nun durch verschiedene Vorgänge ändern. Geld kann dem System zugeführt werden; zum Beispiel dadurch, dass das Unternehmen seine Produkte verkauft oder die Volkswirtschaft Waren exportiert. Geld kann natürlich genauso abgeführt werden; beispielsweise, weil das Unternehmen Löhne bezahlt oder weil die Volkswirtschaft Waren importiert. Innerhalb gewisser Grenzen kann sich der Geldinhalt neben Zu- und Abfuhr auch durch Erzeugung und Vernichtung ändern. Im Fall eines Unternehmens ist die Erzeugung etwas schwierig, denn § 146 des deutschen Strafgesetzbuches sieht für das unerlaubte Herstellen von Geldscheinen eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren vor. Ist das System dagegen eine ganze Volkswirtschaft, dann kann Geld durchaus darin entstehen. Beispielsweise
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Der 1. Hauptsatz
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kann die Zentralbank – vereinfacht gesagt – zusätzliches Geld drucken. Vernichtung von Geld, zumindest im engeren Sinne, spielt in der Regel keine größere Rolle. Aber theoretisch könnte ein Unternehmen einfach ein Feuer anzünden und Geldscheine verbrennen. Das wäre nicht besonders klug, doch denkbar wäre es durchaus. Die Geldmenge im System steigt also durch Zufuhr und Erzeugung und sie sinkt durch Abfuhr und Vernichtung. So eine Bilanz kann genauso über technische Systeme aufgestellt werden. Diese Bilanzen sind wichtig im Ingenieursdenken. Komplexe Zusammenhänge können bei Bedarf auch in mehrere einfache Bilanzen aufgeteilt werden. Daran muss man sich aber erst einmal gewöhnen. Als einfaches Beispiel sei einmal eine Massenbilanz betrachtet. Bei der Masse gibt es gewisse Analogien zur Energie, denn sie wird ebenfalls weder erzeugt noch vernichtet (gemäß Einsteins berühmter Formel sind Masse und Energie eigentlich sogar gleichbedeutend und werden ineinander umgewandelt; das soll jetzt aber nicht weiter interessieren). Der Systeminhalt ändert sich deshalb nur durch Zu- und Abfuhr. Wenn in eine Tasse Tee eingefüllt wird, dann steigt die Masse in ihrem Inneren, weil die Zufuhr die Abfuhr übersteigt (die Masse des Tees ist sehr viel größer als die der verdrängten Luft). Wird aus der Tasse getrunken, so verringert sich der Inhalt der Tasse wieder, obwohl in der Tasse weder Masse erzeugt noch vernichtet wurde. Die Masse wurde allerdings auch nicht außerhalb der Tasse erzeugt oder vernichtet. Beim Befüllen der Tasse sinkt der Masseninhalt der Teekanne in dem Maße in dem der Masseninhalt der Teetasse steigt. Beim Trinken vergrößert sich wiederum der Masseninhalt des Magens in dem Maße in dem der Inhalt der Tasse abnimmt. Bei der Masse gilt eine strikte Erhaltungsregel. Bei der Komponentenbilanz sieht das anders aus. Stellen wir uns einen Holzofen vor und stellen einmal die Bilanz an Sauerstoff im Ofen auf. Zugeführt wird Sauerstoff in erster Linie als Teil der Frischluft. Abgeführt wird der Sauerstoff über das Rauchgas. Eine Erzeugung findet nicht statt. Wir stellen aber fest, dass über den Kamin sehr viel weniger Sauerstoffmoleküle den Ofen verlassen als über die Frischluft zugeführt wurden. Die Gesamtzahl der Sauerstoffatome ist gleichgeblieben, nur liegt ein großer Teil davon im Rauchgas nicht mehr als Sauerstoffmoleküle (O2 ) vor, sondern ist in Kohlenstoffdioxidmolekülen (CO2 ) gebunden. Bezüglich der Sauerstoffatome kann demnach Erhaltung konstatiert werden, bezüglich der Sauerstoffmoleküle nicht. Bei Letzteren findet im Ofen Vernichtung in Form von Umwandlung in eine andere chemische Form statt. Erzeugung von Sauerstoffmolekülen gibt es im System „Holzofen“ nicht. Im System „Baum“ gibt es dagegen
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Der 1. Hauptsatz
Erzeugung von Sauerstoffmolekülen, während gleichzeitig Kohlenstoffdioxidmoleküle vernichtet werden. Die Zahl der Sauerstoffatome bleibt dagegen auch hier unverändert. Nun zurück zur Energie! Nehmen wir dazu einmal ein System bestehend aus einem Suppentopf auf dem Herd. Wie verhält es sich nun mit dem Energieinhalt des Topfes? Dem Topf wird zum Einen Energie zugeführt. Das geschieht vor allem in Form von Wärme, die ihm von unten zugeführt wird. Wärme ist jedoch nur eine Möglichkeit zur Zufuhr von Energie. Eine weitere Möglichkeit ist mechanische Arbeit. Wird der Topf umgerührt, dann verrichtet ein zweites System (der „Koch“) Arbeit am System „Topf“. Durch das Umrühren wird dem System ebenfalls Energie zugeführt, wodurch es sich zusätzlich erwärmt. Im vorliegenden Beispiel wird der Beitrag der Wärmezufuhr deutlich größer sein als der Beitrag der Rührarbeit. Nichtsdestotrotz wird auf beide Arten Energie zugeführt. Daneben führt das System auch Energie an die Umgebung ab. Die Temperatur des Topfes mag niedriger sein als die der Herdplatte. Deswegen strömt schließlich Wärme von unten in ihn hinein. Seine Temperatur ist allerdings deutlich höher als die des Raums. Darum gibt der Topf über seine Wände und die offene Oberseite Wärme an den Raum ab. Dieser Effekt verringert wiederum den Energieinhalt des Topfes. Mechanische Arbeit wird vom Topf nicht verrichtet, es gibt aber noch eine weitere Form der Energieabfuhr und zwar in Form eines Stoffstroms. Die Suppe beginnt infolge der Temperaturerhöhung zu dampfen. Dadurch reduziert sich nicht nur der Masseninhalt des Topfs. Der Dampf enthält außerdem eine gewisse Energie und diese wird mit dem Dampf aus dem Topf abgeführt. Genau wie bei der Masse findet wiederum keine Erzeugung oder Vernichtung statt. Der Energieinhalt des Topfes ändert sich infolge der beschriebenen Effekte im Laufe der Zeit. Die Änderung entspricht exakt der Differenz aller Energiezufuhren minus sämtlicher Energieabfuhren. Auf das größere Gesamtsystem gesehen bleibt die Energiemenge wiederum konstant. Die vom Topf abgeführte Energie verteilt sich im System „Raum“ und die dem Topf zugeführte Energiemenge verringert den Energieinhalt des Systems „Vorratslager des Kraftwerks“, welches den Herd mit elektrischer Energie versorgt. Wird all das zusammengefasst, dann bleibt die Gesamtmenge an Energie unverändert. Das ist schon das Wichtigste, was es zum 1. Hauptsatz der Thermodynamik zu wissen gibt. Eine Begrifflichkeit sei nur für all diejenigen Leser noch eingeführt, die irgendwann noch eine Prüfung zur Thermodynamik schreiben müssen. Es geht um den Begriff der Zustandsgrößen. Energie gehört zu den Zustandsgrößen. Das bedeutet, dass der Energieinhalt eines Systems nur von seinem Zustand
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Der 1. Hauptsatz
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abhängt und nicht davon, wie es in diesen Zustand gelangt ist. Im Fall des Topfes bedeutet es, dass es für den Energieinhalt völlig belanglos ist, ob der Inhalt heiß ist, weil Wärme von der Herdplatte zugeführt wurde oder ob ein sehr sportlicher Koch so heftig gerührt hat, dass er sich durch die Rührarbeit erwärmt hat. Der Energieinhalt hängt einzig und allein vom Zustand ab. Dieser wird durch die Zustandsvariablen beschrieben. Das sind die Temperatur, der Druck und das Volumen. Der Weg, auf dem das System in diesen Zustand gekommen ist, ist irrelevant. Die zugeführte Wärme und Arbeit dagegen sind keine Zustands- sondern wegabhängige Prozessgrößen. Wärme und Arbeit stellen keine Energieinhalte dar, sondern Formen der Energieübertragung. Für den Energieinhalt des Topfes ist es wiederum völlig gleichgültig, ob erst Wärme zugeführt und dann gerührt wurde, ob erst gerührt und dann Wärme zugeführt wurde oder ob beides gleichzeitig geschah. Bei thermodynamischen Berechnungen ist das sehr hilfreich, weil nicht mit dem komplizierten Prozess von gleichzeitiger Wärme- und Arbeitszufuhr gerechnet werden muss.
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Der 2. Hauptsatz
Der 1. Hauptsatz wird im Physikunterricht oft gar nicht als Teil der Wärmelehre (so der traditionelle deutsche Begriff für die Thermodynamik) gelehrt, sondern als Teil der Mechanik. Dort wird korrekt gelehrt, dass Energie nicht verloren geht, sondern nur eine Energieform in eine andere umgewandelt wird. Fällt ein Gegenstand herunter, dann wird potenzielle Energie in kinetische Energie umgewandelt. Wird ein Gegenstand nach oben geworfen, dann wird kinetische Energie zu potenzieller Energie. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dann jedoch immer, dass diese Gleichsetzung nicht richtig aufzugehen scheint. Ein Gummiball, der auf den Boden fällt, springt anschließend wieder in die Höhe. Allerdings nicht ganz so hoch wie seine urtümliche Fallhöhe. Ist also doch Energie verloren gegangen? Natürlich nicht. Die kinetische Energie hat sich nur infolge von Luftreibung in thermische Energie (der Volksmund würde sagen: Wärme) umgewandelt. Genau hier setzt der 2. Hauptsatz der Thermodynamik an. Die Energie ist durch die Umwandlung von mechanischer in thermische Energie zwar nicht weniger geworden. Sie ist aber weniger nutzbar. Das liegt daran, dass sich mechanische Energieformen (potentielle oder kinetische) nahezu beliebig ineinander umwandeln lassen. Auch Wärme daraus zu erzeugen ist leicht. Andersherum wird es schwierig. Wärme lässt sich nicht mehr so einfach (und vor allem nur unvollständig) in mechanische Arbeit umwandeln. Vereinfacht gesagt, verwandelt sich die mechanische Energie des Balls beim Springen über die Erde mehr oder minder von selbst in Wärme. Andersherum lässt sich nie beobachten, dass sich Wärme aus dem Boden einfach so an einem Punkt zusammenzieht und sich in mechanische Arbeit umwandelt. Sonst könnte es passieren, dass ein liegender Ball plötzlich von selbst in die Luft springt. Die Ursache dafür, dass das nicht passiert, ist der 2. Hauptsatz. Der 2. Hauptsatz besagt, dass ein Perpetuum mobile 2. Art unmöglich ist. Eine solche (unmögliche) Maschine würde beispielsweise Wärme vollständig in © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 K. Müller, Thermodynamik ohne Formeln, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2_2
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Der 2. Hauptsatz
mechanische Arbeit umwandeln. Eine teilweise Umwandlung ist zwar, innerhalb der Grenzen des 2. Hauptsatzes, möglich. Vollständig geht es aber nur in die andere Richtung. Analog zum 1. Hauptsatz gibt es wieder eine Reihe alternativer, gleichwertiger Formulierungen. Beispielsweise lässt er sich so formulieren: Die Entropie eines abgeschlossenen Systems kann nicht sinken. Oder für ein offenes, stationäres System: Die Differenz aus Entropiezufuhr und –abfuhr entspricht der irreversiblen Entropieproduktion im Inneren des Systems. Was hat es mit dieser Entropie auf sich? Na ja, das wusste selbst Rudolf Clausius nicht so wirklich, als er das Entropiekonzept und mit ihm den 2. Hauptsatz 1865 formulierte. Auf der Suche nach einer Beschreibung der Energieumwandlung zeigte sich, dass es nicht reicht, nur von einer Übertragung von Energie auszugehen. Um den Vorgang komplett zu beschreiben, muss noch die Übertragung einer zweiten Größe berücksichtigt werden. Die Entropie wurde zunächst einfach nur als rein mathematisches Konzept behandelt. Dieses Buch heißt jedoch „Thermodynamik ohne Formeln“. Darum machen wir einen Sprung und betrachten die Entropie anschaulich auf der molekularen Ebene (so anschaulich molekulare Betrachtungsweisen eben sein können). Einige Jahre nach Clausius hatte Ludwig Boltzmann nämlich erkannt, dass die Entropie sich auf das Verhalten einer großen Anzahl von Molekülen zurückführen lässt. Entropie wird oft als ein Maß für die Unordnung beschrieben. Etwas präziser wäre die Bezeichnung als Maß für die Anzahl der möglichen Anordnungszustände aller Moleküle, die im jeweiligen Zustand vorliegen können. Was hat man sich darunter vorzustellen? Stellen wir uns zunächst einen Kristall vor, beispielsweise aus Traubenzucker. Innerhalb dieses Kristalls haben alle Zuckermoleküle eine feste Position. Abhängig von der Temperatur schwingen sie ein bisschen um diese Position herum, aber im Grunde genommen haben alle einen festen Platz. Diese festen Plätze können sich die einzelnen Moleküle nicht frei aussuchen, sondern sie sind durch die Kristallstruktur des jeweiligen Stoffes vorgegeben. Im Kristall liegt dementsprechend ein sehr geordneter Zustand vor. Oder in Zahlen von Anordnungszuständen gesprochen: Es gibt sehr wenige mögliche Anordnungszustände für die Moleküle im Kristall. Dementsprechend ist die Entropie niedrig. Für den Extremfall eines perfekten Kristalls am absoluten Nullpunkt, wenn es keinerlei thermische Schwingung mehr gibt, gäbe es nur noch eine einzige mögliche Anordnung der Moleküle, die diesem Kristall entspräche. Die Entropie wäre deshalb gleich Null.1
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Wer verstehen will, warum eine Zahl von Anordnungszuständen von eins einer Entropie von Null entspricht, der müsste an dieser Stelle doch mal einen Blick in den Anhang zur
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Der 2. Hauptsatz
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In einer Flüssigkeit hingegen können sich die Moleküle, anders als im Kristall, mehr oder minder frei bewegen. Dadurch ist eine Flüssigkeit, molekular betrachtet, ein ziemlich chaotischer Zustand mit entsprechend hoher Entropie. Wieder über die Anordnungszustände der Moleküle ausgedrückt heißt das, dass es eine sehr große Zahl möglicher Aufenthaltsorte für die einzelnen Moleküle gibt, die von außen betrachtet dem gleichen Zustand der Flüssigkeit entsprechen. Das Ganze lässt sich noch weitertreiben. Die Moleküle in einer Flüssigkeit sind sich noch recht nahe und können sich gegenseitig beeinflussen, wodurch ihre Möglichkeiten beliebige Plätze im Raum einzunehmen doch begrenzt sind. Die Moleküle in einem Gas sind dagegen nahezu frei und können sich fast beliebig anordnen. Die Entropie in einem gasförmigen Zustand ist deshalb nochmals deutlich höher. Ein äußerer Zustand, der durch viele Einzelanordnungen der Moleküle zustande kommen kann, ist deutlich wahrscheinlicher als ein Zustand, der nur durch wenige Anordnungsvarianten entstehen kann. Es ist damit letztlich die Wahrscheinlichkeit, die dazu führt, dass bei realen Prozessen die Entropie nur steigen, aber nicht sinken kann (sie könnte gleichbleiben, was in der Praxis eigentlich nur dann der Fall ist, wenn im System nichts geschieht). Die Entropie eines Körpers hängt von zwei Faktoren ab: Der Art, wie sich die Moleküle bei den gegebenen Bedingungen anordnen, und der Anzahl der Moleküle. Die doppelte Menge eines Stoffes besitzt die doppelte Entropie. Die Entropie gehört damit, wie die Energie, zu den extensiven Zustandsgrößen. Sie ist von der Menge abhängig. Im Gegensatz dazu sind die Temperatur und der Druck intensive (d. h. nicht-mengenabhängige) Größen. Wird zu einem Liter kochenden Wassers ein weiterer Liter kochenden Wassers gegeben, dann liegt die Temperatur immer noch bei 100 °C. Die Entropie hat sich dagegen verdoppelt. Genauso wie beispielsweise Masse, Volumen und Energie. Diese Mengeneffekte sollen im Folgenden weiter keine Rolle mehr spielen. Es schadet aber trotzdem nicht, sich das einmal bewusst zu machen. Mit dem Zusammenhang von Entropie und molekularer Ordnung lassen sich nun viele Phänomene erklären, die sich im täglichen Leben beobachten lassen. Ein Beispiel ist die Frage, warum sich Zucker, der in eine Teetasse gegeben wird, auflöst. Zunächst liegt der Zucker in kristalliner Form vor. Der Zustand ist sehr geordnet und hat damit eine niedrige Entropie. Das Gleiche gilt für den Tee. Dieser besteht im Wesentlichen aus Wasser. In diesem sind natürlich die Aromastoffe und das Koffein aus den Teeblättern gelöst. Der Einfachheit halber sei berühmten Formel aus der statistischen Thermodynamik nach Boltzmann werfen, in der die Zahl der Anordungszustände im Logarithmus steht.
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Der 2. Hauptsatz
Abb. 2.1 Auflösung von Zucker in einer Teetasse molekular veranschaulicht; links: Der Zucker liegt als Kristall am Boden der Tasse, rechts: Der Kristall hat sich aufgelöst und die Zuckermoleküle im Wasser verteilt (die Größenverhältnisse zwischen Wasser- und Zuckermolekülen sind nicht maßstabsgetreu; Zucker ist vereinfacht als Traubenzucker und der Tee als reines Wasser dargestellt)
hier jedoch einfach angenommen, dass der Tee nur aus Wasser besteht. Dessen Entropie ist, da er eine Flüssigkeit ist, etwas höher als die der Zuckerkristalle. Da das Wasser aber sehr rein ist und kaum Fremdmoleküle vorhanden sind, ist es molekular allerdings immer noch recht geordnet. Löst sich der Zucker nun im Wasser auf, dann liegt statt zweier separater Subsysteme (Wasser und Zuckerkristall) mit jeweils vergleichsweise niedriger Entropie auf einmal eine Mischung vor. In Mischungen sind die Moleküle der verschiedenen Stoffe chaotisch verteilt. Die Entropie ist deshalb sehr viel höher als die der jeweiligen Reinstoffe. Dieser Entropieanstieg ist es, der zur Auflösung des Zuckerkristalls führt (Abb. 2.1). Dies ist nicht nur der Grund, warum sich Zucker im Tee löst, sondern warum sich Stoffe in der Regel leicht mischen lassen. Sie wieder zu trennen ist deutlich schwieriger, da dabei die Entropie sinken würde. Damit es überhaupt möglich ist, muss viel Energie eingesetzt werden (z. B. Verdampfungswärme beim Destillieren). Durch diesen Energieeinsatz kommt es beim Trennen zu einem starken Entropieanstieg in der Umgebung. Deswegen steigt die Gesamtentropie und der
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Der 2. Hauptsatz
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2. Hauptsatz wird nicht verletzt. Mischen erfordert dagegen in der Regel überhaupt keinen Energieeinsatz. Energieaufwand zum Rühren ist nicht nötig, damit es überhaupt zur Mischung kommt, sondern nur, um den Vorgang zu beschleunigen. Der Zucker löst sich auch ohne Umrühren. Es dauert nur so lange, dass der Tee bis dahin schon kalt geworden wäre. Wenn die Entropie beim Schmelzen steigt und beim Erstarren entsprechend sinkt, warum kann es dann überhaupt Erstarrung geben? Der 2. Hauptsatz besagt doch, dass die Entropie nicht abnehmen kann. Das liegt daran, dass zwischen den Molekülen Anziehungskräfte herrschen. Deshalb wird bei der Bildung eines Kristalls oder bei der Kondensation von Dampf Energie in Form von Wärme frei. Diese Wärme wird an die Umgebung abgegeben und führt dort zu einem Anstieg der Entropie. Die beiden Effekte treten gleichzeitig auf und in Summe bleibt die Entropie mindestens gleich. Darum ist Erstarrung und Kondensation möglich. Welcher Aggregatszustand thermodynamisch stabil ist hängt von der Temperatur ab, denn diese ist der Gewichtungsfaktor zwischen den beiden Effekten. Bei hoher Temperatur wirkt sich die Entropieänderung infolge der bei Erstarrung und Kondensation freiwerdenden Wärme stärker aus als bei niedrigen Temperaturen. Deswegen ist bei niedrigen Temperaturen der molekular geordnetere Aggregatszustand stabil und bei hohen Temperaturen der molekular ungeordnetere. Damit lässt sich auch erklären, warum heißer Tee abkühlt. Bei hoher Temperatur bewegen sich die Wassermoleküle schneller und damit chaotischer als bei niedriger Temperatur. Die Entropie des heißen Tees ist also höher als die des kalten Tees. Es ließe sich nun eigentlich erwarten, dass der 2. Hauptsatz die Abkühlung verhindert. Allerdings darf dabei die Umgebung nicht übersehen werden. Wenn diese eine niedrigere Temperatur hat als der Tee, kommt es zur Abkühlung. Laut 1. Hauptsatz ist die vom Tee abgegebene Wärmemenge gleich der von der Umgebung aufgenommenen. Der Unterschied ist die Temperatur von heißem und kaltem Körper. Die gleiche Wärmemenge hat umso mehr Entropie, je niedriger die Temperatur ist. Die Abgabe von Wärme reduziert die Entropie des Tees deshalb weniger stark als die Entropie der Umgebung steigt. Insgesamt ergibt sich ein Anstieg der Entropie und genau darauf lässt der 2. Hauptsatz der Thermodynamik alle Prozesse zulaufen. Darum kühlt sich heißer Tee ab.
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Kreisprozesse
3.1
Carnot: Der hypothetische Kreisprozess und die maximale Effizienz
Der 1. Hauptsatz besagt, dass Energie nicht vernichtet wird. Eine Effizienz von 100 % sollte für alle Energietechnologien demnach möglich sein. Wenn es nur den 1. Hauptsatz gäbe, dann wäre das in der Tat kein Problem. Nur ist da nun mal noch der 2. Hauptsatz. Dieser führt dazu, dass Energie zwar nicht vernichtet, aber doch entwertet wird. Mechanische Arbeit ist thermodynamisch gesehen mehr wert als Wärme. Werden verschiedene Wärmen verglichen, dann zeigt sich außerdem, dass Wärmen bei hoher Temperatur mehr wert sind als Wärmen bei niedriger Temperatur. Diese Wertigkeit von Energieformen kann durch das Konzept der Exergie ausgedrückt werden. Exergie ist – vereinfacht gesagt – der nutzbare Teil der Energie. Auf gewisse Weise stellt sie eine Gewichtung der Energie um die mit ihr verknüpfte Entropie dar. Je mehr Entropie eine Energieform hat, desto niedriger ist ihre Exergie. Mechanische oder elektrische Energie sind reine Exergie. Das bedeutet, dass sie vom Grundsatz her vollständig in jede andere Energieform umwandelbar sind. Mit elektrischer Energie lässt sich mechanische Arbeit verrichten und umgekehrt. Eine mechanische Energieform lässt sich, zumindest im reibungsfreien Idealfall, vollständig in eine andere mechanische Energieform umwandeln. Aus potenzieller Energie lässt sich leicht kinetische Energie gewinnen und umgekehrt. Gleichermaßen lassen sich mechanische und elektrische Energie leicht in thermische Energie umwandeln. Andersherum funktioniert das dagegen nicht mehr. Aus Wärme lässt sich nicht einfach mechanische Arbeit gewinnen. Die Exergie der Wärme ist deutlich geringer als die thermische Energie, die durch die Wärme übertragen
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Kreisprozesse
wird. Je höher die Temperatur ist, desto größer ist der Anteil der Exergie an der thermischen Energie. Aber selbst eine Wärme bei 1000 °C ist keine reine Exergie. Der Gewichtungsfaktor, mit dem sich thermische Energie in ihre Exergie umrechnen lässt, ergibt sich aus einem Gedankenexperiment, das von Nicolas Léonard Sadi Carnot Anfang des 19. Jahrhunderts erstmalig formuliert wurde. Bei diesem Gedankenexperiment handelt es sich um einen sogenannten Kreisprozess. Ein Kreisprozess ist eine Abfolge von Prozessschritten, in denen einem Prozessfluid (einer Flüssigkeit oder einem Gas) Wärme zu- oder abgeführt beziehungsweise Arbeit am oder vom Fluid verrichtet wird. In jedem dieser Schritte ändern sich zumeist zwei der Zustandsvariablen des Fluids: Druck, Temperatur und Volumen. Eine der Zustandsvariablen bleibt, zumindest beim idealtypischen Prozess, dagegen unverändert. Das Ganze nennt sich deshalb Kreisprozess, weil der Zustand des Prozessfluids dabei nacheinander so geändert wird, dass er am Ende wieder dem Ausgangszustand entspricht. Der Carnot-Kreisprozess ist ein hypothetischer Kreisprozess. Er beschreibt eine reversible Wärmekraftmaschine, die Wärme zwar nicht vollständig in mechanische Energie umwandelt, aber doch zumindest bis zum maximalen Umfang, der vom 2. Hauptsatz zugelassen wird. In Carnot’s Gedankenexperiment wird ein Gas zunächst isotherm komprimiert. Isotherm bedeutet „bei konstanter Temperatur“. Da sich das Gas bei der Kompression erwärmt, muss diese Wärme sofort an die Umgebung abgeführt werden, um die Temperatur konstant zu halten. Die große Herausforderung ist dabei, dass dies reversibel geschehen muss. Das bedeutet, dass keine Entropie dabei erzeugt werden darf. Um Wärme reversibel zu übertragen muss die Temperaturdifferenz zwischen heißen und kalten Medium gegen null gehen. Im Gedankenexperiment mag das funktionieren. In der Praxis ist es nicht wirklich sinnvoll, weil der Vorgang dann unendlich lange dauern würde. Das sei jetzt aber erstmal egal. Nach dieser isothermen Kompression wird das Gas weiter komprimiert. Nun allerdings isentrop, das heißt „bei konstanter Entropie“. Dabei muss jede Wärmeabfuhr an die Umgebung unterbunden werden und Reibung darf es ebenfalls nicht geben (damit der Carnot-Kreisprozess wirklich reversibel ist, dürfte es die sowieso in keinem Prozessschritt geben). Anschließend dehnt sich das Gas wieder aus und bewegt dabei einen Kolben, wodurch Arbeit verrichtet wird. Diese Ausdehnung erfolgt wiederum in zwei Schritten: Erst isotherm und dann wieder isentrop. Selbst wenn der Carnot-Kreisprozess ein reines Gedankenexperiment sein mag, lässt sich daraus ein maximaler Wirkungsgrad berechnen. Werden die einzelnen Schritte durchgegangen und jeweils die zu- beziehungsweise abgeführten Wärmen und Arbeiten bilanziert, so ergibt sich ein bestimmter Wirkungsgrad (d. h. derjenige Anteil der Wärme, die in Arbeit umgewandelt wird). Dieser
3.2 Joule und Rankine: Kreisprozesse für Turbinen
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Carnot-Wirkungsgrad hängt von zwei Größen ab. Der Temperatur der (bei der isothermen Ausdehnung) zugeführten Wärme und der Temperatur der (bei der isothermen Kompression) abgeführten Wärme. Der Carnot-Wirkungsgrad ist umso höher, je höher die Temperatur der zugeführten Wärme, beziehungsweise je niedriger die Temperatur der abgeführten Wärme ist. Da diese beiden Temperaturen die maximale Umwandelbarkeit von Wärme in mechanische Arbeit beschreiben, bestimmen sie denjenigen Anteil der Wärme, die als Exergie (d. h. nutzbare Energie) angesehen werden kann. Als Temperatur der Wärmeabgabe wird für die Berechnung der Exergie die Temperatur der Umgebung eingesetzt. Der Carnot-Prozess war zwar für die Thermodynamik ein unheimlich wichtiges Gedankenexperiment. Schließlich stellte er die Grundlage dafür da, dass der 2. Hauptsatz formuliert werden konnte. Außerdem gibt er mit dem CarnotWirkungsgrad (wie er mit der Formel im Anhang berechnet werden kann) die Obergrenze für die Effizienz von Prozessen zur Energieumwandlung an. Er selbst ist jedoch ein hypothetischer Prozess. In die Praxis lässt er sich nicht umsetzen. Reale Energieprozesse lassen sich indes durchaus durch thermodynamische Kreisprozesse beschreiben. Hierfür braucht es, je nach Anwendungsfall, jeweils einen anderen Vergleichsprozess.
3.2
Joule und Rankine: Kreisprozesse für Turbinen
In den meisten Kraftwerken kommen Turbinen zum Einsatz. Für Wärmekraftmaschinen auf Basis von Turbinen gibt es gleich zwei Vergleichsprozesse: Einen für Gasturbinen und einen für Dampfturbinen. Zunächst einmal muss an dieser Stelle der Unterschied zwischen Gas und Dampf erklärt werden. Wenn Dampf komprimiert wird, dann steigt der Druck. Geschieht das adiabat (d. h. ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung), dann steigt dabei die Temperatur. Wird die bei der Kompression freiwerdende Wärme dagegen abgeführt, dann bleibt die Temperatur konstant. Um eine solche isotherme Kompression geht es. Wird nun der Druck von Wasserdampf isotherm erhöht, dann kondensiert er irgendwann. Derjenige Druck, bei dem der Dampf flüssig wird, heißt Dampfdruck. Zunächst einmal hängt der Dampfdruck vom Stoff ab. Ethanol (auch bekannt als EthylAlkohol) besitzt bei der gleichen Temperatur einen höheren Dampfdruck als Wasser. Dementsprechend verdampft Ethanol leichter als Wasser. Der Dampfdruck hängt außerdem von der Temperatur ab. Bei hohen Temperaturen muss auf einen höheren Druck komprimiert werden, damit es zur Kondensation kommt. Je höher die Temperatur ist, desto höher ist der Dampfdruck.
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3
Kreisprozesse
Irgendwann ist allerdings eine Temperatur erreicht oberhalb derer es keinen Dampfdruck mehr gibt. Oberhalb dieser sogenannten „kritischen Temperatur“ kann der Druck beliebig stark erhöht werden und es kommt trotzdem nicht zur Kondensation. Der Unterschied zwischen Gas und Dampf besteht einfach darin, dass ein Gas nicht kondensierbar ist (die Temperatur ist also höher als seine kritische Temperatur), während ein Dampf kondensiert werden kann (die Temperatur liegt unterhalb der kritischen Temperatur). In einem Gasturbinenprozess strömt ein Gas durch die Turbine. In einem Dampfturbinenkraftwerk ist es ein Dampf. Gaskraftwerke setzen tatsächlich Gasturbinen ein. Es ist aber nicht deshalb eine Gasturbine, weil der Brennstoff ein Gas ist, sondern weil heiße Abluft durch die Turbine strömt. Diese besteht vor allem aus Stoffen, deren kritische Temperatur weit unter den Temperaturen im Prozess liegt (der Hauptbestandteil ist Stickstoff mit einer kritischen Temperatur von -145 °C; bei Raumtemperatur kann es daher keinen flüssigen Stickstoff geben, egal wie hoch der Druck ist). Bei einem Dampfturbinenprozess strömt nicht die heiße Abluft der Verbrennung durch die Turbine, sondern Wasser, welches mithilfe der Verbrennungswärme verdampft wurde (die kritische Temperatur von Wasser liegt über 500 K höher als bei Stickstoff, nämlich bei +374 °C). Sehen wir uns zunächst einmal einen Gasturbinenprozess an (Abb. 3.1). Bevor ein Gas in einer Turbine entspannt werden kann, muss es zunächst in einem Kompressor auf einen hohen Druck gebracht werden (Schritt 1→2). Dabei erwärmt es sich bereits. Anschließend wird das erwärmte, komprimierte Gas weiter erwärmt (2→3). Der entsprechende Erhitzer ist in der Regel einfach eine Brennkammer. Hier wird Erdgas zur komprimierten Luft gemischt und verbrannt, wodurch Wärme freigesetzt wird. Dann erst kommt die Turbine. In der Turbine sinken sowohl Druck als auch Temperatur des Gasgemisches ab. Sein Energiegehalt ist deswegen nach der Turbine (Zustand 4) deutlich niedriger als davor (Zustand 3). Laut dem 1. Hauptsatz geht Energie nicht verloren, sondern wird in diesem Fall als Arbeit abgegeben. Diese Arbeit kann teilweise genutzt werden, um einen Generator anzutreiben, der elektrischen Strom erzeugt. Ein Teil der Turbinenleistung muss allerdings in den Kompressor gesteckt werden, um das Gas erstmal auf einen hohen Druck zu bringen (1→2). Technisch ist das normalerweise so realisiert, dass Turbine und Kompressor direkt auf der gleichen Welle liegen. Um den Prozess zu einem Kreisprozess zu machen, muss der Kreis noch geschlossen werden. Das Gas muss von Zustand 4 wieder in Zustand 1 zurückgebracht werden. Da das Gas in der Turbine zwar etwas abkühlt, aber noch nicht die Ausgangstemperatur erreicht, bedarf es eines Kühlers. In der Praxis findet dieser letzte Schritt oft nur indirekt statt. Statt über einen Kühler im Kreis geführt zu werden, wird die heiße Brennluft an die Umgebung abgegeben und kalte Luft angesaugt. Das ergibt
3.2 Joule und Rankine: Kreisprozesse für Turbinen
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Abb. 3.1 Vereinfachtes Prozessschema eines Joule-Kreisprozesses, der die Grundlage von Gaskraftwerken darstellt
allein schon deshalb Sinn, weil für die Verbrennung ohnehin sauerstoffreiche Frischluft nötig ist. Thermodynamisch beschrieben wird ein solches Gaskraftwerk durch den sogenannten Joule-Prozess (teilweise bekannt als Joule-Brayton-Kreisprozess). Der Joule-Prozess geht vereinfachend davon aus, dass in jedem der vier Schritte jeweils eine Zustandsgröße gleichbleibt. Die Kompression (1→2) erfolgt demnach isentrop, das heißt die Entropie ändert sich nicht: Zum Einen ist der Kompressor adiabat, es wird also keine Wärme ausgetauscht, wodurch Entropie transportiert würde. Zum Anderen wird eine reversible Kompression angenommen. Das bedeutet, dass es keine irreversible Entropieproduktion, beispielsweise durch Reibung, gibt. Sind beide Bedingungen erfüllt, dann ist der Prozessschritt isentrop. Die Wärmezufuhr (2→3) erfolgt dann isobar. Die Temperatur steigt und mit ihr das spezifische Volumen des Gases. Der Druck bleibt jedoch unverändert. In der Turbine (3→4) erfolgt dann wieder isentrope Entspannung. Die Wärmeabfuhr (4→1) geschieht isobar.
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3
Kreisprozesse
Dieser Vergleichsprozess kann nun genutzt werden, um den maximalen Wirkungsgrad eines Gaskraftwerks zu berechnen. Dabei zeigt sich, dass der Wirkungsgrad umso höher ist, je größer das Druckverhältnis ist. Außerdem lässt sich zeigen, dass der Wirkungsgrad sich alternativ über die Temperaturen vor und nach dem Kompressor ausdrücken lässt. Das funktioniert dann wie beim CarnotWirkungsgrad. Allerdings ist die obere Temperatur nicht die sehr hohe (Zustand 3, nach dem Erhitzer), sondern nur die „mittlere“ (Zustand 2, nach dem Kompressor). Folglich ist der Wirkungsgrad eines Gaskraftwerks niedriger als Carnot erlauben würde (die Gleichung für den Wirkungsgrad gibt es wieder im Anhang). Soll einfach ein Gas verbrannt und das heiße Gas durch die Turbine geschickt werden, dann ist die Gasturbine das Mittel der Wahl. In einem Kohle- oder Biomassekraftwerk würde das dagegen erhebliche Probleme verursachen. Heiße Asche und andere Partikel aus dem Brennraum, die durch die Turbine wirbeln, würden dort in kürzester Zeit zu ernsthaften Problemen führen. Deshalb kommt in solchen Fällen ein Dampfturbinenprozess zum Einsatz. Dieser funktioniert analog zum Gasturbinenprozess. Zunächst wird flüssiges Wasser mit einer Pumpe auf einen hohen Druck gebracht (1→2). Dann wird dem Wasser Wärme zugeführt (2→3). Hier liegt nun der entscheidende Unterschied. Das Wasser durchläuft dabei nämlich einen Phasenwechsel. Das Wasser wird nicht nur erwärmt, sondern auch verdampft und der Dampf anschließend überhitzt (d. h. auf eine Temperatur deutlich oberhalb der Siedetemperatur beim jeweiligen Druck gebracht). Dieser heiße Dampf strömt anschließend durch die Turbine (3→4) und wird zum Schluss soweit abgekühlt, dass er wieder kondensiert (4→1). Diese Abkühlung geschieht in den großen Kühltürmen, die zumeist den auffälligsten Teil eines Kraftwerks darstellen. Für die thermodynamische Analyse wird nun nicht mehr der Joule-Prozess, sondern der Clausius-Rankine-Prozess, verwendet. Dabei ergibt sich wieder eine Abfolge aus isentroper Druckerhöhung, isobarer Wärmezufuhr, isentroper Entspannung in der Turbine und zum Schluss einer isobaren Wärmeabfuhr. Zwei wichtige Unterschiede seien hier nur kurz herausgestellt. Zum Einen ist der Energiebedarf der Pumpe, die eine Flüssigkeit auf einen hohen Druck bringt, viel geringer als der des Kompressors beim Joule-Prozess, der ein Gas komprimieren muss. Die Ursache dafür ist der Umstand, dass flüssiges Wasser nahezu inkompressibel ist. Den Druck einer Flüssigkeit zu erhöhen erfordert darum kaum Energie, weil kaum Volumenänderungsarbeit verrichtet werden muss. Den Druck eines Gases zu erhöhen erfordert dagegen viel Energie, da es kompressibel ist. Sein Volumen nimmt bei der Kompression stark ab, weshalb viel Volumenänderungsarbeit verrichtet werden muss.
3.2 Joule und Rankine: Kreisprozesse für Turbinen
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Der zweite Unterschied betrifft die Wärmezufuhr. Diese nimmt einen deutlich anderen Verlauf. Beim Joule-Prozess steigt die Temperatur im Verlauf der Wärmezufuhr vereinfacht gesagt konstant an. Beim Clausius-Rankine-Prozess kommt es zunächst ebenfalls zu einem Anstieg der Temperatur. Schließlich wird allerdings die Siedetemperatur erreicht (diese liegt deutlich über 100 °C, da der Druck stark erhöht ist). Ab diesem Punkt setzt die Verdampfung ein und Wärmezufuhr führt zu keiner weiteren Erhöhung der Temperatur. Solange die Verdampfung läuft wird die zugeführte Wärme benötigt, um die „Verdampfungskälte“ zu decken. Erst nach dem Abschluss der Verdampfung steigt die Temperatur wieder. Durch den komplexeren Verlauf der Temperatur bei der Wärmezufuhr lässt sich der Wirkungsgrad nicht mehr ganz so einfach aus den Temperaturen berechnen. Eingesetzt werden Dampfturbinen dort, wo Arbeit (und daraus zumeist elektrische Energie) aus Wärme gewonnen werden soll. Der Clausius-Rankine-Prozess beschreibt daher die Wandlung der Wärme in Arbeit sowohl in Kernkraftwerken als auch in Kohlekraftwerken. Er dient jedoch genauso als Grundlage für die Energiewandlung in Biomasseheizkraftwerken, in geothermischen oder solarthermischen Kraftwerken oder bei der Nutzung von Abwärme. Insbesondere bei der Nutzung von Abwärme oder in Anwendungen wie geothermischen Kraftwerken besteht das Problem, dass die Temperatur der Wärmequelle deutlich niedriger ist als bei einer Verbrennung. Der Dampfdruck von Wasser ist bei diesen niedrigeren Temperaturen zu niedrig, um vernünftig eine Turbine zu betreiben. Aus diesem Grund werden hierfür andere Fluide verwendet. Zum Einsatz kommen dabei vereinfacht gesagt diejenigen Stoffe, die als Kältemittel aus Klimaanlagen und Kühlschränken bekannt sind.1 Der optimale Einsatzstoff hängt stark vom Temperaturniveau ab, weswegen verschiedene Fluide eingesetzt werden. Ein solches System wird als ORC (von englisch Organic Rankine Cycle) bezeichnet. Thermodynamisch gesehen ist das kein neuer Kreisprozess, sondern einfach nur der gerade vorgestellte Clausius-RankineProzess. Der einzige Unterschied ist, dass statt Wasser ein anderer Stoff im Kreis geführt und verdampft wird.
1
Kühlschränke funktionieren nach einem modifizierten Prozess, bei dem der ClausiusRankine-Prozess (vereinfach gesagt) rückwärts abläuft. Man spricht dann von einem linksläufigen Kreisprozess.
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3.3
3
Kreisprozesse
Otto und Diesel: Kreisprozesse für Motoren
Joule- und Clausius-Rankine-Prozess eignen sich sehr gut, um zu verstehen, wie Wärme mittels Turbinen in mechanische und elektrische Arbeit umgewandelt wird. In einer Turbine verrichtet ein kontinuierlicher Gas- oder Dampfstrom technische Arbeit an den Turbinenschaufeln, die in eine Drehbewegung umgesetzt wird. Daneben gibt es Prozesse, die Wärme in sogenannte Volumenänderungsarbeit umsetzen, um damit eine geradlinige Bewegung zu erzeugen. Dabei wird ein Kolben aus einem Zylinder herausgedrückt. Das klassische Beispiel ist die Dampfmaschine, die im 19. und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die dominierende Wärmekraftmaschine war. Die Dampfmaschine lässt sich mittels des Clausius-Rankine-Prozesses beschreiben. Das Verschieben des Kolbens durch den heißen Dampf entspricht hierbei der Turbine. Sonst gibt es keinen großen Unterschied. Andere Prozesse mit Kolbenmaschinen brauchen dagegen andere Modellprozesse, um sie thermodynamisch zu modellieren. Historisch war der zweite Motorentyp, der nach der Dampfmaschine erfunden wurde, der Stirling-Motor. Die Entstehungsgeschichte dazu ist recht kurios, denn Robert Stirling war kein Ingenieur, sondern Geistlicher. Da Anfang des 19. Jahrhunderts viele Menschen starben, weil die unter hohem Druck stehenden Kessel der Dampfmaschinen explodierten, wollte er als Pastor etwas unternehmen. Als Lösung erfand er eine Maschine, die ohne hohen Druck arbeitet: Den nach ihm benannten Stirling-Motor. Dieser kann Arbeit verrichten, die aus von außen zugeführten Wärme gewonnen wird. Zur thermodynamischen Modellierung davon gibt es mit dem Stirling-Prozess einen eigenen Kreisprozess. Dieser ist an sich recht interessant, da sein maximaler Wirkungsgrad dem Carnot-Wirkungsgrad und damit dem theoretischen Optimum entspricht. Praktisch spielt der Stirling-Motor aufgrund einiger technischer Herausforderungen aber, bis auf einige Nischenanwendungen, kaum eine Rolle. Deswegen sollen zum Schluss die beiden Prozesse vorgestellt werden, die Viertaktmotoren beschreiben. Viertaktmotoren sind die wichtigsten Verbrennungsmotoren und spielen nicht nur in der Antriebstechnik eine große Rolle, sondern in der Kraft-WärmeKopplung auch als Kleinkraftwerke. Der Name „Viertaktmotor“ kommt daher, dass er in vier Schritten arbeitet. Im ersten Schritt wird der Kolben aus dem Zylinder herausbewegt und Luft angesaugt (die entsprechenden Einlassventile sind dabei offen). Das Ansaugen des Brennstoffs erfolgt entweder ebenfalls in diesem ersten Schritt oder er wird erst am Ende des zweiten in den Zylinder eingespritzt. Der zweite Schritt stellt die Kompression der Luft dar, indem der Kolben wieder in den Zylinder hineingeschoben wird. Dann erfolgt die Zündung.
3.3 Otto und Diesel: Kreisprozesse für Motoren
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Durch die Wärmefreisetzung bei der Verbrennung dehnt sich das Gas aus und verrichtet am Kolben Arbeit. Der Kolben wird dadurch wieder herausgeschoben. In diesem Schritt wird der Motor angetrieben. Im vierten Schritt wird der Kolben wieder in den Zylinder hineingeschoben und das Abgas dadurch herausgedrückt (die Auslassventile sind offen). Im Anschluss befindet sich das System wieder im Ursprungszustand und beginnt erneut mit dem Ansaugen. Es gibt nun zwei thermodynamische Kreisprozesse, die solche Motoren beschreiben. Der Otto- und der Diesel-Prozess unterscheiden sich dabei im Grunde genommen nur in einer Kleinigkeit: In der Art der Verbrennung und damit der Weise wie die Wärmezufuhr geschieht. Der Ansaugtakt (Schritt 1) soll der Einfachheit halber vernachlässigt werden. Damit beginnt der Kreisprozess mit der Kompression. Diese erfolgt idealerweise wieder isentrop (also bei konstanter Entropie wie schon in den beiden Turbinenprozessen). Anschließend erfolgt die Wärmezufuhr, die durch die Verbrennung zustande kommt. Dem folgt eine isentrope Expansion als Arbeitstakt. Zum Schluss wird Wärme abgeführt. Dies entspricht dem Ausblasen. Diese Wärmeabfuhr geschieht isochor. Das bedeutet, dass das Volumen des Gases sich nicht ändert. Der Unterschied zwischen Otto- und Dieselprozess ist, dass die Wärmezufuhr beim Otto-Prozess ebenfalls isochor erfolgt. Vereinfacht gesagt erfolgt die Verbrennung so schnell, dass sie – und mit ihr die Wärmefreisetzung – abgeschlossen ist, bevor sich der Kolben nach unten bewegen konnte. Dadurch bleibt das Volumen währenddessen konstant. Im Dieselprozess erfolgt die Wärmezufuhr dagegen nicht isochor, sondern isobar. Die Vorstellung ist dabei, dass im selbstzündenden Dieselmotor die Verbrennung nicht schlagartig geschieht, sondern langsam während sich der Kolben nach unten bewegt. Dadurch wird der Druck konstant gehalten. In der Realität werden weder Otto- noch Dieselmotoren perfekt durch ihren jeweiligen Vergleichsprozess beschrieben. Die Wahrheit liegt dazwischen. Darum wird zur Modellierung von Motoren oft der Seiliger-Prozess verwendet. Bei diesem Kreisprozess wird – wieder vereinfachend – davon ausgegangen, dass ein Teil der Verbrennung (und mit ihr der Wärmezufuhr) isochor erfolgt und der zweite Teil dann isobar. Die Verbrennung läuft natürlich nicht zweischrittig ab. Trotzdem stellt der Seiliger-Prozess eine sehr gute Beschreibung von Viertaktmotoren dar. Die anderen beiden Prozesse sind Grenzfälle des Seiliger-Prozesses. Bei 100 % isochorer Wärmezufuhr entspricht er dem Otto-Prozess. Bei 100 % isobarer Wärmezufuhr ergibt sich der Dieselprozess.
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Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
Thermodynamik ist nicht nur wichtig, um Prozesse zur Gewinnung von mechanischer Arbeit aus Wärme zu verstehen und zu verbessern. Sie erklärt auch eine Unzahl an Phänomenen aus Natur und Technik. Im Folgenden sei eine kleine Auswahl davon exemplarisch kurz vorgestellt.
4.1
Warum wird ein feuchter Keller besser im Winter getrocknet?
Bei der Vorstellung des Clausius-Rankine-Prozesses war bereits der Begriff des Dampfdrucks angesprochen worden. Sinkt der Druck eines Reinstoffs unter seinen Dampfdruck bei der jeweiligen Temperatur, so beginnt er in die Dampfphase überzugehen. Der Dampfdruck hängt von zwei Faktoren ab: Vom Stoff und von der Temperatur. Mit steigender Temperatur steigt der Dampfdruck. Deswegen fängt eine Flüssigkeit irgendwann zu sieden an, wenn ihre Temperatur steigt. Je niedriger der Umgebungsdruck ist, desto früher passiert das. Deswegen kocht Wasser im Hochgebirge schon deutlich unter 100 °C. Der Siedepunkt der Flüssigkeit ist diejenige Temperatur, bei der ihr Dampfdruck dem Systemdruck entspricht. Der Anstieg des Dampfdrucks wird durch die Clausius-ClapeyronGleichung beschrieben. Da dieses Buch „Thermodynamik ohne Formeln“ heißt, gibt es diese Gleichung wieder nur im Anhang. Die an dieser Stelle wichtige Aussage der Clausius-Clapeyron-Gleichung ist lediglich die Art der Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks. Durch Integration der Gleichung ergibt sich, dass der Dampfdruck eine annähernd exponentielle Funktion der Temperatur ist. Bei Annäherung an den kritischen Punkt gilt das nicht mehr, doch solange die Temperatur deutlich unterhalb der kritischen Temperatur liegt, wird die Temperaturabhängigkeit sehr gut durch eine exponentielle © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 K. Müller, Thermodynamik ohne Formeln, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2_4
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4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
Funktion beschrieben. Ein exponentieller Anstieg bedeutet, dass eine Verdoppelung des Dampfdrucks immer in den gleichen Temperaturschritten erfolgt. Tatsächlich wird die Schrittweite zwar mit steigender Temperatur etwas größer. In der Praxis lässt sich das Verhalten trotzdem oft gut als einfacher exponentieller Zusammenhang beschreiben. Im Fall von Wasser lässt sich das in einer einfachen Faustformel zusammenfassen: Eine Erhöhung der Temperatur um etwa 20 K führt zu einer Verdoppelung des Dampfdrucks. Oder umgekehrt: Eine Reduktion um 20 K führt zu (etwas mehr als) einer Halbierung. Bei 100 °C hat Wasser bekanntlich einem Dampfdruck, der dem Standard-Atmosphärendruck von knapp über 1 bar entspricht. Deswegen liegt der Normalsiedepunkt von Wasser bei 100 °C. Bei 80 °C ist der Dampfdruck nur noch etwa halb so hoch (in Zahlen: 0,48 bar). Bei 60 °C hat sich der Dampfdruck nochmals etwas mehr als halbiert und beträgt nur noch etwa 0,2 bar. Bei 40 °C sind es nur noch etwa 0,074 bar und bei 20 °C ist der Dampfdruck schließlich auf etwa 0,023 bar gesunken. Diese Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks hat Implikationen, beispielsweise für die Trocknung eines feuchten Kellers. Zur Trocknung von Räumen werden diese normalerweise gelüftet. Intuitiv würden die meisten Menschen wahrscheinlich sagen, dass eine solche Trocknung am besten im Sommer funktioniert. Tatsächlich funktioniert die Trocknung am besten, wenn es draußen kalt ist. Die Ursache davon ist der Dampfdruck von Wasser und seine Temperaturabhängigkeit. Liegt der Dampfdruck bei der jeweiligen Temperatur unterhalb des Umgebungsdrucks, dann kommt es nicht zum Blasensieden (es blubbern also keine Dampfblasen auf). Das bedeutet freilich nicht, dass überhaupt kein Wasser in die Gasphase übergehen kann. Der Effekt ist als Verdunsten wohlbekannt. Der Dampfdruck spielt dabei eine große Rolle. Verdunstung ist nur möglich, solange der Dampfdruck größer ist als der Partialdruck. Der Partialdruck eines Stoffes bezeichnet denjenigen Anteil des Gesamtdrucks, der (zumindest gedanklich) von diesem Stoff eingenommen wird. Da die Luft eine gewisse Luftfeuchtigkeit hat, entfällt ein Teil ihres Drucks auf Wasserdampf. Je höher die absolute Luftfeuchtigkeit ist, desto größer ist bei gegebenem Systemdruck der Partialdruck von Wasser. Eine höhere Temperatur erhöht den Dampfdruck, während der Partialdruck erst einmal nicht von der Temperatur abhängt. Darum funktioniert Verdunstung zunächst umso besser, je höher die Temperatur ist. Warum soll es bei der Trocknung des feuchten Kellers nun genau andersherum sein? Dazu ist es hilfreich sich zu vergegenwärtigen, dass die Temperatur eines Kellers weitgehend konstant ist. Natürlich steigt sie im Laufe des Sommers etwas. Trotzdem bleibt der Keller im Sommer verhältnismäßig kühl. Darum ist der
4.2 Warum ist Destillation so kompliziert?
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Dampfdruck des Wassers im Mauerwerk der Kellerwände im Sommer ähnlich groß wie im Winter. Die höhere Außentemperatur trägt deshalb nicht wirklich zu mehr Verdunstung bei. Gleichzeitig herrscht im Sommer draußen eine hohe Temperatur, wodurch der Dampfdruck von Wasser draußen sehr viel höher ist als drinnen. Dadurch ist die Aufnahmefähigkeit der Luft für Feuchtigkeit sehr viel höher. Wird der Keller nun im Sommer gelüftet, dann strömt warme Luft nach innen und kalte Luft strömt nach außen. Durch den höheren Dampfdruck draußen hat die von außen kommende, warme Luft eine deutlich größere absolute Feuchte (die in Prozent angegebene relative Feuchte mag trotzdem die gleiche sein; die soll hier aber nicht weiter interessieren). Beim Öffnen des Kellerfensters tritt im Sommer damit eine Situation ein, in der mit der warmen Luft mehr Wasser in den Keller befördert wird als mit der kalten Luft heraustransportiert wird. Die Wassermenge im Keller sinkt nicht, sondern steigt. Beim Kontakt mit den kalten Wänden kühlt sich die feuchte Luft von draußen ab. Dadurch sinkt der Dampfdruck, weshalb die Luft weniger Wasserdampf aufnehmen kann. Luftfeuchtigkeit kondensiert darum aus. Es kommt zur Unterschreitung des sogenannten Taupunkts. Statt den Keller zu trocknen und damit Schimmelbildung vorzubeugen hat die Lüftung den Keller im schlimmsten Fall zur Schimmelzucht gemacht. Im Winter liegen die Dinge genau anders herum. Die Innentemperatur des Kellers ist näherungsweise gleichgeblieben. Draußen ist die Temperatur dagegen deutlich niedriger. Dadurch ist die maximale Wassermenge in der Außenluft sehr klein. Beim Lüften strömt nun kalte, aber trockene Luft ins Innere, während lauwarme, halbwegs feuchte Luft herausströmt. Jetzt endlich liegt ein Netto-Wassertransport von innen nach außen vor und der Keller trocknet. Noch besser funktioniert eine solche Trocknung natürlich bei geheizten Räumen. Das ist zwar nicht gut für die Energieeffizienz, doch mit kurzer Stoßlüftung lässt sich so effektiv eine Akkumulation von Feuchtigkeit in den Räumen und damit Schimmelbildung verhindern.
4.2
Warum ist Destillation so kompliziert?
Kinder sollen bekanntlich keinen Alkohol trinken. Das gilt nicht nur, weil bereits kleine Mengen zu erheblichen Schäden führen können, sondern auch weil der Kontakt mit Alkohol eine Gewöhnung in jungen Jahren bewirken kann. Das gilt nicht nur für Rotwein, sondern auch für Rotweinsoße. Dabei hat die Rotweinsoße doch auf dem Herd gestanden und gekocht. Der Alkohol sollte längst „verkocht“ sein. Als Erklärung wird dazu gerne angebracht, dass der Alkohol
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4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
weg und nur noch der Geschmack zurückgeblieben sei. Das ist natürlich völliger Unfug. Es gibt keinen eigenständigen Alkoholgeschmack, der unabhängig vom Alkohol wäre. Was in der Weinsoße nach Alkohol schmeckt ist schlicht und ergreifend Alkohol. Wasser siedet bei Atmosphärendruck bekanntlich bei 100 °C. Ethanol, so der chemische Begriff für den „Trinkalkohol“, siedet schon bei etwa 78 °C. Wird eine Flüssigkeit wie die Weinsoße bei einer Temperatur deutlich oberhalb von 78 °C gekocht, dann sollte der Alkohol komplett verdampfen. Dem ist nicht so. Die Ursache ist ein – weit verbreiteter – Denkfehler. 100 °C und 78 °C sind die Normalsiedepunkte der Reinstoffe. Würde reines Ethanol bei Atmosphärendruck auf 90 °C erwärmt, dann sollte er also vollständig verdampfen, und zwar sogar schon zwölf Kelvin bevor die Zieltemperatur erreicht ist. Doch geht es hier nicht um Reinstoffe. Es geht um eine Mischung aus Wasser und Alkohol. Den gleichen Denkfehler gibt es oft auch andersherum. Wenn eine Mischung aus Wasser und Alkohol auf 90 °C erwärmt wird, dann sollte über die Dampfphase reines Ethanol gewonnen werden können. Wasser siedet schließlich erst bei 100 °C. Das ist jedoch genauso unsinnig wie die Annahme des „Verkochens“ von Alkohol. Die Siedepunkte sind Reinstoffeigenschaften. Aus ihnen lassen sich durchaus Rückschlüsse auf die Mischung ziehen. Eine Mischung ist aber trotzdem etwas völlig anders als zwei separate Reinstoffe. Die Überlegung zum „Verkochen“ beziehungsweise zum „reinen Alkoholdampf“ gehen von genau dieser fehlerhaften Annahme aus. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Verdampfung und überlegen uns, was dabei mit den Molekülen passiert. Zunächst gibt es zwei aneinander angrenzende Bereiche. Da ist ein Bereich mit einer hohen Moleküldichte, der Flüssigphase genannt wird. Dieser grenzt an einen Bereich mit niedrigerer Moleküldichte, der Dampfphase genannt wird. In beiden Bereichen bewegen sich die Moleküle. Dabei kommen immer wieder Moleküle an den Rand ihres Bereichs, die sogenannte Phasengrenze. Vom Grundsatz her könnte sich Ihre Bewegung dort einfach fortsetzen. Sie könnten dadurch in die andere Phase übergehen. Moleküle können sowohl aus der Dampfphase in die Flüssigphase übergehen als auch umgekehrt. Im ersten Fall ist das kein großes Problem. Beim Übergang aus der Flüssig- in die Dampfphase kommt aber ein weiterer Effekt zum Tragen. Die Moleküle ziehen sich gegenseitig an. Im Fall von Wasser sind es sogenannte Wasserstoffbrückenbindungen, mit denen sich die Moleküle anziehen. Im Fall von Benzin wären es nur van-der-Waals-Kräfte. Entscheidend ist hier nur, dass sie sich gegenseitig anziehen. Für ein Molekül im Inneren der Flüssigphase ergibt sich die Situation, dass es in allen Richtungen von gleich vielen Molekülen umgeben ist. Es wird dadurch quasi gleich stark in alle Richtungen gezogen. Gleiches gilt in der
4.2 Warum ist Destillation so kompliziert?
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Dampfphase. Da dort die Abstände zwischen den Molekülen viel größer sind, sind die Anziehungskräfte jedoch geringer. Befindet sich ein Molekül nun an der Grenze zwischen Flüssig- und Dampfphase, dann ergibt sich eine neue Situation. Die Anziehungskräfte aus Richtung der Flüssigphase sind sehr viel größer als die aus Richtung der Dampfphase (vergleiche Abb. 4.1). Das liegt einfach an der unterschiedlichen Anzahl anderer Moleküle in den jeweiligen Phasen. Dadurch wird ein Molekül, das die Flüssigphase verlassen will, zurückgezogen. Andersherum wird ein Molekül, das sich aus Richtung der Dampfphase zur Flüssigphase hinbewegt, zur Flüssigkeit hingezogen. Wenn die Moleküle nun zur Flüssigphase hingezogen werden, dann stellt sich die Frage, warum es dann nicht immer zur Kondensation, also dem Übergang in die Flüssigphase kommt. Die Ursache hierfür ist mal wieder die Entropie. Die ist in der Dampfphase schließlich viel größer. Kondensation ist deswegen entropisch ungünstig. Lediglich die dabei freiwerdende Wärme macht sie überhaupt möglich. Die Kondensationswärme kommt durch die Anziehungskräfte in der Flüssigphase zustande. Entropie hat etwas mit Wahrscheinlichkeit zu tun. Ebenso ist es beim Austausch von Molekülen zwischen Dampf- und Flüssigphase. Im Phasengleichgewicht kommt es weder zu Verdampfung noch zu Kondensation. Trotzdem gibt es einen Austausch von Molekülen. Die Zahl der Moleküle, die pro Zeiteinheit aus der Dampf- in die Flüssigphase übergehen, ist lediglich genauso hoch wie die Zahl der Moleküle, die die Phasengrenze in die Gegenrichtung überqueren. Jetzt kehren wir nochmal zu unserer Überlegung vom Anfang zurück. Die Moleküle bewegen sich in beiden Phasen mehr oder minder frei und können dabei an die Phasengrenze kommen. Die Moleküle aus der Dampfphase können vereinfacht gesagt alle in die Flüssigphase übergehen. Bei den Molekülen aus der Flüssigphase sind es nur diejenigen, die genügend Energie haben. In anderen Worten: Nur diejenigen Moleküle, die schnell genug sind, können die Anziehungskräfte überwinden und in die Gasphase übergehen. Das ist nur ein Teil der Moleküle. Dafür ist die Dichte der Moleküle in der Flüssigphase viel höher. Selbst wenn der Anteil der ausreichend schnellen Moleküle gering sein mag, sind es doch so viele Moleküle, die an die Phasengrenze kommen, dass öfters ein ausreichend schnelles Molekül dabei ist. Im Phasengleichgewicht ist diese Wahrscheinlichkeit gleich der Wahrscheinlichkeit, dass ein Molekül aus der Dampfphase kommt. Es gibt damit keinen Netto-Molekülaustausch. Unter dem Strich gibt keine der beiden Phasen Moleküle ab, obwohl ständig Moleküle zwischen ihnen ausgetauscht werden.
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4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
Abb. 4.1 Vereinfachende Veranschaulichung, der Anziehungskräfte, die auf ein Molekül am Rande der Phasengrenze wirken. Da das Molekül deutlich stärker zur Flüssigphase hingezogen wird, braucht es eine ausreichende kinetische Energie, um in die Dampfphase entweichen zu können (man beachte, dass die Phasengrenze zwischen Dampf und Flüssigkeit keine eindeutig definierte Linie darstellt, sondern einem Übergangsbereich zwischen niedriger und hoher Moleküldichte entspricht)
Anhand des gerade Beschriebenen lässt sich molekular erklären, warum Flüssigkeiten bei einer Erhöhung der Temperatur verdampfen. Je höher die Temperatur ist, desto höher ist die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle. Nicht alle Moleküle sind gleich schnell. Deswegen hat nur ein Teil von ihnen ausreichend Energie, um in die Dampfphase überzugehen. Wenn die Temperatur steigt, dann hat ein größerer Teil der Moleküle eine ausreichende Energie dafür und mehr von ihnen können in die Dampfphase übergehen. Da die Anziehungskräfte zwischen Wassermolekülen wegen der zahlreicheren Wasserstoffbrückenbindungen stärker sind als zwischen Ethanolmolekülen, haben es Ethanolmoleküle quasi leichter aus der Flüssigphase zu entweichen. Darum ist die Siedetemperatur von Alkohol niedriger oder – andersherum ausgedrückt – der Dampfdruck bei gleicher Temperatur höher. Stellen wir uns nun nicht mehr reines Wasser oder reinen Alkohol vor, sondern eine Mischung. In dieser Mischung
4.2 Warum ist Destillation so kompliziert?
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kommen ebenfalls Moleküle an den Rand der Flüssigphase. Wenn ihre Energie ausreicht, dann gehen sie in die Dampfphase über. Das gilt sowohl für Wasser- als auch für Ethanolmoleküle. Beide Moleküle werden von den anderen Molekülen der Mischung angezogen. Da die Wassermoleküle allerdings etwas stärker angezogen werden, gehen Ethanolmoleküle überproportional in die Dampfphase über. Dadurch reichert sich Alkohol in der Dampfphase an. Die Dampfphase besteht aber trotzdem nicht aus reinem Alkohol, sondern aus einer Mischung, weil auch viele Wassermoleküle den Schritt über die Phasengrenze schaffen. Es ist lediglich ein etwas kleinerer Wasseranteil als in der Flüssigphase. Das ist die Grundlage der Destillation. Durch teilweise Verdampfung lässt sich die Konzentration der einen Komponente erhöhen und der der anderen reduzieren. Das Produkt ist jedoch nicht gleich ein Reinstoff. Eine einstufige Destillation kann deshalb keinen reinen Alkohol produzieren. Um höhere Konzentrationen zu erreichen, braucht es eine mehrstufige Destillation, die in einer Destillationskolonne realisiert wird. Um in einem einzigen Apparat mehrere Destillationsstufen zu realisieren, wird die Kolonne im Gegenstrom betrieben. Dabei steigt der Dampf von unten auf und ist in ständigem Kontakt mit der Flüssigkeit, die in der Kolonne von oben vom Kondensator herabläuft. Sobald dieser Rücklauf ausgeschaltet wird, kommt der Gegenstrom zum Erliegen und die Kolonne leistet nur noch eine einstufige Destillation. Selbst mit unendlich vielen Stufen schafft es Destillation übrigens nicht, zum reinen Ethanol zu kommen. Das liegt daran, dass bei einer gewissen Ethanolkonzentration ein sogenanntes Azeotrop auftritt. Dort ergibt sich die Situation, dass sich die Konzentration in Flüssig- und Dampfphase nicht mehr unterscheiden. Eine weitere Trennung per Destillation ist somit unmöglich. So spannend Azeotrope thermodynamisch sein mögen, führt das an dieser Stelle jedoch zu weit. Was für die Zusammensetzung der Dampfphase gesagt wurde, lässt sich auf die Flüssigphase übertragen. Da beim Verdampfen sowohl Wasser als auch Alkohol in die Dampfphase gehen, verschwindet nicht einfach nur der Alkohol aus der Flüssigphase. Er reichert sich lediglich ab. Seine Konzentration sinkt also. Auf Null ist sie aber erst zurückgegangen, wenn die Flüssigkeit bis auf den letzten Tropfen eingedampft ist. Im Kochtopf mit der Rotweinsauce bleibt deswegen bis zuletzt etwas Alkohol.
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4.3
4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
Warum ersticken Fische, wenn es keinen Kühlturm gibt?
Viele Kraftwerke besitzen bekanntlich einen Kühlturm. Der Clausius-RankineProzess erklärt, dass es diesen braucht, um den oben beschriebenen Kreislauf zu schließen. Schließlich muss der, zwar abgekühlte, doch immer noch recht heiße Dampf nach der Turbine wieder zu flüssigem Wasser werden, das der Speisepumpe zugeführt wird. Auf den ersten Blick erscheint es ziemlich widersinnig Wasser abzukühlen, um es anschließend wieder aufzuwärmen. Wie so oft ist die Erklärung mal wieder der 2. Hauptsatz. Würde einem Prozess lediglich Wärme im Dampfkessel zugeführt und Arbeit in der Turbine abgegriffen, dann würde das schlichtweg den 2. Hauptsatz verletzen. Die Wärme bringt schließlich Entropie ins System „Kraftwerk“ hinein, während die Arbeit keine Entropie hinaustransportiert. Um den 2. Hauptsatz einzuhalten, muss der Prozess eine Wärme bei tieferer Temperatur abgeben, da diese viel Entropie aus dem System heraus befördert. In der Praxis wird des Öfteren aber gar nicht das im Kühlturm abgekühlte (noch lauwarme) Wasser wieder im Kreis geführt, sondern kälteres Flusswasser verwendet. Das lauwarme Wasser aus dem Kühlturm wird stattdessen in den Fluss geleitet. Wenn dieses Wasser ohnehin in den Fluss geleitet wird, wo es sich abkühlt, dann könnte es aber doch genauso gut ohne vorherige Abkühlung in den Fluss geleitet werden? Wozu braucht es noch einen Kühlturm? Der Grund, dass es verboten ist, ist vor allem in der Biologie zu suchen. Der Fluss würde sich sonst im Sommer zu stark erwärmen. Würde die Wassertemperatur zu stark steigen, dann würden die darin lebenden Organismen irgendwann gekocht. Lange bevor das passiert, tritt jedoch ein anderes Problem auf: Die Fische würden ersticken. Fische – und die meisten anderen Wassertiere – benötigen Sauerstoff. Anders als Landtiere nehmen sie diesen nicht in Lungen aus der Luft auf, sondern über ihre Kiemen aus dem Wasser. Das Prinzip ist indes das Gleiche. Sowohl Luft als auch Wasser enthalten einen gewissen Anteil an Sauerstoff. Der gelöste Sauerstoff wird von einem Organ „herausgefiltert“ und auf das Blut übertragen. Der Sauerstoffgehalt der Luft ist weitgehend konstant. In trockener Luft sind es ziemlich genau 21 %. Kommt Luftfeuchtigkeit dazu, dann sinkt der Sauerstoffanteil an der feuchten Luft. Aus diesem Grund kann eine hohe Temperatur, bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit, tatsächlich eine deutlich niedrigere Sauerstoffkonzentration bedeuten. Durch die hohe Temperatur ist der Dampfdruck des Wassers höher und damit kann mehr Wasserdampf von der Luft aufgenommen werden. Dadurch macht die „eigentliche“ Luft einen geringeren Anteil an
4.3 Warum ersticken Fische, wenn es keinen Kühlturm gibt?
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der tatsächlichen feuchten Luft aus. Der Gesamtanteil des Sauerstoffs ist deshalb niedriger als in trockener Luft. Die Temperatur muss allerdings schon sehr hoch werden, damit Sauerstoffmangel zum Problem für Landtiere wird. Vorher sterben sie doch eher an einem Hitzschlag. Beim Sauerstoffgehalt des Wassers sieht es anders aus. Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass es nicht um den Sauerstoff im Wassermolekül geht. Dieses ist chemisch gebunden. Der Versuch, diesen Sauerstoff für die Atmung zu verwenden, würde unter dem Strich nicht mehr Energie liefern als seine Freisetzung aus dem Wassermolekül benötigt. Fische leben stattdessen von Sauerstoff, der im Wasser gelöst ist. Jedes Gas hat eine gewisse Löslichkeit in einer Flüssigkeit. Diese Gaslöslichkeit hängt von drei Faktoren ab: Dem jeweiligen Gas, der Flüssigkeit und der Temperatur. Wichtig für die Fragestellung im Zusammenhang mit den Kühltürmen ist natürlich die Temperatur. Die Löslichkeit eines Gases sinkt zunächst einmal stark ab, wenn die Temperatur steigt. Der Abfall der Löslichkeit verlangsamt sich mit steigender Temperatur. Irgendwann ist die Gaslöslichkeit gar nicht mehr temperaturabhängig, bevor sie schließlich wieder steigt. Dieses „irgendwann“ ist gar nicht mal so unkonkret, sondern lässt sich einigermaßen taxieren, wenn die kritische Temperatur bekannt ist. Als Faustformel lässt sich sagen, dass die geringste Gaslöslichkeit erreicht ist, wenn die Temperatur etwa dem zweifachen Wert der kritischen Temperatur des Gases entspricht. Die kritische Temperatur von Sauerstoff liegt bei − 118,6 °C. Sauerstoff ist bei Raumtemperatur also kein Dampf, sondern ein Gas. Zur Berechnung der zweifachen kritischen Temperatur muss der Wert von Grad Celsius immer in Kelvin umgerechnet werden. Das ergibt 154,6 K. Multipliziert mit 2 ergibt sich ein Wert von etwa 309 K (oder 36 °C). Die genaue Lage des Minimums hängt zusätzlich noch von anderen Parametern, wie der Art der Flüssigkeit, ab. Als erster Anhaltspunkt kann es aber trotzdem bereits dienen und erklären, was das Problem mit zu warmem Wasser ist. Stiege die Wassertemperatur durch ein (kühlturmloses) Kraftwerk im Sommer von 20 auf 30 °C an, dann hätte das eine Absenkung der Sauerstofflöslichkeit zur Folge. Es käme zu einer Abnahme der Sauerstoffkonzentration im Wasser, was sich negativ auf die Lebewesen im Wasser auswirken würde. Selbst wenn sie nicht gleich erstickten, so würden sie doch dadurch merklich in Mitleidenschaft gezogen. Das ist einer der Gründe, weswegen Kraftwerke Kühltürme brauchen. Das Thema Gaslöslichkeit spielt noch in ganz anderen Bereichen eine Rolle. Zur Abtrennung von Kohlenstoffdioxid (CO2 ) aus Rohbiogas oder Rauchgas werden teilweise Absorptionsprozesse genutzt. Dabei wird ausgenutzt, dass sich CO2 besser in den meisten Flüssigkeiten löst als Methan, Sauerstoff oder Stickstoff. Um das CO2 anschließend wieder aus der Flüssigkeit auszutreiben, kann
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4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
eine Temperaturerhöhung eingesetzt werden. Wie beim Sauerstoff sinkt auch die Löslichkeit von CO2 in den meisten Flüssigkeiten mit steigender Temperatur. Ein interessantes Beispiel führt die Löslichkeiten von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid zusammen: Blut. Im menschlichen Blut gibt es bekanntlich Hämoglobin. An diesem bindet Sauerstoff und kann so vom Blut transportiert werden. Ohne Hämoglobin wäre ebenfalls ein gewisser Sauerstofftransport durch das Blut möglich. Wegen der geringen Gaslöslichkeit von Sauerstoff wäre dieser allerdings völlig unzureichend. Neben dem Transport von Sauerstoff aus der Lunge zum Rest des Körpers hat Blut unter anderem noch die Aufgabe das Kohlenstoffdioxid zurück zur Lunge zu transportieren. Hierfür gibt es kein Hilfsmolekül. Es gibt kein separates „CO2 -Hämoglobin“. Für Kohlenstoffdioxid ist ein solches Molekül nicht nötig. Zum einen ist seine Löslichkeit ohnehin schon deutlich größer als die von Sauerstoff. Darum könnte Blut ohne Hämoglobin kaum Sauerstoff, aber viel CO2 aufnehmen. Die tatsächlich aufnehmbare Menge eines Gases in einer Flüssigkeit hängt allerdings nicht nur von der Löslichkeit ab, sondern auch von seinem Partialdruck. Bei einem Druck von 1 bar und 21 % Sauerstoffanteil in der Luft ergibt sich ein Partialdruck von 0,21 bar. Das ist nicht besonders viel. Darum könnte das Blut ohne Hämoglobin wirklich kaum Sauerstoff aufnehmen. CO2 dagegen wird gar nicht in der Lunge aufgenommen, sondern im Körperinneren. Würde die Löslichkeit für CO2 im Blut nicht reichen, dann käme es zur Bildung von Gasblasen in den Adern. Das wäre sehr schlecht. Deswegen ist genügend Blutdurchfluss nötig, um das CO2 tatsächlich heraus zu transportieren. Die Gasblasen hätten aber einen Druck von 1 bar (der Körperinnendruck entspricht weitgehend dem Umgebungsdruck). Knapp unter 1 bar wäre damit der – stark vereinfacht gesprochen – maximale Druck, der für die Einlösung von CO2 zur Verfügung stünde, um Probleme zu vermeiden. Solange die CO2 -Konzentration im Blut nicht so hochsteigt, dass es zum Herauslösen bei 1 bar kommt, kann das Blut damit sämtliches CO2 von den Zellen zur Lunge transportieren. Diese Grenze ist deutlich höher als 0,21 bar Partialdruck von Sauerstoff. Aus dem Blut herausgelöst wird das Kohlenstoffdioxid erst in der Lunge, wo es schließlich ausgeatmet wird. Die CO2 -Konzentration in der Luft liegt bei ca. 400 ppm. Das ist zwar ein meteorologisch gesehen katastrophal hoher Wert. Es entspricht trotzdem nur einem Partialdruck von etwa 0,0004 bar. Kommt das CO2 -reiche Blut in der Lunge an, so enthält es viel mehr CO2 als bei diesem Partialdruck gelöst werden kann. Infolgedessen löst es sich in der Lunge aus dem Blut heraus und kann ausgeatmet werden.
4.4 Warum kann Photovoltaik nicht zu 100 % effizient sein?
4.4
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Warum kann Photovoltaik nicht zu 100 % effizient sein?
Eine zentrale Technologie im Kontext der erneuerbaren Energien ist die Photovoltaik (PV). Insbesondere in Mitteleuropa, wo es viel Streulicht gibt, weswegen es keinen Sinn ergibt Sonnenlicht auf einen Punkt zu fokussieren, um ein solarthermisches Kraftwerk zu betreiben, ist PV die wichtigste Solartechnologie. Aufgebaut sind die meisten PV-Module aus mehreren PV-Zellen, die in Reihe geschaltet werden, um eine Spannung von etwa 30 V zu erreichen. Physikalisch beruhen die Zellen auf durch Photonen induzierte Elektronenübergänge im Übergangsbereich zwischen dem p- und dem n-dotierten Teil eines Halbleiters. Um das Grundprinzip zu verstehen, braucht es dementsprechend Grundlagen in Quantenmechanik und Chemie. Beides sind ebenfalls wichtige Grundlagen, um die Thermodynamik auf molekularer Ebene vollständig zu verstehen. Mit der Art von Thermodynamik, die bisher diskutiert wurde, haben PV-Module dagegen nichts zu tun. Zumindest nicht auf den ersten Blick. PV-Anlagen weisen einen Wirkungsgrad auf. Das bedeutet, dass nicht die gesamte Energie, die in Form von Licht auf die Zellen trifft, in elektrische Energie umgewandelt wird. Der Rest der Energie wird zu Wärme, die die Temperatur des PV-Moduls und letztlich der Umgebung erhöht. Der genaue Anteil des Lichts, der wirklich zu elektrischem Strom wird, hängt vom konkreten Zellentyp ab. Werte etwas über 20 % sind durchaus realistisch. High-Tech-Zellen erreichen im Labor deutlich höhere Werte. Es besteht deshalb eine gute Chance, dass in den nächsten Jahren PV-Module mit besserer Energieausbeute auf den Markt kommen. Doch welcher Wirkungsgrad lässt sich maximal erreichen? Hier helfen die Hauptsätze der Thermodynamik weiter. Der 1. Hauptsatz besagt, dass Energie weder erzeugt noch vernichtet, sondern nur umgewandelt werden kann. Dementsprechend ergäbe sich eine Obergrenze für den Wirkungsgrad von 100 %. Das PV-Modul kann nicht mehr elektrische Energie abgeben als es an Lichtenergie bekommt, sonst wäre der 1. Hauptsatz verletzt. 100 % klingt ganz gut. Nur gibt es da noch den alten Spielverderber der Energietechnik: Hauptsatz Nummer 2. Energie kann immer nur so in eine andere Energieform umgewandelt werden, dass die Entropie der aus dem System eintretenden Energieformen kleiner (oder maximal) gleich der Entropie der austretenden Energieformen ist. In das System „PV-Modul“ geht nur eine Energieform hinein: Licht. Austretende Energieformen sind die elektrische Energie und – da der Wirkungsgrad kleiner 100 % ist – Wärme. Nehmen wir zunächst einmal an, dass der Wirkungsgrad bei 100 % läge. Es würde folglich keine Wärme erzeugt. Die elektrische Energie hat eine
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4 Wo spielt Thermodynamik noch eine Rolle?
Entropie von Null. Der 2. Hauptsatz würde damit nur dann eingehalten, wenn das Licht keine Entropie transportierte. Wie verhalten sich denn Entropie und Licht zueinander? Entropie wird in der statistischen Thermodynamik als Maß für die Zahl der möglichen Anordnungszustände der Atome und Moleküle behandelt. Etwas plakativer ausgedrückt lässt sich sagen: Entropie beschreibt die Unordnung der Moleküle eines Stoffes. Licht ist kein Stoff und es besteht nicht aus Atomen oder Molekülen. Licht lässt sich vielmehr als elektromagnetische Wellen bezeichnen. Deren Wellenlänge bestimmt die Farbe und wenn die Wellenlänge zwischen etwa 380 und 750 Nanometern liegt, dann ist das Licht für das menschliche Auge sichtbar. Mit dieser Betrachtungsweise läge der Schluss nahe, dass Licht keine Entropie transportiert. Doch lässt sich Licht noch auf eine zweite Weise beschreiben. Physiker sprechen vom Welle-Teilchen-Dualismus. Nach der zweiten Betrachtungsweise besteht das Licht aus Lichtteilchen, den Photonen. Photonen sind zwar keine Atome oder Moleküle, aber letztlich sind sie eine Form von Teilchen. Würde eine Lichtquelle die Photonen streng geordnet emittieren, sodass die einzelnen Photonen sich auf genau vorgegebenen Positionen relativ zueinander bewegen, dann wäre die Entropie des Lichts tatsächlich Null. Doch so wird Licht weder von der Sonne noch von einer Glühbirne ausgestrahlt. Die Positionen der einzelnen Photonen sind statistisch verteilt, womit sich der Kreis zur Entropie schließt. Die doppelte Menge an Licht bedeutet zugleich eine Verdoppelung der Entropie. Das passt dazu, dass die Entropie eine extensive Zustandsgröße ist. Wird doppelt so viel Energie durch die gleiche Art von Licht transportiert, dann gibt es doppelt so viele Photonen und damit doppelt so viel Entropie. Wie viel Entropie nun mit einer bestimmten Energiemenge verknüpft ist, hängt wiederum mit der Wellenlänge zusammen. Je langwelliger Licht ist, desto weniger Energie besitzen die einzelnen Photonen. Wenn die einzelnen Photonen weniger Energie besitzen, dann braucht es mehr Photonen, um die gleiche Energiemenge durch Licht zu transportieren. Dementsprechend steigt die Entropie des Lichts, wenn die Wellenlänge steigt. Rotes Licht besitzt deswegen eine höhere Entropie pro Energiemenge als gelbes Licht und bei blauem oder gar violettem Licht ist es noch weniger. Nun zurück zur Entropiebilanz des PV-Moduls. Wie gerade diskutiert, wird dem System mit dem Licht Entropie zugeführt. Die vom System abgegebene elektrische Energie führt keine Entropie ab. Im stationären Fall ergäbe sich damit eine Entropievernichtung, wenn kein weiterer Mechanismus da wäre, der Entropie abführt. Hier kommt die Wärme ins Spiel. Wärme besitzt immer eine von der Temperatur abhängige Entropie. Diese, an die Wärme gebundene, Entropieabgabe des Systems „PV-Modul“ ist zwingend nötig, um den 2. Hauptsatz einzuhalten.
4.4 Warum kann Photovoltaik nicht zu 100 % effizient sein?
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Die Wärme muss mindestens so viel Entropie abführen wie durch das Licht zugeführt wurde. Laut 1. Hauptsatz ist die Energie des Lichts gleich der Energie, die der elektrische Strom und die Wärme zusammen haben. Der maximale Wirkungsgrad einer Photovoltaikanlage hängt damit von zwei Faktoren ab: Dem Entropiegehalt des Lichts und dem Entropiegehalt der Wärme. Ersterer hängt von der Wellenlänge ab. PV-Module auf einem Planeten, der einen roten Riesen umkreist, sind damit potenziell ineffizienter als auf der Erde, die einen gelben Zwerg namens Sonne umkreist. Das rote Licht ist schließlich langwelliger als das eher gelbe Licht der Sonne. Der zweite Faktor, der Entropiegehalt der Wärme, hängt von der Temperatur der PV-Zellen ab. Je niedriger diese ist, desto größer der Entropiegehalt der Wärme. Damit ist weniger Wärme nötig, um die gleiche Menge an Entropie abzuführen. Unter anderem aus diesem Grund kann Photovoltaik bei niedrigeren Temperaturen eine höhere Effizienz erreichen als bei einer hohen Temperatur.
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Ausblick
Über die Thermodynamik könnten noch Unmengen an Seiten vollgeschrieben werden. Die Kreisprozesse ließen sich noch in viel größerer Detailtiefe vorstellen; sowohl bezüglich ihrer mathematischen Beschreibung als auch mit Blick auf die Umsetzung in die Realität und was es dabei alles zu beachten gibt. Außerdem ließen sich noch viele Beispiele finden, wo Thermodynamik in Natur, Technik und im täglichen Leben eine Rolle spielt. Außerdem wurde hier bisher nur über die Gleichgewichts-Thermodynamik gesprochen. Vereinfacht gesagt fragt die Gleichgewichts-Thermodynamik nur nach dem, was maximal möglich ist ohne danach zu fragen, wie lange das dauert. Gewissermaßen geht sie davon aus, dass für alle Vorgänge unendlich viel Zeit zur Verfügung steht. In der Realität spielt die Zeit natürlich eine Rolle. Hier kommt die Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik ins Spiel. Das alles vorzustellen sprengt allerdings nicht nur den Rahmen dieses kurzen Büchleins, sondern selbst den eines dicken Wälzers mit mehreren Bänden. Ganz abgesehen davon bräuchte es dafür doch eine Menge an Gleichungen. Ganz ohne Mathematik lässt sich Thermodynamik auf die Dauer leider nicht behandeln. Zum Schluss soll es darum nur nochmal ein paar Worte zu den Hauptsätzen geben. Viele Menschen, die einmal eine Thermodynamikvorlesung gehört haben, beantworten die Frage nach der Zahl der Hauptsätze der Thermodynamik mit „zwei“. Für die praktische Anwendung ist das weitgehend richtig, denn mit dem 1. und dem 2. Hauptsatz lässt sich fast die ganze Thermodynamik erklären. Aber eben nur fast. Es gibt noch einen dritten Hauptsatz. Ohne als solcher bezeichnet worden zu sein, wurde dieser schon einmal erwähnt. Der 3. Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Entropie eines ideal-kristallinen Körpers am absoluten Nullpunkt gleich null ist. Auf gewisse Weise ist das nur eine Definition. Daraus folgen jedoch einige Konsequenzen. Die wichtigste davon ist, dass es unmöglich ist, eine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunkts zu erreichen. Die Temperatur von © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 K. Müller, Thermodynamik ohne Formeln, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2_5
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Ausblick
0 K (d. h. −273,15 °C) ist die tiefstmögliche Temperatur. Kälter kann es nicht werden und um diese wichtige Erkenntnis als fundamentale Grundlage in der Thermodynamik zu verankern, braucht es den 3. Hauptsatz. Mit drei Hauptsätzen liegt nun eigentlich tatsächlich alles vor, was es braucht, um die Grundlagen der Thermodynamik zu beschreiben. Eigentlich! In Summe sind es nämlich tatsächlich vier Hauptsätze. Trotzdem gibt es keinen 4. Hauptsatz der Thermodynamik. Stattdessen gibt es einen Nullten Hauptsatz. An der Nummerierung zeigt sich schon wie stiefmütterlich der zumeist behandelt wird. Nachdem der erste und zweite Hauptsatz schon aufgestellt und fest nummeriert worden waren, kamen Leute in den 1930er-Jahren darauf, dass es strenggenommen noch eine weitere fundamentale Definition bräuchte, die einen weiteren Hauptsatz darstellt. Da die Hauptsätze alle aufeinander aufbauen (der 2. ergibt ohne den 1. wenig Sinn und der 3. wäre ohne den 2. ebenfalls sinnlos) und dieser neue Hauptsatz logisch vor den 1. gehört, erhielt er die Nummer 0. Seine Aussage scheint erstmal ziemlich trivial. Er besagt, dass zwei Systeme, die sich mit einem dritten System jeweils im thermischen Gleichgewicht befinden, sich untereinander ebenfalls im thermischen Gleichgewicht befinden. Aus dieser Definition lassen sich wieder ein paar Schlussfolgerungen ziehen. Dazu gehört vor allem die Erkenntnis, dass es eine Zustandsvariable geben muss, die das thermische Gleichgewicht beschreibt. Das ist die Temperatur, die im 0. Hauptsatz ihre Grundlage hat.
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Anhang: Wer doch Formeln sehen will
Zum 1. Hauptsatz der Thermodynamik sei nur kurz die Gleichung für die Änderung des Energieinhalts E eines offenen Systems im Verlauf der Zeit angegeben: . . . . dE Qi + Wi + mk · uk + E a.l = dt i
j
k
l
Q˙ i bezeichnet dabei die einzelnen zu- und abgeführten Wärmeströme (abgeführte Ströme haben ein negatives Vorzeichen), W˙ j sind die einzelnen Arbeiten, die am oder vom System verrichtet werden, m˙ k sind die einzelnen zu- und abgeführten Massenströme und u k ihre jeweilige spezifische innere Energie und E˙ a.l bezeichnet die, in der Thermodynamik oft vernachlässigten, Änderungen der äußeren Energie, was vor allem die kinetische und potentielle Energie meint. Für den 2. Hauptsatz lässt sich analog die Änderung des Entropieinhalts S für ein offenes System angeben: .
. Qi . dS + m k · sk + Sirr = dt Ti i
k
Die Wärmeströme Q˙ i werden jeweils durch Division durch ihre jeweilige Temperatur in Entropieströme umgerechnet. Arbeit taucht in der Gleichung nicht auf, da diese keine Entropie transportiert. Stoffströme transportieren jeweils ihre spezifische Entropie in das System hinein bzw. aus ihm heraus. Zusätzlich kommt im Fall der Entropie noch ein Erzeugungsterm S˙irr dazu, da Entropie zwar nicht vernichtet, aber durch Irreversibilitäten erzeugt werden kann.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer-Verlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 K. Müller, Thermodynamik ohne Formeln, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2_6
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Anhang: Wer doch Formeln sehen will
Die Entropie wurde in der klassischen Thermodynamik zunächst über die Wärme definiert. Dabei ergibt sich die infinitesimale, reversibel übertragene Entropiemenge d S als die entsprechende, infinitesimale Wärmemenge δ Q dividiert durch die jeweilige Temperatur T (in Kelvin, nicht in Grad Celsius): dS =
δQ T
Nach Boltzmann kann die Entropie mittels der statistischen Thermodynamik als Produkt aus Boltzmann-Konstante k B und dem Logarithmus der Zahl der möglichen Anordnungszustände W beschrieben werden: S = k B · ln (W ) Der maximal erreichbare Wirkungsgrad ηCar not für die Umwandlung von Wärme in mechanische Arbeit stellt den Umrechnungsfaktor für Wärme in Exergie dar. Er lässt sich aus dem Carnot-Kreisprozess ableiten: ηCar not = 1 −
Tab Tzu
Tzu und Tab sind die Temperaturen bei den Wärmezu- und –abfuhr erfolgen. Beim Joule-Prozess (dem Gasturbinenprozess) ist der Wirkungsgrad etwas niedriger als beim Carnot-Prozess: η J oule = 1 −
T1 T4 = 1− = 1− T2 T3
p1 p2
k−1 k
Der Isentropenkoeffizient κ enthält die Information über die thermophysikalischen Eigenschaften des Prozessgases und ist das Verhältnis der Wärmekapazitäten für den isobaren und den isochoren Fall. Für Luft hat er bei 20 °C einen Wert von etwa κ = 1,4. Die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks p s wird durch die ClausiusClapeyron-Gleichung beschrieben: dp s vap h = vap dT v · T Die Verdampfungsenthalpie vap h ist die Wärmemenge, die zur Verdampfung nötig ist. Sie sinkt mit steigender Temperatur und nimmt bei der kritischen
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Anhang: Wer doch Formeln sehen will
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Temperatur schließlich einen Wert von Null an. Dadurch gilt die Aussage vom exponentiellen Anstieg des Dampfdrucks mit der Temperatur nicht streng und die Temperaturschrittweite zur Verdoppelung des Dampfdrucks steigt deswegen mit dem Absolutwert der Temperatur an. Der Parameter vap v ist die Volumenänderung beim Verdampfen. Da der Dampf eine deutlich geringere Dichte hat als die Flüssigkeit, kommt es zu einer starken Volumenzunahme. In der Praxis ist die Clausius-Clapeyron-Gleichung etwas unpraktisch. Deswegen wird zur Beschreibung des Dampfdrucks als Funktion der Temperatur oft die Antoine-Gleichung verwendet: log p s = A −
B T +C
Die Antoine-Gleichung ist keine thermodynamisch sauber begründete Gleichung, sondern nur eine hilfreiche Näherungsgleichung. Die Parameter A und B besitzen noch einen gewissen physikalischen Hintergrund, der sich aus der Clausius-Clapeyron-Gleichung ableiten lässt. Der Parameter C ist ein reiner Korrekturterm. Oft wird die Antoine-Gleichung um weitere Terme mit zusätzlichen Parametern (D, E,…) erweitert. Diese besitzen jedoch keine physikalische Bedeutung, wodurch die Gefahr einer Überanpassung der Parameter steigt. Für das Verständnis der Kondensation von Luftfeuchtigkeit ist außerdem der Partialdruck pi als Größe wichtig. Der Partialdruck eines Stoffes i ist wie folgt definiert: pi = yi · p yi ist der Anteil des Stoffes i an der Gasphase und p ist der Gesamtdruck. Die Zusammensetzung einer Dampfphase, die sich mit einer Flüssigphase im Gleichgewicht befindet, lässt sich durch die Raoultsche Näherung (da es wirklich nur eine erste Näherung ist, ist die verbreitete Bezeichnung Raoultsches Gesetz eigentlich nicht korrekt) abschätzen: yi · p = xi · p s xi bezeichnet den Anteil des Stoffes i an der Flüssigphase. Die Konzentration in der Flüssigphase und der Dampfdruck bestimmen damit zusammen wie groß bei gegebenem Gesamtdruck p der Anteil des jeweiligen Stoffs in der Dampfphase yi ist. In der Praxis muss diese Gleichung zumeist um mindestens einen
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Anhang: Wer doch Formeln sehen will
Korrekturfaktor ergänzt werden. Dieser Korrekturfaktor nennt sich Aktivitätskoeffizient und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Flüssigphase nicht wie eine idealisierte Flüssigmischung verhält: yi · p = xi · γi · p s Selbst mit dieser Korrektur ist die Beschreibung aber noch nicht komplett. Insbesondere bei hohen Drücken gibt es nennenswerte Abweichungen. Die vollständige Gleichung zur Beschreibung eines Flüssig-Dampf-Gleichgewichts lautet: yi · ϕi · p = xi · γi · p s · ϕ0iL V · 0i ϕi und ϕ0iL V sind sogenannte Fugazitätskoeffizienten (sie beschreiben, wie stark sich ein Gas vom idealen Gas unterscheidet) und 0i ist der PoyntingFaktor, der eine Art Druckkorrektur darstellt.
Was Sie aus diesem essential mitnehmen können
• Die Hauptsätze der Thermodynamik sind Erfahrungssätze, die sich seit Jahrhunderten bewähren. • Energie wird weder erzeugt noch erschaffen (1. Hauptsatz). • Trotz der Erhaltung der Energie verliert diese an Nutzbarkeit (2. Hauptsatz). • Die Thermodynamik bestimmt die Effizienz von Energieumwandlung. • Thermodynamik hat auch abseits der Energietechnik vielfältige Relevanz.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an SpringerVerlag GmbH, DE, ein Teil von Springer Nature 2022 K. Müller, Thermodynamik ohne Formeln, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-662-65781-2
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