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German Pages 261 Year 2009
L E X IC O G R A PH IC A Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Suppl!ments " la Revue Internationale de Lexicographie Supplementb&nde zum Internationalen Jahrbuch f)r Lexikographie
Edited by Pierre Corbin, Ulrich Heid, Thomas Herbst, Sven-Gçran Malmgren, Oskar Reichmann, Wolfgang Schweickard, Herbert Ernst Wiegand 135
Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA) and the European Association for Lexicography (EURALEX)
Theorie und Praxis der idiomatischen Wçrterb)cher Herausgegeben von Carmen Mellado Blanco
Max Niemeyer Verlag T)bingen 2009
n
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-39135-2
ISSN 0175-9264
) Max Niemeyer Verlag, Tbingen 2009 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzul=ssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielf=ltigungen, >bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbest=ndigem Papier. Gesamtherstellung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten
Inhaltsverzeichnis
Carmen Mellado Blanco: Einführung. Idiomatische Wörterbücher und Metaphraseografie: zwei Realitäten, eine Herausforderung ........................................................................................
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Einsprachige Phraseografie: Harald Burger: Semantische Aspekte der deutschen Phraseografie: die aktuelle Praxis – allgemeine und phraseologische Wörterbücher im Vergleich .........................................
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Stefan Ettinger: „Haben die Männer am Grill die Hosen an?“ Phraseografie und Sprachwirklichkeit ......................................................................................................................
45
Vida Jesenšek: Phraseologische Wörterbücher auf dem Weg zu Phraseologiedatenbanken ...........
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Elisabeth Piirainen: Dialektale Phraseografie – Randerscheinung, Ergänzung oder Herausforderung einer modernen Phraseografie? ................................................................................
83
Hans Schemann: Zur Anlage idiomatischer Wörterbücher. Einige Maximen und Reflexionen .........
101
Kathrin Steyer: Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung. Zur korpusgesteuerten Beschreibung usueller Wortverbindungen ...........................................
119
Zweisprachige Phraseografie: Dmitrij Dobrovol'skij: Zur lexikografischen Repräsentation der Phraseme (mit Schwerpunkt auf zweisprachigen Wörterbüchern) ......................................................................................
149
Tat’jana Filipenko: Darstellung von deutschen und russischen Idiomen in zweisprachigen Wörterbüchern .....................................................................................................................
169
Eva Glenk: Probleme der zweisprachigen Phraseografie: die kommunikative Äquivalenz der Formeln des Sprachenpaares brasilianisches Portugiesisch/Deutsch ......................
189
VI Erla Hallsteinsdóttir: Zweisprachige Lernerphraseografie aus funktionaler Sicht.....................................
209
Antje Heine: Möglichkeiten und Grenzen der Korpusanalyse für die Lexikografie am Beispiel eines Wörterbuchs deutscher Funktionsverbgefüge mit finnischen Äquivalenten.............................................................................................................................
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Zu den Autoren.........................................................................................................
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Carmen Mellado Blanco
Einführung. Idiomatische Wörterbücher und Metafraseografie: zwei Realitäten, eine Herausforderung
0. Vorbemerkung
Der vorliegende Sammelband enthält elf Beiträge, die einen Überblick über die aktuellen Forschungsrichtungen der lexikografischen Phraseologie bzw. der Phraseografie aus intraund interlingualer Sicht geben.1 An ausgewählten Einzelaspekten soll die positive Entwicklung der letzten Jahre im Bereich der Phraseografieforschung dokumentiert werden. Die große Anzahl phraseografischer Publikationen, die in den letzten zwei Jahrzehnten erschienen sind, spiegelt auf der einen Seite die Vitalität der theoretischen Phraseografie in der gegenwärtigen Forschung wider, andererseits versuchen diese Beiträge aber auch, eine konkrete Antwort auf die Frage zu geben, wie man den Nachholbedarf hinsichtlich der Qualität und Quantität idiomatischer Wörterbücher verringern könnte.2
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Der Sammelband ist im Rahmen eines interuniversitären Forschungsprojektes zur kontrastiven Phraseografie für das Sprachenpaar Deutsch-Spanisch (FRASESPAL: La estructura idiomática del alemán y el español. Un estudio cognitivo a partir de un corpus onomasiológico. Code HUM2007-62198/FILO) entstanden. Dieses Projekt wird vom spanischen Kultusministerium mit FEDER-Geldern gefördert und unter meiner Leitung an der Universität Santiago de Compostela durchgeführt. In der Arbeit wird ein Korpus deutscher und spanischer Phraseme nach semantischen Kriterien erstellt, nach onomasiologisch-ideografischen Kriterien angeordnet und zum Schluss kontrastiv untersucht. Einige der zu analysierenden Begriffsfelder sind REDEN/ SCHWEIGEN, LEBEN/STERBEN, KRANK SEIN/GESUND SEIN. Endziel des Projektes ist es, anhand der Prinzipien der kognitiven Linguistik die den ausgewählten Phrasemen zugrunde liegenden metaphorischen Modelle in jeder Sprache zu systematisieren und sie in einer zweiten Arbeitsphase kontrastiv zu vergleichen. Näheres dazu im Artikel (2009) „Utilidad y limitaciones de los corpora informáticos en la elaboración de un tesauro fraseológico alemán-español“ von Carmen Mellado Blanco (in: P. Cantos Gómez, A. Sánchez Pérez (Hgg.): A Survey on Corpusbased Research, 138-151. Murcia: AELINCO). Auf dem neulich von FRASESPAL organisierten Coloquio Internacional de Fraseografía (Casa de Europa, Universität Santiago de Compostela, 22.-23. Mai 2009) wurden ebenso die ersten Ergebnisse des Projektes ausführlich dargestellt und kommentiert. Die Auflistung aller Publikationen, die in den letzten zwanzig Jahren im Bereich der ein- und zweisprachigen Phraseografie auf Deutsch erschienen sind, würde den Rahmen dieser Einführung sprengen. Einen guten bibliografischen Überblick vermittelt das Kapitel XVII des zweiten Bandes des Handbuches Phraseologie/Phraseology. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research (HSK 28 1./2, 2007, hg. von H. Burger, D. Dobrovol’skij, P. Kühn und N. R. Norrick, 909-1026. Berlin, New York: de Gruyter), in dem theoretische, methodologische und praktische Probleme der ein-und zweisprachigen Phraseografie erörtert und die phraseografischen Traditionen verschiedener Sprachen in ein- und zweisprachigen Wörterbüchern besprochen werden. Aus spanischer Perspektive seien als Literaturüberblick der Sammelband Colocaciones y fraseología en los diccionarios (2008, hg. von C.
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Trotz des enormen Aufschwungs in der Phraseografie und in der Metaphraseografie der wichtigsten europäischen Sprachen konnte die Erarbeitung allgemeinsprachlicher Wörterbücher ebenso wie die Erstellung spezieller idiomatischer Wörterbücher mit der theoretischen Entwicklung nicht Schritt halten. Dieser Umstand ist um so unverständlicher, wenn man sich die erstaunlichen Anwendungsmöglichkeiten der modernen Informatik im Bereich der Lexikografie vergegenwärtigt. Vielleicht lässt sich diese beklagenswerte Tatsache darauf zurückzuführen, dass der Einsatz besonderer Computerprogramme zwar die mechanische Arbeit bei der Wörterbucherstellung stark erleichtern kann, der Inhalt der Einträge aber weiterhin von Lexikografen erdacht und zusammengestellt werden muss. Die Digitalisierung der Wörterbücher darf nämlich nicht mit der rein mechanischen Übertragung der alten Printwerke in eine im Computer konsultierbare Form gleichgesetzt werden. Worauf es in der korpusbasierten Phraseografie primär ankommt, ist die Erstellung neuartiger Lexika mit einer innovativen Präsentation der lexikografischen Informationen. Dabei muss allerdings nicht nur auf die Optimierung der Suchmöglichkeiten einer Wortschatzeinheit geachtet werden – oft wird die Informatisierung der lexikografischen Angaben naiverweise damit gleichgesetzt –, sondern auch auf die Aktualisierung der lexikografischen Inhalte dank der neueren Einsichten vor allem im Bereich der Text- und Korpuslinguistik. Die in diesem Band behandelten Fragen zur Metafraseografie wurden von den Autoren entweder empirisch als Ergebnis ihrer Tätigkeit als Wörterbuchautoren oder aber als Produkt theoretischer Reflexionen über den heutigen Stand der Phraseografie und ihrer Weiterentwicklung konzipiert. In den meisten Arbeiten wird über die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit geklagt, zwischen dem, was man – den neuen metalexikografischen Forschungsergebnissen angemessen – von einem Wörterbuch erwartet und dem, was tatsächlich in den Wörterbüchern erfasst wird. Die Mängel der zur Zeit vorhandenen Wörterbücher, die sowohl in der Makro- als auch der Mikrostruktur anzutreffen sind, werden von den verschiedenen Autoren problematisiert und es werden dafür auch konkrete Lösungen vorgeschlagen. In der Makrostruktur sind in erster Linie Unzulänglichkeiten bei der Phrasemselektion und bei der Einordnung der Phraseme zu erwähnen. Darüber hinaus vermisst man in den Vorreden der meisten Lexika nicht nur Angaben über die Typologie der aufgenommenen Phraseme, sondern auch über den angestrebten Benutzerkreis. Der zuletzt genannte Aspekt hat für die Gestaltung und den Inhalt der Einträge eine besondere Relevanz, weil die Makro- und Mikrostruktur des Wörterbuches sich in ihrem Aufbau danach richten muss, welche Benutzer in welchen Situationen und zu welchem Zweck das Wörterbuch verwenden. Die Erarbeitung von Idiomlexika auf der Basis des anvisierten Benutzers ist ein neuer Trend in der modernen Lexikografie, der in den Beiträgen von Jesenšek, Dobrovol’skij, Filipenko und Hallsteinsdóttir deutlich ersichtlich wird. Unter den genannten Autoren schließt sich Hallsteinsdóttir explizit der Aarhuser Schule und ihrer Funktionslehre an, die sich in ihrer lexikografischen Methodologie primär an die Bedürfnisse der Wörterbuchbenutzer in kommunikativen Situationen richtet. In der Mikrostruktur sind vor allem Mängel in der Bestimmung der Nennform – z.B. in der unvollständigen Erfassung der Aktanten erkennbar –, in den Angaben zu den morpho-
————— Mellado Blanco. Frankfurt a. M. et al.: Peter Lang) und die Monografie von Mª Eugenia Olímpio de Oliveira Silva Fraseología teórica y práctica (2007, Frankfurt a. M. et al.: Peter Lang) angeführt.
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syntaktischen Restriktionen und in der Darstellung der semantischen und pragmatischen Merkmale der Phraseme festzustellen. Auch in der typografischen Gestaltung der Wörterbuchartikel lassen sich mannigfaltige Defizite feststellen. Obwohl solche Mängel aufgrund ihrer häufigen Erwähnung in der phraseografischen Forschung inzwischen gut bekannt sind, wurden die von den Phraseografen bislang unternommenen Lösungsvorschläge nur teilweise in die Praxis umgesetzt. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Vor allem der Kostendruck, „dem kommerziell arbeitende Verlage beim Verlegen von Wörterbüchern ausgesetzt sind“,3 dürfte eine sehr große Rolle spielen. Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte der Makro- und Mikrostruktur der allgemeinsprachlichen und der idiomatischen Wörterbücher, wie sie die verschiedenen Autoren in ihren Arbeiten behandeln, besprochen und thematisch zusammengefasst.
1. Zur Makro- und Mikrostruktur
1.1 Zur Makrostruktur Neben der Berücksichtigung konkreter Detailaspekte der Makro- und Mikrostruktur in den allgemeinsprachlichen sowie in den idiomatischen Wörterbüchern wird in einigen Beiträgen generell über den gegenwärtigen Stand der Phraseografie und ihre praktische Umsetzung in den wichtigsten idiomatischen Wörterbüchern des Deutschen diskutiert. In diesen Zusammenhang ist die Arbeit Burgers einzuordnen, in der ein Vergleich zwischen allgemeinsprachlichen und phraseologischen Wörterbüchern des Deutschen gezogen wird. In Bezug auf die Makrostruktur drückt Burger sein Bedauern darüber aus, dass die meisten Idiomlexika – mit Ausnahme der Wörterbücher von Schemann – keine Kollokationen erfassen. Dieser Umstand geht mit der noch von einigen Autoren vertretenen engen Auffassung der Phraseologie einher, nach der die Kollokationen nicht dem Untersuchungsgegenstand der phraseologischen Disziplin angehören. In den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern erscheinen die Kollokationen meistens unmarkiert in den Beispielen. Demgegenüber spricht Dobrovol’skij den Kollokationen einen phraseologischen Status aufgrund ihrer Stabilität zu, weshalb sie seiner Ansicht nach in die Phrasemwörterbücher aufgenommen werden sollten. Ihre Stabilität komme daher, dass das semantisch »entleerte« Element willkürlich gewählt sei und die verbale Stelle theoretisch von einem anderem Verb mit einem ähnlichen Inhaltsplan ausgefüllt sein könnte. Diese Einstellung stimmt mit der Ansicht Heines zu diesem Thema nicht überein. Für Heine macht die Semantik der Funktionsverben einen wichtigen Anteil der Gesamtbedeutung der Funktionsverbgefüge aus. Daraus erkläre sich, dass die semantischen Unterschiede zwischen Funktionsverbgefügen und ihren jeweiligen monolexematischen Quasi-Äquivalenten oft durch die Aktionsart
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Aus: Petra Müller, Kathrin Kunkel-Razum (2007: 944): „Phraseographie des Deutschen“. In: H. Burger, D. Dobrovol’skij, P. Kühn, N. R. Norrick (Hgg.): Phraseologie/Phraseology. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research. Vol. 2, 939–949. Berlin, New York: de Gruyter.
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bedingt und von der konkreten modalen Bedeutung des entsprechenden Funktionsverbs abhängig seien. Eine weiteres, häufig erwähntes Defizit der allgemeinsprachlichen Wörterbücher besteht darin, dass sie im Vorwort nicht klar genug zwischen den verschiedenen Phrasemtypen unterscheiden und deshalb heterogene Einheiten aufnehmen. Jeder Phrasemtyp erfordert aber eine besondere lexikografische Behandlung: bei der Platzierung im Wörterbuchartikel, bei der typografischen Markierung oder bei der semantischen Beschreibung. Dieser Problematik wird in den Arbeiten von Burger und Dobrovol’skij nachgegangen. Während Burger für eine Differenzierung nach Idiomen, Teil-Idiomen, Kollokationen, Routineformeln und Sprichwörtern aufgrund ihrer unterschiedlichen Relevanz für die semantische Darstellung der Phraseme im Wörterbuchartikel plädiert, gliedert Dobrovol’skij das phraseologische Material in Idiome, grammatische Phraseme und Kollokationen auf der Basis ihres Idiomatizitäts- bzw. Irregularitätsgrades. Die vom Phrasemtyp abhängige Darstellungsart im Wörterbucheintrag wird auch von Schemann verteidigt. Für ihn steht fest, dass das Lexikon sich im Vorwort mit den Merkmalen jedes einzelnen Phrasemtyps auseinander setzen muss und konsequent der vorgeschlagenen Klassifizierung folgen soll. Diese Vorgehensweise verlangt vonseiten der Lexikografen eine rigorose Materialselektion nach strikten, im Vorwort dargestellten Kriterien. Auch sollten nur die im Vorwort erwähnten Phrasemtypen berücksichtigt werden. Das erfasste Material der meisten Wörterbücher enthalte demgegenüber laut Schemann in der Praxis viele Phrasemmischungen, was einerseits auf das terminologische Chaos in der Phraseologie und andererseits auf die alte, in manchen lexikografischen Bereichen noch vorherrschende folkloristische Auffassung von Idiomatik zurückzuführen sei. Die Auswahl eines angemessenen phraseologischen Materials einer Sprache wird für Jesenšek dadurch erschwert, weil es sich dabei um ein offenes und heterogenes Inventar handelt. Die Geläufigkeit, d.h. der Bekanntheitsgrad und die Frequenz werden im Allgemeinen als die am meisten geschätzten Kriterien bei der Auswahl eines repräsentativen phraseologischen Materials einer Sprache angesehen. In der Regel ist alles, was frequent ist, auch geläufig, umgekehrt gilt der Prozess jedoch nicht immer. Die Frequenz lässt sich anhand von statistischen Korpusuntersuchungen feststellen, wenngleich, wie Dobrovol’skij anmerkt, eventuell auch manche, von den Frequenzuntersuchungen ausgeschlossene Phraseme häufig sein können. Um die Geläufigkeit – d.h. den Bekanntheitsgrad und die Aktualität – zu messen, werden mehrere Methoden vorgeschlagen, von denen die direkten oder indirekten Umfragen am gebräuchlichsten sind. Dadurch gelange man zu den – nach der Terminologie von Dobrovol’skij – »intersubjektiv geläufigen Phraseologismen«, die der Mehrheit der Sprecher einer Sprachgemeinschaft als vorgefertigte Mehrwortverbindungen bekannt sind. Wie stark introspektiv die Auswahl der Phraseme unter Aktualitäts- oder Frequenzgesichtspunkten bestimmt ist, belegen die Korpora einiger moderner Lernerwörterbücher, bei denen – bei einer Gesamtzahl von über 5000 Phraseologismen – lediglich 201 Phraseologismen jeweils in allen untersuchten Lexika gemeinsam vorkommen (vgl. den Beitrag Hallsteinsdóttirs). Zur Selektion des phraseologischen Materials gehört in der Tat immer die Introspektion seitens des Lexikografen und im Falle der intersubjektiven Methode auch seitens der Informanten, was notwendigerweise mit Subjektivität und Willkür verbunden ist. Das soll allerdings nicht implizieren, dass man grundsätzlich auf die Anwendung von Umfragen als Methode zur Materialgewinnung verzichten sollte. Diese Methode muss
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meiner Meinung nach immer in Verbindung mit der Korpuslinguistik durchgeführt werden und bei der Informantenauswahl sollte man strikt auf Diversität und Repräsentativität achten. Die phraseologischen Wörterbücher der Gegenwartssprache – davon selbstverständlich seien diejenigen ausgenommen, die die ganze Phraseologie einer Sprache erfassen wollen – sollten sich vor allem dieser Aufgabe widmen und die Schnittmenge der bekanntesten und der häufigsten Phraseologismen herausarbeiten. Die Phraseme der modernen zeitgenössischen Wörterbücher sollen laut Dobrovol’skij im Sprachbewusstsein der Muttersprachler als geläufig eingestuft und in den Diskursen dieser Sprache relativ frequent sein. Zur Erstellung der phraseologischen Korpora mit einem hohen Grad an Geläufigkeit und Frequenz wird heute in der Phraseografie allerdings eher für die Kombination mehrerer Methoden plädiert, bestehend aus Informantenbefragungen, Korpusanalyse, statistischer Kookkurrenzanalyse, eigener Sprachkompetenz, d.h. Instrospektion der Lexikografen, Analyse von Quellen und Lexika und gegebenenfalls auch psycholinguistischen Experimenten.
1.2 Zur Mikrostruktur 1.2.1 Zur Lemmatisierung der Phraseme in den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern Im Bereich der allgemeinsprachlichen Wörterbücher wird vor allem an der fehlenden Systematisierung bei der Anordnung des phraseologischen Materials Kritik geübt. Diese Wörterbücher enthalten laut Burger zwar eine beachtliche Menge an phraseologischen Einheiten, aber diese Phraseme muss der Benutzer in den Wörterbuchartikeln selber zusammensuchen. Die im Vorwort fehlenden Angaben zur genauen Platzierung der Phraseme in den Einträgen sind in der Tat ein großes Manko,4 das in der Zukunft dringend behoben werden muss. Schemann äußert ebenfalls seine Bedenken hinsichtlich der Lemmatisierungsfrage in den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern. Nach seinen Analysen gibt es gegenwärtig nicht ein einziges nichtidiomatisches ein- oder zweisprachiges Wörterbuch, dessen Artikelaufbau ein zu diesem Zwecke erstelltes »Alphabetisierungsschema« systematisch und ausnahmslos befolgt. Das Lemmatisierungsprinzip von Schemann für idiomatische Wörterbücher ist strikt morphosyntaktisch und folgt der Hierarchie der grammatischen Kategorien: für das Deutsche zuerst Substantiv, dann Verb, Adjektiv, Adverb, in den romanischen Sprachen zuerst Substantiv, dann Adjektiv, Verb, Adverb. In den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern schlägt Burger im Falle der Teil-Idiome die Lemmatisierung unter die nicht bildliche Komponente, im Falle der Kollokationen unter die Kollokationsbasis vor.
1.2.2 Zur Nennform und Kombinatorik der Phraseme Im Bereich der Mikrostruktur ist die Bestimmung der Nennform eine der schwierigsten Aufgaben. Die modernen elektronischen Hilfsmittel sind nur partiell bei der Lösung dieser Frage hilfreich, wie Jesenšek in ihrem Beitrag feststellt. Für besonders komplex hält sie dabei in jedem Fall die Herausarbeitung des festen Kerns der Phraseme und die Ab-
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Zu diesem Thema ausführlich bei Gisela Harras, Kristel Proost (2002): „Strategien der Lemmatisierung von Idiomen“. Zeitschrift für Deutsche Sprache 2/02, 167–183.
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grenzung dieses Kerns von den obligatorischen und fakultativen Aktanten. Die automatische Belegsuche in Korpora kann dabei zwar eine gute Hilfe leisten, man muss aber eine ausreichende Anzahl von Textstellen zur Verfügung haben, um verbindliche Entscheidungen treffen zu können. Die Beiträge von Jesenšek und Heine machen deutlich, wie nützlich Sprachkorpora zur Festlegung der obligatorischen und fakultativen internen Aktanten der Phraseme sind. In diesen beiden Arbeiten wird auch die große Leistung der Datenbanken für die Bestimmung des semantischen Inhaltes der externen Valenzen hervorgehoben. Im Falle der obligatorischen und fakultativen Aktanten ist es angebracht, ihre konkreten Seme, ihre semantischen Rollen und/oder ihre prototypische lexematische Realisierung zu spezifizieren. Darüber hinaus eignen sich Sprachkorpora zur Festlegung der grammatischen Funktion der Phraseme im Satz, was gerade für Lernerwörterbücher von großer Bedeutung ist. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich bei Phrasemen mit Varianten, da hier die Entschlüsselung der Basisform nicht immer einfach ist. Es kann vorkommen, dass aus der Textkorpusanalyse Schlussfolgerungen über die Normalform gezogen werden, die mit der in den Wörterbüchern etablierten Nennform nicht übereinstimmen. In solchen Fällen ist eine Revision der alten Formulierungen und der Ersatz der alten durch die empirisch nachgewiesene Form erforderlich, damit die Lexikonbenutzer die Phraseme in ihrer korrekten Nennform erwerben können. Die Suche nach der genauen Formulierung der Nennform lässt beim gegenwärtigen Stand der Phraseologieforschung erhebliche Unzulänglichkeiten erkennen, zumal in den meisten Sprachen kein Phraseminventar mit einer zuverlässigen grammatikalischen und semantischen Beschreibung vorliegt, wie Jesenšek in ihrem Beitrag beklagt. Um dieses wünschenswerte Ziel zu erreichen, sollte man als Allererstes neue Computerprogramme entwickeln, die dieser Aufgabe gewachsen sind. Mit Hilfe von Sprachkorpora lässt sich ebenso das lexikalische Umfeld, d.h. die erwartbare lexikalische Umgebung eines Phrasems in einem gegebenen Kontext, herausarbeiten. Es handelt sich dabei um die Bestimmung der kombinatorischen Möglichkeiten und Restriktionen im Satz und um Informationen zur Lexik, mit der sich ein Phrasem in der Rede gewöhnlich verbindet. Die Angabe der möglichen syntaktischen Transformationen und Modifikationen nimmt in der Arbeit Dobrovol’skijs einen besonderen Platz ein. Er widmet sich in erster Linie der Analyse der standardmäßigen Transformationen, die sich prinzipiell von den okkasionellen, normunkonformen und vom Usus abweichenden unterscheiden. Ein wesentliches Problem bei der computergestützten Untersuchung der standardmäßigen Transformationen liege an der Natur der Textsorten, aus denen die Datenbanken schöpfen: Die Überrepräsentativität der Pressesprache in solchen Datenbanken führt zu einer hohen Anzahl an Belegen mit spielerischen syntaktischen Gebrauchsformen, die den normalen Usus nicht widerspiegeln und vom Lexikografen mit Hilfe seiner Intuition und seines Sprachwissens ausgesondert werden müssen. Angesichts eines aktiven Lexikongebrauchs ist man in den Wörterbuchartikeln auf Hinweise zur Transformativität der gesuchten Phraseme angewiesen. Dobrovol’skij differenziert in dieser Hinsicht zweierlei Angaben: diejenigen, die durch die eigene »Idiomgrammatik« verständlich und durch generalisierende Regeln zu erfassen sind und diejenigen, die spezifische und willkürliche Restriktionen von Idiomen im Rahmen des entsprechenden Eintrags wiedergeben sollen. Interessant bei dieser Theorie ist die Einsicht, dass viele regelgeleitete Modifikationen der Phrasemstruktur (z.B. Passivierung, eventuell
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Topikalisierung und Artikel- und Numerusvariation) auf semantische Merkmale – wie etwa die semantische Teilbarkeit – zurückzuführen und deshalb prognostizierbar sind. Die Kombinatorik ist überhaupt eine der relevantesten und gleichzeitig komplexesten Fragen bei der lexikografischen Phrasembeschreibung. Damit ein Sprechakt erfolgreich wird, müssen die das Phrasem umgebenden Elemente in ihrer Semantik mit den Semen und Sememen des gegebenen Phrasems kompatibel sein, sie müssen mit ihm distributionell die Syntaxregel einhalten und pragmatisch, d.h. situationsangemessen, adäquat sein. Diese Informationen zu den Lexemen und den syntagmatischen Strukturen, die mit einem Phrasem in seinen typischen kommunikativen Gebrauchssituationen auftreten, müssen ins Lexikon aufgenommen werden. Durch die systematische Untersuchung von Sprachbelegen, in denen Phraseme vorkommen, lassen sich heute sowohl die typische Belegung als auch die Einschränkungen in der lexikalischen Umgebung der Phraseme auf eine einfache und zuverlässige Weise bestimmen.
1.2.3 Zur Frage der synonymischen Varianten und der Bildkomponente In der Arbeit Burgers wird das Thema der (Quasi-)Synonymie behandelt. Häufig werden in den Lexika Phraseme als Synonyme dargeboten, die in der Praxis nicht austauschbar sind. Diese Quasi-Synonymie ist darauf zurückzuführen, dass die jeweiligen Lexemkomponenten eines jeden Synonyms einen Anteil ihrer wörtlichen Bedeutung beibehalten, die zur Endgestaltung ihrer spezifischen idiomatischen Semantik und ihrer Konnotationen stark beiträgt. Eine jedem »Quasi-Synonym« angemessene Paraphrasierung in Übereinstimmung mit seinem realen Gebrauch im Kontext würde laut Burger das Problem der semantischen Beschreibung der Quasi-Synonyme lösen. Anhand des semantischen Feldes BETRUG macht Burger allerdings deutlich, dass dieses Vorgehen eine detaillierte korpusbasierte Analyse verlangt, die in der Praxis nicht bei jeder Lexikoneinheit in gleicher Weise realisierbar ist. Andererseits ermöglichen die Beispiele und Belege der Wörterbücher dem Lexikonbenutzer keine Abgrenzung der Quasi-Synonyme, weil sie ihr spezifisches semantisches Profil nicht genügend differenziert zeigen. Die Ansicht Burgers, dass die Synonymie in der Phraseologie, ähnlich wie unter den freien Lexemen, in der Regel nicht vollständig ist, steht in Opposition zur Theorie Schemanns, für den gerade die Tendenz zur Bildung von Vollsynonymen ein kennzeichnendes Merkmal der Phraseme in Opposition zu den Einzellexemen darstellt. Allerdings äußert Schemann als Bedingung für die Vollsynonymie, dass der Lexikalisierungsprozess abgeschlossen sein muss, d.h. dass die Gesamtbedeutung des idiomatischen Ausdrucks nicht mehr an der Semantik der einzelnen Konstituenten »klebt«. Schemann muss aber hier einräumen, dass Überschneidungen relativ häufig vorkommen und dass oft auch objektive Kriterien fehlen, um den Lexikalisierungsprozess für abgeschlossen zu erklären. Die Bestimmung der Vollsynonymie steht im engen Zusammenhang mit der Frage der so genannten Bildkomponente, die bei der Erstellung der lexikografischen Definition bei einigen Autoren eine zentrale Rolle spielt. Laut Burger ist es bei der semantischen Beschreibung der Phraseme nicht angebracht, auf eine theoretische Weise dem Bild eine semantische Relevanz zuzusprechen, ohne es vorher empirisch durch Textbelege bestätigt zu haben. Weiter stellt Burger die Relevanz der Bildkomponente als »Bestandteil des Inhaltsplans« der motivierten Phraseme in Frage und er hält ein Urteil darüber, wie die Bildkom-
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ponente eines jeden Phrasems in der Paraphrase zu berücksichtigen sei, für äußerst kompliziert.5 Burger merkt schließlich an, dass korpusbasierte Analysen in dieser Hinsicht viele Intuitionen widerlegen können. Anders als Burger betrachten Dobrovol’skij und Piirainen die Bildfrage als zentral für die lexikografische Phrasembeschreibung. Für sie stellt die Bildkomponente einen wichtigen Bestandteil der Semantik des Phrasems dar, weshalb sie in den Einträgen der für den aktiven Gebrauch gedachten Idiomlexika explizit beschrieben werden sollte. Für Piirainen besitzt die Bildkomponente eine beachtliche Relevanz nicht nur für die Semantik, sondern auch für die Pragmatik der Phraseme,6 wie es bei Idiomen mit Bildkomponenten mit physiologischen Konnotationen oder aus den Bereichen wie Jagd, Kleidung von Mann und Frau, usw. der Fall ist. Von Bedeutung ist nach Hallsteinsdóttir die lexikografische Explizierung der Bildkomponente nur bei kognitiven Gebrauchssituationen, denn sie verlangen ein Wissen über den fremdsprachlichen Wortschatz, über die Grammatik oder über die Kultur, nicht aber bei kommunikativen Situationen. Hierbei spielen nach ihren korpusbasierten Untersuchungen Merkmale wie Kulturspezifik, Bildsphäre, komplexe Semantik oder Ambiguität der Bedeutung (bei zwei Lesearten) nur eine untergeordnete Rolle, da die Sprecher in der Praxis der täglichen Kommunikation selten über Etymologie, Kulturgeschichte oder Bildkomponente nachdenken.
1.2.4 Zur semantischen Beschreibung Die Beschreibung der semantischen Eigenschaften eines Lexems oder eines Phrasems ist nach allgemeiner Auffassung nach wie vor nicht nur die Hauptaufgabe, sondern mit Abstand auch die schwierigste Aufgabe der lexikografischen Praxis.7 Die computergestützte Arbeit kann in diesem Bereich leider nicht so viel wie bei anderen Beschreibungsaspekten der Lexeme oder Phraseme leisten, da der Computer dem Forscher zwar die Arbeit erleichtern, aber kaum abnehmen kann (Klein 2004: 14).8
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Die Bild- oder bildliche Komponente weist nach dieser Auffassung weder auf die Etymologie noch auf das ursprüngliche Bild des Idioms hin, sondern auf die linguistisch relevanten Spuren des Bildes, die aktuell von den meisten Sprechern noch nachvollzogen werden können. Dieses Phänomen sei in den Dialekten stärker als in der Standardsprache ausgeprägt, weil in den Mundarten alte Gebräuche, Sitten und Traditionen noch eine beträchtliche Präsenz sowohl in der Sprache als auch in der Gesellschaft aufweisen. In der Standardsprache seien die durch die Bildkomponente soziokulturell bedingten Gebrauchsrestriktionen durch die Modernisierung der Gesellschaft oft nivelliert oder aufgehoben. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Ettinger in seiner Analyse über die neuen Bedeutungen und Gebrauchssituationen des Phrasems die Hosen anhaben, die er direkt den Textbelegen der Pressesprache entnimmt und durch die Entwicklung der aktuellen Gesellschaft erklärt. Zu den Schwierigkeiten der lexikografischen Erfassung der nicht denotativen Bedeutungskomponenten der Phraseme s. Carmen Mellado Blanco (2007): „Die nicht denotativen Bedeutungskomponenten der Phraseologismen: ihre phraseografische Behandlung im Rahmen der strukturellen Semantik“. Deutsche Sprache 35, 315-333. „Kein Computer kann sagen, welchen Bedeutungsbeitrag ein bestimmtes Wort zu der ganzen Konstruktion leistet, in der es vorkommt. Dazu muß man das Wort verstehen, und das kann
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Ettingers Beitrag geht kritisch auf die Unzulänglichkeiten und die Sprachwirklichkeitsunangemessenheit der Umschreibungen in den meisten zeitgenössischen einsprachigen Lexika des Deutschen ein. Seine Untersuchung des umgangssprachlich markierten deutschen Phrasems die Hosen anhaben unterscheidet aufgrund zahlreicher Korpusbelege insgesamt elf semantische Nuancen, die sich aus den jeweiligen Gebrauchskontexten herausarbeiten lassen, die aber für einen Wörterbucheintrag selbstverständlich zu redundant sind und daher aus praktischen Erwägungen stärker eingegrenzt werden müssten. Da sich bei diesem Phrasem die Bedeutungsextension, d.h. die sekundäre Motivation, offensichtlich erst in den letzten Jahrzehnten in der Sprache herausgebildet hat, ist sie wahrscheinlich aus diesem Grunde auch noch in keinem Wörterbuch erfasst worden. Aus Ettingers detaillierter Analyse wird ersichtlich, wie dringend notwendig die Aktualisierung der phraseografischen Umschreibungen mancher Phraseme ist, um neue und in der Sprache üblich gewordene Phrasembedeutungen erfassen zu können. Für weitere Forschungen empfiehlt er vor allem die Untersuchung von Phrasemen, die infolge des soziokulturellen Wandels für Bedeutungsextensionen besonders prädestiniert seien. Auch die Untersuchung bestimmter Textsorten, wie z.B. die Sprache der Werbung, der Sportberichterstattung oder auch die Sprache im Wirtschaftsteil der Presseorgane, bei denen Phraseme generell stärker zu semantischen Veränderungen tendieren, könnte erfolgversprechend sein. Aus interkultureller Sicht wäre außerdem noch die Frage zu beantworten, ob die semantischen Veränderungen in der Phraseologie der einzelnen Sprachen parallel verlaufen oder nicht. Hinsichtlich der phraseografischen Umschreibungen eruiert Heine bei den Funktionsverbgefügen den semantischen Mehrwert solcher Einheiten, indem sie das jeweilige Funktionsverb auf seine eigenen perspektivischen aktionalen Seme untersucht. Ähnlich wie Ettinger setzt sie sich auch mit dem Thema der Verteilung der Funktionsverbgefüge in den unterschiedlichen Textsorten auseinander, eine Operation, die durch die Benutzung von Datenbanken und durch Korpusanalyse heutzutage automatisch erfolgen kann. In diesem Zusammenhang seien die Bedenken Piirainens erwähnt, die nach dem Nutzwert von Internetkorpora für die Materialgewinnung fragt und dabei vor der Gefahr warnt, aus Versehen okkasionelle Bedeutungen in die Lexika miteinzubeziehen, die überhaupt keine Relevanz für den normalen Sprachgebrauch haben. Korpuslinguistische Methoden seien ihrer Meinung nach eher für strukturelle Untersuchungen angemessen, für semantische hält sie die Informantenbefragungen für zuverlässiger. Ein weiteres Problem der lexikografischen Definition der Phraseme, das sich allerdings allmählich glücklicherweise zu lösen scheint (z.B. in der dritten Auflage von Duden 11), betrifft die Angaben zur synchronen Motivation der Phraseme. Markierungen in der Umschreibung wie eigentlich (s. Beitrag Burgers) verwirren die Lexikonbenutzer und führen sie zu der falschen Annahme, dass es sich dabei um eine synchronische Motivierung handelt, wenn in Wirklichkeit damit die etymologische Herkunft gemeint ist. Die Kritik an der dritten Auflage von Duden 119 im Bereich der Definitionen richtet sich bei Piirainen haupt-
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einstweilen nur der Mensch mit hinlänglicher Brauchbarkeit.“ In: Wolfgang Klein (2004): „Von Wörterbuch zum Digitalen Lexikalischen System“. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 136, 10–55. Ein weiteres von Piirainen festgestelltes Defizit in der dritten Auflage von Duden 11 besteht darin, dass die neuen Textbeispiele für den gesamten deutschen Wortschatz nicht repräsentativ sind, denn sie stammen fast ausschließlich aus Internetbelegen über Themen der Informatik. Aus diesem
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sächlich darauf, dass die neue Auflage praktisch keine Angaben zu usualisierten Wortspielen bei Idiomen erfasst, bei denen die Ambivalenz der literalen und idiomatischen Bedeutung ein relevantes Merkmal ihrer Semantik darstellt. Für den korrekten Sprachgebrauch dieser Idiome seien solche Informationen zu berücksichtigen. Die am meisten angewandte Methode zur Umschreibung eines Phrasems ist die Paraphrase seiner Bedeutung. In der Regel erfolgt die Paraphrasierung anhand entsprechender Textbelege sowie unter Auswertung der in einer Sprache zur Verfügung stehenden Wörterbücher. Die Struktur der Paraphrase hängt für Burger vom Phrasemtypus (z.B. Kollokationen, Idiome, Teil-Idiome) ab. Der Phrasemtypus sei weiter für die Rolle der einzelnen Phrasemkomponenten in der Paraphrase maßgebend, wobei sich die Frage der Paraphrasierung der semantisch »teilbaren« Idiome als besonders problematisch erweist. Nicht immer sei es nach Burger angebracht, in der Paraphrase die Semantik der einzelnen Idiomkomponenten auf der übertragenen Ebene nachzubilden. Jesenšek vertritt in Bezug auf die Paraphrasierungen der Phraseme die Ansicht, dass sie im Hinblick auf das potenzielle Publikum (Mutter- oder Fremdsprachler) und ihr jeweiliges Sprachniveau (Lexikon für Anfänger oder Fortgeschrittene) sowie auf die Art des Lexikons (für den aktiven oder passiven Gebrauch gedacht) formuliert werden sollten. Bei der Paraphrasierung ergeben sich ihrer Meinung nach viele Schwierigkeiten, wie z.B. die Polysemie, die Art der Beschreibungssprache10 (Ist eine Metasprache überhaupt nötig?), das Problem der Erfassung und Auswahl repräsentativer Kontexte, in denen ein Phrasem vorkommt11 oder die Frage der Trennung zwischen lexikografisch relevanter Information und enzyklopädischem Wissen.
1.2.5 Zu den Beispielen Das Thema der Beispiele ist Untersuchungsgegenstand mehrerer Beiträge des Sammelbandes. Burger sieht das Hauptproblem der Gestaltung der Beispiele darin, dass die meisten Lexika bei der Gebrauchsexemplifizierung der Phraseme nicht konsequent verfahren und Beispiele und Belege vermischen, obwohl die Differenzierung der beiden Veranschaulichungsmechanismen aufgrund ihrer eventuell unterschiedlichen Funktion im Lexikonartikel von großer Relevanz sei. Belege gelten manchmal nur als Nachweis des tatsächlichen Phrasemgebrauchs einer Sprache (so z.B. im spanischen idiomatischen Wörterbuch Diccionario fraseológico documentado del español actual, das von M. Seco und A. Olimpia herausgegeben wurde (Madrid: Aguilar, 2004). Wörterbücher dieser Art besitzen also nur einen dokumentarischen Wert und verraten wenig über die spezifische Bedeutung der Phraseme. Konstruierte Beispiele können demgegenüber die Bedeutung der Phraseme und ihren pragmatischen Wert besser wiedergeben, obgleich die Qualität und Angemessenheit der ad hoc geschaffenen Beispiele stark von der individuellen Begabung des Lexikografen
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Grund entspreche die zweite Bedeutungsangabe vieler Phraseme nicht der Sprachwirklichkeit. Weiterhin werden die diatopischen Aspekte nach wie vor vernachlässigt. Laut Burger sollten die Phrasemkonstituenten nicht in gleicher Form in der Definition aufgenommen werden, mit Ausnahme der Fälle von Teil-Idiomatizität, bei denen der nicht idiomatische Teil in der Definition gleich erscheinen kann. Man geht dabei davon aus, dass die Bedeutung der Phraseme über die Erscheinungsko(n)texte erschließbar ist.
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abhängt. Die Lexikografen und Phraseografen sind sich der Tatsache bewusst, dass in der Regel weder Belege noch Beispiele die Semantik und die Pragmatik der Phraseme vollständig erfassen können. Die Funktion der Belege und Beispiele sollte darin bestehen, nicht nur die prototypischen Gebrauchssituationen, sondern auch die semantischen, kombinatorischen und pragmatischen Merkmale zu kennzeichnen, die in der Bedeutungserläuterung keine Berücksichtigung finden. In diesem Kontext fragen sich nun einige Beiträger konkret, ob der Gebrauch und die Bedeutung der Phraseme besser durch konstruierte Beispiele oder durch Textbelege aus Datenbanken wiedergegeben werden könne. Autoren wie Dobrovol’skij, Ettinger oder Jesenšek neigen deutlich zur zweiten Option, da solche Texte die authentische Sprachwirklichkeit wiedergeben und nicht das Produkt metalinguistischer Reflexionen sind. Konstruierte Beispiele wirken dagegen in der Regel sehr oft künstlich oder gezwungen. Allerdings kann die Heranziehung von authentischen Textbelegen auch Nachteile mit sich bringen, die man sich besonders im Hinblick auf die Lernerphraseografie vergegenwärtigen muss: – –
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Viele der Textbelege aus Datenbanken eignen sich nicht für den Lexikonartikel aufgrund ihres Umfanges oder komplexen Aufbaus. Der Wortschatz kann sich gelegentlich als zu kompliziert oder wenig praktisch für Fremdsprachenlerner erweisen, die in der Regel einfache und allgemein verständliche Vokabeln in der Praxis bevorzugen. Viele der Textbelege weisen Anakoluthe, grammatische und orthografische Fehler auf, die vor ihrer Aufnahme in das Wörterbuch in jedem einzelnen Fall verbessert werden müssen.
Aus diesen Gründen plädieren Jesenšek und Heine für eine Modifizierung, Vereinfachung, und Verbesserung der Textbelege, um dem Lexikonbenutzer die Konsultation zu erleichtern. Die Deutsche Idiomatik Schemanns (Deutsche Idiomatik. Die deutschen Redewendungen im Kontext, 1993, Stuttgart: Klett) stellt wegen ihrer deutlichen Wende zur Pragmatik einen wichtigen Fortschritt in der Entwicklung der phraseografischen Disziplin dar. Aufgrund der fehlenden Umschreibungen kommt in diesem Werk den Beispielen eine besonders wichtige Funktion zu. Schemanns Entscheidung für die Eliminierung der Umschreibungen stieß allerdings auf die Kritik einiger Phraseologen (s. Beitrag Burgers), weil Beispiele anders als Definitionen keinen generalisierenden Wert aufweisen. Weiter könne der Lexikonbenutzer nicht immer klar darüber entscheiden, ob z.B. im Falle mehrerer Beispieltexte von Polysemie die Rede ist, also ob jedem der jeweiligen Gebrauchsbeispiele ein unterschiedliches Semem entspricht. Zu erwägen wäre noch, ob das Phrasem auf den beschriebenen konkreten Usus beschränkt oder demgegenüber auch in weiteren andersartigen Kontexten verwendbar ist. Schemann rechtfertigt in seinem Beitrag die Nicht-Einbeziehung der Umschreibungen, da er eine grundsätzliche Inkompatibilität zwischen idiomatischem Ausdruck und der Möglichkeit einer semantischen Umschreibung sieht. Das liege daran, dass sich das dem Idiom zugrunde liegende Bild gleichsam in immer neuen Kontexten mit jeweils veränderter Bedeutung zu realisieren sucht. Das Bild mache es unmöglich, die idiomatische Bedeutung durch eine einzige Umschreibung zu erfassen. Da jeder Bedeutungskern »im Bildlosen wurzelt« braucht er notwendigerweise bei der Umschreibung das Bild und verliert dadurch
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seinen rein abstrakten Kern. Die Umschreibung muss also durch repräsentative und meistens in dialogischer Form formulierte Kontextbeispiele erfolgen, die vom Lexikografen ad hoc geschaffen und nicht aus Belegen entnommen werden sollten. Schemanns Ansicht nach bestehe nämlich eine der wichtigsten Aufgaben des Lexikografen in der Suche nach eigenen Illustrationsbeispielen, die den Wörterbuchbenutzer in die Lage versetzen, den semantischen und pragmatischen Kern des Ausdrucks in seiner Verschränkung mit dem Bild zu erfassen und auf diese Weise ähnliche Gebrauchssituationen zu reproduzieren. Das Kontextbeispiel müsse deshalb die maximalen Gebrauchskontexte vertreten, und dies sei nur bei erfundenen Beispielen der Fall. Es handele sich um eine schwierige Aufgabe, da aufgrund des Bildcharakters der Phraseme der absteckbare Kontextrahmen weniger fassbar als bei bildlosen Lexemen oder Lexemverbindungen sei. Außerdem kritisiert Schemann die in den Lexika vorhandenen Umschreibungen aufgrund ihrer Komplexität und/oder ihres hohen formalen Charakters. Für den normalen Wörterbuchbenutzer seien sie daher ohne Nutzen. In anderen Fällen wiederum seien die Umschreibungen zu banal oder gar unzutreffend und deshalb schlichtweg überflüssig.
1.2.6 Zum semantischen Feld der Phraseme Die Information zum semantischen Feld der Phraseme und zu den Synonymen eines Feldes scheint in der heutigen phraseografischen Praxis einen immer wichtigeren Platz einzunehmen. Einige Wörterbuchautoren (s. Beitrag von Jesenšek zum EPHRAS-Wörterbuch, Dobrovol’skij zum Neuen deutsch-russischen Großwörterbuch und Glenk zu ihrem zweisprachigen Lexikon der kommunikativen Formeln) behalten eine Stelle des Wörterbuchsartikels für Angaben zur Einbettung des jeweiligen Phrasems in onomasiologische bzw. ideografische Strukturen vor, andere (s. Beitrag Schemanns) entwerfen Wörterbücher mit onomasiologischer Anordnung. Die onomasiologische Anordnung stellt eine gute kognitive Basis dar sowohl zum Erwerb von Phrasemen im Fremdsprachenunterricht12 als auch zur Verbesserung der eigenen Sprachkompetenz, wie z.B. die Suche nach stilistischen Varianten und Synonymen bei native speakers. Mit der Entwicklung und Etablierung der Korpuslinguistik in den phraseologischen Untersuchungen zeichnet sich auch eine positive Entwicklung für die onomasiologischen Idiomlexika ab, weil dank der modularen Organisation der Information durch Hyperlinks das zweidimensionale einschränkende Format der Printwörterbücher endlich aufgehoben werden kann. Elektronische Wörterbücher können zwar die komplexen Bedeutungsrelationen der Phraseme und ihrer semantischen Felder besser als gedruckte Wörterbücher wiedergeben, aber die Taxa und Hypertaxa der jeweiligen konzeptuellen Felder müssen vor der Eingabe in den Computer vom Wörterbuchautor erarbeitet werden. Bei dieser Aufgabe kann die Maschine den Lexikografen nicht ersetzen. Die Onomasiologie nimmt in Glenks Beitrag eine zentrale Stelle ein, denn die semasiologische Beschreibung kann gerade im Bereich der kommunikativen Formeln nicht allen Ansprüchen der Wörterbuchbenutzer gerecht werden. Das Projekt Glenks hat sich die Er-
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Zum Nutzen onomasiologisch angeordneter Idiomwörterbücher im Fremdsprachenunterricht s. Carmen Mellado Blanco, Patricia Buján Otero (2007): „Die festen Vergleiche im Deutschen, Spanischen und Galicischen. Eine onomasiologische Untersuchung“. In: E. Kržišnik, W. Eismann (Hgg.): Phraseologie in der Sprachwissenschaft und anderen Disziplinen, 501–515. Lubjana: Univerze v Ljubljani.
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stellung eines zweisprachigen phraseologischen polyfunktionalen Wörterbuches kommunikativer Formeln zum Ziel gesetzt, die im ersten Teil alphabetisch-semasiologisch angeordnet, kurz definiert und mit ihren entsprechenden Gebrauchsbedingungen sowie mit einem Beispiel versehen werden. Im zweiten und wichtigeren Teil sollen Interaktionsmuster (Scripts) onomasiologisch aufgelistet und durch Verweise mit den kommunikativen Formeln verknüpft werden, durch die sie realisiert werden. Die Tatsache, dass die Scripts der stark ritualisierten Formeln nicht universell, sondern sprachspezifisch sind, macht die separate Auflistung von Scripts in der L1 und L2 erforderlich.
2. Die zweisprachige Phraseografie
Im Rahmen der zweisprachigen Phraseografie und der Phraseodidaktik nehmen Lernerwörterbücher aufgrund ihrer Relevanz für den Lernprozess der Phraseme einen besonderen Platz ein. Um eine adäquate aktive Benutzung des Lexikons zu ermöglichen, müssen im Lexikonartikel bei jedem lemmatisierten Phrasem die Angaben zur Semantik, Syntax (Kombinatorik) und Pragmatik explizit angegeben werden, wie dies Dobrovol’skij und Hallsteinsdótir in ihren Beiträgen unterstreichen. Die Rolle der Muttersprache bei der Übermittlung von fremdsprachigen Phrasemen wird von einigen Autoren in Frage gestellt, zumal sie Interferenzen beim Verstehen und beim Gebrauch der Phraseme hervorbringen kann. Manche Vorteile müssen aber auch anerkannt werden. Hallsteinsdóttir verteidigt den Lernprozess über die Muttersprache aufgrund der Transfermöglichkeiten, die er anbietet. Außerdem wird die Benutzung eines zweisprachigen Wörterbuches beim Erlernen einer Fremdsprache als eine gute Möglichkeit angesehen, um die muttersprachliche Kompetenz produktiv und bewusst auszunutzen. Anhand des Sprachenpaares Isländisch-Deutsch setzt sich Hallsteinsdóttir mit einigen Aspekten der zweisprachigen Lernerphraseografie auseinander. Sie selbst arbeitet an einer Idiomdatenbank, in der die Phraseme in einsprachigen Modulen erfasst und beschrieben werden. Äquivalente Phraseme – oder äquivalente nicht phraseologische Konstruktionen13 – werden mit Hyperlinks verbunden. Die Lernerphraseografie muss sich in erster Linie für die Sprachproduktion eignen, weshalb der Lexikoneintrag folgende Elemente beinhalten soll: genaue Bedeutungsangabe in der Muttersprache, Angaben zum Äquivalenztyp (einschließlich falscher Freunde) und Kommentare im Falle von Teiläquivalenzen, aus Kontextbelegen gewonnene Bedeutungsangaben in Form eines metasprachlichen pragmatischen Kommentars zu Gebrauchsregeln und Verwendungs-
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Den neueren Forschungsansichten in der kontrastiven Phraseologie entsprechend müssen funktionale Äquivalente von Phrasemen nicht unbedingt phraseologische Systemäquivalente sein. S. dazu Carmen Mellado Blanco (im Druck): „Die phraseologische Äquivalenz auf der System- und Textebene.” In: J. Korhonen (Hg.): EUROPHRAS 2008. Phraseology: global – areal – regional. Die Äquivalenzen auf der System- und auf der Textebene sind in der Gegenwartsforschung komplementäre Größen geworden, die zu ihrer jeweiligen Definition aufeinander angewiesen sind: Die auf der Systemebene intuitiv als äquivalent aufgefasste Struktur muss empirisch auf der Textebene verifiziert werden, damit sie überhaupt als funktionales Äquivalent gelten darf.
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restriktionen, Angaben zu den typischen Kontexten und wörtliche Übersetzung in die Fremdsprache zum Nachvollziehen der formalen Struktur. In dieser Hinsicht betont Burger – den Forderungen Kühns folgend – die Notwendigkeit einer detaillierten Darstellung der pragmatischen Information in Bezug auf aktanzielle Spezifizierung, Sprechereinstellung und paradigmatische Restriktionen, wie z.B. Tempus oder Person beim Verb. Diese Angaben, die auch den Beispielen entnommen werden können, müssen in einem metalinguistischen Kommentar zum Phrasemgebrauch explizit erscheinen. Insbesondere Fremdsprachenlerner sind auf solche Informationen, wie z.B. die Implikationen der Phraseme in Bezug auf die Intentionalität des Sprechers, angewiesen. Die Phraseme, die illokutive Sprechakte kennzeichnen, sollten im Wörterbuch explizit erscheinen. Dies fordert auch Schemann in seinem Beitrag. Ebenso müssen Gebrauchsregeln und Verwendungseinschränkungen Bestandteil des metalinguistischen Kommentars sein. Vom linguistischen Kommentar kann man auch im Falle eines zweisprachigen Wörterbuchartikels Gebrauch machen, wie Filipenko und Hallsteinsdótir in ihren Beiträgen vorschlagen. Besonders bei Teiläquivalenz besteht Bedarf an Informationen über die Bedeutungsunterschiede der Teiläquivalente und über die interlingualen Äquivalenzrelationen. Filipenko untersucht in ihrer Studie die funktionale, die Quasi- und die Pseudoäquivalenz, wobei sie sich hinsichtlich der funktionalen Äquivalenz auf die Definition Dobrovol’skijs stützt: interlinguale Äquivalenz zwischen lexikalischen Einheiten zweier Sprachen impliziert, dass die gegebenen lexikalischen Einheiten in den gleichen Situationen gebraucht werden können. Die in der lexikografischen Forschung noch offene Frage der genauen Bestimmung der interlingualen Äquivalenzbeziehungen zwischen Phrasemen mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung wird mit großer Wahrscheinlichkeit in Zukunft durch die korpusbasierte Analyse neue Antworten bekommen. Funktionelle Äquivalenz kann in der Tat erst durch die ausführliche Untersuchung von Textbelegen festgestellt werden und bei dieser Aufgabe stellen elektronische Datenbanken einen enormen Fortschritt und Zeitgewinn dar. Aus der Untersuchung Filipenkos wird weiterhin ersichtlich, wie selten totale funktionale Äquivalenz in der Phraseologie vorkommt, da die Unterschiede im Kontext zwischen zwei Äquivalenten der L1 und L2 nicht nur semantischer, sondern auch syntaktischer und pragmatischer Natur sein können. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Autorin dabei den syntaktischen Fragen, indem sie die im Kontext typischen adverbialen Modifikatoren und die kombinatorischen Unterschiede im Gebrauch synonymer Idiome erforscht. Während die üblichen adverbialen Modifikatoren in Verbindung mit einem Phrasem mit dessen Semantik zusammenhängt, unterscheiden sich intralinguale Synonyme voneinander durch ihr syntaktisches Verbindungspotenzial, das besonders beim Fremdsprachenerwerb berücksichtigt werden soll. Im Rahmen ihrer Erfahrung aufgrund der Mitarbeit am Projekt Moderne Idiomatik. Deutsch-Russisches Wörterbuch setzt sich Filipenko in ihrem Beitrag auch mit dem Thema der Polysemie aus der Sicht der zweisprachigen Phraseografie auseinander. Als mögliche Polysemieart betrachtet sie die »kontextinduzierte Äquivalenz«, bei der ein im Prinzip monosemes Phrasem der Ausgangssprache in der Zielsprache mehrere Äquivalente haben kann, die unter sich nicht synonym sind und deren Wahl durch relevante Parameter der jeweiligen Gebrauchssituation bestimmt wird. Durch diese korpusbasierte Prozedur können bis dato in einsprachigen Wörterbüchern nicht registrierte Bedeutungsnuancen aufgedeckt
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werden. Die »kontextinduzierte Polysemie« muss nach Filipenko in den zweisprachigen Lexika eine ähnliche lexikografische Behandlung wie die »normale« Polysemie bekommen und in gleicher Weise dargestellt werden. Ein nicht zu unterschätzendes Problem in der zweisprachigen Phraseografie im Rahmen der Korpuslinguistik ist die mögliche Unausgewogenheit im Umfang und in der Qualität der zur Verfügung stehenden Sprachkorpora und Datenbanken zweier Sprachen, wie Glenk in ihrem Beitrag anmerkt. Glenk, die konkret die quantitativen und qualitativen Unterschiede zwischen den Internetbelegen des Deutschen und des Brasilianisch-Portugiesischen thematisiert, warnt vor solchen Niveaudifferenzen, denn sie können beim Sprachenvergleich falsche Daten hervorbringen. Die zweisprachige Phraseografie wird bei Glenk unter dem Gesichtspunkt der kommunikativen Formeln anhand des portugiesisch-brasilianischen Ausdrucks Desculpe qualquer coisa behandelt. Sie setzt sich dabei mit dem Begriff der »kommunikativen Äquivalenz« auseinander, die total oder partiell sein kann. Für Glenk besteht kommunikative Äquivalenz, wenn eine Wortschatzeinheit der L1 durch eine andere der L2 ersetzt werden kann, um dasselbe Konzept oder sehr ähnliche Konzepte zu bezeichnen bzw. dieselbe Funktion oder eine ähnliche Funktion auszuüben. Der Terminus »kommunikative Äquivalenz« entspricht inhaltlich dem Begriff der »funktionalen Äquivalenz« bei Dobrovol’skij, Piirainen, Filipenko und Hallsteinsdóttir (s. ihre jeweiligen Beiträge). Bei der kommunikativen Äquivalenz zählt für Glenk in erster Linie die jeweilige Konfiguration der Handlungs- und Interaktionsmuster sowie der Sprechakte in den beiden untersuchten Sprachen. Die detaillierte Charakterisierung der Benutzungssituationen (Phase, Intentionalität, etc.) und der typischen Textsorten ist bei solchen Formeln deshalb so entscheidend, weil sie nicht nur Indizien für konventionelle Verhaltensmuster sind, sondern sie auch initiieren. In der Untersuchung Glenks über kommunikative Formeln erweisen sich die Leistungen der Korpuslinguistik als besonders relevant, da es hier primär auf die Erhebung der Formeln in der jeweiligen Kommunikationssituation ankommt. Zum Schluss sei noch die Arbeit Jesenšeks erwähnt, in der die Materialauswahl im Lernerwörterbuch behandelt wird. Die Auswahl der Phraseme sollte ihrer Meinung nach gleichzeitig nach dem Kriterium der Frequenz und der Bekanntheit sowie im Einklang mit dem europäischen Referenzrahmen auch nach semantischen Prinzipien erfolgen, denn die Bedeutung der zu erlernenden Phraseme muss mit der Thematik der jeweiligen Fremdsprachenlehrbücher korrelieren. Auf diese Weise könnte die Progression im Lernprozess des phraseologischen Materials einer Fremdsprache in Übereinstimmung mit dem Sprachniveau der Lerner gewährleistet werden. Die Verteilung der zu erlernenden Phraseme soll dabei durch die Einordnung der Themenbereiche in die Niveaustufen des europäischen Referenzrahmens erfolgen, wie es auch Hallsteinsdóttir fordert. Desweiteren verbindet diese These semantische Kriterien mit Frequenz und Geläufigkeit, zumal die nach Themenbereichen der Lehrbücher selektierten Phraseme auf ihre Frequenz und Geläufigkeit untersucht werden sollen. Heine erwähnt in diesem Zusammenhang die Vorteile der Korpuslinguistik für die Materialauswahl, die den intendierten Benutzungssituationen und Adressatengruppen gemäß erfolgen soll. Diese Aufgabe stelle eine große Herausforderung an die Phraseodidaktik der nächsten Jahre dar.
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3. Leistungen und Grenzen der Korpuslinguistik in der modernen Phraseografie
Die meisten Beiträger sind sich darüber einig, dass die Erstellung einer guten phraseografischen Umschreibung nur durch eine Textanalyse authentischer Textbelege erfolgen kann. Eine solche Vorgehensweise, die sich vor nicht allzu langer Zeit noch als schwer realisierbar erwies, kann heute durch einen Mausklick in die Praxis umgesetzt werden. Die digitale Belegsuche hat zahlreiche Vorteile, sie ist aber auch mit nicht wenigen Einschränkungen verbunden, die man sich immer wieder vor Augen führen muss, um der Sache gerecht zu werden. Nicht wenige Schwierigkeiten, die im Umgang mit Textbelegen entstehen, haben es mit der Repräsentativitätsfrage zu tun: Da der Sinn der Korpuslinguistik bekanntlich darin besteht, die in einem Korpus beobachteten Phänomene generalisierend für die Sprache in ihrer Gesamtheit anzunehmen, muss das zu untersuchende Korpus vielfältig und umfangreich genug sein, um zuverlässige Ergebnisse zu gewährleisten. Bei den Textsorten, aus denen die Mehrheit der Belege stammt, handelt es sich bislang hauptsächlich um Pressetexte.14 Die Presse kann zwar in einigen ihrer thematischen Sektionen (Feuilleton, Leserbriefe, Werbung, usw.) die gesprochene Sprache und die mannigfaltigen Schreibstile unterschiedlicher Autoren gut widerspiegeln, ihre Sprachregister (z.B. aus der Politik-, Wirtschafts- und teilweise aus der Sportsprache) sind dennoch stark durch einen speziellen Wortschatz und durch vorgeformte syntaktische Konstruktionen festgelegt. Das Fehlen von Textbelegen der gesprochenen Sprache stellt in der Phraseologie ein großes Problem dar, zumal Phraseme gerade Spracheinheiten sind, die sich durch ihre starke Bildhaftigkeit und Expressivität auszeichnen und deshalb vorwiegend im mündlichen Sprachgebrauch anzutreffen sind. In diesem Zusammenhang behandelt Heine in ihrem Beitrag die Frage der Repräsentativität in bekannten Datenbanken, wie z.B. COSMAS und klagt über die einheitliche Herkunft der Belege aus Pressetexten aus dem Rheinland und über die schwache Vertretung der gesprochenen Spontansprache. Ein Großteil der Textbelege basiert auf – meist politischen – Reden, die keineswegs für das gesamte thematische Spektrum der deutschen Sprache repräsentativ sein können. Andererseits findet man in anderen Textsorten wie der Werbung eine hohe Anzahl an Modifikationen und Okkasionalismen, die man bei der Belegsuche erkennen und daher aussortieren muss. Gerade bei der Auswahl der Belege muss der Lexikograf besonders gründlich und gewissenhaft vorgehen, um sprachlich neutrale und nicht etwa spielerisch entstellte Textstellen auszuwählen. Dem Thema der Auswahl und der Bewertung von Textbelegen geht auch Ettinger in seinem Beitrag nach. Er behandelt dabei den Aspekt der Repräsentativität der ausgewählten Belege für die Bestimmung semantischer Veränderungen und wirft dabei folgende Fragen auf: Ab wie vielen Belegen dürfen wir bei einem Phrasem eine neue Bedeutungsnuance in Bezug auf die Sprechereinstellung als etabliert bezeichnen? Ab wie vielen Belegen wird eine neue Bedeutung eines Phrasems als »normal« d.h der Norm entsprechend und nicht
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Die in den Beiträgen benutzten Korpora und Daten sind für das Deutsche dem DWDS [www.dwds.de] und dem Korpus COSMAS (Mannheimer Institut für Deutsche Sprache [www.ids-mannheim.de/cosmas2-web]) entnommen oder sie wurden mit Hilfe der Suchmaschine Google [www.google.de ] gefunden.
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mehr nur als okkasionell oder sogar normwidrig angesehen? Dieses Dilemma lässt sich augenscheinlich nur durch umfangreiche Frequenzuntersuchungen befriedigend lösen, wobei einer deskriptiven Phraseographie unbedingt der Vorzug vor einer präskriptiven Phraseografie zu geben wäre. Sowohl Ettinger als auch Heine befassen sich außerdem mit der quantitativen Frage der Repräsentativität der Belege. Ettinger geht der Repräsentativitätsfrage in Bezug auf die Bestimmung von möglichen neuen Bedeutungen der Phraseme nach, Heine tut es im Rahmen ihrer Untersuchung der einzelnen grammatischen Kategorien bei den Funktionsverbgefügen. Um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, muss sowohl auf die Qualität als auch auf die Quantität der Belege Wert gelegt werden. Steyer plädiert dabei für die korpusgesteuerte (und nicht korpusbasierte) Methode, die die Datenmanipulation vonseiten des Datensammlers ausschließt. Bei dieser empirischen Vorgehensweise lässt man – soweit es geht – die Daten der Untersuchungen für sich selbst sprechen, damit man zu einem möglichst unverfälschten Bild der authentischen Sprache gelangen kann. Die Berücksichtigung der Korpusbelege bei der Bestimmung der Nennform,15 bei neu entstandenen Bedeutungen oder bei den Valenzen führt unmittelbar zu einer neuen Einstellung gegenüber dem Normbegriff. In der gegenwärtigen Forschung zeichnet sich in der Tat zunehmend die Tendenz ab, die Norm im Zusammenhang mit Frequenzanalysen aufzufassen: Ein einst als unkorrekt abgestempelter und normabweichender Usus kann durch seine Rekurrenz mit hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe der Zeit als normkonform angesehen werden. Anhand der durch die Korpusanalyse gewonnenen Ergebnisse kann man in einigen Fällen Rückschlüsse auf das Sprachsystem sowohl in der Semantik als auch in der Struktur der einzelnen phraseologischen Typen ziehen. Steyer betont in ihrer Studie, dass die korpusgesteuerte Analyse eine Revision der bisher als unregelmäßig oder unikal angesehenen Erscheinungen in der Phraseologie mit sich bringen kann. Korpusbasierte Untersuchungen ermöglichen auf diese Weise die Redefinition des Normbegriffs nicht präskriptiv sondern deskriptiv – anhand von Frequenzstudien – im Sinne der Rekurrenz von erwartbaren Strukturen und Bedeutungen. Die syntagmatische (kombinatorische) und semantische (idiomatische) Unikalität wird heute anhand der Korpusanalyse in ein neues Licht gerückt und oft in Frage gestellt. So können sich einige phraseologische Erscheinungen, die vor der Zeit der Korpusauswertung durch Computer als unikal betrachtet wurden, heute als regulär und für ein typisches Bildungsmuster charakteristisch erweisen. Heine z.B. entdeckt in ihren Korpora syntaktische Merkmale der Funktionsverbgefüge, die unserer grammatischen Kenntnis zwar in gewisser Weise widersprechen, aber doch auf der Textebene mit relativer Frequenz vorkommen: Bei einigen Funktionsverbgefügen ist z.B. der Artikel nicht festgelegt und andere lassen eine Erweiterung durch ein Adjektivattribut zu. Ein großes Problem bei der Analyse und Interpretation phraseologischer Datenbanken sieht Heine in der Tatsache, dass es bislang keine endgültigen und allgemeinen Daten zur durchschnittlichen Häufigkeitsverteilung einzelner Phänomene in der deutschen Sprache gibt, weshalb keine zuverlässigen Studien im Vergleich zu der allgemeinen Sprache durchgeführt werden können. In ihrem Beitrag beschreibt Heine ihre eigenen Erfahrungen bei der
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Anhand der Nennform der Phraseme im Wörterbuchartikel thematisiert Dobrovol’skij in seinem Beitrag die Beziehung zwischen Norm und Häufigkeitskriterium in den Korpora. Die Nennform darf wegen der möglichen Veränderungen, die sie diachron erfahren kann, nicht ohne Nachprüfung aus Lexika oder anderen Quellen übernommen werden, sondern sie muss durch die Textanalyse empirisch nachgewiesen und gegebenenfalls aktualisiert werden.
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Erstellung eines korpusbasierten Wörterbuches deutscher Funktionsverbgefüge mit ihren finnischen Äquivalenten und sie macht sich Gedanken zu den Grenzen, Problemen und möglichen Lösungswegen korpuslinguistischer Praxis. Hinsichtlich der derzeit entstehenden Wörterbücher schlägt sie Verbesserungen gegenüber älteren Wörterbüchern vor und referiert über die Aufgaben, die Lexikografie und Korpuslinguistik in der Zukunft vor sich haben. Durch die Methoden der Korpuslinguistik lassen sich ohne besondere Schwierigkeiten mittels logarithmischer Funktionen Phraseme in einem Text oder in einem Korpus anhand der Kookurrenz ihrer Bestandteile identifizieren und somit ihre Frequenz feststellen. Bei der Suche handelt es sich meistens um Wortpaare, deren Kookkurrenz statistisch relevant über dem üblichen Wahrscheinlichkeitsgrad liegt. Heine wendet diese Methode für die Lemmaselektion ihres zweisprachigen Wörterbuchs an, indem sie versucht, herauszufinden, welche Substantive den höchsten Bindungsgrad zu den selektierten Verben aufweisen. Die statistische Kookkurrenz-Analyse ist ebenfalls der Zentralaspekt des Beitrags von Steyer, wobei sie mit dem Begriff der »statistischen Signifikanz« – hinsichtlich des auffälligen Kovorkommens zwischen Bezugswort und den Kookurrenzpartnern in einer bestimmten Umgebung – operiert. Durch die Methode der Kookurrenzanalyse kann in einer ersten Arbeitsphase der Kohäsionsgrad der usuellen Wortverbindungen festgestellt und Kookkurenzcluster und rekurrente syntagmatische Knoten-Muster erarbeitet werden. Die linguistische Auswertung und Interpretation solcher Bildungsmuster erfolgt in einem zweiten Schritt, bei dem ebenso die typischen Variationen und Gebrauchsrestriktionen, sowie die mögliche Relation zu anderen Kookkurrenzmustern mit vergleichbaren Merkmalen aufgedeckt werden. Bemerkenswert bei der Arbeit Steyers ist die Feststellung der Beziehung zwischen lexikalischem Kovorkommen und typischer wiederkehrender syntaktischer Bindung, d.h., dass lexikalische Kookkurrenz mit syntaktischer Rekurrenz einhergehen muss. Durch die Kookkurrenzanalyse wird der Begriff der Idiomatizität revidiert. Idiomatisch wird dabei nicht als semantisch nicht-kompositionell (denn das sei ja eine zu subjektive Größe) verstanden: Ein Bestandteil der usuellen Wortverbindungen ist idiomatisch, wenn er nur in Verbindung mit ihrem Kookkurrenzpartner eine bestimmte mehr oder weniger unikale Bedeutung aufweist. Diese Konzeption ist vor allem pragmatisch-funktionell orientiert und stark syntaktisch prädeterminiert. Weiter untersucht Steyer die Gebrauchstypik der usuellen Wortverbindungen, die eigentlich ihre Bedeutung ausmachen, da bei diesen kommunikativen Entitäten die Bedeutung von ihrer Funktion nicht deutlich zu trennen ist. Bedeutung wird bei den usuellen Wortverbindungen im Sinne von »Funktionsbedeutung« – von ihren usuellen Ko(n)texten – ausgehend interpretiert. Bei dieser Einstellung handelt es sich um eine immer stärker zu verzeichnende Tendenz in der Phraseologie und Metaphraseografie, die mit den Prämissen der Pragmalinguistik in enger Verbindung steht: Die typischen Kontexte machen die Bedeutung(en) eines Phrasems aus. Eines der Ziele der Arbeit Steyers besteht darin, die lexikalische Spezifiziertheit der usuellen Wortverbindungen zu bestimmen. Die Frage der Unikalität des Kovorkommens der Bestandteile einer usuellen Wortverbindungen wird graduell aufgefasst, so dass die Bildungsmuster nach dem Grad der lexikalischen Varianz der usuellen Wortverbindungen eingeordnet werden.
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Typische lexikalische Vertreter oder Varianten eines Modells sowie die Bindung der Bildungsmuster an eine spezifische Ausdrucksklasse (Funktionsbedeutung) können anhand der korpusgesteuerten Analyse bestimmt werden. Diese Art kombinatorischer Analysen hat für die Phraseografie besondere Relevanz, weil sie in den Wörterbuchartikeln die Aufnahme des syntaktischen Kontextes und der typischen lexikalischen Ausfüllung der valenzinternen und -externen Leerstellen ermöglicht.
4. Desiderata
Zum Schluss seien nochmals die Desiderata der Autoren zur Verbesserung der gegenwärtig vorhandenen Wörterbücher zusammengefasst. Besonders hervorzuheben ist einerseits die allgemeine Forderung nach empirischen und sprachwirklichkeitsbasierten Studien, und andererseits das zunehmende Desinteresse an der Erarbeitung neuer lexikografischer Theorien, die nicht korpusorientiert entstehen. Die empirischen Untersuchungen sollten das Ziel einer besseren Repräsentation sowohl der phraseologischen Semantik als auch der pragmatisch-kommunikativen Markierungen verfolgen, damit die von allen gewünschte Weiterentwicklung der Lexikografie und der Phraseografie in Erfüllung gehen kann. Dobrovol’skij äußert sich ebenfalls in dieser Richtung: Man muss dem Hauptziel der Phraseografie, nämlich der kompletten und expliziten Beschreibung der Phraseme in semantischer, pragmatischer und kombinatorischer Sicht, gewissenhaft nachkommen, damit ihr kontextund situationsgerechter Gebrauch in der Rede gewährleistet ist. Für Piirainen besteht in der Phraseologie und Phraseografie Nachholbedarf in erster Linie in der empirischen Forschung und in Bereichen wie Dialektologie, Umgangs- und Spontansprache. Burger hält eine Verbesserung der allgemeinsprachlichen Wörterbücher aufgrund der Komplexität der Platzierung der Phraseme im Wörterbuchartikel für schwieriger, aber auch für notwendiger als bei den spezifischen Lexika. Er hält die Lemmatisierung der Phraseme unter der nicht idiomatischen Komponente für die beste Lösung. Weiter wünscht er sich eine stärkere Berücksichtigung der pragmatischen Angaben und die Aufnahme der Kollokationen in allgemeinsprachliche und idiomatische Wörterbücher. In der zweisprachigen Phraseografie plädiert Filipenko für die Angaben und Kommentare zu den Äquivalenzrelationen im Wörterbuchartikel, und zur Berücksichtigung der kontextinduzierten Polysemie und der Kombinatorik (u.a. bei den adverbialen Modifikatoren). Glenk macht in ihrem Beitrag die Relevanz der Analyse der kommunikativen Formeln unter lexikografischer Sicht beim Erlernen einer Fremdsprache deutlich. Kommunikative Formeln sollten in den zweisprachigen phraseologischen »polyfunktionalen« Wörterbüchern anhand der Interaktionsmuster onomasiologisch angeordnet und dargestellt werden. Ettinger wünscht sich eine kontinuierliche Aktualisierung der Wörterbuchdefinitionen anhand von Beleguntersuchungen, die dem Internet zu entnehmen wären. Außerdem misst er der Korpuslinguistik einen besonderen Wert bei, wenn es um die Analyse der Vorkommensfrequenz von Bedeutungsveränderungen in den verschiedenen Textsorten geht. Wünschenswert wäre für ihn zudem eine größere Akzeptanz der deskriptiven Phraseografie gegenüber einer normativen Phraseografie.
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Wichtig ist schließlich für Ettinger auch die Beantwortung der Frage, welche Phraseme durch den soziokulturellen Wandel in der Gesellschaft für Bedeutungsveränderungen bzw. für sekundäre Motivation besonders prädestiniert sind. Für Heine und Jesenšek kommt es im Bereich der Korpuslinguistik primär darauf an, weitere Methoden zu entwickeln und zu erproben, die bei konkreten Fragestellungen an-gewendet werden können. Sie wünschen sich ebenso eine Weiterentwicklung der Textkorpora sowie der Analyseprogramme, da nur ein gutes Korpus den zeitlichen Aufwand einer umfassenden Untersuchung rechtfertigen kann. Steyer spricht ihrerseits den Wunsch eines Konstruktionswörterbuchs aus, das die korpusanalytisch ermittelten und validierten rekurrenten Bildungsmuster von Wortverbindungen und ihre typischen Realisierungen in systematischer Form verarbeiten soll. Schemann äußert als Desideratum die Verzahnung des allgemeinen und des idiomatischen Wortschatzes durch ein semantisches Netz, dessen Kern in synonymen Feldern gegliedert ist und Kontextbeispiele enthält. Hallsteinsdóttir hofft – den Prämissen der theoretisch-methodischen Erkenntnisse der Aarhuser Funktionslehre folgend – auf die Entwikklung der zweisprachigen Lernerphraseografie auf der Basis der Erstellung von bidirektionalen und somit polyfunktionalen für den aktiven und passiven Gebrauch gedachten Wörterbüchern, in denen die Phraseme nicht vereinzelt, sondern in Verbindung zu anderen Wortschatzeinheiten beschrieben werden. Die Herausgeberin hofft, mit diesem Sammelband dazu beigetragen zu haben, die Distanz zwischen der Metaphraseografie und dem Stand der gegenwärtig vorhandenen Wörterbücher zu reduzieren. Der Sammelband soll vor allem dazu dienen, den hohen Nutzwert der Korpuslinguistik bei der Erstellung von Idiomlexika aufzuzeigen, sowie neue Perspektiven für die Umsetzung von allgemein anerkannten Prämissen der theoretischen Phraseologie in die phraseografische Praxis zu eröffnen.16
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Für die Revision der Texte danke ich Frau und Herrn Ettinger sowie Nely Iglesias ganz herzlich.
Einsprachige Phraseografie
Harald Burger
Semantische Aspekte der deutschen Phraseografie: die aktuelle Praxis – allgemeine und phraseologische Wörterbücher im Vergleich
Abstract Although current German dictionaries have reacted to the criticism of scientific phraseology, there remain numerous unresolved issues, mostly in the field of semantics. A comparison of general and phraseological dictionaries shows that the general dictionaries, unlike the phraseological ones, run into difficulties due to both their macro- and microstructural procedures. However, the comparison also shows that certain basic semantic problems are common to both types of dictionaries. Additionally, many issues regarding the interplay between metalexicographic information, paraphrase, examples and quotations still need to be resolved. In some respects, however, the demands that phraseological research imposes on lexicography cannot be met as they can hardly be realized in practice.
1. Fragestellung Ziel meines Beitrages ist es, einen Überblick über die aktuelle Praxis der Phraseographie in einsprachig deutschen Wörterbüchern zu geben, und zwar mit dem Ziel eines Vergleichs von allgemeinen und phraseologischen Wörterbüchern. Im Laufe der letzten 25 Jahre wurden von Seiten der Phraseologieforschung zahlreiche Vorschläge gemacht, wie die Behandlung der Phraseologismen in Wörterbüchern verbessert werden kann (z.B. Burger 1983a und b, 1988, 1989; Kühn 1989, 1994; Steffens 1989; Sternkopf 1992 usw.). Diese sind in den Neuauflagen von Wörterbüchern partiell aufgenommen worden, jedoch nicht überall und auch nicht in allen kritisierten Bereichen. Immerhin ist man so weit vorangekommen, dass eine Diskussion darüber, ob das Glas nun halb voll oder halb leer sei, nicht mehr ganz abwegig ist. Die bisherige Diskussion hat m.E. auch gezeigt, dass Linguisten manchmal der Gefahr erliegen, aus ihren theoretischen Überlegungen unrealistische Forderungen an die Phraseografie abzuleiten (Beispiele unten 4.2 und 4.3). Damit der Vergleich überschaubar bleibt, beschränke ich mich auf einige der derzeit maßgebenden Wörterbücher sowie auf die semantischen und pragmatischen Aspekte, weil meines Erachtens hier am ehesten Handlungsbedarf gegeben ist.1 Bei den allgemeinen Wörterbüchern werden am Rande auch die Lernerwörterbücher mit einbezogen, die in letzter Zeit besonders starke Beachtung der wissenschaftlichen Kritik gefunden haben, bei den phraseologischen auch Schemann (1993) wegen seiner von allen übrigen Wörterbüchern abweichenden Darstellungspraxis (mit Vor- und Nachteilen, s. u. 4.7).
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Die älteren Wörterbücher wie das Wörterbuch der Gegenwartssprache oder Brockhaus Wahrig wurden in früheren Publikationen eingehend besprochen.
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Ein Spezialfall der Lexikografie ist das »Variantenwörterbuch« (Ammon et al. 2004), das sich als Wörterbuch des Standarddeutschen« versteht, das aber nur einen Ausschnitt des gesamten Wortschatzes enthält, und zwar denjenigen, der »nationale oder regionale (areale) Besonderheiten« (S. XI) aufweist. Mit diesem Wörterbuch können endlich die vagen oder irreführenden regionalen Zuordnungen in den allgemeinen Wörterbüchern korrigiert werden. Es ist somit als unentbehrliche Ergänzung der allgemeinen Wörterbücher zu betrachten. Das Variantenwörterbuch bietet spezifische Probleme der semantischen Darstellung von Phraseologismen, die einer eigenen Betrachtung wert wären (für eine erste Einschätzung in phraseologischer Hinsicht vgl. Häcki Buhofer 2007), aber hier nicht behandelt werden können. Die wichtigsten phraseographischen Probleme, die sich für jede Art von Wörterbuch stellen (für eine aktuelle Übersicht vgl. Kühn 2003 mit einer »Checkliste« und Burger 2007b: 180ff.), sind die folgenden: − Definition des Phraseologismus und Differenzierung der phraseologischen Klassen in den Rahmentexten; − Einordnung des Phraseologismus im Wörterbuch (beim phraseologischen Spezialwörterbuch ergibt sich »nur« die Frage, unter welcher Komponente der Phraseologismus lemmatisiert werden soll, beim allgemeinen Wörterbuch darüber hinaus noch die Frage der Einordnung innerhalb des Artikels); − Formulierung der Nennform (mit externer Valenz und Angabe von etwaigen morphosyntaktischen Restriktionen); − Paraphrase; − Semantischer und pragmatischer Kommentar; − Beispiele und Belege. Keiner dieser Punkte ist unter semantischem Gesichtspunkt gänzlich irrelevant, ich gehe jedoch nur auf die wichtigsten ein.
2. Informationen im Rahmentext und ihr (fehlender) Zusammenhang mit der Mikrostruktur Metalexikografische Informationen über Phraseologie und deren semantische Aspekte sind die eine Sache, die konsequente Überführung solcher theoretischer Überlegungen in die Praxis der Artikeldarstellung (Mikrostruktur) eine andere Sache. Auch wenn das erste geleistet ist, heißt das noch nicht, dass man auch mit dem zweiten rechnen kann. Beide Schritte müssen vollzogen werden, wenn eine befriedigende semantische Darstellung erreicht werden soll. Eine wenn auch nur knappe Definition und Darstellung der phraseologischen Klassen in den Metatexten des Wörterbuchs müsste Informationen darüber enthalten, welche Klassen überhaupt im Wörterbuch berücksichtigt werden, wie die jeweilige Klasse lexikografisch dargestellt wird und welche semantischen Informationen im Artikel zu erwarten sind. Beispielsweise wäre eine Differenzierung mindestens von Idiomen, Teil-Idiomen, Kollokationen, Routineformeln und Sprichwörtern aufschlussreich, da diese Differenzierung
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Konsequenzen für die semantische Darstellung der Phraseologismen haben würde und müsste. Die meisten heutigen Wörterbücher sind in dieser Hinsicht defizitär. Beim »großen« Duden Wörterbuch hat sich seit der sechsbändigen Ausgabe von 1976 immerhin soviel geändert, dass der Terminus »Phraseologie« nicht mehr sinnentstellend verwendet wird und dass »idiomatisch« immerhin als Terminus vorkommt (vgl. Burger 2007b: 181). Aber nach wie vor gibt es keine explizite Klassifizierung. Das Gleiche gilt für Duden UW. (Im Folgenden gehe ich auf Duden UW nicht mehr separat ein). Explizit werden in beiden Wörterbüchern diejenigen Verbindungen markiert, die von den Verfassern als idiomatisch eingestuft werden, nämlich mit *. Sehr störend ist aber in beiden Wörterbüchern, dass phraseologisch relevante (wenngleich nicht als solche ausgewiesene) Kategorien wie »R« (Redensart) oder »Spr« (Sprichwort) nur im Abkürzungsverzeichnis erscheinen. »Ü« (= Übertragung) ist zudem doppeldeutig (s. u. 4.1). Wenn man z.B. unter »Ton« nachschaut, findet man – wie auch sonst sehr oft – verschiedene dieser Markierungen nacheinander; hier sind es R, Ü und *:2 R der Ton macht die Musik (‘es kommt auf die Tonart (2) an, in der jmd. etwas sagt, vorbringt’); Ü man hört den falschen Ton, die falschen Töne in seinen Äußerungen (‘man hört, dass das, was er sagt, nicht ehrlich gemeint ist’); *den T. angeben (‘tonangebend sein’): In Dessau hatten die Sellmanns zu denen gehört, die den T. angaben (Bieler, Mädchenkrieg 29); jmdn., etw. in den höchsten Tönen loben (‘jmdn., etw. überschwänglich loben’).3
Wenn man diese Markierungen gutwillig aufzuschlüsseln versucht, so sind die mit Sternchen markierten Ausdrücke Idiome und Teil-Idiome, »Spr« sind eben Sprichwörter (für »Ü« s. u. 4.1). Unter »nur in der Wendung« findet man Unikalia. Z.B.: Federlesen, das; -s [zu mhd. vederlesen= schmeicheln, eigtl. = das beflissene Ablesen von Federn, Fusseln vom Kleid vornehmer Personen]: nur in den Wendungen nicht viel Federlesen[s] [mit jmdm., etw.] machen (‘[mit jmdm., etw.] energisch verfahren, ohne große Umstände zu machen oder Rücksichten zu nehmen’) [...]; ohne viel Federlesens/ohne viel Federlesen/ohne langes Federlesen (‘ohne große Umstände’) [...]; [viel] zu viel Federlesens (‘zu große Umstände’).4
Das sind die Markierungen, die einigermaßen solchen Kategorien entsprechen, die auch in der Phraseologie-Forschung unterschieden werden. Keiner allgemein akzeptierten Kategorie entspricht die Markierung R. Weder ist der Terminus »Redensart« ein heutzutage noch gängiger phraseologischer Begriff noch lassen sich
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Die Schreibweise der Lexikoneinträge habe ich vereinheitlicht: Das Wörterbuch-Lemma, unter dem der Phraseologismus eingeordnet ist, in dopppelten Anführungszeichen; Nennform kursiv; Bedeutungsangaben in einfachen Anführungszeichen. Es zeugt von lexikografischer Sorgfalt, wenn darauf aufmerksam gemacht wird, dass das in der Phrase verwendete Wort Tonart polysem ist und dass der zweite Bedeutungspunkt gemeint ist (unter »Tonart« 2. findet man dann: ‘Art u. Weise, in der jmd. spricht, etw. äußert’; Tonfall (2): eine ungehörige, respektlose Tonart; Auch spielte eine in scharfer Tonart abgefasste Mitteilung Breschnews eine Rolle (W. Brandt, Begegnungen 600) [...] (Ob allerdings der Rückverweis auf »Tonfall (2) « eine sinnvolle Methode ist, partielle Synonymie anzuzeigen, sei dahingestellt). Der Kommentar »eigentlich = das beflissene Ablesen...« ist irreführend, insofern damit eine synchrone Motivation nahegelegt wird, wo es sich in Wirklichkeit um eine historisch-etymologische Erläuterung handelt.
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die Ausdrücke, die unter R aufgeführt werden, als einheitliche Gruppe auffassen. Im allgemeinen handelt es sich um satzwertige Verbindungen, wobei sowohl feste Phrasen5 als auch Routineformeln,6 Gemeinplätze7 und sogar Sprichwörter und Geflügelte8 Worte vorkommen (vgl. Burger 2007b: 41, 184). Eine große Menge von Phraseologismen findet sich »versteckt« in den Beispielen. Hier handelt es sich einerseits um Kollokationen, andererseits aber auch um teil-idiomatische und idiomatische Verbindungen, die nicht als solche erkannt wurden. Der einbändige Wahrig hat in seiner neuesten Auflage (2006) wie schon früher ein »Lexikon der Sprachlehre«, wo nur »Idiom« rudimentär erklärt wird (»Ein Idiom – oder Phraseologismus – ist eine Wortgruppe, deren Gesamtbedeutung als Redewendung nicht aus der Bedeutung der einzelnen Elemente ableitbar ist [...] Die einzelnen Elemente eines Idioms sind nicht austauschbar [...]«). Bei »Phraseologismus« wird auf »Idiom« verwiesen. »Kollokation« und »Routineformel« kommen nicht vor. Für die Darstellung der Phraseologie im Wörterbuch selbst hat dies keinerlei Konsequenzen. Duden 11 verwendet in der Einleitung einige Kriterien der wissenschaftlichen Phraseologie, auch einige fachliche Termini (z.B. »Funktionsverbgefüge«). Die Haupttermini sind jedoch alltagssprachlich und zudem wenig trennscharf: Als Oberbegriff wird »Redewendungen« gebraucht, »Redensart« gilt als Unterklasse, die als satzwertig kategorisiert wird, ohne dass jedoch eine Abgrenzung gegen das Sprichwort gegeben würde. (Korhonen 2004
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Zum Beispiel unter »Maus«: Mit Bedeutungsangabe: da beißt die Maus keinen/(seltener:) keine Maus einen Faden ab (‘daran ist nicht zu rütteln’). Unter »einfach«: Nur als »ironisch« markiert, ohne Bedeutungsangabe: warum einfach, wenn’s umständlich geht? Unter »Hunger«: Der Hunger treibts rein, hinein (scherzh.; ‘weil man Hunger hat, isst man eben etwas, was einem eigentlich gar nicht schmeckt’). Duden 11 mit fast identischer Paraphrase: ‘weil man Hunger hat, isst man etwas, obwohl es einem nicht schmeckt.’ Z. B. unter »frei«: R ich bin so frei! (ich erlaube mir ohne weitere Formalitäten, das zu tun) Demgegenüber weist Duden 11 darauf hin, dass der Ausdruck »veraltend« ist und gibt eine andere Paraphrase: ‘ich erlaube es mir, nehme mir die Freiheit.’ Z. B. unter »besser«: Besser ist besser (‘sicher ist sicher’) Duden 11 hat eine treffendere Paraphrase, insofern hier noch die illokutive Komponente angedeutet ist: ‘seien wir vorsichtig; sicher ist sicher.’ Unter »machen«: Wie mans macht, macht mans falsch (ohne Bedeutungsangabe). Duden 11 verzeichnet (bei identischer Nennform) als Paraphrase: ‘man kann es ihr/ihm usw. einfach nicht recht machen.’ Unter »faul«: R etwas ist faul im Staate Dänemark (‘hier stimmt etwas nicht, ist etwas nicht in Ordnung’; nach Shakespeare, Hamlet I,4: something is rotten in the state of Denmark). Duden 11 hat eine leicht abweichende Nennform und eine fast identische Paraphrase: es ist etwas faul im Staate Dänemark ‘da stimmt etwas nicht, da ist etwas nicht in Ordnung.’
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zeigt, dass »Redensart« eine besonders problematische und inkonsequent gehandhabte Kategorie darstellt.) Immerhin wird eine Klassifikation nach semantischen (teil-idiomatisch vs. idiomatisch) und syntaktischen Kriterien gegeben, und es wird gesagt, welche dieser Klassen im Wörterbuch berücksichtigt werden: Es ist vor allem der »Kernbereich«, womit wohl vor allem die Idiome gemeint sind. »Jedoch werden auch aus den meisten der oben beschriebenen Grenzbereiche die geläufigsten Wortgruppen – zumindest exemplarisch – berücksichtigt« (S. 15). Den ausführlichsten metalexikografischen Text, eine eigentliche (teilweise sehr eigenwillige) Einführung in die Phraseologie bietet Schemann (1993). Sein Wörterbuch ist das umfangreichste deutsche phraseologische Wörterbuch (gemäß Klappentext ca. 35'000 Einträge). In der Einleitung wird klar gesagt, welche phraseologischen Klassen man im Wörterbuch erwarten darf und wie sie sich fachlich beschreiben lassen. Leider aber ist das Wörterbuch aus semantischer Perspektive ein Torso. Entgegen der Versprechung im Klappentext, dass die Phraseologismen »in ihren Bedeutungszusammenhängen aufgeschlüsselt« würden, verzichtet das Buch gänzlich auf Bedeutungserläuterungen und vertraut gänzlich auf die Aussagekraft der »Kontexte« (dazu unten 4.6). Weder in den allgemeinen Wörterbüchern noch in Duden 11, wohl aber in Schemann (1993) wird das Konzept der »Kollokation« eingeführt.9 In Duden 11 wird in der Einleitung (S. 11) zwar eine Ab- bzw. Ausgrenzung der von E. Coseriu so genannten »lexikalischen Solidaritäten« gegeben, die den Kollokationen relativ nahe kommen, aber eben doch keine phraseologischen Phänomene darstellen.10 Eigentliche Kollokationen jedoch kommen nicht zur Sprache. Am fortschrittlichsten unter dem Aspekt der Verbindung von metalexikografischer Information und mikrostruktureller Darstellung ist das Lernerwörterbuch von Kempcke (2000). Wie Kühn (2003 und 2004) zeigt, ist dort erstens versucht worden, einige Phrasemklassen (»idiomatische Wendungen«, »Funktionsverbgefüge«, »kommunikative Wendungen«, »Kollokationen«) zu unterscheiden und typische Paraphrasen und Kommentare zu differenzieren. Das führt dann zweitens – und das ist der entscheidende Fortschritt – dazu, dass die Darstellung des einzelnen Phraseologismus nach solchen, metalexikografisch vorgegebenen Mustern erfolgt und auf diese Weise eine gewisse Regelmässigkeit entsteht. Über die Verfahren im Einzelnen kann man geteilter Meinung sein. So werden die Kollokationen »in Form von Syntagmen oder Beispielsätzen angeboten«, was Probleme der Abgrenzung von festen und freien Wortverbindungen schafft, und die »kommunikativen Wendungen« (Routineformeln) werden »einer Bedeutung des tragenden Lexems dieser Wendungen zugeordnet und dort im Kontext abgehandelt. Sie erhalten neben der Bedeutungserklärung in der Regel auch einen Kommentar, der die situativen Verwendungsbedingungen der Verbindung charakterisiert« (S. XIV). Für viele Routineformeln ist dieses Zuordnungsverfahren wohl kaum sinnvoll und machbar. Jedenfalls ist der oben postulierte
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Ich meine damit alle nicht oder nur schwach idiomatischen festen Wortverbindungen (Burger 2007b: 53ff.). Eine engere Definition vertritt insbesondere Hausmann (2004 und früher). Als Beispiele werden die lexikalisch-semantischen Relationen zwischen Hund und bellen oder spät und Hölderlin gegeben. Bellen lässt sich mit Hund kombinieren, aber statt Hund kommen Subklassen von Hund (Pudel, Dackel usw.) in Frage. Spät in der Bedeutung, die es in der späte Hölderlin hat, kommt auch mit beliebigen anderen Namen von Persönlichkeiten vor.
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Zweischritt hier in Ansätzen vollzogen, was für alle anderen Wörterbücher ein Vorbild sein könnte. Die allgemeinen Wörterbücher – so lässt sich resümieren – enthalten also eine Menge an Phraseologie, die man sich aber in den Artikeln zusammensuchen muss. Im Rahmentext fehlt jegliche präzise Information darüber, welche Klassen von Phraseologie man erwarten darf und wo man sie zu suchen hat. Im großen und ganzen findet man die Ausdrücke, die in Duden GW mit * oder R und Ü (soweit phraseologisch) markiert sind, auch in Duden 11. Die einzige, allerdings sehr gewichtige Ausnahme sind die Kollokationen, die von Duden 11 kaum berücksichtigt werden, wohl aber von Schemann (1993) in extenso.11 Den semantisch-phraseographischen Problemen der Kollokationen möchte ich nun noch einige Überlegungen widmen. Kollokationen erscheinen in Duden GW als Beispiele, ohne dass ihr phraseologischer Status gekennzeichnet wird. Sie benötigen keine Bedeutungsangabe, sofern die Komponenten ihre freie Bedeutung beibehalten. Das ist z.B. der Fall bei typischen Kollokationen, die auf die Frage antworten: Was macht man typischerweise mit Kleidern, mit Musikinstrumenten, mit dem Bett, dem Tisch etc.? (vgl. Hausmann 2004). In Duden GW findet man z.B. die folgenden Kollokationen bei den substantivischen Komponenten unter den Beispielen: Geige spielen den Hut aufsetzen den Hut abnehmen den Hut in den Nacken schieben [sich] die Krawatte [um]binden eine Krawatte tragen, umhaben einen Schlips umbinden, tragen Schuhe anziehen
Da es in Duden GW aber für die Einträge von Kollokationen kein metalexikografisch reflektiertes System gibt, ist keine konsequente Handhabung zu erwarten.12 Es ergeben sich aber auch bei diesen in semantischer Hinsicht scheinbar unproblematischen Verbindungen Probleme, die dem Lexikografen Kopfschmerzen bereiten müssen. So findet man viele Fälle, bei denen eine Komponente der Verbindung ihre spezifische Bedeutung nur in Kombination mit der anderen Komponente aufweist. Z.B. hat das Verb in der Verbindung den Tisch decken seine Bedeutung ‘(einen Tisch) zum Essen herrichten,
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Einige willkürlich ausgewählte Kollokationen, die man bei Schemann findet: in bar bezahlen; unter der Bedingung dass...; bei Bewusstsein sein; bei vollem Bewusstsein; im Dienst sein; seinen Dienst antreten; den Dienstweg einhalten; Differenzen mit jm. haben; Schulden machen; in den Schuldienst gehen; den Tisch decken; sich an den Tisch/zu Tisch setzen. Z.B. ist die Reihe der Musikinstrumente nicht konsequent behandelt. Man findet z.B. [die/auf der] Flöte blasen, spielen gegenüber Trompete blasen. Dass bei Trompete nur blasen angegeben ist, scheint mir offensichtlich falsch. In beiden Fällen ist spielen sicherlich die typischere Kombination, blasen aber auch möglich. Ein etwaiger Unterschied der Kollokatoren von Flöte und Trompete müsste korpuslinguistisch gestützt werden. Bei Pauke ist nur angegeben die Pauke schlagen; die Pauke spielen dürfte aber ebenso möglich sein. Für Klarinette gibt es gar keine Beispiele, so dass man annehmen müsste, der Kollokator sei gänzlich in das Belieben des Sprechers gestellt.
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mit einem Tischtuch, Geschirr, Bestecken u.a. versehen’13 nur in Verbindung mit Tisch (was in der Paraphrase des Duden GW in Klammern angedeutet ist). Dies ist ein altes Problem der Phraseologieforschung und lexikografisch schwer zu lösen. Viele Kollokationen sind in Duden GW mit einer Bedeutungsangabe in Klammern versehen.14 Das sind in der Regel diejenigen, die einen leichten Idiomatisierungsaspekt aufweisen, bei denen also der Rückgriff auf die freien Bedeutungen der einzelnen Komponenten nicht weiterhilft. Auf den ersten Blick inkonsequent gehandhabt sind die folgenden Einträge zu den Musikinstrumenten: Geige spielen – unter »Geige« ohne Bedeutungsangabe Klavier spielen – unter »Klavier« mit Bedeutungsangabe ‘auf einem Klavier oder Flügel spielen’
Tatsächlich ist es aber richtig, dass man auch dann sagen kann, jemand spiele Klavier, wenn er auf einem Flügel spielt. Flügel wird unter »Flügel« 5. als »großes, dem Klavier ähnliches Musikinstrument [...]« definiert, also als eine selbständige Klasse von Musikinstrumenten, nicht als Unterklasse von Klavier. Flügel verhält sich phraseologisch insofern anders als Klavier, als man üblicherweise nicht sagt Flügel spielen, sondern nur auf dem Flügel spielen. Duden GW gibt als Beispiel »am/auf dem F. begleitete ein berühmter Pianist«. Hier müsste das Wort dafür angegeben werden, was ein Pianist normalerweise mit dem Flügel tut (eben spielen, und zwar eher auf dem als am Flügel). Nun gibt es aber eine Vielzahl von festen Wortverbindungen, bei denen die Grenze von Kollokation zu Idiom schwer zu ziehen ist. Ein charakteristisches Beispiel ist Eile. Der Artikel lautet in Duden GW so: Eile, die [...]: ‘Bestreben, Gedrängtsein, etwas so schnell wie möglich zu erledigen’: ich habe [keine] Eile; die Sache hat [große] Eile, keine Eile (‘ist sehr, ist nicht eilig’); er ist immer in Eile; etw. in der Eile (‘Hast’) vergessen; er teilte mir in aller Eile (‘schnell u. kurz’) mit, dass...; Am nächsten Tag wurden die Putzfrauen zur Eile getrieben (‘wurden veranlasst, sehr schnell zu arbeiten’; Müthel, Baum 161).
Aus dem Artikel muss man (a) schließen, dass Eile eine freie Bedeutung hat, die also in nicht-phraseologischen Verbindungen vorkommt. (Ein flüchtiger Blick in Google bestätigt dies: »Kochen ohne Stress und Eile«, »Hast und Eile breiten sich aus in allen großen Krankenhäusern in der Stadt Jilin«, »Von der Eile, die krank macht, und der Zeit, die heilt«). Die Beispiele legen (b) nahe, dass die freie Bedeutung in Beispielen wie ich habe [keine] Eile vorkommt. So weit so gut. Nun haben aber alle anderen Beispiele eine in Klammern gesetzte Bedeutungsangabe, aus denen man (c) entnehmen kann, dass die Paraphrase sich nicht völlig aus der Bedeutung der Komponenten ergibt, sondern modifiziert werden muss. Diese leichten Modifikationen sind im einzelnen schwer zu fassen, sind aber gleichwohl unerlässlich. Die Angabe ‘Hast’ bei etwas in der Eile vergessen ist sicherlich zu dürftig. Hier müsste gesagt werden, dass in der Eile üblicherweise dann verwendet wird,
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Duden GW unter »decken«; unter »Tisch« 1.a ist den Tisch decken nur als Beispiel ohne Bedeutungsangabe aufgeführt. Auch Schemann gibt gelegentlich semantische Kommentare: Z.B. an Bord gehen bekommt den knappen semantischen Hinweis »Schiff/Flugzeug«.
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wenn man eine Handlung, die man ausführen wollte, wegen der Eile, in der man sich befindet, unterlassen hat. (Damit wäre in der Eile schon relativ stark idiomatisch).15 Eine praktikable Lösung wäre m.E., dass (1) auf der Basis von Definitionen im Rahmentext die Kollokationen im Artikel als solche markiert würden und dass (2) im Rahmentext erläutert würde, welchen lexikografischen Sinn die Bedeutungsangaben in Klammern haben. Die Abgrenzung von Kollokationen, Teil-Idiomen und Idiomen ist grundsätzlich bis zu einem gewissen Grad subjektiv und muss letztlich in der Verantwortung des Lexikografen bleiben. Im Prinzip liegt es aber bei Kollokationen nahe, von der Kollokationsbasis ausgehend, Felder vergleichbarer Kollokatoren zu erstellen (Musikinstrument + Xverb).
3. Probleme der Makrostruktur Ein alphabetisches Wörterbuch, dessen Lemmatisierung auf (einfachen oder komplexen) Wörtern basiert, hat naturgemäß Probleme mit den phraseologischen Mehrwort-Verbindungen. Es stellt sich die Frage, welche Komponente des Phraseologismus für die Lemmatisierung ausgewählt wird. Dieses Problem ergibt sich sowohl für allgemeine wie für phraseologische Wörterbücher. In der Regel wird für die Idiome ein primär morphosyntaktisches,16 an den Wortarten orientiertes Verfahren gewählt, nur sekundär kommt auch die Semantik ins Spiel (»Idiomatische Wendungen stehen in der Regel unter dem ersten auftretenden Substantiv bzw. unter dem ersten semantisch signifikanten Wort« Duden GW). Mit den »semantisch signifikanten« Wörtern sind die Autosemantika gemeint, und diese sind auch für Nicht-Linguisten in der Regel leicht aufzufinden. Duden 11 verweist in den »Hinweisen für die Benutzung des Wörterbuchs« darauf, dass das semantische Kriterium relativ vage ist (»Da nicht immer eindeutig festzulegen ist, welches Wort in einer Wendung das wichtigste sinntragende ist, arbeitet das Wörterbuch mit einem umfassenden Verweissystem« (S. 21). Ein engmaschiges Verweissystem kann in einem allgemeinen Wörterbuch natürlich nicht durchgehalten werden). Die Einordnung im Wörterbuch ist insgesamt in semantischer Hinsicht wenig aussagekräftig und damit auch (relativ) wenig problematisch. In Burger (1988: 73ff.) habe ich gezeigt, dass in englischen und französischen Wörterbüchern das semantische Kriterium z.T. stärker gewichtet wird und deshalb auch mehr Probleme schafft. Probleme ergeben sich für die allgemeinen Wörterbücher allerdings bei den Kollokationen (dazu Hausmann 2004) und den teil-idiomatischen Phraseologismen. Es läge in der
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Schemann berücksichtigt zwar viele Kollokationen, verfährt dabei aber nicht konsequent. Unter »Hut« sind nur die idiomatisierten Verwendungen aufgeführt, z.B. den Hut aufhaben (»selten«). Das beigefügte Beispiel zeigt, dass die übertragene Verwendung gemeint ist: »Der Vorarbeiter hier ist der kleine Dicke, der da hinten links steht. Aber den Hut hat der Alte auf, der dich beim Betreten des Werksgeländes begrüßt hat. Er ist hier auf der Baustelle für die Leitung und Koordinierung zuständig«. In der Einleitung werden demgegenüber gerade die Kollokationen den Hut aufsetzen/ziehen/lüften als prototypische Beispiele aufgeführt. Schemann (1993) hat das ausgeklügeltste Verfahren ohne Rekurs auf Semantik entwickelt.
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Logik eines alphabetischen Bedeutungswörterbuchs, dass ein Teil-Idiom unter der Komponente behandelt wird, die ihre freie Bedeutung beibehält. Das ist aber, soweit ich sehe, oft oder sogar meist nicht der Fall. Hier hat das formale Verfahren, das für Idiome praktiziert wird, unerwünschte (und vom Lexikografen wohl gar nicht realisierte) semantische Konsequenzen: Z.B. findet man die Teil-Idiome, die einen Grad von ‘schreien’ bezeichnen, nicht unter »schreien«, sondern unter den betreffenden Substantiven: Unter »Lunge« als * markiert: sich die Lunge aus dem Hals/Leib schreien (‘sehr laut schreien’); aus voller Lunge singen/schreien o.Ä. (‘sehr laut singen, schreien o.Ä.’)
Unter »schreien« 1.a) (‘einen Schrei, Schreie ausstoßen...’) hingegen findet man nur als Beleg: »Dorothea ... schreit aus vollem Halse (Waggerl, Brot 186)«. Unter »Hals« ist aus vollem Hals(e) hingegen (unter Bedeutungspunkt 2.) als Idiom markiert, mit einem Beispiel, das nur das Verb lachen aufweist (»sie lachten aus vollem Hals«). Solche Inkonsequenzen können leicht unterlaufen, wenn man die Teil-Idiome nicht als solche erkennt und sie behandelt wie gänzlich idiomatisierte Audrücke. Für die phraseologischen Wörterbücher ergibt sich das Problem nicht, da sie ja auf semantische Ordnungsverfahren in der Makrostruktur weitgehend verzichten.
4. Probleme der Mikrostruktur Die intrikatesten semantischen Herausforderungen bietet die Mikrostruktur des einzelnen Artikels. Markierungen, Paraphrase, semantische und pragmatische Kommentare, Beispiele und Belege – all dies muss man zusammen sehen, da Defizite in einem Punkt unter Umständen durch Informationen in einem anderen kompensiert werden können.
4.1 Mehrdeutige Markierungen Die allgemeinen Wörterbücher erschweren sich die Sache dadurch, dass sie in ihren mehr impliziten als expliziten Markierungen semantische Information verstecken, die der gutwillige Rezipient erst entdecken muss. Ich habe oben (2.) darauf hingewiesen, was sich alles hinter der Markierung »R« des Duden GW und UW verbirgt. Außerdem ist die Abgrenzung von * und R nicht geklärt. Warum ist z.B. der folgende Ausdruck mit * markiert (explizit als Idiom), obwohl er satzwertig und eindeutig eine Routineformel ist? Unter »Fresse«: [ach] du meine Fresse! (‘nein, so etwas!’; Ausruf des Erstaunens)
Schlimmer noch – weil irreführend – ist die Markierung Ü, die eine eindeutig semantische Eigenschaft der Wortverbindung indizieren soll.
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Auch wenn sie in der neuesten Auflage von Duden GW etwas reduziert wurde, ist sie immer noch häufig anzutreffen. Man findet hier okkasionelle Metaphern ebenso wie metaphorische Idiome, ohne dass eine Abgrenzung versucht würde.17 Ein Beispiel für eine okkasionelle Metapher: Unter »schweigen«: Ü Die Berge schwiegen silbergrau (Frisch, Stiller 143).
Beispiele für phraseologische Ausdrücke: Unter »Mantel«: Ü den Mantel des Schweigens über etw. breiten, decken Unter »Strom«: Ü Ich stand noch immer total unter Strom (‘war noch immer sehr angespannt’)
Bei den phraseologischen Wörterbüchern stellen sich Probleme dieser Art nicht. Die Probleme verlagern sich dafür einerseits in den metalexikografischen Text, wo eine explizite Klassifikation auch semantischer Art gegeben werden müsste, die Folgen für die Mikrostruktur hätte, andererseits in die semantischen Informationen des Artikels. Für beide Typen von Wörterbüchern stellen sich (neben semantischen Unzulänglichkeiten im individuellen Fall18) einige prinzipielle Probleme, die im folgenden besprochen werden.
4.2 Der semantische »Mehrwert« und die Differenziertheit der Paraphrase Eine in der Forschung nicht definitiv gelöste – und wohl auch nicht endgültig zu lösende – Frage ist diejenige nach dem semantischen und/oder pragmatischen »Mehrwert« von Phra-
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Sehr merkwürdig ist das folgende Beispiel: Innerhalb der Reihe von Idiomen (mit * markiert) findet sich – zusätzlich – ein Ü, woraus sich eine schwer interpretierbare Kumulierung von Markierungen ergibt: mit jmdm., etw. eins werden (‘zu einer Einheit verschmelzen’): der Schauspieler wurde eins mit seiner Rolle [...]; Ü sie wurden miteinander eins (geh. verhüll.; ‘verkehrten geschlechtlich’). Das soll wohl bedeuten, dass eine Übertragung innerhalb des Idioms mit jmdm. eins werden vorliegt, und das kann nun heißen, dass es sich um eine okkasionelle sekundäre Metaphorisierung handelt oder dass das Idiom polysem ist. Die zusätzliche Markierung »gehoben, verhüllend« deutet darauf hin, dass die zweite Möglichkeit intendiert ist. Ob das zutreffend ist, lässt sich ohne weitere Recherchen nicht entscheiden. Z.B. findet man in Duden GW: *in Strömen (‘in großen Mengen, sehr reichlich u. heftig’): es regnet in Strömen; bei dem Fest flossen Wein und Sekt in Strömen. Die Paraphrase ist zu wenig präzise, da der adverbielle Phraseologismus nur bei Verben mit der Selektionsbedingung verwendet werden kann. Dies geht aber nur aus den Beispielen hervor. Korhonen (2004) zeigt, dass Duden 11 zahlreiche Paraphrasen gegenüber der vorhergehenden Auflage verbessert hat. Das hat aber noch nicht auf Duden GW durchgeschlagen. Gelegentlich ist Duden GW (zufällig) besser als Duden 11: *auf lange/weite/kurze Sicht (‘für lange, kurze Zeit, Dauer’). Duden 11 gibt demgegenüber ein phraseologisches Synonym (‘auf die Dauer’, vgl. Korhonen 2004: 381), was aber bekanntlich vermieden werden sollte und in der 2. Auflage auch meist vermieden wird.
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seologismen gegenüber quasi-synonymen einfachen Lexemen. Es lässt sich leicht an Einzelbeispielen zeigen, dass die Wörterbuch-Paraphrasen oft zu wenig differenziert sind. Dobrovol'skij (2002) demonstriert dies am Beispiel den Bock zum Gärtner machen, wo die Paraphrasen teilweise gänzlich defizitär sind. Andererseits scheint es mir auch verfehlt, dort eine Genauigkeit und Explizitheit der Paraphrasierung zu verlangen, wo der Sprachgebrauch dem nicht entspricht. In Burger (1992b: 41ff.) habe ich u.a. am Beispiel sich zwischen zwei Stühle setzen gezeigt, dass eine weniger merkmalhaltige Paraphrase u.U. dem Sprachgebrauch eher gerecht wird als eine differenziertere. Die Paraphrasen in Duden 11 in der zweiten Auflage sind an zahlreichen Stellen gegenüber der ersten Auflage differenzierter geworden. Mit der Differenziertheit der Paraphrase hängen die folgenden Aspekte unmittelbar zusammen.
4.3 Die Differenzierung von Quasi-Synonymen Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass Synonymie in der Phraseologie eine größere Rolle spiele als in der Lexik und dass es in der Phraseologie eher totale Synonymie gebe als in der Lexik. Diese Auffassung ist nicht unbestritten geblieben. Proost (2007) verweist insbesondere auf die Tatsache, dass Idiome mit unterschiedlicher »Bildlichkeit« zumindest auf der konnotativen Ebene nicht als totale Synonyme gelten können. Die folgenden Idiome, die alle bedeuten ‘jmdn. schlagen’, unterscheiden sich durch das jeweilige »Bild« (Dach/Deckel/Hut/Nase in der wörtlichen Lesart erzeugen unterschiedliche konkrete Vorstellungen):19 jmdm. eins/etwas aufs Dach geben jmdm. eins auf den Deckel geben jmdm. eins auf den Hut geben jmdm. eins auf die Nase geben
Dobrovol'skij (2002) kritisiert am Lernerwörterbuch von de Gruyter (Kempcke 2002), dass die »Idiome des semantischen Feldes BETRUG bedeutungsmäßig nicht klar genug ausdifferenziert« seien,20 und zwar in Bezug auf die Beispiele jmdn. hinters Licht führen, jmdn. an der Nase herumführen, jmdn. über den Tisch ziehen, jmdn. übers Ohr hauen, jmdn. über den Löffel barbieren/balbieren. Ein Teil der Kritik ist sicher berechtigt. Insbesondere ist evident, dass die in den Paraphrasen verwendeten einfachen Verben täuschen, irreführen, betrügen, übervorteilen ihrerseits nicht klar genug differenziert sind. Doch ist dies kein spezifisch phraseologisches, sondern ein allgemein lexikografisches Problem. Duden 11 gibt die folgenden Paraphrasen und Beispiele/Belege (wobei die Paraphrasen zum größeren Teil mit den von Dobrovol'skij diskutierten im Lernerwörterbuch übereinstimmen): jmdn. übers Ohr hauen ‘jmdn. betrügen’: Wissen Sie, worüber er während der ganzen Mahlzeit sprach: dass ihn der Taximann in Neapel übers Ohr gehauen habe (Andres, Liebesschaukel 44).
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Die vier Ausdrücke sind möglicherweise bereits auf der denotativen Ebene nicht total synonym. Vgl. dazu Burger (2007b: 78). Ähnlich argumentiert Korhonen (2004: 380f.).
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jmdn. über den Tisch ziehen ‘jmdn. übervorteilen’: Trotz der Eile, mit der verhandelt wurde, hätte der Anwalt sich nicht dermaßen über den Tisch ziehen lassen dürfen. – Wie blutige Anfänger hätten sich die Standesführer von Gesundheitspolitikern und Krankenkassen über den Tisch ziehen lassen (Spiegel 51, 1987, 172). jmdn. hinters Licht führen ‘jmdn. täuschen’: Wenn ich die Einkommenssteuer in dieser Sache nicht hinters Licht führe, ... sehe ich keine Möglichkeit (Ruark ..., Honigsauger 479). ... wenn wir uns nicht seit Jahren kennen würden, könntest du mich vielleicht hinters Licht führen (Becker, Tage 21). jmdn. an der Nase herumführen ‘jmdn. täuschen, irreführen’: Er habe sich maßlos darüber aufgeregt, wie die Belegschaft von der Firma an der Nase herumgeführt worden sei (Chotjewitz, Friede 282). – Die Wendung bezieht sich wohl darauf, dass früher Tierbändiger oder Schausteller ihre Bären o. Ä. an einem Nasenring führten, um sie völlig in der Gewalt zu haben. jmdn. über den Löffel barbieren/balbieren ‘jmdn. in plumper Form betrügen’: Die Kerle haben sich doch nur »kameradschaftlich« betätigt, um Sie, ihren Unteroffizier, über den Löffel zu barbieren (Kirst, 08/15, 117).
Auch hier sieht man, dass offensichtlich nicht versucht wurde, die Idiome klar zu differenzieren. Ein phraseologisches Wörterbuch könnte sich nun auf die Position zurückziehen, dass es das in den Paraphrasen verwendete Vokabular nicht auch noch erläutern kann, sondern dass es sich dabei auf die allgemeinen Wörterbücher verlassen muss. In diesem konkreten Fall könnte man sich z.B. darauf berufen, dass in Duden GW täuschen und betrügen unterschiedlich paraphrasiert sind.21 Dennoch ist schwer einzusehen, warum jmdn. hinters Licht führen und jmdn. an der Nase herumführen sich dadurch unterscheiden sollen, dass letzteres neben ‘täuschen’ auch noch ‘irreführen’ bedeuten kann. Man müsste ferner annehmen, dass jmdn. über den Löffel barbieren/balbieren eine Art groberer Variante von jmdn. übers Ohr hauen sei. Das lässt sich wohl nicht ohne weiteres behaupten. Jmdn. über den Löffel barbieren/balbieren hat insofern einen anderen Status als die übrigen Beispiele, als es – gemäß Auskunft des »Variantenwörterbuchs« (vgl. oben 1.) – ein Teutonismus ist, der in den anderen deutschsprachigen Regionen nicht bekannt ist oder aber – dies ist meine Vermutung – als veraltet aufgefasst wird, der also von vielen Sprechern, wenn überhaupt, dann nur in stilistisch markierten Kontexten verwendet wird.22
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Allerdings ist die Differenzierung auch dort nicht überzeugend: betrügen wird unter a) als ‘bewusst täuschen, irreführen, hintergehen’ paraphrasiert. Ist betrügen tatsächlich (nur) eine »bewusste« Variante von täuschen? Umgekehrt: Kann man jemanden auch »unbewusst« täuschen? Ein hübscher Beleg dafür, dass die wörtliche Bedeutung des Idioms im 19. Jahrhundert noch lebendig gewesen sein muss, ist die folgende Stelle aus Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts: Das Mädchen war bei dem ersten Geräusch wie ein Reh davon gesprungen und im Dunkel verschwunden. Die Figur vor der Thür aber raffte sich hurtig wieder vom Boden auf und fing nun an mit solcher Geschwindigkeit gegen das Haus loszuschimpfen, daß es ordentlich zum Erstaunen war. »Was!« schrie er, »ich besoffen? ich die Kreidestriche an der verräucherten Thür nicht bezahlen? Löscht sie aus, löscht sie aus! Hab’ ich Euch nicht erst gestern über’n Kochlöffel balbirt und in die Nase geschnitten, daß Ihr mir den Löffel morsch entzwei gebissen habt? Balbieren macht einen Strich – Kochlöffel, wieder einen Strich – Pflaster auf die Nase, noch ein Strich – wieviel solche hundsföttische Striche wollt Ihr denn noch bezahlt haben? Aber gut, schon gut! ich lasse das ganze Dorf, die ganze Welt ungeschoren. Lauf’t meinetwegen mit Euren Bärten, daß der
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Einzig jmdn. über den Tisch ziehen fällt aus der Reihe heraus, insofern ‘jmdn. übervorteilen’ in Duden GW deutlich anders paraphrasiert ist als die übrigen Verben: ‘sich auf Kosten eines anderen einen Vorteil verschaffen, indem man dessen Unwissenheit, Unaufmerksamkeit ausnutzt’. Die Beispiele bzw. Belege sind überwiegend nichtssagend (vgl. Kühn 2004: 151f.). Wann ein Beispiel, wann ein Beleg, wann beides gegeben wird, ist aus der Einleitung nicht ersichtlich. In den obigen Einträgen handelt es sich überwiegend nur um Belege. Warum hier gerade Belege gewählt werden, bleibt unerfindlich. (Duden GW hat bei diesen Beispielen teils Beispiele, teils Belege, teils keines von beiden, auch ohne jede Systematik). Sie dienen in keiner Weise dazu, die Verwendungssituationen schärfer zu konturieren und das eine Idiom gegen das andere abzugrenzen. »[...] wenn wir uns nicht seit Jahren kennen würden, könntest du mich vielleicht hinters Licht führen« ist völlig unspezifisch. »Er habe sich maßlos darüber aufgeregt, wie die Belegschaft von der Firma an der Nase herumgeführt worden sei« – statt an der Nase herumführen könnte hier genauso über den Tisch ziehen oder hinters Licht führen stehen. Die Paraphrasen sind also nur partiell geeignet, die Quasi-Synonyme gegeneinander abzugrenzen, und dieses Defizit wird durch die Belege nicht im geringsten kompensiert. Ich frage mich aber, ob die Kritik sich hier legitimerweise an den Lexikografen richten sollte. Was die Idiome des ganzen Feldes betrifft, scheint es mir äußerst schwierig, ohne vorgängige linguistische Analyse, die auf einer detaillierten Korpusanalyse basieren müsste, zu besseren Lösungen zu kommen. Korhonen (2004: 380f.) schlägt vor (auf der Basis von Einträgen in anderen Wörterbüchern), einen Teil dieser und anderer Phraseologismen aus dem gleichen Feld mit einer Spezifizierung ‘bes. beim Kauf/Verkauf’ zu versehen. Ich glaube aber nicht, dass sich dies ohne Korpusanalyse rechtfertigen lässt. Die allgemeinen Wörterbücher sind unter dem Aspekt der Differenzierung von QuasiSynonymen in einer (noch) heikleren Position als die phraseologischen, insofern sie beides leisten müssen – die Differenzierung der Paraphrasen der Phraseologismen und die Differenzierung des metasprachlichen Vokabulars.
4.4 Die Rolle des »Bildes« in der Paraphrase Dobrovol'skij (2002) postuliert, dass »die bildliche Komponente der motivierten Idiome grundsätzlich einen unabdingbaren Bestandteil des Inhaltsplanes« darstellt, und zieht daraus die »praktische Konsequenz«, »dass die Bedeutungsexplikation die linguistisch relevanten Merkmale des mentalen Bildes berücksichtigen muss«. Dem ersten Teil des Postulats kann man zustimmen, sofern man sich darüber einigen kann, was unter »menta-
————— liebe Gott am jüngsten Tage nicht weiß, ob Ihr Juden seid oder Christen! Ja, hängt Euch an Euren eignen Bärten auf, Ihr zottigen Landbären!«. Nach der Ausgabe von 1826: Carel ter Haar: Joseph von Eichendorff. Aus dem Leben eines Taugenichts. Text, Materialien, Kommentar (Reihe Hanser Literatur-Kommentare, Bd. 6). München 1977, S. 22. Synchron ist das Idiom nicht mehr motiviert, und man versteht die Eichendorff-Stelle nicht, wenn man nicht die Herkunft des Idioms kennt. (Duden GW: jmdn. über den L. barbieren/balbieren ugs.; ‘jmdn. plump betrügen’; viell. nach einer früher bei den Barbieren üblichen Gewohnheit, zahnlosen Männern zur leichteren Rasur einen Löffel in den Mund zu schieben, um die eingefallenen Wangen nach außen zu wölben).
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lem Bild« zu verstehen ist (vgl. dazu Burger [2007a]). Der zweite Teil jedoch würde die Phraseographie gänzlich überfordern. Wie will man in den obigen Beispielen (für ‘jmdn. schlagen’), die sicherlich als bis zu einem gewissen Grad synchron motiviert gelten müssen, die Bildkomponente (Dach, Deckel, Hut, Nase) in der Paraphrase berücksichtigen? Die Beispiele für »betrügen« würden hingegen von dem Postulat ausgenommen, da sie synchron nicht motiviert sind. Dobrovol'skij (2002) diskutiert zwei Fälle, bei denen synchron eine gewisse Motivierung durch die Bild-Komponente vorliegt: an allen Ecken und Enden vs. auf Schritt und Tritt. In seiner Kritik an den Wörterbuch-Paraphrasen leitet er aus der bildlichen Motivation von an allen Ecken und Enden ab, dass der Ausdruck »sich nur auf bebaute und bewohnte Räume beziehen kann«, während dies bei auf Schritt und Tritt nicht der Fall sei. Diese Behauptung ist aber mühelos falsifizierbar. Ein flüchtiger Blick in Google zeigt, dass an allen Ecken und Enden nicht einmal am häufigsten mit der umschriebenen räumlichen Bedingung verwendet wird, sondern eher in übertragenen Zusammenhängen (von der Art »Sony spart an allen Ecken und Enden«, »Die großen Parteien enttäuschen an allen Ecken und Enden«) vorkommt. Und wenn von einem Fußballstar gesagt wird, er habe in einem Spiel »an allen Ecken und Enden gefehlt«: ist das Fußballfeld ein »bebauter und bewohnter Raum«? Wohl kaum. (Hingegen ist es zutreffend, dass auf Schritt und Tritt voraussetzt, dass das Bild des »Schreitens« Folgen für die Verwendbarkeit des Adverbiales hat.) Ich denke, man sollte sich als Linguist hüten, lexikografische Postulate aus theoretischen Überlegungen abzuleiten, die nicht eindeutig durch den Sprachgebrauch gestützt sind.
4.5 Synchrone Motivation und diachrone Kommentare Mit 4.3 ist ein Teil der allgemeineren Frage nach der synchronen »Motivation« der Phraseologismen angesprochen. Es gibt Phraseologismen, die direkt motiviert sind (die Kollokationen), sodann solche, deren Motivation über Übertragungsvorgänge (wie Metapher, Metonymie usw.) verläuft, und schließlich diejenigen, die synchron nicht mehr motiviert sind. Ein Problem der Wörterbücher war lange Zeit, dass sie durch etymologische Kommentare mit Markierungen wie »eigentlich« eine synchrone Motivierung suggerierten, wo tatsächlich nur eine historisch-etymologische Motivierung vorlag. Dieser Fehler wird in den neueren Auflagen von Duden GW und Duden 11 weitgehend vermieden (vgl. aber Anm. 4). Dennoch ist das Thema nicht ganz vom Tisch. Denn es gibt eine Klasse von Phraseologismen, bei denen ein Hinweis auf die Etymologie nicht nur sinnvoll, sondern unerlässlich ist: die Geflügelten Worte. Aufgrund ihrer Grenzsituation zwischen eigentlicher Phraseologie und Zitat muss man mit Sprechern verschiedenster Art rechnen: solchen, die genau wissen, woher der Ausdruck stammt, und die diese Herkunft mittransportieren wollen, über solche, die eine unbestimmte Ahnung davon haben, dass der Ausdruck überhaupt einen potenziell identifizierbaren Autor hat, bis hin zu denjenigen, die ihn verwenden wie irgendeine feste Wortverbindung. Dafür scheint in den Wörterbüchern nur partiell ein Bewusstsein vorhanden zu sein. Vergleicht man beispielsweise Duden 11 und Duden 12 (die Sammlung von »Zitaten und Aussprüchen« – dies sind in der phraseologischen Terminologie zu einem großen Teil Geflügelte Worte), so ist der Unterschied deutlich: Das auf »Zitate« spezialisierte Wörterbuch gibt selbstverständlich und definitionsgemäß zu jedem
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Ausdruck die (vermutliche oder sichere) Quelle an. Duden 11, der eine schmale Schnittmenge mit Duden 12 hat, hat keine einheitliche Praxis. So wird einmal eine etymologische Deutung mitgeliefert, ein andermal nicht. Vgl. Einerseits die Faust im Nacken spüren (ohne Etymologie), wo Duden 12 angibt »Die Metapher mit der Bedeutung ‘unausweichliche Bedrohung’ wurde als Filmtitel für die deutsche Version von ‘On the Waterfront’ von Elia Kazan... verwendet«. Andererseits feurige/glühende Kohlen auf jmds. Haupt sammeln (geh.) mit etymologischem Hinweis: »Die Wendung stammt aus den Sprüchen Salomonis ...« und genauem Originalwortlaut.23 In beiden Fällen verhält sich Duden GW wie Duden 11. In Duden GW findet man Geflügelte Worte auch unter der Markierung »R« (s.o. 2.).
4.6 Die Rolle der Komponenten in der Paraphrase Es hängt vom Typus des Phraseologismus ab, welche Struktur die Paraphrase haben sollte, insbesondere welche Rolle die Komponenten des Phraseologismus in der Paraphrase spielen sollten. Bei denjenigen Kollokationen, die nicht schon partiell idiomatisiert sind (s.o. 2.) , ist definitionsgemäß keine Paraphrase nötig. Die Komponenten sind so zu verstehen, wie sie außerhalb der Kollokation verwendet werden. Dabei ergibt sich für den Benutzer allerdings das Problem der Polysemie: Welche der Bedeutungen, die das Wort außerhalb der Kollokation hat, ist hier gemeint? Wenn man für die Aufschlüsselung von Schuhe anziehen unter »anziehen« nachschaut, wird man unter 5b) fündig: ‘(ein Kleidungsstück) anlegen’: den Mantel, die Hosen, die Schuhe anziehen; die Mütze, den Hut anziehen
Will man dann wissen, was anlegen heißt, gerät man in einen typischen lexikografischen Zirkel (anziehen → anlegen → anziehen; außerdem ist anlegen als ‘gehoben’ markiert): Unter »anlegen«: 4. (geh.) ‘anziehen, sich mit etw. Bestimmtem schmücken’: Trauerkleidung, die Uniform, Orden, Schmuck anlegen
Bei den Kollokationen zeigt sich ein grundsätzliches lexikografisches Problem: Wenn man – wie es in einer Paraphrase erforderlich wäre – statt der typischen Kollokatoren ein anderes Verb sucht, führt dies u.U. zu komplizierten Umschreibungen, die kaum noch von praktischem Interesse sein können.
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Die Einträge in den beiden Wörterbüchern stimmen übrigens nicht immer überein: So heißt es in Duden 12 Sturm im Wasserglas (ohne Artikel), in Duden 11 hingegen ein Sturm im Wasserglas; in Duden 11 aus Gnade und Barmherzigkeit, in Duden 12 ohne Gnade und Barmherzigkeit; in Duden 11 die Faust im Nacken spüren; in Duden 12 Die Faust im Nacken. Duden GW deckt sich, soweit ich sehe, mit Duden 11. Die unterschiedlichen Formulierungen deuten wahrscheinlich darauf hin, dass Duden 11 und die allgemeinen Wörterbücher das »Zitat« eher in der Form geben, die es im Phraseologisierungsprozess angenommen hat. So ist ohne Gnade und Barmherzigkeit wohl weniger geläufig (Duden 12 »Die Redewendung im Sinn von ‘gnadenlos, erbarmunglos’ hat ihren Ursprung vermutlich im Alten Testament...«) als die Formulierung mit aus...
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Bei den Teil-Idiomen ist klar, dass der nicht-idiomatische Teil seine freie Bedeutung (bzw. eine seiner freien Bedeutungen) beibehält. Dies scheint für die Lexikografie relativ unproblematisch zu sein: Bohnenstroh, das: in der Fügung dumm wie Bohnenstroh [sein] (‘sehr dumm [sein]’; nach der Wertlosigkeit des als Strohersatz gebrauchten Bohnenstrohs)
Dumm erscheint hier richtigerweise sowohl im Phraseologismus als auch in der Paraphrase, und wie Bohnenstroh wird als Intensivierung (‘sehr’) aufgefasst. Da die komparativen Phraseologismen z.T. aber auch vollidiomatisch sind, lässt sich das Muster nicht auf alle anwenden: Unter »Kuh« findet man den teil-idiomatischen Ausdruck von etw. so viel verstehen wie die Kuh vom Sonntag/vom Brezelbacken (‘nichts von einer Sache verstehen’). Dieser entspricht dem Muster. Unter dem gleichen Lemma jedoch gibt es einen Ausdruck, der nicht in dieser Weise in einen idiomatischen und einen nichtidiomatischen Teil zu zerlegen ist: dastehen wie die Kuh vorm neuen Tor/vorm Scheunentor/vorm Berg (‘angesichts einer neuen Situation o.Ä. völlig ratlos sein’)
Hier ist es korrekt, dass dastehen nicht in der Paraphrase vorkommt. Auch am folgenden Beispiel ist nichts zu bemängeln, da durch die Überführung von wo der Schuh drückt in Nomina das Verb geändert werden muss (wissen → kennen): wissen o.Ä., wo [jmdn.] der Schuh drückt (ugs.; ‘die Probleme, Kümmernisse, jmds. geheime Sorgen, Nöte kennen’)
Umstritten ist nach wie vor die Frage, wie semantisch »teilbare« Idiome zu paraphrasieren sind. Soll man in der Paraphrase die semantische Struktur auf der übertragenen Ebene nachbilden? Aus einer Mücke einen Elefanten machen wird in Duden GW ebenso wie in Duden 11 mit ‘etw. maßlos übertreiben’ paraphrasiert. Sollte man statt dessen eine Paraphrase wählen wie ‘aus etwas Kleinem etwas Großes machen’? (vgl. zu dieser Diskussion Burger 2007b: 79f.). Wahrig kommt dieser Variante nahe, mindestens was die erste Komponente betrifft: ‘ein geringfügiges Ereignis gewaltig übertreiben, ihm zu große Wichtigkeit beimessen.’ Wenn man die globalere Paraphrase wählt, wie es die Duden Wörterbücher tun, muss die innere Struktur mindestens durch ein Beispiel oder einen Beleg repräsentiert werden. Beide Wörterbücher tun dies auch, und zwar mit dem gleichen Beleg: »Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten. Ein paar Kinder machen ein Lagerfeuer, und schon heißt es, dass die halbe Stadt brennt (taz 14. 7. 97, 16)«. Im Idiom den Bock zum Gärtner machen ließen sich die nominalen Komponenten in ihrer wörtlichen Bedeutung problemlos auf die phraseologisch-metaphorische Bedeutung abbilden, und vom theoretisch-semantischen Standpunkt wäre dies durchaus vertretbar. Doch ist dies für die lexikografische Paraphrase nicht ausreichend, angesichts der Implikationen, die für den Nachvollzug der Metapher nötig sind (Duden 11 versucht eine »Remotivierung«: »Die Wendung bezieht sich darauf, dass ein Ziegenbock in einem Garten die Pflanzen abfrisst und die Beete zertrampelt«): Bock und Gärtner kommen in Gärten vor, ihre »Tätigkeiten« haben aber entgegengesetzte Effekte: der erste schadet, der zweite nutzt dem Garten, also sollte man den einen nicht das tun lassen, was der andere normalerweise tut. Nun überträgt man dem ersten die Aufgaben des zweiten usw.
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Duden versucht dem gerecht zu werden mit der komplexen Paraphrase ‘jmdm. im guten Glauben eine Aufgabe übertragen, für die er aufgrund seiner Veranlagung oder seiner Voraussetzungen ganz ungeeignet ist und der er dadurch eher schadet’. Diese Paraphrase ist insofern besser als die kürzere von Duden 11 (‘jmdn. im guten Glauben mit einer Aufgabe betrauen, für die er völlig ungeeignet ist’), als sie den Gegensatz von ‘eine Aufgabe erfüllen/einer Aufgabe schaden’ mindestens implizit enthält. Beide Paraphrase verzichten aber – wohl zu Recht – darauf, die nominalen Komponenten tale quale abzubilden.24 Duden GW gibt einen Beleg, der gleichwohl die Struktur des Idioms nachvollzieht und gar noch metakommunikativ kommentiert: »Herrn Markus Wolf, einen gewesenen MfSGeneral, zu seinem Berater bei der Auflösung des MfS, also den Bock zum Gärtner zu machen (Spiegel 136, 1990, 10)«. Die Belege in Duden 11 sind weniger sprechend.
4.7 Bedeutungserläuterung und Beispiele/Belege In der Regel sollten Beispiele dazu dienen, die Verwendung eines Phraseologismus im Kontext zu illustrieren und damit eventuell zusätzliche Informationen zur Bedeutungserläuterung zu vermitteln. Die Informativität der Beispiele lässt jedoch oft zu wünschen übrig (s.o. 4.2). Belege haben im Prinzip auch die Funktion von Beispielen, aber darüber hinaus dienen sie, wie es z.B. in der Einleitung zu Duden 11 heißt, »dem Nachweis, dass und wie die betreffenden Wendungen in der deutschen Gegenwartssprache gebraucht werden« (S. 23). Die »beweisende« Funktion (»dass«) kommt zum »Wie« des Gebrauchs hinzu. Wenn der Beleg alleine steht, sollte er also gleichzeitig beide Funktionen haben. 25 Dass dies nicht immer der Fall ist, wurde oben (4.2) schon illustriert. Immerhin gibt es in Duden 11 jeweils mindestens ein Beispiel oder einen Beleg. In Duden GW wird demgegenüber nicht jedem Idiom ein Beispiel/Beleg beigegeben. Das Auswahlprinzip wird im Rahmentext nicht erklärt und es ist auch aus den Artikeln nicht nachvollziehbar. Im Artikel »Bein« hat jüngere Beine haben nur eine Paraphrase ‘besser als ein Älterer laufen können’, jmdm. Beine machen hat neben der Paraphrase einen Beleg, aber kein Beispiel, auf den Beinen sein hat ein Beispiel, aber keinen Beleg. Bei dem polysemen jmdm. ein Bein stellen hat die erste Bedeutung (‘jmdn. durch Vorstellen eines Beines zum Stolpern bringen’) einen Beleg (kein Beispiel), die zweite Bedeutung nur eine Paraphrase (‘jmdm. durch eine bestimmte Handlung Schaden zufügen; jmdn. hereinlegen’). Es gibt – völlig unsystematisch – alle denkbaren Mischungen. Das einzige mir bekannte Wörterbuch, dass auf die Paraphrase verzichtet und statt dessen nur Beispiele liefert, ist Schemann (1993). Die Beispiele sind ausführlicher als sonst (er nennt sie »Kontexte«) und beziehen stark die situativen Verwendungsbedingungen der Phraseologismen mit ein. Das ist sicherlich von Nutzen, aber es ersetzt wohl kaum die eigentliche Bedeutungserläuterung. Schemann bietet konstruierte Beispiele, die aber an Ori-
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Auch Dobrovol'skij (2002) tut dies in seinem Alternativvorschlag einer Paraphrase nicht: »Einer Person, die fähig zu sein scheint, in einem bestimmten Tätigkeitsbereich, der mit Verantwortung und/oder Macht verbunden ist, großen Schaden anzurichten, erlauben, eben diesen Tätigkeitsbereich zu übernehmen«. Für den Umgang der französischen Wörterbücher mit Beispielen/Belegen im Vergleich mit den deutschen vgl. Burger (1992a).
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ginaltexte (Belletristik, Zeitungstexte, Zeitschriften, Hörbelege) und andere idiomatische Wörterbücher angelehnt sind (S. 11). Z.B.: jmd. über den Tisch ziehen ... Wenn die CSU erklärt, sie werde sich in den Koalitionsverhandlungen auf keinen Fall von der FDP über den Tisch ziehen lassen, dann sagt sich ein Außenstehender natürlich: »Siehst du, die Politik ist die Kunst, den anderen dranzukriegen/über den Löffel zu barbieren«.
Der Kontext demonstriert, dass der Ausdruck in politischen Zusammenhängen (nur dort?) vorkommt und liefert eine Art implizite Bedeutungserläuterung durch die quasisynonymen Ausdrücke dranzukriegen/über den Löffel zu barbieren. Freilich ist die Erläuterung eines Idioms durch ein anderes (über den Löffel barbieren) bekanntlich ein wenig taugliches Mittel. Wenn die Kontexte relativ kurz sind, lässt sich durchaus erschließen, dass bestimmte Ausdrücke als quasi-synonyme Paraphrasen gemeint sind, z.B. ein kleines Geschäft machen (müssen) Warte, ich muss eben noch auf die Toilette. – Ach, ich seh' schon, wir verpassen den Zug noch. – Ich mach' nur ein kleines Geschäft, ich bin im Nu unten.
Hier ist ziemlich eindeutig, dass »ich muss...auf die Toilette« eine Art Paraphrase von »Ich mach'... ein kleines Geschäft« sein soll. Aber das ist keineswegs immer der Fall. Daher ist es wohl nicht praktikabel, die Bedeutungserläuterung in den »Kontext« zu »verpacken«. Der einzige, explizit semantische Hinweis bei Schemann ist gemäß Einleitung (wenn ich den Passus richtig verstehe), dass zu jedem polysemen Phraseologismus für jede der »zu unterscheidenden Bedeutungen« (XV) ein eigener Kontext gegeben wird. Ein Beispiel dafür: es ist alles in (bester) Butter 1. Haben die Streitereien zwischen euch nun endlich aufgehört? – Ja, es ist schon längst alles in bester Butter. Wenn wir uns einmal streiten, ist es nur für ein paar Minuten. Das darfst du nicht so ernst nehmen. Sofort nachher ist alles wieder in bester Ordnung. 2. Sind die Papiere nun alle zusammen? – Mach dir keine Sorgen, es ist alles in bester Butter. Ab Anfang nächsten Monats bekommst du deine Rente.
Soll man diesen Kontexten entnehmen, dass das Idiom (1) im Zusammenhang mit der Auflösung von Streitigkeiten, (2) in administrativen Zusammenhängen vorkommt? Duden GW gibt, wohl zu Recht, nur eine globale Bedeutung an: ‘es ist alles in Ordnung’. (Störend ist allerdings auch hier, dass ein Idiom durch ein anderes paraphrasiert wird.)
4.8 Pragmatische Informationen Ganz unbestritten ist die seit Kühn (1989 und 1994) verstärkt untersuchte Eigenschaft vieler Phraseologismen, dass sie in pragmatischer Hinsicht bestimmten Gebrauchsrestriktionen unterliegen, die bei Wörtern nicht in gleicher Weise und in gleichem Maße zu beobachten sind. Das gilt nicht nur für die Routineformeln, für die es definitionsgemäß zutreffen muss, sondern auch für viele Idiome und feste Phrasen (dazu Wotjak 2005, Burger 2007b: 197ff.). Es liegen auch schon Vorschläge zur phraseografischen Beschreibung einer ganzen Reihe von Phraseologismen vor, die als Modell für weitere gelten können (z.B.
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Cheon 1998). Dass dabei semantische und pragmatische Aspekte untrennbar verbunden sind, ist nicht phraseologiespezifisch. Kühn (2004: 153f.) zeigt, dass Aktantenspezifizierungen, Einstellungskundgaben und Sprachhandlungsindikatoren in den Lernerwörterbüchern nicht genügend berücksichtigt sind. Das trifft auch für Duden GW und partiell Duden 11 zu. Am Beispiel sich etw. aus dem Kopf schlagen demonstriert Kühn, dass in der Bedeutungserläuterung berücksichtigt werden müsste, dass »der Sprecher diese Zielsetzungen als unpassend, unangebracht, illusorisch, unrealisierbar usw. ansieht« (154). Auch in Duden GW (‘einen Plan o.Ä. aufgeben’) und Duden 11 (‘ein Vorhaben aufgeben’) fehlt ein solcher pragmatischer Hinweis. Immerhin hat Duden 11 ein Beispiel und einen Beleg, die das Defizit ein bisschen kompensieren (das Beispiel: »Mit der Gehaltserhöhung hats nicht geklapt, den neuen Wagen können wir uns aus dem Kopf schlagen«). Duden GW gibt weder Beispiel noch Beleg. Im übrigen stellt Korhonen (2004: 379) fest, dass in der zweiten Auflage von Duden 11 hinsichtlich der pragmatischen Informationen deutliche Fortschritte zu bemerken sind, vor allem was die satzwertigen Phraseologismen anbelangt. »Für viele Phraseologismen lässt sich eine Kombination von semantischer Erläuterung und pragmatischem Kommentar belegen«. Duden GW bietet erstaunlich viele pragmatische Informationen unter der »versteckten« Markierung »R«, die – wie gesagt – vor allem satzwertige Phraseologismen enthält. Z.B. unter »Bein« eine Kombination von Paraphrase und pragmatischer Information: R auf einem Bein kann man nicht stehen (‘ein Glas Alkohol genügt nicht’ [bei der Aufforderung od. dem Wunsch, ein zweites Glas zu trinken].
Duden 11 hat bei dem gleichen Ausdruck eine Paraphrase, die gänzlich pragmatisch formuliert ist (‘Aufforderung oder Wunsch, ein zweites Glas [Alkohol] zu trinken’) in Kombination mit einem gut gewählten Beleg, der die situativen Elemente prototypisch demonstriert.26 Unter »Sache« findet man gleich mehrere Fälle: R die Sache ist die [und der Umstand (ist) der] (Einleitungsformel zu einer erklärenden Äußerung); Sachen gibts [die gibts gar nicht]! (Ausruf der Verwunderung oder Entrüstung); was sind denn das für Sachen? (Ausruf der Entrüstung) [...].
Der Vorteil von Duden 11, der diese Ausdrücke auch verzeichnet und der ähnliche bis identische Paraphrasen gibt, ist jedoch der, dass die Beispiele bzw. Belege mindestens teilweise noch zusätzliche differenzierende Informationen bieten.
5. Fazit Ich versuchte zu zeigen, dass die allgemeinen Wörterbücher mit der Darstellung der Semantik von Phraseologismen einerseits eine schwierigere Aufgabe haben als die phraseologischen Spezialwörterbücher, da sie ständig Entscheidungen darüber zu treffen haben, wo
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Für ähnlich sinnvolle Kombinationen in Duden 11 vgl. Korhonen (2004: 380).
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die Phraseologismen einzuordnen sind und wie sie in Relation zu den Wortbedeutungen darzustellen sind. Hinzu kommt, dass sie sich durch fehlende theoretische Reflexion und unklare Markierung das Leben unnötig schwer machen. Andererseits bietet bzw. böte die Möglichkeit, den Phraseologismen einem Bedeutungspunkt einer Komponente zuzuordnen, bei gewissen Typen von Phraseologismen, z.B. den Teil-Idiomen, einen Vorteil in der semantischen Darstellung. Die Grundprobleme, wie sie vor allem in 1. und 4. dargestellt wurden, sind aber in Bezug auf die Semantik dieselben, und sie sind in beiden Typen von aktuellen Wörterbüchern nur partiell gelöst.
6. Literatur (a) Wörterbücher Ammon, Ulrich et al. (2004): Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. – Berlin: de Gruyter. Duden 11 (2002) = Duden Bd. 11. Duden Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. – Mannheim et al.: Dudenverlag. Duden 12 (1993) = Duden Zitate und Aussprüche: Herkunft und aktueller Gebrauch. – Mannheim et al.: Dudenverlag. Duden GW (31999) = Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bde. – Mannheim et al.: Dudenverlag (zitiert nach der CD-Rom-Ausgabe 2000). Duden UW (52003) = Duden Deutsches Universalwörterbuch. – Mannheim et al.: Dudenverlag. Kempcke, Günter (2000): Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache. U. Mitarbeit von Barbara Seelig, Birgit Wolf, Elke Tellenbach et al. – Berlin, New York: de Gruyter. Götz, Dieter/Haensch, Günther/Wellmann, Hans (2003): Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache. – Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt. Schemann, Hans (1993): Deutsche Idiomatik: die deutschen Redewendungen im Kontext. – Stuttgart: Klett. Wahrig (82006) = Deutsches Wörterbuch. – Gütersloh, München: Wissen Media Verlag.
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Semantische Aspekte der deutschen Phraseografie
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Stefan Ettinger
„Haben die Männer am Grill die Hosen an?“ Phraseografie und Sprachwirklichkeit.
Abstract Idioms often derive their origin from the description of behaviours that were characteristic of a certain era. However, these descriptions are then also used in a different context. Idioms often reflective certain behaviours in society that have subsequently changed to some extent. Such societal changes over time may also modify the original meaning of an idiom. For example, the German idiom of someone »wearing the trousers« derives from a time when only men were wearing trousers. The idiom then meant that a woman was »wearing the trousers« at home instead of her husband. This original meaning is still in use in German. However, because of changes in society this idiom is now also being used outside the marital context and can be used not only for women but also men and groups of individuals, e.g. political parties. In the domain of sports reporting the idiom refers to someone dominating a game or being the best in their discipline. Unfortunately information on this wider meaning of idioms is lacking in general and phraseological German dictionaries. This paper therefore would like to suggest that the German phraseography should gradually be extended by corpus-based analysis of idioms.
1. Problemstellung Mit der Frage »Haben die Männer am Grill die Hosen an?« wendet sich im Lokalteil der Augsburger Allgemeinen im Juni 2004 die aktuelle Umfrage – zugegeben keine literarisch besonders hochstehende Rubrik – an ihre Leser, um eine Antwort darauf zu bekommen, ob am Grillrost beim sommerlichen Braten von Würstchen und Steaks »männliche Urinstinkte« geweckt werden. Selbstverständlich haben die Männer (die) Hosen an, denn wir sind ja in bayerisch Schwaben und nicht im schottischen Hochland oder auf einem FKKCampingplatz. Betrachtet man diese Frage jedoch zusätzlich unter phraseologischen Gesichtspunkten, dann stellt man überrascht fest, dass eine Redewendung,* die üblicherweise mit einem weiblichen Subjekt verwendet und zumeist mit einem vorwurfsvollen Ton geäußert wird, nun auf Männer angewandt wird. Ebenso fehlt der mit dieser Redewendung normalerweise verbundene Kontext der Ehe bzw. der Familie. Ein kurzer Blick in verschiedene Wörterbücher mag die Überraschung des Phraseologen erklären. Dabei bringt Röhrich (2003: 746ff.) die konservativste Umschreibung dieser Redewendung, die mit amüsanten Illustrationen garniert wird. Die Hosen anhaben bedeutet ‘der Herr im Haus sein, das häusliche Regiment führen; gesagt aber meist von einer Frau, die sich das anmaßt, was nach Sitte und Herkommen dem Manne zusteht’. Etymologen haben zudem nachgewiesen, dass
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»Redewendung« wird hier alternierend mit »Phraseologismus« oder »Redensart« verwendet, da es sich um eine bildliche phraseologische Einheit handelt.
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Stefan Ettinger
der beklagenswerte Rückgang männlicher Familienautorität bereits für die Zeit um 1400 nachgewiesen werden kann.1 Auch die gängigen einsprachigen Wörterbücher der deutschen Sprache betonen entweder explizit in der Umschreibung oder implizit in den jeweiligen Beispielsätzen diese beiden Aspekte der umgangssprachlichen Redewendung: (a) familiäre bzw. häusliche Autorität und b) weibliches Subjekt. Klappenbach/Steinitz (1981: 1901):
‘seine Frau hat (zu Hause) die Hosen an’ (ist Herr im Hause)
DUW (1989: 737):
‘als Frau im Hause bestimmend sein, herrschen’
Duden (1992: 351):
‘(statt des Mannes) im Hause bestimmen; Herr im Hause sein’
Duden (2002: 373):
‘als Frau im Hause bestimmend sein’
Müller (1994: 274):
‘als Gattin in der Ehe dominieren, /Herr im Hause sein’
Bei den drei bekannteren DaF-Wörterbüchern ergeben sich nun leichte semantische Veränderungen, wobei wir allmählich die häuslichen hierarchischen Strukturen mit ihrem männlichen Autoritätsverlust verlassen und uns auch nichtehelichen Gemeinschaften gegenüber öffnen. Auf die eingangs als Titel gestellte Frage gibt das Wörterbuch PDaF, dessen Seriosität wegen seiner vielgescholtenen unrühmlichen Genese (Vgl. z.B. Lebende Sprachen 49/4 (2004), S. 190–191) oft angezweifelt wurde, die zutreffendste Umschreibung, wenn wir Gemeinschaft nicht eng als eheliche Gemeinschaft interpretieren, sondern als Gruppe von Personen. LDaF (1993: 493–494):
‘(gespr.) derjenige sein, der (meist zu Hause) bestimmt, was geschieht’
LDaF (2003: 522):
‘(gespr.) derjenige sein, der (meist zu Hause) bestimmt, was geschieht’
dGDaF (2000: 496):
(umgs.) jmd., besonders Ehefrau, die Hosen anhaben = ‘in der Ehe, Familie die bestimmende Rolle spielen’
PDaF (2004: 642):
‘(umgs.) innerhalb einer Gemeinschaft bestimmen, was getan wird’
Welche Umschreibungen sind nun phraseografisch am zutreffendsten? Gibt es vielleicht verschiedene Umschreibungen, die alle gleichermaßen sprachlich richtig sind? Hat sich die
————— 1
Zum besseren Verständnis der Redewendung können die drei Monografien beitragen, die sich mit den historischen und soziologischen Aspekten dieses Kleidungsstückes befassen: Metken (1996), Wolter (1988; 1991) und Wolter (1994).
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Bedeutung der Redewendung im Laufe der Zeit geändert? Für die Phraseografie des Deutschen sind das sicherlich keine unwesentlichen Fragen.2
2. Forschungsüberblick Werfen wir deshalb einen kurzen Blick zurück. Bereits vor über 20 Jahren zu Beginn des Phraseologiebooms haben sich zwei namhafte Phraseologen mit dieser Redewendung näher befasst. Während Kühn (1984: 209) dank seines beeindruckenden Sprachgefühls sehr scharfsinnig und ausführlich diese Redewendung umschreibt, weist Koller (1987: 112) auch auf ihre Verwendung außerhalb der Ehe hin und zitiert als Subjekte der Redensart die Mutter und die Haushälterin.3 Beiden Phraseologen gemeinsam ist aber noch in den 80er Jahren die Vorstellung von (zumeist ungerechtfertigter) weiblicher Dominanz innerhalb der häuslichen bzw. familiären Geschlechterbeziehungen.4 Kühn (1984: 209) gibt zu der Redewendung die Hosen anhaben die folgende Umschreibung: Hosen anhaben phraseologische Einheit, mit der ein Sprecher/Schreiber ausdrückt, dass die Frau statt des Mannes zu Hause bestimmend ist und die Herrschaft ausübt, wobei Sprecher/Schreiber gleichzeitig ihre Einstellungen dazu ausdrücken, ob in der Ehe die Frau und nicht der Mann die Anordnungen trifft:
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3
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Einige Stichproben in anderen Wörterbüchern ergeben ein ähnliches Bild und bestätigen die zitierten Angaben, dass diese Redewendung ausschließlich weibliche Dominanz im Hause ausdrückt. Vgl. hierzu etwa Küpper (1983) und Spalding (1974). Erstaunlicherweise fanden sich bei unseren Untersuchungen keine Belege für andere dominante weibliche Wesen (Haushälterin, Mutter, Schwiegermutter usw.), die neben der Ehefrau im Haushalt bestimmen. In einer umfassenden, mehrjährigen Untersuchung zu geschlechtsspezifischen Restriktionen bei Redewendungen des Deutschen, Niederländischen und Westmünsterländischen hat Piirainen in mehreren Beiträgen auch die Redewendung die Hose anhaben behandelt (Piirainen 1999, 2001 und 2004). Sie fand bei den Phraseologismen des Deutschen rund 130 Redewendungen, die eindeutig geschlechtsspezifisch markiert sind. Da ihr Hauptinteresse aber vor allem der Geschlechtsspezifik gilt und hier dem prototypischen Gebrauch der Phraseologismen, klammert sie bewusst den Genuswechsel bei den Subjekten der Redewendungen aus. Eine solche Verwendungsweise nennt sie »eine okkasionelle sekundäre Metaphorisierung, die außerhalb der usualisierten Bedeutung« liege und bei »ironischer Idiomverwendung stets möglich« sei. Es wäre dennoch äußerst interessant, anhand größerer sprachlicher Korpora zu zeigen, ob z.B. bei der Redewendung Haare auf den Zähnen haben nur vereinzelte ironische Verwendungsweisen vorkommen oder ob sich vielleicht insgesamt der geschlechtsspezifische Gebrauch in bestimmten sprachlichen Teilbereichen geändert hat. Den phraseologischen Arbeiten Piirainens verdanken wir darüber hinaus noch ein weiteres überraschendes Ergebnis, das noch genauer untersucht werden müsste. Aus ihren Fragebögen zur geografischen Verbreitung bestimmter Redewendungen in Europa geht hervor, dass in einigen slawischen Sprachen, wie z.B. im Russischen, Weißrussischen, Ukrainischen, diese Redewendung überhaupt nicht vorkommt, während sie im Tschechischen wenig gebräuchlich ist.
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Stefan Ettinger (1) Lehnt man eine Vormachtstellung der Frau in der Ehe ab, so kann man – je nach Situation – ausdrücken: eine solche Frau ist in meinen Augen herrschsüchtig, autoritär, anmaßend, raffiniert, über alle Maße ehrgeizig, nicht fraulich usw. und damit z.B. versuchen, die Frau bloß zustellen oder zu diskriminieren. Gleichzeitig bemitleidet, bedauert, verspottet, verachtet usw. man – je nach Situation – den Mann, der sich der Vormachtstellung seiner Frau hat beugen müssen, und kann ihn damit beispielsweise bloßstellen, beschämen oder entschuldigen. (2) Akzeptiert man, dass in der Ehe die Frau auch einmal bestimmend sein sollte, so kann man – je nach Situation – ausdrücken: eine solche Frau ist in meinen Augen zielstrebig, couragiert, geschickt, tüchtig, gewitzt usw. und damit versuchen, sie z.B. positiv herauszustellen, zu loben usw.
Koller (1987: 112) zitiert nach dem Deutschen Wörterbuch, Band 4/II (1877, Sp. 1839) eine Stelle aus J. Gotthelf, (Uli der Pächter, S. 296) »dasz er eigentlich sein lebtag nie ein mann gewesen, die mutter die hosen angehabt habe« und bringt zudem noch eine Wörterbuchangabe aus Küppers Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, Bd. 1, 4. (41965) die Hosen anhaben = ‘im Hause herrschen (von der Ehefrau oder Haushälterin beherrscht werden)’. Zitierenswert erscheint uns aber noch die pragmatische Schlussfolgerung, die Koller aus der idiolektalen Begrenztheit solcher Umschreibungen zieht (Koller 1987: 112– 113): Nun könnte man vielleicht einwenden, dass Gebrauchsweisen wie die Mutter, die Haushälterin, die Sekretärin hat zuhause oder am Arbeitsplatz die Hosen an, oder auch Fritz wollte die Hosen in seinem Hause, in seinem Betrieb, in der Jassrunde anhaben ungewöhnlich oder abweichend sind oder von der Frequenz her gesehen vernachlässigt werden können – wie aber soll man das wissen, wenn man nicht den Leuten »aufs Maul schaut« und von Texten ausgeht?
Den Leuten »aufs Maul schauen« bedeutete in den 80er Jahren, noch Unmengen von Literatur auf der Suche nach Redewendungen durchzulesen, Belege herauszuschreiben und mühsam die so gewonnenen Ergebnisse zu ordnen. Heute dagegen stehen uns durch die elektronischen Medien in kürzester Zeit beachtliche Datenmengen zur Verfügung und man muss sich daher doch wundern, dass selbst im Internetzeitalter viele deutsche Wörterbücher die Bedeutung der Redewendung die Hose anhaben nur auf dominierende Ehefrauen einschränken möchten. Wundern muss man sich jedoch auch über das andere Extrem, wenn eine Art phraseologisches Internetwörterbuch (www.redensarten-index.de) bei der Umschreibung dieser Redewendung das weibliche Element ganz aus dem Spiel lässt und die Redensart lediglich mit ‘mächtig sein, etwas zu sagen haben; derjenige sein, der die Entscheidungen trifft’ paraphrasiert. Welch beeindruckend klare und sicher auch für die meisten Phraseologen überraschende Ergebnisse sich erzielen lassen, wenn man dem Volke aufs Maul schaut, dabei sein angeblich so sicheres Sprachgefühl bzw. seine linguistische Intuition hinterfragt und unvoreingenommen eine korpusbasierte Analyse der Semantik von Redewendungen vornimmt, hat Stathi in einem kleinen Beitrag (2006) gezeigt, in dem sie die Redewendung ins Gras beißen ausführlich untersucht hat. Die knappe Umschreibung dieser Redewendung mit ‘sterben’, wie sie sich in allen bekannteren Wörterbüchern des Deutschen findet, entspricht auch unserem Sprachgefühl und wurde durch eine Kleinumfrage im Kollegen-, Bekanntenund Verwandtenkreis bestätigt. Stathi wertet in ihrer Untersuchung dagegen ein ca. 970 Millionen tokens umfassendes Korpus aus, das sich über das ganze 20. Jahrhundert erstrekkt. Sie erhält insgesamt 200 Belege für diese Redewendung, von denen 147 eindeutig die Bedeutung ‘sterben’ haben und als Subjekte Personen und auch Tiere verzeichnen.
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Bei 53 Beispielen jedoch – immerhin mehr als ein Viertel der Belege – hat sich die Bedeutung erweitert und damit verändert, wobei natürlich semantische Bezüge zur ursprünglichen Bedeutung ‘sterben’ herstellbar sind. Man findet nun diese Redewendung ins Gras beißen im Kontext der Wirtschaft, wo sie mit ‘(Unternehmen) schließen, gehen zugrunde’ umschrieben werden kann oder im Kontext des Sports, wo Mannschaften oder Einzelsportler ‘ein Spiel verlieren, ausscheiden, absteigen bzw. scheitern’. Chronologisch lassen sich den Angaben der Autorin nach schon Belege dieser Bedeutungserweiterung in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts finden. Mit Hilfe eines so genannten Netzwerkes fasst Stathi die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammen, in dem nur die bisher attestierten Bedeutungen enthalten sind. Potenzielle Bedeutungserweiterungen seien dann auf dieser Grundlage erklärbar. Wir haben das Schema etwas vereinfacht und in Klammern die entsprechenden Zahlen der Belege hinzugefügt:
ABSTRAKT (3) ‘aufhören zu existieren’
UNTERNEHMEN (16) (Kontext: Wirtschaft) ‘zugrunde gehen’ ‘schließen’
MANNSCHAFT (15) ‘Spiel verlieren’ ‘ausscheiden’ ‘absteigen’
STERBEN (147) [BELEBT]
PERSON (2) ‘scheitern’ ‘seinen Job verlieren’
PERSON-SPORTLER (15) (Kontext: Sport) ‘Spiel verlieren’ ‘ausscheiden’ ‘scheitern’
Abb. 1: Bedeutungserweiterung der Redewendung ins Gras beißen
Zur Erklärung dieser semantischen Veränderungen – in der Phraseologieforschung auch Bedeutungsextension, Bedeutungserweiterung oder sekundäre Metaphorisierung genannt – schreibt Stathi (2006): Die Verbindung der Kernbedeutung ‘sterben’, ‘aufhören zu leben’ zu ‘aufhören zu existieren’ ist einfach. Das gilt auch für die Bedeutung ‘zugrunde gehen’ für UNTERNEHMEN – diese schließen entweder oder sind finanziell ruiniert – was einer Zerstörung gleichkommt und eine Art zu
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Stefan Ettinger »sterben«, eben die typische Art für UNTERNEHMEN ist. Die Verbindung zu ‘sterben’ ist deutlich erkennbar. Die Bedeutung ‘aus einem Turnier ausscheiden’ ist bereits 1928 belegt, und zwar zunächst nur für den Mannschaftssport. Auch das kann mit ‘sterben’ verbunden werden, da das Ausscheiden aus einem Turnier ‘nicht mehr präsent zu sein’ heißt. Diese Verwendung wird dann offenbar auf Einzelsportler ausgeweitet. Ähnlich geschieht es mit der Bedeutung ‘absteigen’: Eine Mannschaft, die absteigt, ist nicht mehr in der ursprünglichen Liga präsent. Um auszuscheiden oder abzusteigen muss man mehrmals verlieren – die Bedeutung des Idioms erfährt hier eine Spezialisierung (Einschränkung) der Bedeutung auf den kausalen Hintergrund des ‘Sterbens’. Aus häufigen Niederlagen entsteht vermutlich eine Verbindung zum Konzept des ‘Scheiterns’, das sich ebenfalls auf andere Kontexte ausweitet. Schließlich ist die Bedeutung ‘den Job oder die Position verlieren dadurch zu erklären, dass die betreffende Person nicht mehr gebraucht wird, unwichtig, nicht existent ist und gleichzeitig in ihrer Aufgabe gescheitert ist. Hier kann man sogar davon ausgehen, dass beide semantische Merkmale zu dieser Bedeutungsextension führen.
Die verdienstvolle Fallstudie von Stathi hat die Möglichkeiten aufgezeigt, wie heutzutage Lexikografen zur genaueren Erfassung der Semantik von Phraseologismen vorgehen sollten. Gewiss sind solche Untersuchungen zeitaufwendig, aber sie allein garantieren, dass phraseologische Wörterbücher die tatsächliche Sprachwirklichkeit widerspiegeln. Allerdings hat die Autorin lediglich 15 Kontextbelege zu den untersuchten Beispielen geliefert und sie hat auch nicht als Anhang ihr gesamtes Textkorpus ins Netz gestellt, obwohl dies gerade bei einer elektronisch publizierten Zeitschrift problemlos technisch möglich sein sollte. Neben der Auswertung von Textkorpora, die häufig von staatlichen Institutionen erstellt wurden und deren Zugang teilweise finanziell und institutionell eingeschränkt ist, bietet selbstverständlich auch das Internet bei kritischer Auswertung eine leicht zugängliche Möglichkeit, um eine Fülle von Textbelegen zu erhalten. Erfreulicherweise findet sich der Einsatz der neuen Medien immer häufiger in phraseologischen Untersuchungen, wie eine kleine Auswahl von Publikationen der letzten Zeit deutlich macht, wie z.B. Bickel (2006), Colson (2003), Rittersbacher (2005) und Umbrova (2005). Einen guten Überblick über die Aufgaben und Möglichkeiten der heutigen Phraseografie gibt der fundierte Beitrag von Hallsteinsdóttir (2006).
3. Korpusbasierte Erarbeitung der Bedeutung An einen früheren Beitrag von uns anknüpfend (Ettinger 2004: 315–329) möchten wir nun hier mit Hilfe kleinerer Zeitungskorpora (Die Zeit 1946–2006) und Der Tagesspiegel (1996–2005), die über die Startseite des DWDS [www.dwds.de] frei zugänglich sind, sowie mit Hilfe von Internetbelegen zeigen,5 wie sich die Semantik der Redewendung die Hosen
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Beim Arbeiten mit einer Suchmaschine, wie z.B. Google, kann man sich problemlos neben den Zahlenangaben zum Infinitiv verschiedene konjugierte Formen ausdrucken lassen. Man kann zahlenmäßig die chronologischen Veränderungen erfassen und man kann zu einem groben ersten Frequenzvergleich auch andere synonyme Redewendungen heranziehen oder auch nur Redewendungen mit dem Stichwort »Hose«. Am 10.1.2007 ergaben sich z. B. für die Grundform die Hosen anhaben insgesamt 918 Belege (am 28.10.2006 waren es 851) und für die konjugierte Form hat
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anhaben im Laufe der Zeit verändert hat und welche Bedeutungen heute in einem anspruchsvollen phraseologischen Wörterbuch anzusetzen wären. Diese Ergebnisse werden ergänzt durch ausführliche Belege, die wir durch die Auswertung des IDS-Korpus [http://www.ids-mannheim.de/cosmas2-web] erhalten haben. Unter der Internetanschrift [http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora/] findet der Leser nähere Angaben zu den Textgebern des Korpus und hat damit die Möglichkeit, die Zeitungen regional einzuordnen. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse sollen zu einer Neudefinition der Redewendung führen, so dass auch die Verwendung der Redewendung im Titel des Beitrags problemlos erklärt werden kann. Die der Presse entnommenen Belege sind etwas üppig ausgefallen (vgl. weiter oben unsere Kritik an den fehlenden Belegen bei Stathi 2006), aber sie sollen es dem Leser ermöglichen, einerseits die Bedeutungsverschiebungen der Redewendung im jeweiligen Kontext nachzuvollziehen, andererseits sollen sie ihm auch zeigen, in welchen Textsorten der untersuchten Korpora sich solche semantischen Veränderungen vor allem ergeben. Wir unterscheiden hierbei insgesamt 11 größere Gruppen:
3.1 Traditioneller Gebrauch (kritisierte Vorherrschaft der Frau innerhalb der Ehe) Von den zahlreichen Beispielen, die der traditionellen Wörterbuchumschreibung entsprechen, haben wir lediglich drei ausgewählt. Die Kontexte lassen unschwer erkennen, dass die Dominanz der Frau in den jeweiligen Ehebeziehungen von Autoren der Berichte eher kritisch beurteilt werden. (1) Berliner Zeitung, 21.04.1999, S. 44. »Señora Zidane stört den Frieden bei Juventus«. Zidanes Wechselabsichten haben nichts mit Nostalgie zu tun. Das ist nicht der Punkt. Er leidet vielmehr unter der Autorität seiner Ehefrau. »Ich kann dagegen nichts tun«, sagte er und, schlimmer geht’s nimmer, »bei Zidanes hat die Frau die Hose an«. (2) Neue Kronen-Zeitung, 02.04.1997, S. 6. Ehemann drei Jahre lang in Keller gesperrt! Die Nachbarn wußten schon lange, wer im Haus von Leroy und Muriel Smith die Hosen anhatte. Denn täglich hörten sie, wie die Frau ihren Mann beschimpfte. Bis das Gezänk vor drei Jahren aufhörte. Aber nicht, weil Friede in die Ehe eingekehrt war, sondern weil Muriel ihren Mann in den Keller verbannte. Und dort lebte er drei Jahre lang!
3.2 Präsidenten- bzw. Herrscherehepaare Nimmt ein Ehepaar eine wichtige politische oder soziale Rolle ein, dann kann der dominierende Einfluss der Frau in der Ehe sich auch außerhalb der engen Ehegrenzen auswirken und dementsprechend politische Folgen haben. So soll Nancy Reagan ihren Mann »durchs Schauspieler- bzw. Präsidentenleben« gesteuert haben und wenn man dem Bericht der FAZ vertrauen darf, soll die japanische Kaiserin die »Termine Seiner Kaiserlichen Majestät« bestimmt haben.
————— die Hosen an verzeichnet Google am 10.1.2007 insgesamt 9530 Belege (am 28.10.2006 waren es 9130 Belege). Vergleichen wir diese Redewendung einfach zahlenmäßig etwa mit der Redewendung unter dem Pantoffel stehen, dann bekommen wir wiederum am 10.1.2007 insgesamt lediglich 272 Belege dagegen bei der Redewendung die Hosen voll haben 3070 Belege.
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Stefan Ettinger (1) Die Tageszeitung, 16.04.1991, S. 8. »Die Petticoat-Präsidentin wird zerpflückt«. Glaubt man Kitty Kelley, die in ihren bisherigen »Killer-Biographien« schon das Fett Liz Taylors und den Frauenhaß Frank Sinatras entblößt hatte, dann war auch das reale Leben der Reagans aus dem Stoff eines B-Movies: Da hat der Zelluloidheld Ronald eine Kollegin mit Gewalt beschlafen; da preßte ihn die aufstiegsgeile Nancy mit ihrem dicken Bauch in die Ehe; da sah der unfreiwillige Gatte auch nach ihrer Zwangsheirat noch jahrelang eine andere; und da trieb es die »Petticoat-Präsidentin« (Kitty Kelley), die in der Reagan-Administration die Hosen anhatte, bis zuletzt noch mit mit »Old Blue Eyes« in der Pennsylvania Avenue 1600. Kurzum, der Mythos vom Traumpaar Reagan ist nun endgültig durch das Bild der berechnenden und selbstsüchtigen Nancy ersetzt worden, die ihren zuerst etwas begriffsstutzigen und später senilen Gatten mit weiblicher List und Astrologie durchs Schauspieler- bzw. Präsidentenleben steuerte – und die ganze naive Nation mit ihm. (2) Frankfurter Allgemeine, 22.10.1993. Die meisten Enthüllungen blieben freilich, legt man etwa königlich britische Maßstäbe an, kindlich bis lächerlich. Die Kaiserin trage beim Tennis ein zu kurzes, »bourgeoises«, Kleid und verlange um zwei Uhr in der Früh gelegentlich Instant-Nudelsuppen; die Kaiserin kanzele Kammerzofen vor der übrigen Dienerschaft ab und bestimme die Termine Seiner Kaiserlichen Majestät; überhaupt habe Michiko im Palast die Hosen an, der Kaiser sei »nichts als ein Kissen für sie«. (3) Salzburger Nachrichten, 22.06.1996. »Der Wahlkampf läuft – und mit ihm Bob Dole« Die Demokraten wiederum bemühen sich, Hillarys »Input« für das Weiße Haus positiv zu nützen. »Re-elect Hillarys Husband« heißt es da augenzwinkernd auf einem Aufkleber, der nur wenige Zweifel läßt, wer im Oval Office auch die Hosen anhat. Aufkleber und AnsteckButtons erfreuen sich überhaupt großer Beliebtheit.
3.3 In der Familie bestimmen Die bestimmende Rolle der Frau, aber auch des Mannes innerhalb einer Familie wird eher neutral, ohne wertenden Unterton in den beiden folgenden Beispielen beschrieben. (1) DIE ZEIT 04.03.2004, Nr. 11. Karrierekinder Beide Eltern berufstätig, beide Eltern erfolgreich – das ist das Idealbild der modernen Familie. Sagen viele Frauen. Sagen manche Männer. Aber was denken die Kinder? [...]. Wer bestimmt bei euch zu Hause? Julian: Du meinst, so wie das vor kurzem in der Zeitung drinstand, bei Julia Roberts oder so, da wurde gefragt: »Wer hat die Hosen an?« Annalena: Genau, das hab ich auch gelesen, in der Gala Julian: Bei Julia Roberts hat jedenfalls der Mann die Hosen an! Annalena: Bei uns: Papa, Papa, Papa. Wenn wir alle zusammen sind, hat Papa die Hosen an. Wenn nur ich und meine Schwester da sind, ich. Otto: Bei uns hat Mama immer die Hosen an. Wenn wir nicht tun, was sie will, dann schimpft sie: »Dann muss ich dem Lehrer sagen, er muss die Hausaufgaben um das Dreifache erhöhen«. Druck funktioniert bei mir schon, aber bei meiner Schwester nicht. Papa lässt uns immer viel mehr machen als Mama. Julian: Ich glaube, bei uns hat auch mehr Mama die Hosen an. Mein Papa redet immer rein, und der will dann auch ganz viel sagen, aber eigentlich machen wir hauptsächlich die
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Sachen, die meine Mama gesagt hat. Mein Papa kommt eh immer erst später. Nur am Wochenende ist er da. Oder wenn meine Mama weg ist, holt er uns immer von der Schule ab.
3.4 Im Haushalt bestimmen Bei den wenigen Belegen dieser Gruppe lässt sich erkennen, dass im Haushalt die bestimmende Rolle der Frau – teilweise im Rahmen einer Gewaltenteilung – akzeptiert wird. (1) Neue Kronen-Zeitung, 29.01.2000, S. 20. »Der Platz der Frau ist hinter dem Herd« – sagen Teenager. Ernüchternde Erkenntnisse der »OÖ-Jugendstudie 2000«: Die Frau gehöre nach wie vor hinter den Herd und dort hat sie auch das Sagen. Knapp ein Drittel der befragten Frauen gaben an, im Haushalt die Hosen anzuhaben, aber nur drei Prozent der Männer. Dagegen ist das Auto fest in maskuliner Hand: 34 Prozent der Männer meinten, dass sie das Steuer fest in der Hand hätten, selbiges behaupteten acht Prozent der Frauen.
3.5 Im Privatbereich bestimmen bei zwei und mehr Personen
Recht heterogen sind die überschaubaren Belege dieser Gruppe, bei der die Redewendung zwar ein »bestimmen« ausdrückt, der Kontext aber nicht eng auf die klassische Ehe, Familie oder Haushalt beschränkt ist. Es kann sich um Paare handeln, die vorübergehend zusammenleben, es wird vage von einem »privaten« Leben gesprochen und österreichische Sternzeicheninterpreten scheinen offensichtlich ein Faible für diese Redewendung zu haben. (1)
Mannheimer Morgen, 23.08.2003. Ressort: Modernes Leben; »Nie sind Mann und Frau so gleichberechtigt«. Wer hat beim Küssen eigentlich die Hosen an? GROSS: Das Küssen ist die einzige Praktik, bei der Mann und Frau wirklich gleichberechtigt sind, wenn sie es wollen. Jeder kann sich hingeben und mal den aktiven und mal den passiven Part übernehmen. Und es ist urmenschlich, oder? GROSS: Ja. Kein Tier küsst, wie wir es tun.
(2) Neue Kronen-Zeitung, 20.02.2000. Widder: 21.3. bis 20.4. Die Liebe auf Dauer hält sich bei einem Widder nur dann, wenn der Partner sich nie ganz erobern lässt; das Interesse muss wach gehalten werden. Durch Mars sind Sie beruflich wie privat jetzt noch despotischer als sonst. Egal, ob Mann und Frau: Sie haben die Hosen an. (3) Salzburger Nachrichten, 27.10.2000. Zwilling: Sie sind neuen Vorhaben gegenüber aufgeschlossen. In Sachen Liebe haben Sie die Hosen an.
3.6 Frauen im öffentlichen Leben Mit den folgenden Beispielen verlassen wir den ursprünglichen Verwendungsbereich der Redewendung (Ehe, Familie und Haushalt) und wir finden nun Belege für Frauen, die in
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der Politik, in der Arbeitswelt oder im kulturellen Leben eine dominierende, bestimmende Rolle einnehmen. Dem Kontext der Beispiele kann man jedoch gelegentlich entnehmen, dass diese Frauen, die Entscheidungen treffen, im Gegensatz zur Männergesellschaft gesehen werden und dass deshalb ihre Entscheidungen nicht immer ganz neutral und nüchtern akzeptiert werden. (1) Der Tagesspiegel 26.11.2001. »Der Hosenkavalier«. Da hat es für den Burgtheaterdirektor geradezu rote Hosen geregnet. Wie soll ein Patriarch wie Peymann auch in einem Theater reüssieren, in dem einst die Prinzipalin Helene Weigel die Hosen anhatte? (2) Berliner Zeitung, 19.06.1998, S. 6. »Debatte über Nordstaat unterbunden«. »Der Wirtschaftssenator war schon immer ein Verfechter der Nordstaat-Idee«, sagt Mirows Sprecher Bernd Meyer, »der Nordstaat wäre der Königsweg, es gibt aber im Moment wenig Realisierungschancen.« Hamburg wird deshalb keinen neuen Vorstoß machen, zumal, so hieß es aus dem Senat, »Heide Simonis gerade gezeigt hat, wer die Hosen anhat und dieser Plan nur über ihre Leiche realisiert werden kann«. (3) Die Presse, 04.05.1999. »Ich habe hier die Hosen an!« Die Kritiker Moscosos, die am 1. September als erstes weibliches Staatsoberhaupt in der Geschichte Panamas das Amt antreten wird, werfen ihr nicht nur das Fehlen jeglicher klarer programmatischer Aussagen vor, sondern auch ihre mangelnde Bildung. Außerdem, so spotten gehässige Leitartikler, verstehe sie nichts von Wirtschaft; sie lasse ihre Kaffee-Plantagen von anderen verwalten. Dazu Moscoso: »Ich habe hier die Hosen an!« (4) Frankfurter Rundschau, 26.03.1997, S. 19. »Wir haben's ja schon immer gewußt.« Wir haben's ja schon immer gewußt und seit je mit einer gewissen herablassenden Milde auf unsere bedauernswerten Schwestern in Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg geschaut. Aber jetzt haben es endlich auch sie begriffen: In Frankfurt haben die Frauen die Hosen an. Ist ja auch klar, schließlich haben wir eine Oberbürgermeisterin, Frontfrauen auch bei der SPD und den Grünen, außerdem haben wir hier eine Theaterchefin, eine Chefredakteurin im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und immer so weiter ...
3.7 Männer im öffentlichen Leben Eine besonders wichtige Bedeutungserweiterung dieser Redewendung soll mit ausführlichem Beispielmaterial belegt werden, einerseits damit der Leser sich hier geradezu einlesen kann und andererseits soll durch die Fülle der Belege gezeigt werden, dass es sich hier nicht um einmalige, kühne oder außergewöhnliche journalistische Neuschöpfungen handelt. Die entscheidende Bedeutungsextension besteht darin, dass beim Subjekt der Redewendung ein Genuswechsel stattfindet und dass nun Männer die Hosen anhaben und dass sie außerhalb des ehelichen, familiären und häuslichen Bereiches, d.h. im öffentlichen Leben, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Kultur usw. wichtige Entscheidungen treffen bzw. innerhalb einer Gruppe bestimmen. Als Subjekt dieser Redewendung erhalten wir folgende Personen in ihrem jeweiligen Betätigungsfeld: vier Geschäftsführer in einer Firma, Trainer bei einem Fußballverein, der Präsident im Weißen Haus, der US-Stadtkommandant in Berlin, ein West-Moderator bei der Fernsehsendung »Fakt«, ein Mann des Sternzeichens Fisch (ersichtlich aus der Opposition zu »privat die Pantoffeln«), der Klub-Manager beim FC-
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Bayern, der skrupellose Coy im Goldgräberstädtchen LaHood, der Geschäftsführer in der Firma Austria Dosen, ein Manager oder ein Trainer beim FC St. Pauli, der Bürgermeister in Bremen, der tapfere Schreiner Thomas in einer Gruppe von Gardemädchen und der agile Steinle im Bundesverkehrsministerium. Nach unserem Sprachgefühl ergeben sich aus den Kontextbelegen keine negativen Konnotationen beim Gebrauch dieser Redewendung. (1) Die Zeit, 6/2002. »Der Herr der Pleiten«. In der Rezession hat er Konjunktur: Jobst Wellensiek, Star der Konkursverwalter. Seit 40 Jahren entscheidet er über Firmenschicksale – retten oder bestatten? Eine Betriebsbesichtigung von Stefan Willeke. [...] Er hasst es, wie Gott aufzutreten. Es ist viertel vor neun, als Wellensiek aus dem Aufzug steigt im Stockwerk der vier Geschäftsführer, die in diesem Moment zu Geschäftsführern mit stark beschränkter Freiheit verkümmern, weil ihnen nichts mehr gestattet ist, was Wellensiek nicht will. Weil sie keinen Bleistift mehr kaufen dürfen auf Kosten der Firma, wenn er es nicht genehmigt. Wenn es in einer Firma so weit kommt, dass Wellensiek gebraucht wird, dann gilt normalerweise: Wer bisher die Hosen anhatte, der hat sie jetzt voll. (2) Der Tagesspiegel, 16.06.1999. »In der Arche ist für alle Platz«. Im folgenden meldet sich der Leiter des Literaturhauses in der Fasanenstraße, Herbert Wiesner, zu Wort. Der Tagesspiegel macht sich Sorgen um die Literatur im Jahre 2000 in Berlin und darum, wer dort die Hosen anhat oder herunterläßt. (3) Die Tageszeitung, 15.07.1992, S. 11. »Mitteldeutscher Rundfunk beerbt Sudel-Ede«. Die »Fakt«-Redaktion im Leipziger Landesfunkhaus setzt sich immerhin zu gleichen Teilen aus Ostlern und Westlern zusammen, als vorbildlich quotiert muß das Moderatorenduo aus dem früheren Bonner ZDF-Korrespondenten Wolfgang Fandrich und der ehemaligen DFFRedakteurin Christine Schönfeld gelten. Wer bei »Fakt« die Hosen anhat, ließ jedoch die Pressevorstellung letzte Woche in Berlin erahnen: Fandrich beantwortete die Journalistenfragen, Schönfeld stand lächelnd im Hintergrund und nickte brav mit dem Kopf. (4) Mannheimer Morgen, 17.04.1998. Fernsehen und Hörfunk. »Pale Rider – Der namenlose Reiter«, Kabel 1: 22 Uhr; USA 1985, Regie: Clint Eastwood. Im Goldgräberstädtchen LaHood hat der skrupellose Coy die Hosen an. Als eines Tages ein Reiter im Priesterrock in die Stadt kommt, verändert sich das Machtgleichgewicht. (5) Neue Kronen-Zeitung, 11.03.1995, S. 5. Bei Austria Dosen hat die Hosen künftig Hans Lange an. Mit 1. 3. 95 wurde der diplomierte Techniker zum Geschäftsführer der Austria Dosen, 100prozentige Tochter des schwedischen Verpackungskonzern PLM [...], befördert. (6) Die Tageszeitung, 30.07.1993, S. 24. »Unter den Top-Zehn«. taz: Wer hat denn eigentlich in der sportlichen Führung die Hosen an? Manager Jürgen Wähling oder Trainer Seppo Eichkorn? Hinzpeter: Wir haben vor der Saison hier großen Ärger gehabt, beiden erklärt, daß sie entlassen sind und sich zu ihren Vorstellungen einer weiteren Zusammenarbeit äußern sollen. Ständig um den Hals fallen, brauchen sie sich nicht. Als sportliche Führung müssen sie aber eine Einheit bilden. Die Kompetenzen sind klar abgesteckt.
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Stefan Ettinger (7) Frankfurter Rundschau, 14.01.1999, S. 1. Thomas ist bei den Damen von den »Weißen Mützen« Hahn im Korb. Die Garde- Olympiade im Bürgerhaus Bornheim. Einen Mann in eine weibliche Domäne eingeschleust. Ein Mann. Nun gut, erst mal ja nichts Ungewöhnliches. Aber hier ? Zwischen all den bunten Faltenröcken, Flitterkleidern und Federhüten ? Das fällt schon auf. Doch wie er so dasteht in der Kluft seines renommierten Vereins, dem 1. Frankfurter Artillerie Corps »Weiße Mützen« – und in Hosen versteht sich – scheint er sich ganz wohl zu fühlen. Hat er in der Gruppe auch die Hosen an? Die Gardemädchen lachen und halten Thomas ihre geballten Fäuste unter die Nase. »Wehe, Du sagst jetzt was Falsches !« Und Thomas antwortet ganz diplomatisch: »Nee, das mit den Mädels klappt schon prima. Wir sind eine richtig gute Truppe.« Seit zwei Jahren ist der 26jährige Schreiner bei den Gardemädchen Hahn im Korb.
3.8 Sportberichterstattung: Das Spielgeschehen bestimmen bzw. der bessere Spieler, Fahrer, Läufer usw. sein. Bei der Berichterstattung sportlicher Wettkämpfe stellen wir eine weitere gravierende Bedeutungserweiterung fest. Man kann vermuten, dass sich über eine Zwischenform, wie z.B. das Spielgeschehen bestimmen bzw. in einer Sportdisziplin die dominierende Rolle spielen, die neue, zusätzliche Bedeutung entwickelt hat, nämlich innerhalb eines Wettkampfes der oder die Bessere zu sein. Die Subjekte bei diesen Beispielen können Frauen, Männer oder auch Mannschaften sein und da die Dominanz durch objektiv überprüfbare Leistungen erreicht wird, schwingen beim Gebrauch der Redewendung mit ihrer besonderen Bedeutungserweiterung auch keinerlei negativen Konnotationen mit. Über die kontextbedingten Detailangaben der Beispiele mit all ihren Toren, Zeit- und Längenangaben sollte der Leser rasch und souverän hinweglesen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Redewendung nicht mehr die »Duellsituation« ehelicher Auseinandersetzungen oder »Wettkämpfe« mit all ihren negativen Einschätzungen beschreibt, sondern auf vielfältige sportliche Leistungsvergleiche ausgedehnt und dabei völlig neutral verwendet wird. Wir finden diese Bedeutungsextension bei folgenden Sportarten (Das Fragezeichen drückt eine nicht ganz eindeutige Zuordnung aus): Radfahren, Handball oder Eishockey(?), Abfahrtsski, Fußball, Tennis, Damen-Fußball, Reiten, Autorennfahren, Basketball(?), Leichtathletik, Golf oder Tennis(?), Silvesterlauf und Kegeln, wobei einige Sportarten aus dem minimalen Kontext heraus nicht immer eindeutig ermittelt werden konnten. Wieweit hier diatopische Varianten von Bedeutung sind, konnte nicht genauer eruiert werden. Es überwiegen zwar österreichische Zeitungen, aber daneben gibt es auch Belege aus der Berliner Morgenpost, dem St. Galler Tagblatt und dem Mannheimer Morgen. Unser Sprachgefühl lässt uns im Stich, wenn wir versuchen, diese Redewendung bei anderen Sportarten (Tischtennis, Badminton, Tanzen, Schach usw.) einzufügen und wir könnten auch nicht erklären, warum sich hier keine Belege fanden. Personenkollektiva, wie z.B. Parteien, der EU-Rat oder Firmen, werden später zu einer eigenen Gruppe zusammengefasst, da bei ihnen die Redewendung ein negativ konnotiertes ‘bestimmen’, ‘herrschen’ bzw. ‘dominieren’ ausdrückt. (1) Die Presse, 29.05.1992. »Favorit führt. Indurain eine Klasse für sich«. Und alles spricht dafür, daß der Toursieger '91 seinen Traum auch realisieren kann. Indurain gab im 38-km-Zeitfahren von Arezzo nach San Sepolcro das Tempo an, er deklassierte alle Gegner, auch Chiapucci (1:09 zurück), noch mehr aber Vorjahrssieger Franco Chioccioli, Laurent Fignon (F) und Andrew Hampsten (USA), dem irischen Weltcupsieger Sean Kelly
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nahm er fast zehn Minuten ab. Eine Vorentscheidung, die Indurain moralisch noch weiter gestärkt hat, ehe es in den kommenden Etappen in die Berge des Apennin rund um den Gran Sasso d'Italia geht. Der Spanier sitzt, so scheint es, bereits fest im Sattel. Er trägt das rosa Trikot und hat die Hosen an. Zum Leidwesen von Chiapucci und Co. (2) Die Presse, 12.12.1992. »Wo Alter die Hauptrolle spielt«. Hatte früher einmal Fortuna mit der Sonne so manchem Außenseiter in Gröden gelächelt, so genügte schon eine kurze Verschiebung der Startzeit, um die jungen Abfahrtsstürmer mit zwei Ausnahmen (Lehmann, Trinkl) in den Schatten zu tauchen. Die Routiniers haben die Hosen an, sie stehen auf so festen Beinen, daß sie vom Nachwuchs jahraus, jahrein nicht und nicht ins Wanken zu bringen sind. Es gibt wenig Sportarten, in denen Junge solange Statisten spielen und soviel Geduld brauchen, um in die Erfolgsspur zu gleiten, wie in der Abfahrt der Herren, wohlgemerkt. Nirgendwo ist es so schwierig, die Kurve zur richtigen Linie zu pakken. Während anderswo Sieger(innen) immer jünger werden, bedarf es bei den Abfahrern nebst großes Mutes vor allem jahrelanger Erfahrung und bester Streckenkenntnisse, um Talent samt Unerschrockenheit in Spitzenresultate umzusetzen. Es genügt nicht, den wilden Hund zu spielen, es verlangt den ganzen (Leh-) Mann, um aller Herausforderungen Herr werden zu können. (3) Berliner Morgenpost, 27.07.1999, S. 32. »Die Fuchsjagd ist beendet – jetzt jagen die Füchse!« Lange sind sie gehetzt worden, aber irgendwann mal beißt auch ein Fuchs zurück. Nachdem man gegen die beiden Verbandsligisten Lichtenberg und Hermsdorf Prügel einstecken mußte, zeigten die Oberliga-Füchse bei der Bezirksmeisterschaft am vergangenen Wochenende, wer hier die Hosen anhat. Mit einem 2:0 gegen den VfB Hermsdorf im Finale wurden sie neuer Bezirksmeister 1999 und gewannen den Mercedes-Benz-Cup. (4) St. Galler Tagblatt, 21.06.1997. »Grosse Abendunterhaltung auf ‘Kellen’«. Abgeschlossen werden dann die ganzen Festivitäten mit dem Fussballspiel zwischen den ersten Mannschaften des FC Rorschach und des FC Goldach. Man wird Zeuge davon, wer wenigstens fussballerisch in der Region »die Hosen an hat«. (5) Tiroler Tageszeitung, 08.03.1997. »Wieder ein Heimspiel für Williams?« Wieder Williams? Oder gar Ferrari? Vielleicht Benetton? Etwa McLaren? Jetzt wird das Rätsel gelöst! In Melbourne wird geklärt, wer 1997 in der Formel 1 die Hosen an hat. (6) Neue Kronen-Zeitung, 16.06.1997, S. 39. »Super-Mo flog zum Rekord und auch Chrissie hielt Fans in Atem«. In der Salzburger Leichtathletik haben derzeit die Girls die Hosen an: Beim Bundesländercup in Rif hechtete die 17jährige Monika Erlach mit dem Stab zu neuem ÖsterreichRekord, Christina Öppinger gewann den Dreisprung, Mittelstrecklerin Karin Walkner lief gleich zwei Siege ein. (7) Mannheimer Morgen, 16.01.2001. »Keglerinnen auf Erfolgswelle«. Beim Kegel-Sport-Verein Viernheim haben auf sportlichem Sektor weiterhin die Damen die Hosen an.
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3.9 Personenkollektiva: Parteien, EU-Rat, Wählergruppen, Firmen usw. In den folgenden Beispielen handelt es sich um Personengruppen, wie z.B. um Parteien, dem Rat der Europäischen Union sowie um eine italienische Firmengruppe, die aufgrund ihrer dominierenden Stellungen Entscheidungen treffen. Im Vergleich zu den Sportmannschaften (vgl. Kapitel 3.8) handelt es sich hier aber nicht um die sportlich objektiv bessere Gruppe, sondern das zahlenmäßige, institutionelle oder auch finanzielle Übergewicht ermöglicht eine solche Dominanz. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass beim Gebrauch der Redewendungen kontextbedingt auch negative Konnotationen mitschwingen können. (1) Die Tageszeitung, 16.11.2001, S. 24. »Genosse Peter und Genosse Heinz«. Aber die PDS sei eben nicht die Mitte. Die Genossinnen und Genossen hätten es ja sicherlich gehört, dass die Bundesregierung ein Bündnis mit der PDS nicht gerne sehe. Und deshalb sei Rot-Rot schlecht für Berlin. Die Hosenfrage Genosse Peter jedenfalls ist sich »sicher, dass wir das in einem finanziellen Maße erheblich gespürt hätten.« Außerdem: »Bei einer Ampel sind die Verhältnisse 30 zu 9 zu 9. Da ist doch klar, wer die Hosen anhat«, sagt Genosse Peter. Heinz sagt: »Und wer die Hosen runterlässt!« (2) Die Presse, 07.05.1999. »Der Rat hat in der Union die Hosen an«. Die Debatte spitzt sich auf den Rat zu, in dem die Mitgliedsländer der EU vertreten sind und der in der Union die Hosen anhat. Denn ohne ihn läuft überhaupt nichts. Egal, ob eine Entscheidung einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit fällt, der Rat darf immer mitreden, das EU-Parlament hingegen nur dort, wo es das Gesetz zur Co-Dezision zuläßt. Daher gilt der mächtige Rat auch Kämpfern für mehr Transparenz als liebstes Buh-Objekt. Und in einigen Fällen ist der Rat tatsächlich so schlecht wie sein Ruf. So ist etwa die Lobbytätigkeit wesentlich schwieriger zu kontrollieren als im EU-Parlament (3) Frankfurter Rundschau, 21.02.1997, S. 14. »Sonderausschüttung füllt Eignern die Tasche«. Der Herrenschneider Hugo Boss stattet seine Eigentümer deutlich besser aus. Pro 50-MarkPapier, das an der Börse an die 2000 Mark kostet, sollen die Aktionäre für das alte Jahr eine Dividende von 102 Mark je Stamm- und 103,50 Mark je Vorzugsaktie in die Taschen stecken. In erster Linie dürfte sich darüber die italienische Marzotto-Gruppe freuen, die in Metzingen die Hosen anhat. (4)
Mannheimer Morgen, 13.03.2003. Frauen und Katholiken geben den Ton an. Als Wählergruppe haben die Frauen im Ried die Hosen an: In Bürstadt stellen sie 51,8 Prozent der Wahlberechtigen, in Groß-Rohrheim 51,1 Prozent und in Biblis 50,4 Prozent. Unter den Konfessionen geben die Katholiken den Ton an. In Bürstadt sind sie mit 62,9 Prozent deutlich in der Übermacht.
(5) Salzburger Nachrichten, 20.04.1999. Schnell: »SPÖ zog ÖVP über Tisch«(!). FP- Obmannn Karl Schnell sagte, daß die SP die VP bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen habe. Die SP habe in der Regierung eindeutig die Hosen an. Für die VP-Quereinsteigerin Haidinger gebe es nur ein Miniressort. Diesen Posten hätte man sich sparen können.
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3.10 Tiere Bei den beiden Belegen dieser Redewendung, in denen Tiere als Subjekte vorkommen, werden mit Hilfe der Redewendung die Hosen anhaben Parallelen zu menschlichen Verhaltensweisen gezogen. Die Belege dürften aber wohl kaum repräsentativ sein für weitergehende Interpretationen. (1)
Frankfurter Rundschau, 06.03.1999, S. 6. »Im Tierreich steuern nicht die Männchen, sondern die Weibchen die Fortpflanzung«. Neigung zum Seitensprung. Der Sieger schnappt sich ein paar Weibchen, die nicht einmal halb so groß sind wie er. Eine nach der anderen klemmt er mit der Vorderflosse unter seinen Wanst und wälzt sich über sie, bis sie fast ersticken. Keine Zeit für Zärtlichkeit. Bei so viel aufgeblasenem Mackertum ist wohl klar, wer im Tierreich die Hosen anhat. Die Kerle sind aktiv und aggressiv. Sie strotzen vor Kraft und nehmen sich die Miezen, wie es ihnen gerade gefällt. Die Weibchen, schwach und passiv, warten brav, bis sie erwählt werden. So stellten sich Biologen jahrzehntelang die Natur vor – bis in den 70er Jahren einige von ihnen genauer hinsahen. Was sie beobachteten und was seither in vielen Forschungsarbeiten bewiesen wurde, stellte das gängige Klischee auf den Kopf: In der Wildnis herrscht Damenwahl.
3.11 Sachobjekte Bei unserer Korpusauswertung fand sich lediglich bei einem isolierten Beispiel als Subjekt der Redewendung eine Sache, nämlich die technischen Textilien, die in dem Artikel Hightex genannt werden. Es dürfte sich bei diesem Hapaxlegomenon eher um ein wortspielerische Neubildung handeln, bei der Bezüge zwischen dem Kleidungsstück »Hose« und den neuartigen Textilien hergestellt werden. (1)
Frankfurter Rundschau, 13.05.1997, S. 14. »Technische Stoffe fädeln Wachstum ein. Messe in Frankfurt. Hightex hat die Hosen an.« Technische Textilien sind auf dem Vormarsch. Neue Fasern und die Weiterentwicklung der Fertigungstechnik erschließen den Herstellern mehr Einsatzgebiete und ersetzen Materialien wie Kunststoff, Metall, Stein oder Keramik. Josef Albert Beckmann, Vizepräsident des Verbandes Gesamttextil, schätzt, daß diese Sparte gegenüber Bekleidungs- und Heimtextilien weiter an Boden gewinnt. Während in Japan und den USA schon mehr als ein Drittel der Branchenproduktion auf Hightex entfalle, sei es hierzulande erst ein Viertel.
4. Vorschlag für eine aktualisiertere Umschreibung der Redewendung Versuchen wir nun nach der Präsentation der Beispiele, die Redewendung die Hose anhaben in ihrem heutigen Gebrauch genauer zu umschreiben, so müssen wir vorab einige Einschränkungen vornehmen. Obwohl die Redewendung z.B. vom LDaF der gesprochenen Sprache zugeordnet wird, erstreckt sich unsere Untersuchung – technisch bedingt – lediglich auf Belege der geschriebenen Sprache, genauer gesagt auf Zeitungstexte jüngeren Datums. Unter diatopischen Gesichtspunkten sind alle drei großen Sprachgebiete des
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Deutschen vertreten (D, A, Ch) und auch vom sprachlichen Niveau her dürfte die Auswahl einer gewissen diastratischen Repräsentativität nicht entbehren. Interessant wäre es natürlich auch, literarische Belege für diese Redewendung zu finden, selbst wenn es sich überwiegend um Beispiele aus der Trivialliteratur handeln würde. Literarische Belege aus früheren Epochen könnten zudem dazu beitragen, die Diachronie der Bedeutungserweiterung genauer zu bestimmen, die wir hier auf Grund der Quellenlage leider nicht genauer behandeln konnten. Im Gegensatz zur Untersuchung von Stathi (2006) haben wir auch nicht mit einem abgeschlossenen Korpus gearbeitet, so dass wir weder Zahlen noch Prozentangaben zur Distribution der verschiedenen Bedeutungen dieser Redewendung geben können. Die Fülle der vielleicht als ermüdend empfundenen Belege bei den verschiedenen Bedeutungsextensionen sollte aber deutlich gemacht haben, dass es sich nicht um ungewohnte oder unübliche Einzelfälle handelt. Was die allgemeine Frequenz dieser Redewendung im Vergleich mit anderen deutschen Redewendungen betrifft, lässt sich lediglich feststellen, dass sie nicht zum so genannten phraseologischen Optimum des Deutschen gehört (vgl. Hallsteinsdóttir et al. 2006). Obwohl die Redewendung auch gelegentlich sprachspielerisch verwendet wird (siehe hierzu das Beispiel 1 in 3.7 oder das Beispiel 1 in 3.9 (vgl. dazu Kramer 2006) oder das Beispiel 1 unter 3.11), ändert sich nichts an den beschriebenen Bedeutungserweiterungen. Unter Berücksichtigung all dieser Einschränkungen, könnte man nun die umgangssprachliche Redewendung die Hosen anhaben wie folgt umschreiben: 1.
2.
3.
4. 5.
In ihrer ursprünglichen Bedeutung drückt diese Redewendung aus, dass die Frau in der Ehe anstelle des Mannes bestimmt, was geschehen soll. Solange in der Gesellschaft die Vorstellung von der gerechtfertigten Dominanz des Mannes innerhalb der Ehe herrschte, war die Sprechereinstellung beim Gebrauch der Redewendung immer mit negativen Konnotationen, wie z.B. Spott, Vorwurf oder Verachtung verbunden. Heute wird die Redewendung noch mit dieser ursprünglichen Bedeutung verwendet, aber bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel, d.h. durch die emanzipationsbedingte Gleichberechtigung der Frau, können die negativen Konnotationen zuweilen etwas zurücktreten. Bei Herrscherehepaaren kann die Dominanz der Frau sich auch auf Einflussmöglichkeiten außerhalb der privaten Ehesphäre erstrecken und die Sprechereinstellung ist zumeist negativ. Infolge einer Bedeutungserweiterung drückt man mit dieser Redewendung dann zusätzlich aus, dass innerhalb einer Familie oder familienähnlichen Gemeinschaft jemand bestimmt, was geschehen soll, wobei es sich um männliche (Vater) oder weibliche Personen (Mutter) handeln kann. Beim Subjekt der Redewendung findet also ein Genuswechsel statt. Da es sich nicht mehr um innereheliche Dominanz handelt und auch nicht das »Anmaßende« der Frau betont wird, ist die Sprechereinstellung eher neutral. In einer nächsten Bedeutungserweiterung wird das Bestimmen der Frau auf den Haushalt ausgedehnt und dieses Bestimmen auch konnotationsfrei akzeptiert. Eine weitere Bedeutungsnuance lässt erkennen, dass jemand (Mann oder Frau) in einer kleinen, dem Privatleben zuzuordnenden Gruppe die wichtigeren Entscheidungen trifft.
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Aus den bisherigen Umschreibungen ergeben sich die wichtigen Grundbedeutungen der Redewendung, nämlich in einer kleinen Gruppe (Ehe, Paar, Familie) bestimmen, was getan werden soll und zwar im Hinblick auf zumeist private Angelegenheiten (Kindererziehung, Haushalt, Reisepläne usw.). Die mit dem Gebrauch der Redewendung noch sehr häufig vorkommenden negativen Konnotationen lassen sich aus der Entstehung der Redewendung und der damit verbundenen früheren gesellschaftlichen Rollenverteilung erklären. 1.
2.
3.
4.
5.
Es ist naheliegend anzunehmen, dass sich eine im heutigen Sprachgebrauch übliche Bedeutungserweiterung, nämlich Frauen, die im öffentlichen Leben bestimmen aus der schon in nuce vorhandenen Grundbedeutung einer weiblichen Dominanz entwickelt hat, wobei negative Konnotationen latent vorhanden sind und je nach Kontext stärker oder schwächer mitschwingen können. Eine starke Bedeutungsextension erfährt diese Redewendung nun in aktuellen Zeitungstexten. Als Subjekte der Redewendung kommen männliche Lebewesen vor und das Bestimmen, Entscheiden oder Dominieren findet nicht mehr im privaten Bereich statt, sondern im öffentlichen Leben. Im Grunde genommen entbehrt diese Bedeutungsextension vom Bild her gesehen nicht einer gewissen Komik. Das geschlechtsspezifische männliche Kleidungsstück wird nicht mehr für dominierende Frauen verwendet, sondern für Männer, die ja immer schon Hosen anhatten. Man kann sich gut vorstellen, dass die ersten Belege für diesen Gebrauch im »Hohlspiegel« des Spiegels zitiert wurden. Als wichtige neue Grundbedeutung schält sich ein Bestimmen innerhalb einer Gruppe heraus, wobei aus den Kontexten erkennbar ist, dass dieses Bestimmen nicht immer Ausfluss demokratischer Entscheidungsprozesse ist und Machtkämpfe nicht ausschließt. In dem fachsprachlichen Bereich der Sportberichterstattung hat die Redewendung die Hosen anhaben vermutlich über eine Zwischenstufe »das Spielgeschehen bestimmen« eine weitere Bedeutungsnuance angenommen. Wer die Hosen anhat ist in einem Spiel oder in einer Sportart die oder der Bessere. Die objektiv nachprüfbaren Leistungen schließen negative Konnotationen aus. Mit der Bedeutungsnuance etwas bestimmen auf Grund zahlenmäßiger, institutioneller oder finanzieller Überlegenheit kommt diese Redewendung mit Personenkollektiva (Parteien, Wählergruppen, EU-Rat, Firmengruppe usw.) als Subjekte vor. Die Beispiele sind nicht allzu zahlreich und es können hierbei durchaus noch negative Konnotationen mitschwingen. Die Belege mit Tieren bzw. Sachen als Subjekte der Redewendung die Hosen anhaben sind äußerst selten und können vernachlässigt werden.
5. Ausblick Die intensive Beschäftigung mit einer einzigen Redewendung dürfte deutlich gemacht haben, dass sich die ursprüngliche, prototypische Bedeutung, wie sie in den traditionellen Wörterbuchumschreibungen vorkommt, sehr stark und sehr rasch innerhalb einer Sprachgemeinschaft ändern kann. Für weitere Untersuchungen zur Erarbeitung der aktuellen Be-
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deutung einer Redewendung wäre die Beantwortung folgender Fragen recht aufschlussreich: 1.
2.
3.
4. 5.
Welche Redewendungen sind für eine Bedeutungsextension bzw. für eine sekundäre Motivation geradezu prädestiniert und welche Redewendungen sind gegenüber Bedeutungserweiterungen eher resistent? (Vgl. Ettinger 2004: 327–328). In welchen Textsorten (Sprache der Werbung, der Sportberichterstattung oder des Wirtschaftsteils der Zeitungen) lassen sich diese semantischen Veränderungen zuerst oder vor allem auch besonders gehäuft feststellen? Wie sollten sich Sprachpuristen gegenüber solchen Entwicklungen verhalten? Wie lange gelten Bedeutungserweiterungen als sprachlich falsch oder als journalistische Ausrutscher und ab welcher Vorkommensfrequenz werden sie auch von den in der Regel eher normativen Wörterbüchern akzeptiert? Gibt es Möglichkeiten, Bedeutungserweiterungen chronologisch genauer zu datieren? (Vgl. Seifert 1998). Bestehen schließlich Parallelen bei der sprachlichen Entwicklung zwischen den einzelnen Sprachen, wenn formale und inhaltliche Entsprechung vorkommt, wie z.B. bei der Redewendung die Hosen anhaben verglichen mit dem englischen to wear the trousers oder auch dem Französischen porter la culotte?
Für künftige Untersuchungen noch ein weites Feld.6
Danksagung Bei der Ausarbeitung unseres kleinen Beitrages haben mir Verwandte, Freunde und Kollegen geholfen, denen ich an dieser Stelle besonders danken möchte. Frau Dr. Annelen Brunner vom IDS (Mannheim) hat mir geholfen, Suchanfragen an COSMAS zu stellen. Die von ihr zusammengestellten umfangreichen Belege bildeten die Grundlage für den Beitrag. Bibliografische Ergänzungen und Präzisierungen verdanke ich Herrn Dr. Reinhard Buchbinder (Berlin). Bei der Manuskripterstellung hat mir Dr. Holger Ettinger (München) geholfen und bei der Korrektur Frau Elsa Ettinger (Diedorf). Frau Dr. Elisabeth Piirainen (Steinfurt) hat mir Sonderdrucke ihrer nicht immer leicht zugänglichen Aufsätze zur Geschlechtsspezifik zukommen lassen. Ihr verdanke ich auch den Überblick über die geografische Verteilung der Redewendung die Hose anhaben in den europäischen Sprachen. Frau Dr. Hana Bergerová (Ústí nad Labem) hat mir hierzu bestätigt, dass die Redewendung nosit kalhoty im Tschechischen tatsächlich wenig gebräuchlich ist (vgl. Fußnote 4).
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Inzwischen liegen bereits einige Arbeiten vor und auch hier haben einmal mehr die Frauen die Hosen an. Siehe hierzu die soliden korpusbasierten Beiträge von Hümmer/Stathi (2006) und Gehweiler (2006).
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6. Literatur (a) Wörterbücher Duden (1992) = Duden Bd. 11. Duden. Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Bearbeitet von Günther Drosdowski und Werner Scholze-Stubenrecht. Mannheim et al.: Dudenverlag. Duden (2002) = Duden Bd. 11. Duden. Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Mannheim et al.: Dudenverlag. DUW (1989) = Deutsches Universalwörterbuch. 2., völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. Mannheim et al.: Dudenverlag. dGDaF (2000) = Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Bearbeitet von Günter Kempcke. U. Mitarbeit von Barbara Seelig, Birgit Wolf, Elke Tellenbach et al. – Berlin, New York: de Gruyter. Klappenbach, Ruth/Steinitz, Wolfgang (1981): Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Bd. 3. Berlin: Akademie Verlag. Küpper, Heinz (1965): Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Bd. 1. Hamburg: Claassen. – (1983): Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache. Bd. 4. Stuttgart: Klett LDaF (1993) = Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Das neue einsprachige Wörterbuch für Deutschlernende. Berlin, München, Leipzig, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt. LDaF (2003) = Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Das einsprachige Wörterbuch für alle, die Deutsch lernen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt. Malygin, Viktor T. (1996): Österreichische Redewendungen und Redensarten. Wien: ÖBV Pädagogischer Verlag. Müller, Klaus (1994): Lexikon der Redensarten. Gütersloh: Bertelsmann Lexikon Verlag. PDaF (2004) = Pons Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Barcelona, Budapest, Ljubljana, London, Posen, Sofia, Stuttgart: Klett. Röhrich, Lutz (2003): Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg, Basel, Wien: Herder. Spalding, Keith (1974): An Historical Dictionary of German Figurative Usage. Vol. 3. Oxford: Blackwell.
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Vida Jesenšek
Phraseologische Wörterbücher auf dem Weg zu Phraseologiedatenbanken
Abstract
The article explores possible meaningful uses of modern information technologies in planning and producing mono- and multilingual phraseological dictionaries and phraseological data bases. Theoretical discussion is complemented by a detailed description of the structure of the electronic phraseological didactic material EPHRAS (2006). The author emphasises functional aspects of comparable data bases and points to possible further development. This includes primarily the creation of phraseological websites that would allow for interactive participation and exchange of phraseological knowledge as well as increased opportunities for spreading the knowledge of and about the lesser taught and spoken European languages such as Slovene.
1. Vorüberlegungen Mit der Entwicklung elektronischer und multimedialer Instrumentarien und den vielfältigen Zugängen zu elektronischen Sprachressourcen stehen dem Lexikografen gegenwärtig zahlreiche neue Hilfsmittel für seine lexikografische Tätigkeit zur Verfügung. Die Notwendigkeit eines Computer-Einsatzes in der Konzipierung, Entwicklung und Erstellung von Wörterbüchern ist se it einiger Zeit zwar unbestritten, dennoch scheint es, dass sich die angestrebte Digitalisierung im Bereich Phraseografie in der Praxis nur sehr langsam vollzieht. Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität, zwischen dem, was als Desiderat in der phraseologischen und metalexikografischen Forschung gesehen wird und dem, was tatsächlich in der phraseografischen Praxis geleistet wird. Eine ausführliche Diskussion zu Problemen der lexikografischen Erfassung und Beschreibung der Phraseme findet sich neuerdings bei Kühn (2003). Aus der Kritik an der Behandlung der Phraseme in allgemeinen einsprachigen Wörterbüchern des Deutschen macht er Neuvorschläge für eine angemessenere Kodifizierung der Phraseologie in einsprachigen Lernerwörterbüchern. Erneut betont er seit einiger Zeit bekannte Schwachstellen der Phraseografie: fehlende programmatische Angaben zum phraseologischen Objektbereich (Phrasem-Definition, Phrasem-Typologie, Phrasem-Auswahl), unpräzise Festlegung der korrekten und vollständigen phraseologischen Nennform, mangelhafte Berücksichtigung und Dokumentierung morphosyntaktischer Restriktionen, unklare, zu wenig strukturierte und unkonsequente typografische Gestaltung der Wörterbuchartikel, vielfältige Probleme, gebunden an die lexikografische Behandlung der Phraseosemantik und Phraseopragmatik. Darüber hinaus ist eine computergestützte Phraseografie weit mehr als nur die Erstellung digitaler Versionen traditioneller phraseologischer Printwörterbücher. Vgl. hierzu Dobrovol’skij (1989: 527):
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Die primäre Aufgabe der computergestützten Phraseographie besteht u. E. nicht in der Übertragung der bereits kodifizierten Informationen in maschinenlesbare Formen, sondern in der Schaffung prinzipiell neuer Arten von Nachschlagewerken, die ohne Computereinsatz überhaupt nicht denkbar sind.
Diese »prinzipiell neuen Arten von Nachschlagewerken« haben mit der Anforderung zu tun, dass ein jedes Phrasem »in semantischer, syntaktischer und pragmatischer Sicht vollständig und explizit« beschrieben werden sollte, dies sei »Voraussetzung für seinen kontext- und situationsgerechten Gebrauch in der Rede« (Dobrovol'skij 2002: 363). Solche Erwartungen an die phraseografische Praxis ergeben sich vorrangig aus dem Bereich des Sprachenlernens, besondes des Erlernens von Fremdsprachen, und zwar im Zusammenhang mit der Befürwortung einer intensiveren Einbeziehung der Phraseologie in den Fremdsprachenunterricht (vgl. Ďurčo 1992; Hessky 1992; Földes 1996; Petermann 2001; Jesenšek 2005). Für eine intensivere Förderung der phraseologischen Kompetenz bei Fremdsprachenlernenden sind phraseologische Wörterbücher, Lernmaterialien und/oder Datenbanken mit ausführlichen Phrasembeschreibungen und mit vielfältigen Informationen zur Grammatik, Semantik und Pragmatik einzelner Phraseme nämlich unentbehrlich. Als noch komplexer erweist sich die Konzeption zwei- oder mehrsprachiger phraseografischer Nachschlagewerke für Fremdsprachenlernende. Von zentraler Bedeutung ist dabei eine kohärente und effiziente Darlegung der innen- und zwischensprachlichen phraseologischen Äquivalenzbeziehungen, was hohe Anforderungen an die lexikografische Kodifizierung der Phraseologie stellt. Der Wunsch von Dobrovol'skij nach »prinzipiell neuen Arten von Nachschlagewerken« geht m. E. jedoch mehr in Richtung Datenbank-Erstellung. Die hohen phraseografischen Anforderungen können m.W. erst durch einen sinnvollen Einsatz der zur Verfügung stehenden IK-Technologien und elektronischen Sprachressourcen erfüllt werden. Damit entsteht eine methodologisch gesicherte Grundlage für die Erhebung empirisch geprüfter phraseologischer Daten, die auch ökonomische Vorteile hat, weil die aufwendigen lexikografischen Arbeitsprozesse dadurch bedeutend optimiert werden können. Es sind bisher jedoch nur wenige Versuche bekannt, die theoretischen Aufforderungen an die moderne Phraseografie applikativ anzuwenden. Einen Versuch der Entwicklung einer neuen phraseografischen Praxis stellt das Projekt »Computersgestützte Phraseografie des Russischen« dar. Vgl. hierzu den Vorschlag eines »aktiven« lexikografischen Rasters für die Konzipierung und Erstellung aktiver phraseologischer Wörterbücher bei Dobrovol'skij (1992: 168ff.). An der Universität Erlangen wurde vor einiger Zeit Phraseo-Lex, eine Lexikondatenbank für Redewendungen konzipiert, in der spezifische Eigenschaften der Phraseme adäquat repräsentiert werden könnten.1 Das Konzept verfolgte mehrere Ziele: Es sollte ein Werkzeug geschaffen werden für eine sysematische Erfassung der Phraseologie, mit Möglichkeit der statistischen Auswertungen und der Analyse des Datenbakmaterials. Die Datenbank sollte als Zusatzlexikon für Einwortlexika dienen und zur Grundlage für die weitere Wörterbuchschreibung werden. Inwieweit dieses Forschungsvorhaben noch immer verfolgt wird, ist mir allerdings nicht bekannt. Ein weiteres vergleichbares Projekt ist das Projekt »Kollokationen im Wörterbuch«, das Forschungsvorgaben an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das sich
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[http://www2.informatik.uni-erlangen.de/Forschung/jahresbericht_1995.pdf?language=de] (zuletzt besucht am 10.12.2008).
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auf verbale idiomatische Verbindungen des Deutschen konzentriert und Vergleiche mit anderen Sprachen vorsieht.2 Äußerst aktuell ist zur Zeit auch das Projekt »Usuelle Wortverbindungen« (UWV), ein korpuslinguistisches Forschungsvorhaben am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim.3 Es untersucht und beschreibt usuelle Mehrworteinheiten (darunter vorrangig Idiome) auf der Basis von statistisch berechneten Kookkurrenzprofilen, was einen höchstmöglichen Grad der empirischen Überprüfung von Sprachdaten sichert und eine künftig viel versprechende Datenerhebungsmethode darstellt. Das Konzept einer linguistisch aufbereiteten mehrsprachigen phraseologischen Datenbank wurde schließlich im EU-geförderten Projekt EPHRAS4 entwickelt. Ausgangspunkt des Projekts war der Umstand, dass die Phraseologie im Fremdsprachenlernen unterrepräsentiert ist und es nur sehr wenige spezielle Materialien für diesen Bereich gibt. Das zentrale Ziel des Projekts war es demzufolge, die notwendigen theoretischen Grundlagen für die Konzipierung einer mehrsprachigen phraseologischen Datenbank zu schaffen und sie an der Erstellung einer konkreten Datenbank anzuwenden. EPHRAS-Materialien5 zur Phraseologie der Sprachen Deutsch, Slowenisch, Slowakisch und Ungarisch verstehen sich als Hilfsmittel bei der systematischen und eigenständigen Wissensaneignung im Bereich Phraseologie des Deutschen, Slowenischen, Slowakischen und Ungarischen. Sie sind für die Verwendung beim Selbstlernen sowie für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht geeignet. Die Zielgruppen sind dementsprechend mehrere: (a) Fremdsprachenlernende, die Deutsch oder eine weitere beteiligte Sprache als Fremdsprache lernen und zugleich eine der beteiligten Sprachen als Muttersprache sprechen. (b) Fremdsprachenlehrende, die die beteiligten Sprachen als Fremdsprachen lehren. (c) Fremdsprachendidaktiker, die an der Umsetzung der Phraseologie im Fremdsprachenunterricht interessiert sind. (d) Datenbankentwickler im Bereich Sprachen. (e) Phraseologen, die sich mit der Phraseologie der beteilig-ten Sprachen einzelsprachlich und/oder kontrastiv auseinandersetzen. EPHRAS-Materialien bestehen aus zwei grundlegenden Komponenten: aus einer mehrsprachigen phraseologischen Datenbank und aus einem Übungsteil mit multimedial unterstützen, hochgradig selbsterklärenden und niveaudifferenzierten Übungen. Das Konzept und die Struktur der EPHRAS-Datenbank werden im Weiteren näher dargestellt.
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5
[http://kollokationen.bbaw.de/htm/about_de.html] (zuletzt besucht am 10.12.2008). [http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/uwv/] (zuletzt besucht am 10.12.2008). Socrates Lingua 2 (2004–2006). Am Projekt beteiligt waren die Universität Maribor (Philosophische Fakultät, Abteilung für Germanistik, Projekt-Koordinator), Karl-Franzens-Universität Graz (GeWi, Institut für Germanistik, Projekt »Österreichisches Deutsch«), Technische Universität Graz (Institut für Informationssysteme und Computer Medien), Universität des Hlg. Cyril und Methodius Trnava (Philosophische Fakultät, Lehrstuhl für Germanistik) und Universität Pécs (Foreign Language Centre). Sie sind als CD-Ausgabe mit dem Benutzer-Handbuch bei den Projektpartnern in Slowenien (Maribor), Österreich (Graz), in der Slowakei (Trnava) und in Ungarn (Pécs) erhältlich.
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2. Die EPHRAS-Datenbank 2.1 Kriterien der Phrasem-Auswahl Die EPHRAS-Datenbank enthält eine Auswahl der Phraseme, die man als didaktisch relevant einstufen kann. Es sind insgesamt mehr als 4.000 Phraseme der Sprachen Deutsch, Slowenisch, Slowakisch und Ungarisch. Die Auswahl der Phraseme ging von der deutschen Sprache aus und erfolgte vorrangig auf der Basis von Untersuchungen zur Bekanntheit und Gebräuchlichkeit deutscher Phraseme im deutschen Sprachraum. Im Rahmen des Projekts wurde die Untersuchung zur Bekanntheit und Gebräuchlichkeit auf den österreichischen und schweizerdeutschen Sprachraum ausgeweitet. Die Auswahlmethodologie und die gewonnenen Umfrageergebnisse sind in Šajánková (2005) näher beschrieben. In die EPHRAS -Datenbank wurden somit vorerst Phraseme aufgenommen, die eine hohe Bekanntheit und Gebräuchlichkeit im binnendeutschen Sprachraum hatten, d.h. mindestens 50 Prozent der befragten Muttersprachlern bekannt waren. Dazu kamen Phraseme, die im österreichischen Sprachraum variante Formen aufweisen und ebenso als hochgradig bekannt und gebräuchlich eingestuft werden können. Mit der Einbeziehung österreichischer Varianten sollte vor allem der Tatsache Rechnung getragen werden, dass in der Datenbank Sprachen vertreten sind, für die das österreichische Deutsch die Nachbarsprache und somit die erste Kontaktvariante zum Deutschen ist. Beim Auswahlverfahren wurden zudem inhaltliche Aspekte der Selektion berücksichtigt. Dies ist in der Lernorientiertheit der Datenbank begründet und zeigt sich darin, dass die enthaltenen Phraseme den grundlegenden Wortschatzbereichen der alltäglichen Kommunikation angehören, wie sie für das Deutsche z.B. in Profile Deutsch (Glaboniat et al. 2005) festgelegt sind.
2.2 Linguistische Beschreibung der Phraseme In der EPHRAS-Datenbank sind alle Phraseme nach einheitlichem Beschreibungsmodell ausführlich dargelegt. Die Entwicklung eines einheitlichen Beschreibungsmodus erfolgte durch die Adaption bekannter phraseografischer Beschreibungsansätze (Wotjak 1989; Dobrovol’skij 1992; Cheon 1998; Petermann 2001). Die wichtigste Grundlage stellte allerdings das mehrdimensionale Matrixmodell für die Beschreibung der Phraseologie in einund zweisprachigen phraseologischen Wörterbüchern dar, welches Ďurčo (1992) vorgeschlagen hat. Matrixeigene Beschreibungsparameter umfassen formallstrukturelle, grammatische, semantische und stilistisch-pragmatische Informationen zum einzelnen Phrasem. Die gesamte Datenbankstruktur ist als Hypertext organisiert. Das Datenmaterial ist inhaltlich stark strukturiert und formal-gestalterisch so präsentiert, dass ein effizienter Zugang zu einzelnen phrasemspezifischen Informationen innerhalb einer Sprache und/oder zwischensprachlich möglich ist. Im Folgenden werden einzelne Beschreibungsdimensionen näher erläutert.
2.2.1 Formal-strukturelle Informationen Die Angaben zur formalen Struktur der Phraseme finden sich in der Beschreibungsstruktur der EPHRAS-Datenbank hauptsächlich an zwei Stellen: unter den Beschreibungsparame-
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tern Phrasem und Lexikalisches Umfeld. Der Beschreibungsparameter mit dem Titel Phrasem betrifft die Festlegung der phraseologischen Nennform. Es ist in der traditionellen einund mehrsprachigen Lexikografie weitgehend gängige Praxis, dass die lexikografische Nennform bei morphosyntaktisch nicht restringierten Phrasemen eine infinite ist, während Phraseme mit morphosyntaktisch ein-geschränkten Formen eben in diesen aufgeführt werden. Diese Praxis wurde auch in die EPHRAS-Datenbank übernommen. So werden verbale Phraseme in der infiniten Form (Inf. Präs.) angegeben (alle Hände voll zu tun haben), substantivische Phraseme im Nom. Sg. (das schwarze Schaf), adjektivische Phraseme im Nom. Sg. Mask. (dünn gesät). Liegen morphosyntaktische Restriktionen vor, so sollte die einzig oder die meist realisierte Form des Phrasems zur Nennform werden (jmdm. vergeht das Lachen). Auf die Korrektheit der Nennform des Phrasems wurde bei der Erstellung der Datenbank großer Wert gelegt, es hat sich jedoch gezeigt, dass trotz der umfangreichen Korpusrecherchen zur textuellen Verwendung der Phraseme mitunter schwierig ist, den stabilen invarianten Kern eines Phrasems festzulegen und dementsprechend zwischen obligatorischen, fakultativen und/oder varianten Phrasem-Komponenten klar und konsequent zu unterscheiden (z.B. aus der Luft gegriffen (sein), das schwarze Schaf (sein)). Dazu kommen einzelsprachspezifische grammatische Besonderheiten, z.B. das Problem der Behandlung von variablen verbalen Komponenten zum Ausdruck der perfektiven bzw. imperfektiven Aktionsart in slawischen Sprachen, z.B. slow. skočiti/skakati si v lase (für sich in die Haare geraten). Wie behandelt man die variante verbale Komponente? Handelt es sich um zwei variante Phraseme oder hat man eher nur mit der Phrasem-Grammatik zu tun? Derartige Probleme der lexikografischen Behandlung der Phraseologie können m.E. erst dann entsprechend gelöst werden, wenn detaillierte Inventarisierungen und ausführliche grammatische und semantische Beschreibungen der Phraseologie einzelner Sprachen vorliegen. Diese fehlen bisher jedoch für viele Sprachen, darunter auch für das Deutsche und Slowenische. Im Rahmen des Beschreibungsparameters Lexikalisches Umfeld werden in der EPHRAS-Datenbank zwei Typen von Informationen präsentiert: Informationen zur inneren Varianz der Phraseme und Informationen zur erwartbaren lexikalischen Umgebung, in der Phraseme im Satz bzw. Text vorkommen. Die sog. innere Varianz (Lexikalischs Umfeld/Innere Varianz) beinhaltet weitere Informationen zur formalen Phrasem-Struktur. Diese sind insofern bedeutend, als es sich bei der Datenbank-Erstellung erneut bestätigt hat, wie stark Phraseme formal variieren können. Besonders häufig zeigt sich die Varianz der Verb-Komponenten bei verbalen Phrasemen (auf die Pauke hauen/auf die Pauke schlagen), es werden an dieser Stelle aber auch weitere Variationstypen dokumentiert, u.a. kürzere oder längere Phrasem-Varianten (den Faden verlieren/den roten Faden verlieren), die variable Reihenfolge der Phrasem-Komponenten, Substantivierungen nichtsubstantivischer Phraseme. Unter Angaben zur erwartbaren lexikalischen Umgebung, in der Phraseme im Satz bzw. Text vorkommen (der Beschreibungsparameter Lexikalisches Umfeld/Realisierung), werden Informationen über die typische und deshalb erwartbare lexikalische Umgebung eines Phrasems erfasst. Das sind Informationen darüber, mit welcher Lexik sich ein Phrasem im Satz üblicherweise verbindet, es sind Informationen zur Kompatibilität der jeweiligen phraseologischen Einheit und Informationen zu ihrer distributionellen Restriktionen, z.B.:
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auf die Pauke hauen → Lexikalisches Umfeld/Realisierung → mächtig/gehörig/lautstark/groß/ richtig auf die Pauke hauen.
Die Angaben mit Informationen zum lexikalischen Umfeld wurden gewonnen, indem man in den zur Verfügung stehenden Sprachkorpora beobachtete, wie einzelne Phraseme im gegenwärtigen Sprachgebrauch verwendet werden. So korrespondieren diese Angaben in der Regel mit kontextuellen Belegen (der Beschreibungsparameter Textbeispiele), die das textuelle Vorkommen einzelner Phraseme jeweils illustrieren.
2.2.2 Grammatische Informationen Wird im Fremdsprachenlernen die Meinung vertreten, dass nicht nur das Verständnis der fremdsprachigen Phraseologie gefragt ist, sondern dass auch die aktive phraseologische Kompetenz gefördert werden sollte – und diese Meinung wird auch im EPHRAS vertreten – so sind grammatische Informationen zu phraseologischen Wortschatzeinheiten für einen Fremsprachenlernenden von besonderer Wichtigkeit. Bei der Textproduktion entstehen nämlich primär grammatische Fragen. In dieser Hinsicht spielen bei der Konzipierung einer lernorientierten phraseologischen Datenbank eine erste wichtige Rolle Informationen zur phraseologischen Art. Eine morphosyntaktisch begründete Klassifikation der Phraseme wie z.B. in Burger (2007: 42ff.) vorgeschlagen, bildet einen klassifikatorischen Rahmen für die Konzeption und Spezifizierung grammatischer Informationen zu einzelnen Phrasemen; von dem morphosyntaktischen Phrasem-Typ sind alle weiteren grammatischen Informationen abhängig. In der EPHRAS-Datenbank gibt es zwar keine expliziten Angaben zur Klassenzugehörigkeit der Phraseme, diese war allerdings bestimmend bei der Festlegung der Art von grammatischen Informationen zu einzelnen Phrasem-Klassen. Die Angaben zur Grammatik (der Beschreibungsparameter mit dem Titel Grammatik) enthalten Informationen von doppelter Art. Bei verbalen Phrasemen weisen sie zum einen auf die Valenz des Phrasems als Ganzes hin (der Beschreibungsparameter mit dem Titel Grammatik/Valenz). Durch die Valenz-Quantifizierung der Umgebung werden syntaktische Leerstellen erfasst, die das Phrasem um sich eröffnet und die beim Sprechen oder Schreiben mit relativ beliebigen Wörtern aufgefüllt werden können, z.B.: sich den Kopf zerbrechen → Grammatik/Valenz → jmd. zerbricht sich (über jmdn./etw.) den Kopf.
Es ist für die Qualität der Datenbank von Gewinn, wenn abstrahierte Angaben wie jmd. oder etw. konkretisiert werden (etw. von langer Hand vorbereiten (Reise, Aktion, Karriere)). Innerhalb der EPHRAS-Datenbank wurden solche Konkretisierungen realisiert, falls sie sich aus den kontextuellen Belegen (der Beschreibungsparameter mit dem Titel Textbeispiele) ableiten und verallgemeinern ließen. Überhaupt korrespondieren die grammatischen Angaben in der EPHRAS-Datenbank konsequent mit den empirisch gewonnenen kontextuellen Belegen (Textbeispiele), aus denen der Benutzer konkrete Besetzungsmöglichkeiten von valenzbedingten Argumenten rekonstruieren kann. Zumal in der EPHRAS-Datenbank Phraseme in allen beteiligten Sprachen nach denselben Parametern beschrieben sind, kommen durch derartige Explizierungen der valenzbedingten syntaktischen Stellen eventuelle zwischensprachliche syntaktisch-funktionale Differenzen verstärkt zum Ausdruck. Dies ist für einen fremdsprachigen Benutzer insofern
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wichtig, da das Fehlen solcher Informationen leicht zu grammatisch unkorrektem Gebrauch der Phraseme führen kann und/oder einen negativen zwischensprachlichen Transfer auslöst. Die Angaben zur Grammatik enthalten weiterhin Informationen über die mögliche Einbettung eines Phrasems in die syntaktische Struktur des Satzes, also über seine syntaktische Satzglied-Funktion im Satz (der Beschreibungsparameter Grammatik/Funktion), z.B.: sich den Kopf zerbrechen → Grammatik/Funktion → Prädikat mit Haut und Haaren → Grammatik/Funktion → adverbial modal.
2.2.3 Semantische, pragmatische und stilistische Informationen Die Angaben zur Semantik, Pragmatik und Stilistik einzelner Phraseme erfolgen in der EPHRAS-Datenbank unter mehreren verschiedenen Beschreibungsparametern (Bedeutung, Stil, Pragmatik, Sinnverwandte Ausdrücke, Metalexeme), dies primär aus Gründen der Übersichtlichkeit bzw. Gliederung der Datenbank-Struktur. Sonst handelt es sich um Informationen, die inhaltlich voneinander nicht strikt zu trennen sind, was sich u.a. auch in der theoretischen Diskussion zum gegenseitigen Verhältnis zwischen Semantik, Pragmatik und Stil zeigt. Die Angaben unter dem Beschreibungsparameter Bedeutung beinhalten die wichtigsten Merkmale des Bedeutungsspektrums eines Phrasems, welches in der Regel sehr vielschichtig ist. Sie erfolgen in Form kurzer Bedeutungsparaphrasen, z.B.: ein Herz und eine Seele sein → Bedeutung → ‘jmd. ist mit jmdm. unzertrennlich; jmd. ist mit jmdm. eng befreundet’.
Bedeutungsparaphrasen wurden anhand der Textbeispiele zum jeweiligen Phrasem und mit Hilfe einiger gängiger phraseologischer und allgemeiner Wörterbücher der beteiligten Sprachen formuliert. Die Angaben unter dem Beschreibungsparameter Stil sollen auf das Vorkommen eines Phrasems in verschiedenen Äußerungskontexten hinweisen und somit auf mögliche Einschränkungen der situativ-kontextuellen Verwendung aufmerksam machen. Stilistische Markierungen sind in der EPHRAS-Datenbank sprachspezifisch, sie richten sich größtenteils nach den Markierungen, die für die einzelnen Sprachen gegenwärtig üblich sind. Für die Sprache Deutsch wurden folgende Markierungen verwendet (vgl. EPHRAS/Handbuch 2006: 8–10): – −
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neutral: es gibt keine wesentlichen Beschränkungen für die Verwendung des Phrasems, z.B. alle Hände voll zu tun haben → Stil → neutral; formell: das Phrasem wird üblicherweise nur in offiziellen, öffentlichen, distanzierten Äußerungssituationen oder in formalen Texten verwendet, z.B. das Wort ergreifen → Stil → formell; informell: Das Phrasem kommt üblicherweise in persönlichen, halb- oder nicht-öffentlichen, nähesprachlichen Äußerungssituationen oder in privaten Texten vor. Es kann zu einer Überlappung mit dem Merkmal primär gesprochen kommen, z.B. arbeiten wie ein Pferd → Stil → informell;
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abwertend/sehr abwertend: dieses Merkmal weist darauf hin, dass das Phrasem stark negativ wertend ist und seine unbedachte Verwendung negative Folgen haben kann, da die so angesprochene Person mit hoher Wahrscheinlichkeit gekränkt oder beleidigt sein wird, z.B. eine Schraube locker haben → Stil → abwertend; ironisch: das Phrasem wird mit einem anspielerischen Unterton verwendet, wodurch der Sprecher einen feinen verdeckten Spott ausdrückt. Dabei kommt es möglicherweise zu einer Überlappung mit dem Merkmal informell, z.B. passen wie die Faust aufs Auge‘nicht passen’ → Stil → informell/ironisch; primär gesprochen: das Phrasem wird überwiegend in der gesprochenen Alltagssprache und kaum oder gar nicht geschrieben verwendet. Z.B. in die Binsen gehen → Stil → primär gesprochen; primär geschrieben: das Phrasem wird überwiegend nur geschrieben und kaum oder nur in sehr formalen Äußerungskontexten der gesprochenen Sprache verwendet, z.B. übers Knie brechen → Stil → primär geschrieben; emotionell: Phraseme, die mit diesem Merkmal markiert sind, drücken eine starke Gemütsbewegung des Sprechers aus, z.B. jmdn. im Stich lassen → Du hast mich im Stich gelassen! Sie sind jedoch stilistisch neutraler, wenn sie in der 3. Person verwendet werden, z.B. jmdn. im Stich lassen → Der Kapitän hat seine Mannschaft vorzeitig im Stich gelassen, jmdn. im Stich lassen → Stil → neutral (emotionell).
Die Angaben zur Pragmatik (der Beschreibungsparameter Pragmatik) erfassen kommunikativ-pragmatische Gebrauchsbedingungen und enthalten Erläuterungen zur Verwendung der Phraseme in mehrfacher Hinsicht. Sie umfassen Hinweise zu den kommunikativen Situationen, in denen Phraseme typischerweise vorkommen, z.B.: auf den Geist gehen → Pragmatik → Vorsicht: Das Phrasem nur in informellen Kontexten verwendbar. Sollte keinesfalls in Bezug auf hierarchisch höhere Personen (z.B. Vorgesetzte) verwendet werden.
Sie beziehen sich weiterhin auf Textsorten bzw. kommunikative Bereiche, in denen ein Phrasem überwiegend vorkommt, z.B.: eine weiße Weste haben → Pragmatik → Das Phrasem findet häufig im öffentlich-politischen Kontext in Zusammenhang mit der Korruption und im sportlichen Kontext für ‘unbesiegt’ Verwendung.
Möglicherweise weisen sie auf Sprechereinstellung zu dem, was Phraseme benennen, hin, z.B.: das schwarze Schaf → Pragmatik → Das Phrasem wird häufig zur Beschreibung der Randposition einer (negativ betrachteten) Person innerhalb der Familien, in Schulklassen, Arbeitsgruppen oder Entscheidungsgremien verwendet. → Der Sprecher möchte damit eine Person beschreiben, die sich aufgrund ihrer Meinung, ihrem Erscheinungsbild oder einer speziellen Eigenschaft von anderen unterscheidet.
Schließlich sind sie Aussagen zu den Sprachhandlungen, die durch den Gebrauch von Phrasemen ausgeführt werden können, z.B. jmdm. im Stich lassen → Pragmatik → Häufig verwendet als Vorwurf, wenn jmd. jmdn. in einem entscheidenden Moment nicht geholfen hat oder auch als Aufforderung etw. zu tun und Notleidende nicht allein zu lassen.
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Semantisch orientiert sind auch die Angaben zur semantischen Paradigmatik (der Beschreibungsparameter Sinnverwandte Ausdrücke). Erfasst werden semantische Relationen zu sinnverwandten Ausdrücken mit Informationen zu möglichen alternativen Ausdrucksweisen, die anstelle eines Phrasems gewählt werden können. Es sind phraseologische Synonyme und/oder nichtphraseologische Formulierungen, die der Bedeutung eines Phrasems annähernd entsprechen, z.B. jmdn. hinters Licht führen → Sinnverwandte Ausdrücke → täuschen, betrügen, belügen, in die Irre führen.
Schließlich haben mit der Semantik im weiteren Sinne auch Angaben zur onomasiologischen Ordnung der Phraseme zu tun (der Beschreibungsparameter Metalexeme). Es geht um die Zuordnung eines Phrasems zu einem oder zu mehreren semantischen Feldern, die in der bisherigen Phraseografie als Schlüssel-, Leit- oder Oberbegriffe (Hessky/Ettinger 1997) bzw. als Felder (Schemann 1991) bekannt sind, in der Lingustik (Lexikologie, Semantik) und Lexikografie jedoch als onomasiologische Gliederung, Ideografie, Deskriptoren-Clustering, Versprachlichung konzeptueller Domänen bezeichnet werden. Festgelegt wurden sie anhand der selektionierten Phraseme und unter Einbeziehung bereits bekannter phraseografischer Lösungen (Hessky/Ettinger 1997; Schemann 1991). Unter Metalexem werden in der EPHRAS-Datenbank semantische Oberbegriffe verstanden, wonach Gruppen semantisch zusammenhängender Phraseme entstehen. Eine solche thematische Gliederung entspricht der natürlichen Ordnung des Wortschatzes und somit der Phraseologie im Gedächtnis und ist deshalb fremdsprachendidaktisch wichtig, z.B.: alle Hände voll zu tun haben → Metalexem → Arbeit, Engagement die Fäden in der Hand halten → Metalexem → Macht.
2.2.4 Textbeispielangaben Zu jedem Phrasem in der EPHRAS-Datenbank gibt es Angaben der kontextuellen Belege (der Beschreibungsparameter Textbeispiele). Sie illustrieren einerseits die tatsächliche Verwendung des Phrasems im gegenwärtigen Sprachgebrauch und exemplifizieren zugleich alle Aussagen zur Bedeutung, Form, Grammatik und Pragmatik des jeweiligen Phrasems. Somit stehen Angaben zu einzelnen Beschreibungsdimensionen prinzipiell in Koordination mit den Textbeispielangaben; beide sind in einem wechselseitigen Verhältnis zu verstehen. Alle Textbeispielangaben stammen aus Textrecherchen in den frei verfügbaren textuellen Korpora für die beteiligten Sprachen und aus dem Internet. In der EPHRAS-Datenbank gibt es keine erfundenen Belege. Dies ist prinzipiell vorteilhaftig, jedoch sind damit auch einige Nachteile verbunden. U.a. können unredigierte Korpusbelege syntaktisch sehr komplex sein und einen hohen Anteil an Fachlexik enthalten. Beides ist für eine lernorientierte Datenbank weniger angemessen, da dadurch zu hohe Anforderungen an den fremdsprachigen Benutzer gestellt werden. Außerdem können unredigierte Belege Versprecher und/ oder Fehler enthalten, was fremdsprachendidaktisch problematisch ist. In der EPHRASDatenbank wurden derartige Belege vermieden, was die Belegsuche jedoch bedeutend erschwert hat. Die folgenden zwei Grafiken illustrieren die Bildschirmoberfläche in der EPHRASDatenbank:
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Grafik 1: Benutzeroberfläche bei der Phrasem-Suche in der EPHRAS-Datenbank (EPHRAS 2006)
Grafik 2: Beispiel der mehrdimensionalen Phrasem-Beschreibung in der EPHRAS-Datenbank
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3. Methodische Überlegungen Im Folgenden werden einige methodische Fragen der Datenbank-Erstellung angesprochen, die sich auch im Projekt EPHRAS als schwierig erwiesen haben.
3.1 Phrasem-Definition Der lexikografische Gegenstandsbereich sollte in Anbetracht der künfigen Benutzer eines Wörterbuchs oder einer Datenbank festgelegt werden. Wird bei der Konzipierung lexikografischer Produkte Polyfunktionalität angestrebt, so können verschiedene Typen von potenziellen Datenbank-Benutzern charakterisiert und unterschieden werden. Die folgenden Überlegungen basieren auf der Typologie der Wörterbuchbenutzer von Wiegand (1998: 500ff.), die sich zum Teil sinngemäß auf den Bereich der Sprachdatenbanken übertragen lässt. Welchen potenziellen Benutzern kann man also das Interesse an der Darstellung der Phraseologie in einer phraseologischen Datenbank unterstellen? Zum Adressatenkreis einer phraseologischen Datenbank zählen auf der einen Seite jene potenziellen Benutzer, die die Datenbank ohne phraseologisch-theoretische, lexikografische oder informatisch-technologische Interessen nutzen und nur praktisch orientierte Konsultationshandlungen vollziehen, indem sie punktuelle Informationen zur Phraseologie suchen und finden wollen. Auf der anderen Seite ist mit Adressaten zu rechnen, die sich mit der Phraseologie systematisch und/oder wissenschaftlich auseinandersetzen (wollen) und möglicherweise auch selbst Interesse an der Konzipierung und Erstellung der Datenbanken haben. In Anlehnung an die Charakterisierung der Wörterbuchbenutzer bei Wiegand (1998: 505f.) finden sich in beiden Adressatengruppen sowohl kundige, geschulte oder sogar eingeweihte Benutzer als auch unkundige, nicht geschulte Benutzer; sie sind muttersprachliche oder fremdsprachige Benutzer; sie sind Laienbenutzer oder wissenschaftliche Benutzer; sie sind Benutzer mit phraseologischen Vorkenntnissen oder ohne solche Kenntnisse. In funktionaler Hinsicht zielt also eine phraseologische Datenbank auf Benutzer, die sie zu Zwecken der Aneignung/Erweiterung der phraseologischen Kompetenz und/oder zu Konsultationszwecken in rezeptiver und/oder produktiver Hinsicht nutzen wird. Ihre Polyfunktionalität besteht darin, dass sie (a) wissensbezogene Funktionen zum Zweck der Erweiterung und/oder Weiterentwicklung der phraseologischen Kompetenz erfüllt und dass sie (b) textbezogene Funktionen in rezeptiven und produktiven Benutzungssituationen deckt, einschließlich Situationen der problemorientierten Konsultation bei der Übersetzung (vgl. Jesenšek 2006: 64f.). Welche Auffassung der phraseologischen Einheit bei einer derartig komplexen Funktionalität einer phraseologischen Datenbank vetreten wird, ist die jeweilige Entscheidung der Datenbankentwickler. Darüber hinaus hängt sie von den Faktoren wie Zeit, Kosten, Zugang zu Technologie und Wissensressourcen, wissenschaftliche Qualität des Forschungsteams und der geplanten Methoden u.Ä. ab. Aufgrund der skizzierten Funktionalität scheint es angebracht, ein breiteres Phraseologie-Verständnis zu präferieren. Die EPHRAS-Datenbank enthält zwar nur Phraseme im engeren Sinne (Idiome), m.E. sind jedoch Gegenstand einer phraseologischen Datenbank, und insbesondere einer lernorientierten, neben Idiomen als Kernbereich des phraseologischen Inventars (vom Typ alle Hände voll zu tun haben, das
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scharze Schaf, mit Sack und Pack) auch kommunikative Phraseme (Routineformeln) vom Typ Das ich nicht lache! und Funktionsverbgefüge vom Typ in Frage stellen. Es sind drei Typen phraseologischer Einheiten, die kommunikativ-didaktisch bedeutend sind und zum Lerngegenstand beim Fremdsprachlernen werden sollten. Wichtig ist allerdings, dass sich ihre differente Typologie in der entsprechend differenten Beschreibungsstruktur widerspiegelt. Eine klare definitorische Abgrenzung des Datenbankgegenstands ist auf jeden Fall ein wichtiger Maßstab der Datenbankqualität. Auf der einen Seite bestimmt das jeweilige Datenbankobjekt die Struktur und den Umfang der linguistischen Behandlung einzelner Einträge, auf der anderen Seite soll der Datenbankentwickler dafür sorgen, dass der potenzielle Benutzer über die Festlegung des Datenbankgegenstands entsprechend informiert ist.
3.2 Phrasem-Selektion Ist eine phraseologische Datenbank zur Dokumentation und Inventarisierung der Phraseologie einer Sprache oder mehrerer Sprachen konzipiert, so ist Vollständigkeit in der Einbeziehung einzelner Phraseme angestrebt. Geht es jedoch um die Konzeption einer spezialisierten lernorientierten Datenbank für den primär nichtmuttersprachlichen Nutzer, so sind Aspekte und Prinzipien der Phrasemselektion sowie Kriterien ihrer Durchführung von wesentlicher Bedeutung. Eine systematische und methodologisch ausgerichtete Diskussion über die Festlegung eines didaktisch relevanten und repräsentativen Ausschnitts aus der Phraseologie einer Sprache fehlt bisher weitgehend, so wird z.B. auch im neuesten Referenzwerk zum DaF (Profile Deutsch, Glaboniat et al. 2005) die Tradition einer linguistisch und didaktisch wenig reflektierten Bahandlung der Phraseologie im DaF-Lernen weitergepflegt (vgl. Jesenšek 2006: 60). Eine methodologisch begründete Festlegung didaktisch relevanter Phraseologie ist prinzipiell dadurch erschwert, dass die Phraseologie einer jeden Sprache aufgrund der lexikalischen Dynamik notwendigerweise ein offenes und breitgefächertes Inventar darstellt und somit keine endgültige Auswahl zulässt. Ansatzweise finden sich methodologische Überlegungen zur Selektion der didaktisch relevanten Phraseologie bei Koller (1977), Kühn (1992, 1994), Dobrovol'skij (1997), Hessky (1997), Šajánková (2005) und Jesenšek (2006). Allen gemeinsam ist, dass sie für eine synchrone Berücksichtigung mehrerer Selektionskriterien und dementsprechend für eine methodologisch komplexe Vorgehensweise plädiren. Folgende Aspekte spielen dabei eine unterschiedlich gewichtige Rolle: Definition der phraseologischen Einheit, Bekanntheitsgrad, Gebrauchsfrequenz, Gebräuchlichkeit, kommunikatives Potenzial und zwischensprachlicher Vergleich (dieser meist mit der jeweiligen Muttersprache des Lernenden). Die Aspekte der Bekanntheit und Frequenz werfen Fragen auf, die bisher meist diskutiert worden sind. Zentral hierbei ist das Problem, wie sich aus der Menge phraseologischer Einheiten einer Sprache so genannte intersubjektiv geläufige Phraseme ermitteln lassen. Gemeint sind solche Phraseme, die dem überwiegenden Teil der Sprecher einer Sprache durch den häufigen Gebrauch geläufig und als vorgefertigte polylexikale Wortschatzeinheiten bekannt sind. Für das Deutsche finden sich empirisch überprüfte Inventarisierungen von gegenwärtig intersubjektiv geläufigen Phrasemen ansatzweise in Dobrovol'skij (1997: 263–288; Datenbank deutscher Idiome) und in Šajánková (2005). Beide Inventarlisten enthalten je ca. 1000 Phraseme, die mit Hilfe der Befragungsmethoden gewonnen wurden; die Liste von
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Šajánková war auch die Basis für die Erstellung der EPHRAS-Datenbank. Jesenšek (2006: 67) subsummiert Aspekte der Bekanntheit und Frequenz unter dem Begriff Aktualität. Zumal man im Fremdsprachenlernen deklarativ primär aktuelle Fremdsprachenkenntnisse anstrebt, scheint der Aspekt der Aktualität bei der Selektion des phraseologischen Materials für eine lernorientierte phraseologische Datenbank entscheidend und übergeordnet zu sein. In Jesenšek (2006: 65ff.) werden darüber hinaus funktional-situative und thematische Aspekte der Phrasem-Auswahl betont. In Bezug auf die Funktionalität sollte danach die Auswahl für den (überwiegend nichtmuttersprachlichen) Benutzer mit wissens- und textbezogenen Benutzungssituationen repräsentativ ausfallen (Situationen der systematischen Aneignung/Erweiterung der phraseologischen Kompetenz, Situationen, in denen fremdsprachliche Texte rezipiert, produziert und/oder übersetzt werden). Hinsichtlich der Thematik jedoch sollte die Auswahl fremdsprachendidaktisch festgelegte und curricular geregelte thematische Wortschatzbereiche repräsentativ decken (z.B. in Profile Deutsch, Glaboniat et al. 2005). Systematische Lemmaselektionsverfahren für phraseologische lernorientierte Datenbanken gründen also auf mehreren Selektionsaspekten. Neben der theoretisch-definitorischen Festlegung der phraseologischen Einheit sind folgende parallel zu berücksichtigen: (a) Aspekte der Funktionalität, wonach die Auswahl für den nichtmuttersprachlichen Benutzer mit wissens- und texbezogenenen Benutzungssituationen der Fremdsprache repräsentativ ausfallen soll. (b) Thematische Aspekte, wonach die Auswahl für didaktisch festgelegte Themenbereiche für das Fremdsprachenlernen repräsentativ ausfallen soll. (c) Aspekte der Aktualität, wonach die Auswahl für die Mehrheit der Sprecher einer Sprache im Sinne einer intersubjektiven Geläufigkeit repräsentativ ausfallen soll.
3.3 Erhebung phraseologischer Daten Methoden, nach denen phraseologische Daten den Wissens- und Textfunktionen einer Datenbank entsprechend erhoben werden können, sind mehrere. Traditionellerweise werden bestehende lexikografische Quellen und fremdsprachendidaktisch relevante Referenzwerke ausgewertet, durch die Anwendung der introspektiven Methode rechnet man mit ausgiebigen und zuverlässigen phraseologischen Kenntnissen der Lexikografen bzw. Datenbankentwickler, Methoden der aktiven und passiven Informantenbefragung beziehen eine größere Zahl der Sprecher einer Sprache in die phraseografische Tätigkeit mit ein. Mit der Anwendung genannter Methoden ist jedoch auch die Gefahr verbunden, dass seit Längerem bekannte Schwachstellen traditioneller Phraseografie weiter gepflegt werden. Unkritisches Abschreiben bestehender Wörterbücher und fehlende empirische Überprüfung der Daten führen in der Regel zur Präsentation veralteter, unaktueller und vielleicht auch unkorrekter phraseologischer Kentnisse. Die introspektiv gewonnenen Daten sind aus der lexikografischen Praxis zwar nicht wegzudenken, man kann als Lexikograf niemals gänzlich auf subjektive Einschätzungen und Interpretationen sprachlicher Daten verzichten, jedoch ist das introspektiv gewonnene Wissen insofern fraglich, weil nicht intersubjektiv überprüfbar. Darüber hinaus ist es »eine allgemein bekannte und unumstrittene Tatsache, dass das Sprachverhalten eines kompetenten Sprechers im Widerspruch zu seinen introspektiven Urteilen über dieses Verhalten stehen kann« (Bergenholtz/Mugdan 1990: 1614).
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Auch bei der Informantenbefragung handelt es sich prinzipiell um ein introspektives Verfahren, nach Bergenholtz/Mugdan (1990: 1615) ist es eine Multiintrospektion. Ihre immanente Subjektivität kann durch die Kombination einer passiven und einer aktiven Befragung bei möglichst vielen Informanten zwar vermindert werden, jedoch ist es notwendig, dass so gewonnene Daten auch empirisch überprüft werden. So schlägt Ďurčo (2007) eine Kompromisslösung beim Erstellen eines phraseografischen Korpus vor, die aus vier Schritten besteht: (a) Analyse der phraseologischen Daten in bestehenden lexikografischen Referenzquellen, (b) Reduktion des phraseologischen Materials auf Grund des Expertenwissens, durchgeführt in der Regel durch Linguisten, Phraseologen, (c) Vergleich der reduzierten phraseologischen Daten durch die Befragung auf die Bekanntheit und Überprüfung des Textvorkommens in umfangreichen Korpora und (d) die Korrelation des Bekanntheitsgrads mit dem Häufigkeitsvorkommen der Phraseme und die Festlegung einer Auswahl als Querschnitt der bekanntesten und häufigsten Phraseme. Es ist notwendig, dass die Diskussion zur Methodologie der Erhebung phraseologischer Daten für lexikografische Zwecke künftig stets in Verbindung mit der Diskussion über die Leistungsfähigkeit der textuellen Sprachkorpora verläuft. Korpusbasierte Ansätze sind aus mehreren Gründen notwendig (ausführlicher dazu Ďurčo 2007); als besonders wichtig betrachte ich die Möglichkeit, dass große Textmengen bei der Suche und Festlegung phraseologischer Standardformen und Varianten sowie bei der Beschreibung ihrer syntaktischer Einbettung aktuelle und empirisch gesicherte Daten liefern können. Vgl. hierzu äußerst viel versprechende Resultate zu Perspektiven der korpusbasierten Erhebung phraseologischer Daten, die zum Projekt »Usuelle Wortverbindungen« bisher vorligen (u.a. Steyer 2004, Brunner/Steyer 2007).
4. Ausblick und Perspektiven Mehrdimensionale, strukturierte und standardisierte Beschreibungsmodi zur Organisation und Präsentation der phraseologischen Wissensbestände in phraseologischen Datenbanken zeichnen sich gegenüber traditioneller phraseologischen Lexika durch mehrere Vorteile aus. Vor allem funktioniert eine phraseologische Datenbank als ein offenes, erweiterbares und aktualisierbares System der phraseologischen Daten. Die phraseologische Makrostruktur kann relativ schnell und unaufwendig aktualisiert und/oder erweitert werden, eine regelmäßige Pflege und Evaluierung der Datenbankinhalte erhöht ihre Aktualität und Qualität. Es entfällt das Problem des Umfangs, ausfühliche Phrasem-Beschreibungen ohne platzbedingte Kompromisse, bekannt vor allem aus der Printlexikografie, sind ermöglicht. Dies sichert die Ausführlichkeit und Präzision auch in der Darlegung der phraseologischen Varianz und Modifizierbarkeit sowie ihre Illustration durch eine entsprechende Anzahl kontextueller Belege. Das sind nämlich Beschreibungsdimensionen, die in der klassischen Phraseografie in der Regel vernachlässigt werden oder zu kurz kommen. Durch die Strukturiertheit der Daten wird weiter die ökonomische Dimension der Erstellung elektronischer Sprachdatenbanken betont, was vorteilhaft ist sowohl für den Datenbanknutzer als auch für den Datenbankersteller. Standardisierbare Eintragsstrukturen sichern eine
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hohe Daten- und Bearbeitungskonsistenz, sie ermöglichen schnelle und zuverlässige Zugriffe auf phraseologische Informationen und differenzierte Formen von kombinierbaren Suchabfragen. Handelt es sich um eine webbasierte Datenbank, so hat die Verlinkung mit anderen vergleichbaren Datenressourcen positive Auswirkungen auf die Vernetzung der bestehenden phraseologischen Wissensbestände und bietet die Möglichkeit einer kontinuierlichen Evaluierung an. Querverweise auf andere webbasierte Hilfsmittel (auf Wörterbuchsammlungen, Glossare, Textkorpora, fremdsprachendidaktische und andere sprachenbezogene und frei verfügbare Ressourcen im Internet) können zur Bereicherung des phraseologischen Informationsangebots beitragen und synergetische Effekte auslösen. Phraseologische ein- oder mehrsprachig angelegte Datenbanken fungieren schließlich als theoretisch begründete Grundlage und empirisch gesicherte Datenquelle bei der Erstellung benutzerspezifischer phraseologischer Wörterbücher. Das ist ein bedeutender Beitrag zur Optimierung und teilweise zur Automatisierung einzelner Arbeitsprozesse in der lexikografischen Praxis. Strukturierte und modular angelegte Datenbankeinträge lassen sich mithilfe einer entsprechenden Programmierung selektiv wieder verwenden bei der Überarbeitung bestehender und/oder Erstellung neuer phraseologischer Lexika, möglich sind offline-Publikationen verschiedener Wörterbücher für verschiedene potenzielle Benutzergruppen mit verschiedenen Datendistributionsstrukturen (vgl. hierzu das Konzept eines so genannten Mutterwörterbuchs bei Gouws 2006). Eine modular strukturierte (phraseologische) Datenbank ist also »ein innovatives elektronisches Mehrzweckprodukt« (Gouws 2006: 53), das vielfältig vermarktet werden kann. Auch im Bereich der theoretischen und kontrastiven Phraseologieforschung, indem es als empirische Grundlage für weiterführende phraseologische Untersuchungen dient, die bisher für viele Sprachen noch immer weitgehend fehlen. Werden die Aktualisierung, Ausweitung und Pflege von phraseologischen Datenbanken systematisch und fachgerecht betrieben, entstehen dadurch zuverlässige virtuelle Informationsräume, wo phraseologiespezifische Informationen zu einer oder zu mehreren Sprachen angeboten und/oder abgerufen werden können. Ein weiterer Mehrwert derartigen Informationsräume ist die Förderung und Pflege eines dialogischen Konzepts und der Interaktivität. Eine phraseologische Datenbank, basierend auf einer Web-Plattform kann nämlich zu einem Fach- und Lernkompetenzzentrum werden. Die Einrichtung von Diskussionsund Informationsforen, woran sowohl Fachexperte als auch Sprachlernende sich aktiv beteiligen und zum Informationsangebot beitragen können, hat zur Folge, dass das Potenzial einer fachlichen und sprachlichen Wissensvernetzung optimal ausgenutzt und eine höchstmögliche Anzahl von Nutzern angesprochen und erreicht werden kann. Realistisch zu erwarten ist, dass Sprachlernende, Sprachstudierende und Sprachinteressierte künftig verstärkt zu elektronischen Sprachressourcen greifen werden (Lexika, Grammatiken, Textkorpora, Datenbanken gesprochener Sprache, sonstige computergestützte Sprachlernmaterialien) und dass sie sich zugleich zu kundigen Nutzern der elektronischen Medien entwickeln werden. Eine allgemeine Verfügbarkeit und Verbreitung der Sprachdatenbanken an sich und so auch die Verfügbarkeit spezieller phraseologischer Datenressourcen mit Hilfe elektronischer Medien (CD-ROM, Web) bieten neue Möglichkeiten des IT-gestützten (Fremd)sprachenlernens an und eröffnen zugleich neue Perspektiven in der Konzipierung, Entwicklung und Erstellung offener Bildungsressourcen im Bereich Sprachen. Es ist zu erwarten, dass sich auch spezielle phraseologische Datenbanken in
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Richtung offener Forschungs- und Lerneressourcen im Bereich Phraseologie weiterentwikkeln werden.
5. Literatur (Auswahl) (a) Wörterbücher Hessky, Regina/Ettinger, Stefan (1997): Deutsche Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene. – Tübingen: Gunter Narr. Schemann, Hans (1991): Synonymwörterbuch der deutschen Redensarten. – Stuttgart: Klett.
(b) Sonstige Literatur Bergenholtz, Henning/Mugdan Joachim (1990): „Formen und Probleme der Datenerhebung II: Gegenwartsbezogene synchronische Wörterbücher.“ – In: F. J. Hausmann (Hg.): Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. 2. Teilband, 1611–1625. Berlin, New York: de Gruyter. Brunner, Annelen/Steyer, Kathrin (2007): „Phraseologische und phraseographische Aspekte korpusgesteuerter Empirie.“ – In: V. Jesenšek, M. Fabčič (Hgg.): Phraseologie kontrastiv und didaktisch. Neue Ansätze in der Fremdsprachenvermittlung, 181–194. Maribor: Slavistično društvo: Filozofska fakulteta (= Zora 47). Burger, Harald (2007): Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 3., überarbeitete Auflage. – Berlin: Erich Schmidt. Cheon, Mi-Ae (1998): Zur Konzeption eines phraseologischen Wörterbuchs für den Fremdsprachler. Am Beispiel Deutsch-Koreanisch. – Tübingen: Niemeyer. Dobrovol’skij, Dmitrij O. (1989): „Linguistische Grundlagen zur computergestützten Phraseographie.” – Zeitschrift für Germanistische Linguistik 10, 528–536. – (1992): „Zur deutschen Phraseographie.” – Beiträge zur Lexikologie und Lexikographie des Deutschen 33, 161–172. – (1997): Idiome im mentalen Lexikon. Ziele und Methoden der kognitivbasierten Phraseologieforschung. – Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag. – (2002): „Phraseologismen im de Gruyter Wörterbuch Deutsch als Fremdsprache.“ – In: H. E. Wiegand (Hg.): Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen II. Untersuchungen anhand des »de Gruyter Wörterbuchs Deutsch als Fremdsprache«, 363–374. Tübingen: Niemeyer. Ďurčo, Peter (1992): „Ein Matrixmodell für ein- und zweisprachige phraseologische Wörterbücher.“ – In: C. Mair, M. Markus (Hgg.): Neue Ansätze in der Kontrastiven Linguistik. Proceedings of the Conference Held at the Leopold-Franzens-University of Innsbruck, Austria, 10–12 May 1991. Vol. I, 261–269. Innsbruck: Institut für Anglistik der Universität Innsbruck ( = Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Anglistische Reihe 4). – (2007): „Phraseologie und allgemeies Konzept für eine komplex strukturierte Datenbank.“ – In: V. Jesenšek, M. Fabčič (Hgg.): Phraseologie kontrastiv und didaktisch. Neue Ansätze in der Fremdsprachenvermittlung, 169–179. Maribor: Slavistično društvo: Filozofska fakulteta (= Zora 47). EPHRAS (2006). Ein mehrsprachiges phraseologisches Lernmaterial. – Ljubljana: Rokus Verlag. Földes, Csaba (1996): „Gesucht und gefunden? Idiomlexika und Deutsch als Fremdsprache.” – Fremdsprache Deutsch 15, 64–67.
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Elisabeth Piirainen
Dialektale Phraseologie: Randerscheinung, Ergänzung oder Herausforderung einer modernen Phraseografie?
Abstract Phraseological dictionaries show several inadequacies that mainly can be attributed to a lack of systematic empirical studies. Modern phraseography could benefit from methodological approaches and discoveries that became evident from the comprehensive analysis of the phraseology of an old basic dialect, i.e. in order to improve the lexicographic entries in areas such as punning clichés, genderspecific usage restrictions, diatopic markings and semantic-pragmatic descriptions of idioms.
1. Zur Einführung: Phraseologie eines Basisdialekts Seit Erscheinen des Traité de stylistique français (Bally 1909), in dem auch heute noch gültige Grundgedanken zur Phraseologie geäußert wurden, blickt die Phraseologieforschung nunmehr auf eine fast 100jährige Geschichte zurück. Seither, vor allem bis in die 1980er Jahre hinein, war die Phraseologieforschung intensiv mit Theoriebildung beschäftigt. In der letzten Zeit ist eine Neuorientierung vor allem bei der Bestimmung der Gegenstandbereiche und der Methodik zu beobachten. Dennoch sind innerhalb der Phraseografie bis heute deutliche Defizite zu verzeichnen, u.a. in Bereichen der Terminologie und Metasprache, der Repräsentation der aktuellen Bedeutungen, der diasystematischen, pragmatischen, kommunikativen Markierungen von Phraseologismen (vgl. für das Deutsche u.a. Stantcheva 2003: 175ff.; Hallsteinsdóttir 2006: 102ff.), dies nicht zuletzt aufgrund des Fehlens zuverlässiger empirischer Untersuchungen. Die bisher erzielten theoretischen Einsichten in die Phraseologie beruhen zum größten Teil auf dem Material einiger gegenwärtiger, großer europäischer Standardsprachen, wobei lange Zeit hindurch die Schriftlichkeit im Vordergrund stand. Erst in jüngerer Zeit dringen von dieser relativ einheitlichen Materialbasis abweichende, zuvor nicht untersuchte sprachliche Varietäten in das Forschungsspektrum vor, die zur Verfeinerung einzelner theoretischer Erkenntnisse und möglicherweise zu einer Verbesserung der phraseografischen Praxis beizutragen vermögen. Zu nennen sind nicht nur zahlreiche Studien zur Phraseologie zuvor nicht beschriebener, außereuropäischer Sprachen,1 sondern auch die Einbeziehung der historischen Dimension einer Sprache2 sowie die Hinwendung zur Dialektphraseo-
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Zu verzeichnen sind u.a. Arbeiten zum Chinesischen (vgl. eine Übersicht in Chang 2003) und zu arabischen Sprachen vgl. Baccouche (2007). Innerhalb des Projekts »Formelhafte Sprache und Traditionen des Formulierens« wird die Herausbildung der formelhaften Wortverbindungen des Deutschen vom 8. bis zum 17. Jahrhundert untersucht (Filatkina 2007, Filatkina im Druck). Das Projekt arbeitet an der Schnittstelle von Histo-
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logie,3 d.h. zu kleinräumig gültigen, nichtstandardsprachlichen, vorwiegend mündlich existierenden Varietäten. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen Erfahrungen und Erkenntnisse, die sich aus der Beschäftigung mit der Phraseologie der westmünsterländischen Mundart (Piirainen 2000) ergeben haben. Diese Arbeit umfasst einen linguistischen Teil mit dem Untertitel Semantische, kulturelle und pragmatische Aspekte dialektaler Phraseologismen sowie einen phraseografischen Teil, das Lexikon der westmünsterländischen Redensarten. In diesem Lexikon werden 4.625 Idiome eines niederdeutschen Dialektes präsentiert, die in den späten 1980er Jahren mit Hilfe zahlreicher Mundartsprecher und -sprecherinnen gesammelt worden sind. Innerhalb der Thematik des vorliegenden Sammelbandes mag die Beschäftigung mit Dialektphraseologie und dialektaler Phraseografie eine Randerscheinung darstellen, da sie keine Anwendungsmöglichkeiten, etwa für Zwecke der Übersetzung oder Phraseodidaktik, aufzuweisen hat. Doch ergeben sich aus der intensiven Beschäftigung mit dieser bis dahin neuen, unbekannten Materie einige Impulse für aktuelle phraseografische Fragestellungen. Mit dem genannten Lexikon wurde zunächst eine möglichst vollständige Dokumentation der noch wenig vom Hochdeutschen (Hd.) beeinflussten Phraseologie eines Basisdialekts angestrebt. Darüber hinaus konnten einige grundlegende linguistische Ziele verfolgt werden (s. weiter unten). Zugrunde lag der Gedanke, dass erst eine vollständige Materialbasis ein objektives Herangehen an die Fragen dialektphraseologischer Charakteristika ermöglicht. Die semantischen, kulturellen und pragmatischen Untersuchungen wurden deshalb jeweils anhand des gesamten Idiom-Inventars durchgeführt, größere Ausschnitte (u.a. gesamte Ausgangs- und Zieldomänen) mit den entsprechenden Ausschnitten der hd. Phraseologie verglichen. Den Zugriff auf das Gesamtinventar ermöglichte eine einfach strukturierte Datenbank. Mit Hilfe des Lexikonbandes sollten die linguistischen Analysen nachprüfbar und das Datenmaterial – exemplarisch für eine zuvor nicht beschriebene dialektale Varietät – für weiterführende Untersuchungen zugänglich gemacht werden. In den Jahren 1986–1992 waren die Voraussetzungen für eine Inventarisierung der im westmünsterländischen (wml.) Dialekt noch geläufigen Idiome4 günstig: Aufgrund der Randlage des Westmünsterlandes im Grenzgebiet zu den Niederlanden konnte sich dort eine konservative, kaum von Neuerungen betroffene niederdeutsche Variante besser als andere Dialekte gegenüber dem Hochdeutschen behaupten. Zugleich hatte das Interesse an der »alten Mundart« kurzfristig einen Aufschwung erfahren; mit großem Engagement haben die Dialektsprecher/innen vor allem der ältesten Generation an dem Projekt mitgewirkt, da dies nicht zuletzt einen Prestigegewinn ihrer zumeist noch als Erstsprache erlernten Muttersprache bedeutete. Durch intensive Befragungen (ausführlicher dazu in Abschnitt 4) war es möglich, die authentischen Idiomkenntnisse dieser letzten Sprechergeneration in großem Umfang zu ermitteln und in empirisch abgesicherter Form zu doku-
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rischer Linguistik und EDV-Philologie; es verbindet moderne Informationstechnologien mit interdisziplinären Interpretationen und den neuesten Kriterien der linguistischen Analyse. Zum Stand der Forschung s. Piirainen (2007a). Bisher sind zwei Monografien zur Dialektphraseologie erschienen: zum »Westmünsterländischen« (Piirainen 2000, s. weiter unten) und zum Lëtzebuergeschen, das historisch auf die westmoselfränkischen Mundarten zurückgeht (Filatkina 2005). Eine Beschränkung auf die Klasse der Idiome und der Ausschluss der ca. 700 wml. Parömien war aus mehreren Gründen erforderlich (vgl. Piirainen 2000, 1: 69ff.).
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mentieren. Vergleichbare Feldforschungen ließen sich heute nicht mehr durchführen. Lag die Dialektkompetenz in den 1980er Jahren noch bei rund 80% der Bevölkerung (Kremer 1983: 74ff.), so bewegt sie sich jüngeren Enqueten zufolge (Kremer/Van Caeneghem 2004) um weniger als zwei Prozent. Das Interesse an der Dialektphraseologie beschränkt sich nicht auf die Dokumentation dieser moribunden dialektalen Varietät; vielmehr handelt es sich hier um ein einzigartiges phraseologisches Material, das sich in vielen Aspekten von dem der bis dahin untersuchten Standardsprachen unterscheidet: Einige theoretische und praktische Konsequenzen, die sich aus der Analyse der Gesamtheit der dialektalen Phraseologie für weitere Forschungen ableiten lassen, wurden in Piirainen (2000, 1: 459–464) zusammengefasst. Einzelne Ansichten, die in der Phraseologieforschung als gesichert galten, darunter sog. »Universalien«, konnten durch die Hinzuziehung eines Dialekts, der nicht einmal zu einem »fremden« Kulturraum gehört, ergänzt oder modifiziert werden, z.B. die Hypothese der »doppelten Anthropozentriertheit«, die auf der großen Anzahl von »Somatismen« in der Phraseologie zuvor untersuchter Standardsprachen basierte.5 Im vorliegenden Beitrag werden weitere Beobachtungen erörtert, die sich möglicherweise für die Phraseografie von Standardsprachen nutzbar machen lassen. Dabei beschränken wir uns auf Fragen des Deutschen. Stellvertretend für andere phraseologische Wörterbücher wird hier Duden Band 11 herangezogen, und zwar in der 1. Auflage von 1992 (kurz: DU1) und der 2. Auflage von 2002 (kurz: DU2) sowie in der 3. Auflage von 2008 (kurz: DU3).
2. Usualisiertes Wortspiel Dass sich Phraseologismen, wie auch Zitate, Sprüche, Filmtitel usw., gut für Wortspielereien eignen, wurde oft hervorgehoben. Zumeist besteht das Sprachspiel in der potenziellen Ambiguität einzelner Elemente, die gleichzeitig in wörtlichen und figurativen Lesarten interpretiert werden können. In der phraseologischen Literatur wurde diesen individuellen, okkasionellen Modifikationen breiter Raum gewährt (z.B. Sabban 1998). Dass darüber hinaus auch lexikalisierte, d.h. vielen Teilhabern einer Sprachgemeinschaft geläufige Wortspiel-Phraseologismen existieren, trat erst durch die Beschäftigung mit der wml. Phraseologie in aller Deutlichkeit zutage. Durch Befragungen der Dialektsprecher/innen wurden über hundert Wortspiel-Idiome des Wml. ermittelt, die als allgemein geläufig einzustufen sind. Hierfür wurde der Terminus usualisiertes Wortspiel geprägt (Piirainen 1995a). Wie sich herausstellte, finden sich im Hochdeutschen fast ebenso viele usualisierte Wortspiele (vgl. Piirainen 1999), doch wurden sie kaum beachtet; phraseografische Unzulänglichkeiten sind offensichtlich (s. weiter unten). Auf die Unterschiede des usualisierten Wortspiels im Wml. und Hd., die vor allem in den pragmatischen Funktionen liegen (im
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Die dialektale Phraseologie schärft den Blick dafür, dass nicht alle Idiome mit Auge, Kopf, Bein, Zahn usw. »anthropozentrisch« sind, sondern ebenso »theriophor« sein, d.h. Körperteilbezeichnungen von Tieren als Konstituenten enthalten können (vgl. das weit verbreitete Idiom jmdm. die Zähne zeigen). Vielmehr sollte generell nicht von »phraseologischen Universalien« gesprochen werden, bevor nicht neben den bisher gut untersuchten ca. 25 Sprachen auch die »restlichen« ca. 6.475 Sprachen der Welt hinsichtlich ihrer Phraseologie umfassend beschrieben worden sind.
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Wml. oft erziehend, verhüllend, im Hd. eher um eines »komischen« Effektes willen) soll hier nicht eingegangen, sondern lediglich das Gemeinsame hervorgehoben werden. Zwei Typen des usualisierten Wortspiels sind in beiden Sprachformen zu unterscheiden: Modifikationen bereits bestehender fester Wendungen, vgl. (1) und (3), sowie eigenständige, nicht abgeleitete wortspielerische Phraseologismen, vgl. (2) und (4). (1) wml. maak di nich gröön, süss frett’t di de Schaope »mach dich nicht grün, sonst fressen dich die Schafe«. ‘mach dich nicht lächerlich, benimm dich vernünftig’ (2) wml. he spöllt Schüppen-Truuw »er spielt Piek/Schaufel-Trumpf« ‘er muss schwere körperliche Arbeit (mit der Schaufel) verrichten’ (3) hd. seine Brötchen verdienen ‘seinen Lebensunterhalt verdienen’ (4) hd. es rauscht im Blätterwald ‘die Presse macht großes Aufhebens von etw.’
Gemeinsames Merkmal der beiden Typen des usualisierten Wortspiels ist die Verletzung einer Norm, sei es als absichtliche Fehlinterpretation oder als simulierter Verstoß gegen Sprach- und Wissensstrukturen und damit zumeist ein Verstoß gegen die Gricesche Maxime der Eindeutigkeit der Aussage. Idiom (1) ist die scherzhafte Modifikation des Ausdrucks sik gröön maaken ‘sich unreif benehmen’. In verdeckter erzieherischer Absicht wird jemand davor gewarnt, sich ‘unreif’ zu benehmen und dadurch lächerlich zu machen, was auf der Nicht-Disambiguierung der Bedeutungen von gröön, ‘grün’ und ‘unreif, unerfahren’, beruht. So wird gröön in der primären Bedeutung mit der Gefahr verbunden, als Grünfutter gefressen zu werden. In gleicher Weise werden in Idiom (2) gleichzeitig zwei Bedeutungen des Wortes Schüppe aktiviert: ‘Piek im Kartenspiel’ und ‘Schaufel’. Ironie und Verhüllung des semantischen Resultats sind nicht zu verkennen: Harte körperliche Arbeit wird als ‘Kartenspiel’, als angenehme Freizeitbeschäftigung, hingestellt. Beispiel (3) ist eine Modifikation des Idioms sein Brot verdienen. Das Wortspiel basiert auf einem Verstoß gegen die im Konzept »Brot« enthaltenen Wissensstrukturen: Die symbolische Bedeutung ‘Existenzgrundlage, Lebensunterhalt’ geht weit über die eines Nahrungsmittels hinaus. Wenn Brot durch das Diminutiv Brötchen ersetzt wird, das ausschließlich in wörtlicher Lesart, als ‘kleines Brot’, interpretiert werden kann, so wird gegen das gesamte, in der bildlichen Ebene verankerte, usualisierte kulturelle Wissen verstoßen. Idiom (4) folgt dem in (1) und (2) aufgezeigten Prinzip. Zwei Bedeutungen von Blatt/ Blätter, im botanischen Sinn und als ‘Zeitung, Presse’, werden nicht disambiguiert, wobei gegen Kompatibilitätsnormen verstoßen wird. Blätter- sind nur als ‘Blätter des Baumes’ mit -wald semantisch verträglich, Wald wiederum nur in der primären Bedeutung mit rauschen, während sich die aktuelle Bedeutung6 des Idioms gerade auf Blätter im Sinne von ‘Presse’ erstreckt. Die Wörterbücher erwähnen diese Wortspiele nicht. Innerhalb des ersten Wortspieltyps heben sich im Wml. wie im Hd. die komparativen Phraseologismen als eigene Gruppe ab. Dieses Wortspiel beruht stets auf dem gleichen Schema.7 Das Vergleichsobjekt, links von der Partikel (wml. as, hd. wie), wird gleichzeitig
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»Aktuelle Bedeutung« wird hier im Sinne von ‘phraseologische Bedeutung’ oder ‘figurative Bedeutung’ verwendet. Dieser Wortspieltyp wurde in einer Reihe anderer Sprachen nachgewiesen, vgl. Dobrovol’skij/ Piirainen (2005: 101f.), sowie ausführlich dazu Piirainen (1999: 269–271).
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in zwei Lesarten aktiviert. Das Vergleichsmaß (rechts von der Partikel) ist jeweils nur mit einer Lesart kompatibel, und zwar nicht mit jener, die die aktuelle Bedeutung des Idioms konstituiert, vgl. (5) und (6). (5) wml. so uutgelaoten as ne Speckhasten »so ausgelassen wie eine Speckseite« ‘sehr ausgelassen, albern, übermütig’ (6) hd. blau sein wie ein Veilchen ‘(völlig) betrunken sein’
Das wml. Wort uutgelaoten ist ebenso wie hd. ausgelassen auf Personen bezogen ein Adjektiv; die Verben wml. uutlaoten bzw. hd. auslassen können in spezieller Verwendung auf ‘Speck’ bezogen werden (wml. dat Speck uutlaoten, hd. den Speck auslassen). Auf der Interaktion der beiden Wortkategorien, damit zweier nicht kompatibler Vorstellungen, beruht das Wortspiel in (5), das in beiden Sprachformen möglich, jedoch nur im wml. Dialekt usualisiert ist. In Idiom (6) steht blau für die Farbe und für ‘betrunken’. Das Vergleichsmaß, Veilchen, harmoniert nicht mit der Bedeutung ‘betrunken’, sondern nur mit der Farbbezeichnung. In Wörterbüchern und phraseologischen Studien wird dieses Wortspiel durchgehend nicht erwähnt. Eine besondere Schwäche besteht darin, dass ein Idiom wie (6) in eine Reihe gestellt wird mit weiteren Vergleichen, die zwar expressiv und komisch sein können, aber kein Wortspiel enthalten, z.B. in DU2: »blau sein (wie ein Veilchen/wie eine Frostbeule/wie eine (Strand)haubitze/wie eine Strandkanone/wie (zehn) tausend Mann/wie ein Eckhaus u. Ä.).«Außer mit Veilchen wird auch mit Frostbeule das Farbkonzept ‘blau’ evoziert und dadurch ein Wortspiel hergestellt; alle anderen Konstituenten dieser Reihe sind davon zu trennen. Defizite der Wörterbücher liegen darin, dass das usualisierte Wortspiel von den Bearbeitern zumeist nicht erkannt wurde.8 Unter den Vergleichen von Typ (6) wurde nur bei Einfälle haben wie ein altes Haus/wie ein alter (Back)ofen ‘sonderbare Einfälle haben’ in DU2 eine Verbesserung des Lexikoneintrags gegenüber DU1 vorgenommen, indem auf die Doppeldeutigkeit von Einfall hingewiesen wird. Bei den anderen Vergleichen (jmdn. ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, gerührt sein wie Apfelmus, gespannt sein wie ein Regenschirm usw.) müsste ebenfalls auf die Ambiguität des Vergleichsobjektes hingewiesen werden; DU3 weist hier keine Verbesserungen auf. Normverstöße des usualisierten Wortspiels lassen sich in drei Hauptgruppen zusammenfassen, die in der Phraseografie unterschiedlich behandelt werden müssten. Bei der ersten Gruppe beschränkt sich das Wortspiel auf eine Deformierung der Ausdrucksebene. So wird bei ent oder weder ‘Entscheide dich!’, einer absichtlich fehlerhaften Reproduktion von entweder oder, die formale Struktur durch falsche Segmentierung verletzt. Das Wortspiel hat semantische Konsequenzen, da das Wort oder ins Zentrum des Ausdrucks rückt, im Sinne von ‘das eine oder das andere’. Die zweite und größte Gruppe, bei denen das Wortspiel auf einem Verstoß gegen Kompatibilitätsnormen basiert, wurde bereits mehrfach erwähnt; zumeist wird die semantische Ambiguität einer Konstituente wortspielerisch genutzt, vgl. (7).
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Nur vereinzelt wird das Wortspiel in DU3 erwähnt, z.B. bei in die Suppe schauen mehr Augen hinein als heraus (»Wortspiel mit ‘Auge’ in der Bedeutung von ‘Fettauge’«), etw. aus der Armenkasse kriegen (»scherzhafte Anlehnung an den ‘Arm’, mit dem man jemandem etwas heimzahlt«), jmdm. durch Mark und Pfennig gehen (»ein Wortspiel mit dem Homonym ‘Mark’ als Währungseinheit«) und aus diesem kühlen Grund(e) (»Überlagerung der Homonyme ‘Grund’«).
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88 (7) über alle vier Backen grinsen/strahlen ‘uffallend froh, glücklich aussehen/auffallend breit grinsen’
Der Eintrag in DU3 über beide/(scherzh.) alle vier Backen grinsen/strahlen, der nicht zwischen Idiombasis und Wortspiel-Modifikation trennt, ist nicht korrekt. Aus synchronischer Sicht werden Backe ‘Wange’ und ‘Gesäßhälfte’ als das gleiche Wort empfunden, etymologisch ist beides zu trennen. Der Verstoß gegen Kompatibilitätsnormen liegt darin, dass Backe nur in der ersten Bedeutung, nicht aber als ‘Gesäßbacke’ mit grinsen, strahlen usw. kombinierbar ist. Bei der dritten Gruppe, einem Verstoß gegen bildliche Konventionen, ist nicht in erster Linie ein Einzellexem, sondern die gesamte bildliche Ebene betroffen, vgl. (8). (8) der Groschen fällt (bei jmdm.) pfennigweise ‘jmd. begreift nur langsam’
Bildliche Grundlage ist die Vorstellung von einem Warenautomaten, in den Geld eingeworfen wird. Der Sprachteilhaber weiß, dass der Groschen nicht »pfennigweise« fallen kann. Vielmehr wird mit dieser Modifikation des Idioms der Groschen fällt bei jmd. absichtlich gegen das im Bild enthaltene Wissen über Automaten verstoßen. Eine korrekte phraseografische Beschreibung des Idioms müsste Bemerkungen dieser Art enthalten. Die pragmatischen Funktionen solcher Wortspiel-Idiome erschöpfen sich nicht in der Markierung »scherzhaft«. Vielmehr sind für Benutzer eines phraseologischen Wörterbuchs die Angaben zum usualisierten Wortspiel deshalb wichtig, da die Ambivalenz (die NichtDisambiguierung verschiedener Lesarten, gleichzeitige Aktivierung zweier Konzepte und damit Verstoß gegen Kompatibilitätsnormen) für einen korrekten Sprachgebrauch zu berücksichtigen ist. Abschließend seien weitere Idiome mit einem Wortspiel genannt, die in DU3 noch nicht erfasst wurden, aber als usualisiert angesehen werden können, vgl. (9–13). (9) sämtliche Hühneraugen zudrücken ‘etwas nachsichtig, wohlwollend übersehen’ (Modifikation des Idioms beide Augen zudrücken) (10) mit Nichten und Neffen ‘keinesfalls’ (Modifikation von mitnichten) (11) an jmdm. ist Hopfen und Schmalz verloren ‘bei jmdm. ist alle Mühe umsonst’ (Modifikation von an jmdm. ist Hopfen und Malz verloren) (12) Hände und Füße über dem Kopf zusammenschlagen ‘über etw. entsetzt sein’ (Modifikation von die Hände über dem Kopf zusammenschlagen) (13) jmdm. fällt es wie Schuppen von den Haaren ‘jmdm. wird plötzlich etw. klar, jmd. hat plötzlich eine Erkenntnis’ (Modifikation von jmdm. fällt es wie Schuppen von den Augen)9
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Dieses Idiom biblischer Herkunft mag altmodisch wirken, ist in dieser Modifikation jedoch recht lebendig. Ähnlich verhält es sich mit dänisch i sit ansigts sved »im Schweiße seines Angesichts«, das häufig modifiziert wird zu i sit ansigts fodsved »im Fußschweiß seines Angesichts« (für den Hinweis danke ich Ken Farø).
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3. Gebrauchsrestriktionen Zu den noch nicht gelösten Problemen der Phraseologieforschung gehört die Frage, inwieweit die in der inneren Form eines figurativen Idioms fixierte Bildkomponente10 in seine aktuelle Bedeutung und Pragmatik hineinragt, demnach in die semantisch-pragmatische Beschreibung Eingang finden müsste. Mit »Bildkomponente« sind nicht die Etymologie oder das ursprüngliche Bild gemeint, sondern linguistisch relevante Spuren eines Bildes, die gegenwärtig von den meisten Sprachteilhabern noch nachvollzogen werden können. Es handelt sich um eine zusätzliche konzeptuelle Ebene, die bei figurativen Idiomen zwischen der wörtlichen Lesart und der aktuellen Bedeutung vermittelt. Zwar wird gegenwärtig kaum bezweifelt, dass sich Spuren der lexikalischen Struktur in der aktuellen Idiombedeutung bemerkbar machen können; dennoch ist es schwierig, dies tatsächlich an geeigneten Idiombeispielen, z.B. des Hochdeutschen, beweiskräftig zu untermauern. In ganz anderem Maße können zur Klärung dieses Problemkomplexes Idiome der wml. Mundart herangezogen werden. Hier steht eine Fülle von Beispielen zur Verfügung, die klare, in der Bildlichkeit begründete, Gebrauchsrestriktionen erkennen lassen. Die betreffenden Idiome wurden durch zusätzliche Tests und Befragungen sorgfältig überprüft, ihre pragmatischen Besonderheiten von den kompetenten Dialektsprechern/innen jeweils vollauf bestätigt. Bei Idiom (14) wurde eine Numerusrestriktion beobachtet. Ausgangskonzepte des agrarischen Wirtschaftens sind in der wml. Phraseologie reich vertreten, darunter die Domäne »Heuernte«: (14) wml. we/ih/se häbbt ‘t Höi up’n Balken »wir haben/ihr habt/sie haben das Heu auf dem Dachboden« ‘wir haben/ihr habt/sie haben etwas geschafft, glücklich zum Abschluss gebracht’
Mit Idiom (14) wird das gesamte Szenario des »Einbringens der Heuernte« evoziert. Das Heu musste in großer Eile, möglichst an einem Tag, eingefahren werden, da plötzlicher Regen Teile der Ernte hätte vernichten können. Nur innerhalb der nachbarschaftlichen Gemeinschaft konnte die schwere Arbeit (Beladen der Erntewagen, Hochstemmen des Heus durch die Dachbodenluke auf den Heuboden) bewältigt werden. Das bildliche Motiv des gemeinschaftlichen Einfahrens der Heuernte ist in der Weise wirksam, dass Idiom (14) eine Beschränkung des Gebrauchs auf den Plural (wir/ihr/sie) aufweist. Wiederholtes Nachfragen bei den Dialektkennern bestätigte, dass die Verwendung des Idioms im Singular (*de Magister häff ‘t Höi up’n Balken ‘der Lehrer hat etwas glücklich zum Abschluss gebracht’) ausgeschlossen sei: »Das klingt komisch, weil – die Heuernte kann ja nicht von einem allein gemacht werden«, wie klar formuliert wurde. Die korrekte semantische Paraphrase müsste etwa folgendermaßen lauten: ‘eine Gruppe von Personen hat etwas glücklich zum Abschluss gebracht, als wenn diese Personen das mühsame Einbringen der Heuernte gemeinschaftlich beendet hätte’. Für die hd. Entsprechung etw. unter Dach und Fach haben ‘etwas glücklich zum Abschluss gebracht haben’ nimmt Röhrich (1991: 298) die gleiche etymologische Herkunft, nämlich aus der »Erntebergung«, an.11
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»Bildkomponente« (oder »bildliche Komponente«) ist die Übersetzung von englisch »image component«. Ausführlich dazu Dobrovol’skij/Piirainen (2005: 15ff.). Laut DU3 »rührt sie vom Hausbau her«.
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Selbst wenn das Idiom früher in dieser Weise semantisch motiviert war, so ist die bildliche Herkunft verblasst und hat keine Spuren in der gegenwärtigen Bedeutung ozder Verwendungsweise hinterlassen. Ein Satz wie der Lehrer hat die Korrekturen unter Dach und Fach ist korrekt; ein Zusatz der Paraphrase ‘als ob er die Erntebergung zum Ende gebracht hätte’ wäre unangebracht. Es ist hier nicht der Ort, den Ursachen nachzugehen, weshalb sich in den bisher untersuchten Standardsprachen nur wenige überzeugende Beispiele für die Einwirkung der Bildkomponenten auf die aktuellen Bedeutungen finden lassen, der wml. Dialekt hingegen reiches phraselogisches Material dieser Art umfasst. Vielmehr soll auf die Bereicherung der Phraseologieforschung durch die Hinzuziehung anderer, zuvor nicht analysierter Sprachvarietäten hingewiesen werden. Am deutlichsten treten in der wml. Phraseologie geschlechtsspezifisch bedingte Gebrauchsrestriktion zutage. Im Verlauf der Materialgewinnung wurde der Blick immer deutlicher auf dieses Phänomen gelenkt, z.B. bei der Erhebung der Idiome des semantischen Feldes »Magerkeit« anhand von Fragebögen. Unter den 40 Idiomen dieses Feldes wurden einige nur mit dem Personalpronomen se,12 andere ebenso konsequent nur mit he angegeben, vgl. (15) und (16). (15) se kann sik achter’n Bessemstell ‘n räin Hemd antrecken »sie kann sich hinter einem Besenstiel ein sauberes Unterhemd anziehen« ‘sie ist sehr mager’ (16) he kann sik achter’n Schüppenstell verstoppen »er kann sich hinter einem Schaufelstiel verstecken« ‘er ist sehr mager’
Das hyperbolische Bild besteht darin, dass die Person derart mager ist, dass sie hinter dem Stiel eines Arbeitsgerätes nicht zu sehen ist. Dabei ist der Besen das prototypische Utensil der Frau, die Schaufel das des Mannes. Auch die Verbalphrase reflektiert einen Geschlechtsbezug: Das Konzept »das Unterhemd wechseln können, ohne dabei von anderen gesehen zu werden« macht nur Sinn in Bezug auf eine weibliche Person (der Mann dürfte beim Wechseln des Hemdes beobachtet werden). Die in der lexikalischen Struktur fixierte Bildkomponente ist in der Weise in der aktuellen Bedeutung präsent, dass sie eine Beschränkung des Bezugs entweder auf Männer oder auf Frauen bewirkt; dies ging aus den Interviews mit den Gewährspersonen klar hervor. Dubletten dieser Art begegnen in den bisher untersuchten Sprachen sehr selten, beschränken sich fast ganz auf Idiompaare wie im Adamskostüm vs. im Evaskostüm ‘ganz nackt’. In der wml. Phraseologie findet sich eine Reihe solcher Dubletten, jeweils bedingt durch die Bildkomponente (das Ausgangskonzept), seien es ein Kleidungsstück (»Jackett des Mannes« vs. »Rock der Frau«), Verhalten eines Tieres des Bauernhofes (»wütender Eber« vs. »wütende Bruthenne«, vgl. Anm. 12) oder herausragende Elemente der Arbeitswelt von Mann und Frau (»Pferd und Wagen« vs. »Küche, Kochen«). Diese und eine Fülle weiterer wml. Idiome mit geschlechtsspezifischen Gebrauchsrestriktionen wurden in Piirainen (1995b) beschrieben. Dies war der Impuls dafür, auch die
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Vergleichbares findet sich bei Lakoff (1987: 393), ohne dass der Autor sich dessen bewusst ist: Ein Idiom, das die konzeptuelle Metapher ANGER IS A DANGEROUS ANIMAL illustrieren soll, wird stets in Bezug auf eine weibliche Person zitiert, als That ruffled her feathers »das sträubte ihre Federn« ‘sie wurde sehr wütend’. Vermutlich wirkt das Bild der wütenden Bruthenne in die aktuelle Idiomsemantik und -pragmatik hinein; wegen der Abstraktheit der Beschreibungsebene wurde dieses von Lakoff jedoch nicht bemerkt.
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gesamte Phraseologie des Hochdeutschen auf Gender-Markierungen hin zu untersuchen. Es zeigte sich, dass das Deutsche rund 120 geschlechtsspezifisch markierte Phraseologismen aufweist (Piirainen 2001). Wie im Fall des usualisierten Wortspiels hatte sich dieses Phänomen der phraseologischen Forschung fast ganz entzogen; erst die Beschäftigung mit einem Basisdialekt schärfte den Blick hierfür. Einschränkend ist festzuhalten, dass sich im Gegenwartsdeutsch Nivellierungstendenzen bemerkbar machen, die zu Unsicherheiten in der Einschätzung der Gebrauchsbeschränkungen führen. Im Unterschied zum Wml. sind nur wenige Fälle unmittelbar auf die Bildkomponenten zurückzuführen, vgl. (17); weit häufiger sind es soziokulturelle Faktoren, die eine Restriktion bewirken, vgl. (18). (17) hd. jmdn. zum Altar führen ‘(eine Frau) heiraten’ (DU1/2) (18) hd. mit den Wimpern klimpern ‘Männern begehrliche Blicke zuwerfen’. »[...] Die Wendung geht davon aus, dass man beim Flirten die Wimpern senkt und hebt, mit den Wimpern gewissermaßen Klavier spielt« (DU1/2)
Die innere Form von Idiom (17) ist in der Weise stabil, dass der Geschlechtsbezug nicht in Zweifel steht: Mit der Bildkomponente wird ein Fragment des Weltwissens aktiviert, dem zufolge es sich nur um den Mann handeln kann, der (s)eine Frau zum Altar führt. Bei Idiom (18) treten die soziokulturellen Konventionen, die im Inhaltsplan des Idioms fixiert sind, stärker in den Vordergrund (im Standardfall ist es eine Frau, die »beim Flirten die Wimpern senkt und hebt«). Der Kommentar im Duden-Eintrag ist insofern inkorrekt, als mit dem Pronomen man (statt z.B. eine Frau) eine Geschlechtsneutralität suggeriert wird. Weitere gravierende lexikografische Defizite wurden in Piirainen (2001) aufgezeigt; der Artikel wurde für die Neuauflage des Duden Band 11 (2002) herangezogen. In einigen Fällen wurden deutliche Änderungen vorgenommen, z.B. bei Haare auf den Zähnen haben: Gegenüber »bissig (und bösartig) sein; schroff (und rechthaberisch) sein« in DU1 hat in der Neuauflage die Gender-Restriktion Eingang in die semantische Interpretation des Idioms gefunden: »(in Bezug auf weibliche Personen) von schroffer, herrschsüchtiger, aggressiver Wesensart sein und sich auf diese Weise behaupten«.13 Oft beschränken sich die Änderungen in DU2 jedoch auf den Ersatz der Markierung ‘ugs’. (‘umgangssprachlich’), durch ‘salopp’. In anderen Fällen hat DU2 den gesamten Eintrag eliminiert, so im Fall von lange Haare, kurzer Verstand. Kritisiert worden waren die Bedeutungsbeschreibung »bissige Bemerkung einem Menschen gegenüber, der seine Haare lang trägt und der etwas Törichtes sagt oder tut« und das Anwendungsbeispiel Was kannst du von diesen Hippies anderes erwarten? Lange Haare, kurzer Verstand, die nicht die
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In einigen Fällen wurde der Geschlechtsbezug präzisiert, z.B. bei seine Lenden gürten »(von männlichen Personen) sich bereitmachen, sich (zum Ausgehen) anziehen« (DU2; in DU 1 fehlt der Hinweis auf »männliche Personen«; in DU3 findet sich der Eintrag nicht), bei hasch mich, ich bin der Frühling! »Bemerkung, mit der die jugendliche Aufmachung einer älteren, bes. weiblichen Person kommentiert wird« (DU2 und DU3), statt »Bemerkung, mit der man das zu jugendliche Äußere oder Gebaren eines Menschen ironisiert« (DU1), oder bei der zweite Frühling »(bes. in Bezug auf männliche Personen) Periode im reifen Alter, in der man sich noch einmal verliebt« (DU2; in DU3 wurde der Bezug auf männliche Personen wieder entfernt).
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Sprachrealität, sondern den Versuch, nicht frauenfeindlich zu wirken, reflektieren (Piirainen 2001: 287). Zwar sind (vormalige) konventionalisierte gesellschaftliche Bezüge in der Phraseologie des gegenwärtigen Deutsch nicht mehr in gleicher Weise fassbar wie in der des wml. Basisdialekts; dennoch müsste eine exakte lexikografische Beschreibung in jedem Einzelfall auf potenzielle Gebrauchsrestriktionen hinweisen, seien es Idiome mit Bildkomponenten aus den Bereichen »Jagd« (mit allen Hunden gehetzt sein) oder »Kleidung des Mannes« (aus dem Anzug fallen; (sich) einen unter das Jackett brausen) oder auch Idiome, die textuell der Vorstellungswelt von »Indianergeschichten« verhaftet sind, bei denen ein Bezug auf weibliche Personen nicht zu erwarten ist (in die ewigen Jagdgründe eingehen), ebenso bei Idiomen eines bestimmten biologisch-physiologischen (jmdm. an die Wäsche gehen, eher von einer männlichen Person) oder soziokulturell bedingten Referenzbereiches (in den Tuschkasten gefallen sein, eher von einer weiblichen Person). In DU2 sowie DU3 fehlen jegliche Hinweise auf derartige Referenzrestriktionen.14 Stattdessen sind andere Abänderungen der Artikelstruktur gegenüber DU1 zu beobachten. S. dazu den folgenden Abschnitt.
4. Informantenbefragungen vs. Arbeit mit Textkorpora und Internet Auch die Beispiele (19–20) berühren den Komplex möglicher geschlechtsspezifischer Gebrauchsrestriktionen. Die Neuerungen der Duden-Neuauflage gegenüber DU1 erstrecken sich auf die Hinzufügungen weiterer Bedeutungsaspekte, die gleichfalls problematisch erscheinen. (19a) auf Brautschau gehen ‘eine Ehefrau suchen’ (DU1) (19b) auf Brautschau gehen »1. eine (Ehe)Partnerin suchen, 2. (während der Paarungszeit) ein Weibchen suchen, 3. (Wirtsch.) (mit dem Ziel einer Fusion oder Übernahme) sich um Interessenten bemühen« (DU2, DU3) (20a) auf Freiersfüßen gehen ‘sich eine Frau zum Heiraten suchen’ (DU1) (20b) auf Freiersfüßen gehen/wandeln o. Ä. ‘1. (meist von männlichen Personen) einen Ehepartner suchen, 2. (Wirtsch.) mit dem Ziel einer Fusion oder Übernahme sich um Interessenten bemühen’ (DU2, DU3)
Über das Zustandekommen der neuen Bedeutungsangaben wird explizit nichts mitgeteilt. Dass sie aufgrund von Internet-Recherchen eruiert wurden, geht aus den Textbeispielen hervor, die ausnahmslos aus Webseiten stammen. Die Bearbeiter der betreffenden Lexikonartikel haben offensichtlich versucht, durch dieses Medium eine Antwort auf die Frage zu
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Zu überdenken ist auch hier (wie beim Wortspiel) der Usus der Wörterbücher, »austauschbare« (pseudosynonyme) Konstituenten in einem Eintrag zusammenzufassen, vgl. jmdm. Honig um den Bart/ums Maul/um den Mund schmieren, von denen die Version mit Bart eine Beschränkung auf männliche Personen aufweisen könnte.
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finden, ob die Gender-Markierungen im Gegenwartsdeutsch noch vorherrschend sind oder nicht. Statt einer Antwort auf diese Frage ergeben sich jedoch neue Probleme. Repräsentiert wird nicht die Sprache, wie sie im mentalen Lexikon der Sprachteilhaber gespeichert ist, sondern wie sie in eng begrenzten fachsprachlichen Textsorten (z.B. der Zoologie, Wirtschaft) der Webseiten zutage tritt. Eine Umfrage zur Spontansprache (»Was bedeutet Ihrer Meinung nach die Redewendung auf Brautschau gehen?«) würde vermutlich weder das Paarungsverhalten von Tieren noch die Fusionen von Konzernen ins Zentrum der Idiombedeutungen rücken.15 Für die Materialgewinnung der wml. Phraseologie konnte weder aus Wörterbüchern noch aus Internet- oder Textkorpora geschöpft werden. Die wenigen in der Mundart verfassten Texte (Heimatgedichte u.Ä.) erwiesen sich als unergiebig für die Suche nach dialektalen Idiomen. Gleiches galt für eine umfangreiche Sammlung von Tonbandaufnahmen, die für volkskundliche Forschungen angefertigt worden waren. Zwar handelt es sich hier um authentische Spontansprache, doch kann nicht jede Wortfügung, die in der Tonbandaufnahme eines einzelnen Sprechers vorkommt, sofort als Idiom der wml. Mundart angesehen werden, vielmehr muss ihre Usualisiertheit anschließend von einem größeren Kreis von Dialektsprechern bestätigt werden.16 Deshalb wurden für die Sammlung der wml. Idiome unmittelbar die Methoden der Informantenbefragungen angewandt. Es stand ein Kreis von rund 50 älteren kompetenten Mundartkennern aus unterschiedlichen Ortschaften und Berufsschichten zur Verfügung. Durch Überprüfungen und Ergänzungen des gesammelten Materials wurde ein relativ vollständiges Inventar der dialektalen Phraseologismen ermittelt. Zentral für die Erhebungen war einerseits die Spontansprache: In den regelmäßig organisierten Gesprächsrunden ging es jedoch nicht um die Beobachtung ungesteuerter Gespräche, sondern um »gelenkte« sprachliche Situationen, die z.B. auf Idiome eines semantischen Feldes abzielten (»Wie würden Sie sagen, wenn jemand zum Beispiel...«). Andererseits brachten die indirekten Befragungen anhand von Fragebögen, die von den Gewährspersonen mit weiteren Experten der Mundart gewissenhaft ausgefüllten worden waren, zuverlässige Ergebnisse. Im Kontext dieses Beitrags und des Sammelbandes insgesamt soll kurz erörtert werden, ob sich die positiven Erfahrungen mit jenen schon seit langem bewährten Befragungsmethoden nicht auch für eine Verbesserung der modernen Phraseografie nutzen ließen.17 Dazu wiederum ein Beispiel, bei dem in der Duden-Neuauflage Änderungen vorgenommen wurden, vgl. (21):
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Die Beispiele zeigen allenfalls eine Affinität zu einer »regulären Polysemie« (s. weiter unten), da Ausdrücke, die Konzepte wie ‘Ehe, Partnerschaftsbeziehung’ versprachlichen, oft auf Verbindungen anderer Art bezogen werden. So finden sich die Wörter Ehe oder Scheidung in der aktuellen Presse weitaus häufiger für Zusammenschluss bzw. Entzweiung von Firmen, Konzernen u.ä. als von Personen. Zur Problematik, Aufnahmen eines einzelnen Sprechers für die Ermittlung regionalsprachlicher Idiome heranzuziehen, vgl. Korhonen (1992): Als Bezugssystem (»Gemeinsprache«) gelten die Einträge in den Wörterbüchern, Abweichungen davon im gesprochenen Text als »südwestdeutsch«, vgl. gemeinsprachlich kein Blatt vor den Mund nehmen vs. südwestdeutsch da nimm i’ gar kai’ Blatt fir d’s Moul (Korhonen 1992: 56). Die Dialektforschung ist seit mehr als 125 Jahren mit Techniken der Befragung und Erhebung aktueller gesprochener Sprache, deren datentechnischer Aufbereitung und Kartierung vertraut (vgl. Wenker 1881).
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(21a) die große Grätsche machen »sterben« (DU1) (21b) die (große) Grätsche machen/in die Grätsche gehen »1. sterben. 2. (von Computern, Computerprogrammen) abstürzen, überlastet sein« (DU2, DU3)
Dieses Idiom war Gegenstand einer anderen Untersuchung, der 2000–2001 durchgeführten »Umfrage zur Bekanntheit von Redensarten in verschiedenen Regionen Deutschlands«.18 Außer dem Hauptziel, Fragen der Diatopik zu klären (s. Abschnitt 5), wurde nach Wendungen bestimmter semantischer Felder gefragt, u.a. nach Idiomen für ‘sterben’. Idiom (21a) wurde von einem Drittel der Befragten (vorwiegend aus dem nördlichen und mittleren deutschen Sprachraum) als bekannt gemeldet, und zwar in den Formen die Grätsche machen/eine Grätsche machen/die ewige Grätsche machen. Oft wurde hinzugefügt, das Idiom werde nicht auf Personen, sondern eher auf Sachen bezogen, die kaputt gehen (z.B. das alte Kleid/das Sofa/der Keilriemen/der Staubsauger/... hat die Grätsche gemacht). Dem Eintrag in DU2 bzw. DU3 werden (ähnlich wie bei (19b) und (20b)) Textbeispiele aus dem Internet hinzugefügt; diese erstrecken sich inhaltlich nur auf Computer und Computerprogramme. Offensichtlich besteht innerhalb der Textsorte »Webseiten« kein Bedarf, das Unbrauchbarwerden von Kleidern/Sofas/Keilriemen/... idiomatisch zu benennen. Festzuhalten bleibt, dass die zweite Bedeutungsangabe in der Neuauflage nicht der Sprachwirklichkeit entspricht, sondern ein Konstrukt anhand einer viel zu schmalen Textbasis darstellt; mit Hilfe einer einfach strukturierten Befragung der Sprachteilhaber selbst hätte ein besseres Ergebnis erzielt werden können. Es handelt sich hier um den bekannten Fall einer »regulären Polysemie« (vgl. Apresjan 1972): Viele Idiome des semantischen Feldes »sterben«, auch in anderen Sprachen, tendieren zur Entwicklung sekundärer Bedeutungen wie 1. ‘aufhören zu existieren (z.B. von Institutionen, Unternehmen)’ und 2. ‘unbrauchbar werden (von Gegenständen)’ (vgl. den Geist aufgeben; das Zeitliche segnen; ins Gras beißen;19 in den letzten Zügen liegen; weitere Beispiele in Piirainen 2002, 2003a). Ein korrekter phraseografischer Eintrag müsste diese Tatsache in die semantische Beschreibung des Idioms (21) einbeziehen. Mit Beispiel (21) sollte gezeigt werden, dass für adäquate semantische Beschreibungen die Analyse von Internetbelegen (oder auch Textkorpora) oft nicht ausreicht, sondern – zumindest als Korrektive – aktive und passive Informantenbefragungen durchgeführt werden müssen.20 Häufig lässt sich eine Diskrepanz zwischen der »spontansprachlichen« Einschätzung eines Idioms oder einer Kollokation und ihrem Vorkommen in Textkorpora beobachten,
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Die Umfrage beruht auf einem 10seitigen Fragebogen, der von 3.000 Personen aus dem gesamten Raum der Bundesrepublik Deutschland ausgefüllt worden war (ausführlich dazu: Piirainen 2003b, c). Bei ins Gras beißen findet sich (Analysen z.B. der Mannheimer Korpora zufolge) eine fachsprachliche Bedeutungsentwicklung im Rasensport (besonders Fußball, Golf, (Rasen-)Tennis, nicht in anderen Sportarten) hin zu ‘verlieren, unterlegen sein, absteigen’. Der intensive Gebrauch von Wortspielen mit Idiomen, u.a. in den Printmedien, scheint sich auch hier bemerkbar zu machen (das anfängliche Spiel mit Gras und Rasensport, mit den wörtlichen und phraseologischen Bedeutungen, scheint in der Textsorte »Rasensport-Berichterstattung« bereits usualisiert zu sein); vgl. Stathi (2006). Hier sei auf Filatkina (2005: 401ff.) verwiesen, die sich ausführlich mit der Erfassung der »mental präsenten« Phraseologismen des Lëtzebuergeschen und der Lösung praktischer lexikografischer Fragen anhand von Befragungen und Textkorpusanalysen befasst.
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z.B. beim Wort eingefleischt: Dem Leipziger »Wortschatz« [www.wortschatz.unileipzig.de] zufolge bilden Wörter der semantischen Klasse »Anhänger« (Fan, Anhänger, Liebhaber, Fußballfan, Eintracht-Fans, HSV-Fan, Opernfans, Wagnerianer, ...) den größten Teil der Kookkurrenzen, erst viel später gefolgt von Vegetarier und Junggeselle. Im Unterschied dazu ergab eine einfach gestaltete Umfrage unter Studierenden deutscher Muttersprache, dass Junggeselle die zentrale kollokative Basis darstelle, und zwar für alle Befragten. Am Rande wurde auch der eingefleischte Vegetarier erwähnt; möglicherweise ist das Wortspiel mit Vegetarier (der kein Fleisch verzehrt) und eingefleischt bereits auf dem Wege, usualisiert zu werden. Ein ähnliches Bild zeigt die phraseologische Konstituente Sitzfleisch: Laut »Wortschatz« ist Soltau (der Name einer Stadt in Niedersachsen) die mit Abstand häufigste Kookkurrenz, gefolgt von Pfahlsitzen, Pfahlsitzer und Weltmeisterschaft. Offensichtlich sind die Korpusbelege speziellen Texten und textbildenden Potenzen des Elements Sitzfleisch verhaftet: In den Presse-Berichterstattungen über das »Pfahlsitzen« im Heide-Park Soltau wird die Konstituente Sitzfleisch21 gern (in pseudowitziger Absicht) in ihrer wörtlichen Lesart, außerhalb ihres phraseologischen Kontexts, verwendet. Mit diesen Beispielen soll auf die Problematik hingewiesen werden, Textkorpora als einzige Quelle für die semantische Beschreibung von Phraseologismen in Wörterbüchern heranzuziehen (wie im Fall (21)). Zwar bewähren sich korpuslinguistische Methoden bei der Beschreibungen struktureller Phänomene, z.B. der Passivierbarkeit oder der Valenzen von Idiomen. Bei semantischen Analysen hingegen ist die Tatsache zu berücksichtigen, dass es sich bei vielen der in Texten auftretenden Phraseologismen um okkasionelle Modifikationen seitens der betreffenden Autoren handelt,22 was in dem fortwährenden Spiel mit den literalen und figurativen Bedeutungen phraseologischer Elemente in Texten zutage tritt.23 Das Aussondern all jener Textprodukte, in denen Phraseologismen in vermutlich textbildender Absicht modifiziert wurden, von jenen, die für eine Analyse auf der Systemebene geeignet sind, scheint nicht frei von Introspektion zu sein, zumal die Textproduzenten selbst zumeist nicht nach ihren textgestaltenden Intentionen befragt werden können.
5. Diatopische Markierungen Das wichtigste Ziel der oben genannten »Umfrage zur Bekanntheit von Redensarten« war es, für Idiome, die vermutlich regional begrenzt sind, eine exaktere Lokalisierung vorzunehmen. Die deutsche Sprache unterscheidet sich – wie in der germanistischen Linguistik seit langem bekannt ist – von anderen westlichen Kultursprachen deutlich dadurch, dass
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Dass im obersächsisch-thüringischen Raum auch die Variante Sitzefleisch haben (mit Fugen-e) in Umlauf ist, konnte ebenfalls nur durch Befragungen ermittelt werden (vgl. Abschnitt 5). Vgl. die Unterscheidung zwischen standardmäßiger, kreativer und fehlerhafter Modifikation und die Analyse der »projizierten Intention« des Sprechers bei Dobrovol’skij (2001). In den Arbeiten mit Textkorpora treten sie in großem Umfang auf, vgl. z.B. Kramer (2006) oder Fellbaum et al. (2006); die Autorinnen unterscheiden allerdings nicht zwischen »Modifikation« und »Varianten«.
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sich der Geltungsbereich vieler lexikalischer Elemente nicht auf den gesamten Sprachraum erstreckt. Die Phraseologieforschung nimmt dieses Phänomen erst seit Kurzem zur Kenntnis, so dass umfangreiche empirische Untersuchungen dazu noch fehlen und phraseografischen Institutionen wie der Dudenredaktion kaum verlässliche Informationen zur Verfügung stehen. Fragen der diatopischen Markierung von Idiomen lassen sich weder durch Introspektion noch durch Analysen von Textkorpora beantworten. Hier erwiesen sich – ähnlich wie bei der Erhebung der Dialektphraseologie – umfangreiche Fragebogenaktionen als wirksames Mittel. Den Ausgangspunkt bildeten u.A. Idiome, die in DU1 mit Angaben wie »landschaftlich«, »norddeutsch«, »süddeutsch« versehen waren. Mitglieder der Dudenredaktion hatten sich aktiv an den Umfragen beteiligt. Für die Neuauflage DU2 lagen zwar noch keine Einzelergebnisse des Projekts vor, doch konnten bereits mehrere Verbesserungen der diatopischen Angaben vorgenommen werden. So wurde der Ersatz des unspezifischen »landsch.« durch »thüringisch, obersächsisch« für (k)einen (langen) Ruß machen ‘(keine) Umstände machen’ bzw. durch »besonders ostmitteldeutsch«24 für bei jmdm. abgegessen haben seitens der Umfrage als zutreffend bestätigt. Ähnliche Angaben hätte man sich für weitere Fälle gewünscht, z.B. für Schliff backen ‘mit etwas scheitern, Misserfolg haben’, noch nicht in dem Topf sein, wo es kocht ‘noch nicht richtig im Gang sein’ oder für nas ‘umsonst, ohne Eintrittsgeld’, die nach Auskunft der Probanden ebenfalls eindeutig auf den thüringisch-obersächsischen Raum begrenzt und darüber hinaus nicht in Umlauf sind (vgl. Piirainen 2003b: 208ff.). Aufgrund einiger, in den Umfragebögen genannter, Idiome wurde in der DudenNeuauflage kurzerhand »besonders berlinisch« hinzugefügt, was nicht der Sprachrealität entspricht, so bei (22–23): (22a) Fettlebe machen (landsch.) ‘gut und üppig essen, angenehm leben’ (DU1) (22b) Fettlebe machen (landsch., bes. berlin.) ‘gut und üppig essen, angenehm leben’ (DU2, DU3) (23a) da ist das/ein Ende von weg! (ugs.) ‘das ist unvorstellbar, unglaublich, unerhört’ (DU1) (23a) da ist (doch) das Ende von weg! (landsch., bes. berlin.) ‘das ist unglaublich, unerhört’ (DU2, DU3)
In beiden Fällen stellt die Neuerung in DU2 bzw. DU3 eine Verschlechterung des phraseografischen Eintrags dar. Der Geltungsbereich von Idiom (22) ist den Umfrageergebnissen zufolge klar auf den Raum Obersachsen beschränkt, während Idiom (23) in ganz Norddeutschland geläufig ist. Die Beispiele zeigen, dass die Diatopik zu den am stärksten vernachlässigten Bereichen der germanistischen Phraseologieforschung gehört, was sich in der fehlerhaften phraseografischen Praxis allzu deutlich bemerkbar macht.25 Doch ist die Erhebung des regionalen Vorkommens von Idiomen heutzutage wesentlich einfacher als noch vor ein paar Jahren. Wie die Arbeiten am Atlas der deutschen Alltagssprache (AdA, vgl. Elspass 2005) zeigen, ist es mit gegenwärtigen Online-Verfahren leicht und nicht einmal kostenaufwändig, aktuelle sprachliche Zustände in großem Umfang empirisch zu erforschen, diese stets auf den neuesten Stand zu bringen und in die lexiko-
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Worin die Abgrenzung von »ostmitteldeutsch« gegenüber »thüringisch, obersächsisch« besteht, wird nicht mitgeteilt. Da Duden (und andere kommerzielle Wörterbuchunternehmungen) selbst keine empirischen Forschungen betreiben, sind sie auf die Daten angewiesen, die ihnen die Sprachforschung zur Verfügung stellt.
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grafische Praxis zu übernehmen. Das Ausfüllen der Online-Fragebögen hat, wie es heißt, »den Beteiligten Spaß gemacht« (Elspass 2005: 20); auch hierin ist eine Parallele zur Mitarbeit der westmünsterländischen Dialektkenner an der Erhebung der dialektalen Phraseologie zu sehen. Eine Einbeziehung von Idiomen in die Online-Fragebögen des AdA (bzw. ein vergleichbares Projekt der Phraseologieforschung) würde einen großen Schritt nach vorne bedeuten. Wenn ein ähnliches Projekt für den Geltungsbereich von Idiomen im deutschsprachigen Raum begründet würde, so könnten die Einträge in Wörterbüchern mit zuverlässigen Angaben zum arealen Geltungsbereich versehen und dadurch erheblich verbessert werden. Zum Abschluss sei die Erweiterung des Blickfeldes von wenigen Einzelsprachen auf ein weit größeres, übereinzelspachliches Areal, und zwar auf das Vorkommen bestimmter Idiome in vielen Sprachen Europas und darüber hinaus, das zurzeit anhand groß angelegter Fragebogenaktionen erforscht wird, genannt.26 Ersten Ergebnissen zufolge lässt sich die Existenz »weit verbreiteter Idiome« (d.h. von Idiomen mit einer sehr ähnlichen lexikalischen und semantischen Struktur) in einem weit größeren Areal als dem einiger benachbarter bzw. verwandter (bisher gut erforschter) Einzelsprachen nachweisen, und zwar z.T. in 50, 60 oder mehr europäischen und außereuropäischen Sprachen. Auch für diese Thematik konnte die Beschäftigung mit der Phraseologie des Westmünsterländischen, u.a. die Entwicklung und zielorientierte Anwendung verschiedener Befragungsmethoden, einige Impulse für die noch bevorstehenden Aufgaben geben. Möglicherweise kann auch die Kenntnis der interlingualen Verbreitung von Idiomen in zukünftige phraseologische Wörterbücher Eingang finden.
6. Schlussbemerkung Dass die Phraseologieforschung seit dem letzten Jahrzehnt ihres nunmehr fast 100jährigen Bestehens einen Aufschwung erfahren hat, ist nicht zu übersehen. Phraseologie ist nicht nur ein internationales, sondern auch ein interdisziplinäres Forschungsgebiet: Außer Fachrichtungen wie Psycholinguistik und Kognitionswissenschaften, wie Anthropologie und Soziolinguistik, dringen in jüngerer Zeit auch Aspekte der Metapherntheorie und Framesemantik, Informations- und Kulturwissenschaften, Semiotik und Genderlinguistik in das phraseologische Forschungsspektrum vor. Favorisiert wird in diesem Beitrag ferner die Einbeziehung der Erkenntnisse und Methoden der Dialektologie, Areallinguistik und Eurolinguistik. In diesem Artikel sollte darauf hingewiesen werden, dass die vordringlichen Aufgaben der Phraseologieforschung zurzeit nicht darin bestehen, neue Theorien zu erarbeiten. Vielmehr gibt es einen Nachholbedarf in verschiedenen Bereichen der empirischen Forschung, was auch in zahlreichen Defiziten phraseologischer Wörterbücher zu erkennen ist, da viele Aspekte der tatsächlichen Existenz und Beschaffenheit von Phraseologismen noch gar nicht bekannt sind. Hierzu gehören die Erforschung der Phraseologie von Dialekten, regionalen Umgangssprachen und anderen Varietäten ebenso wie eine verstärkte Hinwendung zur
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Vgl. das Projekt »Widespread Idioms in Europe and Beyond« (Piirainen 2008); [www.piirainen. homepage.t-online.de], [www.widespread-idioms.uni-trier.de].
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Spontansprache und Sprachwirklichkeit, die nicht allein auf der Basis von Schriftlichkeit und Textkorpora, sondern maßgeblich durch Auskünfte der Sprachteilhaber selbst geleistet werden können.
*** Für wertvolle Ratschläge bedanke ich mich bei Natalia Filatkina, Britta Juska-Bacher und Kerstin Knop.
7. Literatur (a) Wörterbücher DU1 (1992) = Duden Bd. 11. Duden. Redewendungen und sprichwörtliche Redensarten. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. Mannheim et al: Dudenverlag. DU2 (2002) = Duden Bd. 11. Duden Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. Mannheim et al.: Dudenverlag. DU3 (2008) = Duden Bd. 11. Duden Redewendungen. Wörterbuch der deutschen Idiomatik. 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Mannheim et al.: Dudenverlag. Röhrich, Lutz (1991): Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 3 Bände.– Freiburg et al: Herder Verlag.
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Hans Schemann
Zur Anlage idiomatischer Wörterbücher – einige Maximen und Reflexionen
Abstract In this paper 1 we focus on four main issues: (1) the form of the dictionary entries; (2) the secondary alphabetical arrangement; (3) the examples; (4) synonymy. These questions are very important for an idiomatic and non-idiomatic dictionary of the future. The first question (the form of the dictionary entries) stresses the absolute necessity of specifying the essential (in contrast to the optional) constituents of an idiomatic expression, its variant forms and its speech act restrictions in a visually distinct and clear manner. The second question (the secondary alphabetical arrangement) demonstrates that practically all non-idiomatic and a great many idiomatic dictionaries reveal a grave flaw, namely they do not present any alphabetical scheme for the arrangement of the idiomatic expressions with the same lemma or they do not make consistent use of it. Consequently one has difficulty finding an expression one is looking for or one doesn’t even begin looking. A wealth of idiomatic material recorded in dictionaries is not put to good use. In the third question I discusse the value and the form of the examples and their relationship to the meaning. The fourth question takes the (less-known) fact that a natural language consists of a good many (perfectly) synonymous idiomatic expressions as a starting-point and raises key questions for the compilation a future dictionary. It follows from the considerations made concerning the above-mentioned aspects that idiomatic lexicography and lexicology and general lexicography and lexicology are to be studied in unison; from this perspective the former gains a pioneer role.
1. Vormerkungen Der Titel des Beitrags ist bewusst locker gehalten; es geht mir im Folgenden lediglich um einige wenige Probleme, die sich mir im Zusammenhang mit idiomatischen Wörterbüchern immer wieder gestellt haben und die ich als besonders schwerwiegend ansehe. Sie sind zum guten Teil ziemlich allgemeiner Natur. Um sich in breiterem Umfang angesichts der neuen Situation auch in Zukunft durchzusetzen, muss ein idiomatisches (Groβ-)Wörterbuch, wie mir scheint, insbesondere zwei Voraussetzungen erfüllen: 1.
Es muss im höchsten Maβe nützlich und nur schwer, wenn überhaupt, durch andere Materialien zu ersetzen sein. Ja, gerade umgekehrt ist wünschensert, dass andere Materialien das, was es liefert, ergänzen, didaktisch nutzen, für bestimmte Arbeiten gezielt auswerten, u.ä.
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Diese Arbeit ist im Rahmen eines mit FEDER-Geldern subventionierten Forschungsprojekts vom spanischen Ministerio de Educación y Ciencia (HUM2007-62198/FILO) zu deutsch-spanischer Phraseografie entstanden, das an der Universität Santiago de Compostela unter der Leitung von Carmen Mellado Blanco durchgeführt wird.
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Es muss leicht, narrensicher und rasch zu handhaben sein.
Dazu stellt sich die Frage, inwieweit die aktuelle Situation der Wörterbücher nicht eine zunehmende Integration der idiomatischen Wörterbücher in die allgemeinen Wörterbücher nahe legt oder sogar erfordert. Unter diesen Prämissen beschränke ich mich im folgenden grosso modo auf vier Fragestellungen, die ich für ein idiomatisches und nicht-idiomatisches Groβwörterbuch der Zukunft für die entscheidenden halte; von der anders gelagerten Situation von mehr oder weniger stark reduzierten Auswahlidiomatiken sehe ich dabei also ab: 1. 2. 3. 4.
Die Form der Einträge. Das (sekundäre) Alphabetisierungsschema. Die (Kontext-)Beispiele. Die Synonymie.
2. Die Form der Einträge Ich kann mich hier kurz fassen, da die Einführungen in die von mir erarbeiteten und herausgegebenen Idiomatiken meine Gedanken anhand von Beispielen detailliert entwikkeln.2 Wenn aus der Form des Eintrags nicht eindeutig hervorgeht, welche Konstituenten eines Ausdrucks notwendig sind, d.h. ihn (überhaupt erst) konstituieren, und welche fakultativ, d.h. zugefügt oder weggelassen werden können, und welche Varianten der Ausdruck hat, ist das Wörterbuch zumindest für Nicht-native-speaker und für didaktisch-pädagogische Zwecke (insbesondere an der Schule und verwandten Institutionen) kaum zu empfehlen. Anhand der Varianten lässt sich im Übrigen sehr schön der prinzipielle Unterschied zwischen dem systematisch-regelmäβigen (»semantischen«), d.h. begrifflich definierbaren und dem unregelmäβigen, an spezifische Lexeme gebundenen, daher »lexematischen« Kontext sehr schön entwickeln – ein Unterschied, der zu den wichtigsten strukturellen Erscheinungen der menschlichen Sprache gehört und gerade auch für das Sprachlernen und für die Vervollkommnung der Sprachkompetenz von gröβter Bedeutung ist.3 Besonders hingewiesen sei hier auch auf die unbedingt erforderliche Markierung der pragmatischen Restriktionen.4 Wörterbücher, die die Nennform im Infinitiv angeben (z.B. in den Wind schieβen) lassen damit Sätze zu wie *Wie von der Tarantel gestochen schoss Klein-Emma plötzlich in den Wind, *Karlchen schoss gestern drei Stunden lang in den Wind u.ä. Sätze, die ein Ausländer ahnungslos bildet, wenn er nicht weiβ, dass der Ausdruck auf den Sprechakt der »(ärgerlichen) Zurückweisung (des Hörers)« beschränkt ist. Doch nicht nur Ausländer und Sprachlernende greifen hier daneben... Trotz der Fülle an lexikologischen Anregungen sündigen zahllose phraseologische und nicht-phraseologische Wörterbücher in diesem Punkt nach wie vor gegen das Einmaleins der Lexikologie.
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In den zweisprachigen Idiomatiken auch in der jeweiligen Zielsprache. Vgl. dazu Schemannn (2003: Kap. B, I); dort reiche Literaturangaben. Dazu Schemann (2003: Kap. B, II, 3) ; ebenfalls weiterführende Literatur.
Zur Anlage idiomatischer Wörterbücher – einige Maximen und Reflexionen
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3. Das (sekundäre) Alphabetisierungsschema Für den nicht-idiomatischen Teil der Sprache hat sich schon früh die (strenge!) alphabetische Anordnung als das sicherste, schlüssigste und einfachste Ordnungsschema in einem ein- und zweisprachigen Wörterbuch durchgesetzt. Kein Mensch sucht das Verb umkommen – in der Bedeutung von ‘(durch einen Unfall o.ä.) getötet werden/sterben’ – unter kommen, weil um- ein Präfix ist, oder blättert im Wörterbuch nach einer Liste von Präfixen, um dann zu eruieren, ob unter um- auch unser Verb erscheint. Und dabei hat die Semantik von sterben weder etwas mit der von kommen noch der von um- auch nur das Mindeste zu tun. D.h. der Wörterbuchbenutzer hält die Semantik des Lexems (als ganzen), seine »Komposition« und die Alphabetisierung im Wörterbuch mühelos auseinander. Deshalb sind auch strukturalistisch motivierte Versuche, die Präfixverben um ihre Grundverben zu gruppieren, rasch gescheitert.5 In der Idiomatik aber scheinen solche Fähigkeiten – die nicht unabhängig sein dürften von dem vielberufenen »gesunden Menschenverstand« – plötzlich wie weggeblasen zu sein. Da diskutiert man jahrzehntelang, ob die »idiomatische Abweichung« der Bedeutung von Idiomkonstituenten von der Bedeutung, die das (scheinbar) identische Lexem als freie Form hat, nicht auch oder sogar primär alphabetisch relevant sein sollte oder ob kein Blatt vor den Mund nehmen unter Blatt, Mund oder nehmen, unter Blatt und Mund oder unter all diesen Konstituenten zu erscheinen hat. Verlage, die den Lexikografen sonst die schärfsten Vorschriften in puncto Platzsparen und Wörterbuchumfang zu machen pflegen, lassen sich immer noch auf diesen Unfug ein, statt auf klare Regeln zu drängen. Das geradezu Absurde dieser Situation wird vor allem daran deutlich, dass die skizzierte Problematik – nämlich, unter welchem Stichwort ein mehrgliedriger Ausdruck zu lemmatisieren ist – das eigentliche Problem noch gar nicht angibt; denn einmal hat sich weitgehend die Reihenfolge: Subst. – Verb – Adj. – Adv. – andere Kategorien durchgesetzt – wenn auch mit den Alternativen: Subst. – Adj. – Verb – (Adv.) – andere (oder auch: Subst. – Adv./Adj. – Verb – andere; oft ist innerhalb eines idiomatischen Ausdrucks kaum sicher zwischen Adjektiv und Adverb zu entscheiden, laufen diese Kategorien also gleichsam ins Leere!) und zum andern dürfte der Wörterbuchbenutzer in aller Regel einen Ausdruck spontan unter dem Stichwort suchen, das für seine Intuition das »Kernwort« ist – und dieses »Kernwort« ist wiederum in der Mehrheit der Fälle auch das im Wörterbuch angesetzte Stichwort. Doch gibt es Ausnahmen – wie viele, darüber kann man mangels Vorarbeiten dazu nur spekulieren; in diesem Fall schlägt der Benutzer unter der für seine Intuition zweitwichtigsten Idiomkonstituente nach. Die Fälle, die mit diesem zweiten »Arbeitsgang« immer noch nicht gelöst sind, dürften ziemlich selten sein. Selbst zwei Mal nachschlagen zu müssen ist zwar keine eitle Freude, erfordert aber keinen allzu groβen Zeitaufwand und stiftet daher wohl auch nur in Sonderfällen so etwas wie Verdruss. Völlig anders aber liegt der Fall, wenn ich unter Hunderten von Ausdrücken mit Hand oder Kopf etwa etw. zur Hand nehmen oder kein Wort mehr hören wollen (von jmdm./etw.) in einem materialreichen idiomatischen oder (besonders!) nicht-idiomatischen Wörterbuch suche, das kein klares sekundäres Alphabetisierungsschema hat. Da brauche ich u.U. eine
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Einer der bekanntesten Versuche, dies Prinzip zumindest ansatzweise zu praktizieren: das Dictionnaire du français contemporain.
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ganz beträchtliche Zeit, um in zwei, drei oder mehr Spalten die gewünschte Einheit zu finden. Es ist nun zwar unglaublich, aber Tatsache: Es gibt m.W. kein einziges (gröβeres) nichtidiomatisches ein- oder zweisprachiges Wörterbuch, dessen Artikelaufbau für diese Frage durchgehend, d.h. ausnahmslos angewandte Regeln befolgt, also ein sekundäres Alphabetisierungsschema entwickelt hat, das in allen Fällen greift und auch in allen Fällen angewandt wird. Es gibt aber in fast allen aktuellen Wörterbüchern gröβeren Umfangs Zigtausende von idiomatischen Ausdrücken, die dasselbe alphabetische Stichwort haben, für deren genaue alphabetische Einordnung also ein sekundäres Alphabetisierungsschema erforderlich ist. Konkret bedeutet das: Die Lexikologie hat es bis heute nicht zu Wege gebracht, für die Mikrostruktur der nicht-idiomatischen Wörterbücher einsichtige, applikable und kohärente Gliederungsprinzipien so überzeugend zu entwickeln, dass sich die Lexikografie auch daran hält. Für die übergroβe Mehrheit der idiomatischen Wörterbücher gilt dasselbe; nur findet man sich hier in der Regel rascher durch, weil das lexikalische Material (weit) geringer und weit weniger heterogen ist. Die Folge dieses Mangels: Der Benutzer muss sich von Wörterbuch zu Wörterbuch umstellen, »hangelt sich« mehr oder minder mühselig und missmutig durch die Materialfülle hindurch und macht sich das reiche Angebot nur dann wirklich zunutze, wenn er viel Zeit und Muβe hat und dazu blendend gelaunt ist oder aber einen bestimmten Ausdruck unbedingt braucht. Der Schaden für die Idiomatik könnte nicht gröβer sein. Es bildet dieser Punkt nach meiner Erfahrung mit Wörterbüchern die gröβte Schwäche oder das dringendste Desideratum der gesamten Lexikologie. Um diesen Punkt mit einer aufs Praktische gerichteten Reflexion abzuschlieβen: Ist es wirklich nicht möglich, dass sich Vertreter der – äuβerst wenigen! – potenten Wörterbuchverlage mit kompetenten Lexikologen zusammensetzen und ein System erarbeiten, das die skizzierten Desiderata behebt, so dass dieses System dann – über einen in diesem Fall heilsamen Druck der Verlage – auch in die Praxis umgesetzt werden kann? Dabei sollte man sich wahrscheinlich zunächst inbezug zu einer (Ausgangs-) Sprache einigen. Mein eigenes System habe ich in der Einleitung zu den Groβidiomatiken ausführlich, in der Auswahlidiomatik Deutsche Redensarten (2000) knapper und in dem Umkehrband zur IDIOMATIK Deutsch-Portugiesisch, der IDIOMATIK Portugiesisch-Deutsch (2005) vielleicht am konzisesten dargestellt; es geht vom Deutschen aus. Für andere Sprachen – etwa die romanischen – ist durchaus erwägenswert, ob das Verb (nach dem Substantiv) die zweitwichtigste Funktion für die Aphabetisierung hat. Möglicherweise erweist sich für diese Sprachen das Adjektiv (und vielleicht sogar das Adverb) als wichtiger. Und für alle Sprachen wäre eine zugleich theoretisch fundierte und praktisch orientierte Diskussion wünschenswert, welche »kategorialen (Pseudo-) Verben« (wie sein, haben, werden, tun u.a.) bzw. Funktionsverben in der Alphabetisierung der gebundenen Formen in den Wörterbüchern einen Sonderstatus verdienen. Auch hier aber müsste in jedem Fall die Zielsetzung leitend sein, eine einheitliche, leicht zu handhabende Lösung für alle Fälle – u.U. wiederum differenziert je nach Sprache – zu finden und dieser Lösung dann auch zur Anwendung in der Lexikografie zu verhelfen. In dieser Frage haben also die idiomatisch spezialisierte und die »allgemeine« Lexikologie ein identisches Interesse; um so mehr, als es kein plausibles Argument zu geben scheint, warum allgemeine (ein- und zweisprachige) und idiomatische (ein- und zweisprachige) Wörterbücher hier nicht denselben Kriterien
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folgen sollten. Denkbar ist allerdings, dass solche Untersuchungen zu der Schlussfolgerung kommen, den Begriff »idiomatisch« nicht zu weit zu fassen, so dass für die Mikrostrukur des Artikelaufbaus in den allgemeinem Wörterbüchern einmal ein Block von idiomatischen Ausdrücken im engeren Sinn und dann ein oder sogar mehrere Blöcke von anderen zwar gebundenen, doch nicht im strengen Sinn als »idiomatisch« zu bezeichnenden mehrgliedrigen Einheiten zu unterscheiden wären. Zur Trennung dieser einzelnen Blöcke voneinander wären dann ebenfalls möglichst einheitliche und eindeutige Kriterien zu entwickeln. Als abschlieβende Reflexion und als Maxime ergibt sich also: Die bisherige Vielfalt, wenn nicht Willkür der »Auflistung« der gebundenen Formen – vor allem, wie gesagt, in den allgemeinen Wörterbüchern – ist weder unter theoretischen noch unter praktischen Gesichtspunkten zu verantworten; sie nimmt vielen Wörterbüchern viel von ihrem Wert. Die Lexikologie hat hier demnach eine sehr dringende Aufgabe.
4. Die (Kontext-)Beispiele Im Unterschied zu der Frage des Alphabetisierungsschemas gibt es keinen gröβeren Gegensatz zwischen einem idiomatischen und einem nicht-idiomatischen Wörterbuch als die Tatsache, dass die ersten Beispiele haben, die letzten (in aller Regel jedenfalls) nicht – oder, wenn doch, dann durchweg äuβerst knappe, meist solche, die einen logischen Kern bzw. ein Valenzgefüge ausführen oder verlängern (fliegen – u.a. Vögel: → Der Spatz fliegt (über das Haus); übersetzen – [hum] – Texte: → Mein Onkel übersetzt (gerade) (mit Mühe) den Werther). Ja, es lässt sich wohl ohne Übertreibung sagen: Der Wert eines idiomatischen Wörterbuchs steht und fällt maβgeblich mit seinen Beispielen. Nun hat sich die Frage der Beispiele mit dem Aufkommen und der Einbeziehung der neuen technischen Medien (Computer, Internet, CD, CD-ROM usw.) auch bei einem immer breiteren Kreis von Wörterbuchbenutzern grundlegend gewandelt. Es ist ja heute ein Kinderspiel, zu jedem Lexem und zu jeder Lexemverbindung rasch eine gröβere Zahl an Beispielkontexten zu finden. Damit hat auch die lange – nicht immer sehr sachlich geführte – Diskussion darüber, ob die Beispiele belegt sein oder vom Lexikografen (oder einem anderen, der dazu begabter oder geeigneter ist) jeweils gebildet werden sollten, durch die »Geschichte« selbst eine Art Entscheidung gefunden: Da heute Beispiele als Kontextbelege leicht zusammenzustellen sind, hebt sich die Funktion, die das Beispiel in einem Wörterbuch hat – nämlich, den Ausdruck in seiner Bedeutung durch seine »geglückteste« Verwendung zu illustrieren – mit um so gröβerer Schärfe heraus. Das führt auf einen zentralen – wenn nicht, auf den zentralen – Punkt der Idiomatik. Idiomatische Ausdrücke werden bekanntlich sowohl in ihrer Semantik und Pragmatik als auch in ihrer Form mit groβer Vorliebe abgewandelt. Warum? Weil sie, wie es meist heißt, im Gegensatz zu den nicht-idiomatischen Lexemen, ihrem Wesen nach bildhaft sind. Die Umsetzung des Bildes in Bedeutung, d.h. die zwar lexikalisierte, doch (im Prinzip) nach wie vor lebendige innige Beziehung von Bild und Bedeutung, genauer: Das Spannungsgefüge von Bild einerseits und Semantik und Pragmatik andererseits drängt gleichsam von innen heraus zu einer immer neuen Abwandlung. Das Bild sucht sich gleichsam, in immer neuen Kontexten, in immer wieder abgewandelter Bedeutung zu
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realisieren; und das macht den eigentlich dynamischen Charakter der (idiomatischen) Sprache aus. Im Gegensatz zu dem lexikalisierten Bereich des Nicht-Idiomatischen, der – aufgrund des systematischen (oder systematisierbaren) begrifflich-logischen Kontextbezugs der Lexeme – stark oder doch stärker an fest gezurrten Umgebungen »klebt« und sich dadurch stabiler in seiner Form und seiner Bedeutung zu erhalten scheint. Scheint!, denn idiomatische und nicht-idiomatische Lexeme vergleichende Untersuchungen darüber gibt es m.W. nicht.6 Aufgrund seines wesenhaften Bildcharakters ist nach der (ausgesprochenen oder implizit vorliegenden) Auffassung zahlreicher »Idiomatologen« demnach der absteckbare Kontext oder Kontextrahmen bei einem idiomatischen Ausdruck weit weniger fassbar als bei einem (vermeintlich) bildlosen Lexem oder Lexemgefüge. Das bedeutet: Ein idiomatischer Ausdruck ist gleichsam losgelöster von jedem Kontext, oder, umgekehrt formuliert: freier für (prinzipiell) alle Kontexte. Dies schon auf semantischer Ebene. Dazu spielt dann die mehr oder weniger starke pragmatische Determination der Idiome eine wichtige Rolle. Auf der einen Seite sind sie dadurch zwar stärker kontext-restringiert als nicht-idiomatische Einheiten, d.h. haben wir eine gegenläufige Tendenz, doch auf der anderen Seite führt gerade diese Determiniertheit (gekoppelt an die gröβere Freiheit in der Semantik durch den Bildcharakter) wiederum zu einer Spannung, die dazu drängt, die pragmatische Determination von einer Sprechaktrestriktion auf die andere zu übertragen und durch den Gegenseitigkeitsbezug der Ausgangs- und Zieloperation zusätzliche Bedeutungsnuancen, wenn nicht sogar (völlig) neue Bedeutungen zu generieren. Es ist ja eine bekannte Tatsache, dass zahlreiche idiomatische Ausdrücke nicht nur eine Bedeutung haben – das ist auch bei nicht-idiomatischen Einheiten äuβerst häufig –, sondern zwei oder mehrere Bedeutungen, die man, obwohl sie klar unterschieden sind, leicht verwechselt, die sich berühren und dann doch wieder voneinander abheben, usw. Auch hier wären präzise Vergleiche zwischen idiomatischen und nicht-idiomatischen Einheiten sehr wünschenswert. Es ist hier nicht der Ort, die Vorstellung von der Nicht-Bildhaftigkeit nicht-idiomatischer Einheiten näher zu kommentieren. Ich habe das an anderer Stelle ausführlich getan (Schemann 2005) und werde darauf in einer getrennten, gröβeren Untersuchung noch genauer zurückkommen. Eines scheint jedoch unabweisbar: Mehr denn je hat ein Beispiel in einem aktuellen idiomatischen Wörterbuch heute seine eigentliche Funktion zu erfüllen. Ein Beispiel, das dies tut, muss so etwas wie ein auf einen sprachlichen Ausdruck transponiertes Portrait geben – so wie man im 18. und 19. Jahrhundert zur Illustration bestimmter menschlicher (und anderer) Typen, Portraits bildete7 oder, in aktueller Terminologie: So etwas wie eine lebendige Szene, die, realisiert in einem in sich möglichst geschlossenen, abgerundeten (realen oder fiktiven) Text, ein »Gesamt-Bild« (u.U. in nuce) gibt, in dem der idiomatische Ausdruck so erscheint, dass das Geflecht Bild – semantischer/pragmatischer Kern – in dem umfassenderen Ganzen aufs natürlichste »aufgehoben« ist, obwohl die Illustration des Ausdrucks den Grund zur Evokation der Szene bildet.
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Vgl. die in Anm. 3 und 4 angegebenen Stellen mit dem Versuch einer präzisen Klärung der Operation der einzelnen Figuren; vgl auch Schemann (2003: Kap. C, IV) und Schemann (2005). Auch dort zahlreiche Literaturangaben. Vgl. etwa das Portrait eines débauché von Vauvenargues unter dem Titel Othon ou le Débauché (Marquis de Vauvenargues 1857: 297f.).
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Diese – natürlich ideale – Forderung zeigt auch sofort, dass das »Gesamt-Bild« wiederum seinen (umfangreicheren) Kontext(-Rahmen) und damit auch seine (ebenfalls umfassendere) semantisch-pragmatische Dimension hat. Einheiten auf der Ebene des Worts und des Syntagmas – wie Worte oder idiomatische Ausdrücke – sind grundsätzlich nur »Momente«; logisch: Elemente eines umfassenderen Ganzen... Ein den idiomatischen Ausduck illustrierendes Wörterbuch-Beispiel ist also eben kein Kontextbeleg, der eine (u.U. völlig) andere Sprecherintention (und Hörererwartung) realisiert. Deswegen war das »Ideal« für ein Wörterbuch wohl auch schon immer: sowohl ein ad hoc im Sinne des idiomatischen Ausdrucks gebildetes Beispiel als auch ein Kontext-Beleg, ein Ideal, das, sehe ich richtig, lediglich ein einziges idiomatisches Wörterbuch konsequent realisiert, das allerdings nur 2000 Einheiten verzeichnet.8 Wenn der Wörterbuchbenutzer in dem Illustrationsbeispiel den semantischen und pragmatischen Kern des Ausdrucks in seiner Verschränkung mit dem Bild einmal (richtig) erfasst hat, kann er sich mit um so gröβerem Gewinn zusätzlich selbst neue Belege suchen. Sie werden sein Verständnis von dem Idiom erweitern und nuancieren und seine Fähigkeit, den Ausdruck in selbst geschaffenen Kontexten zu gebrauchen, schärfen. Ein gelungenes Beispiel zu schaffen setzt also eine (gewisse) poetische Gabe voraus, denn Bildhaftigkeit ist ein eminent ästhetisches Phänomen. Insofern präsentiert die Idiomatik die menschliche Sprache als ein Organ, das die Logik transzendiert; sie stellt die letztlich gegebene Einheit – den Grund – des idealen und realen Vermögens, den Zusammenfall von Geist und Sinnlichkeit, wie man früher zu formulieren pflegte, auf der Ebene des Syntagmas symbolisch dar. In dem Bezug auf das Syntagma liegt denn auch die Gebundenheit der Illustrationsbeispiele: Sie haben eine Einheit einer unselbständigen Ebene – ein Wort und ein Syntagma sind schon logisch definitionsgemäβ nur Teile einer Äuβerung – so zu präsentieren und darzustellen,9 dass sie in dem umfassenderen Ganzen der Szene, die sie aufhebt, zwanglos eingebettet ist. Der Autor der Beispiele wird daher bei (oder in) seiner Darstellung immer zugleich den idiomatischen Ausdruck und die ganze Szene vor dem inneren Auge haben müssen, wenn sein Beispiel glücken soll. Der Bezug auf ein mehrgliedriges Syntagma, das eine Einheit bildet10 und insofern im Satz die Position eines Worts einnimmt, erleichtert bei den Beispielen eine gezielte Nutzung der prinzipiellen Möglichkeiten, eine Bedeutung zu erklären. Diese Möglichkeiten sind: 1.
Die Definition, realisiert durch: a) das genus proximum (Ober-Unterbegriff + Spezifika); b) die funktionale Definition; c) die relationale Definition.
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Lafleur (1979). Es lohnt sich, sich dieses Wörterbuch gerade unter dieser Perspektive genauer anzusehen. Entscheidend ist hier die Darstellungsfunktion, von Aristoteles (Mimesis) bis heute immer wie-der reflektiert. Im strengen Sinn eine »Einheit« bilden lediglich die global übertragenen ganzheitlichen Idiome; etwa das Kind mit dem Bade ausschütten, etw. auf die Spitze treiben usw. Auf diese Frage kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. die sehr sinnvolle Unterscheidung zwischen »idiomatischen Einheiten« und »phraseologischen Verbindungen«.
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108 2. 3.
Die Angabe von Synonymen. Das Bilden von Beispielen (Gleichnisse).
Wie ich an anderer Stelle zu zeigen versucht habe (vgl. Schemann 2002: 96f.), transkribieren die drei Formen der Definition (1) die drei grundlegenden Übertragungsfiguren der Synekdoche (a), der Metonymie (b) und der Metapher (c), die indessen alle nicht unabhängig voneinander (zu erklären) sind. Das zeigt: Im Grunde lässt sich weder ein Wort noch ein idiomatischer Ausdruck definieren. Jeder Bedeutungskern wurzelt im Bildlosen; wird er definiert, braucht er das Bild und verlässt damit bereits seinen »reinen« (»abstrakten«) Kern. Dazu läuft jeder Versuch der Definition einer (Wort-)Bedeutung letzten Endes auf einen Zirkel hinaus: Man muss voraussetzen, was man definieren will; im Grunde zeigt man also »nur«.11 Beides zusammen bedeutet: Jede Definition geht über sich selbst hinaus auf ein Umfassenderes, von dem sie wieder auf sich selbst zurückkommt, und dies Umfassendere ist das Beispiel (3) bzw. ein Ausgriff auf das Beispiel, d.h. gleichsam ein Beispiel in nuce durch das Aufhängen an einem seiner Momente; in jedem Fall ist es zumindest ansatzweise eine Suggestion eines Bildes (realer oder fiktiver Art). Daher die letztliche Deckung der Definitionsformen mit den Übertragungsfiguren, die das Bild aufbrechen. Die so genannten »abstrakten Definitionen«, die anders liegen, explizieren Elemente des zu Definierenden, setzen seine Kenntnis also bereits voraus; insofern sind sie »immanent« und realisieren prinzipiell das, was Kant in seinen Ausführungen zu den »analytischen Urteilen« diskutiert, die im Gegensatz zu den »synthetischen Urteilen« »im Begriff« bleiben. Daher ja auch so rasch der Eindruck der Sterilität bei abstrakten oder zum Abstrakten tendierenden Definitionen... Unter anderem haben auch die Bemühungen um die Paraphrase diese Zusammenhänge – von einer anderen Seite aus – deutlich gemacht.12 (Eine ausführlichere Paraphrase in einem Beispiel ist in der Regel nicht sehr glücklich, da sie seine Geschlossenheit »lädiert«). Bleibt also, da wir ja das Beispiel (3) schon haben, die Angabe von Synonymen (2). Und in der Tat verdeutlichen die illustrativen Beispiele die Bedeutung der jeweiligen idiomatischen Ausdrücke gleichsam »narrensicherer«, wenn es gelingt, in sie synonyme oder quasi-synonyme Lexeme (Worte) – ebenfalls möglichst »natürlich« – einzubetten. Das Geschick, mit dem das geschieht, gehört gleichfalls zu der angedeuteten poetischen Kompetenz. Eine sehr fruchtbare Methode bei der Beispielbildung ist die Anlage in Dialogen, insbesondere hinsichtlich der Verdeutlichung der pragmatischen Determiniertheit; denn in Dialogen drücken die Dialogteilnehmer durch ihre »Konfrontation« besonders deutlich aus, was sie mit ihrer sprachlichen Einlassung wollen; d.h. ein Dialog ist definitionsgemäβ eine sehr stark pragmatisch bestimmte Äuβerungsform. Als letzte Frage bleibt: Sollte in einem idiomatischen Wörterbuch dann nicht wenigstens zusätzlich, d.h., unabhängig vom Beispiel, eine Definition des Ausdrucks gegeben werden? Hier gehen die Auffassungen ganz offensichtlich auseinander. Persönlich scheint mir, dass ein gelungenes Beispiel für sich steht, also selbständig und vollständig ist und damit (zumindest prinzipiell) genügt. Auch lernen wir unsere Sprache als Kind und später (u.U.) eine andere Sprache wesentlich anhand von Beispielen. »Alles Leben ist nur ein
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Dies berührt wohl das eigentliche »Geheimnis« des (sprachlichen und nicht-sprachlichen) »Zeichens«. Die Zeigefuntion ist schwer noch zu hintergehen. (Dazu immer noch sehr lesenswert: Klages’ Grundlagen der Wissenschaft vom Ausdruck, 1942). Vgl. die in der Bibliografie angegebene Arbeit von Ungeheuer (1969).
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Gleichnis« (Goethe), dies gilt auch für die Sprache. Hinzu kommt, dass so viele Definitionen entweder sehr formal und kompliziert sind – und damit dem Wörterbuchbenutzer wenig nutzen – oder banal, dann überliest der Benutzer sie gleichsam, oder aber schief (sehr häufig!), dann wird der Benutzer in die Irre geführt, oder gleich alles zusammen. Darüber hinaus pflegen Definitionen, eher theoretisch ausgerichtete Köpfe zu der Annahme zu verführen, wenn sie einen idiomatischen oder auch nicht-idiomatischen Ausdruck definieren können, beherrschten sie die Bedeutung und könnten ihn infolgedessen auch anwenden, eine äuβerst irrige Annahme, wie jede Bitte an jemanden (etwa einen Studenten), der gerade ein Lexem definiert hat, er möge doch einen geeigneten Kontext bilden, sofort belegt. Wie häufig ist dieser Kontext dann völlig ungeeignet, wenn es überhaupt zu einem Kontext kommt! Die Definition hat zudem noch den Nachteil, von der intensiven Aufnahme des Beispiels wegzuführen, und ist daher in zahlreichen Fällen geradezu kontraproduktiv. Trotzdem verlangen viele – unserer »freudig theoretisierenden« Epoche gemäβ – in einem idiomatischen wie in einem nicht-idiomatischen Wörterbuch auch eine Definition der in Frage stehenden Einheit. Vielleicht lässt sich daher abschlieβend die Reflexion wagen: Je weniger geglückt das Beispiel, um so nützlicher eine Definition; zwei »Krücken« ersetzen dann das eine Gehvermögen. Die Reflexion sei um die Maxime ergänzt: Das A und O ist das Beispiel; darauf sollten der Wörterbuchautor und der Wörterbuchbenutzer die Hauptaufmerksamkeit richten. Doch in dienender Funktion hat eine Definition durchaus ihren Nutzen.
5. Die Synonymie Eine Frage, die in der Idiomatik die gröβte Rolle spielt und in ihrer Relevanz bisher kaum gesehen wird, ist die Frage der Synonymie. Auch ist sie für die allgemeine Lexikologie und Lexikografie von gröβter Bedeutung. In der Forschung (die sich der Synonymie widmet) gilt es als ausgemacht, dass es in einer natürlichen Sprache sozusagen keine Lexeme gibt, die (im strengen Sinn) bedeutungsgleich sind. Als »synonym« gelten daher Einheiten, die bedeutungsähnlich sind, und der Schwerpunkt der weiteren Forschung gilt dann Fragen wie: Worin ähnlich und worin nicht? Worin bestehen die genauen Unterschiede? Wie werden sie konstituiert? Welche Oppositionsformen gibt es also? Usw. Die wenigen – »scheinbaren« – Ausnahmen, die man diskutiert, scheinen die Vorannahme eher zu bestätigen: Selbst diese sozusagen oder fast bedeutungsgleichen Paare unterscheiden sich in aller Regel doch (noch) in Nuancen, die man, wenn man auf dem Ausnahmestatus besteht, gern als »stilistisch« o.ä. bezeichnet. Die Idiomatik macht nun von dieser – soweit ich sehe, in der gesamten Forschung als »eindeutig« angenommenen – Regel eine Ausnahme; und zwar eine Ausnahme, die sowohl unter quantitativem als auch unter qualitativem Gesichtspunkt äuβerst aufschlussreich für das Verständnis der menschlichen Sprache ist. Wie ich in einem statistischen Überblick13 über die Synonymiegruppen, die sich in meinem Synonymwörterbuch der deutschen Re-
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Die Synonymie in der Deutschen Idiomatik (1993), Kap. I; separater Ergänzungsteil in Schemann (2003).
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densarten (1992) finden, gezeigt habe, gibt es im Deutschen Hunderte, wenn nicht Tausende von synonymen (= bedeutungsgleichen) idiomatischen Einheiten. Da nun die idiomatischen Ausdrücke als lexikalisierte mehrgliedrige Einheiten zum sogenannten »System« einer Sprache gehören – zu dem, was die französische Linguistik als langue bezeichnet –, ist die pauschale Annahme, Synonyme seien in einer natürlichen Sprache ein äuβerst seltener Ausnahmefall, der die Regel bestätige, die besage: Eine natürliche Sprache »akzeptiert« oder »will« keine synonymen Einheiten, schlicht und einfach falsch, denn es gibt nicht den geringsten Grund anzunehmen, eine Analyse einer anderen Sprache führe auf ein anderes Ergebnis als die des Deutschen. Die irrige Annahme geht darauf zurück, dass die Idiomatikforschung trotz jahrzehntelanger intensiver und hochqualifizierter Arbeit die Mehrheit der Linguisten und auch das allgemeine Bewusstsein von der Sprache ganz offensichtlich nicht davon hat überzeugen können, dass idiomatische Ausdrücke mehr und etwas anderes sind als ein Sonderfall, eine Ausnahme in der Sprache. Das Vorurteil, was zähle, seien logische – oder auch andere – Regeln, systematisch zu behandelnde Gestzmäβigkeiten oder gar Gesetze, kurz, der viel diskutierte Rationalismus, deklariert oder behandelt in den vorgefundenen Erscheinungen – der Sprache oder auch eines anderen »Gebiets« – das, was sich dem – von ihm angenommenen oder gar angesetzten – Regeln, Gesetzen oder Methoden14 nicht fügen will, als »Ausnahmen«, die demnach als »sekundär«, wenn nicht »vernachlässigenswert« gelten.15 Was die Idiomatik angeht, ist dieses Vorurteil gleich doppelt abwegig. Einmal, weil sich auch für die Bildung von idiomatischen Ausdrücken zahlreiche Gesetzmäβigkeiten angeben lassen16; und zum andern, weil es auch für den nicht-idiomatischen Teil der Sprache nicht gelingen will, Gesetzmäβigkeiten ausfindig zu machen, die es erlauben würden, die natürliche menschliche Sprache als ein »Regelwerk« zu betrachten. Die herrschende Annahme von dem isolierten Status der Synonyme – als bedeutungsgleicher Einheiten – ist also in folgender Weise zu modifizieren: Synonyme sind im nicht-idiomatischen Wortschatz (sehr) selten, im idiomatischen Wortschatz (sehr) häufig. Wie sehen die idiomatischen synonymen Einheiten aus und was zeigen sie uns von der menschlichen Sprache? (Schemann 2003: Kap. C). Einheiten wie jmdm. eine kleben/schmieren/knallen/..., in der Bedeutung ‘jmdm. eine Ohrfeige geben’ dokumentieren den ersten Typ der idiomatischen Synonymie. Eine Ohrfeige ist »ein (heftiger/(von B)
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Vgl. Heideggers wiederholte Problematisierung aller Methode! Schon die Definition eines idiomatischen Ausdrucks als »Abweichung« oder seine theoretische Erfassung auf der Grundlage nicht-idiomatischer Erscheinungen ist mit gröβter Wahrscheinlichkeit ein – sehr folgenreicher – Irrweg, der die Macht des Rationalismus belegt. Denn bevor der systematische »Begriff« in einer natürlichen Sprache überhaupt eine Daseinsgrundlage hat, muss das Bild schon gegeben sein; und auch historisch ist die »Bildersprache« – meist als »poetische« Sprache o. ä. bezeichnet – nach der Annahme der übergroβen Mehrheit der Anthropologen und Linguisten, die sich mit dem Thema befasst haben, vor der »Prosa-Sprache«, d.h. der weitgehend auch begrifflich organisierten Sprache »in Erscheinung getreten«. Und noch heute ist kein Begriff einer natürlichen Sprache ohne Fundierung im Bild zu denken, wie jeder Bedeutungswandel, jede Definition (auβer den »analytisch-abstrakten inhärenten« Defintionen (vgl. oben S. 108), jeder »Ausdruck« eines Gedankens, für den keine »adäquaten« Lexeme in der gegebenen Sprache zu Verfügung stehen, jede Erklärung eines »Fachterminus« für jemanden, der nicht »vom Fach ist«, u.a.m. belegen. Es lohnte sich, einmal eine umfassende Arbeit darüber zu schreiben, welche Regelmäβigkeiten bis heute für die idiomatischen Ausdrücke eindeutig festgestellt wurden.
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absichtlich gegebener/....) Schlag ins/(»ans«) Gesicht (von A)«. Wenn (B) (A) diesen Schlag »verpasst«, »klebt« seine Hand gleichsam »in« oder »an« dessen Gesicht; seine Hand »schmiert«, »gleitet wie auf schmierigem Grund«; der Schlag »knallt«... Kurz, die Bedeutung des Ausdrucks (als ganzen) wird da-durch generiert, dass die Umstände oder Begleiterscheinungen des Schlages auf die hier intendierte spezifische Bedeutung von Schlag hinweisen, die Bedeutung andeuten. Wir haben also eine durch metonymische Übertragung17 gewonnene (oder besser: erzeugte) Bedeutung: Umstände, Begleiterscheinungen, Folgen – wie kleben, schmieren, knallen u.a. – »evozieren«, »suggerieren« (hier noch unterstützt durch das »den Schlag« gleichsam ellyptisch vertretende »eine«) »den spezifischen Schlag« → »die Ohrfeige«. Die Intentionalität der Sprache – der Sprecher will auf etwas hinaus – und der Sprung vom Zeichen als »Signifikant« auf die Bedeutung: Der Sprecher will nicht auf einen xbeliebigen Schlag hinaus, sondern auf den spezifischen, den wir doch kennen, d.h. das Ineinanderspielen vom »gesagten« Zeichen (als »physischer Grundlage« oder »(Zeichen-) Körper«) und dem mittels dieser Grundlage in einem spezifischen Kontext und eben bei der spezifischen Sprecherintention erzielten »Aha-Effekt« (Ach ja, nicht irgendein Schlag, sondern dieser uns bekannte »Ohrfeigen-Schlag«) ist ein Vorgang, der nur glücken kann: 1. 2. 3. 4.
Wenn das Zeichen wenigstens einigermaβen bekannt oder einsichtig ist. Wenn der Kontext nicht zu vage ist. Wenn die Sprecherintention wenigstens einigermaβen erkannt (nachvollzogen, mitvollzogen) werden kann. Wenn eine wenigstens hinreichende Weltkenntnis vorliegt oder zumindest Brükken, die die in Frage stehende Bedeutung erschlieβen oder ahnen lassen. In einer Welt, in der es keine Ohrfeigen gibt, bleibt der Ausdruck entweder dunkel oder verlangt zu seinem Verständnis eine erschlieβende Phantasie.
Alle diese Konstitutionsfaktoren der Bedeutungsbildung oder -stiftung, die bei jedem (sinnvollen) Sprechen über Neues gelten (oder operieren), lassen sich an dieser an einen idiomatischen Ausdruck gekoppelten Erscheinung ablesen. Eine zweite Form der idiomatischen Synonymbildung realisiert die Exemplifizierung. Wenn wir für den Begriff für ‘wenig’, für ‘etwas, was wenig Wert hat’ sagen (können): etw. für ein Taschengeld/Pappenstiel/Butterbrot/Appel und Ei/... kaufen/verkaufen/hergeben/ ...,18 dann führen diese Idiome Beispiele für Dinge an, die wenig Wert haben. Und dass bei diesen Dingen gerade dieses Element – ‘wenig Wert’ – und nicht ein anderes etwa die Form oder besondere Funktion o.ä. relevant sind, muss der Hörer wiederum aufgrund seiner Weltkenntnis und des gegebenen (sprachlichen, hier u.a. verkaufen/..., und nichtsprachlichen) Kontexts und der vorliegenden Specherintention erschlieβen. Auch hier erweist sich also de Bedeutungserfassung als Bedeutungsstiftung, d.h. als ein (dynamischer) geistiger Prozess, für den das Sprachzeichen lediglich eine der Bedingungen darstellt.
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Zur Definition der Metonymie und der übrigen Übertragungsfiguren vgl. u.a. Schemann (1991) und die dort angegebene Literatur. Die Arbeiten zur Metapher, Synekdoche, Metonymie u.a. sind inzwischen nicht mehr zu überblicken, wiederholen sich aber äuβerst stark. Es ist, ironisch kommentiert, wie bei vielen sogenannten »Unterhaltungen« heute: Alle Welt redet, aber kaum einer hört zu; so da: Alle Welt schreibt, aber kaum einer liest noch... Ich gehe hier nicht auf die Frage ein, inwieweit diese Ausdrücke heute gebräuchlich, selten, veraltend o.ä. sind.
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Die Relation »A ist ein Beispiel für B« ist eine spezifische Form der Übertragungsfigur der Synekdoche; wie haben hier also eine idiomatisch »genutzte« Synekdoche als bedeutungsstiftende Übertragungsform. Eine andere, ebenfalls sehr häufige Form ist die Metapher. Fährt (A) (B) mit der zornigen »Feststellung« an: Du bist das gröβte Kamel/Schaf/Roβ/Rindvieh/Rinozeros/... auf Gottes Erdboden/das ich jemals erlebt habe/..., wird (B) als so Titulierter, am Ton der Stimme von (A), an dessen Gesichtsausdruck und an den übrigen (aktuellen oder vorhergegangenen) Elementen des Kontexts den »bedeutungsvollen« Schluss ziehen: »Hier geht es offensichtlich nicht um die genannten (»gesagten«) Vierbeiner, sondern um einen von ihnen symbolisierten (gemeinten) Zweibeiner, um mich höchstpersönlich«. Dieser Sprung vom Vier- zum Zweibeiner belegt die Metapher als Sprung-Tropos.19 Wer zu diesem Sprung nicht fähig ist, versteht nicht, was gemeint ist. Menschen, die an einmal gewonnener Weltkenntnis, an einmal realisierten Kontexten hängen, d.h. die nicht fähig sind, diese Gröβen immer wieder abzuwandeln und jeweils in ein neues Verhältnis zueinander zu setzen, und die dazu, auf sprachlicher Ebene, am Gesagten, d.h. (idiomatisch) »am Wort kleben«, verstehen bekanntlich sehr oft – wenn nicht sogar meistens) nicht – was jemand oder ein Text »wirklich meint«. Erzählt uns jemand: »Da ist mir doch in der Tat nicht aufgefallen, dass die alte Frau Steger einen schweren Koffer bei sich hatte! Die Arme kam damit kaum die Zugtreppe herauf. Als wir uns nachher im Gang begrüβten, habe ich mich zu Tode/in Grund und Boden geschämt/hätte ich vor Scham vergehen/versinken/in die Erde versinken mögen/ können/hätte ich mich am liebsten vor Scham in den Erdboden/in ein Mauseloch verkrochen«, dann legen diese höchst unwahrscheinlichen, irrealen, wenn nicht unmöglichen Angaben der Folgen der Scham den Schluss nahe, dass die Sprache mit diesen Übertreibungen (Hyperbeln) suggeriert: Es handelt sich um den höchsten Grad der Scham. Diesen Schluss muss der Hörer wiederum selbst ziehen und er ist für alle hier angegebenen idiomatischen Ausdrücke identisch, d.h. wir haben wiederum eine Serie von Synonyma. Bedingung für die völlige Synonymität ist in allen Fällen selbstverständlich, dass der Übertragungsvorgang vollständig ist, d.h. dass die Bedeutung des idiomatischen Ausdrucks (als ganzen) gar nicht mehr an der Bedeutung der (Ausgangs-)Konstituenten als nichtidiomatischer Elemente (Lexeme) der Sprache »klebt«, d.h. der sogenannte Lexikalisierungsprozess20 abgeschlossen ist. Übergangserscheinungen sind hier äuβerst häufig.21 Ich belasse es bei diesen Beispielen.22 Das Phänomen, um das es geht, ist eindeutig. Bedeutung wird konstituiert durch irgendeine Form der Übertragung von einem Gesagten auf ein Gemeintes. Diese Übertragung ist ein dynamisches Geschehen, eine geistige Operation. Damit diese Operation gelingen kann, bedarf es einer Intention eines Sprechers, eines spezifischen Kontexts und einer bestimmten Weltkenntnis. »(A) versteht (B)« bedeutet
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Als solche wird sie u.a. von Lausberg in seinen grundlegenden Werken (1962, 1963) zu den Figuren definiert und beschrieben. Der Terminus ist für unseren Zusammenhang alles andere als glücklich, denn es handelt sich nicht um einen Prozess oder sein Ergebnis, sondern um eine geistige/u.U. häufig wiederholte Operation in diesem möglicherweise dann irgendwann zu einem »Prozess« abgeschliffenen »Geschehen«. Die so beliebte Oposition »übertragen« versus »nicht-übertragen/wörtlich« trifft die sprachliche Wirklichkeit nur rudimentär. Zahlreiche weitere Beispiele und Auswertungen in Schemann (2003).
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also: (A) setzt unter den gegebenen zeiträumlichen Bedingungen das von (B) – mittels der Sprache als eines Insgesamts (»Organ«, »Organon«, »System«, »Struktur«...) von Zeichen – Gesagte in genau das Gemeinte um, das (B) »zum Sprechen bewog«; d.h. (A) vollzieht (B)s Intention nach oder mit. Dieser Prozess (aufgrund von »etwas – (X) – sagen« »etwas anderes – (Y) – meinen«, bzw. »das Gesagte – (X) – hören« und »das damit Gemeinte – (Y) –verstehen«) findet in der menschlichen Sprache, und zwar in jeder Form der Sprache, nicht nur der Lautsprache (also auch in der »‘Sprache’ der Malerei, der Skulptur, der Musik; in der ‘Sprache’ der Gestik und Mimik, in der ‘Sprache’ der ‘primitiven’ Wald- oder Natur-Zeichen« u.a.m.) immer statt. Nur merken wir das in der übergroβen Zahl der Fälle nicht mehr. Wir haben uns aufgrund der ständigen Wiederholung oder Quasi-Wiederholung von gleichen oder quasi-gleichen Äuβerungen in gleichen oder quasi-gleichen Umgebungen (Kontexten) mit gleichen oder quasi-gleichen Intentionen – von Äuβerungen also mit gleicher oder quasigleicher Bedeutung (oder, wie es in unserer standardisierten, durchfunktionalisierten Welt so schön heiβt: von Äuβerungen mit gleicher oder quasi-gleicher Funktion) – so an diesen Schritt von dem (»all-bekannten«) (X) zu dem (»all-bekannten«) (Y) gewöhnt, ihn dermaβen automatisiert, dass wir ihn so wenig wahrnehmen, realisieren, wie wir unsere konkrete Leistung beim Laufen realisieren, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Die idiomatischen Ausdrücke – oder jedenfalls die meisten Idiome23 – zeigen nun aufgrund der Spannung zwischen der sogenannten wörtlichen und der sogenannten nichtwörtlichen Bedeutung der in Frage stehenden Lexeme schon innersprachlich den für die Bedeutungsstiftung notwendigen intentional geleiteten, zeiträumlich spezifisch »lokalisierten«, also je neuen und daher (zumindest in nuce) schöpferischen geistigen Prozess in der sprachlichen Kommunikation an. Idiomatik symbolisiert also – durch ihre Bildhaftigkeit, realisiert in je spezifischen Übertragungsoperationen – nicht Bedeutung als »Funktion«, sondern Bedeutung als »geistige Operation«. Die Synonymgruppen aber symbolisieren in diesem Prozess, dass es in der menschlichen Sprache nicht in erster Linie auf die Zeichen als solche ankommt, sondern auf das, was Sprecher und Hörer damit machen, und auf das, was sich sinnvoll mit ihnen machen lässt, d.h. auf das Potenzial der Bedeutungsstiftung; nicht also auf das »Reale«, sondern auf das mit ihm zu Realisierende und insofern das »Ideale«. In der Relation Zeichen/Bedeutung gibt es bei den idiomatischen Ausdrücken ebenfalls bestimmte Regularitäten. Sie beruhen maβgeblich auf dem Phänomen des Ausdrucks, das möglicherweise das Grundphänomen von allem, was wir »Leben« nennen, bildet. Das zeigt sich besonders deutlich bei den sogenannten Somatismen. So wird man bei einem Ausdruck wie die Beine unter den Arm nehmen spontan davon ausgehen, dass die Bedeutung etwas mit »laufen« zu tun hat – und nicht etwa mit »denken« oder »lieben« – und man liegt mit dieser Annahme nicht daneben. Und wie sowohl intralinguistische als auch interlinguistische Analysen belegen, kreieren die verschiedenen Sprachen auf der Grundlage desselben oder eines sehr ähnlichen Bildes auch eine (zum Teil sehr) ähnliche Bedeutung. Doch nur eine ähnliche und nicht etwa eine gleiche. Und selbst das gilt keineswegs in allen Fällen. Es gibt daher zahllose idiomatische faux amis von Sprache zu Sprache, d.h. Ausdrücke mit einem (fast) identischen Bild, aber mit mehr oder weniger stark voneinander
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Der Bereich der Idiomatik deckt sich nicht mit dem der Übertragung, zumindest nach den meisten Definitionen von »idiomatisch« nicht.
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Hans Schemann
abweichender Bedeutung. Und es gibt zahllose idiomatische Ausdrücke, selbst bei den Somatismen, bei denen der Schritt vom Bild zur Bedeutung geradezu »zufällig« scheint. Wir haben es also mit Probabilitäten zu tun, und nicht mit Gesetzen. Das unterstreicht von einer anderen Seite noch einmal, was wir oben als eine Grundfunktion der Synonymie für das Verständnis der menschlichen Sprache erkannten: Die Form des Lexems und seine Bedeutung sind unabhängig voneinander. Aber: Sie sind bei den idiomatischen Einheiten nur bedingt unabhängig voneinander; d.h. die viel diskutierte Willkür des sprachlichen Zeichens herrscht hier offensichtlich nicht. Es herrscht das Wahrscheinlichkeitsgesetz, genau das Gesetz also, das die Physik seit der Quantenforschung, speziell seit Heisenbergs Theorie der Unsicherheitsrelation annimmt. Hier führt somit gerade die Erforschung des Schritts vom »Bild« zur »Bedeutung«, gekoppelt an die Synomymforschung, auf Fragestellungen, die für die Linguistik als Geisteswissenschaft zumindest weitgehend identisch zu sein scheinen mit denen, die die Naturwissenschaften bewegen. Was hat das nun alles mit einem Wörterbuch zu tun? Zunächst einmal ist hier nachdrücklich auf die Synonymwörterbücher hinzuweisen. Einmal auf die – inzwischen für die meisten europäischen »Hauptsprachen« ziemlich zahlreichen – allgemeinen Synonymiken, »Synonymik« hier im weitesten Sinn des Wortes verstanden, d.h. auf alle Wörterbücher, die den Wortschatz »semantisch geordnet« präsentieren. Und dann auf die – nur sehr vereinzelten – Synonymiken der idiomatischen Ausdrücke. Das Arbeiten mit Synonymwörterbüchern gehört zu den geistigen Operationen, die für die Ausbildung und Verfeinerung des Sprachvermögens fruchtbarer und anregender sein dürften als fast alles andere, was methodisch gelehrt und gelernt werden kann, unter der Voraussetzung allerdings, dass man anhand konkreter (Kon-)Texte arbeitet. Austausch- und Einsatzproben, Neu- und Umformulierungen von Sätzen, Passagen und ganzen (kürzeren) Texten, Produktion von Texten, die »dasselbe« meinen, es doch in unterschiedlichster Form sagen, mithilfe von Synonymen und dementspechend unter Nutzung der entsprechenden Hilfsmittel, sind kaum durch etwas anderes zu ersetzen. Dazu schärft die Relationierung von Bedeutungen und Begriffen das allgemeine Denkvermögen,24 wie etwa die Mathematik oder Logik. Es ist daher nur schwer verständlich, dass die Arbeit mit Synonymiken in manchen Ländern – etwa in Deutschland – ausgesprochen unterentwickelt ist. Doch auch unter rein praktischen Gesichtspunkten sind solche Operationen – wie jeder Übersetzer, jeder Essayist, jeder Journalist..., kurz: jeder, der sich um Nuancierung und Variierung seines Stils bemüht, weiβ – äuβerst empfehlenswert, ganz einfach aus dem Grunde, dass man auf weit mehr Alternativen kommt als lediglich durch den Rekurs auf die eigene aktive Sprachkompetenz. Nimmt man aber nun unter idiomatischen Gesichtspunkten die allgemeinen Synonymiken genauer unter die Lupe, so erlebt man eine groβe Überraschung: Obwohl, wie oben dargelegt, in den allgemeinen (gröβeren) Wörterbüchern zahlreiche, in vielen Fällen sogar äuβerst zahlreiche Idioms verzeichnet sind, finden sich in den allgemeinen Synonymiken (von deren näherer Qualifizierung hier ganz abgesehen sei) durchweg nur wenige idiomatischen Ausdrücke.
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Darauf weist der vielleicht sprachbegabteste unter den bedeutenden deutschen Philosophen, Schopenhauer, wiederholt eindringlich hin.
Zur Anlage idiomatischer Wörterbücher – einige Maximen und Reflexionen
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Und zudem werden selbst diese wenigen idiomatischen Ausdrücke in nicht wenigen Fällen formal oder/und semantisch irrig oder schief angegeben. So führt beispielsweise eine der an sich sehr empfehlenswerten Synonymiken, der Duden 8 (der im Verhältnis zu seinem Vorgänger einen beachtlichen »Qualitätssprung« gemacht hat) unter dem Stichwort dumm u.a. auf: zu heiβ gebadet worden sein. Danach müsste man Sätze bilden können wie *Von diesem Obermaier konntest du doch auch keine vernünftigere Antwort erwarten; der ist nun mal zu heiβ gebadet worden (= ‘der ist nun mal dumm’), *Du weiβt doch/es weiβ doch jeder, dass dieser Mann zu heiβ gebadet worden ist, oder *Von einem Menschen, der zu heiβ gebadet worden ist, kann man schlieβlich keine intelligenten Antworten oder Vorschläge erwarten – alles Sätze, die nicht akzeptabel sind und deswegen einem Deutschen, der seine Sprache beherrscht, »seltsam«, »komisch«, »zum Lächeln oder Lachen reizend« vorkommen, und zwar aus dem einfachen Grunde, dass der (Pseudo-)Ausdruck in dieser Form die wörtliche Bedeutung der Konstituenten realisiert, d.h. als idiomatischer Ausdruck gar nicht existiert. Der Eintrag müsste also lauten: Dich/Den Obermaier/... haben sie wohl zu heiβ gebadet?, denn der Ausdruck ist pragmatisch restringiert und nur in einer solchen (pseudo-)rhetorischen Frage gebräuchlich, in der der Sprecher (A) aufgrund eines von ihm als »dumm« qualifizierten Verhaltens eines Menschen (nicht unbedingt des Hörers!) (B) seinen »ironischen Kommentar« (zu diesem »Dummkopf«) abgibt. Zudem stimmt, wie die Ausführungen schon zeigten, auch die Semantik nicht. Denn der Ausdruck bedeutet nicht ‘dumm sein’, sondern drückt aus, dass ein Sprecher (A) inbezug zu einem Hörer oder Dritten (B) äuβert: Der spinnt wohl! (das »wohl« gehört zu dem Ausdruck, formal wie semantisch!) – weil er sich (wiederum nach der Meinung von (A)) etwas geleistet hat, was »ein vernünftiger Mensch« nicht unterschreiben kann. Solche faux pas passieren bekanntlich auch – und zwar nicht selten – hoch intelligenten Menschen... Eines der gröβten Desiderata der ganzen Lexikologie und Lexikografie, so wird aus diesen Zusammenhängen deutlich, besteht in einer systematischen, formal und inhaltlich zufrieden stellenden Verzahnung des allgemeinen und des idiomatischen Wortschatzes durch ein semantisches Netz, das seinen »Kern« in synonymen Feldern hat und von da aus schrittweise kohärente Wortfelder entwickelt und gleichzeitig auf geeignete Kontextbeispiele verweist.25 Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass das viel beschworene »Wörterbuch von morgen« (als Print- oder Nicht-Printwörterbuch) seinen Neuerungswert nicht zuletzt in einer solchen Verzahnung hat. Der Computer und andere technischen Hilfsmittel mögen die Materialbasis zahlreicher neu erscheinender Wörterbücher rasch und relativ mühelos geradezu ins Uferlose erweitern; die Information als solche tut es hier so wenig wie in so vielen anderen Bereichen. Formal und inhaltlich zugleich korrekt, praktikabel und interessant gestaltete Einträge werden indessen nur Lexikografen verfassen können, die ihre Sprache und das lexikologische Handwerk beherrschen. Hier gilt mutatis mutandis dasselbe, was oben zu den Kontextbeispielen gesagt wurde. Um zu einem solchen »Wörterbuch von morgen« zu kommen, bedarf es aber einer völlig anderen Zusammenarbeit zwischen den Wörterbuchautoren, den Lexikologen und den Verlagen als die, dis bisher weitgehend üblich ist. Ohne eine gebührende Honorierung der Autoren werden wir lediglich immer materialreichere »Wörterbücher von gestern« be-
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Vgl. oben S. 105f. Auf die Detailprobleme eines solchen Wörterbuchs hier einzugehen, würde zu weit führen.
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Hans Schemann
kommen, die zwar die Benutzer, die die in Frage stehende Sprache bestens beherrschen, auf viele neuen Ideen bringen, aber die übrigen – ungleich zahlreicheren – Benutzer höchstens in ihrer passiven Sprachkompetenz fördern. Und sogar das nur unter bestimmten Voraussetzungen. Auch unter dieser Perspektive könnte die Lexikologie der Idiomatik also geradezu eine Pionierrolle einnehmen. Ich fasse zusammen: Ganz gleich, welchen zentralen Aspekt der Lexiokologie man sich vornimmt, das Ergebnis ist immer wieder: Die allgemeinen Wörterbücher und die idiomatischen Wörterbücher, die allgemeine Lexikologie und die Lexikologie der Idiomatik (mehr oder weniger systematisch) zu trennen, führt in eine Sackgasse. Die Idiomatik als Wissenschaft von den eigentlich dynamischen, von den wohl aufschlussreichsten und lebendigsten Phänomenen der Sprache – zumindest auf der Ebene des Worts und des Syntagmas – und dementsprechend die ihr zuzuordnende Lexikologie hat für den geistigen Umgang mit der Sprache – und damit für die Erstellung von Hilfsmitteln, die eben diesen Umgang fördern – heute einen Beitrag zu leisten, der durch keinen anderen Beitrag ersetzbar zu sein scheint. Dabei sind Theorie und Praxis aufs engste aufeinander zu beziehen und Menschen gefragt, die in ihrer Aufgabe zugleich eine Wissenschaft und eine Kunst sehen. Zumindestens ein Teil der eingangs skizzierten Mängel lässt sich auf diesem Weg wahrscheinlich am ehesten beheben, und die dringenden Erfordernisse lassen sich so am besten lösen.
5. Literatur (a) Wörterbücher Duden 8 (42007) = Duden Bd. 8. Das Synonywörterbuch. – Mannheim et al..: Dudenverlag. Lafleur, Bruno (1979): Dictionnaire des locutions idiomatiques françaises. – Bern: Peter Lang. Schemann, Hans (1992): Synonymwörterbuch der deutschen Redensarten (Unter Mitarbeit von Renate Birkenhauer). – Stuttgart: Klett. – (1993): Deutsche Idiomatik. Die deutschen Redewendungen im Kontext. – Stuttgart: Klett. – (2000): PONS Deutsche Redensarten. – Stuttgart: Klett. Schemann, Hans/Dias, Idalete (2005): Dicionário Idiomático Português-Alemão. Idiomatik Portugiesisch-Deutsch. – Braga: Publicação do Centro de Estudos Humanísticos da Universidade do Minho.
(b) Sonstige Literatur Klages, Ludwig (1942): Grundlagen der Wissenschaft vom Ausdruck. – Leipzig: Barth. Lausberg, Heinrich (1962): Handbuch der literarischen Rhetorik. – München: Max Hueber. – (1963): Elemente der literarischen Rhetorik. – München: Max Hueber. Schemann, Hans (1991): Das idiomatische Sprachzeichen. Untersuchung der Idiomatizitätsfaktoren anhand der Analyse portugiesischer Idioms und ihrer deutschen Entsprechungen. – Tübingen. – (2002): Idiomatik und Anthropologie. „Bild“ und „Bedeutung“ in linguistischer, sprachgenetischer und philosophischer Perspektive. – Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag.
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– (2003): „Kontext“ – „Bild“ – „idiomatische Synonymie“. – Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag. – (2005): „Bild“ – „Sprachbild“ – „Weltbild“ – „Phantasiebild“. Zur Natur des Bildes und seiner Beziehung zu Wort, Idee und Begriff. – Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag. Ungeheuer, Gerold (1969): „Paraphrase und syntaktische Tiefenstruktur.“– Folia Linguistica 3, 178– 227. Vauvenargues, Marquis de (1857): Œuvres. – Paris: Furne.
Kathrin Steyer
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung. Zur korpusgesteuerten Beschreibung usueller Wortverbindungen
Abstract This paper1 shows how a corpus-driven approach leads to a new perspective on central issues of phraseology and on lexicographical applications. It argues that a data-driven pattern search (applying statistical methods), an a posteriori interpretation of the data and a user oriented documentation of the usage of multi-word units (e. g. in lexicographical articles) constitute a step-by-step process where each step has its own informational value and usefulness. The description of multi-word units (Usuelle Wortverbindungen) presented in this paper focuses on the second step, the high quality analysis and interpretation of collocation data, exemplified by the fields of multi-word units centered around the word forms/Idee/Ideen/(idea/ideas). 2
1. Einleitung Die Termini »Korpora« und »Korpusbasiertheit« spielen mittlerweile bei einer wachsenden Zahl von Modellen eine zentrale Rolle. Damit einhergehend nimmt auch die Heterogenität der Auffassungen, Methoden, Erklärungsansätze und Nutzungsperspektiven zu. Je disparater der Objektbereich und das Methodenspektrum sind, desto dringlicher scheint eine begleitende methodische Reflexion, vor allem in Hinblick darauf, wie mit einer ganz bestimmten korpusanalytischen Methode entdeckte sprachliche Phänomene zu interpretieren sind. Nach wie vor wird oft zu wenig explizit gemacht, auf welche Weise man die Sprachdaten befragt und interpretiert sowie Verallgemeinerungen vornimmt. Eine Unterscheidung betrifft die Art, wie man sich den Korpusdaten »nähert«, ob man also »korpusbasiert« oder »korpusgesteuert« vorgeht. Korpusbasiertes Herangehen arbeitet mit im Vorhinein aufgestellten Hypothesen und Fragen an das Korpus. Es dient primär der Überprüfung und gegebenenfalls Revidierung, in jedem Falle aber der Ausdifferenzierung und Erweiterung bereits vorhandenen Wissens über sprachlichen Gebrauch. Korpusgesteuertes Herangehen ist erklärtermaßen induktiv und erst auf der Suche nach rekurrenten sprachlichen Strukturen. Es versucht, das Wissen aus den beobachteten Sprachdaten zu generieren und Generalisierungen a posteriori vorzu-
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2
Ich bedanke mich bei Annelen Brunner für die kritische Diskussion meines Manuskripts. Von Peter Ďurčo habe ich wichtige Anregungen und Impulse erhalten, die vor allem in den 4. Punkt eingeflossen sind. Dieser Beitrag ist in wesentlichen Teilen bereits 2006/2007 erarbeitet worden und dokumentiert den damaligen Forschungsstand.
Kathrin Steyer
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nehmen.3 Beide methodischen Wege haben ihre Berechtigung. Kein Paradigma kann derzeit den Alleinvertretungsanspruch erheben und wird es vielleicht auch nie können. In diesem Beitrag werde ich ein korpusgesteuertes Beschreibungsmodell für Wortverbindungen entwickeln, das auf der linguistischen Interpretation von mathematisch-statistisch ermittelten Kookkurrenzdaten basiert. Drei Prämissen bilden das methodische Kredo des in diesem Beitrag vorgeschlagenen Ansatzes: I.
Korpusgesteuerte qualitative Sprachbeschreibung unterscheidet zwar zwischen »besseren« (typischen) oder »schlechteren« (weniger typischen) Kandidaten in Hinblick auf den sprachlichen Usus, aber nicht in Hinblick auf linguistisch-kategoriale Einordnunen. Es gibt kein Zentrum und keine Peripherie in der linguistischen Relevanzsetzung. Damit befindet die korpusgesteuerte Sprachbeschreibung nicht a priori darüber, welche Kandidaten beschreibungswürdiger als andere sind. Sie strukturiert die vorgefundenen Daten vielmehr a posteriori.4
II.
Korpusgesteuerte qualitative Sprachbeschreibung ist primär pragmatisch ausgerichtet. Der Topos, dass Bedeutung Gebrauch ist, manifestiert sich in diesem methodischen Paradigma auf besonders ausgeprägte Weise. Funktionales wird aus der Nische subjektiver Perspektiven auf einzelne sprachliche Akte herausgeholt und durch die Möglichkeit, massenhafte Gebrauchsmuster zu erkennen, »kollektiviert« und damit besser generalisierbar.
III. Korpusgesteuerte qualitative Sprachbeschreibung lässt die Daten – so weit es geht – zunächst für sich selbst sprechen und zieht die ordnenden Fäden im Hintergrund. Dem Betrachter soll ein strukturierter, dabei aber möglichst unverfälschter Blick ins Korpusuniversum und damit auf authentische Sprache ermöglicht werden. Im Ergebnis soll er die realen Sprachdaten in seinen eigenen Interpretationsrahmen einbetten können. Arbeitet man als Linguist konsequent korpusgesteuert, wird man mit neuen Fragen und aber auch neuen Problemen der phraseologischen Beschreibung konfrontiert. Neue interpretative Herausforderungen entstehen z. B. durch die Quantität und die Heterogenität der beobachteten Sprachdaten. Man sieht nicht nur einfach mehr als früher. Man hat auch eine andere Sicht auf die Dinge und erkennt neue Zusammenhänge, Vernetzungen, Hierarchien. So können sich beispielsweise bisher als prominent und daher auch lexikografisch beschreibungswürdig angesehene Wortverbindungen als weniger relevant erweisen.
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4
Verwiesen sei hier auf das Gesamtwerk von John Sinclair (stellvertretend Sinclair 1991). Zu methodischen Ansätzen in diesem Paradigma vgl. u. a. Tognini-Bonelli (2001), Hanks (2004); Belica/Steyer (i. Dr.), Perkuhn (2007), Steyer/Lauer (2007), Brunner/Steyer (2007). Zu weiteren Aspekten aktueller korpuslinguistischer Forschung vgl. auch Näf; Duffner (2006), Lemnitzer/ Zinsmeister (2006). Eine Problematisierung mit so genannten Zentrum-Peripherie-Modellen, in Bezug auf Phraseologismen (z. B. Fleischer 1997), nimmt bereits Feilke vor (2004: 45ff.). Donalies hat sich mit der Problematik der so genannten »Ränder« oder der marginalen sprachlichen Phänomene in Bezug auf die Morphologie in einem der Prämisse I entsprechenden Sinne auseinandergesetzt (Donalies 2007).
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Es kann dagegen andere Kandidaten geben, die sich durch eine viel größere Auffälligkeit auszeichnen, als bis dato zu erkennen war. Tradierte Phraseologismen stellen sich dann als gar nicht so unikal und einzigartig heraus. Es geraten neue Vertreter ähnlicher Art, andere Realisierungen gleicher Grundmuster, Bildungsmuster höherer Ordnung in den Blick. Sie sind weder immer irregulär noch immer regelkonform. Sie sind aber immer gebrauchsge´leitet erklärbar und damit in jedem Fall pragmatisch restringiert (vgl. Feilke 1996). Viele dieser Mehrwort-Vorkommen mussten sich unseren Analysen im vortechnologischen Zeitalter noch verschließen. Drei Grundsatzfragen der Phraseologieforschung und der Phraseografie, die die Fachdiskussion bestimmten und immer noch bestimmen, werde ich aus korpusgesteuerter Sicht betrachten: – – –
Welche Einheiten sind die Bezugsgrößen für eine qualitative Beschreibung und Dokumentation üblicher Wortverbindungen einer Sprache? Welcher Art von Varianz unterliegen diese Einheiten und wie sind sie zu beschreiben? Wie ist das Verhältnis von korpusgesteuert erarbeiteten Ergebnissen als Beitrag zur linguistischen Theoriebildung einerseits und einer möglichst praxisnahen Verarbeitung dieser Resultate andererseits zu bestimmen?
2. Die Eingrenzung des Beschreibungsgegenstands usuelle Wortverbindungen 2.1 Das »subjektive« Kriterium der Idiomatizität In der Regel versucht man, die Frage nach den genuinen Beschreibungsobjekten der Phraseologie und Phraseografie auf dem Weg der Rekonstruktion der besonderen Restriktionen und Beschränkungen zu lösen, denen eine Folge von mindestens zwei sprachlichen Einheiten über die normalen morphosyntaktischen und semantischen Regeln hinausgehend oder abweichend von ihnen unterliegt (Burger 2007: 11ff.). Besondere Restriktionsbedingungen soll hier bedeuten, dass die Komponenten nicht beliebig austauschbar sind, ohne die Übersummativität ihres Kovorkommens zu verändern oder zu verlieren. Es geht darum zu klären, was viele Phraseologismen von freien Wortverbindungen abhebt (Burger 2007: 31).5 Ein nach wie vor prominentes Kriterium zur Abgrenzung von Phraseologismen und freien Wortverbindungen ist die semantische Idiomatizität. Eine Wortverbindung gilt oft als umso interessanter und damit beschreibungswürdiger, je weniger transparent, also je idiomatischer sie ist oder zu sein scheint. Deshalb wird das Kriterium der Idiomatizität auch häufig bemüht, wenn es um die Aufnahme und die Beschreibung von Wortverbindungen in Wörterbüchern oder Lehrwerken/Lernmaterialien geht. Kann es jedoch ein objektives Kriterium für die Bestimmung des Idiomatizitätsgrades einer Wortverbindung geben? Die nicht-kompositionelle (sprich idiomatische) Qualität einer Wortverbindung ist ja nicht per se gegeben, ihr sozusagen inhärent. Sie kann nur abgeleitet werden auf der Basis des zu Grunde gelegten Bedeutungsspektrums ihrer Komponenten. Kompetenzbasierte Lesartenzuschreibungen können je nach semantischer Schule oder subjektiver Auffassung eines
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Burgers Einführung in die Phraseologie, mittlerweile in der 3. Auflage erschienen (2007), und die HSK-Bände zur Phraseologie (vgl. Burger/Dobrovol’skij/Kühn/Norrick 2007) können als die Standard- und Referenzwerke der modernen phraseologischen Forschung gelten.
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Kathrin Steyer
Lexikografen sehr unterschiedlich ausfallen. Die Korpusanalyse hilft, den idiomatischen Status objektiver zu beurteilen, wie die folgenden Beispiele zeigen (vgl. auch Brunner/ Steyer 2007): (1a) sprüht vor Ideen Die Wortverbindung drückt aus, dass jemand ein großes Maß (und manchmal Übermaß) an Gedanken und Einfällen besitzt, was sich auch durch eine ausgeprägte Emotionalität äußern kann. Geht man von der Bedeutungsdefinition des Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache (GWDS 2000) für das Verb sprühen aus, müsste es sich hier um eine teilidiomatische Wortverbindung handeln. Im GWDS werden die entsprechenden Kombinationen mit sprühen als übertragen gekennzeichnet, ohne eine eigene Lesart zu sein.6 Die automatische Umgebungsanalyse des Verbs sprühen ergibt nun aber ein reiches nominales Feld von solchen Partnerwörtern wie Witz/Tatendrang/Lebensfreude/Energie/Optimismus/ Ehrgeiz/Zuversicht usw. Sie sind Komponenten des verbalen Wortverbindungsmusters vor etw. sprühen. Man könnte also durchaus eine normale Lesart für sprühen in Verbindung mit der Präposition vor im Sinne von ‘ein großes Maß/Übermaß an etwas hervorbringen/sich in einem solchen Zustand befinden’ ansetzen. (1b) fixe Idee Die Wortverbindung bezeichnet einen als verrückt, nicht Erfolg versprechend, sinnlos angesehenen Gedanken/Einfall, der oft fast zwanghaft verfolgt wird. Sprecher verwenden diese Wortverbindung zumeist nur auf andere Personen, nicht aber auf sich selbst bezogen. Es gibt keine weiteren Partnerwörter, mit denen das Adjektiv fix im Sinne von ‘verrückt, spinnert, nicht Erfolg versprechend, zwanghaft’ verwendet wird. Damit ist fix relativ unikal, d.h. nur in dieser speziellen Wortverbindung in dieser Bedeutung vorkommend. Die Wortverbindung kann also als teil-idiomatisch interpretiert werden. (1c) Gute Idee Diese Wortverbindung scheint auf den ersten Blick semantisch transparent und daher eher zu vernachlässigen. Die orthografische Variante des Adjektivs gut in Großschreibung Gut ist jedoch ein gesonderter signifikanter Partner von Idee (neben gut) und indiziert eine Auffälligkeit im Gebrauch. Die Analyse der Kotextzeilen zeigt, dass es sich um eine, in vielen Fällen in den Korpora sogar als explizit mündlich markierte, kommunikative Formel handelt (z.B. wie »Gute Idee«, kommentierte sogar X; »Stimmt! Gute Idee!« oder Gute Idee übrigens). Die Wortverbindung ist hier also, obwohl nicht-idiomatisch, pragmatisch restringiert.
Obwohl alle drei Fälle eine graduell unterschiedliche Idiomatizität aufweisen, sind sie aus korpusgesteuerter Sicht völlig gleichberechtigt zu betrachten.7 Ihre jeweiligen Komponenten Idee-sprüht, Idee-fixe, Idee-Gut weisen eine statistisch auffällige Affinität zueinander auf. Diese Affinität resultiert jedoch allein aus dem rekurrenten Gebrauch genau dieser korrelierenden sprachlichen Formen im Korpus. Auch für die folgenden Beispiele aus dem
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»sprü|hen […]: 1. a) in vielen kleinen, fein verteilten Tröpfchen, in zerstäubter Form an eine bestimmte Stelle gelangen lassen […] Ü […] ihre Augen sprühten [vor Freude]; er ließ seinen Geist, Witz s.; der Redner sprühte von Ideen, vor Witz; sein sprühender (reger, immer neue Ideen hervorbringender) Geist; in sprühender (ausgelassener) Laune; ein sprühendes (besonders lebhaftes) Temperament […]« © 2000 Dudenverlag (GWDS 2000). »Die syntaktisch-semantische Konstituenz des Ausdrucks ist nicht die Ursache seiner idiomatischen Prägung« (Feilke 2004: 49).
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Wortverbindungsfeld zum Adjektiv geistig erklären nicht sprachsystematische Gründe die Festigkeit der Wortverbindungen: Geistige Heimat weist eine stärkere Signifikanz auf als geistige Herkunft, geistige Frische als guter geistiger Zustand, Kapital verspielen als Potenzial verspielen. Die objektive Tatsache einer Gebrauchsrekurrenz ist für all diese Vorkommen zunächst einfach zu konstatieren, unabhängig davon, welche Post-Hoc-Erklärungsmuster für die Art der Beschränkung, ob syntaktisch, semantisch oder pragmatisch, anzusetzen sein könnten.
2.2 Das »objektive« Kriterium der Gebrauchsrekurrenz Gebrauchsrekurrenz lässt sich nicht kompetenzbasiert herleiten. Sie kann erst durch mathematisch-statistische Verfahren auf der Basis sprachlicher Massendaten erkannt werden. Die primäre empirische Grundlage, auf der das Beschreibungsmodell der usuellen Wortverbindungen fußt, bilden die Ergebnisse der statistischen Kookkurrenzanalyse (Belica 1995). Diese Methode ermittelt, welche lexikalischen Einheiten8 ungewöhnlich häufig in der Umgebung eines Bezugswortes zu finden sind und somit einen statistisch signifikanten Kohäsionsgrad zu ihm aufweisen. Belegstellen aus dem Korpus werden nach diesem Merkmal gruppiert.9 Linguisten können die Ergebnisse u. a. in Form von Kookkurrenzlisten auswerten, in denen die Relationen der Kookkurrenzpartner und ihrer entsprechenden Originaltextausschnitte im Korpus in Cluster zusammengefasst und mit statistischen Angaben versehen sind. Abbildung 1. zeigt Ausschnitte solcher Kookkurrenzlisten zum Bezugswort Idee in einer vereinfachten Grafik; zum einen die hierarchische Beziehung zwischen dem Bezugswort, dem primären Kookkurrenzpartner und weiteren sekundären Kookkurrenzpartnern (fett gedruckt), die dieses Kovorkommen weiter spezifizieren; zum anderen die typischen kotextuellen Einbettungen der kookkurrierenden lexikalischen Einheiten innerhalb eines Satzes (»syntagmatische Muster«) (kursiv gedruckt). gekommen LLR: 21711 Gesamttreffer: 3553
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gekommen nie wäre 80% wäre [...] nie auf die Idee [...] gekommen Treffer: 125 gekommen nie sei 57% sei [ man ] nie auf die Idee gekommen Treffer: 14 gekommen nie 92% wäre nie auf die Idee [...] gekommen Treffer: 297 gekommen wäre 82% wäre nie auf die Idee [...] gekommen Treffer: 468 gekommen sei 69% sei ihm auf die Idee [...] gekommen Treffer: 445 gekommen 97% auf die Idee [...] gekommen Treffer: 3553
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Ich argumentiere im Folgenden immer auf der Ebene lexikalischer Einheiten, obwohl man exakterweise von »Zeichenketten« sprechen müsste, da die Kookkurrenzanalyse prinzipiell auf Zeichenketten jeglicher Art aufsetzen kann (im Prinzip könnten es auch Metadaten und andere Symbole sein). In der Regel sind es jedoch Wörter und diese sollen uns hier auch nur interessieren. »Die Kookkurrenzanalyse fasst Originaltextausschnitte zu hierarchischen Gruppen, den […] Clustern, zusammen, z.B. aufgrund eines gleichen bzw. ähnlichen Kontextverhaltens eines zentralen Trefferobjekts.« (Perkuhn 2007: 482). Zum linguistischen Erklärungswert dieser Methode auch für phraseologische Fragestellungen vgl. Steyer (2000, 2003, 2004b) und Steyer/Lauer (2007).
Kathrin Steyer
124 kam LLR: 16208 Gesamttreffer: 5870
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kam rettende 80% kam ... die rettende Idee Treffer: 62 kam verhängnisvolle 81% kam ihm auf eine |die verhängnisvolle Idee Treffer: 11 kam ausgerechnet 86% auf die Idee kam [...] ausgerechnet Uwe Ochsenknecht Treffer: 46 kam 54% kam [ ... auf |die ] Idee Treffer: 5870
kommen LLR: 10577 Gesamttreffer: 2685
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kommen nie könnte 100% nie ... Idee kommen könnte Treffer: 1 kommen nie 96% würde nie auf die Idee kommen Treffer: 95 kommen gar könnte 33% könnte ... auf ... Idee kommen ... gar Treffer: 6 kommen gar 72% gar nicht erst |auf die Idee [...] kommen Treffer: 105 kommen könnte 76% könnte man auf die Idee kommen Treffer: 366 kommen 88% auf die Idee [...] kommen Treffer: 2685
zündende LLR: 10185 Gesamttreffer: 680
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zündende hatte gehabt 100% Die zündende Idee ... hatte ... gehabt Treffer: 1 zündende hatte 69% hatte [ ... die |eine ] zündende Idee Treffer: 118 zündende gehabt 90% eine |die zündende [...] Idee [...] gehabt Treffer: 11 zündende hatten 52% hatten ... die |eine zündende Idee Treffer: 21 zündende 88% eine |die zündende [...] Idee Treffer: 680
geboren LLR: 7704 Gesamttreffer: 1627
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geboren war wurde 45% war ... die |als ... Idee [...] geboren [...] wurde Treffer: 11 geboren war Jahren 66% vor ... Jahren war die Idee [...] geboren worden Treffer: 6 geboren war 52% war [ die ] Idee [...] geboren Treffer: 332 geboren wurde Jahren 66% Vor ... Jahren wurde die Idee [...] geboren ... die Treffer: 74 geboren wurde 70% wurde die Idee [...] geboren Treffer: 760 geboren Jahren 87% Vor |vor ... Jahren wurde die Idee [...] geboren Treffer: 105 geboren 84% wurde die Idee [...] geboren Treffer: 1627
fixe LLR: 6964 Gesamttreffer: 597
• • • •
fixe hat 64% hat er |eine |die fixe Idee Treffer: 45 fixe ja 87% ja ... die |eine fixe Idee Treffer: 8 fixe Nation 100% fixe Idee ... einer ... Nation Treffer: 3 fixe 89% die |eine fixe [...] Idee Treffer: 597
Gute LLR: 2909 Gesamttreffer: 448
• Gute schlecht 100% Gute Idee schlecht Treffer: 4 • Gute eigentlich 100% Gute Idee eigentlich Treffer: 11 • Gute 96% Gute [...] Idee Treffer: 448
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung absurde LLR: 2222 Gesamttreffer: 227
• absurde sei 84% Es sei eine absurde Idee sagte ... Treffer: 19 • absurde 96% auf eine |die absurde [...] Idee Treffer: 227 pfiffige LLR: 1803 Gesamttreffer: 170
• pfiffige hatten 33% hatten ... eine pfiffige Idee Treffer: 6 • pfiffige ganz 75% eine ganz [...] pfiffige Idee Treffer: 4 • pfiffige 89% eine |die pfiffige [...] Idee Treffer: 170 Dr LLR: 1695 Gesamttreffer: 191
• Dr neueste 33% Die neueste Idee ... Dr Treffer: 3 • Dr 46% die Idee [ von ... ] Dr Treffer: 191 neu LLR: 1421 Gesamttreffer: 950
• • • •
neu nicht ganz 54% Die Idee ist nicht ganz neu Treffer: 53 neu nicht 55% Die [...] Idee [ ist ] nicht [...] neu Treffer: 603 neu ganz 51% Die Idee ist nicht ganz neu Treffer: 58 neu 41% Die [...] Idee [ ist nicht ] neu Treffer: 950
olympische LLR: 1353 Gesamttreffer: 179
• olympische könnte 66% könnte die olympische Idee Treffer: 3 • olympische 79% die olympische [...] Idee Treffer: 179 umzusetzen LLR: 1160 Gesamttreffer: 264
• • • •
umzusetzen Tat auch 50% Idee auch in die Tat umzusetzen Treffer: 4 umzusetzen Tat 98% die |diese Idee in die Tat umzusetzen Treffer: 53 umzusetzen auch 70% die Idee [...] auch [ in ... ] umzusetzen Treffer: 24 umzusetzen 95% die Idee [ in die Tat ] umzusetzen Treffer: 264
Regelgestaltung LLR: 823 Gesamttreffer: 47
• Regelgestaltung 100% Idee 5 |6 Regelgestaltung 6 |5 Ausführung Treffer: 47
simpel LLR: 787 Gesamttreffer: 139
• simpel ganz 57% Die [...] Idee ist |war eigentlich ganz simpel Treffer: 7 • simpel 82% Die [...] Idee [ ist ] simpel Treffer: 139
125
Kathrin Steyer
126 Sozialismus LLR: 765 Gesamttreffer: 243
• Sozialismus Freiheit 75% Sozialismus in dem |die Idee ... Gleichheit der die ... Freiheit Treffer: 4
• Sozialismus schlecht 90% den Sozialismus für |sei eine gute Idee die nur schlecht ausgeführt |umgesetzt wurde Treffer: 10
• Sozialismus 67% der |die Idee [ des ] Sozialismus Treffer: 243 ne LLR: 468 Gesamttreffer: 105
• ne ja 80% ja [ mal ... ] ne [ gute ] Idee Treffer: 10 • ne 94% so ne [...] Idee Treffer: 105 ja LLR: 384 Gesamttreffer: 1063
• ja könnte 75% man könnte [...] ja auf die Idee kommen – Treffer: 48 • ja 57% ja ... eine |auf die Idee Treffer: 1063 statistisch unspezifisch Abb 1: Ausschnitt aus Kookkurrenzprofil von Idee (Ausschnitt, zuletzt analysiert am 14.4.2008)10
Ein solches Kookkurrenzprofil bildet nichts weiter ab die Teilmenge statistisch signifikanter Vorkommen aus einer unspezifischen Vorkommensmenge ab. Statistisch signifikant heißt hier ein auffälliges Kovorkommen zwischen Bezugswort und den Kookkurrenzpartnern in einer bestimmten Umgebung bei einer bestimmten Parameter-Einstellung. Darüber hinaus sind oft rekurrente syntagmatische Strukturen zu erkennen, die nicht beliebig transformierbar sind.11
2.3 Linguistische Systematisierung Eine linguistische – also qualitative – Verarbeitung der Daten bedeutet nun, inhaltliche Zusammenhänge, Gebrauchsähnlichkeiten, über- und untergeordnete Muster zwischen den berechneten Kovorkommen zu rekonstruieren, diese Beobachtungen zu systematisieren und entsprechende Verallgemeinerungen zu treffen. Diese Systematik soll helfen, die konventionalisierten Gebrauchskonstellationen fester Wortverbindungen aufzudecken und mit
————— 10
11
Zur Interpretation der statistischen Angaben (z.B. LLR) verweise ich auf das entsprechende Tutorial des Projektes »Methoden der Korpusanalyse und –erschließung« unter [http://www.idsmannheim.de/kl/misc/tutorial.html] (zuletzt besucht am 29.4.2008). Man kann solche Cluster natürlich auch fokussiert auf die Einzelwortperspektive auswerten. D.h. man interessiert sich primär für Evidenzen der konzeptuellen Relationen von Bezugswort und ihren Kookkurrenzpartnern, um das semantische Potenzial des Bezugsworts z.B. im Sinne von Frames oder thematisch-diskursiven Zusammenhängen zu erfassen (vgl. Firth 1957, Steyer 2004b, Blumenthal 2006). Dieser Zugang fließt beispielsweise in die Bedeutungsbeschreibungen des elexiko-Wörterbuch ein [www.owid.de] (zuletzt besucht am 29.4.2008). Die »einzelwortbezogene« Perspektive ist jedoch nicht Gegenstand meiner weiteren Argumentation.
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung
127
einem unterschiedlichen Grad an Explizitheit zu beschreiben. Jedes vorgefundene Cluster hat einen Aussagewert, den es zu interpretieren gilt. Demzufolge ist bei diesem Analyseschritt eine spätere Nutzungssituation, die die Bewertung der vorgefundenen Ergebnisse im Vorhinein beeinflussen könnte, zunächst auszublenden. Bei der linguistischen Auswertung von Kookkurrenzprofilen geht es vorrangig um folgende Fragen:12 – – –
Welche Binnenstruktur weist ein Kookkurrenzcluster auf? Welche typischen Variationen und Gebrauchsrestriktionen lassen sich erkennen (u.a. Festigkeitsgrad/variable lexikalische Ausfüllungen)? Gibt es andere Kookkurrenzcluster, die vergleichbare Merkmale und Gebrauchseigenschaften aufweisen?
Abbildung 2 auf S. 128 verdeutlicht, dass verschiedene rekurrente syntagmatische Muster, die im statistischen Kookkurrenzprofil getrennt voneinander und an sehr unterschiedlichen Stellen der statistischen Rangfolge aufgeführt werden, durchaus gemeinsame Merkmale besitzen. Sie bilden über das einzelne Cluster hinausgehende übergreifende Zusammenhänge. Einige Merkmale dieser zusammengefassten Cluster-Gruppen sind morphosyntaktischer Natur wie [PRÄPOSITIONALER_ANSCHLUSS] oder [FLEXIONSFORMENkommen] und [VERBAL] und teils mit weiteren Merkmalen angereichert wie [ADJEKTIVISCHkonnotativ]. Andere dagegen sind eher semantisch begründet wie [VISION_VORSTELLUNG] oder funktional motiviert wie [NEGATION_ZURÜCKWEISUNG]. Das Label [UNSPEZIFISCH] fasst alle Vorkommen in dieser Gruppe zusammen, die nicht eindeutig einzuordnen waren und trägt den Charakter eines internen Arbeitskommentars. Natürlich fällt die Heterogenität der Gruppen in Abbildung 3 auf S. 129 sofort ins Auge. Eine datennahe Interpretation von Kookkurrenzen kann jedoch nicht mit einem einzigen Inventar an beschreibenden Attributen und Kategorien auskommen, z.B. nur ein semantisches Modell oder nur pragmatische Kategorien zu Grunde legen. Kookkurrenzprofile spiegeln die Vielfalt der Sprache wider. Unsere Ordnungskriterien stellen immer eine Kombination aus neuem und tradiertem Wissen, neuen und bekannten Kategorien und Klassen, dar. Ungewöhnliche, bisher noch nicht beschriebene und demzufolge auch nicht klassifizierte sprachliche Erscheinungen kann man zunächst oft nur mit heuristischen Kommentaren fassen, die in ihrer Vagheit noch keinen kategorialen Status haben. In vielen Fällen lassen sich die beobachteten Phänomene durchaus gut mit bereits eingeführten Kategorien fassen. Insofern relativiert sich hier das zu Beginn der Argumentation negierte A-Priori-Prinzip in der qualitativen Analysephase in gewisser Weise natürlich. Wie eine interne Differenzierung einer einzelnen Syntagmengruppe aussehen kann, illustriert die Abbildung 4 auf S. 130. Die Abbildung stellt nun bereits eine Verallgemeinerung zu Wortverbindungen dar, die auf der Basis der systematisierten KWICs vorgenommen wurde. Aus phraseologischer Perspektive interessieren uns im Folgenden genau solche Einheiten wie in der Abbildung 3, bei denen eine über das reine lexikalische Kovorkommen hinaus gehende rekurrente syntagmatische Qualität zu erkennen ist. Rekurrente syntagmatische Qualität bedeutet, dass nicht nur bestimmte lexikalische Einheiten häufig in einer bestimmten Spanne miteinander auftreten, sondern dass dieses Vorkommen immer auch
————— 12
Eine vergleichbare methodische Herangehensweise verfolgt Duffner (2006), der Satzadverbien auf der Basis von Kookkurrenzprofilen analysiert.
Kathrin Steyer
128
mit einem Mindestmaß an typischer, d.h. wiederkehrender syntaktischer Bindung einhergehen muss. Das Konzept der »usuellen Wortverbindungen« bietet hierfür den Erklärungsrahmen (vgl. Steyer 2000 und 2008).13
die |eine fixe […] Idee eine |die verrückte […] Idee
auf die Idee […] gekommen kam [… auf |die] Idee auf die Idee […] kommen käme … auf die Idee
auf eine |die dumme […] Idee eine abwegige Idee
Die […] Idee […] zu […] diesem Projekt … Die […] Idee […] für [das …] die Idee die hinter dem Projekt steckt
Idee
die Idee eines gemeinsamen […] Europa die olympische […] Idee der |die Idee [des] Sozialismus der |die Idee von der Freiheit [und] Gleichheit Brüderlichkeit
die Idee [von …] Dr Idee [und |5 |6 |Regelgestaltung …] Ausführung 6 Verarbeitung die Idee […] bzw
Die […] Idee […] stammt [von |aus] Vor |vor … Jahren wurde die Idee […] geboren auf die Idee […] verfallen reifte … die Idee die |diese Idee […] verworfen kann der |dieser Idee … nichts |etwas abgewinnen verwirklichte [… die] Idee basiert auf einer |der Idee
Gute […] Idee Ich finde ich |es eine tolle Idee dass Tolle […] Idee so ne […] Idee man könnte […] ja auf die Idee kommen
wäre nie auf die Idee […] gekommen auf eine |die abstruse […] Idee nicht die beste Idee eigentlich eine … blöde Idee kann der |dieser Idee … nichts | abgewinnen
Abb. 2: Systematisierung rekurrenter syntagmatischer Muster
————— 13
In Steyer (2008) wird der UWV-Ansatz komplementär zu den Ausführungen in diesem Band aus einem anderen Blickwinkel diskutiert, nämlich der Kollokationsperspektive im Sinne des Hausmannsches Modells.
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung
129
[FLEXIONSFORMENkommen]
[ADJEKTIVISCHkonnotativ]
[PRÄPOSITIONALER_ANSCHLUSS]
[VERBAL]
Idee
[VISION_VORSTELLUNG]
[MÜNDLICHKEIT]
[NEGATION_ZURÜCKWEISUNG]
[UNSPEZIFISCH] Abb. 3: Systematisierung der den jeweiligen Knoten zu Grunde liegenden Merkmale
3. Zur Bestimmung usueller Wortverbindungen Usuelle Wortverbindungen (UWV) sind konventionalisierte Muster des Sprachgebrauchs, die in rekurrenten, also wiederkehrenden, syntagmatischen Strukturen manifest werden. UWV haben einen zumindest binären Einheitsstatus und sind minimal lexikalisch ausgefüllt. Die Komponenten einer usuellen Wortverbindung können unterschiedliche Ausformungen haben, von der einzelnen Wortform eines sprachlichen Ausdrucks bis zu Ausdrucksklassen. Ihre Übersummativität ist nicht eng semantisch zu interpretieren, etwa im Sinne der Dichotomie kompositionell vs. nicht-kompositionell oder idiomatisch vs. nichtidiomatisch, sondern primär pragmatisch. In diese Definition habe ich zwei Bestimmungsmerkmale für Phraseologismen, die die strukturelle Fixiertheit betreffen, integriert: Polylexikalität und Festigkeit (vgl. Burger 2007). Idiomatizität wird dagegen als ungeeignet für die Festlegung des Objektbereichs angesehen, da sie – wie gezeigt – ein relationales Kriterium ist, das auch nur eine sprachliche Ebene, nämlich die eng semantische, fokussiert. Zugleich wird Feilkes Konzept der idiomatischen Prägung (u. a. 1996, 2004) als zentrale Instanz aufgenommen. »Idiomatisch« ist in diesem Kontext nicht als kognitiv-semantische Qualität zu verstehen, wie sie vor allem Dobrovol’skij mit seinem Idiom-Konzept vertritt (vgl. 1995), sondern im Sinne einer konventionalisierten Gebrauchsnorm (vgl. auch Stubbs 1997). UWV sind somit »funktionale Chunks«. UWV werden nun unter den beiden zentralen Bestimmungsmerkmalen »lexikalische Spezifiziertheit« und »funktionale Gebundenheit« weiter betrachtet.
Kathrin Steyer
130
[VERBREITUNG]
[ENTSTEHUNG] • • • • • •
auf eine ~ kommen jemandem kommt eine ~ eine ~ entsteht/reift/kommt auf eine ~ stammt von/aus eine ~ wird geboren eine ~ hat sich entwickelt
• aufgreifen/umsetzen/verwirklichen/lancieren/einbringen • jmdm. eine ~ nahe bringen, zu einer ~ anregen, auf eine ~ bringen, von einer ~ überzeugen Idee [VERBALFORMEN]
[QUALIFIKATION]
[POSITIV] • • • • • •
eine ~ super/prima… finden eine ~ findet großen Anklang an einer ~ Gefallen finden sich für eine ~ begeistern eine ~ besticht durch sich mit einer ~ (durchaus) anfreunden
[NEGATIV] • eine ~ wird verworfen • einer ~ nichts abgewinnen können • einer ~ verfallen sein • von einer ~ besessen sein
Abb. 4: Inhaltliche Gruppierung von Syntagmen
3.1 Lexikalische Spezifiziertheit Ein geeignetes Kriterium zur Klassifikation von usuellen Wortverbindungen auf der Basis von Kookkurrenzprofilen ist der jeweilige Grad an lexikalischer Spezifiziertheit des vorgefundenen syntagmatischen Musters. Es ist zu fragen, inwieweit ein statistisch signifikantes Syntagma unikal lexikalisiert ist, in Hinblick auf seine lexikalischen Komponenten skalar variabel oder ob es nur eine – wenn auch typische – Realisierung anderer Bildungsmuster in ein- und demselben Paradigma repräsentiert. 14 Durch die Kookkurrenzanalyse kann man Hinweise auf unikal lexikalisierte Syntagmen erhalten.
————— 14
Deppermann unterscheidet in Bezug auf den »Grad idiomatischer Formfixiertheit« ebenso zwischen lexikalisch voll spezifizierten, lexikalisch teilspezifizierten und voll schematisierten Konstruktionen (2006: 48f.) Für UWV sind die ersten beiden Typen relevant. Legt man das Begriffsspektrum der Konstruktionsgrammatik – so wie von Fischer/Stefanowitsch (2006b) beschrieben – zu Grunde, befindet sich das UWV-Konzept auf einer mittleren Ebene. Das UWV-Konzept schließt zum einen rein wortbildungsbezogene Konstruktionen und Einwortlexeme aus, zum anderen »abstrakte, lexikalisch nicht ausgefüllte syntaktische Strukturen, wie phrasale Kategorien,
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung
131
Diese UWV treten in all ihren Korpusvorkommen als lexikalisch und syntaktisch fixierte Phrasen hervor. Das bedeutet, dass im Prinzip nur Muster mit denselben lexika-lischen Vertretern identifiziert wurden. In den seltensten Fällen handelt es sich um eine ab-solute Fixierung in dem Sinne, dass nur ein Exemplar einer Zeichenkette mit genau einem anderen Exemplar einer Zeichenkette in genau einer syntaktischen Struktur korreliert und mit einund derselben Bedeutung und Funktion. Zumeist gibt es auch bei diesem hohen Grad an Lexikalisierung minimale Varianzen in Schreibung, Stellung oder Flexion. Diese Varianz kann den autonomen Status dieser Wortverbindung unangetastet lassen, kann aber auch zu Differenzierungen im Gebrauch führen. Beispiel für diese Gruppe der unikal lexikalisierten usuellen Wortverbindungen sind in (2) und (3) aufgeführt: (2)
fixe Idee (siehe Punkt 2.1.) nichts ist stärker, als eine Idee, deren Zeit gekommen ist (satzwertiges Zitat)
(3)
eine Idee (in der Bedeutung eines mehrgliedrigen Quantifikators) Keine Idee? (in der satzwertigen Ellipsenform)
Diese lexikalische Fixiertheit kann sich sowohl auf Relationen zwischen autosemantischen Komponenten oder auf mehrgliedrige (auch satzwertige) Phrasen wie in (6) als auch auf syntagmatische Minimaleinheiten wie in (7) beziehen. Syntagmatische Minimaleinheiten sind statistisch signifikante Verbindungen zwischen einem Inhaltswort und einem/mehreren Funktionswörtern. Das Kriterium für den UWV-Status solcher Minimaleinheiten ist ihre Autonomie als sprachlicher Ausdruck. Das kann eine eigenständige Bedeutung im engen Sinne als auch auf eine eigenständige Funktion in der Kommunikation bedeuten. So lässt sich die Wortverbindung eine Idee – neben der unspezifischen Wortkombination [ARTIKELUNBESTIMMT]+Idee – mit nur ein wenig, ein kleines bisschen, ein Quäntchen usw. paraphrasieren. Typische Muster sind z.B. eine Idee braver, ernsthafter, raffinierter, schneller; mehr X (z. B. groovt und knallt es, Profil, Zuneigung). Für die satzwertige Ellipse Keine Idee? könnte man alternativ andere Formulierungen verwenden, die jemandem zum Einbringen einer Idee auffordern/animieren wie Und fällt dir dazu nichts ein? Hast Du einen Vorschlag? usw. Diese Autonomie lässt sich also mittels Paraphrasen oder Ersetzungen verifizieren. Die orthografische Variante keine Idee ist dagegen in der Regel in Verbalphrasen eingebettet (keine Idee haben, keine gute/schlechte Idee sein) oder auch als elliptisches Element keine Idee, warum... Jede dieser Varianten unterscheidet sich hinsichtlich Bedeutung und/oder illokutivem Potenzial von der elliptischen Verwendungsweise mit Satzwertigkeit: keine Idee haben ‘keinen passenden Gedanken zu etwas haben’, keine gute Idee sein ‘den Gedanken eines anderen zurückweisen’; keine schlechte Idee sein ‘den Gedanken/Vorschlag eines anderen in die eigenen Überlegungen einbeziehen, wohlwollend betrachten’; keine Idee, warum… ‘den Gedanken/Vorschlag eines anderen nicht verstehen, nicht akzeptieren (wollen)’. Die Kookkurrenzanalyse erbringt vor allem aber auch bereits Evidenzen zu lexikalisch teilspezifizierten Wortverbindungen. Dieser Typ ist der Normalfall und stellt eine Abstraktion über konkrete lexikalische Realisierungen dar. D.h. die Fixiertheit lässt sich je nach Korpusbefunden mit einem unterschiedlichen Grad an Verallgemeinerung erklären.
————— Argumentstrukturen (…).« (Fischer/Stefanowitsch 2006b: 6). Die prinzipielle Klärung des Verhältnisses des UWV-Ansatzes und den einschlägigen Konzepten der Construction Grammar muss anderen Publikationen vorbehalten bleiben.
132
Kathrin Steyer
Die Flexibilität bezieht sich auf die Austauschbarkeit lexikalischer Vertreter ähnlicher Art in einem Paradigma. Die Ausdehnung kann von der minimalen Ersetzbarkeit eines anderen lexikalischen Vertreters ähnlicher Art bis hin zur Fixiertheit auf der abstrakten Ebene von Ausdrucksklassen gehen. Auf diese Weise lassen sich graduell lexikalisierte Wortverbindungen unterscheiden: (a) Vorkommen mit minimaler lexikalischer Varianz: Zu dieser Gruppe zählen Wortverbindungen, die nur mit einigen wenigen lexikalischen Realisierungsformen signifikant vorkommen. So ist z.B. auf die/eine Idee kommen hochgradig fest. Analysiert man das Kookkurrenzverhalten des Musters auf X kommen, ist nur das Nomen Gedanke in derselben Bedeutung ‘etwas einfallen, getan haben’ auffällig häufig (auf einen Gedanken kommen). Die anderen nominalen X-Füller indizieren andere Muster mit anderen Bedeutungen (z.B. auf Spur/Schliche kommen = ‘aufdecken’; auf Touren kommen ‘sich endlich entwickeln, bewegen; (endlich) einen Fortschritt erreichen’ oder auf den Tisch kommen = ‘Probleme endlich zur Sprache bringen’). Die Vorkommen dieser Gruppe sind noch im Übergangsbereich zu unikal lexikalisierten Wortverbindungen anzusiedeln. (b) Vorkommen mit eingeschränkter lexikalischer Varianz: Bei diesem Varianztyp sind mehrere lexikalische Füller zu identifizieren, die auf eine potenzielle Bildbarkeit mit einer spezifischen Ausdruckklasse hindeuten. Einer dieser lexikalischen Vertreter ist jedoch auffallend signifikant. So wird die Wortverbindung eine Idee ist/wird/war geboren mit Abstand am häufigsten realisiert. Andere Nomen, die dieses Muster auch ausfüllen, sind aber im Verhältnis zum Lexem Idee viel seltener im Korpusgebrauch: X wird geboren –> X = Plan, Einfall, Gedanke, Vorhaben, Absicht usw. (c) Vorkommen mit systematischer lexikalischer Varianz: Diese Wortverbindungsmuster lassen sich als echte Bildungsmuster charakterisieren, die eine systematische Varianz von vielen lexikalischen Vertretern ähnlicher Art innerhalb eines Musters aufweisen: (4) [ADJEKTIVpositiv,]15+ Idee / Ideen Typische lexikalische Vertreter = gut/zündend/toll/schön/großartig/genial/pfiffig/brillant/ faszinierend/bahnbrechend/bestechend/glänzend (5) [QUANTIFIKATOREN] + Ideen Typische lexikalische Vertreter = eine Fülle von ~/eine Menge ~ /eine Vielzahl von ~ /viele ~ /ein paar ~ /voller ~ (6) [EINHEITEN, DIE EINE ZURÜCKWEISUNG AUSDRÜCKEN] + Idee Typische lexikalische Vertreter = keine wirklich gute ~/eine absurde, abstruse, abwegige ~/auf eine solche ~ muss man erstmal kommen/niemand wäre auf eine solche ~ gekommen/eigentlich eine blöde ~
————— 15
Es handelt sich hier um Adjektive, die eine positive Konnotation in sich tragen.
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung
133
Ein großes Problem bei der Festschreibung eines Wortverbindungsstatus ist die empirische Beobachtung, dass sich in den meisten Wortverbindungen mehrere Bildungsmuster überlappen. Mit korpusgesteuerten Analysen stoßen wir auf ein kompliziertes System »verschachtelter« Wortverbindungen, das von einer Vielzahl wechselseitiger Vernetzungen und Hierarchien geprägt ist. Auch der Status einer Einheit als Ausgangswort relativiert sich unter diesem Blickwinkel. Werden die entdeckten Muster ebenfalls einer automatischen Umgebungsanalyse unterzogen, zeigt sich oft, dass unser eigentliches Bezugswort auch nur ein typischer Vertreter ähnlicher Art, ein typischer Füller ist. Dies wird in den Beispielen 4a, 5a, 6a dargestellt: (4a) Idee-Wortverbindung: brillante Idee Externes Muster: brillant X X-Füller: Rhetorik/Technik/Analyse/Dialoge/Idee/Inszenierung/Köpfe/ Ausdrucksklasse: [NOMINAUNBELEBT, DIE KREATIVITÄT ODER KREATIVE ERGEBNISSE AUSDRÜCKEN] (5a) Idee-Wortverbindung: eine Fülle von Ideen Externes Muster: eine Fülle von X X-Füller: Informationen/Möglichkeiten/Daten/Aufgaben/Ideen/Angeboten/ Chancen/Problemen/Tipps/Eindrücken/Vorschriften Ausdrucksklasse: [NOMINAQUANTIFIZIERBAR] Idee-Wortverbindung: Externes Muster: X-Füller: Ausdrucksklasse:
voller Ideen voller X Tatendrang/Elan/Ideen/Eifer/Energie [NOMINA, DIE AUSDRUCK AUSGEPRÄGTEN HANDELNS UND WILLENS SIND]
(6a) Idee-Wortverbindung: eigentlich eine blöde Idee Externes Muster: eigentlich ein/eine [NEGATIVE KONNOTATION X]16 X-Füller: Unding/alter Hut/Fehlbesetzung/Witz/Widerspruch in sich/Schande/ eine blöde Idee/Skandal/ein Ding der Unmöglichkeit Ausdrucksklasse:
[AUSDRÜCKE, DIE EINE NEGATIVE KONNOTATION TRANSPORTIEREN UND EINE ZURÜCKWEISUNGSHANDLUNG INDIZIEREN]
Völlig offen ist noch, auf welcher Abstraktionsebene sich unsere kognitiven Verarbeitungen und Aktualisierungen nun wirklich vollziehen und welche Muster wann mit welchen lexikalischen Bezugseinheiten aktualisiert werden. Sicherlich sind diese Verarbeitungen stark kontextabhängig. Möglichweise werden je nach Kommunikationssituation bestimmte sprachliche Einheiten zu konzeptuellen Bezugswörtern, die dann auch das lexikalische Zentrum der Wortverbindung bestimmen. Die Ermittlung des invarianten Status vs. varianter Elemente und der typischen Realisierungen von Bildungsmustern verschiedener
————— 16
Natürlich lässt sich auch das positiv konnotierte Muster ansetzen: eigentlich ein/eine [POSITIVE KONNOTATION X]; X-Füller z.B. ein ganz normales Leben/ein guter Kerl/eine gute Idee/Sache; ein gutes Zeichen.
134
Kathrin Steyer
Abstraktionsstufen kann bis zu einem gewissen Maße auf der Basis automatischer Analysen und Clusteringverfahren vorgenommen werden. Die Qualifizierung der Typen von Ausdrucksklassen, die jeweils miteinander korrelieren, der Eigenschaften struktureller Restriktionen und funktionaler Gebundenheiten bleibt nach wie vor bisher allein dem interpretierenden Linguisten vorbehalten. Aber anders als früher kann er diese Interpretationsleistung auf der gesicherten analytischen Basis sprachlicher Massendaten erbringen.
3.2 Funktionale Gebundenheit UWV sind als holistische kommunikative Entitäten zu interpretieren, die als zentrale Konstituenten des Sprachgebrauchs fungieren (vgl. dazu »semantisch-pragmatische Einheiten« bei Siepmann 2002). Tomasello (2006), der Konstruktionen im frühen Erstsprachenerwerb untersucht, beschreibt die »funktionale Verfestigung« von Wortclustern durch den massenhaften Gebrauch so (zit. nach Übersetzung von Wulff/ Zeschel in Fischer/ Stefanowitsch 2006a: 21): Aus der gebrauchsgestützten (usage-based) Perspektive der Konstruktionsgrammatik ist Sprache zunächst im Kontext der grundlegenden Tatsache zu betrachten, dass sich Menschen zu bestimmten Anlässen mit bestimmten, aus konkreten sprachlichen Bausteinen bestehenden Äußerungen verständigen. Wenn Menschen wiederholt »ähnliche« Dinge in »ähnlichen« Situationen sagen, entwickelt sich daraus mit der Zeit ein sprachliches Verwendungsmuster, das in den Köpfen der Benutzer als neue Kategorie oder Konstruktion schematisiert wird – mit unterschiedlichen Abstraktionsgraden. […] Es gibt keine sprachlichen Elemente – ob lexikalische oder syntaktische, konkrete oder abstrakte, reguläre oder idiomatische – die nicht in diesem Sinne symbolisch sind; alle haben einen kommunikativen Bedeutungsgehalt, weil sie alle direkt aus dem Sprachgebrauch abgeleitet sind.
Feilke (2004: jeweils 47 u. 43) formuliert eine pragmatisch motivierte Verfestigung u.a. auf folgende Weise: Wortverbindungen werden fest durch den Gebrauch und sind pragmatisch fixiert innerhalb konventionaler Gebrauchskonstellationen. Pragmatisierung soll heißen, dass das Spektrum idiomatischer Prägung extensional nicht mehr über strukturlinguistisch zu fassende Irregularitäten, sondern zunehmend über das Kriterium der pragmatisch usuellen semiotischen Einheiten des Sprachgebrauchs definiert wird.
Im Mittelpunkt stehen die Beschränkungen, denen diese Wortverbindungen im Gebrauch unterliegen. Diese Gebrauchsrestriktionen können sich, so Deppermann (2006: 48), sowohl auf die »semantischen Klassen möglicher lexikalischer Instanziierungen« beziehen als auch auf die speziellen, eingeschränkten »syntaktischen oder pragmatischen Kontextbedingungen«. Die folgenden Analysebeispiele sollen illustrieren, wie sich Kookkurrenzrelationen zwischen lexikalischen Einheiten unter funktionalen Gesichtspunkten und unter Einbeziehung rekurrenter Kotexte ausdifferenzieren. Zugleich soll deutlich werden, inwieweit funktionale Muster durch ganz unterschiedliche Versprachlichungen realisiert werden können. Eine klare Trennung zwischen Bedeutung und Funktion ist bei einer solchen Herangehensweise nahezu nicht mehr möglich. Daher verwende ich im Folgenden die heuristische Bezeichnung »Funktionsbedeutung« und unterscheide nicht zwischen der Bedeutung in einem eng semantischen Sinne und der realisierten kommunikativen Funktion.
Zwischen theoretischer Modellierung und praxisnaher Anwendung
135
Die durch die automatische Kookkurrenzanalyse berechneten Primär-Cluster zum Bezugswort Idee mit den primären Kookkurrenzpartnern gekommen, kommen, kam, käme (vgl. Abbildung 1 in Punkt 2.2.) liefern uns zwar Indizien für lexikalische Affinitäten, sind aber in Bezug auf die pragmatischen Kontexte ambig. Das bedeutet, dass die primäre lexikalische Korrelation zwischen zwei lexikalischen Einheiten in der Regel noch nichts über die eigentlich realisierten kommunikativen Funktionen aussagt. Durch die Subcluster und die syntagmatischen Muster erhält man dann erste Evidenzen. Den eigentlichen Erkenntniswert liefern aber die dahinter liegenden Originaltextausschnitte (KWICs, Volltextstellen), hier die KWICs des Clusters Idee – gekommen als Minimal-Ausschnitt aus der natürlichsprachigen syntaktischen Einbettung: HMP06 HMP06 HMP06 HMP06 REI REI REI REI SPK SPK SPK SPK SPK SPK SPK FSP VDI06 VDI06 VDI06
Um es nicht so streng wirken zu lassen, war jemand auf die Idee gekommen, rote, blaue, gelbe und grüne Neonröhren an den Fassaden Sollte Kaul auf die Idee gekommen sein, sie überwachen zu lassen? Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich eine blutige Nase zu verpassen? Reinking: Ich habe seinen Kindern im Kino und wundert sich: »Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass die Kinos so unverschämt sind, die Kinder so«. Sie erreicht!) Sie sind nicht ein einziges Mal auf die Idee gekommen, dass es bei einem Anteil von nur noch rund 23 Prozent Sie dem Hohen Hause wirklich erklären, wie Sie jetzt auf diese Idee gekommen sind. Es gibt intelligentere Lösungen, die mehr auf den diese Glocken jetzt zehn Monate lang geschrillt, ehe Sie auf die Idee mit dem Untersuchungsausschuss gekommen sind. (Beifall Plakate geklebt, auf denen stand: »Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.« obwohl er zugibt, dass er »niemals selbst auf die Idee von Bakterien in Schlüpfern gekommen wäre«. Wären die Zellen nicht auf die grandiose Idee dieser Verpackung gekommen, sie hätten ein Problem. »begegnet wird«, erklärt Page. Wann genau das Y-Chromosom auf die Idee der Selbstkontrolle gekommen ist, können die Wissenschaftler noch Hobbies seien Lesen und das Surfen im Internet, wobei ihr auch die Idee zu ihrem Vorschlag gekommen sei. Serena darf sich nun auf einen viele Gruppen unserer Vorfahren unabhängig voneinander auf die Idee gekommen, die schmackhaften und genügsamen Borstenviecher zu Nichts ist eben mächtiger, wusste schon Victor Hugo, »als eine Idee, deren Zeit gekommen ist«. Andreas Jahn ).
Hier wird die Formel nicht explizit, sondern nur als Verwendungserklärung angegeben: Sich für irgendetwas entschuldigen wird als Zeichen der Höflichkeit verwendet, um sich für irgendetwas, das eventuell unbefriedigend sein oder jemanden stören könnte, zu entschuldigen und dieses Unangenehme abzuschwächen. Die Formel hat vier Varianten: – –
Desculpe/a/em qualquer coisa bzw. desculpe/a/em por qualquer coisa. Desculpe/a/em alguma coisa bzw. desculpe/a/em por alguma coisa.1
Im Houaiss (2001) finden wir dazu folgende Einträge: Qualquer coisa: qualquer: designativo de pessoa, objeto, lugar ou tempo 1. indeterminado (um, uma, algum, alguma); 2. indiscriminado, equivalendo a este ou aquele, esta ou aquela, um ou outro, uma ou outra; 3. todo, toda, cada; [...]; cada um. Alguma coisa: algum: para indicar de modo indeterminado qualquer dos indivíduos da espécie referida pelo substantivo ou pronome a que está ligado; certo número de algo; um tanto; nem muito, nem pouco.
Das Verb desculpar wird im Imperativ verwendet. Das Verb kann in drei verschiedenen Imperativformen auftreten: 1. 2.
3.
Entweder in der 3. Person Singular, die den Anredeformen você bzw. Senhor/a entspricht, das heißt also, sowohl der informellen wie auch der formellen Anredeform; Oder in der 2. Person Singular, die eigentlich der Anredeform tu entspräche, aber im Allgemeinen – mit Ausnahme einiger brasilianischer Regionen, in denen das tu (sowohl mit dem Verb in der 2.P.Sg wie auch in der 3.P.Sg.) auch in anderen Verbmodi noch verwendet wird – als eine informellere Variante des 3.P.Sg.-Imperativs gilt; Oder in der 3. Person Plural, die den Anredeformen vocês bzw. Senhores/as entspricht, also der informellen bzw. der formellen Anredeform im Plural.
Als erster Schritt wurde die Formel nun im Google abgerufen. Für den hohen Grad an Informalität der Formel Desculpe qualquer coisa und ihrer Varianten spricht die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Belege im Imperativ Singular die –a–Variante bevorzugt: 5.682 Belege von desculpa gegen 1.874 Belege von desculpe. Die Variante der Formel mit qualquer coisa ist wesentlich häufiger als die Variante mit alguma coisa: 7.129 Belege von desculpe/a/em qualquer coisa gegen 2.095 Belege von desculpe/a/em alguma coisa. Seltener sind die Varianten desculpe/a/em por qualquer coisa bzw. por alguma coisa. Während die zwei am häufigsten gebrauchten Varianten die Valenz desculpar + direktes Objekt aufweisen, ist die Valenz der selteneren Varianten desculpar +
————— 1
Qualquer coisa bedeutet ‘irgendetwas’, alguma coisa bedeutet ‘etwas’.
Probleme der zweisprachigen Phraseografie: die kommunikative Äquivalenz der Formeln
203
por + Substantiv (also eine Präpositionalergänzung). Ganz vereinzelt nur tritt das Verb in seiner reflexiven Form auf (desculpe/em-me: 59 Mal), weshalb wir es in unserer Untersuchung nicht berücksichtigt haben. Die Übersicht über alle Belege sieht so aus: Variante Desculpa qualquer coisa Desculpem qualquer coisa Desculpe por qualquer coisa Desculpa alguma coisa Desculpa por qualquer coisa Desculpa por alguma coisa Desculpe qualquer coisa Desculpe por alguma coisa Desculpem por qualquer coisa Desculpem alguma coisa Desculpe alguma coisa Desculpe-me por qualquer coisa Desculpem por alguma coisa Desculpem-me qualquer coisa Desculpe-me qualquer coisa Desculpe-me alguma coisa
Zahl der Belege 3.670 1.170 810 804 691 517 504 494 284 224 66 37 10 10 9 3
Tabelle 1: Frequenz der Varianten von Desculpe qualquer coisa
Vergleich zu anderen Formeln: Um den Zahlen Ausdruck zu verleihen, stellen wir die Erhebung der Formel Desculpe qualquer coisa im Google des brasilianischen Netzes der der Formel Desculpe o incômodo im Google des brasilianischen Netzes und der ihres deutschen Äquivalentes Entschuldigen Sie die Umstände gegenüber: Während die Formel Desculpe qualquer coisa mit allen ihren Varianten 9.224 Mal vorkommt, so finden wir die Formel desculpe o incômodo allein in dieser exakten Form bereits 9.380 Mal – also in dieser einen Variante häufiger als desculpe qualquer coisa in allen ihren Varianten. Entschuldigen Sie (bitte) die Umstände wird im ganzen deutschsprachigen Netz nur 1.965 Mal verwendet. Auch möglich, aber sehr selten (jeweils nur 3 bis 10 Belege) sind Varianten mit verzeihen statt entschuldigen. Der Überblick über die Verwendung der Formel Entschuldigen Sie die Umstände sieht so aus: Variante: Entschuldigen Sie die Umstände Entschuldigt die Umstände Entschuldigen Sie bitte die Umstände Entschuldige die Umstände Entschuldigt bitte die Umstände Entschuldige bitte die Umstände
Zahl der Belege: 1.160 298 265 131 101 10
Tabelle 2: Frequenz der Varianten von Entschuldigen Sie die Umstände
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Diese Zahlen zeigen uns, dass Desculpe qualquer coisa eine zwar gebräuchliche Formel ist, aber nicht so gebräuchlich wie die viel spezifischere Formel Desculpe o incômodo. Die Tatsache, dass diese Formel im Schriftlichen etwas weniger gebraucht wird als andere vergleichbare Formeln, lässt aber keine Rückschlüsse auf ihre Gebräuchlichkeit im Allgemeinen zu, da uns Daten über die Frequenz in der mündlichen Kommunikation fehlen. Eine Hypothese könnte lauten, dass Desculpe qualquer coisa als typische Formel der mündlichen Kommunikation schriftlich nicht ganz so häufig verwendet wird, wie andere vergleichbare Formeln. Einer näheren Analyse unter Verwendung von Parametern aus oben (3.3) bereits eingeführten Beschreibungsmodellen wurden 22 Belege der Variante Desculpe qualquer coisa unterzogen. Die Ergebnisse waren: (a) Textsorte: E-Mails des On-line-Verkaufs, Foren (Informatik, Mathematik, Spiele, Studenten-Lerngruppe u.ä.), Leserbriefe (Radiosender, Zeitschrift, Zeitung), Ratschläge (Zeitung, Zeitschrift), Berichtete mündliche Verwendung. (b) Phase: VOR: Am Textende, unmittelbar vor der Unterschrift, fast am Ende, unmittelbar vor Formeln wie Grato pela atenção (‘Danke für die Aufmerksamkeit’); Agradeço desde já qualquer tipo de ajuda (‘Ich danke schon im Voraus für Ihre/deine Hilfe’); Aguardando sua resposta (‘In Erwartung Ihrer/deiner Antwort’); Sem problemas (‘Geht klar’); Qualquer dúvida basta entrar em contato (‘Bei Unklarheiten setzen Sie sich/setz dich mit mir in Verbindung’). Selten: an anderer Stelle. NACH: Frage, Bitte um Erklärung, Bitte um Bestätigung, Bitte um Hilfe, Nachfrage (kommunikatives Missverständnis), Ratschlag, gegebener Erklärung, Meinungsäußerung, vorhergehender Diskussion. (c) Gründe für die Entschuldigung:2 vorangegangene Kritik (Aggression) an H, vorangegangene Klage des H, Erklärung des S, von S vermutetes eventuelles Missverständnis, Meinungsäußerung des S, vorangegangener Ratschlag/Instruktion des S, eventuell mangelhafte Performance des S, Absage des S, Bitte des S um Ratschlag/ Instruktion/Hilfe, Dank des S für von H erhaltenen Rat/Instruktion/Hilfe, kein Grund. (d) Motive für den Formelgebrauch/Perlokution: gute Beziehung aufrechterhalten wollen. (e) Mitspieler: Kennen einander meist nicht persönlich, geringe Vertrautheit, verschiedene institutionelle hierarchische Relationen, meist keine Besonderheiten in Bezug auf Emotionen wahrnehmbar, selten: Bedauern. Stilebene: neutral, umgangssprachlich.
————— 2
Die hier gelisteten Gründe für die Bitte um Entschuldigung reichen bei Bedrohung des positiven Gesichts des Hörers (H) oder des Sprechers (S) (etwa bei Kritik) bzw. des negativen Gesichts des Hörers (etwa bei Bitte) von anerkannter intentionaler Schuld (selten) über anerkannte intentionslose Schuld bis meist hin zu möglicher oder gar keiner Schuld.
Probleme der zweisprachigen Phraseografie: die kommunikative Äquivalenz der Formeln
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(f) Expressiver Sprechakt: den anderen davon überzeugen, dass man ihn wertschätzt und die gute Beziehung zu ihm aufrechterhalten möchte, die eigene Unzulänglichkeit eingestehen. Ist stark sinnentleert; ritualisiert. (g) Handlungstyp: Kontakt beschließen. Eine entfernte Parallele aus dem ritual-religiösen Bereich: z.B. das obligatorische Schuldbekenntnis zu Anfang jedes Gottesdienstes der christlichen Kirchen: Zur menschlichen Kondition gehört es, nie ganz frei von Schuld zu sein; der S anerkennt damit seine menschliche Kondition als Sünder. Die Bedeutung von Desculpe qualquer coisa könnte also so beschrieben werden: 1.
2.
(Meist formeller) Ausdruck des Bedauerns über eine für den H missliche Situation, an der S Schuld ist, wobei die Situation mehr oder weniger misslich sein kann. Mehr: etwas gesagt/getan haben, das den anderen verletzt/verletzen könnte; weniger: den anderen um etwas gebeten haben, das ihm Mühe verursacht/verursachen könnte; noch weniger: etwas gesagt/getan haben, das den anderen nicht ganz zufrieden stellt. Ausdruck der Versicherung des Wunsches nach einer störungsfreien Beziehung bei gleichzeitiger Anerkennung der Möglichkeit einer Störung dank der Unzulänglichkeit des S. Meist am Ende der Kontaktperiode.
Nähme man nun alle diese Informationen ins Wörterbuch auf und gäbe man mögliche portugiesische Äquivalente an, so könnte man meinen, dem Wörterbuchbenutzer genug Informationen an die Hand gegeben zu haben, um die Formel verstehen, verwenden und übersetzen zu können. Dies trifft aber nicht zu, wie wir aus folgenden Überlegungen er-sehen werden. Selbst wenn der deutschsprachige Wörterbuchbenutzer nun verstanden hätte, was Desculpe qualquer coisa bedeutet, so werden weder dem Übersetzer noch dem deutschsprachigen Produzenten in portugiesischer Sprache genug Informationen gegeben, um ihren Aufgaben in allen Fällen problemlos gerecht werden zu können. Denn in der Kommunikationssituation, in der Desculpe qualquer coisa am häufigsten verwendet wird, würde man auf Deutsch nämlich nicht Entschuldigen Sie die Umstände sagen, sondern etwas ganz anderes, etwa ein: Es war so schön, dass Sie hier waren! oder Ich hoffe, wir haben Sie nicht zu lange aufgehalten, oder, genau betrachtet, würde man gar nichts an dieser Stelle sagen. Welches die häufigste Verwendung der Formel im Mündlichen ist, wollen wir im Anschluss durch ein Beispiel zeigen. In der Erzählung Filhos e livros behauptet der brasilianische Journalist und Schriftsteller Carlos Heitor Cony (Folha de S. Paulo 9.5.2004), dass die Formel Desculpe qualquer coisa »fast nur von einfachen Leuten benutzt wird, von Hausfrauen, die Besuch bekommen und schon im Voraus für irgendetwas um Entschuldigung bitten. In den höheren Rängen der Gesellschaft ist sie jedoch nicht mehr modern«: A expressão, que parece delicada (»desculpe qualquer coisa«), é quase exclusividade dos simples, das donas-de-casa que recebem visita e pedem desculpa antecipada por qualquer coisa. Caiu de moda nos escalões superiores da sociedade. (Carlos Heitor Cony. »Filhos e livros«. Folha de S. Paulo 9.5.2004)
Der Gebrauch der Formel, deren klassische Verwendungssituation der Autor hier abbildet, wird doch die Formel tatsächlich häufig bei Besuchen sowohl vom Gastgeber wie auch vom Besucher selbst am Anfang oder häufiger noch am Ende des Besuches verwendet,
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wird mit einer gewissen ironischen Herablassung kommentiert, die an dieser Stelle nicht erläutert werden kann. Conys Kommentar beschreibt nicht nur die klassische Verwendungssituation der Formel, sondern illustriert deutlich, dass Sprecher sich der Existenz von sprachlichen Interaktionsmustern bewusst sind. Gleichzeitig veranschaulicht das Beispiel, dass für die Formel in ihrem klassischen Gebrauch tatsächlich kein Äquivalent im Deutschen existiert, sodass wir also von einer Lücke im deutschen Interaktionsmuster (im Vergleich zum brasilianischen Interaktionsmuster) sprechen können. Das Fehlen einer Entsprechung einer L1-Formel in der L2 oder umgekehrt ist ein deutliches Indiz dafür, dass diese Formeln Realisierungsformen bestimmter Scripts sind, die in der jeweils anderen Sprache keine vollkommene kommunikative Äquivalenz aufweisen. Dieser Umstand erklärt auch, warum die semasiologische Beschreibung der Formeln nicht allen Ansprüchen der Wörterbuchbenützer gerecht werden kann, sondern der Ergänzung durch die onomasiologische Perspektive bedarf: Die Interaktionsmuster müssen in den Blick kommen. Die Erhebung und Beschreibung der Scripts der L1 und ihre Gegenüberstellung zu den Scripts der L2 (wie in 3.4 beschrieben) wäre also der nächste Schritt in der Erstellung des semasiologisch-onomasiologischen Wörterbuchs.
5. Zusammenfassender Überblick Bei den Formeln handelt es sich um Phraseme, die sich durch hohe pragmatische Festigkeit auszeichnen; diese Festigkeit weist allerdings eine Graduierung auf. Sie zählen zu den am stärksten im Sprachbewusstsein der Sprecher präsenten sprachlichen Konventionen: Während niemand sich die Mühe macht, einem Kind explizit beizubringen, dass man die Zähne putzt und nicht bürstet, wird z.B. in der deutschen Sprachgemeinschaft schon von klein auf trainiert, dass man bitte und danke sagen muss, wenn man etwas möchte und es erhält. Sie sind Indizien konventioneller Verhaltensmuster und sind als pars-pro-toto als sprachlich sichtbar gemachte Spitze des konventionellen Verhaltensmuster-Eisbergs denkbar. Die Investigation des Zusammenhangs zwischen Formeln und Handlungsmustern zeigte, dass die Erwartbarkeit bestimmter Formeln in bestimmen Kommunikationssituationen bzw. Texttypen, sowie die Sanktionen bei Nichteinhaltung dieser Verhaltensmuster darauf hinweisen, dass Formeln nicht nur Indizien für konventionelle Verhaltensmuster sind, sondern sie auch initiieren. Verhaltens- und Interaktionsmuster sind aber stark von jeder Sprachgemeinschaft geprägt; wir lehnen es ab, von vornherein universelle Interaktionsmuster anzunehmen. Wir gehen davon aus, dass es verschiedene Grade von kommunikativer Äquivalenz von L1- und L2-Scripts gibt. Idiomatische Kompetenz bedeutet also in Bezug auf Formeln die Kenntnis der sprachlichen Form sowie der durch sie indizierten und initiierten Muster. Ein Wörterbuch kann erheblich zum Erwerb dieser im interkulturellen Umgang so wesentlichen idiomatischen Kompetenz beitragen. Diesen Zugang zur idiomatischen Kompetenz ermöglicht in angemessener Weise aber nur ein Wörterbuch, das aus onomasiologischer Perspektive auch die Interaktionsmuster der beiden Sprachgemeinschaften in den Blick nimmt und den Grad ihrer kommunikativen Äquivalenz beschreibt.
Probleme der zweisprachigen Phraseografie: die kommunikative Äquivalenz der Formeln
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Der Weg zur onomasiologischen Perspektive führt über die semasiologische Aufbereitung der Formeln, die wir an einem konkreten Beispiel (Desculpe qualquer coisa) durchführten. Die zweite Phase steht noch aus. Sie ist nicht nur von der Analyse großer Datenmengen abhängig, sondern auch von der kritischen Beleuchtung onomasiologischer Kataloge.
6. Literatur (a) Wörterbücher Houaiss, Antonio (2001): Dicionário Houaiss da língua portuguesa. – Rio de Janeiro: Objetiva.
(b) Sonstige Literatur Burger, Harald (2007): Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen. 3., neu bearbeitete Auflage. – Berlin: Erich Schmidt. Burger, Harald/Buhofer, Annelies/Sialm, Ambros (1982): Handbuch der Phraseologie. – Berlin, New York: de Gruyter. Cheon, Mi-Ae (1998): Zur Konzeption eines phraseologischen Wörterbuchs für den Fremdsprachler. Am Beispiel Deutsch-Koreanisch. – Tübingen: Niemeyer. Coulmas, Florian (1981): Routine im Gespräch. Zur pragmatischen Fundierung der Idiomatik. – Wiesbaden: Athenaion. Feilke, Helmuth (1994): Common sense-Kompetenz. Überlegungen zu einer Theorie »sympathischen« und »natürlichen« Meinens uns Verstehens. – Frankfurt a. M.: Suhrkamp Glenk, Eva (2003): „Brasilianisch-portugiesische und deutsche Phraseologismen im Kontrast: Beschreibungsverfahren und Äquivalenzsuche.“ – Pandaemonium Germanicum 7, 191–214. – (2006): „Die Vermittlung kultureller Skripts an Fremdsprachenlerner und –benutzer.“ – In: Asociación Latinoamericana de Estudios Germanisticos (Hg.): Akten des XII. ALEG-Kongresses, Deutsch in Lateinamerika: Ausbildung, Forschung, Berufsbezug. Havanna, Leipzig: Alumniprojekt (CD-ROM). Gumperz, John J. (1982): Discourse strategies. – Cambridge: Cambridge University Press. Hyvärinen, Irma (2003): „Der verbale Valenzträger.“ – In: V. Ágel, L. M. Eichinger, H. W. Eroms, P. Hellwig et al. (Hgg.): Dependenz und Valenz. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung, 1. Bd., 738–749. Berlin, New York: de Gruyter. Johnson, Mark (1987): The Body in the Mind. – Chicago: The University of Chicago Press. Kerbrat-Orecchioni, Catherine (2006): Análise da conversação. Princípios e métodos. – São Paulo: Parábola. Konerding, Klaus-Peter (1993): Frames und lexikalisches Bedeutungswissen. – Tübingen: Niemeyer. Kühn, Peter (1984): „Pragmatische und lexikographische Beschreibung phraseologischer Einheiten.“ – In: H. E. Wiegand (Hg.): Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie IV, 175–235. Hildesheim, Zürich; New York: Georg Olms. Lakoff, Georg (1987): Woman, Fire and Dangerous Things. What Categories Reveal about the Mind. – Chicago: The University of Chicago Press. Linke, Angelika/Nussbaumer, Markus/Portmann, Paul R. (1991): Studienbuch Linguistik. – Tübingen: Niemeyer.
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Erla Hallsteinsdóttir
Zweisprachige Lernerphraseografie aus funktionaler Sicht
Abstract In this paper I discuss the lexicographic data that foreign language learner need in a bilingual dictionary of phraseology in order to be able to (a) understand, and (b) use multiword units. In the context of language learning, the third possible situation, the translation of phraseology, is included in the comprehension and production situations. In relation to the Aarhus theory of functional lexicography I describe possible dictionary entries where the language learner and his/her (assumed) needs are in the focus of metalexicographic considerations instead of, as in many traditional dictionaries of phraseology, the linguistic phenomena itself.
1. Einführung Unabhängig davon, ob man Phraseologismen – hier als Oberbegriff für lexikalisierte Mehrwortverbindungen – als gewöhnliche Wortschatzeinheiten, die »nicht komplizierter und weniger notwendig als andere sprachliche Einheiten« (Kühn 1992: 172) sind, oder als »das Sahnehäubchen des elaborierten Umgehens mit einer Sprache« (Harras 1997: 52) betrachtet, stellt ihre Beschreibung in Wörterbüchern ein wichtiges Hilfsmittel für das Sprachlernen dar. Die lexikografische Behandlung von Phraseologismen manifestiert sich übergeordnet auf zweifache Art und Weise: 1.
In allgemeinsprachlichen Wörterbüchern werden Phraseologismen meist ihren Komponenten untergeordnet und sie treten selbst nicht als eigenständige Lemmata auf.
2.
Spezielle Phraseologiewörterbücher enthalten als Lemmata ausschließlich Phraseologismen bzw. eine ausgewählte Untergruppe der Phraseologie, die, je nach Wörterbuchtyp, unterschiedlich erklärt werden.
Eine grundsätzliche Unterscheidung wird daher i.d.R. zwischen der metaphraseografischen Diskussion über die Darstellung von Phraseologismen in allgemeinsprachlichen Wörterbüchern einerseits und in speziellen Phraseologiewörterbüchern andererseits gemacht (vgl. Fleischer 1997: 233). Weiterhin wird »zwischen ein- und zwei- oder mehrsprachigen Wörterbüchern« (ebd.) unterschieden.1 In diesem Beitrag geht es um die Möglichkeiten der lexikografischen Erfassung und Darstellung der Phraseologie (vgl. ausführlich zu generellen Fragen der Phraseografie in Hallsteinsdóttir 2006a). Den Hintergrund dieses Beitrages bildet die Arbeit an einem For-
————— 1
Inwieweit solche Unterscheidungen sinnvoll sind, soll hier vorerst unbeantwortet bleiben (vgl. Hallsteinsdóttir 2006a).
Erla Hallsteinsdóttir
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schungsprojekt,2 in dem eine zweisprachige Idiomdatenbank entwickelt wurde. Die Umsetzung der phraseografischen Konzeption erfolgte in einer Datenbank mit isländischen und deutschen Phraseologismen. In der Datenbank werden die Phraseologismen in einsprachigen Modulen erfasst und auf der Basis von Korpusanalysen beschrieben. Potenziell äquivalente Phraseologismen werden mit Hyperlinks verbunden. Dieses Verfahren wurde aus zeitlichen und praktischen Gründen gewählt, denn dadurch dass in der einsprachigen Phraseografie kein adäquates Beschreibungskonzept für die Darstellung von Phraseologismen in einer Datenbank gefunden werden konnte, musste der Schwerpunkt des Projekts auf die Entwicklung eines Konzepts für die einsprachige Beschreibung von Phraseologismen in der Datenbank verlagert werden. Diese beinhaltet neben der Entwicklung einer adäquaten Datenbankstruktur (z.B. Zugangsmöglichteiten, Begleittexte, Aufbau und interne Anord-nung der lexikografischen Daten) auch die Bestimmung der Auswahlkriterien für Phraseologismen in einem Wörterbuch für Nichtmuttersprachler, inklusive Frequenzuntersuchungen und Analyse des Vorkommens von Phraseologismen in Korpusbelegen (vgl. Hallsteinsdóttir 2005, 2006a, 2006b, 2006c; Hallsteinsdóttir et al. 2006). Die aus dieser Vorgehensweise resultierende Zurückstellung des kontrastiv-zweisprachigen Aspekts stellt nach wie vor ein großes Forschungsdefizit in der Phraseografie dar. Das Ziel dieses Beitrags ist, einige Grundlagen der Weiterentwicklung des Datenbankkonzepts für die zweisprachige Phraseografie zu ermitteln. Als metalexikografischen Zugang habe ich hier die Theorien der Aarhuser Funktionslehre3 gewählt, weil diese sich einerseits in letzter Zeit verstärkt der Grundlagen der Lernerlexikografie angenommen haben (vgl. Tarp 2006) und andererseits ein aktuelles elektronisches phraseologisches Wörterbuch veröffentlicht haben (vgl. Bergenholtz/Vrang 2007), wobei sie allerdings immer wieder die fehlende Nutzbarkeit der Ergebnisse der Phraseologieforschung für die Lexikografie beklagen (vgl. z.B. Almind et al. 2006). Eine Grundvoraussetzung der Funktionslehre ist, dass bei der Wörterbucharbeit nicht das sprachliche Zeichen Phraseologismus, sondern – im Gegensatz zum traditionellen Fokus auf Eigenschaften der Phraseologismen selbst – vielmehr der Sprachlerner als Wörterbuchbenutzer mit seinen angenommenen Bedürfnissen, in den Mittelpunkt gestellt werden muss. Mit diesem Ausgangspunkt wird hier die Funktionslehre in Relation zu Theorien und Wörterbuchkonzeptionen der zweisprachigen Lernerphraseografie und der Phraseologieforschung problematisiert und auf ihre Brauchbarkeit überprüft. Der Schwerpunkt liegt auf folgenden drei Perspektiven: 1. 2. 3.
Die potenziellen Wörterbuchbenutzer: Nutzerbedürfnisse und Benutzungssituationen. Die Ergebnisse der theoretischen Phraseologie: Äquivalenzmodelle. Die Lösungen der Lexikografie bzw. der Phraseografie: Wörterbuchkonzeptionen und Wörterbücher.
Ein Zusammenspiel dieser drei Perspektiven soll die Möglichkeiten für die Wörterbucharbeit aufzeigen und einen ersten Vorschlag einer verbesserten Konzeption für die zweisprachige Lernerphraseografie ergeben. Dies bedeutet, dass auch die Auswahl und Dar-
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3
Ich möchte The Icelandic Centre for Research und dem DAAD für die Finanzierung der diesem Beitrag zugrunde liegenden Projekte danken. Centre for Lexicography an der Aarhus School of Business.
Zweisprachige Lernerphraseografie aus funktionaler Sicht
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stellung der Daten diskutiert werden, die ein Sprachlerner in einem zweisprachigen Wörterbuch braucht.
2. Die »traditionelle« Metaphraseografie Die Diskussionen der »traditionellen« Metaphraseografie beziehen sich einerseits auf die Bewertung der Phraseologie in existierenden Wörterbüchern und andererseits gehen sie aus »Werkstattberichten« mit Vorschlägen zu einer neuen und besseren lexikografischen Darbietung hervor. Schon vor 20 Jahren hat Koller seine Überlegungen zum idealen zweisprachigen Phraseologiewörterbuch veröffentlicht. Diese Überlegungen, die ihre Gültigkeit nach wie vor haben, und die vielfach erweitert bzw. ergänzt worden sind, sehen folgende Prinzipien als maßgebend für ein solches Wörterbuch an (Koller 1987: 111ff.): 1. 2. 3.
4.
Korpusorientiertheit: Orientierung am Phraseologiegebrauch in gesprochenen und geschriebenen Texten. Frequenzorientiertheit: Angaben zur generellen Vorkommensfrequenz. Ökonomie der Beschreibung: Angaben müssen sich an die Benutzergruppen und die möglichen Arten von Benutzung orientieren, sie enthalten u.a. Informationen zur Bedeutung, zu Vorkommensbereichen, zu Gebrauchsbedingungen und zur Syntax. Kontrastive Orientierung: Berücksichtigung sprachenpaarbezogener Relationen und Angaben zur Äquivalenz.
Zu Defiziten in der Phraseografie und zur Darstellung der Phraseologie in den existierenden Wörterbüchern gibt es zahlreiche theoretische Überlegungen, Wörterbuchanalysen, Verbesserungsvorschläge und »Wunschkataloge« (vgl. die Diskussion in Hallsteinsdóttir 2006a). Diese Arbeiten werden häufig in Relation zu den angenommenen Bedürfnissen fremdsprachlicher Nutzer durchgeführt, und sie haben meist das Ziel, Defizite aufzudecken. In den Arbeiten, die sich auf die deutsche Phraseologie beziehen, herrscht generell eine Übereinstimmung darüber, dass die Aufarbeitung und die Beschreibung der Phraseologie in gedruckten Wörterbüchern bestenfalls als mangelhaft zu bewerten sind. Als Konsequenz dieses Ergebnisses fordert Hessky ein Umdenken in der Phraseografie, um die Phraseologie »von dem Korsett lexikografischer Tradition zu befreien« (Hessky 1999: 240), in der phraseologiespezifische Eigenschaften nicht berücksichtigt werden. Trotz dieser eher pessimistischen Evaluierung gibt es schon erste ernsthafte Bemühungen, der Phraseografie sowohl eine solide metalexikografische Grundlage als auch eine empirische sprachliche Datengrundlage zu bieten.4 In der zwei- und mehrsprachigen Phraseografie sind zahlreiche neuere Projekte zu nennen, die die deutschsprachige Phraseologie einbeziehen, z.B. Cheon (1998, deutsch-koreanische Phraseologie), Ettinger/Nunes (2006, portugiesisch-deutsche Phraseologie), das EPHRAS-Projekt (Jesenšek 2007 und [www. ephras.org], deutsch-ungarisch-slowenisch-slowakische Phraseologie), Filipenko (2002) und Dobrovol’skij/Filipenko (2003, deutsch-russische Phraseologie), Hallsteinsdóttir
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Vgl. z.B. Almind et al. (2006), Fellbaum et al. (2006a, 2006b), Hallsteinsdóttir et al. (2006), Farø (2004, 2006), Wotjak/Heine (2005).
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(2005, 2006b, 2006c, deutsch-isländische Phraseologie), Korhonen (2003) und Heine (2006, deutsch-finnische Phraseologie), Mellado Blanco/Buján Otero (2007, deutschspanische Phraseologie) und Walker (2003, deutsch-portugiesische Phraseologie). Inwieweit die Befreiung aus den traditionellen Zwängen in den einzelnen Projekten tatsächlich gelungen ist, soll hier allerdings nicht bewertet werden. In der deutschen Lexikologie und Lexikografie gibt es mehrere neuere empirische Ansätze und teilweise realisierte Projekte, z.B. die lexikografische Konzeption der Beschreibung von Mehrwortverbindungen im Projekt elexiko (Steyer/Lauer 2006) mit 25 Musterartikeln, die lexikografische Erfassung und ausführliche Beschreibung von ungefähr 1000 Idiomen im Kollokationenprojekt (Fellbaum et al. 2006a, 2006b). Die meisten Ansätze sind allerdings beim näheren Betrachten in die linguistische Sprachbeschreibung einzuordnen. Auch bei solchen Projekten, die sich zum Ziel setzen, nicht nur der Lexikografie zuzuarbeiten, sondern aus eigens gewonnenen Sprachdaten auch Wörterbücher zu erstellen, handelt es sich trotz des lexikografischen Anspruchs vielfach um lexikologische Projekte (vgl. die notwendige theoretische Differenzierung zwischen lexikologischen, lexikografischen und translatologischen Untersuchungen in Farø 2006). Als die primäre Aufgabe des Lexikografen wird von Hanks et al. (2006: 444) die Beschreibung des Sprachgebrauchs betrachtet: The task of a lexicographer analysing a corpus is to identify all normal uses of words (not all possible uses), to group them into categories, and to offer an explanation (a »definition«) of each word in each of its categories.
Laut Hanks et al. (2006: 448) ist der Ausgangspunkt und das Ziel die Beschreibung der Sprachzeichen an sich: In this paper we have presented entries for a new treatment of German light verbs (verblasste Verben). The aim of such a dictionary is to bring out the subtle phraseological norms with which each light verb is associated and to explain and exemplify the normal collocations in which such verbs occur.
Diese Art von Sprachbeschreibung ist und bleibt eine wichtige Grundlage für lexikografische Daten, eine unverzichtbare »lexicographic resource« (Fellbaum et al. 2006b: 349) für sowohl einsprachige als auch zweisprachige Wörterbücher. Ohne jegliche Überlegungen bezüglich der potenziellen Benutzer – diese glänzen häufig durch ihre vollständige Abwesenheit wie bei Hanks et al. (2006) – und ihrer Bedürfnisse verspricht eine lexikografische Aufarbeitung allerdings wenig Erfolg. In der kontrastiven Phraseologieforschung gilt ebenfalls die Beobachtung Dobrovol’skijs noch, dass »die eigentlich lexikografischen Fragestellungen bis auf einige Ausnahmen kaum Diskussionsgegenstand waren« (Dobrovol’skij 1997b: 46). Auch er (Dobrovol’skij 1997b: 45–46) betont die wichtige Rolle der Resultate aus dem Sprachvergleich in der Phraseografie: Aus der Spezifik der kontrastiven Linguistik ergibt sich die Relevanz dieser Richtung für die zweisprachige Lexikographie. In bezug auf die Idiom-Komponente des Lexikons bedeutet dies, daß die kontrastiv orientierten phraseologischen Konzeptionen eine theoretische Grundlage für die Entwicklung zweisprachiger Phraseologie-Wörterbücher verschiedener Typen liefern sollen.
Inzwischen gibt es aber einige Projekte, die sich mit der benutzerorientierten lexikografischen Bearbeitung von Phraseologie beschäftigen. Hier sind z.B. das dänische Internetwörterbuch Ordbogen over Faste Vendinger (im Folgenden als Wörterbuch der festen Wen-
Zweisprachige Lernerphraseografie aus funktionaler Sicht
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dungen [www.idiomordbogen.dk]; vgl. Almind et al. 2006; Bergenholtz/Vrang 2007, vgl. auch die Rezension in Farø 2004), die Integration von Phraseologismen in ein zweisprachiges Fachwörterbuch in Leroyer (2006) und die Konzeption einer zweisprachigen Idiomdatenbank für Sprachlerner in (Hallsteinsdóttir 2005, 2006b, 2006c) zu nennen. Allgemein bemängelt wird in der Metaphraseografie nicht nur die Darstellung der Phraseologie in Wörterbüchern, sondern auch die nach wie vor vorhandene Diskrepanz zwischen der Phraseologieforschung und der lexikografischen Praxis. Nur allzu gerne schieben sich Phraseologen, Lexikografen und Linguisten den schwarzen Peter gegenseitig zu, dass ungenügende Grundlagenforschung betrieben bzw. die vorhandenen eigenen Forschungsergebnisse bei der Arbeit der jeweils anderen nicht beachtet würden. Auf der einen Seite behaupten Phraseografen, dass die Ergebnisse der Phraseologie an den Bedürfnissen der Phraseografie vorbei produziert würden, und auf der anderen Seite beklagen Phraseologen, dass ihre Erkenntnisse nur sehr zögerlich in der Lexikografie Anwendung fänden (vgl. Almind et al. 2006: 163ff.; Zöfgen 1994: 211; Wotjak/Heine 2005: 143). Beide Seiten dürften leider Recht haben. Erste eigene phraseografische Erfahrungen betrafen genau die erwünschte Integration von Forschungsergebnissen der Phraseologie in die phraseografische Arbeit. Die Forschung hat in vielen phraseografisch relevanten Bereichen tatsächlich kaum Ergebnisse geliefert. Die Grundlage für eine Integration ist in diesen Bereichen also nicht gegeben. Dies betrifft insbesondere das Aufarbeiten aktueller Daten aus der korpusgestützten Analyse der Verwendung und Bedeutung und die darauf aufbauende Beschreibung einzelner Phraseologismen. Solche Daten sind bis dato nur lückenhaft vorhanden.5 Weiterhin sind im Bezug auf die lexikografischen Daten vor allem Defizite in den Verfahren zur Beschreibung semantischer und pragmatischer Eigenschaften, unzureichende Methoden zur Erfassung und Darstellung onomasiologischer Strukturen und fehlende theoretische Grundlagen für die Darstellung phraseologischer Daten aus kontrastiver Sicht in zwei- oder mehrsprachigen Phraseologiewörterbüchern zu nennen. Die Defizite sind nicht nur in der sprachlichen Datengrundlage zu beklagen, auch im Bezug auf die Berücksichtigung aktueller lexikografischer Theorien bei der Ausarbeitung der Datengrundlage ist in der Phraseologie und der Phraseografie noch großes Verbesserungspotenzial vorhanden. So ist Almind et al. (2006: 163) bezüglich der Nutzbarmachung der Phraseologieforschung in der Lexikografie im Großen und Ganzen zuzustimmen: [...] that most contributions are useless to us as lexicographers, both empirically and theoretically, i.e. seen from the point of view of lexicographical theory creation and proposals for new lexicographical concepts for phraseological dictionaries. The main reason is first of all the lack of incorporating and not taking into account the functions of dictionaries, including user prerequisites, i.e. linguistic and cultural previous knowledge and actual needs.
In diesem Beitrag soll dieser Feststellung folgend der Fokus auf das Aufspüren der Konsequenzen und Lösungen gelegt werden, die die Funktionslehre für die zweisprachige Lernerphraseografie bietet, wobei gleichzeitig versucht wird, die Ergebnisse der Phraseologieforschung im Auge zu behalten und sie auf ihr lexikografisches Potenzial zu überprüfen. Zuerst sollen jedoch die Grundlagen der Lernerlexikografie in der Funktionslehre kurz erläutert werden.
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Lexikologische Abhilfe für die deutsche Phraseologie versprechen die oben genannten Projekte elexico [www.elexico.de] und »Kollokationen im Wörterbuch« [http://kollokationen.bbaw.de].
Erla Hallsteinsdóttir
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3. Funktionale Lernerlexikografie Die Funktionslehre der Aarhuser Schule6 befasst sich mit der metalexikografischen Beschreibung und Konzeption von Wörterbüchern und Wörterbuchinhalten in Relation zu den Bedürfnissen von Wörterbuchbenutzern in bestimmten Benutzungssituationen. Zu diesem Aspekt äußert sich Tarp (2006: 57) wie folgt: In der Funktionstheorie ist der Funktionsbegriff selbst zweideutig. Auf der einen Seite wird ein Wörterbuch als eine Funktion von spezifischen Typen von Bedürfnissen betrachtet, die in der Gesellschaft konstatiert werden können. Und auf der anderen Seite ist es die Funktion eines Wörterbuches, genau diese spezifischen Typen von Bedürfnissen zu erfüllen. Die Bedürfnisse werden außerdem nicht isoliert betrachtet, sondern eng an spezifische Typen von potenziellen Benutzern in spezifischen Typen von Situationen gebunden. Typen von potenziellen Benutzern, Benutzungssituationen und Benutzerbedürfnissen sind drei von den vier Hauptelementen, die in den Funktionsbegriff eingehen. Sie sind alle extra-lexikografisch in dem Sinne, dass sie unabhängig von tatsächlicher Wörterbuchbenutzung existieren. Das vierte Element ist die Hilfe, die Wörterbücher leisten können, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Dieses vierte Element ist seinem Wesen nach intra-lexikografisch, und es ist gleichzeitig das vermittelnde Element, das die Verbindung des Extralexikografischen mit dem Lexikografischen möglich macht. (Übersetzung EH)
Wörterbücher werden als Gebrauchsgegenstände aufgefasst und diese Auffassung bildet den Ausgangspunkt für sowohl lexikografische Theorien als auch die praktische Wörterbucharbeit. Ein Wörterbuch dient immer einem genuinen Zweck, wie Tarp (2006: 107) konstatiert: Der genuine Zweck eines Wörterbuchs ist die Erfüllung von den Typen der lexikografisch relevanten Bedürfnisse, die bei einem oder mehreren Typen von potenziellen Benutzern in einem oder mehreren Typen von extra-lexikografischen Situationen entstehen können. (Übersetzung EH)
Die grundlegende lexikografische Frage ist dementsprechend die Frage danach, welche Benutzer welche Wörterbücher in welchen Situationen zu welchem Zweck benutzen (vgl. z.B. Bergenholtz/Tarp 2003). Die Antwort auf diese Frage bildet die Grundlage dafür, welche lexikografischen Daten ein Wörterbuch beinhalten sollte. So nach Tarp (2006: 73): Auf einer abstrakten Ebene besteht die Hilfe, die Wörterbücher ihren Benutzern leisten können, aus lexikografischen Daten, aus denen Benutzer die Informationen herausholen können, die ihre Bedürfnisse in bestimmten Situationen erfüllen können. (Übersetzung EH)
Die funktionale Lexikografie sieht sechs grundlegende Benutzungssituationen (i.e. Funktionen) von zweisprachigen Wörterbüchern vor (vgl. Bergenholtz 1997: 20–21): 1. 2. 3. 4. 5.
Die Sprachrezeption eines X-sprachigen Benutzers in Sprache Y. Die Sprachproduktion eines X-sprachigen Benutzers in Sprache Y. Die Übersetzung von X-sprachigen Texten in Sprache Y. Die Übersetzung von Y-sprachigen Texten in Sprache X. Der generelle oder spezifische Bedarf eines X-sprachigen Benutzers an Sprachwissen in Sprache Y.
————— 6
Vgl. Bergenholtz/Tarp (2003) zum Unterschied zu Wiegands lexikografischen Funktionen.
Zweisprachige Lernerphraseografie aus funktionaler Sicht
6.
215
Der generelle oder spezifische Bedarf eines X-sprachigen Benutzers an Wissen über einen Sachverhalt in Sprache Y (Fach-/Sachwissen).
Die Sprachrezeption, die Sprachproduktion und das Übersetzen sind kommunikative Funktionen und die beiden letzten Funktionen sind kognitive Funktionen. Da die Funktionen an die sprachspezifischen Bedürfnisse der Benutzer gebunden sind, müssen die hier aufgeführten Funktionen für die X-sprachigen Benutzer ebenfalls für die Y-sprachigen Benutzer definiert werden. Demnach wären bei der Berücksichtigung jeder Funktion in einem speziellen Wörterbuch für jedes Sprachenpaar zwölf unterschiedliche Wörterbücher erforderlich. Die Konzeption polyfunktionaler Wörterbücher bietet jedoch die Möglichkeit gleichzeitig lexikografische Daten für den Informationsbedarf in mehr als nur einer Benutzungssituation anzubieten (vgl. Bergenholtz 1997, Tarp 2006). Für Lernerwörterbücher bedeutet nach Tarp (2006: 33) die Herangehensweise der Funktionslehre, [...] dass Wörterbuchverfasser berücksichtigen müssen, wie der Fremdsprachenerwerb tatsächlich stattfindet und dementsprechend Wörterbücher konzipieren, die zu der eingesetzten Didaktik passen, unabhängig davon, ob sie selbst mit ihr einverstanden sind. (Übersetzung EH)
Die daraus folgende Definition von Lernerwörterbüchern lautet nach Tarp (2006: 153): Ein Lernerwörterbuch ist ein Wörterbuch, dessen genuiner Zweck darin besteht, den lexikografisch relevanten Bedarf an Informationen zu decken, den Lerner in einer Reihe von Situationen in Verbindung mit dem fremdsprachlichen Lernprozess haben können.7 (Übersetzung EH)
Die typischen Benutzungssituationen eines Fremdsprachenlerners teilen sich in kommunikative und kognitive Benutzungssituationen (vgl. Tarp 2006: 170ff.). Die kognitiven Benutzungssituationen sind z.B. der Bedarf an Wissen über den fremdsprachlichen Wortschatz, Grammatik- oder Kulturwissen. Die kommunikativen Benutzungssituationen umfassen: 1. 2. 3. 4.
Die Sprachrezeption in der Fremdsprache, Die Sprachproduktion in der Fremdsprache, Das Hinübersetzen, d.h. Übersetzen in die Fremdsprache, und Das Herübersetzen, d.h. Übersetzen in die Muttersprache.
In Bezug auf das Übersetzen gehe ich in Anlehnung an Tarp (2006) davon aus, dass sich die Daten für das Übersetzen im Fremdsprachenunterricht von den Daten für die Sprachrezeption und Sprachproduktion nicht wesentlich unterscheiden. Daher können die Funktionen Sprachrezeption und das Herübersetzen einerseits und die Sprachproduktion und das Hinübersetzen andererseits bei der Auswahl und Aufarbeitung der lexikografischen Daten zusammengelegt werden. Daraus ergeben sich zwei unidirektionale Wörterbücher: * *
Fremdsprache → Muttersprache für die Sprachrezeption und das Übersetzen in die Muttersprache. Muttersprache → Fremdsprache für die Sprachproduktion und das Übersetzen in die Fremdsprache.
————— 7
Auch Wiegand (1998: 299) geht von einem »genuinen Zweck« aus. Ausführlich zum Unterschied zwischen der beiden Theorien in Bergenholtz/Tarp (2003).
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Erla Hallsteinsdóttir
Die Möglichkeit, dass die beiden unidirektionalen Wörterbücher in einem bidirektionalen Wörterbuch Fremdsprache ↔ Muttersprache vereint werden könnten, soll weiter unten wieder aufgegriffen werden (vgl. ausführlich zur Frage »Was ist ein bilinguales Wörterbuch?« in Tarp (2004)). In unidirektionalen Wörterbüchern wird die Phraseologie einer Sprache (Objektsprache) mithilfe einer zweiten Sprache (Metasprache) beschrieben. Die Phraseologismen der Metasprache dienen i.d.R. nur der Erklärung der Objektsprache, meist durch die Angabe von möglichen Äquivalenten. Als ein Beispiel für ein solches unidirektionales zweisprachiges Wörterbuch (vgl. z.B. die Diskussion über phraseologische Übersetzungswörterbücher in Kromann 1987) soll das Konzept von Dobrovol’skij/Filipenko (2003) dienen, in dem deutsche Idiome auf Russisch erklärt werden. Folglich ist das Wörterbuch nur für russisch-sprachige Benutzer interessant, die sich über die deutsche Phraseologie informieren wollen. Ihre Benutzungsbedürfnisse werden für sowohl das Verstehen als auch das Verwenden von deutschen Idiomen erfüllt. Für die im Wörterbuch vorkommenden russischen Phraseologis-men erfährt der Benutzer jedoch nur, für welche deutschen Idiome sie als Äquivalente in Frage kommen. Weil für die russischen Idiome adäquate Erklärungen und Verwendungsbeispiele fehlen, kann das Wörterbuch nicht als bidirektionales Wörterbuch fungieren.8 Die Benutzung eines zweisprachigen Wörterbuchs beim Fremdsprachenlernen führt sowohl in der Sprachrezeption als auch in der Sprachproduktion den »Umweg« über die Muttersprache mit sich. Ob dies als positiv oder negativ zu bewerten ist, hängt stark von theoretischen Vorgaben der jeweiligen Didaktik ab. Ich halte diesen Weg auch bei fortgeschrittenen Lernern für sinnvoll, insbesondere wenn zusätzlich Fach- oder Sachwissen in der Fremdsprache erworben wird. Sonst riskiert der Lerner – und dies kenne ich aus eigener Erfahrung – den fachsprachlichen Anschluss in der Muttersprache zu verpassen9 (vgl. aber Tarp 2006: 179–180, der von einem »unerwünschten gemischten Bilingualismus« redet). Die Konsequenz des muttersprachlichen Einflusses für die Lernerlexikografie zieht Tarp (2006: 176) in der folgenden Feststellung: ... dass traditionelle Lernerwörterbücher, die entweder einsprachig oder zweisprachig sind, nur einen begrenzten Gebrauchswert besitzen. Die zweisprachigen Wörterbücher können für Lerner auf Anfängerniveau und die einsprachigen Wörterbücher für sehr fortgeschrittene Lerner ausreichend sein. Aber für die große Mehrheit von fortgeschrittenen Lernern, die sich zwischen diesen Stadien befinden, reicht weder ein einsprachiges noch ein zweisprachiges Lernerwörterbuch aus, denn diese Lerner brauchen entweder beide Typen Wörterbücher oder ein Wörterbuch, in dem eine kombinierte Lösung angeboten wird, die die Charakteristika beider Wörterbuchtypen vereint, d.h. mit sowohl einem zweisprachigen Zugang durch die Muttersprache als auch einem Zugang, der den Ausgangspunkt in der Fremdsprache nimmt, ob dieser nun einsprachig ist oder zweisprachig mit Richtung zurück zur Muttersprache. (Übersetzung EH)
————— 8
9
Es gibt durchaus bidirektionale bzw. potenziell bidirektionale Phraseologiewörterbücher. Diese bestehen aus Listen mit Phraseologismen, in denen Phraseologismen zweier (oder mehr) Sprachen vergleichend mithilfe des Aneinanderreihens von Äquivalenten dargestellt werden. Solche Listen sind allerdings bloßes Sprachvergleichen und weder für das Verstehen noch für das Verwenden von Phraseologismen geeignet. Ob man jemals ausschließlich in einer (Fremd)Sprache denkt – und ob dies überhaupt erstrebenswert ist –, wage ich – und dies ebenfalls aus eigener Erfahrung – zu bezweifeln.
Zweisprachige Lernerphraseografie aus funktionaler Sicht
217
Der Einbezug der Muttersprache im Fremdsprachenlernen sollte nicht mit der Übersetzung im translatologischen Sinne verwechselt werden, die die Beherrschung beider Sprachen und eine Übersetzungskompetenz voraussetzt.10 Die Benutzung von zweisprachigen Wörterbüchern wird hier vielmehr als eine Möglichkeit angesehen, die immer präsente muttersprachliche Kompetenz beim Fremdsprachenlernen produktiv zu nutzen.
3.1 Perspektive 1: Die potenziellen Wörterbuchbenutzer und ihre Bedürfnisse In diesem Abschnitt geht es um die Klärung der Benutzerbedürfnisse und -situationen der potenziellen Wörterbuchbenutzer. Hier stehen zwei Fragen im Vordergrund: 1. Welche sind die potenziellen Wörterbuchbenutzer und was sollen sie in welchen Benutzungssituationen mit den Informationen im Wörterbuch machen? 2. Welche lexikografischen Daten brauchen die Wörterbuchbenutzer, um das Wörterbuch in den potenziellen Benutzungssituationen erfolgreich zu verwenden? Die Antwort auf die Frage nach den Benutzern und den Benutzungssituationen, die im letzten Abschnitt dargestellt wurden, ist schon durch die Festlegung auf zweisprachige Lernerlexikografie gegeben. Für die genaue Charakterisierung eines potenziellen Benutzers von Lernerwörterbüchern stellt Tarp (2006: 160) folgende zwölf Kriterien auf (Übersetzung EH): 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Welche Sprache ist die Muttersprache des Lerners? Wie gut beherrscht der Lerner die eigene Muttersprache? Wie gut beherrscht der Lerner die jeweilige Fremdsprache? Wie gut ist das allgemeine kulturelle Wissen des Lerners? Wie gut ist das Wissen des Lerners über die Kultur in dem Land/den Ländern, wo die Fremdsprache gesprochen wird? Warum möchte der Lerner die jeweilige Fremdsprache lernen? Findet der fremdsprachliche Lernprozess bewusst oder spontan statt? Findet das Fremdsprachenlernen in oder außerhalb des fremdsprachlichen Sprachraums statt? Wird die Muttersprache während des Lernprozesses eingesetzt? Verwendet der Lerner ein bestimmtes Lehrbuch oder ein didaktisches System? Benutzt der Lerner eine bestimmte didaktische Methode? Ist der Lernprozess an ein bestimmtes Fach gebunden?
Dass die Muttersprache eine zentrale Rolle beim Lernen einer Fremdsprache spielt, ist inzwischen allgemein bekannt. Das Wissen und die Voraussetzungen aus der Muttersprache beeinflussen das Fremdsprachenlernen – bewusst und unbewusst – durch einen positiven Transfer und negative Interferenzen. Dies gilt auch für die Phraseologie (vgl. Hallsteinsdóttir 2001, Hessky 1997: 257ff.), in der z.B. die so genannten »falschen Freunde« (vgl. z.B. Piirainen 1999) zum falschen Verstehen oder die »Spiegelübersetzungen« (Hessky 1997: 258) zu Produktionsfehlern führen. Ich schließe mich der Auffassung von Jesenšek
————— 10
Auch die Diskussion darüber, ob das Übersetzen eine sinnvolle Methodik im Fremdsprachenlernen darstellt, soll hier nicht vertieft werden, vgl. Überblick in Ettinger (1988, 1989).
Erla Hallsteinsdóttir
218
(2006: 138) an, [...] dass der Phraseologie im gesamten Sprachunterricht von Anfang an ein fester Platz einzuräumen ist. Für ein zweisprachiges Lernerwörterbuch bedeutet dies: 1.
dass die muttersprachlichen Kenntnisse (bzw. das mögliche Fehlen dieser) der anvisierten Benutzer immer als ein wichtiger Aspekt bei der Konzeption eines Lernerwörterbuchs berücksichtigt werden müssen (vgl. Tarp 2006: 161ff.), dass die Phraseologie von Anfang an den Kenntnissen und Bedürfnissen der Lerner entsprechend im Lernerwörterbuch aufgearbeitet werden sollte.
2.
Die weiteren Charakterisierungskriterien werden im Folgenden in der Darstellung der lexikografischen Daten, die in den jeweiligen Benutzungssituationen wichtig sind, punktuell aufgegriffen.
3.2 Lemmaselektion Die erste wichtige lexikografische Entscheidung betrifft die Auswahl der Phraseologie für das Fremdsprachenlernen. Tarp (2006: 203) nennt drei Fragen, die der Lemmaselektion zugrunde liegen (Übersetzung EH): 1. 2. 3.
Wie viele Lemmata sollen Lernerwörterbücher enthalten? Nach welchen Kriterien und Prinzipien soll die Lemmaselektion stattfinden? Auf welcher empirischen Basis erfolgt die Lemmaselektion?
Im Bezug auf die Phraseologie ist man sich allgemein einig, dass die Häufigkeit und Geläufigkeit eines Phraseologismus grundlegende Kriterien sind (vgl. Jesenšek 2006: 141). Mit diesen Kriterien wird auch i.d.R. die Aufnahme von Phraseologismen in Wörterbüchern begründet. Dass es sich trotz der Angabe, die Auswahl der jeweiligen Phraseologismen umfasse die geläufigen und gebräuchlichen Phraseologismen der deutschen Sprache, keineswegs um eine einheitliche oder objektive Auswahl handelt, zeigt ein Vergleich der Phraseologie in zwei allgemeinsprachlichen und zwei phraseologischen Lernerwörterbüchern. Von 5.000 Phraseologismen aus den Lernerwörterbüchern von Langenscheidt (Götz et al. 1997) und de Gruyter (Kempcke 2000), dem Übungsbuch von Hessky/Ettinger (1997), dem Übungsbuch von Griesbach et al. (2000) und Dobrovol'skijs (1997a: 263ff.) Liste intersubjektiv geläufiger Idiomen des Deutschen waren nur 201 Phraseologismen in allen Wörterbüchern und der Liste enthalten (vgl. Hallsteinsdóttir 2005: 328ff.). Mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ist ein Orientierungsrahmen für das Fremdsprachenlernen nicht nur innerhalb von Europa geschaffen worden. Für die Lernerlexikografie bedeutet dieser Rahmen, dass der lexikografisch relevante Wortschatz, d.h. der Bedarf der Sprachlerner an lexikografischen Daten, durch die Inhaltsbeschreibungen der Referenzniveaus quasi vorgegeben sind. So einfach ist es allerdings nicht in der Praxis, denn vorgegeben sind zwar die zu lernenden Themen, eine entsprechende abgegrenzte lexikologische und lexikografische Erfassung und Beschreibung des Grundwortschatzes liegt aber in vielen Sprachen noch nicht vor (vgl. die Situation für Deutsch in Jesenšek 2006). Wenn sie vorliegt, bezieht sie sich in der Regel auf Wörter, Phraseologismen werden kaum oder nur als Sublemmata berücksichtigt. Ein ideales Verfahren zur Bestimmung der Phraseologie in Relation zum Referenzrahmen bestünde im ersten Schritt in der Erfassung aller Phraseologismen, die zur Versprach-
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lichung der vorgesehenen Themenbereiche verwendet werden (thematische Relevanz der Lemmata, vgl. Jesenšek 2006: 141; Tarp 2006: 206). In einem zweiten Schritt würde die Frequenz dieser Phraseologismen im Korpus untersucht, und in einem dritten Schritt würden die niedrigfrequenten Phraseologismen auf ihre Geläufigkeit bei muttersprachlichen Sprechern überprüft. In ihren Untersuchungen haben Hallsteinsdóttir et al. (2006) gezeigt, dass frequente Phraseologismen den muttersprachlichen Sprechern auch geläufig sind. Umgekehrt gilt jedoch nicht, dass niedrigfrequente Phraseologismen immer wenig oder unbekannt sind, daher ist der dritte Schritt für die Auswahl der niedrigfrequenten Phraseologismen notwendig, um die Aktualität der Phraseologie zu sichern (vgl. Jesenšek 2006). Die Verteilung der Phraseologie in Relation zur fremdsprachlichen Sprachkompetenz der Lerner erfolgt durch die Einordnung der Themenbereiche in die Niveaustufen des Referenzrahmens. Neben der Relevanz und der Frequenz nennt Tarp als weiteres Kriterium der Lemmaselektion die Systematik der Lemmata (vgl. Tarp 2006: 206). Als Beispiel dafür nennt er semantische Relationen wie Antonymie und semantische Felder bzw. die Erfassung kompletter Bereiche (z.B. Monate, Zahlen, Wochentage). Eine solche holistische Herangehensweise ist ein erster Schritt auf dem Weg, die Phraseologie mit ihren Relationen zu Wörtern in Wörterbüchern zu integrieren.
3.3 Lexikografische Daten Die Auswahl der lexikografischen Daten legt fest, welche Informationen die Wörterbuchbenutzer bekommen. Idealerweise reichen diese aus, um das Wörterbuch in den potenziellen Benutzungssituationen erfolgreich zu verwenden. Die fremdsprachlichen kommunikativen Benutzungssituationen Sprachrezeption und Sprachproduktion sowie das Übersetzen wurden oben schon beschrieben. Aus diesen Situationen lassen sich folgende zwei Fragen bezüglich der erforderlichen lexikografischen Daten ableiten: 1. 2.
Welche Daten brauchen die Wörterbuchbenutzer, um fremdsprachliche Phraseologismen zu verstehen? Welche Daten brauchen die Wörterbuchbenutzer, um fremdsprachliche Phraseologismen selber korrekt zu verwenden?
Die Phraseologieforschung hat in den letzten Jahren einen verstärkten Fokus auf die Untersuchung der Prozesse und Bedingungen des Lernens von Phraseologie gelegt. Aus den Resultaten sind eine Reihe Lösungsansätze für die Behandlung der Phraseologie im Fremdsprachenunterricht abgeleitet worden. Mit Ausgangspunkt im Sprachlerner als Hauptbenutzer eines zweisprachigen phraseologischen Lernerwörterbuchs sollen hier zuerst diese Ansätze im Hinblick auf ihre Adäquatheit als Grundlage für die Auswahl von lexikografischen Daten überprüft werden. Am bekanntesten sind die Arbeiten zum phraseologischen Dreischritt von Kühn (z.B. 1994).11 Darin werden drei Schritte beim erfolgreichen Lernen eines Phraseologismus vorgesehen:
————— 11
Vgl. auch ausführlich zum Lernen fremdsprachlicher Phraseologie in den Arbeiten von Hessky/ Ettinger (1997), Ettinger (1998, 2001) und Ettinger/Nunes (2006).
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Erla Hallsteinsdóttir
(a) Einen Phraseologismus im Text erkennen. (b) Die phraseologische Bedeutung entziffern, d.h. einen Phraseologismus im Text verstehen. (c) Einen Phraseologismus lernen und danach fehlerfrei verwenden können. Ein Wörterbuch kann nur dann beim Erkennen der Phraseologizität einer Wortkombination helfen, wenn der Benutzer schon die Vermutung hat, es handele sich um einen Phraseologismus und die Wortkombination zur Bestätigung im Wörterbuch nachschlägt. Bei Kühn handelt es sich um Strategien, in denen die Phraseologizität an bestimmten Merkmalen in konkreten Texten ohne Hilfsmittel festgestellt wird.
3.4 Sprachrezeption: Das Verstehen eines Phraseologismus Der Verstehensschritt korreliert mit der ersten Frage zur Festlegung der lexikografischen Daten. Lexikografische Daten, die das Verstehen eines fremdsprachlichen Phraseologismus in der Sprachrezeption ermöglichen sollen, können unterschiedlich gestaltet sein. So nennt Farø (2006: 217ff.) eine Bedeutungsparaphrase, eine Erklärung der Verwendung, Beispiele und muttersprachliche Äquivalente als Lösungen, die auch kombiniert eingesetzt werden können. Farø hebt hervor, dass für das Verstehen »weder syntaktische noch kategoriale Äquivalenz zwischen Ausgangsidiom und Erklärungsentität notwendig« (Farø 2006: 218) sind. Ein fremdsprachlicher Phraseologismus muss also nicht zwingend mit einem muttersprachlichen Phraseologismus erklärt werden. Ein Verstehen, das das Nachvollziehen der formalen und inhaltlichen Struktur beinhalten soll, erfordert die komponenten-basierte Übersetzung (»Wort-für-Wort-Übersetzung«) des Phraseologismus in die Muttersprache. Ettinger/Nunes (2006: 9) meinen in dieser Hinsicht, dass »die genaue Kenntnis der lexikalischen Bestandteile der Redewendung absolut notwendig [ist], um das jeweilige Bild der Redewendung zu verstehen [...]«. Wenn Daten für das Übersetzen in die Muttersprache mit berücksichtigt werden, so können neben einer genauen Bedeutungsparaphrase auch muttersprachliche Äquivalente, die »nicht unbedingt phraseologische Systemäquivalente sein müssen« (Jesenšek 2006: 144), samt einer Erklärung der Äquivalenzbeziehung angegeben werden.
3.5 Sprachproduktion: Die richtige Verwendung eines Phraseologismus Der Verwendungsschritt hilft bei der Charakterisierung der möglichen Probleme bei der Verwendung eines – durchaus auch noch zu lernenden – Phraseologismus. Für zweisprachige Wörterbücher charakterisiert Tarp (2006: 178) die Bedürfnisse in der Benutzungssituation Sprachproduktion und die erforderlichen lexikografischen Daten wie folgt: Im Bezug auf die Benutzerbedürfnisse in Verbindung mit Produktion über die Muttersprache braucht der Lerner hauptsächlich eine lexikografische Lösung, in der die muttersprachlichen Wörter – inkl. Idiome und Sprichwörter – mit nachfolgenden fremdsprachlichen Äquivalenten angegeben werden. Dazu kommt, dass im Falle einer Teiläquivalenz und der Möglichkeit für mehrere fremdsprachliche Äquivalente ein Bedarf an Informationen über Bedeutungsunterschiede zwischen den möglichen Äquivalenten besteht. In den Fällen, wo es nur ein fremdsprachliches Teil-
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äquivalent gibt, braucht der Lerner möglicherweise Informationen zum Bedeutungsunterschied zwischen der Muttersprache und der Fremdsprache, [...]. (Übersetzung EH)
Für die Benutzung eines Muttersprache → Fremdsprache-Wörterbuchs bei der Sprachproduktion über die Muttersprache sind für Phraseologismen folgende Konstellationen möglich: 1.
2.
Einem muttersprachlichen Einwortlemma entspricht (u.a.) ein fremdsprachlicher Phraseologismus (dän. Goddag, Hej! und dt. Guten Tag, Grüß Gott! etc. – vgl. Hallsteinsdóttir 2006a). Ein muttersprachliches Lemma ist ein Phraseologismus, dem entweder ein (oder mehrere) fremdsprachliche Wörter oder ein (oder mehrere) Phraseologismen entsprechen (isl. leggjast undir feld [»sich unter ein Fell legen«] und dt. sich zurückziehen und intensiv über etwas nachdenken – vgl. auch Hallsteinsdóttir 2001 oder dän. på lige fod med und dt. gleichberechtigt (vgl. Farø 2006: 181)). In diesem Falle kennt der Benutzer den muttersprachlichen Phraseologismus und hat ihn schon als Grundlage für die Sprachproduktion in der Fremdsprache ausgesucht.
Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass in der Sprachproduktion nur ein Muttersprache → Fremdsprache-Wörterbuch benutzt wird. Ein Fremdsprache → Muttersprache-Wörterbuch wird möglicherweise eingesetzt, um Informationen zu einem schon in der Fremdsprache für die Sprachproduktion ausgesuchten Phraseologismus zu bekommen. Diese Benutzungssituation lässt vermuten, dass Fremdsprache → Muttersprache Wörterbücher nicht nur der Sprachrezeption und dem Herübersetzen dienen. Vielmehr ist von polyfunktionaler Verwendung auszugehen, die auch in diesen Wörterbüchern lexikografische Daten für die Sprachproduktion erforderlich macht. Eine Möglichkeit ist die von Farø (2006: 218) vorgeschlagene kombinierte Lösung »bestehend aus Paraphrase, Metatext und Beispiel«, die er am Beispiel des Phraseologismus Ohren steif halten darstellt: [...] den Mut nicht aufgeben; v.a. als Abschieds- und Ermunterungsformel, z.B. also dann tschüß − haltet die Ohren steif!
Dieser Vorschlag beinhaltet auch die Lösung, die pragmatischen Angaben zum korrekten Gebrauch als einen flexiblen Metakommentar zu formulieren, mit dem relevante Informationen zum Gebrauch angegeben werden (vgl. auch Hallsteinsdóttir 2006a). Zusammenfassend sollen folgende lexikografische Daten festgehalten werden, die die richtige Verwendung von Phraseologismen gewährleisten sollen: (a) Eine genaue Bedeutungsangabe mit einem metasprachlichen pragmatischen Kommentar zu Gebrauchsregeln und Verwendungsrestriktionen. (b) Die Angabe der normalen syntaktischen Struktur(en). (c) Die Angabe der Kontexte, in denen der Phraseologismus normalerweise vorkommt.
3.6 Kognitive Benutzungssituationen Daten für kognitive Benutzungssituationen, die zu verstehen sind als der Bedarf an Wissen, das über Informationen zum Verstehen und Verwenden von Phraseologismen hinausgeht
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Erla Hallsteinsdóttir
(vgl. Tarp 2006), sollen hier diskutiert werden. Zuerst sollen aber einige Charakteristika von Phraseologismen kurz erläutert werden, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Phraseologismen sind sprachliche Zeichen, deren Ausdrucksseite grafisch disjunkt ist, d.h. sie besteht aus Einheiten, die selbst grafisch eine Einheit bilden, und die meist als eigenständige sprachliche Zeichen fungieren können. Phraseologismen sind daher ihrem Wesen nach potenziell mehrdeutig, denn sie können als eine lexikalisierte Mehrworteinheit mit eigener Bedeutung und als ein freies Syntagma mit kompositioneller Bedeutung interpretiert werden. Korpusbasierte Untersuchungen zur Phraseologie in der Sprachverwendung (vgl. Farø 2006, Hallsteinsdóttir 2007) deuten darauf hin, dass diese »Doppelnatur« (Häusermann 1977: 11) von Phraseologismen, sowie angenommene phraseologiespezifische Eigenschaften wie Kulturspezifik, Bildsphäre, komplexe Semantik oder morphosyntaktische Besonderheiten für die Konstituierung der Phraseologie in der Sprachverwendung nur eine untergeordnete Rolle spielen: 1.
2.
3.
Auch wenn eine nicht-phraseologische Verwendung der einzelnen Komponenten potenziell möglich ist, kommt diese bei den meisten Phraseologismen in der Sprachverwendung nur selten vor. Phraseologische Bilder werden i.d.R. nur in thematisierter (»sprachspielerischer«) Verwendung von Phraseologismen aktiviert. So hat Farø (2006) festgestellt, dass die überwiegende Anzahl der 1.200 Ausgangsphraseologismen in seinem Korpus mit deutschen und dänischen Idiomen in literarischen Texten und deren Übersetzungen wohl wie ganz normale lexikalische Einheiten ohne spezielle Intentionen, Markierungen oder Berücksichtigung der Bildsphäre verwendet werden. Historisch-etymologisches Wissen über Phraseologismen wird ebenfalls nur dann aktiviert, wenn dies für das Verstehen relevant ist. Kühn (1993: 70) meint dazu: »Es ist falsch zu glauben, beim Sprechen/Schreiben, Lesen/Hören reflektiere man ständig bewusst die Etymologie und Kulturgeschichte, die an Redensarten hängt.«
Aus diesen Feststellungen ließe sich die Schlussfolgerung ableiten, dass solche Eigenschaften für die Angabe von lexikografischen Daten für kommunikative Benutzungssituationen wenig relevant sind. Für das bloße Verstehen von Phraseologismen reicht eine Bedeutungsangabe. Für das Verwenden könnte man ebenfalls meinen, dass die Angabe der normalen semantisch-pragmatischen, grammatischen und syntaktischen Verwendungskontexte, d.h. »formal-strukturelle, grammatische, semantische, stilistische und kommunikativ-pragmatische Informationen« (Jesenšek 2006: 143) als Daten ausreichen. Es soll nicht bestritten werden, dass das Nachschlagen in kommunikativen Benutzungssituationen durchaus große Lerneffekte haben kann, denn kommunikative und kognitive Benutzungssituationen gehen häufig ineinander über. Andererseits wird aber idealerweise ein Lernerwörterbuch gezielt zum Lernen, d.h. um »lexikalisch-phraseologische Wissenslücken zu schließen« (Jesenšek 2006: 140), und somit zur aktiven Erweiterung der phraseologischen Kompetenz (vgl. dazu Hallsteinsdóttir 2001, Jesenšek 2006) verwendet. In Bezug auf solche kognitiven Benutzungssituationen können folgende Phänomene und Eigenschaften von Phraseologismen durchaus lexikografisch relevant sein (vgl. auch Hallsteinsdóttir 2006a): – –
Die grafische Disjunktheit und die damit verbundene potenzielle Mehrdeutigkeit, Etymologie und Kulturwissen (Kulturspezifik),
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– – – – –
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Metaphorik, Metonymie und andere sprachliche »Bilder«, Phraseologische Form- und Bedeutungsrelationen, Semantische und konzeptuelle Relationen zu anderen Wortschatzeinheiten, Kognitive Konzepte, Die muttersprachliche Phraseologie.
3.7 Phraseologische Äquivalenz in der Lernerlexikografie Zweisprachige phraseologische Wörterbücher sind traditionell per definitionem dazu verpflichtet, Phraseologismen der einen Sprache mit äquivalenten Phraseologismen der anderen Sprache zu erklären. Zu diesem Zweck sind vielfältige Äquivalenzschemata entwickelt worden. Für Phraseologiewörterbücher liegt der kontrastiven Grundlage in den meisten Fällen das Konzept der phraseologischen Äquivalenz zugrunde. Die Annahme der großen Relevanz phraseologischer Äquivalente basiert auf dem lange tradierten »idiomtranslatorischen Dogmatismus« (vgl. Farø 2006: 170ff.). Demnach sind Phraseologismen besondere Sprachzeichen, die spezielle Eigenschaften und Funktionen haben und daher mit Phraseologismen übersetzt werden müssen. Diese Auffassung konnte in Korpusanalysen nicht bestätigt werden (vgl. ausführlich dazu in Farø 2006). Wenn keine thematisierte Verwendung (i.e. Sprachspiel) vorliegt, gibt es keinen objektiven Grund dazu, Phraseologismen zwingend mit Phraseologismen zu übersetzen. Dies gilt laut Dobrovol’skij (1997b: 47) auch für die Phraseografie: Vom Standpunkt des Wörterbuchbenutzers aus ist es jedoch völlig unwichtig, ob ein Idiom der Ausgangssprache L1 in die Zielsprache L2 mit einem absoluten (1), einem partiellen (2) oder einem nichtidiomatischen Äquivalent (3) übersetzt wird. Wichtig ist nur der Grad der funktionalen Äquivalenz, d.h. wenn der Benutzer die L2-Übersetzung in den gleichen funktionalen Domänen
wie die entsprechende L1-Einheit gebrauchen kann, erfüllt der betreffende Wörterbuchartikel seine Rolle.
Ein Verzicht auf das kategoriale Kriterium Phraseologie eröffnet die Möglichkeit für die Angabe nicht-phraseologischer Äquivalente, womit auch eine wichtige Einschränkung der bisherigen phraseologischen Äquivalenzforschung aufgehoben wäre. Die Angabe eines funktional äquivalenten Phraseologismus in einem Lernerwörterbuch erfüllt keine Benutzerbedürfnisse, denn die Bedeutung kann mit einer Bedeutungsparaphrase viel effektiver erklärt werden. Eismann plädiert in diesem Zusammenhang dafür, Äquivalenzangaben im Wörterbuch durch eine ausführliche »erklärende Umschreibung der Bedeutung und der Gebrauchsbedingungen der Phraseologismen« zu ersetzen, »der allenfalls die Angabe einer Entsprechung hinzugefügt werden sollte« (Eismann 1995: 95). Die Angabe eines kongruenten äquivalenten Phraseologismus ist jedoch sinnvoll, denn damit kann positiver Transfer aus der Muttersprache unterstützt werden. Die Angabe eines kongruenten, nicht äquivalenten Phraseologismus ist notwendig, um Interferenzen aus der Muttersprache zu verhindern. Bei solchen potenziellen falschen Freunden ist es notwendig, explizit auf die nicht vorhandene Äquivalenz hinzuweisen. Ebenfalls sollte eine Äquivalenz kongruenter Phraseologismen bestätigt und eventuelle Abweichungen erklärt werden, damit der muttersprachliche Transfer abgesichert wird. Problematisch ist die Angabe phraseologischer Äquivalente dann, wenn die muttersprachlichen Phraseologismen den Sprechern möglicherweise nicht geläufig sind. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass den
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Wörterbuchbenutzern alle im Sprachsystem vorhandenen muttersprachlichen Phraseologismen bekannt sind (vgl. z.B. Hallsteinsdóttir 2001, Hallsteinsdóttir et al. 2006) und Totaläquivalente im Sprachsystem zweier Sprachen müssen nicht gleichwertig in der Sprachverwendung vorkommen. Zusammenfassend sollen folgende Datentypen für die Sprachproduktion festgehalten werden: (a) (b) (c) (d)
Eine genaue Bedeutungsangabe in der Muttersprache. Kongruente äquivalente Phraseologismen mit Erklärungen zur Äquivalenzbeziehung. Nicht-äquivalente kongruente Phraseologismen mit einer »falscher Freund«-Warnung. Eine genaue Bedeutungsangabe mit einem metasprachlichen pragmatischen Kommentar zu Gebrauchsregeln und Verwendungsrestriktionen. (e) Die Angabe der normalen syntaktischen Struktur(en). (f) Die Angabe der Kontexte, in denen der Phraseologismus normalerweise vorkommt, anhand von Beispielen. (g) Eine komponentenbasierte Übersetzung in die andere Sprache zum Nachvollziehen der formalen Struktur. Am Beispiel der Phraseologismen give grønt lys und grünes Licht geben soll die Ausarbeitung einiger dieser Daten im zweisprachigen Lernerwörterbuch gezeigt und problematisiert werden. Die Grundlage ist eine korpusbasierte Analyse von 204 Belegen aus dem dänischen Korpus 200012 und 140 Belegen aus Deutscher Wortschatz (vgl. Hallsteinsdóttir 2005). In den dänischen Belegen überwiegt mit 130 Belegen die Verwendung mit dem Verb give (‘geben’) mit der Präposition for (‘für’, 77 Belege), der Präposition til (‘zu’, 27 Belege) und ohne Präposition (26 Belege). Die Verwendung mit dem Verb få (‘bekommen’) hat 31 Belege, davon 25 mit den Präpositionen af (5, ‘von’), for (8, ‘für’), fra (8, ‘von’) und til (‘zu’, 4). Dazu kommen einzelne Belege mit den Verben anmode om (1, ‘erbitten’), bede om (1, ‘bitten’), have (1, ‘haben’), mangle (1, ‘fehlen’), opfatte som (2, ‘auffassen als’), regne for (1, ‘einschätzen’), sikre (1, ‘sichern’), tolke som (1, ‘interpretieren als’), være (2, ‘sein’), jeweils 4 und 6 Belege mit den Verben afvente (‘abwarten’) und vente på (‘warten auf’) sowie 4 Belege für eine Präpositionalgruppe med (3)/uden (1) grønt lys. In 17 Belegen gehört das Verb nicht zum phraseologischen semantischen Bereich »zuteilen« oder »erhalten« hier handelt es sich um nicht-phraseologische bzw. nicht analysierbare Belege. Die deutschen Belege zeigen einen festen nominalen Kern grünes Licht (der allerdings auch im Dativ vorkommen kann, was im Dänischen nicht möglich ist) mit einer variableren Verbwahl als im Dänischen im semantischen Bereich »zuteilen« oder »erhalten« (z.B. erteilen (9), signalisieren (10), erhalten (9), bekommen (8), erwarten (8), holen (7), brauchen (6), haben (3)) und fakultativen Erweiterungen wie Dativobjekt und Präpositionalgruppen mit für, zu oder mit. In einem Lernerwörterbuch ist die Normalverwendung von größtem Interesse, daher ist bei so vielen Varianten eine Auswahl notwendig. Da eine Konstruktion mit dem Verb geben als verbalem Kern (mit/ohne Präposition für/zu) in 62 von 140 Belegen vorkommt, wird diese Form als Nennform gewählt. Die Anordnung der Daten kann erst in Relation zum konkreten Wörterbuch und seiner Form (z.B. gedruckt oder elektronisch) festgelegt werden. Es ist vielfach darauf hinge-
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Det Danske Sprog- og Litteraturselskab [http://korpus.dsl.dk/korpus2000/indgang.php].
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wiesen worden, dass eine zufrieden stellende Darstellung in einem gedruckten Wörterbuch kaum möglich ist. Die Daten sind dazu zu umfangreich und komplex. Eine Anordnung aller Daten, die für alle Benutzungssituationen eines Sprachlerners in einem bidirektionalen zweisprachigen Wörterbuch erforderlich sind, ist auch in einem elektronischen Wörterbuch schwierig. Die hypertextuelle Verlinkung auf verschiedenen Ebenen wäre eine Möglichkeit, da Benutzer aber in der Regel »klickfaul« sind13 ist es aber keine ideale Lösung. Hier ist zu überlegen, ob eine kombinierte Lösung möglich ist. Diese könnte aus verlinkten zweisprachigen Modulen Dänisch → Deutsch und Deutsch → Dänisch bestehen, die zusammen ein bidirektionales Wörterbuch ergäben (vgl. auch Hallsteinsdóttir 2006b, 2006c). Die zweisprachigen Module würden lexikografische Daten für die Sprachrezeption (vgl. auch Farø 2006: 217ff.) und das Lernen eines Phraseologismus (vgl. Jesenšek 2006 zu kognitiven Aspekten und Hallsteinsdóttir 2001, 2006a zu phraseologischen Relationen) beinhalten. Beispielartikel für Dänisch → Deutsch: give/få grønt lys for/til noget: ‘eine (offizielle) Erlaubnis für etwas geben oder bekommen’ = grünes Licht geben/erhalten [Link zum deutschen Modul; eventueller Äquivalenzkommentar]. Bsp.: Datatilsynet har givet grønt lys for at lade firmaer registrere medarbejdernes færden på Internettet. [Hyperlink zu mehr Daten: Hilfe zur Textproduktion] Die Bedeutung von grønt lys basiert auf der Vorstellung von einer Verkehrsampel. Durch das Umschalten auf grünes Licht gibt die Ampel die Erlaubnis zum Weiterfahren, Radeln oder Gehen. Diese wörtliche14 Bedeutung von grønt lys kommt selten vor. In afvente grønt lys (‘grünes Licht abwarten’) und vente på grønt lys (‘auf grünes Licht warten’) kann sie parallel vorkommen. Für eine grüne Ampel sagt man z.B. Der er grønt! (Es ist grün!) oder (seltener) lyset viser/er grønt (die Ampel zeigt/ist grün). Die anderen Farben der Ampel können als Sprachspiel auf ähnliche Weise übertragen werden, es handelt sich dabei aber nicht um feste Wendungen. Bsp.: »Universitetet skal tage stilling til projektet inden 1. maj, hvorefter vi giver rødt eller grønt lys i løbet af to-tre uger«, siger professoren. Beispielartikel für Deutsch →Dänisch: grünes Licht geben/bekommen/erhalten: [Bedeutungserklärung auf Dänisch] = give/få grønt lys for/til noget [Link zum dänischen Modul; eventueller Äquivalenzkommentar]. Bsp.: Die Behörde hat gestern grünes Licht für den Antrag gegeben. [Hyperlink zu mehr Daten: Hilfe zur Textproduktion] [Erklärung auf Dänisch] Die Bedeutung von grünes Licht basiert auf der Vorstellung von einer Verkehrsampel. Durch das Umschalten auf grünes Licht gibt die Ampel die Erlaubnis zum Weiterfahren, Radeln oder Gehen. Diese wörtliche Bedeutung von grünes Licht kommt selten vor. In grünes Licht bekommen (‘få grønt lys’) und grünes Licht haben (‘have grønt lys’) kann sie parallel vorkommen. Für eine grüne Ampel sagt man z.B. Es ist grün! (Der er grønt!) oder die Ampel
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Erfahrungswert aus Deutscher Wortschatz, weshalb darin eine Verteilung der Suchergebnisse zugunsten der Darstellung aller Daten auf einer Seite aufgegeben wurde, persönliche Mitteilung Uwe Quasthoff. Sprachlerner können nicht immer mit fachspezifischen sprachwissenschaftlichen bzw. lexikografischen Termini umgehen. Daher sollten in metasprachlichen Erklärungen allgemein verständliche Begriffe verwendet werden, wie hier »wörtlich«. Das dänische Idiomwörterbuch Idiomordbogen [www.idiomordbogen.dk] heißt deshalb jetzt Das Wörterbuch der festen Wendungen, weil die Benutzer mit dem Begriff »Idiom« nicht viel anfangen konnten.
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zeigt/ist grün (lyset viser/er grønt). Die anderen Farben der Ampel können als Sprachspiel auf ähnliche Weise übertragen werden, es handelt sich dabei aber nicht um feste Wendungen. Bsp.: Mal gaben demokratische Präsidenten grünes Licht, dann schalteten konservative wie zuletzt George W. Bush auf Rot.
Die zusätzlichen lexikografischen Daten für die Sprachproduktion (vgl. Farø 2006: 220ff.), wie z.B. bevorzugte syntaktische oder grammatische Muster, Verwendungsrestriktionen und pragmatische Vorgaben, sollen in einsprachigen Modulen erfasst werden. Der Zugang zu diesen Daten erfolgt über Hyperlinks in den zweisprachigen Artikeln. Das einsprachige dänische Wörterbuch der festen Wendungen15 (vgl. Almind et al. 2006), das für muttersprachliche Benutzer konzipiert wurde, ist ein interessantes Beispiel dafür, wie lexikografische Daten in einem elektronischen Wörterbuch strukturiert werden können. Neben unterschiedlichen Suchmöglichkeiten kann der Benutzer schon vor der Suche entscheiden, ob er eine Hilfe zur Sprachrezeption (einen Text verstehen) oder Sprachproduktion (einen Text verfassen) oder alle Daten bekommen möchte. Hier wäre zu überprüfen, inwieweit ein solches Wörterbuch die Bedürfnisse bei Sprachlernern in der Sprachproduktion erfüllen könnte und somit als einsprachiges Produktionsmodul, vor allem im Hinblick auf fortgeschrittenere Lerner, eingesetzt werden könnte. Ein Artikel des Wörterbuchs kann bis zu 13 unterschiedliche Datentypen enthalten, die in Almind et al. (2006: 168–169) genau beschrieben werden. Hier soll das Wörterbuch an sich nicht bewertet werden (vgl. Farø 2004 zum Inhalt und Aufbau sowie Almind et al. zur überarbeiteten Version), sondern nur anhand der Resultate der Suche nach grønt lys für die Textproduktion ein Beispiel gezeigt werden (vgl. Bergenholtz/Vrang 2007). S. Grafik 1 auf S. 227:
4. Zusammenfassung und Ausblick Eine ideale Konzeption für die zweisprachige Lernerphrasografie beinhaltet Lösungen für die Erstellung von bidirektionalen (und somit polyfunktionale, vgl. Bergenholtz 1997) Wörterbüchern, in denen Phraseologismen nicht isoliert, sondern in Relation zu anderen Wortschatzeinheiten beschrieben werden. Ein solches Konzept setzt voraus, dass die interlinguale Phraseologieforschung nicht nur als intraphraseologische »Einbahnstraße« (Hessky 1997: 258) betrieben wird, sondern dass sich kontrastive Arbeiten holistisch orientieren und von beiden Sprachen ausgehen. Um die Ergebnisse der kontrastiven Lexikologie in der Lexikografie zu nutzen, ist die Berücksichtigung einer Reihe lexikografiespezifischer Voraussetzungen notwendig. Die Aarhuser Funktionslehre, die die potenziellen Wörterbuchbenutzer und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stellt, liefert dafür wichtige theoretischmethodische Erkenntnisse.
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Es ist auch anzumerken, dass das Wörterbuch laufend redigiert wird, was z.T. geänderte lexikografische Informationen zur Folge hat. Die letzte Änderung Anfang 2009 ist eine Namensänderung in Ordbøgerne over Faste Vendinger – Die Wörterbücher der festen Wendungen, die die Modularität des Wörterbuchs noch unterstreichen soll.
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Grafik 1: Informationen für die Sprachproduktion zu grønt lys in dem dänischen Wörterbuch der festen Wendungen [www.idiomordbogen.dk; gesehen am 30. Januar 2007].
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Antje Heine
Möglichkeiten und Grenzen der Korpusanalyse für die Lexikografie am Beispiel eines Wörterbuches deutscher Funktionsverbgefüge mit finnischen Äquivalenten
Abstract It is uncontested that the modern lexicography and therefore also the phraseography benefit from the corpus linguistics. In order to improve the development of dictionaries by including the analysisresults of the electronic corpora, some requirements have to be fulfilled: the corpus has to be representative and should offer optimal random samples; another necessity is the correct interpretation of the collected data. In practice, there is a divergence between the theoretical demand of precision and the expenditure of time. This article discusses several questions that arose from a project,1 whose objective is the preparation of a dictionary specialising in German verb-noun-connections of the type »Funktionsverbgefüge«. At the end of the article, some examples will exemplify the new achievements the analysis of electronic corpora can offer at this stage.
1. Vorbemerkung In der germanistischen Phraseologieforschung wurde in den letzten Jahren wohl kaum eine Forderung derart häufig wiederholt wie die nach der Schaffung von Spezialwörterbüchern für nichtidiomatische Phraseologismen. In der Tat wird es höchste Zeit, der »Entdeckung« nicht-idiomatischer polylexikalischer Einheiten als Forschungsgegenstand nun endlich die entsprechenden Nachschlagewerke folgen zu lassen. Schließlich haben einschlägige Untersuchungen2 gezeigt, dass die Darstellung von Kollokationen, Funktionsverbgefügen, Routineformeln etc. in den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern nicht zufrieden stellend ist, vor allem nicht aus der Perspektive von Benutzern, deren Muttersprache nicht das Deutsche ist. Als wesentliches Argument für diese Forderungen wie auch für den Optimismus, dass solche Wörterbücher in Kürze auch tatsächlich geschaffen werden könnten und das in einer nie da gewesenen Qualität, werden die zahlreichen »neuen« Möglichkeiten, die die Korpuslinguistik mit sich bringt, angeführt. Die Verbreitung der Computertechnologie und die Erhöhung der Speicher- und Rechenkapazität, verbunden mit einer hohen Digitalisierungsrate produzierter Texte, hat in den letzten Jahren zu einer bemerkenswerten Zunahme an Korpora und Programmen für die maschinelle Sprachverarbeitung geführt. Damit einher ging eine vereinfachte Zugänglichkeit zu enormen Mengen an Datenmaterial bzw. zu für linguistische Zwecke nutzbaren Korpora sowie eine Erleichterung in der Anwendbarkeit
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Zur Projektbeschreibung siehe [http://www.linguistik-online.de/27_06/heine.html]. Vgl. z.B. Wotjak/Dobrovoľskij (1996), Lehr (1998), Köster/Neubauer (2002), Korhonen (2005), Heine (2006) oder Wallner (2007).
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der Analyseprogramme. Daraus erwuchs die einhellige These, dass die Korpuslinguistik zu einer Revolutionierung der Wörterbücher und damit der Wörterbuchlandschaft führen würde. Vor allem würde nun endlich das Problem der räumlichen Beschränkung von Printwörterbüchern, die eine Verdichtung der Informationsmenge verlangte, was oftmals zu Lasten der linguistischen Exaktheit ging, der Vergangenheit angehören. Ein entscheidender Fortschritt sei jedoch der, dass die Datenbasis für Wörterbücher nun nicht mehr vorgängige Wörterbücher, gepaart mit der Introspektion der Autoren und belegt durch vereinzelte authentische Beispiele, darstellen, sondern reale von Muttersprachlern verschiedener Herkunft verfasste Texte. Diese Argumentation ist durchaus nachvollziehbar und im Wesentlichen richtig; es hat sich jedoch gezeigt, dass die Schaffung von Wörterbüchern damit nicht »automatisch« zu einem Kinderspiel geworden ist und gar die Entstehungszeit von Wörterbüchern um ein Vielfaches reduziert werden kann. Das Hauptproblem liegt m.E. darin, dass diese kaum vorstellbare Menge an Daten zunächst einmal organisiert, exzerpiert und analysiert, gewichtet und anschließend benutzerfreundlich aufbereitet, vor allem vernetzt, werden muss. Hinzu kommt die Frage, ob es nicht auch Situationen gibt, in denen ein Printwörterbuch nach wie vor das bessere Nachschlagewerk ist, so dass nunmehr sowohl an elektronischen als auch an gedruckten Wörterbüchern gearbeitet werden muss, die eine gänzlich andere Verfahrensweise verlangen. Im vorliegenden Beitrag soll anhand meines eigenen Forschungsprojektes, bei dem ein korpusbasiertes Wörterbuch deutscher Funktionsverbgefüge mit ihren finnischen Äquivalenten entwickelt wurde, zunächst diskutiert werden, mit welchen Fragen ein Lexikograf bei der Analyse elektronischer Korpora konfrontiert wird und welche Grenzen und Probleme in der korpuslinguistischen Praxis sichtbar werden, aber auch, welche Lösungswege sich hierbei anbieten. Im zweiten Teil des Aufsatzes soll der Frage nachgegangen werden, welche Anforderungen an derzeit entstehende Wörterbücher realistischerweise gestellt werden dürfen, welche Verbesserungen sie gegenüber älteren Wörterbüchern aufweisen werden und an welchen Aufgaben Lexikografie und Korpuslinguistik in der Zukunft noch zu arbeiten haben.
2. Die Korpuslinguistik in der Praxis I – Fragen und Probleme 2.1 Die Frage der Repräsentativität Nach Lemnitzer/Zinsmeister (2006: 54) ist »ein Korpus immer nur eine Art Stichprobe, von der wir nicht wissen, ob sie wirklich repräsenativ [sic] ist und die Verhältnisse so widerspiegelt, wie sie auch in der Gesamtheit sind«.3 Obgleich die deutsche Korpuslandschaft mittlerweile als recht umfangreich und vielschichtig bezeichnet werden kann (vgl. Lemnitzer/Zinsmeister 2006: 113ff.), offenbaren sich bei der Auswahl eines geeigneten Korpus für die linguistische, speziell die lexikografische Praxis vor allem zwei Probleme: Zum einen ist ein Teil der Korpora (wie z.B. das Leipzig/BYU Corpus of Contemporary German oder ca. die Hälfte der Texte der IDS-Korpussammlung) nicht öffentlich zugänglich, zum anderen verfügen nicht alle Korpora für Untersuchungen, deren Gegenstand weniger frequente sprachliche Phänomene sind, über eine ausreichende Datenmenge.
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Zum Problem der unbekannten Grundgesamtheit vgl. u.a. Lemnitzer/Zinsmeister (2006: 50, 53).
Möglichkeiten und Grenzen der Korpusanalyse für die Lexikografie
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So mag vielleicht für die Frage, ob das Land Irak aktuell häufiger mit oder ohne Artikel auftritt, auf Grund seiner derzeitigen Präsenz in den Medien ein Korpus von einer Million Wörtern (oder weniger) ausreichend sein; soll jedoch beispielsweise analysiert werden, wer oder was etwas (und was genau) außer Betrieb setzen kann bzw. normalerweise außer Betrieb setzt, dann wird ein Korpus von mindestens hundertfacher Größe benötigt, um zu repräsentativen Aussagen über die übliche oder auch die weniger übliche Verwendung dieses Funktionsverbgefüges zu gelangen. Korpora dieses Umfangs gibt es für das Deutsche noch nicht in allzu großer Zahl. Zu vermuten ist daher, dass sehr viele Linguisten – nicht zuletzt auf Grund der einfachen Zugänglichkeit – mit der Korpussammlung des IDS4 arbeiten, die mit derzeit 3,3 Milliarden Wörtern nicht nur das umfangreichste Korpus für die deutsche Sprache darstellt, sondern deren eigens am Institut entwickeltes Programm COSMAS auch eine Vielzahl an Recherchewerkzeugen zur Verfügung stellt. Dennoch ist auch die Analyse mit COSMAS mit verschiedenen Ein- und Beschränkungen verbunden. Das größte Problem besteht wohl in der Zusammensetzung des Korpus; es ist evident, dass für eine Untersuchung des Gegenwartsdeutschen (in Deutschland) ein repräsentatives Korpus möglichst ausgewogen in Bezug auf die Herkunft seiner Texte sein sollte. Der weitaus größte Teil der Texte des IDS-Korpus entstammt allerdings Tageszeitungen und einige dieser wiederum derselben Region (Frankfurter Rundschau, Mannheimer Morgen). Andererseits gewährleisten Tageszeitungen in einem Korpus, dass hier eine Vielzahl an Themen, verschiedene Textsorten und eine Reihe von Autoren Widerspiegelung finden. Zwei Bereiche jedoch sind stark unterrepräsentiert: die Fachsprachen und die gesprochene Sprache. Dies lässt sich zweifelsohne in ersterem Falle mit den Urheberrechten, in letzterem mit technischen Problemen5 begründen, entbindet den Lexikografen jedoch nicht von seiner Aufgabe ein repräsentatives Korpus zu erstellen. Speziell für ein Wörterbuch der Funktionsverbgefüge sind beide Bereiche von besonderer Wichtigkeit, denn es ist an der Zeit, die seit Beginn der Forschungen zu Funktionsverbgefügen anzutreffende Aussage, diese Konstruktionen würden vornehmlich in der Fach- und Verwaltungssprache verwendet,6 zu überprüfen. Daher wurden für das erwähnte Wörterbuchprojekt sämtliche im IDS-Korpus verfügbaren Texte zu verschiedenen Domänen/Fachbereichen7 in die Analyse einbezogen. So ergibt sich hierfür eine absolute Wortzahl8 von ca. neunzehn Millionen, was einem prozentualen Anteil von 12,8 entspricht.9 Für das zweite Problem, das der gesprochenen Sprache, könnte eine Lösungsmöglichkeit die Hinzuziehung der Datenbank gesprochenes Deutsch10 sein, insbesondere auf Grund der Tatsache, dass dort die Suchanfrage-Tools mit denen von COSMAS übereinstimmen.
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[http://www.ids-mannheim.de/cosmas2/]. Im Folgenden wird der Einfachheit halber vom IDSKorpus oder COSMAS (dem Programm) die Rede sein, wenngleich es sich hierbei eigentlich um eine Sammlung von Texten handelt, die zudem individuell auswählbar und zusammenstellbar sind. Überdies stellt sich die Frage, wie authentisch wissentlich (aus der Sicht von Sprecher und Hörer) aufgenommene Sprache tatsächlich ist. Vgl. beispielsweise Helbig/Buscha (2001: 94) oder Weinrich (2003: 1054). Dabei handelt es sich – in der Reihenfolge ihres Umfangs – um die Bereiche Computer, Kultur, Verwaltung/Behörde/Soziales, Politik, Umwelt, Medizin, Technik, Wirtschaft sowie Pädagogik/ Psychologie. Gemeint sind hiermit laufende Wortformen. Die Gesamtwortzahl des verwendeten Korpus beträgt 148 Millionen. [http://dsav-oeff.ids-mannheim.de/DSAv/DSAVINFO.HTM].
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Ein Blick auf die Zusammensetzung zeigt jedoch, dass sich die Datenbank sehr stark auf die deutschen Mundarten konzentriert, so dass wiederum nur ein geringer Teil der Texte der gesprochenen Allgemeinsprache entstammt. Überdies sind keine Aussagen über den Um-fang in Form einer konkreten Anzahl von Wörtern möglich, so dass eine quantitative Ver-gleichbarkeit zur geschriebenen Sprache nicht gegeben ist. Auch über das DWDS kann in einem Korpus der gesprochenen Sprache recherchiert werden; hier ist sogar die Wortzahl (2,5 Millionen Tokens) bekannt. Doch offenbart sich bei diesem Korpus wiederum ein ganz anderes Problem: Nur wenige Texte sind spontane gesprochene Sprache, ein Großteil hingegen basiert auf (meist politischen) Reden, viele entstammen der Feder der Nationalsozialisten,11 die für ihre »eigene« Sprache bekannt sind und deren Sprache daher keinesfalls mit Allgemeinsprache des Gegenwartsdeutschen in Verbindung gesetzt werden kann. Überhaupt ist ca. ein Drittel der Texte älter als 50 Jahre, was in Zusammenhang steht mit der Intention dieser Korpussammlung, die Sprache des vergangenen Jahrhunderts widerzuspiegeln und dabei jede Dekade möglichst zu gleichen Anteilen einfließen zu lassen. Ein weiterer Teil (300.000 Tokens) ist Emigrantendeutsch aus Israel und damit ebenfalls für Untersuchungen des Gegenwartsdeutschen in Deutschland nicht nutzbar. Vielleicht ein wenig spät stellt sich nun die Frage: Was überhaupt ist gesprochene Sprache (aus der Perspektive eines Lexikografen, der diese Varietät in sein Wörterbuch einbeziehen möchte)? Ist es das gesprochene Wort? Ist es nur gesprochene Spontansprache? Oder kann es auch verschriftete ursprünglich gesprochene (spontane) Sprache sein? Welche Art von Sprache ist die »beste« gesprochene Sprache: eine seitenlange politische Rede, ein gesprochenes politisches Statement im Wahlkampf, ein interviewter Sportler kurz nach seinem Wettkampf (im Fernsehen) oder am nächsten Tag (in der Zeitung)?12 Als »Ersatz« für eine Antwort auf diese Frage sei ein bemerkenswertes und die Kritik an den Zeitungstextkorpora m.E. teilweise widerlegendes Zitat von Kathrin Steyer angeführt: »Zeitungstexte sind voller Mündlichkeit«. 13
2.2 Die Frage der Quantität Ausgehend von den drei Grundtypen korpusbasierter Ansätze – korpusbasiert quantitativ, korpusbasiert quantitativ-qualitativ und korpusgestützt (vgl. Lemnitzer/Zinsmeister 2006: 32ff.) – ist die Arbeit am hier beschriebenen Wörterbuch als quantitativ-qualitativ korpusbasiert zu bezeichnen. Das heißt, ausgehend von den Belegdaten wurde zunächst die Verwendung der einzelnen Funktionsverbgefüge analysiert, wurden Üblichkeiten und Restriktionen ermittelt und anschließend der Wörterbucheintrag entwickelt. Dieser basiert also (abgesehen von der jedem Muttersprachler und Linguisten eigenen Intuition) ausschließlich auf den Belegen, deren Qualität und Quantität daher von enormer Wichtigkeit sind. Im Idealfall können dann sogar entsprechende Rückschlüsse auf das Sprachsystem gezogen
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Vgl. [http://www.dwds.de/textbasis/Corpus_Gesprochene_Sprache] (zuletzt gesehen: 18.02.2009). Laut Lemnitzer/Zinsmeister (2006: 164) wurde auf Grund dieses Problems in der Korpuslinguistik die Differenzierung von Koch; Oesterreicher in mediale Schriftlichkeit/Mündlichkeit und konzeptuelle Schriftlichkeit/Mündlichkeit aufgegriffen. Am 10. 06. 2006 auf der Tagung der Europäischen Gesellschaft für Phraseologie in Veszprém/Ungarn.
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werden. Wie aber kann die geforderte Quantität erreicht werden? (Ausführungen zur Qualität s. oben). In welcher Größenordnung bewegt sich ein Korpus mit einer brauchbaren Datenmenge? Und wie groß muss die ausgewählte Stichprobe sein? Verschiedene aus der Statistik bekannte Verfahren zur Berechnung der für repräsentative Ergebnisse14 notwendigen Stichprobengröße sind nur bedingt auf die Korpuslinguistik übertragbar. Das liegt zum einen an der unbekannten Grundgesamtheit15 sowie der – zumindest im Vorfeld der Analyse – unbekannten Anzahl besetzter Merkmalsklassen.16 Zudem interessieren den Korpuslinguisten nicht unbedingt der statistische Mittelwert oder nur das besonders Häufige; zu diesen würden ihn sicher auch eine Informantenbefragung oder gar seine eigene Intuition führen. Besonders interessant sind oftmals die seltenen Dinge, deren Ermittlung die Frage: »Was ist überhaupt möglich?« oder »Was ist grammatisch/ungrammatisch?« zu Grunde liegt.17 Ferner ist zu bedenken, dass bereits vor Beginn der Analyse Fehler bzw. Ungenauigkeiten aufgetreten sein können, die z.B. aus der Zusammenstellung des Korpus resultieren. Sie erhöhen sich mit jeder weiteren Berechnung und eine exakte Stichprobengröße wäre daher noch lange kein Garant für repräsentative Ergebnisse. Schließlich darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Auswertung von sprachlichen Belegen (noch) einen immensen Zeitaufwand erfordert, so dass es zeitlich wie finanziell kaum zweckmäßig wäre, eine Korpusanalyse mit dem Anspruch, höchst repräsentative Daten zu erzielen, durchzuführen. Das bedeutet: Solange die Datenauswertung nicht weitestgehend automatisiert werden kann, was auf Grund der Komplexität von Sprache sicher auch nicht so bald zu erwarten ist, muss ein Korpuslinguistik eine gewisse Fehlertoleranz akzeptieren. Welche Stichprobengröße die richtige ist, muss also eher pragmatisch denn strikt statistisch/mathematisch entschieden werden. Das Problem soll anhand zweier Beispiele näher erläutert werden: Die morphosyntaktische und semantische Analyse von jeweils 40, 80 und 120 Belegen mit den Funktionsverbgefügen in Betrieb gehen und zum Abschluss bringen hat gezeigt, dass die Verteilung auf die verschiedenen Zeitformen bzw. Verbalkonstruktionen (unter Berücksichtigung des Genus und von Modalverben) einerseits sowie die Artikelvarianz und die Erweiterung durch ein Adjektivattribut andererseits, einschließlich der jeweils möglichen Kombinationen innerhalb dieser zwei Bereiche, bei in Betrieb gehen mit insgesamt 11 besetzten Merkmalsklassen18 bedeutend geringer ausfällt als bei zum Abschluss bringen, wo die Verteilung bei 2019 liegt und damit fast doppelt so groß ist. Parallel dazu wird deutlich,
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»Repräsentative Ergebnisse« bedeutet in unserem Falle: auf die gesamte Sprache generierbare Ergebnisse. Damit ist die Gesamtheit aller Texte (des Deutschen) gemeint, die natürlich aus verschiedenen Gründen nie komplett erfassbar ist und sein wird. Vgl. auch Fußnote 3. Unter Merkmalsklassen werden hier linguistische Kategorien oder Klassen verstanden. Sie können sich, je nach Untersuchung, z.B. auf die einzelnen Zeitformen des Verbs, auf die Artikelwörter, auf bestimmte Nebensatztypen, Klassen von Phraseologismen etc. beziehen. Auf das Problem einzelner, möglicherweise ungrammatischer Treffer, wird in Abschnitt 2.4 näher eingegangen. Belege gibt es im Präsens, Präteritum (jeweils mit und ohne Modalverb), Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I, Infinitiv + zu + Modalverb, Partizip I; Nullartikel, ohne Adjektivattribut. Besetzt sind hier Präsens, Präteritum (jeweils im Aktiv und Vorgangspassiv, wiederum mit und ohne Modalverb; Präsens auch im Zustandspassiv), Perfekt (Aktiv (+ Modalverb), Vorgangs-
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dass die Abweichungen der einzelnen Anteile innerhalb dieser Klassen im Vergleich von 40, 80 und 120 Belegen bei Letzterem weitaus signifikanter – da bis zu drei Mal so hoch – sind. Wenngleich hier kein Raum ist, um die Datenanalyse vertiefend darzustellen, soll am Beispiel des Präsens und der Artikel-/Adjektivattributvarianz dieser Sachverhalt verdeutlicht werden. Zu Beginn wird die Präsensverteilung bei in Betrieb gehen näher betrachtet: Anzahl Belege 40 80 120
davon im Präsens
Anteil20 mit Modalverb
60 % 64 % 65 %
63 % 55 % 58 %
Tabelle 1: in Betrieb gehen: Anzahl Belege im Präsens unter Berücksichtigung der Modalverben
Hier befindet sich die größte Schwankung im Rahmen der gesamten Analyse von in Betrieb gehen. Sie beträgt beim Anteil der Modalverben an der Präsens-Gesamtzahl 8 Prozentpunkte. Deutlich ist aber auch, dass die zwischen 40 und 80 Belegen noch erhebliche Schwankung bereits bei 40 weiteren Belegen um ein Wesentliches reduziert ist und nur noch 3 Prozentpunkte beträgt.21 Ähnlich wie beim Präsens fällt auch bei allen anderen Merkmalsklassen der Unterschied zwischen den Ergebnissen aus 80 und aus 120 Belegen eher gering aus, so dass – unter Berücksichtigung der vorstehend genannten allgemeinen Probleme – hier die Schlussfolgerung gezogen werden kann, die Analyse von 80 Belegen führt zu ausreichend repräsentativen Ergebnissen. Überhaupt keine Abweichung zeigen die Werte von Artikel und Adjektivattribut; durchgängig steht vor dem Substantiv der Nullartikel und eine Erweiterung durch ein Adjektivattribut (oder adverbielles Attribut) ist auch bei 120 ausgewerteten Sätzen nicht belegt. Ganz anders gestaltet sich die Verteilung bei zum Abschluss bringen:
Anzahl Belege 40 80 120
davon im Präsens 35% 43% 35%
Anteil22 Aktiv 36% 21% 17%
Anteil Vorgangspassiv 14% 12% 12%
Anteil Zustandspassiv – 9% 10%
Anteil Modalverb 36% 38% 45%
Anteil Modalverb + Passiv 14% 21% 17%
Tabelle 2: zum Abschluss bringen: Anzahl und Klassifizierung der Belege im Präsens
Auf Grund der Tatsache, dass zum Abschluss bringen passiviert werden kann, erhöht sich die Zahl möglicher Antwortklassen um ein Vielfaches. Damit einher geht eine deutlich sichtbare Ungenauigkeit bei 40 Belegen, die zu enormen Abweichungen gegenüber 80 und/ oder 120 Belegen führt. Am höchsten ist sie beim Anteil des Aktivs, wo der Unterschied immerhin bei 19 Prozentpunkten liegt.
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22
passiv), Plusquamperfekt, Infinitiv + zu (+ Modalverb); unbestimmter Artikel, enklitischer Artikel (jeweils mit und ohne Adjektivattribut), kein. Bezogen auf alle Präsenstreffer. Dabei erheben die Werte an sich, das heißt die Reduzierung der Abweichung um mehr als die Hälfte bei 50% mehr Belegen, selbstverständlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Wiederum bezogen auf alle Belege im Präsens.
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Aber auch in den anderen Bereichen sind zum Teil sehr hohe Abweichungen anzutreffen, wie Tabelle 2 verdeutlicht. Sehr auffällig ist das fehlende Zustandspassiv bei 40 Belegen, wohingegen sein Anteil bei 120 Belegen immerhin 10% aller Präsensbelege erreicht. Unter Berücksichtigung der 9% bei 80 Belegen ist zu vermuten, dass die Ursache hierfür in der hier diskutierten Tatsache liegt, dass eine Stichprobe eben immer nur ein zufällig gewählter Ausschnitt ist, der auch zufällige Ergebnisse hervorrufen kann. Ähnlich uneinheitlich fallen die Resultate hinsichtlich des Artikels, in Kombination mit einem möglichen Adjektivattribut aus: Anzahl Belege 40 80 120
enklitischer Artikel23 78% 73% 72%
Anteil24 mit Attribut 3% 7% 7%
unbestimmter Artikel 23% 28% 28%
Anteil mit Attribut 56% 68% 71%
kein – – 1%
Tabelle 3: zum Abschluss bringen: Verteilung Artikel und Adjektivattribut
Auffällig ist hier eine relativ hohe Übereinstimmung der Daten bei 80 und 120 Belegen, während im Vergleich zu 40 Belegen immer noch erhebliche Unterschiede existieren. Am größten sind sie mit 15 Prozentpunkten innerhalb des unbestimmten Artikels, wo der Anteil mit Adjektivattribut bei 40 Belegen 56% beträgt, bei 120 Belegen 71%. Deutlich wird jedoch auch, dass die Abweichungen geringer ausfallen als bei der Verteilung im Präsens, wo (lässt man den Beleg mit kein außer Betracht)25 die Anzahl der Merkmalsklassen um zwei höher war, und höher als beim Präsens von in Betrieb gehen, wo wiederum zwei Klassen weniger vorlagen. Aus diesen sowie weiteren analysierten Daten lässt sich schlussfolgern, dass die Qualität einer quantitativ-qualitativen Korpusanalyse in erheblichem Maße von der richtigen Größe der Stichprobe abhängt. Unter Berücksichtigung des Untersuchungsaufwandes, der wahrscheinlich jeden Korpuslinguisten zu der Arbeitsweise »so viel wie nötig und so wenig wie möglich« zwingt, sollte deutlich geworden sein, dass sich für aussagekräftige Ergebnisse bei der Ermittlung von Häufigkeitsverteilungen die Stichprobe an der Anzahl der Merkmalsklassen orientieren sollte. Das heißt: Je größer die Verteilung auf verschiedene Klassen ausfällt, desto größer muss die gewählte Stichprobe sein. Bei einer geringeren Anzahl hingegen können durchaus auch 60 oder 80 Belege ausreichend sein.
2.3 Die Frage der Relationen Mit der quantitativen Analyse in Zusammenhang steht ein weiteres Problem: Ein Lexikograf führt eine solche Analyse vornehmlich mit dem Ziel durch, dem Wörterbuchbenutzer Informationen über Üblichkeiten und Restriktionen beim Gebrauch der jeweiligen lexikalischen Einheit anbieten zu können. Neben den oben betrachteten Problemen, die es ohnehin verhindern, statistisch exakte Ergebnisse präsentieren zu können, ist hier ein weite-
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Bezogen auf die Anzahl der Belege. Jeweils bezogen auf diese Artikelform. Vgl. dazu Kapitel 2.4.
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rer Faktor von Bedeutung: Bislang gibt es (nicht zuletzt aus genau den hier dargelegten Gründen) keine »offiziellen« Zahlen zur durchschnittlichen Häufigkeitsverteilung einzelner Phänomene im Deutschen. Sicherlich sind solche Daten vereinzelt in verschiedenen Studien zu finden, doch liegt bislang keine umfassende Untersuchung vor, die eine Antwort gibt auf Fragen wie: Welche Zeitform ist die häufigste? Wie gestaltet sich die Verteilung der Satzarten? Welcher Artikel wird häufiger verwendet – der bestimmte oder der unbestimmte? In welchem quantitativen Verhältnis stehen Aktiv und Passiv? Solche Daten wären aber notwendig, soll der in einer eigenen Korpusanalyse ermittelte Anteil dieses oder jenes Phänomens bewertet werden. Wenn beispielsweise das Funktionsverbgefüge zur Verfügung stehen im Rahmen der untersuchten Korpusbelege einen Präsensanteil von ca. 68% und einen Futuranteil von 10% aufweist, so kann dieser ohne vorhandene »Basisdaten« kaum eingeschätzt werden. Hier besteht lediglich die Möglichkeit, die Funktionsverbgefüge untereinander in Relation zu setzen, so dass am Ende weniger eine Empfehlung in Bezug zum gesamten Deutsch, sondern vielmehr im Vergleich zu anderen Funktionsverbgefügen abgegeben wird. Beispielsweise wären sowohl der Anteil im Futur als auch der im Präsens als eher hoch einzustufen im Vergleich zu Funktionsverbgefügen wie zum Ausdruck kommen, das im Futur gar nicht belegt ist, oder [POSS] Anfang nehmen mit einem Anteil an Präsensbelegen von lediglich 21%, dessen Zahl an Belegen im Präteritum dafür wiederum 62% erreicht. Natürlich können und sollten diese immerhin vorhandenen Zahlen, die eine gewisse Vergleichbarkeit ermöglichen, für eine solche auch genutzt werden. Es ist immer noch besser, einem Wörterbuchbenutzer – sei er nun Muttersprachler oder Nicht-Muttersprachler – eine etwas unkonkrete/ungefähre und möglicherweise vom realen Wert um 10% abweichende Orientierung zu geben als überhaupt keine Hilfe. Dabei wäre es selbstverständlich völlig unsinnig, mit Prozentzahlen zu operieren, da sie ja ohnehin nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit genau so zutreffen. Quantifizierende Adverbien hingegen verweisen zum einen auf einen entsprechenden Spielraum, sind zum anderen aber durchaus geeignet um Tendenzen zu verdeutlichen. Dennoch sollte es ein Ziel der Korpuslinguistik sein, trotz der immer noch existenten Probleme und Grenzen, in absehbarer Zeit eine Liste über die Verteilung einzelner morphosyntaktischer oder rein syntaktischer Merkmale im Deutschen zu erstellen. Eine solche Liste würde sowohl für intralinguale Vergleiche (z.B. einzelner Varietäten oder Fachsprachen) als auch für die kontrastive Linguistik gänzlich neue Untersuchungsperspektiven eröffnen.
2.4 Die Frage der Relevanz Neben den im vorangegangenen Abschnitt diskutierten großen Abweichungen können manchmal auch kleine Abweichungen ein Problem darstellen. Lemnitzer/Zinsmeister (2006: 56) werfen in diesem Zusammenhang zu Recht die Frage auf: »[W]ie viele Schwalben machen einen Sommer?« Gemeint ist damit: Wie hoch muss die Anzahl an Belegen (absolut und prozentual) in den einzelnen Merkmalsklassen sein, um in der Auswertung der Daten Berücksichtigung zu finden, weil sie zwar eine seltene, aber sprachlich reguläre Konstruktion repräsentieren? Oder andersherum gefragt: Wie hoch darf die Anzahl der Belege maximal sein, um das entsprechende sprachliche Phänomen einfach als Fehler oder
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ungebräuchlich klassifizieren zu können? Und schließlich die Frage: Wie groß muss die Stichprobe sein, um ein nicht belegtes Merkmal als nicht existent einstufen zu können? In den bisherigen Ausführungen wurde deutlich, dass die Korpuslinguistik notwendigerweise mit Kompromissen behaftet ist. Daraus leitet sich ab, dass mit sinkender statistischer Zuverlässigkeit der Verteilung durch eine relativ geringe Stichprobe und möglicherweise relativ viele Merkmalsklassen die Wichtigkeit der Interpretation der gering oder nicht besetzten Klassen zunimmt. Das heißt, letztendlich obliegt es dem Linguisten selbst, darüber zu entscheiden, ob seine Analyse einen Fehler oder eine nur selten verwendete Form zutage gebracht hat und ob eventuell ein Merkmal nicht erfasst wurde, das ihm möglicherweise seine Introspektion suggeriert. Wie wir oben gesehen haben, hat die Analyse der Artikelverteilung beim Funktionsverbgefüge zum Abschluss bringen erbracht, dass sich unter 120 Belegen einer mit der Negation durch kein fand. Dem gegenüber stehen drei Belege, in denen die Negation mit nicht realisiert wird. Interessant ist das Problem der Negation besonders deshalb, da sich bei Funktionsverbgefügen die Frage stellt, ob bei ihnen als komplexe Prädikate die Satznegation zur Anwendung kommt oder aber, da der Hauptbedeutungsträger das Nomen ist, die Wortnegation. Möglicherweise ist ja auch beides nicht ungrammatisch? Ich möchte an dieser Stelle weitere Beispiele anführen, die das Problem der gering besetzten Merkmalsklassen verdeutlichen sollen: 1.
Absatz finden: Unter 154 Belegen fand sich lediglich einer mit einer Infinitivkonstruktion + zu: »Das ist mittlerweile ein liebgewonnenes Ritual und zugleich die Garantie, weiterhin regen Absatz zu finden«, sagt Familienoberhaupt Siegfried Lindner. (R99/MAI.3680726 Frankfurter Rundschau, 11.05.1999, S. 38)
2.
zum Abschluss kommen: Bei 97 Belegen gibt es neben dem enklitischen und dem unbestimmten Artikel auch ein Possessivpronomen (als Artikelwort): Mit dem im November beginnenden Agora-Programm II/1998 kommt eine bewährte, seit der Gründung des Zentrums angebotene, Vortragsreihe zu ihrem Abschluß [...]. (R98/AUG.64561 Frankfurter Rundschau, 13.08.1998, S. 8)
3.
In Berührung kommen: Bei 124 Belegen ist nur ein Mal die Objektposition mit dem Reziprokpronomen miteinander anstelle eines Substantivs besetzt: Da so nicht Metallteile miteinander in Berührung kommen, sondern Kautschuk auf einer glatten Trommel läuft, transportiert die Anlage Lasten erheblich leiser. (R98/APR.32157 Frankfurter Rundschau, 23.04.1998, S. 12)
Keiner dieser Belege scheint m.E. auf den ersten Blick ungrammatisch. Andererseits ist die eigene Intuition ja nicht immer die beste. An dieser Stelle bleibt dem Korpuslinguisten bzw. dem Lexikografen wohl kein anderer Ausweg als seine eigentliche Analyse zu verlassen und nach anderen Datenquellen zu suchen. Ein Weg wäre die Befragung von Informanten, von denen ein Teil über linguistisches Hintergrundwissen verfügen sollte, ein
————— 26
Quellennachweis innerhalb des IDS-Korpus.
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anderer Teil aber nicht. Dass die befragten Personen ein durchschnittliches Abbild der Realität abgeben, das heißt, verschiedenen Altersstufen, Schichten und Regionen entstammen sollten, versteht sich von selbst. Eine andere Variante bestünde darin, das Korpus zu erweitern und gezielt nach weiteren Belegen für das entsprechende Phänomen zu suchen. Verfährt man so mit (1) bis (3) und erweitert das Korpus auf knapp eine Milliarde Wörter, so finden sich tatsächlich jeweils weitere Belege in unterschiedlichen Texten verschiedener Quellen: für (1) acht, für (2) vier und für (3) immerhin fünfzehn. Doch wie viel ist das angesichts der Datenmenge? Selbst wenn hier wiederum die Gesamtzahl an Belegen für das jeweilige Funktionsverbgefüge in die Betrachtungen mit einbezogen würde, hat am Ende wieder der Linguist darüber zu entscheiden, ob Frequenz und Verbreitung ausreichen, um ein Phänomen als im Sprachsystem vorhanden oder nicht vorhanden einzustufen. Genaue Richtlinien gibt es, wie es von Lemnitzer/Zinsmeister (2006: 51f.) festgestellt wird, bislang auch hierfür nicht: Man kann natürlich alle Erkenntnisse, die man durch Beobachtung an einem Korpus gewinnt, allein auf dieses Korpus beziehen. Dies widerspricht aber normalerweise dem Forschungsinteresse des Korpuslinguisten.27 In der Korpuslinguistik sollen Erkenntnisse gewonnen werden, die über die beobachtete Datenmenge hinaus generalisierbar sind und so unsere Einsicht in die Funktion und Verwendung einer Sprache vertiefen.
Dies gilt umso mehr für einen Lexikografen, bei dem die Korpuslinguistik letztlich lexikografischen Zwecken dient und dessen Wörterbuch für einen größeren sprachlichen Bereich als den konkret analysierten Ausschnitt Gültigkeit haben soll. Noch komplizierter gestaltet sich das Ganze bei besetzten, aber nicht erfassten, sowie bei tatsächlich nicht besetzten Merkmalen. So wäre es in (3) grundsätzlich auch möglich, das Reziprokpronomen gänzlich wegzulassen, da das Substantiv auf der Subjektposition im Plural steht. Doch der Untersuchung der Frage nach dieser nicht besetzten Objektstelle mittels Korpora steht im Wege, dass hierfür (a) ein ausreichend großes28 und gleichzeitig (b) ein syntaktisch annotiertes (geparstes) Korpus benötigt würde, wie es meines Wissens für das Deutsche noch keines gibt.
3. Die Korpuslinguistik in der Praxis II – bisher Erreichtes 3.1 Neue Fragen und neue Antworten Wie in den bisherigen Ausführungen deutlich geworden ist, werden bei der Zusammenführung von Korpuslinguistik und Lexikografie eine Reihe noch unbeantworteter Fragen sowie vielfältige Schwierigkeiten theoretischer wie praktischer Natur sichtbar. Die in den vorangehenden Abschnitten diskutierten Probleme können mit folgenden Fragen zusammengefasst werden: 1.
Wie gestaltet sich ein optimales Korpus? Wie kann die nötige Ausgewogenheit mit Blick auf den gesamten zu betrachtenden Sprachausschnitt erreicht werden?
————— 27 28
»Eine Ausnahme bilden Korpora, die den Gegenstand komplett abdecken [...].« Es sollte mindestens 100 Millionen Wörter umfassen.
Möglichkeiten und Grenzen der Korpusanalyse für die Lexikografie
2.
3. 4. 5.
243
Wie viele Belege umfasst eine optimale Stichprobengröße? Inwiefern können – trotz unbekannter Grundgesamtheit und vor Beginn der eigentlichen Analyse unbekannter Anzahl an Merkmalsklassen – hierbei statistische Verfahren zur Anwendung kommen? Wie kann der Arbeits- bzw. Zeitaufwand für bislang noch nicht maschinell durchführbare Recherchen/Analyseschritte optimiert werden? Wie sind angesichts der ohnehin notwendigerweise vorhandenen Ungenauigkeiten gering besetzte oder nicht erfasste Merkmalsklassen zu interpretieren? Inwiefern ist ein Vergleich von ermittelten Häufigkeitsverteilungen möglich?
Dennoch werden die gerade in Entstehung befindlichen und erst recht zukünftige Wörterbücher ihren Vorgängern in einer Vielzahl von Punkten überlegen sein. Die betrifft – ausgehend von den Erfordernissen für ein phraseologisches Wörterbuch – vor allem: 1. 2.
3. 4. 5.
Die Auswahl relevanter lexikografischer Einheiten, entsprechend der intendierten Benutzungssituationen und Adressatengruppe(n); Die Nennformschreibung polylexikalischer Einheiten, einschließlich Varianten; darin eingeschlossen morphosyntaktische Informationen (intern: Blockierungen auf Grund der relativen Stabilität; extern: Valenz); Die Bedeutungsbeschreibung; Markierungsangaben; Die Auswahl anschaulicher, prototypischer und die formalisierte Darstellung erhellender Beispiele.
Im Folgenden soll auf die einzelnen Punkte näher eingegangen werden.
3.1 Lemmaselektion Während zu früheren Zeiten Wörterbücher in der Regel in Anlehnung an bereits vorhandene Wörterbücher erarbeitet wurden und sich daher auch die Auswahl der Lemmata an diesen orientierte, ermöglicht heute die Korpuslinguistik eine Lemmaselektion auf der Basis von Frequenzanalysen – ein weitgehend repräsentatives Korpus vorausgesetzt. Die Auswahl des Wortschatzes für ein Wörterbuch orientiert sich damit an dem, was für das Kommunikationsbedürfnis am ehesten benötigt wird. Dabei sind natürlich Häufigkeitsverteilungen einzelner Wörter für die Phraseografie weniger von Interesse; für sie ist die Kookkurrenzanalyse von unschätzbarem Wert, denn sie entlastet den Linguisten bei der Suche nach festen Wortverbindungen, indem sie mittels logarithmischen Funktionen Wortpaare ermittelt, deren Miteinandervorkommen statistisch signifikant über dem »normalen« Wahrscheinlichkeitsgrad liegt. Die Aufgabe des Linguisten ist es, diese Werte zu interpretieren und die nicht zu den Phraseologismen gehörenden Wendungen zu eliminieren.29
————— 29
Solche Kookkurrenzpaare kommen häufig in Verbindung mit Eigennamen zustande, z.B., wenn ein bestimmter Eigenname jeweils in demselben Zusammenhang genannt wird. Beispielsweise zeigte sich in meinen eigenen Untersuchungen ein besonders hoher Bindungsgrad zwischen Kontakt (als Suchwort) und Kette; Ursache war eine »Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle« in der Kettelerstraße, in der das Lemmatisierungsprogramm das Wort Kette erkannte und deren Adresse und Öffnungszeiten zwei Mal wöchentlich im Mannheimer Morgen erschienen.
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Am weitesten fortgeschritten ist meines Wissens die Kookkurrenzanalyse von COSMAS II. Sie bietet eine Reihe von individuell einstellbaren Recherche-Optionen und errechnet neben binären Kombinationen auch Kookkurrenzcluster. Zudem gibt es auf der Homepage des IDS umfassende und gut verständliche Informationen über das Wesen der Kookkurrenzanalyse.30 Zur Ermittlung der Lemmaselektion für ein Wörterbuch deutscher Funktionsverbgefüge bot es sich an, eine Kookkurrenzanalyse für die zuvor eingegrenzte Gruppe an Funktionsverben durchzuführen, um zu ermitteln, welche Substantive den höchsten Bindungsgrad zum Verb aufweisen. Aus diesen Substantiven wurden dann diejenigen ausgewählt, die den Kriterien eines Nomens im Funktionsverbgefüge gerecht werden. So hat sich für mein Wörterbuch, ausgehend von den elf typischsten Vertretern unter den Funktionsverben,31 eine Lemmaselektion von 93 Funktionsverbgefügen mit insgesamt 70 verschiedenen Nomina ergeben.
3.2 Nennformschreibung, Varianten, Valenz Bei mehr als zweigliedrigen Phraseologismen stellt sich die Frage, welche Komponenten zur Nennform gehören und welche eliminierbar oder auch substituierbar sind. Während bisher diesbezügliche Annahmen der Linguisten nicht bzw. nur in kleinem Rahmen anhand von authentischem Sprachmaterial überprüft werden konnten, bietet jetzt die Auswertung von Korpusbelegen die Möglichkeit, obligatorische von fakultativen Elementen eines Phraseologismus zu unterscheiden. Ebenso kann überprüft werden, welche Satzglieder ein valenter Phraseologismus obligatorisch an sich bindet und welche fakultativ. Auch auffällig häufige Angaben können auf diese Art ermittelt werden. Bei den Funktionsverbgefügen stellt die Nennform kein allzu großes Problem dar. Hier sind in jedem Falle das Funktionsverb, das auf Grund der nicht festgelegten SubjektPosition in der Nennform im Infinitiv steht, und das Substantiv obligatorische Bestandteile sowie die Präposition beim Typ Präposition + Substantiv + Verb, wobei die Präposition zu wiederum mit dem bestimmten Artikel verschmolzen sein kann, der dann ebenfalls zur Nennform gehört. Schon etwas schwieriger gestaltet sich die Frage nach internen Blockierungen, die im Wesentlichen die Numerus-Opposition und den Artikel betreffen sowie vor allem die Erweiterung des Nomens im Funktionsverbgefüge durch ein adjektivisches oder ein Partizipialattribut. Wenngleich in den Grammatiken überwiegend zu lesen ist, Artikel und Numerus seien festgelegt und die linksattributive Erweiterung sei blockiert, zeichnen die Korpusbelege, zumindest für die Artikelvarianz sowie insbesondere das Attribut, ein ganz anderes Bild. So gibt es neben einer Reihe durchaus vorhandener Funktionsverbgefüge, bei denen der Artikel festgelegt ist (a) auch solche, die zwei oder gar drei verschiedene Artikel(wörter) zulassen (b): (a) zum Ausdruck kommen, Absatz finden, unter Strafe stellen; (b) in (POSS) Besitz nehmen, zum/zu einem Abschluss kommen, (POSS/einen) Ausdruck finden.
————— 30 31
[http://www.ids-mannheim.de/kl/misc/tutorial.html] (zuletzt gesehen: 18.02.2009). Es handelt sich dabei um die Verben bringen, finden, gehen, halten, kommen, nehmen, setzen, stehen, stellen, treten und ziehen.
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Sehr häufig finden sich Belege mit einer Erweiterung durch ein Adjektivattribut, wobei dann auch oft (c), aber nicht immer (d), der Artikel variieren kann: (c)
zu Ende bringen vs. zu einem (guten/glücklichen) Ende bringen, aber POSS (adäquaten/ bildhaften) Ausdruck finden und einen (sinnlichen/rationalen) Ausdruck finden; (d) zur (praktischen/industriellen) Anwendung kommen, (reißenden/guten) Absatz finden.
Insbesondere in Valenzfragen erleichtert die Korpusanalyse die lexikografische Arbeit, da nunmehr die Umgebung der untersuchten lexikalischen Einheiten betrachtet und somit semantisch-syntaktische Abhängigkeiten sichtbar gemacht werden können. Auch Varianten auf den einzelnen Positionen und durch die Bedeutung des jeweiligen Funktionsverbgefüges präferierte fakultative Ergänzungen werden dabei deutlich. Die bisherige Untersuchung der Funktionsverbgefüge offenbarte hier drei besonders interessante Punkte: 1.
Für die Funktionsverbgefüge kann die Aussage Ágels (2004: 65) Phraseologismen seien als »(valenz)syntaktischer Normalfall« zu betrachten, bestätigt werden. Das Substantiv im Funktionsverbgefüge sättigt, ohne dass es den Status eines Aktanten einnimmt, eine im Stellenplan des Verbs vorgesehene Leerstelle – eine akkusativische (a) oder, im Falle der Funktionsverbgefüge mit Präposition, eine adverbiale (b):32 (a)
(b)
2.
jmd. findet etwA (Vf + Subjekt + Akkusativobjekt); etw. findet Anwendung (Vf + Subjekt + nominale Komponente des Funktionsverbgefüges im Akkusativ); jmd. geht irgendwohin (Vf + Subjekt + Adverbialbestimmung); etw. geht in Betrieb (Vf + Subjekt + nominale Komponente des Funktionsverbgefüges mit Präposition).
Auf der Position des Subjekts und gegebenenfalls des Objekts sind nicht selten in semantischer wie morphosyntaktischer Hinsicht Varianten möglich, die dank der Korpusanalyse in ihrer vollen Ausprägung sichtbar werden bzw. belegt werden können: etw. findet Beachtung (Diese Diskussion findet nun endlich die ihr gebührende Beachtung.)33 jmd. findet Beachtung (Vor dem Stadion saß ein Bettler. Dieser fand am frühen Samstag Nach mittag jedoch wenig Beachtung bei den etwa 4 000 Fans, die ins Stadion wollten.) [NS] findet Beachtung (Dass einige der jungen Künstler bereits international erfolgreich sind, fand in ihrer Heimat bislang so gut wie keine Beachtung.)
3.
Für ein Wörterbuch sind auch fakultative Ergänzungen von Interesse, zeigen sie doch die Umgebung auf, in denen eine lexikalische Einheit üblicherweise vorkommt. Auch hier kann die Analyse von Korpora zur Verbesserung der Einträge beitragen: Beispiel: jmd/etw steht zur Verfügung: für etwA (Für das Projekt stehen bisher sechs Pflegefamilien zur Verfügung.) jmdm. (Leider stehen uns dazu die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung.) etwD = Institution (Der Kirche standen nach eigenen Angaben 1997 über 300 Millionen Dollar zur Verfügung.)
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Vgl. hierzu auch Duden (2005: 424ff.). Authentische Beispiele, zum Teil jedoch leicht gekürzt oder vereinfacht.
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als (Mit ihrer Fertigstellung steht die Straße nicht länger als Strecke für Inline-Skater zur Verfügung.)
3.3 Bedeutungsbeschreibung, Markierungsangaben, Beispiele Ein wesentliches, wenn nicht gar das ureigenste Anliegen eines Wörterbuches ist die Beschreibung der Bedeutung der verzeichneten Lemmata wie auch der den Lemmata zugeordneten Phraseologismen und Beispiele. Auf den ersten Blick mag die Bedeutungsbeschreibung für Funktionsverbgefüge nicht so schwierig aussehen, existiert doch in vielen Fällen ein korrespondierendes Vollverb (a) oder Adjektiv (b): (a) (b)
jmd. zieht etwA in Zweifel ‘jmd. bezweifelt etwA’; etw. steht unter Strafe ‘etw. ist strafbar’.
Doch verfügen die Funktionsverbgefüge gleichzeitig über einen »semantischen Mehrwert«, der unter anderem – aber nicht nur – aus dem dem jeweiligen Funktionsverb eigenen perspektivischen/aktionalen Sem34 resultiert. So bedeutet etw. findet POSS Abschluss nicht nur ‘etw wird beendet’, sondern meistens auch, dass ‘etw nach längerer Zeit beendet wird’, dass ‘es endlich aufhört’. Ebenso lässt sich dank der Korpusbelege der Bedeutungsunterschied (wenngleich er nicht immer zum Tragen kommt) zwischen jmd. nimmt etwA außer Betrieb (a) und jmd. setzt etwA außer Betrieb (b) erklären: (a) ‘jmd. schaltet etwA, das meist noch funktioniert, aus/ab; jmd. verwendet etwA nicht mehr (meist um eine Störung oder einen Schaden zu verhindern)’; (b) ‘jmd. schaltet etwA aus/ab; (oft um eine kriminelle Handlung zu begehen, aber auch um Schaden zu verhindern)’.35
In der Phraseografie spielen die Markierungsangaben eine ganz besonders wichtige Rolle. Auch hier mussten bisher eher Vermutungen aufgestellt werden als dass genaue pragmatische Hinweise gegeben werden konnten. Theoretisch ist die Ermittlung solcher Eigenschaften eher unproblematisch, da ja lediglich verschiedene Quellen (Belletristik, Zeitungstexte, Fachsprache, gesprochene Sprache etc.) daraufhin untersucht werden müssten, wie oft und in welcher Form ein Phraseologismus darin vorkommt. Wie aber in Abschnitt 2.1 erläutert, erfüllen die derzeitigen Korpora, zumindest für das Deutsche, noch nicht die erforderlichen Kriterien bezüglich Umfang und Ausgewogenheit, um für seltenere Phraseologismen entsprechende quantitativ-qualitative Analysen durchführen zu können. Dennoch werden selbst in dem von mir analysierten Korpus (vgl. 2.1), das zum überwiegenden Teil aus Tageszeitungstexten besteht, einige Tendenzen sichtbar, wenngleich sie jeweils nur in Relation zu den anderen Funktionsverbgefügen bewertet werden können. So ist beispielsweise das Funktionsverbgefüge außer Betrieb setzen überdurchschnittlich häufig in (popu-
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Hierzu zählen grenzbezogen, nicht-grenzbezogen, kausativ und passiv; vgl. Heine (2006: 48). Hier kann zudem das Subjekt mit etw. (der Ursache, warum ein Gerät o. Ä. nicht mehr funktioniert) besetzt werden: »Am Pollux-Hochhaus am Messegelände mußte die Feuerwehr zwei Fensterputzern, die mit ihrer Gondel in Höhe des 25. Stockwerks steckengeblieben waren, zur Hilfe eilen. Der Sturm hatte den Elektromotor der Gondeln außer Betrieb gesetzt.« (R97/FEB.11576 Frankfurter Rundschau, 14.02.1997, S. 17).
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lärwissenschaftlichen) Fachtexten der Bereiche Technik und Umwelt belegt. Auffällig ist ebenso der hohe Anteil einiger Funktionsverbgefüge in der Computerzeitung, der z.B. bei zur Verfügung stellen und zur Verfügung stehen 17% bzw. 14% beträgt, während der Durchschnitt bei etwa 5% liegt. Wie im Laufe der Diskussion deutlich geworden ist, kann der Vielzahl an Daten, die ein Korpus bzw. die Analyse eines Korpus zutage bringt, eine Reihe von Informationen entnommen werden, die nicht zuletzt seitens der Lexikografie große Beachtung finden. Aber auch andersherum können vermutete oder bereits eruierte sprachliche Erscheinungen nunmehr durch authentische Texte belegt werden. Ebenso verhält es sich mit den Beispielsätzen, deren Wert m.E. mit ihrer Authentizität noch steigt.36 Dies bedeutet nicht, dass die entsprechenden Sätze unverändert übernommen, also regelrecht zitiert werden sollen. Vielmehr bilden sie sprachliche Muster, an denen sich zunächst der Lexikograf bei der Auswahl seiner Beispiele und später der Wörterbuchbenutzer bei der Produktion seiner Texte orientieren kann. Auch dies sei an zwei abschließenden Beispielen verdeutlicht: (4) Ich habe mein Leben so gegen Drogen abgeschottet, daß meine größte Angst wäre, im Knast wieder mit Drogen in Berührung zu kommen. (R97/APR.26427 Frankfurter Rundschau, 07.04. 1997, S. 7)
Da hier sowohl in morphosyntaktischer als auch in semantischer Hinsicht im Wesentlichen die Infinitivkonstruktion von Bedeutung ist, kann der Hauptsatz eliminiert werden, der Nebensatz wird dann zum Hauptsatz umstrukturiert. Außerdem empfiehlt sich die Substitution des umgangssprachlichen Wortes Knast durch ein neutrales stilistisches Synonym. Der Beispielsatz im Wörterbuch könnte dann lauten: –
Meine größte Angst wäre, im Gefängnis wieder mit Drogen in Berührung zu kommen.
(5) Die Stiftung Deutsches Elektronen-Synchrotron (Desy) gilt als eines der renommiertesten Grundlagenforschungszentren, findet aber kaum Beachtung in der Öffentlichkeit. Das in Hamburg und in Zeuthen (Brandenburg) untergebrachte Institut beschäftigt sich hauptsächlich mit Teilchenbeschleunigern (Synchrotronen). (C96/DEZ.04837 COMPUTER ZEITUNG, 05.12. 1996, S. 32)
Hier wären folgende Veränderungen denkbar: Der Name, der für einen Beispielsatz im Wörterbuch nicht von Bedeutung ist, könnte eliminiert werden. Da das verbleibende Wort Stiftung etwas verwirrend sein könnte, sollte es durch das im nachfolgenden Satz verwendete Institut ersetzt werden. Zudem könnte das Wort Grundlagenforschungszentrum einem Nicht-Muttersprachler Probleme bereiten, so dass es besser durch das Hyperonym Forschungszentrum substituiert werden sollte. Der Beispielsatz im Wörterbuch könnte dann lauten: –
Das Institut gilt als eines der renommiertesten Forschungszentren, findet aber kaum Beachtung in der Öffentlichkeit.
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Dabei wird vorausgesetzt, dass sie die typische Verwendungsweise des Lemmas widerspiegeln.
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4. Abschließende Bemerkung Im ersten Teil dieses Beitrages wurde eine Reihe von Fragen und Problemen diskutiert, denen ein Lexikograf, der quantitativ-qualitativ korpusbasiert arbeitet, gegenübersteht. Gleichzeitig konnten im zweiten Teil bereits jetzt realisierbare Verbesserungen dokumentiert werden, die zweifelsohne zu einer höheren Qualität der Wörterbücher – seien sie nun ein- oder zweisprachig, phraseologisch oder nicht – führen werden. Beide Teile verstehen sich nicht als exhaustiv und auch auf die Frage der Äquivalente konnte hier nicht näher eingegangen werden. Deutlich geworden sein sollte, dass sich die Korpuslinguistik noch in ihren Anfängen befindet, dass die gesamte Bandbreite an Erfahrungen, die in anderen Bereichen der Germanistik bzw. der Linguistik bereits vorhanden ist, für die Korpuslinguistik noch erarbeitet, bewertet und dokumentiert37 werden muss. Zudem müssen weitere Methoden entwickelt und erprobt werden, die bei verschiedenen Fragestellungen zur Anwendung kommen können. Ein weiteres Desiderat ist die Weiterentwicklung der Korpora selbst sowie der Analyseprogramme, da nur ein qualitativ hochwertiges Korpus den zeitlichen Aufwand einer umfassenden Analyse rechtfertigt. Dabei wäre auch eine weitere Automatisierung einzelner Analyseschritte wünschenswert, um den momentan noch erheblichen Arbeits- bzw. Zeitaufwand reduzieren zu können. Schließlich ist auch zu fragen, inwiefern die Linguistik von anderen Wissenschaften wie der Informatik und der Mathematik, aber auch von einzelnen Ingenieurwissenschaften, die auf längere Erfahrungen in der elektronischen Datenanalyse zurückblicken können, profitieren kann. Im Gegenzug haben diese wiederum einen Nutzen von den Erkenntnissen der Linguisten und daraus entstehenden Produkten. Das heißt, die Korpuslinguistik würde sicher nicht nur von einem verstärkten Dialog der Korpuslinguisten untereinander profitieren; als eine eher anwendungsorientierte Disziplin muss sie auch den Dialog zu und die Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften und Anwendern außerhalb der Linguistik suchen. Dann ist es sicher nur eine Frage der Zeit, bis neue Ideen für die Nutzbarmachung von Korpora entstehen und sich neue Anwendungsbereiche für die Korpuslinguistik erschließen.
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Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass erst im Jahre 2006 die ersten beiden deutschsprachigen Einführungen in die Korpuslinguistik erschienen sind.
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5. Literatur Ágel, Vilmos (2004): „Phraseologismus als (valenz)syntaktischer Normalfall.“ – In: K. Steyer (Hg.): Wortverbindungen – mehr oder weniger fest. Institut für Deutsche Sprache Jahrbuch 2003, 65–86. Berlin, New York: de Gruyter. Barz, Irmhild/Bergenholtz, Henning/Korhonen, Jarmo (Hgg.) (2005): Schreiben, Verstehen, Übersetzen, Lernen. Zu ein- und zweisprachigen Wörterbüchern mit Deutsch. – Frankfurt a. M. et. al.: Peter Lang (= Finnische Beiträge zur Germanistik 14). Dudenredaktion (Hg.) (2005): DUDEN. Die Grammatik. Band 4. – Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag. Heine, Antje (2006): Funktionsverbgefüge in System, Text und korpusbasierter (Lerner-)Lexikografie. – Frankfurt a. M. et. al.: Peter Lang (= Finnische Beiträge zur Germanistik 18). Heine, Antje (2008): Funktionsverbgefüge richtig verstehen und verwenden. Ein korpusbasierter Leitfaden mit finnischen Äquivalenten. – Frankfurt a. M. et. al.: Peter Lang (= Finnische Beiträge zur Germanistik 23). Helbig, Gerhard/Buscha, Joachim (192001): Deutsche Grammatik – Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. – Leipzig: Langenscheidt. Korhonen, Jarmo (2005): „Phraseologismen im GWDS.“ – In: H. E. Wiegand (Hg.): Untersuchungen zur kommerziellen Lexikographie der deutschen Gegenwartssprache II. Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden. Print- und CD-ROM-Version, 109–128. – Tübingen: Niemeyer (= Lexicographica Series Maior 121). Köster, Lutz/Neubauer, Fritz (2002): „Kollokationen und Kompetenzbeispiele im De Gruyter Wörterbuch.“ – In: H. E. Wiegand (Hg.): Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen II. Untersuchungen anhand des „de Gruyter Wörterbuchs Deutsch als Fremdsprache“, 283–310. Tübingen: Niemeyer (= Lexicographica Series Maior 110). Lehr, Andrea (1998): „Kollokationen in Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache.“ – In: H. E. Wiegand (Hg.): Perspektiven der pädagogischen Lexikographie des Deutschen. Untersuchungen anhand von „Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache“, 256–281. Tübingen: Niemeyer (= Lexicographica Series Maior 86). Lemnitzer, Lothar/Zinsmeister, Heike (2006): Korpuslinguistik. Eine Einführung. – Tübingen: Gunter Narr. Steyer, Kathrin (2004): „Kookkurrenz. Korpusmethodik, linguistisches Modell, lexikografische Perspektiven.“ – In: K. Steyer (Hg.): Wortverbindungen – mehr oder weniger fest. Institut für Deutsche Sprache Jahrbuch 2003, 87–116. Berlin, New York: de Gruyter. Wallner, Franziska (im Druck): „Aspekte der lernerlexikografischen Bearbeitung von Kollokationen.“ – In: C. Földes (Hg.): Phraseologie disziplinär und interdisziplinär. EUROPHRAS 2006, Veszprém, 9.-11. Juni 2006. Tübingen: Gunter Narr. Weinrich, Harald (22003): Textgrammatik der deutschen Sprache. – Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms. Wotjak, Barbara/Dobrovoľskij, Dmitrij (1996): „Phraseologismen im Lernerwörterbuch.“ – In: I. Barz, M. Schröder (Hgg.): Das Lernerwörterbuch Deutsch als Fremdsprache in der Diskussion, 243–264. Heidelberg: Winter.
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Korpora Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (DWDS): [http://www. dwds.de/]. Deutsches Spracharchiv (DSAv) und Datenbank Gesprochenes Deutsch (DGD) [http://dsav-oeff.idsmannheim.de/DSAv/DSAVINFO.HTM]. Korpussammlung der geschriebenen Sprache am Institut für deutsche Sprache (COSMAS 2): [http://www.ids-mannheim.de/cosmas2]. Leipzig/BYU Corpus of Contemporary German. Kontakt z. B. über Erwin Tschirner, Universität Leipzig [[email protected]].
Zu den Autoren Harald Burger Geboren 1940 in Duisburg (Deutschland). Studium der Germanistik, Philosophie, Romanistik in Freiburg i.B. und Zürich. Seit 1970 ausserordentlicher, seit 1975 ordentlicher Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich. 1990–1992 Dekan der Philosophischen Fakultät. 1999–2004 Präsident der Europäischen Gesellschaft für Phraseologie (EUROPHRAS) und seit 2008 Ehrenpräsident. Seit 2006 emeritiert. Verfasser (zus. mit Annelies Buhofer und Ambros Sialm) des ersten Handbuchs der Phraseologie (1982), Herausgeber (zus. mit Dmitrij O. Dobrovol'skij, Peter Kühn und Neal Norrick) des Handbuchs Phraseologie/Phraseology. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research (HSK 28 1./2, 2007). Verfasser der Monografien Idiomatik des Deutschen (1973, unter Mitarbeit von Harald Jaksche) und Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen (3., neu bearbeitete Auflage, 2007) und von zahlreichen Artikeln. Herausgeber verschiedener Sammelbände zur Phraseologie: Phraseologiae Amor - Aspekte europäischer Phraseologie. Festschrift für Gertrud Gréciano zum 60. Geburtstag (2001, zus. mit Annelies Häcki Buhofer und Laurent Gautier), Flut von Texten – Vielfalt der Kulturen (2003, zus. mit Annelies Häcki Buhofer und Gertrud Gréciano), Phraseology in Motion I & II (2006–2007, zus. mit Annelies Häcki Buhofer). Weitere Lehr- und Publikationsgebiete: Sprachgeschichte, Spracherwerb und Mediensprache. Dmitrij O. Dobrovol’skij Geboren 1953 in Moskau (Sowjetunion). Seit 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für russische Sprache der Russischen Akademie der Wissenschaften und seit 1996 Prof. für germanistische Linguistik an der Fakultät für Fremdsprachen und Regionalwissenschaften der Staatlichen Lomonosov-Universität Moskau; seit 2001 Gastforscher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Grimm-Preisträger 2005. Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher zur Idiomatik: Kognitive Aspekte der Idiom-Semantik. Studien zum Thesaurus deutscher Idiome (1995), Idiome im mentalen Lexikon. Ziele und Methode der kognitivbasierten Phraseologieforschung (1997), Symbole in Sprache und Kultur: Studien zur Phraseologie aus kultursemiotischer Perspektive (1997/22002, zus. mit Elisabeth Piirainen), Figurative language: Cross-cultural and Cross-linguistic Perspectives (2005, zus. mit Elisabeth Piirainen). Mitherausgeber (zus. mit Harald Burger, Peter Kühn und Neal Norrick) des Handbuchs Phraseologie. Phraseology. Ein internationales Handbuch der zeitgenössischen Forschung. (HSK 28 1./2, 2007). Autor und Mitautor mehrerer ein- und zweisprachiger phraseologischer Wörterbücher. Stefan Ettinger Geboren 1943 in Steierdorf (Banat, Rumänien). Studium der Romanistik und Geschichte in Saarbrücken, München, Paris und Tübingen. Nach dem Staatsexamen (1968) Tätigkeit als Gymnasiallehrer, und nach der Promotion bei E. Coseriu in Tübingen (1974) Dozent für Französisch und Portugiesisch am Sprachenzentrum der Universität Augsburg. Seit 2005 pensioniert. Forschungsschwerpunkte: Wortbildung (Diminutiv- und Augmentativbildung; Präfixverben), Lexikografie, Phraseologie und Übersetzungsdidaktik. Veröffentlichung des
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Zu den Autoren
Lehrbuches La lexicografía. De la lingüística teórica a la lexicografía práctica (1982, zus. mit Günther Haensch, Lothar Wolf und Reinhold Werner). Verfasser zahlreicher Beiträge zur Phraseologie und zur Phraseodidaktik sowie Mitautor mehrerer Wörter- und Übungsbücher zum Französischen (Redewendungen Französisch/Deutsch. Thematisches Wörterund Übungsbuch, 32003, zus. mit Vilmos Bárdosi und Cecile Stölting), zum Deutschen (Deutsche Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene, 1997, zus. mit Regina Hessky) und zum Portugiesischen (Portugiesische Redewendungen. Ein Wörter- und Übungsbuch für Fortgeschrittene, 2006, zus. mit Manuela Nunes). Tat’jana Filipenko Geboren 1975 in der Sowjetrepublik Ukraine. Studium der Linguistik und Interkulturellen Kommunikation an der Staatlichen Lomonosov-Universität Moskau. Promotion 2002 mit einem Thema zur deutschen und russischen Idiomatik. Seit 1999 Assistentin, seit 2007 Universitätsdozentin an der Fakultät für Fremdsprachen und Regionalwissenschaften der Staatlichen Lomonosov-Universität Moskau. Verfasserin der Artikel „Phraseme in zweisprachigen Wörterbüchern Deutsch-Russisch“ (Lexicographica 19, 2003, zus. mit Ärtem Šarandin) und „Beschreibung der Idiome in einem zweisprachigen Idiomatik-Wörterbuch“ (Das Wort. Germanistisches Jahrbuch GUS, 2002). Autorin der Kapitel „Russian Phraseology“ (zus. mit Dmitrij O. Dobrovol’skij) und „Phraseographie des Russischen“ (zus. mit Valerij Mokienko) im Phraseologie/Phraseology. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung/An International Handbook of Contemporary Research (HSK 28 1./2, 2007). Mitautorin des Neuen Großwörterbuchs Deutsch-Russisch (Band 1, 2008). Forschungsgebiete: Phraseologie und Phraseografie. Eva Glenk Geboren 1957 in Österreich, seit 1982 in Brasilien lebend. Studium der Theologie in Wien und Jersusalem; Studium der Sprachwissenschaft in São Paulo. Promotion 1996. Seit 1989 Dozentin am Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Universidade de São Paulo (Brasilien). Verfasserin der Monografie Die Funktion der Sprichwörter im Text. Eine linguistische Untersuchung anhand von Texten aus Elfriede Jelineks Werken (2000) und Mitautorin von Mulher, morte e dinheiro na sabedoria popular (2005). Verschiedene Aufsätze im Bereich der Phraseologie. Mitherausgeberin der wissenschaftlichen Zeitschrift Pandaemonium Germanicum. Revista de estudos germanísticos. Arbeits- und Forschungsbereiche: Deutsch als Fremdsprache, Kontrastive Linguistik und Phraseografie Deutsch-Portugiesisch. Erla Hallsteinsdóttir Geboren 1970 in Reykjavík (Island). Studium der Germanistik, Islandistik, Übersetzungswissenschaft und Deutsch als Fremdsprache in Reykjavík und Leipzig. 2001–2004 Postdoc an der Islands Universität, 2005–2006 Mitarbeit an mehreren For-schungs- und Wörterbuchprojekten. Seit 2007 an der Süddänischen Universität in Odense tätig. Herausgeber eines Themenheftes zu Phraseologie in Linguistik online (Heft 27, 2/06) sowie des großen isländischen Wortschatz-Korpus Íslenskur orðasjóður. Zahlreiche Publikationen zur Phraseologie, Phraseodidaktik und Phraseografie, u.a. die Monografie Das Verstehen idiomatischer Phraseologismen in der Fremdsprache Deutsch (2001). Seit 2006 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von EUROPHRAS. Weitere Lehr- und Forschungsgebiete:
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Textlinguistik, Grammatik, Korpuslinguistik, kontrastive Linguistik, Lexikologie und Lexikografie. Antje Heine Geboren 1974 in Cottbus (Deutschland). Studium Deutsch als Fremdsprache und Französistik,;2005 Promotion an der Universität Leipzig. 2006–2008 Stipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung am Germanistischen Institut der Universität Helsinki. Seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Wuppertal. Mitarbeit in verschiedenen internationalen Projekten (u.a. mit Polen, Spanien, Finnland) mit den Schwerpunkten Lehrwerkserstellung und Lexikografie. Autorin zweier Monografien zur Phraseografie: Funktionsverbgefüge in System, Text und korpusbasierter (Lerner-)Lexikografie (2006) und Funktionsverbgefüge richtig verstehen und verwenden. Ein korpusbasierter Leitfaden unter Angabe der finnischen Äquivalente (2008). Weitere Forschungsgebiete: Korpuslinguistik und Wissenschaftssprache. Vida Jesenšek Geboren 1960 in Celje (Slowenien). Studium der Germanistik und Slowenistik in Ljubljana. Promotion in der Germanistischen Linguistik (1997) an der Universität Ljubljana. Seit 2003 außerordentliche Professorin für Deutsche Sprache an der Universität Maribor. Seit 2006 Leiterin des Instituts für Germanistik an der Universität Maribor. Seit 2007 Mitwirkung in einer internationalen Arbeitsgruppe zur Konzeption eines europäischen MA-Studiengangs zur Ausbildung des Lexikografen (EMLex). Seit 2008 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von EUROPHRAS. Forschungsschwerpunkte, Lehr- und Publikationsgebiete: Pragmatik, Lexikologie, kontrastive Phraseologie, Lexikografie. 2004–2006 Koordination des EU-Projektes zur Phraseografie und Phraseodidaktik EPHRAS (www.ephras. org). 2006 Veransalterin von zwei internationalen Konferenzen in Maribor (Mehrsprachige Phraseologie und e-Lernen und Wörterbuch und Übersetzung). Autorin der Werke Okkasionalismen. Ein Beitrag zur Lexikologie des Deutschen (1998) und Begegnungen zwischen Sprachen und Kulturen. Beiträge zur Phraseologie (2008), Herausgeberin (zus. mit Melanija Fabčič) der Sammelbände Phraseologie kontrastiv und didaktisch (2007), Zweisprachige Lexikographie und Deutsch als Fremdsprache (2006, zus. mit Ana Dimova und Pavel Petkov) und Wörterbuch und Übersetzung (2008, zus. mit Alja Lipavic Oštir). Mitautorin eines mehrsprachigen phraseologischen Lernmaterials (EPHRAS, Ljubljana 2006). Elisabeth Piirainen Geboren 1943 (geb. Dörrie) in Hannover (Deutschland). Studium der Germanistik, Niederlandistik, indogermanischen und allgemeinen Sprachwissenschaft in Münster/Westfalen, Amsterdam und Helsinki. 1970 Dr. phil. an der Universtität Münster, danach Lektorin für deutsche Sprache an der Universität Jyväskylä (Finnland). Seit 1975 Leitung verschiedener Projekte zur Niederdeutschen Philologie (zu Flurnamen und Lexik westfälischer Dialekte). Seit 2006 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von EUROPHRAS. Autorin zahlreicher Publikationen zur Phraseologie, darunter zur Phraseologie der westmünsterländischen Mundart (2002; 2 Bände), der ersten Arbeit zur dialektalen Phraseologie innerhalb einer linguistischen Theorie (ausgezeichnet mit dem Johannes Sass Preis). Arbeiten zusammen mit Dmitrij Dobrovol’skij über Symbole und Kultur (1997; 22002) und Figurative Langua-
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ge. Cross-cultural and Cross-Linguistic Perspectives (2005); derzeit Arbeit an dem Buch Widespread Idioms in Europe and Beyond: Phraseology in a Eurolinguistic Perspective. Hans Schemann Geboren 1936 in Essen (Deutschland). Studium der Romanistik, Philosophie und Geschichte an der Universität Bonn. 1979 habilitiert an der Universität Hamburg. Professor für Linguistik, Spanisch und Portugiesisch an der Universität Germersheim und München. 1993– 2001 Leiter des Portugiesich-Brasilianischen Instituts an der Universität Heidelberg. 2001– 2006 Gastprofessor an der Universidade do Minho (Braga, Portugal). Seit 2006 emeritiert. Arbeit an einem Forschungsprojekt zur Idiomatik der romanischen und deutschen Sprache. Autor zahlreicher Publikationen zu Phraseologie, darunter Idiomatik und Anthropologie. „Bild“ und „Bedeutung“ in linguistischer, sprachgenetischer und philosophischer Perspektive (2002), „Kontext“ − „Bild“ − „idiomatische Synonymie“ (2003), „Bild“ − „Sprachbild“ − „Weltbild“ −„Phantasiebild“... − Zur Natur des Bildes und seiner Beziehung zu Wort, Idee und Begriff (2005). Autor der idiomatischen Wörterbücher: Dicionário Idiomático Português-Alemão. As expressões idiomáticas portuguesas, o seu uso no Brasil e os seus equivalentes alemães (1979), Synonymwörterbuch der deutschen Idiomatik Deutsch-Französisch (1994, zus. mit Alain Raymond), Idiomatik Deutsch-Englisch (1995, zus. mit Paul Knight), Idiomatik Deutsch-Portugiesisch (2003, zus. mit Luiza SchemannDias, Luisa Amorim-Braun, Teresa Hundertmark-Martins und Helena Costa). Kathrin Steyer Geboren 1961 in Gera (Deutschland). 1988-1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft der Akademie der Wissenschaften Berlin. Seit 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Promotion in Germanistik/Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Mannheim (Reformulierungen. Sprachliche Relationen zwischen Äußerungen und Texten im öffentlichen Diskurs, 1997). 1993–2003 Mitarbeit im Projekt elexiko. Seit 2003 Leiterin des IDSProjektes »Usuelle Wortverbindungen«. Seit 2006 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von EUROPHRAS. Verfasserin zahlreicher Publikationen auf den Gebieten Korpuslinguistik, Mehrwort- und Konstruktionsforschung, elektronische Lexikografie und korpusbasierte Pragmatik. Herausgeberin der IDS-Jahrbuchs Wortverbindungen mehr oder weniger fest (2004). Korpusmethodischer Wissenstransfer, Nachwuchsförderung (Betreuung von Praktika und Forschungsaufenthalten am IDS, Workshops, Seminare usw.). ***
Zur Herausgeberin Carmen Mellado Blanco Geboren 1966 in Salamanca (Spanien). Studium der Germanistik und Italianistik an der Universität Salamanca. 1997 Dr. phil. an der Universität Salamanca. Seit 1991 Doz. am Institut für Deutsche Philologie der Universität Santiago de Compostela, seit 1999 habilitiert. 2002–2006 Leiterin zweier Forschungsprojekte zum Niederdeutschen und Galicischen. Seit 2007 Leiterin des Forschungsprojektes FRASESPAL des spanischen Kultusministeriums zur kontrastiven deutsch-spanischen Phraseografie und Phraseologie. Seit 2008 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von EUROPHRAS. Organisatorin des
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Internationalen Kongresses zur Phraseologie und Parömiologie (2006) und des Coloquio Internacional de Fraseografía (2009) an der Universität Santiago de Compostela. Autorin von zahlreichen Publikationen zur Semantik der deutschen Idiome, z.B. Fraseologismos somáticos del alemán (2004), und zur kontrastiven Phraseologie Spanisch-Deutsch. Herausgeberin der Sammelbände Beiträge zur Phraseologie aus textueller Sicht (2008) und Colocaciones y fraseología en los diccionarios (2008). Weitere Forschungsgebiete: Soziolinguistik der deutschen Dialekte und deutsche Sprachgeschichte.