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German Pages [226]
Im vorliegenden Band wird dieser Text aus den verschiedenen theologischen Fachperspektiven sowohl methodisch erschlossen als auch in seinen zentralen Aussagen exemplarisch ausgelegt. Darüber hinaus treten die beteiligten Theologinnen und Theologen untereinander in Dialog über ihre Verstehensweisen. Impulse und methodische Anregungen ermöglichen es den Leserinnen und Lesern, theologische Kompetenzen zu erwerben.
Dies ist ein utb-Band aus dem Verlag Ferdinand Schöningh. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. ISBN 978-3-8252-5037-9
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Egbert Ballhorn Simone Horstmann (Hg.)
Theologie verstehen Lernen mit dem Credo
Ballhorn | Horstmann (Hg.)
Das Credo ist ein zentraler Text des Christentums. Was liegt näher, als ihn an den Anfang des Theologiestudiums zu stellen?
Theologie verstehen
Theologie
Grundwissen Theologie
20.09.18 15:44
utb 5037
Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld
Grundwissen Theologie Herausgegeben von Klaus von Stosch
Egbert Ballhorn · Simone Horstmann (Hg.)
Theologie verstehen Lernen mit dem Credo
Ferdinand Schöningh
Die Herausgeber: Egbert Ballhorn, Dr. theol., Studium der Katholischen Theologie und Chemie in Bonn, Jerusalem, Wien; seit 2012 Professor für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der TU Dortmund. Forschungsschwerpunkte in der Exegese der Bücher Psalmen, Josua, Baruch, dazu in den Bereichen Biblische Theologie, Bibel und Liturgie sowie Bibeldidaktik. Simone Horstmann, Dr. phil., Studium der Katholischen Theologie, Germanistik, Pädagogik und Philosophie in Bochum und Hagen, seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Dortmund. Interessens- und Forschungsschwerpunkte im Bereich der Theologischen Ethik und Systematischen Theologie und deren Didaktik, insbesondere: Tiertheologie und -ethik; narrative und phänomenologische Ethik.
Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2019 Verlag Ferdinand Schöningh, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Internet: www.schoeningh.de Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn UTB-Band-Nr: 5037 E-Book ISBN: 978-3-8385-5037-4 ISBN der Printausgabe: 978-3-8252-5037-9
Inhalt Egbert, Ballhorn, Simone Horstmann: Vorwort . . . . . . . . . . . 9 Egbert Ballhorn, Simone Horstmann: Lernen mit dem Credo – aber wie? Einladung zur Arbeit mit diesem Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Intermezzo I: Sich dem Text nähern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Claudia Gärtner: „Ich glaube“. Aus praktisch-theologischer Perspektive über die Bedeutung des individuellen Glaubens reflektieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Theologischer Dialog: Gregor Taxacher antwortet auf Claudia Gärtner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Egbert Ballhorn: „Gott der Vater, Gott der Schöpfer.“ Aus exegetischer Perspektive biblische Metaphern im Credo entdecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Theologischer Dialog: Thomas Ruster antwortet auf Egbert Ballhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Thomas Ruster: „Schöpfer des Himmels und der Erde“. Aus systematisch-theologischer Sicht schöpfungstheologische Modelle diskutieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Theologischer Dialog: Egbert Ballhorn antwortet auf Thomas Ruster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Intermezzo II: Beobachtungen zur Textstruktur . . . . . . . . . 65 Dirk Wördemann: „unter Pontius Pilatus“. Aus neutestamentlicher Perspektive über die Historizität Jesu Christi reflektieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Theologischer Dialog: Simone Horstmann antwortet auf Dirk Wördemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
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Inhalt
Egbert Ballhorn: „Gelitten … und auferstanden“. Aus biblischer Sicht über Leiden und Rettung nachdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Theologischer Dialog: Gregor Taxacher antwortet auf Egbert Ballhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Intermezzo III: Wer handelt im Text? . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Josef Rist: „Dies ist der Glaube der Väter. Dies ist der Glaube der Apostel. Wir alle glauben so“. Aus Sicht der Alten Kirchengeschichte über Ursprung, Form und Verwendung von Glaubensbekenntnissen nachdenken . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Theologischer Dialog: Thomas Ruster antwortet auf Josef Rist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Intermezzo IV: Die Intertextualität des Credo . . . . . . . . . . 111 Thomas Ruster: Erlöst von Sünde, Tod und Teufel. Aus systematisch-theologischer Sicht das Geheimnis der Erlösung zeitgemäß deuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Theologischer Dialog: Claudia Gärtner antwortet auf Thomas Ruster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Simone Horstmann: „Zu richten die Lebenden und die Toten“. Aus theologisch-ethischer Sicht über die Grenzen der Moral nachdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Theologischer Dialog: Egbert Ballhorn antwortet auf Simone Horstmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Gregor Taxacher: Heiliger Geist und Geschichte. Aus systematisch-theologischer Sicht über Geschichtlichkeit nachdenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Theologischer Dialog: Bert Roebben antwortet auf Gregor Taxacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Inhalt
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Claudia Gärtner: Das Credo ins Gespräch bringen. Aus religionsdidaktischer Perspektive Lernprozesse mit dem Credo initiieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Theologischer Dialog: Dirk Wördemann antwortet auf Claudia Gärtner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Intermezzo V: Wie wirkt der Text, was bedeutet er? . . . . . 161 Simone Horstmann: „Auferstehung des Fleisches“ – „Auferstehung der Toten“. Aus systematisch-theologischer Perspektive über Eschatologie nachdenken . . . . . . . . . . . . . . 163 Theologischer Dialog: Egbert Ballhorn antwortet auf Simone Horstmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Gregor Taxacher: „Heilige katholische Kirche“. Aus systematisch-theologischer Sicht über Kirche reflektieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Theologischer Dialog: Egbert Ballhorn antwortet auf Gregor Taxacher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Intermezzo VI: Irritationen, Leerstellen und Brüche im Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Bert Roebben: Der Heilige Geist im Religionsunterricht? Aus religionspädagogischer Sicht die Bedeutung der Pneumatologie entfalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Theologischer Dialog: Simone Horstmann antwortet auf Bert Roebben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Intermezzo VII: Thesen zur Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . 205 Egbert Ballhorn: Zum Abschluss: Amen . . . . . . . . . . . . . . . . 207
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
Vorwort Dieser Band ist die Frucht einer langjährigen Praxis in der Lehre: des Theologischen Grundkurses am Dortmunder Institut für Katholische Theologie. Er trägt die Handschriften aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen, die in der gemeinsamen Ringvorlesung alljährlich die eigenen Fachperspektiven und Zugänge zur Theologie vorstellen und zur Diskussion stellen, die ihre eigenen Konzepte im interdisziplinären Gespräch von Jahr zu Jahr aktualisiert und so auch theologisch pointiert haben. Dass ihre einzelnen Handschriften die ihnen gemeinsame theologische Linie erkennen lassen, ist ein Spiegel des beständig geführten fachübergreifenden Diskurses. In gleichem Maße sind in diesem Band auch die bisherigen Generationen von Studierenden präsent, die den Grundkurs in mindestens gleichem Maße mitgeprägt haben: Ihre Rückmeldungen und Einwände, Nachfragen und Bestätigungen, sowie insbesondere ihr wichtiges Anliegen, die theologischen Fragen stets an die Praxis rückzubinden, eine lebendige und lebbare Theologie zu entwickeln, haben die Kontur des Theologischen Grundkurses sehr geprägt. Unser Dank gilt insbesondere allen Tutorinnen und Tutoren, die in den vergangenen Semestern eine unverzichtbare Scharnierstelle zwischen den Studierenden und den Lehrenden des Instituts ausgefüllt haben, und dies mit stets großem persönlichen Interesse und überdienstlichem Engagement. In ganz besonderem Maße möchten wir uns bei Vera Rüthing bedanken, die nicht nur als Tutorin, sondern auch als Mitarbeitende an diesem Band unschätzbar wichtige Arbeit übernommen hat und stets umsichtig und vorausschauend an den Grundlagen für diesen Band mitgearbeitet hat. Lara Westermeyer und Sebastian Dötsch danken wir für Ihre gründliche Mithilfe bei der Korrektur der Texte. Ebenso bedanken wir uns bei Prof. Dr. Klaus von Stosch für die Aufnahme des Bandes in die Reihe „Grundwissen Theologie“ und bei Frau Dr. Nadine Albert vom Verlag Ferdinand Schöningh für die gute und stets verlässliche Betreuung bei der Erstellung der Druckfassung. Egbert Ballhorn, Simone Horstmann
Lernen mit dem Credo – aber wie? Einladung zur Arbeit mit diesem Buch Egbert Ballhorn, Simone Horstmann
Wer mit dem Theologiestudium beginnt, möchte gleich loslegen – nicht länger warten, keine Vorkurse belegen, sondern das neue Fach endlich kennenlernen! Der Text des apostolischen Glaubensbekenntnisses – hier kurz „Credo“ genannt – kommt dieser Motivation entgegen: Das Credo kommt gleich auf den Punkt und verzichtet auf Vorab-Erklärungen und umständliche hermeneutische Hinweise. Wer das Credo liest oder spricht, ist gleich zu Anfang des Textes „mittendrin“: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“
Wer diese Worte liest, wird vom Text gänzlich unvermittelt ins kalte Wasser geworfen, und zwar ganz wörtlich: Denn für die frühen Christinnen und Christen war dieses kalte Wasser das Wasser des Taufbeckens. Das Credo hat seinen ursprünglichen Ort in der Taufliturgie der Osternacht. In der Dämmerung zwischen Tag und Nacht, zwischen dem Menschen vor und dem Menschen nach der Taufe, wurde es gesprochen und begleitete diesen wichtigen Übergang. Der Text des Credo hat seinen Ursprung also in einem historischen Resonanzraum, der uns angesichts der zeitgenössischen Taufriten und -praxis oft kaum noch vertraut ist: Denn in der Tat ist die Taufe weit mehr als das erste Sakrament– sie vollzieht mit der vielleicht stärksten theologischen Symbolik, dem Wasser, zugleich das Untergehen des Täuflings in den Fluten und sein Heraussteigen aus dem Wasser. Wer das Credo spricht und sich taufen lässt, macht eine Schöpfungserfahrung: Der Mensch geht in der Taufe unter, und entsteigt dem Wasser, für die Theologie bedeutete dies zugleich das Mitsterben und das Mitauferstehen des einzelnen Menschen mit Christus. Jener Gott, von dem in den ersten Worten des Credo die Rede ist, erweist sich im Taufgeschehen daher tatsächlich als allmächtiger Schöpfer – von Himmel und Erde, vor allem aber und viel konkreter: Als Schöpfer dieses neuen Menschen, der dem Taufbecken entsteigt. Der Text berührt
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damit die Erfahrungswirklichkeit der frühen Christen und Christinnen auf fundamentale Weise: Er schafft gleichsam eine Brücke zwischen dem allerersten Wort – „Ich“ – und der letzten Phrase dieses Artikels, dem „Schöpfer des Himmels und der Erde“. An diesem ganz persönlichen „Ich“ erleben und erfahren die getauften Christinnen und Christen Gott als den allmächtigen Schöpfer. Wer die ersten Worte des Credo – vom „Ich“ bis zum „Schöpfer des Himmels und der Erde“ spricht, durchschreitet diese Worte zugleich wie auf einem grundlegenden Lernweg – einen Lernweg des Glaubens, der aber der theologischen Reflexion bedarf, um verständlich zu bleiben. Der erste Abschnitt des Credo (auch erster Artikel genannt) ist also in der Tat ein wuchtiges theologisches Statement – es ist zutiefst abstrakt und hoch theologisch, und zugleich außerordentlich persönlich und konkret! Was sollte es darüber hinaus noch zu sagen geben? Wir meinen: Eine ganze Menge! Auch der Text geht weiter, schließlich endet er nicht nach dem ersten Artikel – der zweite Artikel handelt von Jesus Christus, der dritte vom Heiligen Geist und seinen Wirkungen. Unsere Beiträge wollen immer wieder Brückenschläge versuchen: zu der Praxis der Alten Kirche, zu den Fragen und Lebenswirklichkeiten der heutigen Menschen, zur Wirklichkeit von Kirche und Religionsunterricht heute. So wollen wir ein konstruktives Gespräch zwischen der (Text-)Tradition des Credo, der Tradition und Wirklichkeit der Kirche und der Theologie als akademischer Wissenschaft leisten. Wir möchten Sie mit den einzelnen Beiträgen zugleich dazu einladen, eigene Beobachtungen anzustellen: Unsere Autoren und Autorinnen schreiben und denken sehr unterschiedlich, sie sind in verschiedenen theologischen Disziplinen beheimatet. Der Band vereint Stimmen aus der biblischen, historischen, systematischen und praktischen Theologie, die miteinander im Gespräch über den einen gemeinsamen Text sind. Sicher werden Sie beim Lesen die Beobachtung machen, dass die einzelnen Fachvertreterinnen und -vertreter eigene Schwerpunkte setzen, bisweilen auch ganz anders mit der gemeinsamen Textgrundlage des Credo umgehen und sich auf unterschiedliche Textstellen im Credo beziehen. Wenn Sie vielleicht erwarten sollten, dass der vorliegende Band den Text des Credo geradezu vollständig auslegt, dann kann eine solche Erwartung nicht erfüllt werden. Und das liegt in der Natur von Wissenschaft. Vollständige Erklärungen kann es nicht geben, sondern immer nur reflektierte Zugänge in ganz bestimmten Perspektiven. So sind auch die hier versammelten Beiträge geschrieben. Wenn Sie dies
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wahrnehmen, dann beobachten Sie damit letztlich, wie die einzelnen Fächer funktionieren – wie sie exemplarisch mit zentralen Themen des christlichen Glaubens umgehen, welche Fragen sie stellen, welche Methoden sie anwenden und welche Antworten sie jeweils geben. Vielleicht gewinnen Sie dabei auch schon sehr früh eine erste Vorstellung davon, welche theologischen Disziplinen Ihnen besonders liegen und wo Ihre Interessen beheimatet sind. Gemeinsam ist allen Autoren und Autorinnen allerdings, dass sie an der TU Dortmund in Studiengängen unterrichten und lehren, in denen die Studierenden zu zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern ausgebildet werden sollen. Auch aus diesem Grund interpretieren wir das Credo nicht nur als einen Lehr-, sondern auch als einen Lerntext: Er ist das Ergebnis eines historischen Lernprozesses der Kirche, insofern sich in seinen Formeln Erkenntnisse und Einsichten über die Wahrheit und Wirklichkeit des christlichen Glaubens verdichten. In diesem Sinne ist er zugleich ein lehramtlich gültiger Text. Am Credo zu lernen setzt deswegen voraus, diesen Dialog zwischen frühkirchlicher Erfahrung, der Verdichtung dieser Erfahrung in sprachliche Formeln, aber auch dem Entfalten und Befragen dieser Formeln und Formen in der jeweiligen Gegenwart zu üben. Der Text ist in einem solchen Dialog kein totes Gerüst, und ebenso wenig eine Fundgrube von theologischen Erkenntnissen, die aus ihm herausgelöst („herausinterpretiert“) werden sollten und ihn somit letztlich überflüssig machen. Er ist – gemäß dem wörtlichen Sinn von „Text“ (lat. textus = Gewebe) das gemeinsame Netz, an dem sich die Beiträge der einzelnen Fachvertreter einerseits orientieren – von dem her sie aber zugleich auch andere Vernetzungen herstellen können. Ein solches theologisches Gespräch kann nur vernetzend funktionieren – es bedarf der gegenseitigen Bezugnahme und Kenntnis. Daher finden Sie im Anschluss an die einzelnen Beiträge stets auch Kommentare der anderen Autorinnen und Autoren, die die Artikel aus ihrer Fachperspektive kurz beleuchten. Das Credo beginnt mit einem „Ich“. Mit der Formulierung „Ich glaube – an…“ stellt sich ein einzelner Mensch in einen vorgegebenen Zusammenhang hinein. Hier geschieht bereits eine erste Vernetzung. So wollen wir auch diesen Band beginnen: Der erste Beitrag des Bandes von Claudia Gärtner widmet sich daher aus praktisch-theologischer Sicht diesem „Ich“ und untersucht, wie sich dieses individuelle „Ich“ zum gemeinsamen Glauben der Kirche verhält: Ist das moderne Ich überhaupt noch kompatibel mit
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einem gemeinsamen Bekenntnis? Was bedeutet es also, wenn das Credo mit den Worten beginnt: „Ich glaube“? Dass das Credo schon im ersten Artikel in scheinbar einfachen Worten etwas zum Ausdruck bringt, das gar nicht so selbstverständlich ist, beleuchtet der zweite Artikel von Egbert Ballhorn: Aus exegetischer Perspektive wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise das Credo von Gott als dem Vater und dem Schöpfer spricht. Insbesondere die Rede von Gott als Vater ist scheinbar selbstverständlich, weil sie an unserer unmitttelbaren Lebenswirklichkeit anknüpft, sie aber zugleich übersteigt. Der dritte Beitrag zum ersten Artikel des Credo stammt von Thomas Ruster und knüpft aus systematisch-theologischer Perspektive daran an, dass das Credo von Gott als dem Schöpfer spricht. Hier wird deutlich, dass die Dogmatik (als ein Teilbereich der Systematischen Theologie) nicht einfach „erklärt“, was es heißt, Gott Schöpfer zu nennen, sondern darüber in ganz unterschiedlichen Modellen nachdenken kann. Der Beitrag stellt daher zwei wesentliche Modelle vor und diskutiert sie auch vor dem Hintergrund des Credo. Am einfachsten wäre es natürlich, einfach die einzelnen Aussagen des Credotextes entlangzugehen und sie auszulegen. Das aber ist gar nicht möglich, denn der Text hat nicht nur eine lineare Struktur, sondern ist intern auf vielfältige Weise vernetzt. Immer wieder nehmen die Beiträge daher Bezug auf das gesamte Credo, mitunter auch auf andere Texte. Damit wollen wir auch zum Ausdruck bringen, dass die theologischen Fragen nicht einer einzelnen Textstelle des Credo zugeordnet werden können. „Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“
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Das bloße Sprechen des zweiten, christologischen Artikels dauert nur wenige Sekunden – und doch kommt auf kleinstem Raum eine ganze Biografie unter. Das Geborenwerden, Leben und Sterben, die Passion und die Auferstehung, aber auch die hoffnungsvoll erwartete Wiederkunft Jesu Christi präsentiert uns das Credo in einer Linearität, die uns zu vielen Nachfragen herausfordert. Auf den ersten Blick sieht es nach selbstverständlichen Lebensstationen aus, auf den zweiten Blick aber nicht mehr. Was zwischen Geburt und Tod Jesu geschah, wird einfach übergangen! Wer das Credo als eine Auswahl, eine Selektion an Möglichkeiten wahrnimmt, gewinnt einen klareren Blick auf das theologische Profil dieses Textes. So wird aber zugleich auch sichtbar: Das Credo ist keine Summe des Glaubens, kein vollständiger, in sich geschlossener Text. Das Credo ist aber dennoch mehr als nur eine additive Ansammlung von beliebig vertauschbaren Elementen, sondern stellt eine eigene, durchdachte Textkomposition dar. Wer die Theologie des Credo verstehen möchte, sucht damit zugleich nach der impliziten theologischen Ordnung dieses Textes. Unsere Beiträge zum zweiten Artikel des Credo schlagen unterschiedliche Wege und Fachperspektiven vor, um die Ordnung(en) des Credo zu deuten. Dirk Wördemann diskutiert in seinem Artikel aus neutestamentlicher Sicht die Bedeutung der Historizität der Person Jesu Christi und geht dazu von einer weiteren, im Credo namentlich genannten Person, nämlich Pontius Pilatus, aus. Dabei analysiert er, wie in der Antike Biografie und Identität einer Person in Zusammenhang standen. Diese Frage ist auch aktuell wichtig: Wie steht unsere je eigene Biografie zum hier erzählten Leben Jesu Christi? Wie kommt das „Ich“, von dem das Credo spricht, mit dieser Biografie Jesu Christi in Kontakt? Um die Komposition des zweiten Artikels und die genaue Beschreibung der Person Jesu, wie sie das Credo leistet, theologisch weiter einordnen zu können, bringt der Beitrag von Egbert Ballhorn das Credo mit biblischen Texten, insbesondere mit Psalm 22, ins Gespräch:. Das Credo wird hier zugleich in den Tiefen seiner biblischen Resonanzräume erfahrbar – besonders auch der alttestamentlichen Texte, die den jüdischen Glauben der Person Jesu Christi neu beleuchten und als zentralen Verstehenskontext für die Christologie erschließen. Wie vielschichtig die einzelnen Kontexte des Credo sind, belegt auch der kirchengeschichtliche Beitrag von Josef Rist: Die historische Entwicklung der Textgattung „Glaubensbekenntnis“ führt eindrücklich vor Augen, wie stark die Bekenntnistexte mit ihren sozio-
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historischen und theologischen Ursprüngen verknüpft sind. Aus der kirchengeschichtlichen Reflexion fällt so zugleich neues Licht auf die heutige Praxis des Credo. Der Text des Credo ist häufig so vertraut – aus Gottesdienst und Katechese – dass man vielleicht sogar manche Dinge überliest. Der Beitrag von Thomas Ruster geht dem Verweischarakter von Problem und Lösung aus systematisch-theologischer Perspektive nach, indem er die Intention des Credo insgesamt auf die Fragestellung nach der Erlösung hin engführt, – ein Wort, das selbst gar nicht im Credo vorkommt und dennoch den christologischen Artikel neu verstehbar werden lässt. Den „Cliffhanger“ des zweiten Artikels deutet der Beitrag von Simone Horstmann: Schließlich gilt der letzte Vers dieses Artikels des Credo der Ankündigung eines Gerichts über die Lebenden und die Toten – über dessen Ausgang ebenso wie über die Maßstäbe des Gerichts allerdings scheint der Text zu schweigen. Wie ist diese vermeintliche Lücke im Text zu verstehen? Zur Klärung dieser Frage sucht der Beitrag nach weiteren theologischen Kontexten im Bereich der theologischen Ethik und diskutiert zwei Möglichkeiten einer moralischen Lesart des Credo. Mit dem dritten Artikel blicken wir schließlich noch einmal neu auf das Credo, denn spätestens hier zeigt sich eine zentrale strukturelle Eigenschaft des Textes in aller Eindrücklichkeit: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“
Schon beim Lesen merken wir schnell, wie sehr der Text an Tempo gewinnt – mit dem Geist verändert sich auch der Duktus des Textes. Wie ein Feuerwerk stellt er in schneller Abfolge Kernaussagen scheinbar nebeneinander. Mit der Rede vom Heiligen Geist beginnt auch etwas Neues. Und auch die Sprechenden setzen noch einmal neu an, müssen Atem holen und einen neuen Satz beginnen. Erst der Bruch ermöglicht die Verbindung zum Vorhergesagten. Der dritte Artikel zeigt uns: Es geht um etwas Neues, eine neue Erfahrungswirklichkeit Gottes, die aber zugleich untrennbar auf das Vorherige verweist: Denn der dritte Artikel antwortet zugleich auf die Gerichtsmotivik des christologischen Artikels und sucht verständlich zu ma-
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chen, was es zu Gottes richtender Gerechtigkeit zu sagen gibt – dass sie Dimensionen von Gemeinschaft, Heiligkeit, Vergebung und ewigem Leben tangiert. Wer diese Aussagen erstmalig wahrnimmt und liest, könnte schnell den Eindruck gewinnen, hier handle es sich um eine bloße Auflistung: Dann erscheint der dritte Artikel schnell als theologisches Sammelsurium, und unter dem Oberbegriff des ohnehin so schwer fassbaren Geistes wird dann scheinbar all das abgehandelt, für das zuvor noch kein Platz war. Dieser Eindruck trügt jedoch gewaltig. Er erklärt sich aber vielleicht auch daher, dass wir im dritten Artikel mit Ausnahme der einleitenden Verbalphrase „Ich glaube“ keine Verben finden, demnach auch keine unmittelbar erkennbaren Relationen zwischen den einzelnen Aussagen. Gregor Taxacher diskutiert in seinem Beitrag aus systematischtheologischer Sicht Deutungsmöglichkeiten der narrativen Struktur des Credo: Was hat es aus systematisch-theologischer Sicht zu bedeuten, dass wir den Text als Erzählung mit einem Anfang und einem Ende verstehen können? Aus dieser Perspektive wird eine grundsätzliche Verhältnisbestimmung von Theologie und Geschichte entfaltet, die uns insbesondere auf die Unterschiede zwischen einer theologischen Wahrnehmung von Geschichtlichkeit gegenüber einem profanen Geschichtsverständnis aufmerksam macht. Der Beitrag plädiert für eine geschichtsbezogene Theologie. Eine konkrete Brücke zur Lebenswirklichkeit der meisten Studierenden schlägt der Beitrag von Claudia Gärtner: Denn insbesondere spätere Lehrerinnen und Lehrer bringen das Credo ins Gespräch und sehen sich vor der Herausforderung, dies fachlich angemessen und didaktisch reflektiert zu tun. Die religionsdidaktische Perspektive diskutiert daher Möglichkeiten, das Credo als einen Lern- und Lehrtext in die Wirklichkeit des Religionsunterrichts hinein zu bringen und befähigt zur Reflexion über die Initiation von Lernprozessen entlang des Credo. Der Beitrag von Simone Horstmann nimmt eine konkrete Bruchlinie des dritten Artikels zum Anlass für eine Auseinandersetzung mit den christlichen Kernfragen der Eschatologie. Aus systematischtheologischer Sicht wird der Beobachtung nachgegangen, dass die Rede von der Auferstehung der Toten im lateinischen Originaltext genauer mit „Auferstehung des Fleisches“ zu übersetzen wäre. Wie ist diese semantische Verschiebung theologisch zu verstehen und zu bewerten? Grundlegend will der Beitrag dazu anregen, die theologische Sprach- und Diskursfähigkeit für diesen Extremfall der eschatologischen Glaubensaussagen einzuüben.
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Für viele Studierende in den ersten Semestern führt insbesondere die Erwähnung der „heiligen katholischen Kirche“ zu einer wichtigen, oftmals kritischen Anfrage an das Credo – wer sich damit nicht gründlich auseinandersetzt, wird womöglich gerade die ekklesiologischen Fragen als Einbruchstelle des Glaubens erfahren. Der Beitrag von Gregor Taxacher nimmt diese Wahrnehmung auf und verfolgt die ekklesiologische Dimension des Credo und ordnet sie in die Diskussionslinien der systematischen Theologie ein. Vom Ende des Credo fällt schließlich neues Licht auf den Anfang. Aus religionspädagogischer Perspektive erschließt Bert Roebben den Heiligen Geist in seiner inhaltlichen wie performativen Bedeutung für spätere Religionslehrer/innen: Der Geist setzt Kreativität und Kraft für innerliche Erneuerung frei und er ermutigt das Unterscheidungsvermögen des Menschen. Von dort her entfaltet der Beitrag sein Plädoyer, das gesamte Credo in seiner pneumatologischen Dimension zu verstehen und wirksam werden zu lassen. „Amen.“
Ein letztes Wort beschließt das Credo: Es wirkt so unscheinbar, dass es oft in Vergessenheit zu geraten droht, oder ganz einfach als rein ritueller, formeller, aber inhaltsfreier Bestandteil abgetan wird. Wie sehr dieses eine Wort dennoch zur Theologie des Credo beiträgt, fasst unser letzter Beitrag ins Auge. Egbert Ballhorn diskutiert die Bedeutung dieses hebräischen Wortes für das christliche Credo und zeigt: Das Amen beschließt das Credo, ohne es abzuschließen Es verweist darauf: Am Ende kommt es auf das persönliche Bekenntnis an, das durch nichts zu ersetzen ist. Der vorliegende Band will einen Beitrag leisten, Sie auf dem Weg zu unterstützen, die Aussagen des Credo im Rahmen der Theologie als Wissenschaft inhaltlich besser zu verstehen, methodisch mit ihnen angemessen umgehen zu können und zu einer begründeten eigenen Position zu kommen. Aus diesem Grund finden Sie zwischen den einzelnen Beiträgen immer wieder kleine „Intermezzi“: Schlaglichtartig geht es hier darum, methodische Annäherungen an den Text des Credo aufzuzeigen. Wir laden Sie in den Intermezzi ein, selbstständig mit dem Text zu arbeiten, ihre eigenen Eindrücke und Beobachtungen gern auch schriftlich festzuhalten. Mit den Intermezzi wollen wir deutlich machen, dass das theologische Lernen aus dem produktiven Dialog zwischen Lesenden und Texten erwächst. Einem ganz ähnlichen Gedanken ist auch eine weitere Eigenart dieses Bandes geschuldet: Nach vielen der einzelnen Beiträge finden Sie kurze
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Kommentare der anderen Autorinnen und Autoren, die das Thema des jeweiligen Beitrags aus ihrer fachlichen Sicht einordnen und so eine zweite Perspektive eröffnen. Damit wollen wir zeigen, dass Theologie immer nur im und als Gespräch möglich ist. Die Beiträge sind nicht „in Stein gehauen“, sie fordern Antworten und Nachfragen – gerne auch von Ihnen!
Intermezzo I: Sich dem Text nähern Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Amen.
In der Bibelarbeit gibt es die Västerås-Methode. Sie dient dazu, einen ersten Kontakt zu einem Bibeltext herzustellen. Man kann sie auch auf das Credo anwenden. Für diese Methode arbeitet man mit drei einfachen Zeichen: Dem Ausrufezeichen, dem Fragezeichen und dem Blitz. Bevor Sie anfangen, dieses Buch durchzuarbeiten, schauen Sie von Ihrem jetzigen Stand auf den Text des Credo. Markieren Sie ihn an den Stellen, die Ihnen wichtig sind: Das Ausrufezeichen setzen Sie dorthin, wo Sie sagen: „Diese Aussage bedeutet mir etwas. Das halte ich für wichtig“. Das Fragezeichen markiert „Das verstehe ich (noch) nicht. Da benötige ich Erläuterungen“. Und den Blitz setzen an jene Stellen, wo Sie sagen „Damit bin ich nicht einverstanden. Hier gibt es erheblichen Diskussionsbedarf“. Die Västerås-Methode ist noch keine wissenschaftliche Methode im engeren Sinn. Dennoch stehen wissenschaftliche Überlegungen im Hintergrund. Diese Methode des ersten Textzugangs basiert auf der Erkenntnis ist: Niemand startet bei null. Der Text des Credo ist nicht nur in einen Wissenschaftsraum hinein verknüpft (als Reaktion
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Intermezzo I
auf biblische Texte, als Produkt eines kirchengeschichtlichen Prozesses, als systematisierende Zusammenfassung des Glaubens), sondern auch in die Welt eines jeden Menschen, der ihn liest. Er wird erst in den jeweiligen Leseprozessen lebendig – und jeder Mensch liest ihn auf eine individuelle Weise, mit seiner eigenen Vorgeschichte und der „Welt“, die er mitbringt. Einerseits bedeutet ein Text eine (sprachliche) Vorgabe, andererseits stellt er eine Freigabe dar. „Bedeutungen“ entstehen in den konkreten Kommunikationssituationen, im beständigen Hin und Her zwischen diesen beiden Polen. Diesen Ansatz nennt man Rezeptionsästhetik: Jeder Rezipient eines Textes trägt durch seine Lektüre dazu bei, Sinn zu produzieren. „Vielleicht kommen Sie sich, wenn Sie mit der Theologie gerade anfangen, unwissend und noch unsicher vor? Dieser Eindruck trügt jedoch. Schauen Sie den Text des Credo an, bei aller Fachsprache, die sich in ihm findet, ist er auch dazu verfasst, bereits spontane Verlinkungen in die Welt seiner Leserinnen und Leser zu ermöglichen. Theologisches Spezialvokabular und „Alltagsvokabular“ kommen beide in ihm vor und sind in vielen Fällen gar nicht scharf voneinander zu trennen. Die Västerås-Methode enthält auch eine Botschaft an alle, die sich mit Texten beschäftigen. Sie ermutigt, nicht allein vorgefertigte Wahrheiten anzunehmen. Vielmehr regt sie an: Beziehen Sie sich selbst in die Lektüre ein, gehen Sie Beziehungen mit dem Text ein: Wo haben Sie bereits Zugänge zu den Aussagen in ihm, wo haben Sie Fragen und Anfragen? Gerade Rückfragen und andere Perspektiven sind für die Wissenschaft höchst produktiv. Und wer gut studiert, wird bemerken, dass manche Fragen beantwortet werden, dafür aber neue Fragen und Fraglichkeiten auftauchen.“ Seien Sie also ermutigt, als individueller Mensch mit einem ganz eigenen Horizont an die Aufgabe zu gehen, den Text des Credo zu befragen, ihn zu bearbeiten, ihn zu verstehen und neue Sinnzusammenhänge aus ihm zu gewinnen. EB
„Ich glaube“. Aus praktisch-theologischer Perspektive über die Bedeutung des individuellen Glaubens reflektieren Claudia Gärtner Über die Bedeutung des individuellen Glaubens reflektieren
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Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie begründete Vernetzungen zwischen dem Text des Credo und seiner möglichen lebensweltlichen Bedeutsamkeit entwerfen … können Sie das Verhältnis der theologischen Fachtermini „fides qua“ und „fides quae“ skizzieren … können Sie die Aufgaben, Methoden und Ziele der Praktischen Theologie genauer benennen n
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1. Glauben – ein brandaktuelles Thema „Ich glaube, dieses Buch über das Credo ist ganz interessant“, so könnte ein Gespräch über die vorliegende Publikation beginnen. Die Sprecherin äußert eine Vermutung, vielleicht weil sie dem Lesetipp eines Freundes vertraut. Nachweisbare Belege für ihre Vermutung besitzt sie scheinbar nicht. „Glauben“ wird oftmals in dieser Bedeutung verwendet. Das Wort drückt dann eine Vermutung, eine persönliche Meinung aus und wird zumeist als Gegensatz zum Wissen verwendet. „Glauben heißt nicht Wissen“, so lautet die pointierte Kurzformel dieses Begriffsverständnisses. Das Credo, das Glaubensbekenntnis, geht jedoch von einem anderen Glaubensbegriff aus. Der lateinische Infinitiv zu credo, credere, umfasst cor dare „das Herz geben, schenken“. Und auch das mittelhochdeutsche gelouben bzw. das althochdeutsche gilouben lässt sich als „für lieb halten; gutheißen“ übersetzen. Hier wird bereits etymologisch deutlich, dass Glauben eine intersubjektive, personale Dimension besitzt. „Ich glaube an dich, ich glaube dir“, diese Bedeutung schwingt im Credo stets mit – und wer dieses personale Gegenüber
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im Glaubensbekenntnis ist, wird im vorliegenden Buch noch ausführlich zu ergründen sein. Ein solches Verständnis von Glauben drückt – neben der personalen Grundgestalt – eine Überzeugung, eine persönliche Positionierung aus. Der Hebräerbrief formuliert in dieser Hinsicht nahezu eine Kurzdefinition von Glauben: „Glaube aber ist: Feststehen, in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1). Diese Kurzdefinition ist die einzige biblische Definition von Glauben – Glauben lässt sich im christlichen Verständnis scheinbar nicht gut definieren. Er ist vielmehr eine Haltung, eine Überzeugung, ein Bekenntnis. Augustinus differenziert zwischen fides qua creditur und fides quae creditur, eine Unterscheidung, die in der Theologiegeschichte breit rezipiert wurde und für das Verständnis des christlichen Glaubensbekenntnisses auch heute noch weiterführend ist. Fides qua bezieht sich auf den Glaubensakt selbst, bedeutet Glaube, mit dem man glaubt. Fides quae hingegen umfasst den Glaubensinhalt, die tradierte Glaubenswahrheit, meint den Glauben, der geglaubt wird. Allerdings bilden im christlichen Verständnis erst fides qua und fides quae zusammen Glauben im umfassenden Sinn. Ähnlich ist es in den anderen monotheistischen Religionen. Das Zusammenspiel von fides qua und fides quae Das glaubende Vertrauen geht mit einem Glauben an die Existenz eines Gottes einher, der in Glaubensinhalten satzhaft ausgestaltet ist. Glaubensinhalte ohne Glaubensakt sind hohl, ein purer Glaubensakt ohne inhaltliche Ausgestaltung und Rückbindung droht hingegen konturlos und für die Lebenspraxis irrelevant zu werden.
Diese Überlegungen mögen als binnentheologische Gedankenspiele erscheinen, da Glauben in einer auf Fakten und Beweise ausgerichteten „Wissensgesellschaft“ relativ bedeutungslos erscheint. Doch die Gegenüberstellung von Glauben und Wissen ist in den letzten Jahren ebenso hinterfragt worden, wie die gesellschaftliche Ausrichtung an Wissen, wie an zwei ganz unterschiedlichen Entwicklungen verdeutlicht werden soll. Die erste Entwicklung lässt sich anhand der Debatten um das schlechte schulische Abschneiden bei den PISA-Studien ausmachen. Als Folge hieraus werden Bildungsstandards definiert, die schulisches Lernen und Wissen vereinheitlichen sollen. Der Er-
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ziehungswissenschaftler Jürgen Baumert formuliert in diesem Kontext unterschiedliche Modi der Weltbegegnung, die für Allgemeinbildung unerlässlich seien und die in je besonderer Weise im menschlichen Handeln zur Geltung kämen. Dazu zählt er die kognitiv-instrumentelle, ästhetische-expressive, evaluative-normative und die konstitutive Rationalität, worunter er Religion und Philosophie fasst. „Die unterschiedlichen Rationalitätsformen eröffnen jeweils eigene Horizonte des Weltverstehens, die für Bildung grundlegend und nicht wechselseitig austauschbar sind.“ (Baumert 2002, 107) Glaube als spezifischer Weltzugang von Religion ist für ihn somit ein eigenes Weltdeutungssystem, das nicht gegen andere Zugänge ausgespielt werden kann. Welt und ihre Deutung lassen sich – Baumert zufolge – nicht ausschließlich wissensbasiert, kognitiv-instrumentell umfassend begreifen. Das Nachdenken über Religion und Glaube ist somit unersetzbarer Bestandteil der Allgemeinbildung und konstitutiv im Schulwesen zu verankern. Eine zweite Entwicklung stimmt weniger hoffnungsvoll. 2016 wurde „postfaktisch“ zum Wort des Jahres gewählt. Nicht mehr der Bezug auf Fakten und Wissen, sondern Meinungen, Behauptungen, Gefühle werden in vielen gesellschaftlich relevanten Bereichen zur Triebfeder menschlichen Handelns. Die Präsidentschaftswahl in den USA war ein beängstigendes Beispiel, wie Donald Trump das Vertrauen der Wähler*innen gewonnen hat. Diese glauben ihm mehr, als all den Fakten und Beweisen, die seinen Worten und Plänen widersprechen. Der pure Glaube (fides qua) – so die These – machte die Anhänger*innen blind für die menschen- und weltverachtende Programmatik. Über ein angemessenes Verständnis von Glauben, von fides qua und fides quae, nachzudenken, ist somit hochaktuell.
2. Credo – ein lebenspraktisches Bekenntnis Das christliche Glaubensverständnis, wie es im Credo seinen Ausdruck findet, ist ein Bekenntnis, ein Zeugnis des Vertrauens und Glaubens an den trinitarischen Gott. Entsprechend dreigeteilt ist der Aufbau des Credo: Der Glaube an Gott, an Jesus Christus und den Heiligen Geist, so lautet die Gliederung und zugleich inhaltliche Kurzformel des Glaubensbekenntnisses. Doch das Credo beginnt nicht mit dem Wort „glauben“, nicht credere, sondern credo steht dort: Ich glaube. Es handelt sich um ein persönliches Bekenntnis, das
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nur jede und jeder selbst formulieren kann. Hierdurch wird das eigene Selbst- und Weltverständnis zum Ausdruck gebracht: Ich setze mich in Relation zu einem göttlichen Gegenüber, ich verstehe mein Leben im Lichte des Glaubens. In der frühen Kirche war daher der zentrale Sitz im Leben des Credo das Taufbekenntnis. Bei der Erwachsenentaufe drückte der Täufling seinen Glauben an den dreifaltigen Gott aus, was zugleich ein Bekenntnis zu und für sein neues christliches Leben darstellte. Das Credo ist damit auch Zeugnis des gelebten Glaubens „gläubige Lebenspraxis als lobpreisende Antwort auf die Großtaten Gottes“ (Schneider ²2017, 58). Die satzhaften Glaubensinhalte werden so lebensverändernd. Mit den Worten Jürgen Baumerts gesprochen werden Glaubensakt und Glaubensinhalte zum Modus der Weltbegegnung. Mit dem Credo wird der christliche Weltzugang zur zentralen Weltdeutungsperspektive. Der christliche Glaube ist dann „die auf die Person Jesus Christus sich beziehende und sich gründende bejahende Stellung-Nahme zum Dasein in der Welt, die sich als Hoffnung nach dem Sinn des Ganzen ausstreckt“ (Schneider ²2017, 26). Die Bedeutung des Credo Das Credo ist somit mehr als Glaubensinhalte, als zu bejahendes Programm des Christentums. Vielmehr ist es ein inhaltliches Bekenntnis, das im je individuellen Leben praktisch wird, das Konsequenzen für die Lebensgestaltung besitzt.
3. Ich – individualisierter Glaube Die deutsche Übersetzung des Credo beginnt mit Ich. Zeitgemäßer könnte ein Text heute kaum beginnen. Von Ich-AG bis Selfie-Kultur, von Narzissmus bis Selbstvermarktung, das Kreisen um das eigene Ich könnte man mit guten Gründen als eine Signatur der Gegenwart bezeichnen. Das Glaubensbekenntnis mit „Ich“ zu beginnen unterstreicht, dass es dem Credo um einen zutiefst individuellen Akt geht – und nicht um katechetische Belehrung, das Kennenlernen oder die Übernahme von Glaubenssätzen. Gleichwohl besitzen die folgenden Glaubenssätze quantitativ ein deutliches Übergewicht, nicht von ungefähr gerät das Ich schnell aus dem Blickwinkel. Und diese Kombination von „Ich glaube“ und den folgenden Glaubenssätzen,
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Abb. 1: Wichtigkeit des Glaubens an Gott bei Jugendlichen 12-25 Jahre, Shell Jugendstudie 2002-15 kulminiert.
von fides qua und fides quae ist spannungsreich und droht heute zu zerbrechen, wie ein bereits flüchtiger Blick auf entsprechende empirische Erhebungen von Glaube und Religiosität heute verdeutlicht. Nahezu alle empirischen Studien zu Religion und Religiosität belegen, dass der Glaube als solcher weniger stark in der Krise ist, als der Glaube an spezifisch christliche Lehrinhalte. So erhebt die Shell Jugendstudie die Wichtigkeit des Glaubens für Jugendliche. Die Abb. 1 zeigt, dass es zwar bei evangelischen und katholischen Schüler*innen durchaus einen nicht geringen Anteil gibt, für die der Glaube unwichtig ist, aber dennoch über die Hälfte misst dem Glauben dennoch Bedeutung zu. Relativierend kommt bei der Shell-Studie hinzu, dass diese von einem sehr engen Religions- und Glaubensbegriff ausgeht und in einigen Fragen mit institutionalisierter Religiosität gleichsetzt (Kirchgang etc.). Zugleich sind bedeutende Unterschiede zwischen den sog. alten und neuen Bundesländern zu konstatieren. Fragt die Studie allgemein nach der Beziehung zu einem Gott, sehen die Antworten wie in der zweiten Abbildung aus. Auffällig ist, dass der Anteil der Jugendlichen, die einen Glauben an Gott bzw. göttliches Prinzip dezidiert ablehnen, eher gering ist. Selbst bei den Konfessionslosen (ca. 30% in Deutschland) sprechen sich nur 60% gegen einen Gottesgedanken aus. Hervorzuheben ist
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Abb. 2: Verhältnis zu Gott nach Konfessionen bei Jugendlichen 12-25 Jahre, Shell Jugendstudie 2002-15 kulminiert.
jedoch auch, dass bei den katholischen und evangelischen Heranwachsenden ein personalisiertes Gottesbild, so wie es im Credo formuliert ist, eher schwach ausgeprägt ist. Noch eklatanter werden diese Zahlen, wenn dem Glauben an Jesus Christus oder der Kirche, also nach den zweiten und dritten großen Themen des Credo gefragt wird. Zu diesen Themengebieten gibt es deutlich weniger Untersuchungen. In einer Untersuchung von Gymnasiast*innen können Ziebertz/Riegel feststellen, dass sowohl der Glaube an einen Gott der Bibel als auch an Jesus Christus nur noch selten starke Zustimmung erfährt, wie die dritte Grafik veranschaulicht. Erkenntnisse aus den Studien Salopp zusammengefasst: Die ersten zwei Worte des Credo „Ich glaube“ sind nicht das Problem, sondern die anschließend formulierten Glaubensinhalte in ihrer trinitarischen Struktur. An die Stelle eines Glaubens an einen trinitarischen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat, treten individuelle Glaubensbekenntnisse, die jedoch unspezifisch sind und teilweise auch mit religiöser Unsicherheit einhergehen.
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Abb. 3: Gottes- und Weltbilder von Jugendlichen nach Ziebertz/Riegel 2008, 207-210 (eigene Abb.).
4. Ich glaube – praktisch-theologische Perspektiven Was bedeutet diese empirische Bestandsaufnahme für das Verständnis des Credo? Hierauf sollen im Folgenden Antwortperspektiven aus einer dezidiert praktisch-theologischen Perspektive angeboten werden. Sehr elementarisiert formuliert versteht Praktische Theologie ihre Arbeit als einen kritischen Dialog zwischen christlicher Botschaft und gegenwärtiger Situation. Diese kritische Auseinandersetzung gründet in der Erkenntnis, dass zwischen Reich Gottes Botschaft, wie sie in Kirche und Gesellschaft gelebt sein sollte, und dem faktischen Glaubensvollzug stets eine Lücke, teils sogar Widersprüche bestehen. Es ist somit Aufgabe von Praktischer Theologie, die gegenwärtige Situation wahrzunehmen und zu analysieren, um hieraus kontextsensibel neue Handlungsoptionen zu entwickeln, um kirchliches und christliches Leben neu zu gestalten. Karl Rahner hat als bedeutender Systematischer Theologe diese Ausrichtung von Praktischer Theologie wie folgt umschrieben: „Praktische Theologie ist jene theologische Disziplin, die sich mit dem tatsächlichen und dem seinsollenden, je hier und jetzt sich ereignenden Selbstvollzug der
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Kirche beschäftigt unter der theologischen Erhellung der jeweils gegebenen Situation, in der die Kirche sich selbst vollziehen muß.“ (Rahner 1995, 515) Ein solches Verständnis von Praktischer Theologie gründet auch in der Neuausrichtung von Kirche und Theologie, wie sie im II. Vatikanum vorgenommen wurde. Die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes wurde hierbei für die Praktische Theologie zum zentralen Bezugspunkt. „Zur Erfüllung dieses ihres Auftrags obliegt der Kirche allzeit die Pflicht, nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten. So kann sie dann in einer jeweils einer Generation angemessenen Weise auf die bleibenden Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach dem Verhältnis beider zueinander Antwort geben.“ (GS 4) Praktische Theologie hat sich eben dieser Aufgabe verschrieben. Eine praktisch-theologische Reflexion des Credo konstatiert in dieser Perspektive, dass die Glaubensinhalte weitgehend nicht mehr geteilt werden, dass das individuelle Glaubensbekenntnis in Spannung zum gemeinsamen Bekenntnis der Glaubensgemeinschaft steht. Praktische Theologie fragt nun danach, wie mit dieser Spannung umzugehen ist, wie neue, veränderte Handlungsoptionen entwickelt werden können. Die christliche Tradition hat recht ausgeprägte Handlungsweisen, diese Spannungen einseitig aufzulösen. Über Jahrtausende hinweg wurde die Abweichung von christlichen Glaubensinhalten als Häresie, Irrlehre, bezeichnet. Die Gläubigen wurden entsprechend aus der Kirche ausgeschlossen – mit drastischen Aussichten für ihr Seelenheil: extra ecclesiam nulla salus – außerhalb der Kirche gibt es kein Heil, so wurde Häretikern, wozu auch Protestanten zählten, verkündet. Abkehr von den kirchlich festgelegten Glaubensinhalten kam somit einer ewigen Verdammnis gleich. Dieser Umgang spiegelte sich auch in dem Verhältnis der einzelnen theologischen Fächer untereinander wider. Die Praktische Theologie hatte das umzusetzen bzw. zu vermitteln, was aus der Systematischen Theologie, der Kirchengeschichte oder der Exegese als wahr und richtig erkannt wurde. Es wäre in diesem Sinne Aufgabe der Praktischen Theologie, Kindern und Jugendliche das Credo wieder richtig zu vermitteln, geforscht und gelernt werden müssten somit Methoden und Verfahren, wie dies am besten geht. Mit dem II. Vatikanum setzte diesbezüglich jedoch ein Umdenken ein. Wenn es Aufgabe von Kirche und Theologie ist, die Zeichen der Zeit zu deuten, dann kommt hierbei der Praktischen Theologie eine besondere Bedeutung zu. Sie sitzt nicht länger als Anwendungswis-
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senschaft am Ende eines theologischen Reflexionsprozesses, sondern praktisch-theologische Erkenntnisse sollen im gleichen Maße in den Reflexionsprozess der anderen theologischen Fächer einfließen. Dass dieses Buch über das Credo mit einem praktisch-theologischen Artikel beginnt und nicht vielmehr endet, ist daher kein Zufall, sondern eine Konsequenz dieser Wende! Diese praktisch-theologische Wende in der Theologie hat zentrale theologische Gründe, die auch zurück an den Anfang des Credo führen: „Ich glaube“! Denn der christliche Glaube wird durch den – letztlich individuellen – Glauben bezeugt und tradiert. Wenn Menschen nicht mehr „ich glaube“ sprechen, dann sind Bibel und christliche Traditionen nur noch Zeugnisse einer untergegangenen Religion. Entsprechend deutlich unterstreicht auch das II. Vatikanum die Bedeutung des Glaubens. In der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium heißt es: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Jo 2,20 u. 27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Überzeugung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und ernährt wird, hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes […] den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest.“ (LG 12) Das Konzil skizziert hier den Gedanken des sog. sensus fidelium, wonach der Glaubenssinn sich nicht allein in der Tradition oder der Bibel erschöpft, sondern sich auch in der Glaubensgemeinschaft durch das Wirken des Hl. Geistes selbst zeigt. Der sensus fidelium ist somit eigenständige Erkenntnis- und Bezeugungsinstanz des Christentums. Damit kann es durchaus zu Spannungen kommen zwischen dem, was die Gläubigen glauben, und dem, was in Kirche und Lehramt tradiert wird. Wie letztlich diese Spannungen aufzulösen sind und wie das Verhältnis von Lehramt und sensus fidelium genauer zu bestimmen ist, ist theologisch abschließend noch nicht geklärt. Einseitige Auflösungen – allein das Lehramt oder allein die einzelnen Gläubigen entscheiden – sind hierbei jedoch wenig überzeugend. Für die Überlegungen zum Credo bedeutet dies, die Spannungen zwischen den gegenwärtigen höchst heterogenen Glaubensbekenntnissen der Menschen und den Glaubensinhalten des Credo nicht vorschnell zu nivellieren oder defizitär zu konnotieren. Vielmehr ist zu
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fragen, inwiefern sich hierin auch ein sensus fidelium artikuliert. Praktische Theologie nimmt daher diese heterogenen Glaubensäußerungen ernst und fragt nach einer theologisch angemessenen Reflexion, um hieraus Handlungsoptionen auszuloten. Eine erste praktisch-theologische Reaktion hierauf kann darin bestehen, diese Glaubensvielfalt, die mit einem weitgehenden christlichen Traditionsabbruch einhergeht, der Systematischen Theologie sowie der Exegese anzuzeigen. Es muss – aus praktisch-theologischer Perspektive – einer Systematischen Theologie, die das Wirken des Heiligen Geistes und den sensus fidelium ernst nimmt, doch zu denken geben, wenn die Glaubensinhalte des Credo nicht mehr geglaubt werden! Reicht es, hier allein nach einer besseren Vermittlung und Erklärung zu verlangen oder müssen nicht auch zentrale Glaubensinhalte überdacht werden? Findet die Bibelwissenschaft in der kanonischen Vielfalt biblische Ansatzpunkte, diese Glaubensheterogenität neu zu deuten? Bietet die biblische Botschaft vielleicht vielfältigere Glaubensbekenntnisse als die doch recht formalistisch festgelegten Aussagen des Credo? Eine zweite praktisch-theologische Konsequenz ist den Glauben heutiger Menschen – auch interdisziplinär mit nicht-theologischen Disziplinen – näher zu ergründen und mögliche Gründe und Kontexte hierfür zu erkunden. So kann z. B. eine vertiefte interdisziplinäre Analyse der Shell-Jugendstudien zeigen, dass diese mit einem recht engen Religionsbegriff operiert (Thonak 2003) und die Religiosität der Jugendlichen damit nur bedingt erfasst. Die aufgezeigte Diskrepanz zwischen dem Credo und den individuellen Glaubensbekenntnissen ist in einem vertieften interdisziplinären Horizont ggf. nochmals anders zu bewerten. Wenn die Praktische Theologie somit ganz im Sinne von Gaudium et Spes versucht, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu deuten, dann folgt hieraus jedoch nicht, dass sie sich diesen Zeichen bedingungslos anpasst, was in Bezug auf das Credo z. B. bedeuten könnte, nur noch die Passagen in Katechese und Schule zu vermitteln, die auf größtmögliche Akzeptanz stoßen. Nicht Anpassung an den Zeitgeist, sondern kritisch-konstruktive Auseinandersetzung hiermit ist drittens zum Leitgedanken der Praktischen Theologie geworden. Theologisch ist bereits in der Auseinandersetzung mit dem sensus fidelium deutlich geworden, dass nicht der individuelle Glaube allein zum Maßstab christlicher Glaubenswahrheiten werden kann, sondern dies stets in der Glaubensgemeinschaft und in Rückbindung an Tradition und Lehramt geschieht. In diesem Horizont erhält auch das Credo seine
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ganz spezifische Bedeutung, nämlich als eine tradierte „Kurzformel“ der Glaubensgemeinschaft, mit der sich der individuelle Glaube kritisch auseinanderzusetzen hat, wenn er sich als christlicher versteht. Spezieller noch besitzt das Credo in diesem Sinne auch dezidiert Potenzial für religiöse Bildungsprozesse (vgl. zweiten Beitrag Gärtner in diesem Band). Denn nicht nur theologisch, sondern auch für Lernen ist es notwendig, die eigenen Erfahrungen und Einstellungen zu perturbieren, mit Neuem und Fremden zu konfrontieren. Hierdurch kann das Neue entweder in die Vorerfahrungen und bestehenden Konstrukte angepasst (assimiliert) oder die individuellen Konstrukte durch das Gelernte verändert (akkomodiert) werden. In Hinblick auf religiöse Lern- und Bildungsprozesse spricht Rudolf Englert von notwendiger Indukation und Edukation (Englert 2008, 164f). Dies bedeutet, dass religiöse Bildung zum einen durch die Einführung (inducere) in eine Religion geschieht – z. B. durch das Vertrautmachen mit dem Credo. Gleichzeitig ist es für einen religiös gebildeten Menschen unerlässlich, diese Einführung, die wahrgenommenen und ggf. übernommenen religiösen Traditionen und Glaubensinhalte kritisch zu reflektieren. Er muss ein Stück aus dieser Glaubensgemeinschaft herauszutreten (educere), um aus dieser (partiellen) Distanz das Christentum oder z. B. das Credo kritisch reflektieren zu können. Diese Edukation führt jedoch nicht zwangsläufig zur Kritik, zur Distanz, sondern ggf. auch zur lebendigen Transformation oder der reflektierten Affirmation des Christentums. Der Umgang mit dem Credo und der Lektüre dieses Buches In diesem Sinne zielt dieses Buch auf die Indukation in das Credo und der Edukation aus dem Credo, dient ebenso dem Kennenlernen von und Vertrautwerden mit dem Credo wie dessen kritischer Reflexion. Lernen mit dieser Lektüre bedeutet daher auch, sich beim Lesen selbst stets kritisch Rechenschaft zu geben, was man selbst von dem Gelesenen für wahr hält, wo man zustimmen kann oder auf Distanz geht. Aus praktisch-theologischer bzw. religionsdidaktischer Sicht ist damit der Wunsch verbunden, sich in diesen Leseerfahrungen immer wieder selbst zu hinterfragen, sich von den Kapiteln und vom Credo anfragen, produktiv stören zu lassen und somit das Credo nicht nur als Studieninhalt, sondern auch als christlichen Glaubensinhalt zu reflektieren.
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Literatur Englert, Rudolf: Religionspädagogische Grundfragen. Anstöße zur Urteilsbildung, Stuttgart: Kohlhammer 2008 Schneider, Theodor: Was wir glauben. Das Apostolische Glaubensbekenntnis verstehen, 2. Aufl., Ziebertz, Hans-Georg, Riegel, Ulrich: Letzte Sicherheiten. Eine empirische Untersuchung zu Weltbildern Jugendlicher, Gütersloh, Freiburg: Gütersloher Verlagshaus, Herder 2008
Theologischer Dialog Gregor Taxacher antwortet auf Claudia Gärtner
Die systematische Theologie (insbesondere die Dogmatik!) tut sich immer noch schwer damit, wenn ihr von der Praktischen Theologie solche „Zeichen der Zeit“ unter die Nase gerieben werden: Junge Menschen hierzulande können kaum noch etwas mit dem konkreten Gott des Credo anfangen. Wie soll man darauf reagieren außer mit kulturpessimistischen Klagen? Ich meine, wir haben zum einen zu wenig geschichtliches Bewusstsein: War der sensus fidelium gemessen an einer angeblich zeitlosen theologischen Richtigkeit nicht immer sehr defizitär oder auf Abwegen unterwegs (z.B. in der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit)? Wir müssen theologisch ernsthafter reflektieren, welche echte Glaubenserkenntnis die ganz untheologischen, vielleicht sogar unreligiösen Fragen und Sehnsüchte der Zeitgenossen enthalten, auch als Fragen an die Theologie. Was sagt es uns etwa, dass viele Jugendliche sich durchaus als gläubig bezeichnen, aber mit einem „personalen“ Gottesbild nichts anzufangen wissen? Natürlich würde ich gern einen Religionsunterricht stärken, der hier didaktisch aufklärt und argumentieren lehrt. Haben wir vielleicht ein allzu vordergründiges Bild von dem, was „Person“ meint? Und können wir überhaupt an eine a-personale, eine Neutrum-Transzendenz glauben, zu ihr beten? Aber umgekehrt wird ein Schuh daraus für die theologische Tradition: Hat sie nicht über Jahrhunderte den angeblich personalen Gott
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selbst metaphysisch zerdacht – als letztes absolutes Sein, unveränderlich, nicht leidensfähig, ewig, allmächtig … Insbesondere seit der Kritik der Aufklärung am unvernünftigen Glauben hat die Theologie verlernt, zeitgemäße Kategorien für das Sprechen vom lebendigen Gott der Bibel auszubilden. Ihr Gott erschien auch der Theologie nur noch anthropomorph – und der Gott der Theologen unter dem Druck der Religionskritik immer steriler. Es gälte also, heutige nachreligiöse Sprache von Gott nicht gleich als defizitär wahrzunehmen, sondern darin nach den Spuren und Analogien der Lebendigkeit und Immanenz Gottes zu suchen, auf die sich Theologie kritisch beziehen könnte.
„Gott der Vater, Gott der Schöpfer.“ Aus exegetischer Perspektive biblische Metaphern im Credo entdecken Egbert Ballhorn
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Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie verschiedene biblische Gottesbilder unterscheiden und auf ihren Bedeutungsreichtum hin untersuchen … können Sie die Funktion von Metaphern erklären … können Sie metaphorische Rede über Gott in der Bibel identifizieren und ihre Bedeutung erschließen n
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Wie führt der Weg vom Text des Credo zur Bibel? Einerseits ist die Bibel „selbstverständliche“ Grundlage des christlichen Glaubens, anderseits ist das Credo nicht einfach ein Abbild der Bibel oder ihre Zusammenfassung. Schon allein weil der Credotext so kurz ist: Er muss eine Auswahl treffen. Daher lohnt es zu untersuchen: Auf welche Weise wird die Bibel im Credo wahrgenommen und „kondensiert“? Welche Folgerungen ergeben sich daraus für das Theologietreiben? Nicht nur der Text des Credo selbst stellt eine Verdichtung des gelebten und ins ausdrückliche Bekenntnis gefassten Glaubens der Alten Kirche dar, die für die heutige christliche Kirche immer noch Verbindlichkeit und Gültigkeit hat; – auch jeder Mensch tut das für sich auf die ein oder andere Weise: Er sucht Formeln und Formulierungen, die das in Sprache fassen und ausdrücken, was ihm an seinen eigenen Erfahrungen und an seinem Glauben wichtig ist. Bevor wir das Credo untersuchen, lade ich Sie ein, zuerst selbst einmal über ihre Gottesvorstellung nachzudenken:
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Metaphern im Credo entdecken
Schreiben Sie bitte getrennt voneinander in zwei Spalten: ➝ Welche Adjektive (und damit Eigenschaften) ordne ich dem Gott des Alten Testaments zu? ➝ Welche Adjektive (und damit Eigenschaften) ordne ich dem Gott des Neuen Testaments zu?
Wenn Sie die beiden Spalten miteinander vergleichen, werden vermutlich beide Auflistungen sich voneinander unterscheiden. Als Beispiel seien hier Adjektive aufgeführt, die in einer Vorlesung von Studierenden zusammengestellt wurden: Der Gott des Alten Testaments: konsequent, strafend, richtend, distanziert, allwissend, gerecht, allmächtig, führend. Der Gott des Neuen Testaments: väterlich, barmherzig, gnädig, liebend, hilfsbereit, aufopfernd, menschlich, selbstlos. Diese, gewissermaßen aus der „Empirie“ stammenden Gottesbilder sind nicht nur aus religionspädagogischer Sicht von Bedeutung, sondern auch für Exegetinnen und Exegeten. Wissenschaftliche Erarbeitung biblischer Texte Die wissenschaftliche Erarbeitung biblischer Texte hat es nicht mit den Texten allein zu tun, sondern auch mit ihren Kontexten: den antiken der altorientalischen Entstehungswelt der Bibel ebenso wie mit aktuellen Horizont, innerhalb dessen die Texte gelesen werden.
Damit ist das Koordinatensystem für diese Untersuchung angegeben: Es soll nicht allein darum gehen, wie (und wie angemessen) das Credo den biblischen Prä-Text aufnimmt, sondern um das gesamte „Dreiecksverhältnis“ von Bibeltext, Rezeption durch das Credo und den heutigen Fragehorizont.
1. Wie gehen wir mit biblischen Texten um – bewusst und auch unbewusst? Die Eingangsübung hat deutlich gezeigt, dass es Vor-Bilder gibt, Erwartungshaltungen und Gottesbilder, von denen her auch biblische Texte gelesen werden. Niemand liest Texte so, „wie sie da stehen“,
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sondern immer aus dem Horizont seiner eigenen Vorprägung, seiner Lebensgeschichte und seiner Erwartungshaltung. Man könnte denken, dass es Aufgabe der Wissenschaft sei, diesen Faktor auszuschalten und rein „objektiv“ Sachverhalte zu analysieren und darzustellen. Das ist jedoch nicht möglich, denn auch Wissenschaft hat immer ein Inter-esse, also auch einen eigenen Standpunkt im Geschehen. Hier treffen sich wissenschaftstheoretische Erkenntnisse älterer und jüngerer Zeit. Schon in der Theologie des Hochmittelalters, der sogenannten Scholastik, galt der Grundsatz: „quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur“. „Was wahrgenommen wird, wird immer im Modus des Rezipienten wahrgenommen“. Hierin steckt schon ein Wort, das im 20. Jahrhundert in der Wissenschaftstheorie unter dem Stichwort „Rezeptionsästhetik“ Karriere machen sollte. Texte „wollen“ etwas. Erst im Zusammenspiel mit ihren Leserinnen und Lesern können sie etwas bewirken. Erst dann, im Leseprozess, sind sie „komplett“. Texte tragen nicht einfach einen abgeschlossenen, fertigen Sinn in sich; sondern dieser entwickelt sich in den jeweiligen Leseprozessen, in der Auseinandersetzung. Texte haben nicht ewig festgelegt eine statische Bedeutung, sondern setzen in fortgesetzten Leseprozessen „Bedeutung“ frei. Das ist kein Freifahrtschein für Beliebigkeit, wie man so häufig sagt: „In einen Text kann man hineininterpretieren, was man will“ – ein Ausruf von Schülern nach unglücklichen Erfahrungen im Deutschunterricht. Nein, so verhält es sich nicht. Durch ihre objektive und beschreibbare Sprachstruktur machen Texte Vorgaben, die nicht beliebig sind und an denen sich Interpretationen abarbeiten müssen. Zugleich eröffnet sich dabei jedoch ein „Spielraum von Aktualisierungsmöglichkeiten“ (Wolfgang Iser). In Texten steckt immer mehr als das, was ihre Autoren ganz bewusst in sie hineingelegt haben! Manchmal braucht es Jahrzehnte und Jahrhunderte, um all das zu entdecken, was an Sinnpotential in einem Text immer schon enthalten gewesen ist. Neue Leserinnen und Leser und neue Fragestellungen machen alte Texte auch auf neue Art fruchtbar. Das gilt ganz allgemein in der Literaturwissenschaft, aber es kann auch in der Theologie speziell auf den Umgang mit Bibeltexten und Texten der Glaubenstradition angewandt werden. Der rezeptionsästhetische Ansatz inspiriert mich als Wissenschaftler, denn er bedeutet ja auch, dass ich nicht einfach etwas erforsche „was immer so war“, und das ich nur zu Tage fördern muss. Vielmehr bin ich selbst aktiv an der Sinnkonstitution meines Forschungsgegenstandes beteiligt. Interpretation wird so zu einem Aben-
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teuer. Es gilt nicht, den einen, ewig richtigen Weg in der Textauslegung zu finden, sondern es gibt eine Fülle von Wegen. Die Arbeit und der Umgang mit Texten Der rezeptionsästhetische Ansatz hat im Kontext wissenschaftlicher Theologie eine doppelte Folge: Zum einen muss jeder Wissenschaftler sich selbst Rechenschaft geben: Was will ich von diesem Text? Vor welchem Hintergrund befrage ich ihn? Mit welchen Vorerfahrungen und Sensibilisierungen gehe ich an ihn heran? Und zum anderen bedeutet das in einer Reflexion auf eine bibeldidaktische und religionspädagogische Perspektive: Ich achte auch auf diejenigen, die diesen Text lesen – z.B. Schülerinnen und Schüler. Was bringen sie mit? Von wo geht ihre Lektüre aus? Was bemerken sie, was ich selbst womöglich übersehen habe?
2. Biblische Gottesbilder Im konkreten Fall des biblischen Gottesbildes zeigt sich beispielsweise, dass es für jeden Teil der Bibel ein eigenes Gottesbild zu geben scheint: Im Alten Testament wird Gott als streng, richtend und strafend bezeichnet, im Neuen Testament als menschlich, gütig und liebevoll. Interessant ist es, über die Herkunft solcher Bilder nachzudenken. Sie werden in ihrer Unterschiedlichkeit erst bewusst, wenn man sie gegeneinander stellt. Und höchstwahrscheinlich kommen sie weniger aus einer eigenständigen Lektüre biblischer Texte und einer Erarbeitung der darin enthaltenen Handlungsweisen Gottes, als vielmehr aus verschiedenen Vermittlungsbereichen. Sie speisen sich aus Kinderbibeln, aus Gotteserzählungen, die man in Katechese und Religionsunterricht gehört hat, vielleicht auch aus Predigten. Daran ist bemerkenswert: Viele biblische Prägungen finden in der Kinderzeit statt und werden durch das Erwachsenenleben weiter getragen, häufig ohne dass es Gelegenheiten gibt, weiter an ihnen zu arbeiten. Und: Es sind „zubereitete Gottesbilder“, die durch Autoritätspersonen in besonderen Vermittlungssituationen zugleich mit bestimmten Botschaften dargeboten werden. Umso wichtiger ist es, einen ergänzenden Blick auf „originale“ biblische Texte zu werfen.
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Bitte schauen Sie die folgenden ausgewählten Verse an und untersuchen Sie sie darauf, in welchen Rollen Gott hier vorgestellt wird … der den Himmel gemacht hat in Weisheit – denn seine Huld währt ewig, der die Erde gefestigt hat über den Wassern – denn seine Huld währt ewig. (Ps 136,5f.) Der HERR zieht in den Kampf wie ein Held, er entfacht seine Leidenschaft wie ein Krieger. Er erhebt den Schlachtruf und schreit, er zeigt sich als Held gegenüber den Feinden. (Jes 42,13) Erkennt: Der HERR allein ist Gott. Er hat uns gemacht, wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide. (Ps 100,3) Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, ich rief meinen Sohn aus Ägypten. (Hos 11,1) Wie einen, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch. (Jes 66,13) Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: ich vergesse dich nicht. (Jes 49,15) Ich hatte sehr lange geschwiegen, ich war still und hielt mich zurück. Wie eine Gebärende will ich nun schreien, ich stöhne und ringe um Luft. (Jes 42,14) Sie laben sich am Reichtum deines Hauses; du tränkst sie mit dem Strom deiner Wonnen. (Ps 36,9) Du deckst mir den Tisch. (Ps 23,5) HERR, mein Gott, ich habe zu dir geschrien und du heiltest mich. (Ps 30,3) Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest du Zuflucht. (Ps 91,4) Einst werden die Söhne Israels so zahlreich sein wie der Sand am Meer, der nicht zu messen und nicht zu zählen ist. Und es wird geschehen: Dort, wo man zu ihnen sagt: Ihr seid nicht mein Volk, wird man zu ihnen sagen: Söhne des lebendigen Gottes seid ihr. (Hos 2,11)
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Schon in der Auswahl der wenigen Bibelstellen zeigt sich deutlich eine erhebliche Bandbreite von Gottesbildern und -funktionen. Gott begegnet als Held und als Krieger, aber ebenso als Hirte, als Beschützer, als Schöpfer, als Freund, als Arzt und sogar in mütterlicher und väterlicher Rolle. Anhand dieser Texte wird deutlich, dass die Bibel immer wieder in Bildern über Gott spricht, es ist ihre Eigenart der Gott-Rede. Warum tut sie das eigentlich? Weil über Gott nicht „direkt“ geredet werden kann. Man muss Bilder und Metaphern verwenden, weil gegenüber der Wirklichkeit Gottes jede beschreibende Sprache an ihre Grenzen kommt. Mit Hilfe von Bildersprache kann Ähnlichkeit und Unähnlichkeit zugleich ausgesagt werden. Die Bereiche, aus denen die Bilder genommen sind, kommen aus dem Alltagserleben: familiäre und soziale Erfahrungen. Menschliche Erfahrungen dienen als Modelle für die Rede von Gott. Dabei kommt an allen Stellen zum Ausdruck, dass es sich um ein vermitteltes Sprechen handelt. Das ist sehr biblisch. In der Bibel werden nur sehr selten Eigenschaften direkt zugesprochen. Sehr viel häufiger geschieht es, dass Personen in der Bibel Handlungen zugeschrieben werden und sie so durch ihr Tun charakterisiert werden. Wie man sich verhält, so ist man. Das gilt auch für Gott. Gott heilt, Gott hört, Gott spricht, Gott macht, Gott liebt. Durch spezifische Verben können Handlungsweisen Gottes und damit auch Rollen benannt werden, in denen Gott agiert. Solche Aussagen stehen nicht allein für einen typischen Sprachgebrauch der Bibel, sondern auch für das, was in ihr als wichtig ausgedrückt werden soll. Gott ist ein handelnder, den Menschen zugewandter Gott. Es geht nicht primär um das Zuschreiben fester Wesenseigenschaften und um Definitionen. Vielmehr sind die Texte, und das wird schon anhand der ausgewählten Verse deutlich, Zeugnisse für das erfahrende Handeln Gottes. Das Wesen Gottes manifestiert sich immer wieder in seinen vielen Handlungen. „Du deckst mir den Tisch“. Wichtig ist, dass Gott immer wieder in Beziehung zu seinen Geschöpfen tritt. So entstehen Erfahrungen Gottes, und diese werden in immer neuen Worten der Schrift zur Sprache gebracht. Aus dem Hören auf die in der Bibel beschriebenen Handlungsweisen Gottes können sich dann schrittweise und in sekundärer Reflexion so etwas wie sich durchhaltende Muster und dann auch so etwas wie Wesenseigenschaften Gottes herauslesen lassen. Wichtig ist nur, zu sehen, dass sich in der Bibel alle diese Ebenen bereits treffen: Die Aussagen sind Zeugnisse von Gott, sie sind Erfahrungsberichte, sie sind normative Beschreibungen und zugleich auch schon Reflexionen von Erfahrungen.
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Vielleicht kann man es so sagen: Gott wird in der Bibel nicht zuerst definiert und beschrieben; Gott ereignet sich. Und das versucht die Bibel in Sprache zu fassen. Dabei hat auch die Du-Dimension ihre Bedeutung. Es geht nicht allein um ein Reden über Gott, sondern auch um Anrede an Gott. Und selbst dabei bleibt die Bibel nicht stehen. An vielen Stellen lässt sie auch Gott selbst zur Sprache kommen: Sogar die Ich-Rede wird für Gottesrede verwendet. „Wie einen, den seine Mutter tröstet, so tröste ich euch“. Nicht allein Menschen sprechen in der Bibel ihre Bekenntnisse über Gott aus, auch Gott selbst bekennt sich in diesem Buch. Indirekt lässt sich so auch ein Eindruck davon gewinnen, wie „Offenbarung“ gedacht werden kann: Sie ist ein Ereignis und ein Sprachgeschehen zugleich. Sie ist Gottesrede und Menschenrede über und zu Gott. Sie ist Erfahrung und Reflexion zugleich. Sie ist „reale“ Aussage und Bildaussage zugleich. Beziehung zwischen Bibeltext und Leserschaft Es ist sinnvoll, die eingangs aufgezeigte Spannung zwischen der eigenen Gottesvorstellung und den Aussagen biblischer Text in das Bewusstsein zu heben und sie produktiv zu machen. Mit welchen Vorerwartungen und Fragen gehe ich an die Bibel heran, und wie verändert sich mein Bild, wenn ich biblische Texte sorgfältig untersuche? Umgekehrt werden die Aussagen der Bibel erst dann fruchtbar, wenn sie unter einem definierten Interesse, von einem bestimmten Standpunkt her untersucht werden. Die Wahrheit des Textes entfaltet sich im Auseinandersetzungsgeschehen zwischen Text und Leserschaft.
3. Aber was bedeutet es, dass die Bibel vornehmlich in Bildern von Gott spricht? „Das ist ja nur ein Symbol“. In unserem alltäglichen Sprachgebrauch hat das Symbol keinen hohen Stellenwert. Es wird als Ersatz für das Eigentliche verstanden. Wo das Eigentliche nicht zur Verfügung steht, wird es notgedrungen durch ein Symbol ersetzt. „Nur ein Symbol“ – diese Rede holt jedoch beileibe nicht ein, was Symbole und Metaphern philosophisch und kommunikationstheoretisch zu leisten imstande sind. (Im Rahmen dieses kurzen Beitrages ist es nicht von
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entscheidender Bedeutung, Metaphern und Symbole begrifflich scharf zu unterscheiden). Hier gilt es, etwas aus der biblischen Rede von Gott zu lernen. Das ist umso bedeutender vor einem Hintergrund antiker Rhetorik, die bis in das vorletzte Jahrhundert ihre Spuren gezogen hat und in der metaphorischen Redeweise nicht zur Substanz von Sprache gehört, sondern gewissermaßen als Ergänzung, als schmückendes Beiwerk zur Rede galt. Schon in der Antike hat man die Sprachkraft der Metapher durchaus unterschätzt. Eine Metapher weicht vom gewöhnlichen Sprachgebrauch ab. Früher hat man Metaphern im Kontext einer „Substitutionstheorie“ erklärt: Sie seien ein uneigentlicher Ausdruck, nämlich so etwas wie ein verkürzter Vergleich. Die bildliche Aussage steht dabei in einer Ähnlichkeitsbeziehung zum eigentlichen Ausdruck. „Der HERR – mein Hirte“ würde dann bedeuten: Gott ist wie ein Hirte, und darum wird dieses Bild verwendet. In der Sprachwissenschaft und -philosophie der letzten Jahrzehnte hat dagegen eine Neubewertung metaphorischen Sprechens stattgefunden. Die alte „Substitutionstheorie“, die die Metapher als uneigentlichen Ausdruck ansah, als so etwas wie einen verkürzten Vergleich, ist durch die „Interaktionstheorie“ abgelöst worden. Dabei werden nicht einfach zwei Worte gegeneinander ausgetauscht, sondern in einen neuen, wechselseitigen und damit kreativen Zusammenhang gebracht. Zwei Begriffe beeinflussen und verändern sich gegenseitig. So können ganz unterschiedliche Bereiche kreativ miteinander verbunden werden. Bild und Sache verschmelzen. Darum ist die Aufteilung und die Terminologie „Bild“ und „Bedeutung“ nicht angemessen. Das Bild kann nicht einfach auf die Bedeutung hin ausgelesen werden. Vielmehr treten Wort und Kontext in einen gegenseitigen Austausch. In einer solchen Betrachtung wird also nicht allein die kreative Verbindung zweier Begrifflichkeiten untersucht, sondern der gesamte Sprachzusammenhang, in dem sie vorkommt. So entsteht ein produktives Spannungsverhältnis, das neue Sinn- und Verstehensräume ermöglicht. In gewissem Sinn sprengt eine Metapher durch ihre unerwartete Aussage den Kontext und den in seinem Zusammenhang geweckten Erwartungshorizont – und das ist gerade ihre Leistung. Die Metapher „spielt“ mit den Leseerwartungen und bewirkt dadurch Kreativität und neue Erfahrungen beim Lesen. Damit kann die Metapher als Modell dafür verstanden werden, wie Sprache überhaupt Erkenntnisse ermöglicht. Wie durch Sprache „Be-
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deutung“ entsteht, kann exemplarisch anhand der Metapher gesehen werden.
4. Die Metapher „Vater“ Eine wichtige Metapher, die in der Bibel verwendet wird, ist „Vater“ als Aussage über Gott. Am prominentesten ist dieser Sprachgebrauch sicher durch das Vaterunser. Es war aber nicht Jesus, der ihn neu eingeführt hat. Bereits im Alten Testament befindet er sich an vielen Stellen. Die Bezeichnung Gottes als Vater in der Bibel ist keine Selbstverständlichkeit. Warum überhaupt kann eine menschliche Sozialrolle wie die des Vaters auf Gott übertragen werden? „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, ich rief meinen Sohn aus Ägypten.“ Dieses Zitat aus dem Buch Hosea zeigt viel von dem, was es in der Bibel bedeutet, dass „Vater“ als Metapher für Gott verwendet wird. Es handelt sich hier um ein Stück „Gottesrede“, ein Selbstzeugnis Gottes. Er bezeichnet sich zwar nicht als Vater (oder auch Mutter, was zumindest logisch in diesem Zusammenhang möglich ist), wohl aber nennt er das ganze Volk Israel seinen „Sohn“. Das Zitat spielt auf einen ganz entscheidenden Moment der Geschichte Israels an, auf den Auszug aus Ägypten. Indem Gott Israel aus der Bedrängnis und Unterdrückung in Ägypten rettet, wie es im Buch Exodus beschrieben ist, adoptiert er das ganze Volk an Sohnes statt. Indem Gott sich selbst in der Rolle des Elternteils Israels vorstellt, lässt er alle jene Eigenschaften anklingen, die mit der Vaterrolle gesellschaftlich verbunden sind: Verantwortung, Schutz, Fürsorge, Zuwendung, Treue, Verlässlichkeit, Solidarität. Die Rede von der Elternschaft Gottes steht nicht abstrakt im Raum, sondern hat ein konkretes Ziel: Sie will deutlich machen, wie Gott seine Beziehung zu seinem Volk definiert und gestaltet. „Du bist doch unser Vater“ (Jes 63,16) so kann auch Israel zu Gott sagen und ihn dabei an die Beziehung zu seinem Volk und seine Verantwortung gemahnen. Im umgekehrten Sinn ist es auch von Bedeutung, was im biblischen Vorstellungskreis von Gott als „Vater“ ausdrücklich nicht angesprochen war: Gott wird als Schöpfer der Menschen vorgestellt, aber in diesem Vorstellungsbereich wird die Rede von einer Zeugung, die ja vom Bild der Vaterschaft her durchaus verwendet werden könnte, vermieden. Vielmehr wird jedoch von einem handwerklichen Gestalten des Menschen im Mutterleib gesprochen (vgl. Ps 139,13). Der diffe-
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renzierte Sprachgebrauch macht deutlich, dass in der Bibel nicht einfach die Vorstellung herrscht, dass Gott Vater ist, sondern dass die Metaphernrede funktional gebraucht wird. Im konkreten Sprachgebrauch werden ganz bestimmte Aspekte des verwendeten Bildes aktiviert, andere jedoch ebenso klar in den Hintergrund gestellt. „Gerade wo es die Einheit Gottes zu wahren gilt, werden diese Aufsprengungen eminent wichtig, um die Verwechselbarkeit von Bild und Gottheit auszuschließen“ (Vanoni, Vater 27). Auch die Rede von den mütterlichen Seiten Gottes gehört hierher (s. Jes 66,13). Gerade das ist einVorteil bildhaften Sprechens. Gott ist nicht nur das eine und nicht das andere. Er kann in väterlicher und in mütterlicher Rolle vorgestellt werden. Die Bibel verwendet die Gottesbilder gerade so, dass sie sich gegenseitig ergänzen, neu akzentuieren, teilweise auch in Spannung zueinander treten. Das ist wichtig, denn damit wird markiert, dass die metaphorischen Bezeichnungen Gottes eine Funktion ausüben, sie dabei aber keineswegs mit Gott selbst zu verwechseln sind. Die neuen Erkenntnisse zur Funktion von Metaphern sind zum besseren Verständnis des biblischen Sprachgebrauchs hoch willkommen. Metaphern wie die Bibel sie verwendet, sind nicht einfach ein „blumiger“, gewollt unpräziser Sprachgebrauch, weil den Autoren ein strenger logischer Sprachgebrauch nicht zugänglich war. Die Verwendung von Metaphern in der Bibel Der Gebrauch von Metaphern in der Bibel ist absolut funktional. Er holt das ein, was sich sonst kaum ausdrücken lässt. Das Übertragungsmoment macht deutlich, dass es bei der Rede von Gott ein schlichtes direktes Beschreiben nicht geben kann und dass Sprache hier einerseits an ihre Grenzen kommt, aber andererseits auch kreativ werden muss, um nicht ganz zu verstummen.
Wenn man den biblischen Sprachgebrauch betrachtet, dann ist die Verwendung von Bildsprache kein Ersatz, sondern die beste Möglichkeit, um das Eigentliche überhaupt irgendwie zur Sprache bringen zu können. Das gilt übrigens nicht nur für das Alte Testament. Auch Jesus folgt dieser Spur. Nicht allein, dass er den alttestamentlichen Sprachgebrauch, Gott, „Vater“ zu nennen, in seine eigene Rede aufnimmt, auch alles, was er vom Reich Gottes verkündet, ist in Bildsprache gefasst. Die „Ursprache“ Jesu ist gewissermaßen das Reden in Gleichnissen!
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„Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge in Gleichnissen, und ohne Gleichnisse redete er nicht zu ihnen“ (Mt 13,34).
5. Die Rede vom „Vater“ im Credo Gehen wir nun von diesem biblischen Befund zum Credo über. „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen“. Der „Vater“ ist also die erste Gottesprädikation im Credo. Damit ist eine inhaltliche, aber auch eine sprachlogische Aussage gemacht, denn gleich in der Eröffnung wird so signalisiert, dass jedes Reden von Gott nur metaphorisches Sprechen sein kann. Von hier aus kann man sich auf die Suche begeben und auch die anderen Aussagen des Glaubensbekenntnisses auf ihre Bildhaftigkeit hin untersuchen. Auch in diesem Sinn ist das Credo ein Lehrtext. Weiterhin ist die Reihenfolge der Aussagen bemerkenswert. Gott wird zuerst als „Vater“ bezeichnet und erst dann als „Schöpfer“: Würde man eine zeitliche Logik anwenden, träte die Bezeichnung als Schöpfer an die erste Stelle. Dass das Credo die Reihenfolge umkehrt, bedeutet eine starke Aussage: Noch vor die Schöpfung wird die Beziehung gesetzt. Dass Gott der Vater ist, erscheint als Basisaussage. Alles, was in den biblischen Aussagen zum Vaterbild Gottes gesagt wird, ist hier mitgemeint. Vielmehr noch: Gott als Vater wird gewissermaßen zur Zentralmetapher erkoren. Dabei gerät die Vaterbezeichnung Gottes ganz eigentümlich und produktiv in die Schwebe: Wenn Gott Vater ist – wer ist dann Sohn oder Tochter? Mehrere Leseweisen sind möglich: Wenn im Credo, wie die singularische Form deutlich macht, ein einzelner glaubender Mensch sich äußert, dann handelt es sich um das Bekenntnis zu Gott als einem ganz persönlichen Gott, der wie ein Vater ist. Zugleich wird aber allgemein-objektiv gesprochen. „Ich glaube an Gott den Vater“, nicht: „meinen Vater“. Der persönliche Vatergott ist der Vatergott der ganzen Welt. Und schließlich wird die Vateraussage noch ganz ausdrücklich fortgesetzt: „Ich glaube an Gott den Vater … und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“. Hier findet eine Engführung statt. Der eine Vater hat den einen Sohn. Auch wenn es aus der Struktur des Textes nur indirekt zu erschließen ist, so ist doch in ihm auch über die VaterSohn-Aussage eine Form der Christologie enthalten. Nur dadurch, dass Jesus Christus der einziggeborene Sohn ist, steht den anderen Menschen die Vaterschaft Gottes offen. Im Credo erscheint Jesus Christus als Mittler der göttlichen Vaterschaft. Die verschiedenen
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Weisen der Rede von Gott als Vater und ihre Funktionen bedingen einander. Nicht nur durch seine Aussagen an sich, sondern auch durch seine Textstruktur generiert das Credo einen Sinnzusammenhang. Hier schließt sich der Kreis auch zur Bibel hin. Das Credo setzt biblisches Sprechen von Gott voraus und wird erst verständlich, wenn man die Aussagen vor dem biblischen Hintergrund erschließt. Dann wird deutlich, welche Funktion die Rede von Gott als Vater hat, und auch, dass der Vaterbegriff gewissermaßen als Zentralmetapher aus der gewaltigen Bandbreite biblischen Redens von Gott ausgewählt wird. Insofern holt das Credo mit den beiden biblischen Begriffen „Vater“ und „Schöpfer“ nur einen kleinen Teil der biblisch-verbindlichen Rede von Gott ein. Dies bedeutet, dass das Credo als Kurzfassung des Glaubens den gesamten Glauben gar nicht ausreichend und erschöpfend darstellen kann. Es ist so etwas wie eine Konzentration des Glaubens, mehr aber noch ein Verweistext, ein Index, der auf den größeren Kontext des Glaubens hinweist. Das „entlastet“ geradezu den Text des Credo. Es muss nicht allein aus sich heraus verständlich sein, sondern weist auf seine Prä-Texte hin. In diesem Sinne ist es gewissermaßen auch eine Kurzfassung, ein „Platzhalter“ für das biblische Glaubensgut. Daraus ergibt sich eine doppelte Aufgabe: Das Credo muss „übersetzt“ werden. Rückübersetzt in biblische Texte, aber auch neuübersetzt in Glaubenspraxis. Damit erhält es seine Funktion als „Knotentext“, der die Bereiche verbindet. Literatur Böckler, Annette: Gott als Vater im Alten Testament, Gütersloh: Kaiser 2000 Fabry, Heinz-Josef: Vater, in: Fieger, Michael, Krispenz, Jutta, Lanckau, Jörg (Hg.): Wörterbuch alttestamentlicher Motive, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2013, 411-415 Janowski, Bernd, Scholtissek, Klaus: Gottesbilder, in: Berlejung, Angelika, Frevel, Christian (Hg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, 5. Aufl., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2016, 244-246 Vanoni, Gottfried: „Du bist doch unter Vater“ (Jes 63,16). Zur Gottesvorstellung des Ersten Testaments, SBS 159, Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk 1995
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Theologischer Dialog Thomas Ruster antwortet auf Egbert Ballhorn
Auf anschauliche und überzeugende Weise hat Egbert Ballhorn dargelegt, wie vielgestaltig und reichhaltig das metaphorische Reden über Gott in der Bibel ist und wie wenig das Credo von diesem metaphorischen Bedeutungsreichtum aufgenommen hat. Das kann wohl auch gar nicht anders sein, denn ein kurzer Bekenntnistext wie das Credo kann nicht die Fülle der biblischen Gotteserfahrungen widerspiegeln. Wenn man aber dann bedenkt, welche Bedeutung das Credo hatte und hat – es will die verbindliche Formel des Glaubens sein, ein autoritativer Text, der den rechten vom falschen Glauben unterscheidet – dann muss man erschrecken über die Reduktion, die das Credo dem Glauben angetan hat. Das Bekenntnis zu Gott „dem Vater, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde“ hat ein sehr eingeschränktes Gottesbild entstehen lassen. Gott ist „allmächtig“, das heißt, ihm ist nichts unmöglich, er vermag alles, was er will; er ist der „Schöpfer“, er hat die ganze Welt hervorgebracht, was dann wiederum als Bestätigung seiner unbegrenzten Allmacht verstanden werden kann; und schließlich ist er der „Vater“ – wie nahe liegt es da, Gottes Vatersein im Sinne eines patriarchalen Vaterbegriffs zu verstehen, als Oberhaupt der Familie, dem die Kinder und auch die Ehefrau und dazu das ganze Hauswesen Gehorsam schulden. Mit diesem Vaterbild, das sich aus der gegenseitigen Interpretation der im Credo genannten Gottesprädikate ergab, ist das Christentum durch die Geschichte gegangen. Den Gehorsam, die geforderte Unterwerfung unten den allmächtigen Vatergott hat man deswegen immer eingeschärft und im Rahmen einer patriarchalisch-autoritären Gesellschaft auch für selbstverständlich gehalten. Dieses Gottesbild des allmächtigen Vaters und Schöpfers aber ist es, das heute den christlichen Glauben am meisten behindert. Unsere Zeit setzt auf Selbstbestimmung und Freiheit. Naturwüchsige Autoritäten wie den Familienvater, den Vater Staat oder auch das Vaterland, für das man im Krieg sein Leben einzusetzen hatte, sind als Konstrukte einer autoritären Gesellschaft durchschaut und dekonstruiert worden. Von allen früheren autoritären Instanzen ist eigentlich nur der Vatergott zurückgeblieben. Vielen erscheint deshalb die Kirche als die Sachwalterin einer vergangenen
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Ordnungsvorstellung, als eingeschworene Feindin der Freiheit, als hoffnungslos unmodern. Sehr wichtig ist deshalb Egbert Ballhorns Hinweis auf den „aktuellen Horizont, innerhalb dessen die Texte gelesen werden“. Dieser Horizont ist nicht mehr der einer autoritären Gesellschaft, die den Vatergott als letzte Begründung für innerweltliche Autoritätsverhältnisse herangezogen hat. Menschen suchen heute nach Freiräumen der Selbstbestimmung. Das wäre heute ein guter Vater, der den Kindern Selbstständigkeit und Unabhängigkeit vermittelt. Der sie befähigt, inmitten aller Zwänge das Leben in eigener Verantwortung zu führen. Ich bin darum nicht ganz glücklich darüber, dass Ballhorn „Verantwortung, Schutz, Fürsorge, Zuwendung, Treue, Verlässlichkeit, Solidarität“ als die Eigenschaften nennt, die „mit der Vaterrolle gesellschaftlich verbunden sind“. Alles das ist richtig, aber trifft es nicht in erster Linie für kleine Kinder zu? Sie brauchen Fürsorge und Schutz, sie brauchen jemanden, der für sie Verantwortung übernimmt. Aber irgendwann werden sie selbst erwachsen, müssen sich selber schützen, müssen selbst Verantwortung übernehmen. Im Horizont der aktuellen Erwartung steht ein Vater, der Macht abgeben und schöpferische Potenziale in seinen Kindern erwecken kann. Da haben wir sie übrigens wieder beisammen, die drei Prädikate, die das Credo Gott zuschreibt. Aber neu gelesen bedeuten sie fast genau das Gegenteil dessen, was früher mit ihnen verbunden wurde. Derjenige ist wirklich mächtig, der andere mächtig sein lässt und nicht ängstlich an der eigenen Macht festhält; derjenige ist schöpferisch, der andere zur Kreativität ermuntert – und derjenige ist ein guter Vater, der seine Kinder zur Selbstständigkeit befähigt. Jesus hat Gott seinen Vater genannt, er hat das Vaterunser gelehrt und zu Maria von Magdala gesagt: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater“ (Joh 20,17). Sein Vater ist auch unser Vater. Man kann Jesus nicht nachsagen, dass er ein kindliches, infantiles Vaterbild hatte. Von Schutz und Fürsorge des Vaters ist bei ihm nicht die Rede. Wohl aber davon, dass „alles, was der Vater hat, mein ist“ (Joh 16,15) und der Vater ihm „Macht über alle Menschen gegeben hat“ (Joh 17,2). Er bittet den Vater, dass er ihn, Jesus, verherrliche, so wie er, Jesus, den Vater verherrlicht. So spricht nicht ein kleines Kind vom Vater, sondern der große Sohn, der vom Vater gelernt hat, was er für das Leben braucht und deshalb auf den Vater stolz ist, so wie umgekehrt der Vater auf den Sohn stolz ist. Erstaunlich: Der Metaphernreichtum, von dem Egbert Ballhorn gesprochen hat, kommt gerade unseren heutigen Erwartungen entgegen, vielleicht mehr als den Er-
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wartungen einer vergangenen, autoritären Zeit. Und auch das Credo ist ins Recht gesetzt, wenn man die Macht, das Schöpfertum, das Vatersein Gottes nur recht versteht. „Du bist doch unser Vater“ (Jes 63,16) können wir darum wie Israel zu Gott sagen, ohne doch auf den Verständnishorizont einer vergangenen Epoche zurückzufallen. Für mich ist das ein Beweis der Auferstehung. Die Bibel bleibt nie an die Vergangenheit und Vergänglichkeit gebunden, sie wird stets neu gleichzeitig mit jeder Zeit und darin zugleich überzeitlich. Das liegt wohl daran, dass sie das Wort des lebendigen Gottes ist.
„Schöpfer des Himmels und der Erde“. Aus systematisch-theologischer Sicht schöpfungstheologische Modelle diskutieren Thomas Ruster
Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie in ersten Ansätzen die Bedeutung der Schöpfungstheologie sowohl für die Entwicklung des persönlichen Glaubens als auch für die Theologie insgesamt einordnen … können Sie zwei zentrale theologische Schöpfungsmodelle anhand der Kriterien von Korrespondenz, Kohärenz und Konsens vergleichend beurteilen
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Die Entstehung der Welt zeugt nicht mehr für, sondern gegen den christlichen Glauben. In früheren Zeiten hatte die christliche Religion aus dem Schöpfungsglauben den größten Teil ihrer Überzeugungskraft bezogen. Der Blick auf die Unermesslichkeit des Himmels, den unwandelbaren Gang der Gestirne, die unendliche Fülle des Lebendigen auf dieser Erde, gar auf den Menschen als Mann und Frau, das Wunderwerk der Schöpfung schlechthin, schien doch nur eine Erklärung zuzulassen: Ein allmächtiger und weiser Schöpfer hat die Welt geschaffen. Und er erhält sie weiterhin in ihrem Lauf. Dieser logische Schluss ist kinderleicht. Und schon war man bei der Existenz Gottes angelangt. In einem alten theologischen Lehrbuch, das noch ganz von der Evidenz des Schöpfungsgedankens durchdrungen ist, steht zu lesen: „Jeder denkende Mensch gelangt mit großer Leichtigkeit, gleichsam unwillkürlich, ohne wissenschaftliche Beweisführung, zu einer Erkenntnis vom Dasein Gottes“ (Diekamp 1938, 100). Gleichsam unwillkürlich!
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1. Wann geht der Schöpfungsglaube verloren? Ergebnisse zur Weltbildforschung von Kindern und Jugendlichen Heute ist es genau anders: Jeder denkende Mensch, ja fast schon jedes Kind gelangt mit großer Leichtigkeit zur Ablehnung Gottes, jedenfalls im Sinn des allmächtigen Weltenschöpfers, als welcher er bisher gegolten hat. Etwa im Alter von 10 Jahren fangen Kinder an, die biblische Schöpfungsvorstellung zu bezweifeln und sie durch die naturwissenschaftliche Weltentstehungstheorie zu ersetzen. Das geht aus mehreren Untersuchungen zur Weltbildentwicklung von Kindern und Jugendlichen hervor (vgl. Fetz/Reich/Valentin 2001; Höger 2015). Ob dabei immer viel wissenschaftliche Beweisführung eine Rolle spielt, ist die Frage; was die Naturwissenschaften zum Thema Weltentstehung und Evolution sagen, wird sicher von vielen mit der gleichen religiösen Leichtgläubigkeit angenommen wie früher die Lehren der Religion. Aber wie auch immer: Die Folgen des Schöpfungs-(Un-)Glaubens Die Idee der Schöpfung, früher die stärkste Stütze der Religion, hat sich gegen die Religion gewandt. Wer nicht mehr glauben kann, dass Gott die Welt erschaffen hat und auch seine Schöpfermacht nicht mehr in der Welt am Werke sieht, der wird der Religion auch den ganzen Rest nicht mehr glauben. Der hält dann die Bibel für ein veraltetes, vorwissenschaftliches, mythisches Buch und die, die noch vom Schöpfergott reden, für notorische Gegner der Wissenschaft.
2. Methodische Reflexion Da haben wir einmal eine schöne Herausforderung für die Dogmatik, jene theologische Disziplin, die für die Erklärung der Glaubensaussagen und deren Übereinstimmung mit der Vernunft zuständig ist. Was soll die Dogmatik in dieser Lage tun? Soll sie an dem alten Modell festhalten, auch wenn dessen Plausibilität rapide im Schwinden ist? Soll sie nach dem Vorbild der amerikanischen Kreationisten darauf insistieren, dass die Welt doch in sieben Tagen erschaffen worden ist? Oder soll sie den Naturwissenschaften das Feld überlassen und sich für die Frage der Weltentstehung für unzuständig erklären? Sich allenfalls auf Sinndeutungen dessen beschränken, was in
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seinem faktischen Gehalt heute durch die Wissenschaften erklärt wird? Beides ist nicht überzeugend. Die dogmatische Theologie hat einen vielen besseren Weg gefunden. Sie hat angefangen, Schöpfung ganz anders, ganz neu zu verstehen. Sie begreift Schöpfung nicht mehr so wie früher: dass da ein allmächtiger Gott die Welt hervorgebracht hat. Sie versteht Schöpfung vielmehr als eine Art Gottes, mit den Geschöpfen umzugehen. Nämlich sie selbst schöpferisch werden zu lassen. Für die neuere Schöpfungstheologie ist Gott „weniger einer, der Kreaturen schafft, als einer, der Kreativität verleiht“ (Kummer 2009, 108). Hier ist also ein Umdenken erfolgt, das sich nicht gegen die Zweifel des modernen, naturwissenschaftlich denkenden Menschen richtet, sondern seine Zweifel ernst nimmt und aus ihnen gelernt hat. Und das Ergebnis ist, dass wir auf diese Weise eine viel bessere, viel biblischere Schöpfungstheologie bekommen haben. Um das nachvollziehen zu können, werfen wir zunächst noch einen Blick auf das alte Modell. Wir werden seine Stärken, aber auch seine Schwächen analysieren. Dieses alte Modell wird im Folgenden „Schöpfung aus dem Nichts“ genannt. Dann wenden wir uns dem neuen Modell zu, das ich – das sind meine Worte – „Schöpfung als Berufung“ nennen möchte. Indem wir die beiden Modelle einander gegenüberstellen, wird deutlich, dass die Theologie nicht sagen kann, wie es wirklich ist. Sie hat die Wahrheit Gottes nicht für sich gepachtet. Gott allein ist die Wahrheit, die Theologie ist die Reflexion auf den Glauben derjenigen, die an Gott glauben. Wie jede andere Wissenschaft übt sie sich darin, die Wirklichkeit in Modelle zu fassen. Die spezifisch theologische Aufgabe besteht dann darin, diese Modelle bzw. Theorien auf ihre Korrespondenz zu den biblischen Schriften, ihre Kohärenz in Bezug auf andere theologische Aussagen und ihre Konsensfähigkeit in der Glaubensgemeinschaft zu überprüfen (vgl. Ritschl 1984, 56-60). Eben das wollen wir in Bezug auf die beiden Schöpfungsmodelle nun tun.
3. Das Modell „Schöpfung aus dem Nichts“ „Schöpfung aber ist das Hervorbringen des Dinges nach seinem ganzen Sein, ohne dass irgendetwas vorausgesetzt wird, sei es ungeschaffen oder von jemandem geschaffen“ (Thomas von Aquin, Summe der Theologie I,65,3). So lehrte es der bedeutende mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin (1225-1274). Dabei war ihm wichtig: Ohne
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Gott würde nichts existieren. Gott hat die Welt aus dem Nichts geschaffen, und aus dem Nichts kann ohne das göttliche Schaffen nichts hervorgehen. Keine andere Kraft hat ihm dabei geholfen, er konnte auf nichts zurückgreifen, was bereits existierte. Alles, was existiert, verdankt sich der Erschaffung durch Gott. Gott steht damit allem Geschaffenen in strengem Sinne gegenüber. Gott ist kein Geschöpf, die Geschöpfe sind nicht Gott. Dieses Verständnis von Schöpfung ist mit einem bestimmten Gottesverständnis verbunden. Nach diesem ist Gott allein fähig, die Schöpfung hervorzubringen. Darin zeigt sich seine Allmacht (omnipotentia). Er ist das höchste Sein und die Fülle des Seins (summum ens). Alles, was außerhalb Gottes existiert, existiert nur durch Teilhabe an seinem Sein. Er ist die erste und höchste Ursache und dabei selbst nicht verursacht (ens a se; prima causa). Er ist der „unbewegte Beweger“, weil er nur bewegt (verursacht), ohne selbst bewegt (verursacht) zu sein. Er ist die reine Wirklichkeit (actus purus) und damit allein dafür verantwortlich, dass irgendeine Möglichkeit in die Wirklichkeit überführt wird. Gott ist allmächtig. Er vermag alles, was er will. Da Gott ein vollkommenes Wesen ist und ihm nichts an seinem Gottsein fehlt, ist das Motiv der Schöpfung allein seine Güte. Er braucht die Schöpfung nicht, etwa weil er ohne die Geschöpfe einsam wäre, sondern er erschafft die Welt nur, weil er will, dass sie sei. Die geschaffene Welt spiegelt deshalb die Liebe und Güte Gottes wider, aus der sie hervorgegangen ist. Zugleich ist mit dem Hervorgang der Schöpfung aus der Allmacht Gottes auch etwas über die Art der Beziehung zwischen Gott und der Welt gesagt. Gott als der Schöpfer ist der Herr der Welt. Das Lehrbuch von Diekamp, aus dem wir schon zitiert haben, drückt es so aus: „Gott ist der höchste und unumschränkte Herr aller Dinge“. Da der Schöpfer „jedes Ding nach seinem ganzen Sein verursacht hat und beständig im Sein erhält, kommt [ihm] offenbar das unbedingte Eigentumsrecht und die unumschränkte Regierungsgewalt über alles zu. Pflicht des vernünftigen Geschöpfes ist es, anzuerkennen, daß Gott wahrhaft der Herr ist“ (Diekamp 1938, 258-261). Im Rahmen dieses klassischen Modells steht die Lehre über die Schöpfung in einer klaren Kohärenz zu allen anderen theologischen Themen. Die zwei wichtigsten will ich herausgreifen, die Themen Sünde und Erlösung. Sünde ist in diesem Modell Auflehnung gegen Gott. Da sich die Welt Gott verdankt und er der allmächtige Herr der Welt ist, sind ihm die Geschöpfe Dankbarkeit, Verehrung und Gehor-
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sam schuldig. Die Sünde Adams und Evas war ein Akt des Undanks, des Ungehorsams und der Auflehnung gegen Gott. Sie gehorchten nicht nur nicht seinem Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, sie wollten selbst sein wie Gott. Damit verkehrten sie die Ordnung, die durch die Schöpfung gegeben war. Sie fügten Gott eine schwere Beleidigung zu. Die Strafe für diesen Ungehorsam und diese Auflehnung musste der Tod sein. „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück“ (Gen 3,19) wurde so verstanden. Die Sünde zieht den Tod nach sich. Die Sünde Adams ist aber, so sagte es die Lehre von der Erbsünde, auf alle anderen Menschen übergegangen. Sie alle sind durch ihre sündige Natur stets zu einer Rebellion gegen Gott geneigt. Sie wollen nicht anerkennen, dass Gott der Herr ist, sie wollen selbst herrschen. Diese Sünde kann Gott nicht verzeihen. Denn damit würde er die Ordnung aufgeben, die er durch die Schöpfung selbst gesetzt hat. Er würde die Schöpfung pervertieren. Die Schöpfung würde ins Chaos zurücksinken. Die Sünde kann nicht einfach verziehen, sie muss gesühnt werden. Sühne heißt: Die Haltung, aus der die Sünde hervorgegangen ist, muss überwunden werden. Die Beleidigung, die Gott zugefügt wurde, muss wieder gut gemacht werden. Damit sind wir beim Thema Erlösung. Die Schuld muss gesühnt werden. Das hat Jesus Christus getan, als er am Kreuz sein Leben dahingab. Er leistete die vollständige Unterwerfung unter Gottes Willen, auf die Gott ein Anrecht hat. Er gab sein Leben hin, um die Sünde der Menschen zu sühnen. Da Jesus Christus Gott und Mensch zugleich ist, konnte er die Sühne stellvertretend für alle Menschen leisten. Durch die gemeinsame menschliche Natur ist er mit allen Menschen aller Zeiten verbunden. Gott nimmt das Sühneopfer seines Sohnes an, das zeigt die Auferstehung. Jesus ist der erste, der der Macht des Todes entkommen ist. In seiner Nachfolge und in der Gemeinschaft mit ihm können alle, die glauben, an seiner Erlösung Anteil gewinnen. Die aber, die weiter in der Sünde verharren, bekommen ihre verdiente Strafe: den ewigen Tod.
4. Stärken und Schwächen des Modells „Schöpfung aus dem Nichts“ Seine Stärke ist es, eine klare und eindeutige Antwort zu geben auf die philosophische Urfrage des Menschen: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? Gott ist für die Erklärung der Welt unentbehrlich. Daraus folgt die große Evidenz des Glaubens an Gott,
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von dem die frühere Theologie, wie bereits erwähnt, sagte, er entstehe mit großer Leichtigkeit, gleichsam unwillkürlich. Jedes Kind kann begreifen, dass es Gott geben muss, und Kinder denken ja auch heute noch so. Aber eben diese Evidenz ist heute geschwunden. Das liegt an der Schwäche dieses Modells: Es steht prinzipiell in Konkurrenz zu anderen Weltentstehungstheorien. Sobald diese an Geltung zunehmen, nimmt die Plausibilität des theologischen Modells ab. Der moderne Mensch hält die naturwissenschaftlichen Erklärungen für wahrer als das theologische Modell. Das alte Modell hat sich angreifbar gemacht, indem es eine quasi wissenschaftliche Erklärung der Weltentstehung gegeben hat. Seine Stärke ist wiederum, dass aus dem Schöpfertum Gottes seine Allmacht und die unendliche Vollkommenheit seines Wesens klar hervorgehen. Man musste gar nicht viel nachdenken, um Gott diese Eigenschaften zuzuerkennen. Aber genau in der Allmacht und Vollkommenheit Gottes liegt für heute ein Problem. Sofort erhebt sich die Theodizeefrage gegen diesen Gott: Warum lässt er, wenn er allmächtig und gütig ist, soviel unschuldiges Leiden und Unglück in der Welt zu? Was ist das für ein allmächtiger Herr, wenn die Welt, über die er herrscht, so in Unordnung ist? Schließlich kann man sogar weiterfragen: Ein Gott, der absolut vollkommen ist, der sich nicht entwickeln kann, nichts lernen kann, der keine wirkliche, das heißt keine ergebnisoffene Beziehung zu seinen Geschöpfen eingehen kann, ist der eigentlich lebendig? Hat die Theologie nicht, indem sie Gott diese Art von Vollkommenheit zusprach, ihn gewissermaßen zu einem toten Wesen gemacht? Und ist denn nicht die Auflehnung gegen einen solchen absoluten Herrn eigentlich das Naheliegendste? Wenn wir nun noch auf das Thema Sünde schauen, so ist es sicherlich eine Stärke des Modells, die Sünde als einen objektiven Tatbestand formuliert zu haben. Sie ist eine Störung der Ordnung, so wie auch in einem Staat ein Verbrechen als die Verletzung der öffentlichen Ordnung bzw. als die Übertretung eines Gesetzes definiert ist, unabhängig von den Motiven der Täter. Dagegen steht aber: Kann und will man sich einen Gott vorstellen, der eine vergleichsweise harmlose Übertretung, das Essen vom Baum der Erkenntnis (die auch noch unter der Einflüsterung der listigen Schlange geschah!), so hart bestrafte – nicht nur für die Täter, sondern auch für alle ihre Nachkommen? Was nun die Lehre von der Erlösung betrifft, so scheint es mir vor allem eine Stärke des Modells zu sein, dem Tod Jesu, diesem so sinnlos wirkenden und ungerechten Tod eines Gerechten, einen Sinn verliehen zu haben.
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Die Logik der Heilsgeschichte Die Theologie hat es geschafft, die ganze so überaus komplexe biblische Geschichte, die so viele verschiedene Deutungen zulässt, als eine einheitliche und in sich logische Geschichte zu erzählen: Gott hat die Welt gut geschaffen – durch die Sünde der Menschen ist sie schlecht geworden – Jesus Christus hat uns erlöst, indem er unsere Schuld am Kreuz gesühnt und Gott damit versöhnt hat.
Aber viele fragen sich heute (und viele haben sich schon früher gefragt): Woran ist denn die Erlösung zu merken? Was in der Welt ist dadurch besser geworden? Und musste es sein, dass Jesus, dieser gute und gerechte Mensch, grausam am Kreuz sterben musste, um uns zu erlösen? Was ist das für ein göttlicher Vater, der seinen Sohn am Kreuz sterben lässt, um sich zu versöhnen? Wieviel Gewalt kommt durch dieses Denken in das Zentrum des christlichen Denkens! Und was ist mit all dem anderen, was Jesus tat, seiner Verkündigung vom Gottesreich, seiner Weisheit, seiner Zuwendung zu den Menschen, spielt das alles keine Rolle für die Erlösung?
5. Das Modell „Schöpfung als Berufung“ Wenn die Theologie angefangen hat, ganz neu über das Thema Schöpfung nachzudenken, dann nicht nur deshalb, weil immer weniger Menschen an den Schöpfergott im Sinne des ersten Modells glauben, sondern auch deshalb, weil ihr die Schwächen des alten Modells selbst immer klarer geworden sind. Dabei waren allerdings die Zweifel der Menschen der Auslöser. Hier ist wahr geworden, was Claudia Gärtner in diesem Band über den Umgang der Theologie mit der Ablehnung bestimmter Glaubensinhalte durch die Zeitgenossen schreibt. Sie nimmt diese Ablehnung als eine Herausforderung, diese Dinge neu zu durchdenken. Ein wichtiger Vordenker des Modells „Schöpfung als Berufung“ war Romano Guardini (1885-1968). Sein Buch „Welt und Person“ (Guardini 1988) ist immer noch das Anregendste, was man dazu lesen kann. Michael Welker, Medard Kehl und Gregor Predel sind heute wichtige Vertreter dieser Richtung (Welker 1995, Kehl 2016, Predel 2015). Statt von der Schöpfung aus dem Nichts von der Schöpfung als Berufung zu reden hat zu allererst einen Anhaltspunkt in den bi-
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blischen Schöpfungserzählungen selbst. Von einer Schöpfung aus dem Nichts ist dort nämlich gar nicht die Rede. Vielmehr war ja die Erde bereits da, als Gott anfing zu schaffen. Sie war aber noch „wüst und leer“. Gottes Schaffen besteht dann darin, das Tohuwabohu des finsteren Ursprungszustandes zu ordnen. Er unterscheidet Licht und Finsternis, Himmel und Erde, festes Land und Wasser und macht so Schritt für Schritt die Erde zu einem bewohnbaren Raum. Als es an die Erschaffung von Pflanzen und Tieren geht, da erschafft er gar nicht alles allein, sondern er ruft die Erde auf, lebendige Wesen hervorzubringen. Gott sprach: „Die Erde lasse junges Grün sprießen, Gewächse…, Fruchtbäume… und so geschah es: Die Erde brachte junges Grün hervor, Gewächse…, Fruchtbäume… „ (Gen 1,11f). Hat hier nicht die Erde die Pflanzen hervorgebracht? Oder bei der Erschaffung der Landtiere heißt es: „Dann sprach Gott: Die Erde bringe Lebewesen aller Art hervor… Und so geschah es (V. 24). Was Gott dazu tut, ist, dass er das, was da entstanden ist, so ordnet, dass es zum gemeinsamen Lebensraum passt. Das wird in der Bibel so ausgedrückt, dass Gott die Tiere nach ihren Arten schafft. Er bringt also Ordnung in das Gewimmel der Tiere. Und schließlich heißt es immer: „Gott sah, dass es gut war.“ Diese Gutheißung der Geschöpfe ist kein Selbstlob des Schöpfers, sondern eine lobende Anerkennung dessen, was die Erde hervorgebracht hat. Es ist so, wie wenn Eltern ihren Kindern eine Aufgabe geben und sie dafür loben, dass sie sie gut gemacht haben. Gott als Berufender Gott schafft also durch sein Wort („…und Gott sprach“), genauer: durch ein Anrufen. Er ruft der Erde etwas zu, er beruft sie zu etwas, und damit bringt er die Erde in Bewegung, lässt sie schöpferisch sein. Wenn wir jetzt noch weiter durch die Schöpfungserzählungen gehen, können wir leicht sehen, dass der Schöpfergott ständig solche Berufungen ausspricht: Tiere und Menschen werden berufen, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, die Menschen erhalten die Berufung, sich die Erde nutzbar zu machen und die Tiere zu beherrschen bzw., in der zweiten Erzählung, den Garten Eden zu bebauen und zu hüten und den Tieren Namen zu geben.
Das Modell der Schöpfung aus dem Nichts hat an dieser Stelle ein ganz großes Problem mit der biblischen Korrespondenz! Das Modell
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ist eher philosophisch als biblisch. In der Bibel meint „Schaffen“ nicht ein Hervorbringen aus dem Nichts, sondern ein Gestalten zusammen mit anderen mit dem Ziel, einen gemeinsamen Lebensraum entstehen zu lassen. Gott steht mit den Geschöpfen in einer Beziehung des Austausches und des Zusammenwirkens. Er ruft auf, beobachtet das Ergebnis seines Aufrufs, reagiert darauf und bewertet es („gut!“). Vor allem die zweite Schöpfungserzählung macht deutlich, dass Gott im Prozess der Schöpfung lernt (Erschaffung der Tiere/der Eva). Er ist darauf angewiesen, dass die Geschöpfe mit ihm in Kontakt bleiben. Als sich Adam nach dem Sündenfall versteckt, sucht ihn Gott: „Adam, wo bist du?“
6. Stärken und Schwächen des Modells „Schöpfung als Berufung“ Hier kommt eine Schwäche des Modells zum Ausdruck. Es gibt keine Antwort auf die Frage, warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts. Es enttäuscht die Erwartungen der Menschen, die diese Frage stellen. Es arbeitet mit einem anderen Begriff von Schöpfung. Seine Stärke ist dagegen, dass es ganz neue Spielräume erschließt, um über Gott und insbesondere über seine Macht zu reden. Der Gott der Berufung ist kein einsam über seiner Schöpfung thronender allmächtiger Herr. Zwar hat er zweifellos Macht, aber es ist die Macht, die andere ermächtigt! Das ist eine andere Art von Macht als die, die über andere mächtig sein will und damit unweigerlich die Konkurrenz der Macht heraufbeschwört. Aus diesem sattsam bekannten Machtspielen hält sich Gott heraus. Es ist die Hauptschwäche des ersten Modells, dass Gott hier als einer gezeigt wird, der seine Macht gegen die Geschöpfe ausspielt und diese zwingt, seine überlegene Macht anzuerkennen. Das tut keiner gerne. Nach diesem Modell war es absehbar, dass der Sündenfall erfolgte. Eine Macht indessen, die darin besteht, andere mächtig zu machen, lässt die Geschöpfe größer und nicht kleiner werden. Beeindruckend ist beim zweiten Modell die Korrespondenz mit der Schilderung des Handelns Gottes in der ganzen Bibel. Die Bibel erzählt ja gar nicht die Geschichte vom allmächtigen Weltenlenker, sondern sie erzählt, wie Gott immer wieder einzelne Menschen beruft und sie in eine Aufgabe für andere einweist: Abraham, der allen Völkern zum Segen werden soll, Mose, der das Volk aus Ägypten befreien soll, David, der Gottes Königtum aufrichten soll, die Propheten,
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die Gottes Willen verkündigen sollen usw. Und immer ist er dabei darauf angewiesen, dass die Erwählten und Berufenen mitspielen. Wie schwer hat er sich doch damit getan, den Mose zu bewegen, die Israeliten aus Ägypten zu führen (Ex 3). Die Dramatik der Bibel entsteht immer wieder aus der Frage, ob die Berufenen ihre Berufung annehmen, ob sie sie recht verstehen, ob sie ihr treu bleiben, ob sie zu dem Ziel führt, das Gott damit verbunden hat. Wenn Gott allmächtig (im klassischen Sinne) wäre, hätte er es sich einfacher machen können. So aber kommt auch gut heraus, was Sünde bedeutet. Es bedeutet, sich der Berufung zu verweigern. Es ist alles andere als selbstverständlich, sich aus dem eigenen, beschränkten Dasein herausrufen und in ein Dasein für andere rufen zu lassen. Aber Gott beruft die Menschen eben dazu. So wie auch Jesus die Menschen in die Aufgabe des Gottesreiches berufen hat. Die Kirche: Gemeinschaft der Berufenen Die Kirche ist die Gemeinschaft der Berufenen, die andere berufen sollen, indem sie ihnen die Berufung Gottes mitteilt. Dazu ist sie in der Welt.
Berufung ist eine grundmenschliche Kategorie. Jemanden zu berufen setzt voraus, diese Person zu kennen, ihre Stärke und ihre Möglichkeiten. Berufung setzt intensive Begegnung voraus. Erst die Berufung weckt die Fähigkeiten, die in jemandem stecken. Wenn jemand mir etwas zutraut, wenn er mich für eine große Aufgabe beruft, dann erst traue ich sie mir selbst zu und werde aktiv. Umgekehrt: Menschen, denen man nichts zutraut, die kleingeredet werden, die haben es sehr schwer, etwas zustande zu bringen (heute sagt man noch: Professoren werden in ihr Amt berufen. Und in der Tat: Wenn ich nicht in dieses Amt berufen worden wäre, hätte ich nie gewagt, es auszuüben). Gott kennt die Psychologie des Berufens und handhabt sie meisterhaft. Er hält auch dann noch an seiner Berufung der Menschen fest, wenn diese die Berufung missverstehen, verweigern oder daran scheitern. So wie Jesus am Kreuz gescheitert ist. Für Gott war das kein Grund, ihn aufzugeben. Jesus ist auferstanden, seine Berufung hat sich erfüllt. Darum können wir weiter auf die Erlösung der Welt hoffen.
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7. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“ Zum Schluss können wir noch darauf aufmerksam werden, warum diese drei Eigenschaften Gottes im Credo zusammenstehen. Interpretiert im Sinne des ersten Modells ergeben sie eine üble patriarchale Figur: der allmächtige Vater, dem man alles verdankt und dem man ewig dankbar sein muss. Aber das ist ja ein schlechter Vater, der seine Kinder in Abhängigkeit hält. Ein guter Vater lässt die Kinder selbstständig werden. Er entdeckt ihre Fähigkeiten und ermutigt sie, sie zu leben. Er behält seine Macht nicht für sich, sondern ermächtigt seine Kinder, etwas Eigenes zu werden. Genau wie Gott es in der Schöpfung gemacht hat und weiterhin tut. Darum stehen Gott der Vater, der Allmächtige und der Schöpfer hier beisammen. Schöpfung im Sinne des zweiten Modells bezieht sich nicht mehr auf die Entstehung des Kosmos und der Erde. Die Welt aber, die Gott durch sein Wort der Berufung schafft, ist eine Welt, in der Geschöpfe wachsen können und füreinander und für alle Mitgeschöpfe da sind. Die Menschen, die an Gott glauben, trauen ihm das zu und lassen sich von ihm rufen, an dieser Welt mitzubauen. Die „Schöpfung als Berufung“ ist etwas viel Größeres, Verheißungsvolleres, aber auch viel Anspruchsvolleres als die „Schöpfung aus dem Nichts“. Literatur Guardini, Romani: Welt und Person. Versuche zur christlichen Lehre vom Menschen, 6. Aufl., unveränd. Nachdr. d. 5. Aufl., Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1988 Kehl, Medard: Und Gott sah, dass es gut war. Eine Theologie der Schöpfung, Freiburg: Verlag Herder 2016 Predel, Gregor: Schöpfungslehre, Paderborn: Schöningh 2015 Ritschl, Dietrich: Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge theologischer Grundgedanken, München: Kaiser 1984 Welker, Michael: Schöpfung und Wirklichkeit, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1995
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Theologischer Dialog
Theologischer Dialog Egbert Ballhorn antwortet auf Thomas Ruster
Theologie ist nicht allein die Erklärung von Texten, sondern auch von Kontexten, von Erwartungshaltungen, und sie ist auch eine Reflexion von Lese- und Auslegungstraditionen. Die beiden von Thomas Ruster herausgearbeiteten Konzepte „Schöpfung aus dem Nichts“ und „Schöpfung als Berufung“ machen deutlich, dass es nicht nur verschiedene Möglichkeiten gibt, biblische Texte auszulegen, sondern auch, dass die Auslegung nicht allein vom Text selbst, sondern vom Fragehorizont der auslegenden Person abhängt. Mitunter werden solche Auslegungen so stark, dass sie mit den Texten selbst verwechselt werden. Über Generationen hat man angenommen, dass Gen 1 ein Text über den Anfang der Welt sei und hat ihn als Konkurrenz zu naturwissenschaftlichen Aussagen verstanden. Das liegt gar nicht in der Struktur und Absicht des Textes. Das zweite Modell „Schöpfung als Berufung“ holt die Aussagen von Gen 1 viel besser ein. Als Exeget lese ich diese Interpretation mit Freude und Zustimmung. Wenn es ganz zu Anfang heißt „Gott sprach – und es wurde so“, dann bedeutet das doch, dass Gott aus seinem Sprechen heraus Wirklichkeit entlässt. Die Schöpfung besteht aus dem Sprechen Gottes, durch seine An-sprache wird sie. Und dann benennt er die Elemente noch mit Namen. Im hebräischen Urtext lautet es wörtlich: „Und er rief das Licht: Tag“. Hier wird besonders deutlich, wie sehr Gott in Beziehung tritt, ansprechend, namengebend. Die ganze Schöpfung ist eigentlich nur ein Echo auf seinen Ruf. Die Menschen darin erhalten eine besondere Auszeichnung, denn bei ihnen heißt es „Gott segnete sie und sprach zu ihnen…“. Die Menschen erhalten also eine ganz herausgehobene Ansprache und einen Auftrag. Im Gefolge von Gen 1 kann man die ganze Bibel als Zeugnis von Gott verstehen, der seine Lebensworte in die Welt hinein ruft und sie so lebendig macht. Das sagt etwas Neues und Anderes aus als naturwissenschaftliche Aussagen über die Entstehung des Lebens und tritt nicht in Konkurrenz dazu.
Intermezzo II: Beobachtungen zur Textstruktur Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Amen.
Eine hilfreiche Methode im Umgang mit Texten besteht darin, ganz schlicht auf Wiederholungen in ihm zu achten. Das werden Sie lernen, wenn Sie sich näher mit den Methoden der Bibelauslegung beschäftigen. Aber auch auf den Text des Credo lässt sich diese Blickweise anwenden. Markieren Sie in ihm alle Worte, die mehrfach vorkommen. Hier ist das schon teilweise durchgeführt, es muss jedoch fortgesetzt werden. Welche Dopplungen finden Sie noch? Im Deutschunterricht lernt jedes Kind, dass bei guten Aufsätzen Wiederholungen zu vermeiden sind. Alles andere wäre schlechter Stil. Bei biblischen Texten und auch Traditionstexten wie dem Credo gilt dieser Grundsatz jedoch so nicht. Umgekehrt kann man sagen: Es gibt so etwas wie eine Leitwort-Orientierung. Worte, die mehrfach vorkommen, sind von besonderer Wichtigkeit. Dass Gott „Vater“ genannt wird, begegnet an zwei Stellen im Text, ganz zu Anfang und in der Mitte. Es ist auffällig, dass Gott zu Beginn des Textes als „Vater“ eingeführt wird. Der „Vater“ steht noch vor dem „Schöpfer“. Damit handelt es sich um die wichtigste Gottesaus-
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Intermezzo II
sage, was die Wiederholung im Text bestätigt. Diese Aussage wird jedoch absolut verwendet. Wem gegenüber ist Gott Vater? Der Welt? Den Menschen? Einige Zeilen weiter wird die Aussage dann doch konkretisiert: Jesus Christus ist „sein … Sohn“. Hier wird ein durchaus exklusives Vater-Sohn-Verhältnis ausgesagt. Aber indem Jesus Christus auch „unser Herr“ genannt wird, sind auch die Menschen durch Jesus mit Gott dem Vater in einen vermittelten, aber engen Kontakt eingebunden. Nach seiner Auferweckung sitzt Jesus „zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters“. Die Rede von Gott als Vater holt die alttestamentliche Gottesrede ein, durch den Verweis auf den einen, den „einziggeborenen“ Sohn bekommt die Vaterrede jedoch eine Zuspitzung, die Jesus zum Mittler des Gottesverhältnisses macht. Ein weiteres Wortfeld fällt ins Auge: Auffällig oft ist vom Tod und den Toten die Rede. Der Tod erscheint als eine übermächtige Wirklichkeit: gegenüber Jesus und gegenüber den Menschen. Alle sind ihm unterworfen. Und auch hier gibt es jedoch so etwas wie eine „jesuanische Klammer“: Jesus ist von den Toten auferstanden, und er wird die Lebenden und die Toten richten. Dabei wird das Ziel des Richtens nicht genannt, aber das letzte Wort im Credo hat das Thema „Auferstehung der Toten“. Darauf läuft alles hinaus. Und nach der formalen Dominanz des Wortfeldes des Todes lautet das allerletzte Wort des Textes: Leben. Das Credo ist ein Text, der davon erzählt, wie der Tod überwunden wird. Und ein drittes Leitwort soll hier noch kurz angesprochen werden: Das Heilige. Das Heilige kommt zusammen mit dem Geist in den Text hinein, ja – beides ist im Begriff „Heiliger Geist“ zu einer untrennbaren Einheit verbunden. Wie der Geist handelt, wird nicht gesagt, wohl aber, was er bewirkt: Durch den Heiligen Geist wird Jesus empfangen. Der Geist wirkt jedoch nicht punktuell, sondern anscheinend ständig. Der Heilige Geist entlässt das Heilige aus sich: So gibt es durch ihn eine heilige, allumfassende Kirche und eine Gemeinschaft der Heiligen. Der Geist bewirkt Menschwerdung und Gemeinschaftsstiftung über irdisches Menschsein und menschliche Gemeinschaft hinaus. EB
„unter Pontius Pilatus“. Aus neutestamentlicher Perspektive über die Historizität Jesu Christi reflektieren Dirk Wördemann Über die Historizität Jesu Christi reflektieren
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Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie die sprachliche Verbindung „unter Pontius Pilatus“ als Anspruch der geschichtlichen Verankerung des Credo in der Evangelienbiographie Jesu benennen … können Sie die sprachliche Verbindung „unter Pontius Pilatus“ als Behauptung der Historizität des Christus-Ereignisses in ihrer theologischen Intention bestimmen … können Sie die sprachliche Verbindung „unter Pontius Pilatus“ in ihrer dialektischen Bedeutung für das Bekenntnis zu Jesus Christus als wahrem Mensch und wahrem Gott einstufen
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1. Der Verweis auf Pilatus im Kontext der biblischen Textwelten Wer das Credo spricht, hört unmittelbar nach der Inkarnationsaussage „geboren von der Jungfrau Maria“ den Anschluss „gelitten unter Pontius Pilatus“. Viele Menschen empfinden das als irritierend. Wie kommt Pontius Pilatus in das Credo hinein? Mit diesem Gefüge spricht das Glaubensbekenntnis von NizäaKonstantinopel auch ein Bekenntnis zur Historizität, und zwar zur Historizität der Person Jesu Christi, des Sohnes Gottes, und der mit ihr verbundenen Ereignisse. Hier wird die Geschichtlichkeit des Christus-Ereignisses, d.h. der Kreuzigung, des Leidens, des Todes und der Auferstehung, ausgedrückt. Wie bereits in der antiken Geschichtsschreibung üblich, wird durch den Bezug auf Pontius Pilatus die außertextliche Eigenart des Berichteten sichergestellt.
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Pontius Pilatus ist ein Eigenname. In römisch-republikanischer Tradition, die auch in der Kaiserzeit weitergeführt wurde, dienten Eigennamen und Amtsbezeichnungen als Zeugnisse, bestimmte Ereignisse mit einer Jahresangabe in Beziehung zu setzen (Schumacher 1996, 18). Der Eigenname „Pontius Pilatus“ übernimmt im Credo die Funktion, das christologische Zentralereignis von Kreuz und Auferstehung zur Präfektur des Pontius Pilatus 26-36/37 n. Chr. in Beziehung zu setzen. Dass es Pontius Pilatus als geschichtliche Persönlichkeit gegeben hat, ist durch verschiedene Quellen bezeugt. Am bekanntesten ist die berühmte Pilatus-Inschrift von Cäsarea Maritima (I Caes 43), dazu gibt es Notizen bei Tacitus (Tac.ann.15,44), Philo (Phil.leg.38) und Josephus (JA 18,3,1 u.ö.; JB 2,9,2 u.ö.). Und nicht zuletzt wird er in den Schriften des Neuen Testaments bezeugt, und zwar in den Evangelien (Mt 27,2f.; Mk 15,1f.; Lk 13,1; 23,1f.; Joh 18,29f.), der Apostelgeschichte (Apg 3,13; 13,28) und im Ersten Timotheusbrief (1 Tim 6,13). Die vom Credo auf diese Weise bezeugte Historizität Jesu Christi stellt die Erwähnung des Pilatus in ein Wortnetz hinein, das von frühchristlichen sogenannten „Pistisformeln“ vorgeprägt ist. Die Grundform lautet: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt“ (vgl. 1 Thess 4,14; Röm 1,4). Paulus fand diese Glaubensformeln bereits in mündlicher Tradition vor (1 Kor 15,3). Weil die Formel häufig um ein „für uns…“ ergänzt wird, macht sie deutlich, dass die heilstiftende Beziehung der Glaubenden zu Jesus auch nach Ostern aufrechterhalten bleibt. Im neutestamentlichen Kontext ist die Formel daher vor allem als Beziehungsformel gedacht und höchstens indirekt als historische Aussage. Leiden, Tod und Auferweckung sollen zwar als real geschehenes, leibhaftiges, mit allen Sinnen wahrnehmbares Ereignis und als historisches Faktum verstanden werden, wie es sich bei Paulus durch die Sequenz der Aussagen „gestorben … begraben … auferweckt“ sprachlich verdichtet (1 Kor 15,4.15-19; Apg 13,29). Biographische Verankerungen im Leben des vorösterlichen Jesus werden aber nicht direkt angesprochen. Auch im „Kurzevangelium“ Gal 4,4 beschreibt Paulus die Herkunft Jesu nicht biographisch-historisch, denn er erwähnt nicht den Eigennamen der Mutter (Maria), sondern er spricht allgemein anthropogen-biologisch „… sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“. Und auch die heute in der Forschung für historisch gehaltene Überlieferung vom leeren Grab bzw. des Ortes der Grablegung (vgl. Mk 16,6), der als Hinweiszeichen Historizität
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ausweisen kann, bleibt von Paulus unerwähnt (Hoping 2014, 70f.). Wo von Erscheinungen des Auferstandenen die Rede ist, werden biographische Details für die in der Antike wichtige Augenzeugenschaft (Lk 1,2) in Anspruch genommen (1 Kor 15,5). Mit dem Eigennamen Pontius Pilatus werden die Formelelemente des Christus-Ereignisses jedoch nicht verbunden. Diese Verknüpfung übernehmen die Evangelien in den Passionserzählungen. Dort tritt die Erzählfigur und zugleich außertextlich bezeugte Person Pontius Pilatus als für die Kreuzigung juristisch verantwortlicher Präfekt von Judäa auf (vgl. dazu Schneider 2014, 255-258 u. Wesch-Klein 2016, 51). Damit ist das Christusereignis historisch verortet. Es fällt in die Zeit der Präfektur des Pontius Pilatus über die Provinz Judäa von 26 bis 36/37 n.Chr., nach der absoluten Chronologie des Joh-Evangeliums in das Jahr 30 (Hoping 2014, 60). Die Angabe im Credo „unter Pontius Pilatus“ hat somit eine doppelte Aussage: Es geht in ihr um einen Hinweis auf die Chronologie der Kreuzigung Jesu in einer bestimmten Amtszeit und zugleich um die Benennung der Urteilsvollmacht für das Geschehen. Die vom Credo behauptete Historizität des Christus-Ereignisses durch den Bezug zur Präfektur des Pontius Pilatus wird durch den gattungshermeneutischen Anspruch der Evangelien untermauert. Die Evangelien sind als Erzählungen zu betrachten, die analog zur antiken Gattung der Biographie (bios) verfasst wurden (Wördemann 2002, 135-197; Dormeyer 2005, 166-185; Rüpke 2016, 347-352, 362-365). Die bios-Literatur ist ihrerseits der Geschichtsschreibung zuzuordnen (Wördemann 2002, 49). Die Erzählgattung „Evangelium“ als Form der bios-Literatur vertritt diesen Anspruch auf historiographische Korrektheit. Der Verfasser des Lukasevangeliums bringt dies in seiner Formulierung „nachdem ich allem von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin“ (Lk 1,3) klar zum Ausdruck. Es geht um historische Verlässlichkeit, Gewissheit und Tatsächlichkeit. Dennoch stellt er unter dem Axiom der historischen Genauigkeit die chronologische und thematische Anordnung der Ereignisse des Lebens Jesu um und baut die markinische Vorlage narrativ aus. Alle kanonischen Evangelienbücher unterscheiden, ja widersprechen sich in der Folge mitunter deutlich. Die grundsätzliche Kommunikationsform der Narrativität von Geschichtsschreibung mit ihren sinnfälligen Konsequenzen, dass ein und dasselbe Ereignis in divergierenden stories dargestellt werden kann und werden darf, lässt sie dennoch nicht zur fiktiven Literatur werden. Nach den Konventionen antiker Geschichtsschreibung war das erlaubt.
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Die Fiktionalität der historiographischen bios-Literatur der Evangelien bedeutet, geschichtliche Ereignisse nach sinnstiftenden Absichten unter Berücksichtigung der Textsorte mit ihren Gattungsgrenzen in Erzählungen zu überführen und dabei die story aus Elementen der Darstellung von außertextlicher Wirklichkeit zusammenzusetzen (Evans 2002, 91f.). Die Evangelien führen damit alttestamentliche Traditionen weiter, Offenbarungserfahrungen der Menschen mit Gott als Handeln Gottes am Menschen in der Geschichte zu erzählen und dadurch mit fiktionalem Sinn für die Deutung Jesu Christi aufzuladen: „Wer Jesus Christus ist, sagt seine Geschichte.“ (Pesch 1984, 43) Pontius Pilatus in Bibel und Credo In diesem narrativen Sinn kann man auch das Credo interpretieren: Es behauptet die Geschichtlichkeit der zu bekennenden Glaubensinhalte, und zu diesem Zweck übernimmt es Handlungssequenzen aus den Evangelien, verknüpft sie mit der Person des Pontius Pilatus und führt auch die Pistis-Formeln der neutestamentlichen Literatur fort.
2. Der Verweis auf Pilatus im Kontext des gesamten Credo Im Akt der Rezitation des Credo kommt das Aussprechen des Eigennamens Pontius Pilatus einem pragmatischen Signal gleich. Bisher ging es in der Abfolge des Textes um die „großen Themen“ Schöpfungstheologie, Christologie und Soteriologie (Gott, Vater Allmächtiger, Schöpfer, Präexistenz, gottgewirkter Empfängnis, Inkarnation, stellvertretender Tod). Und auch wo Menschen mit ihren Eigennamen erwähnt wurden, geschieht es im Kontext christologischer Hoheitstitel: Jesus erhält die Titel „Herr“ und „Christus“ (ohne Artikel als Teil des Eigennamens und zugleich als Titel) und „Gottes Sohn“. Und auch Maria wird „Jungfrau“ genannt, was ebenfalls eine soteriologische Aussage ist und eine entsprechende Bedeutung für den Glauben beinhaltet. In diesem Ensemble himmlischer und erhöhter Gestalten ist die Platzierung eines profanen römischen Menschen mit seinem Eigennamen kognitiv und emotional auffällig. In das theologisch-christologische Bekenntnis wird ein bis zu diesem Moment noch nicht im
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Fokus stehender Aspekt eingewoben: der biographische Bezug (Vorgrimler 2000, 333). Wer das Credo spricht, wird unmissverständlich auf einen bestimmten Raum und eine bestimmte Zeit der Geschichte verwiesen. Der Eigenname „Pontius Pilatus“ ist mit einer konkreten, begrenzten Lebens- und Amtszeit und einem damit einhergehenden Ort des Handelns verbunden. Mit dieser Historizität korrespondiert im Bekenntnis des zweiten Artikels zum Sohn der Eigenname „Jesus Christus“, der wegen seiner auf die neutestamentlichen Christusbekenntnisse zurückgehenden Verknüpfung mit dem Sohnestitel nicht nur selbst schon das kürzeste Glaubensbekenntnis (Schneider 2014, 196) beinhaltet, sondern aufgrund des Interesses der narrativen Christologien insbesondere der Evangelien am irdischen Weg des Gottessohnes zum biographischen Cognomen Jesu geworden ist (Mk 1,1) (Hoping 2014, 75). Die Bedeutung der Eigennamen im Credo Zwei Eigennamen stehen einander gegenüber und sind miteinander verknüpft. Jesus Christus und Pontius Pilatus können als historische Akteure in einen gemeinsamen historisch-biographischen Ereigniszusammenhang gestellt werden.
Mit dieser Einpflanzung des Credo in die Geschichte sind diejenigen, die sich zum „Sohn“ bekennen, mit der christologischen Fallhöhe der Textstruktur konfrontiert. Im frühchristlichen hermeneutischen Modell von Abstieg und Aufstieg (Phil 2,6-11) erfahren die Sprechenden des präpositionalen Ausdrucks „unter Pontius Pilatus“ das Ankommen am tiefsten Punkt christologischen Durchlaufens und Durchdringens. Von der in schöpfungstheologischen Reflexionen zu Beginn des Credo eingebetteten göttlichen Präexistenz des Herrn Jesus Christus kommend, haben sich die Bekennenden nun mit allen Konsequenzen zu dem zu positionieren, was es heißt, dass Jesus Christus „Mensch geworden ist“ (vgl. Joh 1,14). Aus überzeitlichen Dimensionen der Existenz Jesu Christi ist das Bekenntnis des Glaubens an Gott Vater und seinen eingeborenen Sohn in die historischen Relationen und Ereignisse des Menschen Jesus Christus zu überführen. Die Satzteilfolge „für uns gekreuzigt-gelitten-begraben“ bildet zusammen mit der Wendung „unter Pontius Pilatus“ die biographische Verankerung des Credo. Mit diesem biographischen Schema wird das Bekenntnis zur menschlichen Bezugsperson Jesus Christus jeder
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Möglichkeit utopischer, von Historizität unabhängiger Sinnbestimmung entzogen und an ein in der realen Welt singuläres Ereignis in Jerusalem gekettet. Dort und nur dort fand dieses Heilshandeln Gottes an und durch Jesus Christus als einmaliges und letztgültiges Offenbarungsgeschehen Gottes durch seinen Sohn statt. Das Credo bewahrt die Einheit der Geschichte Jesu Dass Gottes Sohn und in ihm Gott selbst sich unter einen römischen Präfekten Pontius Pilatus erniedrigt, ist ein aufsehenerregendes Signal in einer hierarchiefixierten antiken Gesellschaft, und zugleich wird es im Duktus biblischer Sprache und antiker Geschichtsschreibung dargestellt. Das Credo erinnert und bewahrt auf diese Weise „die Einheit der Geschichte Jesu, in der sich für uns Gottes endgültige Selbstoffenbarung erschließt“ (Pröpper 1991, 7; vgl. 43.47).
Hier sind wir im Zentrum des Credo angekommen. Die Christologie des Credo hat in der trinitarischen Mitte des zweiten Glaubensartikels zum Sohn einen historischen Verstehens- und Deutungskern (Schneider 2014, 186). An diesem Kern haftet der Drehpunkt der christologischen Dimensionen des Ab- und Aufsteigens. Der Umschwung erfolgt mit der Auferweckung und Erhöhung Jesu Christi zum endzeitlichen königlichen Messias (Schreiber 2015, 238f.), dessen Parusie und richterlichen Vollendung seiner Herrschaft. Das sich anschließende Bekenntnis zur zukünftigen überzeitlichen Herrschaft Jesu Christi ist im Gefälle des Syntagma sub Pontio Pilato zugleich das Bekenntnis zum Leiden, Sterben und der Auferstehung als einem einmaligen historischen Ereignis mit theologischem Sitz im geschichtlich sich vollziehenden Offenbarungshandeln Gottes am Menschen Jesus Christus (Wenzel 2016, 76-82). Die Verankerung der Zwei-Naturen-Lehre im Credo Das Credo sichert im Zentrum des Bekenntnisses zum Sohn mit dieser sprachlichen Verankerung der Historizität Jesu die Dialektik vom Denken und Reden Jesu Christi in den philosophischen Kategorien der sogenannten Zwei-Naturen-Lehre als wahrem Gott und wahrem Mensch.
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3. Die Bedeutung der Historizität für den eigenen Glauben Die individuelle Glaubensbiographie im soziohistorischen Kontext der Spätmoderne sieht sich mit der Anforderung konfrontiert, aus einer unüberschaubaren Vielzahl von allgemeinen weltanschaulichen und dezidiert religiösen Perspektiven eine eigene unverwechselbare Biographie entwickeln zu müssen. Daher spricht man auch von einer Bricolage-Identität (Roebben 2011, 46). Entsprechend dem Ideal unserer Epoche geschieht das nahezu völlig selbständig, frei, selbstbezogen und immer kreativ konstruierend, in jedem Fall aber nicht abhängig oder gar offensichtlich gelenkt von irgendeiner Gemeinschaft und ihren tradierten Erfahrungen (Roebben 2011, 49). Dazu steht das Credo im Kontrast. Es gibt einen Text vor, der Glaubenswahrheiten der christlichen Gemeinschaft behauptet und vom Individuum nicht verändert werden kann. Was dem spätmodernen Individuum in der Rationalität des Bricolagehandeln jedoch oftmals schmerzlich fehlt, ist der relationale Zuspruch von Bedeutung seiner Biographie (Roebben 2011, 49). Mit der Formulierung „unter Pontius Pilatus“ wird nicht nur die Geschichtlichkeit Jesu Christi behauptet, sondern auch das Moment der Begegnung in das Credo hineingeschrieben. Dies kann unserer heutigen Wahrnehmung entsprechen, denn: Andere Menschen haben für das Individuum immer Bedeutung. Jede Begegnung erzeugt unmittelbar Aufmerksamkeit und Spannung hinsichtlich der Erfahrungen, Intentionen, Wünsche und Ziele des anderen. Das Ereignis der Begegnung eines anderen Menschen ist ein Erleben von Emotionen. Emotionen beziehen sich immer auf Ereignisse und sind das Produkt von Bedeutungszuschreibungen und somit selbst wiederum Träger von Erfahrungen mit Bedeutung (Wördemann 2016, 19-162). Die Begegnung der Biographie eines anderen ist der relational-emotionale Gegenentwurf zur rationalen Konstruktion des spätmodernen Lebensprojektes und zugleich die Brücke zur Kommunikation von Bedeutung. In der antiken bios-Literatur haften Emotionen an den fiktional narrativierten Erfahrungen der Erzählfiguren, insbesondere des Helden. Die Lesenden treten durch Identifikation in Kommunikation mit den emotionalen Erfahrungen des Protagonisten. Es kommt zur Verflechtung und Horizontverschmelzung der Biographien von Rezipient und Erzählfigur. Über die emotionale Decodierung der Ereignisse im bios Jesu Christi verstehen, verarbeiten und bewältigen die
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Lesenden ihre Überzeugungen und Wünsche hinsichtlich ihrer eigenen Glaubensbiographie (Wördemann 2016, 163-423). In dem bios Jesu Christi, der erinnert und als historisch anerkannt wird, kann Glaube Orientierung und damit Sicherheit durch Bedeutungszuschreibung finden (Lk 1,4). Mit der Übernahme des biographischen Schemas des ChristusEreignisses fließt dessen emotional-pragmatische Kraft in das Credo ein. Der sich Bekennende verbindet die eigene Biographie mit dem bios Jesu Christi, der „unter Pontius Pilatus“ gelitten hat. Emotionale Glaubensfragen von existentieller Bedeutung, wie die nach dem Leiden und der heilstiftenden Hoffnung auf Auferstehung bzw. dem Handeln Gottes an und in der Welt, können an einen Menschen in Raum und Zeit geknüpft werden. Sie verlieren sich nicht in rationaler Kälte philosophischer Schlussfolgerungen oder in der Beliebigkeit eines spätmodernen Eklektizismus, der sich nimmt, was nur den eigenen Überzeugungen und Wünschen entspricht. Der Bekennende heftet seinen Glauben mit allen aus der eigenen Erfahrung entstandenen Überzeugungen, Wünsche und Fragen an eine Begegnung, an die Begegnung mit der Biographie Jesu Christi. Aus dieser Begegnung kommt der Sprechende mit einer emotionalen Erfahrung von Relationalität zurück. Zurück aus einer Beziehungserfahrung, die nicht harmonisierend, bestätigend, das eigene Biographieprojekt lediglich affimierend wirkt, dennoch gerade durch ihre behauptete Historizität des bios Jesu Christi Verlässlichkeit hinsichtlich des geschichtlichen, auf das Leben der Menschen gerichteten Offenbarungshandeln Gottes Bedeutung für die spätmoderne Lebensbricolage bereitstellt. Die behauptete Historizität Jesu Christi eröffnet Vertrauen und damit Glauben, weil sie dem bekennenden Menschen und seiner Biographie Bedeutung zuspricht. Das ist die biblisch immer zugesprochene Bedeutung durch unbedingte und ungeschuldete Treue Gottes zum Menschen in jeder Lebenslage (Kampling 2015, 430). Auf diese Treue kann eine Beziehung gegründet werden, die ein Glaubensleben ermöglicht, das Leiden und Niederlagen nicht leugnen muss und sich nicht in rationaler Selbstoptimierung erschöpft, sondern eine in Raum und Zeit unverrückbare Verortung hat: den bios Jesu Christi.
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4. Die Entfaltung des Themas und die Ermöglichung theologischer Kompetenzen Eine solche Auslegung der Credo-Passage ermöglicht den Aufbau theologischer Kompetenzen in den kognitiv-hermeneutischen Bereichen des Fragens und Verstehens wie auch in den kommunikativinteraktionalen Bereichen der Argumentation und des Diskurses. Die darin liegenden Teilkompetenzen des Theologisieren-Könnens lassen sich hierarchisch aufsteigend in die Stufen Wissen, Deutung und Urteil differenzieren. Die biographische Notiz sub Pontio Pilato weckt in mir beim Lesen des Credo zunächst die wissensorientierte Frage nach der Nennung der Person des Pontius Pilatus. Wer war Pontius Pilatus? Für die theologische Argumentation auf der Wissensebene kann ich diese Bestimmung der Historizität des Pontius Pilatus erstens anhand der antiken Quellenlage begründen und zweitens unter Verweis auf die antike Rhetorik und deren Kategorisierung eines Eigennamens als Beweismittel für historische Tatsachen in historiographischen Textklassen (Gattungen) heranziehen. Diskursiv ermöglicht mir das Thema auf dieser Ebene die Analyse syntaktisch-semantischer Strukturen der Einbettung der präpositionalen Wendung sub Pontio Pilato in das von der Evangelienliteratur narrativ codierte biographische Schema „Leiden-Sterben-Tod-Auferweckung“. Daraus ergibt sich auf der Deutungsebene für mich die Frage nach der Intention der Verknüpfung von Pontius Pilatus und Jesus Christus. Im dadurch angeregten Akt des Verstehens ermittle ich diese intentionale Verknüpfung als Behauptung der Historizität des Christus-Ereignisses. Argumentativ kann ich dann herausstellen, dass mit dieser Verbindung die Pragmatik der Verankerung des Bekenntnisses zur wahren Gottheit und Menschheit Jesu Christi in das narrativ codierte Heilshandeln Gottes im irdischen Evangeliumbios Jesu für uns Menschen dargelegt wird. Im theologischen Urteilen wird für mich die Frage nach der Bedeutung der Historizität Jesu Christi für das bekennende Credo zu Jesus Christus hervorgerufen. Zum Aufbau der Verstehenskompetenz kann ich einstufen, dass die Behauptung der Geschichtlichkeit Jesu in ihrer Bedeutsamkeit für das Bekenntnis zu Jesus Christus als wahrem Mensch und wahrem Gott hermeneutisch fundamental ist. Die urteilende Argumentation lässt mich schließen, dass mit der Verankerung der christologischen Reflexionen des Credo in ein historisches Raum-Zeit-Gefüge die äquivalente Bedeutung der wahren Mensch-
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heit Jesu zur Gottheit des Sohnes und damit das Bekenntnis zum soteriologischen Offenbarungshandeln Gottes in seinem Sohn als Eschaton der biblisch erzählten Geschichte Gottes mit den Menschen festgestellt wird. Im Diskurs kann ich mit diesem Thema die Kompetenz entwickeln, dass in einem auf Verständigung zielenden Dialog durch Horizontverschmelzungen einer neutestamentlich perspektivierten Textanalyse die Behauptung der Historizität Jesu Christi in ihrer theologischen Kohärenz hinsichtlich der christologischen Rahmenaussagen des Credo und der biblischen Intertextualität als Kraft für ein Bekenntnis zur offenbarten Gottheit Jesu unter Einschluss seiner Menschheit festzusetzen ist. Literatur Dormeyer, Detlev: Einführung in die Theologie des Neuen Testaments, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2010 Pilhofer, Peter: Das Neue Testament und seine Welt, Tübingen: Mohr Siebeck 2010 Schreiber, Stefan: Die Anfänge der Christologie. Deutungen Jesu im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2015 Wördemann, Dirk: Das Charakterbild im bios nach Plutarch und das Christusbild im Evangelium nach Markus, Paderborn: Schöningh 2002 Wördemann, Dirk: Emotion und Textverstehen. Ein Beitrag zur pragmalinguistischen Bibelexegese, Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2016
Theologischer Dialog Simone Horstmann antwortet auf Dirk Wördemann
Dirk Wördemann fragt nach der Bedeutung, die der Hinweis auf Pontius Pilatus im Credo hat – und er entwickelt daraus zugleich die Grundlinien einer narrativen Theologie, die in meinen Augen auch für die Systematische Theologie bedeutsam sind. Wenn ein Mensch danach gefragt wird, wer er ist, antwortet er üblicherweise mit einer Geschichte und erzählt sein Leben. Diese anthropologische Beobachtung finde ich hier neutestamentlich bestätigt. Immer wieder stoßen
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wir auch theologisch auf Geschichten, ohne dass dieser Befund schon ausreichend diskutiert und ausgewertet worden wäre. Das Credo ist eine solche Geschichte, aber auch die bios-Literatur der Antike, auf die Dirk Wördemann hinweist, ebenso wie all die Geschichten, die Christinnen und Christen heute über sich erzählen, und nicht zuletzt die eine, „große“ Heilsgeschichte (auf die Gregor Taxacher eingeht). Wir sind in der Tat, wie es der Philosoph Wilhelm Schapp einmal formulierte, „in Geschichten verstrickt“. Zugleich blicken wir heute zum Teil auch skeptisch und abwertend auf Geschichten, denn: Geschichten erzählen kann (fast) jeder – sie müssen nicht stimmen, können falsch oder sogar erlogen sein. Gerade hier zeigt sich eine spannende Schnittfläche zwischen Exegese und Systematischer Theologie: Denn die Systematische Theologie interessiert sich besonders für die Wahrheitsfrage und steht damit vor der Entscheidung, wie sie den theologischen Stellenwert des Narrativen zu bewerten hat. Daher ist es nicht unbedeutsam, dass Dirk Wördemann aus neutestamentlicher Sicht einen versöhnlichen Vorschlag macht: Gerade Pontius Pilatus, also jene Person in der „Story“ des Credo, die sich biblisch so spöttelnd über die Wahrheit äußert („Was ist Wahrheit?“, Joh 18,38), verbürgt zugleich die historische Wahrheit bzw. Historizität des Christusereignisses.
„Gelitten… und auferstanden“. Aus biblischer Sicht über Leiden und Rettung nachdenken Egbert Ballhorn Über Leiden und Rettung nachdenken
Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie die Dramaturgie und die Aussagen von Psalm 22 inhaltlich und formal beschreiben … können Sie die Bedeutung von Psalm 22 für die Passion Jesu erschließen … können Sie die Kurzformeln des Credo biblischen Texten zuordnen und deren Verhältnis zueinander kommentieren
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Der Text des Credo und der Text der Bibel stehen durchaus in Spannung zueinander. Das Credo ist eine geschichtlich-kontingent-konstitutive Formelwerdung von Glaubenserfahrung und -reflexion. Es ist durch einen geschichtlichen Prozess zustande gekommen, und es zeigt auch an: Die Texte der Bibel sind glaubensproduktiv gewesen. Spätere Generationen haben sich an ihnen abgearbeitet, sie weitergedacht und für ihre Zeit aktualisierend systematisiert. Anhand eines konkreten Textbeispiels soll aufgezeigt werden, wie biblische Konzepte und Vorstellungen im Hintergrund der Kurzformeln des Credo stehen und zu dessen Verständnis beitragen. Die Bibel ist Gottes endgültiges Wort an die Welt, aber gerade weil sie von Menschen glaubend und denkend aufgenommen wird, setzt sie weitere Worte frei. Was man aus der Bibel erfahren hatte, musste unter den Fragestellungen der jeweiligen Gegenwart neu ausgesagt werden. Die Basisfrage der Offenbarung des Neuen Testament, die man mit den Worten Dietrich Bonhoeffers so ausdrücken könnte: „Wer ist Jesus Christus für uns heute?“ hat die Kirche intensiv beschäftigt. Das bezeugen die Konzilien der Alten Kirche, und davon findet sich auch ein Niederschlag im Apostolicum.
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Impulsfrage: Welche neutestamentlichen Themen, Motive, Titel und Erzählungen führen Sie auf, wenn Sie gefragt werden, was vom Neuen Testament her wichtig ist, über Jesus Christus auszusagen? Vergleichen Sie Ihre Aufstellung mit dem Text des Credo. Überlegen Sie, was die gefundene Differenz bedeuten könnte.
Schaut man genauer hin, so mag das Ergebnis erstaunen: Der Christologie-Artikel ist der längste im gesamten Text, aber was von Jesus Christus gesagt wird, ist dann doch wieder sehr wenig. Von seinem gesamten irdischen Leben kommen nur Geburt und Tod und Auferstehung vor. All das, was im Neuen Testament so breit in den vier Evangelien geschildert wird, ist ausgelassen. Das mag durchaus irritieren: Jesus als Verkündiger der Königsherrschaft Gottes, als Heiler, als Lehrer kommt nicht vor. Ganz im Gegenteil: Im Grunde wird das gesamte Leben Jesu allein mit Passiv-Ausdrücken versehen. Er „tut“ nichts, sondern es geschieht etwas mit ihm. Er wird durch den Heiligen Geist empfangen, er wird geboren, er muss leiden, er wird begraben. Nach dem Zeugnis des Credo „geschieht“ das ganze Leben mit Jesus, er erduldet es. Von eigenem Handeln Jesu ist, im Kontrast zu den Evangelien, nicht die Rede! Umso aufsehenerregender ist dann die Fortführung: Nach seiner Auferstehung sitzt er zur Rechten Gottes, und er wird richten. Das ist eine erstaunliche Perspektive und eine ganz besondere Art von Christologie. In seinem irdischen Leben ist Jesus Christus allen Menschen gleich: Er wird in das Leben geworfen (wenn auch freilich durch den Heiligen Geist) und wird durch die Macht eines Menschen aus dem Leben genommen. Er ist dem Leiden unterworfen und tritt damit in tiefe Solidarität zu all jenen Menschen, deren Leben fremdbestimmt „gelebt“ wird, die nichts kennen als Unterdrückung und Leiden. Und dann ereignet sich im Text das Paradox. Nach seinem Tod, dem Punkt absoluter und endgültiger Passivität, wird er auferweckt. Danach ist Jesus der aktiv Handelnde, er thront und er richtet. In beiden Extremen, in seiner Leidenssolidarität und in seiner Machtfülle, ist er das Hoffnungszeichen für die Menschheit. In der Knappheit des Credo stecken umfangreiche Konzepte und Aussagen. Durch seine Auswahl setzt das Credo ganz eigene Schwerpunkte. Dabei jedoch basiert es auf biblischen Aussagen und setzt diese stillschweigend voraus. Diesem biblischen Subtext soll im vorliegenden Beitrag nachgegangen werden. Vieles im Text wird so
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knapp angerissen, dass man den Eindruck hat, es sei alles ganz selbstverständlich. Doch auch die bekannten Aussagen sind, bei Licht betrachtet, ganz und gar nicht selbstverständlich. Dass Jesus leiden und sterben musste, sind wir gewöhnt, aber es ist keineswegs eingängig. Er war Gottes eingeborener Sohn – warum wird er dem Leiden und dem Sterben unterworfen? Das ist echter Sprengstoff. Das Credo scheint vorauszusetzen, dass diese Frage geklärt ist. Hier baut es ganz selbstverständlich auf die biblischen Aussagen auf. Das Credo bietet gewissermaßen eine Kurzformel. Wenn wir also verstehen wollen, was es mit dem Leiden und der Rettung Jesu aus dem Tod auf sich hat, müssen wir in die dahinterliegenden Texte der Bibel steigen.
1. Die letzten Worte Jesu Warum wird Jesus Christus zu Leiden und Tod verurteilt wie ein sündiger Mensch? Wie kommt Gottes Sohn dazu zu sterben? Was hat es mit seiner Auferstehung auf sich? In den Evangelien ist von der Passion Jesu Christi umfangreich die Rede. Impulsfrage: Nach dem Zeugnis des Markus-Evangeliums ist Jesus mit den Worten auf den Lippen gestorben „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34). Es ist ein außergewöhnliches, unerwartetes Wort – sicher nicht das, was man erwarten würde. Bedenken Sie, was mit diesem Wort gesagt wird, welche Botschaften in diesem Wort stecken. Finden Sie Paraphrasen und Formulierungen, die die verschiedenen Aspekte des letzten Wortes Jesu auffächern.
Hier spricht jemand, der unter der Abwesenheit Gottes leidet. Aber zugleich wird diese Abwesenheit dem Abwesenden ins Gesicht hinein geklagt. „Warum hast du mich verlassen?“ ist nicht allein eine Gegenwarts-Aussage, denn es wird ja auch ein Vergangenheitszustand vorausgesetzt. Gott war einmal da. Die Frage lässt auch die Möglichkeit offen, ersehnt sie geradezu, dass Gott sich dem Sprecher wieder einmal zuwenden könnte. Und immer noch ist eine Beziehungsaussage darin enthalten: Selbst der abwesende Gott ist für den Sprecher immer noch „mein Gott“. Dabei setzt die Frage „warum hast du mich verlassen?“ voraus, dass Gott sich von diesem Menschen entfernt hat, nicht umgekehrt. Der Mensch, der sie ausspricht, ist sich keiner
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Schuld bewusst. Gott hat völlig unerwartet und unverständlich gehandelt. Diese Worte sind ein Gebet, eine Frage, eine Anklage, eine Bitte und ein Bekenntnis zugleich. Wenn dem sterbenden Jesus solche Worte in den Mund gelegt sind, dann sind damit weitgehende Aussagen zur Christologie gemacht. Erlösung ist kein Automatismus und Jesus nicht einfach jemand, der ein vorgegebenes Schicksal gleichsam automatisch abarbeitet. Er ist ein Mensch, der in einem intensiven, intimen Verhältnis zu seinem Gott steht, dessen Abwesenheit hinausschreit und zugleich zutiefst auf ihn hofft. Hier wird auch definiert, was Glauben heißen kann: Nicht nur Ja und Amen sagen, sondern mit Gott ringen, mit ihm reden und rechten, ihn anklagen und fragen. Woher hat er diesen Glauben? Woher nimmt er seine Worte? Es ist entscheidend, dass das letzte Gebet Jesu nicht allein seine persönlichen Worte sind, sondern ein Zitat. Jesus zitiert Ps 22. Schon allein diese Tatsache hat ihre tiefe Bedeutung. Sie zeigt, dass Jesus in der Tradition seines Volkes Israel steht, dass er gebildet ist und diese Psalmenworte so erlernt und verinnerlicht hat, dass sie ihm im Leiden zur Verfügung stehen. Sie geben ihm eine Sprache, sich selbst, seinen Glauben und seine Erfahrungen auszudrücken. Sie sagen auch, dass er nicht der einzige ist, der so etwas erfährt. Nicht allein in seinem Leiden, auch in der Glaubens-Sprache, die er spricht, ist Jesus solidarisch mit den Menschen und insbesondere mit seinem Volk. Jesus verwendet die „vorgegebene“ Gebetssprache seines Volkes. Nicht aus mangelnder Originalität, sondern weil darin alles enthalten ist, was er ausdrücken möchte. So tritt er ein in die Reihe der vielen Mitglieder des Gottesvolkes vor ihm. Und zugleich bestätigt er als Sohn Gottes, dass diese Weise, mit Gott zu sprechen, unbedingt berechtigt und angemessen ist. Jesus findet keine neuen Worte für sein Gebet, und er steht auch nicht entrückt über dem Glauben seines Volkes und der Glaubenssprache der Bibel. Er ist gläubiger Israelit und Jude. Indem er sich die Worte der Schrift zu eigen macht, wird er auch zum Vorbeter für all diejenigen Menschen, die ihm nachfolgen werden. In der Nachfolge Jesu werden viele weitere Mensch das Gebet Jesu zu ihrem eigenen machen. Anhand von Ps 22 zeigt sich exemplarisch, wie das Neue Testament, speziell die Passionserzählung nach Markus, das Alte Testament aufnimmt.
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Die Bedeutung von Psalm 22 in der Passion Durch einen einzigen Psalmenvers wird im Markusevangelium eine komplexe Christologie errichtet; eine Christologie, die mit Schrift-Theologie und Israeltheologie eng verbunden ist.
2. Auslegung von Ps 22 Das Bild erweitert sich um weitere Dimensionen, wenn man den gesamten Psalmentext in den Blick nimmt. Nicht nur der Eröffnungsvers ist wichtig, denn der gesamte Psalm 22 enthüllt ein umfangreiches Erfahrungspanorama. Der verzweifelte Schrei steht ganz am Anfang und eröffnet die Kommunikation mit Gott. Der folgende Vers intensiviert die Aussage noch einmal: „Ich rufe bei Tag, und du antwortest nicht, bei Nacht, und mir wird keine Ruhe“ (Ps 22,3). Das Leiden des Beters ist nichts Einmaliges, sondern ein langanhaltender Zustand. Tag und Nacht versucht er Kontakt zu Gott aufzunehmen – ohne Erfolg. Dazu im Kontrast steht die Heiligkeit und anscheinende Ferne Gottes: „Aber du bist heilig, du thronst auf den Lobgesängen Israels“ (Ps 22,4). „Auf dich haben unsere Väter vertraut. Sie haben vertraut, und du hast sie gerettet“. Das ist der nächste Kontrast. Die Vorfahren im Glauben, sie wurden gerettet. Auch hier schwingt, wie in der Eröffnung, eine eigenartige Ambivalenz mit. Die Rettung der Vorväter ist ein Haftpunkt, eine vorgegebene Tatsache, ein Grund zu vertrauen. Zugleich aber steht sie im bitteren Gegensatz zum gegenwärtigen Leiden. Was an den Vätern und Müttern des Glaubens geschah, scheint jetzt seine Kraft verloren zu haben. Denn umso bitterer setzt dann die Klage des Beters ein, „Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch“ (Ps 22,7). Ihre Härte kommt darin zum Ausdruck, dass sie in paralleler Form einen totalen Kontrast zu v.4 herstellt: „du aber – heilig… ich aber: ein Wurm“. Gott heilig in der Höhe, der Mensch erniedrigt am Boden. Wenn sich der Beter des Psalms mit einem Wurm vergleicht, eröffnet er eine längere Reihe von Tiervergleichen, die allein angemessen scheinen, die unmenschliche Lage des Bedrängten und das unmenschliche Verhalten der Bedränger auszudrücken. Mit starken Bildern wird hier eine umfangreiche Dramaturgie entwickelt. Im Ablauf des Psalms ersteht ein ganzes Drama von Leiden und Rettung. Der Form nach ist es ein Gebet, eine Klage – am Ende ist es ein Bekenntnis und ein Lobaufruf. In diese literarische Gestalt
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ist jedoch auch eine anthropologische Grundfrage hineingeschrieben: Wie kann es sein, dass ein unschuldiger Mensch so leiden muss? Diese Frage wird im Psalm mit der Gottesfrage zusammengebracht. Auch Ps 22 hat Theologierelevanz. Er ist nicht einfach ein Gebet, sondern viel mehr als das: In ihm wird erzählt, gelebt, gelehrt, gefragt, verkündet. All das sind auch Weisen, Theo-Logie zu betreiben: Das geschieht nicht nur in einer expliziten Lehrsprache, sondern innerhalb der Bibel in ganz unterschiedlichen literarischen Gestalten. Ps 22, ganz konkret, schildert verschiedene Stadien der Erfahrung und der Reflexion. Auch die Öffentlichkeit kommt ins Spiel. Das Elend des Beters besteht nicht allein in seiner Einsamkeit und empfundenen Gottverlassenheit, sondern in sozialer Ausgrenzung. Die anderen Menschen haben sich nicht nur von ihm abgewandt, sondern ihn zum Gegenstand ihres Spottes gemacht. Wer genau diese Feinde sind, wird genauso wenig gesagt, wie die Identität des Beters gelüftet wird. Das Profil der Feinde kann nur aus der Schilderung ihres Verhalten durch den Beter erkannt werden. Brisanz erhält ihre Gruppe dadurch, dass es sich um Israeliten handeln muss, die damit in starkem Kontrast zu den im Anfangsteil des Psalms geschilderten „Vätern“ (und Müttern) stehen, die sich durch ihr Gottvertrauen auszeichneten. Der Beter lässt die Feinde mit einem wörtlichen Zitat zu Wort kommen, „er wälze (die Last) auf den HERRn, der lasse ihn entrinnen“, so sagen sie (Ps 22,9). Das Gottvertrauen, das die Väter noch auszeichnete, ist ihnen abhanden gekommen, dafür aber laden sie den verzweifelnden Beter sarkastisch zu diesem Vertrauen ein, anscheinend in der festen Gewissheit, dass solches Vertrauen notwendig ins Leere gehen muss. Und damit treffen sie durchaus ins Schwarze, denn die erfahrene Gottverlassenheit ist ja gerade die Ausgangssituation des Beters, mit der der Psalm anhebt. Dies ist also eine recht verschlungene Kommunikationssituation, die hier vorzufinden ist. Die Väter und Mütter Israels haben auf Gott vertraut und sind gerettet worden, das steht außer Frage. Mitglieder einer neuen Generation wollen dies nicht, laden aber den verzweifelten, gerade von ihnen selbst alleingelassenen Beter ironisch zu dieser Haltung ein. Und was tut der Beter? Er nimmt ihren „Rat“ an, gerade weil er für ihn keine Ironie darstellt, sondern Lebensgrund. Auf das ironische „fürwahr: Gefallen fand (der HERR) an ihm“ (Ps 22,9) antwortet er ganz ernsthaft „fürwahr: du bist es, der mich entspringen ließ dem Mutterleib“ (Ps 22,10). Dies ist aber nicht allein eine Aufnahme des ironischen Rates der feindlichen Menge, es ist auch eine Transformation. Denn während sie über Gott reden, spricht er zu ihm.
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Trotz der verstörend empfundenen Verlassenheit lässt er die Kommunikation mit dem schweigenden Gott nicht abbrechen, sie geht vielmehr von der Bitte in eine Vertrauensäußerung über. Und das Vertrauen hat nicht irgendwann in seinem Leben eingesetzt, sondern es ist ein Urvertrauen zu Gott, das ihn von Geburt an begleitet hat. Dass Gottvertrauen und Erfahrung der mütterlichen Geborgenheit zusammenkommen, ist kein Zufall, sondern zeigt die mütterliche Seite Gottes, die der Beter der eigenen Erfahrung der Geborgenheit durch seine Mutter entnehmen konnte. Gotteserfahrung und Menschenerfahrung in Ps 22 Hier, wie oben im Psalm, wird deutlich, dass Gotteserfahrung und Menschenerfahrung keine voneinander getrennten Bereiche sind. Die Menschen haben sich vom Beter abgewandt, und er erlebt auch Gott als den abgewandten, fernen. Aber gleichzeitig vermag diese Situation die tragende Grunderfahrung der Geborgenheit durch den mütterlichen Gott nicht vollends zu überlagern.
Dabei bahnt sich aber langsam eine Wende an, nicht von außen, sondern von innen. Der Sprecher des Psalms fährt fort: „Sei nicht fern von mir, denn die Not ist nah“ (Ps 22,12). Die Abwesenheitsklage wandelt sich zur Bitte. Immer weitere Klagen folgen, die die Bedrängnis schildern. Dazu werden Metaphern aus allen möglichen Bildwelten herangezogen: wilde Tiere, feindliche Menschen, dazu Elemente wie Erde und Wasser. Und dazwischen wird die flehentliche Bitte gesetzt „Aber du, HERR, sei nicht fern!“ (Ps 22,20). Der gesamte Ps 22 ist ein Drama von erfahrener Ferne und erflehter Nähe Gottes. Denn das muss als die Besonderheit der Kommunikation herausgestellt werden: der Beter redet zu sich selbst, aber auch zu Gott. Das wird noch einmal dann sichtbar, wenn es mitten in der Selbstschilderung aus ihm herausbricht: „in den Staub des Todes legst du mich“ (v.16). Ist dies eine Steigerung der Gottesferne? Hier wird sogar Gott für das eigene Unglück verantwortlich gemacht. Dies klingt in christlichen Ohren geradezu anstößig. Darf man das? Ist Gott so? Für den Beter des Psalms ist es keine Frage. Die Ferne Gottes ist für ihn keine grundsätzliche Transzendenz, ein über-allem-MenschlichenStehen, sondern Ausdruck einer ganz konkreten Entzogenheit, die ganz und gar nicht annehmbar ist. Gott wird aus dem eigenen Leid
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nicht herausgehalten. Das ist gewissermaßen eine Vor-gabe von Ps 22, die auch Jesus aufgenommen und sich zu Eigen gemacht hat. Für das Verständnis des Psalms ist es entscheidend, dass an keiner Stelle von der Schuld des Beters die Rede ist. Es gibt auch das Leiden ohne vorheriges Fehlverhalten, sondern in vollkommener Unschuld. Wenn Gott wirklich das Gute des Menschen will, und daran gibt es für den Beter keinen Zweifel, dann kann er nicht so gedacht werden, als ob er gefühllos über allem Geschehen stehe. Aber das heißt auch in letzter Konsequenz, dass er irgendwie mit dem Leid zu tun haben muss. Aus dieser menschlichen Grunderfahrung wird Gott in Ps 22 nicht herausgehalten. Die Theodizee-Frage scheint hier auf, jedoch nicht als philosophische Frage, sondern als existenzielle Erfahrung. Und in der Mitte des Psalms, sogar mitten im Vers, kommt ganz plötzlich der Umschwung: „Rette mich aus dem Rachen des Löwen und von den Hörnern der Büffel. Du hast mir Antwort gegeben“ (Ps 22,22). Wie hier die Rettung ausgesehen hat, das wird erstaunlicherweise nicht dargestellt. Das Leiden hatte einen so breiten Raum eingenommen, aber auf welche Weise Gott die Rettung vollzogen hat, das wird nicht geschildert, nur mit einer Deutung versehen: „Du hast mir Antwort gegeben“. Auch dieses Sprechen ist eine Metapher. Auf welche Weise die rettende Antwort Gottes erging, bleibt das Geheimnis des Beters. Als nächster Schritt folgt etwas, was als „Lobgelübde“ bezeichnet wird (v.23). Nach vollzogener Rettung wird Gottes Eingreifen den Brüdern (und Schwestern) verkündet. Die Not gehört dem Beter allein, aber die Freude über die Rettung wird mit allen geteilt. Der Dank für die Rettung bleibt nicht beim Beter allein. Er gehört in die größere Versammlung. Zur Rettung des Beters gehört es somit, von den Feinden erlöst zu sein und auch wieder von Gleichgesinnten umgeben zu sein, denen er berichten kann. In den Versen 24-27 wird das Danklied um eine weitere Dimension ergänzt. Der Kreis der Gemeinschaft wird ausgeweitet: Das ganze gottesfürchtige Israel soll das Handeln Gottes feiern. Hier wird der individuelle Beter zum Beispiel dafür, dass Gott grundsätzlich für die Armen und Schwachen eintritt (v.25). Und schließlich ist es nicht genug, dass ganz Israel zusammenkommt, nein, alle Völker, alle „Enden der Erde“ sollen den Gott Israels anbeten. Israel hat seine Auserwählung nicht für sich allein, eines Tages wird Gott seine Herrschaft allen Völkern der Erde offenbar machen.
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3. Ein Psalmenzitat als Signal in der Passionserzählung Hier wird noch einmal deutlich, was die Psalmen, was insbesondere Ps 22 für die Anhänger Jesu bedeutet haben muss. Ohne diese Texte wäre es nicht möglich gewesen zu verstehen, was Jesus zugestoßen ist. Ohne die im Buch der Psalmen gespeicherte Theologie hätte der Weg Jesu im Nichts und in der Sinnlosigkeit geendet. Erst mit den Psalmen war eine Struktur vorgegeben, die Erfahrungen zur Sprache brachte und Hoffnungen ausdrückte, die auch für Jesus galten: Dass der Gerechte leiden muss, stellt nicht seine Gerechtigkeit in Frage, sondern ist ein Schicksal, das ihm vorgezeichnet ist. Aber gleichzeitig verzichten die Psalmen nicht auf die letztendliche Rettung des bedrohten Beters. Es ist also eine Errungenschaft der Psalmentheologie (wie auch der Texte vom „Gottesknecht“ im Jesajabuch), die Konzepte von Gerechtigkeit und unschuldigem Leiden zusammenzubringen. Nur weil dies bereitstand, bestand die Möglichkeit, die Passion Jesu nicht allein als Ungültigmachung seines bisherigen Lebens und seiner bisherigen Verkündigung verstehen zu müssen, sondern geradezu als Siegel auf seine Gerechtigkeit. Interessant ist, dass in der Markuspassion der Hinweis auf Ps 22 keineswegs ausdrücklich angezeigt ist, der Text läuft in vielen Motiven einfach mit. Er wird bei den Leserinnen und Lesern vorausgesetzt. Nicht nur wenn Jesus das Psalmenzitat selbst spricht, auch schon vorher, als seine Kleider verteilt wurden (Mk 15,24 // Ps 22,19), als die Vorübergehenden ihn verhöhnen (Mk 15,29 // Ps 22,8) wird klar: An diesem Menschen ereignet sich Ps 22. Und weil Gott in Ps 22 aus der Todesverlassenheit rettet, ist bereits mitten in die Passionserzählung hinein eine Sinn- und Hoffnungsspur gelegt – nicht nur in der Perspektive Jesu, sondern ebenfalls in der Perspektive der Leserinnen und Leser des Evangeliums. Jesus ist der leidende Gerechte, und mit ihm hebt die Gerechtigkeit Gottes an und beginnt, die ganze Welt zu verwandeln. Wenn mit Jesus aber nun der Gerechte aus Ps 22 stirbt, dann geht das auch über den Text des Psalms weit hinaus, worin der körperliche Tod nicht in den Blick kommt. Hier wird die Dimension von Ps 22 auf exklusive Weise erweitert, wie ja auch der Tod Jesu in der Passionsgeschichte als einzigartiges Geschehen dargestellt wird. Die Einzigartigkeit des Todes Jesu als des Gerechten schlechthin lässt aber auch die Einzigartigkeit seiner Rettung trotz des Todes und aus diesem Tod erwarten.
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4. Wechselseitige Sinn-Anreicherung Der Dialog biblischer Texte Insgesamt ist festzuhalten, dass es keine einlinige Zuordnung von Ps 22 gibt, die geradewegs auf Jesus hinzeigt. Ps 22 stellt keine Prophetie dar, die geradlinig auf die Person Jesu hinzeigt und ihn fraglos als den Messias ausweist. Es ist vielmehr so, dass sich die Passion Jesu und Ps 22 wechselseitig deuten und von Ps 22 ein deutendes Licht auf die Passion fällt, aber auch umgekehrt durch die Ereignisse der Passion Jesu Ps 22 eine neue Dimension hinzugefügt wird, die er vorher noch nicht gehabt hat.
Solche Verbindungen erweisen sich erst in einem langen Meditieren der Texte, und sie springen keineswegs einfach ins Auge. Das war auch dem Evangelisten bewusst, dass ein wirkliches Verständnis der Person Jesu keine Selbstverständlichkeit ist, sondern Ergebnis eines langen Glaubensprozesses, auf den die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesus sich eingelassen haben. Dies zeigen nicht nur die umstehenden Menschen der Kreuzigungserzählung, die dabei sind, aber gar nicht verstehen, was sich hier vollzieht, dies zeigen auch die Jünger Jesu, denen es genauso gegangen ist, die von Jesus immer wieder ermahnt werden müssen und die ihn im Tod alleinlassen, obwohl sie doch am engsten bei ihm waren und aus seinem Mund belehrt wurden. Mit der Auferweckung Jesu von den Toten wird die durch den Psalm ausgedrückte Deutung des Geschehens besiegelt. Und wenn danach die frohe Botschaft Kreise zieht und viele Menschen durch Jesus Christus zum Glauben an den Gott Israels kommen, so holt auch das jene Perspektive ein, die Ps 22 vorgegeben hatte. Auch die Passionserzählung ist kein einfacher „Bericht“, sondern bereits in sich, trotz der erzählenden Form, ein hoch reflektierter Deutetext. Sind wir mit dieser Auslegung weit ab vom Text des Credo geraten? Nein, sicher nicht. Anhand dieses Beispiels konnte aufgezeigt werden, wie der Text des Credo „funktioniert“. Er ist so etwas wie eine Kurzformel, die auf einen größeren, dahinter liegenden Zusammenhang verweist. Aus sich heraus muss und kann der Credotext noch nicht verständlich sein – er ist vielmehr so etwas wie ein Verweistext (fast könnte man sagen: eine strukturierte „Linksammlung“) auf andere Glaubenstexte. Die kurze Partizipienreihe „gelitten – gekreuzigt – gestorben – auferstanden“ beschreibt noch nicht umfassend
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Theologischer Dialog
einen Sachverhalt, sondern verweist auf ihn, fasst ihn in formelhafter Kürze zusammen. Wer diesen Text sprechen will, muss die dahinterliegenden Texte kennen. Das Credo ist so etwas wie der Anfang einer „Textkette“: Vom Credo geht der Verweis hin zum Neuen Testament, vom Neuen Testament zum Alten Testament. All das ist mitgemeint und mit vorausgesetzt. Das ist anspruchsvoll, aber es entlastet diesen Text auch. Das Credo will gar nicht für sich allein stehen. Die Verlängerung dieser „Textkette“ funktioniert selbstverständlich auch in die andere Richtung: Die Deutungen ziehen weitere Deutungen nach sich. An die kanonisch vorgegebenen Texte fügen sich weitere Auslegungen an. Auch der vorliegende Band ist eine solch Fortführung der Deutungstradition, und jeder, der theologisch nachdenkt, führt ebenfalls dieses Geschehen fort. Wer Theologie betreibt, lässt sich darauf ein und nimmt selbst teil an diesem Prozess. Literatur Hossfeld, Frank-Lothar: Psalm 22, in: Ders., Zenger, Erich: Die Psalmen I. Psalm 1-50, NEB Würzburg: Echter-Verlag 1993, 144-151 Löning, Karl: Die Funktion des Psalters im Neuen Testament, in: Zenger, Erich (Hg.): Der Psalter in Judentum und Christentum, HBS 18, Freiburg u.a.: Herder 1998, 269-295 Schreiner, Josef (Hg.): Beiträge zur Psalmenforschung. Ps 2 und 22, fzb 60, Würzburg: Echter 1988 Zenger, Erich: Ich will die Morgenröte wecken. Psalmenauslegungen. Freiburg, Basel, Wien: Herder 1991
Theologischer Dialog Gregor Taxacher antwortet auf Egbert Ballhorn
Warum musste Jesus leiden und sterben? Warum rettet seine Auferstehung nicht nur ihn, sondern auch uns? Die systematische Theologie nennt diese Frage „das Thema der Soteriologie“, denn Jesus wird im Neuen Testament griechisch der Sotér, der Retter genannt. Aber kann es eine systematische Lehre von dieser Rettung durch den Kreu-
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zestod hindurch geben? In der Theologiegeschichte wurde das immer wieder versucht: Von Sühne ist dann etwa die Rede, von Stellvertretung, dem Zusammenfall menschlicher Hingabe und göttlicher Zuwendung. Der Rückgang dieses Kapitels zur Passionsgeschichte und von ihr zum Beten eines Psalms macht mir als Dogmatiker deutlich: Es kann nie eine abschließende abstrakte „Theorie“ dieses Geschehens geben. Sie wird immer wie das Credo eine verweisende und deutende Formel sein, von der man wieder zurück muss in die konkrete Geschichte und ihren existenziellen Nachvollzug. Egbert Ballhorns Weg vom Credo über das Markusevangelium zu Ps 22 ist eine Art Kabinettstückchen biblischer Theologie im Dialog mit der kirchlichen Glaubensdeutung. Davon müsste es viel mehr geben in unserem leider oft fachlich recht abgeschotteten theologischen Betrieb. Denn uns Systematiker verwirrt die Bibel stets, weil sie eben – nicht systematisch ist! Um beim Thema der Deutung des Leidens und des Todes Jesu zu bleiben: Da wird im Neuen Testament nicht nur das Motiv des leidenden Gerechten aufgegriffen, sondern es wird von Jesus wie von einem kultischen Opfer gesprochen: „Ihn hat Gott bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut“, sagt Paulus über Jesus (Röm 3,25). Das hat insbesondere in der mittelalterlichen Theologie, bei Anselm von Canterbury, zu der einflussreichen Theorie geführt, Jesus habe für die Sünden der Menschen Genugtuung geleistet, bis Gott gerechter Weise allen vergeben konnte. Heute wird das mit guten Gründen als ein schreckliches Gottesbild kritisiert: Was ist das für ein himmlischer Vater, der seinen eigenen Sohn quälen lässt, bis die Sünden der Welt gesühnt sind? Aber wenn nicht so, wie ist die Rede von der Sühne, vom Opfer, vom Blut des Bundes, vom Lamm Gottes sonst zu verstehen? Auch bei dieser in der Theologie sehr umstrittenen Frage führt ein Rückfrageweg aus den dogmatischen Formulierungen ins Neue Testament und zurück ins Alte Testament, wo ja auch die Rede von Opfern und vom Bund ihren Ursprung hat. Diesen offenen Frageweg sollten Bibelwissenschaftler und Dogmatiker viel intensiver gemeinsam unternehmen.
Intermezzo III: Wer handelt im Text? Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Amen.
Schaut man im Text des Credo die Verben an, die mit Jesus Christus verbunden sind, so erlebt man eine Überraschung: Er wird empfangen durch den Heiligen Geist, er wird geboren. Am Anfang seines Lebens steht kein eigenständiges Handeln, sondern es geschieht etwas mit ihm. Darin treffen sich jedoch menschliche Existenz und göttliches Handeln. Jesus hat mit jedem Menschen gemeinsam, dass er den Anfang seines Lebens nicht selbst setzt, sein Leben nicht sich selbst verdankt, sondern geboren wird. Das einzigartige Handeln Gottes kommt dagegen in der Aussage „empfangen durch den Heiligen Geist“ zum Ausdruck. Aber auch hier geschieht etwas mit Jesus. Über die Zeit seines irdischen Lebens, die ja in den Evangelien ausführlich geschildert wird, geht das Credo souverän hinweg und bringt erst wieder seine Passion zur Sprache. Auch hier geschieht etwas mit ihm: Er leidet unter Pontius Pilatus – auch wenn es sich um ein aktives Verb handelt, so ist doch ein passives Geschehen ausgedrückt. Danach wird er gekreuzigt und begraben. Schaut man von den Verben her auf das Leben Jesu, wie es im Credo dargestellt ist, so geschieht
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Intermezzo III
immer etwas mit ihm. Man könnte geradezu von einer „Passivitätschristologie“ sprechen. Einzig bei seinem Tod könnte man sich fragen, ob er „gestorben wird“, oder seinen eigenen Tod stirbt. Letztlich aber ist das gesamte irdische Leben Jesu in der Darstellung des Credo davon geprägt, nicht selbst zu handeln. Dann aber wendet sich das Blatt. Eigentlich ist mit dem Begräbnis der letzte Schlusspunkt unter ein Leben gesetzt, es ist der absolute Endzustand. Und hier beginnt mit Jesus etwas ganz Neues: Er steigt hinab in das Reich der Toten. Jesus fängt dort an zu handeln, wo nach irdischer Logik keinerlei Handlungsmöglichkeiten mehr bestehen. Er geht noch tiefer hinunter, als sein bisheriges Leben ihn geführt hat, in das Alleräußerste hinein. Und dann steht er von den Toten auf und fährt in den Himmel auf. In dieser Darstellung des Credo ist das Verhältnis von Aktivität und Passivität in Jesus Christus vollkommen umgedreht. Darin steckt die zentrale Hoffnungsbotschaft. Ein „fremdbestimmteres“ Leben als das Leben Jesu ist nicht vorstellbar. Darin ist er solidarisch mit allen Menschen, die kein eigenes Leben führen können, weil ihnen ihre Freiheiten geraubt werden. Die Hoffnungsperspektive geht jedoch weit darüber hinaus, weil Jesus selbst zum Leben für den Toten wird. Das Leiden Jesu ist Solidarität, das Handeln Jesu ist Erlösung von einer Welt der Gewalt und des Todes. Sein machtvolles Tun steigert sich immer weiter; er thront zur Rechten Gottes und beginnt dort zu handeln und die Welt zu verändern: die Lebenden und die Toten zu richten. Das bedeutet in biblischer Perspektive, dass er für Recht und Gerechtigkeit sorgen wird – gerade jenen gegenüber, denen ihr Recht vorenthalten wird. Damit ist eine endgültige Zeitenwende eingeleitet. Das kann man auch dem Credo ablesen, denn nun wandelt sich die Tempusstruktur – von der Vergangenheit ins Präsens und ins Futur. Jesus sitzt jetzt schon zur Rechten Gottes. Im Himmel ist die Wende schon vollzogen, die auf Erden noch in sichtbarer Gestalt erwartet wird. Das Richten ist die Zukunft für die gesamte Welt. Dass hier nach der Credotext erneut mit einem aktiven Verb einsetzt „ich glaube“, kann man durchaus so deuten, dass es erst das Erlösungshandeln Jesu ist, das den Menschen die Möglichkeit eröffnet, wirklich frei und eigenständig zu handeln und ihre Freiheit im Modus des Glaubens und der Hoffnung zu realisieren, eine Hoffnung, die auch über die Grenze der Sünde und des Todes hinausgeht. EB
„Dies ist der Glaube der Väter. Dies ist der Glaube der Apostel. Wir alle glauben so.“ Über Ursprung, Form und Verwendung von Glaubensbekenntnissen aus Sicht der Alten Kirchengeschichte nachdenken Josef Rist
Ursprung, Form und Verwendung von Glaubensbekenntnissen
Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie die einzelnen Glaubensformeln und Bekenntnisse in ihren historischen Entstehungszusammenhang einordnen … können Sie die einzelnen Glaubensformeln und Bekenntnisse entsprechend ihrer literarischen Gattung unterscheiden … können Sie die Bedeutung der einzelnen Glaubensformeln und Bekenntnisse aus ihrem Sitz im Leben und ihrer theologischen Verwendung erschließen
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Der Vorgang zählt zu den wenig bekannten der nachkonziliaren Kirchengeschichte. Während der Abschlussmesse auf dem Petersplatz am Ende des Jahres des Glaubens 1967/1968 spricht Papst Paul VI. am 30. Juni 1968 im Namen aller Gläubigen einen ausführlichen, neu formulierten Bekenntnistext. Diese als Credo des Gottesvolkes bekannte professio fidei, die später als Motu proprio Sollemni hac liturgia veröffentlicht wurde (Acta Apostolicae Sedis 60 [1968] 433–446), versucht in einer modernen Sprache wesentliche Elemente des Glaubens der Kirche zusammenzustellen (Cagin 2009). Dem Unternehmen von Papst Paul VI. liegt ein Verständnis von der Funktion und dem Inhalt der Gattung Glaubensbekenntnis zugrunde, das in dieser Form erst mit dem abgrenzenden Bekenntnis des ersten ökumenischen Konzils in Nizäa 325 zur Norm wird. Glaubensbekenntnisse sind ab jetzt formelhafte Zusammenfassungen des Kerngehaltes des christlichen Glaubens, die bewusst in Abgrenzung von andersartigen Auffassungen formuliert werden. Demgegenüber kennen die ersten Jahrhunderte eine erstaunliche Vielfalt an Bekenntnisformeln.
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1. Das Neue Testament und die Apostolischen Väter Im Neuen Testament findet sich bereits eine Reihe von fest geprägten Sätzen, die das Glauben und Bekennen der jungen Gemeinde zum Ausdruck bringen (Hahn 1980; Backhaus 1995; Ritter 1992). Zunächst bekennt sich die Gemeinde in geprägten Formeln mit den Hoheitstiteln Christus und Sohn Gottes zur Person Jesu (Joh 1,34), während liturgische Akklamationen den erhöhten Herrn (1 Kor 8,6; Phil 2,11) herausstellen. Ausführlicher sind die „satzhaften Verdichtungen der christologischen Glaubensinhalte“ (Backhaus 1995, 702), die sich in verschiedenen Formen ebenfalls bereits im Neuen Testament finden. Im Zentrum steht die für die Christen zentrale Aussage, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat (sog. Auferweckungsformel, vgl. Röm 8,11; 2 Kor 4,13f.) sowie Jesus stellvertretend den Sühnetod gestorben ist (sog. Dahingabeformel, vgl. Röm 8,32; Eph 5,2.25 bzw. Sterbensformel, vgl. Röm 5,6.8; 2 Kor 5,14). Eines der bekanntesten Beispiele ist Röm 10,9: „…denn wenn du mit dem Mund bekennst (ὁμολογήσῃς, homologéses): Herr ist Jesus – und in deinem Herzen glaubst (πιστεύσῃς, pisteúses): Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden.“ Hier wird eine wichtige Unterscheidung sichtbar. Das Bekenntnis (ὁμολογία, homología; confessio, professio) – ‚Herr ist Jesus‘ – bezieht sich auf den erhöhten, gegenwärtigen Herrn. Die Glaubensformel (πίστις, pístis; credo) – ‚Gott hat ihn von den Toten auferweckt‘ – thematisiert dagegen heilsgeschichtliche Ereignisse der Vergangenheit. Ausgangspunkt ist das Bekenntnis, das die Grundlage für die Glaubensformel bildet (Ritter 1992, 400f.). Deshalb beziehen sich die neutestamentlichen Formeln in erster Linie auf den innergemeindlichen Bekenntnisakt. Die geprägten Formen vergewissern die Gemeindemitglieder ihres Glaubens, indem sie das aussprechen, was alle gemeinsam glauben. Bekenntnisformeln ziehen Grenzen Ein wesentlicher Fortschritt kann im unmittelbaren zeitlichen Umfeld, in den Briefen des Ignatius von Antiochien (gestorben vor 117), nachgewiesen werden. Nach traditioneller Ansicht schreibt der Bischof während seiner Reise nach Rom, wo er schließlich das Martyrium erleidet, sieben Briefe (Paulsen 1996; Datierung: Günther 1997: etwa
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105–110 n.Chr.). An verschiedenen Stellen dieser sogenannten Ignatianen finden sich Glaubensformeln. Im Zentrum der Texte steht die Betonung der wahren Menschwerdung des Gottessohnes, die von innerchristlichen Gegnern, den Doketen, bestritten wird. Der Doketismus ist Teil der Gnosis. Er bestreitet die Leiblichkeit Jesu Christi (Stichwort: Scheinleib), (Verheyden 2018).
Gut sichtbar wird die nun veränderte Ausrichtung des Christusbekenntnisses am Beginn des Briefes an die Gemeinde in Smyrna. Ignatius ist sich hier „vollkommen gewiß unseres Herrn, der da wahrhaftig (ἀληθῶς, alethos) ist aus Davids Geschlecht nach dem Fleisch, Gottes Sohn nach Willen und Kraft Gottes, wahrhaftig geboren aus einer Jungfrau, getauft von Johannes, damit alle Gerechtigkeit von ihm erfüllt werde, wahrhaftig unter Pontius Pilatus und dem Tetrachen Herodes für uns angenagelt im Fleisch … damit er ein Wahrzeichen aufrichte für die Ewigkeiten durch die Auferstehung für seine Heiligen und die Glaubenden unter Juden wie Heiden in dem einen Leib seiner Kirche.“ (Ign. Smyrn. 1,1f.; Text und Übersetzung: Lindemann/Paulsen 1992, 226f.)1
Die gehäufte Verwendung des Adjektivs ‚wahrhaftig‘ hebt pointiert die Kernaussage des Christusbekenntnisses hervor: Der Sohn Gottes hat wahrhaft gelitten und ist wahrhaft auferstanden. Es ist damit nicht so, „wie gewisse Ungläubige sagen, er habe zum Schein (τὸ δοκεῖν, to dokein) gelitten, während sie doch selbst nur zum Schein existieren; und wie sie denken, wird es ihnen auch ergehen, die lieblos und dämonisch sind.“ (Ign. Smyrn. 2; Text und Übersetzung: Lindemann/ Paulsen 1992, 226f.) Der Zusammenhang mit dem Doketismus macht es wahrscheinlich, dass Ignatius keine innergemeindlich geprägten Bekenntnisformeln vorliegen, er vielmehr situativ mit Neuschöpfungen auf die aktuelle Anfrage reagiert.
2. Die Glaubensregel (regula fidei) Bei der Suche nach frühen Bekenntnisformeln nimmt die sogenannte Glaubensregel oder Richtschnur der Wahrheit (regula fidei bzw. veritatis; κανὼν τῆς πίστεως bzw. ἀληθείας, kanón tes písteos bzw. 1 Unterstreichungen, Hinzufügung griechischer Termini und Hervorhebungen hier und in den folgenden Bekenntnistexten vom Verfasser.
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aletheías) einen wichtigen Platz ein. Damit ist kein ausformuliertes Bekenntnis bezeichnet, sondern „die lehrhafte Normativität des Offenbarungsglaubens, wie ihn die Kirche in Kontinuität und Übereinstimmung mit dem, was die Apostel überliefert haben, in Abgrenzung gegen Häresie und philosophische Verfremdungen definitiv verkündet. … Die Glaubensregel ist somit die Summe all dessen, was Christus den Aposteln als Lehre von Gott her anvertraute, was die Apostel überlieferten und die Kirche seitdem als normativ für den Glauben verkündet.“ (Fiedrowicz 2010a, 190) Ihren prominenten Platz hat die regula fidei bei Bischof Irenäus von Lyon (gestorben um 200) und seinem Kampf gegen die Gnosis (Brox 1998, 820–854). Irenäus betont in seiner Auseinandersetzung mit der Gnosis, die er detailreich in seiner in fünf Büchern um 180 entstandenen Schrift Adversus haereses (Gegen die Häresien) führt, mittels der Glaubensregel die zentrale Bedeutung der auf Christus und die Apostel zurückführbaren, durch die kirchliche Tradition in die Gegenwart aktualisierte kirchliche Lehre. Dabei setzt er voraus, „daß der Inhalt des Christentums eine von Anfang an bestimmte (wenn auch nicht immer fest formulierte) Lehre, ein fixiertes Lehrganzes ist, von dem aus nicht nur über alle anderen Lehrsätze und häretischen Sondermeinungen, sondern auch im absoluten Sinn über Wahres und Falsches überhaupt geurteilt werden kann.“ (Hägglund 1958, 2) Ein Kennzeichen der regula fidei ist, dass sie, bei Berücksichtigung der aktuellen theologischen Gefährdungen der Lehre (Stichwort: Gnosis), die zentralen Inhalte des Glaubens zusammenstellt und damit deutliche Parallelen zu späteren Glaubensbekenntnissen aufweist. Eine häufig zitierte Passage, die Inhalt und Form der regula fidei verdeutlicht, findet sich im zehnten Kapitel des ersten Buches der Schrift Adversus haereses. Die über die ganze Erde verstreute Kirche hat, so Irenäus, den Glauben angenommen „an den einen Gott, den allmächtigen Vater, der Himmel, Erde, Meer und alles darin gemacht hat und an den einen Christus Jesus, den Sohn Gottes, Fleisch geworden zu unserem Heil; und an den Heiligen Geist, der durch die Propheten die Heilsvorgänge verkündet hat und das Kommen des geliebten Christus Jesus, unseres Herrn; und seine Geburt aus der Jungfrau, das Leiden und die Auferstehung von den Toten und seine leibhafte Aufnahme in den Himmel; und seine Ankunft vom Himmel in der Herrlichkeit des Vaters um alles zusammenzufassen (ἀνακεφαλαιώσασθαι, anakephalaiósasthai) und um alles Fleisch der ganzen Menschheit zu erwecken, damit vor Christus Jesus, unserem
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Herrn, Gott, Retter und König nach dem Wohlgefallen des unsichtbaren Vaters alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen und jeder Mund ihn bekenne; und um ein gerechtes Gericht über alle zu halten.“ (Iren. haer. I 10; Text und Übersetzung: Brox 1993 198f.)
Hier liegt ein Summarium der biblisch-kirchlichen Verkündigung vor, das seinen Schwerpunkt auf die Wiedergabe wesentlicher Ereignisse der Christusgeschichte legt. Auch versäumt es Irenäus nicht, die ihm eigene Lehre von der Anakephalaiosis (recapitulatio), der endzeitlichen Wiederbringung aller Dinge, in seine Zusammenstellung aufzunehmen (Osborne 2004, 97–116). So kann auch hier nicht von einem bereits vorgeprägten Bekenntnisgut ausgegangen werden, wenn auch Teile zweifellos bereits fixiert sind.
3. Die Verbindung von Taufe und Bekenntnis Fragt man nach dem Sitz im Leben der Bekenntnisformeln, so wird meist auf die Taufe und die ihr vorausgehende Vorbereitungszeit, das Katechumenat, verwiesen. Doch diese Auffassung belegen die verfügbaren Quellen nur eingeschränkt: „Daß jedenfalls vor der Mitte des 3. Jh., abgesehen von der Taufformel … , irgendetwas anderes existiert habe, das mit einigem Recht als Credo bezeichnet zu werden verdiente, dafür fehlt jedes stichhaltige Zeugnis.“ (Ritter 1992, 405) Jedenfalls ist aus den ersten beiden Jahrhunderten kein Beleg für den liturgischen Gebrauch des Bekenntnisses überliefert (Fiedrowicz 2010a, 199–204). Erst für den Beginn des 3. Jahrhunderts wissen wir von einer Glaubensbefragung im Zusammenhang mit dem Taufakt. Vor dem dreimaligen Übergießen bzw. Untertauchen des Täuflings werden an diesen jeweils Bekenntnisfragen gestellt, etwa beim ersten Mal in der Form ‚Glaubst du an Gott, den Vater, den Allmächtigen?‘ Dieses Vorgehen belegt die Traditio apostolica, eine wohl um 215 in Rom entstandene Kirchenordnung (trad. ap. 21, 12–18). Diese interrogatorische, auf Frage und Antwort aufbauende Form des Bekenntnisses dürfte zunächst die Norm gewesen sein. Erst ab der Mitte des 4. Jahrhunderts, also bereits in reichskirchlicher Zeit, liegen in den um 350 von Bischof Cyrill von Jerusalem verfassten Taufkatechesen sichere Nachweise für die Verwendung sogenannter deklaratorischer Bekenntnisse vor, d.h. Formeln, die mit ‚Ich glaube‘ oder ‚Wir glauben‘ beginnen (Kelly 1972, 182f.). Auch
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Abb. 4: Die Konzilien der Alten Kirche (Copyright: Lehrstuhl Prof. Rist an der Ruhr-Universität Bochum)
ist der liturgische Brauch der traditio bzw. redditio symboli, die nicht Teil des eigentlichen Taufaktes ist, überliefert. Im Verlauf der unmittelbaren Taufvorbereitung, die im 4./5. Jahrhundert in die Fastenzeit fällt, wird den Täuflingen durch den Bischof das Glaubensbekenntnis im Wortlaut mitgeteilt. Die Täuflinge lernen es auswendig und sprechen es feierlich im Akt der Wiedergabe (redditio) vor dem Bischof (Fürst 2008, 118–120). Es lassen sich eine Reihe von Gründen nennen, warum gerade in der Zeit der sogenannten Konstantinischen Wende im 4. Jahrhundert diese neue Form Einzug hält: Der jetzt große Andrang an Taufbewerbern erfordert eine Veränderung des Katechumenates. Nicht zuletzt der zeitgleich einsetzende arianische Streit lässt offensichtlich die Notwendigkeit nach einem Bekenntnis wachsen, das dem Täufling übergeben werden kann und ihn theologisch schützt.
4. Privat- und Synodalbekenntnisse Die regula fidei ist die wahrscheinliche Grundlage für eine weitere Funktion von Bekenntnissen: Theologen verfassen eigenständige Glaubenserklärungen mit dem Ziel des Erweises der eigenen Ortho-
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doxie. Beim öffentlichen Glaubensgespräch des Bischofs Herakleides mit Origenes (gestorben 254), den dieser in der Schrift ‚Gespräch des Origenes mit Herakleides und dessen Bischofskollegen über Vater, Sohn und Seele‘ festgehalten hat, beginnt Herakleides seine Ausführungen mit einer kurzen Darlegung seines Glaubens (Or. Dial. 1; Übersetzung: Früchtel 1974, 27). Dies geschieht anlassbezogen, so dass die Christologie bei diesem inhaltlich lückenhaften Bekenntnis im Mittelpunkt steht. Sind diese sogenannten Privatbekenntnisse im Osten seit Origenes bekannt, so sind sie im Westen des Römischen Reiches erst seit dem arianischen Streit im 4. Jahrhundert nachweisbar. Das erste vollständige, mit einer konkreten Person verbundene Privatbekenntnis dürfte die nicht erhaltene Darlegung des Glaubens (ἔκθεσις πίστεως, ékthesis písteos) des 312 gestorbenen Märtyrers Lukian von Antiochien gewesen sein. Sie liegt der Tradition nach vor in der zweiten antiochenischen Formel der Kirchweihsynode von 341. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch das Bekenntnis Gregor des Wundertäters genannt, eines Schülers des Origenes, wobei die Authentizität zweifelhaft ist (Ritter 1992, 409). Die lange und heftig seit 318 geführten theologischen Auseinandersetzungen um die Trinitätstheologie des alexandrinischen Presbyters Arius führen zu einer großen Zahl von Privatbekenntnissen. Arius selbst legt zwei Bekenntnisse vor, die er sowohl an seinen Ortsbischof Alexander von Alexandrien als auch an Kaiser Konstantin richtet (Text: Hahn/Hahn 1962, § 186; Raddle-Gallwitz 2016, 465–490). Privatbekenntnisse sind auch nach dem Konzil von Nizäa 325 noch üblich. Frühe Formen von Synodalbekenntnissen Verwandt mit den Privatbekenntnissen von Einzelpersonen sind die seit Ausbruch des arianischen Streites immer häufigeren Darlegungen des Glaubens durch Synoden. Ein Vorspiel der späteren Entwicklung kann unter Umständen in der – eventuell unechten – recht freien Darlegung des Glaubens gesehen werden, die dem Brief der sechs Bischöfe an den durch eine Synode 268 abgesetzten Bischof von Antiochien, Paul von Samosata, beigegeben ist (Hahn/Hahn 1962, § 151). Das hier praktizierte Vorgehen, beim Auftreten theologischer Streitigkeiten die eigene Position durch die Formulierung eines Bekenntnisses deutlich zu machen, wird in reichskirchlicher Zeit zur Norm.
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Für die Zeit unmittelbar vor dem ökumenischen Konzil von Nizäa 325 hat sich ein anschauliches Beispiel im Sendschreiben einer im Frühjahr 325 um Bischof Ossius von Cordoba in Antiochien anlässlich des arianischen Streites versammelten Bischofsversammlung erhalten. Der Text ist syrisch überliefert und wurde von Eduard Schwartz ins Griechische rückübersetzt. Er darf, trotz kritischer Rückfragen, als echt gelten (Text: Opitz 1935, 36–38; Übersetzung: Brennecke 2007, 101–104; zur Einführung: Abramowski 1975, 356– 366; zur Echtheitsdebatte: Strutwolf 1999, 31–44; Brennecke 2007, XXXIV–XXXVI). Die in Antiochia versammelten Bischöfe fordern auf „an einen Gott zu glauben, den Vater, den Allmächtigen, den Unbegreiflichen, Unveränderlichen, Unwandelbaren, den Fürsorger und AllLenker, den Gerechten, den Guten, den Schöpfer des Himmels und der Erde und von allem, was darin ist, den Herrn des Gesetzes und der Propheten und des neuen Bundes, und an den einen Herrn Jesus Christus, den einzigen Sohn, der gezeugt wurde nicht aus nichts, sondern vom Vater, nicht wie ein Geschöpf, sondern als wirklich Gezeugter. Er wurde aber gezeugt auf unsagbare und unaussprechliche Weise, weil es der Vater allein war, der ihn gezeugt hat, und der Sohn, der gezeugt wurde, es erkannt hat: ‚Denn niemand kennt den Vater, es sei denn der Sohn, noch den Sohn, es sei denn der Vater.‘ Er hat alle Zeit existiert und es stimmt nicht, daß er anfangs nicht existiert hat. Denn daß er Bild sei, er allein, haben wir von den göttlichen Schriften gelernt. … sondern weil er alles Verstehen und Denken und Reden überschreitet, bekennen wir, daß er vom ungezeugten Vater gezeugt wurde, GottWort, Licht-Wahrheit, Gerechtigkeit, Jesus der Christus, Herr von allem und Erlöser. Denn er ist Bild nicht aus dem Willen noch von etwas anderem, sondern aus eben der väterlichen Hypostase. Er aber ist der Sohn, das Gott-Wort. Auch ist er im Fleische von der Gottesgebärerin Maria geboren worden, hat Fleisch angezogen, gelitten, ist gestorben, auferstanden von den Toten und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt aber zur Rechten der erhabenen Majestät. Und er kommt, um die Lebenden und die Toten zu richten. So wie er unser Erlöser ist, lehren die heiligen Schriften außerdem auch, an den einen Geist zu glauben, an die eine katholische Kirche, die Auferstehung der Toten und das Gericht der Vergeltung nach dem, was jemand im Leibe getan hat, sei es also Gutes oder Böses, Dabei schließen wir die aus der Kirche aus (ἀναθεματίζοντες, anathematízontes), die über den Sohn Gottes sagen und glauben und verkündigen: „Geschöpf“ oder „Geschaffenes“ oder „Gemachtes“ und nicht,
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daß er wahrhaft als „Gezeugter“ existiert oder daß „es einmal war, daß er nicht existiert hat“. Denn wir, wir glauben, daß er existiert hat und daß er existiert und daß er Licht ist.“ (Übersetzung: Brennecke 2007, 103)
Der Bekenntnistext hat, wie unschwer zu erkennen ist, bereits eine große Nähe zur später im Jahr auf dem ersten ökumenischen Konzil verabschiedeten Glaubensformel. Bemerkenswert sind die große Zahl an biblischen Bezügen und direkten Schriftzitaten sowie der Versuch einer trinitätstheologischen Problemlösung. Ebenso auffallend ist der polemische Ton des Bekenntnisses, das nicht nur in den Hauptabschnitten konsequent antiarianisch argumentiert, sondern diese Kirchenpartei schließlich auch aus der kirchlichen Gemeinschaft ausschließt, wobei deren Position mit wörtlichen Zitaten beschrieben wird. Diese Lehrverurteilungen (Anathematismen) definieren in Anschluss an die Darlegung des Glaubens „ex negativo die Grenzen der Glaubensgemeinschaft“ (Fiedrowicz 2010a, 218).
5. Das Konzil von Nizäa 325 und sein Lehrbekenntnis Auf die Folgen der sogenannten Konstantinischen Wende, d.h. der Hinwendung Kaiser Konstantins zum Christentum am Beginn des 4. Jahrhunderts, wurde bereits hingewiesen. Waren die Christen in den zurückliegenden Jahrhunderten, besonders ab der Mitte des 3. Jahrhunderts, massiven Verfolgungen im Römischen Reich ausgesetzt, so kommt die Kirche nun in eine gesicherte, bald privilegierte Stellung. Die Zahl der Gläubigen erhöht sich stark, kirchliche Institutionen, etwa das Katechumenat, werden der neuen Situation angepasst und der römische Staat dehnt in der Person des Kaisers seine die Religion schützende Fürsorgepflicht auch auf das Christentum aus. Die Einberufung des ersten ökumenischen Konzils in Nizäa im Juni 325 ist eine Folge der veränderten religionspolitischen Verhältnisse und direkter Ausdruck der durch den Kaiser nun auch für die christliche Religion übernommenen Sorge. Als sich der Streit um die Trinitätstheologie des alexandrinischen Presbyters Arius – er ordnet den Sohn dem Vater als Geschöpf unter (Subordinatianismus) – nicht durch lokale Synoden einhegen lässt, versammelt Kaiser Konstantin die Bischöfe zu einer Reichssynode. Zentrale Aufgabe der mehr als 250 Bischöfe ist die Lösung des arianischen Streites (Pietri/Markschies 1996, 302–312).
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Zu diesem Zweck erarbeitet das Konzil ein Glaubensbekenntnis (Symbolum), das als Nicaenum (Abkürzung: N) bekannt ist. Die Entstehung des Textes ist umstritten. Wahrscheinlich ist eine redaktionelle Zusammenstellung und theologische Bearbeitung von Textelementen, die bereits in der liturgisch-katechetischen Bekenntnistradition verschiedener Ortskirchen vorliegen und in Nizäa theologisch, d.h. antiarianisch, präzisiert werden (Fiedrowicz 2010a, 213). Der Text besteht aus zwei Teilen, der Darlegung des Glaubens, auf den die Lehrverurteilungen folgen: „Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren, und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt, das heißt aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, wesensgleich dem Vater (ὁμοούσιον τῷ πατρί, homoúsion to patrí), durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf der Erde ist, der wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen herabgestiegen und Fleisch und Mensch geworden ist, gelitten hat und auferstanden ist am dritten Tage, hinaufgestiegen ist in die Himmel und kommt, Lebende und Tote zu richten, und an den Heiligen Geist. Die aber sagen: „Es gab einmal eine Zeit, als er nicht war“, und „Bevor er gezeugt wurde, war er nicht“, und „Er ist aus nichts geworden“, oder die sagen, der Sohn Gottes sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit, oder er sei geschaffen oder [-!] wandelbar oder veränderlich, diese belegt die katholische Kirche mit dem Anathema.“ (Text und Übersetzung: DH 125f., 79f.) Das Bekenntnis des Konzils von Nizäa Im Bekenntnis sind die antiarianischen Präzisierungen gut erkennbar. Jesus Christus wird als ‚wahrer Gott aus wahrem Gott‘ bezeichnet und die gleichrangige Gottheit des Vaters und des Sohnes zweifach herausgestellt: Der Sohn ist ‚aus dem Wesen des Vaters‘ und er ist ‚wesensgleich dem Vater‘. Das hier verwendete, nicht biblische Adjektiv Homousios (ὁμοούσιος, wesensgleich) wird ab 337 zum zentralen Kampfbegriff beim Streit um N (Fiedrowicz 2010a, 221–225; Pietri/Markschies 1996, 310f.). Die angefügten Lehrverurteilungen enthalten wörtliche AriusZitate.
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Mit N wird ein neuer Weg beschritten: „Jetzt aber vollzieht sich mit der Einführung von synodalen oder konziliaren Bekenntnissen eine große Revolution.“ (Kelly 1972, 205) Das in Nizäa verabschiedete, inhaltlich passgenau zur konkreten Streitfrage präzisierte deklaratorische Bekenntnis wird in seinem feststehenden Wortlaut zukünftig zum Test für die Rechtgläubigkeit.
6. Die Konzilien von Konstantinopel 381 und Chalzedon 451 Sind die Jahre nach 325 vom Streit um die Rezeption von N und der damit fixierten fides Nicaena bestimmt, so rückt ab der Mitte des 4. Jahrhunderts die Frage nach der Gottheit des Heiligen Geistes verstärkt in den Mittelpunkt. Um die arianischen Streitigkeiten endgültig zu beenden und die Gottheit des Heiligen Geistes gegen ihre Bestreiter, die sogenannten Pneumatomachen (Geistbekämpfer) zu sichern, beruft Kaiser Theodosius I. im Jahr 381 ein Konzil nach Konstantinopel ein (Staats 1996, 19–120). Die mit rund 150 Bischöfen kleine Bischofsversammlung erarbeitet ein Glaubensbekenntnis, das Nicaeno-Constantinopolitanum (Abkürzung: NC), dessen Herkunft und Entstehung, insbesondere die Verbindung zum Nicaenum, kontrovers diskutiert wird (Drecoll 1996, 1–18). Doch zeigt bereits der Name, dass sich NC als Fortführung und Erweiterung von N versteht. Folgerichtig wird der Abschnitt über den Heiligen Geist entsprechend der pneumatologischen Anfrage präzisiert: „Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, … und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes einziggeborenen Sohn, … und an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohne mitangebetet und mitverherrlicht wird, der durch die Propheten gesprochen hat. … (Text und Übersetzung: DH 150, 381f.)
Die etwas sperrige Formulierung ‚den Herren und Lebensspender‘ (τὸ κύριον καὶ ζωοποιόν, to kúrion kai zoopoión) drückt die volle Gottheit des Geistes mit Vater und Sohn aus, formuliert aber im Vergleich zum Nicaenum auffallend zurückhaltend. In der Folge rückt die christologische Frage – das Verhältnis von Gottheit und Menschheit im Gottmenschen Jesus Christus – in den Mittelpunkt der theologischen Debatten. Mit dieser Frage beschäfti-
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gen sich das dritte und vierte ökumenische Konzil, die 431 in Ephesus und 451 in Chalzedon stattfinden (Maraval 2001, 90–119). Trotz der anstehenden neuen Fragestellung betonen die Bischofsversammlungen stets die Bedeutung der fides Nicaena, des einen, in N und weiter entfaltet in NC niedergelegten Glaubens der Kirche. Ein eigenes Glaubensbekenntnis hat seit Ephesus keines der späteren ökumenischen Konzilien der Alten Kirche mehr erarbeitet. Die Glaubensentscheidungen werden stattdessen in Form einer Definition (ὅρος, hóros; definitio) vorgelegt. Adressaten sind die Bischöfe, die Abwehr von Irrlehren ist das primäre Ziel, so dass eine liturgische Verwendung von Anfang an ausgeschlossen ist (Fiedrowicz 2010a, 217f.). Diesen Weg beschreitet erstmals das Konzil von Chalzedon. Am Ende eines beschwerlichen, durch theologische Differenzen und kirchenpolitische Einflussnahmen bestimmten Weges erarbeitet das Konzil in seiner fünften Sitzung eine Glaubensentscheidung (Text und Übersetzung: DH 300f., 173f.). Der Text bekräftigt im Vorwort zur Glaubensdefinition ausdrücklich die Entscheidungen der Konzilien von Nizäa 325 und Konstantinopel 381. Schließlich folgt die Glaubensdefinition, der eine Strafsanktion beigegeben ist. Die Definition bestimmt über den Gottmenschen Jesus Christus: „In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend, unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen: … ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in e i n e r Person und e i n e r Hypostase vereinigt; der einziggeborene Sohn, Gott, das Wort, der Herr Jesus Christus, ist nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt, sondern ist ein und derselbe, wie es früher die Propheten über ihn und Jesus Christus selbst es uns gelehrt und das Bekenntnis der Väter es uns überliefert hat. [Sanktion] Da dies also von uns in jeglicher Hinsicht mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit festgesetzt wurde, beschloß das heilige und ökumenische Konzil, daß keiner einen anderen Glauben vortragen, niederschreiben, verfassen oder anders denken und lehren darf … (Text und Übersetzung: DH 301–303, 174f.)
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Die Glaubensdefinition des Konzils von Chalzedon Die Definition richtet sich, wie bereits in Nizäa, gegen abweichende Positionen. So wird die christologische Frage durch das Konzil sowohl gegen miaphysitische (Stichwort: Eutyches) als auch dyophysitische Engführungen (Stichwort: Trennungschristologie) verteidigt (Böhm 2001, 103–107). Eine wichtige Rolle spielt in Chalzedon der Tomus Leonis, das an den Patriarchen Flavian von Papst Leo gerichtete dogmatische Lehrschreiben (Text und Übersetzung: Wohlmuth 2002, 77–82). Besonders wichtig ist den Konzilsvätern, dass trotz der veränderten aktuellen Fragestellung die Kontinuität der Glaubensüberlieferung stets gewahrt bleibt. So können die Bischöfe, nachdem der Tomus Leonis in der dritten Sitzung am 10. Oktober 451 verlesen wurde, auch zustimmend ausrufen: „Dies ist der Glaube der Väter. Dies ist der Glaube der Apostel. Wir alle glauben so.“ (Übersetzung: Fiedrowicz 2010b, 434)
Die weitere Entwicklung kann nur angedeutet werden: Im christlichen Staat der Spätantike äußern sich die Kaiser zunehmend in ihrer Gesetzgebung zu Fragen des christlichen Glaubens, ja erlassen selbst eigene Bekenntnisse (Kinzig 2016, 621–642). Die in drei Phasen verlaufende Entwicklung führt ab 380 dazu, dass „Glaubensinhalte in den Gesetzestexten zunehmend inhaltlich beschrieben“ (Kinzig 2016, 641) werden. Einen ersten Höhepunkt erreicht dieses Vorgehen mit dem Henotikon Kaiser Zenons aus dem Jahr 482. Der oströmische Kaiser veröffentlicht sein persönliches Glaubensbekenntnis als Gesetz und tritt damit in direkte Konkurrenz zu den Bischofssynoden (Kinzig 2016, 629f.). Spätere oströmische Herrscher wie Justinian (gestorben 565) und Herakleios (gestorben 641) setzen diese Linie fort.
7. Glaubensbekenntnisse in der Liturgie Im Gottesdienst der römisch-katholischen Kirche werden zwei Symbola verwendet, ihrer Länge wegen bekannt als kleines bzw. großes Glaubensbekenntnis. Letzteres ist das um den frühmittelalterlichen Einschub des Filioque – der aus dem Vater und dem Sohn (filioque) hervorgeht – erweiterte NC, das Symbol des Konzils von Konstantinopel 381. Die Verwendung des Symbols in der Eucharistiefeier geht in Ost und West auf das 6. Jahrhundert zurück. Im Westen verbreitet
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Ursprung, Form und Verwendung von Glaubensbekenntnissen
sich die Praxis ausgehend vom Westgotenreich über Irland hin zu den Franken. Verbindlich wird sie durch Kaiser Heinrich II. im Jahr 1014 für Rom durchgesetzt (Vogt 1995, 705f.). Als sogenanntes kleines Glaubensbekenntnis wird das Apostolische Glaubensbekenntnis bezeichnet. Der Name verweist bereits auf die besondere Autorität des Textes, der erzählend über wesentliche Etappen der Heilsgeschichte berichtet. Erstmals in seiner heutigen Textgestalt taucht der Text am Beginn des 8. Jahrhunderts auf, allerdings ist bereits bei Caesarius von Arles eine Frühform des Bekenntnisses Mitte des 6. Jahrhunderts nachweisbar (Vokes 1978, 528–554; zur Forschungsgeschichte: Vinzent 2006). Das Apostolikum ist, wie andere westliche Symbole auch, eng verbunden mit dem altrömischen Glaubensbekenntnis (Romanum, Abkürzung: R), das erstmals 340/341 nachweisbar ist und dessen Ursprung kontrovers diskutiert wird (Fiedrowicz 2010a, 201; zur Entstehung: Vinzent 1999, 185–409). Ende des 4. Jahrhunderts begegnen Name und Herleitung des apostolischen Glaubensbekenntnisses erstmals in Norditalien. Die älteste Fassung der Herkunftslegende geht auf Rufinus von Aquileia zurück, der in seinem Kommentar zum apostolischen Glaubensbekenntnis um 404 davon weiß, dass jeder der zum Pfingstwunder in Jerusalem versammelten Apostel jeweils einen bestimmten Teil zum Zustandekommen des Textes beigetragen habe (Rufin. symb. 2, Übersetzung Kelly 1972, 9). Hier wird wie bei der regula fidei der apostolische Ursprung als Garant des orthodoxen Glaubens herausgestellt. Die frühe Geschichte des Glaubensbekenntnisses macht deutlich, dass es für die Alte Kirche ein längerer Weg ist, bis aus den frühen Bekenntnisformeln des Evangeliums schließlich mit dem 325 auf dem Konzil von Nizäa erarbeiteten Symbolum jene Lehrbekenntnisse entstehen, die heute als Ausweis der Rechtgläubigkeit wesentliche Elemente des Glaubenslebens und der Liturgie der Kirche sind. Dieses Anliegen steht auch hinter den Bemühungen Papst Paul VI. um ein neues Credo des Gottesvolkes. Im Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil und seine Beschlüsse soll die Kontinuität der kirchlichen Lehrentwicklung herausgestellt und das Glaubenswissen vertieft werden. Literatur Denzinger, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von Helmut Hoping herausgegeben von Peter Hünermann, 42. Aufl., Freiburg im Breisgau u.a. 2009 (Abkürzung: DH)
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Theologischer Dialog
Fiedrowicz, Michael: Theologie der Kirchenväter. Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion, 2. Aufl., Freiburg im Breisgau – Basel – Wien u.a 2010a Hahn, Ferdinand: Bekenntnisformeln im Neuen Testament, in: J. Brantschen, P. Selvatico (Hrsg.): Unterwegs zur Einheit, Festschrift für Heinrich Stirnimann, Freiburg/Schweiz u.a. 1980, 200–214 Hahn, August; Hahn, Georg L.: Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, 3. Aufl., Hildesheim 1962 Kelly, John N. D.: Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, Göttingen 1972 Ritter, Adolf M.: Art. Glaubensbekenntnis(se). V. Alte Kirche, in: TRE 13 (1992), 399–412
Theologischer Dialog Thomas Ruster antwortet auf Josef Rist
Josef Rist stellt die „Kontinuität der kirchlichen Lehrentwicklung“ heraus. Aber kann man dieser Kontinuität so recht froh werden? Kann man sie heute noch fortsetzen? Am Anfang, so zeigt sein Beitrag, stehen verdichtete Formulierungen des Glaubens im Neuen Testament, dann folgen private Bekenntnisse von Leuten, die für sich in Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen ihren Glauben erklären, schließlich kommt es zu den Symbola der Konzilien des vierten und fünften Jahrhunderts, die Rist zutreffend als „abgrenzende Bekenntnisse“ bezeichnet. Der rechte Glaube wird nun ab- und eingegrenzt. Die Glaubensbekenntnisse dienen als „Ausweis der Rechtgläubigkeit“. Wo es einen rechten Glauben gibt, da gibt es auch einen falschen. Die Bekenntnisse definieren diesen Unterschied. Rist versäumt auch nicht, auf den historischen Kontext der konziliaren Bekenntnisse hinzuweisen: Es ist die privilegierte Reichskirche, die erklärt, welchen Glauben man haben muss, um zu ihr zu gehören. Wer jenseits der von den Glaubensbekenntnissen definierten Grenzen stand, der hatte es in der christlichen Gesellschaft der Vergangenheit nicht leicht. Aus meiner Sicht ist es für heute wichtig, den stark selektiven und auch den okkasionellen Charakter der alten Bekenntnisse wahrzuneh-
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Theologischer Dialog
men. Alle kirchlichen Bekenntnisse und zumal unser kleines und großes Glaubensbekenntnis fangen damit an, eine Geschichte zu erzählen: Dass Gott Himmel und Erde erschaffen hat, dass Jesus gezeugt und geboren wurde, dass er gelitten hat und gestorben ist, dass er auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist. Damit ist viel gesagt – aber auch wieder sehr wenig! Wie viel wird hier von Jesus nicht erzählt! Es ist wie bei einem Menschen, an den sich andere erinnern. Tausend Geschichten sind da zu erzählen, der eine erinnert sich an dies, der andere an das. Eine vollständige Geschichte gibt es nicht, es gibt immer nur eine Auswahl. Und die hängt von dem Anlass ab, zu dem sich die Erinnerungen zusammenfinden. Einer erzählt über diesen Menschen, weil er ihn einmal sehr geliebt hat, ein anderer, weil er als Arbeitgeber ein Dienstzeugnis ausstellen muss – die Erinnerungen werden verschieden sein. Bei Ignatius von Antiochien wird z. B. deutlich, wie sehr der Anlass die Auswahl bestimmt: Unser Herr ist wahrhaftig aus Davids Geschlecht, wahrhaftig aus einer Jungfrau geboren, wahrhaftig angenagelt – die antidoketische Ausrichtung bestimmt rigide über die Auswahl dessen, was von Jesus erzählt wird. Und dann kommt es zu einer zweiten Phase der Entwicklung. Die Erzählungen werden in Begriffen verdichtet, zum Beispiel: Jesus Christus ist eines Wesens mit dem Vater. So verdichtet werden hier die Erzählungen, dass der Zusammenhang mit dem Erzählten oft kaum mehr, oder jedenfalls nur für die Eingeweihten, erkennbar ist. Dafür kann man trefflich über diese Begriffe streiten. Im Fall des ersten Symbolons, des Bekenntnisses von Nizäa, ist das so gegangen. Ein Jahrhundert und mehr hat man darüber gestritten, was das denn bedeutet, eines Wesens (homousios) mit dem Vater zu sein, und an gegenseitigen Verdammungsurteilen hat es keinen Mangel gehabt. Auf dieser Ebene der Glaubensbegriffe gibt es unvermeidlich immer Streit. Die Glaubensbekenntnisse wurden dabei als „Ausweis der Rechtgläubigkeit“ benutzt, zum Schaden derer, die die Interpretation dieser Begriffe durch die, die die Macht zur verbindlichen Interpretation hatten, nicht teilten. Für heute sollten wir uns nicht so sehr bei den Begriffen aufhalten. Wir sollten den Weg der „Kontinuität der Lehrentwicklung“ rückwärtsgehen. Wichtig ist, wieder anzufangen, von Jesus und von all den biblischen Geschichten, die mit ihm verknüpft sind, zu erzählen. Sagen, was für die eine und den anderen, für diese und für jenen an ihm beeindruckend ist. Warum es sich lohnt, sein Gedächtnis immer wieder dem Vergessen zu entreißen. Es werden sich dann unvermeidlich auch wieder die Begriffe einstellen. Für den einen ist er ein Re-
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volutionär, für den anderen ein ferner Vorfahr von Mahatma Gandhi, für den dritten ein Künder ewiger Weisheiten. Die Beschäftigung mit der Kirchengeschichte leitet dazu an, diese Begriffe nicht zu wichtig zu nehmen. Sie nicht als „Ausweis der Rechtgläubigkeit“ zu verwenden. Aus dem Pochen auf Rechtgläubigkeit ist noch wenig rechter Glaube entstanden, wohl aber aus dem lebendigen Austausch zwischen Leuten, die gerne von Jesus erzählen. Wenn Josef Rist das meint, wenn er sagt, dass die Beschäftigung mit den Glaubensbekenntnissen das Glaubenswissen vertieft, dann bin ich vollständig einig mit ihm.
Intermezzo IV: Die Intertextualität des Credo Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, Biblische und an Jesus Christus, Intertexte seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, AT/NT empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, Lehramtliche gekreuzigt, gestorben und begraben, Intertexte hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; Liturgische er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, Intertexte von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Literarische Gemeinschaft der Heiligen, Intertexte Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Andere Intertexte Amen.
Jeder Text ist – wenn man der Etymologie dieses Wortes folgt – ein Gewebe, ein Netz (lat.: textus = Gewebe). Als ein solches Netz verbindet das Credo die einzelnen Aussagen miteinander, indem es die dafür nötige Struktur schafft. Zugleich ist der Text mit anderen Texten verwoben. Es gibt ihn überhaupt nur, weil es zuvor andere Texte gab, und wir verstehen ihn in weiten Teilen auch nur deswegen, weil er Bezug auf andere Texte nimmt, die uns bereits vertraut sind. Und man kann vermuten, dass es ihn auch zukünftig nur geben wird, sofern andere Texte auf ihn Bezug nehmen, ihn aufgreifen und kommentieren oder befragen. Für diese Verbindung verschiedener Texte hat die Sprachwissenschaft den Begriff der Intertextualität geprägt: Dieser Begriff besagt, dass verschiedene Texte aufeinander Bezug nehmen und sich dadurch gegenseitig kommentieren. Wer so auf das Credo blickt, nimmt den Text zugleich als eine Antwort auf andere, vorherige, sog. Prätexte wahr: Das Credo führt sozusagen ein für uns zunächst unsichtbares Gespräch mit anderen Texten!
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Intermezzo IV
Dennoch ist es entscheidend, auch diese intertextuellen Bezüge sichtbar zu machen. Vielleicht verwenden Sie einen Augenblick darauf, diejenigen Intertexte genauer zu benennen, die Sie mit dem Credo verbinden: Ziehen Sie Verbindungslinien zwischen den biblischen Texten bzw. Textstellen, auf die das Credo konkret Bezug nimmt, aber auch zu anderen Intertexten, die literarischer, lehramtlicher, liturgischer oder anderer Natur sein können. Sie werden bei der Lektüre dieses Bandes ebenso feststellen, dass die einzelnen Beiträge (die ebenfalls Intertexte zum Credo sind!) auf Prä- bzw. Intertexte zum Credo eingehen. Auf diese Weise können Sie beobachten, wie die unterschiedlichen theologischen Fächer das Gespräch mit dem Credo suchen, indem sie es stärker biblisch kontextualisieren, wie bspw. die Exegese, oder mit anderen lehramtlichen Konzils- und Bekenntnistexten vergleichen, wie z.B. die Kirchengeschichte und die Systematische Theologie. SH
Erlöst von Sünde, Tod und Teufel. Aus systematisch-theologischer Sicht das Geheimnis der Erlösung zeitgemäß deuten Thomas Ruster Das Geheimnis der Erlösung zeitgemäß deuten
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Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie in ersten Ansätzen skizzieren, warum der Begriff der Erlösung zentrale Bedeutung für das Christentum und die Theologie besitzt … können Sie Verstehenshindernisse und mögliche theologische Lösungen im Zusammenhang mit den Fragen nach der Erlösung benennen … können Sie die Frage nach der Erlösung trinitätstheologisch einordnen und beleuchten
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Am 16. November 2017 wurde in New York das Bild Salvator Mundi von Leonardo da Vinci für den astronomischen Preis von 450 Millionen Dollar versteigert. Dies ist der höchste Preis, der jemals für ein Kunstwerk erzielt wurde. Aus christlicher Sicht ist es bemerkenswert: Ein Bild Jesu Christi erzielt in unserer säkularisierten Gesellschaft einen solchen Preis! Vielleicht ist der Käufer ein tieffrommer Mensch. Vielleicht ist er aber auch ein Zyniker mit einem hämischen Vergnügen daran, ein Bild von dem Mann ersteigert zu haben, der gesagt hat: „Wehe euch, ihr Reichen“ (Lk 6,24). Im Gegensatz zum Käufer seines Bildes war Jesus arm. Er hatte keine feste Bleibe und zog mit einer Schar heimatloser Gesellen als Wanderprediger durch die Lande. Für Unterkunft und Verpflegung war er auf die Großzügigkeit anderer angewiesen. Manchmal lud er sich selbst zum Essen ein (Lk 19,5), manchmal hatte er richtig Hunger (Mt 21,18). Als er in die Hauptstadt seines Landes kam, legte er sich dort mit den Reichen und Mächtigen an. Diese machten kurzen Prozess mit ihm und banden ihn nackt an ein Querholz, das an einem senkrechten Balken hochgezogen wurde. Dort hing er, außer den Schmerzen noch dem Spott und Hohn der Leute ausgesetzt, bis er
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starb. Einige Frauen, die ihm sehr zugetan waren, wollen gesehen haben, dass sein Grab am nächsten Tag leer war, und sie hörten einen Engel sagen, dass er auferstanden sei. Einigen Männern, ebenfalls aus seiner engsten Anhängerschaft, soll er als eine Art Geist erschienen sein (Lk 24,37). Solche Aussagen sind natürlich mit Vorsicht zu behandeln. Viel wahrscheinlicher scheint doch die Meinung zu sein, seine Jünger hätten seinen Leichnam gestohlen, um dann den Leuten zu sagen: Er ist von den Toten auferstanden (Mt 27,64). Von diesem Jesus sagt nun das Große Glaubensbekenntnis, dass er „wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen ist“. „…um unseres Heiles willen/propter nostram salutem“ – von dem Wort salus (Heil) kommt der salvator, den Leonardo da Vinci gemalt hat. Jesus Christus ist der Heiland, der Retter, der Erlöser der Welt, so bekennen es die Christen. Schwer zu glauben ist das. Die Aufgabe der Systematischen Theologie Die Systematische Theologie hat keine leichte, sogar die allerschwierigste Aufgabe, das Bekenntnis zu Jesus dem Erlöser verständlich zu machen. Vieles spricht ja dagegen. Zuerst und hauptsächlich die Wahrnehmung, dass die Welt so recht keinen erlösten Eindruck macht. Das Böse, das Leid, das Unglück sind ja noch in der Welt. Wie kann sie also erlöst sein?
1. Christliche Erlösungshoffnung Christen halten dennoch daran fest: Gott lässt uns mit dem Bösen nicht allein. Jesus selbst hat im Vaterunser zu beten gelehrt: Erlöse uns vom Bösen. Wenn einer, dann ist es Gott, der eine vom Bösen immer wieder gequälte und verfinsterte Welt erlösen kann. Darum richten sich die Hoffnungen religiöser Menschen auf Gott, denn sie wollen sich nicht damit abfinden, dass das Böse triumphiert. Menschen, die nicht an Gott glauben, haben es schwer, denn sie müssen entweder an sich selbst und ihre erlösende Kraft glauben – aber dazu gibt es wenig Grund – oder sie müssen sich resignierend mit der Lage der Dinge abfinden. Religiösen Menschen bleibt dagegen die Hoffnung auf Gott. Und Christen glauben, dass Gott in Jesus Christus diese Hoffnung erfüllt hat. Das Christentum ist eine Erlösungsreligion.
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Das Christentum: Eine Erlösungsreligion Der christliche Glaube will Menschen helfen, die an der Erfahrung des Bösen und des Übels verzweifeln. Dieser Glaube sagt: Mit Jesus Christus hat Gott den entscheidenden Schritt zur Überwindung des Bösen bereits getan.
2. Eine triadisch-trinitarische Erlösungslehre Daraus ergibt sich als systematischer Ansatzpunkt für das Nachdenken über Erlösung, dass sie als Tun Gottes gedacht werden muss. In christlicher Sicht: des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Die Erlösung ist das Werk des dreieinigen Gottes. Von daher ist der Erlösungslehre eine triadische Struktur vorgegeben. Sie bestätigt sich im Blick auf das, wovon die Erlösung geschieht. „Freue dich, Seele, die Hölle erlieget, Sünde und Satan und Tod sind besieget“, so heißt es in dem alten Osterlied Seele dein Heiland ist frei von den Banden. Die klassische Theologie hat Sünde, Tod und Teufel als die drei Manifestationen des Bösen identifiziert. Dazu liegt in der Theologie noch eine weitere Trias bereit, die Lehre von den drei Ämtern Christi als Priester, König und Prophet. Sie will erklären, wodurch die Erlösung geschah, nämlich durch das priesterliche, königliche und prophetische Wirken Jesu Christi. Es ist kein Zufall, dass den drei Personen Gottes drei Manifestationen des Bösen und drei Weisen der Erlösung entsprechen. Das werde ich im Folgenden zeigen. Am Ende werde ich nicht alles gesagt haben, was zu diesem Thema zu sagen ist, und ich werde auch nicht alle Zweifel beseitigt haben. Ich lege eine Skizze vor, an der deutlich werden kann, wie theologisch über das Thema Erlösung nachgedacht wurde und heute nachgedacht werden kann. Eine Struktur wird sichtbar, die Gedanken ordnet und Fragen einen Ort zuweist, wo sie geklärt werden können. Bestärkt bin ich dazu durch das II. Vatikanische Konzil, das sowohl den Glauben an den dreieinigen Gott wie die Lehre von den drei Ämtern Christi in das Zentrum der Glaubensverantwortung gerückt hat. Letzteres ist übrigens bemerkenswert, weil es sich dabei ursprünglich um eine reformatorische Lehre handelt. Sie wurde von der reformatorischen Theologie (Bucer, Calvin, später dann Barth) entwickelt, um das Erlösungswerk Christi zu beschreiben. Auf komplizierten Wegen ist diese Lehre in die katholische Theologie gelangt.
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Den größten Anteil hatte daran Matthias Josef Scheeben (1835-1888). Schließlich ist sie in der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils grundlegend für die Selbstbeschreibung von Kirche und ihrer Ämter herangezogen worden (Drilling 1988). Über die Erlösungsdimension hat das Konzil nicht triadisch (d.h. nicht explizit von Sünde, Tod und Teufel) gesprochen. Aber diesbezüglich hat mir ein Buch des evangelischen amerikanischen Theologen Robert Sherman sehr weitergeholfen. Sherman hat die Verbindungen zwischen den drei Triaden (Trinität – Sünde/Tod/Teufel – drei Ämter Christi) herausgearbeitet (Sherman 2004). Von ihm bin ich zu der folgenden Skizze angeregt worden.
3. Gottes Heilsplan Im Hymnus des Epheserbriefs ist ausgesprochen, wozu Gott die Welt erschaffen hat: „Er hat uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). Dazu also ist die Welt erschaffen worden, dass wir heilig werden. Der Unterschied der biblischen zur naturwissenschaftlichen Weltauffassung, das kann man sich für heute klarmachen, ist damit deutlich. Kein Naturwissenschaftler würde darauf kommen, dass die Welt für die Heiligkeit bestimmt ist. Unzweifelhaft ist aber, dass die Welt, so wie sie ist, als Ganze nicht heilig ist. Also ist die Welt, so wie sie ist, als Ganze noch nicht das, was sie nach Gottes Absicht sein soll. Christen haben grundsätzlich ein kritisches Weltverhältnis. Sie geben sich mit den bestehenden Zuständen nicht zufrieden. Sie hoffen auf die Vollendung und Verwandlung der Welt, sie hoffen, dass Gott seinen Plan verwirklichen wird. Wie kann es aber sein, dass wir heilig werden? Gott allein ist heilig, so heißt es an vielen Stellen der heiligen Schrift, so bekennen es auch Christen im Gloria der Heiligen Messe. Gott ist „Der Heilige“ schlechthin und gerade darin von der Schöpfung unterschieden. Wenn wir also heilig werden sollen, wie es der Epheserbrief sagt, dann bedeutet das, dass wir selbst Gott werden sollen. Darin besteht Sinn und Absicht der Schöpfung, dass die Menschen gottgleich werden. Es ist ungewöhnlich, das zu hören. Aber die klassische Theologie hat dies in aller Deutlichkeit ausgesprochen. So zum Beispiel Matthias Joseph Scheeben in seinem Jugendwerk Natur und Gnade (1864). Da führt er aus: Wir werden teilhaftig der göttlichen Natur, wir werden Kinder Gottes im eigentlichen Sinne, wir werden „Licht vom Lichte“
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(wie es im Glaubensbekenntnis vom Sohn Gottes gesagt ist). „Ja, wie er Gott ist, werden auch wir Gott und göttlich genannt.“ Als Kinder Gottes „teilen wir seine Herrschaft über die Dinge und besitzen und genießen dieselben Güter und Freuden, die er als König aller Wesen besitzt und genießt.“ Die Erlösten werden Kind des Vaters, Bruder und Schwester des Sohnes, Braut des Wortes und Tempel des Heiligen Geistes. Sie nehmen teil am inneren Leben der heiligsten Dreifaltigkeit (Scheeben 1922, 180f). Das Geheimnis der Heiligkeit ist das Geheimnis der Teilhabe. Es ist zugleich das Geheimnis der Erlösung. Gott hält nicht daran fest, allein heilig zu sein, er will auch die Menschen heilig machen. Man denkt hier an das Wort der Schlange im Paradies, die Eva und Adam verhieß, wenn sie von der verbotenen Frucht essen würden, würden sie werden wie Gott. Sie hatte recht und unrecht zugleich. Tatsächlich ist den Menschen verheißen, so zu werden wie Gott. Aber der Weg über die Sünde ist der falsche. Er führt aus dem Paradies heraus. Gott aber schenkt in dem Erlöser Jesus Christus seine heiligmachende Gnade, um die ursprüngliche Berufung wieder in Kraft zu setzen. Er hat uns, so der Epheserbrief, „mit allem Segen seines Geistes gesegnet [und] im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne (und Töchter) zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade“ (1,3.5f). Erlösung als trinitarisches Geschehen Das Geschehen der Erlösung, das hier geschildert wird, ist das Werk des dreieinigen Gottes: Der Vater hat uns erwählt – mit dem Segen seines Geistes sind wir gesegnet – durch unsere Gemeinschaft mit Christus.
4. Sünde, Tod und Teufel Das sind die drei Unheilsfaktoren, die die Welt davon abhalten, so zu sein wie Gott es will. Die Sünde ist die Übertretung von Gottes Gesetz und Weisung. Gottes Gesetz will uns den rechten Weg zum Leben weisen. Er kennt uns und weiß, was für uns gut ist. Wer sündigt, verliert das Paradies, das Gott ihm bereitet hat. Sünder machen sich selbst unglücklich. Sie verlieren ihre Bestimmung. Sie wollen aus eigener Kraft das werden, was sie nur von Gott als Geschenk emp-
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fangen können. Sie werden dem entfremdet, was sie eigentlich sind und nur in Gemeinschaft mit Gott sein können. Die gestörte Gemeinschaft zwischen Gott und seinem Volk muss wiederhergestellt werden, darin besteht die Versöhnung. Das Ziel ist, wieder in Gemeinschaft mit Gott handeln zu können und das zu tun, was ihm gefällt – nicht aus knechtischer Unterwürfigkeit, sondern so, wie man dem Rat eines guten Freundes folgt. Gott ist unser bester Freund, wenn wir ihm folgen, dann kommen wir zu uns selbst. Der Tod ist für alle Naturwesen Schicksal, für den Sünder aber ist er Strafe. Die Sünde verändert die Wahrnehmung des Todes, ist er doch die schmerzhafte Grenze für das Projekt, aus eigener Kraft wie Gott werden zu wollen. Sünder wollen es nicht wissen, dass sie an Gottes Leben und damit auch an Gottes Ewigkeit teilhaben, sie begrenzen sich selbst auf ihre Endlichkeit und leiden zugleich darunter. Die Theologie verbindet deshalb mit der Unheilsmacht des Todes in erster Linie Erkenntnis- und Willensschwäche, das heißt eine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit. In der Perspektive des Sünders ist das ganze Leben ein einziges Ankämpfen gegen die Vergänglichkeit. Übersteigerte Selbsterhaltung, grenzenlose Anhäufung von Macht, Zukunftssicherung und Ansehen sind die Folge. Glücklich aber wird man dadurch nicht. Der Teufel steckt vielleicht im Detail, aber noch viel deutlicher steckt er in den machtvollen Systemen, die das Leben der Menschen bestimmen. Teuflisch ist es zum Beispiel, wenn wir durch unser Wirtschaftssystem gezwungen werden, die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zu zerstören, doch bei jedem Einkauf erliegen wir der Versuchung des Teufels. Die bocksfüßige Figur des Teufels ist nur ein mythologischer Stellvertreter, besser: ein Symbol für die Überwältigung durch systemische Mächte, die sich auf dem Wege der Versuchung an uns heranmachen. Biblische Begriffe, die an die Stelle der zweideutigen (weil immer auch zu missbrauchenden) Rede vom Teufel treten können, sind die „Mächte und Gewalten“. Diese Pluralbildungen bezeichnen gegenüber der einfachen Erfahrung von Macht und Gewalt etwas Ungreifbares, schwer zu Beherrschendes, Machtvolles; der Kolosserbrief spricht auch von Thronen und Herrschaften, die sowohl im Sichtbaren wie im Unsichtbaren angesiedelt sind (Kol 1,16). Der Sachverhalt ist aber klar: Zwar ist der Mensch immer frei in seinen Entscheidungen, aber in aller Regel gibt er dem übermächtigen sozialen Druck nach. So werden wir auf den Teufel (oder besser: auf die Mächte und Gewalten) bei der Beschreibung der Macht des Bösen nicht verzichten können.
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5. Die Verknüpfung von Sünde, Tod und Teufel Die Lage wird erschwert dadurch, dass die Unheilsfaktoren nicht einzeln auftreten, sondern sich gegenseitig verstärken. Die Sünde ist der Sold des Todes, sagt Paulus (Röm 6,23). Denn das Handeln nach dem Gesetz der Selbsterhaltung, dem der Sünder in maßloser Weise folgt, nimmt anderen die Möglichkeit zum Leben. So wird durch die Sünde der Tod befördert. Umgekehrt ist es gerade die Angst vor Schwäche und Tod, die die Maßlosigkeit der Sünde stimuliert. Schauen wir auf den Zusammenhang zwischen Tod und Teufel, bzw., wie eben ausgeführt, zwischen dem Tod und den mächtigen sozialen Systemen, dann ist ersichtlich, dass auch sie den Tod fürchten. Alles will leben und bestehen bleiben, auch soziale Systeme wie eine Partei, eine Firma, ein Staat oder das Wirtschaftssystem. Aus Sorge um ihre Erhaltung lösen sich Systeme von der Aufgabe, die sie für die Gesellschaft haben, und autonomisieren sich (wie der Systemtheoretiker Niklas Luhmann sagt), sie betreiben ihre Selbsterhaltung ohne Rücksicht auf ihre Umwelt (vgl. Luhmann 1997, 233). So wie unser Wirtschaftssystem, das munter weitermacht, auch wenn die Welt darüber zugrunde geht. Auf diese Weise aber ermächtigen die Systeme den Tod weit über das normale Maß hinaus. Was schließlich das Zusammenwirken von Sünde und Teufel betrifft, so ist es einerseits so, dass die Systeme Menschen zu mehr sündigem Tun verleiten, als sie von sich aus wollen. Keiner will die Umwelt zerstören, aber wenn er einkauft, tut er es doch. Andererseits sind es die sündigen Bedürfnisse, mit denen die Systeme gleichsam gefüttert werden und die sie zu erfüllen trachten. Alle wollen zum Beispiel unbegrenzte Mobilität zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Das Verkehrssystem beeilt sich, dies zu ermöglichen. Am Ende aber können wir nicht nur, wir müssen eilen (wie es Karl Barth ausdrückte) und sind hilflos den verheerenden Wirkungen des Verkehrssystems ausgeliefert, das unsere Bedürfnisse erschaffen haben (vgl. Barth 1979, 396).
6. Die Erlösung durch Jesus Christus Jesus Christus hat die Macht der Sünde überwunden, indem er die Menschen mit Gott versöhnte. Er hat die Macht des Todes gebrochen, indem er das wahre Leben verkündigte, „das Leben in Fülle“ (Joh 10,10), oder, wie Paulus es ausdrückt, indem er uns freimachte vom
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„Gesetz der Sünde und des Todes“ durch „das Gesetz des Geistes des Lebens“ (Röm 8,2). Er hat den Teufel besiegt, indem er die Mächte und Gewalten „ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt hat“ (Kol 2,15). Das alles ist leicht gesagt, aber schwer zu begreifen. Schwer nicht deshalb, weil es so kompliziert ist, sondern weil es zum Verstehen einer Art von Erkenntnis bedarf, die aus dem Glauben kommt. Die systematische Theologie versucht, aus dem Glauben heraus zu denken, so wie ich es hier auch versuche. Man darf sich nicht wundern, wenn Menschen, die dem Glauben fernstehen, mit der Theologie nicht viel anfangen können. Die Versöhnung hat die Theologie stets mit dem Opfer Jesu verbunden. Dabei war meistens gedacht worden: So wie beim Tempelopfer des Alten Bundes die Tiere als Sühne für die Sünde geschlachtet wurden, so gibt Jesus seinen Leib als Sühne für unsere Sünde hin. Der Akzent liegt auf der Hingabe, der Zerstörung des Leibes sowohl bei den Tieren wie bei Jesus. Aber so muss man nicht denken. Der Sinn der Opfer des Alten Bundes ist es vielmehr, für Gott einen „Wohlgeruch“ zu erzeugen (vgl. z.B. Lev 1,9). Die Dinge der Welt – speziell beim Opfer: die Zutaten einer Mahlzeit – werden so verwandelt, dass Gott Gefallen an ihnen hat, dass er sie gut riechen kann (bei diesem olfaktorischen Verständnis bedenke man, wie wichtig unser Geruchssinn für Wohlgefallen und Ekel ist). Versteht man das Opfer Jesu aus dieser biblischen Perspektive, dann wird klar, dass das ganze Leben dieses geliebten Sohnes, an dem Gott sein Wohlgefallen hat, ein Opfer für Gott ist. Jesu Leben als Ganzes ist ein Wohlgeruch für Gott. Wenn man näher hinschaut, sieht man, dass der Hebräerbrief das Wohlgefallen des Vaters an Jesus (er hat ihn „mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt“, Hebr 2,9) damit verbindet, dass Jesus nicht für sich allein Gott wohlgefällig sein wollte, sondern „viele Söhne (und Töchter) zur Herrlichkeit führen wollte“ (Hebr 2,10). Hier stoßen wir wieder auf das Geheimnis der Teilhabe, das für die Heiligkeit grundlegend ist. Sind wir also mit Jesus vereint, sind wir Teil des Leibes Christi, dann fällt auch auf uns das Wohlgefallen Gottes. Menschen, die den Geruch Jesu an sich haben, kann Gott gut riechen. Mit ihnen ist er versöhnt. Für die Überwindung der Macht des Todes ist sicherlich die Auferstehung Jesu das zentrale Datum. Aber die Auferstehung darf nicht nur auf das Leben nach dem Tode gedeutet werden. Jesus war gekommen, um die Verheißung des Reiches Gottes zu erfüllen. In seiner ersten Predigt in Nazareth zitiert er die „gute Nachricht“ aus dem
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Propheten Jesaja von der Ausrufung des Gnadenjahres des Herrn. Und dann erklärt er, dass „sich dieses Schriftwort heute in euren Ohren erfüllt hat“ (Lk 4,21). Vielmals hat es sich erfüllt im Leben Jesu: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet“ (Mt 11,5). Aber dann ist Jesus ans Kreuz geschlagen worden. Ist damit die Verheißung widerlegt? Haben die Mächte des Todes doch wieder gesiegt? Die Botschaft von der Auferstehung bezeugt, dass die Mächte des Todes nicht das letzte Wort behalten haben. Die Verheißung bleibt in Kraft. Alle, die an Jesus glauben, können darauf vertrauen, dass die lebensschaffende Verheißungskraft Gottes stärker ist als die Macht des Todes. Sie sagen: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1 Kor 15,55). Die verhängnisvolle Fehlwahrnehmung der Sünde, nach der die ganze Welt unter der Macht des Todes steht, ist korrigiert. So hat Jesus den Tod überwunden. Jesu Sieg über den Teufel bzw. über die Mächte und Gewalten wird im Neuen Testament geradezu enthusiastisch gepriesen. Er ist „das Haupt aller Mächte und Gewalten“ (Kol 2,19), er wurde von Gott „auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen genannt wird“ (Eph 1,20f). Der Sieg wird auch so beschrieben, dass durch Jesus die Mächte wieder in ihre ursprüngliche, der Schöpfung dienliche Funktion eingewiesen werden: „In ihm ist alles geschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten; alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen“ (Kol 1,16). Wie kann man so etwas sagen, da doch die Mächte offensichtlich noch ihre zerstörerische Wirkung entfalten? Jesus selbst ist den Mächten seiner Zeit zum Opfer gefallen. Aber schauen wir genau hin, wie diese Mächte sich im Rahmen seiner Passion ausnehmen. Wie stehen sie am Ende da – der opportunistische Pilatus, der Hohe Rat mit seinen falschen Zeugen, der wundersüchtige Herodes, die Demagogen des Tempels? Sie sind „entwaffnet und öffentlich zur Schau gestellt“, sagt der Kolosserbrief (2,15). Sie sind demaskiert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Jesus hat sie sich an ihm austoben lassen, hat sie ihre Macht entfalten lassen und dann am Ende „über sie triumphiert“. Damit können alle wissen, die an Jesus glauben, dass diese scheinbare Übermacht der Mächte letztlich Ohnmacht ist. Dass wir ihnen nicht folgen müssen. Wir kommen frei gegenüber der Welt mit ihren Mächten zu stehen. Der Teufel ist besiegt.
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7. Die drei Ämter des Erlösers Jesus Christus und ihre trinitarische Verknüpfung In der Lehre von den drei „Ämtern“ Christi (lat. munera, von munus: Aufgabe, Dienst, Obliegenheit) ist der Glaube an die durch ihn geschehene Erlösung in eine bündige Form gebracht worden. Das hilft dem Verständnis! Zum einen ist damit gesagt, dass Gott, indem er Jesus in diese Ämter beruft, sein Werk an seinem Volk Israel fortsetzt, hat er doch durch Könige, Priester und Propheten sein Volk geleitet. Die Verheißung, die mit dem Königtum (z.B. David), dem Priestertum (da verweist die Theologie besonders auf den Priester und Friedenskönig Melchisedek, Gen 14; Ps 110) und der prophetischen Botschaft verbunden war, lebt in Jesus wieder auf. Gott bleibt sich treu. Jesus ist der wahre Hohepriester (Hebr 9,11). Er ist ein Prophet – interessant ist, dass er von den Menschen damals vor allem als Prophet gesehen wurde (vgl. Mt 21,11; Joh 7,40 u.ö.). Er ist der wahre König der Juden, der am Kreuz hängt (Mt 27,37); zum Erschrecken des Königs Herodes hatten schon die Weisen aus dem Morgenland den König der Juden gesucht (Lk 2,2f). Er ist, wie es dann die nachösterliche Verkündigung nachdrücklich proklamiert, der „Herr“, der „Kyrios“ (Apg 10,36, Röm 10,9, Phil 2,11 u.ö.). Die Aufgaben, die diesen Ämtern zugeordnet sind, hat Jesus ausgeführt: die priesterliche Versöhnung, die prophetische Verkündigung und die königliche Aufrichtung des Gottesreiches. Die Rede vom dreifachen Amt gibt vielfach Gelegenheit, das Wirken Jesu vor dem Hintergrund der vielen Geschichten über Priester, Propheten und Könige im Alten Testament tiefer zu verstehen. Zum anderen wird durch die Aufteilung auf die drei Ämter erkennbar, in welcher Weise die Personen der Dreifaltigkeit am Werk der Erlösung beteiligt sind. Die Königsherrschaft kommt Gott dem Vater und Schöpfer zu. Jesus errichtet sie in seinem Namen und Auftrag. Die Verkündigung ist das Werk des Geistes, der immer schon der Geist der Propheten gewesen ist. Die Versöhnung aber ist des Sohnes eigenes Werk. Das hört sich an wie eine göttliche Arbeitsteilung. Doch da alle diese Werke der Erlösung durch Jesus getan werden bzw. an ihm offenbar werden, muss der Sachverhalt wohl komplizierter sein. Jesus selbst ist der König und Herr, aber eben damit verschafft er dem Königtum Gottes Anerkennung. Jesus selbst ist aus dem Geist gezeugt und mit dem Geist begabt. Das Werk der Versöhnung ist ein Werk im Geist auf den Vater hin.
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Opera trinitatis ad extra indivisa sunt Ein alter theologischer Grundsatz lautet: „Die Werke der Dreieinigkeit sind nach außen ungeschieden (Opera trinitatis ad extra indivisa sunt)“ (DH 491; 571). Sie sind nach außen nicht zu unterscheiden, denn sie kommen alle in Jesus überein. Aber Jesus übt sie in „perichoretischer“, sich gegenseitig durchdringender Weise aus. Dann können wir auch sagen: Überall, wo dieser Geschehenszusammenhang von Versöhnung, Offenbarung und Befreiung sich vollzieht, da ist der dreieinige Gott selbst am Werk.
8. Die Teilhabe der Erlösten am Leben des dreieinen Gottes Gott hat die Menschen zur Heiligkeit berufen, so haben wir gehört. Er will, dass alle an ihm teilhaben. Er will seine Geschöpfe vergöttlichen. Wodurch geschieht das? Die erste Antwort ist: durch den Glauben. Man kann hier sogar noch eine weitere Trias einführen, die drei „theologischen Tugenden“ Glaube, Hoffnung und Liebe. „Jesus ist der Herr“, das ist nach Paulus ein „Wort des Glaubens“ (Röm 10,9), es bezieht sich auf die Königsherrschaft Gottes. Dass aber das Reich Gottes Wirklichkeit werde, das hoffen die Glaubenden. In der Liebe sind sie verbunden mit dem inneren Leben des dreieinen Gottes und untereinander; in der Liebe erfüllen sie das Gebot der Gottesund Nächstenliebe. Doch damit noch nicht genug! Die Glaubenden erhalten die Teilhabe an den drei Ämtern Christi. In der Taufe wird das den Neugetauften gesagt: „Du wirst nun mit dem heiligen Chrisam gesalbt, denn du bist Glied des Volkes Gottes und gehörst für immer Christus an, der gesalbt ist zum Priester, König und Propheten in Ewigkeit.“ Dies ist der Augenblick der Vergöttlichung im Leben eines und einer jeden Getauften. Denn die Partizipation an den drei Ämtern Christi ist die Gemeinschaft mit Christus. Deshalb ziehen die Getauften das weiße Kleid und damit Christus selbst an. Ihre Taufkerze wird an der Osterkerze entzündet. Teilhabe an Jesus Christus ist Teilnahme an den Werken der Erlösung und damit am Leben des dreieinigen Gottes. So vollendet Gott seine Schöpfungsabsicht in der Taufe. Was noch zu tun bleibt, ist, dass die Getauften das tun, was Christus getan hat. Sie vollenden die Erlösung, die Jesus schon vollbracht hat. Das ist ihre Berufung; eine größere gibt es nicht. Der
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beste Weg dazu ist wohl nicht, einen astronomischen Preis für ein Bild vom Salvator Mundi zu zahlen. Sondern selbst zum Bild Christi zu werden. Literatur Drilling, Peter: The Priest, Prophet and King Trilogy: Elements of its Meaning in Lumen Gentium and for Today, in: Église et Théologie 19 (1988), 179-206 Scheeben, Matthias Joseph: Handbuch der Katholischen Dogmatik von 1882, Band VI/2, herausgegeben von Carl Feckes, 2. Aufl., Freiburg: Herder 1954 Sherman, Robert: King, Priest und Prophet. A Trinitarian Theology of Atonement, New York/London: Bloomsbury 2004
Theologischer Dialog Claudia Gärtner antwortet auf Thomas Ruster
Jugendliche stellen sich weniger die Frage nach „Erlösung“, sondern vielmehr die Frage nach „Lösung“, so formuliert der evangelische Religionspädagoge Meyer-Blanck pointiert (Meyer-Blank 2005, 87). Dabei streben Heranwachsende eine „Lösung“ vom Elternhaus, von Regeln und Normen, die sie für überkommenen halten an – und damit oftmals auch eine Loslösung von Glaubenstraditionen. Und zugleich suchen sie nach eigenständigen „Lösung“ für ihr Leben. Gerade für Jugendliche mutet die christliche Erlösungslehre, wie sie Thomas Ruster entfaltet hat, daher provokant an: „Sünder machen sich selbst unglücklich. Sie verlieren ihre Bestimmung. Sie wollen aus eigener Kraft das werden, was sie nur von Gott als Geschenk empfangen können. [… Sünder] begrenzen sich selbst auf ihre Endlichkeit und leiden zugleich darunter. […]. In der Perspektive des Sünders ist das ganze Leben ein einziges Ankämpfen gegen die Vergänglichkeit.“ Kinder und Jugendliche wollen und müssen aus eigener Kraft ihr Leben in die Hand nehmen. In ihrer Perspektive steht ihnen die Welt offen – und dies ist für die Entwicklung einer stabilen Identität und
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eines gesunden Wirkmächtigkeitsverständnisses auch notwendig. Erlösung – also kein Thema für Jugendliche? Entwicklungspsychologisch betrachtet stehen sicherlich andere Themen im Vordergrund, als die eigene Sündhaftigkeit, den Tod und die unheilvollen Mächte zu bedenken. Allerdings geschieht die Entwicklung vom Kind resp. Jugendlichem zum Erwachsenen nicht kontextlos. Vielmehr sind viele Heranwachsende den beschriebenen unheilvollen Mächten und Gewalten ausgesetzt: Sie leben in „abgehängten“ Milieus, so dass ihnen die Welt weder beruflich noch sozial offensteht, sie werden in Regionen groß, in denen wesentliche Grundlagen für eine gesunde Entwicklung fehlen, sie sind körperlich oder geistig beeinträchtigt, so dass sie sich nicht vom Elternhaus ohne weiteres „lösen“ können. Aufgabe einer Didaktik der Erlösung ist es, mit Heranwachsenden genau solche unheilvollen Strukturen und Situationen zu entdecken und in diese hinein die christliche Erlösungslehre als Deutungsfolie anzubieten.
„Zu richten die Lebenden und die Toten“. Aus theologisch-ethischer Sicht über die Grenzen der Moral nachdenken Simone Horstmann Über die Grenzen der Moral nachdenken
Nach der Lektüre dieses Beitrag … … können Sie den Unterschied zwischen Moral und Ethik benennen und die Möglichkeiten und Grenzen ethischen Reflektierens einordnen … können Sie methodische Beobachtungen dazu anstellen, wie ethische Beschreibungsformen und soziale Strukturen miteinander in Beziehung stehen
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Wer sich auf die Suche nach einer ethischen oder moralischen Lesart des Credo macht, bleibt schnell ernüchtert zurück: Auf den ersten Blick scheint es im Credo in keinster Weise um Verhaltens- und Handlungsfragen zu gehen! Es wird keine einzige Norm aufgestellt, es gibt im gesamten Text keine Imperative oder Sollens-Aussagen, niemand echauffiert sich moralisch, es wird an keiner Stelle deutlich erkennbar über Gut und Böse räsoniert, noch nicht einmal der namentlich genannte Pontius Pilatus wird für das von ihm mitverursachte Leid verurteilt. Hat das Credo also überhaupt eine ethische Dimension? Selbst die einzige zumindest mittelbar ethische Semantisierung, der Hinweis auf das ausstehende Gericht im christologischen Artikel, wirkt angesichts dieser Beobachtungen wie eine „ethische Drehtür“: Sie dient dem Einstieg in den vermeintlich ethisch-affinen Text, aber ehe man sich versieht, hat man den Text auf der Suche nach weiteren ethischen Anhaltspunkten auch schon wieder verlassen. Denn zu allem Übel geht es selbst in dieser ethisch-affizierten Textstelle um ein zukünftiges Ereignis – es scheint, als würde die Ethik nicht nur aus dem Raum des Textes, sondern selbst aus der erzählten Zeit verabschiedet! Wenn das Credo also kaum auf ethische Fragen und Sachverhalte ansprechbar scheint, dann liegt die Gefahr einer Überstrapazierung und Fehldeutung des Textes gefährlich nah.
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1. Methodische Orientierung Bevor wir das Credo intensiver in Augenschein nehmen und ethisch analysieren können, müssen wir uns angesichts dieser Gefahr daher gründlich über eine methodische Frage verständigen: Woran ist „Ethik“ überhaupt erkennbar – was genau meinen wir, wenn wir von Ethik und Moral sprechen? Ich verwende dafür zunächst die einfache Definition, dass Ethik die Reflexionstheorie der Moral ist. Damit ist nicht gesagt, dass es nur die eine Ethik gibt – die ethischen Theorien sind ausgesprochen pluriform. Wenn wir hingegen von Moral sprechen, dann meinen wir damit keine Theorie, sondern eine Praxis: Jene tagtäglich zu beobachtende Kommunikationsform, die Achtung und Missachtung gegenüber moralfähigen Akteuren (i.d.R. Menschen) distribuiert. Als Kommunikationsform ist Moral lebenspraktisch tief in unserem Alltag verankert – wer dagegen Ethik betreiben möchte, muss von dieser Praxis zunächst einen gewissen Abstand gewinnen, der es erlaubt, die Praxis der Moral beobachtend zu analysieren, also auf eine ethische Theorieebene zu überführen. Erkennbar und i.d.S. beobachtbar ist Moral zu allererst anhand ihrer zentralen Unterscheidung von „gut“ und „schlecht“ – diese Leitunterscheidung stellt den Sortiermechanismus dar, anhand dessen Moral ihre Wahrnehmung von Weltwirklichkeit ordnet. Nun ist es ganz offensichtlich aber so, dass viele moralische Äußerungen gerade nicht immer offensichtlich mit diesen beiden Urteilen (gut/schlecht) operieren, aber sehr wohl moralisch zu nennen sind. Diese Feststellung hat damit zu tun, dass sich die Grundunterscheidung „gut“ vs. „schlecht“ weiter ausdifferenziert hat: Denn insbesondere auf die Frage, was genau gut bzw. schlecht genannt werden soll, haben unterschiedliche Gesellschaften und Zeiten andere, zum Teil ausgesprochen unterschiedliche Antworten gefunden, die sich gleichwohl gegenseitig beeinflusst haben. Veränderungen in den Sozialformen und Gesellschaftsstrukturen gehen dabei i.d.R. Hand in Hand mit Veränderungen dessen, was wir als moralisch bedeutsam erleben und als moralisch relevant semantisieren können. In diesem Sinne können wir von einer Evolution der moralischen Semantik sprechen (Horstmann 2016). Die Evolution der moralischen Semantik Die Semantik der Moral stellt den Vorrat an Sinnverarbeitungsregeln innerhalb der moralischen Kommunikation dar. Sie identifiziert Bedeu-
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tungsgehalte, die von einer Gesellschaft im Hinblick auf die geltende Moral als bewahrenswert und sinnstiftend erlebt werden: Semantiken können daher von einer Gesellschaft ‚gepflegt‘ werden, sie können aber auch verfallen und nicht weiter verwendet werden (Luhmann 2004) – so erging es beispielsweise der Semantik der Manieren, die im 17. und 18. Jahrhundert noch als moralisch bedeutsam verstanden wurde: An den Manieren eines Menschen meinte man ablesen zu können, ob es sich auch moralisch um einen guten Menschen handelte – heute scheint uns die moralische Codierung von Manieren eher fremd zu sein.
2. Semantische Beobachtungen Wer Ethik semantisch, also hinsichtlich ihrer faktischen Bedeutungsgehalte analysieren möchte, stellt sich daher die Leitfrage: Welche moralischen Kategorien kennt eine soziale Gruppe bzw. eine Gesellschaft, in welchen Ordnungsstrukturen nimmt sie Moral wahr? Was ist überhaupt moralisch codierbar? Wie vielfältig die Möglichkeiten dessen sind, was menschliche Gesellschaften bislang häufig als moralisch semantisierbar erlebt haben, zeigt Abb. 5, die eine Übersicht über einige, aber bei weitem nicht alle moralischen Semantiken gibt. Die acht Hauptkategorien der moralischen Objekte, Begründungen, Sanktionen, Zeithorizonte, Akteure, Institutionen, Bedingungen und Fremdcodes (dies sind zunächst außermoralischen Kategorien, die die Moral aber beeinflussen) können eine Beobachtungshilfe darstellen: Sie leiten dazu an, den jeweiligen Untersuchungsgegenstand, z.B. einen Text, daraufhin zu befragen, welche z.B. moralischen Akteure (usf.) er jeweils kennt. Ethik hat in diesem Sinne zunächst auch eine beschreibende Aufgabe und wird nicht nur auf ihre normative Appell-Struktur reduziert, wie man es anfänglich vielleicht vermuten würde. Kernanliegen einer Ethik ist es hingegen auch, die Beschreibung ethischer Problemlagen so zu leisten, dass diese einer konstruktiven Bearbeitung zugänglich werden. Denn sobald eine Semantik als solche benannt wird, kann sie von anderen abgegrenzt und unterschieden werden: Sie wird auf diese Weise erkennbar als eine historischverfestigte Selektion und damit als eine grundsätzlich kontingente, d.h. nicht notwendige Form, die gegenüber anderen möglichen Alternativen spezifische problemlösende Vor-, aber auch Nachteile enthält.
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Über die Grenzen der Moral nachdenken Göttliche/r Ordnung/Wille Folgen
Ewiger Lohn/ewige Strafe
Natürliche Ordnung Absicht
Individuelle Würde
Objekte
Begründung
Medizin Ökonomie Bildung Recht Fremdcodes Bedingungen Fahrlässigkeit (in)direkte Tatfolge (Un)Zurechenbarkeit
Handlungsfreiheit
Ausgleichsleistungen
Vernunft(fehler)
Haltung
sozialer Status
Resozialisierung
Ausgleich
Gesinnung
Sozialisation
Exklusionsmechanismen
Rache
Maxime
Willensfreiheit
Kapitalstrafen
Soziale (De-)Stabilisierung
Handlung
Positive Sanktionen Sanktionen
Kürzere Zeithorizonte Ewig- Gene- LebensZeitkeit rationen zeit spannen Institutionen Akteure
Recht(sstaatlichkeit) Mensch/Tier/… Staatlichkeit Schiedsstellen
männlich/weiblich/genderfluid Altersgruppen
(Familien)räte Persönliche Willkür
Sozial hierarchisiert Gruppenspezifisch differenziert
Nicht institutionalisiert
individualisiert/assoziiert
Abb. 5: Übersicht über zentrale moralische Semantiken
Die Tatsache, dass eine bestimmte Semantik beispielsweise einzig erwachsene Männer als moralische Akteure akzeptiert, stellt auf der Ebene der Beschreibung zunächst eine Selektion aus einer unüberschaubaren Menge an Möglichkeiten dar, die es schafft, diese Komplexität (sehr stark) zu reduzieren und auf diese Weise überhaupt sinnvoll bearbeitbar werden lässt. Ebenso ist es Aufgabe der semantischen Analyse, die jeweilige Semantik mit ihren Alternativen zu konfrontieren und von daher zu beurteilen, wie die jeweilige Selektion zu bewerten ist: Sind die Alternativen, die sie auslässt, zu vernachlässigen oder geht etwas Substantielles durch sie verloren?
3. Die Gerichtssemantik des Credo Verfolgen wir diese Fährte für das Credo weiter, indem wir noch einmal auf die anfängliche Beobachtung Bezug nehmen, dass die Nennung des Gerichts im christologischen Artikel (bzw. genauer eigentlich Christi Handeln als Richtender) eine zunächst intuitiv wahrgenommene moralische Semantisierung beinhaltet.
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Über die Grenzen der Moral nachdenken
Wir können diese Einschätzung mittels des obigen Schemas nun genauer beschreiben: Die moralische Leitunterscheidung von „gut“ vs. „schlecht“ wird ausdifferenziert in ein Schema, das sich stark an den (aus heutiger Sicht) Fremdcode bzw. die Institutionen des Rechts anlehnt. Als Akteure werden Christus als Richtender genannt, sowie „die Lebenden und die Toten“ als diejenigen Akteure, über die gerichtet werden soll. Die zeitliche Dimensionierung des Gerichts ist einerseits zukünftig, insofern das Gericht im Credo als ein noch ausstehendes Gericht gefasst wird („von dort wird er kommen…“); angesichts der eschatologischen Rahmungen der Gerichtsvorstellungen in der Dogmatik können wir auch begründet annehmen, dass die Auswirkungen des Gerichts unsere innerweltlichen, zeitlich also begrenzten Verurteilungsfolgen also übersteigen. Wichtig ist aber auch die Beobachtung, dass der Text die übrigen Kernsemantiken nahezu unbeleuchtet lässt: Die Begründung des Gerichts, d.h. die normative Basis für einen denkbaren Richterspruch bleibt ebenso unklar wie mögliche einschränkende Bedingungen und vor allem auch die Objekte: Worüber genau entscheidet das Gericht – geht es um (unterbliebene oder durchgeführte) Handlungen, um Absichten und Gesinnungen, um Motive oder Tatfolgen? Die vielleicht entscheidenden moralischen Semantiken bleiben hier seltsam unaufgeklärt. Die Frage nach den Sanktionen des Gerichts verunklart diesen Befund womöglich noch mehr, denn im anschließenden Artikel ist keine Rede von Strafen, gar von einer Hölle, sondern von einer „Vergebung der Sünden“ sowie dem „ewigen Leben“! Passt das noch zusammen? Kein weltliches Gericht könnte wohl seiner Aufgabe nachkommen, wenn es nicht über Sanktionsmöglichkeiten verfügte – aber hier lesen wir von einem Gericht, das sich angesichts der „Vergebung der Sünden“ scheinbar selbst diskreditiert. Wie also lässt sich diese moralische Uneindeutigkeit erklären, die unsere Eingangsbeobachtung nur noch einmal zu bestätigen scheint, dass das Credo moralisch bestenfalls unergiebig scheint? Zwei denkbare Erklärungen wollen wir uns näher ansehen.
4. Das Gericht als Gewissen? Moderne Deutungen im Bereich der (überwiegend evangelischen) Eschatologie (z.B. bei K. Barth, R. Bultmann) haben den Versuch unternommen, die theologische Bedeutung des Gerichts stärker präsentisch zu verstehen – Ziel war es dabei, die Bedeutung des Gerichts
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eben nicht nur auf ein Jenseits oder eine nachtodliche Wirklichkeit zu verlagern, sondern seine Relevanz für jeden konkreten, immanenten Augenblick deutlich zu machen. Das Gericht passiert hier und jetzt – so könnte man den Versuch dieser präsentischen Verschiebung formulieren. Parallel zu der präsentischen Auslegung der Eschatologie ist insbesondere die Deutung des (Partikular-)Gerichts als Selbstgericht auch in der neueren katholischen Theologie hervorgehoben worden (z. B. H. U. von Balthasar 1983). Die Vorstellung, dass das Gericht immer schon im Hier und Jetzt des konkreten Augenblicks stattfindet, erlaubte daher eine starke Identifizierung des Gerichtsgedankens mit der Kategorie des Gewissens – beide moralischen Kategorien wurden beinahe unmittelbar aufeinander abgebildet. So kann man auch in der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Gaudium et spes (GS) eine solche Verbindung finden: „Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird. Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist.“ (GS 16)
5. Sozialstruktur und Semantik: Gewissen und Gericht Für unsere methodische Ausgangsüberlegung ist diese Verbindung von Gewissen und Gericht zunächst aus einem sozialstrukturellen Grund wichtig. Der Begriff des Gewissens kann zunächst als eine dem Individuum zugemutete Form der Selbstkontrolle verstanden werden: Im Gewissen beobachtet ein Mensch sich selbst unter moralischen Gesichtspunkten. Diese Form der Selbstkontrolle wird dort notwendig, wo Gesellschaften komplexer werden und moralische Personen in ihren Handlungen und Absichten nicht mehr vollständig von der sozialen Gruppe kontrolliert werden (können). Größere Gesellschaften vertrauen – in Form des Gewissens – daher auf die Selbstkontrolle des Individuums. Das Gewissen gewinnt in ethischer Hinsicht so einen restriktiven, die menschliche Freiheit begrenzenden Gehalt: Abweichungen von sozialen Normen sollten durch ein ‚schlechtes Gewissen‘ vermieden werden, normerfüllendes Verhalten konnte das Gewissen beruhigen – in diesem Sinne trug die Semantik des Gewissen entscheidend zur Stabilisierung sozialer Verhältnisse bei, ohne vollständig in dieser Funktion aufzugehen.
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Diese funktionale Deutung des Gewissens als bloßer, ins Innere des Menschen verlegter sozialer Kontrollmechanismus, kann die Bedeutung des Gewissens nicht vollumfänglich erschöpfen. Das Gewissen markiert gegenüber den sozialen Normen nicht nur den Ort der verinnerlichten Regelbefolgung, sondern hat immer auch den Stellenwert einer produktiven Differenz gegenüber diesen Normen: Hier kommt neben dem zuvor genannten Gewissensappell die zweite Bedeutung des Gewissens in Form des sprichwörtlichen Gewissenstäters zum Tragen. Wer sich ggf. auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile auf sein Gewissen beruft, erkennt und nutzt das freiheitliche Entdeckungspotential des Gewissens gegenüber allen sozialen Regeln und im Hinblick auf deren Ausbesserung oder Neuformulierung. So wird das Gewissen auch zu jenem Ort, an dem alle sozialen Normen als potentiell kontingent erkennbar werden (Breitsameter 2010). Diese theologische Verquickung des Gerichtetwerdens und des Gewissens vermag eine erste, vorsichtige Erklärung für die normative Uneindeutigkeit der moralischen Semantik des Credo zu sein. Wenn nämlich die konkreten Gehalte des Richtens auf die individuelle Ebene des persönlichen Gewissens projiziert werden, dann sind sie womöglich ebenso wenig erklärungsbedürftig (und auch ebenso wenig erklärungsfähig) wie das je eigene Gewissen. Man müsste von diesem Ansatz her also sagen, dass das Credo die normativen Grundlagen des genannten Gerichts nicht ausspricht, weil sie in die textuell nicht einholbare Vielfalt der individuellen Gewissen verweisen. Allerdings schafft eine solche Behauptung auch gewichtige Folgeprobleme: Wie verhält sich die Deutung des Gerichts als einem Selbstgericht etwa zur Möglichkeit des (schuldlos) irrenden Gewissens? Was würde es für das Gericht bedeuten, wenn Menschen mitunter über kein Gewissen verfügten? Aber vor allem: Wie lässt sich eine Trivialisierung des Gerichts vermeiden, wenn wir im Alltag doch häufig genug die scheinbare Wirkungslosigkeit des persönlichen Gewissens beobachten können (Ernst 2009; Schockenhoff 2003)? Diese erste Deutung überzeugt also noch nicht vollständig.
6. Sozialstruktur und Semantik: Der pragmatische Ort des Credo Versuchen wir in einem zweiten Anlauf erneut, das weitgehende Fehlen moralischer Semantiken im Credo zu verstehen. Dazu knüpfen wir erneut an der gleichen methodischen Leitlinie an: Eine Verände-
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rung in den grundlegenden sozialen Strukturen kann, so der Gedanke, auch eine Veränderung in der Semantik bewirken. Wir müssen also, wenn wir die Fehlanzeigen innerhalb der moralischen Semantik des Credo deuten wollen, nicht nur nach den soziohistorischen Verschiebungen in der Entwicklung einer einzelnen Semantik fragen, wie wir es zuvor mit Blick auf das Ineinandergreifen von Gewissen und Gericht getan haben. Wir müssen umfassender danach fragen, in welchem pragmatischen Kontext der Text des Credo insgesamt steht. Diese methodische Beobachtung erklärt vielleicht auch, warum der Text des Credo nahezu a-moralisch wirkt: Er funktioniert pragmatisch im Wirkungsraum einer anderen Gesellschaft als jenen Gesellschaftsformen, die von einer rein philosophisch-säkularen Ethik erfasst werden. Der Text moralisiert womöglich deswegen nicht, weil er sich in einer ganz anderen Gemeinschaft als den bekannten sozialen Bezugsgrößen wie Peergroups, Familien, Staaten o.ä. weiß, nämlich eben jener Gemeinschaft der Herausgerufenen – so lautet die wörtliche Bedeutung der Kirchengemeinschaft, der zur Mitarbeit am Gottesreich berufenen Christinnen und Christen, die das Credo sprechen. Wer das Credo mitspricht, ist weder ein utilitaristischer homo oeconomicus noch ein Kantischer Vertreter einer transzendentalen Vernunft, sondern eben ein Christ oder eine Christin in der Gemeinschaft mit anderen Christen! Und gerade dort, wo nach christlichem Selbstverständnis das Reich Gottes rettend nah gekommen ist, scheint zugleich auch der Wirkbereich der Moral an sein Ende gekommen zu sein. Menschliche Moral ist hier in der Tat beendet, oder genauer: Ihre Voll-Endung ist absehbar und zum Greifen nahe: Sie geht auf in Gottes richtender Gerechtigkeit. Das führt uns zu einer nur scheinbar paradoxen Schlussfolgerung: Wenn es also stimmt, dass eine Veränderung der sozialen Strukturen immer auch eine Veränderung in der moralischen Semantik zur Folge hat, dann erklärt diese methodische Festlegung womöglich auch die weitestgehende Abwesenheit der Moral im Credo: Wenn man so „in Christus“ ist, dann beurteilt man nichts mehr nach „menschlichen Maßstäben“, sondern eben nach den christlichen, von Christus kommenden Maßstäben (2 Kor 5,16). Wundert es dann noch, dass wir auch im vermeintlichen Spitzentext des jesuanischen Ethos, nämlich der Bergpredigt, ausgerechnet eine moral-relativierende Formel finden, in der es über Gott heißt: „Er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,45b)? Dort, wo Moral sich entscheidet, wo sie sich vollendet, wird sie im christlichen Denken zugleich eigentümlich unsicht-
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bar. Das Moralische hat nicht das letzte Wort – das gilt auch für das Credo. Die große denkerische Herausforderung einer jeden theologischen Ethik besteht allerdings darin, diese Aussage nicht im Sinne einer moralischen Beliebigkeitslogik zu deuten. Nachdem wir also von der Sozialstruktur der Kirchengemeinschaft her einen ersten Erklärungsansatz dafür formuliert haben, warum das Credo durchaus moralfern erscheint, soll ein letzter Gedanke dem umgekehrten Zusammenhang gelten. Veränderungen in den sozialen Strukturen und der Semantik Eine Veränderung in den grundlegenden sozialen Strukturen kann, so der bisherige Gedanke, eine Veränderung in der Semantik bewirken – weil sich das Credo in eine andere sozialen Gestalt hinein artikuliert als es andere moralische oder rechtliche Regulative dieser Welt tun, verändert sich auch ihre semantische Form. Aber auch umgekehrt können wir festhalten: Eine Veränderung der Semantik kann ebenfalls auf eine Veränderung der sozialen Strukturen hinwirken!
7. Alternative: Eine narrative Ethik? Um diesen Gedanken nachzuvollziehen, werden wir die bisherigen Befunde zur fehlenden moralischen Semantik des Credo nicht wie zuvor als ein scheinbares Defizit deuten, sondern den Versuch wagen, den Text des Credo grundsätzlich auch als eine moralisch lesbare Geschichte zu verstehen. Viele aktuelle Ansätze widmen sich unter dem Oberbegriff der narrativen Ethik dem Versuch, die Ethik nicht mehr allein als eine normative Begründungsdisziplin aufzufassen, sondern von ihrer erzählenden Aufgabe her zu verstehen. Hinter diesem Kurswechsel verbirgt sich auch die Erkenntnis, dass die scheinbar so eindeutige Aufgabe der Ethik, also die Formulierung von guten, und von daher normativ verbindlichen Gründen, in der Moderne immer weniger auf die aktuellen moralischen Problemlagen zutrifft (Joisten 2007). Der Austausch von Gründen sieht sich zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass Gründe mitunter ausgesprochen nachträglich wirken und in Verdacht geraten sind, bereits vorhandene moralische Motivationen nur noch kosmetisch auszustaffieren. Eine theologische Ethik, die sich nur an Gründen orientiert und auf dieser Grundlage abstrakte Prinzipien gene-
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riert, muss sich zu Recht jene Radikalkritik gefallen lassen, wie sie beispielsweise M. Stocker formuliert hat: „Wenn wir uns an christlichen Werten als Prinzipien orientieren, dann verfehlen wir sie notwendig. Wir erreichen sie nicht, indem wir sie zu Handlungsgründen machen: Man kann nicht lieben, um zu lieben.“ (Stocker 1998, 29) Diese Kritik gewinnt ihr besonderes theologisches Gewicht auch dadurch, dass innerhalb der theologischen Ethik über eine lange Zeit hinweg eine prinzipienethisch- und legalistisch-verengte Hermeneutik dominant war, in der die biblische Botschaft kaum noch erkennbar schien. Die narrativen, personalen Sprach- und Textformen des biblischen Ethos sind in dieser Tradition häufig einer sehr problematischen Deutungslinie gewichen. Ansätze einer narrativen Ethik betonen demgegenüber, dass insbesondere die (biblischen, literarischen, aber wie im Fall des Credo auch lehramtlich-kanonischen) Texte nicht nur schlichte Ablesefolien für vermeintlich höhere Handlungsnormen oder Prinzipien sind, die gewissermaßen aus dem Text heraus destilliert werden müssten und den Text selbst so zugleich überflüssig machen, sondern dass diese Texte selbst als moralische Erfahrungsräume mit einem je eigenen Wirkpotential zu rekonstruieren sind: „Wer Ethik als Durchdringung von Handlungen und Begründungen bestimmt, muss zunächst das Handeln der Texte im Auge behalten.“ (Huizing 2015, 313f) Wie also „handelt“ das Credo? Es erzählt zunächst die Geschichte von Gottes universalem Heilswillen. Wie schon die kanonische Anordnung der biblischen Bücher schlägt es eine Brücke vom Anbeginn der Welt und zurrt dann die Perspektive immer weiter zusammen auf das Schicksal des Gottessohnes Jesus Christus, bevor sich der Blick wieder weitet hin zu den kosmischen Dimensionen der universalen Auferstehung der Toten (bzw. des Fleisches) und des ewigen Lebens. Mit dieser Beschreibung allerdings ist das faktische Handeln des Textes noch nicht umfassend benannt. Neuere Ansätze innerhalb der Erzählforschung betonen, dass entscheidender als die Rekonstruktion der textimmanenten Handlung womöglich die Frage nach dem Handeln ist, in das die/der Lesende selbst verstrickt wird (Soeffner 2014). Wer einen Text liest, nimmt ihn nicht nur zur Kenntnis, sondern vollzieht das Gelesene im Kleinen stets auch selbst mit – Ergebnisse der kognitiven Literaturwissenschaft deuten etwa darauf hin, dass die Produktion von Semantik auf körperliche Fertigkeiten und Gewöhnungen zurückgreift – Handlungsverben aktivieren selbst noch in metaphorischer Verwendung rudimentär die entsprechenden körperlichen Bewegungen, und im Vorgang des graduellen Mitvollzugs der Semantik eines Satzes geht das Verständnis der gelesenen Sätze
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durch ein Stadium latenter körperlicher Aktivität (Bergen 2012). Narrationen wie die des Credo sind daher auch als Praktiken zu beschreiben. Menschen üben die Wirklichkeit stets auch an Texten ein! Ethisch ergiebiger wäre für unseren Text des Credo in dieser Hinsicht also die Frage danach, was es für das moralische Sein eines Menschen bedeuten kann, wenn er im (sonntäglichen) Aussprechen des Credo diese große Ur-Story des Christentums mitspricht und also mitvollzieht, wenn er oder sie nach dem Sprechen des Credo also alle erzählten Stationen schon einmal in anfanghafter Form erlebt hat. Literatur Breitsameter, Christof: Handeln verantworten, in: Baranzke, Heike, Breitsameter, Christof, Feeser-Lichterfeld, Ulrich, Heyer, Martin, Kowalski, Beate (Hgg.): Handeln verantworten (=Theologische Module, Bd. 11), Freiburg/Br.: Herder 2010, 7-45 Ernst, Stephan: Grundfragen theologischer Ethik, München: Kösel 2009 Huizing, Klaas: Ästhetische Theologie. Der erlesene Mensch. Der inszenierte Mensch. Der dramatisierte Mensch, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015 Joisten, Karen (Hg.): Narrative Ethik. Das Gute und das Böse erzählen (= Deutsche Zeitschrift für Philosophie Sonderband 17), Berlin: Akademie Verlag 2007 Luhmann, Niklas: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1-4, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2004ff [1980ff] Schockenhoff, Eberhard: Wie gewiss ist das Gewissen? Eine ethische Orientierung, Freiburg/Br.: Herder 2003
Theologischer Dialog Egbert Ballhorn antwortet auf Simone Horstmann
Geht man streng vom Wortlaut des Credo aus, so findet sich darin keine Aussage, nach welchen Maßstäben im Gericht entschieden wird. Simone Horstmann verweist darauf, dass mit dem Credo indi-
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rekt jedoch auch eine narrative Struktur etabliert wird, die ethische Kontexte einholt. Aus bibeltheologischer Sicht kann man das nur bestätigen. Ein „Anker“ in diese Richtung ist schon mit der ersten Zeile des Textes gegeben. Der Glaube an Gott den Schöpfer verweist nicht primär auf ein naturwissenschaftliches Ursprungsmodell, sondern auf die biblischen Aussagen zur Schöpfung, wie sie in Gen 1-3 dargelegt sind. Gott erschafft die Welt, indem er ihr eine lebensförderliche Ordnung gibt. Und nach jedem Schöpfungswerk setzt er seinen beglaubigenden Stempel darunter und nennt es „gut!“. Die Welt als Haus des Lebens ist der gute Ort. Die Menschen sollen den Garten des Lebens bewahren; sie maßen sich jedoch an, selbst die Unterscheidung zwischen Gut und Böse definieren zu wollen. Im Paradies streben Sie nach Erkenntnis (Gen 3,5-6), aber ihre eigene Definition führt zu einer bösen Welt voller Gewalt und Tod statt voll Leben (Gen 6,5.13). Als Fazit ergibt sich: Die Menschen können von sich aus die Gerechtigkeit nicht herstellen. Das prägt die biblische Welt. Wie oft kam es vor, dass Unrecht ungesühnt blieb und der ehrliche Mensch ins Hintertreffen geriet. So ist es bei Ijob: „Siehe, ich schreie ‚Gewalt‘, und ich werde nicht gehört; ich rufe um Hilfe, und da ist kein Recht“ (Ijob 19,7). Das konnte nicht das letzte Wort bleiben. Wenn Gott gerecht ist, dann sorgt er für den Ausgleich, den die Menschen, den die gesellschaftlichen Institutionen, den das Leben nicht bietet. Wenn Gott so ist, wie das Volk Israel ihn erfahren hat, dann muss er eingreifen, kann er nicht auf Dauer dem Treiben der Gottlosen zusehen. In diesem Sinn ist Gerichtsrede Trostrede, denn sie spricht von einem letzten Souverän, von einem letzten gerechten Handeln jenseits menschlichen Handelns. Gottes Scheidung zwischen Recht und Unrecht ist das sehnsüchtig erwartete Gericht. Und unter diesem Aspekt ist die Rede vom „Gericht“ im biblischen Kontext immer eine Hoffnungsrede. Es geht um Gerechtigkeit, um Ausgleich. Vor allem den Armen und den Schwachen steht es zu. Die Erfahrung, dass vieles Böse im irdischen Leben erkennbar unausgeglichen blieb, hat in spätalttestamentlicher und in neutestamentlicher Zeit dazu geführt, an eine Auferweckung der Toten zu glauben. Wenn Gott gerecht ist, muss er Gerechtigkeit schaffen. Diese Wahrheit ist sicherer als der Tod. Gott als Richter zählt daher zu den großen Glaubensaussagen der Bibel. Und so hat es auch Stephanus erfahren, der in seinem gewaltsamen Sterben den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen sah (Apg 7,56). Der Text des Credo schließt sich diesem Gerechtigkeitsmodell und diesem Glauben an.
Der Geist und die Zeit der Kirche. Aus systematisch-theologischer Sicht über Geschichtlichkeit nachdenken Gregor Taxacher Über Geschichtlichkeit nachdenken
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Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie benennen, wie die systematische Theologie selbst geschichtlich geprägt ist und wie sie mit ihrer eigenen Geschichtlichkeit umgeht … können Sie erklären, wie systematische Theologie über Geschichte nachdenkt … können Sie benennen, was eine philosophische von einer theologischen Gotteslehre unterscheidet
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Im letzten Teil fällt das Apostolikum sozusagen ins Staccato: Hatte der erste Artikel – Gott Vater – immerhin noch zwei Sätze, widmete sich der lange Mittelteil ganz dem Sohn, so wird nun der Heilige Geist im Grunde nur genannt – und dann folgt eine geradezu atemlose Aufzählung von weiteren Glaubensinhalten (Kirche, Sündenvergebung, Auferstehung), fast nach dem Motto: „Was sonst noch zu sagen ist“. Wie hängen diese „Dinge“ eigentlich zusammen? Systematisch gibt es wohl zwei Möglichkeiten, sich darauf einen Reim zu machen: Die erste geht davon aus, dass unser Glaubensbekenntnis trinitarisch gegliedert ist (obwohl es die Dreieinigkeit Gottes als solche gar nicht nennt), in drei Artikeln zu Gott Vater, Sohn und Geist. Dann gehören die Aussagen zur Kirche, zur Vergebung, zu Auferstehung und ewigem Leben zur Auslegung, was Heiliger Geist ist und bewirkt: Er erfüllt die Kirche, macht sie zur Gemeinschaft der Heiligen, in ihm erfahren wir die Vergebung der Sünden und in der Kraft des Heiligen Geistes werden wir auch auferstehen. In diesem Sinne hat der evangelische Theologe Karl Barth den Heiligen Geist als die „subjektive Seite“ der Offenbarung bezeichnet: Er „ist Gottes Wirklichkeit, indem Gott selbst den Menschen nicht nur von außen, nicht nur von oben,
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sondern auch von innen, von unten her, subjektiv gegenwärtig wird.“ (Barth 1932, 473). Er sorgt dafür, dass die Offenbarung auch bei, ja in uns ankommt. Die zweite Möglichkeit hebt darauf ab, dass unser Glaubensbekenntnis ja auch als eine Art Erzählung gelesen werden kann. Der Vater steht mit der Schöpfung am Anfang, dann wird das Christusereignis als Mitte und Wende der Zeit geschildert. In dieser Logik behandelt der Dritte Artikel dann sozusagen die Zeit „nach Christus“ und unsere Zukunft: Die Epoche der Kirche mit all dem, was in unseren eigenen Leben an uns – etwa in den Sakramenten – geschieht, und schließlich unsere Zukunftshoffnung. Beide Lesarten schließen einander nicht aus. Ich will mich hier auf die zweite konzentrieren. Sie macht nämlich deutlich, dass der christliche Glaube enorm geschichtsbezogen ist. Man kann ihn sozusagen erzählen. Man gewinnt in ihm eine neue, eine ganz eigene Perspektive auf die Geschichte. Und man begreift, dass diese Perspektive wiederum zentral mit dem Glauben an den Heiligen Geist zu tun hat.
1. Tradition: Theologie gibt es nur geschichtlich Im Theologiestudium bekommt man es zu spüren: Dieses Fach hat ständig mit Geschichte zu tun. Man studiert Kirchengeschichte, tummelt sich in der Biblischen Theologie ständig in der Geschichte des Nahen Ostens, eben der Geschichte Israels und der des römischen Reiches zu Zeit Jesu, und dabei in der Geschichte der jahrhundertelangen Entstehung der biblischen Schriften selbst. Auch die systematische Theologie konfrontiert mit Geschichte: mit der Geschichte der Konzilien, der Dogmen und der Theologie selbst. Ein gängiges Vorurteil gegenüber Kirche und Theologie lässt sich also kaum entkräften: Sie sind ganz schön vergangenheitslastig! Als Kölner kenne ich den Spruch: „Was wir zweimal machen ist Tradition, ab dreimal Brauchtum!“ Tatsächlich wird Tradition ja in der Kirche – wie wohl stets im Raum von Religion – ganz groß geschrieben, oft zu Lasten von Innovation, von Bewegung und Veränderung. Das kann man zu Recht kritisieren. Aber ganz weg bekommt man es nicht. Zur Begründung, warum das so ist, beschränke ich mich hier auf das eigene Fach, die systematische Theologie: Sie soll systematisch, also interpretierend, für uns heute verstehbar den Glauben reflektieren. Aber diesen Glauben und seine Inhalte erfindet sie nicht, sondern sie findet ihn vor. Seine kanonischen, maßgeblichen Dokumente sind
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über 2000 Jahre alt. Das Apostolikum, dem sich diese Einführung widmet, ist zwischen dem zweiten und neunten christlichen Jahrhundert allmählich zur heutigen Formulierung gewachsen (vgl. LThK 1993, 878 f., Dorothea Sattler). Die theologischen Entwürfe, mit denen wir uns beschäftigen, verteilen sich über die ganze Glaubensgeschichte, von den Kirchenvätern über die mittelalterliche Scholastik bis in die Neuzeit und Gegenwart. Dadurch erhält die Theologie im Umgang mit ihrer Vergangenheit einen Charakter, den Studierende in den meisten anderen Fächern kaum kennen lernen: Wir führen ständig ein Gespräch über die Zeiten hinweg. Die meisten Wissenschaften, insbesondere die exakten, die Naturwissenschaften, befassen sich mit ihrer eigenen Vergangenheit nur sehr nebenbei, in der Wissenschaftsgeschichte. Denn ihr Modell von Wissenschaft ist eines des Fortschritts: Eine neue Erkenntnis überholt die alte, ersetzt sie also. Warum sollte ein Chemiker, eine Biologin oder eine Ingenieurin den Kenntnisstand ihres Gebiets in der Vergangenheit präsent haben? In der Theologie ist das – wie sonst in gewissem Maß wohl nur noch in der Philosophie – ganz anders: Das Neue hat hier gegenüber dem Alten nicht automatisch Recht. Damit ist nicht gesagt, dass es nicht auch in der Theologie überholte Positionen und Erkenntniszuwachs gibt. Auch Theologen müssen auf dem neuesten Stand der Diskussion sein und wollen diese vorantreiben. Kein systematischer Theologe könnte heute einfach die Theologie etwa des 13. Jahrhunderts weiter pflegen (obwohl man das in der katholischen Theologie bis vor einem halben Jahrhundert mit viel Energie versucht hat). Aber dennoch diskutieren wir immer wieder neu mit den alten Positionen. Wir haben einen anderen Kenntnisstand, andere Kontexte als Aurelius Augustinus, Thomas von Aquin, Martin Luther oder Matthias Joseph Scheeben. Aber wissen wir über unseren „Gegenstand“ – über Gott! – deshalb mehr, durchdringen wir unseren Glauben besser als sie? Theologie ist also strukturell fortschrittskritisch! Das lässt diese Wissenschaft im modernen Kontext eher komisch wirken. Walter Benjamin sagte nicht umsonst von der Theologie, dass sie „heute bekanntlich klein und hässlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen.“ (Benjamin 1977, 251) Aber wir sollten aus dieser Not eine Tugend machen: Solch eine Haltung des Gesprächs über Jahrtausende hinweg schafft auch eine gesunde Distanz zum Zeitgeist. Solche Distanz macht keineswegs automatisch unmodern; sie hilft aber beim Nachdenken; sie nimmt die Plausibilitäten der Gegenwart nicht einfach hin.
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Damit kommt eine wissenschaftliche Kompetenz in den Blick, die für Theolog*innen existenziell ist: hermeneutische Sensibilität im Umgang mit Texten. Hermeneutik ist die Lehre, besser: die Praxis des Verstehens, des Nach-Denkens und Interpretierens der Gedanken anderer. Theologisch zu denken lernt nur, wer sich darin einübt, Gedanken – also meist Texte, aber auch Bilder oder Musik – anderer Zeiten und Räume aus ihrem Kontext heraus zu verstehen und in den eigenen Horizont zu übersetzen. Das ist anstrengend, aber auch ungeheuer bereichernd. Es ist ein wenig so wie beim Reisen, bei der Begegnung mit fremden Kulturen: Wir stellen unsere Selbstverständlichkeiten in Frage, wir eignen uns Perspektivwechsel an. Das macht Theologie zu einem regelrechten Abenteuer, einer Zeit-Weltreise durch den biblischen und christlichen Glauben. Glaubende sollten keine Eintagsfliegen sein, denn die im Apostolikum genannte Gemeinschaft der Heiligen hat geschichtliche Tiefe. Die Praxis des Verstehens Theolog*innen lernen das Argumentieren über Zeitgeistschwellen hinweg. Keine Angst vor alten Texten: An ihnen lernen wir Perspektivwechsel. Das Glaubens-Denken gewinnt Tiefenschärfe.
2. Offenbarung: Gott in Geschichte Theologie spricht von Gott; Gott ist der ewige, transzendente, unwandelbare. So sollte man meinen, dass es insbesondere die systematische Theologie mit der Sphäre zeitenthobener, ewiger Wahrheiten zu tun hat. Das versucht sie sicher auch; und Dogmen wirken ja auch als Versuche der Glaubensgemeinschaft, solche Wahrheiten für immer festzuhalten. Doch die christliche Theologie hat ein Problem mit dem „Material“, auf dem sie ihre Lehre aufbaut: Es ist selbst überhaupt nicht systematisch, überhaupt nicht zeitlos formuliert. Die Bibel spricht von Gott in erster Linie geschichtsbezogen. Sie enthält ganze Geschichtsbücher. Auch die langen Strecken der Gebote und Gesetze, der Thora im Alten Testament, sind in einen Erzählzusammenhang eingebettet – Israels Befreiung aus Ägypten, sein Zug durch die Wüste zum gelobten Land. Und den Kernbestand des Neuen Testaments bilden die vier Evangelien, die Jesus-Geschichte. Der Gott unseres Glaubens offenbart sich also nicht in einer Lehre, nicht
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in Dogmen, in zeitenthobenen Sätzen. Immer wenn wir dogmatisch und systematisch solche Sätze bilden, ist das schon Auslegung, entstanden aus dem Versuch (und meist dem Streit darum), die so unsystematisch bezeugte Offenbarung zu verstehen. Offenbar ist Offenbarung gar keine theoretische Information, keine göttliche Wissensvermittlung, sondern ein Geschehen, eine Geschichte. Es dürfte das Alleinstellungsmerkmal der biblischen Religion(en) – Judentum, Christentum (und an deren Geschichte ja anknüpfend in gewissem Maße auch des Islam) – sein, dass Gott hier zutiefst mit menschlicher (sozialer, politischer, kultureller, ja individueller) Geschichte verbunden wird. Meist – etwa in den fernöstlichen Religionen – findet man das Göttliche tatsächlich eher, indem man sich vom weltlichen Getriebe abwendet, dem Ewigen, bleibend Gültigen zu. Meditation und Mystik, Innerlichkeit gelten dann als typisch religiös. Das leuchtet auch hier im Westen heute den Menschen eher ein. Und natürlich gibt es auch Christentum nicht ohne Meditation, Mystik, Innerlichkeit. Aber das Besondere, das Irritierende bleibt, dass der Gott unseres Glaubens, der Gott Israels so anstößig kontingent wirkt: Er erwählt sich ein kleines Völkchen im vorderen Orient, er lässt sich den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nennen, der Gott irgendwelcher unbekannter Halbwüsten-Patriarchen. Und in dem jüdischen Zimmermannssohn und Rabbi Jesus von Nazareth soll er sich christlichem Glauben nach inkarniert, „eingefleischt“ haben. Für uns systematische Theologen, die wir gern philosophieren, ins Grundsätzliche gehen, ist dieser Gott eine echte Herausforderung. Der Gott Israels und Jesu macht selbst Geschichte. Wir müssen als Theologen also zu verstehen versuchen, wie das überhaupt geht; Wie Gott in der Welt handeln kann, ohne ein Stück Welt zu werden, ohne mit den Handlungen von Menschen einfach identisch zu werden, verwechselbar. Wir müssen darüber nachdenken, wie dieser Gott sozusagen immer „indirekt“ handelt und gegenwärtig ist. Schließlich macht dieser Gott nicht nur Geschichte, er wird in Christus selbst Geschichte: Gott so konkret wie ein Mensch, als ein Mensch – um dieses Paradox kreist im Grunde die gesamte christliche Theologie. Unser Gott hindert seine Theologen daran, gedanklich ins Wolkenkuckucksheim abzudriften, es sich in lauter religiöser Spekulation bequem zu machen. Er zwingt auch die systematische Theologie dazu, stets danach zu fragen, was das Bekenntnis zu Gott gerade jetzt, gerade für unsere gegenwärtige Geschichte bedeutet. Und die Fähigkeit, das herauszufinden – die „Zeichen der Zeit“ zu deuten im Licht des Evangeliums – hat etwas zu tun mit der Gegenwart des Heiligen Geistes.
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Gott und Geschichte Theolog*innen sollten den Satz von Dietrich Bonhoeffer verstehen: „Gott ist ‚immer‘ gerade ‚heute‘ Gott.“ (Bonhoeffer 1994, 332)
3. Verheißung: Heilsgeschichte in Weltgeschichte Die angedeutete Geschichte Gottes in und mit der Welt – von Abraham zu Israel, zu Jesus, zur Kirche – nennt man in der Theologie gern „Heilsgeschichte“. Gott wirkt das Heil der Welt – die Versöhnung und Erlösung – also auf einem geschichtlichen Weg. Philosophen und Geistesgeschichtler haben untersucht, wie diese Vorstellung vom Geschichtsbezug Gottes sogar den modernen Begriff der Geschichte im Abendland erst hervorgebracht hat: nämlich den Begriff einer linearen Weltgeschichte, die einen Anfang hat (in der Schöpfung), die in bestimmten Perioden abläuft (vor Christus, nach Christus, unsere Zeitrechnung!), und die auch ein Ziel hat, auf ein Ende zuläuft: die Wiederkunft Christi, den Jüngsten Tag. Spätestens an dieser Stelle müssen wir also auch die These von der Vergangenheits-Lastigkeit der Theologie relativieren. Ja, wir befassen uns ständig mit Texten der Vergangenheit, und in diesen wird ständig Geschichte erzählt – aber inhaltlich geht es entscheidend dann doch nicht um Vergangenheit, sondern um Zukunft. Die Berufung Abrahams geschieht um einer ihm noch unausdenkbaren Zukunft willen; er muss sozusagen ins Blaue hinein aufbrechen. Von da ab ist die Geschichte Israels eine Geschichte immer neuer oder doch erneuerter Verheißungen Gottes. Und auch das Neue Testament präsentiert in Christus nicht einfach die Erfüllung all dieser Verheißungen. Denn das Jesus der Retter, der Messias ist, das hat sich für die Zeugen in der Auferstehung, aber doch noch nicht für alle Welt erwiesen. Die Vollendung steht noch aus. Christen erwarten sie als Wiederkunft Christi; so endet die Bibel mit dem Bittruf: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20) Die antike Welt dachte Geschichte eher in Zyklen: Alles wird und vergeht, alles kommt wieder ähnlich wie die Jahreszeiten. „Der unüberbrückbare Unterschied zwischen der christlichen und der heidnischen Kosmologie ist deren Lehre von der kosmischen Periodizität, der unendlichen Wiederholung des jetzigen Weltlaufs. Diese Form des Kreislaufdenkens […] lässt sich bei den Griechen bis zu Anaxi-
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mandros von Milet in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts zurückverfolgen.“ (Demandt 2011, 86) Deshalb wurde Geschichte stets in Geschichten gedacht und erzählt. Dass alle Geschichten zusammen eine Geschichte bilden, die Weltgeschichte, ist ein noch junger Gedanke. „Die ‚Geschichte selbst‘ ist ein moderner Ausdruck, den es vor etwa 1780 noch gar nicht gab.“ (Koselleck 2010, 21) Geschichte in diesem Sinn linear und singularisch zu denken, ist ein Erbe des Christentums an die Moderne. Auch der moderne Begriff des Fortschritts hat hier zumindest eine Wurzel: Der Plan Gottes, seine Vorsehung führt einmal alles zu einem guten Ende, zur Vollendung. Daraus konnte modern, in der Ablösung von religiösen Kategorien, der Fortschritt als menschliches Projekt werden, und das Ziel ist dann vielleicht eine Utopie, ein vollkommener Endzustand. Und auch ein recht unideologischer Geschichtsphilosoph wie Karl Jaspers gab seiner Geschichtsphilosophie den sprechenden Titel: „Vom Ursprung und Ziel der Geschichte“ (Jaspers 1955). Dieser Zusammenhang zwischen christlichem und modernem Geschichtsdenken ist durchaus komplex und problematisch. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat dies der Philosoph Karl Löwith intensiv untersucht. Seine These: Das Christentum hat immer ein über-weltliches Ziel der Geschichte verkündet, das nur Gott herbeiführen kann. Aber sein Bild einer linearen Heilsgeschichte hat in säkularisierter Form die modernen, oft gewalttätigen, oft totalitären Ideologien der Geschichtsvollendung hervorgebracht. „Wenn wir also behaupten, unser modernes Geschichtsbewusstsein stamme aus dem Christentum, so kann dies nur bedeuten, dass die eschatologische Sicht des Neuen Testaments den Blick auf die künftige Erfüllung freigemacht hat – ursprünglich jenseits, und späterhin innerhalb des geschichtlichen Lebens. Infolge des frühen christlichen Bewusstseins haben wir ein spätes Geschichtsbewusstsein, das seiner Herkunft nach so christlich ist wie es in seinen Konsequenzen unchristlich ist“ (Löwith 1953, 180). Wir müssen in der systematischen Theologie also über den Zusammenhang von Heilsgeschichte und Weltgeschichte nachdenken. Die Heilsgeschichte ist ja kein abgestecktes Reservat innerhalb der Weltgeschichte, wo man an der Grenze gleich durch Schilder darauf aufmerksam gemacht wird: „Achtung, sie verlassen den Sektor der normalen Geschichte.“ Die Heilsgeschichte verläuft zum Verwechseln ähnlich mitten in der Weltgeschichte. Die biblischen Theologen und die Kirchengeschichtler wissen davon ein Lied zu singen: Sie haben es ständig mit ganz normaler, profaner Geschichte zu tun. Wie sollten
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wir, wo wir historisch forschen wie andere Historiker auch, methodisch auch etwas anderes finden? Aber als Theologen müssen sie darüber reflektieren, inwiefern dies Gottes Geschichte mit uns ist, sein will, sein kann. Es ist wie im Gleichnis vom Weizen und dem Unkraut (Mt 13,2430): Wo Gott sich in die Geschichte einmischt, da ist sein Wille, sein Evangelium unentwirrbar in die Geschichte eingemischt – „Gottes Werk und Teufels Beitrag“, um es mit dem Romantitel von John Irving zu sagen. In der Geschichte der Theologie wurden immer wieder Modelle entwickelt, mit dieser Verwicklung umzugehen, von Augustinus großem Buch „De civitate Dei“ (dem „Gottesstaat“, wie man es missverständlich übersetzt) angefangen, in dem die biblische Heilsgeschichte in ihrem Verhältnis zur Geschichte des römisches Imperiums reflektiert wird. Weil er mit den heidnischen Intellektuellen darüber diskutiert, „dass unsere Gegner die mächtige Ausdehnung und Dauer der römischen Herrschaft den Göttern zuschreiben möchten“ (Augustinus 1979, 221), muss Augustinus grundsätzlich die Frage stellen, wie sich das Handeln Gottes zur Weltgeschichte verhält. Aus solcher Reflexion sind in der Theologiegeschichte immer wieder Modelle der Zuordnung von Heils- und Weltgeschichte entstanden. Man kann diese Modelle grob in drei Typen einteilen, denen sie sich tendenziell zuordnen lassen: – dem dualistischen Typ: Da lässt sich Weizen und Unkraut irgendwie doch ganz gut unterscheiden. Man weiß, wo die Guten und wo die Bösen der Weltgeschichte stehen: hier die Gläubigen, die Kirche, dort die böse Welt; – dem identifizierenden Typ: Da fallen Heils- und Weltgeschichte im Grunde zusammen. Alles unterliegt der Vorsehung Gottes, der auch aus dem Bösen noch das Gute wirkt; so lässt sich am Gang der Welt letztlich die Handschrift Gottes ablesen; – dem dialektischen Typ: Da ringen Evangelium und Welt immer und überall miteinander und der Gegensatz steckt in allem mitten drin, so dass sich eine Menge Heilsgeschichte auch außerhalb der Kirche findet, wo man es gar nicht vermutet – und umgekehrt. Es lohnt sich, im Theologiestudium unterschiedliche Theologien und ihren Umgang mit der Geschichte und der Welt nach ihren Neigungen zwischen diesen Grundtypen zu untersuchen. Schließlich geht es aber natürlich in diesen großen weltgeschichtlichen Perspektiven immer auch um uns Einzelne, um uns Christen und unsere Orientierung.
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Damit sind wir wieder beim Glaubensbekenntnis und dessen eher „individuellen“ Inhalten, die sich an das Bekenntnis zum Heiligen Geist und der Kirche anschließen: Vergebung der Sünden, Auferstehung und ewiges Leben sind ganz individuelle Hoffnungen, auf mein konkretes Schicksal bezogen. Wo kommt das überhaupt in der großen Geschichte, in diesem Sturm der Zeiten vor, in dem die Einzelnen geradezu unsichtbar wirken und unterzugehen drohen? Hier ist es wichtig, dass Theologie letztlich doch ganz anders mit Geschichte umgeht als Historiker. Für Historiker ist Geschichte notwendigerweise nur das, was sich historisch erkennen und verifizieren lässt, anhand von archäologischen Spuren, von schriftlichen, bildlichen Zeugnissen. Natürlich weiß auch jeder Historiker, dass dies nur einen Bruchteil der wirklichen Geschichte ausmacht. Und noch mehr: Auch von der uns überlieferten, der bekannten Geschichte wissen wir nur das Historische, also das, was sich an ihr verifizieren lässt. Geschichte ist in Wirklichkeit unendlich individuell, unendlich konkret. Ich habe mir dafür den von Karl Barth für die Offenbarungsgeschichte geprägten Begriff „Concretissimum“ ausgeliehen (Taxacher 2015, 433): Wirkliche Geschichte ist nicht das Historische, sondern das Aller-Konkreteste in ihr, das wir nie zu fassen vermögen. Um sich das klar zu machen, mag man einmal an seine eigene Lebensgeschichte, die eigene Erinnerung denken: Selbst diese – sozusagen meine individuelle Geschichtsschreibung, meine ungeschriebene Biografie – enthält nur einen Bruchteil dessen, was wirklich geschah. Und weiß ich überhaupt, was wirklich geschah, überschaue, begreife ich es? Warum ist das nun ein theologischer Gedanke? Weil Geschichte in der Perspektive Gottes eben nicht das Historische ist, sondern dieses Concretissimum. Gottes Heilsgeschichte ist nicht ein abgezirkelter Teil der Weltgeschichte, sondern sie ist concretissime in der Weltgeschichte anwesend, konkreter, individueller, als dass dies je historisch „festgestellt“ werden könnte. Und das glauben wir eben auch von unserer individuellen Geschichte. Biblisch wird das ausgedrückt in der Vorstellung, dass Gott uns bei unserem Namen ruft (Jes 43,1) oder dass selbst die Haare auf unserem Kopf gezählt sind, wie Jesus sagt (Mt 10,30). Könnte man so vielleicht auch dem Gedanken näher kommen, mit dem das Glaubensbekenntnis schließt, dem des „ewigen Lebens“? Das wäre dann unser eingesammeltes Leben, nicht wie wir es wahrnehmen, nicht historisch – denn das bedeutet immer: vergangen –, sondern so wie Gott es wahrnimmt, „von innen“, concretissime. Diese unsere Geschichte, die uns selbst noch nicht einmal offen-
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bar geworden ist (1 Joh 3,2), wäre bei Gott präsent, eingesammelt, nicht verloren. Die Beschäftigung mit Welt- und Heilsgeschichte Theolog*innen haben es mit der ganzen großen Weltgeschichte zu tun! Beschäftigen Sie sich nicht nur mit dem Reservat der religiösen und kirchlichen Themen! Theologische Reflexionskompetenz besteht darin, die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums (Gaudium et Spes 4) zu deuten. Bibel und Zeitung gehören nebeneinander gelesen.
Literatur Benjamin, Walter: Über den Begriff der Geschichte (These I), in: Ders.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt: Suhrkamp 1977 Löwith, Karl: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, Stuttgart: Kohlhammer 1953 Taxacher, Gregor: Bruchlinien. Wie wir wurden, was wir sind: Eine theologische Dialektik der Geschichte, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015
Theologischer Dialog Bert Roebben antwortet auf Gregor Taxacher
Der systematisch-theologische Beitrag von Gregor Taxacher beinhaltet für den Religionspädagogen/die Religionspädagogin die Herausforderung, sich immer wieder dialektisch mit Gott, Welt und Mensch (und ihren Geschichten!) auseinanderzusetzen. Es könnte immer „so oder anders“ sein. Man sollte immer erneut und vertieft die Wirklichkeit untersuchen und interpretieren. Nichts erklärt sich von alleine. Die „Praxis der Hermeneutik“, wie Gregor Taxacher diese Aufgabe nennt, muss immer sauber und konsistent durchgeführt werden – im Spannungsfeld von Weltgeschichte und Heilsgeschichte. So betrachtet, ist die Theologie auch ganz und gar Wissenschaft. Für religiöse
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Bildung bedeutet diese Annahme konkret, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer in einem elementarisierten Gesamtblick erscheinen müssen, wenn man (z.B. im schulischen Religionsunterricht) ein Thema der Theologie von, mit und für Jugendliche(n) entfaltet: biblisches Wirklichkeitsverstehen, aktuelle Erfahrungswelt und verantwortbare Stoßrichtung in die Zukunft. Ein zweiter Gedanke, der die wechselseitige Beziehung von systematischer und praktischer Theologie auch wortwörtlich „auf einen Punkt bringt“, ist das „Concretissimum“. Heilsoffenbarung Gottes in Menschengeschichte wirkt immer, wie Taxacher beschreibt, „anstößig kontingent“: unerwartet überraschend, es könnte auch komplett anders gewesen sein, provokativ herausfordernd. Der Religionspädagoge/die Religionspädagogin sollte in diesem Zusammenhang ein Gespür für „edle Kasuistik“ (Emmanuel Levinas) entwickeln, für Lebensgeschichten von konkreten Menschen, für Praktiken und Situationen in Gesellschaft und Kirche, für biografisches Material, für „eingesammeltes Leben“ – „coram Deo“ – wie es von Gott wahrgenommen wird. Der Heilige Geist bietet hierzu Hilfestellung: Er führt die Menschen zusammen und erweitert ihren Blick, um kommunikativ und authentisch die Praxis der Hermeneutik gemeinsam zu treiben und … zu leben.
Das Credo ins Gespräch bringen. Aus religionsdidaktischer Perspektive Lernprozesse mit dem Credo initiieren Claudia Gärtner
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Nach der Lektüre dieses Beitrag … … können Sie das Credo als „Landkarte“ deuten, um davon ausgehend didaktische Perspektiven für geeignete Lernprozesse abzuleiten … können Sie erste grundlegende Möglichkeiten aufzeigen, wie die eigene Theologie von Jugendlichen mit dem Credo in ein theologisches Gespräch gebracht werden kann
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Über viele Seiten und Kapitel hinweg wurden in diesem Buch bislang die vielfältigen theologischen Traditionen und Deutungen des Credo eindrucksvoll entfaltet. Abschließend soll nun auch das Credo aus religionsdidaktischer Perspektive reflektiert werden. Dazu reicht es nicht aus, für die in diesem Band entfalteten Deutungen des Credo passende Methoden zu finden, um das Credo zu vermitteln. Soll das Credo als Lerninhalt aufgearbeitet werden, so ist dieser Prozess ein vielschichtiger, der auch das Credo selbst rekonstruiert. Neben der inhaltlichen Erörterung und Entfaltung des Credo, müssen hieran didaktische Fragen gerichtet werden, z. B.: Welche Lernprozesse können oder sollen mit dem Credo initiiert werden? Welche Lernvoraussetzungen bringen die Schüler*innen mit? Welche Aspekte des Credo sollen (besonders) gelehrt und gelernt werden? Inwiefern sind inhaltliche Rekonstruktionen nötig? Welche religionsdidaktischen Prinzipien bieten sich als Zugänge zum Credo an? Im Folgenden wird auf eine ausführliche inhaltliche Entfaltung des Credo, die wichtiger Teil einer didaktischen Reflexion ist, verzichtet, da diese in den vorangegangenen Artikeln bereits umfassend vorgenommen wurde. Daher setzt das erste Kapitel mit der Klärung der Lernvoraussetzung ein, um diese im Horizont der inhaltlichen Erörterung des Credo in einem zweiten Kapitel in eine didaktische Strukturierung des Lerngegen-
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standes überzuführen. Hieraus werden in einem abschließenden Kapitel drei mögliche didaktische Prinzipien für Lernsettings entwickelt und diskutiert.
1. Lernvoraussetzungen In dem Kapitel „Ich glaube!“ wurden bereits zentrale Lernvoraussetzungen heutiger Kinder und Jugendlicher bezüglich des Credo verdeutlicht. Fokussiert zusammengefasst: Heranwachsende sind durchaus interessiert an religiösen Fragen, viele bezeichnen sich als gläubig, aber spezifisch christliche Glaubensinhalte, wie sie konzentriert im Credo zum Ausdruck kommen, verlieren rasant an Bedeutung. Das trinitarische Gottesbild des Glaubensbekenntnisses ist nur noch für wenige relevant. Auch auf der kognitiven Ebene verändert sich diese Tendenz nicht wesentlich: Das Wissen über zentrale Glaubensinhalte schwindet. Wer weiß heute noch, warum Christ*innen das Pfingstfest feiern? Dabei erweist sich das (noch) vorhandene Wissen von Schüler*innen oftmals als formelhaft. Insbesondere zentrale Glaubenssätze wie sie auch im Credo prägend sind, z. B. Gottessohnschaft oder Tod und Auferstehung Jesu, können selbst von religiös sozialisierten Schüler*innen kaum erläutert werden (Ziegler 2006; Albrecht 2007). Auch in der Katechese werden theologische Formeln kaum noch gedeutet und mit der eigenen Religiosität in Beziehung gesetzt (Forschungsgruppe 2015, 283). Kinder können nach der Katechese, wenn überhaupt, christliche Glaubensinhalte zumeist nur fragmentarisch ohne tieferes Verständnis wiedergeben. Hieraus ergeben sich zumindest zwei dringende didaktische Anfragen: Inwiefern ist erstens das Credo mit seinem trinitarischen Gottesbild überhaupt für Heranwachsende ein inhaltlich relevanter Lerngegenstand? Und inwiefern sind zweitens die Kurzformeln des Credo ein strukturell geeigneter Lerngegenstand, wenn formelhaftes Wissen für Schüler*innen scheinbar schwer zu entfalten ist?
2. Das Credo als didaktisch geeignete Kurzformel des Glaubens? Das Credo umfasst in wenigen Sätzen die Fülle des christlichen Glaubens, es beinhaltet die wesentlichen Kurzformeln des Glaubens. Die alleinige Kenntnis dieser Sätze jedoch führt weder zum vertieften
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Verständnis des christlichen Glaubens noch trägt es zur dessen Relevanz bei. Zu vielfältig, zu disparat und auch zu unbestimmt sind die religiösen Vorerfahrungen der Lernenden, dass hierauf mit einer kurzen Formel geantwortet werden kann. Es ist daher didaktisch von höchster Bedeutung, welches Deutungsspektrum die einzelnen Artikel des Credo entfalten können, welche Mehrperspektivität sich aus der sprachlichen und inhaltlichen Gestalt des Credo ergibt – und nicht zuletzt, dass das Credo mit „Ich glaube“ beginnt (vgl. Artikel Gärtner in diesem Band) und damit einen individuellen Bekenntnischarakter zum Ausdruck bringt – und eben nicht zu lernende Formeln. Wenn das Credo zum Lerngegenstand wird, dann kann dies nur in dieser Mehrperspektivität geschehen, in der Wahrnehmung der vielen theologischen Stimmen und Denktraditionen, die die fokussiert ausgedrückten Glaubenssätze besitzen. Glaubenssätze wie „Ich glaube, an … Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“ sind damit noch kein Lerngegenstand, sondern der theologisch zu entfaltende Ausgangspunkt didaktischer Überlegungen. Aber warum dann überhaupt mit dem Credo arbeiten, wenn dieses erst mühsam mehrperspektivisch aufgearbeitet werden muss? Das Credo, so die These, kann didaktisch die Funktion von Wegmarken besitzen, Orientierungspunkte auf einer kognitiven Landkarte, die aber als solche erst einmal für die Lernenden bedeutungslos ist. Eine Landkarte wird erst relevant, wenn man sie dechiffrieren kann, wenn man die Symbole und Zeichen erkennt. Aber noch viel wichtiger: Eine Landkarte ist erst hilfreich, wenn man seinen eigenen Standort kennt und zumindest eine ungefähre Ahnung von möglichen Zielen besitzt. Das Credo als Landkarte zur Orientierung Das Credo ist somit didaktisch zwingend in einem subjektorientierten Lernprozess zu verorten. In diesem Kontext kann dann das Credo als Orientierung auf dem individuellen Glaubensweg für Schüler*innen relevant werden. Und wie jede Wegmarke ist es äußerst hilfreich, wenn diese kurz und knapp formuliert – und leicht zu merken ist. In diesem Sinne kann die formelhafte Struktur des Credo so didaktisch fruchtbar gemacht werden.
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3. Das Credo als relevante Fremdheitserfahrung? Neben den strukturellen Bedingtheiten des Credo, ist auch dessen inhaltliche Ausprägung zu reflektieren, da diese – wie skizziert – für Heranwachsende weitgehend fremd ist. Ein fremder Lerngegenstand steht jedoch in Spannung zu einer geforderten subjektorientierten Didaktik. Allerdings ist aus dieser Spannung nicht vorschnell ein Widerspruch abzuleiten. Nur weil ein Lerngegenstand in der religiösen Vorstellung der Schüler*innen äußerst fremd ist, muss dieser nicht zwangsläufig irrelevant bleiben. Vielmehr gehört Fremdheit notwendig zu jedem Lernprozess hinzu – ansonsten könnte nichts Neues gelernt werden. Fremdes wird daher im Lernprozess entweder in die (religiösen) Vorerfahrungen und bestehenden Konstrukte angepasst (assimiliert) oder die individuellen Vorstellungen werden durch das Gelernte verändert (akkomodiert). Nun ist es lerntheoretisch aber auch unbestritten, dass kein Lernen stattfindet, wenn die Lernvoraussetzungen zu weit von dem zu Lernenden entfernt sind, wenn die Fremdheit zu groß ist. Die didaktische Strukturierung des Credo setzt somit voraus, sowohl die vielfältigen Lernvoraussetzungen der Schüler*innen als auch die theologische Mehrperspektivität differenziert zu erheben. Und es ist dann eine zentrale Herausforderung, diese beiden Bereiche miteinander in Beziehung zu setzen, um mögliche Schnittmengen, produktive Spannungen oder Nähen herauszufinden. Wie dies didaktisch näherhin angebahnt werden kann, wird in den nächsten drei Kapiteln umfassender erläutert. Deutlich wird jedoch schon bei dieser ersten Annäherung, dass der Lerngegenstand Credo nicht auf der Inhaltsebene als das Kennenlernen der (einen!) Tradition ausgewiesen werden kann. Denn das pure Wissen ist sowohl für die meisten Schüler*innen irrelevant als auch theologisch unterkomplex. Aktive Auseinandersetzung mit dem Credo Vielmehr müssen die Heranwachsenden befähigt werden mit religiöser Vielfalt – auch in Bezug auf das Credo – umzugehen und hierin ihren eigenen Standort zu finden. Nicht „den Inhalt des Credo nennen“ wäre somit ein angemessener Lerngegenstand, sondern vielmehr „sich zu Glaubensaussagen des Credo differenziert positionieren“ oder „in Auseinandersetzung mit dem Credo ein eigenes Bekenntnis formulieren“. Hier wird deutlich, wie ein Lerninhalt (= Credo) durch eine Lernhandlung (= nennen, positionieren, formulieren) zu unterschiedlichen Lerngegenständen didaktisch rekonstruiert werden kann.
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4. Das Credo mehrperspektivisch korrelativ entfalten Die Herausforderung, die subjektiven religiösen Vorstellungen der Lernenden mit der christlichen Tradition in Verbindung zu setzen, wurde spätestens auf der Würzburger Synode (1974) mit der Korrelationsdidaktik benannt. Hiernach ist die Korrelation von (individuellen) Gegenwartserfahrungen mit den tradierten christlichen Glaubenserfahrungen als Grundstruktur religiösen Lernens zu betrachten. Auch wenn die Korrelationsdidaktik immer wieder in der Kritik ist, oftmals auf Grund eines reduzierten Verständnisses, so ist Korrelation weiterhin sowohl zentrale theologisch-hermeneutische als auch didaktische Grundfigur (Pemsel-Maier/Schambeck 2015). Wie sonst sollte religiöses Lernen verstanden werden können, wenn nicht „irgendwie“ gegenwärtige und tradierte Glaubenserfahrungen verschränkt werden könnten? Gibt man diese Grundfigur auf, dann wird religiöses Lernen entweder subjektiv und beliebig oder gestaltet sich als eine unhinterfragte Übernahme der Glaubenstradition, die sich gegenüber anderen Erfahrungen und Traditionen abkapselt. Alle drei im Folgenden vorgestellten Ansätze können somit als eine didaktischmethodische Konkretisierung einer Anbahnung („irgendwie“) von Korrelation verstanden werden. Dieser erste Zugang greift die bereits mehrfach erwähnte Mehrperspektivität des Credo und die Pluralität der (religiösen) Konstrukte von Schüler*innen auf. Denn trotz der unhintergehbaren Individualität eines/r jeden Schüler*in sind gemeinsame Strukturen bei ihren religiösen Vorstellungen und Lernvoraussetzungen festzustellen. So lassen sich z. B. empirisch sechs Typen von Weltbildern und Schöpfungsvorstellungen bei Heranwachsenden darstellen (Höger 2008). Einem anderen Ansatz zufolge können in einer empirischen Metaanalyse die religiösen Vorstellungen von Jugendlichen zu insgesamt vier unterschiedlichen elementaren Schülertheologien (humanistisch, juridisch, dezentriert, kritisch-distanziert; Gennerich 2010, 395-399) rekonstruiert werden. Innerhalb der großen Pluralität religiöser Vorstellungen bieten sie Orientierung für die gezielte Gestaltung von Lehr-Lernprozessen. So lassen sich z. B. in Bezug auf die im Credo virulente Schöpfungstheologie folgende vier Theologien identifizieren: Schöpfung primär verstanden in Hinblick auf das zerstörerische Potenzial des Menschen, auf die göttliche Ordnung, auf den Herrschaftsauftrag oder auf eigene direkte Naturerfahrungen. Je nach Schöpfungsverständnis sind daher für Lernsettings unterschiedliche Aspekte christlicher Schöpfungstheologien auszuwählen.
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Im Horizont der strukturierten religiösen Konzepte der Heranwachsenden kann so gezielt die Deutungsvielfalt des Credo eingebracht werden. Der vorliegende Band möchte dezidiert dazu motivieren, diese theologische Pluralität aufzugreifen. Die didaktische Auswahl theologischer Ansätze wird dabei mit unterschiedlicher Akzentsetzung geführt. Je nach Lernvoraussetzung werden z. B. alternative, stabilisierende, korrigierende oder verstärkende Deutungen angeboten. Ein solches Vorgehen eröffnet die Möglichkeit – ganz im korrelativen Paradigma – „zielgerichtet irritierende und stabilisierende Impulse einzusetzen, damit die Schüler/innen die Grenze der eigenen Position ausloten können.“ (Reis 2009, 55)
5. Neue Erfahrungen eröffnen – Lernen in Begegnungen An der Korrelationsdidaktik wird vielfach kritisiert, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr über religiöse Erfahrungen verfügten, die korrelativ mit der christlichen Glaubenstradition in Verbindung gebracht werden könnten. In Bezug auf den geschilderten mehrperspektivisch korrelativen Zugang würde dies bedeuten, dass es trotz Pluralität auf Seiten der Schüler*innen und auf Seiten der Tradition keine hinreichenden Gemeinsamkeiten, keine gemeinsamen Themen, Fragen oder Erfahrungen mehr gäbe. Somit müssten erst neue Erfahrungen gemacht werden, die dann im Lichte des christlichen Glaubens reflektiert werden könnten. Insbesondere die Performative Religionsdidaktik (Klie/Leonhard, 2003; 2008) setzt hier an. Als eine spezifische Ausprägung performativen Lernens kann das Lernen in der Begegnung mit anderen betrachtet werden. Die Schüler*innen können im Gespräch mit bekennenden Christ*innen erkennen, dass und wie der christliche Glaube für einen Menschen Lebensorientierung bietet, wie das Credo lebenspraktisch wird. Insbesondere Personen, zu denen sich Heranwachsende in Beziehung setzen können, sei es z. B. durch Sympathie, durch örtliche Nähe, erleichtern es, dass diese Begegnung neue Erfahrungen eröffnet. Im Leben und Denken von Christ*innen wird das Credo oder Ausschnitte hiervon konkret wahrnehmbar. Eine solche Begegnung führt somit über die Orthopraxie zur Orthodoxie, hier in Form des Credo. Besondere theologische Brisanz – und deshalb ggf. auch besonderes didaktisches Potenzial – ergibt sich aus der Begegnung mit Gläubigen anderer Religionen. Insbesondere die trinitarischen und chris-
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tologischen Formeln des Credo sind im interreligiösen Gespräch theologisch kontrovers. Inwiefern diese kontroversen Themen produktiv für das Verständnis der eigenen und der anderen Religion führen, hängt stark vom Lern- und Begegnungssetting ab. Aus vielen sozialpsychologischen, kulturpädagogischen, religionsdidaktischen und komperativtheologischen Ansätzen zur interreligiösen oder -kulturellen Begegnung lassen sich wiederkehrende Gelingensbedingungen herausstellen. So scheinen diese Begegnungen besonders fruchtbar zu sein, wenn die Teilnehmenden ein gemeinsames Ziel verfolgen, einen gleichen sozialen Status besitzen und es längerfristige Kontakte gibt (Allport 1954, Gärtner/Bettin 2015), wenn die Beziehung durch freundschaftliche Verbundenheit, Empathie und Sensibilität geprägt ist, wenn die Teilnehmenden konfessorisch in ihrer eigenen Tradition verwurzelt sind, mit dem Ziel „eine Würdigung der Andersheit Andersgläubiger mit der Treue zu den traditionellen Geltungsansprüchen des Christentums zu verbinden“ (von Stosch 2012, 133) und die Bereitschaft auf beiden Seiten vorhanden ist, dem Anderen im Sinne der Gastfreundschaft ein „Wohnrecht im eigenen Denken ein[zu]räumen“ (von Stosch 2012, 164). Diese Aufzählung unterstreicht die hohen Anforderungen, die an interreligiöses Begegnungslernen gerichtet sind, insbesondere, wenn im Mittelpunkt der Begegnung kontroverse Themen des Credo stehen. Erfahrungen im universitären Kontext zeigen, dass sogar christliche Theologiestudierende (!) Schwierigkeiten haben, bei muslimischen Studierenden die Gottessohnschaft Jesu Christi oder dessen Auferstehung argumentierend zu vertreten. Neben fachlichen Defiziten sind hierbei auch die sich annähernden Jesusbilder in Anschlag zu bringen. Die Tendenz, Jesus nicht als Sohn Gottes, sondern eher als vorbildlichen Menschen anzusehen, konvergiert in gewisser Weise mit den Jesusbildern im Koran und mit bestimmten Jesusauffassungen im Judentum. Solche Jesusbilder laufen Gefahr, in der interreligiösen Begegnung „ein religionsdidaktisch-theologisch unerwartetes – fragwürdiges – Resultat [zu] erbringen.“ (Schweitzer 1998, 168) Diese Erfahrungen können allerdings Heranwachsenden verdeutlichen, dass das theologisch fundierte Nachdenken über das eigene Credo nicht irrelevant ist. Das Credo als Mittel und Ort der Begegnung Eine interreligiöse Begegnung motiviert dann zur näheren Auseinandersetzung mit dem Credo. Zugleich setzt eine solche interreligiöse Begegnung voraus, dass die Teilnehmenden denkerisch das christliche
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Credo verantworten resp. argumentieren können. Der interreligiöse Dialog trägt somit paradoxer Weise dazu bei, überhaupt erst für die Grundlagen dieses Dialogs zu sensibilisieren.
6. Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen mit dem Credo Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen setzt in besonderem Maße beim lernenden Subjekt an. Dabei unterscheidet man zwischen einer Theologie von, für und mit Kindern und Jugendlichen. Bezogen auf das Credo lässt sich dies wie folgt konkretisieren: Theologie von Heranwachsenden umfasst deren reflektierte Vorstellungen von Inhalten des Credo, d.h. z. B. Konzepte von Gott, dem Schöpfer, Jesus, dem Sohn Gottes usw. Die Glaubensinhalte des christlichen Credo – so wurde bereits deutlich – unterscheiden sich in wesentlichen Aspekten von der Theologie von Kindern und Jugendlichen. Theologie für Kinder und Jugendliche wiederum bezeichnet eine für Schüler*innen aufbereitete, vereinfachte wissenschaftliche Theologie, z. B. einfache theologische Sachtexte zum Credo. Inwiefern das Credo selbst bereits eine Theologie für Heranwachsende darstellen kann, wurde in den vorangegangenen Kapiteln bereits angerissen. Im Folgenden geht es daher um das Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen. Diese, so die These, besitzen bzw. entwickeln Kompetenzen, mit denen sie über religiöse Phänomene reflektieren und zu eigenen theologischen Konzepten gelangen. Sie werden als eigenständige Konstrukteure von Theologie wahrgenommen. Konkret: Jugendliche haben z. B. eigene Vorstellungen von der Auferstehung Jesu, die sie in der Auseinandersetzung reflektieren, weiterentwickeln oder auch korrigieren. Ziel ist nicht die Übernahme einer normativ gesetzten Auferstehungstheologie oder der entsprechenden Formel des Credo, sondern Auferstehung wird als etwas Fluides, von einzelnen Gläubigen und der Glaubensgemeinschaft stets neu zu bestätigender und denkerisch zu verantwortender Glaubensinhalt verstanden. Kinder und Jugendliche sind somit aktiver Teil einer reflektierenden Glaubenstradition und nicht heteronome Empfänger der Glaubensbotschaft. Die aufgezeigte korrelative Spannung zwischen Glaubenstradition und Gegenwartserfahrungen wird hier im reflektierenden Subjekt aufgehoben, indem dieses zum (Ko-)Konstrukteur theologischer Vorstellungen wird.
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Immer deutlicher werden allerdings in den letzten Jahren auch die Grenzen dieses Ansatzes. Denn Theologisieren gelingt oftmals besonders gut, wenn es sich um existenziell-anthropologische Themen, wie z. B. Tod, oder um religiöse Grundfragen, z. B. Existenz Gottes, handelt. Beim Theologisieren zum Credo fehlen Kindern und Jugendlichen zentrale theologische Konstrukte oder diese sind für sie nicht relevant. Somit stellt sich auch beim didaktischen Ansatz des Theologisierens die korrelative Grundfrage, wie die jeweiligen Glaubensinhalte des Credo didaktisch eingebracht werden, damit im Prozess des Theologisierens korrelative Erschließungen möglich sind. Es ist somit Aufgabe der Lehrkraft, über geeignete Lernsettings Schüler*innen die Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten des Credo zu ermöglichen und dadurch ihr eigenes Theologisieren zu bereichern. Didaktisch lassen sich hierbei kognitive Dilemmata nutzbar machen, wie sie z. B. in „Gottes Sohn oder Menschen Sohn?“ oder „Geboren von einer Jungfrau?“ zum Ausdruck kommen. Ähnlich schlägt Englert vor, nicht von theologischen Themen oder Formeln auszugehen, wie diese im Credo stehen, sondern von fokussierten Fragen z. B. „Kann Gott etwas tun?“ (Englert 2015, 105f.) Eine Didaktik des Credo wäre somit herausgefordert, die Glaubensformeln in entsprechende Fragen oder Dilemmata zu transformieren. Die Kinder- und Jugendtheologie setzt stark auf die eigenständige Reflexion und Auseinandersetzung der Heranwachsenden. Dabei stellt sich jedoch zunehmend die Frage, inwiefern es auch misslingende Prozesse des Theologisierens oder gar unwahre Kinder- und Jugendtheologie gibt. Zugespitzt: Ist alles, was Kinder und Jugendliche in der Auseinandersetzung mit dem Credo als ihre Position ausgeben, als subjektive Theologie gerechtfertigt und entsprechend theologisch zu würdigen? Welche Anforderungen muss eine Lehrkraft an theologisierende Schüler*innen stellen und welche Rolle kann hierbei das Credo besitzen? Wenn man Kinder- und Jugendtheologie als reflexive Auseinandersetzung mit Glaubenspraxis und Glaubenstradition versteht, dann ist in Lernsettings erstens inhaltlich die Bezugnahme auf christliche Traditionen und Theologien unabdingbar, die zweitens (altersspezifisch modifizierten) formalen Kriterien entsprechen muss. Hierunter lassen sich z. B. Logik, Stringenz, Kohärenz, Sprachkompetenz, Abstraktion, Komplexitätsgrad fassen (Zimmermann 2016, 72). Während formale Kriterien hilfreich sind, um die reflexive Qualität des Theologisierens zu bewerten, kann das Credo als ein inhaltliches Grundgerüst betrachtet werden, inwiefern sich Äußerungen von Schüler*innen als christlich-theologisch bewer-
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Theologischer Dialog
ten lassen. Dabei geht es nicht darum, „sich anzumaßen, über religiöse Erfahrungen […] oder das Vorhandensein von eigenen Glaubenserfahrungen zu urteilen. Vielmehr geht es darum, kindertheologisch kompetent zu reflektieren, ob bzw. in welchem Maße z. B. bestimmte Sprachformen als christlich-theologisch beurteilt werden können“ (Zimmermann 2016, 71). In diesem Prozess kann das Credo den christlichen Horizont abstecken und das Gemeinsame herausstellen, „das verhindert, dass die Unterschiedlichkeit der subjektiven Aneignungsprozesse eine Verständigung untereinander unmöglich macht […] und mögliche inhaltliche Insuffizienzen aufdeckt“ (Pemsel-Maier 2015, 36, in Bezug auf die Dogmatik). Damit könnte das Credo auch beim Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen als eine kognitive Landkarte fungieren, die Wegmarken bietet, um bei den vielen individuellen und pluralen Äußerungen von theologisierenden Schüler*innen nicht die Orientierung zu verlieren. Literatur Englert, Rudolf, Schweitzer, Friedrich (Hg.): Jesus als Christus – im Religionsunterricht: Experimentelle Zugänge zu einer Didaktik der Christologie, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2017 Pemsel-Maier, Sabine, Schambeck, Mirjam (Hg.): Keine Angst vor Inhalten! Systematisch-theologische Themen religionsdidaktisch erschließen, Freiburg: Herder 2015 Ziegler, Tobias: Jesus als ‚unnahbarer Übermensch‘ oder ‚bester Freund‘? Elementare Zugänge Jugendlicher zur Christologie als Herausforderung für Religionspädagogik und Theologie, Neukirchen-Vluyn: NeukirchenerVerlag 2006
Theologischer Dialog Dirk Wördemann antwortet auf Claudia Gärtner
Die Fokussierung auf die Relevanz des theologischen Inhalts des Credo für heutige Schüler*innen und diese initiierende Lernprozesse untermauert die Reflexionen über die Historizität Jesu aus neutesta-
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mentlicher Perspektive. Mit Blick auf die religionsdidaktisch gebotene Subjektorientierung kann ein als defizitär bewertetes, bloß formelhaftes, nicht angeeignetes Wissen über das Credo durch die Auseinandersetzung mit der Biographie des anderen Menschen Jesus vermieden werden. Andere Menschen haben immer Bedeutung, weil sie von emotionalen Aufladungen begleitet werden. Emotional codierte Kognitionen gehen ins Gedächtnis! Der Lebensweg des leidenden und am Kreuz sterbenden Jesus ist eine performative Wegmarke des Lernens. An ihm kann der eigene Standort auf der theologischen Landkarte des Credo gefunden werden. Das Empathiepotential der Schüler*innen ist eine Brücke zur Fremdheitserfahrung mit dem theologischen Gegenstand „Credo“. Das Bekenntnis als Sprechen zum Lebenslauf einer historischen Person durch dazu aktive Positionierung transformiert den Inhalt in einen Lerngegenstand. Der Lebensweg Jesu ist korrelativ nicht harmonisierbar, sondern irritierend und stabilisierend zugleich. Im komplementären Denken von Erniedrigung Jesu und Hoheit „des Sohnes“ liegt ein Lernprozess, den das NT immer schon reflektiert und unaufhebbar bewahrt hat. Das Syntagma von der Historizität Jesu hat diese Vielfalt der Deutungen ins Credo überführt. Der von Claudia Gärtner angezielte subjektorientierte Lernweg korrespondiert mit dem hermeneutischen Ansatz, das Credo intertextuell vom Neuen Testament her zu verstehen. Der Lernweg führt von bibeltheologisch und narrativ fokussierten Fragen wie „Warum musste Jesus leiden und sterben?“ oder „Wie ging Jesus mit seinem Leiden und der Kreuzesstrafe um?“ zu den theologischen Formeln des Credo.
Intermezzo V: Wie wirkt der Text, was bedeutet er? Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Amen.
Im Umgang mit (theologischen) Texten wird eine Dimension von Texten oft vergessen: Ihre performative (konkret: ästhetische, expressive und auch appellative) Funktion, die auf die Wirkung des Textes abzielt. Auch das Credo lässt sich daraufhin befragen, wie es auf Sie als Lesende wirkt und wie dieser Eindruck zustande kommt. Sie können dazu im Text Wirkeindrücke markieren: Wo nehmen Sie den Text beispielsweise unter ästhetischen Gesichtspunkten als schön bzw. unschön wahr? Woran könnte das liegen? An welchen Stellen fühlen Sie sich vom Text unmittelbar angesprochen? Wo würden Sie gerne etwas auf den Text erwidern? Vielleicht bemerken Sie auch, dass sich Ihre Antworten auf diese Fragen mit den Jahren verändern: Zu Beginn des Studiums werden Ihnen sicher andere Dinge im Text wichtig erscheinen als es in späteren Semestern der Fall sein wird. Die Wirkung, die ein Text haben kann, unterscheidet sich also nicht nur je individuell zwischen den einzelnen Lesenden, sondern variiert auch biografisch. Sie werden den glei-
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Intermezzo V
chen Text heute sicher anders wahrnehmen als noch vor einigen Jahren. Wer sich dem Credo auf diese Weise nähert und seine Wirkung beobachtet, umgeht eine große Gefahr im Umgang mit Texten: Denn allzu oft reduzieren wir Texte auf ihre referentielle Funktion und verstehen sie lediglich als Mittel zum Zweck – der Text erscheint dann als bloßes Trägermaterial für etwas, das aus ihm „herausinterpretiert“ werden müsste. Wer den Text auf seine referentielle Funktion verkürzt, suggeriert damit, dass es einen hinter dem Text liegenden Sinn gäbe, auf den es eigentlich ankäme. Der eigentliche Text wird dadurch hinfällig, weil diese Ansicht unterstellt, dass nur das interpretatorische Destillat, also die vom Text abgelöste Bedeutung, wichtig sei. Vielfach – und bedauerlicherweise! – ist uns ein solches Verständnis im Umgang mit Texten noch aus der Schule vertraut. Wer aber nach der Wirkung des Textes fragt, kann zugleich an sich selbst beobachten, dass Text und Bedeutung nicht voneinander zu trennen sind! Die Wirkung des Credo auf Sie hat unmittelbar etwas mit der konkreten Textgestalt zu tun. Deswegen können wir das Verstehen von Texten auch in der Theologie und insbesondere bei lehramtlichen und ebenso biblischen Texten nicht mit der Enthüllung eines eigentlich hinter dem Text liegenden Sinns gleichsetzen. Wer so argumentiert, macht den Text letztlich überflüssig. Machen Sie gerne die Probe aufs Exempel: Können Sie die Bedeutung des Credo so formulieren, dass der eigentliche Text wegfällt? SH
„Auferstehung des Fleisches“ – „Auferstehung der Toten“. Aus systematisch-theologischer Perspektive über Eschatologie nachdenken Simone Horstmann Über Eschatologie nachdenken
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Nach der Lektüre dieses Beitrag … … können Sie verschiedene eschatologische Entwürfe kriterienorientiert unterscheiden und genauer benennen … können Sie in ersten Ansätzen einschätzen, welche theologischen Folgen die Festlegung auf ein eschatologisches Modell hat … können Sie das methodische Vorgehen systematisch-theologischen Arbeitens exemplarisch anhand der Eschatologie nachvollziehen n
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Wer damit beginnt, das studentische Leben zu erkunden, wird neben den alltäglichen Aufgaben am Schreibtisch und in der Bibliothek auch das studentische Nachtleben entdecken: Mit den Kolleginnen und Kollegen tourt man durch Kneipen und die dunklen Ecken der Stadt. Studierende der Theologie sollten aber auch die „dunklen Ecken“ der Systematischen Theologie kennen. Nicht selten passiert es, dass gerade ein Teilbereich der Dogmatik als ein solch dunkler, geheimnisumwobener Winkel erscheint: Es geht um die Eschatologie, die man ausgehend vom griechischen Wort ἔσχατα (eschata) oft als „Lehre von den letzten Dingen“ verstanden hat. Mit dieser Übersetzung hat sich die Theologie auf ein ganz bestimmtes Verständnis von Eschatologie festgelegt, das zugleich viele Nachfragen provoziert und nicht unumstritten ist. Der Text des Credo bietet für die Suche nach den „letzten Dingen“ viele Anknüpfungspunkte: Unser „Eschatologie-Detektor“ springt womöglich an, wenn im Credo davon die Rede ist, dass Gottes Allmacht seine unüberbietbare Souveränität am Anfang und Ende der Zeit bedeutet; wenn es im christologischen Artikel heißt, dass Chris-
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tus aus dem Reich des Todes und von den Toten auferstanden ist und kommen wird, um die Lebenden und Toten zu richten; wenn der dritte Credo-Artikel die Gemeinschaft der Heiligen als eine Vision endzeitlicher Gemeinschaft aufruft und sie mit dem Wirken des Heiligen Geistes wie auch mit der Existenz der Kirche in Verbindung setzt, oder wenn die zuvor bereits mit Christus in Beziehung gebrachte Rede von der Auferstehung auch hier noch einmal erwähnt wird. So besehen erscheint das Credo eschatologisch beinahe „übersättigt“ – ohne dass wir aber zugleich schon sagen könnten, was genau mit dem Begriff der Eschatologie gemeint ist. Wir müssen also festhalten: Der Begriff der Eschatologie ist der Theologie selbst erklärungsbedürftig geworden.
1. Eschatologie als Problem Die Systematische Theologie hat unterschiedlich auf diese Unklarheit reagiert. Die katholische Dogmatikerin Johanna Rahner hat beispielsweise vorgeschlagen, die soeben auch am Credo beobachtete Einsicht festzuhalten, dass „die Eschatologie keine Zusatzinformation zu sonstigen theologischen oder anthropologischen Aussagen christlicher Dogmatik ist, sondern die Übersetzung dessen, was theologisch, anthropologisch und christologisch Sache ist, in den Modus der Vollendung hinein. Was jetzt gilt, wird unter der Perspektive der Vollendung des Gesamtziels, des Sinns des Ganzen beschrieben.“ (Rahner 2014, 131) Johanna Rahner bestätigt also zunächst unsere Beobachtung zum Credo: Die eschatologischen Aussagen sind zugleich Aussagen zur Gotteslehre, zur Christologie, zur Pneumatologie, zur Ekklesiologie usf. Diese Ordnungsbegriffe, die in der Dogmatik auch Traktate genannt werden, bilden gewissermaßen die Schubladen, in die hinein die Dogmatik ihr Wissen sortiert. Bleibt man in diesem Bild, so müsste man mit J. Rahner sagen: Die Schublade der Eschatologie enthält gegenüber denen der anderen Traktate keine weiteren Zusatzinformationen, sondern wiederholt die Aussagen der anderen Traktate, allerdings im „Modus der Vollendung“. Hören wir noch eine weitere Stimme zum Problem einer unterbestimmten Eschatologie. Der evangelische Theologe Karl Barth hat bereits 1922 vehement auf die Bedeutung der Eschatologie hingewiesen und behauptet: „Christentum, das nicht ganz und gar und restlos Eschatologie ist, hat mit Christus ganz und gar und restlos nichts zu tun.“ (Barth 1999, 325) Neben dem methodischen Hinweis von
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J. Rahner haben wir mit dem Statement von K. Barth ein Plädoyer vor Augen, das die Bedeutung der Eschatologie außerordentlich stark macht. K. Barth identifiziert das Christentum mit der Eschatologie und begründet diese Festlegung mit Christus selbst. Barths drastische Worte zur Eschatologie waren für die zeitgenössische Theologie ein Paukenschlag: Man hat gemerkt, dass die Eschatologie sehr lange bloß verinnerlicht oder verjenseitigt wurde, und dass dieser Traktat neu entdeckt werden musste, wollte man das Wesen des Christentums selbst retten. Beide Aussagen gehen also sehr unterschiedlich auf das gleiche Grundproblem ein. Die Eschatologie in der Systematischen Theologie Aufgabe der Systematischen Theologie ist es immer auch, die Aussagen in ihren jeweiligen theologiegeschichtlichen Kontext einzuordnen. Auf diese Weise zeigt sich in unserem konkreten Fall, dass beide Aussagen unterschiedliche theologische Spitzen besitzen.
J. Rahner richtet sich gegen das insbesondere katholische Problem, dass die Eschatologie lange Zeit als Ansammlung von Wissens-Aussagen über die Endzeit und das nachtodliche Leben angelegt war. Eine Eschatologie, die so verfährt, behauptet ein Sonderwissen zu besitzen, dessen wissenschaftlicher Status prekär ist: Wer über das nachtodliche Leben im gleichen Modus spricht wie über die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, der übersieht die erkenntnistheoretische Differenz zwischen den beiden Bereichen. Für die Theologie bedeutete diese schmerzliche Einsicht, dass sie insbesondere in der Eschatologie eine andere Sprachform, ein anderes Wissensformat finden musste, als sie es bisher gewohnt war. Kontextualisiert man die Aussage K. Barths, zeigt sich ein anderes Hintergrundproblem. K. Barth betont die Bedeutung der Eschatologie im Angesicht eines saturierten Christentums, das sich mit der Welt gemein gemacht hat, das sich mit den immanenten Gegebenheiten auch in politischer und sozialer Hinsicht arrangiert hat und das kritische Potential, das Barth insbesondere im Urchristentum und seiner Hoffnung auf die Wiederkunft Christi erkennt, dafür weitestgehend aufgegeben hat. Damit spricht er ein spezifisch protestantisches Problem an, aber nicht nur: Alle christlichen Konfessionen müssen sich schließlich fragen lassen, worin der wahre Grund ihres Glaubens und ihres Engagements liegt. K. Barths Hinweis lässt sich so verstehen, dass christli-
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che Theologie und christliche Kirchen andere Daseinsgründe haben als nur ein sozial-engagiertes Auftreten oder die öffentlichkeitswirksame Pflege der sog. christlichen Werte. Der vielfach zu vernehmende Hinweis, dass die Bedeutung der Kirchen in ihrem sozialen oder caritativen Wirken liege, ist zwar nicht falsch, stellt aber nur ein Oberflächenphänomen heraus. Wer so argumentiert, verkürzt die Bedeutung des Glaubens bis auf das Legitimationsniveau der öffentlichen Abfallentsorgung: Man ist erleichtert, dass es sie gibt, aber ein tieferer Sinn hinter dem bloßen Nutzwert scheint nicht zu existieren. Wir können das Grundanliegen beider Aussagen also darin verorten, dass die Eschatologie maßgeblich mit der christlichen Existenz verknüpft ist (K. Barth), ihr Status im Gefüge der dogmatischen Traktate aber kein gesondertes, quasi jenseitiges Zusatzwissen erlaubt (J. Rahner). Dogmatische Aussagen sollten, so könnte man dieses Fazit zudem methodisch verallgemeinern, stets daraufhin befragt werden, wie genau sie einen Zusammenhang zwischen dem Inhalt und der Form ihrer Aussagen auf der einen Seite und der dadurch gestifteten existentiellen Bedeutung auf der anderen Seite schaffen. Wir werden im Folgenden zunächst im dogmenhistorischen Rückblick ein Modell in Augenschein nehmen, das konkrete eschatologische Aussagen mit konkreten existentiellen Anliegen verbunden hat, und von daher fragen, wie diese Verbindung zu bewerten ist.
2. Traditionelle Eschatologie Der Münsteraner Dogmatiker Franz Diekamp hat ab 1917 eine vielfach aufgelegte und breit rezipierte Dogmatik herausgegeben, die sich, wie es der Untertitel hervorhebt, an „den Grundsätzen des heiligen Thomas“ orientiert, also am scholastischen Kirchenvater Thomas von Aquin (1225-1274). F. Diekamps Dogmatik steht stellvertretend für viele ähnliche Dogmatiken und soll prototypisch repräsentieren, wie lange Zeit im Bereich der katholischen Dogmatik gearbeitet und theologisiert wurde. F. Diekamps Dogmatik, die systematisch alle Traktate durcharbeitet, enthält auch einen Abschnitt zur Eschatologie. Dessen erster Teil befasst sich mit den „Endereignissen“, darunter fasst F. Diekamp den individuellen Tod, das besondere Gericht sowie die Wiederkunft Christi, das Weltgericht, die Auferstehung des Fleisches und die Vollendung aller Dinge. Der zweite Teil thematisiert „die Endzustände“, also die – wie es wörtlich heißt – „Ortsbestimmungen“ von Himmel, Hölle und Fegefeuer. An
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dieser Gliederung lässt sich bereits erkennen: Eine solche Eschatologie wird nicht zuletzt durch die existentielle Frage motiviert, was mit dem einzelnen Menschen nach dem Tod passiert. Orientiert an Schrift, Tradition und Lehramt zeichnet diese Dogmatik eine Antwort, indem sie auf das doppelte Gericht (Weltgericht und sog. Partikulargericht/ besondere Gericht) und auf die Endzustände von Himmel und Hölle (und dem Fegefeuer als Läuterungsinstanz) verweist und diese beschreibt. Man kann erahnen, dass J. Rahners Warnung vor einer Eschatologie der „Zusatzinformationen“ hier durchaus Anwendung fände, denn die Ereignisse am Weltende werden als Abfolge dargelegt und suggerieren, eschatologische Aussagen könnten im Sinne eines zeitlich geordneten Berichts wie folgt dargestellt werden: An erster Stelle steht die Wiederkunft Christi, darauf folgt die „Auferstehung des Fleisches“: F. Diekamp versteht darunter, dass die Seelen mit ihren verklärten Leibern wiedervereinigt werden. Über alle Auferweckten ergeht dann das große End- oder Weltgericht. Dem Weltgericht am Ende der Zeit gehen dabei viele Einzelgerichte voraus: Hinter dieser Doppelstruktur der Gerichte steckt die ganz triviale Erfahrung, dass Menschen entlang der Geschichte, nicht erst an ihrem Ende am Jüngsten Tag sterben. Durch diese Einzelgerichte, so F. Diekamp, werden die Schicksale der Einzelmenschen endgültig festgelegt. Die vorausgehenden Einzelgerichte werden im Weltgericht bestätigt und in der Öffentlichkeit der ganzen Welt bekannt gegeben. Soweit eine kurze Paraphrase der wesentlichen eschatologischen Aussagen innerhalb dieser Dogmatik. Wie lässt sich ein solches Modell nun systematisch-theologisch beurteilen? Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass dieses traditionelle Modell auf ein wichtiges existentielles Anliegen antwortet und insofern theologisch bedeutsam ist. Wer danach fragt, welche Bedeutung das irdische Leben des Menschen gemessen an der nachtodlichen Existenz hat, findet hier eine Antwort: Das nachtodliche Leben stellt die unmittelbare Konsequenz des irdischen Lebens dar; in gewissem Sinne rehabilitiert dieses Modell also den sog. Tun-Ergehen-Zusammenhang und behauptet, dass das Handeln der Menschen im Hier und Jetzt nicht in der Bedeutungslosigkeit verpufft, sondern wesentliche Folgen zeitigt. Das Modell betont mit der Doppelstruktur der Gerichte also die theologische Bedeutung der Gerechtigkeit: Der Mensch behält hier nicht das letzte Wort, Himmel und Hölle rufen ihn vielmehr in die Verantwortung für das eigene Handeln. Ganz im Sinne K. Barths behält dieses Modell also eine gewisse Widerständigkeit gegen die alltägliche menschliche Normalität bei.
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Synthetisierendes Denken F. Diekamp gelingt es darüber hinaus, eine Synthese aus biblischen und lehramtlichen Aussagen und Erkenntnissen der theologischen Tradition zu entwickeln und diese einzelnen Aussagen zu einem zunächst grundsätzlich stimmigen Gesamtmodell zusammenzufügen: In diesem Sinne arbeitet er also erkennbar systematisch-theologisch.
3. Ein systematischer Blick Jede systematisch-theologische These entwickelt also Lösungen für ein Problem – welche das hinsichtlich der Eschatologie sind, haben wir gerade exemplarisch für die Dogmatik von Diekamp angesprochen. Zugleich schaffen diese Lösungen stets auch neue Probleme und erfordern die beständige kritische Reflexion. Die Systematische Theologie basiert wesentlich auf diesem Verweischarakter von Problem, Lösung und Folgeproblem. Aus der Vielzahl eschatologischer Entwürfe der letzten Jahre seien daher vier zentrale Anfragen an das referierte Modell benannt. Wenn Diekamp von Himmel und Hölle als endzeitlichen Zuständen sowie den Ereignissen am Weltende spricht, dann sind damit entscheidende Weichenstellungen vorgenommen: Zum einen tritt deutlich vor Augen, dass Diekamps eschatologisches Modell (1) beinahe ausschließlich jenseitig angelegt ist. Eschatologisches Denken scheint hier vornehmlich mit der Frage befasst zu sein, wie der Mensch sich seine nachtodliche Existenz vorzustellen habe. Zweitens zeichnet er mit diesen beiden „Endzuständen“ (2) ein ausgesprochen statisches Bild: Denn streng genommen kennt diese Konzeption weder für den Himmel noch für die Hölle die uns so vertraute Vorstellung, dass Leben sich entwickeln und verändern kann. Wer einmal versucht, diese Vorstellung vor dem inneren Auge lebendig werden zu lassen, der wird sicher große Schwierigkeiten haben, sich einen Himmel vorzustellen, der in seiner Statik und Unveränderlichkeit keinerlei Entwicklung möglich macht. Das statische Moment dieser Konzeption bedingt auch, dass wir hier (3) kaum eine Kontinuität gegenüber dem irdischen Leben erkennen. Dieser Entwurf ähnelt in seiner Statik tatsächlich einer „Behältereschatologie“ (Hans Urs von Balthasar), die eigentümlich bürokratisch und beinahe tot erscheint. Schließlich bleibt zu fragen, wie die anthropologische Verengung in diesem Modell zu beurteilen ist.
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Abb. 6: Systematisierung: Traditionelle Eschatologie
Weil das Modell die Frage nach dem Schicksal des einzelnen Menschen so sehr hervorhebt, geraten ebenso wichtige Anfragen außen vor. Mit guten Gründen wäre zu fragen, ob Eschatologie tatsächlich so sehr (4) auf die individuelle Perspektive bzw. einzig auf den Menschen hin angelegt werden kann. Mit diesen vier Anfragen haben wir zunächst eine Systematisierung gefunden, die auch für die Analyse weiterer eschatologischer Aussagen Verwendung finden kann und die uns hilft, die theologische Eigenart eschatologischer Entwürfe genauer zu bezeichnen. Es geht dabei um vier Charakteristika von Eschatologie, die wir nun näher in Form von Extrempositionen benennen können. Die theologischen Konturen des traditionellen Modells ergeben sich demnach vor allem dadurch, dass es die Bedeutung der Eschatologie überwiegend jenseitig, statisch und auf den individuellen Menschen bezieht. Gegenüber der irdischen Welt, wie wir sie kennen, setzt das Modell seine eschatologischen Aussagen dabei zum einen in große Diskontinuität, wenn Himmel und Hölle wie o.g. als bloße Zustände aufgefasst werden; zugleich stellt das Modell dennoch ein nachtodliches Leben vor, das gegenüber dem irdischen Leben dessen Konsequenz darstellt und insofern durchaus kontinuierlich zu nennen ist.
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4. Hat das Credo eine eigene Eschatologie? Bestätigt nun das Credo die Aussagen des traditionellen Eschatologie-Modells? Hat es gar eine eigene Eschatologie, die sich von dem zuvor erläuterten Modell absetzt? Wir haben zu Beginn schon bemerkt, dass der wohl augenfälligste eschatologische Verweis im Credo innerhalb des christologischen Artikels zu finden ist. In einer Sequenz werden hier Jesu Tod, sein Begräbnis, der Abstieg in die Unterwelt, seine Auferstehung und Himmelfahrt genannt. Wir begegnen an dieser Stelle also in der Tat einem erkennbar jenseitig geprägten Verständnis. Der unmittelbar folgende Hinweis auf das Gericht steht im Futur I und scheint diese Sichtweise ebenfalls zu bestätigen; selbst die in Diekamps Eschatologie genannten „Ortsbestimmungen“ klingen in den Worten des Credo an, schließlich verweist der Text auf lokale Bestimmungen („hinabgestiegen“/„das Reich des Todes“/ „aufgefahren“/„von dort“). Gleichwohl finden wir im Credo auch Aussagen, die weniger eindeutig in das bekannte Muster passen: Zwar ist auch hier gleich im ersten Artikel die Rede vom Himmel. Das Credo stellt diesen Begriff nun aber in den Kontext des göttlichen Schöpferhandelns und ordnet ihm den Komplementärbegriff der Erde zu. Diese Beobachtung ist in zweifacher Hinsicht wichtig: Sie kann (1) ein Argument gegen die anthropologische Verengung von Eschatologie sein, denn Gott wird eindeutig als Schöpfer aller Wirklichkeit benannt. Kann man, wenn man diese Aussage im Credo liest und spricht, gleichzeitig bei der Aussage bleiben, dass sich Gott am Ende der Zeit einzig der Rettung der einzelnen, spezifisch menschlichen Seele verschreibt und den ‚Rest‘ seiner Schöpfung der ewigen Vernichtung anheim gibt? Wer so fragt, diskutiert die Gültigkeit eschatologischer Aussagen also vor dem Hintergrund der Gotteslehre, weil hier letztlich das Monotheismusgebot entfaltet wird: Können wir tatsächlich zwischen einem protheros theos, einem Schöpfergott, der die gesamte Schöpfung ins Dasein ruft, und einem deuteros theos trennen, dem die außermenschliche Schöpfung am Ende egal ist? Der Verweis auf den Himmel im Credo provoziert noch eine weitere Nachfrage, denn: (2) Von der Hölle ist hier keine Rede. Nun ist es selbstverständlich so, dass viele theologische und biblische Aspekte nicht im Text vorkommen und daraus allein noch kein Urteil über ihre Bedeutung abzuleiten ist. Das Fehlen ist dennoch ein wichtiger Hinweis und erlaubt theologische Nachfragen zur Bedeutung der Hölle. Die Dogmatik hat sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt und etwa auf das Argument verwiesen,
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dass es die Hölle geben muss, wenn Gott die menschliche Freiheit ernstnimmt, die sich im Letzten auch gegen ihn aussprechen kann. Die Hölle wäre dann gewissermaßen Gottes Zugeständnis an die Freiheit des Menschen, von der letztlich auch das Gelingen der Geschichte Gottes mit den Menschen abhinge. Dennoch bereitet die Vorstellung der Hölle berechtigtes Unbehagen. Ruft man sich in Erinnerung, dass auch die Kirche von keinem einzigen Menschen je behauptet hat, dass er in der Hölle sei, sein Lebensziel also endgültig verfehlt habe, sie hingegen beispielsweise von den Heiligen sagt, dass sie in die himmlische Gottesgemeinschaft aufgenommen sind, dann bemerkt man jenes Ungleichgewicht, das sich zwischen den traditionellen eschatologischen Alternativen von Himmel und Hölle auftut. Neben der traditionellen Aussage zu den zwei „Endzuständen“ hat sich daher ein Konsens herausgebildet, der einen „dritten Weg“ markiert: Wir dürfen hoffen, dass die Hölle leer ist, aber es muss sie geben, wenn Gott die menschliche Freiheit respektiert (Balthasar 2013). Aber auch dieser Konsens ist nicht unumstritten: Gegen ihn hat man eingewendet, dass die bloße Möglichkeit der Hölle, also das Eingeständnis, dass es ewig Verdammte geben kann, das Scheitern der Beziehung von Gott und Mensch und letztlich den endgültigen Triumph des Bösen darstelle. Im Zuge dieses Arguments hat die jüngere Theologie insbesondere die sog. Apokatastasis-Lehre des Kirchenvaters Origenes (185-254) als einen Beleg gegen die Gleichwertigkeit von Himmel und Hölle aus der Tradition der Kirche herangezogen: Sie bringt die kosmische Hoffnung auf die Versöhnung aller geschöpflichen Wirklichkeit mit Gott zum Ausdruck. Werfen wir einen letzten Blick ins Credo: Eschatologisch auffällig ist auch die Struktur des dritten Artikels. Da Verben hier mit Ausnahme des „[ich] glaube“ fehlen, sind die Verbindungen zwischen den Einzelaussagen eher assoziativ und lassen Freiraum für unser eschatologisches Nachdenken: So fällt auf, dass die Kirche sowohl selbst als heilig bezeichnet als auch in unmittelbare Nähe zur Gemeinschaft der Heiligen rückt und auf diese Weise vor allem in Form ihrer eschatologischen Vollendungsgestalt in den Blick kommt. Damit gewinnt die eschatologische Dimension des Credo stärker gemeinschaftlichkollektiven, universalen Charakter. Die individuelle Eschatologie geht darüber aber nicht verlustig, sondern findet ihren Platz in der Rede von der „Auferstehung der Toten“.
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5. Auferstehung der Toten oder Auferstehung des Fleisches? Diese Aussage ist eine Besonderheit innerhalb des Credo: Der Begriff „Auferstehung der Toten“ stellt die deutsche Übersetzung der lateinischen Originalformulierung „carnis resurrectionem“ dar. Damit weicht die Übersetzung erkennbar von ihrer Quelle ab, schließlich müsste man den lateinischen Passus wörtlich mit „Auferstehung des Fleisches“ übersetzen. Bereits 1983 hat die römische Kurie in einer Instruktion auf diese falsche Übersetzung hingewiesen und eine entsprechende Änderung angemahnt. Was also ist mit „Auferstehung des Fleisches“ gemeint? Zwei Antworten sind für unser Anliegen vorrangig. Eine erste theoretische Antwort stammt von Gisbert Greshake und besagt: (1) Die Auferstehung des Fleisches muss verstanden werden als „leibliche Auferstehung“ (Greshake 1986). Damit ist – ganz konform zu den Naturwissenschaften – gerade nicht gemeint, dass der biologische Körper des Menschen den Tod überdauere. Die Chiffre des Leibes meint vielmehr die Gesamtheit des Menschen, sie betont mit dem Leib das Beziehungsorgan des Menschen schlechthin. Wer in diesem Sinne an die leibliche Auferstehung glaubt, spricht sich gegen den (letztlich körperfeindlichen) Dualismus von Körper und Seele aus, wie wir ihn bereits im traditionellen Modell bei Diekamp kennengelernt haben. Der gesamte Mensch, so kann man die theologische Bedeutung dieser Formel entfalten, wird in seinen Beziehungen stehend gerettet. Eine rein seelische Auferstehung wird damit als unzureichend erachtet, da der Mensch in seiner Gesamtheit gerade nicht auf die Seele reduziert werden könne. Das theologische Argument greift damit auf die Frage zurück, wie viel (Dis-)Kontinuität zwischen der irdischen und der nachtodlichen Existenz besteht und betont, dass Auferstehung gerade keinen radikalen Bruch mit der irdischen Existenz bedeuten kann, denn: Wäre der Mensch wirklich noch er selbst, wenn er seine leibliche Verfasstheit und die durch sie gestifteten Beziehungen verliert? Soweit die erste Deutung der „Auferstehung des Fleisches“. Auch dieses Modell kommt nicht ohne notwendige Kritik aus. Denn auch hier geht es vornehmlich um eine rein anthropologische Eschatologie; die Mit- und Umwelt der Menschen gerät nur über den Umweg der Beziehungen ins Spiel, die Menschen eingehen können. Ein eschatologischer Eigenwert wird ihr tendenziell eher abgesprochen. Auch Anfragen zur Beschaffenheit des Auferstehungsleibes muss dieses
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Abb. 7: Systematisierung: Präsentische Eschatologie
Modell aushalten: Obwohl es die Bedeutung der leiblichen Verfasstheit betont, versteht das Modell den Auferstehungsleib als einen „vergeistigten Leib“ – diese Kompromissformel scheint das Problem tendenziell eher zu verunklaren. Ausgehend vom Credo müssen wir zudem fragen, ob die leibliche Auferstehung die im christologischen Artikel angesprochene Gerichtslehre nur wiederholt, die die Auferstehung der Leiber am Jüngsten Tag zur Vervollständigung der Gerichtsurteile behauptet? Erlaubt sich der kurze Text des Credo tatsächlich eine inhaltliche Redundanz? Ziehen wir daher einen weiteren Verstehensvorschlag zurate. Dieser Ansatz stammt von Thomas Ruster und setzt bei der Überlegung an, wie der Begriff des Fleisches in einem biblischen Kontext zu deuten ist (Ruster 2000). Auch hier steht zunächst die Beobachtung im Vordergrund, dass alle sozialen Beziehungen über das Fleisch vermittelt sind: Das Fleischliche ist jenes Merkmal der Schöpfung, das zur Gemeinschaft des Lebendigen drängt. Hier liegt also eine Nähe zu Greshakes Bestimmung der Leiblichkeit vor. Vor allem bei Paulus lässt sich aber feststellen, dass die Rede vom Fleisch zugleich eine umgekehrte Dynamik beschreibt, einen regelrechten Selbstwiderspruch: Paulus verwendet den Begriff im Römerbrief, um eine gegen Gott gerichte-
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te Macht zu beschreiben, die er mit der „Gewalt der Sünde“ (Röm 7,14) identifiziert, die zum Tode führt. Das Fleisch wird damit zu einer Instanz des Widerspruchs gegen Gott selbst. Man kann sich das durchaus konkret vorstellen: Letztlich erzählt jedes Stück Fleisch, das der Mensch isst, die biblische Ursünde neu: Die Erkenntnis der eigenen Vergänglichkeit, der eigenen Fleischlichkeit, führt den Menschen in einen schier unüberwindbaren Selbstwiderspruch: Er will die letztlich für ihn unmögliche Erhaltung seines eigenen Lebens auf Kosten anderen Lebens gewährleisten. Das Fleisch markiert anschaulich die Folge der Selbsterhaltung, wie wir sie kennen: den Tod anderer. Der Darwinismus hat diese paradoxe Logik zum Grundschema des Lebens erhoben. Dieser widergöttlichen Macht wird nun in der vielleicht verwegensten Aussage des Credo die Auferstehung zugesagt! Die Auferstehung des Fleisches Die eschatologische Pointe ist dabei auch eine Aussage zur Gotteslehre: Indem Gott dem Fleisch eine Zukunft verheißt, stellt er sich gerade nicht in die darwinistische Logik jenes Stärkeren, der seinen Feind vernichten muss, um zu bestehen. Die Überwindung der Macht des Fleisches besteht nicht in seiner Vernichtung, sondern in der verwandelnden, annehmenden Versöhnung.
6. Ein trinitarischer Rückblick Unsere Überlegungen haben verdeutlicht, dass sich eine Auseinandersetzung mit den „dunklen Ecken“ der Systematischen Theologie lohnt, denn ein solides theologisches Verständnis der „Auferstehung des Fleisches“ kann zugleich viele weitere Aussagen des Credo erhellen – vom vermeintlichen Ende des Credo her fällt so Licht auf seinen Anfang: Gottes Schöpfertum lässt sich zugleich als eschatologische Hoffnungsbotschaft lesen, dass Gott sich in seinem gesamten Wirken als der „zur Welt Kommende“ (E. Jüngel) erweisen wird, der der gesamten Schöpfung rettend entgegenkommt. Die Fleischwerdung ist zudem eine christologische Aussage – Jesus Christus ist Fleisch geworden, er hat – wie es kurz darauf im Credo heißt – das „Reich des Todes“ durchschritten: Einen Ort absoluter Gottesferne kann es damit nicht mehr geben. Unmittelbar situiert ist die Auferstehung des Fleisches aber im dritten, pneumatologischen Artikel: Sie
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ist spätestens hier erkennbar als eine nicht bloß nachtodliche, sondern immer auch präsentisch zu verstehende Aussage, die das versöhnende Wirken des Geistes auf einen Begriff bringt. Literatur Guardini, Romano: Die letzten Dinge: Die christliche Lehre vom Tode, der Läuterung nach dem Tode, Auferstehung, Gericht und Ewigkeit, Ostfildern: Grünewald 2008 Kehl, Medard: Dein Reich komme: Eschatologie als Rechenschaft über unsere Hoffnung, Ostfildern: Grünewald 1995 Rahner, Johanna: Einführung in die Katholische Dogmatik, Darmstadt: WBG 2014 Ruster, Thomas: „Auferstehung des Fleisches“ – eine Handlungsanweisung für Christen in einer gottfeindlichen Welt, in: Kirche und Schule 114 (2000), 1-11
Theologischer Dialog Egbert Ballhorn antwortet auf Simone Horstmann
„Himmel und Hölle“ – dies ist ein klassisches Gegensatzpaar. Simone Horstmann macht zu Recht darauf aufmerksam, dass es im Credo nicht vorkommt. Von der Hölle ist dort keine Rede. Kommt der Gegensatz vielleicht aus der Bibel, z.B. aus dem Alten Testament, dem man einiges an archaischen Aussagen zutraut? Die Vorstellung von einer Hölle als Strafort gibt es jedoch erst im Neuen Testament, und es ist Jesus selbst, der im Matthäusevangelium in seinen Gleichnissen vom „Heulen und Zähneknirschen“ spricht (Mt 8,12; 24,51) – um den Menschen die Ernsthaftigkeit der Entscheidung vor Augen zu stellen. Im Alten Testament gibt es aber wohl eine „Totenwelt“ (hebr. Scheol). Man stellte sie sich als einen Raum in der Tiefe vor, als Ort der Finsternis und des Schweigens. Dort ist keine Aktivität mehr möglich. Das bezog sich jedoch nicht allein auf einen (statischen) Zustand nach dem Tod, sondern die Bibel ist sich bewusst, hier in Bildern zu sprechen. In den Psalmen werden Krankheit, Not und Feindbedrängnis,
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also gemindertes Leben, alle als Totenwelterfahrungen dargestellt (Ps 88,4). Und die Rettung durch Gott wird als Heraufholen aus der Totenwelt bezeichnet (Ps 30,4). Wenn also das Credo Jesus in das „Reich des Todes“ hinabsteigen und auferstehen lässt, so drückt dies aus, dass Gott mit seiner Macht jeden lebensfernen und lebensfeindlichen Ort erreicht und ihn zu einem Ort des Lebens macht. Und die Auferstehung „des Fleisches“? Der entsprechende hebräische Ausdruck für „Fleisch“ meint Menschen (und Tiere) in ihrer körperlichen Existenz (Gen 6,17). Die biblische Wendung „alles Fleisch“ kann daher, je nach Kontext, den ganzen Körper, die gesamte Menschheit oder auch alle Lebewesen der Erde meinen. Das Fleisch steht im Alten Testament für die „Vergänglichkeitsverfallenheit“ des irdischen Lebens (Jes 40,6), aber auch für Gottes Verheißung der Lebendigkeit (vgl. Ez 36,26).
„Heilige katholische Kirche“. Aus systematisch-theologischer Sicht über Kirche reflektieren Gregor Taxacher Über Kirche reflektieren
Nach der Lektüre dieses Beitrag … … können Sie grundlegende theologische Dimensionen von Kirche benennen, die über deren institutionellen Charakter hinausreichen … können Sie diese Dimensionen mit den Aufgaben und Zielen der Kirche vergleichen und damit Kirchenkritik als innerkirchliches Anliegen praktizieren
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1. Kirchen-Albträume und -Träume Wer sich heute in unseren Breiten als „praktizierender“ Christ „outet“, gar als Katholik oder gar als Theologin oder Theologe, wird – falls nicht betretenes Schweigen – meist Äußerungen über die Kirche ernten. Frei nach dem Motto: Wie kannst du denn diesem Verein noch angehören? Nicht nach dem Glauben, nach Gott, nach der eigenen Frömmigkeit wird man dann gewöhnlich zuerst gefragt, sondern nach dem Papst, nach dem letzten Skandal um einen Bischof, nach dem sexuellen Missbrauch durch Geistliche, nach der kirchlichen Stellung der Frau, der kirchlichen Haltung zur Sexualität usw. Mir jedenfalls ist das schon oft so ergangen – und ich ärgere mich darüber, dann nicht als Christ, nicht als Glaubender angefragt zu werden, sondern sozusagen als Pressesprecher der Institution Kirche. Ein wenig fühle ich mich dann wohl wie die Türken, die bei Preisgabe ihrer familiären Herkunft plötzlich mit Erdoğan konfrontiert werden, oder Juden egal welcher Nationalität, welche die Politik einer bestimmten Regierung im Nahen Osten verteidigen sollen. Aber der
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Vergleich ist ungerecht: Ich bin als Katholik ja tatsächlich freiwillig Mitglied einer Institution – hierzulande sogar steuerrechtlich fassbar. Ich muss mir gefallen lassen, daraufhin angesprochen zu werden. Und ich habe ein weiteres Problem: Ich verstehe ja eine ganze Menge von dem Ärger, der Ablehnung, dem Befremden, das mir entgegenschlägt. Viel davon ist auch mein Ärger, mein Befremden. Wahrscheinlich ärgert mich gerade das an diesen Reaktionen: Ich bin ja nicht wegen all dieser Dinge immer noch in der Kirche, sondern sozusagen trotzdem. Die Kirche ist wirklich ein Albtraum, gerade für Glaubende. Da ist der riesige Berg Schuldgeschichte, den sie mitschleppt. Die Kreuzzüge und die Gewaltmission, ihr Paktieren mit den Mächtigen, die Diskriminierung und Verfolgung der Juden, Inquisition und Glaubenskriege sind dabei nur die Spitze des Eisberges, darunter liegen die Kälte der Höllenpredigten, die vielen Vergehen an Leibern und Seelen der Gläubigen. „Die Jahrhunderte der Kirchengeschichte sind so erfüllt von allem menschlichen Versagen, dass wir Dantes grauenvolle Vision verstehen können, der im Wagen der Kirche die Babylonische Hure sitzen sah“ (Ratzinger 1968, 251). Die Kirche ist eine Institution und eine Gemeinschaft voller Verrat an all dem, wofür sie steht. Die Kirche und das Evangelium, für das sie steht – irgendwie passen sie schlecht zueinander. Man hat einmal das Leid den Fels des Atheismus genannt – wegen des unlösbaren Problems der Theodizee. Mir scheint der wesentlich näher liegende, massivere, fassbarere Fels der Glaubensverweigerung die Kirche zu sein. Heute „ist die Kirche für viele zum Haupthindernis des Glaubens geworden.“ (Ratzinger 1968, 251) Sie ist sozusagen der Fels, welcher allzu oft den Blick ausgerechnet auf das – auf den! – verstellt, was sie zeigen will. Das muss uns besonders deshalb bekümmern, weil im Evangelium doch gerade der Apostel-Anführer Simon von Jesus Petrus genannt wird, weil das Fels heißt – „und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und auch die Höllenpforten sollen sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Aber bekanntlich muss auch Jesus diesen Petrus gleich darauf zurechtweisen, mehr als das: er, der gerade noch den Höllenpforten standhalten sollte, wird jetzt selbst „Satan“ genannt (Mt 16,23). Der Albtraum mit der Kirche scheint da schon geweissagt. Gegen diese Kirchen-Albträume hat man in der Kirche immer wieder Kirchen-Träume gestellt: Leitbilder, was sie sein könnte, sein sollte, im Innersten auch sei. In der jüngeren Kirchengeschichte, im 20. Jahrhundert hat man zunächst die paulinische Rede von der Kir-
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che als dem Leib Christi wieder entdeckt; Papst Pius XII. schrieb eine Enzyklika über den mystischen Leib Christi („Mystici Corporis“, 1943). Das II. Vatikanische Konzil suchte nach irdischeren, auch demokratischeren Leitbildern, sprach vom pilgernden Gottesvolk (LG 9-17). In der Theologie nach dem Konzil wurde daraufhin vor allem die Gemeinschaft wieder entdeckt, die Gemeinde, befreiungstheologisch die Basisgemeinde, in welcher dieses Volk lebt. Die Auseinandersetzung mit der Kirche Sie sind als Theolog*innen nicht die Presseleute einer Institution. Sie dürfen sich an der Kirche reiben, sie sollen in ihr streiten und sie verändern. Das Theologiestudium sollte Ihnen dies nicht austreiben, sondern Ihnen dazu die nötige Kompetenz verleihen.
2. Heilige Kirche? Wenn ich als systematischer Theologe von diesen Kirchen-Albträumen und -Träumen herkommend ins Credo, in das Apostolische Glaubensbekenntnis schaue, bin ich doppelt erstaunt, sozusagen positiv und negativ überrascht: negativ, weil hier keine der großen theologischen Kirchenträume auftauchen, keine großen theologischen Metaphern für die Kirche gebraucht werden: kein Leib, kein Volk. Sie ist einfach nur eine und heißt „katholisch“. Andererseits: Darüber hinaus wird ihr ein wirklich provozierendes Kennzeichen gegeben, und das gleich zwei Mal: Sie ist die heilige Kirche, Gemeinschaft der Heiligen. Beginnen wir mit dieser positiven, angesichts der Kirchenalbträume wohl allzu positiven Überraschung: Wie kann man die Kirche, ohne sich auf die Zunge zu beißen, heilig nennen? Dass dies leicht missverstanden werden kann, dazu hat gerade die katholische Kirche stark beigetragen durch ihre Heiligsprechungen, durch die Heiligenverehrung. Hier erscheinen Heilige nämlich als besonders vollkommene Christen, als Vorbilder – und „heilig“ damit als eine ethische Kategorie. Und dem gegenüber müssen wir dann bei so einer Kollektivaussage natürlich passen: Wir sind nicht alle Heilige und auch die Kirche als Ganze kommt keineswegs besonders heilig daher. Wir sind alle Sünder, und auch die Kirche als Institution, in ihrem offiziellen Handeln, ist sündig.
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Ursprünglich aber meint „heilig“ etwas anderes: Es meint die Bereiche der Anwesenheit Gottes. Wo der brennende Dornbusch steht, ist „heiliger Boden“ (Ex 3,5), der Tempel hat ein Allerheiligstes (1 Kön 8,6). Heilig wird etwas, indem Gott es als Ort seiner Gegenwart frei erwählt. In diesem Sinn ist auch Israel, sein Bundesvolk, heilig (Dtn 7,6) – obwohl es in der Bibel keineswegs idealisiert, sondern im Gegenteil ständig angeklagt wird. Und in diesem Sinn begrüßt auch Paulus seine Gemeinden in seinen Briefanreden stets als Heilige: Er schreibt „an alle Heiligen, die in Philippi leben“ (Phil 1,1) oder „an alle Heiligen in ganz Achaia“ (Mittelgriechenland; 1 Kor 1). Heilig sind hier also alle Gemeindemitglieder, nicht weil sie so fehlerlos, sondern weil sie von Gott berufen sind. Heilig ist die Kirche also nicht aus sich. „Die Heiligkeit der Kirche besteht in jener Macht der Heiligung, die Gott in ihr trotz der menschlichen Sündigkeit ausübt.“ (Ratzinger 1968, 252) Nicht umsonst folgt im Glaubensbekenntnis auf die „Gemeinschaft der Heiligen“ sofort das Bekenntnis zur „Vergebung der Sünden.“ Diese Gemeinschaft der Heiligen wird also gerade dadurch charakterisiert, dass sie die Vergebung der Sünden nötig hat, aber eben auch: dass diese sich in ihr ereignet. So ist Kirche heilig als von Gott gewollt, in ihrer Beziehung zu ihm. „‚Heilig‘ ist die Kirche durch das und durch alles, was aus der Kirche die Sache Gottes macht.“ (Pesch 2010, 115) Hier ist „heilig“ keine ethische Qualifikation – aber bedeutet dann natürlich auch „einen ethischen Imperativ“ (ebd.), nämlich den, seiner Berufung zu entsprechen. Die das in besonderer Weise getan haben, sind dann die besonderen, namentlich bekannten Heiligen. Sie sind das definitiv erst posthum, weil ja erst dann feststeht, dass sie es sich nicht noch einmal anders überlegt haben. Durch die Heiligenverehrung wird jenseits aller Missverständnisse, welche sie züchtet, denn doch etwas Wichtiges an der Gemeinschaft der Heiligen deutlich: Sie übersteigt weit die aktuell sichtbare Kirchenmitgliedschaft. „Die Kirche ist immer viel größer als das, was davon zu sehen ist.“ (Ruster 2010, 187) Wer sich zur Kirche bekennt, stellt sich in eine Gemeinschaft der Glaubenden durch die Geschichte hindurch, gehört zu einer „kosmischen, universalen, die Zeiten und Räume […] durchmessenden Gemeinschaft“ (ebd.).
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Kirche als verbindendes Element Theolog*innen sollten erforschen und darstellen, wie Kirche uns als Individuen nicht klein macht, sondern den Horizont erweitert: Wir sind verbunden mit Menschen aus Jahrtausenden und aus allen Erdteilen. Praktizieren Sie kirchliche Theologie als Gespräch in einer globalen Gemeinschaft!
3. Katholisch – apostolisch Nun also zur eben so genannten negativen Überraschung: Die Kirche wird im Credo recht wortkarg näher charakterisiert. Sie sei katholisch. Die protestantischen Kirchen sagen lieber, den Urtext verändernd, „christlich“ – denn „katholisch“ klingt seit der Reformation konfessionell, wird gleichgesetzt mit „römisch-katholisch“, in Alternative zu „evangelisch“. Von der Wortbedeutung her meint katholisch aber geradezu das Gegenteil von Konfessionalität im modernen Sinn. Das griechische Wort bedeutet „allgemein“ oder „allumfassend“. Katholisch kann also gerade keine Teil-Kirche, keine Kirche als Partei, keine Unterabteilung von Kirche sein. Warum hat man dann schon in den ersten Jahrhunderten, also lange vor den großen Kirchenspaltungen, von der katholischen Kirche gesprochen? Hier hilft ein Seitenblick sozusagen von Credo zu Credo weiter: Im mindestens ebenso alten großen Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (325 n.Chr.), das wir heute noch an Feiertagen im Gottesdienst beten oder singen, wird die Kirche ebenfalls mit den Beiworten heilig und katholisch bezeichnet, hinzugefügt erscheint aber noch „apostolisch“. Das Wort fehlt ausgerechnet in dem Glaubensbekenntnis, das wir das „apostolische“ nennen. Vielleicht darf und muss es hier ja gerade fehlen: Der Legende nach haben die Apostel dieses Bekenntnis zusammen verfasst. Da können sie die Kirche nicht selbst apostolisch nennen, müssen es auch nicht – sie ist es dann ja schon durch diesen Ursprung des Bekenntnisses. Und damit sind wir wohl auf der richtigen Spur der Deutung: „Apostolisch“ ist eine Art Erkennungszeichen für die Kirche, oder anders gesagt: eine Art Mindestanforderung. Die Kirche, die wir glauben, muss auf den Aposteln gegründet sein, sich von ihnen herleiten, ihren ursprünglichen Glauben an Jesus Christus bewahren. Dies geschieht nicht statisch, sondern in einer lebendigen Geschich-
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te, „nicht als Festhalten am Wortlaut, sondern als Entfaltung des Sinnes der apostolischen Tradition.“ (Beinert 1993, 881) Und in diesem Sinn ist nun auch das „katholisch“ zu deuten: Die Kirche muss alles Christliche umfassen, nicht nur einen Teil; sie bewahrt den ganzen Glauben, nicht nur ein paar Sonderideen. „Katholisch ist die Kirche, die in Einheit universal sich ausgebreitet hat.“ (Wenzel 1996, 1346) Das Credo formuliert also keine Kirchenträume, keine KirchenIdeale, sondern viel nüchterner sozusagen Mindestanforderungen: Kirche muss apostolisch und katholisch sein und bleiben, um wirklich Kirche zu sein. Sie muss den Glauben des Ursprungs bewahren und allen seinen Gläubigen Heimat sein, sie muss katholisch, „das heißt in der Vielheit dennoch sichtbar eine“ (Ratzinger 1968, 256) sein. Überspitzt formuliert: Die Kirche ist nur Kirche, indem sie die Sache Jesu und der Apostel all-umfassend repräsentiert; sie ist es nicht, wo sie „ihr eigenes Ding“ macht. Diese Mindest-Kennzeichen der Kirche im Credo haben natürlich einen historischen Hintergrund: Lange vor den großen Glaubensspaltungen in Ost und West (manifest im Jahr 1054) und der Kirchenspaltung der Reformation (nach 1517) gab es andauernd Streit in der Kirche und Abspaltungen bzw. Ausgrenzungen bestimmter Richtungen und Gruppen in ihr. Wenn wir das Neue Testament lesen, wird schnell deutlich, dass es dieses Problem schlicht von der ersten Stunde der Kirchengeschichte an gab. Also musste man von Anfang an leidgeprüft fragen: Was und wo ist denn dann die wirkliche, die wahre Kirche? Das Credo antwortet: Da, wo sie apostolisch und allumfassend ist. Natürlich bleibt das Problem: Das behaupten ja im Zweifelsfall alle streitenden Parteien gerade von sich. Damit aber bringt das Credo eine Art Stolperfalle in allen selbstbewussten Konfessionalismus ein. Jede Kirche – auch unsere katholische also – muss sich selbst fragen, ob sie denn katholisch sein kann, wenn es doch neben ihrer angeblichen Allumfassendheit auch andere Kirchen gibt. Die katholische Kirche im heutigen konfessionellen Sinn hat sich dies auf dem II. Vatikanischen Konzil tatsächlich sehr ernsthaft gefragt. Sicher hält das Konzil daran fest, dass in der sichtbaren katholischen Kirche die größte Kontinuität gegeben sei zu diesem Bekenntnis des Anfangs. In ihr sei die apostolische und katholische Kirche „verwirklicht“ (LG 8). In dieser berühmten Formulierung steht jedoch bewusst kein „ist“, keine einfache Identifikation von römisch-katholisch mit katholisch und damit mit Kirche insgesamt (wie es in Entwürfen zu dem Text zunächst zu lesen war). Das „verwirklicht“ heißt
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lateinisch „subsistit“: Die Kirche subsistiert in der katholischen Kirche, aber die katholische und apostolische – und damit auch die heilige – Wirklichkeit der Kirche geht über ihre konfessionellen Grenzen hinaus. „Der Kirche Christi eigene Gaben“ (ebd.) finden sich auch außerhalb der Konfessionsgrenzen – gedacht ist hier sicher zunächst an die nicht-katholischen christlichen Kirchen. Es lässt sich also theologisch nicht wirklich festlegen, wo die Kirche beginnt und wo sie aufhört. Gerade wenn die Kirche die Kennzeichen des Glaubensbekenntnisses bewahrheiten will, muss sie sich aktiv mit ihnen identifizieren, muss sie leben, darf sich selbst aber nicht restlos mit ihnen identifizieren. Wo Kirche ist, bestimmt eben die Gabe Christi, bestimmt sein Heiliger Geist – und nicht die Kirche selbst. Die gewinnbringende theologische Arbeit „Theologie ist eine Funktion der Kirche“, sagte der protestantische Theologe Karl Barth (Barth 1932, 1). Sie hat vor allem die Funktion, das Apostolische und das Katholische der Kirche immer neu zu erhalten. Theologische Arbeit schützt die Kirche davor, sich zur Sekte zu verengen und ihre normativen Ursprünge zu vergessen.
4. Kirche als Funktion Glauben wir eigentlich an die Kirche? Die Frage mag merkwürdig anmuten, aber sie hat einen Anhalt im Text des Credo: Zu Beginn jeden Absatzes, jeden „Artikels“ steht im lateinischen Text ein „in“, übersetzbar als „an“: Wir glauben zunächst an Gott, dann an Jesus Christus, dann an den Heiligen Geist. An das letzte Bekenntnis schließt sich dann unmittelbar an „sanctam ecclesiam catholicam“, ein Akkusativ ohne Präposition, also nicht: „an die heilige katholische Kirche“, sondern „die Kirche“ wird geglaubt. Diese sprachliche Feinheit macht zunächst einmal deutlich, dass die Kirche im Credo kein eigener Glaubensartikel ist, nicht auf einer Stufe mit der dreimaligen Formulierung eines Glaubens an Gott. Sie gehört vielmehr in die Ausführung dessen, was der Glaube an den Heiligen Geist bedeutet – so wie auch die nähere Bestimmung „Gemeinschaft der Heiligen“ und dann die weitere Aufzählung von Glaubensinhalten – Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, ewiges Leben – davon abhängig bleibt.
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Wir glauben in der Grammatik des Credo also eigentlich nur an Gott – als Vater, Sohn und Geist. Alles Übrige führt aus, was in diesen Glauben eingeschlossen ist, was Gott bewirkt. Das bestätigt zum einen noch mal rückblickend, was zur Heiligkeit der Kirche zu sagen war: Es ist nicht ihre eigene Heiligkeit, sondern die Gottes, hier: die des Heiligen Geistes. Vorausblickend bis zum Ende des Credo verschweißt diese Grammatik die Kirche zudem ganz eng mit bestimmten Verheißungen, mit der Sündenvergebung, der Auferstehung. Das heißt: Die Kirche ist für etwas da, nämlich dafür, dass wir tatsächlich die Verheißungen erlangen, die Gott gibt – dass wir Vergebung finden, dass wir den Tod überwinden so wie Jesus, in und mit ihm. Die Kirche ist in der Struktur des Credo – um es pointiert auszudrücken – nicht Glaubensinhalt, sondern Mittel zum Zweck. Sie hat von Gott her und für uns eine Funktion. Die Kirchenkonstitution des II. Vatikanums hat dies gleich zu Beginn in eine theologische Kennzeichnung gefasst, die noch vor der Metapher des Volkes Gottes steht: Die Kirche sei „gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug“, mit dem Gott die Menschheit mit sich vereinigen wolle (LG 1). Üblicherweise sprechen wir von Sakramenten in der Kirche – katholisch von deren sieben. All diese haben die Funktion, die Heilsverheißungen des Evangeliums zeichenhaft und durch das Versprechen Gottes, das an ihnen hängt, „sicher“ an uns zu vermitteln – in Taufe, Firmung, Eucharistie, Vergebung … Diese Sakramente sind nun wirklich nur dort „erhältlich“, wo Kirche ist und wirkt. Sie ist der Raum der Sakramente, und genau darin zeigt sich sozusagen die Struktur, in der Gott uns berühren will: konkret, leiblich, sichtbar, materiell. So wie er Mensch, Fleisch wurde, so soll seine Zuwendung anfassbar uns berühren – schließlich soll ja auch unsere Umkehr, unsere Verwandlung, unser Leben mit ihm kein Gedankending, kein Bewusstseinsinhalt bleiben, sondern unsere wirkliche Lebensform werden. Kirche als Funktion, als „irdenes Gefäß“ (2 Kor 4,7) der Heilsvermittlung Gottes bedeutet: „Die Kirche ist so unscheinbar, ja niedrig und zum Wegwerfen gering wie ein elementares Element, wie Wasser, Öl, ein Stück Brot, ein Schluck Wein“ (Pesch 2010, 76). Aber eben darin will Gott mitten unter uns sein. Nicht hier oder da in besonders spektakulären Ereignissen, sondern mitten unter uns ist das Reich Gottes, wie Jesus sagt (Lk 17,21). Thomas Ruster wagt deshalb den Satz: „Die Kirche ist das Reich Gottes auf Erden.“ (Ruster 2010, 161) Also doch wieder ein massiver Kirchen-Traum?
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Ich stoße mich bei Rusters Satz an dem „ist“. Das klingt nach massivem Alleinvertretungsanspruch, so wie sich die katholische Kirche in der neuzeitlichen Scholastik und noch lange als „societas perfecta“, als vollkommene Gesellschaft (Wiedenhofer 2000), gewissermaßen als Gottesstaat verstand. Das Reich Gottes ist nach Jesu Worten aber kein Territorium, keine Institution, sondern eher ein Ereignis: „Wenn ich mit dem Finger Gottes die Teufel austreibe, dann ist das Reich Gottes schon unter euch gelangt“ (Lk 11,20), also: Wo durch Jesus und in seiner Nachfolge der Wille Gottes durchgesetzt wird – gegen den wirklich teuflischen Widerstand, der ihm beobachtbar in unserer Geschichte entgegenschlägt – da ist Reich Gottes in Anbruch. In diesem Sinne präzisiert Thomas Ruster denn auch seinen Satz, „Besser“ heiße es: „Die Kirche tut das Reich Gottes.“ (Ruster 2010, 163) Diese Interpretation des „ist“ als ein „tut“ entspricht der Korrektur des Konzilstextes von der katholischen Kirche vom „est“ zum „subsistit“: Die Kirche hat keinerlei Grund, triumphal darauf zu verweisen, was sie ist. Sie hat aber den Auftrag, als sie selbst auf das zu verweisen, was sich in ihr ereignen soll, was sich in Verkündigung und Sakrament, in Gottesdienst und Dienst an den Menschen auch wirklich in ihr ereignet – wirklich, wenn auch oft mehr trotz als wegen der Selbsterhaltungspolitik dieser Institution. Wenn ich also gefragt werde, warum ich immer noch dieser Kirche angehöre, dann möchte ich gern wie dieser mal begeisterte, mal schwache, mal überschwängliche, dann wieder verräterische Petrus antworten. Als sich nach harten Diskussionen um Jesus viele Jünger von ihm abwenden, fragt Jesus die Zwölf, den engsten Kreis um ihn: „Wollt ihr auch weggehen?“ Worauf Petrus antwortet. „Herr, zu wem sollten wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ (Joh 6,67 f.) Diese Antwort wirkt auf mich durchaus etwas ratlos. Fast höre ich den Esel aus den Bremer Stadtmusikanten im Hintergrund: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“ Wohl wahr – aber die Verheißung ewigen Lebens eben nur hier. Und mit dieser Verheißung schließt dann ja auch das Credo. Die Funktion der Theologie und der Kirche So können wir die Funktion auch der Theologie als Funktion der Kirche noch genauer fassen: Sie hat eben jene „Worte ewigen Lebens“ zu hüten. Dies ist der Schatz in den irdenen Gefäßen, von dem Paulus spricht (s.o. zu 2 Kor 4,7). Auch die Theologie ist so ein zerbrechliches
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Gefäß – nur Sätze, nur Gedanken, für das, was kein Satz und kein Gedanke fassen kann.
Literatur Ratzinger, Josef: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, München: Kösel 1968 Reck, Norbert: Abenteuer Gott. Den christlichen Glauben neu denken, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003 Ruster, Thomas: Glauben macht den Unterschied. Das Credo, München: Kösel 2010
Theologischer Dialog Egbert Ballhorn antwortet auf Gregor Taxacher
Vom biblischen Hintergrund her kann man den Aussagen von Gregor Taxacher nur zustimmen. Die vier knappen Adjektive, die die Kirche kennzeichnen „eins, heilig, katholisch, apostolisch“ sind Kurzfassungen, sie sind Systematisierungen umfangreicher Narrative. Bibeltheologisch fange ich an, diese knappen Begriffe aufzublättern und sie in ihre Zusammenhänge hineinzustellen. Beispielhaft tue ich das anhand zweier Adjektive. Die Kirche ist von ihrem Stiftungsauftrag her „katholisch“, also allgemein, allumfassend. In der Sprache der Bibel beginnt dieses Thema nicht erst mit dem Taufauftrag des Auferstandenen (Mt 28,19), sondern bereits im Alten Testament. Die Bibel beginnt programmatisch in Gen 1 mit einem („katholischen“) Blick auf die gesamte Welt. Und dann hat Gott das Volk Israel erwählt und es zu seinem Eigentum gemacht hat. Bei der Erwählung Abrahams heißt es „durch dich werden alle Geschlechter der Erde Segen erlangen“ (Gen 12,3). Wer „Kirche“ sagt, muss auch von Israel sprechen. Die Gründung der Kirche ruht auf der Erwählung Israels. Es ist der Glaube der christlichen Kirche, dass sich in Jesus Christus diese Ausweitung von Israel zu den Völkern der Erde hin ereignet hat und ereignet.
Über Kirche reflektieren
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Und dann ist das Adjektiv „heilig“ von besonderem Reiz. Auf welche Weise kann die Kirche heilig sein? Das erklärt sich von Lev 19 her, jenem berühmten Kapitel des Alten Testaments, in dem die Nächstenliebe begründet wird. Dort sagt Gott zu seinem Volk „Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,1). Nach dieser Definition ist Heiligkeit nicht zuerst ein herausragendes Verhalten, wie man vielleicht denken könnte, sondern von Gott her gegebene Teilhabe an seinem Wesen. Gott nimmt sein Volk in sein Wesen hinein, was heißt „nicht von dieser Welt zu sein“. Das bedeutet nicht Weltfremdheit, sondern vielmehr die Weigerung, nach den „normalen“ Gesetzen der Welt zu funktionieren und einfach das Recht des Stärkeren zu leben. Aus der Gottesnähe ergibt sich dann das besondere Verhalten, nämlich den Nächsten zu lieben und für die Schwachen einzutreten. Die „kargen Worte“ der Ekklesiologie des Credo können daher als Verlinkungen verstanden werden, als Verweise auf die größeren biblischen Textzusammenhänge, was auch bedeutet: Das Credo will und muss gar nicht aus sich selbst heraus verstanden werden, sondern ist eine Schwerpunktsetzung, eine Neustrukturierung des Gottesglaubens, wie er in der Bibel begründet ist. Das Credo ist ein Text, der zum Weiterlesen (und Weiterdenken) anregen will.
Intermezzo VI: Irritationen, Leerstellen und Brüche im Text Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, „Stolpersteine“: geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, „Brüche“: aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Amen.
Vieles deutet darauf hin, dass das Credo ein in sich abgerundetes, kompaktes, vollständiges (Text-)Ganzes bildet: Der Text hat einen klar erkennbaren Anfang, ein deutliches Ende. Zwischen diesen beiden Polen entfaltet sich eine scheinbar lineare „Handlung“. Aber stimmt das wirklich? Ist der Text tatsächlich derart (ab-)geschlossen? Vielleicht erleben Sie beim Lesen oder Sprechen des Textes, dass Sie an einigen Stellen irritiert über einige Aussagen „stolpern“: Diese Erfahrung ist wichtig! Insbesondere bei semantisch so stark verdichteten, formelhaften Texten wie dem Credo zeigt sich, dass das Widerständige, Unklare und vielleicht Missverständliche im Text nicht vorschnell geglättet oder übergangen werden sollte: Wenn das Credo von Gottes Allmacht, von Jesu Himmelfahrt, von der Jungfrau Maria uvm. spricht, dann sind Ihnen diese Formulierungen gleichzeitig weder völlig neu noch wirklich verständlich. Wer einfach „darüber hinweg“ liest, nimmt sich aber eine wichtige Texterfahrung! Auch die großen theologischen „Vokabeln“ des Credo sollen den Text nicht vor
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Intermezzo VI
Nachfragen immunisieren. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie – insbesondere im Umgang mit kanonischen Texten – lernen, dem eigenen Nicht-Verstehen zu trauen und es im Sinne einer Problematisierungskompetenz zu habitualisieren. Die Fähigkeit des Problematisierens bedeutet daher zunächst, von den vermeintlich vertrauten, kirchlichen wie theologischen Formeln Abstand zu gewinnen, um sich ihnen inhaltlich nähern zu können. Wer im Text stolpert und dies zugleich bemerkt, hat also paradoxerweise einen großen Schritt in Richtung Textverstehen getan. Dieses Stolpern lässt sich auch methodisch trainieren: Denn die Stolpersteine in einem Text finden sich häufig, indem man nach Brüchen, Lücken oder Leerstellen im Text Ausschau hält. Dies erfordert zugleich, sehr weit von unserer Angewohnheit abzurücken, Texte immer schon als vollständige, konsistente und in sich geschlossene Gebilde wahrzunehmen. Lücken und Brüche sind im Credo, wie in jedem anderen Text, keine per se defizitären Strukturen, sondern Einstiegsmöglichkeiten in den Text, da sie zugleich Freiräume eröffnen für eine kooperative Zusammenarbeit von Text und Lesenden. Solche Leerstellen und Brüche können struktureller, syntaktischer, semantischer, semiotischer oder pragmatischer Natur sein: Daher laden wir Sie ein, im Credo diejenigen Brüche und Leerstellen einzuzeichnen, die Sie dort wahrnehmen! Vielleicht stellen Sie dabei fest, dass sich diese Beobachtungen im christologischen Teil des Credo häufen: Dies betrifft etwa die weitestgehende Aussparung des irdischen Lebens Jesu, seiner Verkündigung und Heilstaten, die fehlenden, aber existentiell bedeutsamen Hinweise zum Gericht, aber auch den unvermittelten Umschwung zwischen Passion und Auferstehung. Das Credo ist an diesen Stellen regelrecht fragmentarisch – und wir können dies als eine theologische Aussage deuten: Denn Jesu Leben und Wirken war in der Tat fragmentarisch – durch die Kreuzigung, die zugleich auch die Mitte des Credo bildet, lässt sich Jesu Leben nur als Fragment begreifen. Dies spiegelt sich auch im Text wieder: Die Wahrheit des Credo ist dadurch vollständig, dass sie zugleich fragmentarisch ist. SH
Der Heilige Geist im Religionsunterricht? Aus religionspädagogischer Sicht die Bedeutung der Pneumatologie entfalten Bert Roebben Die Bedeutung der Pneumatologie entfalten
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Nach der Lektüre dieses Beitrags … … können Sie das Thema „Heiliger Geist„ für den Religionsunterricht elementarisieren … können Sie religiöse Bildung als Theologisieren-mit-Jugendlichen erklären und anhand der Thematik konkretisieren … können Sie sich persönlich im Diskurs zu einer pneumatologischen Religionspädagogik positionieren
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In diesem Beitrag wird der Leser/ die Leserin eingeladen, das Thema ‚Heiliger Geist‘ im Credo religionspädagogisch zu entdecken und zu reflektieren. Dieser Reflexionsprozess verläuft in drei Schritten. Zunächst skizziere ich die pädagogischen und theologischen Herausforderungen, die heute an den Religionsunterricht im allgemeinen Sinne gestellt werden. Im zweiten, zentralen Teil knüpfe ich beim Text des Credo an, dazu rückt die Art und Weise, wie hier der Geist zur Sprache gebracht wird, in den Fokus. Mit dem Konzept der Elementarisierung vertiefe ich den Lerngegenstand dieses Themas und die pädagogisch-didaktische Transformierung in der religiösen Bildung. Anhand eines konkreten Vorbilds werde ich aufzeigen, wie gelebte Theologie im Lernprozess entstehen kann. Abschließend entwickle ich im Rahmen einer Metareflexion Ideen hinsichtlich einer pneumatologisch orientierten Religionspädagogik und thematisiere in diesem Zusammenhang die besondere Rolle, die einer vom Geist bewegten Lehrperson dabei zukommt.
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1. Religionsunterricht in der Schule als Ort der Pädagogik und/oder der Theologie? Die Religionspädagogik ist die Kommunikationsdisziplin der Theologie: sie vermittelt sorgfältig ausgewählte theologische Inhalte und ermuntert Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit diesen Inhalten sowie dessen Aneignung. Diese Kommunikation verläuft lernfeldorientiert, das heißt, sie fokussiert die religiöse Bildung in der Familie, in der Gemeinde, in der Schule und im Lebenslauf der Erwachsenen. Der schulische (in Deutschland: konfessionsgebundene) Religionsunterricht hat seine eigene Finalität: er zielt auf die religiöse Identitätsentwicklung des Schülers/ der Schülerin. Das Credo fungiert im Religionsunterricht dementsprechend als Ordnungsprinzip und nicht als Grundvoraussetzung für das religiöse Lernen schlechthin. In dem gesellschaftlichen Kontext der Enttraditionalisierung, Pluralisierung und Transformation der Religion bleibt jedoch die Frage, ob und wie religiöse Erfahrung – also Glaube als ‚fides qua‘ ohne die Rückbindung an einen religiös sozialisierten und bekennten ‚fides quae‘ – in der Bildung thematisiert, reflektiert und konzeptualisiert werden kann. Als erste Bezugswissenschaften für die Religionspädagogik werden meistens die Pädagogik und Didaktik erwähnt. Sie helfen bei der wechselseitigen Erschließung (Wolfgang Klafki) von Gegenstand und Adressat, von Objekt und Subjekt (Roebben 2016a, 69f), die für den Unterricht konkret in drei Schritten transformiert wird: hermeneutisch, didaktisch und methodisch. Glaubensinhalte werden elementar, d.h. auf einer theologisch-hermeneutischen Ebene, reflektiert, für den Lernprozess elementarisiert und in methodischen Impulsen umgesetzt. Mit dem Konzept der Kinder- und Jugendtheologie ist interessanterweise auch die Theologie (erneut) als Bezugswissenschaft in die religionspädagogische Theorie und Praxis eingestiegen. Im Religionsunterricht werden nicht nur theologische Inhalte pädagogischdidaktisch vermittelt und angeeignet, sondern auch neu produziert. Mit Kindern und Jugendlichen zu theologisieren bedeutet, mit ihnen den spannenden Weg der gelebten Theologie zu gehen: produktiv irritieren und ihren Wissens- und Erfahrungshorizont mit biblischen Erzählungen, Traditionsgeschichten, klassischen Texten, sakralen Orten, Praktiken und Begegnungen anregen und vertiefen – erst über performance, dann über storytelling und schließlich über reflexion (Roebben 2016b, 90-93).
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Abb. 8: Wechselseitige Erschließung von Objekt und Subjekt im Unterricht
Abb. 9: Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen
Theologisieren in der Schule Formell gedacht ist auch diese Tätigkeit in der Schule Theologie! Junge Menschen lernen nicht nur etwas über Religion, sie tauchen auch in die Eigenlogik der religiösen Erfahrung und der dazugehörigen Sprache ein. Durch diesen Prozess lernen sie, sich selbst in der Erfahrungswelt sowie im Sprachspiel der Religion zu positionieren.
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Die beiden Bezugswissenschaften setzen einander wechselseitig voraus und ergänzen einander. Ohne Pädagogik und Didaktik wird die Religionspädagogik eine esoterische Geheimsprache: „[Die Religion] ist nicht im esoterischen Sinne einer religiösen Geheimwelt, in der der Lehrer der Führer wäre, zu verstehen. Aber es geht […] um die Einführung in die Geheimnisstruktur der Wirklichkeit – im Gegensatz zum lediglich Beobachtbaren und Entschlüsselbaren. Das Leben kann nicht entschlüsselt werden – es kann nur gelebt werden. Theologisch erschließt sich die Geheimnisstruktur der Wirklichkeit – nicht unlogisch, sondern metalogisch“ (Meyer-Blanck 2013, 33). Ohne Bezug zur gelebten Theologie wird die Religionspädagogik leblos: „Geistvergessenheit macht die Religionspädagogik geistlos“ (Bitter 2001, 665). Ich wage hier die Behauptung, dass es gerade der Heilige Geist ist, der das konkrete Theologisieren von Menschen (also auch von jungen, nicht theologisch gebildeten Menschen!) mit Leben füllen kann.
2. Der Heilige Geist im Credo: elementar und elementarisiert Welche Glaubensaussagen über den Heiligen Geist findet man elementar im Apostolischen Glaubensbekenntnis? Wie gibt der Geist dem suchenden Glaubenden zu denken? Im Text des Credo gibt es zwei Gestalten: vorerst wird über die heilshistorische Vergangenheit gesprochen, wie Jesus von Nazareth „durch den Heiligen Geist empfangen“ und „von der Jungfrau Maria geboren“ wurde (vgl. Lk 1,2638). Als Mensch tritt Gott in die Weltgeschichte hinein und solidarisiert sich dementsprechend mit den Menschen und ihren Freuden und Ängsten. Der Geist ist die dritte Person der Trinität, die lebengebende, „göttliche Liebe, die Vater und Sohn verbindet“ (Bitter 2001, 664) und die Inkarnation (die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus) ermöglicht. Mit der Inkarnation bekommt der suchende Mensch ein konkretes, solidarisches Gegenüber. Gott wird wie ein Menschenbruder wahrnehmbar und ansprechbar. Außerdem wird dem Menschen durch die Wirkung des Geistes ein nachvollziehbarer „Zugangsweg [angeboten], um den Glauben an den dreieinen Gott zu Wort bringen zu können“ (Bitter 2001, 665) und ihn konkret mit Leben zu füllen. Der Geist ist derjenige, der „die Kontaktwilligkeit und die Kontaktfähigkeit der Menschen zu Gott hin versorgt“ (Bitter 2001, 666). Die zweite Aussage im Credo betrifft die Glaubensgemeinschaft: Der Heilige Geist ist „die schöpferische Kraft Gottes, die die Men-
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schen und die Geschichte bewegt, die Heiligen Schriften hervorgebracht hat und die Kirche begleitet“ (Bitter 2001, 663f). Der Geist inspiriert die Kirche in ihrer Suchbewegung nach einem authentischen ‚frohbotschaftlichen‘ Lebensstil in der Welt von heute und morgen, in Analogie zum Lebensprojekt Jesu. Der Geist als Anwalt (vgl. Joh 14,26; Joh 16,3-15) bringt diese Botschaft permanent in Erinnerung als ein lebenslanger und lebenstiefer Lernprozess, als ein learning by heart, immer kommunikativ vollzogen in der Lerngemeinschaft der Kirche.
3. Elementare Struktur- und elementare Wahrheitselemente Von diesen beiden elementaren Dimensionen der Pneumatologie (= die dogmatische Lehre über den Heiligen Geist) fokussiere ich im Folgenden im Hinblick auf die religiöse Bildung die zweite Aussage, da diese mehr Perspektive für eine Umsetzung in ein Lehr-Lernarrangement bietet als die erste, die qua Aussagekraft eher dogmatischaffirmativ ist. Sie lässt sich außerdem als Schlüsseldimension für den Unterricht lebensdienlich in biblisch-narrativen Elementen entschlüsseln. Mit dem Konzept der Elementarisierung (Roebben 2016a, 67-85) dekodiere ich im Folgenden die biblischen, elementaren Strukturelemente über den Heiligen Geist (resultierend aus der Pfingsterzählung in Apg 2,1-13), rekonstruiere daraus folgend drei elementare Wahrheitselemente über den Heiligen Geist und konkretisiere exemplarisch mit einem konkreten Unterrichtsimpuls (als elementare Lernform), wie das Thema ‚Heiliger Geist‘ vermittelt, angeeignet und kinder- und jugendtheologisch weiterentwickelt werden kann. Welche elementaren Strukturelemente lassen sich im Text der Bibel erkennen? Im Alten Testament wirkt die Geistkraft Gottes durchaus vage und undefiniert. In der Schöpfungsgeschichte schwebt Gottes Geist über der Urflut (Gen. 1,2) und lässt sich als eine „schöpferische Kraft in kosmischen und sozialen Räumen“ (Bitter 2001, 667) wahrnehmen. Im weiteren heilshistorischen Verlauf der hebräischen Bibel wird diese kreative Kraft konkreter: Der Prophet Jesaja spricht vom Geist Gottes, des Herrn, „der auf ihm ruht“ und ihn zum prophetischen Sprechen und Handeln herausfordert (Jes 61,1). Dieser Geist wird später (post-exilisch) auf das ganze Volk „gelegt“ (Jes 42,1) und metaphorisch „ausgegossen […] über alles Fleisch: Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein“ (Joel 3,1). Im Neuen Testament kris-
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tallisiert sich diese Geistgabe in der Person von Jesus von Nazareth heraus. Er ist der ultimative Prophet, der von Gott gesandte und gesalbte, der nach Ostern als Messias und als Christus anerkannt wird (Lk 4,14-21 zitiert Jes 61,1) und dementsprechend das Schriftwort von Jesaja erfüllt (Lk 4,21). Im Johannesevangelium (14,16-17 und 26; 15,26; 16,7 und 13) wird den Jüngern nach der Himmelfahrt Christi der Heilige Geist als Helfer oder Anwalt zugesprochen. Er wird alles in Erinnerung rufen, wird die Hoffnung lebendig halten, wird ergänzen was noch unvollendet ist (Röm 8,18-25). Zudem wird er der Kirche als Christengemeinde seine Gaben, konkretisiert im guten moralischen Verhalten, schenken und zum frohbotschaftlichen Lebensstil ermutigen und inspirieren (Gal 5,22-23). Einen ganz besonderen Stellenwert in der Pneumatologie nimmt die Pfingstgeschichte ein (Apg 2,1-13). Nach dem Tod Jesu verschließen die Jünger sich enttäuscht in Isolation und Lethargie. Die Geschichte besagt: „Als der Pfingsttag gekommen war, […] kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören […]? Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.“ In der Pfingstrede (Apg 2,14-41) erklärt Petrus (textbasiert auf der oben erwähnten Prophetie von Joel) was passiert ist: mit der Auferstehung und Geistgabe Jesu ist die neue Zeit angebrochen, etwas ganz und gar Neues hat angefangen. Die Angst wird nicht länger regieren. Horizonte werden sich eröffnen. Menschen werden kommunikativ befähigt, „einander in der Fremdheit zu begleiten“ (Martin Jäggle), kulturelle Differenzen auszuhalten und gerade so eine neue Vergemeinschaftung zu bilden – einen neuen Himmel und eine neue Erde. „Von welcher Art ist dieser Gott, dessen Geist so verborgen und so kraftvoll wirkt zugunsten der Menschen?“ (Bitter 2001, 665). In seiner kindertheologisch-orientierte Rekonstruktion der Pfingsterzäh-
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lung redet Ernstpeter Maurer über das hermeneutische Sprachwunder. Die Geistgabe macht die Zunge los und kreiert eine neue, Gottgewollte Zusammengehörigkeit-in-Differenz: „Die Menge ist verwirrt und schockiert, weil eine jede Person ihre eigene Sprache gehört hat – was zusammen wohl ein Brausen ergibt, aus dem allmählich sinnvolle Artikulation hervortritt. Die Differenzierung reicht in die einzelnen Dialekte hinein […]. Das ist wichtig, weil dazu ja auch der besondere Tonfall gehört, in dem eine jede Person sich ‚heimisch‘ fühlt. Diese Spannung zwischen weit gespannter ‚Universalität‘ und keineswegs provinzieller, aber charakteristischer ‚Mundart‘ […] gehört zu den Pointen des Textes. […] Den eigenen Tonfall aus einem anderen Mund zu hören, der nicht einmal meine Muttersprache gelernt hat, ist eine schockierende Selbsterfahrung“ (Maurer 2006, 218). „Es kommt zu neuen personalen Begegnungen, weil die Sprache als wichtigste Barriere überwunden ist und zur reinen Kommunikation wird. Es wird keine ‚Übersprache‘ geschaffen, sondern die jeweils eigene Sprache wird verstanden, als Sprach- und Hörwunder ist das auf jeden Fall ein hermeneutisches Wunder“ (Maurer 2006, 219). Im Hinblick auf die Pfingsterzählung deduziert Maurer vier elementare Wahrheiten: Sprachwunder, Begeisterung, Eschatologie und Bekehrung (Maurer 2006, 221-223). Gottfried Bitter (2001) unterscheidet basierend auf den biblischen Textzeugnissen sieben elementare Wahrheiten. In meiner Analyse zeigen sich drei Elemente: Erstens, der Geist macht Kreativität und Kraft für innerliche Erneuerung frei; zweitens, er ermutigt das Unterscheidungsvermögen des Menschen, so dass Klarheit und Einsicht entstehen können, und drittens, er befähigt den Menschen spirituell, diesen Weg der Erneuerung und der Aufklärung auch tatsächlich zu gehen.
4. Ein elementares Lernformat für den Heiligen Geist? Die wechselseitige Erschließung (so Wolfgang Klafki, siehe oben) der alltäglichen Lebenswelt der Jugendlichen und der gänzlich andersartigen biblischen Welt hat in der Zeit, in der Glaube selbstverständlich in Familie und Gemeinde gelernt und in der Schule begründet wurde, oft spontan zu korrelationsdidaktischer Verbindung geführt. Der Heilige Geist war gewissermaßen präsent in der Kirche (z.B. im Sakrament der Firmung) und in der Schule (z.B. in Schulgottesdiensten rund um Pfingsten). Heutzutage ist dies nicht mehr der Fall. Es resultieren folgende Fragen: Kann die Pfingsterzählung heu-
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te noch begeistern? Lassen Jugendliche sich noch auf den ‚Spirit‘ ein, auf ein spirituelles Leben, das Hilfe bietet, um zu unterscheiden, wie eine neue, gottgewollte Zusammengehörigkeit-in-Differenz aussehen könnte und wie der eigene Beitrag dazu aussehen könnte? Das Konzept der Jugendtheologie kann bei diesem Lernprozess unterstützen. Das Konzept der Jugendtheologie Sie untersucht die (implizite und explizite) Theologie von Jugendlichen (ihr Verständnis von Geist), das Theologisieren mit Jugendlichen (als didaktisches Geschehen) und die Theologie für Jugendliche (die notwendigen Inhaltsimpulse, damit das Denken und die Erfahrung gefördert werden können).
Mit einer gut ausgewählten und vorbereiteten elementaren Lernform oder einem Lernimpuls kann das „theologische Gespräch“ (Petra Freudenberger-Lötz) über die Bedeutung des Heiligen Geistes religionsdidaktisch angeregt und jugendtheologisch weiterentwickelt werden. Exemplarisch könnte hier mit dem Pfingstbild von Sieger Köder und mit dem Liedtext „Der Geist des Herrn hat uns den Anfang neu geschenkt“ (im neuen katholischen Gesangbuch Gotteslob 2013, Nr. 863) gearbeitet werden. Der Geist des Herrn hat uns den Anfang neu geschenkt, in alles, was da wächst, den Atem eingesenkt. Der Gottesgeist beseelt, die kalt sind und versteint. Zerstörtes baut er auf, Zerstreutes wird geeint. Wir sind in ihm getauft und Glut ist seine Huld. Er spendet Hoffnung aus in Sehnsucht und Geduld. Wer weiß, woher er kommt, wer sieht schon seinen Schein? Er öffnet uns den Mund, lässt uns Geschwister sein. Der Geist, der in uns wohnt, erhebt sein Flehen zu Gott, dass er in seinem Sohn uns auferweckt vom Tod; dass unser Leben nie zerbricht in Not und Hast, komm, Schöpfergeist mach ganz, was du begonnen hast.
Ein Zugang zum Bild lässt sich in den drei oben genannten Schritten eröffnen: Die Erfahrung von Pfingsten wird dargeboten (in hell-roten Farben und einem sprachlichen Durcheinander, das ultimativ als ‚Evangelium‘ und als ‚Schalom‘, als ‚Pacem in Terris‘ bezeichnet wird), die Erfahrung könnte in der Lebenswelt von Jugendlichen verdichtet werden (z.B. in Erzählungen über Fremdheit und über gelungene und nicht-gelungene Kommunikation) und diese Interpre-
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tation kann theologisch durchbuchstabiert werden (z.B. Pfingsten als hermeneutisches Sprachwunder, als gottgewollte Zusammengehörigkeit-in-Differenz, siehe oben). Der Liedtext kann verdichtende, interpretierende und konzeptualisierende Bausteine liefern, um diese jugendtheologische Übung zu untermauern. So könnte man zum Beispiel in dem Text die Spannung zwischen Verständnis und Missverständnis, Leben und Tod, Ganzheit und Fragment und Anfang und Ende dekodieren und als Interpretationshorizont für das eigene Theologisieren nutzen. Der Heilige Geist könnte in diesem Zusammenhang als Versorger der „Kontaktwilligkeit und […] Kontaktfähigkeit der [jungen] Menschen zu Gott hin“ (Gottfried Bitter, siehe oben) betrachtet werden, als Inspirator im Raum des (jugendlichen) theologischen Freidenkens.
5. Eine pneumatologisch orientierte Religionspädagogik? Die drei oben genannten elementaren Wahrheiten, die aus der Heilsgeschichte hermeneutisch-narrativ abgeleitet wurden und die pädagogischdidaktisch in einen Lernprozess umgesetzt und jugendtheologisch weiterentwickelt werden könnten, sind nicht nur als Credo-Lerngegenstand über den Heiligen Geist zu verstehen, sondern können auch das Handwerk der Religionspädagogik und die Professionalität des Religionslehrers/der -lehrerin an sich prägen und inspirieren. Die drei Elemente werden wie folgt ersichtlich: der Geist macht Kreativität und Kraft für innerliche Erneuerung frei, er ermutigt das Unterscheidungsvermögen des Menschen, so dass Klarheit und Einsicht entstehen können, und er befähigt den Menschen spirituell, diesen Weg der Erneuerung und der Aufklärung auch tatsächlich zu gehen. Merkmale einer pneumatologisch orientierten Religionspädagogik Hoffnungsorientierung, Unterscheidungsvermögen und Spiritualität können folglich als drei Merkmale einer pneumatologisch orientierten Religionspädagogik und als Charakterzüge der geistbewegten Lehrperson betrachtet werden.
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Hoffnung bedeutet, in Bewegung zu sein und zu bleiben, anstatt zu resignieren. „Life is not about waiting for the storm to pass, it is all about learning to dance in the rain.“ Der Geist kann in der religiösen Bildung Kraft und Kreativität entfalten, damit junge Menschen es wagen, innerlich frei zu denken und zu handeln, und zudem lernen, hoffnungsvoll die Hürden des Lebens wahrzunehmen und zu überwinden. Ein solcher Lernerfolg setzt hoffnungsorientiertes Lehrpersonal voraus: Menschen, die vor der Abwehrhaltung der Jugendlichen gegenüber Schule im Allgemeinen und dem Religionsunterricht im Speziellen nicht zurückschrecken. Wer als Lehrende resigniert und zynisch wird, kann vor allem im Religionsunterricht nicht mehr glaubwürdig von Gott, Mensch und Welt reden. Glaube ist keine Selbstverständlichkeit, er muss immer aufs Neue in Wahrheit gelebt und bedacht werden. Zweifel gehört wesentlich zum erwachsenen Umgang mit der eigenen Glaubensgeschichte dazu: „Habe ich es richtig gesehen, gelebt, interpretiert?“ Gute religiöse Bildung bietet Hilfestellung bei der Frage, ob und wie „Gott sich selbst durch sein Kommen in menschlicher Rede vermittelt“ (Biehl 2005, 17). Der Geist kann in diesem Suchprozess Klarheit und Einsicht bieten. Und der Lehrer/ die Lehrerin? Auch er/sie sollte didaktisch-reflektiert Zeugnis ablegen über Zweifel sowie Momente der Erkenntnis und den Schülerinnen und Schülern auf diesem Weg authentisch Teilhabe am Suchprozess des Glaubens ermöglichen. Das Gebet des niederländischen Schriftstellers Gerard Reve kann dazu den Lehrer/ die Lehrerin ‚inspirieren‘: „Eigentlich glaube ich an nichts und zweifle ich an allem, selbst an Dir. Aber manchmal, wenn ich denke, dass Du wahrhaft lebst, dann denke ich, dass Du Liebe bist, und einsam, und dass, genauso ratlos, Du mich suchst, wie ich Dich.“
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Gottfried Bitter definiert Spiritualität gemäß Karl Rahner: „Menschen sind mit der Fähigkeit und mit der Aufgabe beschenkt, sich selber zur Frage werden zu können; sie können, sie müssen auf sich selbst und über sich selbst hinausschauen, hinaus-fragen, um ihre Selbstverborgenheit aufzubrechen und eine gültige Selbstinterpretation zu finden […]. Menschen entdecken sich gerade in dieser Selbst-Verantwortung als Subjekte.“ (Bitter 2007, 33). Dieser spirituelle Akt der Selbstvergewisserung gehört zum gelebten Glauben und sollte auch in der religiösen Bildung erprobt werden. Den Weg der Erneuerung und Aufklärung auch tatsächlich zu gehen, kann als spirituelle Kompetenz gelernt werden und lässt sich gut mit Elementen der personalen Kompetenzentwicklung verknüpfen. Lehrer-Sein heißt dann, spirituelle Räume zu schaffen, damit Jugendliche im religiösen Lernprozess „sich selbst neu entdecken“ (Altmeyer/Woppawa 2006, 444) dürfen und können. Das Thema ‚Heiliger Geist‘ im Rahmen des Credo religionspädagogisch zu entfalten, bedeutet nicht nur es hermeneutisch zu dekodieren und pädagogisch-didaktisch zu transformieren, sondern auch sich mit der pneumatologischen Kraft und Kreativität dieses CredoElements auseinanderzusetzen. Der Geist bewirkt „die Kontaktwilligkeit und die Kontaktfähigkeit der Menschen zu Gott hin“ (Gottfried Bitter) und füllt das konkrete Theologisieren von Menschen mit Leben. Er berechtigt und befähigt jede/n, den eigenen Glauben als Weg nach Gott – als gelebte Theologie – zu ‚verworten‘ und zu verantworten. Solches Theologisieren ist wesentlich demokratisch, subjektorientiert und freiheitsstiftend: „Gilt der theologische Satz ‚Gottes sein ist im Kommen‘, und der anthropologische Satz ‚wir sind Werdende, an denen Gott baut‘, so ist aus didaktischer Sicht anzumerken ‚auch die Theologie ist im Werden‘, und zwar ist ihre ‚Baustelle‘ […] nicht nur die Theologische Fakultät, sondern jeder Bildungs- und Lernprozess“ (Biehl 2005, 24). Hoffnung, Unterscheidungsvermögen und Spiritualität sind die Charakteristika, die einer vom Geist bewegten Lehrperson in diesem Lehrprozess kennzeichnen.2
2 Ich danke Frau Katharina Welling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Religionspädagogik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, für das Feedback.
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Theologischer Dialog
Literatur Gärtner, Claudia: Religionsunterricht – ein Auslaufmodell? Begründungen und Grundlagen religiöser Bildung in der Schule, Paderborn: Schöningh 2015 Langer, Michael, Verburg, Winfried (Hg.): Zum Leben führen. Handbuch religionspädagogischer Spiritualität, München: DKV 2007 Roebben, Bert: Religionspädagogik der Hoffnung. Grundlinien religiöser Bildung in der Spätmoderne, 3. Aufl, Münster: Lit Verlag, 2012 Roebben, Bert: Schulen für das Leben. Eine kleine Didaktik der Hoffnung, Stuttgart: Calwer Verlag 2016a
Theologischer Dialog Simone Horstmann antwortet auf Bert Roebben
Der Beitrag von Bert Roebben macht bewusst, dass die zentralen systematisch-theologischen Begriffe, zu denen auch die Rede vom „Heiligen Geist“ zählt, weit mehr als bloß abstrakte und weltfremde Reflexionskategorien sind, in denen sich theologische Erkenntnisse zu einer Formel verfestigt haben. Auch theologische Begriffe haben immer einen Ort in der Erfahrung, sie entstammen der Erfahrung! Aber nicht nur ihr Entstehungskontext bringt die theologischen Begriffe mit der (damaligen) menschlichen Erfahrung in Verbindung; auch für unsere heutige Erfahrungswirklichkeit gilt dies genauso: Systematisch-theologische Begriffe, die oft so schwerfällig daherkommen, brauchen unbedingt (mindestens) einen solchen Ort, an dem sie lebendig werden können und an unsere Erfahrung anknüpfen. Bert Roebben zeigt anschaulich, wie dies in der Wirklichkeit des schulischen Religionsunterrichts passieren kann. Für die Systematische Theologie ist dies vielleicht auch eine schmerzliche Einsicht. Denn sie tendierte, was den Heiligen Geist betrifft, über lange Zeit eher zu einer Form der „Geistvergessenheit“: Der Geist ist dogmatisch betrachtet schließlich eine der drei trinitarischen Personen – und zugleich so weit weg von dem, was wir uns unter einer Person vorstellen, dass es sehr schwer schien, eine solche
Theologischer Dialog
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Theologie zu vermitteln. Bert Roebben erinnert uns daran: Auch die scheinbar vertracktesten theologischen Begriffe haben eine performative Dimension. Sie werden womöglich erst in bestimmten anwendungsbezogenen Situationen verstehbar.
Intermezzo VII: Thesen zur Diskussion Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten, und das ewige Leben. Amen.
Machen Sie sich abschließend eigene Gedanken über das Credo. Die folgenden Thesen sind nicht einfach „wahr“ oder „falsch“. Sie wollen Sie dazu anregen, die Aussagen zu differenzieren, sie anzureichern, sie unter verschiedenen Aspekten zu erwägen und eigene Thesen zu erstellen. Wenn Sie diesen Band gelesen und durchgearbeitet haben, können Sie zu den Thesen fachkundig Stellung nehmen.
„Das Credo ist ein Gedicht.“
„Das Credo ist unvollständig.“
„Das Credo spricht die Sprache einer vergangenen Zeit.“
„Man kann den Leuten nicht vorschreiben, was sie glauben sollen.“
„Das Credo ist eine Liste von Glaubenssätzen.“
„Das Credo ist ein abstrakter Text.“
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Intermezzo VII
„Man kann das Credo nicht verstehen, aber man muss es glauben.“
„Das Credo ist eine Zusammenfassung der Bibel.“
„Das Credo ist ein kollektiver Text.“
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Zum Abschluss: Amen Egbert Ballhorn
„So sicher wie das Amen in der Kirche“ ist ein geläufiger Spruch. Und „zu allem Ja und Amen sagen“ ist sicher kein Zeichen von Stärke. Das Wort „Amen“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch lebendig, nicht nur im kirchlich-liturgischen Bereich. Mit ihm schließt das Credo nicht nur ab, es verwandelt diesen Text auch. Das soll hier dargelegt werden. Allein seine semantische Gestalt ist etwas Besonderes. Das Wort stammt aus dem Hebräischen, und es wird nicht übersetzt, sondern als „Fremdwort“ verwendet. Das ist durchaus bemerkenswert, denn im gesamten Text des Credo bleiben sonst üblicherweise allein die Eigennamen (Jesus, Maria, Pontius Pilatus) und der Name gewordene Titel Christus unübersetzt. (Anhand dieser Namen kann man den Text des Credo in jeder beliebigen Fremdsprache identifizieren). Aber auch das Wort Amen kann oder braucht anscheinend nicht übersetzt zu werden. Es stammt aus dem Hebräischen. Üblicherweise wird gesagt, es bedeute „so sei es; wahrlich; gewiss“. Das stimmt insofern, als es sich von der hebräischen Verbwurzel אמןableitet, die in ihren verschiedenen Stämmen „zuverlässig sein, treu/beständig sein“ und auch „glauben, vertrauen“ bedeutet. Schaut man aber genauer hin, wie das Wort Amen in den biblischen Texten – im Alten wie im Neuen Testament! – verwendet wird, verändert sich auch der Sinn der Bedeutung des Amens im kirchlichen Gebrauch. Natürlich gibt es in der Bibel den Gebrauch des Amens im gottesdienstlichen Kontext: Ein feierlicher Lobpsalm wird gesprochen, und darauf antwortet die versammelte Gemeinde mit dem Amen (Neh 8,6; 1Chr 16,36). Die doxologische Verwendung ist auch im Neuen Testament bezeugt (1Kor 14,16) und wird meist auch durch eine mit ihr vorkommende „Ewigkeitsformel“ angezeigt. „[Gott] … ihm sei die Ehre in Ewigkeit. Amen“ (Röm 11,36). Daneben gibt es jedoch noch einen anderen Sprachgebrauch, und zwar im rechtlichen Kontext. In Dtn 27 tragen die Leviten dem Volk die Weisungen der Tora vor, und alle antworten auf jede einzelne Weisung mit „Amen“. Das Amen macht die feierliche Verpflichtung des Volkes auf die Tora für jeden einzelnen Sprecher rechtlich bindend. Auch im Rahmen eines Rechtsverfahrens geht man so vor. Der Schuldenerlass, den Nehemia dem
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Zum Abschluss: Amen
Volk vorträgt, wird von diesem dadurch angenommen, dass Nehemia in einer Zeichenhandlung seinen Gewandbausch schüttelt und sagt „Genauso schüttle Gott jeden, der diese Zusage nicht hält, aus seinem Haus und seinem Eigentum“. Darauf antwortet das ganze Volk „Amen“ (Neh 5,13). Mit dem Amen wird das Gesagte rechtlich bindend, es hat eine unmittelbare Auswirkung auf das Leben der Sprechenden. Das ist mehr als ein unverbindlicher Wunsch „so sei es“, vielmehr macht es deutlich: Mit einem gesprochenen Amen stellt sich ein Mensch mit seiner ganzen Existenz und mit allen Konsequenzen in die Wahrheitssphäre des Gesagten hinein. Es ist Bekenntnis und Selbstverpflichtung zugleich. In seiner Wirkung ist das Amen daher performativ, d.h. es bewirkt das, wovon es spricht. Damit verändert das Amen auch den Text des Credo selbst. Dieses ist in seinem Corpus eine Komposition gleichsam objektiv erscheinender Aussagen. Zumindest sind diese, durch die Rede in dritter Person, in einer Außenperspektive gehalten. Diese Außenperspektive erfährt jedoch eine mehrfache Brechung. Durch den Rahmen „Ich glaube…“ und den Abschluss „Amen“ wird der vermeintliche Listencharakter des Textes anders kontextualisiert: Das sprechende Individuum kommt ins Spiel. Der Text beginnt mit einem Ich, und er endet mit einer „Unterschrift“, nämlich einer Selbstverpflichtungsaussage. Wenn es gilt, das Credo auszulegen, sind diese Elemente zu berücksichtigen. Nicht nur der innere Text in seiner Dreiteilung (Gott – Jesus Christus – Geist und Kirche) ist auszulegen, sondern auch seine „Rahmung“. Natürlich entstehen dadurch Spannungen: Der Glaubensakt des Einzelnen und das Glaubensbekenntnis der Kirche können gar nicht vollständig deckungsgleich sein. Der Glaube des einzelnen Menschen kann immer nur Teile des Glaubens der Kirche einholen, sowohl kognitiv als auch vom eigenen Leben her. Diese Spannung ist jedoch bereits in der syntaktischen Gestalt des Credotextes zu erkennen, denn es heißt zwar „ich glaube“, der Innentext spricht jedoch von Jesus Christus als „unserem Herrn“. Der Einzelne tritt mit seinem Bekenntnis in die Glaubenssphäre einer Gemeinschaft ein, die ihm vorgegeben ist und die sich zugleich aus der Summe der je und je performativ gesprochenen Bekenntnisakte versammelt und vergegenwärtigt. Der Credotext ist individuell und gemeinschaftsbildend zugleich. Auch das passt durchaus zum Amen in seiner biblischen Verwendung, das ebenfalls mit dem Motiv des Sprecherwechsels arbeitet. Dort gibt ja ein autorisierter Sprecher (Mose, ein Prophet, ein Priester…) einen normativen Text vor, der von den Angesprochenen in
Zum Abschluss: Amen
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seiner Verbindlichkeit öffentlich und feierlich mit dem Amen bejaht wird. Im Credo spricht zwar der Glaubende selbst den Text mitsamt dem Amen, aber er übernimmt damit zugleich eine ihm vorgegebene Textgestalt, die er in seinen individuellen Bekenntnisakt einfügt. Übrigens ist noch ein ganz anderer Aspekt des Amen im Credo von Bedeutung, das sei aus spezifisch bibeltheologischer Perspektive angemerkt: Mit dem unübersetzten Wort hebräischer Sprache ist allen Christinnen und Christen der Welt (neben dem Halleluja) auch lautlich ein „Originalwort“ der biblischen Offenbarungsgestalt zu eigen. Das hebräische Wort Amen verbindet die Gemeinschaft der Christen (über alle konfessionellen Spaltungen hinweg!) direkt und auch lautlich mit der alttestamentlichen Überlieferung. Auch in jedem synagogalen Gottesdienst wird bis heute das Amen gesprochen. In ihrer Übernahme des Amen verbinden sich die Christen mit dem erstberufenen Gottesvolk Israel. Der im Synagogengottesdienst und in der christlichen Liturgie in einem lebendigen, nie abgebrochenen Strom erklingende Ruf des Amen kann daher auch als Bekenntnisantwort auf Gottes ununterbrochene Zuwendung zu den Menschen seit der Erwählung Abrahams verstanden werden. Zugleich verbindet dieses Wort uns auch mit dem Sprachgebrauch Jesu, der es nicht nur selbst in seinen Gebeten verwendet, sondern mit ihm einen eigenen, individuellen Sprachgebrauch begründet hat (vgl. Mk 11,23). Ja, das Amen als „Besiegelungswort“ hat ein solches Gewicht, dass Jesus Christus in der neutestamentlichen Überlieferung selbst als das gewissermaßen fleischgewordene Amen Gottes zur Erlösung der Menschen (2Kor 1,20; Offb 3,14) bezeichnet werden kann. Wenn das Amen das Credo abschließt, können wir diesen Befund schließlich auch in seiner Bedeutung für den vorliegenden Band auswerten. Am Ende steht nicht die Darlegung eines Sachverhaltes, sondern die eigene individuelle Entscheidung. Wir hoffen, liebe Leserinnen und Leser, dass wir Ihnen mit diesem Buch einen Dienst leisten konnten. Wir hoffen, dass Sie den Text des Credo jetzt anders wahrnehmen können, dass sich Ihnen die im Text enthaltenen Dimensionen ein wenig erschlossen haben und dass Sie diesen Text differenziert betrachten und in seine verschiedenen Kontexte hinein sachgerecht übertragen können. Ein solcher Kontext ist Ihr eigenes Denken und Leben. Die Frage, wie Sie diesen Text für sich selbst verstehen und übersetzen wollen, geben wir an Sie zurück.
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Zum Abschluss: Amen
Literatur Ballhorn, Egbert, Wildgruber, Regina, Winter, Stephan: Amen, in: Jeggle-Merz, Birgit, Kirchschläger, Walter, Müller, Jörg (Hg.): Gemeinsam vor Gott treten. Die Liturgie mit biblischen Augen betrachten, Luzerner Biblisch-Liturgischer Kommentar zum Ordo Missae 1, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2014, 23-40
Literaturempfehlungen zur Methodik und Hermeneutik der Theologie Ernst, Stephan: Grundfragen theologischer Ethik, München: Kösel 2009 Englert, Rudolf: Religionspädagogische Grundfragen. Anstöße zur Urteilsbildung, Stuttgart: Kohlhammer 2008 Fischer, Georg, u.a.: Wege in die Bibel. Leitfaden zur Auslegung, 3. Aufl., Stuttgart: Kath. Bibelwerk 2008 Pesch, Otto Hermann: Katholische Dogmatik aus ökumenischer Erfahrung. Band 2: Die Geschichte Gottes mit den Menschen, Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag 2010 Ritschl, Dietrich: Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge theologischer Grundgedanken, München: Kaiser 1984 Roebben, Bert: Religionspädagogik der Hoffnung. Grundlinien religiöser Bildung in der Spätmoderne, Münster: LIT 2011 Vorgrimler, Herbert: Neues theologisches Wörterbuch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000
Verzeichnis der zitierten Literatur Abramowski, Luise: Die Synode von Antiochien 324/25 und ihr Symbol, in: ZKG 86 (1975), 356-366 Albrecht, Michaela: Für uns gestorben. Die Heilsbedeutung des Kreuzestodes Jesu Christi aus der Sicht Jugendlicher, Göttingen 2007 Allport, W. Gordon: The nature of prejudice, Cambridge 1954 Altmeyer, Stefan, Woppowa, Jan: Spiritualität lernen, in: Katechetische Blätter 131 (2006), 440-446 Aristoteles: Poetik, gr. u. dt., üb. u. hg. v. M. Fuhrmann, Stuttgart 1994 Aristoteles: Rhetorik, üb. mit einer Bibliographie, Erläuterungen und einem Nachwort v. F. G. Sieveke, 4. Aufl., München 1993 Augustinus: Der Gottesstaat. De Civitate Dei, deutsch von C. J. Perl, Band 1, Paderborn 1979 Backhaus, Knut: Art. Glaubensbekenntnis, II 3. Neues Testament, in: LThK 4 (1995), 3. Aufl., 702f Ballhorn, Egbert, Wildgruber, Regina, Winter, Stephan: Amen, in: B. Jeggle-Merz, W-Kirchschläger, J. Müller (Hgg.): Gemeinsam vor Gott
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Verzeichnis der zitierten Literatur
treten. Die Liturgie mit biblischen Augen betrachten, Luzerner BiblischLiturgischer Kommentar zum Ordo Missae 1, Stuttgart 2014, 23-40 Balthasar, Hans Urs von: Theodramatik IV. Das Endspiel, Einsiedeln 1983 Balthasar, Hans Urs von: Kleiner Diskurs über die Hölle, 5. Aufl., Freiburg 2013 [1987] Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik. Erster Band: Die Lehre vom Wort Gottes, München 1932 Barth, Karl: Die Kirchliche Dogmatik. Band 1: Die Lehre vom Wort Gottes: Prolegomena zur kirchlichen Dogmatik, Zürich 1932 Barth, Karl: Das christliche Leben. Die Kirchliche Dogmatik IV/4, 2. Aufl., Zürich 1979 Barth, Karl: Der Römerbrief (Gesamtausgabe 16), hg. von H. Schmidt, 16. Aufl., Zürich 1999 [1922] Baumert, Jürgen: „Deutschland im internationalen Bildungsvergleich“, in: N. Killius u. a. (Hg.): Die Zukunft der Bildung, Frankfurt/M. 2002, 100-150 Benjamin, Walter: Über den Begriff der Geschichte (These I), in: Ders.: Illuminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt/M. 1977 Bergen, Benjamin K.: Louder Than Words. The New Science of How the Mind Makes Meaning, New York 2012 Biehl, Peter: Die Stellung der Religionspädagogik im Haus der Theologie. Anmerkungen zum Verhältnis von Systematischer Theologie und Religionspädagogik, in: M. Rothgangel, E. Thaidigsmann (Hgg.): Religionspädagogik als Mitte der Theologie? Theologische Disziplinen im Diskurs, Stuttgart 2005, 13-26 Bitter, Gottfried: Art. Heiliger Geist, in: Lexikon der Religionspädagogik (Band 1), Neukirchen-Vluyn 2001, Sp. 659-668 Bitter, Gottfried: Spiritualität als geistlicher Lebensstil, in: M. Langer, W. Verburg (Hgg.): Zum Leben führen. Handbuch religionspädagogischer Spiritualität, München 2007, 15-44 Böhm, Thomas: Die Definition des Glaubens, in: G. Bee u.a. (Hg.), Die Geschichte des Christentums. Band 3, Freiburg im Breisgau 2001, 103-107 Bonhoeffer, Dietrich: Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932, Werkausgabe, Band 11, München 1994 Böckler, Annette: Gott als Vater im Alten Testament, Gütersloh 2000 Breitsameter, Christof: Handeln verantworten, in: H. Baranzke, C. Breitsameter, U. Feeser-Lichterfeld, M. Heyer, B. Kowalski (Hgg.): Handeln verantworten (=Theologische Module, Bd. 11), Freiburg/Br. 2010, 7-45 Brennecke, Christof u.a. (Hrsg.): Athanasius Werke. Band III 1/3, Berlin 2007
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Brox, Norbert: Art. Irenäus von Lyon, in: RAC 18 (1998), 820-854 Cagin, Michel: Le ‚Credo du peuple de Dieu‘ et l’année de la fo, in: R. Papetti (Hg.): La trasmissione della fede: l’impegno di Paolo VI., Brescia 2009, 157-179 Demandt, Alexander: Philosophie der Geschichte. Von der Antike zur Gegenwart, Köln 2011 Denzinger, Heinrich: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter Mitarbeit von H. Hoping herausgegeben von P. Hünermann, 42. Aufl., Freiburg im Breisgau u.a. 2009 (Abkürzung: DH) Diekamp, Franz: Katholische Dogmatik nach den Grundsätzen des Heiligen Thomas. Zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbstunterricht, Bd. 3: Die Lehre von den Sakramenten – Die Lehre von den letzten Dingen, 2. Aufl., Münster 1920 [1917] Diekamp, Franz: Katholische Dogmatik, Bd. 1, Münster 1938 Dormeyer, Detlev: Das Markusevangelium, Darmstadt 2005 Dormeyer, Detlev: Einführung in die Theologie des Neuen Testaments, Darmstadt 2010 Drecoll, Volker: Wie nizänisch ist das Nicaeno-Constantinopolitanum? Zur Diskussion der Herkunft von NC bei Staats, Abramowski, Hauschild und Ritter, in: ZKG 7 (1996), 1-18 Englert, Rudolf: Religionspädagogische Grundfragen. Anstöße zur Urteilsbildung, Stuttgart 2008 Englert, Rudolf: Gott denken? Im Religionsunterricht?, in: S. Pemsel-Maier, M. Schambeck (Hgg.): Keine Angst vor Inhalten! Systematisch-theologische Themen religionsdidaktisch erschließen, Freiburg 2015, 93-110 Ernst, Stephan: Grundfragen theologischer Ethik, München 2009 Evans, Richard J.: Art. Fiktion, in: St. Jordan (Hg.): Lexikon der Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2002, 90-93 Fabry, Heinz-Josef: Vater, in: M. Fieger, J. Krispenz, J. Lanckau (Hgg.): Wörterbuch alttestamentlicher Motive, Darmstadt 2013, 411-415 Fetz, Reto Luzius, Reich, Karl Helmut, Valentin, Peter: Weltbildentwicklung und Schöpfungsverständnis. Eine strukturgenetische Untersuchung bei Kindern und Jugendlichen, Stuttgart 2001 Fiedrowicz, Michael: Theologie der Kirchenväter. Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion, 2. Aufl., Freiburg/Breisgau – Basel – Wien u.a 2010a Fiedrowicz, Michael: Handbuch der Patristik. Quellentexte zur Theologie der Kirchenväter, 2. Aufl., Freiburg/Breisgau u.a 2010b Forschungsgruppe ‚Religion und Gesellschaft‘: Werte – Religion – Glaubenskommunikation. Eine Evaluationsstudie zur Erstkommunionkatechese, Wiesbaden 2015
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Gärtner, Claudia, Bettin, Natascha (Hgg.): Interreligiöses Lernen an außerschulischen Lernorten. Empirische Erkundungen zu didaktisch inszenierten Begegnungen mit dem Judentum, Berlin 2015 Gennerich, Carsten: Empirische Dogmatik des Jugendalters. Werte und Einstellungen Heranwachsender als Bezugsgrößen für religionsdidaktische Reflexionen, Stuttgart 2010 Greshake, Gisbert: Theologiegeschichtliche und systematische Untersuchungen zum Verständnis der Auferstehung, in: Ders., J. Kremer (Hgg.): Resurrectio mortuorum: Zum theologischen Verständnis der leiblichen Auferstehung, Darmstadt 1992, 163-368 Guardini, Romani: Welt und Person. Versuche zur christlichen Lehre vom Menschen, 6. Aufl., unveränd. Nachdr. d. 5. Aufl., Mainz 1988 Günther, Matthias: Einleitung in die Apostolischen Väter, Frankfurt am Main u.a. 1997 Hägglund, Bengt: Die Bedeutung der „regula fidei“ als Grundlage theologischer Aussagen, in: Studia Theologica 12 (1958), 1-44 Hahn, Ferdinand: Bekenntnisformeln im Neuen Testament, in: J. Brantschen, P. Selvatico (Hgg.): Unterwegs zur Einheit, Festschrift für H. Stirnimann, Freiburg/Schweiz u.a. 1980, 200-214 Hahn, August; Hahn, Georg L.: Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, 3. Aufl., Hildesheim 1962 Hoping, Helmut: Einführung in die Christologie, 3. Aufl., Darmstadt 2014 Höger, Christian: Abschied vom Schöpfergott? Welterklärungen von Abiturientinnen und Abiturienten in qualitativ-empirische religionspädagogischer Analyse, Berlin 2008 Höger, Christian: Einstellungen zum Ursprung von Mensch und Welt, in: T. Faix u.a. (Hg.): Theologien von Jugendlichen. Empirische Erkundungen zu theologisch relevanten Konstruktionen Jugendlicher, Berlin 2015, 207244 Horstmann, Simone: Ethik der Normalität. Zur Evolution moralischer Semantik in der Moderne (=Ethik in der Praxis 39), Münster 2016 Hossfeld, Frank-Lothar: Psalm 22, in: Ders., E. Zenger: Die Psalmen I. Psalm 1-50, NEB Würzburg 1993, 144-151 Huizing, Klaas: Ästhetische Theologie. Der erlesene Mensch. Der inszenierte Mensch. Der dramatisierte Mensch, Gütersloh 2015 Hurrelmann, Klaus, Quenzel, Gudrun, Albert, Mathias (Hgg.): Shell Jugendstudie 2015, Frankfurt/M. 2015 Irenäus von Lyon: Epideixis: Darlegung der Apostolischen Verkündigung – Adversus haereses: Gegen die Häresien (=Fontes Christiani 8), übersetzt und eingeleitet von N. Brox, Band 1, Freiburg im Breisgau u.a. 1993
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Janowski, Bernd, Scholtissek, Klaus: Gottesbilder, in: A. Berlejung, Angelika, Ch. Frevel (Hgg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, 5. Aufl., Darmstadt 2016, 244-246 Jaspers, Karl: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, Hamburg 1955 Joisten, Karen (Hg.): Narrative Ethik. Das Gute und das Böse erzählen (=Deutsche Zeitschrift für Philosophie Sonderband 17), Berlin 2007 Kampling, Rainer: Art. Treue, in: HGANT, hg. v. A. Berlejung, Ch. Frevel, 4. Aufl., Darmstadt 2015, 430f Kehl, Medard: Und Gott sah, dass es gut war. Eine Theologie der Schöpfung, Freiburg: Herder 2016 Kelly, John N. D.: Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, Göttingen 1972 Kinzig, Wolfram: Herrschaft und Bekenntnis. Überlegungen zur imperialen Normierung des christlichen Glaubens in der Spätantike, in: Historische Zeitschrift 303 (2016), 621-642 Klie, Thomas, Leonhard, Silke (Hgg.): Performative Religionsdidaktik. Religionsästhetik – Lernorte – Unterrichtspraxis, Stuttgart 2008 Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen = Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, hg. von P. Hünermann, 45. Aufl., Freiburg im Breisgau 2017 Koselleck, Reinhart: Vom Sinn und Unsinn der Geschichte. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten, Berlin 2010 Kummer, Christian: Der Fall Darwin. Evolutionstheorie contra Schöpfungsglaube, München 2009 Leonhard, Silke, Klie, Thomas (Hgg.): Schauplatz Religion. Grundzüge einer performativen Religionspädagogik, Leipzig 2003 Lindemann, Andreas, Paulsen, Henning: Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe, Tübingen 1992 Löning, Karl: Die Funktion des Psalters im Neuen Testament, in: E. Zenger (Hg.): Der Psalter in Judentum und Christentum, HBS 18, Freiburg u.a. 1998, 269-295 Löwith, Karl: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1953 Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Soziologische Aufklärung V. Konstruktivistische Perspektiven, Frankfurt am Main 1997 Luhmann, Niklas: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 1-4, Frankfurt/M. 2004ff [1980ff] Maraval, Pierre: Das Konzil von Chalkedon, in: G. Bee u.a. (Hg.): Die Geschichte des Christentums, Band 3, Freiburg im Breisgau 2001, 90-119
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Mason, Steve: Flavius Josephus und das Neue Testament, Tübingen, Basel 2000 Maurer, Ernstpeter: „Da muss man da auch diese Kraft dann spüren, wenn sie zu einem will“. Kinder deuten das Pfingsterlebnis, in: Jahrbuch für Kindertheologie (Sonderband Teil 2: Neues Testament), Stuttgart 2006, 217-228 Meyer-Blanck, Michael: Umrisse einer Jugendtheologie – Vorüberlegungen zu einer didaktischen Dogmatik, in: Jahrbuch für Jugendtheologie, Stuttgart 2013, 24-34 Meyer-Blanck, Michael: Wie finde ich Anerkennung? Christologie elementar, in: U. Baumann (Hg.): Religionsdidaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2005, 74-95 Nünning, Ansgar (Hg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, 5. Aufl., Stuttgart, Weimar 2013 Origenes: Das Gespräch mit Herakleides und dessen Bischofskollegen über Vater, Sohn und Seele, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von E. Früchtel, Stuttgart 1974 Osborne, Eric: Irenaeus of Lyons, Cambridge/UK 2004 Paulsen, Henning: Art. Ignatius von Antiochien, in: RAC 17 (1996), 933-953 Pemsel-Maier, Sabine: Ein religionspädagogisches Plädoyer für die vernachlässigte Arbeit an Inhalten, in: Dies., M. Schambeck (Hgg.): Keine Angst vor Inhalten! Systematisch-theologische Themen religionsdidaktisch erschließen, Freiburg 2015, 21-39 Pemsel-Maier, Sabine, Schambeck, Mirjam (Hgg.): Keine Angst vor Inhalten! Systematisch-theologische Themen religionsdidaktisch erschließen, Freiburg 2015 Pesch, Otto Hermann: Katholische Dogmatik aus ökumenischer Erfahrung. Band 2: Die Geschichte Gottes mit den Menschen, Ostfildern 2010 Pesch, Rudolf: Das Markusevangelium. Bd. 2, 3. Aufl., Freiburg 1984 Pietri, Charles, Markschies, Christoph: Theologische Diskussionen zur Zeit Konstantins: Arius, der ‚arianische Streit‘ und das Konzil von Nizäa, die nachnizänischen Auseinandersetzungen bis 337, in: N. Brox (Hg.): Die Geschichte des Christentums. Band 2, Freiburg im Breisgau 1996, 302-312 Pilhofer, Peter: Das Neue Testament und seine Welt, Tübingen 2010 Posselt, Gerald, Flatscher, Matthias: Sprachphilosophie. Eine Einführung, Wien 2016 Predel, Gregor: Schöpfungslehre, Paderborn 2015 Pröpper, Thomas: Erlösungsglaube und Freiheitsgeschichte. Eine Geschichte zur Soteriologie, 3. Aufl., München 1991 Radde-Gallwitz, Andrew: Private Creeds and their Troubled Authors, in: Journal of Early Christian Studies 24 (2016), 465-490
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Rahner, Johanna: Einführung in die Katholische Dogmatik, Darmstadt 2014 Rahner, Karl: Die Praktische Theologie im Ganzen der theologischen Disziplinen, in: Ders.: Sämtliche Werke, Bd. 19: Selbstvollzug der Kirche, Freiburg i.Br. 1995 Ratzinger, Josef: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis, München 1968 Reck, Norbert: Abenteuer Gott. Den christlichen Glauben neu denken, Darmstadt 2003 Reis, Oliver: Wie kommt die Rede von der Auferstehung in den Lernprozess?, in: RpB 63 (2009), 39-56 Ritschl, Dietrich: Zur Logik der Theologie. Kurze Darstellung der Zusammenhänge theologischer Grundgedanken, München 1984 Ritter, Adolf M.: Art. Glaubensbekenntnis(se). V. Alte Kirche, in: TRE 13 (1992), 399-412 Roebben, Bert: Religionspädagogik der Hoffnung. Grundlinien religiöser Bildung in der Spätmoderne, Münster 2011 Roebben, Bert: Schulen für das Leben. Eine kleine Didaktik der Hoffnung, Stuttgart 2016a Roebben, Bert: Theology Made in Dignity. On the Precarious Role of Theology in Religious Education, Leuven – Paris – Bristol 2016b Römische Inschriften, lt. u. dt., ausgew., übers. u. hg. v. L. Schumacher, Stuttgart 1996 Ruster, Thomas: „Auferstehung des Fleisches“ – eine Handlungsanweisung für Christen in einer gottfeindlichen Welt, in: Kirche und Schule 114 (2000), 1-11 Ruster, Thomas: Glauben macht den Unterschied. Das Credo, München 2010 Rüpke, Jörg: Pantheon. Geschichte der antiken Religionen, München 2016 Scheeben, Matthias Joseph: Natur und Gnade. Versuch einer systematischen, wissenschaftlichen Darstellung der natürlichen und übernatürlichen Lebensordnung im Menschen, hg. von M. Grabmann, München 1922 Schockenhoff, Eberhard: Wie gewiss ist das Gewissen? Eine ethische Orientierung, Freiburg/Br. 2003 Schneider, Theodor: Was wir glauben. Das Apostolische Glaubensbekenntnis verstehen, 2. Aufl., Ostfildern 2017 [2014] Schreiber, Stefan: Die Anfänge der Christologie. Deutungen Jesu im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 2015 Schreiner, Josef (Hg.): Beiträge zur Psalmenforschung. Ps 2 und 22, fzb 60, Würzburg 1988 Schweitzer, Friedrich: Christus und die Welt der Religionen – Aufgabe interreligiösen Lernens, in: JRP 15 (1998), 159-172
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Sherman, Robert: King, Priest und Prophet. A Trinitarian Theology of Atonement, New York, London 2004 Söffner, Jan: Partizipation. Metapher, Mimesis, Musik – und die Kunst, Texte bewohnbar zu machen, München 2014 Staats, Reinhart: Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen, Darmstadt 1996 Stocker, Michael: Die Schizophrenie moderner ethischer Theorien, in: K.-P. Rippe, P. Schaber (Hgg.), Tugendethik, Stuttgart 1998, 29-41 Stosch, Klaus von: Komparative Theologie als Wegweiser in der Welt der Religionen, Paderborn 2012 Strutwolf, Holger: Die Trinitätstheologie und Christologie des Euseb von Caesarea. Eine dogmengeschichtliche Untersuchung seiner Platonismusrezeption und Wirkungsgeschichte, Göttingen 1999, 31-44 Taxacher, Gregor: Bruchlinien. Wie wir wurden, was wir sind: Eine theologische Dialektik der Geschichte, Gütersloh 2015 Thomas von Aquin: Summe der Theologie Bd. I (DThA, Salzburg 1933) Thonak, Sylvia: Religion in der Jugendforschung. Eine kritische Analyse der Shell Jugendstudien in religionspädagogischer Absicht, Münster 2003 Vanoni, Gottfried: „Du bist doch unter Vater“ (Jes 63,16). Zur Gottesvorstellung des Ersten Testaments, SBS 159, Stuttgart 1995 Verheyden, Joseph u.a. (Hg.): Docetism in the Early Church: the Quest for an Elusive Phenomenon, Tübingen 2018 Vinzent, Markus: Der Ursprung des Apostolikums im Urteil der kritischen Forschung, Göttingen 2006 Vinzent, Markus: Die Entstehung des „Römischen Glaubensbekenntnisses“, in: W. Kinzig, C. Markschies, M. Vinzent (Hgg.): Tauffragen und Bekenntnis, Berlin 1999, 185-409 Vogt, Hermann J.: Art. Glaubensbekenntnis V. In der Liturgie, in: LThK 4 (1995), 3. Aufl., 705f Vokes, Frederick E.: Art. Apostolisches Glaubensbekenntnis. I. Alte Kirche und Mittelalter, in: TRE 3 (1978), 528-554 Vorgrimler, Herbert: Neues theologisches Wörterbuch, Darmstadt 2000 Welker, Michael: Schöpfung und Wirklichkeit, Neukirchen-Vluyn 1995 Wenzel, Knut: Offenbarung – Text – Subjekt, Freiburg 2016 Wesch-Klein, Gabriele: Die Provinzen des Imperium Romanum, Darmstadt 2016 Winkler, Gerhard: Art. Pontius II. Kaiserzeit, in: KLP 4 (1979), 1049f Wohlmuth, Josef: Dekrete der Ökumenischen Konzilien. Band 1: Konzilien des ersten Jahrtausends, 3. Aufl., Paderborn u.a. 2002, 77-82 Wördemann, Dirk: Das Charakterbild im bios nach Plutarch und das Christusbild im Evangelium nach Markus, Paderborn 2002
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Wördemann, Dirk: Emotion und Textverstehen. Ein Beitrag zur pragmalinguistischen Bibelexegese, Hamburg 2016 Zenger, Erich: Ich will die Morgenröte wecken. Psalmenauslegungen. Freiburg, Basel, Wien 1991 Ziebertz, Hans-Georg, Riegel, Ulrich: Letzte Sicherheiten. Eine empirische Untersuchung zu Weltbildern Jugendlicher, Gütersloh, Freiburg 2008 Ziegler, Tobias: Jesus als ‚unnahbarer Übermensch‘ oder ‚bester Freund‘? Elementare Zugänge Jugendlicher zur Christologie als Herausforderung für Religionspädagogik und Theologie, Neukirchen-Vluyn 2006 Zimmermann, Mirjam: Kann Kindertheologie auch unwahr sein?, in: ZPT 68 (1/2016), 58-72
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren Egbert Ballhorn, Dr. theol., Professor für Exegese und Theologie des Alten Testaments am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund. Claudia Gärtner, Dr. theol., Professorin für Praktische Theologie am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund. Simone Horstmann, Dr. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Systematische Theologie des Instituts für Katholische Theologie der TU Dortmund. Josef Rist, Dr. theol., Professor für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Christliche Archäologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der RuhrUniversität Bochum. Hubertus Roebben, Dr. theol., Professor für Religionspädagogik, religiöse Erwachsenenbildung und Homiletik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn; zuvor von 2007 bis 2017 Professor für Religionspädagogik am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund. Thomas Ruster, Dr. theol., Professor für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund. Gregor Taxacher, Dr. theol., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Systematische Theologie des Instituts für Katholische Theologie der TU Dortmund. Dirk Wördemann, Dr. phil., Privatdozent für das Neue Testament und Didaktik an der Universität Hildesheim, Fachleiter am ZfsL Arnsberg, Lehrbeauftragter für Bibelgriechisch am Institut für Katholische Theologie der TU Dortmund.
Namensregister Anselm von Canterbury 89 Aurelius Augustinus 24, 140, 145 Barth, Karl 115, 119, 131, 138, 146, 164f, 183 Benjamin, Walter 140 Bonhoeffer, Dietrich 78, 143 Bultmann, Rudolf 131
Leo I. (Papst) 105 Levinas, Emmanuel 148 Löwith, Karl 144 Luhmann, Niklas 119, 128 Luther, Martin 140 Origenes 99, 171
Diekamp, Franz 52, 55, 166f
Paul VI. (Papst) 93, 106 Pius XII. (Papst) 178 Paulus von Tarsus 68, 89, 119, 123 Pontius Pilatus 67ff, 91
Guardini, Romano 58f
Rahner, Karl 29f, 201
Ignatius von Antiochien 94 Irenäus von Lyon 96
Scheeben, Matthias J. 115f, 128
Cyrill von Jerusalem 97
Thomas von Aquin 53f, 140 Johannes Calvin 115 Kaiser Justinian I. 105 Konstantin (Kaiser) 99ff Klafki, Wolfgang 192
Sachregister Abraham 142f Adam/Eva 56, 60 Anathema 101 Anthropomorphismus 35 Apokatastasis 171 Arianismus 98f, 101 Auferstehung 51, 56, 68, 72, 94, 135, 163ff
Gleichnisse 46f Gnosis 96 Gottesbild 38ff
Berufung 58ff Bildung, religiöse 24-27, 33, 147f, 191f, 195, 200f
Inkarnation 71, 95, 142, 194 Interreligiosität 155 Intertextualität 111f Isaak 142 Israel 82ff, 139f, 180
Chalzedon (Konzil) 103ff, 108 Darwinismus 174 David 60f Didaktik, Religions- 125, 152ff, 157, 192ff Dogmatik 53f, 89, 142, 163, 170 Doketismus 95 Drei-Ämter-Lehre 115ff, 122f Empirie 38 Erlösung 55ff, 61, 78ff, 113ff Ethik 126ff Fides qua, fides quae 24f, 192 Filioque 105 Gebet 81f Gericht 129ff Gewalt(-en) 58, 92, 118ff, 137, 144, 178 Gewissen 130f Glauben 23ff, 49, 73, 146, 150, 208
Hebräisch 207 Heilig(keit) 66, 116f, 177ff Heilsgeschichte 58, 72, 138ff Hermeneutik 141, 147, 197
Jakob 142 Jugendtheologie 157, 192, 198 Katechese 16, 32, 40, 97, 150 Katholisch 115, 140, 165f, 179-183, 186 Kindertheologie 157, 192 Kirche 61, 116, 133f, 138ff, 171, 177ff, 187, 195 Konstantinopel (Konzil) 103ff Konzil(ien) 31, 78, 93, 98-107, 112, 115f., 131, 139, 178-182 Korrelation 153f, 157 Leiden 35, 57, 67f, 72, 74, 79-87; 159 Messias 72, 87, 143 Metapher 37ff, 42ff, 85 Metaphysik 35 Mose 60f, 208
224 Natur (Jesu Christi) 56, 72, 104 Naturwissenschaft 53f, 57 Nizäa (Konzil) 93f, 99-103, 108, 181 Offenbarung 43, 70, 72, 141 Opfer 89, 120f Performative Didaktik 154 Person(alität) (trinit.) 34, 202 Praktische Theologie 29-32 Praxis 9, 12, 16, 24, 26, 48, 127, 141, 147, 192 Reformation 182 Religionspädagogik 191-194, 199 Religionsunterricht 34, 40, 148, 191f, 200ff Rezeptionsästhetik 22, 38ff Schöpfung 11, 52-63, 116, 137, 153, 170-174, 195 Schüler/innen 27, 39ff, 149-159, 192, 200 Sensus fidelium 31f, 34 Shell-Studie 27f, 32 Soteriologie 88f
Sachregister
Sprache/Sprachlichkeit 35, 43, 59, 63, 81, 193 Sünde 55f, 60f, 113ff, 117 Symbol 43f, 118, 151 Symbolum 98, 102, 105-108 Taufe 11, 97f, 123 Theodizee 57, 80f, 85 Tiere 59, 82, 120 Titel, Hoheitstitel 70f, 79, 94, 207 Tod 55f, 66, 80, 86, 113ff, 118f, 170 Tradition 12, 30-34, 63, 65, 67-70, 81, 88, 94, 96, 99, 102, 124, 135, 139, 149, 151f, 153-157, 166ff, 171, 182, 192 Trinität 117, 123, 150, 155f, 174 Wahrheit 43, 54, 95 Wissenschaft(stheorie) 12f, 39, 83, 140 Würzburger Synode 153 Zwei-Naturen-Lehre 72, 104 Zweites Vatikanum 30ff, 115f, 131, 147, 178f, 182ff
Im vorliegenden Band wird dieser Text aus den verschiedenen theologischen Fachperspektiven sowohl methodisch erschlossen als auch in seinen zentralen Aussagen exemplarisch ausgelegt. Darüber hinaus treten die beteiligten Theologinnen und Theologen untereinander in Dialog über ihre Verstehensweisen. Impulse und methodische Anregungen ermöglichen es den Leserinnen und Lesern, theologische Kompetenzen zu erwerben.
Dies ist ein utb-Band aus dem Verlag Ferdinand Schöningh. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. ISBN 978-3-8252-5037-9
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Das Credo ist ein zentraler Text des Christentums. Was liegt näher, als ihn an den Anfang des Theologiestudiums zu stellen?
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20.09.18 15:44