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German Pages 327 [328] Year 2018
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor
Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Tobias Nicklas (Regensburg) · J. Ross Wagner (Durham, NC)
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Theologie und Textgeschichte Septuaginta und Masoretischer Text als Äußerungen theologischer Reflexion
Herausgegeben von
Frank Ueberschaer, Thomas Wagner und Jonathan Miles Robker
Mohr Siebeck
Frank Ueberschaer, geboren 1972; Studium der Ev. Theologie und der Jüdischen Studien; 2007 Promotion; 2014 Habilitation; seit 2016 Juniorprofessor für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Thomas Wagner, geboren 1971; Studium der Ev. Theologie; 2006 Promotion; 2011 Habilita tion; seit 2013 Akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal. Jonathan Miles Robker, geboren 1980; Studium der Religionswissenschaften und Geschichte; Masterstudium der Theologie; 2011 Promotion; 2018 Habilitation; seit 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Alten Testaments der Evangelischen Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
ISBN 978-3-16-155494-0 / eISBN 978-3-16-155495-7 DOI 10.1628/978-3-16-155495-7 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Martin Fischer in Tübingen gesetzt, von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Am 23. und 24. Januar 2015 fand an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel ein wissenschaftliches Symposium anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr. Siegfried Kreuzer statt. Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler, vor allem aber Freundinnen und Freunde haben diesen Übergang mit dem Jubilar begangen. Das wissenschaftlich greifbare Ergebnis dieses Anlasses liegt nunmehr mit diesem Band vor. Das Thema der Tagung „Textgeschichte und Theologie“ war ein ausdrücklicher Wunsch Siegfried Kreuzers. Mit ihm wollte er die Zusammengehörigkeit zweier Bereiche zum Ausdruck bringen, die für ihn als Alttestamentler, der sich dezidiert auch als Theologe versteht, untrennbar sind, auch wenn sie nicht nur in den bibelwissenschaftlichen Disziplinen, sondern in der theologischen Wissenschaft insgesamt häufig unabhängig voneinander betrieben werden. Entstanden sind 14 Beiträge, in denen sich die Verfasserinnen und Verfasser je auf ihre Weise der Zusammengehörigkeit von Theologie und Textgeschichte stellen: Sei es, dass sie nach dem spezifischen theologischen Profil einzelner in der Septuaginta enthaltener Schriften oder nach theologischen Akzentuierungen der Septuaginta insgesamt oder auch des masoretischen Textes fragen; sei es, dass sie theologischen Fragen und Traditionen nachgehen, die durch ihre Rezeptionsgeschichte immer wieder Bedeutung gewannen. Immer wieder wird deutlich, wie in der textlichen Entwicklung theologische Akzente gesetzt werden und sich umgekehrt spätere theologische Traditionsbildungen auf bestimmte textgeschichtlich gewordene Zeugnisse stützen konnten. Daher freuen wir uns als Herausgeber und als Schüler Siegfried Kreuzers, diesen Band nun vorlegen zu können: Theologie aus der Vielfalt der Texte heraus. Auch wenn der Anlass des Symposiums der einer Emeritierung war, gibt es keinen Abschluss theologischen und textgeschichtlichen Arbeitens an den vielfältigen biblischen Texten. Dies möge auch noch lange für die Studien und die Arbeiten des Jubilars gelten. Gleichzeitig ist eine Emeritierung auch ein guter Zeitpunkt, um dankbar zurückzublicken, Dank zum Ausdruck zu bringen und für die Zukunft Gottes Segen zu wünschen. Dies möchten wir mit diesem Band gemeinsam mit den Beitragenden tun. Wir alle wünschen Siegfried und Elisabeth Kreuzer einen guten neuen Lebensabschnitt im neuen Heim und freuen uns auf viele weitere Begegnungen. Bedanken möchten wir uns auch bei den Vielen, die zum Gelingen der Tagung und dieses Bandes beigetragen haben: Zuerst der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre großzügige Unterstützung der Tagung und den vielen fleißigen
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Vorwort
Händen an der Kirchlichen Hochschule, die sie so angenehm und damit auch so erfolgreich haben werden lassen. Wir danken auch dem Hauptherausgeber der Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament, Prof. Dr. Jörg Frey, für die Aufnahme in die Reihe, in der all die von Siegfried Kreuzer mitbetreuten Tagungsbände von Septuaginta Deutsch erschienen sind, sowie dem Verlag Mohr Siebeck, namentlich Herrn Ziebritzki sowie Herrn Hermannstädter, für ihre Betreuung dieses Bandes. Die Herausgeber
Frank Ueberschaer Jonathan Miles Robker Thomas Wagner
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Siegfried Kreuzer Textgeschichte und Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Martin Rösel Eine Theologie der Septuaginta? Präzisierungen und Pointierungen . . . . . . 25 Emanuel Tov The Enigma of the Masoretic Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Adrian Schenker Implizieren 1 Kön 8,18 und 2 Chr 6,8 einen Archetyp? Ein gemeinsamer Schreibfehler im masoretischen Text und in der Septuaginta der Bücher der Könige und Chronik . . . . . . . . . . . . . 71 Kristin De Troyer The Fall of Jericho and the Textual History of the Book of Joshua . . . . . . . . . 77 Frank Ueberschaer Salomo am Ende. Möchte die Septuaginta tatsächlich Salomo in Schutz nehmen? Ein Blick auf 1 Kön 11,1–13 G und M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Jonathan Miles Robker Bileam messianisch gelesen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Marcus Sigismund Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe der griechischen Josuaüberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Jong-Hoon Kim Betrachtungen zu den griechischen Textformen der Paralleltexte zwischen 1 Kön 8,1–53 und 2 Chr 5,2–6,42 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
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Thomas Wagner Was haben sie sich nur dabei gedacht? Zur Textüberlieferung von Ez 1 in M und LXX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Martin Meiser Phänomene der Prophetie in der Septuaginta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Heinz-Josef Fabry Neues Licht vom Garizim. Zum gegenwärtigen Stand der Samaritanus-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Wolfgang Kraus Zur Aufnahme von Ps 102 (101 LXX) und seiner Bedeutung für die Eschatologie des Hebräerbriefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Martin Karrer Lucas Cranachs Tafel der Zehn Gebote und die Textgeschichte des Dekalogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Verzeichnis der Beiträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
Textgeschichte und Theologie Siegfried Kreuzer 1. Allgemeine Überlegungen zum Verhältnis von Textgeschichte und Theologie Die beiden Begriffe Textgeschichte und Theologie umschreiben nicht nur, womit ich mich in den letzten Jahren beschäftigte, sondern zwei Brennpunkte meiner Arbeiten, die mir seit jeher wichtig waren. Zum einen geht es mir um den genauen Wortlaut und die genaue Gestalt des Textes, und diese kann man nicht haben ohne die Geschichte des Textes. Zum anderen geht es mir um die Inhalte der Texte, die nicht nur theologische, sondern auch kulturgeschichtliche, historische und andere Themen umfassen, die aber doch wegen ihrer theologischen Inhalte und deren bleibender Bedeutung überliefert wurden. Im ersten Teil meines Beitrags möchte ich mich grundlegenden Fragen des Themas widmen, im zweiten Teil verschiedenen Einzelaspekten. Dass die biblischen Texte und damit auch die Geschichte dieser Texte für die Theologie wichtig sind, wird kaum jemand bestreiten. Dafür kann man nicht nur auf das protestantische Schriftprinzip und das berühmte sola scriptura hinweisen. Auch die römisch-katholische Theologie bekennt sich letzten Endes dazu. Das 2. Vatikanische Konzil fand immerhin die schöne Redeweise von der Exegese als der Seele der Theologie (anima theologiae). Für die Bedeutung der biblischen Schriften kann man sich darüber hinaus an die großen Bemühungen um diese Texte in den Skriptorien der Antike sowie auch des Mittelalters erinnern, an die vielfältigen Versuche, den Text in seinem Bestand und für seine Überlieferung zu sichern, ebenso aber auch an die Bemühungen zahlloser jüdischer und christlicher Autoren, die Texte zu verstehen und zu erklären und bei Bedarf in andere Sprachen zu übersetzen. Dass die Heiligen Schriften grundlegend sind, gilt natürlich und ganz besonders bereits für das Judentum. Denn hier liegen ja sowohl der Ursprung der Texte, als auch die Grundlagen für die Sammlung zu einem Kanon. Soviel ich weiß, ist bei den Rabbinen das Studium der heiligen Schriften wichtiger als alles andere, außer einer Sache, nämlich außer einer Hochzeit. Dafür darf man auch das Studium der heiligen Schriften unterbrechen. Für die Bedeutung der biblischen Schriften gibt es aber auch ein eindrucksvolles Zeugnis aus der Kirchengeschichte, nämlich aus der diokletianischen
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Christenverfolgung um 300 n. Chr. In dieser Verfolgung wurden nicht nur Menschen verfolgt und Kirchengebäude zerstört, sondern die staatlichen Behörden legten – offensichtlich zum ersten Mal – großes Gewicht auf das Aufspüren und die Vernichtung der Heiligen Schriften. Der Vorgang ist uns vor allem durch die spätere Diskussion um den Umgang mit den sog. traditores bekannt. Das waren jene Gemeindeglieder, die unter dem Druck der Verfolgung die Schriften auslieferten. Dieses Geschehen zeigt nicht nur, dass offensichtlich auch der römische Staat die Bedeutung der Heiligen Schriften für die Kirche erkannt hatte, sondern diese Vernichtung der biblischen Schriften ist wahrscheinlich auch eine wichtige Ursache dafür, dass uns aus den ersten Jahrhunderten so wenige Handschriften erhalten sind. Bei dem bisher Dargestellten geht es aber nicht um die Bedeutung der Textgeschichte, sondern einfach um das Vorhandensein der Texte und um ihre theologische und identitätsstiftende Bedeutung für eine Glaubensgemeinschaft. Ist das schlichte Vorhandensein der Texte nicht vielleicht auch genug? Das Wichtigste ist doch, dass man einen Text besitzt, auf den man sich beziehen kann, und dass man diesen Text dann auch verwendet, für Predigt und Unterricht, für Studium und Lehre. Es mag überraschen, aber diese hier etwas pointiert formulierte Position ist sehr verbreitet und zwar in Bezug auf das Alte Testament, konkret auf den Masoretischen Text. Hier haben die Qumranfunde zu einer Art neuem tex‑ tus receptus geführt. Nachdem man lange Zeit für die hebräische Bibel nur die mittelalterlichen Handschriften hatte,1 war man nun um fast 1000 Jahre zurückgesprungen.2 Da Qumran die gute Überlieferung des masoretischen Textes bestätigte, konzentrierte man sich ganz auf den masoretischen Text, der zudem in den wissenschaftlichen Ausgaben, wie etwa in der Hebrew University Bible und jetzt auch in der Biblia Hebraica Quinta ganz original und ungestört von textkritischen Zeichen dargeboten werden soll.3 Diese exklusive Entscheidung für den masoretischen Text hat Auswirkungen bis in die neueren Bibelübersetzungen. Ein markantes Beispiel ist die Zürcher Bibel. In ihrer alten Ausgabe von 1931 wurde der älteste Text zugrunde gelegt. D. h. Jakob Hausherr, der Bearbeiter dieser Ausgabe, arbeitete richtiggehend textkritisch. An nicht wenigen Stellen folgte er dem Text der Septuaginta oder 1 Bekanntlich ist der Codex Leningradensis von ca. 1008 (die Datierungen in den Kolophonen ergeben vier verschiedene Berechnungsmöglichkeiten: 1008, 1009, 1010, 1013; siehe dazu Schenker, Adrian u. a., Allgemeine Einleitung, BHQ 18, Stuttgart 2004, XLI) noch immer die älteste vollständige Handschrift des hebräischen Alten Testaments. Der Aleppocodex von 895 wäre die älteste bekannte Vollhandschrift, er ist aber leider nur unvollständig erhalten. 2 Die Begeisterung darüber zeigte sich etwa in der Errichtung des Shrine of the Book in Jerusalem (eröffnet 1965), der vor allem die große Jesajarolle beherbergen und beschützen sollte. 3 Die Entscheidung für eine exklusive Darbietung des Textes ohne textkritische Zeichen ist nicht wissenschaftlich, sondern nur ideell zu begründen, zumal sie die Benutzung umständlicher und den Umfang größer macht.
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einer anderen Lesart, die er – im Sinn des damaligen Forschungsstandes – als den ältesten Text betrachtete. Die neue Zürcher Bibel von 2007 folgt dagegen ausschließlich dem masoretischen Text, jedenfalls sofern dieser nicht völlig verderbt und unverständlich ist. Ich habe die Ehre an einer jüdisch-christlichen Übersetzung beteiligt zu sein; da ist es dann erst recht selbstverständlich, dass nur der masoretische Text übersetzt werden soll. – Das ist natürlich zunächst einmal einfach praktisch. Man braucht keine textkritischen Diskussionen zu führen und man hat zugleich so etwas wie normatives Judentum zur Hand. Auch bei der Revision der Lutherbibel wurde – offensichtlich ohne viel Diskussion – der masoretische Text als Grundlage festgelegt. Allerdings hat Qumran nicht nur die gute Überlieferung des masoretischen Textes, sondern auch viele Lesarten der Septuaginta und sogar einen guten Teil der samaritanischen Lesarten bestätigt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Lesarten, die bis dahin noch nicht bekannt waren. Qumran hat also die Frage nach der Textgeschichte nicht beendet, sondern ihre Notwendigkeit bestätigt und zu neuen Aspekten geführt. In diesem Sinn spricht Emanuel Tov in seinem Buch zur Textkritik der hebräischen Bibel zunächst von der Notwendigkeit der Textkritik („The need for textual criticism“) und dann von einer neuen Art der Textkritik („a modern approach to textual criticism“): „In our opinion, the new discoveries have not only added new data that are of major importance, but have also necessitated a new approach to the texts that were known before 1947.“4 Die wesentliche Veränderung nach Tov ist, dass die späteren Textzeugnisse und insbesondere auch die späteren Übersetzungen und Tochterübersetzungen nicht mehr so relevant sind wie früher, weswegen sie in seinem Buch auch nur in meist eher kurzen Abschnitten behandelt werden. Textkritik ist eine unverzichtbare Aufgabe, die sich einfach aus der Vielfalt der überlieferten Lesarten ergibt. Das Neue ist, dass sich das Schwergewicht der alttestamentlichen Textkritik in die ältere, d. h. die frühjüdische Zeit verlagerte.
2. Wie verhält es sich aber mit Textgeschichte bzw. Textkritik und Theologie? In seiner Neubearbeitung des bekannten Buches von Ernst Würthwein, Der Text des Alten Testaments, geht Alexander Achilles Fischer am Schluss auf diese Frage ein und zwar mit ziemlich steilen Formulierungen: Textgeschichte ist für Fischer „geradezu das Tor zur Exegese, eine Hintertür gibt es nicht. Sie erfüllt eine den Bibeltext erschließende und seinen Textsinn aufschließende Funktion. Denn in der intensiven Auseinandersetzung mit dem biblischen Text und in der sorgfältigen Prüfung vorhandener Lesarten liegen bereits bedeutsame 4 Tov,
Emanuel, Textual Criticism of the Hebrew Bible, Minneapolis, MN 32011, 18.
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theologische Fragen verborgen, die durch die Textkritik aufgedeckt und in der Exegese bearbeitet werden können. Vor diesem Hintergrund ist die Textkritik kein belangloses, sondern ein segensreiches Geschäft.“5. Und er fährt fort, indem er den Schlusssatz des Buches von Würthwein6 zitiert: „Weil es sich so verhält, hat die Bemühung um den Buchstaben, zu der dieses Buch hinführen will, echte theologische Relevanz.“ Freilich steht diese Aussage nicht nur bei Würthwein, sondern auch bei Fischer erst am Schluss des Buches. Darin zeigt sich m. E. die prinzipielle Problematik, Textgeschichte und Theologie miteinander zu verbinden. Zwar sind die Texte, mit denen wir uns beschäftigen, theologische Texte, die theologische und ethische Aussagen treffen, wenn auch in sehr unterschiedlichen literarischen Gattungen, aber Textgeschichte und Textkritik sind doch noch einmal etwas anderes. Darum ist es in der Praxis schwierig, die eingangs zitierten Aussagen über die Bedeutung der biblischen Texte für die Theologie bzw. für die Identität und Orientierung einer Glaubensgemeinschaft auf Textgeschichte und Textkritik zu übertragen. Das liegt, methodisch gesehen, daran, dass es bei der Textgeschichte um Differenzen innerhalb des Textes geht und nicht um den Text als Ganzen. Auch wenn die verschiedenen Lesarten meistens mit inhaltlichen Aspekten verbunden sind, so sind es doch nur Varianten im Rahmen des Ganzen. Selbst bei einem Buch mit so großen Unterschieden wie bei der griechischen und der hebräischen Fassung des Jeremiabuches ist doch der Inhalt im Wesentlichen der gleiche. In beiden Fassungen erhält man in etwa das gleiche Bild von der Zeit, dem Wirken und der Botschaft dieses Propheten, auch wenn es im Detail zahlreiche Unterschiede gibt. Die theologische Bedeutung der biblischen Schriften resultiert aus ihrem Inhalt. Da sich die Textgeschichte nur mit den Varianten des Inhaltes beschäftigt, kann die Textgeschichte folglich auch nur Varianten des Inhalts aufzeigen. Das mag, zumindest auf den ersten Blick nicht sehr ergiebig und damit vielleicht auch nicht sehr interessant und relevant sein. Insofern ist eine textkritische Arbeit, die sich nur darauf bezieht, die älteste Lesart herauszufinden, etwas trocken und erscheint nur als Pflichtübung. Sie ist jedoch notwendig, sofern man sich nicht einfach willkürlich auf eine Textform festlegen will. Hier liegt übrigens m. E. auch zumindest ein Teil des Streites um eine Theologie der Septuaginta begründet. Natürlich bietet die Septuaginta der Genesis oder des Richterbuches oder der Psalmen im Wesentlichen die Inhalte und Aussagen der entsprechenden hebräischen Texte. Die Übersetzer wollten die entsprechenden Schriften wiedergeben. Insofern kann man sagen, dass die Septuaginta keine eigene Theologie besitzt. Aber die Septuaginta ist zugleich ein Gesamttext und 5 Fischer, Alexander Achilles, Der Text des Alten Testaments. Neubearbeitung der Einführung in die Biblia Hebraica von Ernst Würthwein, Stuttgart 2009, 243. 6 Würthwein, Ernst, Der Text des Alten Testaments, Stuttgart 41973, 118.
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nicht nur eine Ansammlung von Varianten, und nicht zuletzt hat die Septuaginta doch ihre spezifischen Lesarten, die zum Teil absichtlich, zum Teil unabsichtlich und zum Teil notgedrungen entstanden sind. Diese Varianten führen dann auch zu Veränderungen in der Theologie, zumindest in Nuancen.7 Aber nicht nur in der Übersetzung, auch innerhalb der Originalsprache gibt es textliche Differenzierungen und damit zumindest zum Teil auch inhaltlich-theologische Veränderungen. Das zeigen die biblischen Texte aus Qumran mit ihrer Textvielfalt sehr deutlich. Solche zumindest zum Teil intentionale Varianten gibt es selbst dort, wo man scheinbar den Text nur zitiert, um ihn dann separat in den Pescharim auszulegen. Kim Jong-Hoon schrieb diesbezüglich einen Aufsatz über intentionale Varianten im Pescher Habakuk.8 Zur Frage von Textgeschichte und Theologie ergibt sich somit: Im Verhältnis zum Ganzen der Botschaft des Textes, hat es die Textgeschichte nur mit Details zu tun. die eigentliche theologische Bedeutung hat der Text als Ganzes. Aber der Text als Ganzes ist nicht ohne die Arbeit der Textgeschichte und der Textkritik zu haben, jedenfalls sofern man nicht eine bestimmte Textform zufällig oder willkürlich zur Norm erhebt.
3. Textgeschichte als Tradierung und Rezeption Für die Frage von Textgeschichte und Theologie ist der Blick noch in eine andere Richtung zu lenken, nämlich zu den Tradenten und Rezipienten. Die Varianten in der Textgeschichte und die Übersetzungen sind zwar wichtig für die Erstellung des ältesten erreichbaren Textes, in weiterer Folge sagen sie aber oft mehr über ihre eigene Theologie oder die Theologie ihrer Zeit als über den Text. Das Verhältnis von Textgeschichte und Theologie bzw. die theologische Relevanz der Textgeschichte liegt zu einem großen Teil in der Auslegungs‑ und Wirkungsgeschichte. D. h. die textkritische Frage nach der ältesten Textgestalt ist von grundlegender Bedeutung für die Exegese und auch im Sinn des Schriftprinzips. Aber die theologische Dimension der Textgeschichte liegt dann ganz wesentlich in der Auslegungs‑ und Wirkungsgeschichte. Das lässt sich an vielen Stellen des Alten Testaments bzw. der Septuaginta aufzeigen. Betrachten wir einige Beispiele: Gen 2,2: Der hebräische Text ist bekanntlich folgendermaßen wiederzugeben: „So vollendete Gott am siebten Tag seine Werke und er ruhte am siebten Tag von all seinen Werken.“ Die Septuaginta bietet dagegen: „So vollendete Gott am sechsten Tag seine Werke und er ruhte am siebten Tag von seinen Werken.“ Trotz 7 Rösel, Martin, Towards a „Theology of the Septuagint“, in: Kraus, Wolfgang / Wooden, R. Glenn (Hg.), Septuagint research. Issues and challenges in the study of the Greek Jewish Scriptures, SBL.SCS 53, Atlanta, GA 2006, 239–252. 8 Kim, Jong-Hoon, Intentionale Varianten der Habakukzitate im Pesher Habakuk. Rezeptionsästhetisch untersucht, Bib 88 (2007), 23–37.
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des Unterschiedes in der Zahl besteht in der Sache kein Unterschied. Gewiss sagt auch der hebräische Text, dass die Schöpfungswerke sechs Tage dauerten, so wird es ja zuvor auch erzählt, und dass Gott am siebten Tag ruhte. Die Septuaginta beseitigt nur die Spannung zwischen der Aussage, dass Gott am siebten Tag seine Werke vollendete und dass Gott am siebten Tag ruhte. Wir erfahren in der Sache nichts Neues, aber wir erfahren, dass es den Septuagintaübersetzern – oder vielleicht auch schon bestimmten Tradenten des hebräischen Textes – darum ging, dass die heiligen Schriften nicht unklar oder widersprüchlich sind. Ein anderes Beispiel findet sich im berühmten sog. kleinen geschichtlichen Credo von Dtn 26,5: „Mein Vater war ein zugrunde gehender Aramäer.“ Diese Aussage passt weder zu Abraham noch zu Jakob, denn Abraham war nicht am Zugrundegehen, sondern Gott führte ihn in das Land, und Jakob zog mit erheblichem Reichtum in seine Heimat zurück. Ein heutiger Exeget würde vielleicht eine Sondertradition annehmen. Jedenfalls vertrat ich das vor längerer Zeit.9 Die Septuaginta bietet eine ganz andere Aussage: „Mein Vater verließ Syrien“. Das passt zu Abraham und erst recht zu Jakob. Die scheinbar so verschiedene Aussage kommt durch eine ganz leichte Änderung im hebräischen Text zu Stande: Die Konsonanten sind die gleichen, nur die Worttrennung ist anders (ארם יאבד אביgegenüber )ארםי אבד אבי. Exegetisch und auch historisch erfahren wir nichts Neues, denn die Lesart ist deutlich als Erleichterung zu erkennen und somit sicher sekundär. Aber wir erfahren etwas über den Übersetzer des Buches Deuteronomium bzw. über die Tradenten des hebräischen Textes. Offensichtlich war es diesen Menschen wichtig, dass die Heiligen Schriften bzw. der Pentateuch in sich stimmig sind. Alles musste zusammenpassen und auch vollständig sein. Ein anderer Aramäer als Vorfahre der Israeliten als jene Erzväter, von denen die Genesis erzählte, kam nicht in Frage. Wir erfahren also auch hier durch die Variante mehr über die Übersetzer als über den ursprünglichen Text. Ein interessantes und viel diskutiertes Beispiel ist die Übersetzung des Gottesnamens in Ex 3,14: Der Israelit hatte keine große Schwierigkeit, in ֶ ֽא ְהיֶ ה ֲא ֶׁשר ֶ ֽא ְהיֶ הden Anklang an den Gottesnamen Jahwe herauszuhören. Aber wie sollte man diesen Satz ins Griechische übertragen, zumal dort die Ersatzlesung ’adōnāj bzw. κύριος verwendet wurde. Bekanntlich wählte der Übersetzer keine wortwörtliche Wiedergabe à la ἐγώ εἰμι ὁ εἰμι oder ἐγώ εἰμι ὁ ἐγώ εἰμι, sondern er entschied sich für ἐγώ εἰμι ὁ ὤν, „ich bin der Seiende“. Dieser Satz war nicht nur grammatisch korrekt, sondern damit war der Anschluss an die griechische Philosophie hergestellt, in der es um die Frage des Seins und um das höchste Sein geht. Es wurde viel diskutiert, ob hier die hebräische Gottesvorstellung der griechischen Philosophie geopfert wurde. Ich meine, dass das nicht der Fall ist. Es gibt nämlich einen kleinen, aber wichtigen Unterschied: Im Griechischen geht es 9 Kreuzer, Siegfried, Die Frühgeschichte Israels in Bekenntnis und Verkündigung des Alten Testament, BZAW 178, Berlin 1989, 161–166.
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um das Sein, τὸ ὄν, in der Septuaginta ist Gott der Seiende, ὁ ὤν. Gott ist kein Neutrum, das mit philosophischen Begriffen erfasst und beschrieben werden kann, sondern er ist der Seiende, der Israel hört und für Israel handelt. Mit ὁ ὤν ist die Personhaftigkeit des Gottes Israels gewahrt. Wiederum erfahren wir exegetisch gesehen nichts Neues, aber wir erfahren sehr viel über den Übersetzer bzw. über die jüdisch-hellenistische Tradition und darüber, wie hier ein philosophisch-theologischer Diskurs einsetzt, in dem das Proprium der biblischen Gottesvorstellung gewahrt wird. Im Sinn dieser Beobachtungen hat Martin Rösel zutreffend gesagt: „Auch der Umgang mit dem Gottesnamen belegt also, dass die LXX nicht einfach als mechanische Übersetzung anzusehen ist, sondern als bewusst gestaltendes theologisches Dokument.“10 Ein merkwürdiger und zugleich besonders interessanter Fall ist Ex 22,27. Hier steht im Hebräischen: ֹלהים לֹא ְת ַק ֵּלל ִ א, ֱ „Gott sollst du nicht lästern“. Das ist ganz klar innerisraelitisch gedacht und formuliert: Der eine und wahre Gott Israels darf nicht verspottet werden. Das Merkwürdige ist nun, dass in der Septuaginta ֹלהים ִ ֱאoffensichtlich pluralisch aufgefasst ist: „Göttern sollst du nicht lästern“. Das ist rein von der Form her möglich: die Endung ‑im kann als Pluralendung aufgefasst werden, auch wenn ֹלהים ִ ֱאin der allergrößten Zahl der Fälle singularisch zu verstehen ist. Den Übersetzern war die singularische Bedeutung von Elohim angefangen von Gen 1,1 gewiss bekannt. Insofern ist die pluralische Wiedergabe wohl doch kein Versehen im Sinn einer mechanischen Wiedergabe der Endung, sondern eine bewusste Entscheidung der Übersetzer. Trotz aller Konzentration auf Jahwe, den Gott Israels, fordert diese Übersetzung Respekt gegenüber anderen religiösen Vorstellungen. Gewiss wird damit nicht der israelitische Monotheismus außer Kraft gesetzt. Aber: Wenn man möchte, dass die eigene Religion respektiert wird, dann muss man auch die Religion der anderen respektieren. Auch hier wurde der hebräische Text nicht verändert, sondern die Übersetzer (oder ist es auch hier wieder die frühjüdische exegetische Tradition?) holen, entsprechend dem frühjüdischen Schriftverständnis, eine neue Bedeutung aus dem Text. Hier wurde vor mehr als 2000 Jahren eine Einsicht formuliert, die auch heute hilfreich wäre. Allerdings hat diese Einsicht zwei Seiten: Es ist eine Sache, diese Aufforderung zur Toleranz aus der Position der Minderheit heraus zu formulieren, und es ist eine andere Sache, diese Toleranz auch in der Position der Stärke zu bewahren und umzusetzen. Doch zurück zur Septuaginta: Eine weitere und an vielen Stellen der Septuaginta zu findende monotheistische Variante, mit der die Alleinstellung Jahwes
10 Rösel, Martin, Exkurs: Übersetzung und Gebrauch des Gottesnamens, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang (Hg.), Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament (LXX.E) Band I. Genesis bis Makkabäer, Stuttgart 2011, 414.
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besonders hervorgehoben wird, ist die Umformulierung bezüglich des Zornes Gottes. Die erste Stelle findet sich in Ex 4,14: Der hebräische Text lautet: ר־אף יְ הוָ ה ַ וַ ִ ּֽי ַח אמר ֶ ֹ „ ְּבמ ֶֹׁשה וַ ּיDa entbrannte der Zorn des Herrn gegen Mose und er sagte …“. Der griechische Text scheint aufs Erste gleich zu sein und umfasst dieselbe Wortfolge: καὶ θυμωθεὶς ὀργῇ κύριος ἐπὶ Μωυσῆν εἶπεν. Aber es besteht doch ein markanter Unterschied: Im hebräischen Text ist der Zorn das Subjekt. Im Griechischen dagegen ist κύριος das Subjekt und der Zorn ist der Umstand: „Der Herr entbrannte im Zorn.“ Die Variante erklärt sich aus der Abwehr eines möglichen Missverständnisses: Im Hebräischen ist genaugenommen der Zorn das Subjekt. Auch wenn es der Zorn des Herrn ist, so könnte man doch diesen Zorn wie eine eigene Macht auffassen, wie eine Art Hypostase, die neben Jahwe tritt. Dieses mögliche Missverständnis wird durch die griechische Formulierung abgewehrt. Im Griechischen kann nur Gott selbst das Subjekt sein und ὀργῇ im Dativ beschreibt den näheren Umstand. Dass im Hebräischen wirklich der Zorn als das Subjekt gedacht ist, kann man aus der nächsten Stelle erkennen, an der vom Zorn des Herrn die Rede ist, Ex 22,23. Dort wird angedroht: וְ ָח ָרה ַא ִּפי וְ ָה ַרגְ ִּתי ֶא ְת ֶכם ֶּב ָ ֑ח ֶרב: „Mein Zorn wird entbrennen und ich werde euch mit dem Schwert töten.“ Die griechische Wiedergabe zeigt wieder die Veränderung: καὶ ὀργισθήσομαι θυμῷ καὶ ἀποκτενῶ ὑμᾶς μαχαίρᾳ. „Ich werde entbrennen im Zorn und ich werde euch töten durch das Schwert“. Hier ist sogar die Person des Verbs geändert: Statt „er wird entbrennen“ heißt es „ich werde entbrennen“. Gelegentlich gibt es Variationen in der Formulierung, so wird z. B. in Num 11,33 der Umstand ausgelassen und heißt es nur καὶ κύριος ἐθυμώθη εἰς τὸν λαόν, aber das Grundprinzip ist klar: Nicht der Zorn entbrennt, sondern Gott selbst zürnt oder entbrennt im Zorn; so z. B. auch in Dtn 31,17: aus וְ ָח ָרה ַא ִּפיwird καὶ ὀργισθήσομαι θυμῷ. Diese markante Veränderung gibt es auch jenseits des Pentateuchs; so z. B. im Richterbuch, etwa Ri 10,7: Aus ר־אף יְ הוָ ה ְּביִ ְׂש ָר ֵ ֑אל ַ וַ ּיִ ַֽחwird καὶ ἐθυμώθη ὀργῇ κύριος ἐν τῷ Ισραηλ. Zumindest erfolgt dies im sogenannten A-Text des Richterbuches.11 Es fällt auf, dass diese Veränderung im sog. B-Text bzw. in der kaige-Rezension beibehalten ist. Trotz ihrer sonst so genauen Anpassung an den hebräischen Bezugstext bleibt die kaige-Rezension bei dieser theologisch-monotheistischen Änderung. Allerdings macht sie es dann doch ein bisschen anders, indem sie die Begriffe vertauscht: Aus: ἐθυμώθη ὀργῇ κύριος, „der Herr entbrannte im Zorn“, machte sie: ὠργίσθη θυμῷ κύριος „der Herr erzürnte im Entbrennen“. Für diese Vertauschung gibt es eigentlich keinen Grund. Offensichtlich hatte die kaige11 Der A-Text des Richterbuches in der Septuagintaausgabe von Rahlfs, Alfred (Stuttgart 1935 bzw. jetzt Rahlfs, Alfred / Hanhart, Robert, Septuaginta, editio altera, Stuttgart 2006) basiert im Wesentlichen auf dem Codex Alexandrinus, ist aber darüber hinaus von Rahlfs im Sinn eines eklektischen Textes weiterbearbeitet.
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Rezension nicht nur bestimmte hermeneutische Regeln, sondern sie war auch eine Konkurrenzübersetzung, wie es Kim Jon-Hoon auch für manche Stellen in den Samuelbüchern aufzeigte.12 Eine Konkurrenzübersetzung muss nicht unbedingt besser sein, aber sie muss ein bisschen anders sein. Das kennen wir ja auch aus der Gegenwart. Man könnte noch eine Reihe weiterer theologischer Akzentuierungen aufzeigen, etwa die bekannte Beobachtung, dass die Arche in der Sintflutgeschichte mit dem gleichen Wort bezeichnet wird, wie die Bundeslade, nämlich mit κιβωτός, wodurch die soteriologische Bedeutung der Arche hervorgehoben wird und auch die schützende göttliche Präsenz über der Arche so, wie sie über der Bundeslade ist. Ebenfalls sehr bekannt ist, dass die Bezeichnung für Altar, hebr. מזְ ֵּבח, ִ im Griechischen differenziert wurde: βωμός für einen heidnischen oder illegitimen Altar, τὸ θυσιαστήριον für eine israelitischen und legitim für Jahwe errichteten Altar. Interessant ist auch hier wieder die kaige-Rezension. So sehr die kaigeRezension Wert legt auf eine genaue formale Entsprechung und eine möglichst konkordante Übersetzung, so belässt sie doch die Wiedergabe von ִמזְ ֵּב ַחmit zwei verschiedenen Begriffen. Neben dieser theologischen Differenzierung gibt es auch eine interessante Differenzierung im soziologischen Bereich, und zwar bei der Wiedergabe des hebräischen ֶע ֶבדmit zwei verschiedenen Begriffen, nämlich mit παῖς und δοῦλος. In diesem Fall geht es um das übersetzungstechnische Problem der große Bedeutungsbreite von ֶע ֶבדbzw. eigentlich darum, dass ֶע ֶבדein Beziehungsbegriff ist, wobei die Zuordnung vom Knecht des Bauern bis zum Diener bzw. Minister des Königs reichen kann, während im Griechischen ähnlich wie im Deutschen die einschlägigen Begriffe Statusbegriffe sind. Es fällt auf, dass die Septuaginta dennoch nicht nur nach Status wiedergegeben hat, und auch, dass die alte Septuaginta (G) und die kaige-Rezension zum Teil unterschiedlich vorgehen. Zu dieser wiederholt diskutierten Frage hat m. E. Kim Jong-Hoon die bisher plausibelste Erklärung vorgelegt,13 nämlich dahingehend, dass die Septuaginta – jedenfalls in den Geschichtsbüchern – zwar den unterschiedlichen Status παῖς und δοῦλος aufgreift bzw. notgedrungen aufgreifen muss, dass aber in der Wiedergabe von ֶע ֶבדrelational unterschieden wird: Wenn eine Zugehörigkeit zum Ausdruck gebracht wird, z. B. die Leute Davids, dann wird παῖς bzw. παῖδες verwendet; wenn dagegen jemand vor den König tritt und sich in unterwürfiger Rede als ֶע ֶבד bezeichnet, dann verwenden die Übersetzer δοῦλος. 12 Kim, Jong-Hoon, Die hebräischen und griechischen Textformen der Samuel‑ und Königebücher. Studien zur Textgeschichte ausgehend von 2 Sam 15,1–19,9, BZAW 394, Berlin 2008, 401. 13 Kim, Jong-Hoon, Die Wiedergabe von ֶע ֶבדmit δοῦλος oder παῖς in der Septuaginta der Samuel‑ und Königebücher, in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 391–403.
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Interessant ist auch hier wieder die kaige-Rezension, und zwar in zweifacher Hinsicht: Auch hier belässt die kaige-Rezension – gegen ihre sonstige Tendenz zur konkordanten Übersetzung – die doppelte Wiedergabe. Sie ändert aber die Verteilung der beiden Begriffe, nämlich nun nicht mehr relational, sondern nach Status: Wenn es um eine niedrig gestellte Person geht, ist diese ein δοῦλος, wenn es sich dagegen um eine höher gestellte Person handelt, so ist diese ein παῖς, z. B. ein παῖς des Königs. Mit der in diesen Beispielen genannten Unterscheidung zwischen G und der kaige-Rezension bzw. hebraisierender Bearbeitung sind zwei Stichworte gefallen, die in meinen Forschungen zur Septuaginta besonders wichtig geworden sind. Diesem Bereich möchte ich mich nun noch zuwenden.
4. Die Frage nach dem ältesten Text der Septuaginta Die Fragen um Text, Textgeschichte und Textkritik aber auch zur Bibelübersetzung beschäftigen mich schon lange. In meiner Zeit in Wien, wo ich als Assistent das Proseminar zu halten hatte, empfand ich diese Thematik nicht nur interessant, sondern auch als eine didaktische Herausforderung. Ich habe immer versucht zu vermitteln, dass es bei Textgeschichte und Textkritik nicht einfach um Varianten und Abschreibfehler geht, sondern – jedenfalls zu einem bedeutenden Teil – um Rezeptions‑ und Auslegungsgeschichte. So ist es nicht zufällig, dass ich in unserem Proseminarbuch, das ich zusammen mit Dieter Vieweger und anderen Kollegen und Kolleginnen verfasste, das Kapitel zur Textkritik schrieb.14 Unter dem Titel „Text, Textgeschichte und Textkritik. Zum Stand der Forschung an der Wende des Jahrhunderts“ legte ich dann 2002 in der Theologischen Literaturzeitung eine Bilanz des Forschungsstandes vor.15 Die Hinwendung zur Septuagintaforschung war aber doch ein neuer Schritt. Für mich begann diese Beschäftigung vor gut 15 Jahren mit einer kleinen Konferenz, die 1999 hier bei uns in Wuppertal stattfand. Martin Karrer und Wolfgang Kraus stellten erste Überlegungen für eine Übersetzung der Septuaginta ins Deutsche an und riefen einen Kreis von etwa 20 Personen zusammen.16 In 14 Kreuzer, Siegfried / Vieweger, Dieter u. a., Proseminar I: Altes Testament, Stuttgart 1999, 22005. 15 Kreuzer, Siegfried, Text, Textgeschichte, Textkritik. Zum Stand der Forschung an der Wende des Jahrhunderts, ThLZ 127 (2002), 127–156; jetzt in: Kreuzer, Siegfried, Geschichte, Sprache und Text. Studien zum Alten Testament und seiner Umwelt, BZAW 479, Berlin 2015, 298–336. 16 Zu den Anfängen und zur weiteren Geschichte von „Septuaginta-Deutsch“ siehe jetzt: Karrer, Martin, Die Septuaginta und ihre Erforschung – ein Schwerpunkt der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel seit 1995 / 1999; in: Wrogemann, Henning (Hg.), Theologie in Freiheit und Verbindlichkeit. Profile der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel, VKHW. NF 13, Neukirchen 2012, 135–167.
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diesem Zusammenhang wurde ich angefragt, die Koordination und die Herausgeberschaft für die älteren Geschichtsbücher zu übernehmen. Da ich mich auch zuvor schon häufig mit den Samuelbüchern beschäftigt hatte, war ich bereit, die Samuelbücher zu übersetzen, allerdings in Zusammenarbeit mit Martin Meiser, der dann auch einen guten Teil der eigentlichen Übersetzungsarbeit übernahm, während wir bei den Erläuterungen und Kommentaren sehr intensiv zusammenarbeiteten (gewissermaßen zum Ausgleich fielen mir dafür bei einigen anderen Geschichtsbüchern erhebliche Aufgaben zu, die durchaus über die Aufgaben eines Herausgebers hinausgingen). Ich gestehe gerne, dass ich bei dieser Tätigkeit sehr Vieles gelernt habe, sowohl von meinen Autorinnen und Autoren als auch von den Hauptherausgebern Wolfgang Kraus und Martin Karrer und auch von den Mitherausgebern und Fachberatern. Als Textgrundlage verwendeten wir die Göttinger Ausgabe bzw. an den Stellen, an denen diese nicht vorhanden war, die Ausgabe von Rahlfs. Dabei stellte sich auch die Frage nach dem Lukianischen bzw. Antiochenischen Text. Es war klar, dass dieser Text wichtig, aber auch sehr umstritten ist. Ich bin dafür eingetreten, dass wir an dieser Stelle über die bisherige Planung hinausgehen17 und diesen Text zumindest in den sog. kaige-Abschnitten mitübersetzen und kommentieren, zumal es zu diesem Textbereich seit kurzem eine spanische kritische Ausgabe gab.18 Um sie für uns besser zugänglich zu machen, bat ich Natalio Fernández Marcos, uns eine Kurzfassung seiner Einleitung zu verfassen, die dann im zweiten Brennpunkt-Band 2004 erschien.19 Mit diesem Antiochenischen bzw. Lukianischen Text ist bekanntlich ein großes Problem verbunden. Einerseits wurde er auf die Lukianische Rezension zurückgeführt, d. h. dass ein gewisser Lukian von Antiochien um 300 n. Chr. diesen Text bearbeitet haben soll. Andererseits fand man diesen Text schon lange vor Lukian, bei Josephus, im Neuen Testament sowie in der altlateinischen Übersetzung aus dem 2. Jh. Erstaunlicherweise bestätigten auch Qumrantexte lukianische Lesarten. Ein weiteres Problem war, dass Lukian offensichtlich unregelmäßig und widersprüchlich arbeitete. Lukian soll den ihm überkommenen Septuagintatext sprachlich verbessert haben. Dafür soll er vor allem erklärende Wörter oder den Artikel hinzugefügt haben; häufig tilgte er solche Wörter und den Artikel aber auch (schätzungsweise im Schnitt in etwa einem Viertel bis einem Drittel der Fälle), wobei ebenfalls keine Regelmäßigkeit zu erkennen ist. Auf Grund seiner 17 Gerne erwähne ich an dieser Stelle, dass mich darin auch ein Gespräch mit Anneli Aejmelaeus bestärkte, das ich mit ihr im Jahr 2003 auf unserer zweiten Tagung in Fulda führen konnte. 18 Fernández Marcos, Natalio / Busto Saiz, José Ramon, El texto antioqueno de la Biblia Griega I, TECC 50, Madrid 1989; II, TECC 53, Madrid 1992; III, TECC 60, Madrid 1996. 19 Fernández Marcos, Natalio, Einführung in den antiochenischen Text der griechischen Bibel in den Samuel‑ und Königbüchern (1–4 Kön LXX), in: Kreuzer, Siegfried / L esch, Jürgen Peter (Hg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Griechischen Bibel, Band 2, BWANT 161, Stuttgart 2004, 177–213.
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Beobachtungen stellte Alfred Rahlfs die Unregelmäßigkeit als das deutlichste Kennzeichen dieser lukianischen Bearbeitung heraus: „Denn der Hauptcharacterzug dieser Rezension ist das Fehlen eines klaren Prinzips“.20 Andere folgten ihm dabei21 bzw. kamen zu dem gleichen Ergebnis22 oder erklärten gar die angeblich klaren Prinzipien der Lukianischen Rezension als ein Apriori editorischer Arbeit.23 Dabei wird immer vorausgesetzt, dass der lukianische Text jung ist, wobei der Vergleich mit der manchmal sogenannten Hauptüberlieferung des Kodex Vaticanus durchgeführt wird. In dieser Zeit der intensiven Arbeit an der Übersetzung kam Kim Jong-Hoon aus Korea zu uns nach Wuppertal, um bei mir zur Septuaginta zu promovieren. Für die Dissertation überlegten wir ein Thema, das sich im Bereich von kaigeText und antiochenischem Text bewegen sollte, und zu dem es auch aus dem Bereich der damals endlich offiziell edierten Qumrantexte Material geben sollte. So kamen wir auf 2 Sam 15–19. Dieser Textbereich wurde auch für mich selbst ein guter Einstieg für meine weiteren Forschungen. Zunächst war ich jedoch noch nicht mit den Besonderheiten des lukianischen Textes beschäftigt, sondern mit Beobachtungen am kaige-Text der Samuel‑ bzw. Königebücher (und auch des Richterbuches): Es war allgemein anerkannt, dass die sog. kaige-Rezension eine hebraisierende Bearbeitung der ursprünglichen Septuaginta darstellt. Allerdings fiel mir auf, dass diese Bearbeitung nicht immer der hebräischen Grammatik entsprach. Konkret ging es um den Artikel, dessen Verwendung im griechischen kaige-Text nicht den Regeln der Determination des hebräischen Textes folgte, sondern der nur dort stand, wo im Hebräischen ein ה (bzw. manchmal auch die nota accusativi)24 zu sehen war. Außerdem fiel mir auf, 20 Rahlfs, Alfred, Lucians Recension der Königebücher, Septuagintastudien III, Göttingen 1911, 293. 21 So formuliert Ziegler, Joseph, Beiträge zur Jeremias-Septuaginta, MSU IV, Göttingen 1958, 162, als Ergebnis seiner Untersuchung zum Lukianischen Text des Jeremiabuches, insbesondere zum Artikelgebrauch: „Konsequenz war nicht seine Stärke.“ 22 Z. B. Brock, Sebastian P., The Recensions of the Septuagint version of 1 Samuel, Oxford 1966 = Turin 1996. Taylor, Bernard, The Lucianic Manuscripts of 1 Reigns, Vol. 1: Majority Text, HSM 50, Atlanta, GA 1992; Vol. 2: Analysis, HSM 51, Atlanta, GA 1993. Brock vereinheitlichte sein Ergebnis, indem er nur die „recurrent variants“, also jene Varianten, die in die gleiche Richtung gehen (d. h. die Ergänzungen), berücksichtigte und die „non recurrent variants“ (d. h. die „Minusse“) einfach beiseite ließ, obwohl sie im ganzen Text vorkommen: „are found over the whole of the ms tradition and present less interest“ (255). 23 So etwa bei Quast, Udo, Einführung in die Editionsarbeit, in: Aejmelaeus, Anneli / Quast, Udo (Hg.), Der Septuaginta-Psalter und seine Tochterübersetzungen, MSU 24, Göttingen 2000, 387–399, hier 394 f.: „Lediglich von dem Vorkommen der zwei großen christlichen Rezensionen des Origenes und Lukian kann von vornherein – oder wenigstens in den meisten Büchern – ausgegangen werden. Für sie stehen die Rezensionsmerkmale außerdem weitestgehend fest.“ 24 Die nota accusativi bewirkt zwar nicht die Determination, aber sie steht nur bei determinierten Objekten, insofern zeigt sie so wie der Artikel an, dass das folgende Nomen determiniert ist. Außerdem ist sie ein eigenes Morphem, insofern ist nach den kaige-Regeln die isomorphe Wiedergabe mit einem griechischen Artikel angemessen.
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dass in der Septuaginta-Fachliteratur im Blick auf den hebräischen Text immer nur vom (sichtbar geschriebenen) Artikel die Rede war, aber nicht von der umfassenderen Kategorie der Determination, die für die Verwendung des Artikels mitentscheidend ist. In dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiver mit der frühjüdischen Exegese – es war gerade das 25-jährige Jubiläum des sog. rheinischen Synodalbeschlusses von 1980, und Frank Ueberschaer und ich gaben ein Buch zum Thema heraus.25 Mir wurde klar, dass meine Beobachtungen an der kaige-Rezension zwar nicht der hebräischen Grammatik entsprachen, aber dem frühjüdischen Schriftverständnis. D. h. es ging bei der kaige-Rezension nicht nur um inhaltliche Wiedergabe, sondern auch um eine möglichst genaue formale Anpassung an den hebräischen Bezugstext. Praktisch alle Eigenheiten und auch Kuriositäten der kaige-Rezension waren auf diese isomorphe Bearbeitung zurückzuführen bzw. konnten von daher erklärt werden. Bei diesen Beobachtungen kam mir nun der entscheidende Gedanke: Ich bemerkte, dass man die Reihenfolge von lukianischem Text und kaige-Rezension umdrehen musste. Wenn man den lukianischen Text als Basis nahm, dann konnte man die Differenzen logisch und konsequent erklären. Der lukianische Text war nicht widersprüchlich oder inkonsequent, sondern eine gute und grammatisch korrekte Übersetzung. Dagegen haben die kaige-Bearbeiter den Text formal an das Hebräische angepasst. Diese isomorphe Anpassung führten sie konsequent nach ihren Regeln durch. Diese Anpassung an die Textoberfläche führte dazu, dass sie manchmal – selbst innerhalb eines einzigen Satzes – einen Artikel oder ein erklärendes Wort strichen oder ergänzten, je nachdem, ob in ihrem hebräischen Bezugstext ein Artikel oder das betreffende Wort zu sehen war oder nicht. Damit ergab sich eine konsistente Lösung des alten Problems der angeblichen Unregelmäßigkeit und Widersprüchlichkeit der angeblichen lukianischen Rezension: Der antiochenische bzw. lukianische Text war nicht spät und widersprüchlich bearbeitet, sondern er war die ältere Textform und die alte Grundlage, die von der kaige-Rezension bearbeitet wurde. Zwar gab es auch in dieser Perspektive gegenläufige Bearbeitungen, nämlich sowohl Streichungen als auch Ergänzungen. Aber das geschah nicht zufällig oder willkürlich, sondern in Anpassung an den hebräischen Bezugstext. Damit fand das alte Problem der unregelmäßigen und widersprüchlichen lukianischen Rezension eine einfache und in sich konsistente Erklärung. Da die kaige-Rezension schon im 1. Jh. v. Chr. erfolgte bzw. zumindest einsetzte, musste damit der antiochenische Text älter sein und der ursprünglichen Septuaginta zeitlich wie sachlich nahestehen, sofern 25 Kreuzer, Siegfried / Ueberschaer, Frank (Hg.), „Gemeinsame Bibel – Gemeinsame Sendung“ 25 Jahre Rheinischer Synodalbeschluss zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden, VKHW.NF 9, Neukirchen 2006; darin: Kreuzer, Siegfried, „Gemeinsam die Schrift lesen“. Aspekte jüdischer Schriftauslegung, 173–203.
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er nicht einfach die Old Greek repräsentierte. Mit dieser Entdeckung verschwand nicht nur die Widersprüchlichkeit der angenommen lukianischen Rezension, sondern die lukianische Rezension überhaupt. Diese Entdeckung trug ich erstmals 2004 in Straßburg bei der gemeinsamen Tagung mit dem französischen Projekt der Bible d’Alexandrie vor.26 Sie bewährte sich dann an vielen weiteren Texten in 2 Sam aber auch in 2 Kön. Auch in der Dissertation von Kim Jong-Hoon27 und in dem Forschungsprojekt, an dem Marcus Sigismund beteiligt war, ging es wesentlich um diese Fragen. Wie viele Septuagintaforscher nahm ich damals das Buch von Dominique Barthélemy, Les Devanciers d’Aquila, von 196328 zur Kenntnis und habe es vor allem mit der Identifikation der kaige-Rezension verbunden. Das wird auch in allen Lehrbüchern so dargestellt. Erst das genauere Studium des nicht ganz einfachen Buches zeigte mir, dass Barthélemy noch etwas anderes, nicht weniger Wichtiges entdeckte: Die kaige-Rezension ist per definitionem ein sekundärer Text. Das führt zur Frage: Gibt es die ältere Vorlage der kaige-Rezension noch oder ist sie verloren gegangen? Barthélemy fand heraus, dass der kaige-Text und der Antiochenische Text nicht unabhängig voneinander sind, aber dass der antiochenische Text nicht aus dem kaige-Text hervorgegangen sein kann („La forme antiochienne ne peut être issue de la forme palestinienne par abâtardissement“; 110). Daraus ergibt sich, dass der Antiochenische Text alt ist und praktisch die alte Septuaginta repräsentiert, wenn auch natürlich – so wie bei allen anderen Textformen – mit Textverderbnissen zu rechnen ist, die im Lauf der Zeit entstanden. Daraus folgte für Barthélemy, dass es keine lukianische Rezension um 300 n. Chr. gab. Barthélemy spricht ausdrücklich von der „pretendue recension lucianique“ (126), d. h. von der bloß angenommenen lukianischen Rezension. Darüber hinaus betrachtet er den lukianischen Text, den er lieber neutral als den antiochenischen Text bezeichnete, als die alte Septuaginta, wenn auch mit Textverderbnissen („c’est la vielle septante, plus ou moins abatârdie et corrumpue“).29 Im Grunde waren die Entdeckung der kaige-Rezension und die Neubewertung des antiochenischen Textes bei Barthélemy zwei Seiten derselben Medaille. Dass in der weiteren Forschung nur die eine Seite der kaige-Rezension gesehen 26 Kreuzer, Siegfried, Das frühjüdische Textverständnis und die Septuaginta-Versionen der Samuelbücher. Ein Beitrag zur textgeschichtlichen und übersetzungstechnischen Bewertung des Antiochenischen Textes und der Kaige-Rezension an Hand von 2 Sam 15,1–12 (Strasbourg 2004), in: Kraus, Wolfgang / Munnich, Olivier (Hg.), La Septante en Allemagne et en France. Septuaginta Deutsch und Bible d’Alexandrie, OBO 238, Fribourg / Göttingen 2009, 3–28. 27 S.o., Fn. 12. 28 Barthélemy, Dominique, Les devanciers d’Aquila. Première publication intégrale du texte des fragments du Dodécaprophéton, VTSup 10, Leiden 1963. 29 Barthélemy, Les Devanciers“, 127. Gegenüber dieser klaren Aussage wird manchmal darauf hingewiesen, dass Barthélemy später (nämlich in Barthélemy, Dominique, A Reexamination of the Textual Problems in 2 Sam 11:2–1 Kings 2:11 in the Light of Certain Criticisms of Les Devanciers D’Aquila. International Organization for Septuagint and Cognate Studies and
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wurde, ist merkwürdig und hat m. E. verschiedene Gründe: zunächst und wohl vor allem, weil das französische Buch oft nur von seinem Titel her zur Kenntnis genommen wurde. Sowohl der Titel als auch der Untertitel verweisen nur auf die kaige-Rezension. Die Frage nach der Vorgeschichte und die Aussagen zum lukianischen Text sind zwar schon im Inhaltsverzeichnis klar zu erkennen, aber erst vom Text her zu verstehen. Ein weiterer Faktor ist eine unglücklich verlaufene Fachdiskussion,30 und nicht zuletzt war es wohl die Selbstverständlichkeit mit der man gewohnheitsmäßig von der Existenz eines so genannten lukianischen Textes auf eine lukianische Rezension schloss. Die Konsequenz ist, dass bis heute viele Septuagintaforscher und ‑forscherinnen gewohnheitsmäßig an einer lukianischen Rezension festhalten und andererseits natürlich vorlukianische Textbestandteile zugeben müssen.31 In einem gern zitierten Statement hatte der große Septuagintaforscher und Bearbeiter des Pentateuch, John W. Wevers, seinerzeit festgestellt, dass die Unterscheidung zwischen lukianischen und protolukianischen Bestandteilen des antiochenischen Textes die vielleicht schwierigste Frage der Septuagintaforschung ist.32 – M. E. ist sie deswegen so schwierig, weil sie ein Phantom ist. Auf jeden Fall war es für mich eine sehr interessante Entdeckung, dass ich mit einem anderen methodischen Zugang zu demselben Ergebnis wie Barthélemy kam. Dass ich zu diesem neuen methodischen Zugang kam, war, wie dargestellt, the SBL Pseudepigrapha Seminar, 1972 Proceedings. Society of Biblical Literature, 1972, SCS 2, 1972, 16–89) seine Meinung revidiert habe. Das ist aber so nicht richtig. Er gestand zu, dass es in der Überlieferung des antiochenischen Textes nicht nur unabsichtliche Änderungen sondern auch absichtliche Bearbeitungen gegeben haben kann, aber er kehrte nicht zu einer lukianischen Rezension im klassischen Sinn zurück. 30 So vor allem durch Brock, Sebastian P., Lucian redivivus. Some Reflections on Barthélemy’s Les Devanciers d’Aquila, in: Cross, Frank L. (Hg.), Studia Evangelica V: Papers presented to the Third International Congress on New Testament Studies held at Christ Church, Oxford 1965, TUGAL 103, Berlin 1968, 176–181. Siehe dazu: Kreuzer, Siegfried, Lucian Redivivus or Barthélemy and Beyond?, in: Peters, Melvin K. H. (Hg.), IOSCS Congress Volume Helsinki 2010, SCS 59, Atlanta, GA 2013, 243–261. 31 Typisch dafür ist etwa der Titel von Hugo, Philippe, Die antiochenische ‚Mischung‘: L zwischen Altem und Neuem in 2 Samuel, in: Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Der Antiochenische Text der Septuaginta in seiner Bezeugung und seiner Bedeutung, DSI 4, Göttingen 2013, 109–132; auch Fernández Marcos, Natalio, The Antiochene Edition in the Text History of the Greek Bible, in: Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Der Antiochenische Text der Septuaginta in seiner Bezeugung und seiner Bedeutung, DSI 4, Göttingen 2013, 56–73, sieht den großen protolukianschen Anteil, setzt aber doch im Anschluss an Brock u. a., die lukianische Rezension voraus. 32 Wevers, John William, Proto-Septuagint Studies, in: McCullough, William S. (Hg.), The Seed of Wisdom, FS Theophile James Meek, Toronto 1964, 58–77, erörterte die verschiedenen Texte, die mit dem lukianischen Text übereinstimmen (Josephus, Vetus Latina, Teile der Peschitta) aber vor der Zeit Lukians liegen. Er lehnte dabei die verbreitete These ab, dass die Übereinstimmungen auf spätere Quereinflüsse oder Anpassungen zwischen den Handschriften zurückgehen. Wevers vermutete, dass die lukianische Rezension lediglich die Übernahme der astirisierten Zusätze aus der Hexapla beinhaltet habe (das ist allerdings etwas ganz anderes als
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keine vorweg getroffene Entscheidung, sondern eine sukzessive entstandene Einsicht. Dabei handelt es sich faktisch lediglich darum, die Texte ohne Vorentscheidung über Alter und Eigenheiten nach den klassischen Regeln der Textkritik zu betrachten, was im Kern auf die Aufgabe hinausläuft, die älteste Lesart zu suchen und die Entstehung der Varianten zu erklären. Diese Untersuchung habe ich nicht nur an 2 Sam 15 sondern auch an verschiedenen anderen Stellen wie etwa 2 Sam 12, 2 Kön 6,8–19 und 7,1–8 durchgeführt.33 Daraus ergab sich dann ein weiterer Schritt: Wie verhalten sich die Dinge außerhalb der kaige-Abschnitte? In den Nicht-kaige-Abschnitten von Samuel und Könige wurde der Text des Kodex Vaticanus im Wesentlichen als der ursprünglichen Septuaginta, bzw. der sog. Old Greek sehr nahe stehend betrachtet.34 Wenn nun auch der antiochenische Text alt ist, dann hat man zwei gute Kandidaten für den ältesten Text. Wenn beide Textformen der Old Greek nahe stehen, müssen natürlich diese beiden Texte auch ihrerseits relativ nahe zueinander sein. Das ist in der Tat der Fall, aber trotzdem gibt es auch Unterschiede. Logischer Weise gibt es drei Möglichkeiten für das Verhältnis der Texte zueinander: Entweder ist Text A älter und Text B bearbeitet, oder Text B ist älter und Text A ist bearbeitet, oder beide Texte sind bearbeitet.
das, was üblicherweise der lukianischen Rezension zugeschrieben wird), und kam dann zu der etwas resignativen Feststellung: „All in all, the so called proto-Lucianic text is to my mind the most difficult problem in modern Septuagint work.“ (69). Ähnlich Dines, Jennifer, The Septuagint, London / NewYork 2004: Die lukianische Rezension „constitutes one of the most complicated issues in LXX studies“ (103), und Jobes, Karen / Silva, Moisés, Inivation to the Septuagint, Grand Rapids 2000: „The most difficult and important problem related to this recension has to do with the presence of so·called Lucianic readings attested long before Lucian lived“ (54). 33 Kreuzer, Siegfried, Towards the Old Greek. New Criteria for the Evaluation of the Recensions of the Septuagint (especially the Antiochene / Lucianic Text and the Kaige-Recension), in: Lemaire, André (Hg.), Congress Volume Ljubljana 2007, SCS 55, Atlanta, GA 2008, 239–253; Kreuzer, Siegfried, Textformen und Bearbeitungen. Kriterien zur Frage der ältesten Textgestalt, insbesondere des Septuagintatextes, anhand von 2 Samuel 12, in: Hugo, Philippe / Schenker, Adrian (Hg.), Archaeology of the Books of Samuel. The Entangling of the Textual and Literary History, VTSup 132, Leiden / Boston, MA2010, 91–115; Lemaire, André, Translation and Recensions: Old Greek, Kaige, and Antiochene Text in Samuel and Reigns, BIOSCS 42 (2009), 34–51; Lemaire, André, Textformen, Urtext und Bearbeitungen in der Septuaginta der Königebücher, in: Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus (Hg.), Die Septuaginta – Entstehung, Sprache, Geschichte, Internationale Fachtagung Wuppertal 2010, WUNT 286, Tübingen 2012, 18–37. De facto ist auch die oben erwähnte Dissertation von Kim Jong-Hoon eine Untersuchung zu dieser Thematik. Siehe auch Sigismund, Marcus, Zwischen Krethi und Plethi. Textkritische Erwägungen zu den griechischen Versionen von 2 Sam 20,23–26 und Rekonstruktion der „Old Greek“, in: Karrer, Martin / Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament, ANTF 43, Berlin 2010, 51–74. 34 Siehe z. B. die Bezeichnung OG (=Old Greek) bei den nicht-kaige-Abschnitten von Samuel und Könige in der New English Translation of the Septuagint (NETS).
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Dieser Frage bin ich in mehreren Einzelstudien nachgegangen,35 und insbesondere hat Marcus Sigismund im Rahmen eines Forschungsprojektes die nicht-kaige-Abschnitte von 2 Sam untersucht. Es zeigte sich immer wieder, dass auch in diesem Bereich der Text des Kodex Vaticanus eine wenn auch mildere hebraisierende Bearbeitung erfahren hat. Konkret zeigt sich diese Bearbeitung manchmal beim Artikel, manchmal auch in der Wortwahl, vor allem aber in der Wortfolge, die an die Wortfolge des hebräischen Textes angepasst wurde. Die Bearbeitung in diesem Bereich wurde weniger streng durchgeführt, aber es sind dieselben Regeln wie bei der kaige-Rezension. Ich verwende daher den Begriff semi-kaige-Bearbeitung. Übrigens ist die Erkenntnis, dass auch der nicht-kaige-Text des Kodex Vaticanus bearbeitet wurde, nicht ganz neu. Schon in der Ausgabe von Alfred Rahlfs findet man, dass er nicht immer dem Kodex Vaticanus folgte, wobei es sich meistens nicht um schlichte Abschreibfehler handelt, sondern um richtige Varianten. De facto bedeutet das, dass der Kodex Vaticanus nicht immer den ältesten, sondern einen bearbeiteten Text bietet. Anneli Aejmelaeus kam bei ihren Arbeiten zu 1 Sam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die von ihr sogenannte Hauptüberlieferung – das ist im Wesentlichen Kodex Vaticanus – eine zwar leichtere, aber doch auch bewusste hebraisierende Überarbeitung erfuhr.36 Der Unterschied ist jedoch, dass ich – so wie Barthélemy – die Annahme einer lukianischen Rezension aufgab und die verschiedenen Lesarten ohne den vorgefassten Rahmen einer lukianischen Rezension betrachte.37 Was ich hier beschreibe, gilt m. E. nicht nur für Samuel und Könige, sondern auch für andere Textbereiche. Auch beim griechischen Text der Psalmen ist fest35 Kreuzer, Siegfried, Der Antiochenische Text der Septuaginta. Forschungsgeschichte und eine neue Perspektive, in: Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Der Antiochenische Text der Septuaginta, 23–56 (u. a. zu 2 Sam 2,2–8); Kreuzer, Siegfried, Älteste Septuaginta und hebraisierende Bearbeitung. Old Greek und Semi-kaige im nicht-kaige-Text von 2 Samuel (mit einer Analyse von 2 Sam 4,1–5), in: Kraus, Wolfgang / Kreuzer, Siegfried (Hg.), Die Septuaginta – Text, Wirkung, Rezeption, WUNT, Tübingen Mohr 2014, 73–88; Kreuzer, Siegfried, Old Greek und Semi-Kaige. Zur Frage hebraisierender Bearbeitung in den Nicht-Kaige-Abschnitten der Samuel‑ und Königebücher; in: De Troyer, Kristin / L aw, T. Michael / L iljeström, Marketta (Hg.), In the Footsteps of Sherlock Holmes. Studies in the Biblical Text in Honor of Anneli Aejmelaeus, CBET 72, Leuven 2014, 391–416 (u. a. zu 2 Sam 6,10–16). 36 Aejmelaeus, Anneli, The Septuagint of 1 Samuel, in: Aejmelaeus, Anneli, On the Trail of the Septuagint Translators, CBET 50, Leuven 2007, 123–141: „One must be ready to accept corruption or correction towards the Hebrew in the main line [= B-text and related manuscripts; SK] of textual transmission“ (127); und Aejmelaeus, Anneli, A Kingdom at Stake: Reconstructing the Old Greek – Deconstructing the Textus Receptus, in: Jokiranta, Jutta / Voitila, Anssi (Hg.), Scripture in Transition. Essays on Septuagint, Hebrew Bible, and Dead Sea scrolls, FS Raija Sollamo, JSJS 126; Leiden 2008, 353–366: „This kind of recensional development, typical of the so-called καίγε sections is clearly not absent in the non-καίγε sections either, but can be sporadically detected in the B-text“ (366). 37 Wie ich verschiedentlich geschrieben habe, bedeutet das nicht, dass ich spätere Bearbeitungen ausschließe, aber sie müssen aufgewiesen und dürfen nicht a priori vorausgesetzt werden.
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zustellen, dass an vielen Stellen eine Anpassung an den hebräischen Bezugstext erfolgte. D. h. auch bei den Psalmen gibt es mindestens zwei Phasen des Septuagintatextes: Die ursprüngliche Übersetzung und eine formal hebraisierende Bearbeitung. Ich kann das nicht in extenso darstellen, möchte aber ein Beispiel nennen: In Hebr 1,7 wird Ps 103,4 LXX zitiert. „… der seine Engel zu Geistern macht und seine Diener [zur] Flamme des Feuers, πυρὸς φλόγα“. Diese Lesart stimmt mit einem Teil der lukianischen Textüberlieferung und einem Korrektor im Kodex Alexandrinus überein, aber auch mit dem sahidischen und bohairischen Text. Dagegen folgt Rahlfs in der Göttinger Ausgabe wie auch in seiner Handausgabe den großen Kodices (B, S, A) und liest πῦρ φλέγον, brennendes Feuer, was der masoretischen Vokalisation von ֹלהט ֵ ( ֵאׁשPt.) entspricht. Für Rahlfs ist die Lesart von Sa, Bo, GL, und Ac (Korrektor c im Kodex Alexandrinus) wieder a priori Einfluss des NT: „ex Hebr 1,7“ und daher sekundär. Selbst wenn dem so wäre, bliebe noch immer die Frage, wie der Hebräerbrief zu seiner Lesart kommt und wie und wann diese Lesart sowohl in die ägyptische als auch in die syrische Septuagintaüberlieferung kam, um so weite Verbreitung finden zu können. Betrachtet man die beiden Lesarten dagegen ohne diese Vorentscheidung lediglich nach textkritischen Regeln, dann ist zunächst festzustellen, dass die beiden griechischen Lesarten auf denselben hebräischen Konsonantentext, aber auf unterschiedliche Vokalisationsmöglichkeiten zurückgehen. Betrachtet man den griechischen Text, so gibt es eigentlich keinen Grund, den Text in die eine oder die andere Richtung zu ändern. Somit bleibt die Erklärung, dass die Lesart des Hebräerbriefes sowie Sa, Bo, GL, und Ac den alten Septuagintatext repräsentieren, während die in B, S und A bezeugte Lesart formal genau an den (proto)masoretischen Text angepasst ist. Diese Überlegung entspricht nicht nur der textkritischen Hauptregel, dass jene Lesart die älteste ist, aus der sich die Entstehung der anderen Lesarten am einfachsten erklären lässt, sondern auch den bekannten und gerne zitierten – etwas unglücklich so genannten – Axiomen von Lagarde, denen zufolge jene Lesart Priorität besitzt, die am weitesten vom masoretischen Text entfernt ist.38 Wenn diese Lesart praktisch der alte Septuagintatext ist, wird verständlich, warum sie eine so weite Verbreitung fand, und zugleich wird deutlich, dass der Hebräerbrief – zumindest an dieser Stelle – noch G verwendete. Zugleich ist damit das Zitat in Hebr 1,7 der älteste erhaltene Beleg für G von Ps 103,4 LXX. In meinen Forschungen hielt ich mich bisher vom Pentateuch fern, zumal man dort wahrscheinlich nicht von einem lukianischen Text sprechen kann. Aber der grundlegende Zweischritt von ursprünglicher Übersetzung (G) und hebraisierender Anpassung könnte auch da vorhanden sein. Bei unserer Septua38 De Lagarde, Paul Anton, Anmerkungen zur griechischen Übersetzung der Proverbien, Leipzig 1863, 3.
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gintatagung im Juli 2014 in Wuppertal hielt Innocent Himbaza einen Vortrag mit dem Titel: „What are the consequences if 4 QLXXLeva contains the earliest formulation of the Septuagint?“39 Seiner Analyse zufolge enthält dieser Qumrantext in der Tat die älteste Textform, während die anderen bekannten Texte eine, wenn auch begrenzte hebraisierende Anpassung erfuhren. Andere Autorinnen und Autoren wiesen ebenfalls darauf hin, dass auch im Pentateuch Revisionen erkennbar sind. Doch zurück zu den Geschichtsbüchern und zum antiochenischen bzw. lukianischen Text: Es ist mir wichtig festzuhalten, dass die Bestreitung einer lukianischen Redaktion nicht gleichzusetzen ist mit der Bestreitung eines lukianischen Textes. Es gab offensichtlich Textformen bzw. Handschriften, die mit der Autorität des Märtyrers Lukian von Antiochien verbunden wurden. Darüber gibt es Nachrichten, und es gibt Handschriften, in denen sich ein λ als Hinweis auf eine lukianische Lesart findet. Das Standardargument für eine lukianische Rezension ist die Bemerkung des Hieronymus in seiner Vorrede zur Chronik. Dort begründet Hieronymus seine Arbeit mit dem hebräischen Text mit der Vielfalt der griechischen Textüberlieferung: Er nennt den hesychianischen Text, der in Ägypten verbreitet ist, den lukianischen Text für Syrien und dazwischen, für Palästina, den Text des Origenes. Diese Aufzählung ist zunächst nur eine Zuschreibung von Textformen an mehr oder weniger bekannte Autoritäten. Erst die moderne Forschung schloss daraus, wohl in Analogie zur Arbeit des Origenes, auf Rezensiontätigkeiten und sprach von lukianischer und hesychianischer Rezension.40 Es gibt aber auch noch eine andere Aussage des Hieronymus, und zwar in seinem Brief an die gotischen Geistlichen41 Sunnia und Fretela. Dort erklärt er, warum seine Revision der Psalmen an vielen Stellen vom traditionellen Text abweicht. Interessanterweise nennt er dabei nur zwei Textformen, den Text der Septuaginta und den Text des Origenes, der dem hebräischen Text nähersteht und dem er daher bei seiner Arbeit folgte. 39 Himbaza, Innocent, What are the consequences if 4 QLXXLeva contains earliest formulation of the Septuagint?, in: Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus (Hg.), Die Septuaginta – Orte und Intentionen. 5. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 24.–27. Juli 2014, WUNT 361, Tübingen 2016, 294– 308. 40 Übrigens gibt es hier ein gewisses terminologisches Problem: In der klassischen Philologie bezeichnet Rezension zunächst eine bestimmte Textform. In der Theologie wird hingegen mit Rezension an die Bearbeitung des Textes gedacht. Besonders ausgeprägt ist das im Amerikanischen, wo dann von manchen auch noch zwischen revision im Sinn einer leichten und recension im Sinn einer weiter gehenden und einheitlichen Bearbeitung unterschieden wird. 41 Ob sie Bischöfe waren, ist umstritten. Jedenfalls müssen sie, wie an ihrer Anfrage zu erkennen, bedeutende und gebildete Persönlichkeiten gewesen sein. Es gibt auch die Meinung, dass es sich um fiktive Adressaten handelt. Das ändert nichts daran, dass Hieronymus den Text verfasste, um seine Ansichten darzulegen.
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„… iliud breviter admoneo, ut sciatis aliam esse editionem, quam Origenes et Caesariensis Eusebius omnesque Graeciae tractatores κοινήν, id est communem, appellant atque vulgatam et a plerisque nunc λουκιάνειος dicitur, aliam LXX interpretum, quae et in ἑξαττλοῖς codi‑ cibus invenitur et a nobis in Latinum sermonem fideliier versa est et Hierosolymae atque in orientis ecclesiis decantatur.“ (Brief 106, § 2, 2) „Das schreibe ich, damit ihr wisst, dass es verschiedene Ausgaben gibt, die Ausgabe, die Origenes und Eusebius von Caesarea und andere Autoren als koine, das ist die allgemeine, bezeichnen und die jetzt die lukianische genannt wird, und (andererseits) die Septuaginta, die in den Hexapla-Kodizes gefunden wird und die von uns treu ins Lateinische übertragen wurde und die in Jerusalem und in den Kirchen des Ostens rezitiert (wörtlich: gesungen) wird.“
Hier sagt Hieronymus de facto, dass der lukianische Text erst neuerdings so genannt wird und dass er die allgemein verbreitete alte Septuaginta darstellt. Diese gegenüber der Vorrede zur Chronik ältere Äußerung des Hieronymus ist wenig beachtet, verdient aber besondere Aufmerksamkeit. Zum einen spricht er hier nur von zwei Textformen, zum anderen setzt er den jetzt sog. lukianischen Text ausdrücklich mit der verbreiteten Septuaginta gleich. Hieronymus unterscheidet offensichtlich zwischen zwei Textformen, eine dem (ihm bekannten und zu seiner Zeit normativen) hebräischen Text näher und eine diesem Text ferner stehende. Gemäß seiner Hinwendung zur hebraica veritas bevorzugt er den hebraisierten Text. Welche Textform er dabei genauerhin verwendete und was die von ihm sogenannten hexaplarischen Kodizes enthielten (nur den von Origenes revidierten Text oder auch Texte der Recentiores?) verrät er leider nicht. Für ihn war die Nähe zum hebräischen Text entscheidend. Auch vom Septuagintatext spricht er in eher allgemeiner Weise. Es ist aber doch interessant, dass es ausdrücklich der allgemein verbreitete Text ist, der von vielen so bezeichnet und der jetzt als der lukianische angesehen wird. Dieses „jetzt“ spricht dafür, dass es sich um eine gewisse Neuerung handelt, die noch nicht, wie die Lebenszeit Lukians, über hundert Jahre zurückliegt. Hieronymus spricht von einer erst seit einiger Zeit üblichen Zuschreibung. Diese Zuschreibung erklärt sich, wenn man nicht nur an Lukian als Gründer einer exegetischen Schule und als Märtyrer denkt, sondern wenn man auch die weitere Entwicklung beachtet. Lukian erlitt sein Martyrium in Nikomedien an einem See und sein Leichnam wurde auf der anderen Seite des Sees bestattet. Der Ort seines Gedenkens war offensichtlich zugleich der Ort, aus dem die Kaisermutter Helena stammte. Das verstärkte die Bedeutung Lukians sowie zugleich des neuen christlichen Kaiserhauses. In der Mitte des 4. Jh.s fand der Märtyrerkult um Lukian weite Verbreitung und Anerkennung.42 Durch die Verbindung mit Lukian erhielt der alte Septuagintatext eine gelehrte, eine martyriologische und in gewisser Weise auch eine kaiserliche Legitimation. Möglicherweise diente diese 42 Brennecke, Hanns Christof, Lucian von Antiochien (Martyrium 7.1.312), TRE 21 (1991), 474–479.
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Zuschreibung der Verteidigung der alten Septuaginta gegenüber hebraisierenden Revisionen, wie sie de facto Origenes mit der Hexapla begonnen hatte und wie sie Hieronymus mit seinem Bezug auf die hebraica veritas de facto weiterführte. Der für uns wesentliche Punkt ist, dass Hieronymus zwei Textformen voraussetzt, die allgemein verbreitete Septuaginta qua lukianischer Text und eine hebraisierte Textform, die er mit der Revisionsarbeit des Origenes verband. Im Grunde spiegelt sich hier, was wir auch aus der neueren Forschung kennen: nämlich dass es einen alten und weit verbreiteten Septuagintatext gab, und revidierte Textformen, die in unterschiedlicher Intensität an den hebräischen Bezugstext angepasst wurden. Für Hieronymus verbanden sich die hebraisierten Textformen mit Origenes, wobei wir nicht sagen können, auf welche „hexaplarischen Kodizes“ bzw. Textformen er sich genau bezog. Durch die Entdeckung der Qumrantexte im Allgemeinen und der kaige-Rezension im Besonderen verlagerte sich die Fragestellung zurück, nämlich im Wesentlichen bereits in die frühjüdische Zeit. Durch die Datierung der kaigeRezension in das 1. Jh. v. Chr. ergibt sich ein entsprechend früher Anfang der hebraisierenden Bearbeitung und eine entsprechend davor liegende Datierung der Bezugstexte. Damit soll nicht behauptet werden, dass es später keine Textveränderungen mehr gab. Es gab natürlich Abschreibfehler und andere Textverderbnisse und Versuche, den Text wiederherzustellen oder zu verbessern. Es mag auch einzelne umfangreichere Bearbeitungen einzelner Bücher gegeben haben; und es gab die Hexapla des Origenes. Aber der eigentliche Schwerpunkt der textkritischen und textgeschichtlichen Arbeit verlagerte sich jedoch in die frühjüdische Zeit. Im Grunde verschob sich mit den Texten aus Qumran und der Wüste Juda nicht nur die textkritisch relevante Phase für den hebräischen Text , sondern auch für die Septuaginta in die frühjüdische Zeit. Durch die Qumranfunde bewegen wir uns textkritisch nicht mehr im 3., 4. und 5. Jh., sondern in der frühjüdischen und frühchristlichen Zeit. Natürlich ist uns weiterhin vieles nur aus den großen Kodizes und anderen Manuskripten späterer Jahrhunderte zugänglich. Aber ähnlich wie für die hebräische Überlieferung zeigen die Qumrantexte auch für die griechische Überlieferung, dass die größeren Veränderungen am Anfang und in der Frühzeit geschahen, wobei die Texte zugleich mit hoher Sorgfalt weitergegeben wurden. Diese Sorgfalt der Überlieferung ist begründet in der Wertschätzung für den Inhalt der Schriften, der neben allen anderen Aspekten, ein theologischer ist und aus theologischen Gründen tradiert wurde. Die Besonderheit der Septuaginta ist, dass sie eine Übersetzung ist, die die Inkulturation des jüdischen Gottesglaubens in ein neues Umfeld widerspiegelt und die in ihrer Überlieferung immer auf diese Ursprünge bezogen blieb (letztlich gilt dieser zweifache Bezug auch für die Schriften ohne hebräische Vorlage). Dieser zweifache Bezug ist ein wesentlicher Grund für die Probleme der Septuagintaforschung, aber auch für ihren besonderen Reiz und ihre Bedeutung.
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Eine Theologie der Septuaginta? Präzisierungen und Pointierungen Martin Rösel Überlegungen zur theologischen Bedeutung der Septuaginta sind nicht neu. Seit dem Beginn der modernen Septuaginta-Forschung etwa bei Zacharias Franke1 oder Abraham Geiger2 wurden Beobachtungen am Text der griechischen Bibel gemacht, die auf wichtige inhaltliche Differenzen zumindest in Einzelheiten hindeuten. Bei Adolf Deissmann war 1903 von einer „Hellenisierung des semitischen Monotheismus“ die Rede3, und Georg Bertram sprach gar von der Septuaginta als praeparatio evangelica4 (1957) und prägte den Begriff der „SeptuagintaFrömmigkeit“. Wenig später (1962) fasste Joseph Ziegler „Erbe und Auftrag“ der Septuagintaforschung zusammen5 und formulierte als „dankbare und fruchtbare Aufgabe, [solche] Vorarbeiten zu machen, damit endlich auch einmal eine längst ersehnte Theologie der Septuaginta geschrieben werden kann“6. Eine der wichtigsten Vorarbeiten dieser Art – in der Rückschau gesehen – war sicher Isaak Leo Seeligmanns „Septuagint Version of Isaiah“7, in der es ein eigenes Kapitel gibt, in dem er die Jesaja-LXX als Dokument jüdisch-alexandrinischer Theologie versteht (Kap. 4, 95–121).8 1 Frankel, Zacharias, Über den Einfluss der palästinischen Exegese auf die alexandrinische Hermeneutik, Leipzig 1851. 2 Geiger, Abraham, Urschrift und Übersetzung der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der innern Entwickelung des Judentums, Frankfurt / M. 21928. Zu nennen wären auch die zeitgleich publizierten „Studien zur Septuaginta“ von Kaminka, Armand, MGWJ 72 (1928), 49–60.242–273. 3 Deissmann, Adolf, Die Hellenisierung des semitischen Monotheismus, NJKA, Leipzig 1903, 162–177. 4 Bertram, Georg, Praeparatio Evangelica in der Septuaginta, VT 7 (1957), 225–249. 5 Ziegler, Joseph, Die Septuaginta. Erbe und Auftrag, Würzburger Universitätsreden 33, Würzburg 1962. 6 Ziegler, Septuaginta, 28. 7 Seeligmann, Israel Leo, The Septuagint Version of Isaiah. A Discussion of its Problems, MEOL 9, Leiden 1948. 8 Vgl. auch die Fortentwicklung von Seeligmanns Beobachtungen bei Schaper, Joachim, God and the Gods: Pagan Deities and Religious Concepts in the Old Greek of Isaiah, in: Dell, Katharine J. / Davies, Graham / Koh, Yee Von (Hg.), Genesis, Isaiah, and Psalms, FS John Emerton, VTSup 135, Leiden / Boston, MA2010, 135–152.
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Schaut man sich die bis dahin vorgelegten Vorarbeiten etwas genauer an, so entdeckt man zum einen eine Fülle von instruktiven Beispielen für theologische Differenzen zwischen hebräischer und griechischer Bibel. Meist handelt es sich um theo-logische Aussagen im engeren Sinne, also etwa bei Ziegler oder auch Bertram um Gottesbezeichnungen wie παντοκράτωρ9 oder ἱκανός10. In der Regel stammen die Belege aus freier übersetzten Büchern wie Proverbien, Jesaja oder Hiob, die ohne die heute für notwendig erachtete Differenzierung nebeneinandergestellt werden. Daneben lässt sich aber auch oft als weitere Tendenz ein eigenes theologisches Interesse der Septuagintaforscher selbst erkennen: So schreibt Ziegler über die „dunklen hebräischen Wörter“, gegen die die griechischen Vokabeln „wie Edelsteine leuchten“ und ist Kirchenvätern wie Basilius und Gregor von Nyssa „von Herzen dankbar, dass sie nicht in enger, verschlossener Haltung nur die in hebräischer Sprache geschriebenen Bücher […] als heilig betrachteten“11. Während hier die Septuaginta, ähnlich wie bei Deissmann im Sinne einer Entgrenzungstheologie als der hebräischen Bibel überlegenes theologisches Zeugnis gewertet wird, konnte Georg Bertram auch der griechischen Bibel Abwertendes über das Judentum entnehmen. So schrieb er etwa im ThWNT, dass sich im Gebrauch von ἔργον in der Exodusseptuaginta aber auch sonst „die unmittelbar ablehnende Haltung des hellenistischen Juden gegenüber der Arbeit“ offenbare12; im Jahr 1935 wird dieser Satz auf eine ganz andere Hörbereitschaft als heute gestoßen sein. Von daher lässt sich leicht nachvollziehen, warum Rolf Rendtorff zuerst vehement gegen das Übersetzungsprojekt Septuaginta.Deutsch protestierte.13 In der jüngeren Septuaginta-Forschung wurde die Frage nach einer Theologie der Septuaginta intensiver diskutiert. Schon 1987 beschäftigte sich Emanuel Tov mit dem theologischen Verhältnis zwischen hebräischem und griechischem Text und stellte einige Beispiele für theologische motivierte Exegese zusammen. Ziegler, Septuaginta, 27. Georg, ίκανός in den griechischen Übersetzungen des ATs als Wiedergabe von schaddaj, ZAW 70 (1958), 20–31; Bertram, Georg, Theologische Aussagen im griechischen Alten Testament. Gottesnamen, ZNW 69 (1978), 239–246. Auch für Emanuel Tov gelten solche Übersetzungen als theologisch motiviert, vgl. Tov, Emanuel, The Translation of the Divine Names in the Greek Pentateuch (erscheint in LXX.H). 11 Ziegler, Septuaginta, 28. 12 Bertram, Art. ἔργον κτλ., ThWNT II, Stuttgart 1935, 641; Hinweis bei Tov, Emanuel, Theologically Motivated Exegesis Embedded in the Septuagint, in: Tov, Emanuel, (Hg.), The Greek and Hebrew Bible. Collected Essays on the Septuagint, VTSup 72, Leiden / Boston, MA 1999, 269. 13 Dies im Rahmen einer Projektvorstellung im Rahmen des Rhein-Main-Exegetentreffens am 22. 1. 2000. Vgl. bereits 1959 Schoeps, Hans-Joachim, Paulus. Die Theologie des Apostels im Lichte der jüdischen Religionsgeschichte, Tübingen 1959, 16–21, zur „Frömmigkeit der Septuaginta“ und 224–230, wo er die LXX negativ bewertete, weil sie für Paulus’ Fehlverständnis des Gesetzes verantwortlich sei (Hinweis von Müller, Mogens, Theology in the LXX? in: Law, T. Michael / Salvesen, Alison G. [Hg.], The Oxford Handbook of the Septuagint [im Druck]). 9
10 Bertram,
Eine Theologie der Septuaginta?
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Gleichzeitig stellte er aber fest, dass „sich in der LXX weniger exegetische Elemente finden, als oft angenommen wird“14. In den letzten 15 Jahren stellten dann Mario Cimosa15, Jan Joosten16 und ich selbst17 die Frage, ob es möglich ist, eine Theologie der LXX zu schreiben – und beantworteten diese positiv. Mein eigener Aufsatz ist wiederum im Zusammenhang mit dem Projekt Septuaginta.Deutsch zu sehen, denn er entstand als Positionsbestimmung für ein gemeinsames Treffen im Jahr 2002 mit dem amerikanischen Projekt „New English Translation of the Septuagint“ in Bangor / Maine.18 In der Folgezeit gab es dann eine ganze Reihe von Reaktionen, bei denen mir u. a. von Johann Cook bescheinigt wurde, einen „maximalist approach“ zum Thema zu haben,19 weil ich sehr zuversichtlich bin, dass man unterschiedliche Aspekte einer Theologie der LXX erheben kann. Die Gegenposition der diesbezüglich sehr skeptischen Minimalisten wird v. a. im amerikanischen NETS-Team um Albert Pietersma identifiziert. Sie stellen zwar nicht prinzipiell in Abrede, dass es theologisch motivierte Elemente in der LXX gibt, fragen aber an, ob diese als umfassende „Theologie“ darstellbar sind. Pietersma selbst diagnostizierte gar aufgrund der großen Diskrepanz der Ansätze eine „Krise der Disziplin“20. Im Folgenden möchte ich nun auf zwischenzeitlich geäußerte Anfragen reagieren21 und meine Vorstellungen von einer Theologie der Septuaginta erläutern. Dazu
14 Tov,
Emanuel, Die Septuaginta in ihrem theologischen und traditionsgeschichtlichen Verhältnis zur hebräischen Bibel, in: Klopfenstein, Martin (Hg.), Mitte der Schrift? Ein jüdisch-christliches Gespräch, Judaica et Christiana 11, Bern 1987, 265. 15 Cimosa, Mario, È possibile scrivere una „teologia“ della Bibbia Greca (LXX)?, in: Fabris, R. / Festorazzi, F. (Hg.), Initium sapientiae. Scritti in onore di Franco Festorazzi nel suo 70° compleanno, Supplementi alla Rivista biblica 36, Bologna 2000, 51–64. 16 Joosten, Jan, Une théologie de la Septante? Réflecions méthologiques sur l’interprétation de la version greque, RThPh 132 (2000), 31–46. 17 Rösel, Martin, Towards a „Theology of the Septuagint“, in: Kraus, Wolfgang / Wooden, R. Glenn (Hg.), Septuagint research. Issues and challenges in the study of the Greek Jewish scriptures, SCS 53, Atlanta, GA 2006, 239–252. Eine deutschsprachige Version findet sich unter dem Titel: Der griechische Bibelkanon und seine Theologie, in: Engberg-Petersen, Troels / L emche, Nils P. / Tronier, Henrik (Hg.), Kanon. Bibelens tilblivelse og normative status, FS Mogens Müller, Forum for Bibelsk Eksegese 15, Kopenhagen 2006, 60–80. 18 Eine ausgewogene Darstellung der beiden Übersetzungsprojekte findet sich jetzt bei Gauthier, Randall X., Psalms 38 and 145 of the Old Greek Version, VTSup 166, Leiden / Boston, MA 2014, 41–62. 72–80. 19 Cook, Johann, Towards the Formulation of a Theology of the Septuagint, in: Lemaire, André (Hg.), Congress Volume. Ljubljana 2007, VTSup 133, Leiden / Boston, MA2010, 621. Vgl. auch Cook, Johann, Interpreting the Septuagint – Exegesis, Theology and / or Religionsgeschichte? in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta. Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 590. 20 Pietersma, Albert, Messianism and the Greek Psalter. In Search of the Messiah, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, BEThL 195, Leuven 2006, 51. 21 Vgl. Cook, Towards the Formulation, 637, der die damaligen Überlegungen als „helpful, […] but somewhat premature“ einschätzt.
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werde ich zunächst kurz meine frühere Argumentation referieren und danach einige Leitfragen verfolgen: – Was bedeutet „Theologie“ der Septuaginta? – Wie ist die Theologie der Septuaginta greifbar? – Was bedeutet in diesem Zusammenhang „Septuaginta“? – Nur eine Theologie der Septuaginta?
1. „Towards a Theology of the Septuagint“ Ausgangspunkt der damaligen Überlegungen22 war, dass die Septuaginta in der neueren Forschung aufgrund von klareren methodischen Kriterien nicht mehr als Einheit zu begreifen ist, so dass man einfach Belegstellen aus verschiedenen Teilen der Schriftensammlung nebeneinanderstellen kann.23 Stattdessen etablierte sich, dass einzelne Bücher separat auf ihre Übersetzungsweise befragt werden, so dass z. B. das eigenständige Profil der Exodus-LXX neben dem des griechischen Numeribuches erhoben wird. Erst in einem zweiten Schritt kann dann differenzierend zusammengefasst werden, was als gemeinsame Aussage des griechischen Pentateuch zu verstehen ist. Diese ist dann wieder von den griechischen Proverbien oder Jesaja zu unterscheiden. Mein Eindruck war und ist, dass diesem Forschungsstand ein doppelt vergleichender Zugang zur Frage der Theologie angemessen ist:24 Zum einen sind buch‑ bzw. abschnittsweise hebräischer und griechischer Text miteinander zu vergleichen, zum zweiten dann die so erhobenen Aussagen der griechischen Bücher untereinander. Damit ist zugleich deutlich, dass eine Theologie der LXX notwendig diachron angelegt sein muss. Diese Forderung nach Diachronie ist m. E. unmittelbar evident, wenn man die sehr unterschiedlichen äußeren Verstehensbedingungen, die „hermeneutische Großwetterlage“, bedenkt, die sich vom 3. zum 2. und 1. vorchristlichen Jahrhundert erheblich veränderte; ich nenne als wichtige Elemente der Veränderung nur die Seleukidenherrschaft und den Makkabäerkonflikt in Israel, dazu die Frage nach der Standardisierung einer proto-masoretischen Textform. Dieser doppelt vergleichende Zugang ermöglicht es, sowohl das Spezifikum einzelner Übersetzungen als auch das Gemeinsame bestimmter Textgruppen wahrzunehmen. Das ist m. E. von Bedeutung, weil das zeitgenössische Lesepublikum die biblischen Texte zumindest abschnittsweise als Einheiten wahrnahm, 22 Vgl. Fn. 13. Die dort gegebenen Nachweise zu den genannten Fragestellungen werden hier nicht wiederholt. 23 So bereits die Kritik von Tov, Septuaginta, 259, an Schreiner, der „von einem Buch zum anderen springt“; s. Schreiner, Josef, Hermeneutische Leitlinien in der Septuaginta, in: Loretz, Oswald / Strolz, Walter (Hg.), Die hermeneutische Frage in der Theologie, Schriften zum Weltgespräch 3, Freiburg 1968, 356–394. 24 So auch Joosten, Une Théologie?, 33.
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wie etwa Pentateuch oder Geschichtsbücher.25 Diese buchübergreifende Zusammenstellung von gemeinsamen Merkmalen läuft etwas gegen den Trend, sich aus Gründen methodologischer Klarheit auf nur ein Buch zu begrenzen.26 Aber neben den Differenzen im Einzelnen gibt es doch Belege für den Zusammenhang der Bücher, etwa durch das gemeinsame Kultvokabular, Konventionen zur Wiedergabe der Gottesnamen oder die einheitliche Verwendung von Begriffen wie διαθήκη etc. Obwohl bekanntermaßen Lokalisierung und Datierung der einzelnen Bücher oft nicht sicher bestimmbar sind, lässt sich daher doch in vielen Fällen von einem gemeinsamen Entstehungsmilieu ausgehen, das zweifelsohne auf die Schriften einwirkte.27 Dies rechtfertigt, wenigstens für Alexandria, diese zusammenfassende Perspektive im zweiten Schritt der LXX-Exegese. Die bei diesen doppelten Vergleichsdurchgängen gewonnen Erkenntnisse können dann – das wäre der nächste methodische Schritt – zu Themenfeldern systematisiert werden, also etwa Aussagen über das Gottesbild, die Abgrenzung zu fremden Kulten, die Messiaserwartung, den Nomos oder anthropologische Akzentsetzungen zusammenfassen. Auch dabei wäre darauf zu achten, welche Themenfelder oder Konzepte der hebräischen Bibel verändert oder aber ohne tiefgreifende Änderung übernommen wurden. Dies ist einerseits wichtig, weil nur so ein Gesamtbild von den Aussagen der griechischen Bibel entstehen kann. Andererseits ist von Bedeutung, dass die semantischen Konnotationen der verwendeten Begrifflichkeit Veränderungen unterlagen. So konnte Lexeme wie ψυχή28, διαθήκη oder δικαιοσύνη beim Übersetzen durchaus vom hebräischen Bedeutungsgehalt her verstanden worden sein, den sie aber später zugunsten der 25 Dies ist nur indirekt zu erschließen, da die erhaltenen Texte wegen der Verwendung von Rollen als Schreibmaterial nur einzelne Bücher belegen, vgl. für einen Überblick Kraft, Robert A., The „Textual Mechanics“ of Early Jewish LXX / OG Papyri and Fragments, in: McKendrick, Scott / O’Sullivan, Oralaith (Hg.), The Bible as book: The transmission of the Greek text, London / New Castle 2003, 51–72. Allerdings sind in Qumran durchaus Texte belegt, die auf größere Einheiten hinweisen, z. B. 4 QGen-Exoda; 4 QpaleoGen-Exodl, 4 QExod-Levf. 26 Vgl. Cook, Towards the Formulation, 636: „I think that the individual book should act as a guideline as to how ‚LXX theologies‘ should be formulated.“ Daher konzentrieren sich verschiedene Forscher stark auf einzelne Bücher, so etwa L. Perkins auf die Exodus-LXX; Cook selbst v. a. auf die Proverbien oder E. Glenny auf das Dodekapropheton. 27 S. dazu Aejmelaeus, Anneli, The Septuagint and Oral Tradition, in: Peters, Melvin K. H. (Hg.), XIV Congress of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies. Helsinki, 2010, SCS 59, Atlanta, GA 2013, 5–13, oder Joosten, Jan, On Aramaizing Renderings in the Septuagint, in: Joosten, Jan (Hg.), Collected Studies on the Septuagint: From Language to Interpretation and Beyond, FAT 83, Tübingen 2012, 53–66, der auf Sprachkontakte mit dem jüdisch-alexandrinische Soziolekt hinweist; dies ist weiter ausgeführt in: Joosten, Jan, Language as a Symptom. Linguistical Clues to the Social Background of the Seventy, in: Joosten, Jan (Hg.), Collected Studies on the Septuagint: From Language to Interpretation and Beyond, FAT 83, Tübingen 2012, 185–194. 28 Zum Problem der Seelenvorstellung vgl. nun Rösel, Martin, Die Geburt der Seele in der Übersetzung. Von der hebräischen näfäsch über die psyche der LXX zur deutschen Seele, in: Wagner, Andreas (Hg.), Anthropologische Aufbrüche. Alttestamentliche und interdisziplinäre Zugänge zur historischen Anthropologie, FRLANT 232, Göttingen 2009, 151–170.
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hellenistischen Prägung verloren. Hier sind weitere Untersuchungen nötig, wie sie von dem geplanten Theologischen Wörterbuch zur Septuaginta zu erwarten sind.29 Die Forderung nach Diachronie betrifft jedenfalls auch die Semantik der Septuaginta-Sprache. Schließlich scheint es mir nach wie vor sinnvoll, auch die späteren Revisionen einzubeziehen. In verschiedenen Fällen – beim Daniel-30 oder beim Esterbuch31 ist dies besonders deutlich – werden theologisch relevante Aussagen bei der Revision oder Nachübersetzung des Buches zurückgenommen oder anders akzentuiert. So erhält man einen Eindruck davon, welche Themengebiete im damaligen Judentum virulent waren. Hinzu kommt, dass diese Perspektive besonders für die Frage nach dem Umgang neutestamentlicher Schriftsteller mit der griechischen Bibel von Bedeutung ist; denn deren Zitate weichen oft genug von dem ab, was wir heute als ältesten Septuaginta-Text verstehen.32 Soweit meine damaligen Skizzierungen, die ich im Folgenden etwas präzisieren möchte.
2. Was bedeutet „Theologie“ der Septuaginta? In der aktuellen Debatte wird eine Reihe von Begriffen zur Beschreibung der gleichen Phänomene parallel verwendet. Ich wies schon darauf hin, dass Emanuel Tov eher zurückhaltend nur von „theologisch motivierter Exegese“ spricht 29 Als Hinweis auf die Problematik vgl. Lee, John A., Review of T. Muraoka, A Greek-English Lexicon of the Septuagint, BIOSCS 43 (2010), 115–125; als eindrückliches Beispiel für die Komplexität der semantischen Bestimmung Joosten, Jan, חסד, ‚Benevolence‘, and ἔλεος, ‚Pity‘. Reflections on Their Lexical equivalence in the Septuagint, in: Joosten, Jan (Hg.), Collected Studies on the Septuagint: From Language to Interpretation and Beyond, FAT 83, Tübingen 2012, 97–111, der darauf hinweist, dass ἔλεος offensichtlich seine hellenistische Prägung behalten hat. 30 Im Danielbuch ist die Pointierung der Gottesbezeichnungen ein eindrückliches Beispiel, vgl. dazu Rösel, Martin, Der Herr des Daniel. Zur Übersetzung der Gottesnamen in der Daniel-LXX, in: Wagner, Thomas / Robker, Jonathan M. / Ueberschaer, Frank (Hg.), Text – Textgeschichte – Textwirkung, FS Siegfried Kreuzer, AOAT 419, Münster 2014, 399–411. 31 Hier ist auf den sog. Alpha-Text zu verweisen, vgl. De Troyer, Kristin / D oyle, Brian, The end of the alpha text of Esther: Translation and narrative technique in MT 8:1–17, LXX 8:1–17, and AT 7:14–41, SCS 48, Atlanta, GA 2000. Vgl. auch die Hinweise von Jennifer Dines, dass spätere Revisionen im Richterbuch Pointierungen der Übersetzung zurücknehmen: Dines, Jennifer, What if the Reader Is a She? Biblical Women and their Translators, in: Clines, David J. A. / Exum, J. Cheryl (Hg.), The Reception of the Hebrew Bible in the Septuagint and the New Testament: Essays in Memory of Aileen Guilding, HBM 55, Sheffield 2013, 72 f. 32 Zum Problemfeld vgl. Steyn, Gert J., Which „LXX“ are We Talking about in NT Scholarship? Two examples from Hebrews, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, WUNT 219, Tübingen 2008, 697–707, oder den Überblick bei Law, Timothy M., When God spoke Greek: The Septuagint and the making of the Christian Bible, Oxford / New York 2013, 85–98: „The Septuagint behind the New Testament“.
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(die von linguistischer und kontextueller Exegese unterschieden wird); auch verneint er, dass die einzelnen Theologoumena zu einem System verbunden werden können.33 Johann Cook verwendet „Ideologie“ und Theologie (auch im Plural) nahezu synonym,34 daneben auch „Exegese“ und „religionsgeschichtliche Aktivität“35, und Anneli Aejmelaeus und Evangelia Dafni behandeln die „Theologie der Sprache der LXX“, weil die Theologie nur über die Sprache zugänglich ist.36 Nicht immer sind mir die Differenzierungen der Begriffe und die Begründung für Ihre Verwendung deutlich, daher scheint eine Klärung nötig zu sein, wie der Begriff einer „Theologie der Septuaginta“ zu verstehen ist: Nutzt man einen von der christlichen Dogmatik geprägten Begriff von „Theologie“ für die Septuaginta,37 so ist wohl offensichtlich, dass keine Theologie im Sinne eines ausformulierten Lehrgebäudes zu erwarten ist. Insofern teilt die LXX das Problem einer Theologie des AT oder einer biblischen Theologie.38 Ebensowenig ist mit der Textsorte einer theologischen Abhandlung zu rechnen, sieht man vielleicht von der Sapientia Salomonis einmal ab. Aber, hier folge ich z. B. Konrad Schmid, wie in der hebräischen Bibel gibt es auch in der LXX Texte, die Theologie enthalten. Dies wäre als implizite Theologie zu bezeichnen,39 die sich in unterschiedlicher Weise in den verschiedenen Schriften der LXX findet. Verwendet man nun einen so breiten Theologiebegriff, ist zu fragen, wie er inhaltlich zu füllen ist. Denn es ist ja den minimalistischen Positionen zuzustimmen, wenn sie darauf hinweisen, dass viele Entscheidungen beim Übersetzungsvorgang nicht oder nicht notwendig auf theologische Überlegungen zurückgehen.40 Schon Gerhard Ebeling (1955) hatte sich bei seinen Überlegungen zur Biblischen Theologie mit dieser Problematik befasst und als Kriterium erhoben, dass innerbiblische Theologie „aus dem Zusammentreffen des biblischen Offen Tov, Septuaginta, 258. Cook, Towards the Formulation, 622. 35 Cook, Interpreting the Septuagint, 590. 36 Aejmelaeus, Anneli, Von Sprache zur Theologie. Methodologische Überlegungen zur Theologie der Septuaginta, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, BEThL 195, Leuven 2006, 22. Dafni, Evangelista G., Theologie der Sprache der Septuaginta, ThZ 58 (2002), 315–328. 37 Zu antiken Verwendungen des Begriffs „Theologie“ vgl. noch immer Kattenbusch, Ferdinand, Die Entstehung einer christlichen Theologie, ZThK 38 (1930), 161–205. 38 So etwa Ebeling, Gerhard, Was heißt „Biblische Theologie“?, in: Ebeling, Gerhard, Wort und Glaube, Tübingen 31967, 85 ff.; Schmid, Konrad, Gibt es Theologie im Alten Testament? Zum Theologiebegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft, ThSt.NF 7, Zürich 2013, 9–13, zur Fragestellung. 39 Schmid, Theologie, 54–58. Die Bezeichnung „implicit theology“ hatte ich schon in meinem früheren Aufsatz „Towards a Theology“ verwendet (245, Fn. 20), hier noch mit etwas anderer inhaltlicher Füllung, um Übersetzer und Gemeinde zusammenschauen zu können. 40 S. z. B. Aejmelaeus, Von Sprache, 30–32; s. auch die Beispiele bei Joosten, Jan, Exegesis in the Septuagint Version of Hosea, in: Joosten, Jan (Hg.), Collected Studies on the Septuagint: From Language to Interpretation and Beyond, FAT 83, Tübingen 2012, 123–145, mit der Zusammenfassung 141. 33 34
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barungszeugnisses mit dem griechischen Denken hervorgeht“41; es geht also um Auseinandersetzung und kritische Reflexion. Die Verkündigung der alttestamentlichen Propheten wäre demnach keine Theologie, selbst wenn sie der wissenschaftlichen Explikation im Rahmen einer Theologie des AT bedarf. Konrad Schmid hat dies nun weitergeführt, indem er auf die Fortschreibungsprozesse schon innerhalb der einzelnen Schriften der hebräischen Bibel hinweist: Der überlieferte Text nötigt zu Reflexion und Interpretation und setzt daher Ergänzungsprozesse in Gang; das AT ist „reflektierende Interpretation vorgegebener religiöser Texte“42. Ähnlich ist die Definition von Folker Siegert in Bezug auf das hellenistische Judentum, die explizit die Septuaginta mit einbezieht: „Theologie ist denkerisches Bemühen um Gottes Wort“43. Somit wäre „Theologie der LXX“ zunächst im Sinne eines Genitivus subjectivus als implizite Theologie der griechischen Übersetzungen zu verstehen, bei denen der Reflexionscharakter konstitutives Merkmal ist. Als Genitivus objectivus wäre „Theologie der LXX“ hingegen die Theologie, die sich aus der LXX ergibt und sich etwa bei den jüdisch-hellenistischen Schriftstellern Alexandrias feststellen lässt. Dies nimmt auch die von Albert Pietersma immer wieder geforderte Differenzierung der Perspektiven von production and reception angemessen auf.44 Interessanterweise hat „die Septuaginta“, wenn man sie als Einheit betrachtet, auch Elemente der Theologie im Sinne eines Genitivus objectivus als sich aus dem Text ergebende Theologie. Das wäre in der schon genannten Weisheit Salomos in lehrhaft-apologetischer Form zu fassen, im Buch Judit in narrativer Form, wenn die Rede vom Herrn, der Kriege zerschlägt (κύριος συντρίβων πολέμους), aus Ex 15,3 LXX dort zur Grundaussage der Geschichte gemacht und narrativ entfaltet wird.45 Es bliebe zu untersuchen, ob und in welchem Umfang solche sich aus dem
Ebeling, Biblische Theologie, 86. Theologie, 54. Ähnlich auch die englischsprachige Definition von Barr, The Concept of Biblical Theology, London 1999, 249: „Theology is a reflective activity in which the content of religious expressions is to some extent abstracted, contemplated, subjected to reflection and discussion, and deliberately reformulated“ (aufgenommen bei McLay, Timothy, Why Not a Theology of the Septuagint?, in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta. Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 610). 43 Siegert, Folker, Die hellenistisch-jüdische Theologie als Forschungsaufgabe, in: Siegert, Folker / Kalms, Jürgen U. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium. Münster 1997, Münsteraner judaistische Studien 2, Münster 1998, 11. 44 Pietersma, Albert, Text-Production and Text-Reception: Psalm 8 in Greek, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, WUNT 219, Tübingen 2008, 487–501. 45 Vgl. Schmitz, Barbara, κύριος συντρίβων πολέμους „The Lord who crushes wars“ (Exod 15:3 LXX). The formative importance of the Song of the Sea (Exod 15:1–18 LXX) for the Book of Judith, JSCS 47 (2014), 5–16. Das gilt auch, wenn die Aussage aus Ex 15,3 so zu verstehen ist, dass der Herr sich in den Kriegen gewaltsam durchsetzt, so: Perkins, Larry, ‚The Lord is a Warrior‘ – ‚The Lord Who Shatters Wars‘: Exod 15:3 and Jdt 9:7; 16:2, BIOSCS 40 (2007), 121–138. 41
42 Schmid,
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Text ergebende Theologie nur in Büchern festzustellen ist, die auf Griechisch neu formuliert wurden, oder auch in übersetzten Schriften.46 Als Kriterium für implizite Theologie, um die es mir vordringlich gehen soll, war bisher der Reflexionscharakter genannt. Über Schmid hinaus lässt sich m. E. ein weiteres Element benennen, das vom traditionellen, eher scholastischen Theologiebegriff stammt, nämlich das der Systematisierung vorgegebener Aussagen.47 Ich will das Gemeinte kurz am Beispiel der Terminologie für den Altar verdeutlichen. Bekanntermaßen werden in der hebräischen Bibel sowohl heidnische als auch israelitische Altäre als ִמזְ ֵּב ַחbezeichnet. Die Übersetzer der LXX differenzieren jedoch zwischen den griechischen Lexemen θυσιαστήριον und βωμός und können so zwischen rechtgläubig und pagan unterscheiden. Dies wird dann aber noch weitergeführt, indem mit ἱλαστήριον ein Neologismus für die Sühnestätte gebildet wird, der einen sprachlichen Zusammenhang mit der Bezeichnung des Altars herstellt. Phänomene dieser Art würde ich als Systematisierung bezeichnen. Sie führen zu einer durch Reflexion veränderten Terminologie, in der sich die religiöse Überzeugung der Trägergruppe dieser Übersetzung feststellen lässt – im weitesten Sinne also ihre Theologie.48 Anzuschließen wäre hier die Überlegung, ob nicht auch die vielfältigen Harmonisierungen als Systematisierung zu sehen sind, denn sowohl in Nahkontexten wie Gen 1 oder in entfernten Zusammenhängen wird oft für Konsistenz gesorgt, die der Ausgangstext nicht besitzt.49
3. Wie ist die Theologie der LXX greifbar? In der aktuellen Forschung wird selbst bei den „Minimalisten“ nicht bestritten, dass es in den übersetzten Texten Phänomene gibt, die ich eben als implizite Theologie bezeichnete.50 Strittig ist vor allem das Ausmaß, in dem sich solche Vgl. etwa den Hinweis von Perkins, Larry, Deuteronomy, in: Aitken, James (Hg.), The T&T Clark Companion to the Septuagint, London u. a. 2015, 79, dass selbst der Übersetzer der eng am Ausgangstext orientierten Dtn-Übersetzung „seinen Stempel auf dem Material hinterlassen habe“. (Hinweis von J. Maurais, Montreal, dem ich für seine wertvollen Vorschläge und Kommentare danken möchte.) 47 Das gilt nicht nur für die Übersetzung, vgl. neben Barr, Concept, 249, nun auch Jeremias, Jörg, Theologie des Alten Testaments, Göttingen 2015, VI: „Es gibt im späten Alten Testament selber eine Tendenz zur Systematik“. 48 Müller, Theology, S. 4 des Manuskripts (in Druck), spricht davon, dass die LXX „more theologically uniform“ sei und führt Harmonisierungen und intertextuelle Bezüge als Beispiel an. 49 Ein instruktives Beispiel dafür findet sich etwa bei Perkins, Larry, The Greek Translator of Exodus, Interpres (translator) and Expositor (interpretor). His Treatment of Theophanies, JSJ 44 (2013), 26–29, zur Beschneidung in Ex 4, bei der sich der Übersetzer an Gen 17 orientiert hat. 50 So verweist Aejmelaeus, Von Sprache, 35, etwa auf Ex 29,45; Tov, Septuaginta, 257 f., sieht es als „sehr wahrscheinlich“ an, dass Num 24,7.17 vom Übersetzer messianisch verstanden 46
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Theologie feststellen lässt. Zu differenzieren ist außerdem, ob nur Einzelfallentscheidungen der Übersetzer gewertet werden können, oder ob hier auch allgemeine terminologische Entwicklungen der jüdisch-hellenistischen Gemeinden zu nennen wären, etwa die flächendeckende Akzeptanz der Übersetzung „Hades“ für Scheol oder die sogenannten calque-Übersetzungen wie תורה-διαθήκη; ברית-διαθήκη. Schließlich ist hier das Problem abweichender Vorlagen zu nennen, denn in vielen Fällen ist die fragliche LXX-Lesart durch einen konkreten hebräischen Text motiviert, der sich von unserem heute erhaltenen Standardtext unterscheidet. So legt etwa Alex Douglas, der „Limitations to Writing a Theology of the Septuagint“ genannt hat,51 besonderen Wert darauf, dass Differenzen nicht ausgewertet werden dürfen, die auf eine abweichende Vorlage zurückgehen.52 Dies demonstriert er u. a. dadurch, dass er für die oben genannte Aussage aus Ex 15,3 (κύριος συντρίβων πολέμους) eine andere hebräische Vorlage rekonstruiert.53 Diese Rekonstruktion hat allerdings den Nachteil, dass sie durch keinen einzigen Textzeugen gestützt wird. Insofern stellt sich hier wie bei vielen anderen Fällen dieser Art die methodische Frage, wer die Beweislast zu erbringen hat. Mein maximalistischer Standpunkt ist klar: Die Existenz einer abweichenden Vorlage muss erwiesen oder zumindest plausibel gemacht werden,54 zumal Rückübersetzungen aus der LXX methodisch hochgradig problematisch sind.55 Doch auch wenn eine konkrete Aussage nicht auf den Übersetzer zurückzuführen ist, sondern auf eine andere hebräische Lesart, heißt das nicht, dass sie theologisch irrelevant ist. Das gilt ebenso für Standard-Äquivalente, die in der Gemeinde geprägt wurden. Der Konsens etwa, Gott nicht als Fels, sondern als Hilfe zu bezeichnen, oder eine fremde Gottheit nicht einfach als „Gott“, sondern als „Götze“ (εἴδωλον) zu benennen, ist von größter Bedeutung für das Gottesbild der griechischen Bibel und damit für ihre Theologie im engeren Sinne.56 Ich würde also dafür plädieren, die Konzentration auf den Übersetzer als schöpferische Persönlichkeit zu reduzieren. Eher sollte die Theologie der LXX als gemeinsamer Prozess der Reflexion und Systematisierung in hellenistischen Gemeinden betrachtet werden, deren so formierte religiöse Überzeugung in die wurden. Und für Pietersma, Text-Production, 492, ist die Übersetzung von „Gott“ mit „Engel“ in Ps 8,6 „likely exegetical“. 51 JSCS 45 (2012), 105–117. 52 So auch unter anderem Aejmelaeus, Anneli, On the Trail of the Septuagint Translators, Kampen 1993, 111 f., oder Ulrich, Eugene, The Dead Sea Scrolls and the Origins of the Bible. Studies in the Dead Sea scrolls and Related Literature, Grand Rapids, MI 1999, 210. 53 Douglas, Alex, Limitations to Writing a Theology of the Septuagint, JSCS 45 (2012), 112. 54 Rösel, Martin, The Text-Critical Value of the Genesis-Septuagint, BIOSCS 34 (1998), 62–70. 55 Tov, Emanuel, The Text-Critical Use of the Septuagint in Biblical Research, JBS 8, Jerusalem 21997, 213–232. 56 Vgl. dazu meinen Versuch, Rösel, Martin, „Du sollst die Götter nicht schmähen!“ (LXX Ex 22, 28[27]). Die Übersetzung Gottes und der Götter in der Septuaginta, in: Lange, Melanie / Rösel, Martin (Hg.), Der übersetzte Gott, Leipzig 2015, 54–68.
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Überlieferung der Texte einfließt und daher an diesen Texten abgelesen werden kann.57 Ob diese Interpretationsleistungen auf der Ebene der hebräischen Textüberlieferung oder beim Wechsel in die griechische Sprache stattfanden, halte ich daher für weniger relevant;58 entscheidend ist, dass sie in der griechischen Bibel greifbar ist. Zwei Problemfelder seien noch kurz angeschlossen: Zunächst ist zu bedenken, dass die Übersetzer in der Regel nicht frei formulierten, sondern sich – in unterschiedlicher Weise – an ihre Vorlagen gebunden wussten. Beim Übersetzen waren oft nur sehr geringe Abweichungen, etwa bei der Wahl der Äquivalente möglich. Doch wie etwa Carsten Ziegert für Ruth59 oder James Aitken für Kohelet60 zeigten, lassen auch sehr eng am Ausgangstext orientierte Übersetzungen theologische Akzentsetzungen erkennen. Ich halte es daher für angemessen, dass nicht jede einzelne Stelle die konkrete Beweislast tragen muss, sondern dass auch mit kumulativer Evidenz zu rechnen ist. Wenn eine Tendenz mehrfach feststellbar ist, hätte man zudem ein Kriterium für die Entscheidung, ob in Zweifelsfällen eine andere Vorlage anzunehmen ist oder ob man mit der Leistung des Übersetzers zu rechnen hat.61 Als Beispiel kann die Geschichte von Kain und Abel in Gen 4 dienen, die durch die Wiedergabe des waw-copulativum mit καί oder δέ anders als im Hebräischen strukturiert wird.62 Hier mag die einzelne Differenz insignifikant sein, in der Summe entsteht ein anders strukturierter Text. Das zweite Problemfeld besteht in der allgemein geteilten Annahme, dass sich theologisch bedeutsame Elemente in der LXX nur über die Differenzen zwischen hebräischem und griechischem Text erkennen lassen. Das können sowohl Zufügungen wie Auslassungen sein, aber auch konkret gewählte Elemente, die vom Standard-Gebrauch abweichen.63 Dieser Konsens, der dem oben genannten doppelt vergleichenden Zugang entspricht, ist wichtig, da er einen gewissen Schutz vor Beliebigkeiten bei der Textinterpretation darstellt. Es sei aber darauf hingewiesen, dass Tim McLay in seinem Wuppertaler Vortrag „Why not a Theology of 57 So bereits skizzenhaft in meiner Dissertation, Rösel, Martin, Übersetzung als Vollendung der Auslegung. Studien zur Genesis-Septuaginta, BZAW 223, Berlin / New York 1994, 247–260; auch Aejmelaeus weist in dem in Fn. 27 genannten Aufsatz auf die formative Bedeutung der Gemeinden hin. 58 Dies mit Perkins, Greek Translator, 18. 59 Ziegert, Carsten, Das Buch Ruth in der Septuaginta als Modell für eine integrative Übersetzungstechnik, Bib 89 (2008), 221–251. 60 Aitken, James K., Rhetoric and Poetry in Greek Ecclesiastes, BIOSCS 38 (2005), 55–78. 61 Vgl. dazu auch Aejmelaeus, Von Sprache, 31 f.; Dafni, Theologie, 325 f. 62 Rösel, Übersetzung, 100–114; Jobes, Karen H. / Silva, Moisés, Invitation to the Septuagint, Grand Rapids, MI 2000, 206–214. 63 Es sei zumindest auf das Problem verwiesen, dass in vielen Fällen auch der Normalgebrauch von Äquivalenten eine theologische Signifikanz hat, vgl. etwa den Umgang mit dem Nomen nomos und Derivaten: Rösel, Martin, Nomothesie. Zum Gesetzesverständnis der Septuaginta, in: Fabry, Heinz-Josef / B öhler, Dieter (Hg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta, Bd. 3: Studien zur Theologie, Anthropologie, Ekklesiologie, Eschatologie und Liturgie der griechischen Bibel, BWANT 174, Stuttgart 2007, 132–150.
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the LXX?“64 für eine Entgrenzung und Aufgabe dieses Differenzkriteriums warb. Weil die LXX als Einheit und ohne ständigen Bezug zum hebräischen Original gelesen wurde, müsse auch das Berücksichtigung finden, was sich nicht von der hebräischen Bibel unterscheidet, da es Teil der Gesamtaussage der griechischen Bibel ist. Dieser Zugang ist auf einer Linie mit dem von Mogens Müller zu sehen, für den die Septuaginta als Ganze die „First Bible of the Church“ war und der ihr eine höhere Bedeutung auch für gegenwärtige Theologie einräumen möchte.65 Da ich die Aufgabe einer Theologie der LXX vor allem als historische sehe, würde ich McLay und Müller zwar in dieser Ausweitung der Aufgabe einer Theologie der LXX nicht folgen. Ich sehe in ihrer Position aber einen wichtigen Hinweis darauf, dass die Konzentration auf das Differenzkriterium nicht ausreicht, um die Fülle theologischer Implikationen der LXX deutlich werden zu lassen. Wie weit theologische Gemeinsamkeiten zwischen hebräischer und griechischer Bibel signifikant sind, ist letztlich wohl auch eine Frage nach der konkreten Durchführung des Projekts (unten 5.) und seiner Zielgruppe; in der von der hebräischen Bibel ausgehenden wirkungsgeschichtlichen Perspektive werden wohl die Differenzen von größerer Bedeutung als bei der Suche nach Verstehensvoraussetzungen für hellenistisch-jüdische oder neutestamentliche Schriftsteller sein.
4. Was bedeutet in diesem Zusammenhang „Septuaginta“? Eine weitere wichtige Anfrage an das Programm einer Theologie der LXX benennt als Problem die unklaren Grenzen des Kanons der griechischen Bibel und die verschiedenen umlaufenden Textformen.66 Wie kann man die Theologie einer Sammlung schreiben wollen, die sukzessive anwuchs und in ständiger Veränderung begriffen war, die sowohl aus übersetzten als auch ursprünglich griechisch komponierten oder, wie im Fall des 2. Makkabäerbuches, sekundär gekürzten Schriften besteht? Man kann sich natürlich in pragmatischer Weise an Entscheidungen anderer halten, etwa an den Umfang großer Codices67 oder moderner Ausgaben68. Doch S. oben Fn. 42. Müller, Mogens, The first Bible of the Church: A plea for the Septuagint, JSOTS 206, Sheffield 1996, 20–24.102–112. 66 So etwa Douglas, Limitations, 106–111, und aus anderer Perspektive McLay, Why not, 614–616. 67 Dies ist bekanntermaßen die Perspektive der „Septuagint Commentary Series“, die seit 2005 bei Brill erscheint: Auld, A. Graeme, Joshua: Jesus, son of Nauē in Codex Vaticanus, Septuagint Commentary Series, Leiden 2005. Doch vgl. zu den Besonderheiten der einzelnen Codices etwa Fabry, Heinz-Josef, The Biblical Canon and Beyond: Theological and Historical Context of Codices of Alexandria, in: Cook, Johann / Stipp, Hermann-Josef (Hg.), TextCritical and Hermeneutical Studies in the Septuagint, VTSup 157, Leiden / Boston, MA 2012, 21–34. 68 So die Pragmatik der Projekte NETS, LXX.D und La Bible d’Alexandrie. Vgl. die grund64 65
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wie ich eben dafür plädierte, die Originalität des Übersetzers im Sinne einer Autoren-Persönlichkeit nicht zu stark zu gewichten, würde ich auch hier für ein offeneres Konzept werben. Als „Septuaginta“ oder griechische Bibel ist das Gegenstand meiner Untersuchungen, was in einer konkret zu benennenden Epoche in einer spezifischen Gemeinde in autoritativer Geltung standen. Damit ist klar, dass sich die LXX des 3. Jh. sehr von der des zweiten oder ersten unterscheidet. Dieser offene Zugang entspricht dem oben genannten doppelt vergleichenden, diachron ausgerichteten Zugang zu den Texten. Er bedeutet auch, dass die Revisionen nicht ausgeschlossen werden können, soweit sie zeitlich in die je interessierende Epoche einzuordnen sind. Es sei einschränkend angemerkt, dass dieses Element einer historischen Zuordnung von Schriftensammlungen mit dem Problem behaftet ist, dass die Datierung und Lokalisierung der einzelnen Übersetzungen bisher nicht hinreichend erforscht ist.
5. Nur eine Theologie der LXX? Aus dem eben Gesagten ergibt sich, dass eine Theologie der LXX sehr unterschiedlich ausfallen kann, je nachdem, welche Perspektive in den Mittelpunkt des Interesses gerückt wird. Blickt man von der hebräischen Bibel auf das Unternehmen, werden vor allem die Themen von Interesse sein, in denen vorhandene theologische Entwicklungen weitergeführt oder modifiziert werden. Das betrifft etwa die sich verstärkenden monotheistischen Tendenzen oder die Weiterentwicklung der Angelologie69 bis hin zu einer Dämonologie70. Für die Forschung im Bereich des hellenistischen Judentums können veränderte Nomos‑ oder Gerechtigkeitsvorstellungen, die Interpretation von Tempel und Diaspora oder auch der Einfluss hellenistischer Denkkonzepte wie in Gen 1 und 271 oder im Proverbienbuch eine Rolle spielen. Für das Neue Testament sind veränderte messianische Vorstellungen, aber auch die anthropologische Terminologie der griechischen Bibel von hohem Interesse. Entsprechend wird auch der zeitliche legenden Überlegungen bei Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang, Umfang und Text der Septuaginta. Erwägungen nach dem Abschluß der deutschen Übersetzung, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, WUNT 219, Tübingen 2008, 8–63. 69 Dazu z. B. Cimosa, Mario / B onney, Gillian, Angels, Demons and the Devil in the Book of Job (LXX), in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta. Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 543–561, oder Rösel, Martin, Die himmlische Welt der Septuaginta. Angelologische Akzentuierungen am Beispiel des Danielbuches, in: Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus (Hg.), Die Septuaginta – Orte und Intentionen. 5. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 24.–27. Juli 2014, WUNT 361, Tübingen 2016, 232–243. 70 Martin, Dale B., When Did Angels Become Demons?, JBL 129 (2010), 657–677. 71 Schmid, Theologie, 111.
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und inhaltliche Rahmen anders definiert werden, der in der jeweiligen Darstellung zu füllen ist. Es ist aber einsichtig, dass hier nicht immer eine genaue Trennschärfe möglich ist; eine Untersuchung zur Systematisierung von Schöpfungsvorstellungen in der LXX etwa, wie sie Eberhard Bons durchgeführt hat,72 ist für alle drei genannten Bereiche von Interesse. Wichtig ist mir vor allem, dass deutlich wird, wie sehr die LXX und die Entwicklung ihrer Theologie als komplexer Prozess gesehen werden muss, der Auskunft über die vielschichtige Hermeneutik des hellenistischen Judentums gibt. Damit ist zugleich für die Perspektive einer christlichen, biblischen Theologie deutlich, dass auf die Perspektive einer angemessenen Berücksichtigung der LXX gar nicht mehr verzichtet werden kann.73 Wolfgang Kraus begründete dies jüngst breit.74 Erste Ansätze dafür sind sichtbar, dass dieses Denken auch über den engeren Bereich der Septuaginta-Spezialisten hinaus geteilt wird, wie etwa die Biblische Theologie von Spieckermann und Feldmeier zeigt, in der besonders den Gottesvorstellungen der LXX mehr Raum eingeräumt wird, als es früher üblich war,75 oder die Tatsache, dass im neuen Biblischen Kommentar zu den Psalmen künftig auch die jeweilige griechische Version – wenn auch knapp – mit ausgelegt wird.76 Zusammenfassend lässt sich also sagen: „Theologie der LXX“ ist einerseits die implizite Theologie der LXX, die sich an reflektierenden und systematisierenden Übersetzungen ablesen lässt. Sie ist zudem die in den nicht übersetzten, sondern griechisch formulierten Texten explizierte Theologie, die als Auslegung vorgegebener Texte entstand. Die einzelnen Elemente impliziter und expliziter Theologie werden beschrieben und thematisch geordnet zusammengestellt. Die heutige Exegese kann sie als „Theologie der Septuaginta“ in unterschiedliche 72 Bons, Eberhard, Beobachtungen zu den Schöpfungskonzepten der griechischen Bibel und zu ihrem Einfluss auf das Neue Testament und die Schriften des Urchristentums, in: Caulley, Tomas Scott / L ichtenberger, Hermann (Hg.), Die Septuaginta und das frühe Christentum. The Septuagint and Christian Origins, WUNT II/277, Tübingen 2011, 205–216. 73 So schon die Überzeugung des viel geschmähten ThWNT, das auf die hohe Bedeutung der LXX für die Semantik des neutestamentlichen Vokabulars hinweist; vgl. zur durch J. Barr angeregten Debatte um das semantische Konzept des ThWNT: Rösel, Übersetzung, 22–24. 74 Kraus, Wolfgang, Die hermeneutische Relevanz der Septuaginta für eine Biblische Theologie, in: Kraus, Wolfgang / Kreuzer, Siegfried (Hg.), Die Septuaginta – Text, Wirkung, Rezeption, WUNT 325, Tübingen 2014, 3–25; vgl. auch Meiser, Martin, Die Bedeutung der Rezeptionsgeschichte für die Septuagintaforschung, in: Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus (Hg.), Die Septuaginta – Entstehung, Sprache, Geschichte, WUNT 286, Tübingen 2012, 425–443. 75 Feldmeier, Reinhard / Spieckermann, Hermann, Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre, TOBITH 1, Tübingen 2011. 76 Hartenstein, Friedhelm / Janowski, Bernd, Psalmen, BK XV/1, Lfg. 1+2, Neukirchen-Vluyn 2012/2015. Anders leider in der neuesten Theologie des Alten Testaments von J. Jeremias, der im Vorwort (Jeremias, Theologie, VI) arbeitsökonomische Gründe und das Problem des Umfangs nennt, weshalb „ein vorgesehenes Kapitel über theologische Akzentverschiebungen in der Septuaginta wieder getilgt“ wurde.
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Diskursperspektiven führen: in ein wirkungsgeschichtlich orientiertes Gespräch mit der impliziten Theologie der hebräischen Bibel oder zur Darstellung der hermeneutischen Voraussetzungen der jüdisch-hellenistischer und christlicher Theologiebildung. Ich kehre zum Anfang meiner Überlegungen, zum Satz von Joseph Ziegler über die längst ersehnte Theologie der Septuaginta zurück. Nach dem Dargelegten scheint mir, dass wir inzwischen tatsächlich eher im Stande sind, eine oder besser: mehrere Theologien der Septuaginta zu formulieren.77 Der Boom der Septuaginta-Forschung der letzten Jahre eröffnete dazu eine Fülle von neuen Perspektiven. Die wichtigsten Tagungsbände, in denen dieser Boom dokumentiert ist, stammen aus Wuppertal und wurden von Siegfried Kreuzer mit herausgegeben. Daher soll ganz am Ende der Dank für das stehen, was er in wissenschaftlicher und persönlicher Hinsicht leistete.
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When examining the nature of M, we could start with the Judean Desert texts, but they are fragmentary. I therefore focus on the consonants of the medieval M including the para-textual elements that were transmitted together with the letters, that is, the extra ordinary dots on the letters, the pisqah beʾemṣaʿ pasuq, and the section divisions (parashiyyot). All these reflect scribal habits from the Qumran period. How does one characterize the textual nature of M? In my view this is an important question for all those using M. To some, this may sound like a strange question. However, there is no reason not to try to characterize M since we describe the other texts as well. We describe the secondary features of the Samaritan Pentateuch (Smr), its linguistic corrections, harmonizations, and editorial rewriting. We dwell on the features of the large Isaiah scroll, 1QIsaa, and many additional Qumran scrolls. It is more difficult to describe the Hebrew Vorlage of the Septuagint (G), but we definitely do so in several biblical books. So why not try to say something about M as well? At the same time, this is a complicated task, and indeed the consonantal text of M has hardly been described in the past.4 The many handbooks, commentaries and introductions referred only to its medieval dimensions, viz., vocalization and accentuation.5 An exception should be made strates the clear difference between the status of the Qumran scrolls as somewhat remote from M, and those from the other Judean Desert sites as identical to M. In my own calculation, the 640 fragmentary lines of the Minor Prophets Scroll contain 22 variants with relation to M and 18 orthographical differences; the 74 fragmentary lines of MasPsa contain six variants and three orthographical differences; the 111 fragmentary lines of MasEzek contain six variants and no orthographical differences; the 96 fragmentary lines of MasLevb contain three variants and no orthographical differences; the 131 fragmentary lines of 5/6 HevPs contain six variants and no orthographical differences. 4 The absence of such a description comes to the fore in analyses of the various witnesses of single books (in chronological sequence): Charles F. Burney, Notes on the Hebrew Text of the Book of Kings (Oxford: Clarendon, 1903; repr. New York, NY: Ktav, 1970), xx–xli; Samuel R. Driver, Notes on the Hebrew Text and the Topography of the Books of Samuel, with an Intro‑ duction on Hebrew Palaeography and the Ancient Versions, 2nd ed.; Oxford: Clarendon, 1913); Pieter A. H. de Boer, Research into the Text of 1 Samuel I–XVI: A Contribution to the Study of the Books of Samuel (Amsterdam: H. J. Paris, 1938); Taeke Jansma, Inquiry into the Hebrew Text and the Ancient Versions of Zechariah IX–XIV (Leiden: Brill, 1949), 52–59; Walter Zimmerli, Ezekiel, 2 vols., Hermeneia; (Philadelphia, PA: Fortress, 1979–1983), 1:74–77. Julius Wellhausen, Der Text der Bücher Samuelis (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1871) does not characterize M either, but at least he describes the orthography of that version on pp. IV–VIII. 5 For example, Ginsburg’s long introduction deals with all the layers of M, but does not characterize the consonantal text: Christian D. Ginsburg, Introduction to the Massoretico-Critical Edition of the Hebrew Bible (London: Trinitarian Bible Society, 1897; repr. New York, NY: Ktav, 1966). Likewise, in the 688 pages of his monumental book, Barthélemy, Studies, does not deal with the essence of M. Aage Bentzen, Introduction to the Old Testament, 2 vols., 7th ed. (Copenhagen: Gad, 1967), 1:42–101 gives attention only to the medieval segments of M. See further the following monographs: Bledddyn J. Roberts, The Old Testament Text and Versions: The Hebrew Text in Transmission and the History of the Ancient Versions (Cardiff: University of Wales Press, 1951), 270–272; Ferdinand E. Deist, Towards the Text of the Old Testament, 2nd ed. (Pretoria: D. R. Church Booksellers, 1981), 10–94; Alexander A. Fischer, Der Text des Alten Testaments.
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for the introductions of Eissfeldt and Würthwein, both dealing separately with the consonants of the proto-M and the vowels of the medieval text.6 Other aspects of M that have been described are the hundreds of differences between the medieval manuscripts7 and the relation between the Judean Desert scrolls and the medieval tradition.8 What should we actually expect from a characterization according to textual criteria? Such a description would involve the type of deviation of M from other sources, such as an abundance or lack of pluses, minuses, or harmonizations, the amount of textual corruption, precision in the transmission or lack of it, etc. Consistency of M is also a textual feature as is its unified character or lack of it. However, usually these parameters are not addressed with regard to M. The consonantal text of M was rarely included in its descriptions because a convention has developed to compare all the texts with M, while M itself is not characterized. Thus, the differences between M on the one hand and Smr, G, and several Qumran texts on the other have been characterized, but this comparison did not yield a characterization of M.9 In the past a brief, one-word characterization of M, conservative or precise, has been used with reference to the tradition that M was produced by the Soferim,
Neubearbeitung der Einführung in die Biblia Hebraica von Ernst Würthwein (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2009), 22–67. My own description is a little more detailed as it takes preMasoretic texts in consideration, but it is not detailed enough: “The name Masoretic Text refers to a group of manuscripts (the MT group) that are closely related to one another. Many of the elements of these manuscripts, including their final form, were determined in the early Middle Ages, but they continue a much earlier tradition.” See Emanuel Tov, Textual Criticism of the Hebrew Bible, 3rd, revised and expanded ed. (Minneapolis, MN: Fortress Press, 2012), 24. Henceforth, Tov, TCHB. 6 Otto Eissfeldt, The Old Testament, An Introduction, Including the Apocrypha and Pseudepi‑ grapha, and also the Works of Similar Type from Qumran: The History of the Formation of the Old Testament, trans. P. R. Ackroyd (Oxford: Blackwell, 1965), 679–693; Ernst Würthwein, The Text of the Old Testament: An Introduction to the Biblia Hebraica, trans. E. F. Rhodes, 3rd ed. revised and expanded by A. A. Fischer (Grand Rapids, MI / Cambridge: Eerdmans, 2014), 15–19. 7 See, for example, Jansma, Inquiry, 57; Barthélemy, Studies, 238–409. Therefore, it has often been claimed that the name “Masoretic Text” in the singular is a misnomer. Thus, in his oftquoted “Prolegomenon” to Ginsburg’s Introduction (1966), xviii, Orlinsky stressed: “There never was, and there never can be, a single fixed masoretic text of the Bible! It is utter futility and pursuit of a mirage to go seeking to recover what never was.” 8 See Tov, TCHB, 31–33, 110–110 (with bibliography). 9 This pertains also to the penetrating study of Paul Kahle, “Untersuchungen zur Geschichte des Pentateuchtextes,” TSK 88 (1915): 399–439; repr. in Paul Kahle, Opera Minora (Leiden: Brill, 1956), 3–37. In this study, Kahle described “the three main types of the text of the Pentateuch” (“drei Haupttypen des Pentateuchtextes”) as differing from each other recensionally; that is, the M, Smr, and the Vorlage of the G had undergone different recensional activity (Kahle, “Untersuchungen,” 436). In Kahle’s perception, M did not always exist in its present form, but was created as the result of a process of revision of earlier texts in approximately 100 CE. Characteristically, Kahle provided long descriptions of Smr and the G, but did not characterize M.
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known as very precise scholars who “counted all the letters of Scripture.”10 Precision is an acceptable textual characterization, but it has hardly been based on comparative research with the other texts.11 “Precision” is a problematic designation in the case of Scripture, because M is not the only careful text since in many Scripture books, the Vorlage of the G and several Hebrew Judean Desert scrolls may also be named “careful.” Further, not all books in M deserve to be described as “precise,” definitely not the M texts of Samuel and Hosea. The “local texts theory” of F. M. Cross provides slightly more detailed oneword characterizations, although they are impressionistic and often incorrect.12 This theory assumes that the three text families (recensions) embodied in M, Smr, and G developed in three different localities. It is rather symptomatic that Cross spent more energy in describing the Palestinian and Egyptian families of the G and Smr than the Babylonian family of M.13 In his 1975 study he described the “Rabbinic recension” of M as expansionistic in the Latter Prophets and Writings, but not in the Torah,14 with the M of Jeremiah serving as a major example for this characterization. The Babylonian family in the Torah and Former Prophets is described as a short text as opposed to the longer 4QSama, c.15 The books in 10 b. Qidd. 30a: “The ancients were called soferim because they counted every letter in the Torah.” 11 In my recent research I found that in the Torah, M is the only text that is relatively free of harmonization: Emanuel Tov, “Textual Developments in the Torah,” in Discourse, Dialogue, and Debate in the Bible: Essays in Honour of Frank H. Polak, ed. A. Brenner-Idan, Hebrew Bible Monographs 63, Amsterdam Studies in Bible and Religion 7, (Sheffield: Sheffield Phoenix Press, 2014), 236–246. This argument has not been used in earlier descriptions. 12 The views of Cross were based on a short programmatic study of William F. Albright, “New Light on Early Recensions of the Hebrew Bible,” BASOR 140 (1955): 27–33. Albright suggested a local recensions theory without characterizing them. According to him, the Babylonian “recension” was brought back to Palestine by the returning exiles in the late sixth and early fifth centuries BCE (p. 29). 13 The first characterizations are found in his earlier study, Frank Moore Cross, “The History of the Biblical Text in the Light of Discoveries in the Judaean Desert,” HTR 57 (1964): 281–299: “[T]he Rabbinic text is normally short, not conflate or expansionist in the Pentateuch and Samuel. To be sure, there are secondary expansions in the Pentateuch, but by and large it is a superb, disciplined text. On the contrary, the text of Samuel is remarkably defective, and its shortness is the result of a long history of losses by haplography, the commonest error by far in a text which has not undergone systematic recensional activity, or which has not become mixed by infection from a different textual tradition. Some indisputable evidence can be marshalled of revision and suppression of dramatically corrupt readings in the case of Samuel. At all events, the Rabbinic recension stands in clear contrast to the full texts of the Palestinian and Old Greek traditions. The Proto-Massoretic text of the Pentateuch never passed through the centuries of reworking, revision, and expansion which characterized the development of the Proto-Samaritan tradition” (pp. 289–290).” “… we must look again to Babylon as the locale for its preservation and emergence as a distinct, if conservative, textual type” (p. 297). 14 Cf. Frank Moore Cross, “The Evolution of a Theory of Local Texts,” in Qumran and the History of the Biblical Text, ed. Frank Moore Cross and Shemaryahu Talmon (Cambridge, MA / London: Harvard University Press, 1975), 306–320 (pp. 307–309). 15 Referring to the shorter text of 1 Samuel 11 in M as compared with 4QSama, Cross, “Evolu-
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M are thus described in different ways as basically conservative, short,16 superb, and disciplined, but expansionistic in the Latter Prophets and Writings, and corrupt in Samuel.17 These are the only characterizations of M known to me and they are problematic. I hasten to add that critical commentaries often claim that M is closer to the original form than the other witnesses.18 However, this assumption cannot be proven with empirical research, possibly with the exception of the Torah, but this is not a textual feature. By the same token, I do not accept the remarks in several critical introductions to the Hebrew Bible19 and in commentaries that the tion of a Theory,” 312 describes the M of Samuel as both intrinsically short and short because of haplography. 16 Brevard Childs, Introduction to the Old Testament as Scripture (Philadelphia, PA: Fortress, 1979), 103 describes M in the same way: “The MT is frequently a shorter, more pristine tradition showing few signs of later harmonistic expansion.” 17 The attempt of Cross to characterize the books of M in different ways is laudable, but the description of the three families / recensions is not natural and makes the impression as if this scholar tried to locate differences. Further, I frequently do not know on which textual data the descriptions are based. Thus the M of the Torah is indeed often shorter than Smr and G when the latter two present harmonizing pluses, but insufficient data have been presented in order to justify that general characterization. Thus, in the single most extensive difference between M and G (often also Smr), in Genesis 5 and 11, M is not shorter than G; the two simply differ much. Cross’s depiction of the M of Samuel as shorter than the other texts is simply incorrect. Thus, in the most extensive difference between M and G, in 1 Samuel 16–18, M is ostensibly longer than G. M is not shorter than 4QSama either. True, in 1 Samuel 11 the M group lacks a long section found in the scroll, but in all other instances the two simply differ without any clear pattern. It is also not correct to describe Samuel as haplographic although several haplographies are found in the first chapters in M. Finally, the Latter Prophets and Writings in M are not expansionistic, as claimed by Cross. The only justification for this claim could be the M of Jeremiah and Ezekiel as compared with the G, but in my view these are literary, and not textual features, and they pertain to these two books only and not to Isaiah or the Minor Prophets. In short, applying one-word descriptions to textual witnesses is misleading. 18 Thus Moshe Greenberg in Ezekiel 1–20, AB (Garden City, NY: Doubleday, 1983), 19–20 and in his programmatic study Moshe Greenberg, “The Use of the Ancient Versions for Interpreting the Hebrew Text,” in Congress Volume: Göttingen 1977, ed. John Emerton. VTSup 29 (Leiden, Brill: 1978), 131–148. Likewise, many scholars make statements such as “all other things being equal, the reading of MT should be preferred.” Thus, for example, the first editions of Ernst Würthwein, Text of the Old Testament: An Introduction to the Biblia Hebraica (trans. E. F. Rhodes; Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1979), 113 (the third edition [see n. 6], 190 is more careful). For a similar argument, see Otto Thenius, Die Bücher Samuels erklärt, ed. M. Löhr, 3rd ed. (Leipzig: S. Hirzel, 1898), xci; Jules Méritan, La version grecque des livres de Samuel, précédée d’une intro‑ duction sur la critique textuelle (Paris: 1898), 58; Martin Noth, The Old Testament World, trans. V. I. Gruhn (Philadelphia, PA: Fortress, 1966), 359; J. A. Thompson, “Textual Criticism, Old Testament,” IDBSup, 888–891 (888); M. Z. Segal, Mbw’ hmqr’ (Jerusalem: Kiryat Sefer, 1960), IV.883; H. Barth & O. H. Steck, Exegese des Alten Testaments: Leitfaden der Methodik: Ein Ar‑ beitsbuch für Proseminare, 2nd ed. (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 1976), 20–26 (23). 19 Thus Bentzen, Introduction, 1:101 considers M “the best form of the text.” All versions are introduced at length, including M (pp. 50–65), but attention is given only to the medieval segments, and there is no word about the proto-M text. Likewise, Roland Kenneth Harrison, Introduction to the Old Testament (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1969), 249.
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evidence of the non-Masoretic witnesses does not add significantly to Scripture study.20 After this introduction it will come as a surprise that I, too, cannot characterize M as a whole, for the simple reason that M does not form a unity. But we are able to identify idiosyncratic features in some individual books and parts of books. Hebrew Scripture is not a unity because the books were composed in different times by many authors. I do not talk about that lack of unity, but about the non-homogenous nature of the collection of books at the textual level. Thus I do not speak about the different vocabulary and linguistic profile of, e. g., Samuel–Kings and that of Chronicles or of Psalm 18 as compared with 2 Samuel 22. Authors have different ideas, use different vocabularies, and use different linguistic forms,21 while scribes-copyists use different orthographic systems, they occasionally change the text and make mistakes, but they also use different linguistic forms. Realizing these difficulties, we focus on the books of M as products of a scribal culture. Each book of M presents a ‘photograph’ of specific textual and scribal traditions, which after they left the hands of the scribes were perpetuated for eter20 Hermann Gunkel, Genesis, HAT (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1902) seldom referred to the evidence of the versions, since “we can really improve the transmitted text of Genesis only in relatively few places” (p. vii). Mitchell J. Dahood, Psalms I, 1–50, AB (Garden City, NY: Doubleday, 1965) disregards the ancient versions, “because they have relatively little to offer toward a better understanding of the difficult texts” (p. xxiv). The introductions to none of Noth’s commentaries contains a section devoted to textual criticism, with the exception of a brief statement in Joshua: “The Hebrew text of Joshua is generally good, although it has preserved, as Baldi has observed, a number of traditional errors. . . ”; see Martin Noth, Exodus, OTL (London: SCM 1966), 18; Leviticus, OTL (London: SCM, 1965); Deuteronomy, OTL (London: SCM, 1966); Joshua, OTL (London: SCM, 1972). Francis I. Andersen and David Noel Freedman, Amos: a New Translation with Notes and Commentary, AB (New York, NY: Doubleday, 1989), 140–141 note: “The study of MT as it stands is a straightforward and intrinsically legitimate activity. If more justification is needed, then MT is self-vindicating to the extent that it can be shown to make sense. Sometimes it is not possible to do so … We keep the MT in the first place of interest and with first claim to be Amos’ text.” My study “The Place of the Masoretic Text in Modern Text Editions of the Hebrew Bible: The Relevance of Canon,” in The Canon Debate, ed. L. McDonald and J. A. Sanders (Peabody, MA: Hendrickson, 2002), 234–251 quotes similar remarks in the commentaries of C. Westerman, J. Milgrom, and B. A. Levine. 21 The present analysis does not use linguistic criteria, because of the difficulty of distinguishing between authors and scribes. We would have to base ourselves on the linguistic profiles of complete books, and not on single features. To the best of my knowledge, beyond the opposition between LBH and EBH, only few such profiles have been suggested. An example of a single phenomenon is that Samuel contains many more examples of the assimilated ‑מהmeha compared with the unassimilated min ha‑ than the other Scripture books. See Ian Young, “Patterns of Linguistic Forms in the Masoretic Text: The Preposition ‘ מןfrom’,” in Interested Readers: Es‑ says on the Hebrew Bible in Honor of David J. A. Clines, ed. J. K. Aitken et al. (Atlanta, GA: Society of Biblical Literature, 2013), 385–400. Likewise, many individual differences between the books in linguistic usage are included in Robert Rezetko and Ian Young, Historical Linguistics and Biblical Hebrew: Steps toward an Integrated Approach, ANEM 9 (Atlanta, GA: SBL Press, 2014).
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nity. These pictures were taken at different times and were usually not changed. The only clue for the dates of the last stage of the copying is that they must have preceded the earliest pure M forms evidenced in the Judean Desert texts written between 50 BCE and 115 CE. In the present study I wish to point to the idiosyncratic and hence diverse nature of some M books and segments. I view the collection of books in M as the creation of a diverse group of scribes, not the well-known Sopherim, but ancient scribes who acted in different periods and followed different customs. This diversity should not surprise us, since also the other collections of the Hebrew and translated Bible, such as LXX, the Peshitta, and the Targumim,22 did not form a unity. This lack of unity of the Scripture corpora was created by the combination of a large number of diverse scrolls in the archetype of each corpus. M was no exception. When trying to unravel the scribal unity of M, I start with its most basic level: that of scribal activity reflected in the para-textual elements, such as the extra-ordinary dots on the letters, the pisqah beʾemṣaʿ pasuq, and the section divisions (parashiyyot). These three notations, and actually all para-textual elements, display an exact photographic picture of the M scrolls of 2000 years ago, subsequently frozen for eternity. Afterwards we will move to additional aspects of the scribal culture.
1. Scribal features a. Section divisions, named in M “open section” (parashah petuhah) at the end of a line and “closed section” (parashah setumah) in the middle of the line occur frequently in the Judean Desert fragments. There is no rule regarding the length of a section demarcated by preceding and following section breaks that depended much on the scribe’s understanding. The two extremes of frequent and infrequent section divisions can be seen in the Qumran scrolls as well as in M.23 While most books in M average one section 22 The heterogeneous corpus of the LXX includes both original (Old Greek) and revised versions; early and late versions; literal, free, and paraphrastic units. For details, see Emanuel Tov, “Septuagint” in Textual History of the Bible (= THB), vol. 1, ed. A. Lange (Leiden: Brill, 2015), §§ 1.3.1.1.3–5. Likewise, the corpora of the Peshitta and Targum Jonathan are composed of units of a different nature. For details on the Targumim, see B. Ego, “Targumim” in THB, § 1.3.3.4.4. In Targum Jonathan we find alongside relatively literal translations of the Prophets the very paraphrastic translations of Canticles, Lamentations, and Esther as well as the translation of Proverbs that leans heavily on the Peshitta. For the Peshitta, see M. P. Weitzman, The Syriac Ver‑ sion of the Old Testament: An Introduction (University of Cambridge Oriental Publications 56; Cambridge: Cambridge University Press, 1999), 164–191. 23 To a great extent, the division into section units was based on a scribe’s impressionistic reading of the text. In order to ascertain the exact relationship between the various section units, a scribe would have to carry out a close reading of the context and be involved in literary analysis
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unit per 7–10 verses,24 some books stand out having a substantially lower or higher percentage, when compared with other units in the same literary genre:25 – The book of Ruth has only one section break, after 4:17, separating the main story from the genealogy of David in 4:18–22. Such section breaks are called for at several points in the story, especially after 1:22 and 3:18.26 – Genesis has far fewer sections than the other narrative books. This is illustrated by a comparison of Genesis 14 with the parallel version in 1QapGen ar. There are no divisions at all in this chapter in M, while the parallel pericope in 1QapGen ar has several such sections. XXI, 23–XXII, 26 has two closed sections (after 14:21 = 1QapGen XXII, 20; 14:23a = 1QapGen XXII, 22), one indented section (after 14:20 = 1QapGen XXII, 18), and one open section (after 14:8 = 1QapGen XXI, 30). The paucity of sense divisions is visible especially in the Joseph story (Genesis 37–48) in M.27 There are no divisions at all between 41:1 and 44:18.28 The difference between the scarce use of sense divisions in Genesis and the next books is clear. This relation can also be expressed statistically: In Genesis we find one section per 17.04 verses,29 while in the other narrative books it is between six and eight verses.30 – Among the books of the Minor Prophets, Nahum and Jonah stand out having very few section units: (one division after an average of 15.66 and 16.0 verses respectively), in both cases only three instances, matched by MurXII.
of several adjacent section units. Since we do not believe that scribes were actively involved in content analysis, it appears that scribal decisions on the type of relation between section units were often made upon completion of one unit and before embarking on the next. To some extent, this explains the differences between manuscripts of the same composition, as scribes often took a different approach to the relation between these text units. 24 The average of 11.61 for the whole Bible is higher due to such books as Ruth and Qohelet in which sense divisions are extremely low (see below). 25 See the figures for Codex L summarized in Emanuel Tov, Scribal Practices and Approaches Reflected in the Texts Found in the Judean Desert. STDJ 54 (Leiden and Boston: Brill, 2004), 153–154. These statistics should be consulted for the data described in the next paragraphs. 26 The verses in Ruth 3 where such divisions could have been indicated are shown by Margo C. A. Korpel, “Unit Division in the Book of Ruth: With Examples from Ruth 3,” in Margo C. A. Korpel and Josef M. Oesch, Delimitation Criticism: A New Tool in Biblical Scholarship, Pericope I (Assen: Van Gordum, 2000), 301–348 referring to divisions indicated in manuscripts of the ancient versions and modern commentaries. 27 Exceptions appear in 38:1, 39:1, 40:1, 41:1, 44:18, 46:28, 48:1. 28 On the other hand, some sense divisions are included in Qumran scrolls: 41:3 seems to end with a setumah in 4QGenc frg. 1 ii line 10); 40:23 ends with a petuchah in 4QGenc frgs 4 i–5 line 23 and 43:10 ends with a petuchah in 4QGene frg. 8 line 3. Both scrolls reflect the text of M and Smr to the same extent. 29 In these narrative chapters, BHS inserted many section breaks. 30 Not all statistical data are meaningful. All wisdom books display very few sense divisions as a feature characterizing that literary genre. Ezra–Nehemia and Chronicles have many sense divisions because of the genealogical lists in those books.
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Some Scripture books thus stand out in having many more or far fewer divisions than other books in the same literary genre. Since the different paragraphing systems go back to the personalities of the scribes, the scribes of the M books must have differed among themselves.31 b. Dotted letters. The dotted letters of M (puncta extraordinaria) reflect the writing practices at the time of the writing of the Qumran scrolls, in which they originally served as cancellation dots for letters that were meant to be erased.32 These dots were not at all meant to be transferred to the next round of copying, but the scribes of M nevertheless perpetuated them for posterity together with the letters on which they were placed. However, the Qumran evidence leaves no doubt with regard to the original meaning of these dots as cancellation dots.33 In the present context it is relevant to note that the Torah contains more dotted letters than the other books, although the numbers are small. In fifteen places all the medieval manuscripts of M denote dots above certain letters and words and in one place (Ps 27:13) also below them.34 Ten of these instances are found in the Torah, four in the Prophets, and one in the Hagiographa.35 Possibly the custom of canceling letters was discontinued in the later Scripture books. c. Pisqa beʾemṣaʿ pasuq. The great majority of the section divisions in M coincide with the ends of verses but, in addition, the MP to Gen 4:8 notes 28 instances of a pisqa beʾemṣaʿ pasuq (= pbp), “a section division in the middle of a verse.”36 The indication of a pbp signifies a break in content similar to that indicated at the end of a section (note the term). These instances show that in some cases the written tradition of the pisqaot clashed with the oral verse division. 31 In
all these cases, the scrolls provide no comparative data. Erasure in leather scrolls was technically difficult and therefore such letters were indicated with dots. In the rabbinic tradition, these letters were explained as doubtful letters. See Tov, Scribal Practices, 214–216. No evidence is available from any of the Dead Sea Scrolls with regard to the specific dotted letters of M, as these instances have not been preserved in the known scrolls. 33 See Tov, Scribal Practices, 187–198. The assumption that the Masoretic dots were intended to cancel elements is strongly supported by the fact that in seven or eight of the fifteen instances, the shorter text (the text without the canceled elements) is paralleled by omissions in the ancient sources, e. g., Num 3:39 ( ואהרןthe dotted word is lacking in Smr and the Peshitta). See Tov, Scribal Practices, 215–216. 34 The tradition of these dots is rather stable, although a Masoretic list of another use of dots merely uses this graphic symbol to indicate differences between Tiberian and Babylonian manuscripts. See Yosef Ofer, “A Masoretic List of Babylonian Origin of Dotted Words in the Pentateuch,” in Proceedings of the Twelfth International Congress of the International Organiza‑ tion for Masoretic Studies, ed. E. J. Revell, MasS 8 (Atlanta, GA: SBL, 1996), 71–85. 35 The earliest list of these instances is found in Sifre Numbers § 69 to Num 9:10 (the ten instances in the Torah); the full list is in the Masorah magna on Num 3:39. 36 E. g., Gen 35:22. The MP to Gen 35:22 lists 35 such instances, indicated in some or all of the manuscripts and editions by a space the size of either an open or a closed section. The various sources give different numbers for the pbp, and combining these cases Ohr arrives at 72: A. Ohr, “Pisqa beʾemṣaʿ pasuq mahu?,” in Essays in Biblical Research Presented to Eliyahu Auerbach in Honor of His Seventieth Birthday (Jerusalem: Kiryat Sefer, 1955), 31–42 (Heb.). 32
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In the present context it should be pointed out that the occurrences of pbp are unevenly distributed in the Bible, since 65 percent of them (according to the Aleppo codex) occur in one book, viz., Samuel.37 The high frequency of this phenomenon in Samuel probably implies that the textual tradition of this book was less stable than that of the other books.
2. Orthography One of the areas in which the personal taste of scribes is felt most is orthography.38 Inconsistency rather than consistency typifies the spelling systems of individual books, but nevertheless some features of individual books may be recognized. a. Full versus defective orthography. The fact that the M corpus contains orthography systems from different periods shows clearly that the spelling of the older books was not modernized when fuller spelling systems had been adopted. The distribution of full and defective orthography shows some peculiarities. The statistics of Andersen and Forbes39 show that the Torah and the book of Kings in M reflect the most conservative (defective) orthography and that they also contain the greatest degree of internal consistency – in the Torah, this description applies especially to Exodus and Leviticus, in particular the book of the covenant (Exodus 21–23).40 Murtonen notes that among the Minor Prophets, Amos is the most defective, and Jonah is the fullest.41 The books with the fullest orthography in M are Qohelet, Canticles, and Esther, followed by Ezra-Nehemiah and Chronicles. b. Three archaic spellings characterize the Torah as a whole.
37 See Shemaryahu Talmon, “Pisqah beʾemṣaʿ Pasuq and the Psalms Scroll from Qumran Cave 11 (11QPsa),” in Text and Canon of the Hebrew Bible: Collected Studies (Jerusalem: The Mandel Institute of Jewish Studies, The Hebrew University of Jerusalem; Winona Lake, IN: Eisenbrauns, 2010), 369–382 with earlier literature. Also in the more extensive list of Ohr (see n. 36) the high percentage for Samuel (40 instances) remains the same. 38 See Francis I. Andersen and A. Dean Forbes, Spelling in the Hebrew Bible, BibOr 41 (Rome: Biblical Institute Press, 1986); James Barr, The Variable Spellings of the Hebrew Bible, The Schweich Lectures of the British Academy (Oxford: Oxford University Press, 1989). The most recent analysis by Chanan Ariel, “Orthography: Biblical Hebrew,” Encyclopedia of Hebrew Language and Linguistics 2:940–948 with much earlier literature, stresses the unity of the orthography systems (see his concluding remarks). 39 Andersen and Forbes, Spelling in the Hebrew Bible, 312–318. 40 Thus A. Murtonen, “The Fixation in Writing of Various Parts of the Pentateuch,” VT 3 (1953): 46–53. This scholar also found differences between the various Pentateuchal sources. 41 For precise data, see Andersen and Forbes, Spelling in the Hebrew Bible and A. Murtonen, “On the Interpretation of the Matres Lectionis in Biblical Hebrew,” AbrN 16 (1973–1974): 66–121.
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(i) The Ketiv הוא, representing the majority spelling of the 3d pers. fem. sg. pron. in the Torah,42 is replaced by its Qere perpetuum ( ִהיאe. g., Gen 2:12).43 The Ketiv (probably pronounced hu’) possibly represents an early dialectal form in which the masculine and feminine forms (both: hu’) were not distinguished (thus Fassberg44). However, for the present analysis it makes no difference how this Ketiv is explained, and what counts is that this frequently occurring ancient form is more or less limited to the Torah.45 This form is also known from the baraita about the “three scrolls found in the Temple Court,” one of which was the socalled ספר היא.46 This scroll thus contained the archaic form היא, and did not include an apparatus of Qere readings.47 (ii) naʿarah. The unusual Ketiv נערaccompanied by a Qere נערהoccurs 22 times in the Torah, as opposed to a single occurrence of נערהin Deut 22:19, as well as in all the remainder of M. The archaic spelling of the Ketiv is paralleled by the qatalta forms written without he (see Gesenius-Kautzsch, Grammar, § 17c), but it remains unexplained why this archaic spelling was limited to נערה.48 The ancient spelling is evidenced in Deut 22:15 in 4QDeutf frgs. 20–23 in the phrase אבי הנערה. The he was added above the line and makes the impression of having been written in a different hand. (iii) The archaic pronominal suffix ‑הof the type of אהלהis much more frequent in the Torah than the later books (e. g., Gen 9:21). There are 14 instances
42 This Qere occurs 120 times in the Torah as well as three times in the Prophets and Writings. There are 11 exceptions to this majority spelling of the Torah, e. g., in Gen 14:3; 20:5; 38:25. 43 Among the ancient witnesses only MasLevb contains the anomalous M form ( הואLev 10:17; 11:6) for the third pers. fem. pron., while all other Qumran manuscripts represent this word as היא. 44 Steven E. Fassberg, “The Ketiv / Qere הוא, Diagony and Dialectology,” in Diachrony in Biblical Hebrew, ed. C. Miller-Naudé and Z. Zevit (Winona Lake, IN: Eisenbrauns, 2012), 171– 180, with earlier literature. 45 According to Fassberg (n. 44), this situation shows that the text of the Torah had been fixed (in his words: canonized) at an earlier stage than the other books. By the same token, Andersen and Forbes, Spelling in the Hebrew Bible, 317 suggested that “the more archaic the spelling, the earlier the completion and publication (canonization, if you like) of the work, and the greater the veneration that shielded it from drastic changes from that time onward.” 46 Y. Ta’an. 4.68a. According to this tradition, one of the three scrolls was characterized by this special spelling: “… In one of them they found written הואnine times, and in two, they found it written היאeleven times. They adopted the reading found in the two and discarded the other (y. Ta’an. 4.68a; Sof. 6.4 probably has a better version: “In one הואwas written eleven times, and in two היאwas written eleven times.”). See Tov, TCHB, 30–31. 47 Thus Shemaryahu Talmon, “The Three Scrolls of the Law That Were Found in the Temple Court,” Text 2 (1962): 14–27 (p. 22). 48 Alternatively, this form does not designate an archaic Ketiv, but at one time there was no distinction between the masculine and feminine na’ar. For a discussion, see Maimon Cohen, The Kethib and Qeri System in the Biblical Text: A Linguistic Analysis of the Various Traditions Based on the Manuscript ‘Keter Aram Tsova’ (Jerusalem: Magnes, 2007), 27–28 (Heb.).
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in the Torah as opposed to 37 in the remainder of the books.49 The high percentage of these spellings in the Torah is thus remarkable. In addition, the unique spelling כלהalso occurs 18 times outside the Torah.50 c. The orthography of Job, while usually displaying standard Masoretic spelling, very often has defective forms in such categories as the hiph’il of the pe-yod / waw forms such as יעילוin Job 30:13 and the noun מצאin 38:27 as well as sundry defective spellings such as ואמתוin 9:34 and אתןin 12:19; 33:19. This idea was first launched by Freedman,51 supported by Barr,52 and strengthened with additional data by Seow.53 In the area of orthography, Job thus takes a special place.54 d. Within M the long forms of the second and third person feminine plural of the type of אתנהand זמכתכנהthat are typical of many Qumran scrolls occur 19 times, especially throughout the book of Ezekiel (8×). The evidence shows a late characteristic of the morphology of that book.55 The orthography and morphology of several M books thus gives evidence of several separate units which should be reviewed together with several features of unity shared by the M books. For example, quite unusually, several words are always spelled defective, even in the later books, like אלהים, משה, נאם, and כהן, while on the other hand פינחסis always plene. It seems to me that this minimal unity was influenced by the orthography of the Torah.56
For the data, see Ian Young, “Observations on the Third Person Masculine Singular Pronominal Suffix ‑H in Hebrew Biblical Texts,” HS 42 (2001): 225–242 (228) with earlier bibliography. 50 See Frank H. Polak, “The Interpretation of Kulloh / Kalah in the LXX: Ambiguity and Intuitive Comprehension,” Text 17 (1994): 57–77. 51 David Noel Freedman, “Orthographic Peculiarities in the Book of Job,” ErIsr 9 (1969): 35–44 (p. 43). 52 James Barr, “Hebrew Orthography and the Book of Job,” JSS 30 (1985): 1–34 (p. 32). Barr suggested that the occurrence of these defective spellings “… may even be the highest of any book,” even though he urged to take the negative evidence into consideration as well. 53 Choon-Leong Seow, “Orthography, Textual Criticism, and the Poetry of Job,” JBL 30 (2011): 63–85 pointed out additional unusual defective forms in the Job scrolls from Qumran. 54 According to Freedman, “Orthographic Peculiarities,” 43 this evidence suggest a northern tradition from the seventh-sixth century, but neither Barr nor Seow accepted this view. 55 ( אתנהGen 31:6; Ezek 13:11, 20; 34:17); second person pl. suffixes: Ezek 13:20, 23:48, 49; third person pl. suffixes: Gen 21:29, 41:21 (2×), 42:36; 1 Kgs 7:37; Isa 34:16; Jer 8:7; Ezek 1:11, 16:53; Prov 31:29; Job 39:2; verbal form: Amos 4:3. 56 משהis the only spelling in the Bible, נאםoccurs 8× in the Torah, and 349× elsewhere, and נאוםonce in Jer 7:30; כהןis always defective; אלהיםis always defective, and the construct form אלוהיis once plene (Ps 18:47); פינחסoccurs 4× in the Torah, and elsewhere 19× plene (once defective in 1 Sam 1:3). 49
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3. Frequent scribal mistakes Scribes err all the time, but when a book contains a high number of mistakes, this feature is part of the scribal character of the book, as in the following two instances. a. A long list of scholars from O. Thenius57 and J. Wellhausen58 in the nineteenth century to McCarter59 and Cross–Parry–Saley60 in modern times paid attention to scribal errors in 1 Samuel, as compared with G and 4QSama.61 b. Hosea may be corrupt in many details, although opinions are divided.62 While some of its peculiarities may be ascribed to the little-known northern language of Hosea, a long list of commentators consider the book corrupt beyond repair.63 For this reason, Nyberg devoted a detailed text-critical study to this book.64 So far we identified several books that stand out within M as the products of distinct scribes, making M into a non-homogeneous collection of books. This impression is strengthened by the analysis of the textual profile of a few books or segments of books.
57 Otto Thenius, Die Bücher Samuels, KEH 4 (Leipzig: Weidmann’sche Buchhandlung, 1842), xxviii–xxix. 58 Wellhausen, Bücher Samuelis (see n. 4), 16. For a summary of Wellhausen’s views, see Arie van der Kooij, “De tekst van Samuel en het tekstkritisch onderzoek,” NTT 36 (1982): 177–204. 59 Peter Kyle McCarter, Jr., I Samuel, AB (Garden City, New York, NY: Doubleday, 1980), 5. 60 Cross, Parry, and Saley in Qumran Cave 4.XII: 1–2 Samuel, ed. Frank Moore Cross et al., DJD XVII (Oxford: Clarendon, 2005), 25–27. 61 In some details M is thus further removed from the original text than 4QSama, but in other aspects M is closer since the Qumran scroll is replete with exegetical readings. See J. Driesbach’s detailed analysis, in J. Driesbach, 4QSamuela and the History of the Text of Samuel (PhD diss., Hebrew University, Jerusalem, 2015). 62 Some commentators do not show in their prefaces any awareness of text-critical problems, e. g., Carl Friedrich Keil in Carl Friedrich Keil and Franz Delitzsch, Commentary on the Old Testament, trans. J. Martin (Grand Rapids, MI: Eerdmans, 1986), 1–11; Karl Marti, Das Dodekapropheton (Tübingen: Mohr Siebeck, 1904), 1–11; Hans Walter Wolff, Hosea, A Commen‑ tary on the Book of the Prophet Hosea, trans. G. Stansell, Hermeneia (Philadelphia, PA: Fortress, 1974), xxix–xxxii (“the transmission of Hosea’s prophecy”). 63 Theodore H. Robinson, Die Zwölf Kleinen Propheten, HAT 14 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1938); Francis I. Andersen and David Noel Freedman, Hosea: A New Translation with Introduc‑ tion and Commentary, AB (New York, NY: Doubleday, 1980), 66: “… it is difficult to avoid the conclusion that the surviving Hebrew is corrupt and defective” (see also the survey of the earlier views on pp. 66–68); Andrew A. Macintosh, A Critical and Exegetical Commentary on Hosea, ICC (Edinburgh: T & T Clark, 1997), lxxiv–lxxxiii. 64 Henrik S. Nyberg, “Das textkritische Problem des Alten Testaments am Hoseabuche demonstriert,” ZAW 52 (1934): 241–254; Henrik S. Nyberg, Studien zum Hoseabuche: zugleich ein Beitrag zur Klärung des Problems der alttestamentlichen Textkritik, UUÅ 6 (Uppsala: A. B. Lundequistska Bokhandeln, 1935). Nyberg exaggerated much in his distrust of M: “MT, represented by manuscripts that at best go back to the early Middle Ages, is the latest and worst Scripture text” (p. 242).
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4. Textual profile of individual books and segments of books a. Torah. The M of the Torah lacks the frequent harmonizing pluses of most other texts, especially the G, Smr, and the exegetical and liturgical texts.65 It also lacks the editorial pluses of Smr and the frequent changes of exegetical texts like 4QRP.66 As a result, the preferential position of M in the Torah is remarkable. It may well be that also elsewhere in Scripture M reflects such a preferable text, but because of the lack of opposition with other texts, such a relation cannot be proven. In this important feature of the harmonizations in the Torah M is thus conservative, since the other witnesses freely altered the earlier text. b. Jeremiah. In Jeremiah, the text of M+67 and 4QJera, c is often longer than G and 4QJerb, d and this applies also to MT+ of Ezekiel as compared with G. In modern research this feature is often considered a literary and not a textual phenomenon,68 but all the same, the M of these books does display distinct recognizable characteristics. In Jeremiah the textual data are strengthened by linguistic analysis as the additional layer of M shows signs of lateness. For example, in Jer 33:20 יומםis used as a noun and not an adverb;69 the Ketiv הזאתהin Jer 26:6 (Qere ;)הזאת70 the late form Nebuchadnezzar in chapters 27–29 as opposed to the original form, Nebu‑ chadrezzar in the remainder of the book (see below).71 c. 1–2 Samuel. Several scholars recognize theological tendencies in the M of 1–2 Samuel compared with the presumably earlier text of the G and 4QSama. These tendencies are visible in the first two chapters of 1 Samuel in which Hannah’s place in the cult was suppressed in MT+ when compared with the G and 65 I believe that the frequent harmonization of the non-M sources in the Torah was created by its popularity causing an increased interest in its embellishment and improvement. This feature was developed in the Torah only, although there is enough occasion for harmonization elsewhere. 66 See my analysis in Emanuel Tov, “Textual Developments in the Torah,” 236–246. Revised version in Emanuel Tov, Textual Criticism of the Hebrew Bible, Qumran, Septuagint: Collected Writings, Volume 3, VTSup 167 (Leiden: Brill, 2015), 239–249. 67 This symbol denotes the M group (M, Targumim, and Vulgate, usually joined by the Peshitta). See my TCHB, 29. 68 See TCHB, 283–326. 69 See Jan Joosten, “L’excédent massorétique du livre de Jérémie et l’hébreu postclassique,” in Conservatism and Innovation in the Hebrew Language of the Hellenistic Period: Proceedings of a Fourth International Symposium on the Hebrew of the Dead Sea Scrolls and Ben Sira, ed. J. Joosten and J.-S. Rey, STDJ 73 (Leiden: Brill, 2008), 93–108 (p. 95–97); Aaron D. Hornkohl, Ancient Hebrew Periodization and the Language of the Book of Jeremiah: The Case for a Sixth Century Composition, SSLL 74 (Leiden: Brill, 2014), 314–318. At the same time, this usage is also evidenced once in the Jeremiah layer that is shared by the M and G (15:9). 70 See Moshe Bar-Asher, “On Several Linguistic Features of Qumran Hebrew,” in Hamlet on a Hill. Semitic and Greek Studies Presented to Professor T. Muraoka on the Occasion of His SixtyFifth Birthday, ed. M. F. J. Baasten and W.Th. van Peursen, OLA 118; Leuven: Peeters, 2003), 73–93 (p. 80); Joosten, “L’excédent,” 98–99; Hornkohl, Ancient Hebrew Periodization, 145–147. 71 See further the data collected by Hermann-Josef Stipp, “Linguistic Peculiarities of the Masoretic Edition of the Book of Jeremiah: An Updated Index,” JNSL 23 (1997): 181–202.
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4QSama.72 Similar theological tendencies are visible elsewhere in the book in the replacement of theophoric Baal names with boshet, “shame” or with El.73 It seems that the M of this book contains more theological changes than the other books in M. However, lack of evidence possibly does not allow us to penetrate to similar information in other books.74 We note in parenthesis that in most books we cannot identify special content features in M because of lack of opposition between M and the other textual witnesses. In my view, this is the case in Judges,75 Psalms,76 Job,77 Ruth, Qohelet, Lamentations,78 and probably also Isaiah.79 In these books we are faced with a unified textual tradition. Rarely a special textual profile can also be detected in parts of books. 72 See my study in Emanuel Tov, “Theological Tendencies in the Masoretic Text of Samuel,” in After Qumran: Old and Modern Editions of the Biblical Texts: The Historical Books, ed. H. Ausloos et al., BETL 246 (Leuven: Peeters, 2012), 3–20. The main difference between M on the one hand and the G and 4QSama on the other is that in certain episodes in the latter two texts, Hannah acts as the main character, while in M there are two main characters, Hannah and Elkanah. The impression is created that M did not wish to assign certain actions to Hannah since she was a woman, as it would not have been appropriate for a woman to have played such a central role, especially in the cult (see 1:23, 24, 25, 28; 2:11). M ascribed actions to Elkanah that in an earlier version had been ascribed to Hannah. Three times Hannah’s presence in the temple expressed by the words לפני יהוהhas been removed from the text of M (1:9, 14, 25). Especially difficult is 2:11 in M: since, at this juncture, Hannah should be considered the main character, it is strange that nothing is said in this verse about her movements. 73 For an analysis, see my TCHB, 247–248. For different views, see Matitiahu Tsevat, “Ishboshet and Congeners. The Names and Their Study,” HUCA 46 (1975): 71–87; Stefan Schorch, “Baal oder Boschet? Ein umstrittenes theophores Element zwischen Religions‑ und Textgeschichte,” ZAW 112 (2000): 598–611. These names may be compared with parallels in Chronicles. Even though Chronicles was composed after Samuel, its text often preserves earlier textual traditions. Therefore, this phenomenon pertains to the scribe(s) rather than the author of the biblical books. 74 Theological changes are found everywhere in M, as shown by Abraham Geiger, Urschrift und Uebersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der inner Entwickelung des Judenthums, 2nd ed. (Frankfurt a. Main: Madda, 1928), 259–433. 75 See Natalio Fernández Marcos, שפטיםJudges, vol. 7 in BHQ (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2011), 5, 12. Fernández Marcos notes that the range of differences between the sources is minimal and, except for 77 instances, he always prefers the witness of M. See my review in Sef 72 (2012): 483–489. 76 It is remarkable that all textual witnesses, including the LXX, reflect the change of the Tetragrammaton to elohim in the Elohistic Psalter. 77 This assumption is based on the assumption that the Greek version of Job greatly deviating from M reflects the translator’s exegesis and not a deviating Hebrew text. See Claude Cox, “Does a Shorter Hebrew Parent Text Underlie Old Greek Job?,” in In the Footsteps of Sherlock Holmes: Studies in the Biblical Text in Honour of Anneli Aejmelaeus, ed. K. De Troyer et al., BETL 72, (Leuven: Peeters, 2014), 451–462. 78 See R. Schäfer, “ איכהLamentations,” in General Introduction and Megilloth, vol. 18 of BHQ (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2004), 17*–20*. 79 M (similar to 1QIsab and many cave 4 scrolls) is very similar to G, which does not seem to reflect a divergent textual tradition, since the great majority of its deviations from M are translational-exegetical. 1QIsaa and 4QIsac reflect free orthographic-morphological variants of this tradition.
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d. The Elohistic Psalter. The background of the special status of the second (Psalms 42–72) and the third (Psalms 73–89)80 books of Psalms has not been clarified. In these two collections, elohim is the dominant divine name, while in the other three Psalter books YHWH is the main appellation for God. The differences are most clearly visible in the parallel Psalms 14 and 53 since the Elohistic Psalm 53 replaced the earlier YHWH of Psalm 14 with elohim. The usual explanation given for the wording of the Elohistic Psalter is the shunning of the use of the Tetragrammaton, a feature that is also noticeable in various scribal practices in the Qumran scrolls.81 We do not know at which stage the second and third books of the Psalter were submitted to a revision of the divine name, nor if this reviser limited himself to these two books. In an earlier study I suggested the following scenario.82 The book of Psalms was written in five different scrolls and the mentioned changes were inserted in one of the early copies of the complete Psalter, while another one remained unchanged. When the archetype of the Psalter was composed, coincidentally two revised Elohistic scrolls of the Psalter were combined with three unrevised scrolls.83 This action took place at an early date, since the change of the divine names is presupposed by all ancient sources.84 e. Jeremiah 27–29. Chapters 27–29 of Jeremiah in M differ rather consistently from the remainder of Jeremiah in three groups of linguistic details:85 1. The name of the king of Babylon is spelled in the M of chapters 27–29 in its later form, Nebuchadnezzar (except for 29:21, Nebuchadrezzar), while in the remainder of the book it occurs in its original form, Nebuchadrezzar. Since the name of the king is lacking in all its occurrences in these chapters in G (as well as often elsewhere in the Greek version), these added names in the M of chapters 27–29 may be recognized as representing a linguistically later layer. 80 Probably Psalms 84–89, all or in part, have not been submitted to this revision. However, according to Gese, Psalm 84 belongs to the Elohistic Psalter: Hartmut Gese, “Die Entstehung der Büchereinteilung des Psalters,” in Vom Sinai zum Zion: Alttestamentliche Beiträge zur biblischen Theologie, ed. Hartmut Gese, BEvT 64 (Munich: Kaiser, 1974), 159–167 (162). According to BDB, 44, Psalms 84–85 are Elohistic, and according to Laura Joffe, “The Elohistic Psalter: What, How, and Why?,” SJOT 15 (2001): 142–169 (p. 169) all these Psalms (84–89) contained the Elohistic Psalter. According to Hans-Joachim Kraus, Psalmen I, BKAT 15,1 (Neukirchen–Vluyn; Neukirchener Verlag, 1966), xvi, these six Psalms were added to the Elohistic Psalter after that had been completed. 81 For details, see Emanuel Tov, “The Coincidental Textual Nature of the Collections of Ancient Scriptures,” in Congress Volume Ljubljana 2007, ed. André Lemaire, VTSup 133 (Leiden: Brill, 2010), 153–169. 82 See n. 81. 83 The two Elohistic books could have been included in a single scroll, but more likely circulated as two separate scrolls, because in early times scrolls did not contain long texts. 84 The G rather consistently distinguished between the equivalents אלהים – θεός and יהוה – κύριος. In MasPsa, the Psalms of the Elohistic Psalter appear in the M sequence. 85 For details see my study “The Coincidental Textual Nature.”
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2. Most theophoric names in Jeremiah are of the long type, for example, Yirmeyahu (241× altogether). The short theophoric names ending with ‑yah form a minority in the book (73×). On the other hand, in chapters 27–29 the short forms prevail with 35 instances as opposed to eight long forms. These short forms are a sign of Late Biblical Hebrew as shown by their frequency in Chronicles and the Qumran scrolls. The M formulation of these chapters thus is later than that of the other chapters. 3. In Jeremiah the brief appellations like “Jeremiah” are more frequent than the longer ones like “Jeremiah the prophet,” but in chapters 27–29 the long formula like “Jeremiah the prophet” prevails (in this case, eight times in M as opposed to three occurrences of the short formula).86 Chapters 27–29 in M thus differ from the remainder of the book in small details. These chapters deal with interconnected themes: Jeremiah’s polemic against the false prophets and the idea that Babylon cannot be overthrown. The assumption that these three chapters were once contained in a small scroll is therefore inescapable.87 By implication, the complete book of Jeremiah was originally contained in several small scrolls.88 Only at a later stage were the contents of these small scrolls transferred to one or two large scrolls, and at that stage the little scroll containing chapters 27–29 coincidentally reflected a formulation slightly different from that of the surrounding chapters.
5. Analysis and Summary This study focuses on the textual nature of M. In an attempt to locate characteristic features of M I analyzed units that stood out in para-textual features, orthography, the amount of corruption, and their textual profile. Some of the M units are characterized by more than one criterion. Thus the text of the Torah was described as more conservative than the other books because of its lack of harmonization and its defective and archaic orthography; further, note the occurrence of dotted 86 With its short formulas in chapters 27–29, G is less close to M in these chapters than in the rest of the book. Elsewhere, G often lacks the long formula or has the short formula. Similarly, in these chapters, the long phrase “Hananiah the prophet” prevails in M as opposed to the short phrase in G. 87 The separate circulation of these three chapters has also been suggested by other scholars. See Nahum M. Sarna, “The Abortive Insurrection in Zedekiah’s Day (Jer. 27–29),” ErIsr 14 (1978), 89*–96* (p. 92*–93*) with earlier literature; Benjamin D. Sommer, “New Light on the Composition of Jeremiah,” CBQ 61 (1999): 646–666. The suggestion that these three chapters formed a separate unit is accepted by Hornkohl, Ancient Hebrew Periodization, 67–68, but Hornkohl focuses more on the possibility that these chapters reflect a linguistic reality different from the remainder of the book than on the background of the independent status of these chapters. 88 This is not an unusual assumption in view of the writing of part of the book in a single scroll according to chapter 36.
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letters mainly in this book and a low number of Ketiv / Qere readings compared with the post-Pentateuchal books.89 Samuel is characterized by its theological tendencies, frequent occurrence of the pisqah beʾemṣaʿ pasuq and its textual corruption. In addition, N. Mizrahi detected a profile of Second Temple spellings and linguistic forms in this book more than in other books of the classical period.90 Jeremiah and Ezekiel are characterized by a longer text than the other witnesses, and in addition the added layer of M in Jeremiah shows signs of linguistic lateness; several late forms are found in Ezekiel. Kings has the most defective spelling in Scripture together with the Torah. Special spellings were detected in Job. In Ruth, Nahum, and Jonah section divisions are extremely infrequent. Amos is the most defective among the Minor Prophets, while Jonah is the fullest. The distinction between defective and full orthography creates a dividing line between books, since Qohelet, Canticles, and Esther are full, while the other two megillot Ruth and Lamentations are not. We also found distinctions between segments of books, namely between books two and three and the other three segments of Psalms, as well as between Jeremiah 27–29 and the remainder of the book. We lifted up the veil a little from the enigmatic text named M, but at the same time new mysteries were created since we do not know how the textual profiles that we discovered were created. Let’s ponder a little on this issue. The lack of scribal and textual unity of M was exposed,91 but nevertheless all these different texts have been combined into one framework, the archetype of the medieval manuscripts of M. The evidence of M can only be explained by the assumption that all sources of M go back to a single archetype, as suggested by de Lagarde.92 Early precursors of this source were found among the scrolls found in the Judean Desert sites other than Qumran.93 These scrolls do not differ more from Codex L than the medieval texts differ from one another, especially the accurate Tiberian manuscripts in relation to the Sephardi, Ashkenazi, and Italian manuscripts.94 89 The analysis of the frequencies of the Ketiv / Qere readings was initiated by James Barr, “A New Look at Kethibh-Qere,” OTS 21 (1981): 19–37. It is unclear whether there is a special relation between the low-frequency books (the Torah and the Minor Prophets) and their textual character. Possibly a low frequency of Qere readings reflects a stable textual condition. High frequency books, that is Samuel, Kings, Jeremiah, Ezekiel, and Daniel, may be textually less stable. 90 Noam Mizrahi, “Kings or Messengers? The Text of 2 Samuel 11:1 in the Light of Hebrew Historical Phonology,” ZAH 25–28 (2012–2015): 57–83; previous version: Noam Mizrahi, “‘Kings’ or ‘Messengers’ in 1 Sam 11:1? The Linguistic Background of the Masoretic Text,” Text 25 (2010): 13–36. 91 The lack of unity was also recognized by Michael Segal, “The Text of the Hebrew Bible in Light of the Dead Sea Scrolls,” Materia giudaica 12 (2007): 5–20 (p. 9). 92 Paul de Lagarde, Anmerkungen zur griechischen Übersetzung der Proverbien (Leipzig: Brockhaus, 1863), 2–4. 93 That is, the earlier site of Masada (texts written between 50 BCE and 30 CE) and the later sites of Wadi Murabbaʿat, Wadi Sdeir, Nahal Hever, Nahal Arugot, and Nahal Ṣeʾelim, dating to the period of the Bar Kochba revolt in 132–135 CE (texts copied between 20 and 115 CE). See further n. 3. 94 For examples of differences between the medieval manuscripts, see the data collected in
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However, the issue of the origin of M is more complex, especially its derivation from the Judean Desert texts. The consonantal content of the proto-M scrolls is indeed virtually identical to L, and they use the same para-textual systems regarding paragraph divisions, parenthesis signs (= inverted nunim), cancellation dots, and suspended letters. However, the Judean Desert texts cannot be the direct precursor of the medieval M. First, one major component of M is totally absent from the ancient scrolls, viz., that of the Ketiv / Qere.95 Likely that system was instituted after the first century CE, and in any event before the composition of the rabbinic literature, in which some Qere readings are mentioned.96 Second, there are major discrepancies between M and the known proto-M scrolls regarding the details of the parashiyot.97 Thus, MurXII and MasEzek differ much from L and the other manuscripts in parashiyot they have and do not have.98 These differences are much greater than the medieval texts differing from one another regarding the parashiyyot.99 The evidence with regard to the Ketiv / Qere and the the apparatuses of the volumes of the HUB. Note especially the differences between the accurate Tiberian manuscripts and such manuscripts as Kennicott 30 and 150. See Jordan S. Penkower, “The Development of the Masoretic Bible,” in The Jewish Study Bible, ed. A. Berlin and M. Z. Brettler, 2nd edition (Oxford / New York, NY: Oxford University Press, 2014), 2159–2165 (2162). 95 The Dead Sea Scrolls do not record any marginal variants or corrections; the only extratextual details are a relatively small body of corrections of scribal mistakes written between the lines, and rarely in the margin. However, these corrections are not of the type of the Qere readings, most of which are simply ancient variations between manuscripts. 96 Harry M. Orlinsky, “The Origin of the Kethib-Qere System: A New Approach,” in Con‑ gress Volume: Oxford 1959, ed. G. W. Anderson et al., VTSup 7 (Leiden: Brill, 1960): 184–192 suggested that the Qere was not written in manuscripts before the second half of the first millennium of our era. 97 There is insufficient information in the scrolls on the words indicated with dots and on the pbp. 98 MurXII contains many empty lines (a system that is not used in L under these circumstances), usually corresponding with a P(etuchah), e. g., before Amos 2:1; 8:1; 9:13, but also with a S(etumah), e. g., before Amos 7:12; Jonah 3:4; Mic 6:1. Other empty lines have no parallels in M, e. g., before Amos 7:4. The scroll sometimes indents, corresponding with P in M (e. g., before Amos 1:9; 7:10; Hab 3:1). It also has a P where M has no sense division (e. g., before Amos 9:7), or where M has an S (e. g., before Mic 5:6; 7:9). The details have been listed and analyzed by Josef M. Oesch, Petucha und Setuma, Untersuchungen zu einer überlieferten Gliederung im hebräischen Text des Alten Testament, OBO 27 (Freiburg: Universitätsverlag; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1979), 285–289 and Table VII. However, Oesch does not make a distinction between the empty lines and P, and he compares the scroll with the totality of the Masoretic texts. He therefore concludes (p. 288) that the scroll and the Masoretic manuscripts do not differ more from each other than these manuscripts differ from one another. For MasEzek, see Shermayahu Talmon in Shermayahu Talmon and Yigael Yadin, Masada VI, The Yigael Yadin Excavations 1963–1965, Final Reports, Hebrew Fragments from Masada (Jerusalem: Israel Exploration Society / The Hebrew University of Jerusalem, 1999), 1–149 (73–75). 99 On the other hand, the shorter scroll MasLevb appears to reflect codex L exactly with one exception. Before Lev 11:9 the scroll has a closed section not matched by L, but found in Ginsberg’s edition. The scroll is, however, much smaller than MurXII (Lev 8:31–11:40) and therefore cannot be evaluated well.
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parashiyyot thus leaves no doubt that the proto-M texts known to us underwent some developments after the period on the Qumran texts and the other Judean Desert texts. Initially the tradition of Ketiv / Qere was oral, so that we do not expect to find early copies including that tradition, but the parashiyyot were written, and we can therefore safely state that the exact copy that served as the forerunner of M has not been found. However, there is no doubt that the medieval text did derive from the likes of one of the texts found in the Judean Desert. Can we make any statements about the character of M other than its unequal character? We detect in the Torah conservative traits in orthography and it is non-harmonizing. This probably also pertains to the other texts in which harmonization is a constant danger, as in the parallel texts within Psalms, 2 Kings // Jeremiah and Isaiah, and Chronicles compared with its sources. In all these books there are surprisingly few harmonizing changes in M, and somewhat more in the other sources. In other Scripture books there is no clear opposition between the textual sources, and therefore few statements can be made about the precision of M in these books. In at least one unit, Samuel, and possibly also in Hosea, M cannot be named precise. But even if we name M precise in some books we should remember the warning of I. L. Seeligmann, that before M became a text in which scribes did not intervene, earlier scribes often changed the content.100 The Torah text of M is closer to the 3rd or 4th century form of that book than the other texts. I use this cautious formulation in order to avoid the phrase “the original text.” In those books in which M reflects literary formulations that are later than those in G, it is further removed from the earlier text. This pertains to segments in Joshua, Samuel, Kings, Jeremiah, and Ezekiel. The upshot of this analysis is that M is a mixed bag containing units that reflect a conservative tradition and those that do not, units that seem to be later than G (the books just mentioned), and units that are earlier than the Vorlage of G (1 Kings, Esther, and Daniel). Each Scripture book was produced at a different time by a different scribe, displaying his personal character. We do not know how the archetype of M was compiled, but in any event I do not think that there 100 Isac Leo Seeligmann, “Indications of Editorial Alteration and Adaptation in the Massoretic Text and the Septuagint,” VT 11 (1961): 201–221 (201–202) = Isac Leo Seeligmann, “Indications of Editorial Alteration and Adaptation in the Massoretic Text and the Septuagint,” Gesammelte Studien, ed. Erhard Blum, FAT 41 (Tübingen: Mohr Siebeck, 2004), 449–467. Original Hebrew version: סימנים לשינויים ולעיבודים עריכתיים בנוסחת המסורה ובתרגום השבעים״ 295–279 ,)– מיקראה בחקר המקרא (ירושלים תשל״ט ליקוטי ״תרביץ״ א:בתוך. This is also the place to mention the penetrating studies of Geiger who identified many a tendentious correction in M made at an earlier stage: A. Geiger, Urschrift und Uebersetzungen. Geiger was the first scholar to systematically deal with theological interventions in all books of M, under several headings: divine names (pp. 261–308), inappropriate expressions including the “corrections of the Scribes“ (pp. 308–345), foreign nations and fractions within Israel (345–385), and feelings of shame (385–423). However, many of the examples of theological changes given by Geiger are emendations. Geiger also provides some examples for Smr and G (e. g., p. 389).
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was a selection process of manuscripts to be included in the archetype.101 There probably was only one candidate for inclusion in the archetype of M. Otherwise the specific text of Samuel would not have been included. It should be remembered that the inclusion of scrolls in the archetype of M depended on some coincidence. Likely the persons who created the archetype were not aware of the differences between the scrolls and did not pay attention to the small details under scrutiny in this study.102 This process determined the character of the corpus that subsequently became known as M. In this corpus we find books of different sizes. Large books consisting of several scrolls could coincidentally be combined from slightly different scrolls. Thus only two of the five books of Psalms are evidenced in an Elohistic revision. In this way also Jeremiah 27–29 differed from the remainder of the book. The same processes happened in the creation of the archetype of G, whose books differ much from one another. We note that in a corpus that developed over the course of such a long period internal differences such as those in G and M should be expected. These differences cause us to question the nature of the corpus, aspects that we named enigmatic. These enigmas are greater in the case of G than in the M corpus.
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Implizieren 1 Kön 8,18 und 2 Chr 6,8 einen Archetyp? Ein gemeinsamer Schreibfehler im masoretischen Text und in der Septuaginta der Bücher der Könige und Chronik Adrian Schenker 1. Fragestellung Schreibfehler in Textzeugen sind sog. Leitvarianten, weil sie eine Genealogie von Handschriften offenbaren, welche alle den gleichen Fehler aufweisen. Sie müssen auf einen Archetyp zurückgehen, von dem der Fehler ausging und sich von Abschrift zu Abschrift fortpflanzte. Die Frage ist: Gibt es solche Schreibfehler, welche sowohl in den Samuel‑ und Königsbüchern als auch in den Parallelen im Buch der Chronik, und zwar in den beiden Textgestalten des masoretischen Textes (M) und der alten griechischen Übersetzung (G) vorkommen? Wäre das der Fall, würden solche Schreibfehler eine Handschrift als Archetyp implizieren, die schon dem Verfasser des Chronikbuches sowie den griechischen Übersetzern von Königebüchern und Chronik vorlag (in Form des Archetyps selbst oder einer Abschrift desselben). Es soll hier geprüft werden, ob ein solcher Schreibfehler in 1 Kön 8,18 und 2 Chr 6,81 vorhanden ist.
2. Analyse von 1 Kön 8,18 In 1 Kön 8,18 stimmen der hebräische Text (M) und der altgriechische Text (G) genau überein. Der uns hier beschäftigende Teil des Verses besteht in der direk1 Die Texte der griechischen Bibel werden nach folgenden Ausgaben angeführt: für 1. Könige Brooke, Alan E. / McLean, Norman / Thackeray, Henry St. John, The Old Testament in Greek. Vol. II. The Later Historical Books, Part II. I and II Kings, Cambridge 1930; für den antiochenischen oder lukianischen Text ebenfalls Fernández Marcos, Natalio / Busto Saiz, José Ramon, El texto Antioqueno de la Biblia Griega II 1–2 Reyes, TECC 53, Madrid 1992; für 2. Chronik Brooke, Alan E. / McLean, Norman / Thackeray, Henry St. John, The Old Testament in Greek. Vol. II. The Later Historical Books, Part III. I and II Chronicles, Cambridge 1932; Hanhart, Robert, Paralipomenon II. Septuaginta Vetus Testamentum Graecum VII/2, Göttingen 2014; Fernández Marcos, Natalio / Busto Saiz, José Ramon, El texto Antioqueno de la Biblia Griega III 1–2 Crónicas, TECC 60, Madrid 1996.
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ten Rede Jhwhs, die mit יַ ַען ֲא ֶשׁרbeginnt. Auffällig ist hier die Syntax, weil der Hauptsatz, ה ִטיב ָֹת,ֱ „du hast gut daran getan“ zweimal begründet ist2. Das erste Mal ist der Begründungssatz mit יַ ַען ֲא ֶשׁר, das zweite Mal mit ִּכיeingeleitet. Der erste Begründungssatz würde genügen: „dafür dass es dir am Herz lag, meinem Namen ein Haus zu bauen, hast du etwas Gutes getan“. Der zweite Begründungssatz fügt nichts Neues hinzu, sondern bezieht sich auf den ersten zurück: „denn das lag dir am Herzen“ oder „dass es dir am Herzen lag“, ohne dass explizit neu gesagt wäre, was denn David am Herzen lag. Weil das nicht ausdrücklich gesagt wird, kann damit nur der Bau eines Hauses für Jhwh aus dem ersten Begründungssatz gemeint sein. Die Te’amîm, die Akzente ordnen die Hierarchie der beiden Begründungssätze. Da der erste mit dem Atnach beendet ist, während vor dem zweiten der Zaqqef auf dem einzigen Wort des Hauptsatzes ֱה ִטיב ָֹתsteht, sind Haupt‑ und zweiter Begründungssatz enger miteinander verbunden als erster Begründungs‑ und Hauptsatz. Daher fehlt dem ersten Begründungssatz der Hauptsatz. So bildet er eine Ellipse oder Aposiopese. Das ist aber ganz ungewöhnlich. Denn begründende Sätze mit יַ ַען ֲא ֶשׁרhaben immer einen Hauptsatz, welcher die so begründete Wirkung enthält. Im AT kommt die Abfolge Begründung – Wirkung – Begründung ähnlich wie hier in 1 Kön 8,18 auch in 1 Chr 21,8 vor. Dort sind es jedoch drei vollständige Sätze (es gibt keine Aposiopese), und diese drei Sätze wiederholen nicht wortwörtlich denselben Inhalt, sondern bringen mit verschiedenen Formulierungen einen Fortschritt der Aussage. Zusammengefasst besteht die direkte Rede aus einem einzigen Hauptsatz, der zweimal gleich begründet wird: „es lag dir am Herzen“, wobei der zweite, kürzere Begründungssatz den ersten längeren voraussetzt, ohne ihm ein neues Element hinzuzufügen. Das ist kein ursprüngliches Satzgefüge. Es enthält einen Fehler. Was das für ein Fehler ist, kann man nur vermuten, weil alle Textzeugen in 1 Kön 8,18 und 2 Chr 6,8 sowohl in M als auch in G denselben Text bieten. Man könnte an eine Haplographie des Hauptsatzes ֱה ִטיב ָֹתdenken, ähnlich wie in Jes 44,11–12; Jos 18,28; Esr 8,103. Wiederholte Ausdrücke sind in besonderem Grad durch Schreibfehler bedroht. Der Verfasser würde dann die seltene Stilfigur der reinen Wiederholung verwendet haben wie in Gen 42,14; Ex 3,15; 16,23, vgl. auch Gen 1,27a; Lev 20,10 (erklärende Apposition zu )א ֶשׁר. ֲ Aber das ist eine 4. Vermutung, d. h. eine Konjektur
2 Analyse des Satzes bei Mulder, Martin J., Die Partikel יַ ַען, OTS 18 (1973), 49–83, hier 65 f. 3 Schenker, Adrian, Une bible archétype? Les parallèles Samuel-Rois et des Chroniques, éd. M. Langlois, L’écriture de la bible 3, Paris 2013, 49. 4 Mulder, Martin J., 1 Kings, vol. 1 / 1 Kings 1–11, HCOT, Leuven 1998, 407 f., bemerkt mit Recht, dass fast kein Kommentar die Stelle erklärt, obgleich die ungewöhnliche Syntax der Erklärung bedarf (sein Bezug auf Königs Lehrgebäude enthält einen Irrtum: es muss heißen § 415e [anstatt 145e]).
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3. Der griechische Text von 2 Chr (2 Paralipomena) 6,8 In 2 Chr 6,8 bietet die ursprüngliche Lesart des Vaticanus zusammen mit der bohairischen Version5 (ed. Lagarde), aber nicht mit der Vetus Latina6, anstatt καλῶς ἐποίησας ὅτι ἐγένετο ἐπὶ καρδίαν σου, nur καλῶς ἐγένετο ἐπὶ καρδίαν σου. So ergibt sich ein Gefüge aus vorangehendem Begründungs‑ und folgendem Hauptsatz. Doch bleibt auch hier das überraschende Moment, dass Begründungssatz und Hauptsatz gleich lauten: „weil es dir am Herzen lag …, lag es dir gut am Herzen“. Ferner stellt sich die Frage, ob der Vaticanus in seiner ersten Hand und das bohairische Chronik-Buch die ursprüngliche Lesart bieten. In der griechischen Bibel impliziert das Adverb καλῶς immer und ohne Ausnahme eine hebräische Vorlage mit טובoder einem Derivat von טוב. Die Verben יטבhif und טובhif übersetzt G praktisch immer mit ποιεῖν (neunmal), wenn man von 2 Chr 6,8 absieht; יטבqal ist einmal mit εἶναι verknüpft (2 Kön 25,24). καλῶς allein ohne ποιεῖν steht ausschliesslich für nominales ( טובsiebenmal). Bei dieser Sachlage müsste man als Vorlage der griechischen Wiedergabe im Vaticanus an Stelle von ֱה ִטיב ָֹתdas Nomen טובannehmen. Die Lesart würde so lauten: Dafür dass dir am Herzen lag …, lag dir Gutes am Herzen.
יען אשר היה עם לבבך … טוב היה עם לבבך
Die Schwierigkeit dieser Lesart liegt in der platten Aussage. Dass das Anliegen, dem Namen Jhwhs ein Haus zu bauen, ein gutes Anliegen war, braucht doch wohl nicht eigens gesagt zu werden. Das liegt auf der Hand. Falls die ägyptische Ausgabe der altgriechischen Bibel (Vaticanus mit Boh) die ursprüngliche griechische Lesart böte, so dürfte man annehmen, dass ihre hebräische Vorlage anstatt ם־ל ָב ֶבָך ְ יבֹות ִכּי ָהיָ ה ִע ָ ֱה ִטwahrscheinlich lautete: טוב היה עם לבבך. Das wäre eine erleichternde Lesart, weil sie die Aposiopese oder Ellipse von 1 Kön 8,18 beseitigt. Denn sie besteht aus einem Begründungs‑ und einem Hauptsatz. Das entspricht normaler Syntax. Die anderen griechischen Textzeugen von 2 Chr 6,8 wären an M oder an die Parallele von 1 Kön 8,18 angeglichen worden. Doch ist die Lesart von Vaticanus und Boh mit ihrer möglichen hebräischen Vorlage vielleicht sekundär, eben weil sie erleichtert. Zusammengefasst ist eine kleine Möglichkeit gegeben, dass die Lesart des Vaticanus eine ursprünglichere hebräische Vorlage widerspiegelt als die anderen griechischen Textzeugen, weil sie sich von 1 Chr 6,8 M und von 1 Kön 8,18 M 5 Zitiert nach Brooke, Alan E. / McLean, Norman / Thackeray, Henry St. John, The Old Testament in Greek, vol. II, Part III. I and II Chronicles, Cambridge 1932 und R. Hanhart, Paralipomenon Liber II. Vetus Testamentum Graecum VII/2, Göttingen 2014. 6 Weber, Robert, Les anciennes versions latines du Deuxième Livre des Paralipomènes, Coll. Biblica Latina 8, Rome 1945.
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und G unterscheidet. Sie allein wäre nicht an diese parallelen Lesarten assimiliert. Sicher ist das aber nicht, weil die Lesart des Vaticanus und ihre eventuelle hebräische Vorlage eine platte Aussage mit zweimaliger identischer Formel „es lag dir am Herzen“ machen. Das sieht nach einer verderbten Lesart aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass alle Zeugen von 2 Chr 6,8, sowohl M als auch G (sei es nach der Mehrheit der Zeugen oder sei es nach dem Vaticanus) von einer gemeinsamen verderbten Quelle herkommen. Diese gemeinsame Verderbnis besteht darin, dass alle Zeugen im Königsbuch und in der Chronik einen mit יען אשרeingeleiteten Nebensatz mit der Wendung „es lag dir am Herzen“ aufweisen und alle einen Hauptsatz bieten, der wiederum die Wendung „es lag dir am Herzen“ wiederholt, ohne etwas Neues zum einleitenden Nebensatz mit יען אשר hinzuzufügen.
4. Folgerungen und Ertrag Die Textverderbnis in 1 Kön 8,18 und 2 Chr 6,8 in M und G muss eine gemeinsame Wurzel haben. Diese ist ein Schreibfehler, denn die überlieferten Textformen leiden unter syntaktischen und inhaltlichen Spannungen. Schreibfehler werden nur durch Abschriften der ersten Handschrift mit dem Fehler fortgepflanzt. Von dieser stammen alle Textzeugen ab, die den Fehler aufweisen. Der gemeinsame Fehler in 1 Kön 8,18 und 2 Chr 6,8 in M und in G macht eine solche fehlerhafte archetypische Handschrift aus der Zeit vor der Abfassung der Chronik und der griechischen Übersetzung der Königebücher wahrscheinlich. Es ließe sich dagegen einwenden, dass sich der Fehler auch durch Angleichung zwischen Könige‑ und Chronikbüchern in M und G auf alle Textzeugen verbreiten konnte, anstatt eine genealogische Abstammung von einer archetypischen Handschrift von 1 Kön vorauszusetzen. Das ist aber deshalb wenig wahrscheinlich, weil fehlerhafte Lesarten den Sinn stören, entweder weil sie wie hier platt sind und nichts Sinnvolles zum Verständnis beitragen oder weil sie wie in andern Fällen schwer verständlich sind. Wichtig für die Textgeschichte ist nun aber die Chronologie der Textzeugen. Der Schreibfehler geschah in 1 Kön 8,18 in vorchronistischer Zeit, also im 3. oder wohl eher schon im 4. Jh. v. Chr. oder noch früher. Damals drang der Fehler in die archetypische Handschrift des Buches der Könige ein. Da der Vorläufer von M, der sog. proto-masoretische Text denselben Fehler aufweist, liegt auch ihm eine Handschrift zu Grunde, die von dieser archetypischen Handschrift abstammt. Sowohl der Verfasser der Chronik spätestens im 3. Jh. als auch der griechische Übersetzer des Buches der Könige im 3. oder 2. Jh. v. Chr. sowie die Schöpfer des proto-masoretischen Textes im 2. oder 1. Jh. v. Chr. bezeugen somit alle die gleiche Textverderbnis. Diese ist somit eine Leitvariante, die eine genealogische Linie von Handschriften impliziert, die alle den gleichen Schreibfehler
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enthalten. Man darf daraus schließen, dass diese Handschriftenlinie während mehreren Jahrhunderten ein besonders hohes Ansehen genoss. Der Grund für dieses Ansehen muss die Hochschätzung des Archetyps und seiner Abschriften gewesen sein. Dieser genealogischen Handschriftenlinie scheint so etwas wie normative Geltung zuerkannt worden zu sein, da sie der Chronist, die griechische Übersetzung des Buches der Könige und der proto-masoretische Text gleichermaßen benutzten. Natürlich genügt eine einzige Leitvariante, wie sie ein Schreibfehler darstellt, allein noch nicht, um eine genealogische Abstammungslinie mehrerer Textzeugen zu begründen. Es könnte sich bei einem einzigen Fehler ja um eine erratische und isolierte Gemeinsamkeit zwischen den Textzeugen handeln. Aber mehrere Leitvarianten zusammen machen jene Textzeugen, die sie aufweisen, zu einer spezifischen Linie der Textüberlieferung. Das scheint bei den vier Textzeugen von Samuel-Könige und Chronik in M und G der Fall zu sein, denn es lassen sich mehrere Varianten identifizieren, die den vier Textzeugen gemeinsam sind und die als Schreibfehler oder auch als spezifische literarische Variante eine Fortpflanzung auf dem Weg der Abschrift eines Archetyps von Handschrift zu Handschrift implizieren.7 Das bedeutet, dass es in vorchronistischer Zeit eine archetypische Handschrift der Bücher Samuel-Könige gab, die auch noch dem proto-masoretischen Text zu Grunde gelegt wurde. Die Verwendung der gleichen Handschriftenlinie durch vierhundert Jahre und mehr erklärt sich schlecht als ein Zufall. Die Erklärung, dass es sich um eine besonders angesehene Handschriftenlinie handelte, leuchtet viel mehr ein. Dieses Ansehen impliziert eine Handschrift des Buches der Könige, die von Anfang an und durch die Jahrhunderte hindurch als besonders gut anerkannt war. Die Möglichkeit eines sehr alten Archetyps ist in einer Perspektive der biblischen Textgeschichte wie der von Abraham Geiger8 weniger überraschend, als es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag. Geiger nahm an, es seien früh gute Handschriften sorgfältig tradiert worden, die bis in die Zeit des literarischen Abschlusses der biblischen Schriften im 5. und 4. Jh. hinaufreichten, und gleichzeitig sei daneben der biblische Text in den letzten drei oder vier Jahrhunderten v. Chr. in zahlreichen Handschriften verändert und an bestimmte Ideen angepasst worden, oft ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Wortlaut. Die Schöpfer des proto-masoretischen Textes, des Vorläufers des masoretischen Textes im 2. und 1. vorchristlichen Jh. haben angesichts der so entstehenden Verwilderung 7 Schenker, Adrian, Une bible archétype? (s. Fn. 3) weist fünf weitere Fälle nach, für die ein gemeinsamer Fehler aus der Zeit vor der Chronik und vor der Übertragung von Samuel-Könige ins Griechische wahrscheinlich ist, d. h. den der Chronist und die griechischen Übersetzer aus einer archtypischen Handschrift geschöpft haben. 8 Geiger, Abraham, Urschrift und Uebersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der inneren Entwickelung des Judenthums, Breslau 1857; neue unveränderte Ausgabe mit einer Einführung von P. Kahle und einem Anhang von N. Czortkowski, Frankfurt a. M. 1928.
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der Überlieferung eine neue Textausgabe geschaffen, die auf alten, sorgfältigen Handschriften basierte, aber auch „Modernisierungen“ enthielt. Ein solches Bild der biblischen Textgeschichte trägt sowohl der zu beobachtenden Textvielfalt als auch der Bewahrung alten Textgutes in manchen Zeugen Rechnung. Es ist hier nicht der Ort, diese Frage weiter auszubreiten und zu erörtern. Doch ist die Feststellung von Schreibfehlern in parallelen und alten Textzeugen, wie es die Samuel‑ und Königebücher, die Chronik und die griechischen Übersetzungen dieser Bücher sind, ein Beitrag, um die Textüberlieferung der Bibel in den Jahrhunderten vor der Entstehung des masoretischen Konsonantentextes in ihrer Komplexität besser zu verstehen.
Literatur Brooke, Alan E. / McLean, Norman / Thackeray, Henry St. John, The Old Testament in Greek. Vol. II. The Later Historical Books, Part II. I and II Kings, Cambridge 1930. –, The Old Testament in Greek. Vol. II. The Later Historical Books, Part III. I and II Chronicles, Cambridge 1932. Fernández Marcos, Natalio / Busto Saiz, José Ramon, El texto Antioqueno de la Biblia Griega II 1–2 Reyes, TECC 53, Madrid, 1992. –, El texto Antioqueno de la Biblia Griega III 1–2 Crónicas, TECC 60, Madrid 1996. Geiger, Abraham, Urschrift und Uebersetzungen der Bibel in ihrer Abhängigkeit von der inneren Entwickelung des Judenthums, Breslau 1857. Hanhart, Robert, Paralipomenon Liber II. Septuaginta Vetus Testamentum Graecum VII/2, Göttingen 2014. Mulder, Martin J., 1 Kings, Bd. 1: 1 Kings 1–11, HCOT, Leuven 1998. –, Die Partikel יַ ַען, OTS 18 (1973), 49–83. Schenker, Adrian, Une bible archétype? Les parallèles Samuel-Rois et des Chroniques, éd. M. Langlois, L’écriture de la bible 3, Paris 2013. Weber, Robert, Les anciennes versions latines du Deuxième Livre des Paralipomènes, Coll. Biblica Latina 8, Rome 1945.
The Fall of Jericho and the Textual History of the Book of Joshua* Kristin De Troyer The image of the Israelites circling around the city is a well-known image. As Hartmut N. Rösel writes: “The collapse of the walls of Jericho is arguably the best known story in the Book of Joshua, because of the strong impression it makes on readers. It is simple and grandiose: ‘trumpets were blown and huge walls fell down’.”1 Everyone seems to know precisely what happened: on the seventh day, they marched seven times around the city, the priests blowing the trumpets! But, were all these elements in the oldest story of the Falling of the Wall of Jericho? What can we learn from looking at the different versions of the story?
1. The Old Debate about the Masoretic Text and the Old Greek When one reads the text of the Hebrew Book of Joshua alongside the Greek version, one immediately notices that the latter is a bit shorter than the former: “Gegenüber seiner masoretischen Fassung erscheint das Buch Josua in der LXX deutlich gekürzt,”2 writes Den Hertog; he continues: “Die quantitativen Differenzen sind nicht gleichmäßig über das Buch verteilt, sondern konzentrieren sich in einigen Kapiteln, namentlich 2, 5–8, 10, 17–18 und 20.”3 Whereas the overall Old Greek (G) book of Joshua is shorter, it also has places where it displays pluses in comparison with the Hebrew Masoretic Text (M): in 19:47, there are extra phrases in the G which are not in the M, and which are most likely taken from Judges 1:34–35. Then, there is the plus in 21:42a–d, which is possibly part of a different conclusion of the book and a large plus in 24:33a–b,
* This contribution is dedicated to my dear colleague and friend, Siegfried Kreuzer, on the occasion of his retirement! May his retirement be as productive as his active academic life! 1 Hartmut N. Rösel, Joshua, HCOT (Louvain: Peeters, 2011), 93. 2 Cornelis den Hertog, “Jesus. Josue / Das Buch Josua,” in Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament, eds. Martin Karrer and Wolfgang Kraus (Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2011), 1:605. 3 Den Hertog, “Jesus,” 605.
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which “probably reflects an earlier stage in the development of the Hebrew text of the book”.4 Not only is the text of the Greek book of Joshua at times shorter and longer, it also has a section after 9:2 which is positioned in 8:30–35 in the M and before 5:2 in 4 QJosha (plus 5:X).5 In a similar way, there is a repetition of 19:49–50 after 21:42. A further comparison between the G and the M reveals that the two texts also differ from each other on the qualitative level, even though the overall translation can be characterized as faithful.6 There is however some discussion about the characterization of the Old Greek translation. For instance, with regard to the Greek translator, Michael van der Meer notes, “Even though he did not straighten out all […] textual difficulties, he introduced a large number of small modification [sic] of the original text”,7 and then offers a list of examples of different renderings for the same Hebrew word, unusual renderings, clarifications, condensations, etc.8 Emanuel Tov however states: “That translation is somewhat free, but not free enough in order to ascribe shortening, expansion and large-scale changes to the translator. Studies of various areas of the translation technique establish the translator’s faithful representation of grammatical categories.”9 The characterization of the translation technique of the book of Joshua plays an important role in the debate about its textual history. Scholars like Michael van der Meer, on the one hand, emphasize the capacity of the translator to introduce modifications in the text – that perspective allows for crediting the translator with pluses, minuses, and changes to a given, i. e., masoretic Hebrew, text. In the latter case, there will be no need to postulate a different Hebrew Vorlage underlying the G text. Tov’s summary of the translational character of the G of the book of Joshua and his arguments on the other hand, “were meant to render support to the assumption that the LXX may be trusted as a witness to a different Hebrew text of Joshua.”10 In other words, the characterization of the translation technique of a book plays a crucial role in the debate about whether the G is a translation of a text 4 See Emanuel Tov, “Literary Development of the Book of Joshua as Reflected in the MT, the LXX and 4 QJosha,” in The Book of Joshua, ed. Ed Noort, BETL 250 (Louvain: Peeters, 2012), 77. 5 See below for the discussion of this text. 6 See especially Seppo Sipilä, Between Literalness and Freedom. Translation Technique in the Septuagint of Joshua and Judges regarding the Clause Connections Introduced by waw and ki, Publications of the Finnish Exegetical Society 75 (Helsinki: The Finnish Exegetical Society, 1999). 7 Michael van der Meer, “Clustering Cluttered Areas. Textual and Literary Criticism in Joshua 18,1–10,” in The Book of Joshua, ed. Ed Noort; BETL 250, (Louvain: Peeters, 2012), 103. 8 Van der Meer, “Clustering Cluttered Areas,” 103–105. 9 At the end of the section, Tov summarizes: “Although the translation of Joshua is not as literal as that of Jeremiah, the limited degree of freedom in this translation allows us to suggest that the translator would not have made the major changes mentioned below.” See Tov, “Literary Development of the Book of Joshua,” 66–67. 10 Tov, “Literary Development of the Book of Joshua,” 70.
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close to, if not the same as the M, or whether it is a translation of a different Hebrew Vorlage. If one accepts that the G is a rather faithful translation of a given Hebrew text, then one tends to accept a different Hebrew Vorlage for places where the G differs from the M – the latter is the position of Emanuel Tov (and many others). On the other hand, if one accepts that the G is a rather free translation, then one credits the translator with the differences and there is no need to establish a different Hebrew Vorlage – this is the position defended by Michael van der Meer. This rule is valid for not only the book of Joshua, but also for all other books of the Bible. The history of the research on the biblical book of Joshua reflects the two positions taken above since more or less the 18th century. In more recent times A. Graeme Auld,11 Alexander Rofé (albeit on occasion and in specific cases),12 Emanuel Tov,13 Lea Mazor,14 Klaus Bieberstein,15 and De Troyer16 propose a A. Graeme Auld, “Textual and Literary Studies in the Book of Joshua,” ZAW 90 (1978): 412–417; and A. Graeme Auld, “Joshua: The Hebrew and Greek Texts,” in Studies in the His‑ torical Books of the Old Testament, ed. John A. Emerton, VTSup 30 (Leiden: Brill, 1979), 1–14. 12 Alexander Rofé, “The End of the Book of Joshua according to the Septuagint,” Hen 4 (1982): 17–36; Alexander Rofé, “Joshua 20: Historico-Literary Criticism Illustrated,” in Empiri‑ cal Models for Biblical Criticism, ed. Jeffrey H. Tigay (Philadelphia, PA: University of Philadelphia Press, 1985), 131–147; Alexander Rofé, “The Editing of the Book of Joshua in the Light of 4 QJosha,” in New Qumran Texts and Studies. Proceedings of the First Meeting of the International Organization for Qumran Studies. Paris 1992, ed. George J. Brooke, with Florentino García Martínez, STDJ 15 (Leiden: Brill, 1994), 73–80. 13 Emanuel Tov, “The Growth of the Book of Joshua in Light of the Evidence of the Septuagint,” ScrHier 31 (1986): 321–39; Emanuel Tov, “Some Sequence Differences between the Masoretic Text and the Septuagint and Ramifications for Literary Criticism,” JNSL 13 (1987): 151–60; Emanuel Tov, “Literary Development of the Book of Joshua,” 65–85. 14 Lea Mazor, The Septuagint Translation of the Book of Joshua – Its Contribution to the Understanding of the Textual Transmission of the Book and Its Literary and Ideological Development (PhD diss., the Hebrew University, Jerusalem, 1994); Lea Mazor, “The Septuagint Translator of the Book of Joshua,” BIOSCS 27 (1994): 29–38; Lea Mazor, “A Nomistic Re-Working of the Jericho Conquest Narrative Reflected in LXX to Joshua 6:1–20,” Text 18 (1995): 47–62. 15 Klaus Bieberstein, Josua – Jordan – Jericho. Archäologie, Geschichte und Theologie der Landnahmeerzählungen Josua 1–6, OBO 143 (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht; Fribourg: Universitätsverlag, 1995), 78. 16 Kristin De Troyer, “The History of the Biblical Text: The Case of the Book of Joshua,” in Insights into Editing in the Hebrew Bible and the Ancient Near East: What Does Documented Evidence Tell Us about the Transmission of Authoritative Texts?, eds. Reinhard Müller and Juha Pakkala, CBET 84 (Louvain: Peeters, 2017), 223–46; Kristin De Troyer, “Reconstructing the Older Hebrew Text of the Book of Joshua: An Analysis of Joshua 10,” Text 26 (2013): 1–31; Kristin De Troyer, “From Leviticus to Joshua: The Old Greek Text in Light of Two LXX Manuscripts from the Schøyen Collection,” Journal of Ancient Judaism 2 /1 (2011): 29–78; Kristin De Troyer, “Greek Papyri and the Oldest Layer of the Hebrew Bible,” in Editing the Bible – Editorial Problems, eds. John Kloppenborg & Judith Newman, RBS 69 (Atlanta, GA: SBL, 2010), 81–90; Kristin De Troyer, “Is This Not Written in the Book of Jashar?” (Josh 10:13c). References to Extra-Biblical Books in the Bible,” in The Land of Israel in Bible, History, and Theology: Studies in Honour of Ed Noort, eds. Jacques van Ruiten and J. Cor de Vos, VTSup 124 (Leiden: Brill, 2009), 45–51; Kristin De Troyer, “Reconstructing the Old Greek of Joshua,” in Septuagint Re‑ search: Issues and Challenges in the Study of the Greek Jewish Scriptures, eds. Wolfgang Kraus 11
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different Hebrew Vorlage, which was mostly shorter,17 but in a small number of cases longer.18 On the other hand Noth, Rofé (again, on occasion and in specific cases), Noort,19 and Van der Meer20 defend the translator’s shortening the text. The most recent contribution by Julio Trebolle, who studied expressions such as “people” vs. “Israel” in Joshua and Judges, also pointed to the G of Joshua being based on a different Hebrew Vorlage and concluded that “the OG reflects a Hebrew reading […] that seems to be older than that of MT […]”.21 Let me offer an example of how translation technique influences a decision. Joshua 6:3 reads: “You shall march around the city, all the warriors circling the city once. Thus you shall do for six days.” I will focus in this example on the act of circling, on how many days they are doing this and on the number of times that the Israelites circle the city. The verb סבבappears in the Qal six times (all in chapter 6, namely 6:3, 4, 7, 14, 15 [2×]). In the Niphal it appears another six times (7:9; 15:3, 10; 16:6; 18:14 and 19:14), five (15:3, 10; 16:6; 18:14 and 19:14) of which are part of a geographical description of an area and can be put aside. Finally, the verb appears one more time in the Hiphil (6:11). In all of the cases, aside from 6:4 and 6:14 the G renders the element of “around” appropriately, albeit using different verbs and expressions (περιΐστημι, κύκλῳ, κυκλόω, περιέρχομαι, περικυκλόω). In 6:4 there is no equivalent to the Hebrew verb as the entire verse is absent in the G. In 6:14, the & R. Glenn Wooden, SCS 53 (Atlanta, GA: SBL, 2005), 105–18; Kristin De Troyer, “Joshua,” in Papyri Graecae Schøyen, PSchøyen I , ed. Rosario Pintaudi, Papyrologica Florentina XXXV / Manuscripts in the Schøyen Collection, Greek Papyri V (Florence: Gonnelli, 2005), 79–145 and Plates XVI–XXVII; Kristin De Troyer, “Building the Altar and Reading the Law: The Journeys of Joshua 8:30–35,” in Reading the Present in the Qumran Library. The Perception of the Con‑ temporary by Means of Scriptural Interpretation, eds. Kristin De Troyer and Armin Lange, with the assistance of Katie M. Goetz and Susan Bond, SymS 30 (Atlanta, GA: SBL, 2005), 141–62; Kristin De Troyer, “‘And they did so.’ Following Orders Given by an Old Joshua,” in Her Mas‑ ter’s Tools? Feminist and Postcolonial Engagements of Historical-Critical Discourse, eds. Caroline Vander Stichele and Todd Penner, GPBS (Atlanta, GA: SBL, 2005), 145–57; Kristin De Troyer, Rewriting the Sacred Text. What the Old Greek Texts Tell Us about the Literary Growth of the Bible (Atlanta, GA: SBL; Leiden: Brill, 2003), 29–58; Kristin De Troyer, “Did Joshua Have a Crystal Ball? The Old Greek and the MT of Joshua 10:15, 17 and 23,” in Emanuel: Studies in Hebrew Bible, Septuagint and Dead Sea Scrolls in Honour of Emanuel Tov, eds. Shalom M. Paul et al., VTSup 94 (Leiden: Brill, 2002), 571–89. 17 According to Tov, “In Joshua the LXX lacks not more than 4–5 %,”; see Emanuel Tov, The Greek and Hebrew Bible. Collected Essays on the Septuagint, VTSup 72 (Leiden: Brill, 1999), 387. 18 See, Tov, The Greek and Hebrew Bible, 387. For the longer Greek plus after Josh 24:33 reflecting a secondary Hebrew addition, see Rofé, “End of the Book of Joshua,” 17–35. 19 Ed Noort, Das Buch Josua: Forschungsgeschichte und Problemfelder, EdF 292 (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1998). 20 Michael N. van der Meer, Formation and Reformulation: The Redaction of the Book of Joshua in the Light of the Oldest Textual Witnesses VTSup 101 (Leiden: Brill, 2004). 21 Julio Trebolle, “Textual Variants in Joshua–Kings Involving the Terms ‘People’ and ‘Israel’,” in In the Footsteps of Sherlock Holmes. Studies in the Biblical Text in Honour of Anneli Aejmelaeus, eds. Kristin De Troyer, T. Michael Law, and Marketta Liljeström, CBET 72 (Louvain: Peeters, 2014), 249.
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G reads differently from the Hebrew: whereas the Hebrew reads that they encircled the city, the OG has them departing into the camp. In other words, the G has carefully rendered the idea of “surrounding” a city in all cases, aside from 6:4. Moreover, whereas in all the cases mentioned above, one Hebrew verb is rendered with one Greek term, in 6:3 the Hebrew reads two verbs in contrast to the Greek, which has only one. The syntax of 6:3 reveals its complexity: God instructs “them” to surround / encircle the city (6:3aα); this phrase is followed by “all the men of the war need to go around the city one time” (with the inf. abs. being the equivalent to the preceding form; 6:3aβ) – whereas the subject “them” was commanded to surround the city, it is the men of the war that are commanded to again encircle (the verb נקףII is also rendered with “to encircle”). Then the verse continues, but now in the second person singular: “you shall do so for six days” (6:3b). The complex Hebrew syntax in 6:3 already alerts the reader to a possible complex literary history of the text. The G of 6:3 is much less complex: God commands Joshua in the second person singular to put the warriors around it. There are no two verbs; there are no two parties which need to do something; there is no alternation between second person singular and second person plural; and finally, maybe most importantly, there is no mentioning of “one time” and “of doing so for six days.” One could argue that the easier reading is due to the translator who made the story easier. This is the position taken by Michael van der Meer, who attributes the minus in 6:3b to the translator. Verse 3b, he states, is part of the “drastic curtailments in verses 3b–4 and 6.”22 But is the translator really that free? Let’s look at another element from 6:3. In 6:3 we read that the encircling happens “one time, once” and that the men need to do so for “six days.” In the book of Joshua the concept of “one” seems important, as it is everywhere: there is one man (3:12 [2×]; 9:2; 22:30; 23:10), one tribe (4:2 [2×]; 22:14); one stone (4:5); once around the city (6:3, 11, 14); one specific piece of booty (7:21), one city (10:2; 20:4); one strike (10:42); one king at the time (the 31 kings in chapter 12 are listed one by one); one area (17:14, 17), and one word of God (23:14). In all these cases, the word “one” is appropriately translated, aside from 6:3, 11 and 14. That the city needs to be encircled once is not mentioned in the G of 6:3, 6:11, nor 6:14! Maybe the emphasis in the Hebrew text of Joshua 6 on encircling the city once came from the fact that in M Josh 6:16 a seventh time is mentioned? That is the time when the people are supposed to be shouting instead of being quiet so that the wall can fall at the seventh time? The G has the element of the seventh time being the important time and also reads in 6:16: “at the seventh time”. The G is however better in calculating and has altered the 22 Michael van der Meer, “‘Sound the Trumpet!’ Redaction and Reception of Joshua 6:2–25,” in The Land of Israel in Bible, History, and Theology, eds. Jacques van Ruiten and J. Cornelis de Vos, VTSup 124 (Leiden: Brill, 2009), 41.
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mentioning of seven times in 6:15 to “six times,” so that the starting round in 6:16 is indeed the moment of the seventh time. The G however does not think in rounds per day, but in days. According to the G, the city is walked about once on day one (6:11), a second time on day two (6:14a). In total they do this for six days (6:14b), hence they walked around the city six times (6:15b). After these six days, the seventh day is approaching and thus, the seventh time in 6:16 is the seventh day. There is no reference in the G to circling the city seven times on day seven. Indeed, there is even no parallel to M 6:4 where God commands Joshua to go around the city seven times on the seventh day. 6:3 6:4
M you circle once the men of war encircle you do so for six days on seventh day circle seven times circle and surround once
6:11 (6:12) 6:14 on second day circled once did so for six days 6:15 on the seventh day circled seven times 6:16 at the seventh circuit
G you set around the warriors – – – circle on second day did so for six days on the seventh day circled six times at the seventh circuit
The circling of the city seven times on the seventh day, in contrast to once on the other days, is thus an element that is more typical of the M than of the G. One could argue that the G deleted all references to seven in order to make the story more simple but one could also argue that the addition of the stress on seven times also necessitated the addition of the word “once” in the reporting of the events of days one and two. I tend to see that the G has in most cases faithfully rendered a Hebrew text, and thus, consider the absence of a reference to “seven times on the seventh day” as part of the Hebrew Vorlage underlying the G. The Early Jewish Revisers, in their attempt to line up the G with the M, have added in the case of 6:3 the reference to circling once, in 6:4 to circling seven times, and in 6:11 to once, albeit only by Symmachus. Origen, in his Hexapla, also corrected 6:15 from six times to seven.23 How does the problem and issue with 6:3 fit within the larger context of the research on the textual history of the book of Joshua? In order to precisely define 23 See the second apparatus in Alan E. Brooke and Norman McLean, eds., The Old Testament in Greek According to the Text of Codex Vaticanus, Supplemented from Other Uncial Manuscripts, with a Critical Apparatus Containing the Variants of the Chief Ancient Authorities for the Text of the Septuagint, Cambridge Library Collection (Cambridge: Cambridge University Press, 1906; repr., 2009), 691–93.
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the textual history of this verse and the book at large, I need to introduce some other players in the field.
2. The Newer Debate: the M and G in comparison to 4 QJosha, the Vetus Latina and Josephus The research into the textual history of the book of Joshua reaches a next level with the introduction of the Joshua Dead Sea Scrolls. As Ed Noort remarks: “Mit 4 QJosha kommt ein neuer Spieler ins Feld.”24 The Qumran fragments from 4 Q have been edited by Eugene Ulrich (4 QJosha)25 and Emanuel Tov (4 QJoshb)26. With regard to the textual character of 4 QJosha, Ulrich writes: “the scroll agrees with M against G in only two insignificant readings, but agrees with G against M at least six times, again in relatively insignificant readings.”27 In other words, 4 QJosha at first sight seems to line up more with the Septuagint of the book of Joshua, albeit in what Ulrich considers “relatively insignificant readings.”28 Ulrich however continues and states that “the scroll frequently goes its own way, disagreeing with both M and G in significant readings.”29 Lange labels 4 QJosha as “eigenständig.”30 With regard to 6:13, 4 QJosha fragments 3–8, representing column II, only offer Josh 6:5–10. In this section of the text, there are not many significant variants, although the addition of the name Joshua in 6:7 makes it clear that the scribe of the text attempted to clarify who the subject was that was speaking. The latter variant is not found in M or G. Similarly, there is another grammatical variant in 6:5 which is different from both M and G, but which could be a correction of the text by the scribe of the scroll (sg. instead of pl.). Overall, although this section reads more with M,31 it can already be seen that the scribe occasionally went his / her own way. There is yet another text of the book of Joshua, which also plays an important role: the Vetus Latina, the Old Latin. In most cases, the Vetus Latina is the Latin translation of the G text and functions as a good witness to the G. With regard 24 Ed Noort, “Einführung,” in The Book of Joshua, ed. Ed Noort, BETL 250 (Louvain: Peeters, 2012), 3. 25 Eugene Ulrich, “4 QJosha,” in Qumran Cave 4. IX. Deuteronomy, Joshua, Judges, Kings, eds. Eugene Ulrich et al., DJD XIV (Oxford: Clarendon Press, 1995), 143–52. 26 Emanuel Tov, “4 QJoshb,” in Qumran Cave 4. IX. Deuteronomy, Joshua, Judges, Kings, eds. Eugene Ulrich et al., DJD XIV (Oxford: Clarendon Press, 1995), 153–60. 27 Ulrich, “4 QJosha,” 145. 28 Ulrich, “4 QJosha,” 145. 29 Ulrich, “4 QJosha,” 145. 30 Armin Lange, Die Handschriften biblischer Bücher von Qumran und den anderen Fun‑ dorten, vol. 1 of Handbuch der Textfunde vom Toten Meer (Tübingen: Mohr Siebeck, 2009), 187. 31 4 QJosha is esp. more “eigenständig” in the parallel text of Josh 8:30–35, but also shows its independent character in the other fragments.
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to the text of Josh 22:9–34, Adrian Schenker demonstrates that the older text of the book of Joshua is represented by the Vetus Latina.32 Adrian Schenker pleads in general for the use of the Vetus Latina in the study of the different texts of the book of Joshua. In the textual analysis of the Vetus Latina of the book of Joshua, Codex Lugdunensis plays a crucial role.33 Seppo Sipilä, however, has uttered some caution precisely with regard to using the Codex Lugdunensis for textcritical conclusions with regard to work on the book of Joshua. Sipilä claims that Codex Lugdunensis contains “elements coming from four different sources”34 – using the text of the latter is thus not in itself proof of priority. Sipilä’s warning is rather important, as in the evaluation of 4 QJosha the congruency between the latter and the Vetus Latina was seen as proof of the prior stage of 4 QJosha.35 The last textual witness is the text of Josephus. Josephus is a difficult witness. He rewrites the biblical story; his text can surely not be labelled “faithful”. My rule of thumb is that when Josephus has a variant in common with any of the other texts, it is a positive indication that he found this variant in one of his sources. I am more hesitant with the absence of variants and prefer not to argue ex silentio.36 Josephus, in his rewritten account of the siege against Jericho, does mention the seven priests advancing towards Jericho. The circling around the city happens – Josephus however does not stress that this only happened once. Josephus states that this ritual is repeated six days. He then continues to describe what happens on the seventh day. He writes: “And when they had compassed it seven times and had halted for a while, the wall fell down, without either engine or force of any other kind having been applied to it by the Hebrews.”37 Although the reference to the seventh time could be interpreted as a reference to the seventh time on the seventh day, it also could be seen as a reference to simply the seventh 32 See Adrian Schenker, “Altar oder Altarmodell? Textgeschichte von Jos 22:9–34,” in Flori‑ legium Lovaniense. Studies in Septuagint and Textual Criticism in Honour of Florentino García Martínez, eds. Hans Ausloos, Bénédicte Lemmelijn, and Marc Vervenne, BETL 224 (Louvain: Peeters, 2008), 417–25. 33 Ulysses Robert, Heptateuchi partis posterioris versio latina antiquissima e codice lugdunensi (Lyon: A. Rey, 1900). 34 Seppo Sipilä, “Old Latin Text of Josh 5:4–6 and Its Contribution to the Textual History of the Greek Joshua,” in In the Footsteps of Sherlock Holmes. Studies in the Biblical Text in Honour of Anneli Aejmelaeus, eds. Kristin De Troyer, T. Michael Law, and Marketta Liljeström, CBET 72 (Louvain: Peeters, 2014), 271. 35 See below. 36 Begg cautions for positing that Josephus follows a 4 QJosha-like text, esp. for the (M) 8:30–35 section. “For one thing, there is no overlap between the preserved 4 QJosha and Josephus’ notice there: the former does not speak of an altar or sacrifice, while the latter does not mention a reading of the law at this juncture, but only later.” See Christopher Begg, “Josephus’ and Pseudo–Philo’s Rewriting of the Book of Joshua,” in The Book of Joshua, ed. Ed Noort, BETL 250 (Louvain: Peeters, 2012), 577. 37 Josephus, Ant. 5.27 § 6 (Thackeray, LCL).
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day. As there is nowhere in the rewritten text of Josephus a reference to “once” I take the reference to be referring to the seventh day.
3. A Literary-Critical Approach to Joshua 6 Chapter 6 is a large and redaction-critically complex section. According to Christoph Levin, chapter 6 belongs to the oldest traditions of the book of Joshua. He writes: “Die Überlieferung von der westjordanischen Landnahme rankt sich im ersten Teil des Buches Josua um einen Kranz ätiologischer Erzählungen, deren Kernstücke die Eroberung von Jericho und die Eroberung von Ai (Jos 2; 6; 8) sind.”38 Chapter 6 itself is a very layered chapter. Martin Noth summarizes it beautifully: “Dieser Abschnitt […] ist besonders in seiner erste Hälfte literarisch nicht aus einem Gusse, sondern anscheinend ziemlich kompliziert aufgebaut.”39 In order to find the basic story of the account, Noth proposed to work backwards from (the execution of the commands in) the second part of the text.40 He suggests the following verses belong “zum ursprünglichen Bestande in 2–13”41: 2a.3.4ab.*5.7a.8a.10.12a. Maier is a further elaboration of the view of Noth.42 Fritz considers the following verses a part of the “Grundschicht”: 1.2a.3*.4ab.5.7a.14.15a.20b.21–24a.43 Many more scholars have given their perspective on the different layers of the book of Joshua and chapter 6 in particular44 and there is no consensus about what is original and what is an addition, nor about how many literary layers there are in the development of the text of this chapter. Fritz however pointed to an important aspect of the Jericho account: “Diese Erzählung vom Fall Jerichos ist keine Sage mit langer Überlieferung und ätiologischer Absicht. Vielmehr ist sie ein sorgfältig gebautes Stück, das aus seiner Anordnung Jahwes und deren fast wortgetreuer Ausführung besteht.”45 Precisely these commands and their execution are of interest and will be literary-critically analysed and put in the context of the larger composition of the Jericho story.
38 Christoph Levin, Fortschreibungen. Gesammelte Studien zum Alten Testament, BZAW 316 (Berlin: de Gruyter, 2003), 147. 39 Martin Noth, Das Buch Josua, HAT 7 (Tübingen: J. C. B. Mohr [Paul Siebeck], 1938), 17. 40 “Es empfiehlt sich, bei der Analyse von der zweiten Hälfte (von 14 ab) auszugehen, wo die Dinge einfacher liegen.” Cf. Noth, Josua, 17. 41 Noth, Josua, 19. 42 Johann Maier, Das altisraelitische Ladeheiligtum, BZAW 93 (Berlin: de Gruyter, 1965), 18–32, which is a further elaboration of Martin Noth, The History of Israel (New York, NY: Harper & Brothers, 1958), 73–75. 43 Volkmar Fritz, Das Buch Josua, HAT I/7 (Tübingen: Mohr Siebeck, 1994), 68. 44 See esp. Ed Noort, Das Buch Josua, 164–172. 45 Fritz, Das Buch Josua, 68.
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A rather complex set of commands and executions can be seen in chapter 6, where the capturing of Jericho is described: there is a large instruction / command section (6:3–7, 10) and an even larger execution of command section (6:8– 9, 11–16, 20). From this first division it is already clear that there is an execution of a command embedded in the command, namely vv. 8–9 – this clearly points to a redactional elaboration of the text. In the command section, there are two authorities giving commands: God and Joshua. Following the suggestion from Noth and working my way backwards from the execution into the commands, I note the following commands. First, God commands Joshua – i. e., “you”– to march around the city and the warriors to circle the city once (6:3). From the section on translation technique it can be noted that this double command given to two sets of people is already an elaboration of what was most likely a single command to march around the city. They – if we can summarize the “you” and “the warriors”46 – have to do this for six days. This command is elaborated with a reference to seven priests carrying seven trumpets before the ark (6:4) and with specifications about when precisely the people will shout – after hearing sounds of either the shofar or the trumpets (6:5a). Then, the people need to shout with a great shout and the wall will fall, and the people need to charge straight ahead (6:5b). God’s command is further elaborated in the command of Joshua. Joshua first instructs the priests and then the people. To the priests, he gives orders with regard to the ark and the trumpets. From the former elaboration that there needed to be seven priests carrying seven trumpets, there now need to be seven priests carrying the ark and seven priests carrying the seven trumpets (6:6a). To the people, Joshua commands to do precisely as God instructed Joshua: the people need to go forward and march around the city (6:7a). This command is again elaborated with a note that specifies that armed men have to pass before the ark (6:7b).47 As already indicated the command then switches to execution of a command. Indeed in 6:8–9, there is a first report of the seven priests with seven trumpets, of ram’s horn,48 going forward and blowing the trumpets (6:8a–b), again with an additional note stating that the ark was following these men (6:8c). A later redactor nicely summarized the procession: armed men went before the priests, who blew the trumpets, and a rear guard that followed the ark (6:9). In other words, there are now not only seven priests carrying seven trumpets, but there is now an armed delegation before the first set of seven priests, and a second armed 46 I have, in this contribution, not further elaborated on the difference between Joshua, the people, the warriors, the priests, etc. 47 In the text, both “the ark” is mentioned as well as “the ark of the Lord.” 48 We note, but will not discuss here, the different noun used to indicate the shofar. See Kristin De Troyer, “Sounding Trumpets or Weeping? Responses to the Start of the Temple Building in Ezra–Nehemiah and 3 Esdras,” in Ancient Jewish Prayers and Emotions: Emotions Associated with Jewish Prayer in and around the Second Temple Period, eds. Stefan Reid and Renate EggerWenzel, DCLS 26 (Berlin: de Gruyter, 2015), 41–57.
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delegation after the second set of seven priests that are carrying the ark. Then, continuing the instructions of vv. 6–7, Joshua gives an additional command, clearly also a later element added to clarify the sounds that are made: the people are not supposed to shout, let their voices be heard, or utter a word until Joshua tells them to do so (6:10). The execution of these commands is also strongly elaborated. First there is the mentioning of what happened on the first day (6:11; 12–13), the second day (6:14a), the subsequent days (they did so for six days, 6:14b), and finally what happened on the seventh day (6:15–16, 20). As, however, the elaborations further develop different elements of commands and details given by either God or Joshua, the elaborations do not follow an overall logical pattern, with day one, day two, and finally day seven repeating the same ingredients. The execution of God’s command to circle the city, has been elaborated into circling the city once. That one occasion is then said to have to be repeated for six days (6:3b). In the execution of the first-day events, it is reported as an extra that the ark went around the city once and that then “they” came into the camp and spent the night in the camp. The ark was mentioned in the extra commands given by Joshua to the priests: pick up the ark (6:6a). The reporting of the “they” coming to the camp and spending the night there is very similar to the reporting of the movements and whereabouts of Joshua when he was up against Ai,49 and can be put on the credit of the same editor. As A. Graeme Auld notes: “viii 9, 13 share characteristics with MT pluses elsewhere. They attest the same pedantic concern for the location of the camp and the precise whereabouts of Joshua himself at an given moment as we find in LXX 5, 43”50. Most likely the mentioning of the first encircling of the city and the first mentioning of the night gave rise to a mentioning of a second day, the events of which are promptly described (6:14a) before the short report that “they did so for six days” (6:14b), which executes the command given in the elaboration of God’s original command (6:3b). The editor then continued to say what happened on the seventh day (6:15a–b), although a further editor has specified the precise timing “at dawn”. An even later editor notes that on the marching around the city happened seven times on the seventh day but that this was the only day that there were indeed seven circumambulations (6:15c). The description of the unfolding of the events on the seventh day also elaborates on the additional specification given by Joshua that there ought to be seven priests blowing seven trumpets (6:16 reflecting 6:6a). On the seventh day, Joshua commands the people to shout (6:16bα). This is as Joshua had elaborated earlier in his command (6:10), which was already elaborated into a very specific threefold command forbidding the people to make any noise (do 49 See Kristin De Troyer, “The Textual History of the Book of Joshua” (paper presented at the winter meeting of the SOTS, Cambridge, UK, 7 January 2015). 50 A. Graeme Auld, “Joshua: The Hebrew and Greek Texts,” 5.
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not shout, let your voice not be heard, do not utter a word), preceding the command to shout. The command to shout is now reported in 6:16b and the actual shouting starts in 6:20a. In between the command to shout and the actual beginning of the shouting, there is the additional instruction with regard to “devoting the city and all what is in it to the Lord for destruction,” (these are ḥerem instructions) and the additional note regarding Rahab, who will be spared (6:17–19). The latter commands are executed (6:21–25). Finally, the story concludes with the famous “Curse on Jericho” (6:26).51 From the analysis of the M version, it has become clear that all commands given by God or Joshua have been executed, even their elaborations. There are however, elements that are further elaborated in the executions, which were maybe implicit in the commands, but have as such no counterpart in the command section. Comparing now the M with the G, it is striking that the G does not have a precise match between the commands given by God and Joshua and the executions. As we have already indicated in the translation technique section of this paper, the OG does mention the circling, but not that it happened “seven times on the seventh day” or that it happened “once” on the other days. Thus the G does not have seven rounds on the seventh day, although the G does have a seventh day. Similarly, the G has no references to seven priests carrying seven trumpets in 6:4, but it does have a reference to seven priests blowing seven trumpets in 6:8. In other words, the G does have the seven priests blowing seven trumpets, but only in the execution of the command, not in the command itself.
4. Conclusion In my opinion, taking together the results of the text-critical data, the translation technique study, and the redaction-critical development of the text, the emphasis on “once” versus “seven” is part of the latest stage of the M text. The G was translated from a text which did not have yet a strong emphasis on “seven”. It already did have a reference to what happened on the seventh day, but not that on the seventh day there was a sevenfold circumambulation around the city of Jericho. Similarly, it did have already a reference to the seven priests blowing seven trumpets, but it only had it in the execution of the command, not yet in the command itself. The G was thus translated from a Hebrew text in which there was not yet strong correlation between the command and the execution of the commands. The final form of the M in which the seventh time of encircling the city of Jericho on the seventh day, the mentioning of the seven priests with the seven 51 The
entire story is framed by an introduction (6:1–2) and an ending (6:27).
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trumpets in the command of God in 6:4 and again in the command of Joshua in 6:6 only came into being after the G had been translated. That the Early Jewish Revisors, already adapted the OT towards the M in their revision of the G, indicates that the M received its form in the days between the G’s translation and when Theodotion, Symmachus, and Aquila made their revisions. When we put this conclusion in the context of the research on the story of the falling of Jericho’s walls, we need to make a couple observations. Ed Noort has maintained that the final structure of the M Joshua 6 is based on the number 7.52 Michael van der Meer adds: “On the basis of these observations it is possible to discern a priestly layer (RedP) in this chapter constituting of at least four text segments, verses 4, 6, 8–9, and 12–13.”53 Now, Michael van der Meer is correct in pointing to the fact that the verses, which were identified are priestly, do not coincide with the verses absent from the G.54 In my opinion, the differences between M and G are not due to the Hebrew Vorlage having or not having these so-called priestly verses, but to having or not having a perfect match between the execution of the commands and commands themselves, whether given by God or Joshua. The final redactor not only added a reference to seven priests bearing seven trumpets, marching seven times around the city (6:4) to make the execution of this command (6:8) better resemble the divine instruction, but also added the seven priests with the seven trumpets to the command of Joshua (6:6), and brought in the element of seven times circling the city (6:15c). It may still be possible to label these references to “seven” as priestly, but then this redactional layer must be situated after the G translation of the book of Joshua was made. The emphasis of the final redactor, however, may not have been necessarily on the expansion of the priestly elements, but on the correlation between the execution of commands and the commands of God and Joshua.
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52 Ed Noort, “De val van de grote stad Jericho: Kanttekeningen bij synchronische en diachronische benaderingen,” NedTT 50 (1996): 265–79. 53 Michael van der Meer, “‘Sound the Trumpet!’,” 30–31. 54 “The minuses in the Greek version do not square with the priestly additions in the Hebrew text.” See Van der Meer, “‘Sound the Trumpet!’,” 34.
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Salomo am Ende Möchte die Septuaginta tatsächlich Salomo in Schutz nehmen? Ein Blick auf 1 Kön 11,1–13 G und M Frank Ueberschaer Es gab Völker, zu denen das Königtum vom Himmel herabkam. So unterscheidet beispielsweise die sumerische Königsliste vielsagend zwischen dem Amt und der Person und geht davon aus, dass zwar nicht der König als Person, wohl aber das Königtum als Institution vom Himmel zu den Menschen herabkam.1 Israel gehörte nicht zu diesen Völkern; dafür „kam“ das Königtum in dreifacher Gestalt: in der Gestalt eines Weisen, in der Gestalt eines Helden und in der Gestalt eines „Buhmanns“. Allen dreien wird in der biblischen Geschichtsschreibung viel Raum zugestanden: König David gut eineinhalb Bücher, Salomo zehn Kapitel und Saul immerhin acht. So viel erhalten nicht einmal Josia und Hiskia zusammen, und gemeinsam umfassen die Erzählungen über die drei ersten Könige mehr Text als die Darstellung der gut drei Jahrhunderte Geschichte der beiden Königreiche nach ihnen. Doch das wirklich Spannende an diesen Texten ist, dass sie zwar solche Zuschreibungen zum Helden, zum Weisen oder eben zum „Buhmann“ vornehmen, jedoch nicht eindimensional bei ihnen verharren. So ist der „Buhmann“ nicht allein „Buhmann“, sondern hat auch sein Gutes, denn seine in 1 Sam 14 dargestellten Erfolge kann ihm niemand nehmen;2 und der Held ist nicht nur Held, sondern hat auch seine Fehltritte (2 Sam 11 f.), in deren Folge er uns als Leserinnen und Leser durch seine Niederungen führt (vgl. 2 Sam 13 ff.). Und auch der Weise ist nicht nur weise und fromm; vielmehr hat auch er seinen Schatten – wenn auch erst am Ende der Überlieferung. Zu Beginn seiner Herrschaft wird Salomo in 1 Kön 3 als exemplarischer Weiser vorgestellt, der bereits von sich aus weiß, um was man als weiser Herr1 So
bspw. in der sumerischen Königsliste I,1 (s. TUAT I/4, 330). Siehe dazu Kreuzer, Siegfried, „War Saul auch unter den Philistern?“. Die Anfänge des Königtums in Israel, in: Kreuzer, Siegfried, Geschichte, Sprache und Text. Studien zum Alten Testament und seiner Umwelt, BZAW 479, Berlin / Boston, MA 2015, 3–21, und Kreuzer, Siegfried, „Saul war noch zwei Jahre König …“. Textgeschichtliche, literarische und historische Beobachtungen zu 1 Sam 13,1, in: Kreuzer, Siegfried, Geschichte, Sprache und Text. Studien zum Alten Testament und seiner Umwelt, BZAW 479, Berlin / Boston, MA 2015, 22–31. 2
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scher Gott zu bitten hat; in Kap. 5 wird er dann auch mit seiner Weisheit über alle Völker der Welt erhoben. In den Kapiteln 6–8 baut er den Tempel, ein Haus, das Gott nicht fassen kann. Schließlich kulminiert die ganze Salomo-Erzählung in Kap. 10 mit einer fulminanten Darstellung seiner Weisheit, seines Reichtums und seiner Pracht, bevor dann in 1 Kön 11 der Zusammenbruch folgt: die Sünde Salomos. Mit dem Wechsel von 1 Kön 10 zu Kap. 11 nimmt die Salomo-Erzählung einen anderen Ton an, der so von dem Vorherigen unterschieden ist, dass man sich fragen muss, wie stark die Verbindung zu den Kapiteln 3–10 eigentlich ist. In diesem neuen Abschnitt zu Salomos Herrschaft werden nun die legendären 1000 Frauen Salomos erwähnt. Doch scheint ihre schiere Anzahl gar nicht das Problem gewesen zu sein. Vielmehr geht es um die Frage, wer hier wen zu fremden Göttern verführte. An der Frage nun, ob es die Frauen waren, die Salomo zu fremden Verehrungen verführten, oder ob er sich selber ihnen zuwandte, scheiden sich die Geister – und mit ihnen die Textversionen. Nun gibt es innerhalb der Salomo-Überlieferung zwischen dem masoretischen Text und der Septuagintaüberlieferung zahlreiche Differenzen, die immer wieder Gegenstand der Forschung waren.3 Unter ihnen widmete sich insbesondere Percy van Keulen in seiner Studie „Two Versions of the Solomon Narrative. An Inquiry into the Relationship between MT 1 Kgs 2–11 and LXX 3 Reg 2–11“ von 2005 der Frage nach dem Salomo-Bild der beiden Textversionen und vertrat dabei die These, dass die Septuagintaübersetzer den Text bewusst veränderten, um Salomo von den Vorwürfen, die im hebräischen Original gegen ihn erhoben würden, zwar nicht gänzlich, doch aber graduell zu entlasten. Dieses Gesamturteil soll hier am Beispiel des die Salomoerzählung abschließenden Kapitels 1 Kön 11,1–13 einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dazu ist zunächst zu klären, wie es zu den unterschiedlichen Textversionen gekommen ist, und dann anschließend die Frage zu stellen, ob in diesen unterschiedlichen Textversionen jeweils ein gezielter theologischer Gestaltungswille erkennbar ist, der den der anderen Version aufgreift, ablehnt und sich deshalb genötigt sieht, verändernd einzugreifen. Konkret: Wird Salomo tatsächlich in einer der Versionen negativer beurteilt als in einer anderen? Und wenn ja, in welcher und warum?
3 Siehe van Keulen, Percy, Two Versions of the Solomon Narrative. An Inquiry into the Relationship between MT 1 Kgs 2–11 and LXX 3 Reg 2–11, VTSup 104, Leiden / Boston, MA 2005, 4–20, sowie Meiser, Martin, Art.: Basileion III / Das dritte Buch der Königtümer / Das erste Buch der Könige, LXX.H 1, Gütersloh 2016, 232–240.
Salomo am Ende
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1. 1 Kön 11,1–13 nach der Textbezeugung des masoretischen Textes 1 Kön 11,1–13 nach der Textbezeugung des masoretischen Textes liest sich wie folgt: אָהב נָ ִשׁים נָ ְכ ִריֹּות ַרבֹּות ַ וְ ַה ֶמּ ֶלְך ְשֹׁלמֹה ת־פּ ְרעֹה ַ ת־בּ ַ וְ ֶא מֹוא ִביֹּות ַע ֳמּנִ יֹּות ֲאד ִֹמיּ ֹת ֵצ ְדנִ יּ ֹת ִח ִתּיֹּת׃ ֲ ל־בּנֵ י יִ ְשׂ ָר ֵאל ְ אָמר־יְ הוָ ה ֶא ַ ן־הגֹּויִם ֲא ֶשׁר ַ ִמ א־תבֹאוּ ָב ֶהם ָ ֹל וְ ֵהם לֹא־יָ בֹאוּ ָב ֶכם יהם ֶ ֹלה ֵ אַח ֵרי ֱא ֲ ת־ל ַב ְב ֶכם ְ אָכן יַ טּוּ ֶא ֵ אַה ָבה׃ ֲ ָבּ ֶהם ָדּ ַבק ְשֹׁלמֹה ְל וּפ ַלגְ ִשׁים ִ וַ יְ ִהי־לֹו נָ ִשׁים ָשׂרֹות ְשׁ ַבע ֵמאֹות ְשֹׁלשׁ ֵמאֹות ת־לבֹּו׃ ִ וַ יַּ טּוּ נָ ָשׁיו ֶא וַ יְ ִהי ְל ֵעת זִ ְקנַ ת ְשֹׁלמֹה ֹלהים ֲא ֵח ִרים ִ אַח ֵרי ֱא ֲ ת־ל ָבבֹו ְ נָ ָשׁיו ִהטּוּ ֶא ֹלהיו ָ א־היָ ה ְל ָבבֹו ָשׁ ֵלם ִעם־יְ הוָ ה ֱא ָ ֹ וְ ל אָביו׃ ִ ִכּ ְל ַבב ָדּוִ יד ֹלהי ִצד ֹנִ ים ֵ אַח ֵרי ַע ְשׁתּ ֶֹרת ֱא ֲ וַ יֵּ ֶלְך ְשֹׁלמֹה אַח ֵרי ִמ ְלכֹּם ִשׁ ֻקּץ ַעמֹּנִ ים׃ ֲ ְו וַ יַּ ַעשׂ ְשֹׁלמֹה ָה ַרע ְבּ ֵעינֵ י יְ הוָ ה אָביו׃ ִ אַח ֵרי יְ הוָ ה ְכּ ָדוִ ד ֲ וְ לֹא ִמ ֵלּא אָז ְיִבנֶ ה ְשֹׁלמֹה ָבּ ָמה ִל ְכמֹושׁ ִשׁ ֻקּץ מֹואָב ִרוּשׁ ָלם ָ ְל־פּנֵ י י ְ ָבּ ָהר ֲא ֶשׁר ַע וּלמ ֶֹלְך ִשׁ ֻקּץ ְבּנֵ י ַעמֹּון׃ ְ וְ ֵכן ָע ָשׂה ְל ָכל־נָ ָשׁיו ַהנָּ ְכ ִריֹּות יהן׃ ֶ אֹלה ֵ וּמזַ ְבּחֹות ֵל ְ ַמ ְק ִטירֹות וַ יִּ ְתאַנַּ ף יְ הוָ ה ִבּ ְשֹׁלמֹה ֹלהי יִ ְשׂ ָר ֵאל ֵ ִכּי־נָ ָטה ְל ָבבֹו ֵמ ִעם יְ הוָ ה ֱא
ַהנִּ ְראָה ֵא ָליו ַפּ ֲע ָמיִם׃
1 Der König Salomo hatte viele fremde Frauen geliebt – und die Tochter des Pharao – : Moabiterinnen, Ammoniterinnen, Edomiterinnen, Sidonierinnen, H ettiterinnen, 2 aus den Völkern, von denen JHWH zu den Kindern Israel gesagt hatte: „Ihr sollt nicht bei ihnen eingehen und sie sollen nicht bei euch eingehen, damit sie nicht euer Herz hinter ihren Göttern her abwenden.“ An ihnen hing Salomo in Liebe. 3 Und er hatte 700 Hauptfrauen und 300 Nebenfrauen. Und seine Frauen wandten sein Herz ab. 4 Und es geschah in der Zeit von Salomos Alter – seine Frauen hatten sein Herz abgewandt hinter anderen Göttern her –, dass sein Herz nicht vollständig mit JHWH seinem Gott war wie das Herz seines Vaters David. 5 Und Salomo folgte der Astarte, der Göttin der Sidonier, und dem Milkom, dem Scheusal der Ammoniter. 6 Und Salomo tat das Böse in den Augen JHWHs und er war nicht ganz hinter JHWH wie sein Vater David. 7 Damals baute Salomo eine Höhe für Kemosch, dem Scheusal Moabs, auf dem Berg, der gegenüber von Jerusalem ist, und für Molech, dem Scheusal der Ammoniter. 8 So tat er für alle seine fremden Frauen, die ihren Göttern räucherten und opferten. 9 Und JHWH wurde zornig auf Salomo, denn er hatte sein Herz abgewandt von JHWH, dem Gott Israels, weg / denn sein Herz hatte sich abgewandt von JHWH, dem Gott Israels, der ihm zweimal erschienen war.
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י־ל ֶכת אַ ֶ ל־ה ָדּ ָבר ַהזֶּ ה ְל ִב ְל ִתּ ַ וְ ִצוָּ ה ֵא ָליו ַע ֹלהים ֲא ֵח ִרים ִ ֲח ֵרי ֱא ר־צוָּ ה יְ הוָ ה׃ ִ וְ לֹא ָשׁ ַמר ֵאת ֲא ֶשׁ אמר יְ הוָ ה ִל ְשֹׁלמֹה ֶ ֹ וַ יּ יְתה־זֹּאת ִע ָמְּך ָ יַ ַען ֲא ֶשׁר ָה יתי וְ ֻחקּ ַֹתי ִ וְ לֹא ָשׁ ַמ ְר ָתּ ְבּ ִר יתי ָע ֶליָך ִ ֲִא ֶשׁר ִצוּ ת־ה ַמּ ְמ ָל ָכה ֵמ ָע ֶליָך ַ ָקר ַֹע ֶא ְק ַרע ֶא יה ְל ַע ְב ֶדָּך׃ ָ וּנְ ַת ִתּ יָמיָך לֹא ֶא ֱע ֶשׂנָּ ה ֶ אְַך־בּ ְ אָביָך ִ ְל ַמ ַען ָדּוִ ד ִמיַּ ד ִבּנְ ָך ֶא ְק ָר ֶענָּ ה׃ ל־ה ַמּ ְמ ָל ָכה לֹא ֶא ְק ָרע ַ ת־כּ ָ ַרק ֶא ֵשׁ ֶבט ֶא ָחד ֶא ֵתּן ִל ְבנֶ ָך ְל ַמ ַען ָדּוִ ד ַע ְב ִדּי רוּשׁ ַלםִ ֲא ֶשׁר ָבּ ָח ְר ִתּי׃ ָ ְוּל ַמ ַען י ְ
10 Er hatte ihm dieser Sache wegen geboten, nicht anderen Göttern zu folgen, aber er beachtete nicht, was JHWH geboten hatte. 11 Und JHWH sagte zu Salomo: Weil dieses bei dir geschehen ist und du meinen Bund und meine Satzungen nicht beachtet hast, die ich dir geboten habe, werde ich die Königsherrschaft von dir reißen und sie deinem Knecht geben. 12 Aber in deinen Tagen werde ich es nicht tun um Davids deines Vaters willen, aus der Hand deines Sohnes werde ich sie reißen. 13 Nur werde ich nicht die ganze Königsherrschaft entreißen, einen einzelnen Stamm werde ich deinem Sohn geben um Davids meines Knechtes willen und um Jerusalems willen, das ich erwählt habe.
Der Text lässt sich in seiner Struktur in vier bis fünf Sequenzen gliedern: Die erste Sequenz beginnt in V. 1 mit einem Nominalsatz, der unmittelbar nach 1 Kön 10,29 insgesamt einen Themen‑ und Stilwechsel anzeigt. Viele fremde Frauen habe Salomo gehabt, deren Herkunftsvölker in V. 1c aufgezählt werden. Dazwischen steht die Erwähnung der Pharaonentochter, die stilistisch klar als Zusatz zu erkennen ist. In V. 2 wird die Aufzählung der Nationalitäten der Frauen Salomos dahingehend aufgegriffen, dass sie als solche charakterisiert werden, die aus Völkern stammten, mit denen Gott den engeren Umgang verboten habe. Wie ein Abschluss klingt der letzte Satz in V. 2: „An ihnen hing Salomo in Liebe“. In V. 3 folgt nun eine Notiz, dass Salomo 1000 Frauen gehabt habe. Dabei ist dieser Satz in sich völlig wertfrei. In ihm scheint es primär um den sozialen Status der Frauen zu gehen, und er hält fest: Es waren viel mehr Hauptfrauen als Nebenfrauen – und das ist im Zusammenhang altorientalischen Denkens zweifellos positiv gemeint.4 Eine negative Konnotation erfährt der Satz erst durch die nachfolgende Bemerkung, seine Frauen hätten sein Herz abgewandt. Wovon sie ihn abwandten, wird nicht gesagt, und auch über die Herkunft dieser Frauen, die Salomos Herz abwandten, erfahren wir nichts, sodass dieser Vers möglicherweise als eigene Sequenz im masoretischen Text zu verstehen ist. 4 Dabei ist unklar, ob sich die Bezeichnung als ׂשרותauf den sozialen Status vor oder nach der Hochzeit mit Salomo bezieht.
Salomo am Ende
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Dass die Information über die Herkunft der Frauen fehlt, ist umso bemerkenswerter angesichts dessen, dass in V. 4 ein Neueinsatz vorliegt, an den sich unmittelbar wiederum eine ähnliche Notiz wie in V. 3b anschließt. Der Neueinsatz in V. 4 zeigt sich an der Datierung sowie am Stilwechsel; er leitet eine weitere Sequenz ein, die von V. 4–6 reicht und an ihrem Rahmen erkennbar ist, in dem David als Beispiel für Rechtgläubigkeit erscheint. Der Stilwechsel ist aber auch literarischer Art, denn stilistisch folgt nun eine Erzählsequenz. Daher ist die Bemerkung, dass Salomos Herz nicht mehr vollständig bei JHWH, seinem Gott, war, als er alt geworden war, insofern bemerkenswert, als die vorgebrachte Kritik sich damit erst auf Salomos Alter bezieht, während die vorangegangenen V. 1–3 ein Verdikt über seine gesamte Regierungszeit nahelegen. Im Rahmen dieses Erzählabschnitts heißt es in V. 5, dass Salomo Astarte und Milkom verehrt habe, und in V. 6 wird bewertend festgehalten, dass Salomo das Böse in den Augen JHWHs getan habe. So kommt mit V. 6 die Sequenz aus den V. 4–6 zum Abschluss. In V. 7 beginnt dann wiederum etwas Neues: Mit dem Wort ָאזwird ein Abschnitt eingeleitet, der die Erzählung nicht einfach fortführt. Deutlich aus der Distanz in die Vergangenheit hineinblickend wird gesagt, dass Salomo eine Höhe in der Nähe von Jerusalem gebaut habe. Während es jedoch in den vorhergehenden Versen darum ging, dass Salomo selber sein Herz anderen Göttern zugewandt habe, heißt es hier, dass er diese Kulthöhe lediglich für seine fremden Frauen gebaut habe – auch erkennbar an den Partizipien im Plural femininum. Von Salomo und seiner eigenen Frömmigkeit ist an dieser Stelle keine Rede. In der letzten Sequenz, in den V. 9–13, wird nun in einer Erzählung eine Verbindung zwischen Salomos religionspolitischen Maßnahmen und der Reichsteilung hergestellt. Gott selbst teilt Salomo mit, dass er aufgrund dessen zwar nicht ihm, dann aber seinem Sohn die Königsherrschaft entreißen und sie seinem Diener geben werde. So klingt bereits der Anfang der Jerobeam-Erzählung in 1 Kön 11,26 ff. an. Der Text lässt sich also in vier bis fünf Sequenzen gliedern, die an unterschiedlichen Themen und stilistischen Merkmalen erkennbar sind. Diese Wechsel sind teils so deutlich, dass sie bereits Hinweise auf textgenetische Frakturen geben, auch wenn der Text insgesamt häufig pauschal als deuteronomistisch verstanden wurde (Noth, Hoffmann, Hentschel).5
5 Vgl. Noth, Martin, Überlieferungsgeschichliche Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, Tübingen 31967; Hoffmann, Hans-Detlef, Reform und Reformen. Untersuchungen zu einem Grundthema der deuteronomistischen Geschichtsschreibung, AThANT 66, Zürich 1980, 48, und Hentschel, Georg, 1 Könige, NEB, Würzburg 1984, 10.
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2. 1 Kön 11,1–13 nach der Textbezeugung der Septuaginta 1 König Salomo war frauenliebend, und er hatte siebenhundert Hauptfrauen und dreihundert Nebenfrauen. Und er nahm fremde Frauen – und die Tochter des Pharao –, Moabiterinnen, Ammoniterinnen, Syrerinnen und Idumäerinnen, Hettiterinnen und Amoräerinnen, ἐκ τῶν ἐθνῶν, ὧν ἀπεῖπεν κύριος τοῖς υἱοῖς 2 von den Völkern, von denen der Herr den Kindern Israel verboten hatte: Ισραηλ „Ihr sollt nicht zu ihnen gehen, Οὐκ εἰσελεύσεσθε εἰς αὐτούς, und sie sollen nicht zu euch gehen, καὶ αὐτοὶ οὐκ εἰσελεύσονται εἰς ὑμᾶς, damit sie nicht eure Herzen hinter ihre μὴ ἐκκλίνωσιν τὰς καρδίας ὑμῶν ὀπίσω Bilder abwenden.“ εἰδώλων αὐτῶν, An sie schloss sich Salomo an in Liebe. εἰς αὐτοὺς ἐκολλήθη Σαλωμων τοῦ ἀγαπῆσαι. καὶ ἐγενήθη ἐν καιρῷ γήρους Σαλωμων 4 Und es geschah in der Zeit von Salomos Alter. καὶ οὐκ ἦν ἡ καρδία αὐτοῦ τελεία μετὰ Und sein Herz war nicht vollkommen beim κυρίου θεοῦ αὐτοῦ Herrn, seinem Gott, καθὼς ἡ καρδία Δαυιδ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ, wie das Herz Davids, seines Vaters. καὶ ἐξέκλιναν αἱ γυναῖκες αἱ ἀλλότριαι τὴν Und seine fremden Frauen wandten sein Herz ab hinter ihre Götter. καρδίαν αὐτοῦ ὀπίσω θεῶν αὐτῶν. 5 Damals baute Salomo eine Kulthöhe τότε ᾠκοδόμησεν Σαλωμων ὑψηλὸν τῷ für Kamosch, das Bild Moabs, Χαμως εἰδώλῳ Μωαβ καὶ τῷ βασιλεῖ αὐτῶν εἰδώλῳ υἱῶν Αμμων und für ihren König6, das Bild der Ammoniter, καὶ τῇ Ἀστάρτῃ βδελύγματι Σιδωνίων, 6 und für Astarte, den Gräuel der Sidonier. 7 Und so tat er für alle seine fremden καὶ οὕτως ἐποίησεν πάσαις ταῖς γυναιξὶν Frauen. αὐτοῦ ταῖς ἀλλοτρίαις, Sie räucherten und opferten ihren Bildern. ἐθυμίων καὶ ἔθυον τοῖς εἰδώλοις αὐτῶν· καὶ ἐποίησεν Σαλωμων τὸ πονηρὸν 8 Und Salomo tat das Böse vor dem Herrn, ἐνώπιον κυρίου, οὐκ ἐπορεύθη ὀπίσω κυρίου ὡς Δαυιδ ὁ und er folgte nicht dem Herrn wie David πατὴρ αὐτοῦ. sein Vater. 9 Und der Herr war zornig über Salomo, καὶ ὠργίσθη κύριος ἐπὶ Σαλωμων, weil er sein Herz abgewandt hatte vom ὅτι ἐξέκλινεν καρδίαν αὐτοῦ ἀπὸ κυρίου Herrn, dem Gott Israels, θεοῦ Ισραηλ der ihm zweimal erschienen war τοῦ ὀφθέντος αὐτῷ δὶς 10 und der ihm dieser Sache wegen καὶ ἐντειλαμένου αὐτῷ ὑπὲρ τοῦ λόγου befohlen hatte, τούτου überhaupt nicht anderen Göttern zu folgen τὸ παράπαν μὴ πορευθῆναι ὀπίσω θεῶν Καὶ ὁ βασιλεὺς Σαλωμων ἦν φιλογύναιος. καὶ ἦσαν αὐτῷ ἄρχουσαι ἑπτακόσιαι καὶ παλλακαὶ τριακόσιαι. καὶ ἔλαβεν γυναῖκας ἀλλοτρίας καὶ τὴν θυγατέρα Φαραω, Μωαβίτιδας, Αμμανίτιδας, Σύρας καὶ Ιδουμαίας, Χετταίας καὶ Αμορραίας,
6 Gemeint ist Milkom, der hier Opfer eines Missverständnisses bei der Übersetzung des Konsonantenbestands wurde.
Salomo am Ende
ἑτέρων καὶ φυλάξασθαι ποιῆσαι ἃ ἐνετείλατο αὐτῷ κύριος ὁ θεός, καὶ εἶπεν κύριος πρὸς Σαλωμων Ἀνθ᾿ ὧν ἐγένετο ταῦτα μετὰ σοῦ καὶ οὐκ ἐφύλαξας τὰς ἐντολάς μου καὶ τὰ προστάγματά μου, ἃ ἐνετειλάμην σοι, διαρρήσσων διαρρήξω τὴν βασιλείαν σου ἐκ χειρός σου καὶ δώσω αὐτὴν τῷ δούλῳ σου. πλὴν ἐν ταῖς ἡμέραις σου οὐ ποιήσω αὐτὰ διὰ Δαυιδ τὸν πατέρα σου· ἐκ χειρὸς υἱοῦ σου λήμψομαι αὐτήν. πλὴν ὅλην τὴν βασιλείαν οὐ μὴ λάβω· σκῆπτρον ἓν δώσω τῷ υἱῷ σου διὰ Δαυιδ τὸν δοῦλόν μου καὶ διὰ Ιερουσαλημ τὴν πόλιν ἣν ἐξελεξάμην.
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und darauf zu achten zu tun, was ihm der Herr, Gott, geboten hatte. 11 Und der Herr sagte zu Salomo: Weil dieses mit dir geschehen ist und du nicht meine Gebote und meine Satzungen beachtet hast, die ich dir geboten habe, werde ich dein Königreich aus deiner Hand reißen und es deinem Knecht geben. 12 Aber in deinen Tagen werde ich dieses nicht tun, Davids, deines Vaters, wegen. Aus der Hand deines Sohnes werde ich es nehmen. 13 Jedoch werde ich nicht das ganze Königreich nehmen; einen Stab werde ich deinem Sohn geben, Davids meines Knechtes wegen, und Jerusalems wegen, der Stadt, die ich erwählt habe.
V. 1 beginnt gegenüber dem vorhergehenden Text in Kap. 10 mit einem Neueinsatz, in dem Salomo gewissermaßen als Frauenheld charakterisiert wird. Es folgt die Notiz, dass er 700 Haupt‑ und 300 Nebenfrauen gehabt habe, und erst danach heißt es, dass er sich auch fremde Frauen genommen habe, deren unterschiedliche Herkunftsvölker aufgezählt werden. Dazwischen steht der Hinweis auf die Pharaonentochter. Die Herkunftsvölker werden in V. 2 damit charakterisiert, dass Gott den Israeliten den engeren Umgang mit ihnen verboten habe, damit sie die Israeliten nicht ihren Bildern zuwendeten. Am Ende von V. 2 wird festgehalten, dass sich Salomo ihnen in Liebe angeschlossen habe – ein Satz, der zugleich als Abschluss dieser Sequenz fungiert. Mit V. 47 beginnt dann etwas Neues. Im Erzählstil wird die Datierung in Salomos hohes Alter vorgenommen und anschließend festgehalten, dass er nicht wie sein Vater David seinem Gott gefolgt sei. Danach folgt – weiterhin im Erzählstil – eine Bemerkung, dass es die fremden Frauen gewesen seien, die sein Herz abgewandt hätten. In V. 5 erfolgt mit dem Wort τότε eine erneute Datierung, die im Ablauf des Septuaginta-Textes die Datierung in V. 4 wieder aufnimmt: Salomo habe damals im Alter Kulthöhen gebaut für Kamosch, Milkom und Astarte. So habe er nach V. 7 für alle seine fremden Frauen gehandelt, die räucherten und opferten. In V. 8 wird nun ein zusammenfassendes und damit einen Abschnitt deutlich abschließendes Urteil gesprochen: Salomo habe das Böse getan und sei nicht wie sein Vater David Gott gefolgt. 7 In
der Verszählung der Septuagintaausgaben wird kein V. 3 gezählt.
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So erzürnte Gott über Salomo (V. 9), weil er sein Herz abgewandt habe, obwohl ihm Gott immerhin zweimal erschienen sei und er es ihm verboten hatte (V. 10). Gott selber kündigt Salomo an, dass er ihm das Königreich entreißen und es einem von Salomos Knechten geben werde (V. 11). Doch er werde es nicht zu Salomos Lebzeiten wegnehmen, sondern erst seinem Sohn, und dies um Davids willen. Zudem werde er nicht das ganze Königreich wegnehmen, sondern ihm einen Stamm belassen, ebenfalls um Davids willen, aber auch um Jerusalems willen, das Gott erwählt habe. Sprachlich fällt auf, dass in V. 12 das Verb λαμβάνομαι verwendet wird und nicht διαρρήγνυμι wie in V. 11. Der Septuagintatext gibt damit deutlich einzelne Sequenzen zu erkennen. So stellen die V. 1 f. eine Einheit für sich dar, in der in zwei Stufen zuerst Salomos Ehen mit vielen Frauen und dann auch mit fremden Frauen thematisiert werden, wobei letztere Völkern angehören, mit denen Gott den Umgang verbot. Die zweite Sequenz besteht aus den V. 4–8. Sie beginnt in V. 4 mit der Datierung der nun folgenden Vorkommnisse in Salomos Alter. Erkennbar ist sie an ihrem Rahmen in V. 4 und V. 8, in dem David als Referenzgröße für Rechtgläubigkeit erscheint. Dabei wird deutlich gemacht, dass es Salomo ist, der seinem Gott nicht seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Erst in dem umrahmten Erzählteil wird nun ausgesagt, dass es seine fremden Frauen waren, die sein Herz ihren Göttern zugewandt hätten (V. 4). Bemerkenswert ist aber auch die Differenz zu V. 5–7: Salomo baute ihnen Höhen für ihre Götter, aber es wird nicht gesagt, dass er selber diese Götter verehrte: ἐθυμίων und ἔθυον sind Verben in der 3. Person Plural, sodass sie sich bestenfalls auf Salomo und die Frauen beziehen können, im Zusammenhang aber doch wohl eher ausschließlich die Frauen im Blick haben. Die dritte Sequenz besteht aus der Ankündigung Gottes, dass er Salomo das Königreich wegnehmen werde. Am auffälligsten ist der bereits angesprochene terminologische Wechsel zwischen διαρρήγνυμι in V. 11 und λαμβάνομαι in V. 12–13.
3. 1 Kön 11,1–13 im masoretischen Text und in der Septuaginta im Vergleich וְ ַה ֶּמ ֶלְך ְׁשֹלמֹה ָא ַהב נָ ִׁשים נָ ְכ ִרּיֹות ַרּבֹות1
ת־ּפ ְרעֹה ַ ת־ּב ַ וְ ֶא מֹוא ִבּיֹות ַע ֳּמנִ ּיֹות ֲאד ִֹמּיֹת ֵצ ְדנִ ּיֹת ִח ִּתּיֹת׃ ֲ
1 Καὶ ὁ βασιλεὺς Σαλωμων ἦν φιλογύναιος. καὶ ἦσαν αὐτῷ ἄρχουσαι ἑπτακόσιαι καὶ παλλακαὶ τριακόσιαι. καὶ ἔλαβεν γυναῖκας ἀλλοτρίας καὶ τὴν θυγατέρα Φαραω, Μωαβίτιδας, Αμμανίτιδας, Σύρας καὶ Ιδουμαίας, Χετταίας καὶ Αμορραίας,
Salomo am Ende
ל־ּבנֵ י יִ ְׂש ָר ֵאל ְ ן־הּגֹויִם ֲא ֶׁשר ָא ַמר־יְ הוָ ה ֶא ַ ִמ2 א־תבֹאּו ָב ֶהם וְ ֵהם לֹא־יָ בֹאּו ָב ֶכם ָ ֹל יהם ֶ ֹלה ֵ ת־ל ַב ְב ֶכם ַא ֲח ֵרי ֱא ְ ָא ֵכן יַ ּטּו ֶא ָּב ֶהם ָּד ַבק ְׁשֹלמֹה ְל ַא ֲה ָבה׃
ּופ ַלגְ ִׁשים ִ וַ יְ ִהי־לֹו נָ ִׁשים ָׂשרֹות ְׁש ַבע ֵמאֹות3 ְׁשֹלׁש ֵמאֹות ת־לּבֹו׃ ִ וַ ּיַ ּטּו נָ ָׁשיו ֶא וַ יְ ִהי ְל ֵעת זִ ְקנַ ת ְׁשֹלמֹה4 ֹלהים ֲא ֵח ִרים ִ ת־ל ָבבֹו ַא ֲח ֵרי ֱא ְ נָ ָׁשיו ִהּטּו ֶא ֹלהיו ָ א־היָ ה ְל ָבבֹו ָׁש ֵלם ִעם־יְ הוָ ה ֱא ָ ֹ וְ ל ִּכ ְל ַבב ָּדוִ יד ָא ִביו׃ וַ ּיֵ ֶלְך ְׁשֹלמֹה5 ֹלהי ִצד ֹנִ ים ֵ ַא ֲח ֵרי ַע ְׁשּת ֶֹרת ֱא וְ ַא ֲח ֵרי ִמ ְלּכֹם ִׁש ֻּקץ ַעּמֹנִ ים׃ וַ ּיַ ַעׂש ְׁשֹלמֹה ָה ַרע ְּב ֵעינֵ י יְ הוָ ה6 וְ לֹא ִמ ֵּלא ַא ֲח ֵרי יְ הוָ ה ְּכ ָדוִ ד ָא ִביו׃ ָאז ְיִבנֶ ה ְׁשֹלמֹה ָּב ָמה7 מֹואב ָ ִל ְכמֹוׁש ִׁש ֻּקץ ִרּוׁש ָלם ָ ְל־ּפנֵ י י ְ ָּב ָהר ֲא ֶׁשר ַע ּולמ ֶֹלְך ִׁש ֻּקץ ְּבנֵ י ַעּמֹון׃ ְ וְ ֵכן ָע ָׂשה ְל ָכל־נָ ָׁשיו ַהּנָ ְכ ִרּיֹות8 יהן׃ ֶ אֹלה ֵ ּומזַ ְּבחֹות ֵל ְ ַמ ְק ִטירֹות
וַ ּיִ ְת ַאּנַ ף יְ הוָ ה ִּב ְׁשֹלמֹה9 ֹלהי יִ ְׂש ָר ֵאל ֵ ִּכי־נָ ָטה ְל ָבבֹו ֵמ ִעם יְ הוָ ה ֱא ַהּנִ ְר ָאה ֵא ָליו ַּפ ֲע ָמיִם׃ ל־ה ָּד ָבר ַהּזֶ ה ַ וְ ִצּוָ ה ֵא ָליו ַע10 ֹלהים ֲא ֵח ִרים ִ י־ל ֶכת ַא ֲח ֵרי ֱא ֶ ְל ִב ְל ִּת וְ לֹא ָׁש ַמר ר־צּוָ ה יְ הוָ ה׃ פ ִ ֵאת ֲא ֶׁש
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2 ἐκ τῶν ἐθνῶν, ὧν ἀπεῖπεν κύριος τοῖς υἱοῖς Ισραηλ Οὐκ εἰσελεύσεσθε εἰς αὐτούς, καὶ αὐτοὶ οὐκ εἰσελεύσονται εἰς ὑμᾶς, μὴ ἐκκλίνωσιν τὰς καρδίας ὑμῶν ὀπίσω εἰδώλων αὐτῶν, εἰς αὐτοὺς ἐκολλήθη Σαλωμων τοῦ ἀγαπῆσαι.
4 καὶ ἐγενήθη ἐν καιρῷ γήρους Σαλωμων καὶ οὐκ ἦν ἡ καρδία αὐτοῦ τελεία μετὰ κυρίου θεοῦ αὐτοῦ καθὼς ἡ καρδία Δαυιδ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ, καὶ ἐξέκλιναν αἱ γυναῖκες αἱ ἀλλότριαι τὴν καρδίαν αὐτοῦ ὀπίσω θεῶν αὐτῶν.
5 τότε ᾠκοδόμησεν Σαλωμων ὑψηλὸν τῷ Χαμως εἰδώλῳ Μωαβ καὶ τῷ βασιλεῖ αὐτῶν εἰδώλῳ υἱῶν Αμμων 6 καὶ τῇ Ἀστάρτῃ βδελύγματι Σιδωνίων, 7 καὶ οὕτως ἐποίησεν πάσαις ταῖς γυναιξὶν αὐτοῦ ταῖς ἀλλοτρίαις, ἐθυμίων καὶ ἔθυον τοῖς εἰδώλοις αὐτῶν· 8 καὶ ἐποίησεν Σαλωμων τὸ πονηρὸν ἐνώπιον κυρίου, οὐκ ἐπορεύθη ὀπίσω κυρίου ὡς Δαυιδ ὁ πατὴρ αὐτοῦ. 9 καὶ ὠργίσθη κύριος ἐπὶ Σαλωμων, ὅτι ἐξέκλινεν καρδίαν αὐτοῦ ἀπὸ κυρίου θεοῦ Ισραηλ τοῦ ὀφθέντος αὐτῷ δὶς 10 καὶ ἐντειλαμένου αὐτῷ ὑπὲρ τοῦ λόγου τούτου τὸ παράπαν μὴ πορευθῆναι ὀπίσω θεῶν ἑτέρων καὶ φυλάξασθαι ποιῆσαι ἃ ἐνετείλατο αὐτῷ κύριος ὁ θεός,
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אמר יְ הוָ ה ִל ְׁשֹלמֹה ֶ ֹ וַ ּי11 יְתה־ּזֹאת ִע ָּמְך ָ יַ ַען ֲא ֶׁשר ָה יתי וְ ֻחּק ַֹתי ִ וְ לֹא ָׁש ַמ ְר ָּת ְּב ִר יתי ָע ֶליָך ִ ֲִא ֶׁשר ִצּו ת־ה ַּמ ְמ ָל ָכה ֵמ ָע ֶליָך ַ ָקר ַֹע ֶא ְק ַרע ֶא יה ְל ַע ְב ֶּדָך׃ ָ ּונְ ַת ִּת יָמיָך לֹא ֶא ֱע ֶׂשּנָ ה ֶ ְך־ּב ְ ַא12 ְל ַמ ַען ָּדוִ ד ָא ִביָך ִמּיַ ד ִּבנְ ָך ֶא ְק ָר ֶעּנָ ה׃ ל־ה ַּמ ְמ ָל ָכה לֹא ֶא ְק ָרע ַ ת־ּכ ָ רק ֶא31 ַ ֵׁש ֶבט ֶא ָחד ֶא ֵּתן ִל ְבנֶ ָך ְל ַמ ַען ָּדוִ ד ַע ְב ִּדי רּוׁש ַלםִ ֲא ֶׁשר ָּב ָח ְר ִּתי׃ ָ ְּול ַמ ַען י ְ
11 καὶ εἶπεν κύριος πρὸς Σαλωμων Ἀνθ᾿ ὧν ἐγένετο ταῦτα μετὰ σοῦ καὶ οὐκ ἐφύλαξας τὰς ἐντολάς μου καὶ τὰ προστάγματά μου, ἃ ἐνετειλάμην σοι, διαρρήσσων διαρρήξω τὴν βασιλείαν σου ἐκ χειρός σου καὶ δώσω αὐτὴν τῷ δούλῳ σου. 12 πλὴν ἐν ταῖς ἡμέραις σου οὐ ποιήσω αὐτὰ διὰ Δαυιδ τὸν πατέρα σου· ἐκ χειρὸς υἱοῦ σου λήμψομαι αὐτήν. 13 πλὴν ὅλην τὴν βασιλείαν οὐ μὴ λάβω· σκῆπτρον ἓν δώσω τῷ υἱῷ σου διὰ Δαυιδ τὸν δοῦλόν μου καὶ διὰ Ιερουσαλημ τὴν πόλιν ἣν ἐξελεξάμην.
Zuerst fallen die Leerstellen ins Auge, die entstehen, wenn parallele Inhalte auch parallel gesetzt werden und zugleich die Reihenfolge der einzelnen Texte gewahrt wird. Doch bei diesen freien Feldern handelt es sich nur in seltenen Fällen um echte Leerstellen. Zumeist gehen sie auf unterschiedliche Anordnungen des Textes zurück, so beispielsweise V. 1 in der Septuaginta und V. 3 im masoretischen Text oder V. 6 im masoretischen Text und V. 8 in der Septuaginta oder die unterschiedliche Anordnung innerhalb von V. 4 in beiden Versionen. Es gibt aber auch darüber hinaus zahlreiche Varianten, die nicht so augenfällig sind, aber dennoch ihre Bedeutung haben.
4. Differenzen in der Textanordnung Der Abschnitt 1 Kön 11,1–13 weist eine auffällig hohe Konzentration an Differenzen in der Textanordnung auf. Bereits in den ersten Versen betrifft dies die Notiz zu Salomos 1000 Frauen. Im masoretischen Text folgt sie der Sequenz in V. 1 f. Diese ist dadurch in sich abgeschlossen, dass der Schlusssatz in V. 2 mit dem Stichwort אהבeinen Bogen zum ersten Satz von V. 1 schlägt. Allein dadurch wirkt die Notiz zu Salomos 1000 Frauen angefügt. Durch die Zusammenstellung entsteht der Eindruck, dass es sich bei diesen 1000 Frauen um die in V. 1 genannten fremden Frauen handelt. Dies wird zusätzlich verstärkt, wenn es im folgenden Satz heißt, sie hätten Salomos Herz abgewandt: Sie hätten also genau das getan, was man nach der Warnung in V. 2 erwarten würde. Tatsächlich ist aber in V. 3 allein keine Rede von einer ausländischen Herkunft, und wenn man V. 3a für sich betrachtet, ist dieser Satz angesichts der Verhältnisse im Alten Orient wohl auch nicht negativ, sondern eher positiv gemeint gewesen: nur ein reicher König, wie er im vorangehenden Kap. 10 dargestellt wird, kann sich auch einen solchen Harem leisten.
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Während also der masoretische Text den Eindruck erweckt, dass es auch bei den 1000 Frauen Salomos um fremde Frauen geht, ist dies in der Septuaginta nicht der Fall. Sie geht gewissermaßen zweistufig vor. Wie der masoretische Text spricht sie zunächst von der Frauenliebe Salomos, doch dann führt sie bereits die Notiz zu Salomos 1000 Frauen an. Das hat Folgen: Damit ist für die Septuaginta klar, dass es sich bei diesen nicht um fremde Frauen handelt. Deutlich wird das zudem im folgenden Satz καὶ ἔλαβεν γυναῖκας ἀλλοτρίας, woran sich die Erwähnung der Pharaonentochter und die Liste der Herkunftsländer der fremden Frauen anschließt.8 Die Septuaginta geht also von einer Zweistufigkeit aus: zuerst von vielen Frauen – und dabei ist es Interpretationssache, ob man in φιλογύναιος eine Kritik hören möchte oder nicht9 – und dann von fremden Frauen, bevor in den folgenden Sätzen beide Versionen wieder parallel gehen. Masoretischer Text und Septuaginta bieten also unterschiedliche Textanordnungen, durch die unterschiedliche Leseeindrücke entstehen, sodass sich zwei Fragen stellen: Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Anordnung? Und: Was soll damit jeweils gesagt werden? Doch zuerst ist auf die V. 4–8 einzugehen, denn dort stellen sich ähnliche Fragen. Dies betrifft zum einen V. 4 in beiden Versionen. Im masoretischen Text besteht der Vers aus einem Satz mit einer Parenthese. Der Satz selber lautet: „Und es geschah in der Zeit von Salomos Alter, dass sein Herz nicht vollständig mit JHWH seinem Gott war wie das Herz seines Vaters David“. In diesen Satz eingebettet befindet sich der unverbundene Satz ֹלהים ֲא ֵח ִרים ִ אַח ֵרי ֱא ֲ ת־ל ָבבֹו ְ נָ ָשׁיו ִהטּוּ ֶא. In der Septuaginta besteht V. 4 demgegenüber aus zwei aufeinander folgenden Sätzen. Der „Hauptsatz“ im masoretischen Text wird als erster geboten, jedoch nicht auseinandergerissen. Die Aussage von den fremden Frauen, die Salomos Herz ihren fremden Göttern zugeneigt hätten, wird erst anschließend als zweiter, selbstständiger Satz angeführt. Es ist keine Frage, dass die Septuaginta stilistisch eleganter ist. Umfangreicher sind die Differenzen in den V. 5–8. In beiden Versionen beginnt in V. 4 eine neue Sequenz, die durch die Verurteilung Salomos eingeleitet und auch beendet wird. Nur endet diese Sequenz im masoretischen Text in V. 6, 8 Diese Liste stimmt in keiner der Textüberlieferungen überein. M: Moabiterinnen, Ammoniterinnen, Edomiterinnen, Sidonierinnen, Hettiterinnen; Peschitta: Ammoniterinnen, Moabiterinnen, Edomiterinnen, Sidonierinnen, Hettiterinnen; G: Moabiterinnen, Ammoniterinnen, Syrerinnen und Idumäerinnen, Hettiterinnen und Amoräerinnen; Josephus, Ant VIII, 191: Sidonierinnen, Tyrerinnen, Ammaniterinnen, Idumäerinnen. Der antiochenische Text (Ant) fügt zwischen den Gliedern der Aufzählung jeweils ein καί ein. 9 Es ist offensichtlich, dass weder das von den meisten Textzeugen belegte Wort φιλογύναιος noch das im Codex Vaticanus stehende φιλογύνης noch das im antiochenischen Text bezeugte ἀνὴρ φιλογύναιος direkt auf ein hebräisches Wort zurückzuführen ist, sondern wohl gutes Griechisch für die Wendung נָ ִׁשים ַרּבֹותdarstellen soll. Damit fokussiert die Septuaginta allerdings auch stärker auf Salomo als der masoretische Text, indem sie Salomo mit einem Habitus versieht, der ihm so im Hebräischen nicht eigen ist.
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in der Septuaginta jedoch erst in V. 8. In der Septuaginta umfasst sie also den gesamten Abschnitt der V. 4–8, im masoretischen Text nur den ersten Teil. Dagegen steht im masoretischen Text in den V. 7 f. eine weitere Sequenz zu Salomos Heiligtumsbau für seine fremden Frauen. Dabei hat auch dieser eine Entsprechung in der Septuaginta: er befindet sich in V. 5–7 G. Auch hier bieten beide Versionen unterschiedliche Textanordnungen, deren Differenzen jedoch noch komplexer gelagert sind als die beiden vorher genannten. So kann man auch detailhafte Unterschiede sehen wie in V. 5 G zu V. 7 M, denn die genannten Götter stimmen nicht ganz überein. Kamosch wird in beiden Versionen genannt; im masoretischen Text wird noch präzisiert, dass sich sein Heiligtum auf der Höhe Jerusalem gegenüber befunden habe. Danach folgt im masoretischen Text Molech und im Hauptstrom der Septuaginta die Übersetzung τῷ βασιλεῖ αὐτῶν, der wohl im Hebräischen der Gottesname ִמ ְלּכֹםzugrunde liegt, was dann auch der antiochenische Text bietet, der mit Μιλχομ einfach transkribiert. Während nun der masoretische Text seine Schlussbemerkung anführt, nennt die Septuaginta über diese beiden Götter hinaus noch Astarte. Diese fehlt auf den ersten Blick im masoretischen Text, findet sich jedoch in V. 5 M, in dem sie gemeinsam mit Milkom genannt wird. Erst danach folgt in V. 7 G dieselbe Bemerkung wie in V. 8 M, und danach in V. 8 G das abschließende Urteil zu Salomo, wie es sich auch in V. 6 M findet. Die Septuaginta bietet also eine Sequenz, während der masoretische Text zwei aufweist. Zudem wurde an der „Götterliste“ gearbeitet. Dabei fällt auf, dass die erste Sequenz im masoretischen Text dieselbe Struktur aufweist wie die eine Sequenz in der Septuaginta: Sie besteht aus einem Rahmen, in dem Salomo verurteilt wird, weil er sich nicht wie sein Vater David ungeteilt an seinen Gott JHWH gehalten habe. In einem mittleren, umrahmten Teil wird diese Kritik konkretisiert. So sei er nach dem masoretischen Text Astarte und Milkom gefolgt. In der Septuaginta übernimmt diesen mittleren Teil der Text, der sich als zweite Sequenz im masoretischen Text findet, das heißt die Nachricht, dass Salomo in dieser Zeit für seine Frauen Kulthöhen gebaut habe. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass in der Septuaginta V. 5 M gewissermaßen durch V. 7 f.M ausgetauscht worden sei. Doch ganz so einfach ist es nicht, wie die „Götterliste“ zeigt. Zwar kann man annehmen, dass der Wendung τῷ βασιλεῖ αὐτῶν in V. 5 G Milkom und nicht Molech zugrunde lag, doch könnte es sich dabei auch um eine Verwechslung der Götternamen handeln, die nicht auf den Septuagintaübersetzer zurückzuführen ist. Auffälliger ist aber die Nennung der Astarte in V. 6 G. Diese stammt zweifellos aus V. 5 M. Es ist also nicht so, dass V. 5 M in der Septuaginta einfach durch V. 7 f.M ersetzt worden wäre. In den V. 9–13 laufen beide Textversionen wieder parallel, sodass noch auf ein paar kleine Differenzen eingegangen werden kann, die aber ebenso von Bedeutung sind.
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5. Kleinere Differenzen Eine der bedeutendsten kleineren Differenzen befindet sich in V. 2. Während es im masoretischen Text heißt: „von den Völkern, von denen JHWH den Kindern Israel gesagt hatte (“)א ַמר, ָ heißt es in der Septuaginta: „von den Völkern, von denen der Herr den Kindern Israel verboten hatte (ἀπεῖπεν)“. Zwei weitere Unterschiede weist V. 11 auf. Im masoretischen Text heißt es: וְ לֹא יתי ָע ֶליָך ִ ִיתי וְ ֻחקּ ַֹתי ֲא ֶשׁר ִצוּ ִ שׁ ַמ ְר ָתּ ְבּ ִר. ָ Die Septuaginta bietet jedoch: καὶ οὐκ ἐφύλαξας τὰς ἐντολάς μου καὶ τὰ προστάγματά μου, ἃ ἐνετειλάμην σοι. Während also der masoretische Text „Bund“ bezeugt, nennt die Septuaginta „Gebote“. Die zweite Differenz bezieht sich auf ֵמ ָע ֶליָךim masoretischen Text, an dessen Stelle sich in der Septuaginta ἐκ χειρός σου findet, dem מידךoder möglicherweise auch מידיךzugrunde liegt. Und dann ist noch abschließend auf die unterschiedlichen Verben in V. 12 f. hinzuweisen. Dort wird im masoretischen Text zweimal ( קרעzerreißen, entreißen) verwendet, wie auch in V. 11. In der Septuaginta jedoch ist zwar in V. 11 mit διαρρήσσων διαρρήξω die figura etymologica ָקר ַֹע ֶא ְק ַרעbelegt, doch wird in V. 12 f. auffälligerweise für קרעnicht διαρρήγνυμι verwendet, sondern λαμβάνω, dem eher לקחzugrundeliegt.
6. Salomo an einem Ende? Überlegungen zur Textgenese Percy van Keulen vertritt in seiner Studie „Two Versions of the Solomon Narrative“ die These, dass die Septuagintaübersetzer den ursprünglichen hebräischen Text veränderten, um Salomo von den Vorwürfen, die im hebräischen Original gegen ihn erhoben würden, zwar nicht gänzlich, doch aber graduell zu entlasten.10 Nun lassen sich Einzelbeobachtungen nicht bestreiten, dennoch stellt sich die Frage, ob das Gesamturteil gerechtfertigt ist. Der Beurteilung van Keulens liegt ein einfaches Modell der Textentstehung zugrunde, das eine klare Richtung aufweist. So geht er davon aus, dass die Septuagintaübersetzer aus „dissatisfaction with the structure of the original“11 den Text umgestellt hätten. Dass man dies nicht so einfach sehen kann, hat sich bei den Untersuchungen Adrian Schenkers gezeigt, der gewissermaßen den umgekehrten Weg geht und den masoretischen Text für eine spätere Entwicklungsstufe hält.12 10 Vgl. van Keulen, Two Versions, 209 f.: So werde in der Septuaginta nicht behauptet, dass Salomos Harem aus ausländischen Frauen bestehe, und Salomo werde nicht selber als Götzendiener dargestellt. 11 Van Keulen, Two Versions, 209. 12 Siehe insbesondere die Untersuchungen in Schenker, Adrian, Älteste Textgeschichte der Königsbücher. Die hebräische Vorlage der ursprünglichen Septuaginta als älteste Textform der
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Es gäbe aber noch eine Alternative. Es ist ebenso gut möglich, dass wir es mit zwei parallelen Überlieferungen zu tun haben, von denen es uns aus der Rückschau nicht mehr möglich ist, eine von beiden als ursprünglich zu identifizieren. In diese Richtung kann auch für die Textgeschichte das Modell von David Carr fruchtbar gemacht werden, das er im literarkritischen Bereich entwickelte. Carr wedet in seiner Studie „Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature“ (2005) und in seiner Darstellung „The Formation of the Hebrew Bible“ (2011) Beobachtungen zur kombinierten schriftlich-mündlichen Überlieferung in Geschichte und Gegenwart für die alttestamentliche Wissenschaft an. So geht er von „memory variants“ auch in der schriftlichen Tradierung von Texten aus, weil diese nicht ohne Mündlichkeit geschah. Im Hintergrund steht dabei die Einsicht, dass die Tradenten die Texte zumeist bereits früh in ihrer Ausbildung kennen lernten und sie dort nicht nur abschrieben, sondern auch auswendig lernten, sodass sich dadurch in späteren Abschreibeprozessen solcher Texte Varianten ergaben. Typische Folgen eines solchen Zusammenspiels von schriftlichen und mündlichen Komponenten sind das Austauschen von Wörtern, Präpositionen etc., aber auch Veränderungen im Textablauf, wenn dieser noch nicht als kanonisch im engeren Sinne verstanden wurde. Mit anderen Worten: Es handelt sich um ein Modell, mit dem sich auch die eben erwähnten Phänomene erklären lassen, wenn man sich von der Vorstellung löst, dass unbedingt einer der erhaltenen Textzeugen der Ursprung der Textentwicklung gewesen sein muss. An den V. 1–3 lässt sich dies auch am vorliegenden Text gut zeigen. An ihnen wird deutlich, dass der Abschnitt aus zwei Komponenten besteht: zum einen aus einem Haupttext, demzufolge König Salomo viele fremde Frauen heiratete, die aus Völkern stammten, mit denen Gott den Umgang eigentlich verbot, und zum anderen aus einer Notiz, der gemäß Salomo einen unvorstellbar großen Harem besaß. Beide Texte wurden unterschiedlich kombiniert – und beide Texte zeigen entsprechende redaktionelle Spuren. Denn in beiden Texten wurde die Notiz über Salomos 1000 Frauen redaktionell eingebunden: im Text, der später einmal der masoretische werden sollte, indem nach der ersten Sequenz der V. 1 f. nun darauf verwiesen wird, dass jetzt tatsächlich eingetreten sei, was Gott befürchtete: dass nämlich die Frauen Salomos Herz abgewandt hätten. Im Text, der der Septuaginta vorlag, wurde der Satz stattdessen am Anfang eingebunden, um so den Anschluss an das vorhergehende Kapitel zu wahren, in dem es um Salomos Reichtum geht. Dadurch wurde allerdings auch ein weiterer Satz nötig, um zu den ausländischen Frauen überzuleiten. Ähnliches zeigt sich auch in den V. 4–8. Hier ist es zunächst die unterschiedliche Positionierung des Hinweises, dass es Salomos Frauen gewesen seien, die Königsbücher, OBO 199, Fribourg / Göttingen 2004, und Schenker, Adrian, The Septuagint in the Text History of 1–2 Kings, in: Lemaire, André / Halpern, Baruch (Hg.), The Book of Kings. Sources, Composition, Historiography and Reception, VTSup 129, Leiden / Boston, MA 2010, 3–17.
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sein Herz ihren Göttern zugewandt hätten. So fällt im masoretischen Text auf, dass er unverbunden mitten im Satz steht, also kaum auf den ursprünglichen Verfasser zurückgeht. Es handelt sich wahrscheinlich um eine spätere Glosse, die versucht, in dem in sich geschlossenen Teil der V. 4–6 M, in dem Salomos „geteilte Aufmerksamkeit“ gegenüber JHWH seinem Gott thematisiert wird, den Anschluss an das Vorherige herzustellen. In der Septuaginta erscheint der Satz stilistisch besser eingebunden, erfüllt aber dieselbe Funktion. In beiden Fällen erschien es den Redaktoren als wichtig, in diesem Zusammenhang noch einmal auf Salomos Frauen hinzuweisen. Dass der Satz im Griechischen im Unterschied zum hebräischen von fremden Frauen handelt und von ihren Göttern anstatt von Frauen und anderen Göttern, liegt dabei auch im Rahmen schriftlich-mündlicher Überlieferung. Dass durch diese Differenzen inhaltliche Tendenzen entstehen, ist keine Frage; allerdings lassen sie sich nicht einer planvollen Redaktion zuschreiben, durch die eine Textaussage von einer anderen abgehoben werden soll. Anders stellt es sich im Blick auf den Gesamtaufbau der V. 4–8 dar. Hier ist die Vorlage der Septuaginta eindeutig vom Aufbau des späteren masoretischen Textes abhängig. Sie führt die beiden Sequenzen der V. 4–6 und 7 f. M, die im masoretischen Text nur lose aneinandergefügt sind, so zusammen, dass sie die V. 7 f. M als Mittelstück in den von V. 4–6 M vorgegebenen Rahmen der Verurteilung Salomos einfügt. Geht man von der Textstruktur des masoretischen Textes aus, kann man sagen: Innerhalb des vorgegebenen Rahmens der V. 4.6 M „ersetzt“ die Vorlage der Septuaginta gewissermaßen V. 5 M durch die V. 7 f. M. Der Septuaginta liegt also eine Texttradition zugrunde, die genauso wie der masoretische Text zwei Texteinheiten vorliegen hat, diese jedoch nicht einfach zusammenstellt, indem sie sie aneinander anhängt, sondern zusammenkomponiert, indem sie sie zu einem neuen Ganzen verbindet. Dieser Vorgang bildet sich im Endtext noch darin ab, dass aus V. 5 M Astarte in die Liste der Götter aufgenommen, Molech und Milkom allerdings miteinander identifiziert wurden. Dass der skizzierte Verschmelzungsprozess noch in hebräischer Sprache geschah, zeigt sich daran, dass der Unterschied zwischen Molech und Milkom bei einer Übersetzung wohl aufgefallen wäre, denn Molech wäre kaum dem Missverständnis zum Opfer gefallen, das Milkom in der Septuaginta ereilte. Die Zusammenfügung der einzelnen Traditionsstücke ermöglichte es der Vorlage der Septuaginta jedenfalls, einen in sich geschlossenen, durchkomponierten Textabschnitt zu bieten. Für die V. 9–13 stellen sich solche Fragen nur in Details, denn hier gehen die Texte parallel. Ein solches Detail ist die Bezeugung von בריתbzw. ἐντολή in V. 11. Dort ist im masoretischen Text die Rede davon, dass Salomo Gottes Bund und Satzungen gebrochen habe (יתי וְ ֻחּק ַֹתי ִ )וְ לֹא ָׁש ַמ ְר ָּת ְּב ִר, während die Septuaginta „Gebote und Satzungen“ (τὰς ἐντολάς μου καὶ τὰ προστάγματά μου) bezeugt. בריתwürde also nicht mit διαθήκη wiedergegeben. Nun wäre es natürlich möglich, dass sich dahinter die Vorstellung verbirgt, dass „man“, in diesem Fall konkret Salomo, Gottes Bund nicht brechen könne, sondern eben nur seine Gebote.
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Doch dagegen sprechen ähnliche Stellen insbesondere in Dtn, in dem dieselbe Aussage in der Septuaginta mit διαθήκη übersetzt wird.13 Auch hier legt es sich nahe, von Parallelüberlieferungen auszugehen, sofern man nicht eine einmalige Übersetzungspraxis in der Septuaginta postulieren möchte.14
7. Am Ende: Salomo. Überlegungen zur Aussageabsicht der beiden Textüberlieferungen Percy van Keulen vertritt, wie gesagt, in seiner Studie „Two Versions of the Solomon Narrative“ die These, dass die Septuagintaübersetzer den Text veränderten, um Salomo von den Vorwürfen, die im hebräischen Original gegen ihn erhoben würden, zwar nicht gänzlich, doch aber noch wenigstens graduell zu entlasten. So geht van Keulen beispielsweise in seiner Analyse der V. 1–3 M bzw. V. 1 f. G davon aus, dass die Septuagintaübersetzer aus „dissatisfaction with the structure of the original“15 den Text umgestellt hätten. Damit hätten sie genau dem Eindruck entgegentreten wollen, der bei der Lektüre des masoretischen Textes entsteht, dass nämlich die 1000 Frauen Salomos fremde Frauen gewesen seien. Van Keulen wertet dies als Entlastung Salomos. Dabei lässt er allerdings zwei Aspekte außer Acht. Zum einen ist davon auszugehen, dass die Septuagintaübersetzer zu ihrer Zeit bereits ein gewisses Kanonbewusstsein besaßen. Wenn sie nun Salomo zuerst als φιλογύναιος bezeichnen und anschließend seine 1000 Frauen nennen, dann sind diese 1000 Frauen im Kontext altorientalischer Königsideologie zweifellos positiv zu verstehen, kann aber vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Kanonisierungsprozesses im Zusammenhang mit Dtn 17,17 durchaus als Kritik verstanden werden. Doch das ist nicht alles. So lässt van Keulen völlig unberücksichtigt, dass in der Septuaginta in V. 2 das ָא ַמרdes hebräischen Textes durch ἀπεῖπεν ersetzt wird. Die Septuaginta spricht also ausdrücklich von einem Verbot, das Salomo durch sein Verhalten bricht. Auch darin wird sich ein Kanonbewusstsein der Übersetzer wiederspiegeln, auch wenn sich ein solches Verbot nicht findet.16 Von einer Entlastung Salomos kann jedenfalls nicht die Rede sein. Für die V. 4–8 hat van Keulen darauf hingewiesen, dass Salomo in der Septuaginta nicht explizit selber als Götzendiener dargestellt werde. In der Tat fehlt 13 Vgl. Dtn 17,2; 29,24; 31,16; 4,23; Gen 17,14 u. ö. Tov, Emanuel, The Textcritical Use of the Septuagint in biblical research, Winona Lake, Indiana 2015, führt lediglich drei Belege an, bei denen בריתnicht mit διαθήκη wiedergegeben wird: Gen 14,13; 1 Kön 11,11; 2 Chr 16,3. 14 Zu weiteren Beispielen und deren Diskussion siehe Ueberschaer, Frank, Vom Gründungsmythos zur Untergangssymphonie. Eine text‑ und literaturgeschichtliche Untersuchung zu 1 Kön 11–14, BZAW 481, Berlin / New York, NY 2015, z. St. 15 Van Keulen, Two Versions, 209. 16 Die Lesart mit ָא ַמרist dann auch der Septuagintalesart vorzuziehen.
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in der Septuaginta eine entsprechende Aussage, wie sie sich in V. 5 M findet. Andererseits heißt es in beiden Versionen, dass sein Herz nicht ungeteilt bei JHWH seinem Gott war, dass er sich durch seine fremden Frauen von ihm habe abbringen lassen und dass er für sie seine kultischen Bautätigkeiten entfaltet habe. So besagt der deutliche Satz „Seine fremden Frauen wandten sein Herz ab hinter ihren Göttern her“ (καὶ ἐξέκλιναν αἱ γυναῖκες αἱ ἀλλότριαι τὴν καρδίαν αὐτοῦ ὀπίσω θεῶν αὐτῶν) inhaltlich nichts anderes. Wenn also V. 5 M in der Septuaginta keine unmittelbare Entsprechung besitzt, dann muss dies nichts mit Theologie zu tun haben, sondern kann auch ihrer Stilistik bzw. dem gestalterischen Versuch geschuldet sein, aus den beiden nur lose zusammenhängenden Sequenzen einen Text zu machen. Darüber hinaus ist textgeschichtlich zu beobachten, dass auch die Septuaginta die fremden Götter als εἴδωλα bezeichnet. Auf den ersten Blick betrachtet, scheint sie damit dem masoretischen Text zu folgen, doch lässt sich an der Peschitta zeigen, dass es durchaus einmal eine neutrale Bezeichnung als Götter gab und die sich dort noch in V. 5 erhielt.17 Insgesamt gibt der Duktus beider Versionen in den V. 1–8 zu erkennen, dass (trotz des obigen Verweises auf Dtn 17,17) weniger die Vielzahl der Frauen Salomos das Problem darstellt, als vielmehr deren fremde Herkunft und die damit verbundenen fremden Götter und deren Verehrung. Im Abschnitt der V. 9–13 stellt sich die Frage der Bewertung Salomos vor allem in dem bereits angesprochenen V. 11. Die Behauptung, dass die Septuaginta davon ausgehe, dass man Gottes Bund nicht brechen könne, lässt sich, wie gezeigt, einfach widerlegen. Wahrscheinlicher sind parallele Textüberlieferungen, die sich in den beiden Texttraditionen niederschlugen. Dass an diesem Satz intensiv gearbeitet wurde, lässt sich auch an der syrischen Textüberlieferung zeigen, die eine Aufzählung aus drei Elementen nennt ()ܩܝܡܝ ܘܕܝܢܝ ܘܦܘܩܕܢܙ. Eine bewusst vorgenommene, unterschiedliche Aussageabsicht lässt sich zwischen dem masoretischen und dem Septuagintatext also nicht festmachen. Zwar kann man beobachten, dass die Septuaginta bzw. ihre Vorlage den ihr überkommenen Erzählstoff anders anordnet, dass sie dabei stilistisch harmonischer arbeitet als der masoretische Text, bei dem es bei den vorhandenen, zumeist textgenetisch zu erklärenden Frakturen blieb. Aber es lässt sich gerade für das Schlusskapitel, in dem es nach Salomos fulminanter Darstellung als reichster und weisester aller Könige in 1 Kön 10 gewissermaßen zu einer „Königsdämmerung“ kommt, kaum sagen, dass sich beide Versionen in ihrer Aussageabsicht, Salomo zu kritisieren, unterscheiden und die Septuaginta versuche, Salomo in Schutz zu nehmen. Schließlich halten beide fest, dass Salomo – aktiv handelnd! – nicht mehr dem Maßstab entsprach, der ihm in der Gestalt seines Vaters David hätte 17 In V. 5 bezeugt die Peschitta ܐܠܗܐ ܕܒܢܝ ܥܡܘܢstatt ׁש ֻּקץ ַעּמֹנִ ים ִ in M und εἰδώλῳ υἱῶν Αμμων in G.
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vor Augen stehen müssen. Und an der Konsequenz, der Teilung des Reiches, kommt auch keine von beiden vorbei.18
Literatur Carr, David M., Writing on the Tablet of the Heart. Origins of Scripture and Literature, Oxford / New York, NY 2005. –, The Formation of the Hebrew Bible. A New Reconstruction, Oxford / New York, NY 2011. Hentschel, Georg, 1 Könige, NEB, Würzburg 1984. Hoffmann, Hans-Detlef, Reform und Reformen. Untersuchungen zu einem Grundthema der deuteronomistischen Geschichtsschreibung, AThANT 66, Zürich 1980. Kreuzer, Siegfried, „War Saul auch unter den Philistern?“. Die Anfänge des Königtums in Israel, in: Kreuzer, Siegfried, Geschichte, Sprache und Text. Studien zum Alten Testament und seiner Umwelt, BZAW 479, Berlin / Boston, MA 2015, 3–21. –, „Saul war noch zwei Jahre König …“. Textgeschichtliche, literarische und historische Beobachtungen zu 1 Sam 13,1, in: Kreuzer, Siegfried, Geschichte, Sprache und Text. Studien zum Alten Testament und seiner Umwelt, BZAW 479, Berlin / Boston, MA2015, 22–31. Meiser, Martin, Art.: Basileion III / Das dritte Buch der Königtümer / Das erste Buch der Könige, LXX.H 1, Gütersloh 2016, 232–240. Noth, Martin, Überlieferungsgeschichliche Studien. Die sammelnden und bearbeitenden Geschichtswerke im Alten Testament, Tübingen 31967. Schenker, Adrian, Älteste Textgeschichte der Königsbücher. Die hebräische Vorlage der ursprünglichen Septuaginta als älteste Textform der Königsbücher, OBO 199, Fribourg / Göttingen 2004. –, The Septuagint in the Text History of 1–2 Kings, in: Lemaire, André / Halpern, Baruch (Hg.), The Book of Kings. Sources, Composition, Historiography and Reception, VTSup 129, Leiden / Boston, MA 2010, 3–17. Tov, Emanuel, Three Strange Books of the LXX: 1 Kings, Esther, and Daniel Compared with Similar Rewritten Compositions from Qumran and Elsewhere, in: Tov, Emanuel, Hebrew Bible, Greek Bible, and Qumran. Collected Essays, TSAJ 121, Tübingen 2008, 283–305. –, The Textcritical Use of the Septuagint in biblical research, Winona Lake, IN 2015. Ueberschaer, Frank, Vom Gründungsmythos zur Untergangssymphonie. Eine text‑ und literaturgeschichtliche Untersuchung zu 1 Kön 11–14, BZAW 481, Berlin / New York, NY 2015. Van Keulen, Percy, Two Versions of the Solomon Narrative. An Inquiry into the Relationship between MT 1 Kgs 2–11 and LXX 3 Reg 2–11, VTSup 104, Leiden / Boston, MA 2005.
18 Zu Überlegungen bzgl. Trägerkreisen vgl. Tov, Emanuel, Three Strange Books of the LXX: 1 Kings, Esther, and Daniel Compared with Similar Rewritten Compositions from Qumran and Elsewhere, in: Tov, Emanuel, Hebrew Bible, Greek Bible, and Qumran. Collected Essays, TSAJ 121, Tübingen 2008, 283–305, hier 302–304.
Bileam messianisch gelesen? Jonathan Miles Robker Einige moderne Exegeten verstehen die griechische Fassung der Bileam-Sprüche in Numeri 23 f. als messianische Interpretation ihrer nicht messianischen hebräischen Vorlage. D. h. sie unterstellen der Septuaginta (G) messianische Exegese in dieser Perikope, mit der der Übersetzer des Numeri-Buches einen messianischen Sinn, der nicht in seiner Vorlage erhalten war, eintrug.1 Bei solchen Deutungen erscheinen verschiedene Probleme: Zum einen sind diese Stellen textkritisch äußerst spannungsvoll – auch über die masoretischen und griechischen Versionen hinaus –, und zum anderen wird nicht selten der Begriff „Messianismus“ ohne eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten messianischer Vorstellungen der vorchristlichen Zeit aufgenommen und appliziert. In diesem Beitrag möchte ich zuerst ein paar Gedanken zur Bedeutung und zum Inhalt des Messianismus reflektieren, bevor ich die verschiedenen Textgestalten mancher Verse der Bileam-Sprüche nachzeichne. Letztendlich möchte ich der Frage nachgehen, bei welchen Textzeugen – wenn überhaupt – man von messianischen Tendenzen in der Bileam-Perikope sprechen kann, und wenn man davon sprechen kann, was ihr vermeintliches Ziel war.
1. Messianismus Was sollte man unter Messianismus verstehen und wie wird der Begriff benutzt? Zuerst sollte man mit dem Hebräischen beginnen. „The noun mashiaḥ (‚anointed‘ or ‚anointed one‘) occurs 38 times in the Hebrew Bible, where it applies twice to the patriarchs, six times to the high priest, once to Cyrus, and 29 times to the Israelite king, primarily Saul and secondarily David or an unnamed Davidic monarch. In these contexts the term denotes one invested, usually by God, with power 1 Vgl. schon Frankel, Zacharias, Ueber den Einfluss der palästinischen Exegese auf die alexandrinische Hermeneutik, Leipzig 1851, 183. Für neuere Positionen, vgl. z. B. Martin Rösel in der Einleitung der LXX.D zu Arithmoi (133): „Für die Wirkungsgeschichte von beträchtlicher Bedeutung ist schließlich die Tatsache, dass die Weissagungen Bileams in Num 23 und 24 messianisch gedeutet wurden.“ Oder Seebass, Horst, Numeri 22,2–36,13, BK IV/3, NeukirchenVluyn 2007, 23: „G [in Num 24,7] bietet eine messianische Deutung …“, und 24 zu Num 24,17: „G punktiert das erste Verb messianisch als hi […]“, und „G ‚Mensch‘ nimmt ihre messianische Deutung von 7a auf […].“
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and leadership, but never an eschatological figure. Ironically, in the apocalyptic book of Daniel (9:25f), where an eschatological messiah would be appropriate, the term refers to a murdered high priest.“2
Dies mag für den Begriff „Messias“ auf Hebräisch zutreffen, der Begriff „Messianismus“ meint jedoch eher etwas anderes. Johan Lust – ein wichtiger Gesprächspartner zu messianischen Vorstellungen in der G – zeichnet die folgenden Merkmale des Messianismus nach: 1) die Erwartung eines künftigen Menschen, der auch transzendenter Retter sein wird; 2) er wird das Königreich Gottes auf Erden gründen; 3) diese Rettung sowie die Etablierung sollen in einer eschatologischen Ära geschehen.3 Wichtig dabei ist auch, dass man nach dieser Definition einen Messias erwarten kann, ohne dass der Text den Begriff משׁיחbzw. χριστός bietet. Eine Salbung muss nicht im Text erwähnt werden, da der Begriff sich im Laufe der Zeit entwickelte.4 Diese oder ähnliche Definitionen werden oft positiv rezipiert und dürften für diese Untersuchung akzeptiert werden.5 Dabei bleiben die wichtigsten Elemente eines messianischen Verständnisses die Zukunft, die Eschatologie und die Persönlichkeit / Menschlichkeit des Handelnden, meistens mit einem konkreten Bezug zum Königtum, und zwar zum Königtum Gottes.6 Eine kurze Notiz noch zur allgemeinen Übersetzungstechnik in Numeri: Wevers bezeichnet die Übersetzung des Numeri-Buchs als die schwächste im Pentateuch.7 Aber im Allgemeinen muss man festhalten, dass der Übersetzer – auch bei einer wohl zum Teil unklaren Vorlage – in der Regel den hebräischen Text stringent wiedergab, und zwar einen hebräischen Text, der wohl selten vom proto-masoretischen Text abwich.8 Ein klares Beispiel dieser Technik findet man 2 Green, William Scott, Introduction: Messiah in Judaism: Rethinking the Question, in: Neusner, Jacob / Green, William Scott / Frerichs, Ernest S., Judaisms and Their Messiahs at the Turn of the Christian Era, Cambridge, MA 1987, 2. 3 Vgl. Lust, Johan, Messianism and Greek Jeremiah, in: Cox, Claude E. (Hg.), VII. Congress of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies, SCS 31, Atlanta, GA 1991, 88, und Lust, Johan, Messianism and the Septuagint with Special Emphasis on the Pentateuch, in: Hauspie, Katrin (Hg.), Messianism and the Septuagint. Collected Essays by J. Lust, BETL 178, Leuven 2004, 142. 4 Vgl. die Diskussion in Knibb, Michael A., The Septuagint and Messianism. Problems and Issues, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, Leuven 2006, 9–15. 5 Vgl. auch die kurze terminologische Diskussion bei Collins, John J., The Scepter and the Star. Messianism in Light of the Dead Sea Scrolls, Cambridge, U. K. 22010, 16–20. Auch Collins suggeriert, „[…] it is best to reserve the English term ‚messiah‘ for figures who have important roles in the future hope of the people“ (17). 6 Bei dem Versuch, verschiedenen messianischen Verständnissen der Antike gerecht zu werden, halte ich diese Definition möglichst offen. Die einfachsten Einführungen zu dieser Problematik sind Green, Introduction, sowie Collins, Scepter, 1–20. 7 Vgl. Wevers, John William, Notes on the Greek Text of Numbers, Atlanta, GA 1998, ix. 8 Vgl. Wevers Notiz: „[…] he [der Übersetzer] was faced with a completed text, much like a consonantal BHS text.“ Wevers, John William, The Balaam Narrative According to the
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bei den Angaben zu Bileams Herkunft in Num 22,5 (vgl. die Tabelle unten): G spiegelt jedes Einzelelement des masoretischen Textes (M) wieder, auch wenn der Text nicht besonders klar ist.9 Die Übersetzungstechnik scheint mir unweit von der der Kaige-Rezension zu sein.10 Diese Tatsache zeichnet G in diesem Fall gegenüber dem samaritanischen Pentateuch (Smr), der Peschitta (S) und sogar der Vulgata (V) aus, die alle Änderungen vornahmen, um den Text verständlicher zu machen.11 Numeri 22,5 ן־ּב ֗עֹור ְ ל־ּב ְל ָע֣ם ֶּב ִ וַ ּיִ ְׁש ַ ֙לח ַמ ְל ָא ִ֜כים ֶא י־ע ּ֖מֹו ַ ֵל־הּנָ ָ ֛הר ֶ ֥א ֶרץ ְּבנ ַ תֹורה ֲא ֶ ׁ֧שר ַע ָ ֠ ְּפ מר ֠ ִהּנֵ ה ַע֣ם יָ ָ ֤צא ִמ ִּמ ְצ ַ֙ריִ ֙ם ֹ ֗ ִל ְקרֹא־ל֑ ֹו ֵלא ת־ע֣ין ָה ָ֔א ֶרץ וְ ֥הּוא י ֵ ֹׁ֖שב ֵ ִה ֵּנ֤ה ִכ ָּס ֙ה ֶא ִמ ֻּמ ִ ֽלי׃
καὶ ἀπέστειλεν πρέσβεις πρὸς Βαλααμ υἱὸν Βεωρ Φαθουρα ὅ ἐστιν ἐπὶ τοῦ ποταμοῦ γῆς υἱῶν λαοῦ αὐτοῦ καλέσαι αὐτὸν λέγων ἰδοὺ λαὸς ἐξελήλυθεν ἐξ Αἰγύπτου καὶ ἰδοὺ κατεκάλυψεν τὴν ὄψιν τῆς γῆς καὶ οὗτος ἐγκάθηται ἐχόμενός μου
Folgende Verse in der Bileam-Perikope – vor allem in der Septuaginta – wurden öfter als messianisch verstanden: Num 23,21; 24,7 und 17. Aber es wäre ein Trugschluss anzunehmen, diese Einzelverse unabhängig von ihrem Kontext betrachten zu können, weshalb vor allem ihre Nahkontexte mit einbezogen werden müssen. Die verschiedenen Versionen werden kurz ausgelegt und verglichen, um klar zu stellen, ob man mit einer messianischen Tendenz der Septuaginta rechnen muss – wie viele Ausleger postulieren –, oder diese Annahme unzutreffend ist – wie Lust (und etwas weniger vehement) Collins feststellen.
Septuagint, in: Auwers, Jean-Marie / Wénin, André (Hg.), Lectures et Relectures de la Bible. FS Peter-Michael Bogaert, Leuven 1999, 136. 9 Die einzige Ausnahme wäre πρέσβεις für ;מלאכיםvgl. dazu Wevers, Notes, 361. 10 Vgl. auch die Tendenz des Übersetzers, Namen in Ätiologien zu übersetzen. Siehe auch Ausloos, Hans, The Septuagint’s Rendering of Hebrew Toponyms as an Indication of the Translation Technique of the Book of Numbers, in: Piquer Otero, Andrés / Torijano Morales, Pablo A. (Hg.), Textual Criticism and Dead Sea Scrolls Studies in Honour of Julio Trebolle Barrera, JSJS 158, Leiden 2012, 35–50. Diese Einschätzung unterscheidet sich von der von Ziegert, Carsten, Diaspora als Wüstenzeit. Übersetzungswissenschaftliche und theologische Aspekte des griechischen Numeribuches, BZAW 480, Berlin / München / Boston, MA 2015, 49–51. Schließlich schätzt er die Übersetzungstechnik – auch wenn nicht völlig statisch – so ein: „Die Übersetzungstechnik des griechischen Numeribuches wurde einerseits als ‚relativ frei‘ auf lexikalischer Ebene, andererseits als ‚relativ formerhaltend‘ auf syntaktischer Ebene bezeichnet. Das könnte darauf hindeuten, dass Auffälligkeiten in der Wortwahl des griechischen Textes eher auf der Arbeitsweise des Übersetzers basieren als auf einer anderen Vorlage. Syntaktische Auffälligkeiten dagegen könnten eher auf eine entsprechende hebräische Vorlage hinweisen.“ Ziegert bietet in diesem Zusammenhang keine Kriteriologie, wann diese Vermutungen zutreffen könnten oder nicht. Mein besonderer Dank geht an Prof. Dr. Martin Rösel, der mich auf diese Studie aufmerksam machte. 11 Z. B. lesen V und S „der Seher“ statt Bileams Heimat „Pethor“; V, S und Smr lesen „Ammon“ statt des merkwürdigen „sein Volk“ des Leningradensis (ML).
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2. Numeri 23,21 Numeri 23,21 א־ר ָ ֥אה ָע ָ ֖מל ָ ֹ א־ה ִ ּ֥ביט ָ֙אוֶ ֙ן ְּביַ ֲע ֔קֹב וְ ל ִ ֹ ֽל ְּביִ ְׂש ָר ֵ ֑אל רּועת ֶ ֖מ ֶלְך ּֽבֹו׃ ֥ ַ ּות ְ ֹלה ֙יו ִע ּ֔מֹו ָ הו֤ה ֱא ָ ְי
οὐκ ἔσται μόχθος ἐν Ιακωβ οὐδὲ ὀφθήσεται πόνος ἐν Ισραηλ κύριος ὁ θεὸς αὐτοῦ μετ᾽ αὐτοῦ τὰ ἔνδοξα ἀρχόντων ἐν αὐτῷ
Vier Wörter der griechischen Übersetzung weichen vom M ab. Bei den ersten beiden handelt es sich um die Verbform im ersten Halbvers: Während M sie afformativ überliefert, werden sie in G futurisch geboten. Damit findet eine leichte Sinnverschiebung statt. In beiden Fällen bleibt das Subjekt ungenannt und unpersönlich. Im M ist das Subjekt wohl noch Gott, übernommen aus V. 19: „nicht ein Mensch ist Gott“ usw. […] „Er betrachtet kein Unheil in Jakob und sieht kein Ärger in Israel“. Die Septuaginta dagegen liest nur „nicht wird es Ärger in Jakob geben; nicht wird Unheil in Israel gesehen“. Kein Subjekt ist genannt und erst recht keine messianische Gestalt. Die nächste Phrase stimmt in beiden Zeugen überein: „Jhwh, sein Gott, ist mit ihm (Jakob / Israel)“. Doch in der abschließenden Phrase dieses Verses trennen sich die zwei Textzeugen wieder. Während M von Kriegslärm ( )תרועהeines Königs ( )מלךin Jakob / Israel weiß, behauptet G, dass die Würde (ἔνδοξα) der Herrscher (ἀρχόντων) bei Jakob / Israel sei. Der Wechsel weg von einem König zu mehreren Herrschern stellt das eine Problem dar, die Bedeutung des Lärms bzw. der Ehre das andere. Wenn man die beiden Texte in diesem Fall vergleicht, findet man m. E. keinen Anlass, mit einer wie oben definierten messianischen Gestalt zu rechnen, vor allem nicht in der Septuaginta, die sich eindeutig weg von einem Bild des Herrschers als König bewegt. „The reference [to rulers in Num 23,21 G] is not necessarily eschatological, and it does not focus on an individual messiah.“12 Wenn ein Text besser in das messianische Schema passt, dann M, da er offensichtlich mit einem kommenden kriegerischen König in Israel rechnet.13 Falls G denselben Konsonantentext, den wir im M haben, übersetzte, dann hieße das, dass sich G in diesem Fall eher weg von einer messianischen Tendenz bewegte. Auf jeden Fall vermied es der Übersetzer in diesem Vers, von einem König zu schreiben.
12 Collins, John J., Messianism and Exegetical Tradition. The Evidence of the LXX Pentateuch, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, Leuven 2006, 142. 13 Vgl. Dorival, Gilles, Les Nombres, BdA 4, Paris 2001, 675: „Le grec évoque ici les victoires remportées par les Hébreux, tandis que l’hébreu parle du triomphe d’un roi (YHWH ou un roi messianique).“ Anders Wevers, Notes, 396, der ohne Evidenzen behauptet, „for [the Greek translator of] Num the only king for Israel was Yahweh / κύριος, and accordingly, he substituted ἀρχόντων (ἐν αὐτῷ).“ Es bleibt ungeklärt, woher Wevers das weiß. Vgl. Noth, Martin, 4. Mose, ATD 7, Göttingen 1966, 163, der den König in M mit Jahwe identifiziert.
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Bemerkenswert ist auch ein Blick in die anderen Textzeugen. In Smr, in den Targumin (T) und in S ist Bileam das Subjekt, das schaut. In Smr sieht er in Jakob keine Sünde. Während Smr das Kriegsgeschrei des Königs wie M attestiert, stimmen S und T in der letzten Phrase eher mit G überein. Die Vulgata scheint G und proto-M zu kennen: Sie übersetzt den ersten Satz wie G von den Wurzeln her, aber wie M in Bezug auf das Tempus (non est idolum in Iacob nec videtur si‑ mulacrum in Israhel). Dabei darf man nicht die interpretierenden Übersetzungen idolum und simulacrum übersehen. Im Gegensatz zur G folgt V aber proto-M im letzten Halbvers; der König mit seinem Kriegsgeschrei kommt auch in V vor (Dominus Deus eius cum eo est et clangor victoriae regis in illo). Gemeinsam haben G, V und T nur ein Verb des Betrachtens im ersten Halbvers. Von diesen Zeugen muss man G eher zu denen zählen, die am wenigsten messianisch sind: Es kommen weder König noch Rettung vor und die Verwendung des Futurs ist nicht ausreichend, um von einer Eschatologie oder Ähnlichem zu reden.
3. Numeri 24,7 Numeri 24,7 ל־מ ֙יִם ִמ ָ ּ֣ד ְל ָ֔יו ַ֙ ַיִ �ּֽז וְ זַ ְר ֖עֹו ְּב ַ ֣מיִ ם ַר ִ ּ֑בים וְ יָ ֤ר ֹם ֵ ֽמ ֲאגַ ֙ג ַמ ְל ּ֔כֹו וְ ִתּנַ ֵ ּׂ֖שא ַמ ְל ֻכ ֽתֹו׃
ἐξελεύσεται ἄνθρωπος ἐκ τοῦ σπέρματος αὐτοῦ καὶ κυριεύσει ἐθνῶν πολλῶν καὶ ὑψωθήσεται ἢ Γωγ βασιλεία αὐτοῦ καὶ αὐξηθήσεται ἡ βασιλεία αὐτοῦ
Im dritten Bileam-Spruch in Num 24,7 bietet G keine wirkliche Übersetzung des M. Mögliche Erklärungen dafür sind: 1) ein Text ist – oder beide Texte sind – verdorben; 2) der Übersetzer der G hat seine Vorlage interpretierend übersetzt bzw. missachtet; 3) der proto-M und G-Vorlage unterschieden sich; 4) der proto-M bzw. M entwickelte sich weiter nach der Übersetzung der G bzw. der Abschrift der G-Vorlage. Viele Kommentatoren gehen von einer Interpretation – und zwar einer messianischen – seitens des G-Übersetzers aus.14 Aber ist das gerechtfertigt? Inwiefern sind diese Texte (jeweils) messianisch zu deuten? Betrachten wir die Sache erst einmal ohne einen Rekurs zu einer vermeintlich unterschiedlichen G-Vorlage. Nach einer längeren Einleitung (V. 3 f.) zum dritten Spruch spricht Bileam über Israels / Jakobs Wohnverhältnisse (V. 5 f.), nämlich wie schön sie sind. In M und G unterscheidet sich die Bildsprache kaum. Der masoretische Text malt ein Bild von Zelten, Gärten und Bäumen, sowie weitreichende Täler. Die Septuaginta bietet ähnliche Bilder: Häuser, Zelte, Gärten (hier Paradiese) und Bäume.15 14 Vgl. e. g. Vermes, Geza, Scripture and Tradition in Judaism. Haggadic Studies, StPB4, Leiden 21973, 159. 15 Vgl. Lee, John A. L., A Lexical Study of the Septuagint Version of the Pentateuch, SCS 14, Chico, CA 1983, 53–56. Der Verweis auf Paradies hat nichts mit Eschatologie zu tun. Anderes
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Der nächste Vers, V. 7 ist der entscheidende Vers und zugleich derjenige, der die meisten Unterschiede beinhaltet. Laut M werden er (Jakob / Israel) sowie sein Samen viel Wasser haben, und sein König wird höher als Agag sein, während zugleich sein Königtum sich heben wird. Die Septuaginta bemerkt dagegen, dass ein Mensch von seinem Samen kommen und über viele Völker herrschen wird; seine Herrschaft wird über Gog erhöht werden und weiter wachsen. Die Differenzen sind nicht zu leugnen und allenfalls teilweise durch unterschiedliche Lesarten bzw. Schreibfehler zu klären. Doch dies kann zunächst beiseite gestellt werden, denn zuerst ist zu fragen, ob M oder die G-Fassung der Vorstellung von Messianismus entsprechen. Als erstes sei notiert, dass beide Versionen futurisch geschrieben sind: Beide erwarten also etwas in der Zukunft. Zwar wird beim zweiten Verb im M der Jussiv benutzt, während G mit Futur fortsetzt, doch beide berichten von Zukunftserwartungen. Das primäre Problem ist die Frage nach dem, was erwartet wird; denn hier trennen sich die Vorstellungen rasch. Den wichtigsten Unterschied, der für die meisten modernen messianischen Deutungen relevant ist, stellt das Vorkommen des Menschen (ἄνθρωπος) in der G dar. Dies kann keine passende Übersetzung des M sein. Aber kann man G deshalb Messianismus zuschreiben, allein aufgrund des Begriffs „Mensch“? Und was ist mit den zusammenhängenden Begriffen, vor allem dem Verb des Herauskommens (G: ἐξελεύσεται) gegenüber dem des Fließens (M: √ ?)נזלKönnen diese Begriffe evtl. den Zusammenhang bzw. die Deutungshorizonte etwas präzisieren? Das erste zu beachtende Wort ist das Verb. Es kann sein, dass hier der G-Übersetzer bei einem schwierigen Lexem interpretierend agierte; d. h. es ist durchaus möglich, dass er eine Vorlage hatte, die in diesem Fall M entsprach. Er hätte dann die Form יזלvon √ אזלund nicht von √נזל, wie M, abgeleitet, vorausgesetzt, dass das אelidiert wurde. Auf Hebräisch ist die Wurzel אזלbekannt, hat aber meistens die Bedeutung „auslaufen, nicht mehr vorrätig sein“.16 Dagegen ist die Wurzel auf Aramäisch – auch in der Bibel – mit der Bedeutung „hinausgehen“ belegt.17 Bis auf den Beleg in Dtn 32,36 enthält die Wurzel אזלkeine zugeschriebenen wunderbaren oder theologischen Inhalte. Doch das Bild mit der hebräischen Wurzel נזל zu behaupten, würde das NT in das AT hineininterpretieren, vgl. Lk 23,43; 2 Kor 12,4 und Offb 2,7. Eine eschatologische Bedeutung dieses Begriffes fehlt im AT bis auf evtl. Joel 2,3 und Jes 51,3, aber beide übersetzen eine andere Phrase als die in Num 24,6. Nur einmal sonst wird der Plural wie in Num 24,6 benutzt (Jer 29,5) und dort ist das Wort dezidiert nicht eschatologisch. Die Gegenprobe zeigt etwas Anderes: κῆπος als Übersetzung für ( גנהwie in Num 24,6!) bietet eher Hinweise auf eschatologische Deutungen, vgl. Jes 61,11 sowie Am 9,14. 16 Vgl. 1 Sam 9,7; Hi 14,11 und Spr 20,14 (was nicht in G überliefert wird). 17 Vgl. Esr 4,23; 5,8.15; Dan 2,17.24 und 6,19–20. Dass diese Wurzel in dieser Bedeutung auf Aramäisch und nicht auf Hebräisch bekannt ist stellt keine Probleme dar; vgl. Ziegert, Diaspora, 253: „Diese Erklärung bietet sich aufgrund der Tatsache an, dass auch andere Wiedergaben in den Septuagintaschriften auf aramäischen Wortbedeutungen beruhen, dass also von linguistischer Interferenz zwischen Hebräisch und Aramäisch im Umfeld der Übersetzer ausgegangen werden kann.“
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muss dagegen wesentlich differenzierter betrachtet werden. Schon die Belegstellen deuten auf einen anderen Sinn; häufig wird die Wurzel mit Rettungstaten oder Wundern Gottes in Verbindung gebracht, meistens in dichterischer Sprache, wie ebenfalls Num 24,7 vorweist: Ex 15,8; Dtn 32,2; Ri 5,5; Hi 36,28; Ps 78,16.44; 147,18; Jes 44,3; 45,8; 48,21; Jer 18,14. Einen „alltäglichen“ Sinn von „Fließen“ hat die Wurzel nur in etwa in Dtn 32,2, Spr 5,15; Hld 4,15–16 und Jer 9,17. Wenn G denselben Text übersetzte, den wir im M noch finden, dann vermied der Übersetzer die Vorstellung eines Einsatzes Gottes, die mit der Wurzel נזלam häufigsten belegt wird. Es ist eher M, der die Erwartung eines Heils enthält. Ähnlich sieht es mit dem Eimer aus. Das Lexem ( )דליist nur zweimal im M belegt: hier in Num 24,7 und in Jes 40,15.18 Dies könnte zumindest eine Verbindung zwischen den beiden Texten erahnen lassen. Im Jesaja-Text wird das Wort benutzt, um den Abstand Gottes gegenüber allen Nationen zu definieren. In Num 24,7 soll der Begriff ebenfalls die Größe bzw. wohl den metaphorischen Reichtum – dieses Mal des Volkes Gottes – vorweisen. Dagegen ist der Mensch (ἄνθρωπος) kein messianischer Begriff. Auch wenn der griechische Text die Vorstellung unterstützt, dass dieser Mensch als König herrschen wird, ist G zurückhaltend in der Begrifflichkeit. Aber wenn der Übersetzer alle Freiheit der Welt hätte – was ihm ja unterstellt wird, sobald er für sämtliche Unterschiede zwischen den Zeugen verantwortlich gemacht wird –, warum hat er denn einen so schwachen Begriff gewählt? Er hätte zumindest den ἄρχων aus 23,21 verwenden können. Stattdessen wählte er den recht neutralen Begriff des Menschen. Dies spricht gegen eine überwältigende messianische Tendenz des Übersetzers. Jedenfalls hätte er eine solche Tendenz deutlich stärker machen können, wenn es sein Anliegen gewesen wäre. Dass der Übersetzer der G nicht alleine diese Tradition einer menschlichen Gestalt in diesem Vers erfunden haben kann, macht T wahrscheinlich. Dort wird ebenfalls von einer menschlichen Gestalt geschrieben. Allerdings hat der Übersetzer bzw. Überträger des Textes auf Aramäisch wenig Raum für Diskussion erlaubt: Er schreibt direkt von einem König, der gesalbt wurde (נוֹהי ִ תר ַבא ִמ ְב ַ ִלכא ְדי ָ )יִ סגֵ י ַמ. Gegenüber G ist hier im T auf jeden Fall eine messianische Tendenz zu erkennen. Wie sieht es eigentlich mit der Vorstellung eines Herrschers aus? Hier spricht eindeutig M von einem künftigen König, der höher als Agag (1 Sam 15) erhaben sein wird und dessen Königreich sich verbreiten soll. Dagegen erwartet G einen Menschen, der über viele Völker herrschen soll. Seine Herrschaft soll ebenfalls wachsen, aber über Gog (Ez 38 f.) erhöht werden. Der Herrschaftsbegriff (κυριεύσει) deutet schon auf Königtum hin, und der Rückgriff auf Gog führt viele Exegeten dazu, eine vom G-Übersetzer stammende messianische Deutung 18 In späterer Zeit wird diese Wurzel auch in Verbindung mit Sternzeichen benutzt (Wassermann); vgl. Hoftijzer, Jacob / Jongeling, Karel, Dictionary of the North-West Semitic Inscriptions, HdO, Erste Abteilung: Der Nahe und Mittlere Osten pt. 1–2, 2 Bde, Leiden / New York, NY 1995, 249.
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dieses Verses zu identifizieren. Typisch ist vielleicht hier die Deutung nach Rösel: „Nicht Israels König wird Agag überlegen sein und erstarken (vgl. 1. Sam 15), sondern die Königsherrschaft jenes Menschen wird die des endzeitlichen Herrschers Gog (Ez 38) noch überragen.“19 Gog ist natürlich nach Ez 38 f. eine Gestalt mit eschatologischer Bedeutung. Dennoch sprechen zwei Tatsachen gegen eine solche Deutung seitens des Übersetzers. Erstens lenkt Num 24,7 G den Blick auf das Königtum und weg vom Herrschenden, wenn wir voraussetzen, dass der Übersetzer im Prinzip M vor sich liegen hatte. Die Herrschaft soll ruhmvoller sein als (die des) Gog; der Herrscher selbst soll nicht unbedingt größer sein als Gog. Anmerken kann man auch, dass die Vorstellung eines Herrschers mit einem Herrschaftsgebiet größer / ruhmreicher als Gogs dem Ezekiel-Text fremd ist. Gott ist derjenige, der sich mit Gog auseinandersetzt, und das Volk ist dasjenige, das als Gesamtheit davon profitiert. Zweitens kann der Name Gog in Num 24,7 nicht vom Übersetzer der G stammen, da wir eine hebräische Tradition kennen, die ebenfalls diese Lesart bietet. Die Tora der Samaritaner liest in diesem Fall wie die vermeintliche GVorlage und bietet Gog anstatt M’s Agag.20 (Auch in 4 QNumb wird aufgrund der Nähe zu Smr, aber auch aus Platzgründen diese Lesart rekonstruiert.) Diese Tatsache verbietet eine Zuschreibung dieser Deutung dem G-Übersetzer, es sei denn, man postuliert ebenfalls eine Rückübersetzung des griechischen Textes ins Hebräische.21 Dies scheint zumindest mir äußerst fragwürdig. Anhand dieser Evidenzen scheint es nicht plausibel zu sein, dass der G-Übersetzer einen stärkeren messianischen Einfluss vorweist als man ihn im M findet.
4. Numeri 24,17 Numeri 24,17 ׁשּורּנּו וְ ֣ל ֹא ָק ֑רֹוב ֖ ֶ ֶא ְר ֶ֙א ּ֙נּו וְ ֣ל ֹא ַע ָּ֔תה ֲא ּכֹוכב ִ ֽמּיַ ֲע ֗קֹב ו� ָ ְ֥קם ֵׁ֙ש ֶב ֙ט ִמּיִ ְׂש ָר ֵ֔אל ָ֜ ָּד ַ ֙רְך י־ׁשת׃ ֽ ֵ ֵל־ּבנ ְ מֹואב וְ ַק �ר ַ ְ֖קר ָּכ ָ֔ ּומ ַח ֙ץ ַּפ ֲא ֵ ֣תי ָ
δείξω αὐτῷ καὶ οὐχὶ νῦν μακαρίζω καὶ οὐκ ἐγγίζει ἀνατελεῖ ἄστρον ἐξ Ιακωβ καὶ ἀναστήσεται ἄνθρωπος ἐξ Ισραηλ καὶ θραύσει τοὺς ἀρχηγοὺς Μωαβ καὶ προνομεύσει πάντας υἱοὺς Σηθ
19 Rösel, Martin, Jakob, Bileam und der Messias. Messianische Erwartungen in Gen 49 und Num 22–24, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, Leuven 2006, 168. 20 Vgl. Ziegert, Diaspora, 256: „Diese Lesart begegnet auch in [Smr], wird also nicht auf einer Interpretation des Übersetzers, sondern auf einer entsprechenden Vorlage beruhen.“ Dabei bleibt Ziegert dennoch bei einem messianischen Verständnis dieses Verses: „Es ist als sicher anzunehmen, dass gerade diese Projektion des Textes in die Endzeit ein messianisches Verständnis gefördert hat.“ Er übersieht, dass ein Messias in Ezekiel 38 f. keine Rolle spielt. 21 Vgl. Rösel: „Für die Interpretation [vom dritten Spruch Bileams] grundlegend scheint mir hier offenbar in der Vorlage vom Smr-Typ vorgegebene Erwähnung von Gog statt Agag zu sein, der ausgehend von Ez 38–39 als endzeitlicher Gewaltherrscher gilt“ (Rösel, Jakob, 171). Dennoch hält Rösel hier am Messianismus des Übersetzers fest.
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Numeri 24,17 gehört mit Sicherheit zu den umstrittensten Versen des Buches, was die Bedeutung, Textgeschichte und Rezeption betrifft. Auch hier weist G Probleme auf, die den anderen in diesem Beitrag sehr ähnlich sind – und wie in diesen Fällen finden sich auch hier m. E. keine Indizien für eine besondere messianische Prägung der G. Viele Unterschiede zwischen dem M und der G können schon durch unterschiedliche Vokalisationen bzw. Auffassungen desselben Konsonantenbestands zustande gekommen sein. So z. B. die ersten beiden Verben: im M stellt das erste Verb das Qal von ראהdar, während G eher dem Hiphil entspräche; das zweite Verb leiteten die Masoreten von √ שורher, während G das Lexem von √ אשׁרableitete. Ausschlaggebend für diese Unterschiede sind Vokalisation und Vokale. Aber auch die Begrifflichkeit selbst kann evtl. Einflüsse zeigen. Das Verb דרך, das wir im M vorfinden, kommt oft in Verbindung mit Gott vor bzw. wird oft benutzt, um die Hilfe oder Strafe Gottes zu zeigen. Prägnante Beispiele findet man etwa in Dtn 33,29; Ps 25,5.9; 91,13; 107,7; 119,35; Jes 5,28; 11,15; 21,15; 42,16; 48,16; 63,3; Jer 25,30; 50,14.29; 51,3.33; Am 4,13 (und 9,13 in seinem Kontext); Mi 1,3; Hab 3,19; Sach 9,13; in Verbindung mit der Landnahme findet man Beispiele in Dtn 11,24 f., Jos 1,3 und 14,9. Unter diesen ganzen Belegen bemerkt man eine ganze Reihe, die sich mit einer Art militärischer Auseinandersetzung zwischen Gott und einem Volk oder mehreren Nationen befassen: Jes 21,15 (gegen Edom); 63,3 (gegen Edom); Jer 25,30 (gegen die Nationen); 48,33 (gegen Moab); 50,14.29 (gegen Babylon); 51,3.33 (gegen Babylon); Mi 1,3 (gegen die Nationen); Hab 3,15 (gegen die Nationen; vgl. den Messias in 3,13) und Sach 9,13 (gegen Griechenland). Dabei erkennt man, dass eine ähnliche Vorstellung gegen die Nationen im vierten Bileam-Spruch vorhanden ist und manche namentlich übereinstimmen: Edom, Moab, die Griechen sowie ein mesopotamisches Volk.22 Der militärische Sinn des Begriffs, der durchaus im Gericht Gottes gegen die Nationen zu finden ist, passt gut zu einer eschatologischen Tendenz des M in der Bileam-Perikope. Eine ähnliche Aussage über das griechische Wort ἀνατελεῖ kann man jedoch nicht rechtfertigen, auch nicht für das vermeintlich übersetzte זרחaus dem Hebräischen. Dennoch möchte man gern den griechischen Text als messianisch verstehen, da er vermutlich die Voraussetzung für das MatthäusEvangelium ist (vgl. Mt 2,2: τὸν ἀστέρα ἐν τῇ ἀνατολῇ). Aber dabei übersehen Ausleger ein Problem mit einem messianischen Verständnis von Num 24,17. Der Stern im vierten Bileam-Spruch soll kein Zeichen des Messias sein, wie das im Matthäus-Evangelium aufgefasst wurde, sondern müsste der Messias selbst sein. Die Metapher des Sterns als Mensch geht im Matthäus-Evangelium verloren.23 22 Allerdings ist auch festzuhalten, dass unterschiedliche Wörter für die Griechen in Num 24 ( )כתיםund Sach 9 ( )יוןzu finden sind. 23 Vgl. Gray, George Buchanan, A Critical and Exegetical Commentary on Numbers, ICC, Edinburgh 1986, 371: „In the Christian Messianic interpretation ‚the star‘ becomes a pro-
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Ist aber die G-Fassung also „messianischer“ als die M-Fassung? Lediglich das Tempus des „Ausgehens“ – דרךbzw. ἀνατελεῖ – unterscheidet diesbezüglich zwischen den beiden Versionen. Nur ist hier M nicht futurisch zu verstehen, während G durchgängig in diesem Vers vorhersagt (allerdings ist μακαρίζω Präsens). Dennoch verstanden manche Übersetzer, auch moderne, das Verb futurisch, z. B. die alte JPS-Übersetzung und die Luther-Übersetzung. Wohl aus Verlegenheit übersetzte die neue Zürcher Übersetzung mit Präsens. Und alle diese Texte wollen den M wiedergeben, obwohl dies eigentlich mit einem Vergangenheitstempus geschehen müsste. Weder M noch G ist sozusagen eschatologischer als der andere. Zudem steht in keinem der beiden Texte etwas Konkretes über ein kommendes Friedens‑ oder Gottesreich. Aber wer oder was soll kommen? Durch die Verwendung von ἄνθρωπος macht G explizit, dass eine menschliche Gestalt kommen wird. Aber M schließt diese Auffassung keineswegs aus. Das sog. Damaskus-Dokument (CD VII,18– 21), das Num 24,17 wörtlich nach der masoretischen Fassung wiedergibt, deutet ebenfalls auf einen Menschen, und zwar sowohl den Stern als auch das Zepter.24 Die anderen antiken Übersetzungen weisen ebenfalls dieses Verständnis eines kommenden Menschen auf: S erwartet einen Prinzen; T und TJ erwähnen einen König und den Messias. Da alle diese Versionen und auch die Qumran-Gemeinde wie G einen Menschen erwarteten, scheint es kaum plausibel, diese Erwartung dem G-Übersetzer zuzuschreiben. Schließlich wird sein Einfluss kaum so groß gewesen sein, dass er bis in die Qumran-Gemeinde eingedrungen ist. Stattdessen muss man offensichtlich damit rechnen, dass es eine breit belegte Erwartung in antiken jüdischen Kreisen war, dass ein Mensch sich gegen Israels Feinde wenden wird. Dabei lässt wohl G mit ihrem ἄνθρωπος am meisten Freiheit zur Interpretation, was jedoch kaum als ein Zeichen für eine besondere messianische Tendenz ausgewertet werden kann. Im Gegenteil müsste man die anderen Texte als mindestens genauso offen für messianische Deutungen einschätzen, sogar den masoretischen Text, der so auch von der Qumran-Gemeinde verstanden worden ist. phecy of ‚the star‘ seen by the Oriental Magi (Mt. 22. 9 f.); this, probably enough, does justice to the meaning of the evangelist, however alien from the intention of the author of the poem.“ 24 Vgl. Pike, Dana M., The Book of Numbers at Qumran: Texts and Context, in: Parry, Donald W. / R icks, Stephen D. (Hg.), Current Research and Technological Developments on the Dead Sea Scrolls, Leiden / New York, NY / Köln 1996, 183: „The star is equated with the ‚Interpreter of the Law‘, דורשׁ תורה, who is best understood as the great priestly figure of the future, referred to elsewhere as ‚Messiah,‘ משׁיח, and ‚Chief Priest,‘ כוהן הראשׁ. The equation of the scepter with the ‚prince of the congregation,‘ נשׂיא (כל) העדה, correlates with other passages that refer to this ‚prince‘ as the great messianic military leader. This passage in Numbers 24:17 was thus seen by those in the community at Qumran as referring to the two eschatological messiahs, the priestly (‚star‘) and the davidic (‚scepter‘). While it is true that a messianic interpretation of this passage is not unique to Qumran, the way it is woven with commentary into the Damascus Document indicates that the Qumran community had made it their own.“
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Der weitere Kontext des vierten Bileam-Spruches ändert nichts an dieser Deutung. Die G-Fassung kann nicht als „messianischer“ verstanden werden als M, auch wenn sie z. T. gravierend unterschiedliche Lesarten bietet. Auch die Einleitung des vierten Spruches in Num 24,14b in G (ἐπ’ ἐσχάτου τῶν ἡμερῶν) kann nicht als besondere Evidenz eines eschatologischen Verständnisses dienen: diese Phrase kann auch auf Hebräisch ( )באחרית הימיםeine endzeitliche Deutung haben.25 Und diese hebräische Phrase wird stets in der Bibel wie in Num 24,14b oder nur unbedeutend verändert ins Griechische übersetzt.26 Auch hier kann man nicht mit einer besonders ausgeprägten eschatologischen bzw. messianischen Auffassung des G-Übersetzers des Numeri-Buches rechnen. Er befand sich offensichtlich in einer breiten Tradition der Rezeption bzw. des Textverständnisses im antiken Judentum. Die anderen Übersetzungen und die Gemeinde von Qumran weisen ähnliche Tendenzen vor.
5. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Vorstellung eines besonders messianisch deutenden G-Übersetzers des Numeri-Buches ist aufgrund der Evidenzen in Frage zu stellen. In der Regel blieb der Übersetzer seiner Vorlage treu. Dieses Phänomen weisen vor allem schwierige hebräische Texte auf, die ähnlich schwer auf Griechisch wiedergegeben wurden. Ein prägnantes Beispiel findet man hierzu in Num 22,5. Es wäre merkwürdig, wenn ein solch genau arbeitender Übersetzer plötzlich – und noch dazu in so wenigen Fällen – seinen Stil konterkarieren würde. Aber auch in Fällen, in denen man abweichende Sinnverschiebungen weg vom M findet, aber keine abweichende Vorlage postulieren möchte, sieht man, dass die Sinnverschiebungen der G oft mit ähnlichen Vorstellungen in anderen Textversionen übereinstimmen. Darüber hinaus fehlen in Num 22–24 G konkrete Hinweise für eine messianische oder gar eschatologische Auslegung des Übersetzers. Manche Varianten, die gerne dem Übersetzer zugeschrieben werden, lassen sich auch auf Hebräisch belegen, was diese Zuschreibung an den Übersetzer deutlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Das beste Beispiel hierzu stellt die Erwähnung von Gog in Num 24,7 G dar; denselben Namen findet man auch in Smr, also ist diese Erwähnung des Charakter Gogs nicht mal eine Idiosynkrasie der G. Gegenüber dem M hat G lediglich eine Verstärkung des Menschlichen bei der erwarteten Gestalt. Dies stellt vor allem der Gebrauch des Wortes ἄνθρωπος in Num 24,7 und 17 dar. Aber wie die anderen antiken Übersetzungen belegen, war G nicht alleine in der Erwartung eines Menschen, auch wenn die anderen Über25 Vgl. 26 Vgl.
Jes 2,2; Jer 23,20; 30,24; Ez 38,16; Dan 10,14; Hos 3,5 und Mic 4,1. noch zu den vorherigen Belegen Gen 49,1; Dtn 4,30; 31,29 und Jer 49,39 (=25,19 G).
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setzungen ihre Erwartungen wesentlich präziser benannten: die aramäischen Übersetzungen rechneten mit einem gesalbten König, der auch als Messias bezeichnet wird, während S einen Prinzen erwartete, möglicherweise unter dem Einfluss von Ez 45 f. Nicht nur die Übersetzer rechneten mit einer menschlichen Gestalt: auch die Gemeinde von Qumran sah im Stern und im Zepter Menschen, nämlich den Gesetzesdeuter, anderswo auch Hoher Priester und Messias genannt, und den Prinzen der ganzen Gemeinde ( ;)נשׂיא כל העדהvgl. CD VII,12– 20. Dies heißt wiederum, dass die G-Fassung von Numeri keine besondere messianische Tendenz aufweist. Sie ist nicht „messianischer“ als alle anderen relevanten bekannten Versionen des Textes vor der Übersetzung der Vulgata. Auch ein Rekurs auf andere sog. messianische Texte bietet Exegeten, die die Numeri G als messianisch lesen möchten, keine Hilfe. Der unter ihnen beliebteste Text ist Gen 49,10, der ebenfalls vom Zepter – dieses Mal aus Judah – spricht. Hier bietet Gen 49,10 G ἄρχων für hebräisches שׁבט. Wenn aber der GÜbersetzer des Numeri-Buches diesen Text kannte und auch den Menschen als kommende Herrschergestalt betonen wollte, stellt sich die Frage, wieso er dann einen anderen Begriff in Numeri nutzte, um dieselbe hebräische Wurzel zu übersetzen.27 Auf jeden Fall ist der M in seiner Begrifflichkeit gegenüber G (und S, T und sogar V in diesen Versen) konsequent. Schon diese Tatsache spricht gegen einen postulierten Einfluss der Übersetzung von Gen 49,10 auf Num 24,7.17. Die jeweiligen Übersetzungen bieten jeweils eine andere Lesart, was gegen Beziehung der Übersetzungen der beiden Bücher spricht. Diese Position ist dementsprechend gegen eine Position, wie sie z. B. Horbury vertritt. Er schreibt: „The passages from Gen 49 and Num 24 can properly be called messianic because of their concentration on individual rulers to come in the distant future, […] despite the absence of the terms χριστός or μεσσίας, here in contrast with the usage of Hebrew משיחin phrases designating a future anointed ruler which is attested in Hasmonaean times through the Qumran discoveries. Similarly, they can be called messianic despite the priority given to terms other than βασιλεύς for the earthly ruler, here in contrast both with later Jewish translation of the Pentateuch into Greek and with much contemporary non-Jewish Greek usage. The content of the relevant oracles in the LXX Pentateuch shows, none the less, […] that the national and imperial dominion of a future Jewish ruler is in view.“28
Aber gerade in Num 24,17–19 oder 24,17–24 im M findet man genau dieses Phänomen. Es ist keine Besonderheit der griechischen Tradition. Das heißt, dass G in diesem Fall nicht „messianischer“ als M ist. Stattdessen ist Lust zu bestätigen: 27 Gegen Rösel: „In 24,17 ist jedenfalls das gleiche Phänomen wie in Gen 49,10 zu beobachten, daß das Symbol der Herrschaft ()שׁ ֶבט ֵ durch die Erwähnung des Herrschers selbst übersetzt wurde, hier ‚Mensch‘, dort ‚Führer‘.“ Rösel, Jakob, 172. 28 Horbury, William, Monarchy and Messianism in the Greek Pentateuch, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, Leuven 2006, 102 f.
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„[…] one cannot say that the LXX as a whole displays a messianic exegesis. Most often the translation is literal, without any messianic bias. In other cases it shows a shift in accentuation, thereby weakening the royal messianic character of the text.“29
Numeri 22–24 bestätigen diese Erkenntnisse und können weder als Nachweis einer messianischen Tendenz der G im Allgemeinen noch der Übersetzung von Numeri im Besonderen dienen. Numeri 22–24, ob in der griechischen oder masoretischen Fassung, rechnen nicht mit einem Eschaton, einer besonderen endzeitlichen Heilsgestalt und auch nicht mit dem Eintritt der Gottesherrschaft. Insofern sind weder diese Texte messianisch zu deuten, noch kann spezifisch die Septuaginta zu Numeri als besonders messianisch verstanden werden. Dies wiederum unterstützt die spätere Datierung des Phänomens Messianismus von Collins: „There is no firm evidence of messianic expectation in the Hellenistic period before the mid-second century bce, arguably even before the first century.“30
Zudem sollte man nicht mit einer messianischen Strömung außerhalb von Palästina, konzentriert auf einen jüdischen König, zur Zeit der Übersetzung der G rechnen: „In fact, the hope of Jews in the Diaspora was typically focused on a benevolent Gentile ruler rather than on a Jewish messiah, as can be seen in the Diaspora stories of Esther, Daniel 1–6 and 3 Maccabees. Nowhere else in the Jewish literature written in Greek in the Ptolemaic era (apart from the Greek translation of the Bible) is there even a possible reference to a messiah. Even in the early Roman era, Philo is exceptional in ascribing importance to an eschatological ‚man‘, and […] that reference is unique in the corpus of Philo’s writings. Only after the failure of the first Jewish revolt against Rome and the deterioration of relations between Jew and Gentile in Egypt, do we find a messianic movement in the Diaspora, and the expression of messianic expectations in the fifth book of the Sibylline Oracles, which dates to the early second century of the common era. Insofar as the translators of the Pentateuch in the third century bce reflected the beliefs and aspirations of their time, we should not expect to find much by way of messianic expectation in their work.“31
Vielleicht wird das etwas klarer, wenn man versucht zu klären, auf wen sich solche Prophezeiungen beziehen. Im M wäre ein irdischer Herrscher zu erwarten, wobei vermutlich David (oder evtl. Saul) am Nächsten läge. Das ist oft gesehen worden, z. B. wieder von Horbury: „David’s ‚kingdom was exalted on high‘ (1 Chron 14,2, probably echoing Balaam’s oracle in Num 24,7). […] The importance of this line of descent from Judah had likewise appeared in the editing of the Hebrew Pentateuch itself, as noted above, in Gen 38 as well as Gen 49.“32 29 Lust, Johan, Messianism and the Septuagint, in: Hauspie, Katrin (Hg.), Messianism and the Septuagint: Collected Essays by J. Lust, BETL 178, Leuven 2004, 12. 30 Collins, Messianism and Exegetical Tradition, 133. 31 Collins, Messianism and Exegetical Tradition, 148 f. 32 Horbury, Monarchy and Messianism, 108.
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Doch stellt sich die Frage, ob man die G braucht, um diese Interpretation fortzusetzen, wenn sie schon im hebräischen Text offensichtlich zu finden war. Wenn man eine nicht menschliche Gestalt identifizieren möchte, wäre der Stamm Juda am plausibelsten. Die G scheint ebenfalls mit David oder Saul als Erfüllung zu rechnen. Gog stellt vermutlich einen bloßen Schreibfehler dar, den wir ebenfalls in Smr finden. Wie oben erwähnt, kann dieser hebräische Schreibfehler nicht als Evidenz einer Tendenz des griechischen Übersetzers benutzt werden, vor allem da diese eschatologische Lesart mit Gog in Widerspruch zu Ez 38 f. steht, sei es in G oder M. Im Gegensatz zu G und M scheinen Übersetzungen wie T und S eher einen endzeitlichen messianischen Herrscher zu erwarten. Allem Anschein nach ist es wenig plausibel, mit einer messianischen Hermeneutik des Übersetzers des Numeri-Buches auf Griechisch zu rechnen. Solche Vorstellungen wären zudem – wie Collins gezeigt hat – chronologisch und geographisch ausgeschlossen.
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Bileam messianisch gelesen?
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Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe der griechischen Josuaüberlieferung Marcus Sigismund 1. Zur Bedeutung der Catenentexte für die Textgeschichte allgemein Während die textkritische und textgeschichtliche Forschung am hebräischen Bibeltext mit dem sog. protomasoretischen Text einen klaren Fixpunkt besitzt, von dessen sicherem Standpunkt aus sich alle weiteren Zeugnisse – wie etwa die Textfunde aus Qumran oder aus der Cairoer Geniza – gut analysieren und einordnen lassen, sieht sich die Erforschung der korrespondierenden griechischen Überlieferung seit jeher mit dem Problem zahlreicher konkurrierender Textformen konfrontiert. Die genaue Analyse dieser Textformen ist freilich aus mindestens zwei Gründen unumgänglich: Zum einen kann die Rekonstruktion des ältesten erreichbaren Septuaginta-Textes (der sog. Old Greek) i. d. R. nur durch das Ausscheiden der rezensionalen Elemente eben jener unterschiedlichen Textformen erfolgen. Daher muss die Analyse der Textformen methodisch zwingend vor jeglicher weiteren inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Text der Septuaginta erfolgen. Zum anderen ist eine genaue Betrachtung der griechischen Textformen unerlässlich, insofern sie sich zum ganz überwiegenden Teil in die textgeschichtliche Phase vor der Entstehung des masoretischen (z. T. sogar vor Abschluss des protomasoretischen) Textes datieren lassen. Textkritische und textgeschichtliche Beobachtungen an den Textformen der Septuaginta sind daher immer auch Beobachtungen an der übergreifenden Textgeschichte der betreffenden Texte. Die Forschung insb. der letzten fünfzig Jahre hat diesem Faktum durch zahlreiche Arbeiten etwa zur sogenannten καιγε-Rezension oder dem Problemkomplex des lukianischen resp. antiochenischen und protoantiochenischen Textes Rechnung getragen.1 Eine Textform jedoch fand bislang erstaunlich geringe Be1 Stellvertretend für die gesamte Forschung sei verwiesen auf den Sammelband: Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Der Antiochenische Text der Septuaginta in seiner Bezeugung und seiner Bedeutung, DSI 4, Göttingen 2013; sowie auf einschlägige Arbeiten von Siegfried Kreuzer, insb. auf: Kreuzer, Siegfried, Old Greek und Semi-Kaige. Zur Frage hebraisierender Bearbeitung in den Nicht-Kaige-Abschnitten der Samuel‑ und Königebücher, in: De Troyer, Kristin / L aw, T. Michael / L iljeström, Marketta (Hg.), In the Footsteps
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Marcus Sigismund
achtung: der Text der sogenannten Catenengruppe.2 Diese Tatsache überrascht, sind sich doch die Altvorderen der Septuaginta-Forschung über die Bedeutung dieser Textform einig. So urteilt etwa Henry Barclay Swete: „Perhaps no corner of the field of Biblical and patristic research offers so much virgin soil, with so good a prospect of securing useful if not brilliant result.“3
2. Zur Bedeutung der Catenentexte für die Textgeschichte des Josuabuches Auch in der Erforschung des Josuabuches fand der sogenannte Catenentext bislang wenig Beachtung. Der Grund liegt sehr wahrscheinlich in der Tatsache begründet, dass es sich textgeschichtlich betrachtet um einen Mischtext handelt,4 der sich objektiv jeglicher klarer Zuordnung entzieht, und subjektiv für die meisten Textforscher aufgrund seines gemischten Charakters a priori wertlos erscheint. Jedoch lässt diese Präjudiz außer Acht, dass Mischtexte zuweilen auch sehr alte Lesarten erhalten können, und daher das Zeugnis anderer Textformen zu unterstützen vermögen. Dies gilt gerade auch im Falle des Catenentextes im Josuabuch, denn es fällt auf, dass diese Textgruppe verhältnismäßig oft mit den von Max L. Margolis als „ägyptische Textgruppe“ zusammengefassten Zeugen5 of Sherlock Holmes. Studies in the Biblical Text in Honor of Anneli Aejmelaeus, CBET 72, Leuven 2014, 391–416; Kreuzer, Siegfried, ‚Lukian redivivus‘ or Barthélemy and beyond?, in: Peters, Melvin K. H. (Hg.), Congress Volume Helsinki 2010, SCS 59, Atlanta, GA 2013, 243–261; Kreuzer, Siegfried, Textgeschichte und Textkritik des Alten Testaments. Zum Stand der Forschung an der Wende des Jahrhunderts, ThLZ 127 (2002), 127–156, jetzt in: Kreuzer, Siegfried (Hg.), Geschichte, Sprache und Text. Studien zum Alten Testament und seiner Umwelt, BZAW 479, Berlin 2015, 298–336. Als nach wie vor lesenswert darf zudem markiert werden: Barthélemy, Dominique, Les Devanciers d’Aquila: Première Publication Integrale du Texte des Fragments du Dodécaprophéton Trouvés dans le Désert de Juda, précédée d’une Étude sur les Traductions et Recensions Grecques de la Bible Réalisées au Premier Siècle de Notre Ère Sous l’Influence du Rabbinat Palestinien, VTSup 10, Leiden 1963. 2 Methodisches und Einleitendes zu den Catenen findet sich bei Fernández Marcos, Natalio, The Septuagint in Context. Introduction to the Greek Version of the Bible, Leiden 2000 (Paperback Atlanta, GA 2009). 3 Swete, Henry Barclay, An Introduction to the Old Testament in Greek, Cambridge 1914. 4 Vgl. so schon Margolis, Max L., Specimen of a New Edition of the Greek Joshua, in: Jewish Institute of Religion, Jewish Studies in Memoriam of Israel Abrahams, New York 1927, 307–323, hier 315. 5 Das sind nach den Siglen von Brooke-McLean die Mss. Bhqr (d.s. nach den Rahlfs-Siglen [= Ra]: B 55 120 129), die äthiopische und die koptische Version. Zu den Siglen vgl. Brooke, Alan E. / McLean, Norman (Hg.), The Old Testament in Greek. According to the Text of Codex Vaticanus, supplemented from other uncial Manuscripts; with a critical Apparatus containing the Variants of the chief ancient Authorities for the Text of the Septuagint. Vol. I: The Octateuch. Part IV Josua, Cambridge 1917 [Wiederabdruck 2009]; Rahlfs, Alfred / Fraenkel, Detlef, Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments. Bd. 1: Die Überlieferung bis zum VIII. Jahrhundert, Göttingen 2004.
Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
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zusammengeht.6 Genau diese Gruppe aber bildet – angeführt vom Codex Vaticanus – in den bis dato maßgeblichen Editionen die Grundlage der Rekonstruktion der Old Greek des Buches Josua.
3. Catene vs. Catenentext Catenen-Manuskripte gehören in der Praxis der Handschriftenbearbeitung sicherlich zu den interessantesten, aber auch kompliziertesten Textzeugen. Ganz grundsätzlich handelt es sich bei einer Bibel-Catene um eine Form der Kommentierung. Auf einen Bibeltext (der eigentlichen catena) folgt eine Sammlung von Fragmenten, welche verschiedenen anderen (i. d. R. antiken) Texten entnommen sind, wie z. B. Kommentaren, Homilien und Scholien. Diese literarische Form kennen wir auch von der antiken Kommentierung klassischer Autoren, und sie wird im Christentum anscheinend ab dem 6. Jh. populär.7 Im Rahmen der Septuaginta-Forschung ist der Terminus „Catenentext“ allerdings nicht trennscharf besetzt. Bezeichnet werden können hiermit: – der Gesamttext, wie er in den Catenen-Hss. vorliegt, d. h. die Erklärung biblischer Verse durch eine Zusammenstellung von Zitaten oder Marginalnotizen aus Kirchenvätern und jüngeren jüdischen Übersetzungen (Aquila, Symmachus, Theodotion). – der rein biblische Text, wie er in jenen Handschriften vorliegt, welche die Göttinger kritische Edition als Catenenhandschriften (Gruppe C) notieren. Erschwert wird diese Unschärfe dadurch, dass der Begriff „Catenentext“ impliziert, es handle sich bei dem zugrundeliegenden Manuskript um eine CatenenHandschrift. Dies ist aber keineswegs zwingend.8 Es kam offenkundig zuweilen vor, dass der Bibeltext einer Catene ohne den umgebenden Kommentartext abgeschrieben wurde und eine neue handschriftliche Überlieferungslinie begründete. Ebenso konnte der Bibeltext einer vollumfänglichen Catenen-Tradition gegen den Text einer anderen Textfamilie komplett oder – was weitaus häufiger zu beobachten ist – punktuell ausgetauscht werden. Als weitere Option kann die kommentierende Tradition sekundär zum ursprünglichen Bibeltext hinzuge6 Vgl. Smith, Gary Verlan, An Introduction to the Greek Manuscripts of Joshua: Their Classification, Characteristics and Relationships, PhD-Thesis, Philadelphia 1973, 184 f. 7 Zur Geschichte der Gattung vgl. mit Verweis auf die weitere Forschung Fernández Marcos, Natalio, Septuagint in Context, 288–290. Als Randnotiz darf notiert werden, dass bereits das früheste Zeugnis einer Bibel-Catene, die in zwei Formen vorliegende Kompilation des Prokop von Gaza († um 530) zum Oktateuch, naturgemäß auch Text und Auslegungen zum Josuabuch enthalten. Text: PG 87, 1–1220. Immer noch lesenswert ist hierzu: Lindl, Ernest, Die Octateuchcatene des Procop von Gaza, München 1902. 8 Vgl. so auch schon Fernández Marcos, Septuagint in Context, 293.
130
Marcus Sigismund
treten sein. Obgleich im Layout der jeweiligen Handschrift eine Catene, handelt es sich dann ggf. nicht mehr um einen Catenentext.9 Der folgende Beitrag bezieht sich ausschließlich auf den eigentlichen biblischen Text. Die Existenz einer Catenentextgruppe im Buch Josua überrascht nicht, insofern die kritische Ausgabe der Göttinger Septuaginta Catenentextgruppen für alle Bücher des Pentateuchs und für das Buch Ruth postuliert (darüber hinaus auch für die Propheten). Jedoch ist dieser textgeschichtliche Sachverhalt keinesfalls selbstverständlich, denn im zweiten Buch der Chronik lässt sich eine C-Gruppe nicht nachweisen, ebenso fehlt sie in 1–2 Esdras.10
4. Überlieferungsumfang und textgeschichtliche Einordnung des Catenentextes des Buches JosuaLXX Solange keine aktuelle kritische Edition des Josuabuches vorliegt, müssen alle Versuche einer genaueren Beschreibung des Catenentextes vorläufig bleiben. Dies ist Folge schon alleine des zu vermutenden Umfanges der Catenenüberlieferung des Buches JosuaLXX. Eine im Kontext des Wuppertaler Josua-Projektes11 9 Das klingt zunächst alles vielleicht etwas abstrakt, erklärt sich aber unter Umständen aus der Tatsache, dass es verschiedene Layouttypen von Catenen gibt: Textcatene: Bibeltext und kommentierende Texte wechseln einander ab. Oftmals ist der Bibeltext durch einen anderen Font abgehoben. Es gibt aber auch Textcatenen, die Text und Kommentartexte eng miteinander verflechten. Rahmencatene bzw. Randcatene: Der biblische Text steht im Zentrum der Manuskriptseite, die kommentierenden Texte umfließen den Bibeltext. Marginalcatene: Das Manuskript enthielt ursprünglich nur den reinen Bibeltext. Im Marginalbereich (z. B. am freien Rand) werden kürzere Kommentierungen ergänzt. Dies geschieht oft sekundär, kann aber auch von erster Hand erfolgen. Vgl. hierzu Karo, Georg / L ietzmann, Hans, Catenarum graecorum catalogus, NGWG. PH (1902), 331; Deconinck, Joseph, Essai sur la chaîne de l’Octateuque: avec une édition des commentaires de Diodore de Tarse qui s’y trouvent contenus, BEHE 195, Paris 1912, 25 f.; Fernández Marcos, Septuagint in Context, 290–293. Leider lässt sich aus dem ansonsten ja so überaus verdienstvollen Verzeichnis der griechischen Handschriften von Rahlfs / Fraenkel nicht erkennen, um welche Form von Catene es sich im Einzelfall handelt. Ein neuer Catenarum graecorum catalogus darf daher hier als Desiderat gekennzeichnet werden. 10 Die Aussage Fernández Marcos’, „the group C of catenary manuscripts occurs […] in all books that have a Hebrew Vorlage“ (Fernández Marcos, Natalio, Septuagint in Context, 293), ist daher so nicht mehr haltbar. 11 Das Teilprojekt „Erforschung des ältesten Textes und der rezensionalen Aktivitäten des Buches Josua (LXX)“ (Durchführung: Marcus Sigismund) im Rahmen des DFG-Projektes „Rekonstruktion der ältesten Textform der Septuaginta (Old Greek) und ihres sprachlichen und theologischen Profils an Hand ausgewählter Texte unter besonderer Berücksichtigung neuerer textgeschichtlicher und methodischer Aspekte“ (Leitung: Prof. Siegfried Kreuzer) wurde bis Ende 2015 am Institut für Septuaginta und Biblische Textforschung (ISBTF) an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel durchgeführt.
Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
131
erstellte provisorische Liste aller griechischen Josua-Handschriften12 umfasst (bei insgesamt 111 erhaltenen und drei als verloren bekannten Hss.)13 nicht weniger als 28 Manuskripte,14 deren Josuatext im Verzeichnis der griechischen Handschriften von Rahlfs / Fraenkel als Catene charakterisiert wird und daher mutmaßlich im Verdacht stehen muss, einen Catenentext im Sinne des Göttinger C-Textes zu tradieren. Auf 32 Hss. summiert sich die Liste der Zeugen, die den Untersuchungen von Margolis15 zufolge einen Catenentext (bei Margolis Siglum N bzw. n) bieten.16 Bildet man aus beiden Listen die Vereinigungsmenge (A ∪ B), so ergibt sich eine Gruppe von insgesamt 40 Zeugen,17 welche mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit einen Catenen-Text überliefern. Das sind im Vergleich mit der erhaltenen Gesamtüberlieferung 36 %. Selbst bei Berücksichtigung lediglich jener Hss., die Margolis aufgrund seiner Kollationen dieser Gruppe zuwies, erhält man eine Quote von 27,9 % des Catenentextes – mithin rund ein Drittel – an der Gesamtüberlieferung.18 Obwohl diese beeindruckende Quote noch nichts über den textkritischen Wert dieser Textform aussagt, so dokumentieren diese Zahlen textgeschichtlich jedoch – selbst angesichts der Zufälligkeit der handschriftlichen Überlieferung – die breite Rezeptionswirkung des Catenentextes. Wenngleich die textkritische Bedeutung daher im Weiteren noch zu hinterfragen ist, so darf die textgeschichtliche Bedeutung (im Sinne einer Textgeschichte) bereits als ausgesprochen hoch eingestuft werden. Dabei ist die chronologische Verteilung der sicheren Zeugen des CatenenTextes im Vergleich zu den handschriftlichen Vertretern anderer Textformen unauffällig und stellt sich in der Annäherung19 folgendermaßen dar:
12 Abrufbar unter: http://projekte.isbtf.de/BenNun/app/lists/Mss/mss.html (letzter Abruf 24. 03. 2017). 13 Die Datenbank notiert mathematisch bedingt 112 + 2 Zeugen, jedoch ist die Hs. Ra 350 nunmehr im Göttinger Verzeichnis als ungültig notiert, da sie der Texttradition der Quaestiones des Theodoret zuzuweisen ist. 14 Die Datenbank notiert 30 Zeugen, s. o. 15 Zu verweisen ist hier insb. auf Margolis, Specimen, 314 f. 16 Davon wird die Hs. Ra 716 (Smyrna, Ευαγγελική Σχολή, A-1) allerdings als zerstört bzw. vermisst notiert. 17 Die Datenbank notiert mathematisch bedingt 41 Zeugen, jedoch ist die Hs. Ra 350 nunmehr im Göttinger Verzeichnis als ungültig notiert, da sie der Texttradition der Quaestiones des Theodoret zuzuweisen ist. Die Hs. Ra 716 ist, da zerstört, von diesem Wert bereits ausgenommen. 18 Rechnet man die als verloren gekennzeichneten Hss. ein, so ergibt sich eine Quote von 28,3 %. 19 Es handelt sich bei dieser graphischen Übersicht insofern um eine Annäherung, als es unter den handschriftlichen Zeugen des Buches Josua mehrere Rezensionswechsler gibt, die in dieser Übersicht mehrfach gezählt werden; ebenso gibt es einige Hss., deren Datierung unklar ist, und daher mehrfach, d. h. zu den jeweils möglichen Jahrhunderten gelistet werden.
132
Marcus Sigismund
25 20
Ägypt. Antioch.
15
Konstan. Origenes
10
Mischgr. Catenentext
5
Summe
0 3.
. . . . . . . . . . . . . . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh . Jh 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Im Großen und Ganzen folgt die Verteilung der Catenentext-Gruppe in Josua der allgemeinen Entwicklung. Auffällig – aber vor dem Hintergrund der allgemeinen Geschichte der Gattung „Catene“ teilweise erklärbar – ist das Fehlen von eindeutigen Catenentext-Zeugen vor dem 10. Jh.20 Ein Catenen-Text kann sich erst mit Entstehung der Gattung der Catene, mithin also im Ausgang des 6. Jh.s etablieren. Trotzdem bleibt eine statistische Lücke vom 7.–9. Jh. Ganz offenkundig fand die Rezeption von Josua-Kommentierungen über lange Zeit hinweg direkt aus dem Traditionsstrom der Kirchenväter statt, wobei die Quaestiones des Theodoret von Cyrus († um 466) sicherlich einen Schwerpunkt ausgemacht haben dürften. (Es ist jedenfalls auffällig, dass der Josua-Teil dieser Quaestiones mit 19 Mss. ausgesprochen gut bezeugt ist.21) Der kritisch rekonstruierte Text der Quaestiones des Theodoret weist in den biblischen Zitaten freilich eine prononciert syrisch-antiochenische Textform auf.22 20 Auch bei den weiteren potentiellen Catenentext-Zeugen ist die geringe Quantität signifikant. Hier findet sich ein Zeuge für das 9. Jh. (Ra 488, d.i. Procopii comm. in Oct. [München, Staatsbibliothek, 372 (W. 37, H. 1; Plut. II 33)]) und lediglich zwei weitere Zeugen für das 10. Jh. (Ra 131 [Wien, Nationalbibliothek, Theol. gr. 57 (Lamb. 3)] und Ra 739 [Venedig, Biblioteca Nazionale Marciana, 534]). 21 Vgl. hierzu die Edition, insb. die Angabe der laufenden Textzeugen im Apparat, von Petruccione, John F. / Hill, Robert C. (Hg.), Theodoret of Cyrus: The Questions on the Octateuch, Bd. 2, Washington DC 2011. Unter diesen Zeugen ist Nr. 3 (Florenz, Bibl. Med. Laurenziana, S. Marco 725) dem 9. Jh., Nr. 15 (Paris, Bibl. Nationale, Coislianus 113) dem 9.–10. Jh. zuzuweisen. 22 Vgl. hierzu ausführlich Sigismund, Marcus, Der antiochenische Text im Buch JosuaLXX und seine Bedeutung für die älteste Septuaginta – eine erste Reevaluation, in: Meiser, Martin / van der Meer, Michaël N. / Kraus, Wolfgang (Hg.), XV Congress of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies, Munich 2013, SCS 64, Atlanta, GA 2016, 13–36.
Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
133
Im Traditionsstrom der Catenentexte folgt dann ein auffälliger Boom an entsprechenden Zeugnissen im 10. und vor allem 11. Jh. Danach ebbt die Verbreitung langsam, aber kontinuierlich ab. In diesem Kontext ist auffällig, dass der Catenentext kein Pendant zu den statistischen Ausschlägen der syrischantiochenischen Textform (14. Jh.) und der sog. konstantinopolitanischen Textform (15. Jh.) bietet.
5. Die handschriftlichen Zeugen der Catenentext-Gruppe Wenngleich die genaue Zahl der Zeugen und eine abschließend bestätigte Liste der Manuskripte dieser Gruppe bis zur Vorlage einer nach modernen Grundsätzen erstellten kritischen Edition desiderat bleiben müssen, lässt sich auf Basis älterer Forschungen durch Abgleich entsprechender Gruppenzuweisungen immerhin eine Anzahl von sicheren Zeugen dieser Textform bestimmen und zu einer „Whitelist“ zusammenstellen. 5.1 Die Catenentext-Kerngruppe Die folgenden tabellarischen Gegenüberstellungen basieren auf den Untersuchungen von Max L. Margolis23, Gary Verlan Smith24 und Otto Pretzl25. Bereits bei den Hauptzeugen fällt die große Übereinstimmung der mit je eigenen Vorgehensweisen ermittelten Zuweisungen der jeweiligen Zeugen zur Catenentextgruppe auf (das erste Siglum einer Hs. ist jeweils die Rahlfs-Nr., dem folgt hier in Klammern das in der betreffenden Untersuchung verwendete Siglum).
23 Vgl. Margolis, Specimen, 314 f. Es handelt sich um eine Begleitarbeit zur Josua-Edition: Margolis, Max L., The Book of Joshua in Greek, Paris 1931–1938 [Wiederabdruck 1974]; Margolis, Max L., The Book of Joshua in Greek: Part V: Joshua 19,39–24,33, in: Tov, Emanuel (Hg.), Publications of the Alexander Kohut Memorial Foundation in trust at the American Academy for Jewish Research, Philadelphia 1992. 24 Vgl. Smith, Greek Manuscripts, dort (44 f.) notiert: efjsvz 16 30 77 131 209 236 237 sowie 144. Die Gruppe ist bei Smith Untergruppe der Familie 4, und trägt die Bezeichnung family 4a. Beim Siglum 144 handelt es sich um einen offenkundigen Fehler, denn diese Nummer bezeichnet die ebenfalls gelistete Hs. s/130. Dieser Fehler wird innerhalb der vorliegenden Arbeit in den Verweisen auf Smith stillschweigend angepasst bzw. korrigiert. 25 Vgl. Smith, Gary Verlan, An Introduction to the Greek Manuscripts of Joshua: Their Classification, Characteristics and Relationships, PhD-Thesis, Philadelphia 1973, 377–427, insb. 421–424.
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Marcus Sigismund
Margolis 52 (n1) 53 (n4) 57 (n2) 85 (n2) 130 (n5) 343 (n1) 344 (n3) 730 (n6)
Smith 16 30 52 (e) 53 (f) 57 (j) 73 (237) 77 85 (z) 130 (s) 209 236 344 (v)
Pretzl 52 (e) 53 (f) 53 (j) 85 (z) 130 (s)
344 (v)
Zu beachten ist hierbei, dass die Handschriften Ra 343 und 730 in den Untersuchungen von Pretzl und Smith nicht berücksichtigt wurden, und insofern aus diesen Analysen kein Widerspruch zur Untersuchung von Margolis entsteht. Überdies benennt Margolis weitere Zeugen, die er der Catenentext-Gruppe zuweist, die er jedoch nicht als Zeugen in seiner Edition berücksichtigt; und dazu zählen unter anderem die Hss. Ra 16 30 und 73.26 Denn die von Margolis der Catenentextgruppe zugewiesenen Handschriften lauten in der Gesamtsicht: Ra 16 30 46 73 (=HoP 237) 131 236 313 (eine Nicephoros-Catene) 320 328 346 414 417 (eine Nicephoros-Catene) 422 489 528 529 530 550 551 552 616 716 739 761. Gleicht man diese Daten mit der Gruppierung bei Smith ab (Pretzl beschränkt sich a priori auf die Hs.-Auswahl der Edition von Brooke / McLean), so besteht Uneinigkeit lediglich bei den Mss. Ra 77 und 209 (dem Catenentext zugeordnet bei Smith) sowie Ra 46 und 131 (so bei Margolis). Allerdings hat Margolis Ra 77 und die nicht zu verifizierende Hs. Ra 209 bei HoP generell in seiner Arbeit nicht berücksichtigt. Auch hier entsteht also kein Widerspruch zwischen den Untersuchungen. Hervorzuheben ist daher, dass alle Untersuchungen, mit ihren je eigenen Teststellen bzw. Leitfehlern, im Kern der Gruppe zu den gleichen Zeugen kommen. Die verbleibenden Unschärfen werden sich im Zuge einer modernen kritischen Edition glätten lassen.
26 Von diesen Zeugen finden sich Kollationsdaten in der Edition von Holmes, Robert / Parsons, James, Vetus Testamentum Graecum cum variis lectionibus, Oxford Clarendon 1798–1827 [im Folgenden: HoP]) für die Mss.: 16 30 73 (=HoP 237) 131 236; die Hss. 313 417 werden indirekt via Sammelsiglum „Cat. Nic.“ dokumentiert (s. Appendix 2). Unberücksichtigt sind in der Edition von HoP demnach: 46 313 320 328 346 414 417 422 489 528 529 530 550 551 552 616 716 739 761.
Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
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5.2 Die Catenentext-Untergruppen Margolis postuliert auf Basis der Vorarbeiten zu seiner Edition zwei Subgruppen des Catenentextes:27 Na: ejsz (= Ra 52 57 130 85) Nb: fv 343 (= Ra 53 344 343)
Die Gruppe Nb findet sich insoweit bestätigt, insofern auch Smith fv als eigenständige Untergruppe definiert,28 und die Hs. Ra 343 in seiner Untersuchung nicht berücksichtigt (s. o.). Smith ergänzt die Gruppe zwar noch um die Hs. Ra 30, stellt aber auch deutlich heraus, dass dieses Manuskript gleichwohl zahlreiche Abweichungen von fv beinhaltet.29 In der Summe darf man daher – bis neuere Daten vorliegen – Margolis’ Gruppe Nb als gegeben ansehen. Auch die Gruppe Na wird insofern durch die Untersuchung von Smith bestätigt, als er eine Handschriftengruppe von insg. 11 Mss. annimmt, die von den Hss. ejsz angeführt werden (ejsz 16 73 [= 237 Smith] 77 131 209 236).30 Innerhalb dieser Gruppe postuliert Smith eine Untergruppe sz.31 Ihr spezifisches Merkmal ist, dass sie in einigen orthographischen Lesarten mit fv gegen ej geht.32 Eine mögliche Erklärung dafür gibt Smith nicht. Vor dem Hintergrund, dass die bisherigen, methodisch voneinander unabhängigen Untersuchungen im Wesentlichen zur gleichen Gruppenzuordnung der Textzeugen gelangen, lässt sich folgender provisorischer Textfluss postulieren (siehe S. 136).33
27 Die Gruppen finden sich so postuliert in Margolis, Specimen, 314; Margolis betont dort besonders die Leitlesarten in Jos 6,13 f. und verweist hierbei auf seine Ausführungen in der Untersuchung zu Masius (dort § 17, list A, textual form 5), die er jedoch nicht mehr publizieren konnte. Vgl. hierzu auch: Greenspoon, Leonard J., A Preliminary Publication of Max Leopold Margolis’s Andreas Masius, together with his Discussion of Hexapla-Tetrapla, in: Salvesen, Alison (Hg.), Origen’s Hexapla and Fragments, Tübingen 1998, 39–69. Eine erste Gruppenzusammenfassung des Catenentextes durch Margolis (mit den Hss. 16 30 52 53 57 73 (= HoP 237) 77 85 130 (= HoP 144) 131 209 236 findet sich bereits in: Margolis, Max L., The Grouping of the Codices in the Greek Joshua, JQR n.s. 1 (1910), 259–263. 28 Siehe Smith, Greek Manuscripts, 44 f. mit Verweis auf entsprechende Leitfehler. 29 Vgl. Smith, Greek Manuscripts, 44 f. 30 In der Gruppierung von Smith findet sich zudem fälschlich die Nr. 144, die er der Untergruppe sz zuweist. Siehe hierzu oben, Fn. 24. 31 S. Fn. 24 und Fn. 30. 32 Vgl. die Beispiele bei Smith, Greek Manuscripts, 44. 33 Auffällig ist freilich: n und n (= Ra 85 und 344), also zwei Vertreter ganz unterschiedlicher 2 3 Subgruppen, sind hexaplarisch ausgezeichnete Hss.!
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Marcus Sigismund
Catenentext Archetyp Cat 2
Cat 1
(Nb: fv 343) (+ 730 ?)
Cat 1a ej (+ 16 73 131 236 ?)
Cat 1b sz
5.3 Provisorische Zuordnung von n6 (= Ra 730) sowie weiterer Textzeugen Aufgrund des derzeit publizierten Datenmaterials ist eine abschließende Aussage zur Untergruppenzugehörigkeit der im obigen Textfluss-Diagramm mit einem Fragezeichen versehenen Hss. nicht möglich, da die durchaus verdienstvolle Septuaginta-Edition von Holmes / Parsons (HoP)34 zuweilen Lesarten falsch verzeichnet, und die betreffenden Lesarten aus Margolis35 oftmals nur schwierig aus dem Apparat als Schlussfolgerung ex nihilo zu erheben sind. Daher ist in allen folgenden Beispielen zu beachten, dass die aus HoP entnommenen Zeugnisse von Ra 16 30 46 73 (=HoP 237) 131 236 unverifizierter Natur sind. Berücksichtigt man aber diese Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten des verfügbaren Datenmaterials, so lässt sich durchaus anhand exemplarischer Stichproben eine Tendenz erkennen, welche das oben entworfene Textfluss-Schema in der Grundstruktur bestätigt:36 Bsp. 1: Jos 19,20 f. (Phrase: και 3° – ιεων)37 20) καὶ Δαβιρων καὶ Κισων καὶ Ρεβες. 21) καὶ Ρεμμας καὶ Ιεων καὶ Τομμαν καὶ Αιμαρεκ καὶ Βηρσαφης. και Ρεβες] om. ej 16 73 131 209 236 NikCat : ραβεθ fsv 30 343 730 : ραμεθ z καὶ Ρεμμας] om. ej 16 73 131 209 236 NikCat : ρεημας fsvz 343 730 : ρεημαν 30 καὶ Ιεων fsvz 343 730] om. ej 16 73 131 209 236 NikCat 34 S.
oben Fn. 26. oben Fn. 23. 36 In allen folgenden Beispielen verwende ich die innerhalb der Josua-Forschung gut eingeführten Siglen von Brooke / McLean und ergänze diese durch die Handschriften-Siglen nach Rahlfs. Für die Nikephorus-Catene (s. Appendix 2) verwende ich das Siglum NikCat. Der Leittext folgt der Handausgabe von Rahlfs, Alfred / Hanhart, Robert, Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graecae iuxta LXX interpretes – editio altera, Stuttgart 2006. In Beispielen aus Jos 19 folge ich der Rekonstruktion von Textform B. 37 Die Teststelle findet sich bereits bei Smith, Greek Manuscripts, 45, ist dort aber fehlerhaft verzeichnet. Im Übrigen im Kontext dieser Teststelle auch verräterisch: das folgende Τομμαν wird in fsvz mit γομμαθ wiedergegeben. Den Leittext bieten ej NikCat und andere. 35 S.
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In allen drei Teilen dieser Variationseinheit sieht man deutlich das Zusammengehen von 343 und 730 mit fv, wohingegen die Zeugenreihe 16 73 131 209 236 NikCat mit ej liest. Bsp. 2: Jos 20,1 (λέγων): καὶ ἐλάλησεν κύριος τῷ Ἰησοῖ λέγων λέγων fv 30 343 730] om. ejsz 16 73 77 131 236 NikCat (sed hab. in annotatione)
Wie schon im ersten Beispiel finden wir die Hss. 343 und 730 in Verbund mit fv. Auch hier bietet die Zeugenreihe 16 73 131 209 236 NikCat die Lesart von ej.
6. Charakteristika der Gruppe In der Grundcharakterisierung sind sich Margolis und Smith einig, dass es sich bei dem Catenentext um einen Mischtext handelt. Daher ordnet Margolis die Catenentext-Gruppe der Textform M (Mischtext) zu. Smith bezeichnet sie im Verhältnis zu den anderen Textformen als „much more mixed“.38 Wie eingangs schon hervorgehoben, sind klare Aussagen zum Textcharakter der Mischtextformen kaum möglich und a priori problematisch, solange keine verlässliche Editio Critica Maior vorliegt. Jedoch lassen sich ein paar Beobachtungen unter Berücksichtigung älterer Forschung notieren und durch eigene Analysen profilieren. 6.1 Beobachtungen der älteren Forschung 6.1.1 Gemeinsamer Archetyp der Gruppe Stilistische Merkmale des Catenentextes sucht man in der bisherigen Forschung vergeblich. Als wichtige Beobachtung findet sich aber die für eine Mischtextgruppe überaus bemerkenswerte Tatsache herausgearbeitet, dass die Catenentextgruppe ihren Ursprung in einem gemeinsamen Archetyp hat. So wird die Catenentextgruppe, wie Margolis aufzeigt, u. a. durch die Lesart καὶ τῷ λαῷ (statt τῷ δὲ λαῷ) zu Beginn von Jos 6,10 zusammengehalten.39 Besonders evident scheint unter den von Smith in diesem Zusammenhang gebotenen Leitfehlern eine Variante aus Jos 19,44:
38 Smith, 39 Vgl.
Greek Manuscripts, 183 f. Margolis, Specimen, 314.
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Bsp. 3: Jos 19,44 (om. και 2° – γεβεελαν)40 καὶ Αλκαθα καὶ Βεγεθων καὶ Γεβεελαν ägypt. Textform: καὶ Αλκαθα καὶ Γεβεθων καὶ Γεβεελαν syrisch. Textform: καὶ Ελθακω καὶ Γεβεθων καὶ Βααναθ palästin. Textform: καὶ Ελθεκων καὶ Γαβαθων καὶ Βααλωθ (var. Βααλαθ) konstantinopolitan. Textform: καὶ Ελθεκω καὶ Γαβαθων καὶ Βααλωθ
Dagegen wird die Phrase καὶ Βεγεθων καὶ Γεβεελαν omitiert von der Catenentext-Kerngruppe efjsvz,41 die damit selbst innerhalb der Mischtextgruppe ein Alleinstellungsmerkmal bietet. Zu den bereits bei Smith genannten Zeugen lassen sich noch hinzufügen die Catenentext-Zeugen 16 30 73 131 236 343 730 NikCat. Alle hier genannten Catenentext-Zeugen bieten zudem zum Satzauftakt die auch von der ägyptischen Rezension gebotene – und von Rahlfs / Hanhart für die Rekonstruktion bevorzugte – Variante καὶ Αλκαθα. Die Omission findet sich somit auch über den Belegen von Smith hinaus in den weiteren durch bestehende Editionen erschlossenen Mss. der Catenentextgruppe, und ist insb. in Verbindung mit der Variante καὶ Αλκαθα eine eindeutige Leitvariante zur Bestimmung der Catenentextgruppe. Der Fehler ist intentionslos und sicherlich ein Versehen vom Schreiber des Archetyps oder seiner Vorlage. Ein weiteres Argument für einen gemeinsamen Archetypen finden wir in der bereits von Margolis herausgearbeiteten Tatsache, dass die Gruppe der Catenentext-Zeugen im Abschnitt Jos 15,7 bis 17,1 keinen Mischtext bietet, sondern eine dezidiert konstantinopolitanische Textform.42 Die nächstliegende Erklärung ist, dass in der Vorlage des Archetyps jener Abschnitt fehlte, und aus einer anderen Vorlage ergänzt wurde.43 6.1.2 Vermeintliche hexaplarische Ergänzungen Ein spezifisches Textmerkmal sind freilich die Additionen bzw. längeren Lesarten. Bereits Otto Pretzl notiert, dass die Gruppe efjsvz „ausserordentlich häufig“ längere Lesarten bietet, welche auf die Rezension des Origenes zurückgehen,44 und daher als Addition zur OG gewertet werden dürfen.45 Diese Aussage ist Die im Folgenden genannten Textformen beziehen sich auf die Edition von Margolis. diesem Umfang schon festgestellt bei Smith, Greek Manuscripts, 44. 42 Vgl. Margolis, Specimen, 315; vgl. auch Smith, Greek Manuscripts, 183 Fn. 2, wonach die Mss. ej usw. im Abschnitt Jos 15,7–17,1 der konstantinopolitanischen Form folgen. 43 Vgl. so Margolis, Specimen, 315. 44 Pretzl, Handschriften, 421. 45 Jedoch zieht sich diese Beobachtung nicht durch. Zumindest in der Analyse von Pretzl (vgl. Pretzl, Handschriften, 421) zieht sich diese Eigenschaft lediglich bis Jos 10, um dann fast gänzlich aufzuhören und erst in den Kap. 23 und 24 wieder etwas zahlreicher zu werden. Die Erklärung von Pretzl erscheint immer noch plausibel: Offenkundig fehlten in der Vorlage des Archetyps der Catenentext-Tradition in Jos 10–22 die entsprechenden Randglossen (vgl. Pretzl, Handschriften, 421). Sollten sich in diesem Abschnitt in einer Untergruppe hier 40
41 In
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mit einer gewissen Ambivalenz zu betrachten, insofern man sich nämlich im Zusammenhang mit der Hexapla gezwungen sieht, mit den Marginalangaben der Josuaüberlieferung zu jonglieren. Zweifellos spielen Marginalangaben eine wichtige Rolle in der Textgeschichte des Catenentextes – aber welche? Ein Indiz dafür, dass der Catenentext seinen Ursprung in einer am Rand annotierten Hs. hatte, könnten Stellen wie Jos 9,14[20] sein, an der die Hss. efj ἀπὸ τοῦ ἐπισιτισμοῦ (gegen τοῦ ἐπισιτισμοῦ)46 lesen, und an der wir diese Lesart bei v in margine vorfinden (vtxt mit der konstantinopolitanischen und palästinisch-hexaplarischen Gruppe τους επισιτισμους). Diese bereits bei Pretzl notierte Beobachtung47 lässt sich weiter profilieren, denn ausweislich der Edition von Holmes / Parsons bieten auch die Mss. 16 30 73 77 209 236 sowie die Nikephoros-Catene (s. Appendix 2) diese Lesart;48 hinzu tritt ausweislich der Edition von Margolis außerdem noch das Ms. n6 (= Ra 730).49 Es gibt jedoch kein entsprechendes Zeugnis außerhalb der Catenentextgruppe (z liest anscheinend wie Codex B τοῦ ἐπισιτισμοῦ)! Gleichwohl zeigt sich an diesem Beispiel auch die Schwierigkeit im Umgang mit diesen Randanmerkungen. Denn es erfolgt in der Marginalangabe von Hs. v keine Zuweisung zu den jüngeren jüdischen Übersetzern oder der Hexapla allgemein. Auch in der armenischen Version, welche in Josua ein wichtiger Zeuge für die hexaplarische Tradition ist, findet sich keinerlei Anhaltspunkt, dass diese Marginalangabe auf hexaplarische Ursprünge zurückweist.50 Mit Blick auf die Catenentextgruppe vom Charakteristikum hexaplarischer Ergänzungen zu sprechen, erscheint daher problematisch.51 Die Komplexität der Fragestellung zeigt sich an einem weiteren Beispiel: Bsp. 4: Jos 1,8 καὶ οὐκ ἀποστήσεται ἡ βίβλος τοῦ νόμου τούτου ἐκ τοῦ στόματός σου καὶ μελετήσεις ἐν αὐτῷ ἡμέρας καὶ νυκτός, ἵνα συνῇς ποιεῖν πάντα τὰ γεγραμμένα · […]
Zunächst einmal ist hervorzuheben, dass die Hs. z für συνῇς in margine εἰδῇς notiert – so übrigens auch Codex M. Das ist aber der Edition von Brooke / dennoch die längeren Lesarten finden, könnte dies freilich ein Indiz gegen die Archetyp-These sein, alternativ aber auch schlicht Resultat einer entsprechenden Korrektur innerhalb dieser Traditionslinie. 46 Vgl. den masoretischen Text: ידם ָ מ ֵּצ. ִ 47 Vgl. Pretzl, Handschriften, 422. 48 Von den bei HoP erfassten Hss. fehlt lediglich 131 aus den Catenentext-Zeugen in dieser Liste. 49 Es fehlen aus der Gruppe der bislang durch publizierte Editionen analysierbaren Catenentexten die Ms. Ra 343 (n1), 85 (n2/z) und 130 (n5/s). 50 Vgl. die Liste des Materials bei Cox, Claude E., Hexaplaric Materials Preserved in the Armenian Version, SCS 21, Atlanta, GA 1986, hier insb. 95 f. 51 Vgl. ähnlich auch das ausgewogene Urteil von Smith (Greek Manuscripts, 185), nach dem sich Additionen hexaplarischen Materials finden lassen (z. B. in 1,8.9.14; 2,3.4; 4,5), die Mehrheit der hexaplarischen Additionen jedoch nicht übernommen wird.
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cLean zufolge eine Singulärlesart des Codex B! Die Lesart συνῇς wird von Hs. v M in margine der hexaplarischen Tradition (ο´) zugewiesen. Aber statt συνῇς finden wir in der Catenentextgruppe eine ganz eigentümliche Variante, die in Hss. fjsvztxt lautet:52 συνῇς εν πασιν οις εαν ποιης οπως φυλασσης. Daneben ersetzt Hs. e συνῇς durch φυλασσης.53 Nun findet sich die Phrase οπως φυλασσης durchaus auch in der Übertragung des Aquila, welche in Hs. v als Marginalangabe erhalten geblieben ist. Jedoch weicht die Variante als Ganzes deutlich von Aquila ab und ist aufgrund der Längung εν πασιν οις εαν ποιης nicht direkt aus der hexaplarischen Tradition ableitbar.54 Ganz offenkundig deutet die Textänderung der Catenengruppe auf den gleichen Sachumstand der Texttradition, dass nämlich eine längere, hebraisierende und an den protomasoretischen Text anpassende Variante umlief. Die kürzere und die längere Variante dieser Textstelle gingen dann als Konflation bzw. Doppelübertragung in den Text der Catenentradition ein. Eine direkte Verbindung zur eigentlichen hexaplarischen Tradition ist aber zumindest hier auszuschließen. Dies gilt auch bzgl. des Verhältnisses zu anderen Textformen. So teilt sich die Catenen-Gruppe beispielsweise recht viele Addenda und Delenda mit der konstantinopolitanischen Gruppe.55 Sie folgt aber wiederum anderen Textveränderungen dieser Gruppe nicht, so dass sie nicht durchgehend hiernach korrigiert wurde. Ganz generell stimmt die Catenengruppe auch mit dem syrischantiochenischen Text in vielen Lesarten (insb. der Hss. gn) überein,56 ohne dass sich eine direkte Verbindung wahrscheinlich machen ließe. 6.1.3 Nähe zu Codex Vaticanus und der ägyptischen Textform Komplexer verhält sich die Sachlage bei den Parallelen zur ägyptischen Textform. Die im vorangegangenen Beispiel 4 vorliegende Parallele der Hs. z zu einer Singulärlesart des Codex Vaticanus ist sicherlich nicht ganz zufällig. Bereits Procksch stellt in seinen „Tetraplarischen Studien“ eine gewisse Nähe der Catenentext-Gruppe (efj-svz) zu Codex B fest. Er geht sogar so weit, die CatenentextGruppe neben der Gruppierung B-qu-hr (d.s. Ra B 120 407 55 129) als „ägyp-
52 Hinzu treten: εν πασιν οις εαν ποιης· οπως φυλασσης 16 77 209 236 237 CatNic : εν πασιν οις εαν ποιης οπως φυλασσης 18 30 57 : εν πασιν οις εαν πρασσης οπως φυλασσης 53 : εν πασιν οις εαν ποιης οπως φυλασσης 28 131 : die anderen Mss. mit kleineren Varianten. 53 Vgl. im Übrigen custodias SyrMas. 54 Smith, Greek Manuscripts, 183 bezeichnet die Erweiterung als „conflation“. Dies trifft den Charakter der Variante m. E. aber nicht. Es handelt sich eher um eine eigenständige Übertragung, welche Hs. e auf ein Minimum zurückgeführt hat. 55 Vgl. Pretzl, Handschriften, 421; Pretzl referiert dort auf Gruppe A, die aber im Wesentlichen deckungsgleich zur konstantinopolitanischen Gruppe bei Margolis ist. 56 So Smith, Greek Manuscripts, 184.
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tische Gruppe“ zu bezeichnen.57 Wenngleich diese Nomenklatur angesichts des ausgewiesenen Mischcharakters des Textes sicherlich nicht zu halten ist, so sind doch einige Übereinstimmungen in den Varianten von Catenentext und ägyptischer Textform auffällig,58 wie folgende Beispiele illustrieren mögen: Bsp. 5: Jos 1,15 […] καὶ ἀπελεύσεσθε ἕκαστος εἰς τὴν κληρονομίαν αὐτοῦ, ἣν δέδωκεν ὑμῖν Μωυσῆς εἰς τὸ πέραν τοῦ Ιορδάνου ἀπ᾽ ἀνατολῶν ἡλίου. εις το Befjrvtxtz 343 730] εν τω rell.
Die Catenentext-Kerngruppe unterstützt in diesem Beispiel die auch von den Hauptzeugen der ägyptischen Textform, den Hss. B und r, gebotene Variante.59 Die Frage ist freilich, ob der Archetyp der Catenentext-Gruppe hier den alten Text, wie er in B vorliegt, bewahrte, oder ob die Texttradition der Catenen hier nachträglich in Richtung der ägyptischen Textform korrigiert wurde. Beides ist grundsätzlich denkbar. Da sich in anderen Fällen erweisen lässt, dass hexaplarisches Material sekundär in den Haupttext eindrang, liegt die erste Annahme zunächst einmal nahe. Sollte sich der Sachverhalt zukünftig auf Basis weiteren Datenmaterials erhärten lassen, hätte dies weitreichende textkritische Folgen. Bereits jetzt wird man in Einzelfällen nicht um die Feststellung umhin kommen, dass sich in einzelnen Lesarten des Catenentextes sehr alte Varianten, wenn nicht gar die OG bezeugt finden. Überpointiert formuliert: Streicht man aus dem Catenentext alle eindeutig hexaplarischen Einflüsse heraus, so erhält man vielfach einen zwar immer noch gemischten, aber der OG bereits recht nahestehenden Text, der durchaus die Qualität besitzt, in der Frage nach der Rekonstruktion des ursprünglichen OG-Textes das Zünglein an der Waage zwischen den alten Textformen (insb. der ägyptischen und der syr.-antiochenischen) zu spielen.60 57 Procksch, Otto, Tetraplarische Studien. II. Josua. Richter, Ruth, ZAW 13 (1936), 61–90, hier 62. 58 Zu dem Resultat, dass viele Lesarten der ägyptischen Textform gleichen, kommt auch Smith, Greek Manuscripts, 185. 59 Ich folge hier den Apparaten der Editionen von Brooke / McLean und Margolis. Jedoch könnte an dieser Stelle die Vollkollation aller Zeugen ein abweichendes Ergebnis erzeugen. Es ist jedenfalls anzumerken, dass die Edition von Holmes / Parsons ex nihilo app. weitaus mehr Zeugen der Lesart εις το zuzuweisen scheint. 60 Dies lässt sich an zahlreichen Beispielen aufweisen. Pars pro toto sei verwiesen auf drei exemplarische Variationsstellen (Cat = Catenentext nach den Hauptzeugen): Jos 3,10 (Variation der Reihenfolge der Nationen): τὸν Χαναναῖον καὶ τὸν Χετταῖον καὶ τὸν Φερεζαῖον καὶ τὸν Ευαῖον καὶ τὸν Αμορραῖον καὶ τὸν Γεργεσαῖον καὶ τὸν Ιεβουσαῖον και τον φερεζαιον και τον ευαιον] και τον φερεζαιον και τον ευαιον Textformen E S, so auch Cat : και τον ευαιον και τον φερεζαιον Textformen P C καὶ τὸν Ἀμορραῖον καὶ τὸν Γεργεσαῖον καὶ τὸν Ἰεβουσαῖον] καὶ τὸν Ἀμορραῖον καὶ τὸν Γεργεσαῖον καὶ τὸν Ἰεβουσαῖον Textform E so auch Cat : καὶ τὸν Ἀμορραῖον καὶ τὸν
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6.2 Neuansatz einer Charakterisierung Die grundsätzliche hermeneutische Frage ist, ob man mit der traditionellen Beschreibung der Charakteristika der Catenentextform (oder jeglicher anderen Textform) wirklich gerecht wird. Naturgemäß muss der postulierte Text der Old Greek der Vergleichspunkt sein. Gleichwohl reicht es m. E. nicht aus, die Charakteristik einer Textform alleine durch Darstellung der Abweichung zur Old Greek zu beschreiben. Vielmehr sollte der Charakter der Abweichung in sich untersucht und definiert werden. Nur dann wird der Charakter einer Textform wirklich offenkundig; nur dann lässt sich überlegen, ob eine Textform eher das Resultat einer zufälligen, aus Abschreibfehlern oder anderweitiger Kontamination resultierenden Textentwicklung oder eine bewusste Revision des Textes ist, die möglicherweise sogar eine eigenständige theologische Nuance zu vermitteln sucht. Genau einem solchen eigenständigen Charakter begegnen wir in den gegenüber der postulierten Old Greek längeren Lesarten der Catenentextgruppe, welche ausschließlich von dieser Gruppe geboten werden.61 6.3 Die längeren Lesarten (Additionen) der Catenentextgruppe 6.3.1 Die Catenentextgruppe am Beispiel von Jos 10,37 (Bsp. 6) Eine sehr schöne Textstelle zur Betrachtung der Catenentextform ist der Vers Jos 10,37. In ihm finden sich zum einen mehrere Leitvarianten, welche sowohl die Gruppe des Catenentextes als auch ihre Untergruppen abzugrenzen helfen. Darüber hinaus sind zum anderen viele der oben angeführten Charakteristika der Textform enthalten:
Ἰεβουσαῖον καὶ τὸν Γεργεσαῖον Textform S : καὶ τὸν Γεργεσαῖον καὶ τὸν Ἀμορραῖον καὶ τὸν Ἰεβουσαῖον Textformen P C Jos 2,10: ἀκηκόαμεν γὰρ ὅτι κατεξήρανεν κύριος ὁ θεὸς τὴν ἐρυθρὰν θάλασσαν ἀπὸ προσώπου ὑμῶν ὅτε ἐξεπορεύεσθε ἐκ γῆς Αἰγύπτου […] εκ γης αιγυπτου] εκ γης αιγυπτου Textform E und Cat : εξ γης αιγυπτου Textformen S P C und Thdt Jos 2,2: […] εἰσπεπόρευνται ὧδε ἄνδρες τῶν υἱῶν Ἰσραὴλ κατασκοπεῦσαι τὴν γῆν […] εισπεπορευνται ωδε ανδρες B 127 Cat] diverse Varianten rell. 61 Wahrscheinlich findet sich diese Charakteristik auch in Varianten, die von der Catenentextgruppe und anderen späten Textformen (insb. von der konstantinopolitanischen Textform und von den weiteren Mischtexten) gemeinsam getragen werden, denn ebenso wie die Catenentextgruppe von anderen Textformen beeinflusst wurde, wird sie auch auf die Textentwicklung der anderen Gruppen eingewirkt haben.
Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
καὶ ἐπάταξεν αὐτὴν ἐν στόματι ξίφους, καὶ πᾶν ἐμπνέον, ὅσα ἦν ἐν αὐτῇ, οὐκ ἦν διασεσῳσμένος· ὃν τρόπον ἐποίησαν τὴν Ὀδολλάμ, ἐξωλέθρευσαν αὐτὴν καὶ ὅσα ἦν ἐν αὐτῇ.
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Und er schlug sie mit der Schneide des Schwertes und alles, was Atem hatte, soviel darin war; es gab keinen Geretteten. So, wie sie Odollam getan hatten, rotteten sie sie aus, [die Stadt] und alles, was in ihr war.
Rezensionsrelevante Varianten der „klassischen“ Textformen:62 και 1°] prm. και κατελαβοντο αυτην sub Asteriskus P : prm. και ελαβον αυτην S επαταξεν] επαταξαν S P ξιφους] add. και τον βασιλεα αυτης και τας πασας κωμας αυτης sub Asteriskus P παν εμπνεον] παν εμπνεον E : παντα τα εμπνεοντα rell. οσα ην] om. S ουκ ην διασ.] ου κατελιπον διασεσωσμενον και διαπεφευγοτα S τη] την E οδολλαμ] εγελαν coni. Margolis : εγλων P2 εξωλεθρευσαν] prm. και P2 : ουτως εποιησεν τη χεβρων εξωλοθρευσεν S οσα] prm. παν εμπνεον sub Asteriskus P Relevante Varianten des Catenentexts: και 1° f] prm. και ελαβεν αυτην ejsz (cum VL)63 16 52 57 73 77 85 131 209 236 343 730 NikCat : prm. και ελαβον αυτην 30 (cum pc. mss.64) παν εμπνεον fv txt 30 343 730] παντα εμπνεοντα ejsz 16 73 77 236 NikCat (cum mult. mss. et VL) : v marg ο´ [παν]τα [τα εμπνεον]τα ουκ ην διασ.] ου κατελιπε(ν) διασεσωσμενον ejsvtxtztxt (cum mult. mss. et VL) ⟦ κατελειπεν svtxtztxt : σεσωσμενον efsvtxtztxt 16 73 131 236 343 730 NikCat65 : add. και διαπεφευγοτα f ⟧ : ου κατελειπον σεσωσμενον 30 και 3° – αυτη 2°] om. f αυτη 2°] add. ον τροπον εποιησαν ταις πολεσι(ν) efjsvz 30 52 57 73 77 85 131 236 343 730 NikCat
In der Phrase πᾶν ἐμπνέον dokumentieren beiden Lesartensträngen der Catenentextgruppe einmal mehr die bereits oben angemerkte Subgruppenverteilung. Die Addition zum Schluss („so wie er es gemacht hatte mit den Städten“) ist eine ausschließlich im Catenentext vorzufindende Addition. Sie kommt mit ziemlicher Sicherheit nicht aus den jüngeren jüdischen Übersetzungen (kein Indiz) und ist keine Anpassung an den (proto‑)masoretischen Text. In diesem 62 Dabei folge ich hier den Gruppierungen der Edition von Margolis: E = ägyptische Textform, S = syrisch-antiochenische Textform, P = palästinische Textform (wobei P1 = Hexapla; P2 = Tetrapla), C = konstantinopolitanische Textform. Auf eine Aufnahme von M (= Mischtext) kann im vorliegenden Fragekontext verzichtet werden. VL bezeichnet die Vetus Latina. 63 Hier scheint ein Fehler der Edition von Margolis vorzuliegen: Er notiert für die Catenengruppe im App. zur M-Gruppe ελαβον, vermerkt aber im weiteren App. richtig ελαβεν. 64 U.a. Ra 15 56 128. Diese Lesart findet sich auch in der syrisch-antiochenischen Gruppe, die den Übergang von V. 36 zu V. 37 aber insgesamt ausbaut: και εξεπολιορκει αυτην και παρεδωκεν αυτην κς εις τας χειρας ιηλ. 65 Fn. dort: ουκ λωυ διασεσωμένος. αἱ αὐτ.
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Umfang findet sich die Phrase nirgends im Alten Testament, so dass Quereinflüsse ausgeschlossen werden können. Ebenso sind kontaminierende Einflüsse aus der Kommentartradition nicht nachweisbar. Zumindest bietet die Nikephoros-Catene keine Kommentarstellen hierzu; auch der Kommentar des Prokop von Gaza geht auf diese Stelle nicht ein. Ebenso entstammt die Erweiterung nicht den rezeptionsgeschichtlich einflussreichen Homilien der Origenes oder dem Oktateuch-Kommentar des Theodoret. Ganz offenkundig handelt es sich somit um eine eigenständige Erweiterung der Catetentext-Gruppe, die durch den Aufgriff der für das Buch Josua typischen Floskel ὃν τρόπον ἐποίησαν formuliert wurde. Dagegen findet sich die vorgesetzte Erweiterung am Beginn des Verses – freilich in einer jeweils anderen Form – auch in der palästinisch-hexaplarischen und der syrisch-antiochenischen Textform. Während eine Übernahme der palästinisch-hexaplarischen Lesart a priori eher unwahrscheinlich ist, könnte sich die Erweiterung der Catenentextform als Verschreibung oder bewusste Abänderung des syrisch-antiochenischen Textes erklären. Jedoch ist die inhaltliche Differenz der Varianten gravierend (insofern Cat. den Singular bietet, wohingegen die anderen Textformen analog zum hebräischen Text den Plural verwenden). Während sich die Addition der beiden anderen Textformen als Anpassung an den (proto‑)masoretischen Text (י־ח ֶרב ֶ ־ל ִפ ְ ּכּוה ָ ַדּוה וַ ּי ָ )וַ ּיִ ְל ְּכerklären lassen, bietet der Catenentext hier anscheinend eine eigenständige Erweiterung, die interessanterweise eine Analogie in der altlateinischen Version findet, und vor allem darauf Rücksicht nimmt, dass der kontextuelle Agens Josua ist. Die Vermutung ist naheliegend, dass der Catenentext und die Vetus Latina hier eine alte Lesart bzw. Interpretationstradition bewahrten. Wichtig erscheint auch die Beobachtung, dass die beiden palästinisch-hexaplarischen (durch Asteriskus markierten) Additionen nicht übernommen werden. Da dies eher die Regel denn die Ausnahme ist (s. u. Bsp. 7), drängt sich der Eindruck einer bewussten Entscheidung der Catenentextgruppe (bzw. deren Archetyps) für den Old Greek-Text gegen den protomasoretisch-Text auf. Wieso es dann dennoch stellenweise zu Erweiterungen im Sinne des hebräischen Textes kommt, ist schwer zu verstehen. Im vorliegenden Fall wäre eine Erklärung, dass der Archetyp in gutem Glauben auf seine griechische Vorlage rekurriert. 6.3.2 Charakteristische Additionen als Merkmal der Catenentextgruppe Ein ganz typisches Merkmal – und daher Charakteristikum – der Catenentextgruppe sind kleinere (und strenggenommen unaufregende) Erweiterungen, mit deren Hilfe offenbar der Versuch unternommen wird, den biblischen Text verständlicher zu machen. Besonders fallen Erweiterungen ins Auge, welche das Objekt näher bestimmen helfen. Pars pro toto sei auf einige Beispiele aus Jos 2 verwiesen. Ein ganz typischer Fall liegt vor in der bekannten Erzählung um Rahab in Jericho, hier konkret in 2,3:
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Bsp. 7: Jos 2,3 καὶ ἀπέστειλεν ὁ βασιλεὺς Ιεριχω καὶ εἶπεν πρὸς Ρααβ λέγων ἐξάγαγε τοὺς ἄνδρας τοὺς εἰσπεπορευμένους εἰς τὴν οἰκίαν σου τὴν νύκτα·
Obwohl der Text in sich schlüssig und verständlich ist, erweitert der Catenentext die Aussage „die in dieser Nacht in dein Haus hineingegangen sind“ um die Angabe „zu dir“: ἐξάγαγε τοὺς ἄνδρας τοὺς εἰσπεπορευμένους πρὸς σὲ εἰς τὴν οἰκίαν σου τὴν νύκτα (so efjsvztxt sowie 16 73 77 209 131 236 343 730 NikCat).66 Ein Grund für die Erweiterung mag sein, dass wir eine entsprechend längere Lesart auch im protomasoretischen Text antreffen ()ה ֲאנָ ִׁשים ַה ָּב ִאים ֵא ַליִ ְך. ָ Jedoch orientiert sich die Catenentextgruppe nie ausschließlich am protomasoretischen Text und übernimmt viele entsprechende Erweiterungen der griechischen Tradition nicht. Die dem hebräischen Text analoge längere Lesart der hexaplarischen Tradition ist denn auch nicht identisch mit jener der Catenengruppe: προς σε οι εισηλθον.67 Wenngleich nicht auszuschließen ist, dass der Ausgangstext der Catenentextgruppe diese hexaplarische Lesart kannte, so ist sie doch in ihrer (innerhalb der Catenentextgruppe nie an die Hexapla angepassten) Ausprägung eigenständig. Es bleibt daher zu vermuten, dass durch diese Erweiterung das persönliche, mit Rahab verbundene Element der Erzählung verdeutlicht werden soll. Die meisten Additionen der Catenentextgruppe stehen streng genommen nicht ganz alleine. Vielmehr ist es wie im vorangegangenen Beispiel so, dass die konkrete Lesart spezifisch für die Catenentextgruppe ist,68 einzelne Zeugen oder Textformgruppen jedoch ähnliche Erweiterungen bringen. Ganz offenkundig handelt es sich um Stellen, welche in der Rezeption unabhängig von der Textform als verbesserungswürdig bzw. unklar galten. Ein typisches Beispiel finden wir in Jos 2,1: Bsp. 8: Jos 2,1 καὶ ἀπέστειλεν Ἰησοῦς υἱὸς Ναυη ἐκ Σαττιν δύο νεανίσκους κατασκοπεῦσαι [λέγων …]
Was ausgekundschaftet werden soll, wird zwar aus der folgenden Erzählung klar. Gleichwohl erwartet man hier ein Objekt69 bzw. eine nähere Bestimmung dessen, 66 Die Variante wird auch geboten von den Hss. h und a2 (= Ra 55 509). Aus der Catenentextgruppe weicht ausweislich HoP möglicherweise die Hs. 30 ab (diese bietet laut HoP den Leittext). 67 Die Lesart wird von den Hss. Mv οι λ̥ zugewiesen. 68 Vgl. u. a. auch in Jos 2,13 die Addition von του π(ατ)ρ(ο)ς μου (efjsvtxtztxt 16 30 73 77 131 236 343 730 Sa) nach καὶ πάντα τὸν οἶκόν μου. Die Phrase greift den Satzanfang auf und ist inhaltlich unnötig, sofern man hierin nicht eine gezielte theologische Referenz auf die folgende Genealogie der Rahab sehen möchte. In diversen anderen Textzeugen findet sich aber ebenfalls eine Erweiterung, nämlich die Addition αυτων. 69 Hier zeigen sich die sprachlichen Probleme einer Übersetzung. Das hebr. ָרגַ לkann offenkundig wie in diesem Vers ohne Objekt stehen, beim griechischen κατασκοπεύω erwartet man dagegen ein Objekt (vgl. Jos 2,3).
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was ausgekundschaftet werden soll. Die Catenentextgruppe ergänzt daher inhaltlich durchaus sinnvoll und auf Jos 2,2 vorausblickend:70 […] κατασκοπεῦσαι τὴν γῆν [λέγων …]
Die Variante wird bezeugt von efjsvtxt 16 73 77 131 236 343 730 NikCat.71 Ganz offenkundig wurde die Leerstelle aber auch von anderen Traditionen als eine solche empfunden, denn auch die Schöpfer der armenischen und sahidischen Version ergänzten hier – offenkundig unabhängig von den Catenen – die Textstelle κατασκοπεῦσαι um die Phrase „terram absconse – heimlich das Land“. Eine Erweiterung findet ebenfalls in der hexaplarischen Tradition statt. Wie schon in den vorangegangenen Beispielen zeigt sich die Lesart des Catenentexts aber unbeeinflusst von jener der hexaplarischen Tradition, was somit als ein weiteres Charaktermerkmal notiert werden darf: Auch an Stellen, an denen eine Anpassung an den protomasoretischen Text aufgrund der jüngeren jüdischen Übersetzungen resp. der hexaplarischen Tradition nahe läge, werden diese nicht vorgenommen. Die Handschriften v und z (=Ra 344 und 85) notieren nämlich unter Hinweis auf Aquila und Theodotion (allerdings z/85 sine nomine)72 die an den protomasoretischen Text anpassende, längere Lesart κρυβη „heimlich“ in margine. Die Lesart ist also bekannt, wird aber nicht in den Text der Catenentradition übernommen. 6.3.3 Schlussfolgerungen Der in den Beispielen 6–8 zutage tretende Charakterzug impliziert eine Art theologische Grundentscheidung, nämlich die bewusste Orientierung am griechischen Text der Bibel im Sinne der Old Greek,73 die zugleich eine bewusste Abgrenzung von der hebräischen resp. hebraisierenden Version der Bibel ist. Ob hinter dieser Entscheidung die Idee einer bewussten Abtrennung von der jüdischen Texttradition steht, ist kaum zu ermitteln. Die Tatsache, dass in den Catenenhandschriften die Lesarten der jüngeren jüdischen Übersetzungen tradiert werden, kann nämlich unterschiedlich interpretiert werden. Zum einen könnten diese Glossen bedeuten, dass sich die Catenentexte textkritisch sensibel 70 Denkbar ist freilich auch, dass die Erweiterung unter Einfluss einer analogen hexaplarischen Anpassung in Jos 6,22 erfolgte (κατασκοπευσασιν + την γην sub Asteriskus). Jedoch bietet die Catenentextgruppe an dieser Stelle die an den protomasoretischen Text anpassende Erweiterung nicht, da durch die Weiterführung der Erzählung nunmehr klar ist, was ausgekundschaftet wurde. Am einfachsten ist daher immer noch die Erklärung, dass die Catenentextgruppe die analoge Phrase aus Jos 2,3 kopierend hier einbindet. 71 Jenseits der Catenentextgruppe bietet noch die Mischtext-Hs. a2 diese Lesart. 72 Die Zuweisung findet sich aber auch in der Hs. M. 73 Ein positives Indiz könnte sein, dass die Catenentextgruppe in Jos 2,9 vor ἐπίσταμαι ein offenkundig vokativisch gebrauchtes ανδρες einfügt, zu dem die Hs. v/344 in marg. notiert: οι ο΄ χω (d. h. „die Hexapla ohne“).
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an der Old Greek orientieren, aber die parallel bekannte hebraisierende Lesart (als eine rezeptionell recht bedeutende) ebenso textkritisch lauter mitbezeugen. Möglicherweise werden die jüngeren jüdischen Übersetzungen aber auch nur notiert, um diese in der theologischen Auseinandersetzung mit den Nutzern eines hebraisierenden Textes präsent zu haben.74 Eine Klärung der Frage scheint nicht möglich, da sich durchaus Lesarten der Hexapla im Catenentext nachweisen lassen. Die Gretchenfrage ist, ob die hexaplarische Herkunft dieser Varianten dem Schreiber des Archetyps des Catenentextes bewusst war, oder ob er annehmen musste, an diesen Stellen eine „gute“ Vorlage zu kopieren. Hier scheint weitere Forschung dringend angebracht. Grundsätzlich lassen sich aber zusätzlich zu den Beobachtungen der älteren Forschung zwei Charaktereigenschaften hervorheben: 1. Der biblische Text wird durch zum Großteil kürzere Additionen, insb. durch Präzisierungen im Bereich des Objekts, verständlicher bzw. eindeutiger gemacht. 2. Offenkundig erfolgt eine klare Orientierung am griechischen Text der Old Greek. Hebraisierende Elemente der (insb. hexaplarischen) Texttraditionen werden wahrgenommen, aber – wenn sie als solche ersichtlich sind – anscheinend nicht übernommen.
7. Fazit Von diesen Beobachtungen ausgehend lässt sich die Frage stellen, ob die Catenentextgruppe wirklich als Mischtext bezeichnet werden darf. Versteht man „Mischung“ als wertneutralen Begriff, so kann man die Bezeichnung „Mischtext“ sicherlich weiter verwenden. Jedoch ist zu betonen, dass die Catenentextform durchaus ein eigenständiges Profil aufweist (s. o. 5 und 6.3), und sich in seiner Summe doch erstaunlich häufig mit den Lesarten des Codex Vaticanus (resp. der ägyptischen Textform) und der syrisch-antiochenischen Textform trifft (s. o. 6.1.2; 6.1.3).75 In der Summe scheint es daher gerechtfertigt, die Catenentextgruppe in der textkritischen Betrachtung den Mischtexten zuzuordnen, jedoch gleichzeitig ihre z. T. hohe Wertigkeit anzuerkennen. Die alten Lesarten und die Orientierung an 74 Zu klären wäre freilich in diesem Fall, wieso in Jos 2,6 die catenentextspezifische Variante ἐν τοῖς ξύλοις τῆς λινοκαλάμης τῆς ἐστοιβασμένης von der Hs. v/344 dem Apparat von BrookeMcLean zufolge im Fließtext sub θ΄ notiert wird. Hier wäre eine genauere Analyse der beteiligten Schreiber für weitere Schlussfolgerungen zwingend nötig. 75 Zugleich ließe sich betont provokant hinterfragen, was denn dann die Catenentextgruppe von den Editionen Rahlfs-Hanharts’ und Margolis’ unterscheidet. Auch diese Editionen fußen im Wesentlichen auf den Text des Codex Vaticanus und bringen oft genug Varianten der syrischantiochenischen Textform, in denen die Lesart des Codex Vaticanus sekundär erscheint.
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der Old Greek als solche könnten ein Indiz dafür sein, dass es sich beim Catenentext um den frühen Versuch eines eklektischen Textes handelt, auf dessen Basis man – quasi wissenschaftlich – weitere theologische Arbeit zu leisten im Stande war. Und dass diese weitere theologische Arbeit im Hintergrund der Catenentextgruppe steht, ist durch den Textzusammenhang mit den Kirchenväterkommentierungen der einzelnen Bibelverse mehr als offenkundig. Fasst man die unterschiedlichen Beobachtungen zusammen: 1. hoher quantitativer Anteil an der Gesamtüberlieferung 2. klar abgrenzbare Kerngruppe der Zeugen 3. hoher Anteil an alten Lesarten durch die Nähe zu den alten Textformen des Josuabuches 4. ein eindeutiger Anspruch, für die theologische Arbeit (oder doch zumindest Bildung) eingesetzt zu werden, so wird man den hohen textgeschichtlichen Wert der Catenentextgruppe schlicht und einfach anerkennen müssen. Inwieweit die Catenentextgruppe darüber hinaus textkritisch für die Rekonstruktion der Old Greek fruchtbar gemacht werden kann, wird sich erst ermessen lassen, wenn eine kritische Edition des griechischen Josuabuches eine umfassende Analyse des Catenentextes ermöglicht. Da sich aber in den bisherigen Stichproben die textformspezifischen Elemente leicht ausscheiden und die kontaminierenden Elemente anderer Textformen i. d. R. gut erkennen ließen,76 darf man zuversichtlich sein, mit der Vorlage aller Daten in einer Editio Critica Maior in der Catenentextgruppe eine weitere klar umrissene Textform zu gewinnen, von der aus wir die Rückfrage nach der Old Greek angehen können.
76 Einen Eindruck über den Catenentext vermittelt auch die anlässlich des Symposiums zur Verabschiedung von Prof. Kreuzer erstellte exemplarische Rekonstruktion der Textform von Jos 2. Der Text ist online als pdf-file frei zugänglich unter http://isbtf.de / wp-content / uploads/2015/01/Catenentext-Joshua2.pdf / (letzter Abruf 24. 03. 2017).
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Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
Appendix 1: Handschriftenliste der Catenentext-Kerngruppe Margolis Rahlfs Brooke / HoP McLean n1 343
Pretzl Ort
n2
85
z
z
Rom
n3
344
v
v
Athos
n4
53
f
53
f
Paris
n5
130
s
laut Rahlfs s 130 im Pent. /144 in Jos.; Smith gibt HoP 131 an77
Wien
n6
730
ṉ1
52
e
52
e
ṉ2
57
j
57
j
85
Athos
Bibliothek
shelf-no.
Λαύρα Ἀθανασίου Biblioteca Apostolica Vaticana Μονή Παντοκράτορος Bibliothèque Nationale Nationalbibliothek (olim Hofbibliothek)
352 (Γ 112)
Venedig Biblioteca Nazionale Marciana Florenz Biblioteca Medicea Laurenziana Rom Biblioteca Apostolica Vaticana
Vat. gr. 2058 (Basil. 97) 24 (1058) gr. 17 a Theol. gr. 23 (Lamb. 1, olim 54)
15 Laur. Acquisti 44 Vat. gr. 747
77 Jedoch entspricht HoP 131 Ra 131 (Wien, Nationalbibliothek [olim Hofbibliothek], Theol. gr. 57); siehe Rahlfs, Alfred, Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments, für das Septuaginta-Unternehmen aufgestellt, MSU 2, Berlin 1914, 318–320.
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Appendix 2: Die Nikephoros-Catene Bei der sog. Catena Nicephori bzw. Catena Lipsiensis handelt es sich um eine in den Jahren 1772 und 1773 zu Leipzig in zwei Foliobänden von Νικηφόρος Θεοτόκης herausgegebene Edition78 einer Catenentradition. Der Text geht nach Aussagen des Herausgebers79 zurück auf insgesamt drei Hss., welche seitens Alfred Rahlfs genauer identifiziert werden konnten80 und von denen zwei Hss. Siglen des Göttinger-Septuaginta-Unternehmens erhielten. Diese beiden Hss. gehören zur eigentlichen Catenen-Tradition, die Dritte bietet eine eigene Texttradition, die mit dem Oktateuchkommentar des Kirchenvaters Prokop von Gaza in Verbindung zu stehen scheint: Ra-Sigel Ort
Anmerkung
313
Catene zum Oktateuch und 1–4 Reg
417
Bezeichnung bei Nikephoros Hs. im Besitz des HegeAthen, Nationalmon Γρηγόριος Γκίκας bibliothek (Ἐθνικὴ in Konstantinopel βιβλιοθήκη), 43 London, Archiepisco- Besitzer der Hs. pal Library (Lambeth = Ἀλέξανδρος ὁ Κωνσταντίνου ὁ Palace), 1214 μεγαλοσπαθάριος München, Staats Augsburger Hs. bibliothek, Graec. 358
Catene zu Lev – Ruth ; datiert auf 1103/04; fehlt im Katalog von Karo-Lietzmann Prokops Kommentar zum Oktateuch, 1–4 Reg und 1–2 Paralipomenon; saec. IX. Die von A. Mai edierte Ausgabe der PG 87 basiert auf dieser Hs. Von ihr gibt es eine direkte Abschrift: Leyde, B. P. G. 50, saec. XVI.81
Die textkritische Verwendung früher gedruckter Editionen erfolgt im Rahmen der Textkritik zu Recht sehr zurückhaltend. Im Sinne der Text‑ und Rezeptionsgeschichte sind sie jedoch oftmals ein wichtiges Zeugnis, was im vorliegenden Fall schon alleine dadurch augenfällig wird, dass die Catenen-Edition in der Septuaginta-Edition von Holmes / Parsons verzeichnet wurde.
78 Titel: Σειρα ενος και πεντηκοντα υπομνηματιστων εις την Οκτατευχον και τα των Βασιλειων. 79 Vgl. Rahlfs, Verzeichnis, vol. I, p. ϛ und ζ. 80 Vgl. hierzu ausführlich Rahlfs Ausführungen in: Rahlfs, Alfred, Mitteilungen 25, ThLZ 38 (1913), 476 f.; Rahlfs, Alfred, Die Quellen der ‚Catena Nicephori‘, ThLZ 39 (1914), 92. 81 Vgl. hierzu Petit, Françoise, Catenae Graecae in Genesim et in Exodum. I. Catena Sinaitica, CCh.SG 2, XXI, Turnhout 1977.
Textgeschichtliche Beobachtungen zur Catenengruppe
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Betrachtungen zu den griechischen Textformen der Paralleltexte zwischen 1 Kön 8,1–53 und 2 Chr 5,2–6,42 Jong-Hoon Kim 1. Einleitung: kurzgefasste Forschungsgeschichte und Fragestellungen Seitdem in der 2. Hälfe des 19. Jh.s Ceriani, Wellhausen und Field durch einen Vergleich von mittelalterlichen Handschriften und antiochenischen Kirchenväterzitaten die sog. „lukianische“ Textform, die später als der „antiochenische“ Text bezeichnet wurde, identifizierten,1 wurde die Textgeschichte der Septuaginta vertieft erforscht. Insbesondere sind die Textformen und deren Geschichte in der hellenistisch-frühjüdischen Zeit im Bereich der Samuel‑ und Königebücher ein Angelpunkt der Forschungen zur Textgeschichte der Septuaginta. Die Forschungsgeschichte gliedert sich in vier Phasen.2 Ceriani, Wellhausen und Field sowie Lagarde, der die erste Ausgabe des „lukianischen“ Textes publizierte,3 prägten die erste Phase. Die Eigenschaften dieser Textform wurden dann von Rahlfs weiteruntersucht. Rahlfs zufolge bearbeitete der Märtyrer Lukian die vorhexaplarische sog. „vorlukianische“ Textform.4 Die zweite Phase wird vor allem durch die Untersuchung Thackerays bestimmt. Er erkannte von der Übersetzungsweise her zwei unterschiedliche Korpora in den Samuel‑ und Königebüchern (α-1 Sam; ββ-2 Sam 1,1–11,1; γγ-1 Kön 2,12–21,435; βγ-2 Sam
1 Vgl. Rahlfs, Alfred, Septuaginta-Studien III, Göttingen 21965, 80, Fn. 1. Siehe auch: Kim, Jong-Hoon, Die hebräischen und griechischen Textformen der Samuel‑ und Königebücher. Studien zur Textgeschichte ausgehend von 2 Sam 15,1–19,9, Berlin 2009, 8; Wellhausen, Julius, Der Text der Bücher Samuelis, Göttingen 1871, 221–224; Field, Frederick, Origenis Hexaplorum quae supersunt; sive veterum interpretum graecorum in totum vetus testamentum fragmenta, Bd. 1, Oxford 1867, lxxxviii–ix. 2 Vgl. Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 4–32; vgl. Kreuzer, Siegfried, Der Antiochenische Text der Septuaginta. Forschungsgeschichte und eine neue Perspektive, in: Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Der Antiochenische Text der Septuaginta in seiner Bezeugung und seiner Bedeutung, DSI 4, Göttingen 2013, 23–56. 3 Vgl. Lagarde, Paul A. de, Librorum Veteris Testamenti canonicorum pars prior Graece, Göttingen 1883; vgl. Rahlfs, Septuaginta-Studien III, bes. 176–186; 259–295. 4 Vgl. Rahlfs, Septuaginta-Studien III, bes. 176–186; 259–295. 5 20,43 im M. Die Kapitel 20 und 21 wurden in G umgestellt.
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Jong-Hoon Kim
11,2–1 Kön 2,11; γδ-1 Kön 22,1–2 Kön 25,30).6 Bezogen auf das hellenistische Kleinrollensystem ist es interessant zu fragen, wie die unterschiedlichen Textformen der Reihe nach zusammengestellt wurden.7 Davon abgesehen konzentrierte sich Thackeray auf die Besonderheiten der βγ‑ und γδ-Abschnitte, die s.E. eine wörtliche Übersetzungstechnik darstellen.8 Daher fasste er sie als spätere Ergänzungen aus dem 2. Jh. n. Chr. auf. In der dritten Phase wurde der vorlukianische, also der antiochenische Text und dessen Übereinstimmungen mit dem Qumrantext sowie mit Jos. Ant. bis zum 2. Jh. v. Chr. untersucht.9 Zudem wurde die Textform, die Thackeray als eine spätere Bearbeitung identifizierte, aufgrund der Bezüge zu den Textzeugen aus Qumran sowie der Belege in Jos. Ant. von Barthélemy als Text des 1. Jh.s v. Chr. verstanden.10 Anhand der Zwölfprophetenrolle aus Naḥal Ḥever (8 ḤevXIIgr), die in das 1. Jh. v. Chr. datiert wird, bewies er, dass die βγ‑ und γδ-Abschnitte nicht erst im 2. Jh. n. Chr. entstanden, sondern dass ihre Textform bereits im 1. Jh. v. Chr. vorhanden war. Nach Bathélemy wurde diese graphemisch-wörtliche Bearbeitung, nämlich die sog. Kaige-Rezension, von denjenigen durchgeführt, die er als die Vorläufer („les devanciers“) dieser extrem wörtlichen Übersetzung von Aquila im 2. Jh. n. Chr. ansah. In der vierten und letzten Phase wurde die kritische Ausgabe des antiochenischen Textes, nach der bereits Wellhausen fragte,11 in Spanien publiziert.12 Thackeray, Henry St. J., „The Greek translators of the four books of Kings“, JTS 8 (1907), 262–266; Thackeray, Henry St. J., The Septuagint and Jewish Worship. A Study in Origins, London 1921. 7 Vgl. Kim, Jong-Hoon, „Vom hellenistischen Kleinrollensystem zum Kodex. Beobachtungen zur Textgestalt der griechischen Samuel‑ und Königebücher“, in: Peters, Melvin K. H. (Hg.), XIV Congress of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies. Helsinki 2010, SCS 59, Atlanta, GA 2013, 231–242. Kurzgefasst: Die verschiedenen „Großrollen“ der Samuel‑ und Königebücher, die die unterschiedlichen Textformen enthielten, wurden in der hellenistischen Zeit auf die kleineren Rollen aufgeteilt und gemischt überliefert, dann wurden sie zum Kodex gemischt zusammengefügt. 8 Wie bekannt, können die gravierenden Besonderheiten dieser Abschnitte, die von Barthélemy unter der Rubrik „groupe Kaige“ (weiter) erkannt wurden, wie folgt genannt werden: ἀνηρ für איש, κερατίνη für שופר, καιγε für וגם, ἐγώ εἰμι für אנכיu. a. Siehe zu den weiteren Besonderheiten dieser Abschnitte: Thackeray, The Septuagint and Jewish Worship, 114 f.; Barthélemy, Dominique, Les Devanciers d’Aquila, VTSup 10, Leiden 1963, 48–80. 9 Vgl. Cross, Frank M., A new Qumran Biblical Fragment Related to the Original Hebrew Underlying the Septuagint, BASOR 132 (1953), 15–26; Cross, Frank M., The Ammonite Oppression of the Tribes of Gad and Reuben: Missing verses from 1 Sam 11 Found in 4 QSamuel, in: Tov, Emanuel (Hg.), The Hebrew and Greek Texts of Samuel, 1980 Proceedings IOSCS, Jerusalem 1980, 105–119; Ulrich, Eugene, 4 QSamc: A Fragmentary Manuscript of 2 Samuel 14–15 from the Scribe of the Serek Hay-yaḥad (1 QS), BASOR 235 (1979), 1–25; Ulrich, Eugene, The Qumran Text of Samuel and Josephus, HSM 19, Missoula, MT 1978. 10 Vgl. Barthélemy, Les Devanciers d’Aquila. 11 Vgl. Wellhausen, Der Text der Bücher Samuelis, 223. 12 Vgl. Fernández Marcos, Natalio / Busto Saiz, José R., El texto antioqueno de la Biblia griega I–III, TECC 50 / 53 / 60, Madrid 1989 / 1992 / 1996. Vgl. Die Ausgabe des Mehr 6
Betrachtungen zu den griechischen Textformen der Paralleltexte
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Aus Anlass der Erstellung der spanischen Ausgabe des antiochenischen Textes im Bereich der Samuel‑ und Königebücher sowie der Chronikbücher wurde dieses Thema detaillierter untersucht. Sowohl der antiochenische Text als auch die Kaige-Rezension wurden vom Jubilar, Siegfried Kreuzer, weitergehender erforscht und ihre Bedeutung für die Textgeschichte beschrieben.13 Vor dem Hintergrund der Forschungsgeschichte wird im vorliegenden Beitrag gefragt, ob die voneinander unterschiedlichen Übersetzungstechniken zwischen dem antiochenischen Text und der Kaige-Rezension, die im Bereich der Samuel‑ und Königebücher insbesondere in den Kaige-Abschnitten14 erkennbar sind, das einzige Beispiel in der Textgeschichte der Septuaginta sind. Wenn dem nicht so ist, wird weiter gefragt, in welchem Textbereich dies erkannt werden kann. Um darauf zu antworten, werden hier die Paralleltexte 1 Kön 8,1–53 // 2 Chr 5,2–6,42 als Beispieltext ausgewählt, in denen Salomos Rede und Gebet bei der Einweihung des Tempels überliefert werden.
2. Zu den betreffenden hebräischen Texten15 Die beiden betreffenden hebräischen Konsonantentexte gehen, außer in einigen Paragraphen, die nur in einem der beiden Paralleltexte vorhanden sind (2 Chr heitstexts der antiochenischen Handschriften: Taylor, Bernard A., The Lucian Manuscripts of 1 Reigns – Volume 1. Majority Text; Volume 2. Analysis, Atlanta, GA 1992 / 1993. 13 Als einer seiner Schüler analysierte ich die Textformen der Samuel‑ und Königebücher in Bezug auf die Textgeschichte anhand von 2 Sam 15,1–19,9. Siehe dazu: Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher. Zu diesem Thema publizierte Kreuzer selber die folgenden Bücher bzw. Beiträge: Karrer, Martin / Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Von der Septuaginta zum Neuen Testament. Textgeschichtliche Erörterungen, ANTF 43, Berlin 2010; Kreuzer, Siegfried, Der Antiochenische Text der Septuaginta. Forschungsgeschichte und eine neue Perspektive, in: Kreuzer, Siegfried / Sigismund, Marcus (Hg.), Der Antiochenische Text der Septuaginta in seiner Bezeugung und seiner Bedeutung, DSI 4, Göttingen 2013, 23–56; Kreuzer, Siegfried, Towards the Old Greek. New Criteria for the Evaluation of the Recensions of the Septuagint (especially the Antiochene / Lucianic Text and the KaigeRecension), in: Peters, Melvin K. H., XIII Congress of the IOSCS. Ljubljana 2007, SCS 55, Atlanta, GA 2008, 239–253; Kreuzer, Siegfried, Das frühjüdische Textverständnis und die Septuaginta-Versionen der Samuelbücher. Ein Beitrag zur texgeschichtlichen und übersetzungstechnischen Bewertung des Antiochenischen Textes und der Kaige-Rezension an Hand von 2 Sam 1–12, in: Kraus, Wolfgang / Munnich, Olivier (Hg.), La Septante en Allemagne et en France. Septuaginta Deutsch und Bible d’Alexandrie, OBO 238, Fribourg 2009, 3–28; Kreuzer, Siegfried, Textformen und Bearbeitungen. Kriterien zur Frage der ältesten Textgestalt, insbesondere des Septuagintatextes, anhand von 2 Samuel 12, in: Hugo, Phillippe / S chenker, Adrian (Hg.), Archaeology of the Books of Samuel. The Evaluating of the Textual and Literary History, VTSup 132, Leiden 2010, 91–115; Kreuzer, Siegfried, Translation and Recensions: Old Greek, Kaige, and Antiochene Text in Samuel and Reigns, BIOSCS 42 (2009), 34–51. 14 Vgl. Kim, Textformen, 384–394.400. 15 Die grundsätzliche Analyse zum betreffenden hebräischen Text wurde in meinem in Bezug auf die koreanische Bibelübersetzung geschriebenen und publizierten Beitrag durchgeführt: Kim, Jong-Hoon, A Study on the Translation of Parallels between Kings and Chronicles in the
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5,11b–13; 6,5b–6a.40–42; 1 Kön 8,50aβ-53), grundsätzlich auf eine hebräische Texttradition zurück. Die übrigen Unterschiede stellen meistenteils die konsonantisch oder in Bezug auf die Wortwahl voneinander abweichenden Varianten dar. Am häufigsten sind orthographische Varianten zu erkennen, wobei 2 Chr M eine Vorliebe für eine scriptio plena besitzt.16 Zudem gibt es Unterschiede der Person, des Numerus, des Genus17 sowie der Wortstellung.18 An vielen Stellen sind auch Unterschiede in der Wortwahl zu beobachten.19 Darüber hinaus sind Textzuschüsse oder ‑auslassungen zu erkennen.20 All diese Fälle spiegeln wohl die Bearbeitungstätigkeit an den hebräischen Chronikbüchern wieder. Freilich New Revised Version (1998). Based on the Analysis of 1 Ki 8:1–53 and 2 Ch 5:2–6:42, Journal of Biblical Research 35 (2014), 48–69 [koreanisch]. Die folgenden Fn. 16–20 sind hauptsächlich aus der Analyse dieses Beitrags genommen. Siehe zu den Varianten innerhalb der Königebücher: Wevers, John W., A Study in the Hebrew Variants in the Books of Kings, ZAW 20 (1945/48), 43–76. 16 דוד// ( דויד1 Kön 8,1 // 2 Chr 5,2, 1 Kön 8,15 // 2 Chr 6,4 passim); ויבאו// ( ויביאו1 Kön 8,6 // 2 Chr 5,7); לעמד// ( לעמוד1 Kön 8,11 // 2 Chr 5,14); עמד// ( עמוד1 Kön 8,14 // 2 Chr 6,3); הטיבת// ( הטיבות1 Kön 8,18 // 2 Chr 6,8); היצא// ( היוצא1 Kön 8,19 // 2 Chr 6,9); ואקם// ( ואקום1 Kön 8,20 // 2 Chr 6,10); ואשם// ( ואשים1 Kön 8,21 // 2 Chr 6,11); ישב// ( יושב1 Kön 8,25 // 2 Chr 6,16); עינך// ( עיניך1 Kön 8,29 // 2 Chr 6,20); לשמע// ( לשמוע1 Kön 8,29 // 2 Chr 6,20); והשבותם/ / והשבתם (1 Kön 8,34 // 2 Chr 6,25); לאבותם// ( ולאבתיהם1 Kön 8,34 // 2 Chr 6,25); ונתת// ( ונתתה1 Kön 8,39 // 2 Chr 6,30); יראוך// ( ייראוך1 Kön 8,40 // 2 Chr 6,31); על־איבו// ( על־אויביו1 Kön 8,44 // 2 Chr 6,34); בנתי// ( בניתי1 Kön 8,44 // 2 Chr 6,34); שביהם// ( שוביהם1 Kön 8,46 // 2 Chr 6,36); שביהם// שבים (1 Kön 8,47.48 // 2 Chr 6,37.38). Die übrigen orthographischen Varianten sind wie folgt: ויסכו// ( ויכסו1 Kön 8,7 // 2 Chr 5,8); ידעון// ( ידעו1 Kön 8,38 // 2 Chr 6,29); לבם// ( לבבם1 Kön 8,47 // 2 Chr 6,37); לבבם// ( לבם1 Kön 8,48 // 2 Chr 6,38). 17 ויהיו שם// ( ויהי־שם1 Kön 8,8 // 2 Chr 5,9); ובדיו// ( ובידיו1 Kön 8,15 // 2 Chr 6,4); [ דבריךKetib] // ( דברך1 Kön 8,26 // 2 Chr 6,17); איבו// ( איביו1 Kön 8,37 // 2 Chr 6,28; 1 Kön 8,44 // 2 Chr 6,34); תהיה// ( יהיה1 Kön 8,38 // 2 Chr 6,29); ואת־תחנתם// ( ואת־תחנתיהם1 Kön 8,49 // 2 Chr 6,39). 18 והענן מלא// ( מלא ענן1 Kön 8,10 // 2 Chr 5,13); לילה ויום// ( יומם ולילה1 Kön 8,29 // 2 Chr 6,20); ידעת לבדך// ( לבדך ידעת1 Kön 8,39 // 2 Chr 6,30). 19 הכהנים// ( הלוים1 Kön 8,3 // 2 Chr 5,4); כי// ( ויהיו1 Kön 8,7 // 2 Chr 5,8); מן־הקדש// מן־הארון (1 Kön8,8 // 2 Chr 5,9); נתן// ( חמה שם1 Kön 8,9 // 2 Chr 5,10); את־בית יהוה// ( את־בית אלהים1 Kön 8,11 // 2 Chr 5,14); בנה בניתי// ( ואני בניתי1 Kön 8,13 // 2 Chr 6,2); לארון// ( את־הארון1 Kön 8,21 // 2 Chr 6,11); עם־בני ישראל// ( עם־אבתינו1 Kön 8,21 // 2 Chr 6,11); ועל־הארץ// ( ובארץ1 Kön 8,23 // 2 Chr 6,14); לפני// ( בתורתי1 Kön 8,25 // 2 Chr 6,16); יהיה שמי// ( לשום שמך1 Kön 8,29 // 2 Chr 6,20); אל־תחנת// ( אל־תחנוני1 Kön 8,30 // 2 Chr 6,21); אל־השמים// ( מן־השמים1 Kön 8,30 // 2 Chr 6,21); אשר// ( אם1 Kön 8,31 // 2 Chr 6,22); להרשיע רשע// ( להשיב לרשע1 Kön 8,32 // 2 Chr 6,23); בהנגף// ( ואם־ינגף1 Kön 8,33 // 2 Chr 6,24); אשר// ( כי1 Kön 8,33 // 2 Chr 6,24); אליך// ( לפניך1 Kön 8,33 // 2 Chr 6,24); לבבו// ( ומכאבו1 Kön 8,38 // 2 Chr 6,29); אל־יהוה// ( אליך1 Kön 8,44 // 2 Chr 6,34); והבית// ( ולבית1 Kön 8,48 // 2 Chr 4,38). 20 Die Klammern im Folgenden bezeichnen die in den beiden Büchern gemeinsam vorhandenen Textteile. 1) Die nur in 1 Kön vorhanden Texte: ( אל־המלך שלמה8,1); ( בירח האתנים8,2); ( [ארון] יהוה8,4); ]( ו[הלוים8,4); ]( [מ]ארץ [מצרים8,9); ]( את־[בית יהוה8,10); ( את־ישראל8,16); ( [כי] אם8,19); ( מקום8,21); ( בהוציאו אתם מארץ מצרים8,21); ( ממעל … מתחת8,23); [יאמר] נא (8,26); ( אבי8,26); ( היום8,28); ( אליך8,33. 48); ]( ו[מחטאתם8,35); ( ועשית8,39); ]( כל[־בני8,39); ( האויב8,46); 2) Die nur in 2 Chr vorhandenen Texte: ( ה[לחות]ה5,10); ( והבית5,13); [מ]ארץ ]( [מצרים6,5); ( יהוה6,17); ( את־האדם6,18); ]( מן־[השמים6,23. 25. 30. 33. 35. 39); [נתת]ה להם ]( ו[לאבתיהם6,25); ]( ה[שמים6,26); ( [נגע]ו6,29); ( ללכת בדרכיך6,31); ]( ו[אתה6,33); ]( מ[מכון6,33. 39); ]( ו[ליראה6,33); ]( ו[העיר6,38).
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müssen diese für sich vom jeweiligen Kontext her betrachtet werden. Das Hauptinteresse des vorliegenden Beitrags sind die griechischen Textformen und deren Geschichte. Daher werden hier die Stellen vornehmlich besprochen, an denen die griechischen Paralleltexte trotz derselben Vorlage voneinander abweichen.
3. Analyse der griechischen Textformen und deren Besonderheiten21 3.1 Die Widerspiegelung der Flexibilität und Vielfältigkeit des AT-Textes Es ist common sense in der textgeschichtlichen Forschung, dass der Text des Alten Testaments in der hellenistisch-frühjüdischen Zeit nicht fixiert, sondern flexibel und vielfältig war.22 Dadurch sind an vielen Stellen textliche Unterschiede zu erkennen, die alle auf unterschiedliche Texttraditionen zurückgeführt werden können. In den Paralleltexten zwischen Könige‑ und Chronikbüchern sind diese Flexibilität und Vielfältigkeit nicht nur in den hebräischen Texten, wie es oben ausgeführt wurde, sondern auch in den auf die hebräische Tradition zurückführbaren griechischen Übersetzungen zu erkennen. Dafür sind vor allem die verschiedenen Kombinationen der Texte zu nennen. Im Folgenden werden einige Beispiele angeführt. 3.1.1 (1 Kön M=2 Chr M) ≠ (1 Kön G=2 Chr G) Zunächst betrachten wir eine interessante Kombination, bei der die beiden griechischen Versionen gemeinsam eine gegenüber dem M abweichende Vorlage 21 In Hinsicht auf den Textvergleich gibt es einige detaillierte Forschungen im Bereich der Könige‑ und Chronikbücher: Vannutelli, Primus, Libri Synoptici Veteris Testamenti seu Librorum Regum et Chronicorum loci paralleli, Rom 1931; Bendavid, Abba, Parallels in the Bible, Jerusalem 1965 / 2010 [hebräisch]; Crokkett, William D., A Harmony of Samuel, Kings, and Chronicles, Grand Rapids 1951 / 1985; Newsome, James, A Synoptic Harmony of Samuel, Kings, and Chronicles With Related Passages from Psalms, Isaiah, Jeremiah and Ezra, Grand Rapids 1986; Kegler, Jürgen / Augustin, Matthias, Synopse zum Chronistischen Geschichtswerk, BEATAJ 1, Frankfurt 1993; Endres, John C. / Millar, William R. / Burns, John B. (Hg.), Chronicles and its Synoptic Parallels in Samuel, Kings, and Related Biblical Texts, Collegeville 1998. Von diesen Büchern ist Vanutellis Kollation der Parallelltexte ergiebig. In der Kollation stellt Vanutelli nicht nur die hebräischen Texte, sondern auch die griechischen Übersetzungen mit den kritischen Apparaten aus der Ausgabe von Swete, wie auch die lateinische Übersetzung Vulgata und Jos. Ant., nebeneinander. Zwar ist Vanutellis Ausgabe nun veraltet, aber auf sie ist immer noch zu verweisen. 22 Vgl. Kreuzer, Siegfried, Von der Vielfalt zur Einheitlichkeit – Wie kam es zur Vorherrschaft des Masoretischen Textes?, in: Vonach, Andreas u. a. (Hg.), Horizonte biblischer Texte – FS Josef M. Oesch, OBO 196, Fribourg / Göttingen 2003, 118–129; auch Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 402–404.
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voraussetzen. In 1 Kön 8,36aβ // 2 Chr 6,27aβ steht „ּטֹובה ֖ ָ ת־ה ֶ ּ֥ד ֶרְך ַה ַ תֹורם ֶא ֛ ֵ “ּכי ִ֥ („Denn Du weisest ihnen den guten Weg“) im M. Die Septuaginta der beiden Bücher gibt dies mit „ὅτι δηλώσεις αὐτοῖς τὴν ὁδὸν τὴν ἀγαθὴν“ („Denn Du offenbarst ihnen den guten Weg“) wieder, was keinesfalls auf dieselbe Vorlage wie die des M zurückgeführt werden kann. Das Verb δηλόω steht in der Septuaginta, außer an diesen beiden Stellen, nie für ירה, sondern für ידע.23 In diesem Zusammenhang war die Vorlage der Septuaginta nicht תורםwie im M, sondern תודעם. Dieser Unterschied beruht vermutlich sowohl auf dem ähnlich aussehenden Konsonantentext, als auch auf der ähnlich klingenden Aussprache. Jedenfalls war die Vorlage der Septuaginta der beiden Bücher in diesem Fall sicherlich gegenüber M unterschiedlich. 3.1.2 (1 Kön M=2 Chr G) ≠ ( 2 Chr M=1 Kön G) Hier geht es um die zwischen den hebräischen und griechischen Paralleltexten kreuzweise übereinstimmenden Fälle. 1 Kön 8,46 // 2 Chr 6,36 treffen darauf zu. In 8,46bα liest 1 Kön M: „אֹוי֔ב ֵ ל־א ֶרץ ָה ֣ ֶ יה ֙ם ֶא ֶ „( “וְ ָׁש ֤בּום ֽׁש ֹ ֵבUnd sie [die Feinde] werden sie [Gottes Volk] gefangen führen in der Feinde Lande“). In der Septuaginta fehlt die Wiedergabe von „אֹוי֔ב ֵ ל־א ֶרץ ָה ֣ ֶ “א: ֶ „καὶ αἰχμαλωτιοῦσιν αὐτοὺς οἱ αἰχμαλωτίζοντες“.24 Interessanterweise befindet sich die passende Übersetzung in 2 Chr G 6,36bα: „καὶ αἰχμαλωτεύσουσιν οἱ αἰχμαλωτεύοντες αὐτοὺς εἰς γῆν ἐχθρῶν“. Umgekehrt unterstützt 2 Chr M die Übersetzung von 1 Kön G: „(–)יהם ֛ ֶ ׁשֹוב ֵ “וְ ָׁש ֧בּום. In diesem Fall ist zu vermuten, dass die beiden Varianten parallel existierten und sie jeweils in die beiden griechischen Versionen oder deren Vorlage kreuzweise adaptiert wurden.25 3.1.3 (1 Kön M=2 Chr M) = 1 Kön G od. 2 Chr G Bei dieser Kombination handelt es sich um einen Fall, in dem der M der beiden Bücher gemeinsam nur einen der beiden griechischen Texte unterstützt. Der andere griechische Text könnte eine weitere Texttradition widerspiegeln, soweit die Differenz nicht aufgrund der Übersetzungstechnik entstand. Zu dieser Kombination gehört der Fall von 1 Kön 8,32aβ // 2 Chr 6,23aβ. Im M der beiden Paralleltexte steht „אׁשֹו ֑ ֹ “ל ֵ ֥תת ַּד ְר ּ֖כֹו ְּבר ָ („um seinen Weg auf seinen Kopf zu bringen“), von dessen Kontext her das Substantiv „ דרךdas Verhalten des Menschen“ bedeu23 Siehe dazu: HR, 295. Vgl. Ex 6,3; 33,12; To 10,9; Ps 24[25],14; 41[42],8; 50[51],6; 147,9[20]; Jer 16,21; Dan(G) 2,23. 25. 26. 28. 29. 30; 7,16; Dan(θ’) 4,15. 24 Vgl. την γην του εχθρου Ax. Diese Variante geht vermutlich auf die hexaplarische Bearbeitung zurück. Dazu siehe: Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 38. 25 Zur ähnlichen Kombination vgl.: ַא ֞ ָּתה1 Kön M 8,43 ≠ ( וְ ַא ֞ ָּתה1 Chr 6,33=καὶ σὺ 1 Kön 8,43 G [om A]) ≠ καὶ 1 Chr 6,33 G [BANghn; + συ boc2e2 rell].
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tet. Der M wird dann in 1 Kön G unterstützt: „δοῦναι τὴν ὁδὸν αὐτοῦ εἰς κεφαλὴν αὐτοῦ“. Dagegen wird dieses Wort in 2 Chr G pluralisch wiedergegeben: „καὶ ἀποδοῦναι ὁδοὺς αὐτοῦ εἰς κεφαλὴν αὐτοῦ“, was nicht דרכו, sondern דרכיוals Vorlage voraussetzt. Somit bietet 2 Chr G gegenüber 1 Kön M, 2 Chr M und 1 Kön G wohl eine weitere Tradition. 3.1.4 1 Kön M + 2 Chr M = G (1 Kön od. 2 Chr) Hier stellt eine griechische Version eine Verbindung der ihr überlieferten unterschiedlichen Texttraditionen dar. Ein ähnliches Phänomen ist später bei einem Schreiber des Kodex Vaticanus (B) zu erkennen.26 Jedenfalls bittet Salomo in 1 Kön 8,28bβ // 2 Chr 6,19bβ Gott um sein Hören. 2 Chr M ist am kürzesten: „“א ֶ ׁ֥שר ַע ְב ְּדָך֖ ִמ ְת ַּפ ֵ ּ֥לל ְל ָפ ֶנֽיָך ֲ („was dein Knecht vor dir erbittet“). Dessen griechische Wiedergabe weicht davon ab. Sie folgt dem 1 Kön M: „ἧς ὁ παῖς σου προσεύχεται ἐναντίον σου σήμερον“ („was dein Knecht heute vor dir erbittet“) = „“א ֶ ׁ֧שר ַע ְב ְּדָך֛ ִמ ְת ַּפ ֵ ּ֥לל ְל ָפ ֶנ֖יָך ַהּיֽ ֹום. ֲ Damit könnte die Textgenese der oben besprochenen Kategorie 2) entsprechen. Allerdings weist 1 Kön G eine Differenz auf: „ἧς ὁ δοῦλός σου προσεύχεται ἐνώπιόν σου πρὸς σὲ σήμερον“ (was dein Diener heute vor dir von dir erbittet“). Zwar hat die Wiedergabe πρὸς σέ kein Äquivalent in 1 Kön M, aber sie sollte nicht für einen innergriechischen Zuschuss gehalten werden. M. E. geht die Wiedergabe προσεύχεται πρὸς σέ auf מתפלל אליךzurück, denn in unserem Textbereich ist eine solche Wiedergabe in 1 Kön 8,48 // 2 Chr 6,38 weitere zweimal belegt: 1 Kön 8,48
2 Chr 6,38
וְ ָ ׁ֣שבּו ֵא ֗ ֶליָךκαὶ ἐπιστρέψωσιν πρὸς σέ
וְ ָ ׁ֣שבּו ֵא ֗ ֶליָך
וְ ִ ֽה ְת ַ ּֽפ ְלל֣ ּו ֵא ֗ ֶליָךκαὶ προσεύξονται πρὸς σέ
(–) וְ ִ ֽה ְת ַ ּֽפ ְל ֗לּו
Somit bietet der längste Text von 1 Kön G einfach die Verbindung der zwei gewöhnlichen Ausdrücke. Der Übersetzer wollte hier wohl nicht zu einer textlichen Entscheidung kommen, sondern fügte einfach beide Traditionen zusammen, wie es auch später ein Schreiber des Kodex Vaticanus durchführte. Meiner Überlegung folgend, sind die folgenden drei unterschiedlichen Texte vorauszusetzen: (1) מתפלל לפניךgemäß 2 Chr M; (2) מתפלל לפניך היוםgemäß 1 Kön M und 2 Chr G; (3) ] מתפלל אליך [היוםgemäß einer 1 Kön G entsprechenden weiteren hebräischen Textvariante.
26 Vgl. Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 38 u. 410; auch: Kim, Jong-Hoon, Besonderheiten des Cod. B. unter Berücksichtigung des ersten Abschreibers(A), The Korean Journal of Old Testament Studies 34 (2009), 104–125 [koreanisch].
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3.2 Die Varianten in Bezug auf die Übersetzungstechnik 3.2.1 Die Varianten in der Wortwahl In den Samuel‑ und Königebüchern ist zu beobachten, dass der antiochenische Text und die Kaige-Rezension sowie Konkurrenzübersetzungen voneinander in Wortwahl und / oder grammatischer Form abweichen.27 Dieses Phänomen lässt sich in unserem Textbereich zwischen den beiden Paralleltexten ebenfalls erkennen. D. h. in unserem Textbereich sind Abweichungen zwischen den griechischen Übersetzungen der beiden Paralleltexte vorhanden, obwohl der M in den beiden Texten identisch ist. Am häufigsten sind Varianten in Bezug auf die Wortwahl belegt.28 Es gibt allerdings auch Varianten bezüglich Präfix29 oder grammatischer Formen.30 Von den Belegen betrachten wir im Folgenden zwei Beispiele. a) Die Wiedergaben für עבד In unserem Textbereich, Salomos Tempelrede und ‑gebet, kommt das hebräische Substantiv עבדals Ausdruck der sog. „höflichen Selbstbezeichnung“ elfmal vor. Diesen Ausdruck geben die beiden griechischen Texte wie folgt wieder:
Vgl. Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 384–394. τὰ ἡγιασμένα // οἱ ἀναφορεῖς ( ;הבדים1 Kön 8,8 // 2 Chr 5,9); ὠπτάνοντο // ἐβλέποντο (;יראו 1 Kön 8,8 // 2 Chr 5,9); ἐν τῷ ἐκπορεύεσθαι αὐτοὺς // ἐν τῷ ἐξελθεῖν αὐτοὺς ( ;בצאתם1 Kön 8,9 // 2 Chr 5,10); ἐκ τῶν πλευρῶν σου // ὃς ἐξελεύσεται ( ;מחלציך1 Kön 8,19 // 2 Chr 6,9); καὶ ἀνέστην // καὶ ἐγενήθην ( ;ואק[ו]ם1 Kön 8,20 // 2 Chr 6,10); ἐνώπιον // ἔναντι ( ;נגד1 Kön 8,22 // 2 Chr 6,12); ὡς σὺ // ὅμοιός σοι ( ;כמוך1 Kön 8,23 // 2 Chr 6,14); ἐξαρθήσεται // ἐκλείψει ( ;יכרת1 Kön 8,25 // 2 Chr 6,16); πλὴν καὶ // καὶ τίς ( ;אף כי1 Kön 8,27 // 2 Chr 6,18); τῆς τέρψεως // τῆς δεήσεως (אל־ ;הרנה1 Kön 8,28 // 2 Chr 6,19); ἐξαγορεύσῃ // ἀράσηται ( ;אלה1 Kön 8,31 // 2 Chr 6,22); καὶ ἐξομολογήσονται // καὶ αἰνέσουσιν ( ;אל־הרנה1 Kön 8,35 // 2 Chr 6,26); καὶ ἐπάξεις // καὶ πατάξεις ( ;ואנפת1 Kön 8,46 // 2 Chr 6,36); καὶ ἥξουσιν // καὶ ἔλθωσιν (] ;ובא[ו1 Kön 8,42 // 2 Chr 6,32). 29 καὶ ἐνεβλέποντο // καὶ ἐβλέποντο ( ;ויראו1 Kön 8,8 // 2 Chr 5,9); καὶ ἀπέστρεψεν // καὶ ἐπέστρεψεν ( ;ויסב1 Kön 8,14 // 2 Chr 6,3); εἱστήκει // παρειστήκει ( ;ע[ו]מד1 Kön 8,14 // 2 Chr 6,3); ἐξήγαγον // ἀνήγαγον ( ;הוצאתי1 Kön 8,16 // 2 Chr 6,5); καὶ ἀνέστη(om ἀν‑ Ant) // καὶ ἔστη (;ויעמד 1 Kön 8,22 // 2 Chr 6,12); ἀκούειν // ἐπακοῦσαι ( ;לשמע1 Kön 8,28 // 2 Chr 6,19); τοῦ εἰσακούειν // τοῦ ἀκοῦσαι ( ;לשמוע1 Kön 8,29 // 2 Chr 6,20); δοῦναι // ἀποδοῦναι ( ;לתת1 Kön 8,32 // 2 Chr 6,23); καὶ εἰσακούσῃ // καὶ ἀκούσῃ ( ;ושמעת1 Kön 8,49 // 2 Chr 6,39). 30 ὡς ἐξῆλθον // ἐν τῷ ἐξελθεῖν ( ;בצאת1 Kön 8,10 // 2 Chr 5,11); ὁ ἐξελθὼν // ὃς ἐξελεύσεται ( ;הי[ו]צא1 Kön 8,19 // 2 Chr 6,9); ἐπὶ τοῦ θρόνου // ἐπὶ τὸν θρόνον ( ;על־כסא1 Kön 8,20 // 2 Chr 6,10); ἀκούειν // ἐπακοῦσαι ( ;לשמע1 Kön 8,28 // 2 Chr 6,19); τοῦ εἰσακούειν // τοῦ ἀκοῦσαι ( ;לשמוע1 Kön 8,29 // 2 Chr 6,20); εἰσακούσει // εἰσακούσῃ ( ;תשמע1 Kön 8,32 // 2 Chr 6,23); πορεύεσθαι ἐν αὐτῇ // ἐν ᾗ πορεύσονται ἐν αὐτῇ ( ;אשר ילכו־בה1 Kön 8,36 // 2 Chr 6,27); ὅτι ἐξελεύσεται // ἐὰν δὲ ἐξέλθῃ ( ;כי יצא1 Kön 8,44 // 2 Chr 6,34); ὅτι οὐκ ἔστιν // ὅτι οὐκ ἔσται (;כי יצא 1 Kön 8,46 // 2 Chr 6,36). 27 28
Betrachtungen zu den griechischen Textformen der Paralleltexte
1 Könige 8,23 8,24 8,25 8,26 8,28 8,28 8,29 8,30 8,32 8,36 Ps 132,10
δοῦλος δοῦλος δοῦλος (–) (–) δοῦλος δοῦλος δοῦλος λαός δοῦλος δοῦλος
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2 Chronik 6,14 6,15 6,16 6,17 6,19 6,19 6,20 6,21 6,23 6,27 6,42
Allein bei der Betrachtung dieser Belegstellen sind zwei Phänomene zu erkennen: Erstens, abgesehen von zwei Ausnahmen31 unterscheiden sich die Paralleltexte voneinander. Zweitens, die Präferenzen innerhalb der beiden griechischen Übersetzungen sind jeweils klar zu erkennen: δοῦλος von 1 Kön und παῖς von 2 Chr. Aufgrund der begrenzten Belege ist dieses Phänomen jedoch nicht einfach als allgemeine Besonderheit anzusehen. Nach der Betrachtung der Wiedergaben von עבדder Samuel‑ und Königebücher32 verwendete die Ur-Septuaginta δοῦλος vor allem als demütig-höfliche Selbstbezeichnung. Dagegen beschrieb sie mit παῖς die Zugehörigkeit von Menschen zu einem höher Gestellten. Allerdings unterschied die Kaige-Rezension die beiden Bezeichnungen nur nach ihrem sozialen Status. Deshalb müssen die Belege von 1 Kön und 2 Chr gänzlich untersucht werden. Zunächst zu 1 Kön: Wenn man die Kaige-Abschnitte der Königebücher (βγ‑ und γδ-Abschnitt) ausschließt,33 kommt עבדin diesem Bereich 54mal vor. Abgesehen von den textkritisch oder übersetzungstechnisch zu klassifizierenden Fällen,34 werden δοῦλος und παῖς, wie oben erläutert, ausschließlich als Standardwiedergaben verwendet. δοῦλος (36mal; 66.6 %) stellt die bevorzugtere Übersetzung dar.35 Die Wiedergabe παῖς kommt aber mit 13mal (24.1 %) eben31 Zu den Ausnahmen: Die Wiedergabe von 1 Kön 8,32 (λαός) geht vermutlich auf eine freie Übersetzung zurück. In diesem Vers geht es um Gottes Gerichtsbarkeit. Gott sollte nämlich der Stimme des Menschen vom Himmel zuhören und über sie Gericht halten. Der Übersetzer des 1 Kön fasste den hier verwendeten Ausdruck עבדals Gottes Volk auf. Die Wiedergabe des 2 Chr wurde dann vermutlich später bearbeitet. Die Verse von 2 Chr 6,41 f. sind identisch mit Ps 132,10 f. Vermutlich wurde die Übersetzung ohne Berücksichtigung der Übersetzungstechnik von daher beeinflusst. 32 Vgl. Kim, Jong-Hoon, Die Wiedergabe von עבדmit δοῦλος und παῖς in der Septuaginta der Samuel‑ und Königebücher, in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin / Meiser, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 391–403. 33 Zu den Besonderheiten in diesen Abschnitten siehe: Kim, δοῦλος und παῖς in der Septuaginta, 399–402. 34 1 Kön 8,26.281.32; 9,22; 16,9. 35 1 Kön 3,6.7.8.9; 5,20[6](×2).23[9]; 8,23.24.25.26.282.29.36.52.56.59.66; 9,22; 11,11.13.26.32. 34.36.38; 12,7(×2); 15,29; 18,9; 18,12.36; 20(21),9.32.39.40.
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falls häufig vor.36 Betrachtet man die Kontexte dieser Stellen, kann man erkennen, dass παῖς nur mit der Bedeutung „Untertan einer höherrangigen Person“ verwendet wird. Zwar wird δοῦλος auch in diesem Sinne verwendet. Παῖς steht jedoch nie mit der Bedeutung „demütig-höflicher Selbstbezeichnung“ oder „Knecht Gottes“. Dies wird allein durch δοῦλος ausgedrückt. Daraus lässt sich schließen, dass der Übersetzer von 1 Kön das Bedeutungsfeld von δοῦλος weiter als das von παῖς verstand, und dass der Übersetzer von 1 Kön in diesem Fall eine etwas lockere Regel anwendete, indem er häufiger δοῦλος bevorzugte. Nun zu 2 Chr: In 2 Chr kommt עבדinsgesamt 42mal vor. 36mal (85,7 %) wird es mit παῖς übersetzt.37 Die anderen Übersetzungen sind als Ausnahmen zu betrachten. Außer in zwei übersetzungstechnisch problematischen Fällen38 wird עבדin 2 Chr 4mal (2,7[8]1; 6,23; 28,10; 36,20) (vielleicht ohne Aufmerksamkeit?) mit δοῦλος wiedergegeben. In 1 Kön fehlt an diesen Stellen jeweils ein Paralleltext. Somit lässt sich festhalten, dass 2 Chr G παῖς als die Standardwiedergabe für עבדverwendete. Zudem stellt 2 Chr G eine weitere, vermutlich spätere Übersetzungstechnik dar, die ohne Unterscheidung oder Berücksichtigung der Semantik eine konsequent wortgetreue Übersetzung herstellen wollte. Die Beziehung der Paralleltexte zwischen 1 Kön und 2 Chr ist vollumfänglich zu betrachten. Im Bereich von 2 Chr werden parallel stehende Fälle 24mal belegt. In vier Fällen sind die Wiedergaben aufgrund der Übersetzungstechnik voneinander verschieden.39 Dort, wo δοῦλος in 1 Kön steht, weicht 2 Chr mit der Verwendung von παῖς ab.40 Dort wo hingegen παῖς in 1 Kön steht, stimmt 2 Chr, außer in einem Fall (1 Kön 10,13 // 2 Chr 9,22), in dem die Wiedergabe in 2 Chr ausfällt, immer überein.41 Daraus folgt, dass der Übersetzer von 2 Chr die lockerer geregelte Übersetzung von 1 Kön durch eine konsequente Wiedergabe mit παῖς bearbeitete. Dieses Phänomen entspricht dem Anliegen der KaigeRezension, die eine auf den hebräischen Text bezogene konsequent wörtliche Bearbeitung der Ur-Septuaginta herstellte.
1 Kön 3,15; 9,27.28; 10,5.8.13; 11.17; 15.18; 20(21),6(×2).12.23.31. 1,3; 2,7[8](×2).9[10].14[15]; 6,14.15.16.17.19(×2).20.21.27.42; 8,9.18(×3); 9,4.7.10 (×2).21; 10,7; 12,8; 13,6; 24,9.25; 25,3; 32,9.16; 33,24; 34,16.20; 35,23.24. 38 2 Chr 24,6 ὑπὸ Μωυσῆ ἀνθρώπου τοῦ θεοῦ < הוה ֔ ָ ְֹׁשה ֶ ֽע ֶבד־י ֣ ֶ ;מzu 2 Chr 6,42 siehe oben Fn. 28. 39 (–) // παῖς (1 Kön 8,26 // 2 Chr 6,17); (–) // παῖς (1 Kön 8,28 // 2 Chr 6,19); λαός // δοῦλος (1 Kön 8,32 // 2 Chr 6,23); πρᾶγμα // παῖς (1 Kön 9,221[10,22c] // 2 Chr 8,9). 40 1 Kön 5,20[6] // 2 Chr 2,7[8](×2); 1 Kön 8,23.24.25.282.29.30.36 // 2 Chr 6,14.15.16.17.19. 19.20.21.27; 1 Kön 12,7 // 2 Chr 10,7; 2 Kön 12,21 // 2 Chr 24,25; 1 Kön 14,5 // 2 Chr 25,3; 1 Kön 22,12 // 2 Chr 34,20. 41 1 Kön 9,27.28 // 2 Chr 8,181.183; 1 Kön 10,5.8 // 2 Chr 9,4.7 // 2 Kön 21,23 // 2 Chr 33,24; 2 Kön 23,30 // 2 Chr 35,24. 36
37 2 Chr
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b) Die Wiedergaben für לפני In unserem Textbereich kommen die von לפניabgeleiteten hebräischen Formen neunmal vor, und deren Wiedergabe in der Septuaginta lautet wie folgt: 1 Könige 8,5 8,22 8,23 8,25 8,28 8,31 8,33 8,33 8,46
ἔμπροσθεν κατὰ πρόσωπον ἐνώπιον ἐνώπιον ἐνώπιον κατὰ πρόσωπον ἐνώπιον (–) ἐνώπιον
2 Chronik 5,6 6,12 6,14 6,16 6,19 6,22 6,24 6,24 6,36
Von diesen begrenzten Belegen aus sind nochmals zwei Phänomene zu erkennen: Erstens, die Wiedergabe innerhalb der beiden Paralleltexte ist weder konkordant noch einheitlich, sondern sie ist voneinander unterschiedlich. Nur einmal in 1 Kön 8,5 // 2 Chr 5,6 stimmen die Übersetzungen miteinander überein. Zweitens, in 1 Kön G wird die Wiedergabe ἐνώπιον bevorzugt. 2 Chr G bietet an diesen Stellen vermehrt ἐναντίον. Um dieses Phänomen einzuordnen, wird die Untersuchung auf die ganzen Bücher ausgeweitet. In Bezug auf die sog. Semipräpositionen bzw. Halbpräpositionen publizierte Sollamo eine stark auf Statistik ausgerichtete Untersuchung, in der auch die griechischen Wiedergaben für לפניanalysiert werden.42 Die Belege von 1 Kön und 2 Chr unterstützen die in unserem Textbereich entwickelte These, da 1 Kön G לפני 35mal (von 53 Belegen; entspricht 66.0 %) am häufigsten mit ἐνώπιον wiedergibt, während in 2 Chr G 27mal (von 69 Belegen = 39.1 %) ἐναντίον verwendet wird. Wenn man die mit ἐναντίον in Zusammenhang stehende Wiedergaben wie ἔναντι (1), ἀπέναντι (2), κατέναντι (3) einschließt,43 wird der Begriff in 2 Chr G an ca. 47.8 % aller Belegstellen verwendet. Sollamo bezog in seine Analyse die Beziehung zwischen den Paralleltexten nicht mit ein. Nach der Betrachtung des Textbereichs wird jedoch deutlich, dass der Übersetzer von 2 Chr G die Wiedergabe ἐναντίον für לפניbevorzugte. Es ist nun zu fragen, wie belegt werden kann, dass dieses Phänomen wirklich eine allgemeine übersetzungstechnische Vorliebe war. Zur Bestätigung dieser Annahme teilen wir die Belege in zwei Klassen ein. Zunächst besitzen 43 Fälle von 69 Belegen in 2 Chr keinen Paralleltext in 1 Kön. An 20 (46.5 %) von diesen Stellen gibt die Septuaginta לפניmit ἐναντίον (14), ἔναντι (4), ἀπέναντι (1), oder κατέναντι 42 Sollamo, Raija, Renderings of Hebrew Semiprepositions in the Septuagint, Helsinki 1979, 13–80. 43 Zum innergriechischen Zusammenhang dieser Wiedergaben, vgl. Sollamo, Renderings, 21–29.
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(1) wieder.44 Andere Wiedergaben erfolgen hingegen vergleichsweise selten.45 Daher kann geschlossen werden, dass der Übersetzer von 2 Chr ursprünglich diese Wiedergabe bevorzugte. Weiterhin sind die Belege von 2 Chr zu betrachten, bei denen jeder Text seinen betreffenden Paralleltext in 1 Kön besitzt (26mal). An diesen Stellen geben die beiden Texte לפניnur in 1 Kön 22,21 // 2 Chr 18,20 gemeinsam mit ἐνώπιον wieder. Ansonsten weichen die Texte voneinander ab. Es ist also zu vermuten, dass die Übersetzer ihre Wortwahl bewusst trafen. Am häufigsten gibt 1 Kön G לפני im Unterschied zu 2 Chr G mit ἐνώπιον wieder. In 2 Chr G wird in der Regel ἐναντίον für לפניverwendet.46 Andere Wiedergaben stellen erneut Ausnahmen dar.47 Diese Betrachtung bezeugt sowohl, dass der Übersetzer von 1 Kön die Wiedergabe ἐνώπιον bevorzugte, als auch, dass die Abweichungen bewusst herbeigeführt wurden. 3.2.2 Die Verwendung des griechischen Artikels Nach der Untersuchung unseres Textbereichs bietet 1 Kön G offensichtlich keine auf die Ausgangssprache gezielte Übersetzung, sondern eine freie. Dagegen stellt 2 Chr G im Großen und Ganzen eine der hebräischen Vorlage getreue, nämlich hebraisierende Übersetzung dar.48 Die wird vor allem an den Umstellungen, Abkürzungen oder Auslassungen in 1 Kön G sichtbar.49 Z. B. weicht 1 Kön G in 8,1–5 sowohl von seiner Vorlage als auch von der Vorlage des Paralleltextes 2 Chr 5,2–6 ab. In diesem Abschnitt geht es inhaltlich um Salomos Aufruf zur Einbringung der Bundeslade aus der Stadt Davids in den Jerusalemer Tempel. In V. 1 fügt 1 Kön G die Angaben über die Bauzeit von Tempel und Palast, die zum Teil aus 1 Kön 9,1 stammen, hinzu. Eine 44 ἐναντίον: 13,15; 14,11.12; 20,9; 25,8; 26,19; 28,14; 29,11.19.23; 30,9(rell. vgl. ἀντὶ B); 31,20; 34,24.27; ἔναντι: 1,5; 20,13.18; 27,6; ἀπέναντι: 2,3[4]; κατέναντι: 2,5[6]. 45 (–):14,4[5].6[7]; 20,12; ἐνώπιον: 1,6.10; 18,20; ἔμπροσθεν: 3,15; 9,11; 13,13; 15,8; 20,21; πρὸ προσώπου: 19,11; κατὰ πρόσωπον: 13,7.8; 20,5; 34,4; εἰς ἀπάντησιν: 15,2; 20,17, 28,9; εἰς συνάντησιν: 14,9[10]; πρὸς: 24,14; πρὸ: 33,19; ἔσω εἰς: 29,16. 46 1 Kön 8,23.25.28.33.46 // 2 Chr 6,14.16.19.24.36; 1 Kön 8,62 // 2 Chr 7,4; 1 Kön 9,1.6 // 2 Chr 7,17.19; 1 Kön 9,25 // 2 Chr 8,12; 1 Kön 12,6 // 2 Chr 10,6; 1 Kön 22,10 // 2 Chr 18,9; 2 Kön 18,22 // 2 Chr 32,12; 1 Kön 22,10 // 2 Chr 34,18; 1 Kön 22,192 // 2 Chr 34,272; 1 Kön 23,3 // 2 Chr 34,31. 47 κατὰ πρόσωπον (1 Kön 7,49[35] // 2 Chr 4,20); ἔμπροσθεν (1 Kön 8,5 // 2 Chr 5,6); κατὰ πρόσωπον // κατέναντι (1 Kön 8,22.31 // 2 Chr 6,12.22); (–) // ἐναντίον (1 Köm 8,33 // 2 Chr 6,24); κατὰ πρόσωπον // (–) (1 Kön 8,64 // 2 Chr 7,7); ἐνώπιον // (–) (1 Kön 10,8 // 2 Chr 9,7); πρὸ προσώπου // ἐναντίον (1 Kön 12,8 // 2 Chr 10,8); ἐνώπιον (1 Kön 22,21 // 2 Chr 18,20); ἀπὸ προσώπου // κατὰ πρόσωπον (2 Kön 14,12 // 2 Chr 25,22); κατὰ πρόσωπον // ἐναντίον (2 Kön 11;18 // 2 Chr 23,17). 48 Vgl. Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang (Hg.), Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare., Bd. 1, Stuttgart 2011, 1044. 49 1 Kön 8,8 // 2 Chr 5,9; 1 Kön 8,12–13 // 2 Chr 6,1–2; 1 Kön 8,41 // 2 Chr 6,32; 1 Kön 8,49 // 3 Chr 6,39.
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solche Umstellung ist in 1 Kön G nicht selten zu erkennen.50 Weiterhin zählt 1 Kön G nur die Ältesten (πάντας τοὺς πρεσβυτέρους Ισραηλ) als Teilnehmer auf; die restlichen Anwesenden, wie etwa die Oberhäupter der Stämme und die Fürsten der Geschlechter, die in 1 Kön M, 2 Chr M // G auftreten, erwähnt 1 Kön G nicht. In V.2 gibt 1 Kön M als Zeitpunkt der Tempeleinweihung Salomos zwei an, nämlich „“ּבֶי ַ�֥רח ָה ֵ ֽא ָת ִנ֖ים ְ nach dem israelitischen Kalender und mit „ַה ֥חֹ ֶדׁש יעי ֽ ִ “ה ְּׁש ִב ַ eine Erläuterung gemäß des babylonischen Kalenders. 2 Chr M // G 5,3 gibt nur die zweite Angabe an. In 1 Kön G wird der gesamte Vers zu „ἐν μηνὶ Αθανιν“ abgekürzt. Diese Abkürzung kann wohl nicht auf eine andere Vorlage zurückgeführt werden, sondern beruht auf einer Bearbeitung des Übersetzers, der die babylonische Angabe wohl nicht stehen lassen wollte. Weiter beinhaltet 1 Kön G in den V. 3–5 eine gekürzte Wiedergabe. Als weitere Besonderheit hinsichtlich der Übersetzungstechnik wird im Folgenden die Verwendung des griechischen Artikels betrachtet. In der Septuaginta repräsentiert der griechische Artikel hauptsächlich drei Aspekte des hebräischen Textes: Er steht dort, wo (1) im Hebräischen ein Artikel steht; (2) im Hebräischen eine nota accusativi verwendet wird; (3) die Vorlage eine hebräische Präposition mit einem Infinitivus constructus beinhaltet. Von dem Gesichtspunkt der Übersetzungstechnik her betrachtet, gibt es mehrere Möglichkeiten, die syntaktischen Konstruktionen (2) und (3) wiederzugeben. Es ist im Bereich der Samuel‑ und Königebücher bekannt, dass die Verwendung des griechischen Artikels ein wesentliches Merkmal der Kaige-Rezension ist.51 Dazu können einige Beispiele aus unserem Textbereich angeführt werden. Im Hebräischen darf kein Artikel verwendet werden, wenn ein Substantiv als nomen regens durch ein nomen rectum oder Personalsuffix determiniert ist. Dagegen braucht die griechische Grammatik in diesem Fall normalerweise einen Artikel. Aufgrund dieser Regel trennt sich eine auf die Zielsprache ausgerichtete 50 Vgl. Swete, Henry B., An Introduction to the Old Testament in Greek, Cambridge 1914 / 1989, 245–249; und zur folgenden Tabelle vgl. Kim, Jong-Hoon, An Introduction to the Septuagint, Seoul 2009 [koreanisch], 83: G M 4,17–19 4,18.19.17 5,2–3.4–6.7–14 5,7–8.2–4.9–14 5,14a–32 5,15–30.32b 6,1a–1d 5,31–32a 6,4–5.6–7.8.9–15.16–34 6,37–38.2–3.14.4–10.15–36 7,1–6.7.8–9.10–11.12–13 7,13–18.21.19–20.23–24.26.25 7,14–37.38–50 7,27–51.1–12 10,22a.22b.22c 9,15.17–19.20–22 10,26a 5,1 11,3–8 11,4.3.7.5.8.6 20; 21 21; 20 51 Vgl. Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 97 f.; Kreuzer, Towards the Old Greek, 239–253; Kreuzer, Das frühjüdische Textverständnis, 3–28; Kreuzer, Textformen und Bearbeitungen, 91–115; Kreuzer, Translation and Recensions, 43–76.
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Übersetzung von einer hebraisierenden. In unserem Textbereich sind solche Fälle an den folgenden Stellen zu erkennen: 1 Kön 8,15 8,15 8,18 8,18 8,23 8,30 8,32 8,34
בפניוἐν τῷ στόματι αὐτοῦ וביד[י]וκαὶ ἐν ταῖς χερσὶν αὐτοῦ אל־דו[י]ד אביπρὸς Δαυιδ τὸν πατέρα μου עם־לבבךἐπὶ τὴν καρδίαν σου בכל־לבםἐν ὅλῃ τῇ καρδίᾳ αὐτοῦ ועמךκαὶ τοῦ λαοῦ σου ]?[ דרכיו/ דרכוτὴν ὁδὸν αὐτοῦ עמךτοῦ λαοῦ σου
2 Chr 6,4 6,4 6,8 6,8 6,14 6,21 6,23 6,25
In diesen Fällen sind alle Substantive durch ein Personalsuffix determiniert. Daher steht im hebräischen Text kein Artikel. Dieser Text wird in 2 Chr G graphemisch ohne Artikel nachgebildet. In 1 Kön G wird hingegen der Artikel aufgrund der Regeln der griechischen Grammatik hinzugefügt. Darüber hinaus ist die Verwendung in 1 Kön 8,16 // 2 Chr 6,5 zu betrachten. Der hebräische Text der beiden Stellen liest: „ל־ע ִ ּ֥מי יִ ְׂש ָר ֵ ֽאל ַ “ע. ַ Dieser Text wird in 2 Chr G mit „ἐπὶ τὸν λαόν μου (–) Ισραηλ“ wiedergegeben. Bei der Präposition übernahm der Übersetzer von 2 Chr die gewöhnliche Wiedergabe mit Artikel, ließ aber bei der Apposition „Israel“ den Artikel aus, weil er im Hebräischen nicht vorhanden ist. Dagegen fügte der Übersetzer von 1 Kön der griechischen Grammatik gemäß den Artikel vor Israel hinzu. Umgekehrt sind solche Fälle zu erkennen, in denen 2 Chr G gegenüber 1 Kön G den Text mit Artikel wiedergibt, weil der Artikel oder eine Präposition im hebräischen Text vorhanden ist: 1 Kön 8,17 8,23 8,30 8,43 8,43
לבנות הברית והחסד מן[אל]־ השמים [ו]ליראה [ו]לדעת
2 Chr (–) οἰκοδομῆσαι 6,7 (–) διαθήκην καὶ (–) ἔλεος 6,14 ἐν (–) οὐρανῷ 6,21 καὶ φοβῶνταί καὶ γνῶσιν
6,33 6,33
1 Kön 8,17 // 2 Chr 6,7; 1 Kön 8,44 // 2 Chr 6,33 weisen dasselbe Phänomen auf, nämlich die Verwendung des griechischen Artikels für die Präposition לzusammen mit einem infinituvus constructus. In 1 Kön 8,17 // 2 Chr 6,7 sind die beiden hebräischen Texte identisch: „ֹלהי ֥ ֵ הו֖ה ֱא ָ ְם־ל ַ ֖בב ָּדִו֣ד ָא ִ ֑בי ִל ְבנ֣ ֹות ַּ֔ביִת ְל ֵ ׁ֥שם י ְ וַ יְ ִ֕הי ִע „( “יִ ְׂש ָר ֵ ֽאל׃Und es geschah am Herzen Davids, meines Vaters, dem Namen des Herrn, des Gottes Israels ein Haus zu bauen“). Diesen Satz übersetzt 1 Kön G: „καὶ ἐγένετο ἐπὶ τῆς καρδίας Δαυιδ τοῦ πατρός μου οἰκοδομῆσαι οἶκον τῷ ὀνόματι κυρίου θεοῦ Ισραηλ“. Von der griechischen Syntax her ist die Verwen-
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dung des Infinitivs mit ἐγένετο für einen unpersönlichen Ausdruck zu halten.52 Dagegen wurde in 2 Chr G ein Artikel im Genitiv dem Infinitiv anstelle der Präposition לbeigegeben.53 In 2 Chr 6,33 G sind dieselben Ausdrücke mit Artikel wiedergegeben. Allerdings bietet 1 Kön 8,43 G eine weitere Möglichkeit der Wiedergabe, nämlich die Konjunktivformen im Aorist in Bezug auf die Wiedergabe des vorangestellten Satzes: „ὅπως γνῶσιν πάντες οἱ λαοὶ τὸ ὄνομά σου“(damit alle Völker deinen Namen kennen) // „ת־ׁש ֶ֗מָך ְ ל־ע ֵּ֙מי ָה ָ֜א ֶרץ ֶא ַ “ל ַ ֣מ ַען יֵ ְדעּון֩ ָּכ. ְ Im hebräischen Text variieren die drei vorkommenden Verben in zwei Weisen: Das erste Verb wird mit למען in finiter Form ( ֩ )יֵ ְדעּוןverwendet, dagegen das zweite und dritte mit לin infititi‑ vus constructus. Die Übersetzung von 2 Chr ahmt diese Konstruktion graphemisch nach. 1 Kön G hingegen vereinigt die in M variierenden Formen durch die erste Konstruktion. 1 Kön 8,23 // 2 Chr 6,14; 1 Kön 8,30 // 2 Chr 6,21 sind auf einer anderen Ebene zu betrachten. In beiden Fällen ließ 1 Kön G gegenüber 2 Chr G jeweils den Artikel ausfallen, auch wenn er im hebräischen Text vorhanden ist. Zunächst zu διαθήκην καὶ ἔλεος in 1 Kön 8,23 G: Vermutlich fasst der Übersetzer die beiden Begriffe als miteinander eng verbunden auf. Im Griechischen kann der Artikel ausfallen, wenn die miteinander verbundenen Substantive eine allgemeine Bedeutung ausdrücken oder in einem näheren Verhältnis zueinanderstehen.54 Aufgrund der Betrachtung des Textbereichs von 2 Sam ist dieses Phänomen zwischen dem antiochenischen Text und der Kaige-Rezension zu erkennen.55 In diesem Sinne ist zu vermuten, dass die Wiedergabe von 1 Kön die Ur-Septuaginta und die von 2 Chr eine auf die Ausgangssprache gezielte spätere Wiedergabe wiederspiegelt. Diese Betrachtung gilt ebenfalls im Fall von 1 Kön 8,30 // 2 Chr 6,20. Abgesehen vom textkritischen Problem der unterschiedlichen Präpositionen stimmen der M und 2 Chr G in Bezug auf die Verwendung des Artikels wie auch immer miteinander überein. Dagegen bietet 1 Kön G die Wiedergabe ohne Artikel: ἐν οὐρανῷ. Vom Griechischen her ist das Ausfallen des Artikels in diesem Fall ebenfalls erklärbar: „Ungemein häufig ist die Weglassung des Artikels in der Verbindung mit Präpositionen, weil alsdann der Ausdruck einen adverbialen Charakter annimmt, die Gegenstände weniger bestimmt hervortreten.“56 Von der Betrachtung der Verwendung des Artikels aus ist zu sagen, dass 1 Kön G die ältere Übersetzung zu 2 Chr G darstellt, und dass 2 Chr G für eine auf die Ausgangssprache zielende, graphemisch wortwörtliche Übersetzung gehalten werden kann. Vgl. BDR § 3931. Vgl. BDR § 4007. 54 Dazu siehe: KG § 462 k. 55 Zu den Beispielen vgl. Kim, Textformen der Samuel‑ und Königebücher, 112. 56 KG § 462 f. 52 53
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4. Fazit Der vorliegende Beitrag untersucht die in den Samuel‑ und Königebüchern erkennbaren Phänomene. Dafür werden die Paralleltexte zwischen 1 Kön und 2 Chr betrachtet. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass die beiden griechischen Versionen von voneinander unabhängigen Übersetzern zu unterschiedlichen Zeiten hergestellt wurden. Die spätere Version kannte die frühere Übersetzung offenbar. Diese Annahmen können von den jeweiligen Übersetzungstechniken verifiziert werden. Vom ersten Lesen her ist intuitiv zu erfassen, dass 2 Chr wortgetreuer zur Vorlage als 1 Kön ist. Diese Tatsache lässt eine weitere Annahme zu: Analog zur Relation zwischen dem antiochenischen Text und der Kaige-Rezension entstand die der Ausgangssprache treue, wortwörtliche Übersetzung später als die auf die Zielsprache bezogene, freie Übersetzung. In diesem Zusammenhang ist unsere Untersuchung wie folgt zusammenzufassen: (1) Die beiden hebräischen und griechischen Texte gehen auf eine Tradition zurück. Sie entstanden jedoch beide in einer Phase der Flexibilität und Vielfältigkeit, in der sie sich auch miteinander vermischten. Dieses Phänomen ist in den verschiedenen Büchern des Alten Testament zu erkennen.57 In unserem Textbereich befinden sich verschiedene Kombinationen unterschiedlicher Texttraditionen, was sicherlich die Flexibilität und Vielfältigkeit der Traditionen zwischen den beiden Büchern wiederspiegelt. (2) In vielen Fällen, in denen die hebräischen Texte der beiden Bücher identisch sind, weichen die beiden griechischen Versionen voneinander ab. Dieses Phänomen entspricht der Beziehung zwischen dem antiochenischen Text und der Kaige-Rezension der Samuel‑ und Königebücher. Aufgrund unserer Untersuchung ist zu festzuhalten, dass 2 Chr G schon 1 Kön G kannte und mit einer gegenüber 1 Kön G abweichenden, zur Ausgangssprache treuen Übersetzungstechnik seine eigene Wiedergabe schuf. Zum Schluss kann man vorsichtig, aber durchaus mit einer gewissen Plausibilität sagen: Die auf die Ausgangssprache abzielende Übersetzungs‑ bzw. Bearbeitungstechnik, wie sie die Kaige-Rezension aufweist, ist nicht bloß eine Tendenz der erst in der hellenistisch-frühjüdischen Zeit nachweisbaren Hermeneutikregeln, sondern sie setzt einen noch älteren, von Haus aus wortwörtlich wiedergegebenen Vorläufer, nämlich einen von Barthélemy bezeichneten sog. „Devancier“, voraus. Dieser wurde in der Zeit der weiterführenden Bearbeitung 57 Abgesehen von den Geschichtsbüchern einige von mir untersuchte Textbereiche aus den Zwölfpropheten, siehe: Kim, Jong-Hoon, „Text und Übersetzung des griechischen Zephanjabuches“, in: Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus (Hg.), Die Septuaginta – Entstehung, Sprache, Geschichte, WUNT 286, Tübingen 2012, 155–166; Kim, JongHoon, „Die hebräischen Textformen der hellenistisch-frühjüdischen Zeit. Ausgehend vom Habakuk-Text der griechischen Zwölfprophetenrolle aus Naḥal Ḥever (8 ḤevXIIgr)“, in: Wagner, Thomas / Robker, Jonathan M. / Ueberschaer, Frank (Hg.), Text – Textgeschichte – Textwirkung, FS Siegfried Kreuzer, AOAT 419, Münster 2014, 347–357.
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der Septuaginta angewendet, weiterentwickelt und sukzessive entfaltet. Natürlich braucht unsere Betrachtung weitere Bestätigung aus anderen Textbereichen. Dies wird die nächste Aufgabe nach dem vorliegenden Beitrag sein.
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Was haben sie sich nur dabei gedacht? Zur Textüberlieferung von Ez 1 in M und LXX Thomas Wagner Die das dritte große Prophetenbuch der Hebräischen Bibel einleitende Vision in Ez 1 war für die Tradenten des Textes eine der größten Herausforderungen, der sie sich bei der Überlieferung der Zeugnisse ihrer Glaubensgemeinschaft stellen mussten. Die Erfahrung göttlicher Gegenwart außerhalb des Jerusalemer Tempels, von der der Prophet in der Vision berichtet, besitzt für Synagogalgemeinden schon in hellenistischer Zeit ihre besondere Bedeutung. Bereits in der frühjüdischen Literatur bildete sich die Vorstellung vom göttlichen Thronwagen oder besser noch, von seiner merkabah, aus, durch die göttliche Präsenz vermittelt wird. Im Kontext der Ausbildung dieser Theologie entstand auch die LXX-Version von Ez 1. Diese weist gegenüber der M-Fassung eine hohe Anzahl an Unterschieden auf, sodass Ez 1 LXX und Ez 1 M jeweils eigenständige Interpretationen der Vision darstellen. Dies wurde in der Forschung bereits mehrfach untersucht, oftmals mit der Annahme verbunden, Ez 1 LXX basiere auf einer hebräischen Vorlage, aus der sich die masoretische Fassung entwickelte.1 Ez 1 M stellt dementsprechend eine spätere Deutung der ursprünglichen, in LXX überlieferten Vision des Propheten dar. Die semantischen und syntaktischen Besonderheiten des M sind also Überarbeitungen eines ursprünglich kohärenten Textes. Die bisherigen Studien gewinnen ihr Ergebnis, indem sie jeweils zu den einzelnen Textunterschieden Bezug nehmen. Sie fragen jedoch nicht nach Zusammenhängen innerhalb des Textes, die weitere Abweichungen bedingen. Damit fehlt die Frage, ob der Verfasser der jeweiligen Version ein geschlossenes Textkonzept verfolgt, dem die Unterschiede geschuldet sind. Wie sich im Folgenden zeigen wird, lassen sich wesentliche Unterschiede der beiden Versionen auf ein jeweils spezifisches Konzept zurückführen. Wenn Ez 1 M und Ez 1 LXX jeweils ein ei1 Vgl. Zimmerli, Walther, Ezechiel 1–24, BKAT XIII/1, Neukirchen-Vluyn 1969, 3–8; Lust, Johan, Notes to the Septuagint. Ezekiel 1–2, EThL 75 (1999), 5–31.28–31; Greenberg, Moshe, Ezechiel 1–20, HThKAT, Freiburg u. a. 2001, 50 f., der die Unterschiede zwischen M und LXX auf Dubletten in Ez 1 M reduziert. Zu den beiden folgenden Kapiteln des Ezechielbuches vgl. Greenberg, Moshe, The Use of the Ancient Versions for Interpreting the Hebrew Text. A Sampling form Ezekiel II,1–III,11, in: Emerson, John A. u. a. (Hg.), Congress Volume Göttingen 1977, VTSup 29, Leiden 1978, 131–148, bes. 147.
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genständiges Textkonzept besitzen, sind diese zu kontextualisieren, um Aussagen über ihre Entstehungszeit und damit auch über die zeitliche Priorität eines Textes treffen zu können. Aussagen über einen möglichen ursprünglichen Text lassen sich demzufolge nur mit Außenevidenzen und nicht durch eine rein textkritische Binnenperspektive gewinnen. Als Außenevidenz können sowohl textgeschichtliche (Überlieferung in Qumran sowie Rezeption in frühjüdischen Texten), als auch motivkritische Aspekte (Anleihe an kulturellen Leitbildern2) dienen.
1. Das Textkonzept von Ez 1 M Ez 1 M ist syntaktisch vor allem durch eine ungewöhnliche Verwendung von Suffixen geprägt. Mehrfach werden im Text feminine Suffixe bezogen auf maskuline Nomina resp. maskuline Suffixe bezogen auf feminine Nomina verwendet. Dieser Gebrauch erfolgt vor allem bei der Beschreibung der חיֹּות,ַ was in der Forschung zu der Annahme führte, dass der Verfasser des Textes damit auf Ez 10 voraus verweist.3 In Ez 10 wird das in Ez 1 geschaute Gebilde erneut vom Propheten wahrgenommen, doch im Wissen darum, dass die Wesen Keruben sind, auf denen der Thronsitz JHWHs ruht. Entsprechend wird in Ez 10 passend zum Nomen m.pl. das Suffix m.pl. verwendet. Dieser Bezug mag der Ursprung des Sprachspiels gewesen sein, doch kann er kaum die verschiedenen Phänomene erklären, die sich am Text beobachten lassen. Erstmals erwähnt werden die ַחיֹּות in V. 5. In diesem Vers werden ausschließlich Suffixe f.pl. verwendet, so dass syn2 Die Anleihe an kulturellen Leitbildern ist ein in den hebräischen und griechischen Schriften wiederkehrendes Phänomen, dessen Bedeutung für die Analyse von biblischen Texten oftmals methodisch unreflektiert bleibt. Eine erste methodische Anleihe wurde in der sich an literaturwissenschaftlichen Methoden anlehnenden exegetischen Tradition unternommen, die in ihrer Frühphase von Wolfgang Richter geprägt wurde. Maßgeblich zur Beschreibung von Einflüssen auf Texte ist sicherlich die Studien von Hemerén, Göran, Influence in Art and Literature, Princeton 1975, anzusehen, der sechs Kriterien für die Bestimmung von Einflüssen nennt. Einen neuen methodischen Ansatz bietet die 2014 publizierte Dissertation von Shawn, W. Flynn, YHWH is King. The Development of Divine Kingship in Ancient Israel, VTSup 159, Leiden / Boston, MA 2014, 87–89, der Anleihen an ethnologischen Arbeitstechniken und Forschungsergebnissen nimmt. Auch wenn die einzelnen Arbeitstechniken vor allem hinsichtlich der Reflexion von wahrnehmungsleitenden Aspekten kritisch zu hinterfragen sind, sind die von Shawn genannten vier Kriterien zur Beurteilung von motivischen Anleihen ohne direkte sprachliche Bezüge zu bedenken: 1. Motivations, 2. Source of Motivations, 3. Coherence and Resonance und 4. Charity in Translation. 3 Vgl. Höhne, Ernst, Die Thronwagenvision Hesekiels. Echtheit und Herkunft der Vision Hes. 1,4–28 und ihrer einzelnen Züge, Dissertation, Erlangen 1953, 80–84; so auch Zimmerli, Ezechiel 1–25, 24; Becker, Joachim, Ez 8–11 als einheitliche Komposition in einem pseudepigraphischen Ezechielbuch, in: Lust, Johan (Hg.), Ezekiel and his Book. Textual and Literary Criticism and their Interrelation, BETL 74, Leuten 1986, 136–150, 146; Keel, Othmar, JahweVisionen und Siegelkunst. Eine neue Deutung der Majestätsschilderungen in Jes 6, Ez 1 und 10 und Sach 4, SBS 84/5, Stuttgart 1988, 139; Greenberg, Ezechiel 1–20, 68.
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taktische Inkongruenzen erst mit dem V. 6 abschließenden ָל ֶהםbeginnen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass in V. 6 ֶא ָחתfeminin Singular gebraucht wird, um das einzelne Wesen zu bezeichnen. In V. 13 wird dann der inkongruente Gebrauch der Personalsuffixe vorerst beendet und ein Suffix f.pl. bezogen auf die ַחיֹּותdargeboten. Dies geht mit dem Abschluss der Darstellung der ַחיֹּות einher. Der Wechsel dient offenbar als literarische Klammer, die die Beschreibung der vier Wesen innerhalb der Vision abgrenzt. In V. 12 wird ein weiterer Aspekt sichtbar, der durch den Wechsel des grammatischen Geschlechts ausgedrückt wird. In diesem Vers beziehen sich die maskulinen Verb‑ und Suffixformen durchgehend auf die einzelnen Lebewesen, was wiederum bedeutet, dass die Verben m.pl. Handlungen ausdrücken, die von jeder der vier ַחיֹּותeinzeln begangen werden. Erst das abschließende ( ְבּ ֶל ְכ ָתּןinf. cons. mit Präposition und Suffix f.pl.) bezeichnet ein Vorgehen, das von der Gesamtheit der vier Wesen vollbracht wird. In V. 12 wird also beschrieben, wie jeder einzelne in Blickrichtung seiner Gesichter geht, sich die Wesen jedoch nicht im Kreis drehen, während sich das Gesamte wohl synchron bewegt. Erst durch die Differenzierung der grammatischen Geschlechter wird es dem Leser möglich, zu verstehen, wer sich bewegt. Ein weiterer die Vision bestimmender Aspekt wird erneut in V. 12 sichtbar. In diesem Vers wird das einzelne Wesen mit ִאישׁbezeichnet.4 Dieser Gebrauch ist dahingehend ungewöhnlich, als dass nach V. 5 ֶא ָחתzu erwarten wäre. Die Verwendung von אישׁ ִ / ִא ָשּׁהfür ein Wesen resp. für ein Körperteil wiederholt sich mehrfach in der Vision (V. 9.11.12.23). Sie tritt immer dann auf, wenn zwischen dem einzelnen Lebewesen und der Gesamtheit differenziert wird. Wird nur ein Wesen / Gegenstand behandelt und wird dieses / dieser nicht in Beziehung zur Gesamtheit gesetzt, dann wird ֶא ָחדverwendet. In den V. 9.23 findet sich eine Formulierung, die aus diesem Gebrauch heraus gebildet ist und die nur auf der Basis des gerade Gezeigten verstanden werden kann. In beiden Versen wird die Position der Flügel mit der Aussage ִא ָשּׁה חֹותהּ ָ ל־א ֲ ֶאbeschrieben. In den Erläuterungen zu LXX.D geben die Verfasser als wörtliche Übersetzung „eine Frau an ihre Schwester“5 an. חֹותהּ ָ ֲאscheint an dieser Stelle jedoch eine andere Bedeutung zu besitzen. Der Verfasser der Vision versteht es nicht als f.pl. von אחו ֺת, ָ sondern als f.pl. von א ָחד. ֶ Eine Bildung f.pl. dieses Zahlwortes ist alttestamentlich nicht belegt, so dass sie lexikalisch nicht erfasst wird. Im Kontext der Vision ist der Begriff jedoch nicht anders als als Gesamtheit aller vier Flügel zu verstehen. 4 Vgl. Block, Daniel I., Text and Emotion: A Study of the „Corruptions“ in Ezekiel’s Inaugural Vision (Ezekiel 1:4–28), CBQ 50 (1988), 418–442, 420. 5 Hammerstaedt-Löhr, Almut / Konkel, Michael / Usener, Knut, Jezekiel Ezechiel / Hesekiel, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang (Hg.), Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament. Band II Psalmen bis Daniel, Stuttgart 2011, 2849–3007, 2860.
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Eine weitere Besonderheit findet sich in V. 10. Der Vers wird mit dem Wort אַר ַבּ ְע ָתּן ְ ְלabgeschlossen. Dieser trägt ein Suffix f.pl., das sich auf die ַחיֹּותbezieht. Im selben Vers wird zuvor אַר ַבּ ְע ָתּם ְ ְלmit Suffix m.pl. mit demselben Bezug verwendet. Vergleicht man die Verteilung der grammatischen Geschlechter in V. 10, dann fällt auf, dass vor dem ersten אַר ַבּ ְע ָתּן ְ ְלder Begriff „( שֹׁורRind“) m.sg., vor dem zweiten אַר ַבּ ְע ָתּן ְ ְלdas Wort „( נֶ ֶשׁרAdler“) m.sg. verwendet wird. Vor אַר ַבּ ְע ָתּם ְ ְלsteht ל־היָּ ִמי ַ ֶאund damit grammatisch f.sg. Betrachtet man von dieser Beobachtung ausgehend die Verteilung der grammatischen Geschlechter in den V. 6–10 erneut, dann erschließt sich der Gebrauch vollständig. Der Bezug zu den ַחיֹּותwird immer dann durch ein Suffix m.pl. hergestellt, wenn zuvor ein Nomen im f.sg. oder pl. erscheint. Dies bedeutet also, dass die auf die ַחיֹּותbezogenen Suffixe nicht grundsätzlich maskulin sind, sondern dass den ַחיֹּותgrundsätzlich das andere Geschlecht zugewiesen wird. Im zweiten Abschnitt der Vision, in der die Räder, die zu den Füßen der ַחיֹּות stehen, beschrieben werden, wiederholt sich der Gebrauch der Pronominalsuffixe, hier bezogen auf die Räder. In V. 18 wird sichtbar, dass der Wechsel des Genus der Räder nur dann erfolgt, wenn nicht gleichzeitig die ַחיֹּותgenannt werden. Treten diese auf, dann behalten die auf die אֹופנִּ ים ַ bezogenen Pronominalsuffixe das passende grammatische Geschlecht bei. „Damit deutet der Autor an, dass die Räder zwar eine eigene Entität darstellen, dass sie aber gegenüber den Lebewesen eine geringere Wertigkeit besitzen.“6 Neben dem Wechselspiel mit den Pronominalsuffixen fällt der abgehackte Stil auf, in dem der Verfasser schreibt. Mehrfach stehen Nomen unverbunden in den Sätzen, so dass es unklar ist, welche Funktion sie innerhalb des Satzes besitzen. Die in Ez 1 beschriebenen Motive lassen jedoch einen Schluss zu, warum der Verfasser diese ungewöhnliche Syntax verwendet. Das in der Mitte der ַחיֹּות brennende Feuer wird durch die Bewegung der Lebewesen wechselnd verdeckt und frei gegeben, so dass der Prophet nur temporär etwas sehen kann. Die Aneinanderreihung einzelner Nomina spiegelt genau diesen Vorgang wieder. Ez 1 bietet also eine partielle Beschreibung, da Ezechiel nicht in der Lage war, die Wesen dauerhaft sehen zu können. Vielmehr nimmt er die ַחיֹּותin Lichtblitzen aufleuchtend in Bewegung wahr, ohne dass er den gesamten Bewegungsablauf sehen kann. Die schwierigen grammatischen Bezüge innerhalb der Vision lassen für Ez 1 M nur ein Fazit zu: Der Text wurde als solcher verfasst, damit der Leser nicht versteht, was der Prophet sieht. Der Text erschließt sich erst von seinem Ende und der Erkenntnis her, die göttliche Herrlichkeit geschaut zu haben. In der weiteren Lektüre des Buches erscheinen die ַחיֹּותmehrfach, doch werden sie von nun an als ְכּ ֻר ִביםbezeichnet. Nachdem der Prophet verstand, was er sah, konnte er auch 6 Wagner, Thomas, Ez 1 – verständlich unverständlich. Zu Syntax, Form und Kohärenz, ZAW 125 (2013), 234–248, 237.
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die Einzelheiten deuten. Eben dieses ist dem Leser nach der Lektüre des Buches möglich, da der erste Leseeindruck verwirrend ist.
2. Die Bezeugung von Ez 1 in den Qumranschriften Bevor das Textkonzept von Ez 1 LXX dargelegt wird, ist zunächst ein Blick auf die Evidenz von Ez 1 in den Qumranschriften zu werfen. Die wenigen zur Verfügung stehenden Textzeugen zeigen, dass die Fassung des M mit ihren syntaktischen und semantischen Besonderheiten bereits vorlag: Der Text des Ezechielbuches ist in den Schriften von Qumran nur äußerst fragmentarisch erhalten. Für Ez 1 stehen zur Rekonstruktion der Vision nur wenige Fragmente zur Verfügung. 4 QEzb besteht aus insgesamt 6 Fragmenten, die nur wenige Unterschiede zu Ez 1 M aufweisen. In den Frg. 1–4, in denen Ez 1,10–13 bruchstückhaft wiedergegeben wird, findet sich eine Veränderung in Ez 1,10 (4 QEzb frg. 1–4 Z. 4). Während M לארבעתןliest, bietet der Qumrantext anstelle des Suffixes f.pl. ein Suffix m.pl. An dieser Stelle scheint der Abschreiber die Verwendung von maskulinen Personalsuffixen für die ַחיֹּותkonsequent fortzusetzen, die sich im gesamten Vers findet. Zuvor erscheint in M zweimal אַר ַבּ ְע ָתּם ְ ל,ְ bevor der präpositionale Ausdruck mit Suffix f.pl. wiederholt wird. Der Abschreiber hielt die Verwendung von Suffix f.pl. offenbar für einen Fehler und passt das Suffix an. Weiter lässt 4 QEzb frg. 1–4 Z. 6 ein Wort aus. M liest in V. 11 ְשׁ ַתּיִ ם ח ְֹברֹות ִאישׁ וּשׁ ַתּיִם ְמ ַכסֹּות. ְ In der Fassung aus Qumran fehlt אישׁ, ִ so dass auf ְשׁ ַתּיִם ח ְֹברֹותdirekt וּשׁ ַתּיִ ם ְמ ַכסֹּות ְ folgt. In Frg. 6 ii liegt in Z. 2 offenbar eine Verschreibung vor, wenn anstelle von יַ ֲעמֹדוּin 4 QEzb יעמוzu lesen ist. In Z. 4 erscheint mit ודמותםder Begriff mit ְ also ohne Suffix verwendet wird.7 Suffix m.pl., der in Ez 1,22 M וּדמוּת, Neben den Funden in Höhle 4 wurden Fragmente von Ezechielabschriften auch in Höhle 11 entdeckt, die unter 11 Q4 publiziert sind und von denen Frg. 1 Ez 1,8–10 bruchstückhaft wiedergibt.8 In diesem Stück finden sich keine Abweichungen von M, so dass die Gesamtevidenz der Qumranschriften für M als Zeugnis eines ursprünglichen Textes von Ez 1 spricht. Einzig die Verwendung des finalen םin Z. 4 des Frg. 6 ii von 4 QEzb könnte auf eine Textdifferenz in der ursprünglichen Fassung des Buches hinweisen. Zumindest scheint es auch in der Vorlage der LXX gestanden zu haben, wie sich im Folgenden zeigen wird.
7 4 QEzb ist publiziert in Ulrich, Eugene u. a. (Hg.), Qumran Cave 4 X. The Prophets, DJD XV, Oxford 1997, 215–218. 8 Diese sind publiziert in: Gracía Martínez, Florentino u. a. (Hg.), Qumran Cave 11 II. 11 Q2–18, 11 Q20–31, DJD XXIII, Oxford 1998, 15–28. Das Frg. 1 findet sich auf S. 22.
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3. Die hebräische Vorlage von Ez 1 LXX Ez 1 LXX weist gegenüber dem masoretischen Text wenige Unterschiede auf, die aus einer von M abweichenden hebräischen Vorlage stammend können. Aus den Qumranfunden ergibt sich eine einzige Stelle, an denen in Ez 1 die LXX-Version gegen den M Bestätigung durch eine der Qumranhandschriftren findet. 4 QEzb Frg. 6ii, Z. 4 liest ודמותםanstelle von וּדמוּת. ְ Die LXX liest an dieser Stelle Ez 1,22 M entsprechend ὁμοίωμα, fügt dann aber in die Übersetzung von אשׁי ַה ַחיָּ ה ֵ ל־ר ָ ַע ὑπὲρ κεφαλῆς τῶν ζῴων vor dem Genitiv ein αὐτοῖς ein. Abgesehen davon, dass die LXX an dieser Stelle das Nomen im st.abs. im pl. liest, ist die Ergänzung der Genitiv-Verbindung um das αὐτοῖς untypisch. Man sollte erwarten, dass der hebräische Text ein ָל ֵהםbietet, als dessen Übertragung das αὐτοῖς in Ez 1 üblicherweise dient. Die ungewöhnliche Stellung des αὐτοῖς deutet darauf hin, dass die hebräische Vorlage ein Pronominalsuffix am Nomen im st.abs. enthielt. Hier kann also eine Spur einer von M abweichenden hebräischen Vorlage entdeckt werden. Weitere Ergänzungen, für die keine Evidenz aus den Schriften von Qumran besteht, die aber mit einer solchen hebräische Vorlage erklärt werden können, finden sich an folgenden Stellen: V. Ez 1 M 1 נִ ְפ ְתּחוּ 8 אָדם ָ וִ ֵידי 15 וָ ֵא ֶרא 18 וְ יִ ְראָה 22 ְכּ ֵעין ַה ֶקּ ַרח 23 וּל ִאישׁ ְשׁ ַתּיִם ְ ְמ ַכסֹּות ָל ֵהנָּ ה ְמ ַכסֹּות ָל ֵהנָּ ה 25 אשׁם ְבּ ָע ְמ ָדם ָ ֹ ֲא ֶשׁר ַעל־ר יהן ֶ ְתּ ַר ֶפּינָ ה ַכנְ ֵפ 26 אשׁם ָ ֹ וּמ ַמּ ַעל ָל ָר ִק ַיע ֲא ֶשׁר ַעל־ר ִ
26
Ez 1 LXX καὶ ἠνοίχθησαν καὶ χεὶρ ἀνθρώπου καὶ εἶδον καὶ ἰδοὺ καὶ εἶδον αὐτά ὡς ὅρασις κρυστάλλου ἐπικαλύπτουσαι τὰ σώματα αὐτῶν. τοῦ ὄντος ὑπὲρ κεφαλῆς αὐτῶν fehlt
אָדם ָע ָליו ָ ְכּ ַמ ְר ֵאהὡς εἶδος ἀνθρώπου
Hebräische Vorlage prb. ונפתחו lege וידי אדם lege וארא והנהcf. V.4 lege ואראcf. V. 15 lege כמראה עין הקרח prb. Dittographie, wobei 4 QEzb Z. 7 f. M bestätigt prb. Dittographie (vgl. V. 24) prb. וממעל לרקיע אשר על־ראשםfehlt in der Vorlage oder Glättung durch LXX prb. עליוfehlt in der Vorlage
4. Das Textkonzept von Ez 1 LXX 4.1 Unterschiede zwischen Ez 1 LXX und Ez 1 M Die weiteren Unterschiede zwischen Ez 1 M und Ez 1 LXX besitzen eine andere Ursache, da sie voneinander abhängig sind und der Text durch sie seinen eigenständigen Charakter erhält. Gegenüber der masoretischen Fassung besitzt die LXX-Version des Textes abgesehen von dem bereits erwähnten, mit ungewöhn-
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licher Stellung eingeschobenen Personalpronomen keine weiteren syntaktischen Auffälligkeiten. Das durch den Gebrauch der Pronominalsuffixe verwirrende Sprachbild fehlt in der LXX. Zudem ist Ez 1 LXX nicht mehr so formuliert, dass dem Leser der Eindruck einer nur partiellen Wahrnehmung des Geschauten vermittelt wird. Ez 1 LXX bietet hingegen einen weitgehend syntaktisch geschlossenen und sprachlich kohärenten Stil, in dem die Schau der vier Wesen sowie des Thrones einschließlich der auf ihm sitzenden Gestalt geschildert wird. Dieser Unterschied beginnt bereits in der Darstellung der Erscheinung der Wolke in V. 4a: Und ich sah und siehe, ein Sturmwind kam von Norden, eine große Wolke und ein loderndes Feuer und ein Strahlenglanz umgab sie. Und ich sah und siehe, ein erhebender Geist kam von Norden, und eine große Wolke in ihm, und Strahlenglanz umgab ihn und Feuer blitzte auf, …
ן־ה ָצּפֹון ָענָ ן גָּ דֹול ַ רוּח ְס ָע ָרה ָבּאָה ִמ ַ וָ ֵא ֶרא וְ ִהנֵּ ה וְ ֵאשׁ ִמ ְת ַל ַקּ ַחת וְ נֹגַ הּ לֹו ָס ִביב
καὶ εἶδον καὶ ἰδοὺ πνεῦμα ἐξαῖρον ἤρχετο ἀπὸ βορρᾶ, καὶ νεφέλη μεγάλη ἐν αὐτῷ, καὶ φέγγος κύκλῳ αὐτοῦ καὶ πῦρ ἐξαστράπτον, …
Während der M zwei unterschiedliche Phänomene nebeneinander erwähnt (Sturmwind und durch Strahlen glänzende Wolke), versteht die LXX das Geschaute als eine Geisterscheinung, in deren Mitte die große, glänzende Wolke angesiedelt ist. Der Begriff πνεῦμα ἐξαῖρον schien bereits den Rezensenten der LXX zu weit vom M abzuweichen, so dass Symmachus anstelle von πνεῦμα ἐξαῖρον („erhebender Geist“) πνεῦμα καταιγίς („Orkanwind“) verwendet. Die Syrohexapla hingegen verändert πνεῦμα ἐξαῖρον zu πνεῦμα κυρίου. Hier wird רוּח ַ im Sinne des göttlichen Geistes verstanden.9 Die Veränderungen deuten darauf hin, dass die LXX-Fassung des Textes von ihren Lesern so verstanden wurde, als würde das, was der Prophet später den ָּכבֹודGottes nennt, eine Geisterscheinung darstellen. Von diesem Verständnis sind verschiedene weitere Textunterschiede herzuleiten. Direkt abhängig von diesem Motiv ist V. 13: Und die Erscheinung der Lebewesen, ihre י־אשׁ בּ ֲֹערֹות ְכּ ַמ ְר ֵאה ֵ יהם ְכּגַ ֲח ֵל ֶ ְוּדמוּת ַה ַחיֹּות ַמ ְר ֵא Schauung wie ein brennendes Kohlenfeuer, ַה ַלּ ִפּ ִדים ִהיא ִמ ְת ַה ֶלּ ֶכת ֵבּין ַה ַחיֹּות וְ נֹגַ הּ ָל ֵאשׁ wie eine lodernde Fackel war es zwischen יֹוצא ָב ָרק ֵ ן־ה ֵאשׁ ָ וּמ ִ den Lebewesen, und Helligkeit besaß das Feuer. Und vom Feuer ging ein Blitz aus. Und in der Mitte der Lebewesen war eine Schauung wie ein brennendes Kohlenfeuer, wie ein Gesicht einer zusammengedrängten Lampe aus der Mitte der Lebewesen und dem Strahlenglanz des Feuers; und vom Feuer ging ein Blitz aus.
Vgl. Lust, Ezekiel 1–2, 11.
9
καὶ ἐν μέσῳ τῶν ζῴων ὅρασις ὡς ἀνθράκων πυρὸς καιομένων, ὡς ὄψις λαμπάδων συστρεφομένων ἀνὰ μέσον τῶν ζῴων καὶ φέγγος τοῦ πυρός, καὶ ἐκ τοῦ πυρὸς ἐξεπορεύετο ἀστραπή.
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Der anschließende V. 14 fehlt in Ez 1 LXX. In M wird an dieser Stelle als Ursache der Blitzerscheinung die Bewegung der Lebewesen genannt. In der LXX-Version wird durch den Ausfall des Verses die Vorstellung, dass die aus der Gewitterwolke sichtbaren Blitze ihre Ursache in der Bewegung der Lebewesen besitzen, nicht geboten. Gegen die Annahme, an dieser Stelle sei M eine Erweiterung einer hebräischen Vorlage, in der dieser Vers fehlt, spricht das Verständnis der Erscheinung als πνεῦμα. Dieses wiederum widerspricht dem für die Vision grundlegenden Motiv, JHWHs ָּכבֹודerscheine in Form einer Wolke ( )ע ֶֹפלin der Golah. Ez 1 LXX ist wiederum von der πνεῦμα-Vorstellung geprägt. Weiter von der Vorstellung, dass das πνεῦμα eine Wolke beinhaltet, die ein Gebilde aus vier Wesen umfasst, in deren Mitte ein Feuer brennt, ist auch V. 20 geprägt. Ez 1 M liest an dieser Stelle: Über dem, wo der Geist zum Gehen war, gingen sie. Dort war der Geist zum Gehen. Und die Räder trugen zu ihren (der Lebewesen) Seiten, denn der Geist des Lebewesens war in den Rädern. Wo immer die Wolke war, dort war der Geist zum Gehen. Die Lebewesen gingen und die Räder und sie erhoben sich mit ihnen, weil der Geist des Lebewesens in den Rädern war.
רוּח ַ רוּח ָל ֶל ֶכת יֵ ֵלכוּ ָשׁ ָמּה ָה ַ ה־שּׁם ָה ָ ֶַעל ֲא ֶשׁר יִ ְהי רוּח ַה ַחיָּ ה ַ אֹופנִּ ים יִ נָּ ְשׂאוּ ְל ֻע ָמּ ָתם ִכּי ַ ָל ֶל ֶכת וְ ָה אֹופנִּ ים ַ ָבּ
οὗ ἂν ἦν ἡ νεφέλη, ἐκεῖ τὸ πνεῦμα τοῦ πορεύεσθαι· ἐπορεύοντο τὰ ζῷα καὶ οἱ τροχοὶ καὶ ἐξῄροντο σὺν αὐτοῖς, διότι πνεῦμα ζωῆς ἦν ἐν τοῖς τροχοῖς.
Das πνεῦμα ἐξαῖρον („erhebender Geist“), das in V. 4 eingeführt wird, wird hier expliziert. Erneut wird eine Bewegung zum Charakteristikum des Geistes. πορεύομαι impliziert, dass der Prophet eine horizontale Fortbewegung wahrnimmt, doch da er diese Bewegung innerhalb der Wolke sieht, ist eine Bewegung in der Vertikalen wohl mitgedacht. Ez 1 LXX bietet damit im Vergleich zu M eine konsequent kohärente Vorstellung von der Erscheinung, die der Prophet in der Golah sieht. Dies lässt sich ebenfalls an den folgenden Textunterschieden beobachten: Während Ez 1,5a M אַר ַבּע ַחיֹּות ְ תֹּוכהּ ְדּמוּת ָ וּמ ִ („aus ihrer Mitte heraus das Angesicht von vier Lebewesen“) bietet, formuliert Ez 1,5a LXX καὶ ἐν τῷ μέσῳ ὡς ὁμοίωμα τεσσάρων ζῴων („und in ihrer Mitte wie die Gleichheit von vier Wesen“).M vermittelt dem Leser den Eindruck, aus der Mitte der Erscheinung träten vier Lebewesen hervor, während die LXX bei der Vorstellung eines in der Mitte der Wolke befindlichen Gebildes aus vier Lebewesen erhält. Auf diese Lebewesen ist in V. 6 die Aussage über die vier Flügel bezogen: καὶ τέσσαρα πρόσωπα τῷ ἑνί, καὶ τέσσαρες πτέρυγες τῷ ἑνί („Und vier Gesichter besaß ein jedes und vier Flügel besaß ein jedes“).M ist an dieser Stelle schwieriger zu verstehen: אַחת ַ אַר ַבּע ְכּנָ ַפיִם ְל ְ ְאַר ָבּ ָעה ָפנִ ים ְל ֶא ָחת ו ְ ְו „( ָל ֶהםUnd vier Gesichter besaß jedes und vier Flügel besaß jedes von ihnen“). Das abschließende ָל ֶהםist nach den Regeln der hebräischen Syntax nicht auf die ַחיֹּותzu beziehen; zumal die Einzelwesen in diesem Vers durch ֶא ָחתf.sg. bezeich-
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net werden. Anders als an anderen Stellen, an denen in Ez 1 LXX gegen Ez 1 M syntaktische Kongruenz besteht, fehlt an dieser Stelle der Begriff, der in M die Inkongruenz hervorruft. Ebenso zur Eindeutigkeit im LXX-Text führt die nächste Abweichung in V. 7. M beginnt den Vers mit יהם ֶרגֶ ל יְ ָשׁ ָרה ֶ „( וְ ַרגְ ֵלUnd ihre Beine, ein Bein war gerade“), während LXX der Tatsache entsprechend, dass die Lebewesen jeweils zwei Beine besitzen, formuliert: καὶ τὰ σκέλη αὐτῶν ὀρθά („und ihre Beine waren gerade“). Weiter bietet LXX eine abschnittsweise Konzentration auf einzelne Aspekte an. In Ez 1,8–10 LXX werden die Flügel anders als in M nur einmal erwähnt. In V. 8a wird berichtet, dass die Lebewesen eine Menschenhand besäßen, die sich unter den Flügeln befindet. Ez 1 M berichtet dies ebenfalls, doch erscheinen die Flügel in den V. 8–10 in diesem Text mehrfach. V. 8b formuliert M יהם ֶ יהם וְ ַכנְ ֵפ ֶ ֵוּפנ ְ אַר ַבּ ְע ָתּם ְ „( ְלund ihre Gesichter und ihre Flügel, ihnen waren ihre vier“), während LXX auf die Erwähnung der Flügel verzichtet: καὶ τὰ πρόσωπα αὐτῶν τῶν τεσσάρων („und ihre Gesichter von den Vieren“). Ez 1,9 M geht daran anschließend wieder auf die Flügel ein יהם ֶ חֹותהּ ַכּנְ ֵפ ָ ל־א ֲ „( ח ְֹבר ֹת ִא ָשּׁה ֶאIhre Flügel berührten einer den anderen“). Ez 1,9 LXX beinhaltet diesen Passus nicht. Stattdessen erscheint eine Erläuterung der Fortbewegung: οὐκ ἐπεστρέφοντο ἐν τῷ βαδίζειν αὐτά, ἕκαστον κατέναντι τοῦ προσώπου αὐτῶν ἐπορεύοντο („nicht kehrten sie sich bei ihrem Gehen um, ein jedes ging vor seinen Gesichtern“). Ez 1,9 M liest: ל־ע ֶבר ָפּנָ יו יֵ ֵלכוּ ֵ „( לֹא־יִ ַסּבּוּ ְב ֶל ְכ ָתּן ִאישׁ ֶאnicht gingen sie im Kreis bei ihrem Gehen; ein jedes hinter seinen Gesichtern gingen sie“). Die Formulierung οὐκ ἐπεστρέφοντο ἐν τῷ βαδίζειν αὐτά aus V. 9 wäre in V. 12 nochmals zu erwarten, da M an dieser Stelle לֹא יִ ַסּבּוּ ְבּ ֶל ְכ ָתּןbietet, doch fehlt ἐν τῷ βαδίζειν αὐτά in Ez 1,12 LXX. Dies ist vergleichbar dem Fehlen von ָל ֵהםin V. 6. Offenbar konnte der Übersetzer die Bezüge aufgrund der syntaktischen Inkongruenzen nicht zuordnen und lies die Begriffe aus. Die Konzentration auf einzelne Aspekte setzt sich in V. 11 fort, indem nun die Flügel in den Fokus der Darstellung treten. Und ihre Flügel waren ausgestreckt von über den Vieren, ein jeder besaß zwei, die zueinander zusammen waren, und zwei deckten oben ihren Körper zu.
καὶ αἱ πτέρυγες αὐτῶν ἐκτεταμέναι ἄνωθεν τοῖς τέσσαρσιν, ἑκατέρῳ δύο συνεζευγμέναι πρὸς ἀλλήλας, καὶ δύο ἐπεκάλυπτον ἐπάνω τοῦ σώματος αὐτῶν.
Während M in V. 11 aufgrund der Erwähnung von vier Flügeln, die am Körper ansitzen, zwei nach oben ragen, zwei den Körper eines jeden Lebewesens verdecken, kohärent ist, ist die Aussage des LXX-Textes nicht stimmig. In V. 6 erwähnt der LXX-Übersetzer, dass jedes Lebewesen vier Flügel besitzen würde (καὶ τέσσαρες πτέρυγες τῷ ἑνί „und vier Flügel besaß ein jedes“).10 Diese vier Flügel 10 Bei der Rezeption des Motivs in jüngeren Texten werden vereinzelt aus den vier Flügeln sechs. So wird in der „Himmelfahrt Abrahams“, 18, beschrieben, die Lebewesen hätten sechs
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werden in V. 11 dann wieder erwähnt, was mit M übereinstimmt. In V. 7 erwähnt der LXX-Übersetzer jedoch weitere Flügel, die nach M nicht vorhanden sind: Und ihre Beine, ein Bein war gerade, und die Füße, ihre Beine wie ein Fuß eines Beins eines Kalbes, und sie glänzten wie eine Quelle von polierter Bronze. Und ihre Beine waren gerade, und geflügelt waren ihre Füße, und Funken wie blitzende Bronze, und schmächtig / klein waren ihre Flügel.
יהם ְכּ ַכף ֶרגֶ ל ֵעגֶ ל ֶ יהם ֶרגֶ ל יְ ָשׁ ָרה וְ ַכף ַרגְ ֵל ֶ וְ ַרגְ ֵל וְ נ ְֹצ ִצים ְכּ ֵעין נְ ח ֶֹשׁת ָק ָלל
καὶ τὰ σκέλη αὐτῶν ὀρθά, καὶ πτερωτοὶ οἱ πόδες αὐτῶν, καὶ σπινθῆρες ὡς ἐξαστράπτων χαλκός, καὶ ἐλαφραὶ αἱ πτέρυγες αὐτῶν.
V. 7 weicht in der LXX erheblich von M ab. Dies fand in der alttestamentlichen Forschung bisher zwei unterschiedliche Erklärungen. Textkritische Studien weisen darauf hin, dass es sich hier wohl um eine Verlesung handelt, dass der LXXVerfasser wohl ְכּ ַכנַ ף ֶרגֶ לlas und die Formulierung ֶרגֶ ל ֵעגֶ לfür die Verschreibung einer Dittographie hielt, oder diese Textänderungen bereits in der hebräischen Vorlage vorhanden waren. Gegen diese Deutung spricht sich David Halperin in seinen verschiedenen Untersuchungen zur Entwicklung der merkabah-Theologie aus, der eine dogmatische Veränderung annimmt. Er geht davon aus, dass die Erwähnung des Fußes eines Kalbes aufgrund einer denkbaren Assoziation mit dem Kalb aus Ex 32 bewusst unterlassen wurde.11 Bestätigt sieht er dies durch eine Veränderung in Ez 10,14. Dort werden sowohl in M, als auch in der LXX die vier Gesichter erneut aufgezählt, das Gesicht des Rindes jedoch durch das Gesicht eines Cherubs ersetzt. Zwingend ist seine Folgerung jedoch nicht, wie 4 Q385,4 zeigt. Bei der Aufnahme von Ez 1 in PsEz wurde die Beschreibung der Gesichter angepasst. In Ez 1,10 wird das Gesicht eines Rindes ( )שֹׁורals eines der Gesichter genannt, in 4 Q385,4 wird an derselben Stelle das Gesicht eines Kalbes ( )עגלerwähnt. Die Annahme einer dogmatisch begründeten Änderung scheint also nicht zwingend zu sein. Vielmehr lässt sich an diesem Unterschied ein Einblick in das Textverständnis des Verfassers von Ez 1 LXX gewinnen. 4.2 Der religionsgeschichtliche Ort von Ez 1 LXX Aus der altorientalischen und hellenistischen Ikonographie sind mit den Gottheiten Hermes und Kairos zwei Wesen bekannt, die Flügel an den Füßen tragen. Von ihnen ist für die Deutung der ַחיֹּותdurch den Verfasser von Ez 1 LXX vor allem Hermes von Bedeutung.12 Seit Homer Hermes in seinen Hymnen zum Flügel, jeweils ein Paar an der Schulter, an der Seite und an den Hüften. Motivisch liegt hier wohl eine Identifizierung mit den Seraphen aus Jes 6 vor. 11 Vgl. Halperin, David J., Merkabah Midrash in the Septuagint, JBL 101 (1982), 351–363. 12 Während der Gott Kairos in der griechischen Mythologie als Personifikation des günstigen Zeitpunktes erscheint, besitzt Hermes verschiedene Funktionen, die in der hellenistischen
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Götterboten erhob (Homer, Hymnen 4, Zu Hermes13), gilt er in der hellenistischen Mythologie als das Wesen, das als Bote des höchsten Gottes dient: Alles Kleinvieh sollte beherrschen der ruhmvolle Hermes;
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πᾶσι δ´ἐπὶ προβάτοισιν ἀνάσσειν κύδιμον Ἑρμῆν,
Er allein hat Vollmacht als Bote zum Hades und dieser
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gibt ihm dies Vorrecht, wahrlich kein kleines und nimmt nichts dagegen.
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οἷον δ´εἰς Ἀἷδην τετελεσμένον ἄζζελον εἶναι, τ᾽ἄδοτός περ ἐὼν δώσει γέρας οὐκ ἐλάχιστον.
Der Bereich, zu dem Hermes gesendet wird, beschränkt sich aber nicht auf die Unterwelt, wie sich an seiner Aussendung zu Kalypso in Homer, Odyssee, Fünfter Gesang Z. 86 erkennen lässt.14 Seit der klassischen Phase wird Hermes ikonographisch mit geflügelten Schuhen abgebildet, die Zeichen seiner Botentätigkeit sind. Neben dieser Form existieren vor allem aus dem Ionischen Darstellungen, die stärker altorientalischer Ikonographie entsprechen. Diese zeigen Hermes mit insgesamt 6 Flügeln. Dabei sitzen zwei Flügelpaare am Rücken an und jeweils ein Flügel ist mit den Füßen verbunden. Diese Darstellungsform kommt dem Bild, das der Verfasser von Ez 1 LXX von den Flügeln der ַחיֹּותzeichnet, sehr nahe. Zeit zu unterschiedlichen Adaptionen der Hermesgestalt in verschiedenen Bereichen des östlichen Mittelmeeres führten. Manetho (vgl. Verbrugghe, Gerald P. / Wickersham, John M., Berossos and Manetho. Native Tradition in Ancient Mesopotamia and Egypt, Ann Arbor, Mi. 2001, 99.153 f. Manetho nennt Hermes den „Feurigen resp. Glitzerenden“ [Manetho, History of Egypt I, FR. 3a., in: Verbrugghe / Wickersham, Berossos and Manetho, 153 f.]) und Philo von Byblos bezeugen die Identifikation Hermes mit der ägyptischen Gottheit Thoth, durch die die Gottheit Hermes Trismegistos entstand. In dieser Form wurde Hermes als Gott der Magie verehrt. Zu Entstehung und Entwicklung der Verehrung des Hermes Trismegistos vgl. Kroll, Josef, Die Lehren des Hermes Trismegistos, Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 12, Münster 1928, 1–98, sowie Ebeling, Florian, Das Geheimnis des Hermes Trismegistos. Geschichte des Hermetismus von der Antike bis zur Neuzeit, München 22009, 19– 61. Weitere Hinweise auf eine breite Hermesrezeption im vom Hellenismus geprägten Vorderen Orient zeigt Ellerbrock, Uwe, Religiöse Ikonographie auf parthischen Münzen: Der Einfluss politisch-gesellschaftlicher Veränderungen auf das Bild der Göttin Tuche im parthischen Reich, Iranica Antiqua 48 (2013), 253–31, 260, auf. Unter Pharaase II. geprägte Münzen deuten darauf hin, dass Apollo und Hermes als Schutzgottheiten des Königtums angesehen wurden. Aus dem Phönizischen ist die Verehrung des Hermes’ als Schutzgottheit der Schiffer bekannt. Belegt ist dieses auf zwei im Wadi Dahliyeh gefundenen Siegel mit Hermesabbildungen, auf denen er einen Aphlaston in einer Hand hält. Erstpubliziert wurden die Funde durch: Cross, Frank M., Papyri of the Fourth Century B. C. from Dâliyeh. A Preliminary Report on Their Discovery and Significance, in: Freeman, David N. / Greenfield, Jonas C., New Direction in Biblical Archaeology, Garden City 1969, 41–62. Weiter ausgewertet werden die Funde in Leith, Mary, J. W., Wadi Dahlie I. The Wadi Dahlie Seal Impression, DJD 24, Oxford 1997, 42–48. 13 Text aus: Weiher, Anton, Homerische Hymnen. Griechisch-Deutsch, Darmstadt 51986, 92 f. 14 Homer, Odyssee. Griechisch / Deutsch, Übersetzung, Nachwort und Register von Roland Hampe, Stuttgart 2010, 148 f.
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Abb. 1: Nationalmuseum Athen, N. 12347, in: Gialouris, Nikolaos, ΠΤΕΡΟΕΝΤΑ ΠΕΔΙΛΑ. Bulletin de Corresdonance Hellénique 77 (1953), 293–321, 300.
Abb. 2: Alte Pinakothek München, Ionische Amphore (vers 535), publiziert in Sieveking, Johannes / Hackl, Rudolf, Die Königliche Vasensammlung zu München. Bd. 1: Die älteren nichtattischen Vasen, München 1912, 61, Fig. 69, abgedruckt in Gial‑ ouris, Nikolaos, ΠΤΕΡΟΕΝΤΑ ΠΕΔΙΛΑ. Bulletin de Corresdonance Hellénique 77 (1953), 293–321, 297.
Die mit der Hermesgestalt verbundene Botenfunktion übernehmen die ַחּיֹות in Texten, die etwa zeitgleich mit der Übersetzung von Ez 1 LXX verfasst wurden. In der 1960 von John Strugnell veröffentlichten „Angelic Liturgy“, die er aus in Höhle 4 bei Qumran gefundenen Fragmenten zusammensetzte, werden die ַחּיֹות aus Ez 1 in vergleichbarer Weise rezipiert. Eine Parallele zu diesen Texten befindet sich auf 11 Q17, einem aus 42 Fragmenten bestehenden Text, der aufgrund der Parallelen größtenteils rekonstruiert werden konnte. In Col. VII, die aus den Fragmenten 16–18 zusammengesetzt und weitreichend ergänzt werden konnte, findet sich in den Z. 9–14 folgender Textabschnitt: 9 [By the instr]uctor. The song [of the sacrifice of the Twelfth sabbath, on the twenty-first of] the third [month. Praise the God of ] wonder[ful,] 10[and ex]alt him [according to the glory in the tent of the God of knowledge. The cherubs fall down before him, and] bless. When they rise [the murmuring sound of gods is heard, and there is an uproar of exultation] 11[when they lift] the[ir wings, [the murmuring sound of gods. They bless the image of the throne-chariot above the fault of the cherubs, and they sing the splendour of the vault of light]
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12[beneath the seat of his glory. And when the ophans go forward, the holy angels return.] They [emer]ge from between [its glorious wheels, with the likeness of fire, the spirits of the holy of] 13[holies. Around them is the likeness of streams of fire, like electrum, and a luminous substance] glor[iously] multi[coloured, wonderful colours purely blended. The spirits of the living] 14 [gods move constantly with the Gloria of the wonderful chariots. And there is a murmuring sound of bl]essing in the uproar [of their motion, and they praise the holy one on returning to their paths.]
Neben Ez 1 verwendet der Verfasser dieses Hymnus zwei weitere Texte, durch die die Funktion der ַחיֹּותgedeutet wird. Zum einen erscheinen sie, hier Keruben genannt, als diejenigen, die Gott lobpreisen. Damit erinnern sie an die Seraphen aus Jes 6, die das Trishagion anstimmen. Außerdem greift der Verfasser auf die Vision von den vier Wagen, die mit den Winden des Himmels identifiziert werden, aus Sach 6,1–7 zurück.15 Er setzt das in Ez 1 geschaute Räderwerk ()אֹופנִּ ים ַ mit den Wagen, die Sacharja zu sehen bekommt, gleich und lässt die ַחיֹּות zu Bestandteilen der ֻרחֹותwerden. Diese Spiritualisierung der ַחיֹּותzeigte sich bereits bei der Analyse von Ez 1,4 LXX. Die Aufnahme von Sach 6,1–7 zeigt, dass die Wagen und Wesen als göttliche Boten dienen. Erst in der synagogalen Tradition wird dieses Motiv erneut rezipiert; die apokalyptische Literatur lässt diese Funktion der ַחיֹּותunberücksichtigt. Dies ist zuvorderst mit der Funktion zu begründen, die die Gesamterscheinung des ְּכבֹוד יהוהin der apokalytpischen Literatur beginnend mit Dan 7 besitzt. Die Seher werden in ihren Himmelsreisen im Traum oder in Schauungen in himmlische Gefilde geführt, so dass die ַחיֹּותnicht mehr als Boten göttlicher Gegenwart erscheinen müssen, sondern als Gott dienende und lobpreisende himmlische Wesen dargestellt werden. Sie dienen also nicht zur Kommunikation zwischen Gott und Mensch. Bedeutender wird der aus den אֹופּנִ ים ַ gebildete Wagen, der in 11 Q17 Col. VII mit den ַחיֹּותdirekt verbunden ist und der hier zu dem Gefährt wird, mit dem der Seher entrückt wird (vgl. 1 Hen 52,1). Wieder aufgenommen wird die Tradition im Targum Pseudo-Jonathan. Der Verfasser, der Ez 1,14 ins Aramäische übertrug, versteht die Funktion der ַחיֹּות so, dass ihre vom Thronsitz JHWHs losgelöste Bewegung der Übermittlung göttlicher Botschaft dient: When the creatures are sent forth to do the will of their Master who makes His Shekinah dwell on high above them, are like the eye seeing a bird on the wing, they turn and circle the world; and the creatures return together, quickly, like a flash of lightning.16
15 Zur Aufnahme von Sach 6,1–7 vgl. Halperin, David J., The Faces of the Chariot. Early Jewish Responses to Ezekiel’s Vision, TSAJ 16, Tübingen 1988, 53 f. 16 Die Übersetzung nach Levey, Samson H., The Targum of Ezekiel. Translated, with a Critical Introduction, Apparatus, and Notes, The Aramaic Bible 13, Edinburgh 1987, 21 f.
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Nach dem Targum Pseudo-Jonathan zu Ez 1 dienen die ַחיֹּותdazu, die an den Propheten ergehende göttliche Botschaft zu überbringen. Dabei sind sie wie in der Sabbathliturgie direkt mit dem Thron verbunden. Auf der narrativen Ebene gelangt durch sie die Schekinah Gottes zum Propheten. Neben der Botenfunktion werden die ַחיֹּותim Targum Pseudo-Jonathan zu Sängern (Ez 1,24 f.),17 die Gott lobpreisen. Bei der Übersetzung von Ez 10 erhalten die ַחיֹּותauch die Funktion, als Gerichtswerkzeuge Gottes zu dienen. Sie werden als Gehilfen des Mannes beschrieben, der in Jerusalem die zu tötenden Menschen kennzeichnet. Zudem wird im Targum die Anzahl der Körpermerkmale gesteigert, in dem jedes der ַחיֹּותsowohl 16 Gesichter als auch 16 Flügel besitzt. Insgesamt wird deutlich, dass die Darstellung der ַחיֹּותan ihrer Funktion in der Synagoge orientiert ist. Die im Targum gedeutete Bewegung des göttlichen כבֹוד,ָ der hier mit seiner Schekinah gleichgesetzt wird, weist auch auf die Funktion der ַחיֹּותfür die Synagogengeimende hin. Durch sie wird die göttliche Gegenwart in die Synagoge getragen.
5. Fazit Die eingangs gestellte Frage nach der Priorität einer der vorliegenden Textfassungen kann weitgehend mit der Ursprünglichkeit des M gegenüber der LXX beantwortet werden. Die zwar geringe Evidenz aus Qumran deutet darauf hin, dass die Textunterschiede, die die LXX aufweist, mit wenigen Ausnahmen nicht einer hebräischen Vorlage entstammen. Die Texte, die Ez 1 aufnehmen und deuten, übernehmen anders als die Abschriften aus Qumran die syntaktischen Besonderheiten des M nicht. Die Übersetzung von Ez 1 in das Griechische erfolgte im Kontext dieser frühjüdischen Deutungen der von Ezechiel geschauten Erscheinung der Herrlichkeit Gottes. Der Übersetzer bietet dem hellenistischjüdischen Leser dabei nicht nur eine Übertragung des Textes in seine Sprache, sondern eine Deutung, wie dieser verwirrende Text zu verstehen ist. Dabei versucht er, die einzelnen geschauten Gegenstände in eine nachvollziehbare Relation zueinander zu setzen, indem er die Gesamterscheinung als Geist versteht, der in einer Wolke auftritt, die wiederum die vier ַחיֹּותsowie die Räder, das Feuer und die Blitze umschließt. Die in seiner Vorlage erscheinende Motivwelt nimmt er auf, versucht sie aber zu vereinfachen. Und dafür verwendet er zumindest mit dem Bild der geflügelten Füße ein Motiv, das dem Text fremd, das dem Leser aber aus hellenistischen Vorstellungen der göttlichen Welt bekannt ist. Der Götterbote besitzt geflügelte Füße, die ihn als denjenigen kennzeichnen, der die göttliche Botschaft übermittelt und auf diese Weise die Gottheit an einem Ort präsent werden lässt. Die Motivation zur „Cultural Translation“ liegt damit auf der Hand: Vgl. Halperin, Faces, 121–123.
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Der Übersetzer wollte seinen Lesern die Vorstellungswelt von Ez 1 entgegenbringen, indem er Anleihe an den Lesern bekannten Motiven nahm. Interessanterweise übergehen spätere Deutungen der Erscheinung der merkabah eben jenen Aspekt. Die unterschiedlichen Hermesrezeptionen in der hellenistisch beeinflussten Umwelt des östlichen Mittelmeeres zeigen jedoch, dass der LXXÜbersetzer mit der Deutung der ַחיֹּותeinem breiteren Traditionsstrom folgt, ohne die ַחיֹּותmit Hermes gleichzusetzen. Damit wird seine Motivation zur Übernahme vollends deutlich: Sie ist zutiefst hermeneutisch, geht es dem Übersetzer einzig um eine Erläuterung des Textes, der ihn vor verschiedene, aber für ihn auflösbare Übersetzungsprobleme stellte.
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Phänomene der Prophetie in der Septuaginta Martin Meiser Gewisse Grundfragen der Septuagintaforschung sind in den letzten Jahren wieder neu in aller Deutlichkeit vor Augen getreten und erzwingen ein neues Nachdenken über die Voraussetzungen unserer Beschreibung verschiedener Phänomene. Wir haben es bei der Septuaginta hinsichtlich der Übersetzungsteile mit einer heterogenen Sammlung von Übersetzungsleistungen verschiedener Individuen zu verschiedenen Zeiten zu tun1, und so stellt sich für jedes Teilstück der Septuaginta einzeln die Frage nach Voraussetzungen, Intentionen und Übersetzungstechniken, sodann zu vielen einzelnen Stellen die Frage, ob eine unabsichtliche Verschreibung oder eine absichtliche Änderung anzunehmen ist.2 Die Frage, warum überhaupt ein bestimmtes Buch übersetzt wurde, beantwortet etwa Arie van der Kooij hinsichtlich des Jesajabuches mit der Überlegung , die Prophezeiungen dieses Buches hätten sich bewahrheitet.3 Jennifer M. Dines vermutet, dass das zweite Jahrhundert mit seinen dramatischen Umbrüchen gerade in seinem Gegensatz zum stabilen dritten Jahrhundert ein neues Interesse an der Prophetie veranlasste.4 Tov, Emanuel, Reflections on the Septuagint with Special Attention Paid to the PostPentateuchal Translations, in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 16 f. 2 Im Blick auf Am 9,11 f. vgl. einerseits Ådna, Jostein, James’ Position in the Summit Meeting of the Apostles and Elders in Jerusalem, in: Ådna, Jostein / Kvalbein, Hans (Hg.), The Mission of the Early Church to Jews and Gentiles, WUNT 127, Tübingen 2000, 125–161 (131; ihm zufolge repräsentiert die Septuaginta einen Texttyp, der an dieser Stelle älter ist als M), andererseits Glenny, W. Edward, The Septuagint and Apostolic Hermeneutics: Amos 9 in Acts 15, BBR 22 (2012), 1–26 (5–9), der mit bewussten Änderungen des Übersetzers rechnet. Wolfgang Kraus rechnet gegen Ådna für die Angleichung der drei Pronomina in V. 11 zur 3. Fem. Sing. mit bewusster grammatischer Adaption, während er für Am 9,12 offen hält, ob die Veränderungen von יירשוzu ( ידרשוals Vorlage für ἐκζήτωσιν) und von אדוםzu ( אדםals Vorlage für τῶν ἀνθρώπων) unabsichtliche Verlesung oder absichtliche Änderung darstellt (Kraus, Wolfgang, The Role of the Septuagint in the New Testament: Amos 9:11–12 as a Test Case, in: Hiebert, Robert J. V. (Hg.), „Translation is Required.“ The Septuagint in Retrospect and Prospect, SCS 56, Leiden / Boston, MA 2011, 171–190 (176.181). 3 Kooij, Arie van der, The Old Greek of Isaiah and Other Prophecies Published in Ptolemaic Egypt, in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 72–84, bes. 76. 4 Vgl. Dines, Jennifer M., The Septuagint (Knibb, Michael [Hg.]), London / New York, NY 2004, 50. 1
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Aber auch im Detail ist nach der Intention bestimmter Übersetzungsvorgänge zu fragen. Isaac Leo Seligmann und andere deuteten Jes 14,3–19 G ad vocem ἐν τοῖς ὄρεσιν als Spottlied auf Antiochus IV. Epiphanes, von dem es in 2 Makk 9,28 ebenfalls heißt, er habe sein Leben ἐν τοῖς ὄρεσιν verloren.5 Michaël van der Meer zufolge ist Jes 7,10–14 G auf dem Hintergrund ägyptischer antisyrischer Prophetien des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts (er nennt das „Orakel des Lammes von Bokchoris“ und das sog. Töpferorakel) als Heilsprophetie und Zukunftshoffnung gegen Antiochus IV. Epiphanes und seine Nachfolger hin zu interpretieren6; inhaltliche Parallelen, vor allem aber wörtliche Assonanzen7 dienen ihm als methodische Basis; Interpretationen auf dem Hintergrund hellenistischer Mysterienterminologie oder innerbiblischer Harmonisierung sind s.E. weniger stichhaltig. Für das Sacharjabuch hat Thomas Pola auf Grund der Lesart Iουδας in Sach 14,14 auf Aktualisierungen in Richtung auf Judas Maccabaeus verwiesen.8 In der Ezechiel-Septuaginta wurde die Legitimation hasmonäischer Herrschaftsansprüche vermutet,9 der Masoretische Text als zadokidische Gegenreaktion interpretiert.10 Johan Lust zufolge ist Ez 7,1–11 M eine Fortschreibung, die auf Antiochus IV. Epiphanes verweist.11 Allerdings begegnen Thesen dieser Art auch kritischen Bedenken: Erst eine nachweisbare Abweichung von der Vorlage, mit der ein Übersetzer bewusst auf Völker, Länder, ethnische Gruppen, 5 Seeligman, Isac Leo, The Septuagint Version of Isaiah. A Discussion of Its Problems (Mededelingen en Verhandelingen van het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschap “Example Oriente Lux” 9), Leiden 1948, = Seeligman, Isac Leo, The Septuagint Version of Isaiah and Cognate Studies, hg. v. Hanhart, Robert / Spieckermann, Hermann, FAT 40, Tübingen, 2004, 119–294 (240–242), 83; van der Meer, Michaël N., Visions from Memphis and Leontopolis: the phenomenon of the vision reports in the Greek Isaiah in the light of contemporary accounts from Hellenistic Egypt, in: van der Meer, Michaël N. u. a. (Hg.), Isaiah in Context: Studies in Honour of Arie van der Kooij on the Occasion of His Sixty-Firth Birthday, VTSup 138, Leiden 2010, 281–316; Vos, Cornelis de, Das Land Israel in der Sicht der Septuaginta, in: Caulley, Thomas Scott / L ichtenberger, Hermann, Die Septuaginta und das frühe Christentum / The Septuagint and Christian Origins, WUNT 277, Tübingen 2011, 87–105, 97. 6 Van der Meer, Visions, 314. 7 Vgl. die Belege für ἀνεμόφθορον in Jes 19,7 einerseits, im Töpferorakel andererseits (vgl. van der Meer, Visions, 301 f.). 8 Pola, Thomas, Von Juda zu Judas. Das theologische Proprium von Sach 14,14–21 LXX, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten, WUNT 219, Tübingen 2008, 572–580, 574. 9 Kooij, Arie van der, The Septuagint of Ezekiel and Hasmonean Leadership, in: García Martínez, Florentino / Vervenne, Marc (Hg.), Interpreting Translation. FS Johan Lust, BEThL 192, Leuven 2005, 437–446: Ez 21,25–28 [30–33] dient der Legitimation hasmonäischer Herrschaftsansprüche; Konkel, Michael, Ezechiel / Jezekiel, Einleitung, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang (Hg.), Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament, LXX.E, Stuttgart 2011, 2849–2858, 2853: Der Text von Old Greek in Ez 45,17 (der Anführer nimmt faktisch die Position eines Hohenpriesters ein) ist die hasmonäische Instrumentalisierung eines älteren, pro-zadokidischen Ezechielbuches. 10 Konkel, Ezechiel / Jezekiel, 2853. 11 Lust, Johan, Notes to the Septuagint. Ezekiel 7, EThL 77 (2001), 384–394.
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Umstände oder Ereignisse der eigenen Zeit rekurriert, berechtigen zur Annahme einer Aktualisierung.12 Das diachron differenzierende Programm der Einbettung der Septuaginta in die jüdische Geistigkeit der Jahrhunderte ihrer Entstehung ist eine Selbstverständlichkeit, die aber auch im Detail bewährt werden will. So ist der folgende Beitrag dreifach gegliedert. Nach einer einleitenden Erinnerung an die Terminologie versuche ich zu skizzieren, wie im dritten und zweiten Jahrhundert Prophetie wahrgenommen wurde, um einem möglichen Interesse an der Übersetzung der biblisch gewordenen prophetischen Schriften auf die Spur zu kommen. Abschließend werde ich einige methodische Erwägungen vortragen sowie einige problematische Texte besprechen.13
1. Terminologisches Recht hoch ist der Grad der Äquivalenz für die wichtigen Wortfamilien נביאund קסם: Ersteres wird fast durchweg mit Begriffen der Wortfamilie προφήτης, letzteres mit Begriffen der Wortfamilie μάντις / μαντεία wiedergegeben. Formen von ὁράω bzw. εἶδον inclusive der Partizipien stehen offenbar nie für נביא. Das nomen actionis ὅρασις wird insgesamt vornehmlich zur Wiedergabe der hebräischen Wurzeln ( חזהso z. B. in Num 24,4.16 für )מ ֲחזֶ ה ַ und ראהverwendet, ebenso das nomen actae rei ὅραμα, das in der Septuaginta zum Dodekapropheton sowie zu Ezechiel fehlt. Andere Ausdrücke wie φάσμα oder φάντασμα etc. waren für die Übersetzer vielleicht zu sehr mit paganen Assoziationen kontaminiert.14 Abweichungen sind im Folgenden eigens zu würdigen. Das aramäische ֺ ( ֳחזוErscheinung) wird teils durch ὅραμα (Dan 2,19), ὅρασις (Dan 8,1 G) oder ὕπνος (Dan 7,2 G15) wiedergegeben, das Wort ( ָחזו ֺןVision) durch ὅραμα (Dan 1,17 G u. ö. Dan 8,1 θ’), ὅρασις (u. a. Sach 10,2), προφητεία 12 Troxel, Ronald L., LXX-Isaiah as Translation and Interpretation. The Strategies of the Translator of the Septuagint of Isaiah, JSJS 124, Leiden 2008, 164. 13 Dass ich in dem heftigen Streit um die Jeremia-Septuaginta nicht Partei ergreife, wird man mir nachsehen; literaturgeschichtlich wäre zu fragen, ob sich das Nebeneinander der versweisen Kürzung und stark hebraisierender Wiedergabe dessen, was nicht gekürzt ist, auch sonst in frühjüdischer Literatur nachweisen lässt. 14 Louw, Theo A. W. van der, Transformations in the Septuagint. Towards an Interaction of Septuagint Studies and Translation Studies, CBET 47, Leuven 2007, 158. – In Jes 28,7 begegnen φάντασμα (Codex A) bzw. φάσμα (Codices B S) nur in der Wiedergabe einer Äußerung der vom Weinrausch geblendeten Priester und Propheten: „Das ist eine Erscheinung.“ 15 In Dan 4,10 MT dürfte das Wort ֺ ( ֳחזוErscheinung) eine kontextbedingte Änderung gegenüber der traditionsgeschichtlich früheren Fassung der Septuaginta (ὕπνος) darstellen, wenngleich die überlieferungsgeschichtliche Priorität von Dan 4–6 G gegenüber Dan 4–6 M für Aufbau und Intention sowie für viele ihrer Motive gegeben ist, aber nicht unbedingt für den genauen Wortlaut (Albertz, Rainer, Der Gott des Daniel, Untersuchungen zu Daniel 4–6 in der Septuagintafassung sowie zu Komposition und Theologie des aramäischen Danielbuches, SBS 131, Stuttgart 1988, 76).
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(2 Chr 32,32, dazu s. u.; Sir 36, 20), προφήτης (Sir 36,20 v.l.) und ὕπνος (Dan 9,21; dazu s. u.). In der wohl um die Mitte des 2. Jh.s. v. Chr. entstandenen Septuaginta der Chronikbücher sind gelegentliche terminologische Abweichungen als intertextuelle Harmonisierung erklärbar. So gilt Samuel in1 Chr 26,28 als προφήτης, nicht mehr als ר ֵֹאה,16 ebenfalls Anani nach 2 Chr 16,7.10 und Ju nach 2 Chr 19,2 (M jeweils: )ר ֵֹאה, weil Ju in 3 Reg 16,12 als Prophet gilt; hingegen haben Gad in 1 Chr 21,9; 2 Chr 29,2517 und Joel in 2 Chr 9,2918 in den Titel ὁρῶν behalten. Bei Haiman und Idithon in 2 Chr 35,15 wurde von חֹזֶ הzu προφήτης abgeändert, wohl deshalb, weil sie in 2 Chr 5,12 als Söhne Asaphs gelten, der seinerseits als Prophet betrachtet wird.19 Die Änderung von ָחזו ֺןzu προφητεία in 2 Chr 32,32 ist schriftgelehrte Änderung; sie verdankt sich dem Umstand, dass in Jes 36–39 nirgends im Speziellen von einer Vision Jesajas die Rede ist. Generell ist in der Septuaginta zu den Chronikbüchern keine Abwertung des Titels ὁρῶν gegenüber dem Titel προφήτης festzustellen. Das wird aus 2 Chr 33,18 ( חזה/ ὁρῶν) hinreichend deutlich: In 2 Chr 33,18 tun die Seher nichts anderes gegenüber Manasse als sonst die Propheten. Dass in 1 Chr 25,1–6 der Bezug auf die Prophetie mehrfach getilgt wird, kann mit einem Befremden der Übersetzer hinsichtlich des behaupteten Zusammenhanges zwischen Prophetie und Musik erklärt werden.20 In der wohl um 140 v. Chr. in Ägypten (vielleicht in Leontopolis) entstandenen Septuaginta zu Jesaja wird das hebräische Wort ( משאSpruch) öfters mit ὅρασις bzw. ὅραμα wiedergegeben.21 Das genaue Erfassen der Situation in Jes 13,1 mag den Ausschlag gegeben haben: Einen „Spruch“ kann man nicht schauen. Von Jes 13,1 wurde diese Wiedergabe wohl auch dort wirksam, wo der Verweis auf das „Schauen“ des Propheten nicht eigens expliziert wird. In der Danielseptuaginta, entstanden am Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, steht ὅραμα in Dan 2,1.7; 7,1 (s. u.) kontextbedingt für חלם (Traum). In Dan 9,21 G ist ὕπνος statt ὅρασις Anknüpfung an die Szenerie von Dan 8,16. Die Wortfamilie μάντις ist – und das ist gegenüber dem pagan-griechischen Sprachgebrauch zu bemerken – in der Septuaginta durchweg negativ konno-
16 Vgl.
1 Kön 3,20 f. Gad galt nach 2 Kgt 24,11 Ant als ὁρῶν, nach 1 Kgt 22,5 M+G als „Prophet“. In 2 Sam 24,11 ist im masoretischen Text wie in der kaige-Rezension beides kombiniert: חזה נביא. Die Bezeichnung „Prophet“ ist in 2 Kgt 24,19 im Antiochenischen Text gegenüber der titellosen Erwähnung in M und Ra nachgetragen worden. 18 Der dort genannte Seher Joel ist in den Königebüchern nicht erwähnt. 19 Entsprechend wurde auch in 2 Chr 29,30 G angeglichen ( חזהzu προφήτης). 20 Labahn, Antje, Paraleipomenon I. Das erste Buch der Chronik, LXX.E, Stuttgart 2011, 1096. 21 Der Begriff ὅρασις steht für משאin Jes 13,1; 19,1; 30,6, der Begriff ὅραμα für משאin Jes 15,1 A (B und S: ῥῆμα); 21,1.2.11; 21.1; 22,1 (A; B und S ῥῆμα); 23,1 (A; B und S: ῥῆμα). 17
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tiert22, was in frühjüdischer Literatur für den Begriff δαιμόνιον ebenfalls gilt. Schon in der Tora ist festgehalten, dass es οἰωνισμὸς und μαντεία in Israel nicht gibt23 bzw. nicht geben soll (Dtn 18,10 f.; vgl. 4 Reg 23,24), denn das ist für fremde Völker typisch24 und für das Nordreich Israel gemäß der deuteronomistischen Aussage 2 Kön 17,17 eine der Ursachen des Untergangs. Neben den Vorwürfen der Weissagung gegen Geld (Mi 3,11) oder aus Gefälligkeit (Ez 12,24) ist es das Motiv des ungerechtfertigten Autoritätsanspruchs, das Mantiker in die Nähe falscher Propheten rückt (Jer 36 [29],8). Hierzu konstituieren in der Septuaginta zu den Zwölf Propheten und zum Buch Jeremia25 die Wortfamilien μάντις, ὅρασις, ἐνύπνιον und ψευδής26 ein stabiles semantisches Feld, das ad vocem ἐνύπνιον, in Mi 3,7 gegenüber der Vorlage neu eingeführt, auf Dtn 13,2–6 verweist und damit das Motiv der Verführung zur Abgötterei assoziieren lässt. In der Ezechiel-Septuaginta kommt noch μάταιος hinzu, ein Begriff, der seinerseits an die Götzenpolemik eines Jesaja erinnert (Jes 44,9). Die einzelnen Begriffe dieses Feldes lassen sich, wie der Vergleich zwischen Sach 10,2 und Ez 13,7; 22,28 zeigt27, beliebig kombinieren. Von den beiden Verben, die nicht selten als Tätigkeitsbezeichnung für falsche Propheten eingeführt wird, ist πλανάω richtungsweisend in Dtn 13,2–6 gesetzt; ἀπατάω, in 3 Reg 22,20–21 und 2 Chr 18,19– 21 für פתהgebraucht, kann (!) als intertextuelle Verknüpfung zu Gen 3,13 gedeutet werden.
Auch andere Übersetzungen von קסםstehen in negativ konnotierten Kontexten (στοχαστής in der Unheilsankündigung Jes 3,2; das in der Septuaginta selten verwendete und neutrale ἀποφθέγγεσθαι, durch μάταια ebenfalls negativ konnotiert, in Ez 13,9), oder sind von sich aus negativ konnotiert, nämlich οἰώνισμα in Jer 34 [27],9. In Sib III 163; 298; 822; IV 3 wird das Verbum μαντεύομαι von der Tätigkeit dieser Sibylle im positiven Sinne gebraucht. Die Wortfamilie begegnet in den Sibyllinen nirgends mit Bezug auf die biblischen Propheten, ebensowenig bei Philo, wo ein positiver Gebrauch nur in Cher 27; Conf. 118; Migr. 190; Flacc 186; Gai 109 festzustellen ist. In Spec. IV 48–52 begegnet die Wortgruppe in Anlehnung an Dtn 18,10 f. negativ konnotiert; die Belege in VitMos sind auf Bileam bezogen und haben an dessen ambivalenter, überwiegend negativer Zeichnung teil. 23 Num 23,23 οὐ γάρ ἐστιν οἰωνισμὸς ἐν Ιακωβ οὐδὲ μαντεία ἐν Ισραηλ. Aus dem Mund Bileams soll das einen Qualitätserweis Israels formulieren. 24 Dtn 18,14; vgl. Jos 13,22 (Bileam); 1 Kgt 6,2 (die Philister). – Aber auch Saul hat sich nicht daran gehalten; vgl. 1 Kgt 28,8, ad voces μαντεύειν und ἐγγαστρίμυθος mit dem Verbot Dtn 18,10 f. verbunden. 25 Mi 3,11; Sach 10,2; Jer 14,14; 36 (29),9. 26 Der Begriff steht für שקרin Sach 10,2; Jer 14,14, für שואin Ez 13. 27 Sach 10,2: οἱ ἀποφθεγγόμενοι ἐλάλησαν κόπους, καὶ οἱ μάντεις ὁράσεις ψευδεῖς, καὶ τὰ ἐνύπνια ψευδῆ ἐλάλουν, μάταια παρεκάλουν; Jer 14,14: ὁράσεις ψευδεῖς καὶ μαντείας καὶ οἰωνίσματα καὶ προαιρέσεις καρδίας αὐτῶν αὐτοὶ προφητεύουσιν ὑμῖν; Ez 13,7 f. οὐχ ὅρασιν ψευδῆ ἑωράκατε καὶ μαντείας ματαίας εἰρήκατε; Ez 22,28 ὁρῶντες μάταια, μαντευόμενοι ψευδῆ. 22
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2. Die Septuaginta innerhalb antiker jüdischer Literatur Tendenzen der Bearbeitung prophetischer Bücher müssen sich, was die Rezeption prophetischer Gestalten der Vergangenheit Israels betrifft, in Tendenzen des Judentums in der Zeit zwischen 250 v. Chr. und 100 v. Chr. im Allgemeinen einordnen lassen. 2.1 Das dritte Jahrhundert v. Chr.: Die Chronikbücher Im Vergleich zu den Königbüchern sind, was die Propheten betrifft, Veränderungen im Personenbestand sowie in der Darstellung der bekannten Propheten festzustellen. Da die Geschichte des Nordreiches ignoriert wird, entfällt die Erwähnung des Jona ben Amittai aus 2 Kön 14,2528 und fungiert Elia gerade mal als Verfasser eines tadelnden Briefes an Joram von Jerusalem (2 Chr 21,12–15); Jesajas Wirken wird, der Linie der Königbücher folgend, auf das in Jes 36–39 Berichtete eingeschränkt (2 Chr 32,32), Jeremia erstmals mit einer Totenklage über Josia eingeführt (2 Chr 35,25). 2 Chr 32,32 ist hermeneutisch von Bedeutung: „Prophetien“ können auch Geschichtsdarstellungen sein, deren Wert für die Nachkommen darin besteht, dass sie die Identitätskonstruktion Israels nach‑ und mitvollziehen, basierend auf der Bindung Israels an seinen Gott und sein Gesetz.29 Von den sogenannten Schriftpropheten wird in den Chronikbüchern ansonsten keiner erwähnt. Die neu eingeführten Propheten Samaia (2 Chr 12,5), Azarias (2 Chr 15,1), Anani (2 Chr 16,7), Elieser (2 Chr 20,37) Sacharja ben Jujada (2 Chr 24,20–22) sind ähnlich wie Elia i.w. Gewährsleute für die eigene theologische Sicht,30 die ähnlich wie bereits 1 Kön 11,1–13 das Handeln des Gottes Israels von dem Anschein jeglicher Willkür freihalten will: Demütigung rettet vor völliger Niederlage31 bzw. gewährt Leben;32 Vertragsabschlüsse mit gottlosen Königen33 und Abfall vom Gott Israels34 führen über kurz oder lang 28 Schon
gar nicht kann von einer Zeichenhandlung des Propheten Achia an Jerobeam I. erzählt werden; 1 Kön 11,23–38/3 Kgt 12,24 hat in den Chronikbüchern keine Parallele. 29 Dass Asaph als Prophet bezeichnet wird (2 Chr 29,30), mag mit den Inhalten von Ps 76 G; 77 G zusammenhängen. 30 Vgl. Talshir, Zipora, Several Canon-Related Concepts Originating in Chronicles, ZAW 113 (2001), 386–403: Die Bücher Samuel – Könige sind für den Verfasser der Chronikbücher die autoritativen Dokumente zur vorexilischen Geschichte Israels (391), zu denen er seine eigene „up-to-date interpretation“ (394) beigeben will. 31 Nach 2 Chr 12,5 führt ein Prophetenspruch zur Demütigung Rehabeams; damit wird begründet, warum der Pharao Schischak zwar gegen Juda und Jerusalem ziehen und Tempelschätze mitnehmen kann, aber es nicht erobert (vgl. 1 Kön 14,25 f.). 32 2 Chr 33,18 f. 33 Das in 1 Kön 22,49 nicht begründete Unglück der Schiffe, die in Tarsis Gold holen sollen, wird in 2 Chr 20,37 mit Joschafats Vertragsabschluss mit Ahasja von Israel begründet. 34 In 2 Chr 16,7–10 wird mit einem Prophetenspruch der mangelnde Erfolg Asas im Krieg gegen den Aramäerkönig begründet; dies sowie der Zorn Asas über den Seher begründet dann
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zur Strafe. In 2 Chr 36,15 f. gilt die Sendung der Propheten als Ausdruck des Mitleids Gottes, der sein Volk zur Umkehr führen und dadurch die Entweihung des Heiligtums verhindern will. Der Verfasser der Chronikbücher beansprucht, das Erbe israelitischer Prophetie in legitimer Weise weiterzuführen. Dies aber hat, wie sein Werk zeigt, mit der „richtigen“ Aktualisierung der Vergangenheit Israels zu tun, aus der der Leser der Chronik lernen soll, dass die Identität Israels in der engen Bindung an seinen Gott und seinen in der Tora festgelegten Willen beschlossen liegt. Zu der Diskussion um die Fortsetzung der Chronikbücher in einer der überlieferten Esraschriften will ich keine Stellung nehmen. Bekannt sind die Erwähnungen der Propheten Haggai und Sacharja mit ihren Weissagungen zum Tempelbau in Esr 5,1; 6,14. Die Propheten, die dem Nehemia Angst einzuflößen versuchten (Neh 6,14), leiteten ihren Autoritätsanspruch wohl aus ihrer Inspiration ab; Nehemia beurteilt sie als solche, die Gott nicht sandte (Neh 6,12), faktisch als falsche Propheten. In 1 Esdr 1,26, wohl um 200 v. Chr. übersetzt, wird ein Wort der Warnung an Josia wegen des Feldzuges gegen den ägyptischen Pharao nicht mehr diesem selbst in den Mund gelegt – ein heidnischer Pharao kann ja kaum Wahres prophezeien –, sondern dem Propheten Jeremia; in 1 Esdr 1,30 wird wiederum auf Jeremias Totenklage über Josia Bezug genommen. 2.2 Das zweite Jahrhundert v. Chr. Die schon in den Chronikbüchern feststellbare Torazentrierung ist auch in der Literatur des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts greifbar, wie Tob 6,13 G; Tob 1,8 S; Bar 4:4; Sir 19,19; Sir 24 zeigen. Tora-konformes Verhalten wird bei Daniel (Dan 1,8) und Judith durch die Vermeidung nichtjüdischer, unreiner Speisen unterstrichen. Eben die genannten Schriften sind im Folgenden auf das Verständnis der Prophetie hin zu untersuchen. 2.2.1 Tobit In dem wohl um 200 v. Chr. entstandenen Buch Tobit35 ist Prophetie Deutung der eigenen Gegenwart und Handlungsanweisung. In Tob 2,6 deutet Tobit die Notsituation seines Volkes unter Zuhilfenahme von Amos 8,10 G. Im Gegensatz zu Am 8,10 M wird nicht JHWH als unmittelbarer Urheber angesprochen – den in 1 Kön 15,23 ohne Kommentar referierten Sachverhalt, dass der ursprünglich fromme König in seinem Alter an den Füßen krank wurde. In 2 Chr 24,17–25 wird die Verschwörung gegen Joasch (2 Kön 12,21) mit seinem Abfall begründet, der so weit geht, dass er einen gegen ihn auftretenden Propheten umbringen lässt. 35 Zu dieser Datierung vgl. Ego, Beate, Tobit. Das Buch Tobit / Tobias, LXX.E, Stuttgart 2011, 1318.
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man will vielleicht die Nennung des Gottesnamens vermeiden. In Tob 14,4 G II fungieren Nahums Gerichtsankündigungen als unmittelbar handlungsleitend in der fiktiven Situation, dass Tobias von Ninive nach Media übersiedeln soll; die konkrete Situation weit überschreitend wird zusätzlich im Sinne von Dtn 18,22 als Kriterium rechter Prophetie das Eintreffen das Angekündigten benannt und daran die Wahrheit der Verkündigung der biblisch gewordenen Propheten aufgewiesen.36 Textextern leistet ein solcher Verweis die Bestärkung der Bindung Israels an den einen Gott, der sich durch eben diese Propheten wiederholt hat vernehmen lassen. 2.2.2 Jesus Sirach Das Verbum προφητεύειν und das Substantiv προφήτης sind bei Jesus Sirach auf biblische Propheten, also Gestalten der Vergangenheit bezogen. Im Gebet in Sir 36,20 geht es vermutlich um den Wunsch, dass sich die Ankündigungen der vergangenen Propheten bewahrheiten sollen.37 Nach Sir prol 9; 39,1 forscht der Schriftgelehrte im Gesetz des Höchsten und in der Weisheit aller Alten und in den sog. Prophezeiungen. Analog zu 2 Chr 32,32 G können mit den „Prophezeiungen“ auch Geschichtsdarstellungen gemeint sein38, sodass das „Lob der Väter“ bei dem Verfasser des Sirachbuches selbst einlöst, was im Prolog gesagt ist. An Propheten sind im Sirachbuch genannt: Samuel, Nathan, Elia, Elisa, Jesaja, Jeremia, Ezekiel und die sog. Kleinen Propheten als Gruppe. Diese Aufzählung bestätigt auf ihre Weise die Zusammenordnung der Tora und der Vorderen wie der Hinteren Prophetenbücher als der für die Identität Israels maßgebenden Schriften. In der Darstellung Samuels dürfte der Verweis auf den gegenüber der Vorlage neu eingetragenen39 νόμος κυρίου, in dem Samuel die Gemeinde richtete, wohl kaum zufällig sein,40 ebenso wenig der Verweis auf seine von Gott erprobte πίστις41 (vgl. 1 Reg 3,21) und auf seinen Reinigungseid nach 1 Reg 12,3. Unabhängig davon, ob sich der in Sir 46,14 genannte νόμος κυρίου materialiter auf 36 In Tob 14,4 G I fehlt der letztere Satz, der aber durch 4 Q198 I 4 auch für die hebräische Vorlage bezeugt ist; Nahum ist durch den bekannteren Jona ersetzt worden (Fitzmyer, Joseph A., Tobit, CEJL, Berlin / New York, NY 2003, 326). 37 So Sauer, Georg, Jesus Sirach / Ben Sira, ATD.A 1, Göttingen 2000, 251. 38 Hingegen lässt CD VII 17 doch eher auf Prophetentexte wie von Jeremia und Ezechiel schließen. 4 Q397 Frgm. 14–21, 10.15 scheint Zukunftsansage im Auge zu haben. 39 Das Verbum κρίνω (Sir 46,14) fehlt in 1 Kgt; umgekehrt ist das dortige δικάζω (1 Kgt 7,16) bei Sirach in Bezug auf Samuel nicht verwendet. 40 In der Septuaginta zu Sir 46,20 endet die Darstellung Samuels mit einem sachlich unklaren Verweis auf die durch Samuels Prophetie zugedeckte ἀνομία λαοῦ, sodass sich eine Inklusion zu Sir 46,14 ergibt. 41 Auch in 1 Makk 14,41 ist πιστός das Kriterium eines Propheten, auf dessen Anordnung hin die Frage legitimer Herrschaft in Israel geregelt werden kann.
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den Pentateuch oder auf Texte wie 4 Q158 oder 4 Q364–367 oder die Tempelrolle bezieht, soll der Torabezug dem Leser wohl als generelles Kennzeichen der biblisch gewordenen Propheten im Sirachbuch und zugleich auch als für sich selbst vorbildlich wahrnehmen.42 Die kurze Erwähnung Nathans in Sir 47,1 soll wohl nur zeigen, dass Gott auch zu Zeiten Davids im Wort der Prophetie präsent war. Elias Wirken in seinem Eifer und in seinen Wundertaten43 wird weitaus umfassender summiert als etwa das Wirken Jeremias oder gar Ezechiels; die Hereinnahme der Prophetie Maleachis in Sir 48,10 spiegelt wiederum das Programm der religiös zentrierten Identität Israels. Bei der Darstellung Elisas verweist die mehrfach betonte Unüberwindlichkeit auf die Hilfe Gottes (vgl. 4 Reg 6,18). In der Darstellung Jesajas gemahnen die „Wege Davids“, die der Prophet dem König „geboten haben soll“, verkürzend an Dtn 18,1844; so ist auch in der Darstellung dieses Propheten ein Torabezug impliziert.45 Ansonsten werden das in Jes 38,8 erwähnte Wunder, die Tröstung der Trauernden in Zion sowie die Schau der ἀπόκρυφα erwähnt46, während u. a. Jes 6 nicht berücksichtigt wird. Bei Jeremia werden nur sehr verkürzt das Leiden und sein Auftrag insgesamt, bei den Zwölf Propheten die „Ermutigung Jakobs“ genannt; die aus unserer Sicht häufig sekundären Heilsworte halten die Aktualität angesichts der über das Gericht des Exils hinaus‑ und weitergegangenen Geschichte Gottes mit Israel fest. In der Darstellung Ezechiels mag der Verweis auf die Thronwagenvision der Verweis auf etwas sein, was sich nur bei Ezechiel findet; der Bezug auf Hiob, der nur sich selbst retten kann (Ez 14,14), in Ms. B47 stellt klar, dass auch im Ezechielbuch faktisch ein Leben nach Gottes Gebot gefordert wird, ist also ein impliziter Torabezug. Grob summierend kann man die Theologie des Prophetischen im Sirachbuch so zusammenfassen: Wundertaten, Zukunftsschau und Tröstung Israels sind charakteristisch, ebenso der explizite oder implizite Torabezug. Sozialkritik ist kein Thema, ebensowenig Fremdgötterverehrung – sie war zur Zeit Jesus Sirachs in Israel kein wirkliches Problem mehr; nachexilische Belege dafür konzentrieren sich auf die frühnachexilische Zeit. Gerichtsprophetie insgesamt ist wenig betont, wiewohl der Verfasser innerhalb seines Geschichtsrück42 Ueberschaer, Frank, Weisheit durch Begegnung, BZAW 379, Berlin / New York, NY 2007, 232. 43 Hat hier Dtn 34,11 eingewirkt, wo Moses Prophetentum ebenfalls mit Zeichen und Wundern assoziiert wird? 44 … προφήτην ἀναστήσω … καὶ λαλήσει αὐτοῖς καθότι ἂν ἐντείλωμαι αὐτῷ. An Dtn 18,18 könnte auch die Verwendung von ἀνίστημι in Sir 47,1; 48,1 (auf Nathan und Elia bezogen) gemahnen, allerdings steht das Verbum auch vom Auftreten Salomos in Sir 47,12. 45 Marböck, Johannes, Jesaja in Sirach 48,15–25. Zum Prophetenverständnis der späten Weisheit, in: Kratz, Reinhard G. / Krüger, Thomas / S chmid, Konrad (Hg.), Schriftauslegung in der Schrift. FS Odil Hannes Steck, BZAW 300, Berlin / New York, NY 2000, 305–319, 311. 46 Sirach hat das ganze Jesajabuch bis einschließlich Jes 66 vor Augen. 47 Die Erwähnung der „Feinde“ in der Septuaginta zu Sir 49,9 setzt in der hebräischen Vorlage die Verlesung von איובzu אויבvoraus.
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blickes mehrfach auf Deportation bzw. Exil verweist (Sir 48,15 f. sowie 47,24 f. in Gestalt einer Prolepse). Vermutlich war Jesus Sirach der Meinung, dass dazu kein Anlass besteht, wenn eine stabile Mehrheit in Israel das Anliegen der Bindung an die Tora und an seine Weisheitslehre verwirklicht. Das Problem falscher Prophetie in der Geschichte ist überhaupt nicht berührt, vielleicht auf Grund von Ez 13,9: „In der ‚Schrift‘ ()ב ְכ ָתב ִ des Hauses Israel werden sie nicht geschrieben.“ Für die eigene Gegenwart weiterhin wirksam ist die Unterscheidung von induktiver Mantik und wahrer Prophetie. Sir 31[34],5 hält fest: μαντεῖαι καὶ οἰωνισμοὶ καὶ ἐνύπνια μάταιά ἐστι. Dieser einzige Beleg für die Wortfamilie μάντις im Sirachbuch setzt die Linie von Dtn 18,10 f.14 und Ez 13 fort. Allerdings spielt Prophetie noch in anderer Weise in die Gegenwart des Weisheitslehrers hinein. Er vergleicht in Sir 24,33 seine eigene Weisheitslehre mit Prophetie, und dieser Vergleich ist genährt von dem Zusammenhang zwischen Prophetie und Inspiration. Sirach betont damit „die (prophetische) Autorität seiner eigenen Torainterpretation.“48 Ferner gilt: Ob sich die Aneignung seiner Weisheitslehrer durch den Schüler ereignet, hat er nicht in der Hand, aber er muss den geeigneten Rahmen dafür schaffen.49 2.2.3 Die Tierapokalypse äthHen 83–91 In der Zeit zwischen Salomo und dem babylonischen Exil wird der Untergang des Nordreiches nicht eigens erwähnt, die Geschichte des Südreiches nicht, wie wir es aus den Königbüchern kennen, als Wechsel zwischen guten und weniger guten Königen betrachtet; sie erscheint hier einseitig unter dem Motiv „Israel und das gewaltsame Geschick der Propheten“.50 In der Forschung zur JeremiaSeptuaginta ist bekanntlich umstritten, ob in der Septuaginta gewisse Aussagen über Israel nachträglich abgemildert51 oder im Masoretischen Text nachträglich verschärft wurden.52 Ein Blick in die Literaturgeschichte Israels zeigt, dass beide Tendenzen denkbar erscheinen.
48 Johannes
Marböck, Jesaja in Sirach, 318. Ueberschaer, Weisheit, 304 f.; vgl. dazu schon Stadelmann, Helge, Ben Sira als Schriftgelehrter. Eine Untersuchung zum Berufsbild des vor-makkabäischen Sōfēr unter Berücksichtigung seines Verhältnisses zu Priester-, Propheten‑ und Weisheitslehrertum, WUNT II/6, Tübingen 1980, 265. 50 äthHen 89,51; vgl. Neh 9,26.30; 2 Kön 17,13; Jub 1,12. 51 Vonach, Andreas, Jeremias. Ieremias / Jeremia, LXX.E, Stuttgart 2011, 2726 f. 52 Stipp, Hermann-Josef, Gottesbildfragen in den Lesartendifferenzen zwischen dem masoretischen und dem alexandrinischen Text des Jeremiabuches, in: Cook, Johan / Stipp, Hermann-Josef (Hg.), Text-critical and Hermeneutical Studies in the Septuagint, VTSup 154, Leiden 2012, 273. 49
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2.2.4 Das Buch Baruch In der einleitenden Autorfiktion wird die aus Jer 36 [29],12 bekannte Genealogie Baruchs noch um einige Glieder nach rückwärts erweitert; Baruch gewinnt seine Identität nicht nur über Jeremia, sondern wird selbständig in der Geschichte Israels verwurzelt. Der Bezug Baruchs zu Jeremia, dem klassischen Gerichtspropheten, wird nicht eigens thematisiert, weil als selbstverständlich vorausgesetzt. Baruch fungiert als Autorität – und kann als Autorität fungieren, um der Aussage des Buches angesichts der fortdauernden Diasporaexistenz der Gemeinde Israel Geltung zu verschaffen.53 Im Rahmen des einleitenden Schuldbekenntnisses wird in Bar 1,21 das Thema „Israel und die Propheten“ aufgenommen; prophetische Kritik ist hier Kritik an der Fremdgötterverehrung. In Bar 2,20 gelten die Propheten als diejenigen, die Gottes Zorn ankündigen, was dann durch Jer 27,11 f. exemplifiziert wird. Die Tatsache, dass diese Mahnung zur Buße und zum Toragehorsam insgesamt einem Schüler eines klassischen Gerichtspropheten zugeschrieben wird, zeigt per se das Weiterwirken dtr Prophetentheologie. Die Stimme Gottes spricht in der Tora sowie den Propheten, und die im Hymnus gepriesene Weisheit wird faktisch mit der Tora gleichgesetzt. So sind die Hauptteile des späteren Kanons bereits im Buch Baruch präsent.54 2.3 Das erste vorchristliche Jahrhundert 2.3.1 Literatur außerhalb von Qumran In dem wohl zur Hasmonäerzeit entstandenen Buch Judith55 ist Prophetie vordergründig gesehen vor allem hinsichtlich des Inspirationsanspruches thematisiert. Judith 6,2 zufolge gibt Achior einen Rat, den Holophernes nicht hören will. Wenn sich Achior in den Augen des Holophernes wie ein Prophet benimmt, soll wohl auf den Anspruch unmittelbarer göttlicher Inspiration abgehoben sein, dem Holophernes in der Situation der Auseinandersetzung nichts entgegenzusetzen hat. Gleichwohl redet Achior in einem ironischen Hintersinn tatsächlich als Prophet und weissagt im Namen des Gottes Israels Wahres, das sich dann auch verwirklicht: Wer Israel angreift, bezahlt das mit dem Leben. PsSal 18,12 setzt die deuteronomistische Interpretation der Propheten fort und zeigt, dass bei der Formulierung „seine Knechte“ im Zusammenhang damit, dass Gott 53 Ballhorn, Egbert, Vom Sekretär des Jeremia zum schriftgelehrten Weisen. Die Figur des Baruch und die kanonische Einbindung des Buches, in: Hieke, Thomas (Hg.), Formen des Kanons. Studien zu Ausprägungen des biblischen Kanons von der Antike bis zum 19. Jahrhundert, SBS 228, Stuttgart 2013, 209–224, 213. 54 Ballhorn, Baruch, 222. 55 Zu dieser Datierung vgl. Engel, Helmut, Judith. Das Buch Judit, LXX.E, Stuttgart 2011, 1298 f.
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geboten hat, von seinem Weg nicht abzuweichen, die Propheten nicht einmal mehr genannt werden müssen. 2.3.2 Qumran Charakteristisch für die Prophetenauffassung in vielen gruppenspezifischen Qumranschriften sind die deuteronomistische Tradition der (von Israel nicht selten missachteten56) Warnung und Mahnung zum Toragehorsam57 sowie die Ankündigung gegenwärtiger Verhältnisse, die eigene Zeit, Situation und Gruppe betreffend.58 Man begreift die eigene Zeit als Endzeit59 und glaubt den Lehrer der Gerechtigkeit im Verständnis der Endzeit sogar als den biblischen Propheten überlegen: „Die Vollendung der Zeiten hat Er ihm [Habakuk] nicht kundgetan“.60 Andererseits werden als Falschpropheten diejenigen denunziert, die Israel von dem rechten Weg abbringen, den Willen Gottes zu erfüllen.61 In dieser auf die eigene Gruppe bezogenen Aktualisierung liegt m. E. eine Differenz zu Jesus Sirach. Ein Interesse an aktueller Prophetie mag in dem vielleicht nicht gruppenspezifischen 4 Q375; 376 durchscheinen, wenn die Deutung dieses fragmentarischen Textes als Ritual zur Überprüfung von Falschprophetie richtig ist.62 Hingegen mag man die Liste der falschen Propheten 4 Q339 mit Matthew Morgenstern als rein akademisches Dokument ansehen63 – der Text ist ebenfalls nur sehr fragmentarisch erhalten. Die Aufnahme von Dtn 13,2–6 und von Dtn 18 in der nicht qumranspezifischen Tempelrolle64 zeigt jedoch ebenfalls ein weitergehendes Interesse an Problemen der falschen Prophetie im antiken Judentum. In dem ebenfalls nicht gruppenspezifischen Text 11 Q05 gilt David als Prophet (11 Q05 XXVII 11).
CD VII 17 (in Applikation von Amos 5,26 f.). I 1–3; VIII 15; 4 Q166 II 5; 4 Q375 I 1; 4 Q390 Frgm. 2 I 5. 58 CD III 21 (Applikation von Ez 44,15 auf die Qumrangruppe); CD VI 7–11 (Applikation von Jes 54,16 auf den Tora-Erteiler); CD VII 9–11 (Applikation von Jes 7,17); CD XIX 7 (Zitat von Sach 13,7 mit imperativischer Lesart in V. 7 b: Schlage den Hirten). 59 1 QpHab II 7–10 sowie 1 QpHab VII 1 (mit Bearbeitung der Problematik des Parusieverzuges). Wenn Melchisedek die Rache der Gerechten an den Frevlern vollzieht, ist das der Tag, worüber in den Worten Jesajas, des Propheten (Jes 52,7) gesagt ist (11 Q13 III 15). Im weiteren Verlauf werden auch Worte aus dem Danielbuch entsprechend gedeutet (11 Q13 II 18). 60 1 QpHab VII,2. Zu 1 QpHab VII,2–5 vgl. Stemberger, Günter, Propheten und Prophetie in der Tradition des nachbiblischen Judentums, in: Stemberger, Günter, Judaica Minora, Teil I: Biblische Traditionen im rabbinischen Judentum, TSAJ 133, Tübingen 2010, 176–202 (177). 61 1 QH XII 6.16; CD B XIX 25. 62 Stemberger, Propheten und Prophetie, 179 f. 63 Morgenstern, Matthew, Language and Literature in the Second Temple Period, JJS 48 (1997), 130–145, 140. 64 Dtn 13,2–6 wird in 11 QT 19 LIV 8–18 zitiert, Dtn 18,9–14.20–22 in 11 QT LX 16–LXI 5. 56
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3. Tendenzen der Bearbeitung in den Prophetenbüchern 3.1 Zur Methodik Bearbeitungsvorgänge der biblisch gewordenen Texte gab es in allen sprachlichen Traditionsbereichen. Für den hebräischen Traditionsbereich ist dies da gesichert, wo hebräische Paralleltraditionen vorliegen, und da wahrscheinlich zu machen, wo im Hebräischen eine graphische Ähnlichkeit zwischen den zu vermutenden Varianten besteht. Für den griechischen Traditionsbereich ist dies da gesichert, wo eine nur innergriechisch denkbare Verschreibung vorliegt oder aber eine Aufspaltung der Semantik.65 Desgleichen sind Fälle zu erwähnen, in denen griechische Komposita gebildet wurden, zu denen ein Äquivalent im Hebräischen oder Aramäischen nicht existiert.66 Das betrifft aber längst nicht die Hauptmaße der kontrovers diskutierten Fälle. Die zunehmende Polarisierung zwischen Minimalisten und Maximalisten, was die Wahrnehmung bewusster Bearbeitungstendenzen betrifft67, kann nicht befriedigen. Pyrrhonische Skepsis tut not. Insofern sei formuliert: Die generelle Nähe einer Septuaginta-Übersetzung zu hebräischem Sprachduktus und die Möglichkeit innerhebräischer Varianten für eine Einzelübersetzung legt eine Veränderung im hebräischen Traditionsbereich nahe, auch wenn diese uns zufälligerweise nur in ihrer griechischen Wiedergabe erhalten ist. Insgesamt wird man sich vor Augen halten: Die Übersetzungsteile der Septuaginta sind Übersetzungen und wollen die Botschaft des übersetzen Textes weitergeben, nicht eine eigene Theologie propagieren.68 Manche theologisch bedeutsame Variation muss nicht der Intention des Übersetzers entsprungen sein, auch wenn er sie im Ergebnis bejaht haben mag.69 Vor theologisch motivierten Interpretationen sind stets erst andere Erklärungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, andere Vorlagen, andere sprachliche Verstehensmöglichkeiten, dann die je eigenen Über65 Martin Rösel hat das unlängst anhand von Dan 2,47 exemplifiziert. In Dan 2,47 wird das zweimal verwendete גלאin der Übersetzung differenziert: Gott allein (μόνος, ohne aram. Äquivalent) kann Geheimnisse enthüllen (ἐκφαίνω); Daniel dagegen kann sie nur kundtun (δηλόω). Vgl. Rösel, Martin, Der Herr des Daniel. Zur Übersetzung der Gottesbezeichnungen in der Daniel-LXX, in: Wagner, Thomas / Robker, Jonathan M. / Ueberschaer, Frank (Hg.), Text – Textgeschichte – Textwirkung. Festschrift zum 65. Geburtstag von Siegfried Kreuzer, AOAT 419, Münster 2014, 399–411, 405. 66 Vgl. das Verbum καταλαλέω als Wiedergabe des einfachen ;דברvgl. ferner in Amos 7,16 G ὀχλαγωγεῖν. 67 Boyd-Taylor, Cameron, Introduction, in: Pietersma, Albert, A Question of Methodology. Collected Essays on the Septuagint, Biblical Tools and Studies 14, Leuven / Paris / Walpole 2013, 11–21, 11. 68 Joosten, Jan, Une théologie de la Septante? Réflexions méthodologiques sur l’interprétation de la version grecque, RThPh 132 (2000), 31–46, 41 f.. 69 Joosten, Théologie, 36.
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setzungskonventionen70 oder der Einfluss des Kontextes.71 Eine Behauptung intendierter exegetischer Arbeit in einem Text setzt eine konzise Beschreibung des exegetischen Prozesses voraus72 und erfordert den gleichzeitigen Einbezug auch der Übersetzungsphänomene, die nur aufgrund der Treue eines Übersetzers zu der wie auch immer verständlichen bzw. verstandenen Vorlage begreiflich zu machen sind. Grundlage dieser Treue ist, so Jan Joosten, eine Theologie des Wortes Gottes, die das Vertrauen auf das auch im Einzelnen inspirierte Wort als gültiger Offenbarung des göttlichen Willens in sich schließt und die sich weniger im Inhalt des Gesagten als in der Form der Übersetzung bekundet.73 Diese „Theologie des Wortes Gottes“ führt mindestens in der Septuaginta zum Dodekapropheton wie zu Jeremia und Ezechiel zu der bekannten strikten Orientierung an die hebräische Vorlage auch in Wortfolge74 und Graphembestand, geleitet von dem Bewusstsein, dass frei nach der Kanonregel Dtn 4,2; 13,1 nichts von der Vorlage verloren gehen soll. Das führt zu grammatikalischen Inkonsistenzen,75 stilistischen Härten,76 etymologischen Übersetzungen77 und zu 70 Aejmelaeus, Anneli, Von Sprache zur Theologie: Methodologische Überlegungen zur Theologie der Septuaginta, in: Knibb, Michael A. (Hg.), The Septuagint and Messianism, BEThL 195, Leuven 2006, 21–48; vgl. auch Stipp, Hermann-Josef, Bemerkungen zum griechischen Michabuch aus Anlass des deutschen LXX-Übersetzungsprojekts, JNSL 29 (2003), 103–132, hier 127 mit Fn. 40. 71 Joosten, Jan, Exegesis in the Septuagint Version of Hosea, in: Joosten, Jan, Collected Studies on the Septuagint, FAT 83, Tübingen 2012, 123–145, 130–135. Joosten hat allerdings auch auf Fälle aufmerksam gemacht, in denen ein dem Übersetzer (vermeintlich) bekanntes hebräisches Wort diese Bedeutung auch dann behält, wenn sie im Kontext nicht passt. 72 Pietersma, Albert, A Panel Presentation on Ronald Troxel’s, Isaiah, in: Boyd-Taylor, Cameron / Pietersma, Albert, A Question of Methodology. Collected Essays on the Septuagint, BTS 14, Leuven 2013, 339–358, 345 f. 73 Joosten, Théologie, 44.46; Joosten, Hosea, 143. Für das Hoseabuch lässt Joosten als einzigen Fall theologischer Exegese die Wiedergabe von Hos 8,4 und eine Anspielung in Hos 1,9 an Ex 3,14 gelten (letztere wegen des Präsens εἰμι statt des für das hebr. Imperfekt ֶא ְהיֶ הzu erwartenden Futurs ἔσομαι). Glenny, W. Edward, Hosea: a commentary based on Hosea in Codex Vaticanus, Septuagint Commentary Series, Leiden 2013, 71: Mit dieser Anspielung in Hos 1,9 will Hosea sagen, dass der Herr nicht mehr länger der „Ich bin“ für Israel ist; er kündigt also den Bund auf. 74 Eher erstaunlich ist, dass δέ in der Septuaginta zum Dodekapropheton überhaupt begegnet, erstmals in Hos 6,4; 7,13 (zweimal); Hos 10,11; 12,9 [10]; Amos 2,9; 7,13.17; Mi 4,5; Joel 3[4],16 (bis).20; Ob 17.18; Jona 1,5; 2,10 usw. Der Gebrauch von δέ in der Jesaja-Septuaginta ergibt ein weitaus anderes Bild. 75 Als Beispiel sei Joel 2,27fine genannt. Die Form καταισχυνθῶσιν, die einen Akkusativ erwarten lässt, ist innergriechisch lectio difficilior gegenüber der Form καταισχύνθη, die einen Nominativ als Subjekt verträgt, und entspricht überdies M. Weil aber der hebräische Konsonantentext vor עמיkeine nota accusativi trägt, ist λαός ebenfalls im Nominativ geblieben. 76 Vgl. (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) die Setzung eines enklitischen Pronomens in Schlussstellung in Hos 5,10.15; 6,7; 7,7.12; 9,7; 10,13; 11,2.8.9; 13,6.10; 14,2; Am 7,8a; Mi 5,8.10 [9.11]; 6,1.4.7; 7,4.7.8; Jona 1,2; 2,3.5; Jer 1,9.9.17 (bis); 2,16.17.19; 3,1; 22,21 etc. Vgl. ferner (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) die redundanten Personalpronomina in Hos 2,5.9.12.15 [7.11.14.17], jeweils mehrfach, ferner in Hos 4,9; Mi 3,2; 5,12 [13]; 6,7.13; Jer 34 [27],7; Joel 2,11 u.ö (vgl. dazu insgesamt: Stockhausen, Annette von, Über die Übersetzungstechnik der
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Doppelübersetzungen, so im Dodekapropheton z. B. Mi 4,9 (ἀνδρίζου)78; 5,3[4] (ὄψεται καὶ ποιμαινεῖ)79; 6,15 (dazu s. u.). Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob mögliche hebräische Varianten auf unabsichtlicher oder auf absichtlicher Veränderung beruhen. Die Einsicht in die Traditionstreue könnte generell die erstgenannte Option nahelegen, die Kenntnisnahme schriftgelehrter Arbeit von den Chronikbüchern über Jesus Sirach bis zu den Qumrantexten im Einzelfall auch das Gegenteil. Insofern ist auch der minimalistische Standpunkt nochmals der pyrrhonischen Skepsis zu unterwerfen. Eine unabsichtliche Änderung kommt am ehesten dann in Frage, wenn ein unverständlicher Text produziert wird, dessen Unverständlichkeit80 oder Anstößigkeit auch im Griechischen erhalten geblieben ist. Selbst Hos 2,1881 oder Hos 9,1282 veranlassen den Übersetzer nicht zu einem Versuch, Blasphemie zu vermeiden.83 Auch eine im Ergebnis theologisch gehaltvolle Änderung kann sich, was die Genese betrifft, purem Zufall verdanken. So ist in der Weissagung der Völkerwallfahrt Mi 4,2 die 3. Sg. mit Suffix 1. Pl. im M (Gott als semantisches Subjekt) durch den 3. Pl. δείξουσιν wiedergegeben. Hier liegt wohl kaum eine Vermeidung vor, Gott nicht als Subjekt des Verbums δείκνυμι gelten zu lassen84, noch eine Tendenz zur verhüllenden Umschreibung des göttlichen Subjektes in 3. Ps. Plural, sondern wohl eher eine unabsichtliche Verschreibung von ויורנוzu ויורו. Eine absichtliche Änderung ist am ehesten denkbar, wenn die vermutete Tendenz auch sonst in der Literatur des Zweiten Tempels nachweisbar und zugleich Joel-Septuaginta und ihre Konsequenzen, in: Kreuzer, Siegfried / L esch, Jürgen Peter (Hg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Bd. 2, BWANT 161, Stuttgart 2004, 259–268, insb. 261–264. Die redundante Wiederholung des Personalpronomens nach einem Relativpronomen, das ein indeklinables אשרersetzt, begegnet u. a. in Hos 2,13 [15]; Am 4,8; 9,12; Mi 1,7; redundantes ἐκεῖ nach οὗ für שם … אשרin Joel 3[4],7; Jer 8,3; 13,7; 16,15; 23,3.8; 24,9. Eine ungriechische Konstruktion begegnet in Am 8,9: καὶ ἔσται ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ … καὶ δύσεται ὁ ἥλιος … 77 Beispiele bei Joosten, Hosea, 129 mit Fn. 24. 78 Der Übersetzer gab eine in der Vorlage wohl schlecht lesbare Konsonantenfolge zunächst als Form von חילI. (= ὤδινε), dann als Form von חילII. (=ἀνδρίζου) wieder. 79 Mi 5,3[4]: (καὶ στήσεται) καὶ ὄψεται καὶ ποιμαινεῖ für ( ;)ורעה ועמדder Übersetzer war sich nicht sicher, ob das zweite Verbum ורעהoder וראהgelautet hat. 80 Das gilt beispielsweise für Ez 40–48, wo in der Septuaginta ohne eine für uns durchsichtige Systematik αἰλαμμώθ und αἰλλαμών für א ָילם, ֵ αἰλεου und αἰλεῦ für אילbegegnen. 81 „Dann wird sie (scil. Israel) mich (scil. Gott) ‚mein Mann‘ nennen“: καλέσει με Ὁ ἀνὴρ αὐτῆς. 82 Das Wort ׂשּורי ִ ב,ְ in Hos 9,12 von Gott ausgesagt, konnte sich der Übersetzer nur defective geschrieben als ְב ָׂש ִריvokalisiert (=σάρξ) vorstellen; vgl. Joosten, Hosea, 127. 83 Zu Hos 9,12fine vgl. die Interpretation von Glenny, Hosea, 141: the Lord’s relations or people are from Israel (ähnlich Bons, Eberhard / Joosten, Jan / Kessler, Stephan, Les Douze Prophètes, part 1: Osée, BdA 23.1, Paris 2002, 132). Glenny verweist auf das Beispiel von Gen 37,27 für einen ähnlichen Gebrauch von σάρξ. 84 Eine solche Vermeidung liegt in der Literatur des Zweiten Tempels m.W. nicht vor, ist deshalb auch für die Septuaginta zum Dodekapropheton nicht wahrscheinlich zu machen.
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biblisch begründbar ist. Qumran und Septuaginta sind manchmal auch theologisch-hermeneutische Zwillinge. Ungleichmäßige Behandlungen eines Problems innerhalb ein‑ und derselben Texteinheit sind das Hauptproblem.85 Wenn die hebräischen Textvorlagen einzelner Textteile einer Schriftrolle, z. B. des Dodekaprophetons ungleichmäßig waren, wird die Septuaginta dementsprechend ungleichmäßig. Ungleichmäßigkeiten in der Behandlung eines Problems in ein‑ und derselben Textvorlage bleiben problematisch. Manche unvollendete Harmonisierung in der Septuaginta zu Dodeakpropheton geht auf das Konto innergriechischer Verschreibung.86 Warum jedoch in Sach 9,14 eine Theophanie87, in Am 7,7 die direkte Gottesschau vermieden wird88, in Am 9,1 hingegen nicht, ist mir nicht erklärlich89, ebenso wenig der inkonsistente Umgang mit „Israel in Ägypten“ vs. „Israel in Assyrien“ in der Septuaginta zum Dodekapropheton.90 Fragen prophetischer Autorität, Aktualisierungen und Harmonisierungen sind die wesentlichen Themen bewusster Änderungen im hebräischen oder im griechischen Traditionsbereich. Damit sind auch die Gliederungssignale für das Folgende vorgegeben.
85 Die (weithin akzeptierte) These, der Übersetzer von Hos 8,4 habe geändert, weil er die Allwissenheit Gottes nicht angetastet wissen wollte, kann man nicht von Gen 3,9 („Adam, wo bist du?“) und Gen 22,12 („Jetzt habe ich erkannt“) in Frage stellen. 86 Was ist aber mit scheinbar unvollendeten Harmonisierungen? In Jona 2,11 ist einerseits durch die Wahl des Verbums προστάσσω (προσετάγη für )יהוה ויאמרan Jona 2,1 angeglichen worden, andererseits erscheinen das Passiv und der Verzicht auf die Nennung Gottes unmotiviert. Ersteres wird zumeist beobachtet, während letzteres unerklärt bleibt. Die scheinbar unvollendete Harmonisierung ist wohl so zu erklären: Das Tetragramm war wohl schon in der Vorlage ausgefallen; das unmotivierte Passiv ΠΡΟΣΕΤΑΓΗ ist wohl eine innergriechische Verschreibung von ΠΡΟΣΕΤΑΞΕ, die dann in einigen Handschriften wieder richtig gestellt wird, wie dann innergriechisch sekundär, aber sachlich richtig auch wieder ὁ κύριος ergänzt wird; vgl. die Angaben im Apparat bei Ziegler, Joseph (Hg.), Duodecim prophetae, Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum 13, Göttingen ³1984, 249. 87 Dogniez, Cécile, L’arrivée du roi selon la LXX de Zacharie 9,9–17, in: Kraus, Wolfgang / Munnich, Olivier (Hg.), La Septante en Allemagne et en France / Septuaginta Deutsch und Bible d’Alexandrie, OBO 238, Fribourg / Göttingen 2009, 217–237, 232, aufgrund der Wiedergabe von יראהmit ἔσται. 88 In Am 7,7 wird hebr. אדניnicht übersetzt. So kann das Partizip ἑστηκώς mit einem unbestimmten „er“ gedeutet werden. 89 Musste κύριος in Am 9,1 stehen bleiben, damit das Subjekt der folgenden Rede klar bleibt? Den Widerspruch zwischen Am 7,7 und Am 9,1 vermerken auch Glenny, W. Edward, Amos: a commentary based on Amos in Codex Vaticanus, Septuagint Commentary Series, Leiden 2013, 125 und Andersen, Francis I. / Freedman, David N., Amos: A new Translation with Introduction and Commentary, Anchor Bible 24A, New York 1989, 756. 90 Glenny, W. Edward, Ephraim Dwelt in Egypt: Egypt and Assyria in the Septuagint of Hosea, in: Peters, Melvin K. H. (Hg.), XIV Congress of the IOSCS Helsinki 2010, SCS 59, Atlanta, GA 2013, 457–471.
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3.2 Prophetie und Pseudoprophetie 3.2.1 Autorisierung des Propheten Ähnlich wie zu Mose91 wird auch zu den Propheten gelegentlich betont, dass das im Folgenden verkündete Wort nicht das Wort des Propheten, sondern das Wort Gottes selbst ist. Eine solche Autorisierung erfolgt in Am 5:1;92 Zeph 3,16a;93 Jer 1,1;94 45,27;95 51,29;96 Ez 12,797, m. E. auch in Jona 1,9 (s. u.). Es spricht nichts dagegen, diese Änderungen bereits im hebräischen Traditionsbereich anzusiedeln. Das mag auch für Nah 1,1; Hab 1,1 gelten. Die Charakterisierung der prophetischen Botschaft als λῆμμα, (von Gott) Empfangenes, jeweils für das unklare מׂשא, ist vielleicht die Wiedergabe einer Form von נׂשא, als part. Ni. נִ ָּׂשאvokalisiert, wofür λαμβάνειν gelegentlich als Übersetzung fungieren kann.98 In Jes 2,1 (ὁ λόγος ὁ γενόμενος παρὰ κυρίου) ist wohl statt הדבר אשר חזהeine Vorlage mit הדבר אשר מיהוהvorauszusetzen. Man kann alle diese Änderungen als bewusste Änderungen bezeichnen, da die göttliche Autorität prophetischer Worte auch sonst im hebräischen Sprachbereich betont wird.99 Die Betonung, dass Gott redete, mag damit in Zusammenhang stehen, dass es von Falschpropheten heißt, sie reden nur aus eigenem Herzen (Jes 44,25). In der Septuaginta zu Jona 1,9 wird die Aussage „( עברי אנכיein Hebräer bin ich“) wiedergegeben mit δοῦλος κυρίου ἐγώ εἰμι = עבד יהוה אנכי. Es legt sich nahe, die Veränderung bereits im hebräischen Traditionsbereich zu verorten, zumal das Syntagma δοῦλος κυρίου / θεοῦ in der Literatur des griechisch-sprachigen Judentums kaum zur Bezeichnung von Juden gegenüber Nichtjuden im Kontext religiöser Auseinandersetzungen begegnet (Ausnahmen: 2 Makk 7,6; 91 Meiser, Martin, Theologische Anmerkungen in alexandrinischer Homerphilologie und theo-logische Korrekturen in der Septuaginta, in: Elschenbroich, Julian / Vries, Johannes de (Hg.), Worte der Weissagung. Studien zu Septuaginta und Johannesoffenbarung, FS Martin Karrer, ABG 47, Leipzig 2014, 108–136, 129 f. 92 λόγος κυρίου statt הדבר הזה. 93 In Zeph 3,16a wird יאמרals Aktiv, nicht als Passiv gelesen, κύριος wird ergänzt, um die Aussage eindeutig zu machen (Kim, Jong-Hoon, Text und Übersetzung des griechischen Zephanjabuches, in: Kreuzer, Siegfried / Meiser, Martin / Sigismund, Marcus [Hg.], Die Septuaginta – Entstehung, Sprache, Geschichte. 3. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch [LXX.D], Wuppertal 22.–25. Juli 2010, WUNT 286, Tübingen 2012, 165). 94 Stipp, Gottesbildfragen, 244: das ist schon in der hebr. Phase erfolgt, gegen Vonach, LXX.E, 2712, der das erst dem griechischen Traditionsbereich zuschreiben will. 95 λόγος κυρίου statt הדבר. 96 Jeremias Anweisung an Seraja ist ersetzt durch die Anordnung JHWHs an Jeremia, Seraja eine entsprechende Anweisung zu geben; vgl. Stipp, Gottesbildfragen, 271. 97 In Ez 12,7 steht ἐνετείλατό μοι (Gott als aktives Subjekt) statt passiv „wie mir geboten worden war“. 98 Vgl. inhaltlich am nächsten Hos 13,1; Hab 2,6. 99 Vgl. 1 QS I 1–3; VIII 15.
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PsSal 2,37). Schwerer zu entscheiden ist, ob nur ein „Flüchtigkeitsfehler“100 vorliegt oder eine bewusste Änderung: Dadurch wird nämlich eine Harmonisierung mit 2 Kön 14,25 erreicht, wo Jona ben Amittai als „sein (scil. Gottes) Knecht ( “)עבדוbezeichnet wird.101 Als weiteres Argument kann auch die nachdeuteronomistisch gerade im hebräisch-aramäischen Traditionsbereich weitergetragene Bezeichnung „Knechte Gottes“ für die Propheten gelten.102 So rechne ich mit einer bewussten Änderung im hebräischen Traditionsbereich; die griechische Übersetzung ist auch an dieser Stelle des Dodekapropheton als treue Wiedergabe der Vorlage zu charakterisieren. Unter den Gesichtspunkt der Autorisierung des Propheten fällt m. E. auch die Wiedergabe in Ez 11,2 von אוןdurch μάταια. Die Wiedergabe ist nicht völlig ungewöhnlich, wie Hos 6,9[8], Jes 31,2; 32,6 zeigen. In Ez 11,2 soll wohl das Denken der hier genannten Männer als nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend erwiesen werden (vgl. die Gerichtsankündigung gegen sie in Ez 11,7) – so wird die Wirksamkeit des prophetischen Wortes und damit indirekt die Autorität des Propheten gestützt. Das Thema „Autorität des Propheten“ wird jedoch in anderer Weise virulent, wenn der Prophet nicht uneingeschränkt als positive Figur gelten kann. Zu Jona 4,2 (συνεχύθη = „er wurde erschüttert / verwirrt“ statt „er wurde zornig“) kann man eine Abmilderung des Konfliktes zwischen Gott und dem Propheten erwägen103, ebenso aber den Gedanken, dass der Prophet durch Gott erschüttert wurde. Das Verbum συγχέω begegnet in der Septuaginta insgesamt 18mal, davon allein sechsmal in der Septuaginta zum Dodekapropheton, als Wiedergabe dreier verschiedener Wurzeln. 3.2.2 Probleme der Falschprophetie In der Septuaginta zum Dodekapropheton sind Mi 2,11–13 und vor allem Mi 3,7 einer Erwähnung wert. Ob gewollt oder ungewollt, wird die Heilsweissagung Mi 2,12 f. durch den gegenüber der hebräischen Vorlage geänderten Text V. 11 als Prophetie des πνεῦμα ψευδές eingeführt. In Mi 3,7 hat Helmut Utzschneider ad vocem καταλαλέω eine intertextuelle Anspielung an Num 12,8 vermutet.104 Die Worte οὐκ ἔσται ὁ εἰσακούων αὐτῶν mögen innerhebräische Verschreibung
Heckel, Theo K., Jonas. Jona, LXX.E, Stuttgart 2011, 2395. Auch bei Harl, Marguerite u. a., Les Douze Prophètes 4–9, Joël, Abdiou, Jonas, Naoum, Ambakoum, Sophonie, BdA 23,4–9, Paris 1999, 144, bleibt die Entscheidung offen. 102 Bar 2,24; Dan 9,6; IQS I 3; 4 Q166 II 5; 4 Q390 Frgm. 2 I 5; PsSal 18,12. 103 Verweis bei Heckel, LXX.E, 2403. Eine hebräische graphische Verschreibung erscheint mir eher unwahrscheinlich. 104 Utzschneider, Helmut, Michaias. Micha, LXX.E, Stuttgart 2011, 2371 f. 100 101
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sein.105 Am Anfang ist das vom Hebräischen her nicht geforderte ἐνύπνια wohl interpretativer Zusatz. Auch das Verbum καταλαλέω steht nicht selten als interpretierende Übersetzung für einfaches דבר, so auch in Num 12,8; 21,5; Hos 7,13; eine graphische Brücke von עטוdorthin scheint kaum denkbar, ebenso wenig von על־שפםhin zu κατ’ αὐτῶν, wenigstens, was das jeweils zweite Wort betrifft. Von daher legt es sich nahe, in dem Verbum καταλαλέω tatsächlich Interpretationsarbeit zu vermuten. Πάντες αὐτοί entspricht כלם. Doch wer sind diese, sind es die Propheten, die einander widersprechen, oder sind es die von den Propheten Verführten? Für letzteres könnte man mit Theodoret von Kyros auf den Gang der Geschichte verweisen, der die Heilsprophetie Lügen strafte.106 In der Septuaginta zum Jeremiabuch wird die Übersetzung ψευδοπροφήτης an manchen Stellen für das einfache נביאauch von Hermann-Josef Stipp als interpretative Leistung der Septuaginta anerkannt;107 doch warum begegnet sie so ungleichmäßig, warum fehlt sie in Jer 23 völlig? Eine erste Antwort kann nur auf Befunde aufmerksam machen. Diese Bezeichnung steht ein erstes Mal in Jer 6,13, wo die Parole „Friede, Friede“ als das bezeichnet werden soll, was sie ist. Sie fehlt in Jer 23 aus Gründen der Treue zur Vorlage, weil durch das anfangs beschriebene semantische Feld zur Genüge klar ist, dass Jeremia nicht die Ablehnung der Prophetie insgesamt intendiert. Sie steht in Jer 34; 35; 36 da, wo es um der szenischen Klärung willen notwendig ist und wo von den Gegnern Jeremias konkrete Prophetien ausgesprochen werden, die durch den Gang der Geschichte widerlegt wurden. Die in Mi 3,7 und Jer 23 genannte Thematik kommt auch in Jes 3,12 G (λαός μου οἱ μακαρίζοντες ὑμᾶς πλανῶσαν ὑμᾶς) zum Tragen, wo ad vocem πλανάω ein weiteres Mal eine Allusion zu Dtn 13 vermutet werden kann. Was passiert in Jes 8,19b, an welcher Stelle der M nach Cécile Dogniez ironisch redet,108 in G? Das zusätzliche τί verwandelt die ironische Aussage in eine Frage, wie auch sonst in der Septuaginta ein ironischer Imperativ vermieden werden kann.109 Die Wahl des Begriffes ἐγγαστρίμυθος für diverse Begriffe, die außerhalb der Jesaja-Septuaginta keine Parallele hat, nähert die in Jes 8,19; 29,4; 44,25 Genannten den Bauchrednern an, deren Tätigkeit nach Dtn 18,11 in Israel ver-
105 Sie führen nach Wolff, Hans Walter, Micha. Dodekapropheton 4, BK XIV/4, Neukirchen-Vluyn 1982, 61, auf אין ענה להםstatt ֹלהים ִ כּי ֵאין ַמ ֲענֵ ה ֱא.ִ 106 Theodoret, in Mi., PG 81, 1757 A. 107 Stipp, Gottesbildfragen, 244. 108 Dogniez, Cécile, La nécromancie dans la LXX d’Isaïe, in: Kraus, Wolfgang / Karrer, Martin (Hg.), Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse, WUNT 252, Tübingen 2010, 576–589, 580. 109 Altkirchliche Autoren hatten keine Schwierigkeiten mit der Vorstellung, in der Heiligen Schrift werde gelegentlich auch einmal ironisch geredet; vgl. Theodoret von Kyros, in Am., PG 81, 1680 A, zu Am 3,9: ἴδετε θαμαστὰ πολλά im Kontext einer Gerichtsankündigung gegen Samaria ist κατ’ εἰρωνίαν geredet.
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boten sein soll. Diese abgrenzende Klärung ist also im griechischen Traditionsbereich zu verorten. 3.3 Aktualisierung 3.3.1 Aktualisierung der Adressaten Als Adressat der Verkündigung des Amos gilt nach Am 1,1 M Israel, nach Am 1,1 G Jerusalem. Schon Hieronymus bemerkt, dass die Verkündigung des Amos eigentlich an die zehn Stämme des Nordreiches gerichtet war, und fertigt die Septuaginta-Übersetzer mit seiner Standardformulierung nescio quid volen‑ tes ab.110 Gelegentlich wird auf „Unachtsamkeit“111 verwiesen oder auf einen Schreibfehler, beruhend auf einer falsch verstandenen Abkürzung.112 Für eine bewusste Änderung könnte geltend gemacht werden, dass der Name „Israel“ für die Septuaginta sich auf das vereinigte ehemalige Nord‑ und Südreich bezieht.113 Auch kann man die Vorverweise auf Jerusalem (1,2; 2,5); Juda (2,4 f.; 7,12); die Hütte Davids (9,11); Zion (1,2; 6,1) namhaft machen oder mit Edward Glenny vermuten, der Übersetzer habe das eher symbolisch als Bezug auf die Glaubensgemeinschaft denn physisch verstanden.114 3.3.2 Der Prophet und die vergangene Geschichte Ein wahrer Prophet kann nichts Falsches vorausgesagt haben; eher billigt man ihm einen Mehrwert überschießender Erkenntnis zu. Tendenzen der Harmonisierung mit der Geschichte in beiden Richtungen sind m. E. sowohl im hebräischen als auch im griechischen Traditionsbereich gegeben, ersteres in Am 3,9, letzteres in Am 7,14; Sach 13,2; Jes 7,9. In Am 3,9 setzen die Worte ἐν Ἀσσυρίοις wohl באשורvoraus statt Asdod ()אשדוד. Letzteres ist als lectio difficilior wohl ursprünglich115, aber warum wurde Assur an dessen Stelle gesetzt? Wilhelm Rudolph argumentierte, es solle ein 110 Hieronymus, in Am., CC.SL 76, 212. Theodoret, in Am., PG 81, 1665 A bemerkt ebenfalls (unter ausschließlicher expliziter Bezugnahme auf die Septuaginta-Lesart), Amos habe auch zu den zehn Stämmen des Nordreiches gesprochen. 111 Rudolph, Wilhelm, Joel – Amos – Obadja – Jona, KAT XIII/2, Gütersloh 1971, 109. 112 Paul, Shalom M., Amos, Hermeneia, Minneapolis 1991, 35. Ebenso bereits Wolff, Hans-Walter, Dodekapropheton 2, Joel und Amos, Neukirchen ²1985, 145: „Schreibirrtum auf Grund verwechselbarer Abkürzungen (?)“. 113 Dafni, Evangelia / S chart, Aaron, Amos, LXX.E, Stuttgart 2011, 2345 f. 114 Glenny, Amos, 42. 115 Wolff, Amos, 228, verweist auf die anderen griechischen Übersetzungen ἐν ἀζώτῳ. Anders Andersen / Freedman, Amos, 406: Warum sollten die Philister hier erwähnt werden? Es ist schwer vorstellbar, dass eine von acht Nationen, gegen die sich die Drohworte Am 1 f. richten, hier als Zeuge des Gerichtes an Israel aufgerufen wird.
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Ägypten gleichwertiges Großreich benannt werden; niemand hätte es in das kleinere Asdod abgewandelt.116 Denkbar ist aber auch, dass dem Propheten damit indirekt die Andeutung der kommenden Eroberung Israels durch die Assyrer zugeschrieben wird, wie es dem Verlauf der Geschichte entspricht.117 Aufgrund der graphischen Nähe beider Lesarten ist diese Variantenbildung m. E. bereits im hebräischen Traditionsbereich erfolgt.118 Die Geschichte der Prophetie führt in Sach 13,2 zur Wiedergabe von נביא durch ψευδοπροφήτης: Nach Sacharja kam noch Maleachi, und es ist nicht denkbar, dass Gott seinem eigenen Wort widerspricht. Das ist ebenso nur griechisch möglich wie die Einführung des Imperfektes ἦν (im Hebräischen ist das ein prädikatloser Satz) in Am 7,14. In Jes 7,9 G dürfte σύνετε statt μένετε gesetzt sein, um einen Widerspruch zu dem tatsächlichen Ende der davidischen Dynastie zu vermeiden. 3.3.3 Aktualisierung auf zeitgeschichtliche Verhältnisse Darunter sind neben der bekannten Aktualisierung von Völkernamen119 auch die Thesen gewisser Anspielungen auf Personen der eigenen Zeitgeschichte zu fassen. Die Thesen sind nicht unumstritten geblieben; deshalb gilt es auch hier, nach Kriterien zu fragen. Solche Anspielungen sind am ehesten zu sichern, wenn tatsächlich Personennamen begegnen, wie etwa in Sach 14,14 Ιουδας, was in manchen Handschriften sogar noch zu ὁ Ιουδας erweitert wird.120 Etwas einschränkend wird man feststellen, dass die Septuaginta wenigstens Eindeutigkeit hergestellt hat. Dass man auch den hebräischen Konsonantentext von Sach 14,14 im Sinne eines Personennamens verstehen konnte, bezeugt Hieronymus.121 Mit einem höheren Grad von Unsicherheit belastet sind vermutete Anspielungen auf Einzelzüge aus der Vita eines Betroffenen. Dass, um nochmals auf 116 Paul,
Amos, 116; die Variante Assyrien hält er entweder für einen Schreibfehler oder für einen gelehrten Reflex auf die Rolle Assyriens als Feind Israels und hinsichtlich seiner Größe Ägypten vergleichbar. 117 Rudolph, Joel – Amos – Obadja – Jona, 158; Glenny, Amos, 67; ähnlich bereits Theodoret von Kyros, in Am. PG 81, 1680 A. 118 So auch Dafni / S chart, LXX.E, 2349. 119 Bekannt sind die Modernisierungen „Idumäa“ für ( אדםAm 1,6) und Syria für ( ארםAm 1,5). Schon etwas problematischer ist Zeph 2,5. Für MT גוי כרתיםsteht in LXX πάροικοι Κρητῶν. Das Wort πάροικοι setzt „( גריFremdlinge“) voraus; diese Änderung fällt dann in den hebr. Traditionsbereich. Die Wiedergabe von כרתיםdurch Κρηταί ist eher eine bewusste Aktualisierung im griechischen Traditionsbereich (es würde sich die Transliteration χερεθθι wie in 2 Reg 15,18 anbieten). Hingegen ist die Wiedergabe von בית אוןdurch οἶκος Ων eine einfache Transkription des plene geschriebenen hebräischen Namens. Eine eigentliche Aktualisierung hätte Ἡλίου Πόλις gelautet wie in Ez 30,17 (Joosten, Hosea, 141). 120 V A-Qʹ–198–233ʹ–407–449ʹ–534ʹ–86c Cyr. 121 Hieronymus, in Zach., CC.SL 76 A, 890 f.
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Jes 14,19 G zu sprechen zu kommen, es nicht der König von Babylon sein soll, der „in den Bergen“ sein Leben verlieren soll, scheint uns dank unserer Vorstellung der Geographie des Zweistromlandes einigermaßen evident. Mit den Worten ἐν τοὶς ὄρεσιν allerdings eine Anspielung auf Antiochus IV. Epiphanes zu vermuten, ist nur dann einigermaßen zu sichern, wenn es nicht ein Motiv der Vernichtung von Freund oder Feind in den Bergen gibt. Davids Klage über die Berge Gilboas, in denen Saul nach 2 Reg 1,21 sein Leben verlor, mahnt allerdings zur Vorsicht. In Mi 6,15 ist statt des Masoretischen Textes „( וְ יִ ְׁש ַּת ֵּמר חקות עמריund es werden die Satzungen Omris abgeschafft“) in mehreren Textzeugen καὶ ἀφανισθήσεται νόμιμα λαοῦ μου zu lesen.122 Das ist unter Verschreibung des וְ יִ ְׁש ַּת ֵּמרzu וְ יִ ְׁש ַּת ֵּמדund der Konsonantenfolge עמריzu עמיdurchaus innerhebräisch denkbar. Bei Rahlfs / Hanhart schließt eine Ergänzung an, die von den eben genannten Textzeugen nicht geboten wird: καὶ ἐφύλαξας τὰ δικαιώματα Σαμβρι καὶ πάντα τὰ ἔργα τοῦ οἴκου Αχααβ. Bei Wilhelm Rudolph findet sich eine zeittypische Erklärung: Die erste Übersetzung war verkehrt; dann wurde die richtige Übersetzung nachgetragen.123 M. E. ist der Zusatz tatsächlich eine Doppelübersetzung unter Berücksichtigung der Verwechselbarkeit zwischen שמדund שמרsowie unter Kenntnis der Lesart עמרי. Sie setzt, so Hermann-Josef Stipp, die Namensgleichheit von Simri und Omri voraus, die in der Rahlfs-Ausgabe und den davon abhängigen Quellen verschleiert werde.124 Aber was meint die erste Übersetzung καὶ ἀφανισθήσεται νόμιμα λαοῦ μου? Helmut Utzschneider interpretiert die νόμιμα positiv als göttliche νόμιμα und fasst hellenistische Reformer als Subjekt des ἀφανισθήσεται auf; so werde im Stile von 1 Makk 1,11–15 Kritik an der Abschaffung der νόμιμα λαοῦ μου geübt.125 Allerdings sind die νόμιμα λαοῦ μου nicht zwingend positiv zu verstehen, wie Theodorets kontextbasierte (V. 16!) Kommentierung im Sinne der παράνομος πολιτεία zeigt.126 Dann könnte die Abschaffung Teil des göttlichen Gerichtshandelns sein. Wie auch immer: Von der Aktualisierung ging der textgeschichtliche Weg dieser Stelle dann aber weiter zur Treue: Die später ergänzte zweite Übersetzung spiegelt das Bemühen, einen Text zu bieten, der keine der möglichen Lesarten der hebräischen Vorlage ausschließt. Hierher gehört auch die erst im Griechischen erweisbare innergeschichtliche Aktualisierung von ִסירals λέβηται in Am 4,2. Das könnte auf die Religionsver122 So in Teilen des antiochenischen Textes, in den Handschriften C, 239, in der Syra Harclensis und in der armenischen Überlieferung. Hieronymus, in Mi, CC.SL 76, 501 f., bezeichnet die Übersetzung der Septuaginta als irrig. Sie wäre nur korrekt, wenn עמיstünde. 123 Rudolph, Wilhelm, Joel – Amos – Obadja – Jona, KAT XIII/2, Gütersloh 1971, 117. 124 Stipp, Gottesbildfragen, 112 f. 125 Utzschneider, LXX.E, 2377. 126 Theodoret von Kyros, in Mi., PG 81, 1780 A; ähnlich Theophylakt von Ochrid, in Mi., PG 126, 1161 C.
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folgung unter Antiochus IV. Epiphanes verweisen, wo solche Kessel nach 2 Makk 7,3 (dort ebenfalls λέβηται) zur Folterung von Juden tatsächlich eingesetzt wurden.127 3.3.4 Apokalyptik oder Zeitgeschichte? Hinsichtlich des Messianismus besteht in der Forschung wenig Eindeutigkeit, wie u. a. die Divergenz der in dem von Michael Knibb herausgegebenen Band abgedruckten Beiträge zeigt.128 Neuzeitlich nicht ganz so umstritten ist das Prädikat der Eschatologisierung, wenn die Wendung ( )ב)אחרית הימיםDtn 4,30; 31,29; Mi 4,1), die in der hebr. Bibel mit „in der Zukunft“ zu übersetzen ist,129 mit ἐπ’ ἐσχάτων τῶν ἡμέρων wiedergegeben wird. Das ist eine Interpretation, die nur im Griechischen möglich ist. Inwiefern hier wirklich eine Änderung vorliegt, ist offen, wie die Auslegung bei Hieronymus zeigt: Beide Formulierungen gibt er mit et erit in novissimo / novissimis dierum wieder.130 Aber auch andere Stellen sind einer Klärung bedürftig. In Am 7,1 G findet sich καὶ ἰδοῦ βροῦχος εἷς Γωγ ὁ βασιλεύς („und siehe, eine Heuschrecke ist Gog, der König“) statt „und siehe, Spätsaat, nach der Mahd des Königs“. Die Lesart der Septuaginta kann aus mehrfachen innerhebräischen Verschreibungen erklärt werden. Statt ( לקשSpätsaat) ist ( ילקHeuschrecke; vgl. Joel 1,4) vorausgesetzt, statt ( אחרnachdem) wurde = אחדεἷς (einer), statt ( גזיMahd) wurde גוגgeschrieben. Umstrittener als die Herleitung der Septuagintavorlage ist ihre Interpretation. Gelegentlich wird der Septuagintatext als Wiedergabe einer schlecht lesbaren bzw. korrupten Vorlage erklärt.131 Hingegen verweisen Wilhelm Rudolph, Evangelia Dafni und Aaron Schart auf apokalyptische Erwartungen.132 Edward Glenny spricht von einer Gog-Tradition, in der Gog für einen mächtigen Gegner Israels steht und die Num 24,7 G133 und Sir 48,17 B134 beeinflusst habe. Der singularische Sprachduktus in Am 7,1 lasse den Bezug von Gog auf ein Individuum erwarten, vermutlich auf Antiochus IV. Epiphanes; der Heuschreckenscharm ist dann seine Armee. Die Verknüpfung mit Ez 38 f., veranlasst durch die Heu127 (LXX.D 1177). Ähnlich Glenny, Amos, 74 f., z. St. Zu den verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten für ִסירvgl. Paul, Amos, 133 f. 128 Knibb, Michael A., The Septuagint and Messianism, BEThL 195, Leuven 2006. 129 Utzschneider, LXX.E 2372. 130 Hieronymus, in Mi., CC.SL 76, 466. 131 Wolff, Amos, 337; als Erwägung auch Andersen / Freedman, 742. 132 Rudolph, Amos, 229; Dafni / S chart, Amos, 2356; als alternative Erwägung auch Andersen / Freedman, Amos, 742. 133 In Num 24,7 G ist der Amalekiterkönig Agag zu Gog mutiert. 134 In Sir 48,17 B werden Gog und Hiskia verbunden, vielleicht in dem Sinn, dass Sanherib die Erfüllung der Weissagung über Gog darstellt.
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schreckenvisionen im Buch Joel, bringt vermutlich ein optimistisches Element ein; Gog und Magog sind ja in der Entscheidungsschlacht definitiv besiegt. Das optimistische Element wird aber in Am 7,2 nicht durchgehalten.135 Neben der apokalyptischen Deutung kann man aber mit Sir 48,17 B auch die Deutung auf Sanherib finden, wie sie auch in der Alten Kirche zu finden ist.136 Ich rechne mit bewusster Änderung bereits im hebräischen Traditionsbereich. Plausibel ist m. E. in der hebräischen Vorlage sowohl eine apokalyptische als auch eine geschichtsbezogene Interpretation, während die Übersetzer nur das getreu wiedergaben, was sie in ihrer Vorlage fanden. Dan 6,6[8] wird, wie Martin Rösel unlängst gezeigt hat, in der Septuaginta als Verschärfung des Religionskonfliktes erzählt137, in Reaktion auf die hellenistische Herrschervergottung.138 3.4 Harmonisierungen 3.4.1 Das Prophetenbuch als innere Einheit – Harmonisierungen im Buch Im Dodekapropheton sind manche der Septuaginta zugeschriebenen Harmonisierungen wohl am ehesten der hebräischen Vorlage zuzuschreiben, sei es einer einfachen Verschreibung139, sei es, etwa bei Mi 1,2; 7,18, der im gleichen Sinne vokalisierten Konsonantenfolge לעד, in beiden Fällen als ( ְל ֵעדwie Mi 1,2 MT) aufgefasst.140 Bereits die hebräischsprachigen Tradenten des Michabuches kön-
135 Glenny,
Amos, 121 f. Kyrill von Alexandria, in Am., PG 71, 1532 D – 1533 C; Theodoret, in Am., PG 81, 1697 B. Der Verweis auf Gog illustriert für Theodoret die Größe des Heeres, mit dem die Assyrer Jerusalem belagern werden. 137 In Dan 6,6[8] G heißt es, niemand dürfe etwas von einem anderen Gott erbitten als von Dareios, in Dan 6,6[8] M+θ’, niemand dürfe etwas von einem anderen Gott oder Menschen ( )ואנש מן־כל־אלהals von Dareios erbitten. Ein Ausfall des ואנשwegen homoioarkton ist wenig wahrscheinlich. 138 Rösel, Martin, Der Herr des Daniel. Zur Übersetzung der Gottesbezeichnungen in der Daniel-LXX, in: Wagner, Thomas / Robker, Jonathan M. / Ueberschaer, Frank (Hg.), Text – Textgeschichte – Textwirkung. FS Siegfried Kreuzer, AOAT 419, Münster 2014, 399–411, 409–411. 139 Sach 5,1 M spricht von einer Buchrolle, die den Fluch über die ganze Erde enthält, in Sach 5,2 G ist von einer Sichel die Rede. Die Änderung ist innerhebräisch als Änderung von מגלהzu מגלverständlich zu machen. Vom Kriterium des Kontextes her liegt eine unabsichtliche Verschreibung nahe. Man könnte auch anders argumentieren: Verfasser wie Übersetzer des Sacharjabuches halten daran fest, dass in den letzten Tagen die Heiden ebenfalls für Gott zu einem λαός Gottes werden (Sach 2,15). Darum wird in Sach 5,1 die Buchrolle durch die Sichel ersetzt. 140 Zu Mi 1,2; 7,18 anders Utzschneider, Helmut, Das griechische Michabuch – Zur Probe ersetzt und erläutert, in: Fabry, Heinz-Josef / Offerhaus, Ulrich (Hg.), Im Brennpunkt: Die Septuaginta. Studien zur Entstehung und Bedeutung der Griechischen Bibel, BWANT 153, Stuttgart 2001, 213–250, 231 f. 136
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nen die von Helmut Utzschneider namhaft gemachte Inklusion von Gericht und Gnade im Michabuch gesehen haben.141 In der Danielseptuaginta ist das Stichwort „Vision“ in Dan 2,1 G diff. θ’ unter dem Eindruck des Folgenden ergänzt,142 in Dan 2,7 G diff. M θ’. ebenfalls statt = חלוםἐνύπνιον gesetzt. Vielleicht ist statt חלוםdas Wort ֱחזּוvorausgesetzt, so dass diese Änderung bereits im aramäischen Traditionsbereich denkbar ist. Es geht aber nicht um eine generelle Distanz gegenüber dem Traum.143 Joel 2,28 und 11 Q05 XX 14 lassen das nicht erwarten. In Jes 8,19 ist die Übersetzung οἱ φωνοῦντες ἐκ τῆς γῆς für das einfache אוב durch den hebräischen Text von Jes 29,4 ( )מארץ כאובbeeinflusst und will den illusionären Charakter dieser mantischen Technik betonen.144 Korrekturen dieser Art sind aber auch im M denkbar, wie Michael Konkels Erwägungen zu Ez 2,3 M; 3,1 M zeigen: Man kann fragen, ob nicht der Zusatz „und den Völkern“ in Ez 2,3 M bereits auf die Fremdvölkerworte in Kap. 25–32 vorausblickt und ob nicht die Worte „was du finden wirst, iss“ in Ez 3,1 M, nach Ez 2,9 f. eigentlich unnötig, von Jer 15,16 beeinflusst sind.145 Hintergrund aller solcher Harmonisierung ist, dass sich der Prophet, der im Auftrag Gottes redet, nicht selbst widersprochen haben kann. 3.4.2 Harmonisierung mit vorstellbarer Szenerie Anthropomorphismen stellen in der Septuaginta ein eigenes Problem dar – manche sind beibehalten, manche sind getilgt; manche sind von der Septuaginta geboten, fehlen aber in M.146 An anderer Stelle habe ich zu zeigen versucht, dass Anderes in der Dodekapropheton-Septuaginta ist erst im Zuge der Übersetzung zugewachsen, so etwa das gegenüber M überschießende τὸ ἔμπροσθεν in Jona 3,1, das eine noch deutlichere Verklammerung der zweiten mit der ersten Buchhälfte bewirkt. 142 Neef, Heinz-Dieter, Daniel / Das Buch Daniel, LXX.E, Stuttgart 2011, 3020. 143 Sie wäre biblisch begründbar (vgl. Jer 23,25 u. ö.). 144 Dogniez, La nécromancie, 587. 145 Konkel, LXX.E, 2862.2863. 146 Für nicht definitiv entscheidbar halte ich die Frage der Priorität der Lesarten in Jes 1,2, nämlich M ( = בנים גדלתיIch habe Söhne groß gemacht) vs. υἱοὺς ἐγέννησα = „( בנים ילדתיIch habe Söhne gezeugt“) in der Septuaginta. In Dtn 32,18a steht die Metapher „Fels“ für Gott als Subjekt zu ;ילדin der Septuaginta z.St. wird die Metapher getilgt, aber an einer möglichen Benennung Gottes als Subjekt kein Anstoß genommen (Θεὸν τὸν γεννήσαντά σε ἐκατέλιπες). In Jes 1,2 nehme ich aufgrund der graphischen Ähnlichkeit an, dass beide Varianten schon im hebräischen Traditionsbereich existierten. Dass die Lesart des M auch in 1 QIsa begegnet, zeigt deren hohes Alter, aber nicht unbedingt deren Priorität (so aber Louw, Transformations, 163, der neben Dtn 32,18 auch auf Ps 2,7 sowie auf die Vorstellung, Gott sei Israels „Vater“, in Ex 4,22; Hos 11,1 verweist). Man muss abwägen: Ist die Septuaginta-Lesart eine sekundäre intertextuelle Verknüpfung mit Dtn 32,18 – „Mose und die Propheten“ wurden dann auch en miniature zu Trägern derselben Botschaft – wobei die Tradenten dieser Fassung die problematische Vorstellung von ילד/ γεννάω mit Gott als Subjekt in Kauf nahmen, oder sind M und 1 QIsa sekundär als Versuch, eben diese problematische Vorstellung von Gott fernzuhalten? 141
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mit der These, den Übersetzern wäre eher an einem genauen Achten auf die Szenerie gelegen, das Problem dieser Ungleichmäßigkeit an manchen Stellen entschärft werden könnte.147 Die Septuaginta zum Dodekapropheton ist bekanntlich eine sehr literale Übersetzung. Gleichwohl gibt es auch hier Änderungen, die erklärt werden müssen. Mi 1,8 ist m. E. ein Beispiel, wie die Treue zur Vorlage einerseits, die Einsicht in die Notwendigkeit rechten Redens von Gott andererseits zur Veränderung des Textes führt. Mi 1,8 M + Mur 88 („Darüber muss ich klagen und heulen“) hat man nach heutiger Ansicht wohl als Klage des Propheten aufzufassen, nicht als Fortsetzung der Gottesrede.148 Für den Sprecherwechsel fanden die Übersetzer jedoch kein Textsignal; sie fassten auch V. 8 als Bestandteil der Gottesrede auf.149 Von Gott aber solche, wie Theodoret kommentiert, hyperbolische Trauer150 auszusagen, schien unangebracht, und zu dem von Hieronymus eingebrachten Gedanken der προσωποποιία Dei durch den Propheten151 fühlten die Übersetzer sich wohl nicht frei. Deshalb ist in Mi 1,8 G ist die 1. Sg. zur 3. Sg. abgeändert; es ist die Stadt, die trauert. In Mi 6,2 könnte in der Aufforderung: „Höret … den Rechtsstreit des Herrn“, die Ersetzung des angeredeten Subjektes הריםdurch λαοί erklärt werden als innerhebräische Verschreibung von הריםzu הגוים, sei es als unbewusste Verschreibung152, sei es als der Versuch, mit vorstellbarer Szenerie zu harmonisieren: Berge können nicht hören. Dass in Jes 1,1 nicht geändert wird, mag allerdings allein schon daran liegen, dass hier ein anderer Übersetzer am Werke war. In Amos 7,8 ist die Doppelung der Subjekte אדניund יהוהvermieden und an beiden Stellen κύριος gesetzt. In Ez 5,11 M nimmt, so Michael Konkel, die Wendung „werde ich dich scheren“ ()אגְ ַרא ֶ auf die zu Beginn des Kapitels befohlene Zeichenhandlung Bezug;153 in G ist das Motiv ersetzt durch das allgemeinere „will auch ich dich verstoßen“. Das Verbum ἀπωθέω gibt hier גרע, ansonsten in der Ezechiel-Septuaginta געל (zweimal in Ez 16,45, von menschlichen Subjekten) und fünfmal מאסwieder. Eine graphisch bedingte Verschreibung wäre allenfalls von געלzu גרעdenkbar. Wenn man diesen Weg der Erklärung nicht für richtig hält, ist es aber vielleicht die mangelnde szenische Vorstellbarkeit, dass JHWH sein Volk scheren sollte, die zu dieser Änderung führte. Meiser, Anmerkungen, 122 f. Anders Andersen, Francis I. / Freedman, David N., Micah: A new Translation with Introduction and Commentary, AncB 24E, New York, NY 2000, 189. 149 Utzschneider, LXX.E 2365. 150 Theodoret von Kyros, in Mi., PG 81, 1745 C. 151 Hieronymus, in Mi., CC.SL 76, 427: propterea propheta facit quasi προσωποποιίαν Dei, et sub persona sua inducit plangentis affectum. 152 Oder es liegt eine (m. E. bereits innerhebräische) Harmonisierung mit Mi 1,2; 5,14; 7,16 vor (vgl. Utzschneider, LXX.E, 2375). 153 Konkel, LXX.E, 2869. 147 148
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Wiederum kann man Änderungen dieser Art auch für den Masoretischen Text geltend machen. In Ez 8,2 ist es möglicherweise der Masoretische Text, der איש zu אשabändert, um „eine anthropomorph-konkrete Ausmalung der Vision“154 zu vermeiden; die Septuagintavorlage bietet hier dann die ältere Lesart. Auf das Anliegen der Harmonisierung mit der Szenerie mögen auch die beiden Änderungen in Jes 62,4 zurückzuführen sein, wo zunächst die Bezeichnung des Landes Israel als „( בעולהBraut“) durch οἰκουμένη155 ersetzt und im Folgenden die Vorstellung ersatzlos getilgt ist, JHWH werde das Land heiraten. Letzteres könnte auf homoioteleuton zurückzuführen sein (zweimal ארצךund die Konsonanten ל-ע- בin dieser Reihenfolge), hingegen ist eine unabsichtliche Verschreibung von בעולהzu einem Part. Pual von ישבwenig wahrscheinlich. Mindestens die Variante οἰκουμένη ist m. E. erst auf griechischem Boden eingebracht. Man kann ein Land nicht heiraten. Dem Anliegen der Vermeidung einer nicht vorstellbaren Szenerie mag es ferner geschuldet sein, wenn in Jes 64,1 (63,19) das Motiv des Herabfahrens Gottes durch die Aussagen von Gottes Öffnen der Himmel ersetzt wird, während das Motiv der Gottesschau in Jes 6,1 G trotz Ex 33 unwidersprochen bleibt. Allerdings müsste auch dieser Erklärungsmodus einmal durchgängig geprüft werden.
4. Zusammenfassung Das führt zu folgenden Thesen: 1. Das Umfeld der Septuaginta, die Literatur des Zweiten Tempels, zeigt einhellig unumstrittene Anerkennung der biblischen Propheten, aber eine unterschiedliche Art und Weise der Aktualisierung. 2. Auszuarbeiten ist eine nach Gruppen und Strömungen differenzierende Theologie des rechten Redens von Gott. 3. Je mehr eine Übersetzungsleistung sich anhand philologischer Kriterien als nahe ihrer hebräischen Vorlage erweist, umso eher ist bei auffälligen Verschiebungen mit Veränderungen im hebräischen Traditionsbereich zu rechnen. 4. Da wo Änderungen im hebräischen Traditionsbereich namhaft zu machen sind, kann man dann eine bewusste Änderung erwägen, wenn sie mit Tendenzen der Schriftgelehrsamkeit im hebräischen Traditionsbereich korreliert werden kann. 5. Terminologische Abweichungen hinsichtlich der Wortfamilien ὁρῶν / προφήτης, ὅρασις und ἐνύπνιον sind in der Chronik-Septuaginta intertextuelle Harmonisierungen und kontextbedingte Abweichungen, in der Jesaja Konkel, LXX.E, 2875. Das Wort οἰκουμένη gibt nicht selten ארץwieder, nämlich da, wo auch nichtisraelitische Gebiete bzw. deren Bewohner inkludiert sind. Andernfalls ist, auch in der Jesaja-Septuaginta und auch in Jes 62,4, das Wort γῆ das passende Äquivalent für ארץ. 154 155
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Septuaginta Änderungen im Sinne des Realitätsbezuges, in der Septuaginta zu Daniel kontextbedingt. Konzeptionelle Veränderungen hinsichtlich des Offenbarungsempfanges etc. lassen sich nicht erheben. 6. Vermutlich sind die Septuaginta zu Ezechiel wie die Septuaginta zu Jesaja in Ägypten entstanden, wenngleich wohl in verschiedenen Regionen. Jedenfalls bestehen in der Großregion Ägypten, diesmal inclusive Alexandriens genommen, unterschiedliche Tendenzen des Umgangs mit den biblisch gewordenen Texten. Ob dieses Nebeneinander der Tendenzen eigentlich ein Nacheinander darstellt, ist allerdings wohl kaum zu erweisen.
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Neues Licht vom Garizim Zum gegenwärtigen Stand der Samaritanus-Forschung Heinz-Josef Fabry Mindestens seit einem guten Jahrzehnt verzeichnet die Samaritanus-Forschung einen beachtlichen Aufschwung, der sich deutlich im deutschsprachigen, aber noch prägnanter im anglophonen Raum abspielt.1 Das mag hier ein hinreichender Anlass sein, sich einmal umzuschauen und eine vorsichtige Zwischenbilanz zu wagen. Da es in diesem Beitrag primär um den Samaritanischen Pentateuch geht, wird zwar ein kleiner Seitenblick auf das sonstige literarische Erbe der Samaritaner gewagt, wohingegen die Ergebnisse der archäologischen Feldforschung hier nicht weiter referiert werden sollen.2
1. Die Samaritaner Dass die Samaritaner im Alten Testament nicht sonderlich beliebt sind, ist einer geschichtlichen Entwicklung zu verdanken, die sich in nachalttestamentlicher Aus der ausufernden Literatur sollen exemplarisch genannt werden: Crawford, Sidnie White, Understanding the Textual History of the Hebrew Bible: A New Proposal, in: Dávid, Nóra / L ange, Armin / De Troyer, Kristin / Tzoref, Shani (Hg.), The Hebrew Bible in Light of the Dead Sea Scrolls, FRLANT 230, Göttingen 2011, 60–69. – Chazon, Esther G. / Miller, Yonatan, “At the Crossroads” Anti-Samaritan Polemic in a Qumran Text About Joseph, in: Harlow, Daniel / Hogan, Karina Martin / G off, Matthew / Kaminsky, Joel (Hg.), The “Other” in Second Temple Judaism: Essays in Honor of John J. Collins, Grand Rapids 2011, 381–387. – Anderson, Robert T. / Giles, Terry, Qumran and the “Pre-Samaritan” Text, in: The Samaritan Pentateuch: An Introduction to Its Origin, History, and Significance for Biblical Studies. Resource for Biblical Study 72, Atlanta, GA 2012, 43–58. – Tov, Emanuel, The Samaritan Pentateuch and the Dead Sea Scroll: The Proximity of the Pre-Samaritan Qumran Scrolls to the SP, in: Tzoref, Shani / Young, Ian (Hg.), Keter Shem Tov: Essays on the Dead Sea Scrolls in Memory of Alan Crown. Perspectives on Hebrew Scriptures and Its Contexts 20, New York, NY 2013, 59–88. – Ulrich, Eugene, The Old Latin, Mount Gerizim, and 4 QJosha, in: Piquer Otero, Andrés / Torijano Morales, Pablo A. (Hg.), Textual Criticism and Dead Sea Scrolls Studies in Honour of Julio Trebolle Barrera, JSTJS 157, Leiden 2012, 361–375. 2 Dazu vgl. Kartveit, Magnar, The Second Temple and the Temple of the Samaritans, in: Frey, Jörg / S chattner-Rieser, Ursula / S chmid, Konrad (Hg.), Die Samaritaner und die Bibel – The Samaritans and the Bible. Historische und literarische Wechselwirkungen zwischen biblischen und samaritanischen Traditionen – Historical and Literary Interactions Between Biblical and Samaritan Traditions, Studia Judaica 70 = Studia Samaritana 7, Berlin 2012, 67–80. 1
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Zeit abspielte3 und die für Textkorrekturen im Sinne einer vorsichtigen damnatio memoriae sorgte. Siegfried Kreuzer4 hat den historischen Rahmen wie folgt abgesteckt: Die in der Perserzeit vermutlich durch unzufriedene Jerusalemer Priester entstandene innerjüdische Sondergruppe mit hohem Tora-Anspruch erreichte durch eine geschickte Politik, dass ihr z.Zt. des Herrschaftsüberganges von den Ptolemäern zu den Seleukiden um 200 v. Chr. der Rang eines eigenen Politeuma zugesprochen und das Privileg zugestanden wurde, sich auf dem Garizim einen eigenen Tempel zu bauen. Trotz Flavius Josephus (Ant. XI 302 ff.) kennen wir die Gründe für die Auseinandersetzungen der Samaritaner mit dem Jerusalemer Judentum nicht genau.5 Nach Josephus entstand im Judentum Unmut, weil Manasse, der Bruder des Hohepriesters Jaddua, mit Nikaso, der Tochter des heidnischen Statthalters Sanballat I., verheiratet war (Neh 13,28) und als Mitglied der Priesterfamilie den freien Zugang zum Tempel beanspruchte. Auf Drängen seines hohepriesterlichen Bruders wollte er seine heidnische Frau entlassen, aber sein Schwiegervater bot ihm an, für ihn auf dem Garizim einen Tempel zu bauen und ihn dort als Hohepriester einzusetzen. Ihm schlossen sich dann alle in Jerusalem lebenden Priester an, die in einer Mischehe verheiratet waren.6 Die pejorative Tendenz der Erzählung ist unverkennbar; unverkennbar ist auch die Wirkung, die sie in der Folge zeitigte. Die Historizität der Erzählung wird in der Josephus-Forschung nahezu einhellig bestritten. Dieser Tempelbau profilierte in der Folgezeit die Spannungen mit Jerusalem. Erst die Religionskrise unter Antiochus IV. – der bis dahin die Samaritaner protegierte – und die anschließende Übernahme des Hohepriesteramtes durch die Hasmonäer führte dazu, dass das orthodoxe Jerusalemer Judentum seine Prioritätsansprüche durchsetzen konnte, sodass sich Johannes Hyrkan veranlasst sah, das Heiligtum auf dem Garizim um 110 v. Chr. zu zerstören (Josephus, Ant.
3 Eine
schnelle Übersicht bietet Böhm, Martina, Art. Samaritaner, Juni 2010, URL: https:// www.bibelwissenschaft.de/stichwort/25967/ [26. 10. 2015]; vgl. Böhm, Martina, Samarien und die Samaritai bei Lukas, WUNT II/111, Tübingen 1999, bes. 37–43. 4 Vgl. Kreuzer, Siegfried, Vom Garizim zum Ebal. Erwägungen zur Geschichte und Textgeschichte sowie zu einem neuen Qumran-Text, in: Dahmen, Ulrich / S chnocks, Johannes (Hg.), Juda und Jerusalem in der Seleukidenzeit. Herrschaft – Widerstand – Identität, FS HeinzJosef Fabry, BBB 159, 2010, 31–42. 5 Die gängigen Theorien finden sich bei Tov, Emanuel, Der Text der Hebräischen Bibel, Stuttgart 1997, 67 f. 6 Da auch Alexander zu diesem Tempelbau seine Zustimmung geben musste, kann der Vorgang erst im letzten Drittel des 4. Jh. v. Chr. angesiedelt werden; dazu vgl. Pummer, Reinhard, Alexander und die Samaritaner, in: Frey, Jörg / S chattner-Rieser, Ursula / S chmid, Konrad (Hg.), Die Samaritaner und die Bibel – The Samaritans and the Bible. Historische und literarische Wechselwirkungen zwischen biblischen und samaritanischen Traditionen – Historical and Literary Interactions Between Biblical and Samaritan Traditions, Studia Judaica 70 = Studia Samaritana 7, Berlin 2012, 157–179, bes. 159.
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XIII 254 ff.). Von nun an gehen Jerusalem und Samaria getrennte Wege, was sich in ihrem Bezug zur biblischen Tradition markant niederschlägt. Es erscheint nur konsequent, dass dieses Geschichtsbild grundsätzlich in Frage gestellt wird. Zwei Argumente werden dabei vorgetragen: 1.) Bisher hat die archäologische Feldforschung auf dem Garizim keine samaritanische Tempelanlage nachweisen können. 2.) Die gesamten schriftlichen Traditionen der Samaritaner kennen keinen Tempelbau auf dem Garizim.7 Wenn das Wort „Heiligtum“ verwendet wird, steht es entweder im Plural und bezeichnet die auf dem Garizim angesiedelten Urhügel, Altar des Isaak und Memorialsteine des Josua, oder es wird als metonyme Bezeichnung für den ganzen Berg gebraucht. In der Tat scheint hier eine Möglichkeit zur völligen Neubewertung der SamaritanerFrage zu liegen, die für die Zukunft neue Forschungsperspektiven eröffnet. a) Die Samaritaner nehmen die biblische Tradition, die bis dahin quasi-kanonische Bedeutung erlangte, als ihre Heilige Schrift an: den Pentateuch. Alle weiteren jüdischen Traditionen schließen sie aus. b) Die lokalisierbaren Erwählungstraditionen greifen sie auf und gestalten daraus ein eigenes 10. Gebot im Dekalog: das Gebot zum Altarbau auf dem Garizim. Das Jerusalemer Judentum setzt dagegen, dass es in Dtn 27,4 und Jos 8 den Auftrag zum Altarbau auf den Fluchberg Ebal verlagert oder später gar in die Nähe von Gilgal disloziert (Dtn 11,29 f.)8. Dies mag als historischer Rahmen genügen, um uns im Folgenden dem Hauptwerk dieser Gemeinde, dem „Samaritanischen Pentateuch“, zuzuwenden und zu versuchen, einen Querschnitt durch die gegenwärtige Forschung an dieser für die Textkritik am Pentateuch wichtigen Urkunde zu versuchen.9 7 „All the scholars that discussed this question never ignored the fact that in the written Samaritan traditions there is no mention of an existence of a central temple, like the temple in Jerusalem“; so Tsedaka, Benyamim, Reevaluation of Samaritan Studies Due to the New Discoveries in Excavations and Research, in: Frey, Jörg / S chattner-Rieser, Ursula / S chmid, Konrad (Hg.), Die Samaritaner und die Bibel. The Samaritans and the Bible, Studia Judaica 70 = Studia Samaritana 7, Berlin 2012, 421. 8 Biblisch ist diese Dislozierung in Dtn 11,29 erhalten geblieben; sie ist zudem auf der Landkarte von Madeba (6. Jh. n. Chr.) zu bewundern. Dazu vgl. jetzt Dušek, Jan, Mt. Gerizim Sanctuary. Its History and Enigma of Origin, HeBAI 3/1 (2014), 111–133, und Charlesworth, James Hamilton, הר גרזים-הברכה על – An Unknown Dead Sea Scroll and Speculations Focused on the Vorlage of Deuteronomy 27:4, in: Frey, Jörg / Popkes, Enno Edzard (Hg.), Jesus, Paulus und die Texte von Qumran, WUNT II/390, Tübingen 2015, 393–414. 9 Der letzte Querschnitt liegt vor bei Pummer, Reinhard, Einführung in den Stand der Samaritanerforschung, in: Dexinger, Ferdinand (Hg.), Die Samaritaner, WdF 604, Darmstadt 1992, 1–66. Es soll nicht außer Acht gelassen werden, dass die samaritanische Gemeinde auch andere Literatur hervorbrachte: Midraschim, Chroniken, liturgische Texte und grammatische Schriften, die durchaus eine Menge über die Identität der Gemeinde aussagen; vgl. Anderson, Robert T. u. a., VII. Samaritan Literature, in: Crown, Alan D. (Hg.), The Samaritans, Tübingen 1989, 390–516.
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2. Der Samaritanus 2.1 Das textkritische Problem Die Frage nach dem – oder einem – biblischen Urtext treibt die Exegeten an, solange es die Bibel gibt. Dies ist von zusätzlichem Gewicht, wenn es sich um den Text des Pentateuch – der jüdischen Tora – handelt. Heute ist man allgemein der Überzeugung, dass man den / einen Urtext nicht mehr rekonstruieren kann, zumal die Evidenz von mindestens fünf hebräischen Textlinien in Qumran den Verdacht aufkommen lässt, schon im Frühjudentum sei das Gemeinte wesentlich wichtiger gewesen als das Gesagte. Das kann uns natürlich nicht von der Suche nach einem Text mit höchstmöglicher Authentizität befreien, da wir nach mehr als zwei Jahrtausenden das Gemeinte eben nur aus dem Gesagten erschließen können. Die von W. F. Albright und F. M. Cross entwickelte Theorie der »lokalen Textfamilien«, einer palästinischen, einer babylonischen und einer ägyptischen Textfamilie, setzt voraus, dass der literarische Abschluss der hebräischen Bibel mit ihren einzelnen Büchern nicht als Zeitpunkt zu sehen ist, sondern als mehr oder weniger langer Zeitraum, in dem die einzelnen Bücher – ob schon fertig oder noch nicht – ihre Editionsphase verließen und in die Transmissionsphase wechselten. Diese war zwar von großer Treue zum heiligen Text geprägt, ließ aber zugleich aktualisierende redaktionelle Ausgestaltungen zu oder machte sie gar erforderlich. Damit ist ersichtlich, dass die Suche nach dem biblischen Urtext aufzugeben ist, da die Weitergabe (Transmission) der Texte bereits startete, obwohl die literarische Textgenese noch nicht zum Abschluss gelangt war. Dass bedeutet auch, dass unsere Frage nach dem Samaritanus nicht von der Frage nach dem Urtext geleitet sein kann. Es ist eine Frage nach der Textgeschichte und damit zugleich eine religions‑ und theologiegeschichtliche Frage.10 Nach F. M. Cross11 gehören der Samaritanische Pentateuch, der sehr spät entstandene Text der Chronik (Chr M) und einige frühe Texte aus Qumran zur ältesten palästinischen Textfamilie. Daraus erwuchs die babylonische Textfamilie mit der Textlinie des M als Ergebnis einer kritischen Reduktion einer breiteren Texttradition. Zu ihr gehören die meisten biblischen Texte aus Qumran sowie die Texte aus Masada, Murabbaʻat und Naḥal Ḥever. Die ägyptische Textfamilie schließlich enthielt die Vorlage für die LXX. Der ursprüngliche Text dieser „Old Greek“ (G)-Form ist eng verwandt mit den ältesten Texten der palästinischen 10 Eine ausführliche Darstellung der alttestamentlichen Textgeschichte habe ich vorgelegt in: Zenger, Erich / Frevel Christian u. a. (Hg.), Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart 9 2015, 36–66. 11 Vgl. Cross, Frank M., The Evolution of a Theory of Local Texts, in: Cross, Frank M. / Talmon, Shemarjahu (Hg.), Qumran and the History of the Biblical Text, Cambridge-London 1975, 306–320.
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Familie. In Qumran gehören zu dieser Familie die Texte 4 QExa und 4 QJerb. 4 QSama (3. Jh. v. Chr.) dürfte sogar die direkte Vorlage für LXX gewesen sein. 2.2. Der Samaritanische Pentateuch (Samaritanus) Der Samaritanus ist einer der ältesten hebräischen Textzeugen, der irgendwann zwischen 400 und 110 v. Chr.12 entstand. Die Tradierung dieser frühen Pentateuchfassung geschah in einem sozio-kulturellen Umfeld, das ganz heterogene Züge aufwies: Die samarische Landbevölkerung bestand aus Fellachen, die von der babylonischen Exilierung verschont blieben, und Resten der alten paganen Oberschicht. Mit ihnen waren ethnisch und religiös die ins ehemalige Nordreich deportierten Kuthäer verschmolzen. Zugewandert waren schließlich dissidente Jerusalemer Priesterkreise aus der Familie der Zadokiden, verbunden mit einer größeren Siedlerbewegung aus Juda. Mag die israelitisch-kuthäische Mixtur auch manche Fremdelemente bewirkt haben, so bildete sich doch in diesem poly-ethnischen Gemenge der Samarier in den Samaritanern eine Sondergruppe aus, die sich durch den Glauben an JHWH und der Observanz gegenüber der Mosestora auszeichnete. Durch den rigorosen Bruch mit Jerusalem wurde diese Tora bald zu einem selbständigen Textzeugen, wie es bereits aus Angaben in der Hexapla des Origenes und im Talmud vermutet worden ist. Ein vollständiges Exemplar dieses Textzeugen gelangte erst 1616 durch Pietro della Valle aus Damaskus nach Europa und fand Eingang in die „Pariser“ (1629–1645) und „Londoner Polyglotte“ (1655–1657). Sehr bald wurde erkannt, dass dieser Text viele Varianten zum M enthält, von denen wiederum fast ein Drittel mit der LXX übereinstimmt.13 Dadurch wurde der Samaritanus in den konfessionellen Bibel-Sprachenstreit des 17. Jh. hineingezogen, der protestantischerseits dem M die ausschließliche Heiligkeit zusprach und deshalb sowohl dem Samaritanus als einem zweiten hebräischen Text wie auch der griech. LXX eine Absage erteilte. Die eigentliche Samaritanus-Forschung setzte mit Wilhelm Gesenius (1815)14 ein, der die Varianten analysierte und kategorisierte und zu dem Schluss kam, der Samaritanus sei eine sekundäre harmonisierende Version des M und daher 12 Diese approximierende Datierung geht von einem frühestmöglichen Datum der schriftlichen Fixierung des Pentateuchs um 400 v. Chr. (nachexil. Pentateuchredaktor) aus. 13 Wie wenig mit der Anzahl von 6000 Varianten anzufangen ist, zeigt eindrucksvoll Schorch, Stefan, Der Pentateuch der Samaritaner. Seine Erforschung und seine Bedeutung für das Verständnis des alttestamentlichen Bibeltextes, in: Frey, Jörg / S chattner-Rieser, Ursula / S chmid, Konrad (Hg.), Die Samaritaner und die Bibel, Studia Judaica 70 = Studia Samaritana 7, Berlin 2012, 5–30, bes. 8. 14 Vgl. Gesenius, Wilhelm, De Pentateuchi samaritani origine, indole et auctoritate commentatio philologico-critica, Halle (Saale) 1815.
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für die Textkritik unbrauchbar. Diese Geringwertung hielt sich bis in die Gegenwart hinein durch. Erst mit der Entdeckung der Texte von Qumran setzte ein neuer Forschungsschub ein, da man in einigen Texten 4 QPaleoExm; 4 QNumb; 4 Q175(Test); 4 Q364 (RPb) sowie einigen dort gefundenen Phylakterien (Dekalog!) die Harmonisierungen des Samaritanus-Textes wiederfand und von hier her ein Datierungsfeld entwickeln konnte.15 Nach Esther und Hanan Eshel wurde in den letzten drei Jahrhunderten vor der Zeitenwende wiederholt harmonisierend in den hebräischen Text eingegriffen. Dabei nahmen die Textharmonisierungen im Samaritanus einen Mittelwert ein, waren also früher zu datieren als Texte mit intensiven Harmonisierungen (z. B. 4 QDtnn; 4 QDtnj; 4 QDtnkl; 4 Q158(RPa), Pap. Nash u. a.), die aus späthasmonäisch-herodianischer Zeit stammten.16 Die so ausgegrenzten Texte haben zwar den Harmonisierungsgrad17 mit dem Samaritanus gemeinsam, unterscheiden sich aber von diesem durch das Fehlen der „sectarian additions“. Als solche sind zu nennen die perfektische Zentralisationsformel „der Ort, den der Herr erwählte, der hargarîzîm“ (z. B. Dtn 12,5), die Lokalisierung des Altarbaus auf dem Garizim (Dtn 27,4) und die Erweiterung der Dekaloge. Handelt es sich nun wirklich um „sectarian additions“?18 Es ist möglich, dass die Streitigkeiten die Samaritaner veranlassten, ein aggressives Identitätsprogramm zu entwickeln, indem sie alle Stellen im Pentateuch, die auf den Ort, den Gott sich für seinen Gottesdienst erwählen wird, mit Sichem (heute: Nablus) und den Berg Garizim (hargarîzîm, sw. von Sichem: Ex 20,21), den Gott erwählte, identifizierten. Die Tendenz in der gegenwärtigen Forschungslandschaft geht nun aber dahin, im Samaritanus die ursprüngliche Lesart zu finden, dass also der „erwählte Ort“ ursprünglich der Garizim gewesen sei, wohingegen schon sehr bald eine jüdische protomasoretische Änderung des Textes ins Futur den Ort der Erwählung für eine spätere außerpentateuchische Identifikation mit Jerusalem 15 Vgl. Eshel, Esther / Eshel, Hanan, Dating the Samaritan Pentateuch’s Compilation in Light of Qumran Biblical Scrolls, in: Paul, Shalom M. u. a. (Hg.), Emanuel: Studies in Hebrew Bible, Septuagint and Dead Sea Scrolls in Honor of Emanuel Tov, VTSup 94, Leiden / Boston, MA 2003, 215–240. 16 Vgl. Paul, Emanuel, 238. 17 Dem Samaritanus wird nachgesagt, dass er Harmonisierungen vorgenommen habe, um Spannungen im Text selbst oder zwischen alttestamentlichen Texten auszugleichen (vgl. Ex 18,21 || Dtn 1,13; Ex 32,10 || Dtn 9,20); er konstruiert – um höherer Text-Kohärenz willen – Rückverweise (Gen 30,36+31,11–13; Dtn 18,18–22) und achtet auf die Entsprechungen von Anordnung und Ausführung (Ex 8,16 ff.+19) und von Aktion und Reaktion (Ex 20,21+Dtn 5,28–31+Dtn 18,18–22). 18 Vgl. Gallagher, Edmon L., Is the Samaritan Pentateuch a Sectarian Text?, ZAW 127 (2015), 96–107. Seine Denkrichtung – die Samaritanusangaben haben Priorität – hat er bereits angedeutet in seinem Beitrag: Gallagher, Edmon L., Cult Zentralization in the Samaritan Pentateuch, VT 64 (2014), 562–572.
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(2 Sam 24,18) öffnen sollte. In dieser Frage hat jüngst Adrian Schenker19 eine sehr subtile Argumentation vorgelegt, in der er aufzeigt, dass gerade die Randbereiche der damaligen Textüberlieferung noch die ursprüngliche Lesart bestätigen20, da sie nicht vom protomasoretischen Purgierungstrieb berührt wurden. Da sie im Gegenzug aber auch nicht für etwaige samaritanischen Korrektoren erreichbar waren, ist die Entscheidung, dass hier tatsächlich eine ursprüngliche Textform vorliegt, kaum von der Hand zu weisen. Damit verbleibt als wirklicher Samaritanismus die Veränderung der Zählung der Zehn Gebote so, dass in den Dekalogen das 10. Gebot (Ex 20,17; Dtn 5,18) einen Tempelbau auf dem Garizim vorschreibt. Dabei ist jedoch beachtlich, dass der / die samaritanische / n Schreiber diesen Zusatz aus Textelementen aus Dtn 11,29a; 27,2b–3a.4a.5–7 und 11,30 kompiliert haben, ihr Gebot damit praktisch bereits im Text vorgefunden haben. Das hat zur Folge, dass man eigentlich nicht mehr von einem „präsamaritanischen Text“ reden sollte, viel eher hat man hier einen prämasoretischen Text vor sich, der erst im Zuge der hasmonäischen Konflikte zum Proto-M verändert (= verfälscht) wurde. Damit ist auch das Verdikt von Gesenius obsolet und der Samaritanus wurde für die Textkritik sogar sehr wichtig. Gegenwärtig wird auch von anderer Seite diese Problematik angegangen. So erschien jüngst eine Diss. von Rannfrid I. Thelle mit dem Titel: „Approaches to the ‚Chosen Place‘“21. Die in der Exegese weitgehend nicht problematisierte Beziehung zwischen der Zentralisationsformel und der Erwählung Jerusalems wird hier neu in Frage gestellt, denn Dtn 12,14.16, der Altarbau auf der Tenne des Arauna (2 Sam 24,18) und der Zentralisationsbericht in 2 Kön 22 f. spielen sich literarisch auf unterschiedlichen Ebenen ab. In einem umfangreichen Beitrag weist Eckart Otto22 darauf hin, dass damit die fundamentalen Probleme einer literarischen Zugehörigkeit des Buches Deuteronomium zum Pentateuch einerseits und zum DtrGW andererseits neu problematisiert sind. Zudem ist der Untersuchung zu entnehmen, dass das samaritanische Grundproblem des 19 Vgl. Schenker, Adrian, Textgeschichtliches zum samaritanischen Pentateuch und Samareitikon. Zur Textgeschichte des Pentateuchs im 2. Jh v. Chr., in: Mor, Menachem / R eiterer, Friedrich (Hg.), Samaritans: Past and Present, Berlin 2010, 105–121. 20 Gegen Schenker ist allerdings zu bedenken, dass gerade den von ihm angegebenen Randbereichen, z. B. bohairischen Textzeugen, eine große Beweislast auferlegt wird, die sie normalerweise in der Textkritik nicht haben, zumal gerade die koptische Texttradition noch recht unerforscht ist. Zudem werden von den 21 Belegen der Erwählungsformel nur maximal 12 Belege mit der präteritalen Form genannt. Von einer überwiegenden Belegfülle kann also nicht gesprochen werden. 21 Vgl. Thelle, Rannfrid I., Approaches to the „Chosen Place“: Accessing a Biblical Concept, LHB 564, London 2012. 22 Vgl. Otto, Eckart, Rezension von R. I. Thelle, Approaches to the „Chosen Place“. Accessing a Biblical Concept (2012), RBL 2015 (http://www.bookreviews.org).
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erwählten Ortes offensichtlich eine eminent wichtige alttestamentliche Vorgeschichte hatte.
3. Der Text und seine Erforschung Die klassische textkritische Edition stammt von August Freiherr von Gall.23 Hier finden sich neben dem Haupttext ein App. I mit den Varianten zum Haupttext, ein App. II mit den Vokalzeichen und ein App. III mit den Interpunktionszeichen der samaritanischen Überlieferung. In seiner kritischen Sichtung weist Stefan Schorch darauf hin, dass von Gall seiner eklektischen Edition die damals bekannten Handschriften zugrunde legte, die nach dem heutigen Stand der Forschung nicht als wirklich wichtige Zeugnisse anzusehen sind. Zudem hat er seinen Text grundsätzlich vom M und der LXX her ediert, sodass viele samaritanische Idiosynkrasien in den Variantenapparat geschoben worden sind. Daraus ergeben sich mehrere Postulate: a) die Edition muss auf mehrere und wichtigere Handschriften zurückgreifen b) die Editionstechnik muss von „aval“ auf „amont“ umgestellt werden, d. h. die samaritanischen Handschriften müssen vorgelagert, MT und LXX dagegen nachgelagert werden. Dem ersten Postulat kam bereits 1959 F. Pérez Castro24 nach, der mit dem Séfer Abiša‛ eine der bedeutendsten Handschriften der samaritanischen Gemeinde edieren konnte. Die Abiša‛-Rolle (in paläohebräischer Schrift) entspricht ganz dem samaritanischen Selbstverständnis, uralte Schriften zu besitzen, wenn der Kolophon diesen Text dem Abiša‛, dem Sohn des Pinhas, Priester zur Zeit des Josua, zuschreibt. In Wirklichkeit wurde diese Rolle im 12.–13. Jh. geschrieben, kompiliert aber alte (3.–6. Jh.) und jüngere Fragmente und wird bis heute in der Samaritanergemeinde von Nablus als ihre Heilige Schrift verehrt. In der Folgezeit werden weitere Editionen vorgelegt: L. F. Girón Blanc25 legt 1976 eine neue Edition des Buches Genesis vor anhand einer der ältesten samaritanischen Handschriften, anhand des Ms. Cambridge University Library Add. 1846.
23 Vgl. Gall, August Freiherr von, Der hebräische Pentateuch der Samaritaner Bd. 1, Prolegomena und Genesis, Gießen 1914, photomechanischer Nachdruck, Berlin 1966. 24 Vgl. Pérez Castro, Federico, Séfer Abišac: edición del fragmento antiguo Textos y Estudios del Seminario Filológico „Cardenal Cisneros“ 2, Madrid 1959. 25 Vgl. Girón Blanc, Luis F., Pentateuco hebreo-samaritano: Génesis: edición crítica sobre la base de manuscritos inéditos, Textos y Estudios „Cardenal Cisneros“ 15, Madrid 1976.
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Die Samaritaner Abraham Tsedaka / Ratzon Tsedaka selbst griffen auch in die Debatte ein und legten 1962–1965 eine Synopse Samaritanus – M vor26, allerdings ohne Angabe der verwendeten Handschriften. In einer weiteren Ausgabe trug Israel Tsedaka 1998 die Vokalisierung nach. Benyamim Tsedaka (Holon) legte dann 2013 eine englische Übersetzung vor.27 Eine solche Synopse wurde auch von dem Programmierer Mark [Mikah] Shoulson28 vorgelegt. Abraham Tal29 (Tel Aviv-Jerusalem) legte im Jahr 1994 eine Transkription des Ms. Nablus Synagoge 6 (C) vor. Die Handschrift stammt aus 1204 n. Chr. und ist schon deshalb von großer Bedeutung, die aber geschmälert wird durch starke Beschädigungen der Rolle, schlechte Lesbarkeit und zahlreiche Schreibfehler. In einer verbesserten Neuausgabe stellte A. Tal zusammen mit Moshe Florentin30 (Tel Aviv) 2010 die Handschrift synoptisch mit dem MT zusammen und machte die Abweichungen kenntlich. Weitere Forschungsbereiche sollen lediglich genannt werden: Einerseits wurde die mündliche Lesetradition der Samaritaner aufgearbeitet (Zeev Ben-Hayim, 1977)31, andererseits wurden die samaritanischen Sekundärüberlieferungen im Aramäischen (A. Tal 2001) und Arabischen (Haseeb Shehadeh 1989–2001; Universität Helsinki) erforscht. Hinzuweisen ist schließlich auf eine neue Edition der Handschrift MS London BL OR7562, eine samaritanische Adaptation der jüdisch-arabischen Übersetzung des Pentateuch von Saadya in seinem Tafsîr (Bibelübersetzung) aus dem frühen Mittelalter durch Tamar Zewi32.
26 Vgl. Tsedaka, Abraham / Tsedaka, Ratzon (Hg.), Jewish Version and Samaritan Version of the Pentateuch with Particular Stress on the Differences Between Both Texts, Tel AvivJerusalem 1961–1965. 27 Vgl. Tsedaka, Benyamim / Sullivan, Sharon J., The Israelite Samaritan Version of the Torah. First English Translation Compared with the Masoretic Version, Grand Rapids 2013. 28 Vgl. Shoulson, Mark [Mikah], The Torah, Jewish and Samaritan Version Compared, Highland Park, NJ 22008. 29 Vgl. Tal, Abraham (Hg.), The Samaritan Pentateuch. Edited According the MS 6 (C) of the Shekhem Synagogue, Tel Aviv 1994; in digitalisierter Form in Accordance veröffentlicht. 30 Vgl. Tal, Abraham / Florentin, Moshe (Hg.), The Pentateuch – The Samaritan Version and the Masoretic Version, Tel Aviv 2010. 31 Für einen Teilbereich überprüft und weitgehend bestätigt in: Schorch, Stefan, Die Vokale des Gesetzes. Die samaritanische Lesetradition als Textzeugin der Tora 1, BZAW 339, Berlin 2004. 32 Zum Tafsîr vgl. Kearney, Jonathan, The Torah of Israel in the Tongue of Ishmael: Saadia Gaon and his Arabic Translation of the Pentateuch, PIBA 33–34 (2010–2011), 55–75; zur samaritanischen Version vgl. Zewi, Tamar, The Samaritan Version of Saadya Gaon’s Translation of the Pentateuch, Biblia Arabica, Text and Studies 3, Leiden 2015.
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Forschungsarbeiten zur Frage nach dem Verhältnis des Samaritanischen Pentateuch zum Pentateuch der LXX wurde vor gut einem Jahrzehnt durch KyongRae Kim33 wieder in den Vordergrund gerückt. Diesen Arbeiten widmet sich gegenwärtig schwerpunktmäßig auch Emanuel Tov34, der dafür plädiert, dass der Samaritanus und der Pentateuch der LXX einen gemeinsamen textlichen Hintergrund besitzen, was sich zwingend aus der großen Zahl gemeinsamer Harmonisierungen ableiten lässt. Diese Harmonisierungen wurden dann sowohl in einem präsamaritanischen Text (germinaliter auch in Qumran belegt) als auch in der LXX abgebildet. Beide Texte entwickelten sich anschließend weiter, was wiederum Differenzen zur Folge hat. Einerseits prägte die LXX weitere Harmonisierungen aus, andererseits bildete sich der präsamaritanische Text zum Samaritanus mit seinen typischen Spezifika aus. Zusammenfassend ist zu bemerken, dass die Arbeiten am Samaritanus in den letzten Jahrzehnten ein deutlich angestiegenes wissenschaftliches Interesse an dieser wichtigen Textquelle des Pentateuch dokumentieren. Zugleich wurde aber seit der Ausgabe von von Gall trotz einer Vielzahl neuentdeckter Handschriften noch keine neue wissenschaftlich-kritische Edition vorgelegt.
4. Das neue Projekt einer kritischen editio magna des Samaritanus Das Projekt wurde nach zwei vergeblichen Ansätzen von Girón Blanc und Alan D. Crown im Jahr 2007 als gemeinsames Projekt einer Arbeitsgruppe der Kirchlichen Hochschule Bethel unter Stefan Schorch (jetzt Universität Halle-Wittenberg) und einer Arbeitsgruppe der Reformierten Theologischen Akademie in Pápa (Ungarn) unter József Zsengellér (jetzt: Reformierte Universität „Károli Gáspár“, Budapest) ins Leben gerufen.35 Der aktuelle Stand der Publikationen ist mir nicht bekannt; zum Zeitpunkt meiner Datenerhebung stand eine Edition des Buches Genesis vor dem Abschluss und eine Edition des Buches Levitikus lag in Mskr.-Fassung vor. Das Projekt verfolgt das Ziel einer diplomatischen Edition, die als Haupttext ein einzelnes Manuskript vorlegt und alle Varianten in den Apparat verlagert.
33 Vgl. Kim, Kyong-Rae, Studies in Relationship Between the Samaritan Pentateuch and the Septuagint, Phil.Diss., Jerusalem 1994. 34 Vgl. Tov, Emanuel, The Shared Tradition of the Septuagint and the Samaritan Pentateuch, in: Tov, Emanuel, Textual Criticism of Hebrew Bible, Qumran, Septuagint: Collected Essays, VTSup 167, Leiden 2015, 277–293. 35 Das Projekt wird ausführlich vorgestellt von Schorch, Stefan, A Critical editio maior of the Samaritan Pentateuch: State of Research, Principles, and Problems, HeBAI 2 (2013), 100–120.
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Dieses neue Projekt stützt sich nicht mehr auf die von von Gall benutzten Handschriften, sondern verbannt diese in den Varianten-Apparat. Jetzt werden alle verfügbaren Manuskripte aus dem 11.–14. Jh. beigezogen, wobei als Basistext das Ms. Dublin Chester Beatty Library (CBL) 751 aus dem Jahre 1225 dient. Diese Handschrift hat mehrere Vorteile: Sie ist fast vollständig und von hoher schreiberischer Qualität. Es fehlen allerdings die letzten sieben Blätter. Die Edition bietet sechs Apparate: I. Angabe der Bezeugungen des Textes II. Abweichungen des Konsonantenbestandes sowie der Schreiber-Korrekturen in den Mss. III. Angabe von Varianten in den samaritanisch-aram. und ‑arab. Sekundärüberlieferungen. IV. Angabe der Abweichungen vom MT und ihre Unterstützung in nichtmasoretischen Textüberlieferungen (LXXGö; LXXRa), Qumran und Peshitta. V. Angabe der textkritischen und phonetischen Zeichen in allen Mss. der Edition. VI. Angabe aller Interpunktions-Varianten. Zusätzlich liegen jetzt 5 Handschriften aus der Sammlung Firkowitsch St. Petersburg vor, die zwar fragmentarisch sind, aber nach Ausweis der Kolophone zu den ältesten Handschriften überhaupt gehören. Nach mdl. Mitteilung von Stefan Schorch hat er bei seinen Recherchen in Nablus ein bislang unbekanntes, vollständiges Mskr. (G1) entdeckt, dass auf die Jahre 1336–1337 zu datieren ist, also gut 100 Jahre jünger ist als die Dubliner Handschrift (s. o.). Und schließlich sind nun auch Fragmente einer samaritanischen Pentateuchrolle aus der Klau Library des HUCA (Cincinnati) aus dem Jahr 1145 zugänglich gemacht worden.36 Bedeutsam für eine umfassende Edition des Samaritanus ist auch die Rezeption der mündlichen Tradition der Samaritaner. Diese ist jedoch schwierig zu erfassen, da die Vokalzeichen erst in Handschriften ab dem 12. Jh. verwendet werden und auch hier keinem festen Regelwerk zu unterliegen scheinen. Zwischen dem 11. und 14. Jh. werden auch die Interpunktionszeichen eingeführt. Diese Rezeption kann zwar unterstützt, aber nicht ersetzt werden durch die Toralesung der heutigen samaritanischen Gemeinde.
36 Vgl. Tsedaka, Benyamim, The Collection of Samaritan Manuscripts in the Klau Library of the Hebrew Union College-Jewish Institute of Religion, Cincinnati / Holon, Bibliographica Judaica 16 (2011).
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5. Der Samaritanus und die Texte von Qumran Die alten samaritanischen Handschriften sind unvokalisiert. Erst in jüngster Zeit scheint es durch Zeev ben Hayim37 gelungen zu sein, die alte samaritanische Lesetradition wieder zu beleben. Dabei wurde deutlich, dass die Samaritaner einen hebräischen Dialekt sprachen, der den Qumranern sehr nahe stand, deren Lesetradition wir aufgrund der vielen matres lectiones recht gut einschätzen können. Ansonsten ist der Beitrag der Qumran‑ zur Samaritanusforschung eher bescheiden: Hier ist der schon mehrfach zitierte Beitrag von Esther und Hanan Eshel zu nennen. Diesem Beitrag geht es hauptsächlich darum, Texte in Qumran ausfindig zu machen, die einen dem Samaritanus gleichwertigen Harmonisierungsgrad besitzen, um auf diese Weise zu einem Datierungsrahmen zu finden. Die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden, erscheinen mir allerdings außerordentlich hypothetisch. Den Arbeiten von Judith E. Sanderson38 zu 4 QpalaeoExodm, von David N. Freedman / K. A. Matthews39 zu 11 QpaleoLev, von Nathan Jastram40 zu 4 QNumb und Sidnie White Crawford41 zu den RP-Texten42 geht es darum, die Existenz der präsamaritanischen Textfassung in Qumran nachzuweisen. Das ist hinreichend gelungen, aber auch nicht sonderlich spektakulär. Als sicher gilt deshalb, dass die Gemeinde von Qumran einen präsamaritanischen Bibeltext kannte und ihn in ihr Literaturgut übernahm. Einen wirklichen Samaritanus kannten sie m.W. noch nicht. Jedenfalls haben wir kein Zeugnis davon.
6. Das Samareitikon und das samaritanische Targum Das Samareitikon ist die griech. Übersetzung des Samaritanischen Pentateuchs und liegt in zwei klassischen Ausgaben von Frederick Field (1875/1964)43 und 37 Vgl. Ben-Hayim,
Zeev, The Literary and Oral Tradition of Hebrew and Aramaic Amongst the Samaritans, Jerusalem 1977. 38 Vgl. Sanderson, Judith E., An Exodus Scroll from Qumran: 4 QpalaeoExodm and the Samaritan Tradition, HSS 30, Atlanta, GA 1986. 39 Vgl. Freedman, David N. / Matthews, Kenneth A., The Paleo-Hebrew Leviticus Scroll (11 QpaleoLev), Winona Lake, IN 1985. 40 Vgl. Jastram, Nathan, A Comparison of Two “Proto-Samaritan” Texts from Qumran: 4 QpaleoExodm and 4 QNumb, DSD 5 (1998), 264–289. 41 Vgl. Crawford, Sidnie White, The Pentateuch as Found in the Pre-Samaritan Texts and 4 QReworked Pentateuch, in: von Weissenberg, Hanne / Pakkala, Juha / Marttila, Marko (Hg.), Changes in Scripture: Rewriting and Interpreting Authoritative Traditions in the Second Temple Period, BZAW 419, Berlin 2011, 123–136. 42 Dazu vgl. auch Tov, Emanuel / Crawford, Sidnie W., B. Reworked Pentateuch, DJD XIII, Oxford 1994, 187–352. 43 Vgl. Field, Frederick, Origenis Hexaplorum quae supersunt sive veterum interpretum graecorum in totum Vetus Testamentum fragmenta, Oxford 1875, Neudruck 1964.
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Paul Glaue / Alfred Rahlfs (1911)44 vor. Als eigenständiges Werk ist das Samareitikon nicht erhalten, sondern seine Existenz soll aus Randbemerkungen bei Origenes hervorgehen. In der Hexapla finden sie sich jedoch nicht, werden allerdings in LXX-Handschriften des 7. Jh.s mit entsprechenden Hinweisen aufgenommen. Inzwischen sind 70 Marginalia identifiziert und von Reinhard Pummer im 2. Apparat der Göttinger LXX-Ausgabe vermerkt. In der Forschungslandschaft wird diskutiert, ob es sich um eine frühe Revision des LXX-Textes (Emanuel Tov)45 oder gar um eine samaritanische Bearbeitung der LXX handelt. Die m.W. neuesten Untersuchungen zum Samareitikon stammen von Adrian Schenker46 und Jan Joosten47, deren Ergebnisse ich hier nur kurz referieren kann. Schenker analysiert den Pap. Gießen 19, den er mit Emanuel Tov mit guten Argumenten für eine samaritanische Rezension des griech. Pentateuchtextes hält, dann aber noch weiter geht und die Vermutung äußert, der Papyrus biete gar den Text des Samareitikon selbst. Jan Joosten bestätigt die von ben Hayim erhobene samaritanische Lesetradition, die sich sowohl im Samareitikon wie auch in dem samaritanischen Targum zeige. Jan Joosten zeigt also auf, dass das Samareitikon das samaritanische Targum bereits im Rücken hatte, nicht jedoch eine Übersetzung dieses Targums ist48. Diese bestätigt aufs Neue das hohe Alter dieses Targums, macht aber die Datierung des Samareitikon selbst noch schwieriger. Diese muss dann irgendwo vor dem 7. Jh. angesetzt werden. Ein Längsschnitt durch die etwa 70 erhaltenen Marginalia zeigt, dass sie keine ad-hoc-Bemerkungen zum Text sind, sondern Reste einer vollständigen samaritanischen Pentateuch-Übersetzung ins Griechische. Alles Weitere ist noch ein Mysterium und Joosten weist folgende Fragerichtungen auf, die weiterer Aufmerksamkeit bedürfen: Wenn die Samaritaner gezielt die LXX annehmen und damit den G vorziehen, liegt darin eine Distanzierung zu Jerusalem und eine eventuelle Nähe zum Alexandrinischen Judentum. Diese Richtungsangabe erscheint mir jedoch nicht vielversprechend, weil doch der hebr. Samaritanus sehr nahe der masoretischen Texttradition steht. Überaus wichtig jedoch erscheint mir die Aufgabenstellung, den Marginalien – vor allem den anonymen – in den griech. Handschriften mehr Aufmerksamkeit als bisher zukommen zu lassen.
44 Vgl. Glaue, Paul / R ahlfs, Alfred, Fragmente einer griechischen Übersetzung des samaritanischen Pentateuchs. Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens 1/2, Berlin 1911. 45 Vgl. Tov, Emanuel, Pap. Gießen 13, 19, 22, 26: A Revision of the Septuagint?, RB 78 (1971), 355–383. 46 Vgl. Schenker, Textgeschichtliches, 105–121. 47 Vgl. Joosten, Jan, The Samareitikon and the Samaritan Tradition, in: Kraus, Wolfgang / Kreuzer, Siegfried u. a. (Hg.), Die Septuaginta – Text, Wirkung, Rezeption, WUNT 325, Tübingen 2014, 346–359. 48 Vgl. Joosten, Samareitikon, 353.
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Das samaritanische Targum49 entstand wohl ab dem 3. Jh. n. Chr.50 und ist in mehreren Handschriften bezeugt, die sich in zwei Gruppen (Ms. J [älter] – alle anderen [jünger]) aufteilen lassen und für manche Textspezialitäten des Samareitikon die Vorlagen geliefert haben könnten. Hier gibt es unterschiedliche Einschätzung, wie Jan Joosten (s. o.) zeigte.
7. Samaritanische Papyri und Epigraphik Neben dem samaritanischen Pentateuch, dem Samareitikon und dem Targum sind nicht viele literarische Produkte der Samaritaner erhalten. Zu nennen sind die samaritanischen Papyri aus dem 4. Jh. v. Chr. aus Wadi ed-Daliyeh51, die uns ein wenig Einblick geben in die soziologische Struktur der alten paganen Landbevölkerung Samarias, die noch Reste des JHWH-Glaubens pflegten, wie aus ihren theophoren Eigennamen hervorgeht.52 Zu nennen sind weiterhin die beiden griech. Inschriften von Diasporasamaritanern aus Delos aus dem 2. Jh. v. Chr.,53 in denen von der Ablieferung der Tempelsteuer an „den heiligen Argarizein“ berichtet wird. Und schließlich brachten die Ausgrabungen am Garizim über 400 hebr. und aram. epigraphische Fragmente ans Licht, die neue Einsichten über die Glaubensgemeinde am Garizim vermitteln.54 Die erhaltenen Dedikations-Inschriften lassen den Schluss zu, dass es am Garizim einen geregelten Opferkult im Kontext einer typisch israelitischen JHWH-Verehrung gab.55
49 Dazu vgl. Brülle, Adolf, Das samaritanische Targum zum Pentateuch. Zum ersten Mal in hebräischer Quadratschrift nebst einem Anhange textkritischen Inhaltes, Hildesheim / New York. NY 1971, repr. der Ausgabe Frankfurt a. M., 1873–1876; dann auch Noth, Martin, Die Welt des Alten Testaments, Sammlung Töpelmann II/3, Berlin 41962, 284; vgl. jetzt Tal, Abraham, The Samaritan Targum of the Pentateuch, Tel Aviv 1980/81. 50 Vgl. Becking, Bob, Is There a Samaritan Identity in the Earliest Documents?, in: Frey, Jörg / S chattner-Rieser, Ursula / S chmid, Konrad (Hg.), Die Samaritaner und die Bibel, Studia Judaica 70 = Studia Samaritana 7, Berlin 2012, 51–65, bes. 53. 51 Vgl. Cross, Frank M., The Discovery of the Samaria Papyri, BA 26, 1963, 110–121; Cross, Frank M., Papyri of the Fourth Century BC from Dâliyeh. A Preliminary Report on their Discovery and Significance, in: Freedman, David N. / Greenfield, Jonas C. (Hg.), New Directions in Biblical Archaeology, Garden City / New York, NY 1971, 45–69; Cross, Frank M., Samaria and Jerusalem in the Era of Restoration, in: Cross, Frank M. (Hg.), From Epic to Canon: History and Literature in Ancient Israel, Baltimore, MD 1998, 173–202; Zsengellér, József, Personal Names in the Wadi ad-Daliyeh Papyri, ZAH 9 (1996), 182–189. 52 Vgl. Becking, Samaritan Identity, 58 f. 53 Vgl. Kartveit, Magnar, The Origin of the Samaritans, VTSup 128, Leiden 2009, 216– 222; Kartveit, Magnar, Samaritan Self-Consciousness in the First Half of the Second Century B. C. E. in Light of the Inscriptions From Mount Gerizim and Delos, JSJ 45 (2014), 449–470. 54 Vgl. Magen, Yitzhak / Misgav, Haggai / Tsfania, Levana, Mount Gerizim Excavations I. The Aramaic, Hebrew and Samaritan Inscriptions, Jerusalem 2004. 55 Vgl. Becking, Samaritan Identity, 56–58.
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8. Zusammenfassende Perspektiven Es ist beachtlich, dass genau ein Jahrhundert nach von Gall die Samaritanusforschung wieder neuen und intensiven Aufwind bekommt. Es ist zu erwarten, dass vielleicht in einem Jahrzehnt der Text des ganzen samaritanischen Pentateuchs auf der Basis aller bekannten Handschriften ediert vorliegt. Dabei ist es wichtig, dass führende Mitglieder der samaritanischen Familie Tsedaka selbst an diesem Projekt beteiligt sind.56 Es ist beachtlich, dass der Text des Samaritanus gegen Gesenius wieder in den Stellenwert eines wichtigen, vielleicht des wichtigsten hebräischen Bibeltextes für den Pentateuch rückt und damit der Textkritik ein zwar bekanntes, aber jetzt neu zu bewertendes Quellenmaterial zur Verfügung gestellt wird. Es darf erwartet werden, dass der Samaritanus zukünftig nicht nur als Mittel zur Textkritik Verwendung findet, sondern dass dahinter die Trägergemeinde in ihrer soziologischen, ekklesiologischen und theologischen Wirklichkeit sichtbar wird. Die zukünftige Debatte wird sich besonders des Buches Deuteronomium anzunehmen haben, dessen Zentralisationsgesetze den Kern der Auseinandersetzung zwischen Jerusalem und den Samaritanern bildeten. Ist Dtn 27 wirklich ein Jerusalem-Text, der die Samaritaner auf den Fluchberg Ebal verbannt oder ist es vielleicht nicht eher ein Garizim-Text? Ist die Kultzentralisation wirklich der ausschlaggebende Punkt oder sind nicht vielleicht doch tieferliegende Bekenntnis-Unterschiede oder gar theologische Entwürfe Grund für das Schisma? Wie sollen wir das Heiligtum auf dem Garizim werten einerseits angesichts solcher Zentralisationsforderungen und anderseits im Blick auf die Existenz von Gotteshäusern in Arad, Elephantine, Heliopolis und möglicherweise in Araq el-Emir (Qasr el-Abd)? Grund für eine solche Novellierung der Fragestellung könnte man aus der Gemeinschaft von Qumran herleiten, die auf einer älteren Bewegung aus dem 3. Jh. v. Chr. aufbaut und eine Ideologie entwickelte, in der der Jerusalemer Tempel keinen zentralen Platz mehr hatte. Die immer wieder abgeschriebene Behauptung, Qumran habe die Gemeinschaft mit dem Tempel wegen der dortigen Unreinheit und der merkantilischen Umtriebe der Priesterschaft verlassen, hat kaum Berechtigung. Vielmehr vertrat die Gemeinde ein wirklich „u-topisches“ Tempelkonzept, das sich in der Gemeinde realisierte und dazu keinen bestimmten Ort brauchte. Es gab offensichtlich gute Gründe, sich vom Jerusalemer Tempel los56 Vgl. Tsedaka, Benyamim, Reevaluation of Samaritan Studies Due to the New Discoveries in Excavations and Research, in: Frey, Jörg / S chattner-Rieser, Ursula / S chmid, Konrad (Hg.), Die Samaritaner und die Bibel. The Samaritans and the Bible, Studia Judaica 70 = Studia Samaritana 7, Berlin 2012, 419–427.
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zusagen, weil dieser in Nichts dem paradiesischen gottgewollten Heiligtum entsprach. Lassen sich vielleicht ähnliche Beweggründe auch für die Gemeinde der Samaritaner erheben? Hinzuzufügen ist, dass auch diese Frage neu zu bedenken ist, wenn die Zentralisationsaussagen im Deuteronomium im Urtext tatsächlich nicht auf Jerusalem zielten. Hierzu ist die Rezeption dieser Zentralisationsaussagen in der Qumranliteratur neu zu untersuchen. Während der Ausarbeitung dieses Beitrags kommt über den Pressedienst der University of North Carolina mit Datum vom 4. Januar 2015 die Mitteilung über die Entdeckung weiterer Tefillin aus Qumran.57 Die Tefillin sind noch nicht entziffert, aber sie könnten das Zeug haben, weiteres Licht auf die Gemeinde vom Garizim zu werfen, sollten sich die darin enthaltenen Dekalogfassungen als samaritanisch erweisen. Das aber ist vorerst Spekulation.
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Zur Aufnahme von Ps 102 (101 LXX) und seiner Bedeutung für die Eschatologie des Hebräerbriefs Wolfgang Kraus Das Eingangskapitel des Hebräerbriefes, Hebr 1,1–14, handelt von der unüberbietbaren Hoheit des Sohnes Gottes.1 Die V. 1–4 bilden ein Proömium bzw. Exordium.2 Drei Blickwinkel lassen sich unterscheiden: Gott, der Sohn, die Engel. a) Der Eingang Hebr 1,1–2a: Hier werden Gottes Reden in früheren Zeiten und Gottes Reden in der Endzeit einander in einem klimaktischen Parallelismus gegenüber gestellt. b) In Hebr 1,2b–13 ist allein der Sohn im Blick: Die Verse stellen die Überlegenheit des Sohnes gegenüber den Engeln und seine Erhöhung zur Rechten der Majestät in den Himmeln heraus (zum leitmotivischen Charakter der Erhöhungsaussage im gesamten Brief vgl. neben 1,3.13 auch 8,1; 10,12; 12,2). 1 Der folgende Beitrag wurde im Rahmen eines Symposions zum 65. Geburtstag von Siegfried Kreuzer vorgetragen. Der Vortragstil ist weitgehend beibehalten. Fn. sind auf das Notwendigste begrenzt. Überschneidungen mit anderen Beiträgen zum Hebr sind unvermeidbar. S. im Einzelnen: Kraus, Wolfgang, Hebrews 3:7–4:11 as a Midrash on Psalm 94 LXX, in: Ausloos, Hans / L emmelijn, Bénédicte / Vervenne, Marc (Hg.), Florilegium Lovaniense. Studies in Septuagint and Textual Criticism in Honour of Florentino Garcia Martinez, BETL 224, Leuven 2008, 275–290; Kraus, Wolfgang, Hab 2,3–4 in der hebräischen und griechischen Texttradition mit einem Ausblick auf das Neue Testament, in: Caulley, Thomas S. / Hermann, Lichtenberger (Hg.), Die Septuaginta und das frühe Christentum – The Septuagint and Christian Origins, WUNT 277, Tübingen 2011, 153–173; Kraus, Wolfgang, Die Rezeption von Jer 38,31–34 (LXX) in Hebräer 8–10 und dessen Funktion in der Argumentation des Hebräerbriefes, in: Cook, Johann / Stipp, Hermann-Josef (Hg.), Text-Critical and Hermeneutical Studies in the Septuagint, VTSup 157, Leiden 2012, 447–462; Kraus, Wolfgang, Die Bedeutung von διαθήκη im Hebräerbrief, in: Bons, Eberhard / Brucker, Ralph / Joosten, Jan (Hg.), The Reception of Septuagint Words, WUNT II.367, Tübingen 2014, 67–83 (s. dazu unten Fn. 55); Kraus, Wolfgang, Zu Absicht und Zielsetzung des Hebräerbriefes, KuD 60 (2014), 250–271; Kraus, Wolfgang, Zur Aufnahme und Funktion von Gen 14,18–20 und Ps 109 LXX im Hebräerbrief, in: Wagner, Thomas / Ueberschaer, Frank / Robker, Jonathan (Hg.), Text-Textgeschichte-Textwirkung, FS Siegfried Kreuzer, AOAT 419, Münster 2014, 459–474. Für Hilfe bei den Korrekturen danke ich meiner Mitarbeiterin Elena Belenkaja, Saarbrücken. 2 Karrer, Martin, Der Brief an die Hebräer I. Kapitel 1,1–5,10, ÖTK 20/I, Gütersloh 2002, 108: Proömium; Gräer, Erich, An die Hebräer (Hebr 1–6) (EKK XVII/1), NeukirchenVluyn 1990, 46: Exordium, so auch Backhaus, Knut, Der Brief an die Hebräer. Übersetzt und erklärt (RNT), Regensburg 2010, 80; Wei, Hans-Friedrich, Der Brief an die Hebräer, KEK 13, Göttingen 1991, 133.
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Wolfgang Kraus
c) Den Abschluss bildet eine zusammenfassende Folgerung über die Engel: „Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil (die Rettung) erben sollen?“ Die auf den Sohn bezogenen Aussagen, V. 2b–13, lassen zwei Unterabschnitte erkennen: 1) V. 2b–4: Hier finden sich in einer einzigen Satzperiode Aussagen über das hoheitliche Wesen und Werk des Sohnes.3 2) In V. 5–13 wird anhand der Zitation von sechs alttestamentlichen Schriftbelegen ein Vergleich zwischen dem Sohn und den Engeln angestellt, der die unüberbietbare Hoheit des Sohnes zum Ausdruck bringt. Dabei hat der Vergleich mit den Engeln allerdings kein eigenständiges Gewicht, sondern dient dazu, die unvergleichliche Nähe des Sohnes zum Vater auszusagen.4 Der Hebr erreicht, wie Martin Karrer zu Recht feststellt, die Höhe seiner christologischen Aussagen über den Sohn bereits in Kap. 1.5 Der Sohn und der Vater gehören zusammen und lassen sich nicht voneinander separieren. Das Zitat aus Ps 101 LXX, um das es in diesem Beitrag geht, begegnet somit im Kontext eines Lobpreises der Hoheitsstellung des Sohnes. Ihm wird die Mitwirkung6 bei der Schöpfung, ja noch mehr: die Miturheberschaft der Schöpfung zugesprochen.7 Eine im alttestamentlichen Psalm (Ps 102 [101 LXX], 26–28) auf Gott selbst sich beziehende Aussage wird auf Jesus hin angewendet. Seine Dauerhaftigkeit und Unwandelbarkeit wird gepriesen – im Unterschied zur Wandelbarkeit von Himmel und Erde. Er bleibt derselbe, auch wenn die geschaffenen Dinge gewechselt werden. Er hat sich zur Rechten Gottes gesetzt und hat Anteil an dessen Hoheit und Würde. Soweit die unmittelbare Zielrichtung der Aussagen in Hebr 1,10–12. Mittelbar führt uns die Frage nach der Aufnahme von Ps 101 LXX in Hebr 1 in den Bereich der Eschatologie im Hebr und dessen traditionsgeschichtlicher Ver3 Er
ist der Erbe; durch ihn wurden die Äonen geschaffen; er ist Abglanz der Herrlichkeit und Abdruck göttlichen Wesens; er trägt alles durch sein mächtiges Wort; er vollbrachte eine Reinigung von Sünden; er setzte sich zur Rechten der Majestät in den Himmeln; er wurde so viel gewaltiger als die Engel, wie er ihnen gegenüber einen vorzüglicheren Namen ererbte. 4 Ps 2,7 LXX; 2 Sam 7,14 // 1 Chr 17,13; Dtn 32,43 LXX // Ps 96,7 LXX; Ps 103,4 LXX; Ps 44,7f LXX; Ps 101,26–28 LXX; Ps 109,1 LXX. Zum Aufbau und der Struktur dieser Zitate s. Backhaus, Hebr, 94 f. 5 Karrer, Hebr I, 147. 6 Von „Schöpfungs-Mittlerschaft“ Christi lässt sich hier nur eingeschränkt sprechen. S. zur Sache Kraus, Wolfgang, Jesus als ‚Mittler‘ im Hebräerbrief, in: Taschl-Erber, Andrea / Fischer, Irmtraud (Hg.), Vermittelte Gegenwart. Konzeptionen der Gottespräsenz von der Zeit des Zweiten Tempels bis Anfang des 2. Jh. n. Chr., WUNT 367, Tübingen 2016, 293–315, bes. 295–301. 7 Vgl. zur Sache ausführlicher Kraus, Wolfgang, Präexistenz Christi im Hebräerbrief, in: Frey, Jörg u. a. (Hg.), Präexistenz im Frühjudentum und frühen Christentum, WUNT, Tübingen (voraussichtlich 2019).
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ortung. Dies ist nach wie vor ein umstrittenes Thema. Die Positionen bewegen sich zwischen einer Verortung in der jüdischen Apokalyptik einerseits (Hofius, Gäbel u. a.)8 und einer Herleitung aus der hellenistischen Philosophie, speziell dem Mittelplatonismus andererseits (Eisele u. a.)9. Doch wie alle exegetischen Streitfragen, die solche alternativen Entwürfe provozieren, scheint eine solenne Herleitung aus dem einen oder dem anderen geistesgeschichtlichen Milieu zu kurz gegriffen. Solche schroffen Alternativen stellen nach meiner Erfahrung in der Regel einen Hinweis darauf dar, dass es Indizien sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gibt. Es geht daher eher um die Frage der Zuordnung solcher Indizien als um sich ausschließende Alternativen. Knut Backhaus sieht es m. E. richtig, wenn er formuliert, dass es nicht darum gehe, „eine Entscheidung zu treffen, sondern ein Verhältnis zu beschreiben“10. Ihm zufolge verdankt sich der traditionsgeschichtliche Hintergrund des Hebr im Wesentlichen der Hl. Schrift. Hierbei seien die gleichen Elemente für den Hebr prägend, wie in der Apokalyptik: Himmelswelt, Priestertum, Engelmächte, Endzeit. Die traditionsgeschichtliche Verarbeitung dieser Elemente erfolge allerdings unapokalyptisch. Backhaus sieht eine Verbindung zu einem platonisierenden Denkstil auf fünf Ebenen: 1) Die „ontische Transzendenz der Gottheit“. 2) Die „metaphysische Kluft zwischen ursprünglicher, unsichtbarer, göttlicher Wirklichkeit und abbildhafter, 8 Hofius,
Otfried, Katapausis. Die Vorstellung vom endzeitlichen Ruheort im Hebräerbrief, WUNT 11, Tübingen 1970; Gäbel, Georg, Die Kulttheologie des Hebräerbriefes, WUNT II/212, Tübingen 2006, bes. 126 f. 9 Eisele, Wilfried, Ein unerschütterliches Reich. Die mittelplatonische Umformung des Parusiegedankens im Hebräerbrief, BZNW 116, Berlin / New York, NY 2003. Zur Eschatologie im Hebr s. die hilfreiche Klassifizierung bei Backhaus, Knut, Der Neue Bund und das Werden der Kirche. Die Diatheke-Deutung des Hebräerbriefs im Rahmen der frühchristlichen Theologiegeschichte, NTA.NF 29, Münster 1996, 232–242. Wichtig zur Beurteilung der Sachfrage sind aus der neueren Literatur: Mackie, Scott D., Eschatology and Exhortation in the Epistle to the Hebrews, WUNT II/223, Tübingen 2007; Schenck, Kenneth L., Cosmology and Eschatology in Hebrews. The Setting of the Sacrifice, MSSNTS 143, Cambridge, MA 2007; Sterling, Gregory E., Ontology versus Eschatology: Tensions between Author and Community in Hebrews, StPhilo 13 (2001), 190–211; Steyn, Gert J., The Eschatology of Hebrews as Understood within a Cultic Setting, in: Watt, Jan G. van der (Hg.), Eschatology in the New Testament and Some Related Documents, WUNT II/235, Tübingen 2011, 429–450; Witulski, Thomas, Zur Frage des Verhältnisses der Dimension von Raum und Zeit in der Konzeption der Eschatologie des Hebräerbriefes, BZ.NF 51 (2007), 161–192. Elena Belenkaja untersuchte in ihrer Saarbrücker Masterarbeit im Studiengang „Religiöse Traditionen in Europa“ die neueren eschatologischen Entwürfe: Belenkaja, Elena, Die Eschatologie des Hebr in der jüngeren Forschung, Mag. phil. Saarbrücken 2014. Ihr Ergebnis lautet, dass die zeitliche gegen die räumliche Linie und umgekehrt nicht ausgespielt werden darf. Einige Inkonsistenzen innerhalb des Hebr sind hinzunehmen. Erfolg verspricht eine Untersuchung, die das Zeitverständnis des Gesamtentwurfs in den Blick nimmt. 10 Backhaus, Hebr, 54; vgl. Backhaus, Knut, Zwei harte Knoten: Todes‑ und Gerichtsangst im Hebräerbrief, in: Backhaus, Knut, Der sprechende Gott, WUNT 240, Tübingen 2009, 131–151: 142 f.
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sichtbarer Erdensphäre“. 3) Die Notwendigkeit der Vermittlung zwischen Gott und Mensch. 4) Der Rekurs auf „überlieferte Religion“, um die Vermittlung zu leisten. 5) Das Ziel, eine „tragfähige Lebensbasis in ungesicherter Existenz“ zu vermitteln.11 Grundsätzlich dürfte diese Einschätzung von vielen Auslegern des Hebr geteilt werden. Ob wirklich mittelplatonische Anschauungen zum Problemfeld gehören, wie Backhaus das sieht, oder diese nicht eher im Lösungsansatz zu verorten sind, werden wir später noch erörtern. Nach Backhaus liegt das Problem, auf das der Hebr-Autor antwortet, in der „vom Menschen her nicht überwindbare[n] Kluft zwischen Gott und Mensch, himmlischer und irdischer Wirklichkeit“.12 Ich werde so vorgehen, dass ich zunächst das Zitat in Hebr 1,10–12 in seiner hebräischen und griechischen Form betrachte, dann dessen Aufnahme im Hebr analysiere und schließlich Hebr 1,10–12 mit weiteren Texten aus dem Hebr (insbes. 12,25–29) in Beziehung setze, um so zu einer Sicht der Dinge zu gelangen, die dem Hebr (hoffentlich) gerecht wird.
1. Das Zitat aus Ps 101,26–28 LXX in Hebr 113 Ps 102,26–28 (BHS / Elb)
Ps 101,26–28 (LXX / LXX.D) Hebr 1,10–12 (NA28/Braun)
וּמ ֲע ֵשׂה ַ אָרץ יָ ַס ְד ָתּ ֶ ְל ָפנִ ים ָה26 יָ ֶדיָך ָשׁ ָמיִם׃ אַתּה ַת ֲעמֹד ָ ְאבדוּ ו ֵ ֹ ֵה ָמּה י27 וְ ֻכ ָלּם ַכּ ֶבּגֶ ד ְיִבלוּ ַכּ ְלּבוּשׁ יפם וְ יַ ֲחֹלפוּ׃ ֵ ַתּ ֲח ִל נֹותיָך לֹא ֶ וּשׁ ְ אַתּה־הוּא ָ ְ ו28 יִתּמּוּ׃ ָ
26 κατ᾿ ἀρχὰς σύ, κύριε, τὴν γῆν ἐθεμελίωσας, καὶ ἔργα τῶν χειρῶν σού εἰσιν οἱ οὐρανοί· 27 αὐτοὶ ἀπολοῦνται, σὺ δὲ διαμενεῖς, καὶ πάντες ὡς ἱμάτιον παλαιωθήσονται, καὶ ὡσεὶ περιβόλαιον ἀλλάξεις αὐτούς, καὶ ἀλλαγήσονται· 28 σὺ δὲ ὁ αὐτὸς εἶ, καὶ τὰ ἔτη σου οὐκ ἐκλείψουσιν.
10 καί· σὺ κατ᾿ ἀρχάς, κύριε, τὴν γῆν ἐθεμελίωσας, καὶ ἔργα τῶν χειρῶν σού εἰσιν οἱ οὐρανοί· 11 αὐτοὶ ἀπολοῦνται, σὺ δὲ διαμένεις, καὶ πάντες ὡς ἱμάτιον παλαιωθήσονται, 12 καὶ ὡσεὶ περιβόλαιον ἑλίξεις αὐτούς, ὡς ἱμάτιον καὶ ἀλλαγήσονται· σὺ δὲ ὁ αὐτὸς εἶ καὶ τὰ ἔτη σου οὐκ ἐκλείψουσιν.
26 Du hast einst die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk. 27 Sie werden umkommen, du aber bleibst. Sie alle werden veralten wie ein Kleid; wie ein Gewand wechselst du sie, und sie werden
26 Zu Anfang hast du, Herr, die Erde gegründet, und Werke deiner Hände sind die Himmel; 27 sie werden vergehen, du aber wirst bestehen bleiben, und sie alle werden wie ein Gewand alt werden, und wie einen
10 Und: ‚Du, Herr, hast zu Urbeginn die Erde gegründet, und deiner Hände Werke sind die Himmel. 11 Sie werden vergehen, du aber bleibst, und sie alle werden wie ein Kleid verschleißen. 12 Und wie einen
Backhaus, Hebr, 54. Backhaus, Hebr, 55. 13 Übersetzungen ins Deutsche nach der Elberfelder Bibel (Elb), Septuaginta Deutsch (LXX.D) bzw. Braun, Herbert, An die Hebräer, HNT 14, Tübingen 1984. 11 12
Zur Aufnahme von Ps 102 (101 LXX)
Ps 102,26–28 (BHS / Elb)
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Ps 101,26–28 (LXX / LXX.D) Hebr 1,10–12 (NA28/Braun)
verwandelt. 28 Du aber bist Mantel wirst du sie wechseln, und sie werden derselbe, und deine Jahre gewechselt werden; 28 du enden nicht. aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht schwinden.
Umhang wirst du sie aufrollen, wie einen Mantel, und sie werden gewechselt werden; du aber bist stets derselbe, und deine Jahre werden nicht aufhören.‘
1.1 Die Überlieferung des Textes Bei Ps 102 MT handelt es sich gemäß V. 1 um ein individuelles Klagelied, das in einem Lobpreis der Unwandelbarkeit Gottes gipfelt. Mit dieser Kennzeichnung ist jedoch die komplexe Struktur des ganzen Psalms nicht erfasst. Sie lässt sich nur aus seinem sukzessiven Wachstum erklären. Details des Aufbaus müssen uns in unserem Zusammenhang nicht interessieren.14 Deutlich ist, dass im hebr. Text die Beständigkeit, Verlässlichkeit und Unwandelbarkeit Gottes der Hinfälligkeit und Wandelbarkeit von Erde und Himmel gegenübergestellt werden, um am Schluss zu der Hoffnung vorzustoßen, dass die Nachkommen der Knechte Gottes sicher wohnen können.15 Im Blick auf die Beständigkeit Gottes steht der Psalm theologisch Ps 90 nahe.16 Die Aussage in Hebr 1,10–12 wird sachlich wieder in Hebr 13,8 aufgenommen. Der LXX-Psalm weist gegenüber dem MT in der Struktur des Aufbaus wie im Detail der Aussagen einige Unterschiede auf:17 Nach der Überschrift V. 1 sind die Abschnitte V. 2–12 und V. 13–23 in ihrer Struktur parallel zum hebr. Psalm aufgebaut. Einen gravierenden Unterschied gibt es in V. 24. Der zur Fortschreibung des Psalms gehörende Vers, der im hebr. Text als „Überleitungsvers“ wieder „auf die individuelle Not des Beters“ lenkt,18 wird in der LXX anders gedeutet. Der Übersetzer versteht die Radikale ענהnicht im Sinn von „niederdrücken“ ( ענהI), 14 Zur Struktur des Psalms bemerkt Hossfeld: „Mit breitem Konsens beim derzeitigen Stand der Exegese wird die Einteilung des Psalms in drei Makroteile angenommen: Nach der Überschrift (V 1) das Klage‑ und Bittgebet eines Beters in V 2–12, dann der auf die Zukunft Zions ausgerichtete Mittelteil (V 13–23) und der Schluss (V 24–29), der Klage, Bitte und Zukunftsansage enthält“ (Hossfeld, Frank-Lothar / Z enger, Erich, Psalmen 101–150, HThK.AT, Freiburg u. a. 2008, 39; vgl. ganz ähnlich Seybold, Klaus, Die Psalmen, HAT I/15, Tübingen 1996, 398). 15 Teile von Ps 102, insbes. die in diesem Beitrag wichtigen V. 26–28 sind auch bezeugt durch zwei Qumran-Fragmente: 4QPsb (4Q84) und 11QPsa (11Q5). Details bei Steyn, Gert J., A Quest for the Assumed LXX Vorlage of the Explicit Quotations in Hebrews, FRLANT 235, Göttingen 2011, 105.107 f. 16 Seybold, Psalmen, 398. 17 Varianten der LXX-Textüberlieferung werden diskutiert bei Steyn, Quest, 105–108. 18 Hossfeld / Z enger, Psalmen, 47. Nach Hossfeld / Z enger, Psalmen, 40 lässt sich JHWH als Subjekt in V. 24 nur aus V. 23 gewinnen.
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sondern von „antworten“, abgeleitet von ענהII und übersetzt mit ἀποκρίνομαι.19 Damit legt der Übersetzer den Grund, dass V. 25–27 im Hebr als Rede Gottes an den Sohn interpretiert werden können.20 Das hebräische ַב ֶדּ ֶרְך כֹּחֹוwird „als cstr.Verbindung verstanden und das dadurch fehlende Obj. mit αὐτῷ ergänzt. Während im MT Gott das Subj. ist, nimmt die LXX-Fassung offenbar als Subj. einen Menschen an, der Gott anspricht; dadurch beginnt die im MT erst in V. 25 einsetzende wörtliche Rede bereits hier.“21 Im MT steht in V. 26 der Ausdruck „Werk“ im Singular ()מ ֲע ֵשׂה, ַ die LXX bietet ἔργα.22 Die Anrede κύριε und das betonte σύ, haben im MT keine Entsprechung.23 In V. 27 wird das hebr. בלה, dessen Grundbedeutung „abgenutzt sein, (zu Lumpen) zerfallen“ lautet, das aber auch für Menschen benutzt werden kann, um deren „Dahinschwinden“ zum Ausdruck zu bringen (Ps 6,8; 31,3 u. ö.)24, durch παλαιόομαι, was „veralten“ heißt, wiedergegeben.25 Die griechische Kopula hat kein Äquivalent im hebr. Text.26 In V. 28 bieten versch. LXX-Hss. statt ἀλλάξεις das Verbum ἑλίξεις (du wirst zusammenrollen). Der gleiche Begriff begegnet in Jes 34,4. Letztere Stelle wird auch in Offb 6,14 aufgegriffen. Das Zitat im Hebr stimmt im Wesentlichen mit der LXX überein. Es wird in Hebr 1,10 mit καί eingeführt. Die Wortstellung ist verändert: das σύ wurde vorgezogen und erhält dadurch den Ton. In V. 11 ist die Futurform des Psalms (διαμενεῖς) ins Präsens gesetzt (διαμένεις). Bedenkt man allerdings, dass in den Unzialen keine Akzente geschrieben wurden, so kann hier nur bedingt von einer Differenz gesprochen werden. In V. 12 lautet das Verbum ἑλίξεις statt wie im Psalm ἀλλάξεις. Diese Variante ist jedoch durch die LXX-Text-Überlieferung belegt.27 Es kann also dem Hebr auch eine Seitenüberlieferung der LXX vorgelegen haben.28 In V. 12 wird ὡς ἱμάτιον wiederholt. Dies kann auf den Hebr-Autor zurückgehen, ist jedoch auch in der LXX-Text-Überlieferung belegt.29
19 Brucker, Ralph, Psalm 101, in: Karrer, Martin / Kraus, Wolfgang (Hg.), Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament II. Psalmen bis Daniel, LXX.E II, Stuttgart 2011, 1785–1788: 1787. 20 Adams, Edward, The Stars will Fall from Heaven. Cosmic Catastrophe in the New Testament and its World, London 2007, 183. 21 Brucker, LXX.E II, 1787. 22 Dies ist auch der Fall in 4QPsa, im Targum und versch. Handschriften; s. BHS App. und Steyn, Quest, 107. 23 Brucker, LXX.E II, 1788. 24 Brucker, LXX.E II, 1788. 25 Steyn, Quest, 107. 26 Nach Brucker, LXX.E II, 1788, ist sie auch bei Symmachus und in der Peschitta bezeugt. 27 Details bei Steyn, Quest, 106 (im griech. Zitat Zeile 4, re. Sp., ist das εἰς in εἶ zu korrigieren). 28 Vgl. Karrer, Hebr I, 143. 29 Brucker, LXX.E II, 1788 mit Hinweis auf Riggenbach, Eduard, Der Brief an die Hebräer, KNT XIV, Leipzig 31922, 25 f. Fn. 62.
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1.2 Interpretation Geht es in Ps 102 (101) in der hebräischen und griechischen Fassung um Gott selbst, so wendet der Hebr-Autor die Psalmverse auf Christus an. Wie kann Ps 101,26–28 LXX als Schriftbeweis dazu dienen, die Unveränderlichkeit des Sohnes Gottes zu belegen? Dies kann zum Teil in der Besonderheit der Schriftrezeption des Hebr begründet sein.30 Aber reicht das aus? Martin Karrer weist darauf hin, dass sich in der LXX anders als im MT bereits mit V. 20–22 ein Sprecherwechsel ankündigt: „Der elende Beter vernimmt in der LXX nach seiner Klage und seinen Vertrauensäußerungen der Verse 2–18, dass der Herr (kyrios) aus der Höhe auf die Erde blickt, um den Namen des Herrn (to onoma tou kyriou) zu verkünden (20–22). Ein Wortwechsel aus der Höhe Gottes deutet sich an.“31 Die Begrifflichkeit mit Kyrios sowie der im griechischen Text vorliegende Sprecherwechsel geben dem Verfasser des Hebr die Möglichkeit, das Zitat auf den Sohn hin anzuwenden. Das Zitat in Hebr 1,10–12 „aktualisiert jüdisch-apokalyptische Motive“.32 Das Zusammenrollen des Himmels erinnert an Jes 34,433, wo ebenfalls vom Zusammenrollen die Rede ist, das Altwerden der Erde an 4 Esr 5,50–5534. Angesichts von Veränderung und Vergänglichkeit war im Hellenismus die Frage, was denn Bestand habe, virulent. Im Apollohymnus (SEG 7,14,8) wird ebenfalls vom Zusammenrollen des Himmels gesprochen.35 Voraussetzung dafür ist die Vorstellung des Himmelszeltes, das zusammengerollt werden kann (vgl. Jes 40,22; Ps 104,2; s. a. Offb 6,14).36 Παλαιόω als Übersetzung von בלהdrückt Wertminderung oder ‑vernichtung von Kleidern aus (vgl. Dtn 8,4, 29,4; Neh 9,21 u. ö.), aber auch die „Vergänglichkeit des Menschen“.37 „Wenn die Himmel als ‚Kleid‘ gewechselt werden, heißt das, daß sie vergehen.“38 Das Verständnis von Hebr 1,10–12 ist nicht unumstritten. Erich Gräßer stellt fest: „Sogar die Himmel als der Bereich, den sich Gott selbst zugemessen hat und der am stärksten den Eindruck der Unwandelbarkeit macht, gehören als Schöpfungswerk zum vergänglichen Kosmos (vgl. Jes 51,6; 65,17; Offb 20,11; 21,1; 30 So Schierse, Franz-Josef, Verheißung und Heilsvollendung. Zur theologischen Grundfrage des Hebräerbriefes, MThS.H 9, München 1955, 76; Gräer, Hebr I, 87 f. 31 Karrer, Hebr I, 143. 32 Karrer, Hebr I, 144. 33 Jes 34,4 (LXX.D, 1258): „Und der Himmel wird zusammengerollt werden wie eine Buchrolle, und alle Sterne werden fallen wie Blätter von einem Weinstock und (so,) wie Blätter von einem Feigenbaum fallen.“ 34 4 Esr 5,55 (JSHRZ V. 4, 332): „Die Schöpfung ist nämlich schon alt und hat die Kraft der Jugend schon überschritten.“ 35 Karrer, Hebr I, 144. Er verweist weiterhin auf die im Platonismus wichtige Unterscheidung zwischen sichtbarer, vergänglicher und intelligibler als allein beständiger Welt. 36 Gräer, Hebr I, 88 Fn. 123. 37 Gräer, Hebr I, 89. 38 Gräer, Hebr I, 89.
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2 Petr 3,13).“39 Grammatisch könnte sich αὐτοί sowohl auf Erde und Himmel beziehen als auch auf die Himmel allein. Gräßer bezieht αὐτοί wegen des Bildes vom ausgespannten Tuch auf die Himmel, aber die Entscheidung in die eine oder andere Richtung macht keinen prinzipiellen Unterschied. Verschiedene Ausleger haben sich dafür ausgesprochen, ἀλλαγήσονται in V. 12b im Sinn von „verwandelt werden“ zu verstehen.40 Dieses Verständnis ist allerdings häufig abhängig von bzw. gekoppelt mit einer bestimmten Interpretation von μετάθεσις in Hebr 12,27, nämlich im Sinn von „Verwandlung“. Dieses Verständnis ist jedoch nicht gesichert. Anton Vögtle hat sich vehement dagegen gewandt, ἀλλαγήσονται in diesem Sinn zu deuten. S. E. passt die Vorstellung einer Auswechslung sehr viel besser zu dem Gegensatz in V. 12c: „du aber bleibst“.41 Auf der wörtlichen Ebene scheint daher keine andere Alternative des Verstehens möglich: Himmel und Erde vergehen (ἀπολοῦνται), sie veralten wie ein Gewand (παλαιωθήσεται), sie werden wie ein Umhang zusammengerollt (ἑλίξεις αὐτούς), sie werden wie ein Mantel ausgewechselt werden (ἀλλαγήσονται). Die Frage, die Vögtle an seine Wortuntersuchung anschließt, ist die, ob der Hebr in 1,10–12 tatsächlich „die hymnischen Aussagen seines Psalmzitates wörtlich versteht, also den kommenden Untergang des Himmels und der Erde und deren Ersatz durch ein neues Universum behaupten will.“42 Dies wiederum wird von ihm energisch verneint. Er ist der Ansicht, es gehe dem Hebr nur um den Gegensatz; die eigentliche Pointe sei die Unwandelbarkeit Gottes. „Gott ist unwandelbar und verliert nicht wie die Dinge durch Alter an Macht und Kraft. Die größten kosmischen Umwälzungen bedeuten für ihn nicht mehr als für den Menschen ein Kleiderwechsel.“43 In diese Richtung argumentiert letztlich auch Gräßer und stimmt Vögtle „unbedingt“ zu: „Den Gerichtsmetaphern des Psalmzitates […] kommt […] kein Eigengewicht im Sinne einer Weltuntergangslehre zu. Sie bilden als Kontrastaussagen nur den negativen Hintergrund vor dem der Hauptgedanke, nämlich der Gegensatz des ewigen und unwandelbaren Schöpfers sich klarer abzeichnen soll.“44 Begründet wird diese These von Gräßer nicht. Karrer führt zur Frage nichts Näheres aus, erwähnt lediglich, dass V. 10–12 früher Bedeutung hatten für eschatologische Aussagen.45 Weiß betont: „Worauf der Autor […] hinaus will, ist von den Rahmenaussagen in V. 11a und V. 12c her eindeutig: nicht in erster Linie auf die Vorstellung und Lehre einer endzeitlichen Weltvernichtung, sondern auf Gräer, Hebr I, 91 (kursiv im Original). Schierse, Strathmann u. a. 41 Vögtle, Anton, Das Neue Testament und die Zukunft des Kosmos, KBANT, Düsseldorf 1970, 95. 42 Vögtle, Kosmos, 97. 43 Vögtle, Kosmos, 98 unter Aufnahme eines Zitats von Nötscher. 44 Gräer, Hebr I, 92 samt Fn. 151. 45 Karrer, Hebr I, 149. S. aber Karrer, Martin, Der Brief an die Hebräer II. Kapitel 5,11–13,25, ÖTK 20/II, Gütersloh 2008, 340–343, zu Hebr 12,25–27. 39
40 Michel,
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die erneute positive Betonung der Unwandelbarkeit und Unvergänglichkeit der Herrschaft des ‚Sohnes‘.“46 Das ist sicher richtig: „in erster Linie“. Aber gibt es auch noch eine „zweite Linie“? Die Frage stellt sich, ob mit dieser Art von Interpretation den Aussagen des Hebr die Spitze gebrochen wurde, um ihn mit anderen neutestamentlichen eschatologischen Vorstellungen, etwa Offb 21 kompatibel zu machen. Wilfried Eisele widerspricht der Auslegung Vögtles (u. a.) und rückt v. a. die Verwendung von ἀπολοῦνται in V. 11 in den Vordergrund der Betrachtung. „Das Abtun durch den Schöpfer bedeutet für das Geschaffene die Vernichtung. Das Prädikat ἀπολοῦνται in Hebr 1,11 ist dahingehend eindeutig“.47 Eisele argumentiert vom mittelplatonischen Gegensatz von Ungeschaffenem und Geschaffenem her und bringt zusätzlich Überlegungen aus Hebr 12,26 f. ins Spiel.48 Wir werden uns also Hebr 12,25–29 zuwenden müssen, um Klarheit über die Vorstellung zu bekommen, die der Autor des Hebr mit Weltuntergang oder Weltverwandlung verbindet. Die Frage, von der wir dabei auszugehen haben, lautet: Versteht er es wörtlich oder handelt es sich um eine Aussage ohne „Eigengewicht“49?
2. Die Vorstellung in Hebr 12,25–29 2.1 Hebr 12,25–29 im Kontext „Der warnende Abschnitt Hebr 12,25–29 bildet den Abschluß der Sequenz Hebr 12,18–29, in der die Situation der Wüstengeneration damals am Sinai derjenigen der […] Gemeinde [des Hebr] jetzt gegenüber gestellt wird.“50 Strukturell vergleichbar ist die Gegenüberstellung, die der Hebr-Autor schon in Hebr 3,7–4,11 vornahm. Auch dort hieß es: Gott habe noch einmal gesprochen. Und die gegenwärtige Gemeinde solle sich nicht so verhalten wie die Wüstengeneration, die Gott abgelehnt hat.51 Blicken wir zunächst auf den Zusammenhang: In V. 18–24 werden der Sinai und der himmlische Zion einander gegenüber gestellt: Betastbares und Nicht46 Wei, Hebr, 168. Die Kommentare von Attridge, Harold, The Epistle to the Hebrews. A Commentary on the Epistle to the Hebrews, Hermenia, Philadelphia, PA 1989, 61, und Ellingworth, Paul, Hebrews. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids, MI 1993, 128 f., argumentieren zu 1,10–12, dass es nicht um Veränderung, sondern um Beseitigung gehe. Zu Hebr 12,27 schließt sich Ellingworth (688) an Vögtle an. Attridge (381) sieht Hebr 12,27 in Beziehung zu 1,10–12, und schließt daraus die Erwartung einer „complete destruction“ und nicht nur eines „renewal of heaven and earth“. 47 Eisele, Reich, 123. In diese Richtung argumentiert auch Adams, Stars, 185, und weist dabei auf den Gegensatz zu Philon hin, der von der Dauerhaftigkeit der Schöpfung ausgehe. 48 Ähnlich die Argumentation bei Wei, Hebr 167 Fn. 44. 49 Gräer, Hebr I, 92. 50 Eisele, Reich, 113. 51 Zu Hebr 3,7–4,11 vgl. Kraus, Midrasch (s. Fn. 1).
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Betastbares. Brennendes Feuer, Nebel, Finsternis, Sturm, Posaunenschall und Wortesstimme auf der einen Seite, Stadt des lebendigen Gottes, himmlisches Jerusalem, Myriaden von Engeln, Festversammlung, Gemeinde der Erstgeborenen, Gott der Richter, Geister der vollendeten Gerechten, „Mittler“ der neuen Dia‑ theke und Blut der Besprengung auf der anderen. Die Sprache wirkt überladen, sie ist plerophorisch und der Stil „panegyrisch“: Es fehlen sämtliche Artikel.52 Franz Josef Schierse spricht von „rhetorische[r] Glanzleistung“.53 Die Bezeichnung Schierses als „gedankliche[r] Höhepunkt“ wird allerdings von Weiß m.R. zurückgewiesen.54 Προσεληλύθατε (Pf. von προσέρχομαι) sagt der Autor zu seinen Lesern: Ihr seid hinzugetreten und steht jetzt da. Alte und neue Diatheke werden einander gegenübergestellt, aber nicht um der Abwertung der Alten, sondern um der Steigerung der Neuen willen.55 Es geht auch hier (wie in Hebr 1,1–2a s. o.) nicht antithetisch, sondern klimaktisch zu.56 Durch die Perfekt-Form προσεληλύθατε kommt zum Ausdruck, dass die Teilhabe an der Heilswirklichkeit als „definitiv und endgültig“ anzusehen ist. „So gesehen handelt es sich an dieser Stelle um das eindeutige Zeugnis einer ‚realisierten‘ Eschatologie im Hebr.“57 In Hebr 4,16; 10,22 begegnet der Kohortativ: προσερχώμεθα, hier das Perfekt, das den Status der gegenwärtigen Heilsvollendung anzeigt. Wie jedoch Weiß und andere mit Recht hervorheben, ist mit diesen Aussagen in Hebr 12,18–24 etwas anderes als das „temporal-eschatologische Schema Gegenwart-Zukunft“ gemeint. Vielmehr geht es „um eine Art ‚hellenistische Eschatologie‘ im Sinne des räumlichen Gegenübers des Irdischen und des Himmlischen, in das nun auch […] ursprünglich apokalyptische Motive einbezogen werden.“58 Die himmlischen Realitäten stehen in Opposition zur irdischen Realität: himmlisches Jerusalem, ἐπουρανίῳ (V. 22), ἐν οὐρανοῖς (V. 23). Wie die Gemeinde diese Wirklichkeit konkret erfährt, wird nicht ausgeführt. Es ist jene ‚im Glauben‘ – im Sinn von Hebr 11,1 – jetzt schon das Leben bestimmende Wirklichkeit (ὑπόστασις), selbst wenn sie „nur“ unsichtbar ist und erhofft wird. Das himmlische Jerusalem existiert bereits bei Gott und übt seine bestimmende Macht aus (vgl. syrBar 4,2–6; 4 Esr 7,26; 8,56; 13,36; vgl. auch Offb 21,2 – dort jedoch so, dass das himmlische Jerusalem auf die Erde herabkommt, wozu im Hebr nichts Vergleichbares steht). Wei, Hebr, 669. Schierse, Verheißung, 171 f. 54 Wei, Hebr, 669. 55 Zum Verständnis von Diatheke im Hebr vgl. Kraus, Bedeutung (s. Fn. 1). Die Statistik in diesem Aufsatz (72) weist Fehler auf. Es muss heißen: „Zu den 17 expliziten Belegen (Hebr 7,22; 8,6.8.9[bis].10; 9,4[bis]. 15[bis]. 16.17.20; 10,16.29; 12,24; 13,20) ist διαθήκη in 8,7.13; 9,1.18 implizit zu ergänzen. Damit ist eine Gesamtzahl von 21 erreicht.“ 56 Wei, Hebr, 673. Vgl. näherhin Kraus, Jesus als „Mittler“ (s. Fn. 6), 295. 57 Wei, Hebr, 674. 58 Wei, Hebr, 674. 52 53
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In diesem Kontext, in dem irdische und himmlische Wirklichkeit einander gegenüber gestellt werden, kommt die Aufforderung zu stehen: „Sehet also zu, dass ihr den Redenden nicht abweist“ (V. 25). Wenn schon jene damals dem Zorn nicht entrinnen konnten, da sie den auf Erden Weisung Gebenden abwiesen, um wieviel mehr wird der dem Gericht verfallen, der den jetzt aus den Himmeln Redenden abweist. V. 26 führt ein Haggai-Zitat an, um das Erschüttern damals und jetzt eschatologisch zu begründen. Gott wird noch einmal die Erde, ja nicht nur sie, erschüttern. Das Ergebnis wird sein: Das Unerschütterliche allein wird bestehen bleiben. Die unerschütterliche Königsherrschaft wird von jenen empfangen, die jetzt den Redenden nicht abweisen. Welche inhaltlichen Akzente werden durch das Zitat aus Hag 2 gesetzt? Wir vergleichen die Texte. 2.2 Die Überlieferung des Textes Hag 2,6.21 (BHS / Elb)
Hag 2,6.21 (LXX / LXX.D)
Hebr 12,26–27 (NA28/H.Braun)
אָמר יְ הוָ ה ְצ ָבאֹות ַ ִכּי כֹה אַחת ְמ ַעט ִהיא וַ ֲאנִ י ַ עֹוד ת־ה ָשּׁ ַמיִם וְ ֶאת־ ַ ַמ ְר ִעישׁ ֶא ת־ה ָח ָר ָבה׃ ֶ ת־היָּ ם וְ ֶא ַ אָרץ וְ ֶא ֶ ָה
6 διότι τάδε λέγει κύριος παντοκράτωρ Ἔτι ἅπαξ ἐγὼ σείσω τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν καὶ τὴν ξηράν·
6 Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Noch einmal – wenig [Zeit] ist es [noch] – und ich werde den Himmel und die Erde und das Meer und das Trockene erschüttern.
6 Denn dies sagt der Herr, (der) Allherrscher: „Noch ein einziges Mal werde ich den Himmel und die Erde und das Meer und das trockene (Land) erschüttern.
26 οὗ ἡ φωνὴ τὴν γῆν ἐσάλευσεν τότε, νῦν δὲ ἐπήγγελται λέγων· ἔτι ἅπαξ ἐγὼ σείσω οὐ μόνον τὴν γῆν ἀλλὰ καὶ τὸν οὐρανόν. 27 τὸ δὲ ἔτι ἅπαξ δηλοῖ [τὴν] τῶν σαλευομένων μετάθεσιν ὡς πεποιημένων, ἵνα μείνῃ τὰ μὴ σαλευόμενα.
הוּדה ֖ ָ ְמר ֶאל־זְ ֻר ָבּ ֶ ֥בל ַ ֽפּ ַחת־י ֹ ֕ ֱא21 Εἰπὸν πρὸς Ζοροβαβελ מר ֲא ִנ֣י ַמ ְר ֔ ִעישׁ ֶאת־ ֹ ֑ ֵלאτὸν τοῦ Σαλαθιηλ ἐκ φυλῆς ת־האָ ֶֽרץ׃ ָ ַה ָשּׁ ַ ֖מיִם וְ ֶאΙουδα λέγων Ἐγὼ σείω τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν καὶ τὴν θάλασσαν καὶ τὴν ξηρὰν … 21 Sage zu Serubbabel, dem Statthalter von Juda: Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern.
21 Rede zu Zorobabel, dem (Sohn) von Salathiel, aus dem Stamme Juda: „Ich erschüttere den Himmel und die Erde und das Meer und das trockene (Land) …“
26 Seine Stimme erschütterte damals die Erde; jetzt aber hat er die Verheißung gegeben und sagt: ‚Noch einmal werde ich zum Wanken bringen nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel.‘ 27 Die Wendung ‚noch einmal‘ weist aber hin auf die Veränderung der Dinge, die erschüttert werden, da sie ja erschaffen worden sind; (sie werden erschüttert), damit Bestand hat das, was nicht erschüttert wird.
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Hag 2,6 findet sich in einem Zusammenhang, der von Hag 2,1 bis 2,9 reicht. Es handelt sich um eine Ankündigung der Herrlichkeit des Tempelbaus im Auftrag Gottes. V. 6 spricht davon, dass Gott – in absehbar kurzer Zeit – noch einmal den Himmel, die Erde, das Meer und das Trockene erschüttern werde sowie alle Nationen, die dann mit ihrem Reichtum nach Jerusalem kommen werden, um den neuerbauten Tempel mit ihren Kostbarkeiten auszustatten. Hag 2,21 wiederholt die Aussage von der Erschütterung, jedoch lediglich bezogen auf Himmel und Erde (wie dann im Hebr). Die LXX stimmt mit dem MT weitgehend überein, bis auf die Auslassung der zeitlichen Kürze ()מ ַעט ִהיא ְ und der Änderung des Plurals von Himmel ()ה ָשּׁ ַמיִ ם ַ in den Singular (τὸν οὐρανόν).59 Der Hebr-Autor hat sein Zitat mit der Formulierung νῦν δὲ ἐπήγγελται λέγων eingeleitet. Er zitiert den Hag-Vers nur ausschnittweise, hat eine Umstellung der Worte vorgenommen und einen Gegensatz mit „nicht nur … sondern“ aufgebaut. Beim ersten Stichos stimmen Hebr und LXX überein: ἔτι ἅπαξ ἐγὼ σείσω. Dann hat der Hebr „die Erde“ nach vorne gezogen und mit „nicht nur“ eingeführt. Im dritten Stichos heißt es dann: „sondern auch den Himmel“. Das „Meer“ und das „Trockene“ sind entfallen – ähnlich wie in Hag 2,21 auch nur Erde und Himmel erwähnt werden. Im Folgevers 12,27 hat der Hebr-Autor die Wendung ἔτι ἅπαξ wieder aufgenommen und auf eine zu erwartende Erschütterung bezogen, die Beständiges und Vergängliches voneinander scheiden wird. 2.3 Interpretation Bei Hebr 12,25–29 handelt es sich – wie Anfang und Schluss nahelegen – um „Gerichtsparänese“.60 Die Anwendung von Hag 2,6(21) in V. 26f nimmt die Sinai-Zion-Typologie der Passage vorher auf. Sie wird als „Verheißung“ verstanden. Entscheidend für das Verständnis sind die Begriffe σαλεύω, σείσω, τὰ (μὴ) σαλευόμενα, μετάθεσις und βασιλεία ἀσάλευτος. In V. 26 werden mit τότε und νῦν damals und heute zueinander in Beziehung gesetzt. Damals: Erschütterung, jetzt: Erschütterung als Verheißung. Durch die Veränderungen im Zitat liegt die Betonung auf dem Eingang ἔτι ἅπαξ und dem Schluss ἀλλὰ καὶ τὸν οὐρανόν. Nicht nur die Erde, sondern gerade auch den Himmel wird Gott zum Beben bringen. Σείειν / σεισμός gehört im AT als Bezeichnung für Erdbeben zu den Begleiterscheinungen einer Theophanie.61 Im NT sind damit Vorzeichen für oder der 59 Zu den Differenzen zwischen MT und LXX und zum Zitat im Hebr s. auch Steyn, Quest, 351–358. 60 Wei, Hebr, 684. 61 Belege bei Eisele, Reich, 115 Fn. 324.
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Beginn der Endereignisse gemeint.62 Σαλεύειν kann auch bei Erdbeben gebraucht werden. Im AT ermöglicht Gott als Schöpfer und Erhalter die Unerschütterlichkeit der Schöpfung.63 Für Philon ist allein das Göttliche das Unveränderliche, der Kosmos dagegen das Erschütterliche. Wir sehen hier ähnlich wie in Hebr 1,10– 12, wie jüdisch-apokalyptisches Denken und (mittel‑)platonische Motive miteinander verschmolzen werden. Die Dinge, die erschüttert werden, sind die geschaffenen. Dazu gehört auch der Himmel – zumindest in bestimmter Hinsicht. „Anders als die οὐρανοί in 4,14; 7,26; 8,1; 9,23; 12,23–25, die zur bleibenden Himmelswelt gehören“, verwendet der Hebr in 12,27 einen anderen Himmelsbegriff.64 „In Konsequenz seines dualistischen Denkens operiert Hebr mit einem doppelten Himmelsbegriff, einem ‚materiellen‘ und einem metaphysischen.“65 Noch einmal wird es zu einer μετάθεσις τῶν σαλευομένων kommen. Übrig bleiben allein τὰ μὴ σαλευόμενα. Μετάθεσις kann grundlegende Verwandlung, aber auch Beseitigung heißen. Das semantische Feld lässt beides zu.66 Hebr 7,12 gebraucht der Autor μετατίθεσθαι und μετάθεσις, um die Beseitigung bzw. Veränderung des Priestertums und der dazu gehörigen gesetzlichen Bestimmungen auszudrücken. Die Veränderung, von der 7,12 spricht, bedeutet allerdings faktisch eine „Beseitigung“.67 Die σαλευόμενα werden zugleich als πεποιμένα qualifiziert.68 Zum Geschaffenen gehört – s. o. – auch der Himmel. Das Ziel der Erschütterung ist das Bleiben des Unerschütterlichen und in Konsequenz die Beseitigung des Erschütterbaren. Eisele fasst die Aussage prägnant zusammen: „Wenn das Erschütterte in seiner Eigenschaft als Geschaffenes beseitigt wird, dann kann es sich beim bleibenden nicht Erschütterten nur um Ungeschaffenes handeln, weil es ansonsten ebenfalls beseitigt würde. Als Unerschütterliches und ‚Ungeschaffenes‘ ist es unveränderlich und besteht demnach auch schon vor der Beseitigung des Erschütterlichen und zugleich mit diesem.“69 Zwei Fragen werden in der Exegese an dieser Stelle kontrovers diskutiert:
Belege bei Eisele, Reich, 115 Fn. 325. bei Eisele, Reich, 115 Fn. 328. 64 Gräer, Erich, An die Hebräer (Hebr 10,19–13,25), EKK XVII/3, Neukirchen-Vluyn 1997, 333 Fn. 64. 65 Gräer, Hebr III, 333 Fn. 64 (im Anschluss an Traub, Hofius, Cody). 66 Eisele, Reich, 119. 67 Vgl. Mackie, Eschatology, 71 f. 68 Attridge, Hebr, 381. 69 Eisele, Reich, 119. Adams, Stars, 190 f., fragt: „The author of Hebrews thus envisions in this passage [12,26–27] a cosmic catastrophe that results in the dissolution of the cosmos. By declaring that heaven and earth, as created things, are destined for ‚removal‘, is he indicating that they are to be annihilated, that is, reduced to nothing?“ Und er antwortet: „This seems unlikely since such a thought probably lay beyond his horizon. Most likely, he means that they will be reduced to their pre-created, material condition.“ (191, kursiv im Original). Das scheint mir allerdings vom Text her nicht gerechtfertigt. 62
63 Belege
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1) Handelt es sich bei den Aussagen in Hebr 12,26–28 ähnlich wie in 1,10–12 wiederum „nur“ um ein „Bild für die das einstige Gericht überbietende Macht und Wucht?“70 2) Hat Hebr 12,26–28 auch eine zeitliche Komponente im Blick oder geht es „weniger um ein zeitliches Ende im Sinne eines apokalyptischen Endgeschehens […] als vielmehr um reine logische Finalität: Am Ende werden sich allein die μὴ σαλευόμενα, also die himmlische Welt Gottes, die ‚Stadt des lebendigen Gottes‘, das ‚himmlische Jerusalem‘, kurz: τὰ ἐπουράνια als das erweisen, was alles ‚Geschaffene‘ – im Sinn des traditionellen Weltbildes: ‚Erde und Himmel‘ – bei weitem übertrifft.“71 Ad 1) Die erste Frage lässt sich mit Gräßer so beantworten, dass es sich wohl um einen „moderne[n] Vorbehalt“ handelt, den „unser Verfasser schwerlich teilen würde.“72 Ad 2) Die zweite Frage ist schwerer zu beantworten. Klar ist, dass es im Hebr nicht um die Beseitigung der jetzigen Welt geht, damit an deren Stelle eine neue trete, sondern um den „Erweis der Unerschütterlichkeit der ewigen, himmlischen Welt.“73 Ziel ist der Empfang der βασιλεία ἀσάλευτος. Diese ist himmlisch gedacht.74 Gräßer formuliert m.R. im Anschluss an Oepke: „An die Stelle der kommenden Gottesherrschaft tritt [im Hebr] das Eingehen der Gläubigen zur Ruhe (4,11; 9,27: mikrokosmische Eschatologie!).“75 Das aber heißt, dass der 70 Vögtle,
Kosmos, 88, aufgenommen bei Gräer, Hebr III, 335 Fn. 8. So auch Lane, William L., Hebrews 9–13, WBC 47b, Dallas, TX 1991, 480, der die Aussagen als „descriptive of God’s eschatological judgement“ interpretiert und als „fixed metaphor for devine judgement“ versteht. Klappert, Berthold, Begründete Hoffnung und bekräftigte Verheißung. Exegetisch-systematische Erwägungen zur Eschatologie des Hebräerbriefes, in: Hu, Ruth / L einer, Martin (Hg.), Alles in allem. Eschatologische Anstöße, FS Bernd Janowski, Neukirchen-Vluyn 2005, 447–474, 466 f., plädiert dafür, dass der Hebr eine „Neuschöpfung“ auch des irdischen Jerusalem im Blick habe. „Neuschöpfung meint aber nach dem Hebr nicht, dass das untere, irdische Jerusalem beseitigt wird oder an ihm kein Interesse mehr besteht, sondern bedeutet: Bei der Parusie Christi wird das untere Jerusalem erschüttert und neuschöpferisch verwandelt (1,10 f.; 12,26 f.).“ Dies scheint mir durch den Text des Hebr allerdings nicht gedeckt zu sein. 71 Wei, Hebr, 690 f., zustimmend zitiert bei Eisele, Reich, 119. 72 Gräer, Hebr III, 335 Fn. 8. Ich empfinde hier eine unausgeglichene Spannung zu Gräßers Auslegung von Hebr 1,10–12. Dort würde das Gleiche gelten. Ich wage eine These: Jürgen Roloff war Gräßers Korrektur-Companion (s. die Vorworte). Die Formulierung stellt eine typische Formulierung Roloffs dar – möglicherweise stammt sie von ihm. 73 Walter, Nikolaus, „Hellenistische Eschatologie“ im Frühjudentum – ein Beitrag zur „Biblischen Theologie“?, in: Walter, Nikolaus, Praeparatio Evangelica, hg. v. Kraus, Wolfgang / Wilk, Florian, WUNT 98, Tübingen 1997, 234–251, 239 Fn. 14 (erstmals in ThLZ 110 [1985], 331–348; zustimmend zitiert [allerdings nicht ganz präzise] bei Wei, Hebr 691 Fn. 25). Vgl. auch Walter, Nikolaus, „Hellenistische Eschatologie“ im Neuen Testament, in: Walter, Nikolaus, Praeparatio Evangelica. Hg. v. Kraus, Wolfgang / Wilk, Florian, WUNT 98, Tübingen 1997, 252–272, bes. 267–271. 74 Gräer, Hebr III, 337. 75 Oepke, Albrecht, Art. παρουσία, πάρειμι, ThWNT V (1954), 856–869: 866, 33–35, zustimmend zitiert bei Gräer, Hebr III, 337.
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Hebr „implizit doch vom Ende der Schöpfung“ redet,76 auch wenn das primäre Interesse des Autors darin nicht besteht.77 Vielleicht lässt sich 2 Clem 16,3 als Parallele vergleichen: „Erkennt aber, daß der Tag des Gerichts kommt wie ein brennender Ofen, und es werden einige der Himmel und die ganze Erde zerschmelzen.“78 Sollte diese Interpretation zutreffen, dann würde das auch Bedeutung bekommen für das Verständnis von Hebr 1,10–12. Denn dann würde auch Hebr 1,10–12 in die Richtung einer Vernichtung des Geschaffenen verstanden werden müssen. Da alles Irdische vorläufig und nur das Himmlische dauerhaft ist, würde dies kein schöpfungstheologisches Problem für unseren Autor darstellen. Eisele hat in diese Richtung argumentiert, allerdings aufgrund des umgekehrten Denkweges, d. h. aufgrund einer Analyse von 12,26–28. Ἀπολοῦνται in Hebr 1,11 und μετάθεσις in 12,27 würden sich dabei gegenseitig stützen. Mir scheint, dass es dies tatsächlich ist, was der Hebr-Autor im Blick hat.
3. Schlussüberlegungen Drei Frageperspektiven sollen am Schluss noch angerissen werden und einige Hinweise sollen zeigen, in welche Richtung aufgrund der besprochenen Texte weitergedacht werden könnte. 1) Nach Backhaus ist dem Autor des Hebr das Problem der unüberwindlichen Kluft zwischen Gott und Mensch durch die mittelplatonische Prägung seiner Adressaten vorgegeben.79 Die mittelplatonische Sphärendifferenz gehört somit in den Problemansatz. Mittelplatonisch klingende Aussagen sind daher nach Backhaus nicht als Lösungsangebot zu begreifen, sondern umschreiben die Ausgangsproblematik. 2) Nach Eisele drängte der Hebr mit seiner Art der Eschatologie alle zeitlichen Aussagen in den Hintergrund und wies sie als letztlich irrelevant aus. Ziel des Autors sei es zu erweisen, dass die Parusie der traditionellen Enderwartung sich im Tod jedes Einzelnen vollziehe. 3) Wenn die hier vorgeführte Auslegung von Hebr 1,10–12 und 12,26–28 richtig ist, dann vertritt der Hebr einen Typ von Eschatologie, der zum Hauptstrom der neutestamentlichen eschatologischen Vorstellungen quer steht. Gräßer stellt fest: „Die μετάθεσις der σαλευόμενα ist also nicht ‚eine Überführung der Schöpfung in einen Zustand der Dauer‘ [Hegermann], sondern deren katastrophaler Untergang (vgl. auch 1,10–12). Dies wirft ein eschatologisches Braun, Hebr, 444. Wei, Hebr, 691 Fn. 27. 78 Zit. bei Gräer, Hebr III, 339. 79 Backhaus, Hebr, 55. 76 77
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Problem auf. Wenn der Grundsatz gilt: ‚Die ganze christliche Lehre hängt hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Wahrheit an der Zukunft des Kommens Gottes selbst zur Vollendung seiner Herrschaft über seine Schöpfung‘ [Pannenberg], so muß im Blick auf Hebr 12,25–29 gesagt werden, daß hier die künftige Vollendung der Gottesherrschaft abseits der eschatologischen Hauptstraße des Neuen Testaments vorgestellt wird, nämlich nicht als das Kommen Gottes zu seiner Schöpfung, sondern umgekehrt als das Kommen seines Volkes zu der himmlischen Katapausis.“80 Vögtle führte hinsichtlich des Weltbrandmotivs in 2 Petr 3 aus: „Hätte der Vf. die kosmologischen Aussagen realistisch verstanden, könnten sie keinen glaubensverpflichtenden Charakter beanspruchen.“81 Gräßer will dies mutatis mutandis auf das „Weltuntergansmotiv in Hebr 12,27f mitsamt der Vernichtungsgericht-Aussage V 29“ beziehen.82 Muss man das wirklich? Jede dieser aufgezeigten Frageperspektiven wäre einen eigenen Beitrag wert. Ich kann nur einige Linien aufzeigen. Ad 1) Nach meiner Auffassung besteht das theologische Grundproblem der Hebr-Gemeinde in der Spannung zwischen der Einsetzung Jesu zur Rechten Gottes und noch nicht erfolgter Durchsetzung in dieser Position: vgl. insbes. Hebr 2,8. Das Grundproblem ist nicht die mittelplatonische Sphärendifferenz. Das überkommene Bekenntnis zur Erhöhung Jesu wird aufgrund der Umstände, in der sich die Gemeinde befindet und aufgrund der noch immer ausstehenden Vollendung zum Problem.83 Hierauf antwortet der Hebr mit einer kulttheologischen Interpretation des Wirkens Jesu am himmlischen Heiligtum. Hierdurch wird die gegenwärtige Relevanz des durch Christus beschafften Heils deutlich. Um diese Argumentation zu führen, bedient sich der Hebr-Autor einerseits alttestamentlicher Grundlagen, die insbesondere in seinem Verständnis Jesu als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks gründen und in Hebr 7,1–10,18 dieses Hohepriestertum anhand herausragender Stellen aus dem AT (Ex 24; Lev 16) exemplifizieren. Andererseits nimmt der Hebr-Autor hellenistische Motive und Denkstrukturen auf, die es ihm ermöglichen, irdische und himmlische Welt zueinander in qualitative Opposition zu setzen und im Schema der Überbietung zu argumentieren. Der Sphärendualismus bzw. der angeblich empfundene unüberbrückbare „Hiat“84 zwischen irdischer und himmlischer Welt ist keine wirkliche Kluft, denn Gott hat sie überwunden. Die mittelplatonischen Denkstrukturen sind vielmehr
Gräer, Hebr III, 341. Vögtle, Anton, Der Judasbrief. Der zweite Petrusbrief, EKK XXII, Neukirchen-Vluyn u. a., 1994, 255. 82 Gräer, Hebr III, 341. 83 Vgl. hierzu Kraus, Absicht (s. Fn. 1). 84 Backhaus, Hebr, 55. 80 81
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ein Mittel, das im Verbund mit der Hohepriesterchristologie auf die Seite des Lösungsansatzes gehört.85 Das Problem wird durch das urchristlich-apokalyptische Denken vorgegeben, mittelplatonische Denkstrukturen ermöglichen es dem Autor u. a. die Gegenwärtigkeit des Heils auszusagen. Hierin hat Backhaus Recht: „Das ChristusBekenntnis gewinnt durch seinen transzendent-präsentischen und futurischen Bezug eine neue existenzielle Bedeutsamkeit; das physische Diesseits gewinnt theologische Würde; das Jenseits wird geerdet und als Zukunft relevant; die Zukunft wird zur Gegenwartsmacht.“86 Witulski wies darauf hin, dass im Mittelteil des Hebr (Hebr 7–10), anders als im 1. Teil des Briefes, nicht zeitliche, sondern räumliche Kategorien dominieren.87 Wenn es sich bei der Hohepriester-Christologie um die Antwort auf das Problem handelt, das die Adressaten bewegte, dann wäre hierdurch erneut bestätigt, dass die Verwendung mittelplatonischer Denkstrukturen in die Lösung des Problems gehört: um die Gegenwartsbedeutung des Heils zu exemplifizieren. Ad 2) Wenn es stimmt, dass in Hebr 2,8 ein entscheidender Grund für die theologische Verunsicherung in der Gemeinde verborgen liegt, dann muss eine zeitliche Komponente in der Argumentation des Hebr eine Rolle spielen. Die Frage stellt sich: welche? Mit Eisele zu behaupten, Stellen wie Hebr 1,6; 9,28; 10,25; und v. a. 10,36–39 und 12,25–29 hätten keinerlei zeitliche Implikationen mehr, sondern würden die klassische Vorstellung von der Parusie Christi in eine sich mit dem Tod des Einzelnen vollziehende Eschatologie verwandeln, gelingt m. E. nicht überzeugend.88 Eher scheint es so, dass sich die Betonung verschob: Zeitliche Aussagen sind in den Hintergrund getreten, wurden aber nicht völlig eskamotiert. Die Zeitvorstellung im Hebr scheint ähnlich dual zu sein wie sein Begriff von „Himmel“. Irdisches und himmlisches Dasein werden darin unterschieden. Das irdische Leben ist zeitlich. Die Aussagen über das Erscheinen Christi in 9,25 ff. und 10,37 sind daher auch zeitlich zu verstehen. Das himmlische Leben ist ewig, die Kategorie der Zeit ist dort überwunden. Daher kann mit dem Tod die Zeit keine Rolle mehr spielen. Mit dem Tod ist der Eingang in die himmlische Sphäre verbunden, die zeitlos ist (vgl. Lk 23,43: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“). Daher kann für den Gestorbenen der Zeitpunkt des Gerichts durchaus mit dem Tod verbunden sein.89 Dennoch kann sich Hebr 9,28 auch auf die Parusie beziehen. Die eschatologische 85 Zur religionsgeschichtlichen Einordnung s. auch die weiterführenden Ausführungen bei Karrer, Hebr I, 78–85, die in ähnliche Richtung gehen. 86 Backhaus, Hebr, 56. 87 Witulski, Frage, bes. 170–172. 88 Eisele, Reich, bes. 426–428. Zur Zeitvorstellung im Hebr s. Karrer, Hebr II, 186. Die nicht vernachlässigbare Bedeutung der Parusie wird mit Recht bei Loader, William R. G., Sohn und Hoherpriester. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Christologie des Hebräerbriefes, WMANT 53, Neukirchen-Vluyn 1981, 54–61, betont. 89 Eisele, Reich, 84.
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Vollendung bedeutet jedenfalls das Ende der Existenz von Himmel und Erde in ihrer irdisch-zeitlichen Gestalt und den Eingang in ein unerschütterliches (= nicht mehr materielles) Reich. Ad 3) Für heutige Theologie gilt es, sowohl schriftgemäß als auch zeitgemäß zu sein. Gräßer erkannte richtig, dass sich die ntl. eschatologischen Entwürfe aufgrund ihrer Disparatheit nicht zu einem „einheitlichen Konzept systematisieren“ lassen. Er unterscheidet drei Konzepte: Das erste Konzept ist „die apokalyptische Vorstellung von einem neuen Himmel und einer neuen Erde (Jes 65,17; 66,22; Offb 21,1; ApkEl 43,13 u. ö.)“. Das zweite nennt er den „realkosmische[n] Weltenbrand (2 Petr 3 u. ö.)“, das dritte die „alexandrinisch-dualistische μετάθεσις alles Geschaffenen, damit die ἐπουράνια bleiben (Hebr 12,27f)“. Alle drei seien allerdings „lediglich als Sinnbild für die Heilsvollendung zu verstehen“.90 Eines jedoch bleibt nachdenkenswert: Die Konzeption des Hebr ist anders als die beiden übrigen von Gräßer identifizierten Konzepte im heutigen (auch natur‑)wissenschaftlichen Kontext durchaus anschlussfähig. Die Vorstellung einer Verwandlung von Himmel und Erde hält zwar eine Kontinuität zwischen Gegenwart und zukünftiger Vollendung aufrecht, verliert aber mit der sich dehnenden Zeit zunehmend an Plausibilität. 2 Petr 3,8 stellt keine wirkliche Antwort auf das Problem dar. Das Judentum steht an dieser Stelle strukturell vor dem nämlichen Problem. Die Vorstellung eines vollkommenen Weltenbrandes steht in der Gefahr, das irdische Leben als unbedeutend zu verleugnen. Die Vorstellung des Hebr, in der Zeitliches und Ewiges, Gegenwärtiges und Zukünftiges, Irdisches und Himmlisches miteinander verschränkt werden, die apokalyptische Eschatologie eine vertikale oder axiale Komponente zur Seite gestellt bekommt – unter Beibehaltung des individuellen Gerichtsgedankens – lässt sich m. E. auch im 21. Jh. plausibel machen. Insofern halte ich den Hebr für einen ausgesprochen „aktuellen“ Text des Neuen Testaments.
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Lucas Cranachs Tafel der Zehn Gebote und die Textgeschichte des Dekalogs Martin Karrer
Abb.: Lucas Cranach d. Ä. mit Werkstatt, Die zehn Gebote, Wittenberg 1516. © akg-Images
Die biblische Textgeschichte endet nicht mit der Zeit der großen Handschriften des hebräischen, griechischen und lateinischen Bibeltextes. Sie strahlt bis ins 16. Jh. aus und beeinflusst auch die Volkssprachen. Vergegenwärtigen wir das an einem theologie‑ und kunstgeschichtlich interessanten Beispiel: Im Lutherhaus zu Wittenberg wird die Zehn-Gebote-Tafel Lucas Cranachs und seiner Werkstatt aus dem Jahr 1516 aufbewahrt.1 Sie enthält berühmte Bildszenen und in Unterschriften dazu den Text der dargestellten Gebote (siehe obige Abb.). Durch diese emblematische Gestaltung erhalten wir einen Einblick in Cranachs Verständnis des Dekalogs und in den von ihm und seiner Werkstatt benutzten Text. Luthers Kleiner Katechismus oder Bibelübersetzung haben auf die Tafel, ihren Aufbau und deutschen Text noch keinen Einfluss, was den meisten Besucherin1 Lit. zur Tafel bei Friedländer, Max J. / Rosenberg, Jakob, Die Gemälde von Lucas Cranach, Berlin 1932, repr.: Stuttgart 1989, Nr. 77 und 85 (Lit.); Kolb, Karin, Kunst‑ und kulturhistorische Studien zur Zehn-Gebote-Tafel von Lucas Cranach d. Ä. und seiner Werkstatt, Dresden 2001 und Seupt, Kathrin / Begrich, Gerhard / Pietsch, Jürgen M., Die ZehnGebote-Tafel von Lucas Cranach dem Älteren im Lutherhaus Wittenberg, Spröda 2011. Der Umfang der Beteiligung Cranachs an diesem Werk ist umstritten; vgl. u. Fn. 10.
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nen und Besuchern des heutigen Aufbewahrungsortes entgeht. Denn als Cranach und seine Werkstatt unsere Tafel gestalten, lebt Luther zwar schon einige Jahre in Wittenberg. 1508–1509 hat er an der dortigen Universität studiert, 1511–1512 an ihr nach seiner Romreise promoviert und seit 1512 einen Lehrstuhl für Bibelauslegung inne. Seit diesen Jahren predigt er, der Augustinermönch, zudem im Auftrag des Rats an der Stadtkirche und tut das in der Regel in deutscher Sprache. Wahrscheinlich sind Luther und Cranach sich deshalb bis 1516 schon mehrfach begegnet. Doch noch entfaltete sich ihre spätere Freundschaft nicht. Erst nach dem reformatorischen Umbruch 1517 wird sie aufblühen.2 Luthers kleiner Katechismus wird vollends erst über ein Jahrzehnt später, 1529, die Übersetzung des Alten Testaments erst bis 1534 entstehen. Cranach und seine Werkstatt benutzten 1516 also keinen Luthertext. Wer Luthers Kleinen Katechismus repetiert, wird denn auch stutzen, selbst wenn er oder sie lediglich rasch von links oben nach unten blickt und kaum mehr als die Ränder der Tafel wahrnimmt. Luthers Katechismus thematisiert nämlich gegen Cranach (Bild links unten in der Abb.) an sechster Stelle nicht den Diebstahl, sondern den Ehebruch (bei Cranach Bild 7); und während Luther mit der Weisung schließt: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist“ (zehntes Gebot im Kleinen Katechismus; Rechtschreibung normalisiert),3 sitzt auf Cranachs zehntem Feld der Teufel dem Manne im Nacken, der nach des Nächsten Gut hascht. Dem entspricht die Unterschrift „Du solt kains andern gutt begeren“; bei Luther würde sie zum neunten Gebot gehören und anders formuliert sein (Kleiner Katechismus: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus“).4 Cranachs neuntes Feld korrespondiert umgekehrt mit Luthers zehntem Gebot. Unterschrieben ist es mit „Du solt keins andern gemahel begeren“5. Unsere Tafel zitiert mithin nicht nur eine vorluthersche Fassung des Dekalogs, sondern bringt die Gebote zudem in eine abweichende Reihenfolge. Cranach wird das in seiner Holzschnittfolge von 1527 unter dem Einfluss Melanchthons korrigieren.6 Dort finden wir den im Mittelalter durch die Vulgata und heute 2 Diskussion zu frühen Begegnungen bei Ozment, Steven E., The Serpent and the Lamb: Cranach, Luther, and the Making of the Reformation, New Haven, CT 2011, 297 Fn. 2 (zu Kap. 5), und Koerner, Joseph L., The Reformation of the Image, Chicago, IL 2012 (nach London 2004), 76–78 mit Fn. 36 (453). 1518 setzen die Illustrationen Cranachs zu Lutherwerken ein. 1520 beginnt Cranach mit seinen berühmten Lutherporträts (Überblick über die Porträtfolge bei Holsing, Henrike, „Luther – Gottesmann und Nationalheld. Sein Image in der deutschen Historienmalerei des 19. Jahrhunderts“, Diss. phil., Universität Köln 2004). 3 Luther, Martin, Der Kleine Katechismus (s. Bibliographie). Rechtschreibung gemäß der Ausgabe der EKD im Internet normalisiert. 4 Luther, Martin, Der Kleine Katechismus (a. a. O.). 5 Wiedergabe der Aufschriften im Cranach Digital Archiv (cda; s. Bibliographie). 6 1527 bietet Cranach die heute vertraute Anordnung der Gebote fünf bis sieben (Du sollst nicht töten / nicht ehebrechen / nicht stehlen) und neun bis zehn (Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Haus / deines Nächsten Weibs). Maßgeblich dafür war ein Auftrag Me-
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durch Luthers Übersetzung vertrauteren Aufbau; das sechste Gebot verbietet den Ehebruch, das siebte das Töten, das neunte das Gelüste nach des Nächsten Haus und das zehnte das Gelüste nach des nächsten Weib. Gerade dieser Wandel Cranachs aber unterstreicht nochmals die Besonderheit unserer Tafel. Sie ist nicht mehr mittelalterlich und noch nicht reformatorisch. Cranachs Tafel bildet in dieser Zwischenlage ihrer Anordnung und Textauffassung ein meisterhaftes Zeugnis der Kunst und des Denkens aus der faszinierend vielfältigen und lebendigen Zeit unmittelbar vor der Reformation. Sie ist noch in vielen Details – z. B. der Wiedergabe von Dämonen und Rittern – dem Mittelalter verhaftet – und vertritt gleichwohl ein humanistisches Experiment, indem sie einen abweichenden Aufbau des Dekalogs erprobt. Ordnen wir das im Folgenden in die Text‑ und Bildgeschichte ein. Im begrenzten Raum übergehe ich die für uns weniger relevanten Bildfelder (Cranachs Gebote zwei bis vier) und passe die Abfolge der Besprechungen dem Thema an. Ich beginne mit einigen Hinweisen zum Kontext des Gemäldes sowie dem verwendeten deutschen Text (1.) und zur Aufgabe der Tafel im Wittenberger Rathaus, für das sie zunächst bestimmt war (achtes Gebot; 2.). Danach betrachte ich Cranachs erstes Gebot und humanistische Einflüsse (3.). Schließlich behandle ich die textgeschichtlich zentralen Bildfelder, das neunte und zehnte Gebot (4.) sowie das sechste und siebte Gebot (5.). Der Schlussabschnitt (6.) summiert die Ergebnisse.
1. Cranachs Gemälde und dessen deutscher Bibeltext Cranach, geboren 1472 im oberfränkischen Kronach, hatte in Wien um 1500 Kontakte zum dortigen Humanismus (dem Celtis-Kreis) geknüpft.7 1505 war er nach Wittenberg gekommen, just in dem Jahr, in dem Luther in das Augustinerkloster zu Erfurt eintrat. Er lernte Wittenberger Humanisten kennen,8 etablierte lanchthons (auch die Holzschnitte liegen noch vor dem Erscheinen von Luthers Katechismus). Näheres bei Thum, Veronika, Die Zehn Gebote für die ungelehrten Leut’. Der Dekalog in der Graphik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Kunstwissenschaftliche Studien 136, München / Berlin 2006, 78–87 (mit Abb. der Dekalog-Holzschnitte 1527), nach 78–80 (dort Besprechung der Dekalogtafel von 1516). 7 Näheres bei Bierende, Edgar, Lucas Cranach d. Ä. und der deutsche Humanismus. Tafelmalerei im Kontext von Rhetorik, Chroniken und Fürstenspiegeln, Kunstwissenschaftliche Studien 94, München / Berlin 2002, 54–55.77–83.94–95 u. ö. – Stand der Cranachforschung bei Heydenreich, Gunnar / G örres, Daniel / Wismer, Beat (Hg.), Lucas Cranach der Ältere. Meister – Marke – Moderne, München 2017. 8 Der sächsische Hof liebte es, den Gepflogenheiten der Zeit gemäß, einen Gelehrtenkreis in die Nähe zu ziehen, auch wenn er selbst noch stark mittelalterlich geprägt war (Rudersdorf, Manfred / Töpfer, Thomas, Fürstenhof, Universität und Territorialstaat. Der Wittenberger Humanismus, seine Wirkungsräume und Funktionsfelder im Zeichen der Reformation, in: Maissen, Thomas / Walther, Gerrit [Hg.], Funktionen des Humanismus: Studien zum
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sich erfolgreich als kursächsischer Hofmaler, erhielt Aufträge vom Kaiser9 und gründete seine nachmals berühmte Werkstatt. 1516 schufen er und seine Werkstatt unsere Tafel im Auftrag des Rates zu Wittenberg für den Gerichtsraum des Rathauses. Den Bildentwurf verantwortete er selbst.10 Er wählte, sicherlich in Absprache mit den Auftraggebern, ein schon vor ihm beliebtes und der Gerichtsstube angemessenes Motiv der Kunst, den Dekalog.11 Luther begann im selben Jahr an der Wittenberger Stadtkirche eine Predigtreihe über die zehn Gebote. Die Predigtreihe zog sich vom 29. 6. 1516 bis zum 24. 2. 1517 hin und wurde ab 1518 mehrfach mit Luthers Zustimmung veröffentlicht; es ist dadurch Luthers erste überlieferte Predigtreihe.12 Die Überlegung reizt, Cranach und Luther hätten sich bei der Arbeit an unserem Gemälde getroffen und seien sich bei den Predigten in der Wittenberger Stadtkirche begegnet.13 Doch gibt es keine eindeutige Quelle darüber. So müssen wir uns auf die Texte konzentrieren und stoßen auf eine wesentliche Differenz schon in der Veröffentlichungssprache: Obwohl Luther vornehmlich deutsch predigte, erfolgte der erste Druck seiner Predigtreihe auf Lateinisch. Entsprechend zitiert der Druck die Gebote nach der Vulgata. Vielleicht hätte Luther die Volkssprache bevorzugt, wenn er die Predigten selbst veröffentlicht hätte. Aber das ist ein müßiger Gedanke. Das Nutzen des Neuen in der humanistischen Kultur, Göttingen 2006, 214–261). Zu den Kontakten Cranachs s. Bierende, Cranach, 157–67. 9 Zusammen mit A. Dürer und anderen großen Künstlern der Epoche durfte er 1515 das Hauptexemplar des Gebetbuchs ausstatten, das Maximilian I. für den Hof oder wahrscheinlicher den Sankt Georgs Orden in Augsburg drucken ließ. Das Gebetbuch benützt die lateinische Sprache. Vollständige Wiedergabe: Maximilian I. (Heiliges Römisches Reich, Kaiser) / D ürer, Albrecht [Bearb.], oratio ad suu[m] proprium angelu[m] (s. Bibliographie). 10 Viele Ausführungen der zehn Einzelbilder – vielleicht sogar alle – überließ er seiner Werkstatt. Doch müssen wir das hier nicht differenzieren. Die kunsthistorische Analyse ist schwierig: s. die Hinweise bei Friedländer / Rosenberg, Gemälde, a. a. O., und Kolb, Studien, a. a. O. Besonders kritisch ist Jutta Strehle; sie bezweifelt Cranachs künstlerische Tätigkeit am Gemälde überhaupt (in: Kühne, Heinrich / Strehle, Jutta, Lucas Cranach der Ältere in Wittenberg: Cranachwerke in Wittenberg, Biographien zur Reformation, Wittenberg 1993, 52 f.). Aber zumindest für die Konzeption muss er, der Werkstattleiter, als verantwortlich gelten. 11 Überblicke zum Motiv in der Kunstgeschichte bei Schiller, Gertrud, Die Kirche, Ikonographie der christlichen Kunst IV 1, Gütersloh 21988, 121–33; Laun, Christiane, „Bildkatechese im Spätmittelalter. Allegorische und typologische Auslegungen des Dekalogs“, Diss. phil., Ludwig-Maximillians-Universität München 1979; und vor allem Thum, Die Zehn Gebote. 12 Zu den Daten s. Basse, Michael (Hg.), Martin Luthers Dekalogpredigten in der Übersetzung von Sebastian Münster, Archiv zur Weimarer Ausgabe 10, Köln 2011, IX. Kritische Edition: Luther, Martin, Decem praecepta Wittenbergensi praedicata populo. (1518), in: D. Martin Luthers Werke, WA 1, Weimar 1883, 394–521; älteste deutsche Übersetzung die von Sebastian Münster 1520. Zu den theologischen Kontexten vgl. Lüpke, Johannes von, Das Evangelium als Interpret des Gesetzes. Luthers frühe Dekalogauslegung, in: Wagner, Thomas u. a. (Hg.), Kontexte: Biografische und forschungsgeschichtliche Schnittpunkte der alttestamentlichen Wissenschaft, FS Hans-Jochen Boecker, Neukirchen-Vluyn 2008, 51–64. 13 Den Hinweis darauf, dass das möglich war, verdanke ich Dr. Martin Treu, dem langjährigen Schriftleiter der Zeitschrift Luther (30. 1. 2015).
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Lateinische hatte in dieser Zeit für einen Augustiner – wie Luther auf dem Titelblatt ausdrücklich genannt wird – Vorrang. Ein unmittelbarer Vergleich der Zitate aus Luthers Predigtreihe zu den deutschen Geboten Cranachs ist daher nicht möglich. Der Text des ersten Gebots lautet in Luthers Predigtreihe „non habebis deos alienos“ (WA I, 398). Ex 20,3 ist gemäß dem mittelalterlichen Usus gekürzt. Die Ordnung der uns später beschäftigenden Gebote fünf bis sieben folgt der Vulgata. Das fünfte Gebot ist also in der Predigtreihe wie in der Vulgata das Verbot, zu töten („non occides“; WA I, 461; vgl. Ex 20,13), das sechste Gebot „non mechaberis“ (nicht ehebrechen; WA I, 482; vgl. Ex 20,14), das siebte Gebot „non furtum facies“ (nicht stehlen; WA I, 499; vgl. Ex 20,15). Man darf vermuten, dass Luther bei seinen deutschen Predigten in der Kirche und Cranach in seinem Atelier auf dieselbe Übersetzungslinie zurückgriffen.14 Denn zwar waren mehrere deutsche Fassungen der Gebote seit dem Mittelalter im Umlauf und auch schon in Bilder eingegangen (etwa ins Heidelberger Blockbuch 1455–1458 oder in die Dekalogtafel der Danziger Marienkirche aus den 1480er Jahren). Aber keine deutsche Fassung war so erfolgreich wie diejenige, an die Cranach sich im Text (nicht der Reihenfolge) seiner Bildunterschriften anlehnt. Sie hatte ihre Grundlage zudem indirekt durch einen Augustiner des Klosters erhalten, in das Luther eingetreten war, so dass sie für Luthers Gebrauch besonders geeignet gewesen wäre. Gemeint ist die Fassung der Zehn Gebote durch Marquard von Lindau und Johann Geiler von Kaysersberg nach Friemar dem Älteren (Druck 1516): In der ersten Hälfte des 14. Jh. hatte Heinrich von Friemar der Ältere, ein bis ins 16. Jh. berühmtes Mitglied dieses Augustinerklosters zu Erfurt, eine lateinische Auslegung der zehn Gebote geschrieben (De decem praeceptis).15 Der Franziskaner Marquard (oder Marcus) von Lindau (gest. 1392) hatte diese Auslegung für das Volk in dessen Sprache aufgegriffen, und der bedeutendste Prediger um 1500, Johann Geiler von Kaysersberg in Straßburg (gest. 1510), hatte sie weiterentwickelt. Die deutschen Gebote wurden daraufhin mit der Auslegung Marquards und Geilers gedruckt. Der Druck von 1516, den ich im Folgenden gebrauche, verbreitete sich weit.16 Sollte Luther bei seinen deutschen Predigten diese Fassung verwendet haben, hilft uns das freilich in einer entscheidenden Frage nicht weiter. Der Druck mit 14 Die Rückübersetzung der Predigten ins Deutsche durch S. Münster 1520 erlaubt keine Rückschlüsse, da sie das Lateinische neu überträgt. Das 9./10. Gebot lautet dort: „Du solt nit begern dines nechsten huß / noch auch syne hußfrouw …“ (Basse, Dekalogpredigten, 172). 15 Vgl. Bautz, Friedrich W., Heinrich von Friemar, BBKL 2, 1990, 674 f. Heinrich war in seiner Zeit hoch berühmt und blieb das; er wurde als Beatus, Doctor seraphicus oder mellifluus verehrt. 16 Marquard (von Lindau) / Johannes Geiler von Kaysersberg, Frag und Antwurt der zehen gebott wie man die halte sol … synd sunderlich erclert mit nutzlicher underrich tu[n]g, was Dotsünd sy od[er] nit un[d] wieman bete[n] sol in aller nutzbarkeit, Straßburg 1516.
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den Geboten nach Marquard und Geiler hält sich nämlich an die feste Abfolge des Exodusbuchs aus der Vulgata.17 Die lateinische Abfolge in Luthers Predigten und die deutsche Abfolge im Druck Marquards und Geilers korrespondieren daher. Die Abfolge Cranachs dagegen weicht ab. Ob wir Luthers Predigten unmittelbar nach der Vulgata lesen oder den – unsicheren – Umweg über die vermutbare deutsche Vorlage gehen, ergibt sich mithin nicht erst im Kleinen Katechismus die Differenz, sondern besteht der Unterschied in der Anordnung der Gebote bei Luther (der Ex-Vulgata-Tradition) und bei Cranach 1516/17. Näherhin fasst Luther das neunte und zehnte Gebot am Ende seiner Predigtreihe in eine Predigt zusammen. Der Druck überschreibt diese Predigt gegen Cranachs Reihenfolge, man solle nicht gieren nach des Nächsten Haus (9. Gebot) und sich nicht wünschen dessen Frau etc. (10. Gebot). Lediglich unterhalb dieser Überschrift („non concupisces domum proximi tui, nec desiderabis uxorem eius …“ WA I, 515; vgl. Ex 20,17 Vulgata) ergibt sich eine gewisse Annäherung. Luther erinnert in den ersten Worten seiner Auslegung an Christi Wort aus Mt 5,28 und wehrt wegen dieses Zitats zuerst das Begehren nach der Frau ab „concupiscentia uxoris et rei proximi“ (WA I, 515; „res“ mag einen abweichenden Vg.-Text spiegeln, vgl. Tabelle 4). Daher kann man spekulieren, ob er Cranachs Bildfolge in dieser Auslegung berücksichtigte (da die letzte Predigt Luthers in das Jahr 1517 fällt, ist Cranachs Bild vollendet). Aber er nennt das Bild nicht, und sein Predigtbeginn ist auch in sich rhetorisch plausibel; Sexualethik fängt das Ohr der Hörerinnen und Hörer. Maximal lässt sich erwägen, dass Luther Cranachs Bild im Nachhinein berücksichtigt. Enger sind die Predigten und Cranachs Bildkomposition nicht miteinander zu verbinden.
2. Das Gemälde Cranachs und das achte Gebot Verfolgen wir noch ein wenig die Eigenart der Tafel. Sie war, wie erwähnt, für den Gerichtsraum des Wittenberger Rathauses bestimmt.18 Daher finden sich die Wappen des Gerichtsherrn, des kursächsischen Hauses, das in Wittenberg residierte, in der unteren Reihe, links die gekreuzten Schwerter für das Kurfürstentum und rechts der Schild für das Herzogtum. Hinter den Wappen steigt der Regenbogen Gottes empor, das Bundeszeichen aus Gen 9,8–17 und zugleich ein Gerichtssymbol (der Weltenrichter des Mittelalters thront oft auf dem Regenbo-
17 Die kritische Vulgata-Ausgabe listet keine einzige Handschrift, die Cranachs Reihenfolge im Exodusbuch böte: Weber, Robert (Hg.), Genesis-Psalmi, in: Weber, Robert / Fischer, Bonifatius, Biblia Sacra iuxta Vulgatam Versionem vol 1, Stuttgart 21975, 104 f. (Ex 20). 18 Nach neuerer Untersuchung stand sie dort auf einer Art Podest und wurde zusätzlich oben am Rahmen durch Nägel gesichert: Heydenreich, Gunnar, Lucas Cranach the Elder: Painting materials, techniques and workshop practice, Amsterdam 2007, 224 f.
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gen).19 Gott wird die Lebewesen bewahren, die er schuf, sagt dieses Zeichen; das Gericht über Unrecht dient der Bewahrung des Lebens. Die Richter Kursachsens und der Stadt im Wittenberger Rathaus ordnen sich dem zu. Sie tun das Ihre dafür, dass das Leben auf Erden bewahrt wird, und wissen doch, dass das nur im Wissen um Gottes Gericht und Gnade und mit der Hilfe Gottes gelingt. Die Darstellung des achten Gebotes – „Du solt kein falsch gezeugnus geben“ – unterstreicht dieses Rechtsbewusstsein. Sie befindet sich genau in der Mitte der unteren Bildzeile, dem Betrachter gegenüber, und zeigt eine Gerichtsszene. Die Szene entspricht in etwa der Illustration des Drucks von Marquard / Geiler: Einen Gerichtsraum sehen wir auch dort (XLVIII v.; das Bild ist im Internet auffindbar) und vor dem Richter den Vortrag einer Sache durch einen bösen Menschen, der durch eine umgehängte Waffe seine Macht signalisiert.20 Cranach belebt diese Bildschöpfung durch Teufel, Diener und Engel. Ein Geck legt dem Richter ein Dokument vor.21 Dort, auf der Urkunde steht das Datum 1516, das Entstehungsjahr des Gemäldes. Das Unrecht ist demnach laut Cranach jetzt in Wittenberg gegenwärtig. Der Richter im Zentrum des Bildes muss höchst genau verfahren, will er dem Bösen nicht erliegen. Ein Engel hilft dabei dem Guten (links). Für ein gerechtes Gericht bedarf es der Hilfe Gottes – passend zum geschilderten Rahmen des Gemäldes. Noch mehr als durch die Ikonographie verrät sich die Nähe Cranachs zu den Geboten Marquards und Geilers im Wort. Denn der Wortlaut des Gebots unterscheidet sich bei Cranach und Marquard / Geiler nur geringfügig (das sprachlich moderne „kein“ ersetzt „nicht“; s. Tabelle 1). Das erwähnte Heidelberger Blockbuch gab dagegen zuerst das lateinische Gebot aus Ex 20 wieder und übersetzte Früher wurde der Bogen gelegentlich als Schmutzstreifen angesehen. Doch nach Untersuchungen im 20. Jh. setzte sich die Deutung auf den Regenbogen durch. Das Motiv tritt (wohl angeregt durch den sächsischen Hof, da mit den sächsischen Wappen verbunden) Sintflutbefürchtungen entgegen (Hoffmann, Konrad, Dürers „Melencolia“, in: Busch, Werner u. a. [Hg.], Kunst als Bedeutungsträger: Gedenkschrift Günter Bandmann, Berlin 1978, 251–277, hier 260 und cda), die ab 1512 kursierten (vgl. Talkenberge, Heike, Sintflut: Prophetie und Zeitgeschehen in Texten und Holzschnitten astrologischer Flugschriften 1488–1528, Berlin 2011, repr. nach 1990, 161–172 u. ö.). Der Weltenrichter auf dem Regenbogen wurde im Mittelalter öfter in Gerichtsstuben wiedergegeben (Thum, Die Zehn Gebote, 80 und 43, Abb. 8). 20 Da dem der Gute gegenübersteht, haben wir eine sogenannte Simultandarstellung vor uns, d. h. die Verbildlichung der rechten, vom Gebot geforderten, Haltung und des Verstoßes gegen das Gebot (Vgl. Seupt u. a., Zehn-Gebote-Tafel, 58). 21 Das Blecken der Zähne und der Teufel markieren die Bosheit des Gecken. Dieser ist (wie in Geboten 2, 7 und 9) provokativ wie ein hoher sächsischer Herr gekleidet (vgl. Widder, Ellen, Skandalgeschichten oder Forschungsdesiderate?, in: Tacke, Andreas [Hg.], Wir wollen der Liebe Raum geben: Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, Schriftenreihe der Stiftung Moritzburg 3, Göttingen 2006, 38–92, hier 87–91). Der Diener im Hintergrund steigert die Szene. Er kreuzt die Finger, um den Eid des falschen Zeugnisses ungültig zu machen (Seupt u. a., Zehn-Gebote-Tafel, 60 f. deutet diese Gestalt anders als einen neidischen, deshalb gelb gekleideten Zeugen, der den Lügner aus seinem Neid heraus vor Gericht entlarven wird; diese Deutung scheint mir angesichts der gekreuzten Finger unwahrscheinlich). 19
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es dann in zwei Zeilen mit dem Reim „Falsch gezeug nach ganzem vermogen / Saltu vermeiden und alle logen“. Dazu bildete es die Verleumdung einer Frau ab (wohl in der Tradition der Verleumdung Susannas).22 Bild und Text Cranachs und des Blockbuchs gehen weit auseinander. Cranach stellt sich bewusst in die Auslegungstradition, die mit Friemar und Marquard begann. Tabelle 1: Das achte Gebot der Tafel Cranachs Ausschnitt M23
achtes א־ת ֲע ֶנ֥ה ַ ֹ ֽל Gebot ְב ֵר ֲעָך֖ ֵ ֥עד der ָ ֽׁש ֶקר Tafel (Ex 20,16) bzw. א־ת ֲע ֶנ֥ה ַ ֹ וְ ֽל ְב ֵ ֽר ֲעָך֖ ֵ ֥עד ָ ֽׁשוְ א (Dtn 5,20)
Ausschnitt G24
Ausschnitt Vulgata25
Marquard Cranachs von Tafel27 Lindau / Geiler von Kaysersberg (1516)26
οὐ ψευδομαρτυρήσεις κατὰ τοῦ πλησίον σου μαρτυρίαν ψευδῆ (Ex = Dtn )
non (Ex; bzw. nec Dtn) loqueris contra proximum tuum falsum testimonium (Ex / Dtn)
Du solt nicht falsch gezügniß geben.
Du solt kein falsch gezeugnus geben.
Luther, Kleiner Katechismus28
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.
Luther setzt in der Predigt von 1516/17 einen anderen Akzent. Das falsche Zeugnis geißelt er zuerst an den Gelehrten, die sich zu falschen und häretischen Aussagen verleiten lassen,29 und als zweites an den Juristen, die um ihres eigenen Vorteils willen einen falschen Vortrag vor Gericht gegen ihren Nächsten („contra proximum tuum“) vornehmen.30 Der Unterschied zu Cranachs Bild ist so groß, 22 Abb. aus dem Heidelberger Blockbuch im Internet (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ cpg438/0345?sid=e3c563079a73905748579bbb1ff873a0, abgerufen am 14. 8. 2017). Die Verleumdung einer Frau thematisiert auch noch die erwähnte Danziger Tafel (vgl. § 1). 23 Edition: Elliger, Karl / Rudolph, Wilhelm u. a. (Hg.), Biblia Hebraica Stuttgartensia, Stuttgart 1997. 24 Edition: Wevers, John W. (Hg.), Exodus, Septuaginta: Vetus Testamentum Graecum, Bd II,1 Göttingen 1991, 243; Wevers, John W. (Hg.), Deuteronomium, Septuaginta: Vetus Testamentum Graecum, Bd. III,2, Göttingen 1977, 113 f. 25 Edition: Weber, Genesis – Psalmi. 26 Edition: Marquard / Geiler, Frag und Antwurt, achtes Gebot p. XLVIII v. 27 Texte nach Cranach Digital Archiv (cda) z.St. 28 Zit. nach http://www.ekd.de/glauben/bekenntnisse/kleiner_katechismus_1.html. 29 „Contra hoc praeceptum peccant: Primo et propriissime docti, maxime autem theologi et universi qui falsa tradunt discipulis […]. De primis horum sunt haeretici et Monii singulares, qui dei verba suis sensibus aptant“ (Luther, Martin, Decem praecepta Wittenbergensi praedicata populo. (1518), in: D. Martin Luthers Werke, WA 1, Weimar 1883, 506). 30 „De Iuristis secundo“ (Luther, WA 1, 508). Basse, Dekalogpredigten, XX–XXI, sieht in
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dass lediglich die räumliche und zeitliche Nähe des Wirkens beider überhaupt die Frage erlaubt, ob Luther an Cranachs Bild denkt. Wenn ja, korrigiert er entschieden die Prioritäten, führt die Gelehrten neu ein und interpretiert den Gecken als Juristen, was für Cranachs Bildentwurf nicht wesentlich ist; dessen Gecke steht für jeden und besonders den vornehmen üblen Kläger. Einfacher als eine Korrektur Luthers an Cranach zu konstruieren (dessen Bild bei der Predigt zum 8. Gebot fertiggestellt ist), ist es, Cranachs Bild und Luthers Predigt unabhängig voneinander zu betrachten. Dann stoßen wir zudem auf ein zusätzliches textgeschichtliches Detail: Cranach und Marquard / Geiler verknappen den Gebotstext. Die Wendung „wider deinen Nächsten“ fällt in ihrem Text aus. Luther liest den Bibeltext vollständiger und berücksichtigt diese Wendung. Der Textunterschied scheint klein und wirkt sich doch auf die Auslegung bis zum Kleinen Katechismus aus: Cranachs Kurztext passt, wie notiert, vorzüglich zur Gerichtsstube. Dort nämlich treten Gegner, nicht „Nächste“ gegeneinander an. Luther hingegen entschränkt den Sitz im Leben. Er verankert unser Gebot im täglichen Leben, 1516/17 in dem der Gelehrten, 1529 dann draußen in der Stadt, auf der Straße und in den Häusern. Überall dort sollen „wir unsern Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren“, schreibt er in der Auslegung seines Kleinen Katechismus.31 Bei ihm gehört der Dekalog nicht zuerst ins Rathaus.32 Auch Luthers Deutung entfernt sich dabei von der einstigen Gesellschaft Israels. Dennoch wird seine Übersetzung dem hebräischen Text gerechter. Denn die Textwahrnehmung macht beim achten Gebot in den Jahren nach unserem Gemälde durch die Rückkehr zum Ausgangstext einen wesentlichen Fortschritt: Zu erinnern ist daran, dass die Übersetzungen bis 1516/17 nicht vom hebräischen Bibeltext ausgingen ( ֶׁש ֶקרaus Ex 20,16 müsste durch „Täuschung“ oder ähnlich wiedergegeben werden, die Alternative ָׁשוְ אaus Dtn 5,20 in etwa mit „Nichtiges“), sondern von der Vulgata. Diese hatte maßgeblich ein falsches „Zeugnis“ („testimonium“) als nichtig und täuschend verstanden. Luther behält daraufhin
diesem Akzent eine Reaktion auf die Wandlungen des Rechtssystems in den frühmodernen Territorialstaaten. 31 Luther, Martin, Der Kleine Katechismus z.St. 32 Einiges spricht allerdings dafür, dass Cranachs Gemälde einige Jahre später indirekt für die Antinomer-Auseinandersetzung relevant ist. Denn Agricola könnte das Gemälde in seinen Wittenberger Jahren im dortigen Rathaus gesehen haben. Der ihm zugeschriebene (und von Luther abgewiesene) Satz „Decalogus gehort auff das Ratthaus, nicht auff den Predigstuel“ (Luther, Martin, Die Thesen gegen die Antinomer [1537–1540], in: D. Martin Luthers Werke, WA 39/1, Weimar 1926, 344) passt zu unserem Gemälde und seinem Aufstellungsort, auch wenn „Rathaus“ allgemein für den politischen Gebrauch des Gesetzes steht (für diesen Hinweis danke ich Volker Leppin, Tübingen).
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das Motiv des Zeugnisses auch bei, als er seine Schriftkenntnisse erweitert (ענה aus Ex 20,16 und Dtn 5,20 war schon in G als [ψευδο]μαρτυρέω verstanden worden). Aber er vervollständigt in seinem Kleinen Katechismus den Bibeltext zu „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Das ursprünglich hebräische ב ֵר ֲעָך,ְ „wider deinen Nächsten“, darf seinem Urteil nach nicht übergangen werden. Der hebräische Bibeltext gewinnt bei ihm mehr Gewicht als bei Cranach.33
3. Das erste Gebot Der humanistische Ruf „zurück zu den Quellen“ begann allerdings lange vor unserer Zeit. Seit 1488 lag die hebräische Bibel in Oberitalien gedruckt vor,34 und seit 1502 gab es an der Universität Wittenberg Gelehrte, die nach dem Maßstab der Zeit die alten Sprachen und unter ihnen das Hebräische beherrschten.35 Deren heute berühmtester, Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt (tätig in Wittenberg seit 1504/5),36 kannte Cranach seit Jahren und schrieb schon 1509 ein großes Preisgedicht auf ihn und den Universitätsrektor (den Humanisten Christoph Scheurl), in dem er Cranach mit den größten griechischen Künstlern verglich.37
33 Zur Auslegung des hebräischen Textes vgl. z. B. Wehrle, Josef, Der Dekalog: Text, Theologie und Ethik (Bibel und Ethik 7), Berlin 2014, 150–53. 34 1492 erwarb Reuchlin ein Exemplar dieser Soncino-Bibel, und seit 1514 wurde Hebräisch an der Sapientia in Rom unterrichtet. Darstellung dieser Kontexte bei: Roth, Cecil, The Jews in the Renaissance, Philadelphia, PA 1959. 35 Zobel, Hans-Jürgen, Die Hebraisten an der Universität zu Wittenberg (1502–1817), Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gesellschafts‑ und sprachwissenschaftliche Reihe 7 (1957/58), 1173–85; repr. in: Zobel, Hans-Jürgen, Altes Testament: Literatursammlung und Heilige Schrift: Gesammelte Aufsätze zur Entstehung, Geschichte und Auslegung des Alten Testaments, hg. v. Waschke, Ernst-Joachim / Männchen, Julia, BZAW 212, Berlin 1993, 201–228, hier 201–205 nennt für das Hebräische zuerst Nikolaus Marschalk Thurius, der seit 1502 in Wittenberg war. 36 Die Septuagintaforschung kennt ihn durch seine spätere Debatte mit Luther über die Bewertung der nur in der Septuaginta überlieferten jüdischen Schriften; dazu: Walter, Nikolaus, „Bücher: so nicht der heiligen Schrift gleich gehalten …“? Karlstadt, Luther – und die Folgen, in: Walter, Nikolaus, Praeparatio Evangelica, hg. v. Kraus, Wolfgang / Wilk, Florian, WUNT 98, Tübingen 1997, 341–369. 37 Karlstadt, Andreas Bodenstein von, Ad prudentissimū D. Christoferū Scheurlum Noricū utiusqe Juris Doctorem ac ciuilis interpretem. Et ad Lucam Chronuchiū Pictorie artis summo successu Magistrū amicos amicissimos carmē Andree Bodenstenij., in: Scheurl, Christoph, Oratio doctoris Scheurli attingens litterarū prestantiam necnon laudem Ecclesie Collegiate Vittenburgensis., Leipzig 1509. Karlstadt lobt dort auch Scheurl für Griechisch-, Latein‑ und Hebräischkenntnisse. Scheurl verließ Wittenberg 1515 (Kruse, Jens-Martin, Universitätstheologie und Kirchenreform: Die Anfänge der Reformation in Wittenberg 1516–1522, Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 187, Mainz 2002, 44).
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Der Kontakt hielt an,38 bis Karlstadt 1523 Wittenberg verlassen musste.39 1516, im Jahr unseres Gemäldes, wurde Hebräisch in Wittenberg durch Thilemann Conradi (=Thilonius) zum Studienfach, der ab 1513 schon Griechisch lehrte.40 Cranach berücksichtigt die damit in Wittenberg gut nachweisbare Aufwertung des Hebräischen gleich im ersten seiner Bildfelder (erstes Gebot). Er schreibt auf die Gebotstafeln, die Mose erhält, hebraisierende Buchstaben, während im Buchdruck der Gebote nach Marquard / Geiler noch vereinfachte Zeichen-Schwünge genügen. Gewiss, der Künstler versteht das Hebräische nicht. Deswegen malt er lediglich fehlerhafte Buchstaben, nicht den Text des Gebotes.41 Dennoch informiert er sich und wirkt sich der hebräische Text aus. Blicken wir dazu kurz zurück: Im langen eröffnenden Abschnitt des Dekalogs, Ex 20,2–6 par. Dtn 5,6–10 standen hebräisch zwei Gebote, bekannt heute durch die Formulierung des Heidelberger Katechismus „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ und „Du sollst dir kein Bildnis […] machen“.42 Das Spätmittelalter hatte sie und das Lob der Einzigkeit Gottes nach einer bis zu Augustin zurückreichenden Vorgeschichte43 miteinander verschmolzen. „Das erst Gebott“ verkürzt deshalb bei Marquard von Lindau / Geiler von Kaysersberg44 und bei Cranach wesentlich den Bibeltext.
38 Cranach schuf nicht nur den bekannten Holzschnitt „Himmelwagen und Höllenwagen des Andreas Bodenstein von Karlstadt“ (1519), sondern womöglich 1522 auch ein KarlstadtPorträt (Zorzin, Alejandro, Ein Cranach-Porträt des Andreas Bodenstein von Karlstadt, Theologische Zeitschrift 70 [2014], 4–24). 39 Von November 1515 bis Mai 1516 hielt Karlstadt sich für seine juristische Promotion in Rom auf. Weiteres bei: Zobel, Hebraisten, 202 f. 40 Nachweise Zobel, Hebraisten, 203; Ludolphy, Ingetraut, Friedrich der Weise: Kurfürst von Sachsen 1463–1525, Göttingen 1984; repr., Leipzig 2006, 327. – Gut im Griechischen bewandert war auch Johann(es) Lang(e) (* um 1487 in Erfurt), der 1511 mit Luther zusammen aus dem Augustinereremitenkloster von Erfurt nach Wittenberg versetzt worden war (Kruse, Universitätstheologie, 42–52). 41 Auch die Buchstaben sind fehlerhaft; vgl. Kolb, Studien, z.St. 42 Zitate nach Heidelberger Katechismus (digitale Ausgabe der EKD) Frage 92. 43 Augustin befasste sich mehrfach mit dem Dekalog, vor allem in den Sermones 8 und 9 und den Quaestiones in heptateuchum (dort bes. zu Ex 20). Er benutzte maßgeblich die Septuaginta, gliederte den umfangreichen biblischen Text und konzentrierte sich auf die Gebote ohne ihre biblischen Erläuterungen. Die Kurzform der Gebote gegenüber dem längeren biblischen Text, die sich im Mittelalter und der Neuzeit durchsetzt, hat bei ihm ihren Ursprung. Vgl. Geerlings, Wilhelm, The Decalogue in Augustine’s Theology, in: Reventlow, Henning Graf / Hoffman, Yair (Hg.), The Decalogue in Jewish and Christian Tradition (LHB 509), New York, NY / London 2011, 106–17, und Peter-Spörndli, Ursula, Die Zehn Worte vom Sinai: Die Rezeption des Dekalogs in der rabbinischen Literatur, Berlin 2012, 61–64. 44 Das Zitat gibt den Titel auf p. VII der in Anm. 16 angeführten Edition von Marquard / Geiler, Frag und Antwurt, wieder.
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Tabelle 2: Das erste Gebot und die Bibelübersetzungen ins Deutsche vor Luther
Ex 20,3 / Dtn 5,7
Ausschnitt M45
Ausschnitt G46
Ausschnitt Vulgata47
MentelinBibel (vor 1466)48
KobergerOtmarBibel 148349 Bibel 1507 (1518)50
ֽה־ל ָ֛֩ך ְ ֽ ֣ל ֹא יִ ְהֶי ֹלהים ִ֥֙ ֱא ֲא ֵח ִ ֖ ֜רים ל־ּפ ָֽ֗ניַ ׃ ָ ַע (Ex = Dtn)
οὐκ ἔσονταί σοι θεοὶ ἕτεροι πλὴν ἐμοῦ (Ex; bzw. πρὸ προσώπου μου Dtn)
„non habebis deos alienos coram me“ (Ex) bzw. „in conspectu meo“ (Dtn)
„Nit hab frembde gött vor mir“ (Ex) bzw. „… in meiner bescheude“ (Dtn)
„Nit hab frembd götter in meynem angesiht“ (Ex und Dtn).
„Nit hab frömbde Götter vor mir“ (Ex 20) bzw. „Nitt hab frömbde götter in meinem angesicht“ (Dtn 5).
Innerhalb dieser Gemeinsamkeit gibt es dennoch um 1500 Unterschiede. Die spätmittelalterlichen Übersetzungen ins Deutsche waren nämlich, wie angesprochen, der Vulgata gefolgt. Sie hatten in etwa geschrieben: „Habe nicht fremde Götter vor mir“ (s. Tabelle 2). D. h. die Mentelin-, Koberger‑ und Otmar-Bibel gaben das lateinische „non habebis“ als Imperativ („habe nicht“) und den Plural „dei alieni“ im Sinne von „fremde Götter“ bzw. kurz „fremde gött“ wieder (der Umlaut „ö“ in „göt“ / „gött“ kennzeichnete den Plural). Tabelle 3: Das erste Gebot auf der Tafel Cranachs Ausschnitt Ausschnitt Ausschnitt Marquard Cranachs M51 G52 Vulgata53 von Lindau / Tafel55 Geiler von Kaysersberg54 vgl. Ex הו֣ה ָ ְֹכי י ֙ ֖ ִ ָ ֽאנ 20,2 / ֱאל ֹ ֶ֔ה֑יָך ֲא ֶ ׁ֧שר Dtn […] 5,6 (Ex = Dtn) 45 Edition:
ἐγώ εἰμι κύριος ὁ θεός σου ὅστις […] (Ex 20,2)
ego sum Dominus Deus tuus qui […] (Ex 20,2)
Luther, Kleiner Katechismus56 Ich bin der Herr, dein Gott.
Elliger / Rudolph, Hebraica. Edition: Wevers, Exodus, und Wevers, Deuteronomium. 47 Edition: Weber, Genesis. 48 Wiedergabe nach Mentelin-Bibel, Biblia (übers. aus dem Lat. mit dt. Tituli psalmorum), Straßburg vor 1466, z.St. 49 Koberger-Bibel, Nürnberg 1483, z.St. 50 Otmar-Bibel, Augsburg 1518, z.St. Mentelin-, Koberger‑ und Otmar-Bibel sind im Internet digitalisiert zugänglich. 51 Edition: Elliger / Rudolph, Hebraica. 52 Edition: Wevers, Exodus, und Wevers, Deuteronomium. 53 Edition: Weber, Genesis. 54 Edition: Marquard / Geiler, Frag und Antwurt, erstes Gebot p. VII. 55 Texte nach Cranach Digital Archiv (cda) z.St. 56 Luther, Martin, Der Kleine Katechismus (1529) z.St. 46
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vgl. Ex ֽה־ל ָ֛֩ך ְ ֽ ֣ל ֹא יִ ְהֶי 20,3 f. / ֹלהים ִ֥֙ ֱא Dtn ֲא ֵח ִ ֖ ֜רים 5,7 f. ל־ּפ ָֽ֗ניַ ׃ ָ ַע ֽ ֣ל ֹא ֣ ֥ה־לָך ְ ַ ֽת ֲע ֶ ׂ֙ש ֶ֙ ֣פ ֶסל (Ex = Dtn)
bzw. ἐγὼ κύριος ὁ θεός σου ὁ […] (Dtn 5,6)
bzw. ego Dominus Deus tuus qui […] (Dtn 5,6)
οὐκ ἔσονταί σοι θεοὶ ἕτεροι πλὴν ἐμοῦ (Ex; bzw. πρὸ προσώπου μου Dtn) οὐ ποιήσεις σεαυτῷ εἴδωλον
non habebis deos alienos coram me (Ex; bzw. „in conspectu meo“ Dtn) non facies tibi sculptile
Du solt nichtt frömbd göt anbeten (bzw. in Bildüberschrift mit der Rechtschreibung „du solt nit fre(m?)bd göt anbetten“
Du solt kei frembde gott an betten
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Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.
Marquard / Geiler von Kaysersberg schrieben anders „du sollst nicht anbeten“ (s. Tabelle 3),57 repräsentierten aber den Plural Götter aus dem Lateinischen ähnlich zur Mentelin-Bibel durch die Umlaut-Form „frömbd göt(t)“ (= „fremde Götter“); den Plural griffen sie zudem in der Erläuterung „das seind alles abgöt“ (= Abgötter) auf.58 Cranachs Textfassung greift noch etwas weiter ein. Sie folgt – das ist inzwischen vertraut – abgesehen von der Modernisierung „kei(n)“ dem volkstümlichen Text Marquard / Geilers, nicht den frühen deutschen Bibelübersetzungen, verlässt jedoch über sie hinaus den spätmittelhochdeutsch-frühneuhochdeutschen Umlaut-Plural und schreibt: „Du solt kei frembde gott an betten“ (Tabelle 3). Sprachgeschichtlich bedient sich das einer dialektalen Nebenform. Der Text steht im Singular, vertritt aber den Plural, was im Frühneuhochdeutschen möglich war.59 Es entsteht ein doppelter Sinn „Du sollst keine fremden Götter“ (Plural) und „Du sollst keinen fremden Gott“ (Singular) „anbeten“. Würde es sich ausschließlich um eine dialektale Form handeln, erübrigte sich eine weitere Interpretation. Doch alle Drucke von der Mentelin-Bibel bis Geiler und zur Otmar-Bibel beachteten die Relevanz des Umlauts und schrieben den Plural zudem manchmal plene: „Götter“; „götter“ schreibt daraufhin entsprechend noch Münsters Rückübersetzung von Luthers Dekalogpredigten aus dem Lateinischen60 ins Deutsche 1520.61 Daher sei erlaubt, auf die Konvergenz zu Sie gaben also „non habebis“ („du sollst / wirst nicht haben“) weit freier wieder. Marquard / Geiler, Frag und Antwurt, VII. 59 Für diesen Hinweis danke ich Prof. Dr. U. Kocher und J. Elschenbroich, Wuppertal. 60 „Das erst gebott. Du solt nit frembde götter anbetten“ (Basse, Dekalogpredigten, 13). 61 Die Ausschreibung des Plurals mit der Endung „-er“ (das heutige Wort „Götter“) setzt sich im Lauf des 16. Jh. allgemein durch. Sie prägt auch den antireformatorischen Katechismus des Petrus Canisius, dessen Text sich im Katholizismus des 16./17 Jh. weit verbreitet. 57 58
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einer Beobachtung an den Quellen hinzuweisen: Im hebräischen Text von Ex 20,3 / Dtn 5,7 steht das Wort „Elohim“, eine pluralische Sprachform, die „Gott“ oder „Götter“ bezeichnet. Das dazugehörige Verb יִ ְהיֶ ה, „es wird sein“, aber bietet den Singular. D. h. auch hier haben wir eine syntaktische Schwebe zwischen Singular und Plural. Das Hebräische passt zur Sprachgestalt Cranachs. Cranach findet, sei es zufällig oder sei es durch Gespräche mit einem Mitglied der Universität Wittenberg, eine Sprachform, die humanistisch auf der Höhe der Zeit steht. Ein Detail in Cranachs Bildgebung unterstützt das. Die zeitgleiche Abbildung im Druck Marquards / Geilers (VII v.; im Internet nachschlagbar) zeigt den fremden Gott auf der antikisierenden, schon den Geist der Renaissance atmenden Säule noch in älterer Konvention. Als Schnitzwerk ist er gebildet, wie das lateinische Wort „sculptile“ es besagt, und spätmittelalterlich mit Hut bzw. Helm und Fähnchen bekleidet. Cranach dagegen wählt ein antikes Götterbild aus Metall oder Stein. Das entspricht der hebräisch-griechischen Tradition, ( ֶפ ֶסלM) bzw. εἴδωλον (G). Der Fortschritt fügt sich in die antikisierenden Bildgebungen der Renaissance ein. Es ist durchaus denkbar, dass ein Gesprächspartner Cranachs den hebräischen und / oder den griechischen Text des Dekalogs las und Cranach in seinen humanistischen Interessen die neuen Anregungen aufsog. Jedenfalls konvergieren Humanismus und Kunstentwicklung. Cranachs Zehn-Gebote-Tafel, die beim achten Gebot die mittelalterliche Frömmigkeit mit Himmel und Hölle für das 16. Jh. aktualisiert, atmet beim ersten Gebot den Geist der Renaissance – bis hin zum Wagnis, statt des bekleideten Gottes aus dem Druck Marquards / Geilers eine unbekleidete Venus ins Bild zu setzen. Für den Künstler bildet die Göttin der Schönheit die größte Gefahr, die dem Gott der Bibel droht.62 Angemerkt sei, dass Luther das philologische Problem des ersten Gebots im Kleinen Katechismus konventioneller lösen wird. Er wird – wie oft in Zweifelsfragen zum hebräischen Text – die Vulgata zur Hilfe ziehen. Mit ihr wird er den Plural „Götter“ favorisieren („elohim“ verstanden wie das lateinische „dei alieni“) und mit ihr יִ ְהיֶ הals „habebis“, „du sollst (nicht) haben“ deuten. Lediglich im Vordersatz „Ich bin der Herr, dein Gott“ treibt Luther die Rückkehr zum Bibeltext voran. Im Nachsatz „Du sollst nicht andere Götter haben neben mir“ folgt er der Vulgata stärker als Cranach.
62 Überlegen kann man, ob ein zusätzliches Motiv Einfluss nimmt: Zu den Spekulationen der Zeit gehörte die Auffassung, Magdeburg sei über einem Venusheiligtum gegründet und Venus daher, von der Antike her gesehen, eine Schutzpatronin Sachsens. Will Cranach nebenbei warnen, Venus in Magdeburg, der „Parthenopolis“ (= Jungfrauenstadt; dieser gr.-lat. Name entstand nach der volksetymologischen Deutung von „magd“ als „Mädchen“) wegen ihres Patronats hoch zu schätzen?
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4. Das neunte und zehnte Gebot Tabelle 4: Das neunte und zehnte Gebot auf der Tafel Cranachs Gebot Cranachs Gebote- Vulgata Clementi- vgl. Vulgata Tafel na Ex 20 Clementina Dtn 5 9
Du solt keins andern gemahel begeren
21 Non concupisces uxorem proximi tui:
„Du solt nit begeren deins nechsten gut“; nach einer mittelalterlichen Vulgatafassung mit dem Text „non concupisces rem proximi tui“ in Ex 20,1764
Non concupisces domum proximi tui (entspräche 10 „Du solt kains andern gutt begeren“)
17a
10
Marquard von Lindau / Geiler von Kaysersberg63
Du solt kains andern gutt begeren
21 non domum, non agrum […] (gegen Ex Vulg.) 17b nec desiderabis uxorem ejus (Reihe setzt sich fort) (entspräche 9 „Du solt keins andern gemahel begeren“)
Du solt keines eêfrauwen begeren
Begeben wir uns nun zum Ende des Dekalogs und zur auffälligen Reihenfolge des neunten und zehnten Gebots. Cranachs Reihenfolge kollidiert zum Vulgatatext aus Luthers Predigtreihe von 1516/17, wie wir beobachteten (s. Abschnitt 1), und zur Reihenfolge der Gebote bei Marquard / Geiler. Letzteres überrascht umso mehr, da Cranach für sein zehntes Gebot das Motiv des „Guts“ (vgl. lat. „res“) und den Bildtypus verwendet, der bei Marquard / Geiler (LIII v.: im Internet zugänglich) deren neuntes Gebot illustriert. Beide zeigen einen Tisch mit Geld in einem Innenraum, das Begehrlichkeit auslöst. Der Bildtypus ist ihr Proprium gegenüber dem Heidelberger Blockbuch, auf das wir gleich zurückkommen – es illustrierte das Verbot, fremdes Gut zu begehren, anders über die Landwirtschaft – und der in § 1 erwähnten Danziger Tafel; sie wählte ein Bild von Haus und Hof. 63 Marquard / Geiler,
Frag und Antwurt; neuntes Gebot p. LIII, 10. Gebot p. LVII. Diesen Text der Vulgata von Ex 20 zitiert der Druck ausdrücklich p. LIII v.
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Wir kommen nicht umhin festzustellen, dass Cranach ikonographisch einen durch Marquard / Geiler vertrauten, in seiner Reihenfolge aber bewusst einen abweichenden Weg geht (zusätzlich dazu, dass er wie gewohnt „nicht“ zu „kein“ modernisiert). Diese Abweichung ist nicht aus seinem eigenen künstlerischen Interesse zu erklären. Denn als Pendant zur Venus des ersten Gebotes hätte die verführerisch-verführte Frau seines neunten Bildfeldes besser ans Ende der Tafel gepasst als der Tisch mit den Geldhaufen.65 Gleichwohl gibt es eine Vorgeschichte: Das Mittelalter hielt sich im Text des Dekalogs an die Vulgata des Buches Exodus. Marquard / Geiler und das Heidelberger Blockbuch, das wir nun schon mehrfach verglichen, kennzeichneten das ausdrücklich; sie schrieben im Text bzw. beim Bild „Ex[odi] XX“. Deshalb können wir sogar erkennen, wo sie einen heute überholten Vulgatatext verwenden. Beim zehnten Gebot Marquard / Geilers war das der Fall: Sie zitierten Ex 20,17 mit dem Wortlaut „non concupisces rem (statt „domum“) proximi tui“, und übersetzten entsprechend „res“, „Gut“; Cranach übernimmt dieses Detail (s. die Wiedergaben der Texte in Tabelle 4). Augustin allerdings hatte den Dekalog in der Septuaginta gelesen und deren Text in seinen Predigten ins Lateinische übersetzt. In Ex 20 bot er deshalb gegen den Vulgata-Haupttext die Abfolge „Non concupisces uxorem proximi tui: Non concupisces domum proximi tui“ (neuntes Gebot: man solle nicht des Nächsten Weib, und zehntes Gebot: nicht des Nächsten Haus begehren; Quaest. pent. 71,1 in Ex 20; vgl. serm. 8,9 f. und serm. 9). Die Bildfolge des Mittelalters ließ sich dank des großen Einflusses Augustins davon beeinflussen und verwendete daher de facto neben Ex 20 auch die zweite Dekalogfassung aus Dtn 5, wo die Ehefrau ( ִא ָּׁשהbzw. γυνή / „uxor“) im Unterschied zu Ex 20 im Lateinischen (und in M / G) von vornherein vor dem Haus des Nächsten steht (s. weiterhin Tabelle 4). Beispiele dafür bieten das gerade erwähnte Blockbuch und die Danziger Tafel, die ich auch deswegen zum Vergleich auswählte. Beide zeigen sie dieselbe Bildfolge Frau (neuntes Gebot) – Gut (zehntes Gebot) wie Cranach. Ein merkwürdiger Sachverhalt entsteht. Das Textbewusstsein wächst durch den frühen Humanismus, und Cranach benutzt für seine Tafel einen aktuellen, der Vulgata von Ex 20 nahestehenden Text. Den abweichenden ikonographischen Typus des Blockbuchs sowie der Danziger Tafel kennt er entweder nicht, oder er weigert sich, deren Ikonographie aufzugreifen, was seiner Haltung eine noch schärfere Kontur gäbe: Die Bilder von Blockbuch und Danziger Tafel sind für ihn überholt. Dennoch widerspricht er der Abfolge der Gebote aus Vulgata Ex 20 und bevorzugt die Abfolge von Dtn 5 / Augustin / Blockbuch / Danziger Tafel. Wie kommt er dazu? Einen Einfluss aus der historisch-kritischen Verschiebung der literarischen Priorität von Exodus zum Deuteronomium anzunehmen, wäre zu neuzeitlich 65 Das jetzige Feld 10 hätte seinerseits in Feld 1 eine Darstellung des Gotts der Diebe, des Merkur-Hermes nahegelegt – ein Indiz dafür, dass die Venus in Bildfeld 1 sehr bewusst gesetzt ist.
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gedacht. Die komplizierte frühe Textgeschichte des Dekalogs und die spätere Debatte, ob das deuteronomistische Gesetz nicht älter sei als die Textfassung des Dekalogs im Buche Exodus,66 waren dem 16. Jh. noch fremd. Tabelle 5: Cranachs Abfolge des 9. und 10. Gebots und die Complutense67 sowie die Aldina68 Cranachs GeboteTafel
G, Complutense und Aldina Ex 20 (dort ohne Versangaben)
G, Complutense und Aldina Dtn 5 (dort ohne Versangaben)
Hinweis: Complutense Ex 20 Spalte mit dem Hieronymustext schreibt:
9 Du solt keins andern gemahel begeren
οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν γυναῖκα τοῦ πλησίον σου (heute Ex 20,17 G, in M erst 20,18)
οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν γυναῖκα τοῦ πλησίον σου (heute G Dtn 5,21)
„Non concupisces domum proximi tui. Nec desiderabis uxorem ei(us […]“ heutiger kritischer Vulgatatext
10 Du solt kains andern gutt begeren
οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν οἰκίαν τοῦ πλησίον σου κτλ., Complutense interlinear „Non concupisces domum proximi tui“ (heute Ex 20,17 M und G)
οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν οἰκίαν τοῦ πλησίον σου κτλ., Complutense interlinear „Non concupisces domum proximi tui“ (heute G Dtn 5,22)
Die einfachste Erklärung ergibt sich darüber, dass die Kenntnis Augustins zu einer humanistischen Fragestellung korreliert und bewusst wurde, dass die augustinsche Abfolge der altgriechischen Bibelfassung korrelierte. Editionsgeschichtlich lag dies in der Luft. Seit mehr als einem Jahrzehnt wurde nämlich eine Diskussion bei: Braulik, Georg, Die deuteronomischen Gesetze und der Dekalog, SBS 145, Stuttgart 1991; Frevel, Christian u. a. (Hg.), Die Zehn Worte: Der Dekalog als Testfall der Pentateuchkritik, QD 212, Freiburg 2005; Graupner, Axel, Zum Verhältnis der beiden Dekalogfassungen Ex 20 und Dtn 5: Ein Gespräch mit Frank-Lothar Hossfeld, ZAW 99 (1987), 308–29; Hossfeld, Frank-Lothar, Der Dekalog: Seine späten Fassungen, die originale Komposition und seine Vorstufen, OBO 45, Fribourg / Göttingen 1982; Köckert, Matthias, Die Zehn Gebote, Beck’sche Reihe 2430, München 22013; Köckert, Matthias, Vom Kultbild Jahwes zum Bilderverbot. Oder: Vom Nutzen der Religionsgeschichte für die Theologie, ZThK 106 (2009), 371–406; Levin, Christoph, Fortschreibungen: Gesammelte Studien zum Alten Testament, BZAW 316, Berlin / New York, NY 2003; Otto, Eckart, Deuteronomium im Pentateuch und Hexateuch: Studien zur Literaturgeschichte von Pentateuch und Hexateuch im Lichte des Deuteronomiumrahmens, FAT 30, Tübingen 2000; Rösel, Martin, Adonaj – warum Gott „Herr“ genannt wird, FAT 29, Tübingen 2000; Schmidt, Werner H., Überlieferungsgeschichtliche Erwägungen zur Komposition des Dekalogs, in: Ringgren, Helmer (Hg.), Congress Volume: Uppsala 1971, VTSup 22, Leiden 1972, 201–220. 67 Die später sog. Complutense trägt den Titel Vetus Testamentum multiplici lingua nunc primo impressum […] und wurde 1520/1522 veröffentlicht. Ein im Internet gut zugängliches Exemplar wurde nach dem Titelblatt 1557 katalogisiert. 68 Aldus Manutius, Sacrae Scripturae Veteris Novaeque omnia, Venetiis in aedibus Aldi et Andreae 1518. (Die Angaben der Aldina prüfte dankenswerterweise D. Müller, Wuppertal, für mich.) 66
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mehrsprachige Ausgabe des Alten Testaments – hebräisch, griechisch, lateinisch und mit Seitenreferenten – an der Universität von Alcala (bei Madrid) vorbereitet, die sog. Complutense. Der für uns relevante Pentateuch war 1516 fertig und wurde nur noch aus Drittgründen zur Veröffentlichung zurückgehalten. Der Text dieser großen Ausgabe war mithin noch nicht offiziell zugänglich. Ihre Fragestellungen waren jedoch bekannt. Das zeigt sich darin, dass die zweite Ausgabe der G, die in unserer Zeit vorbereitet wurde, die Aldina, die gleiche Abfolge des neunten und zehnten Gebots wie die Complutense wählt (sie erscheint 1518, noch vor der offiziellen Publikation der Complutense 1520). Ziehen wir deshalb mit entsprechender Vorsicht die Complutense zum Vergleich bei: Die spanischen Gelehrten versuchten, den bestmöglichen Text in der jeweiligen Sprache herzustellen.69 In der Vulgata korrigierten sie am Wortlaut nur ein Detail.70 Aber in der Abfolge der Gebote griffen sie tiefer ein. Nur in der Vulgata des Exodusbuches boten sie die vertraute Abfolge Haus – Frau (neuntes / zehntes Gebot, different zu Cranach). In der Spalte zur Septuaginta dagegen folgten sie ihrer Leithandschrift Vaticanus graecus 330 (= 108 Rahlfs),71 die das Verbot, die Frau zu begehren, in Ex 20,17 und Dtn 5,21 zuerst nannte. Diese Handschrift bietet οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν γυναῖκα τοῦ πλησίον σου οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν οἰκίαν τοῦ πλησίον σου, den Text, der bis heute gültig geblieben ist:72 In der kritischen Edition der Septuaginta findet sich dieselbe Abfolge der Szenen am Ende des Dekalogs wie bei Cranach.73 Überschätzen wir den Befund nicht. Eine Kenntnis der Complutense durch Cranach dürfen wir aus ihm nicht folgern, und die Septuaginta kommt nur ins Spiel, weil Augustin die Septuaginta bevorzugte und weil es in der Vulgata eine Differenz der Dekaloge aus Ex 20 und Dtn 5 gibt. Dennoch ist die Septuaginta das Zünglein an der Waage und der Vorgang kulturgeschichtlich höchst reizvoll: 69 Die nötigen Differenzierungen bei: O’Connell, Séamus, From Most Ancient Sources: the nature and text-critical use of the Greek Old Testament text of the Complutensian Polyglot, OBO 215, Fribourg / Göttingen 2006. 70 Sie schreiben „domus“, „Haus“ statt „res“, „Sache“ oder – bei Cranach – „Gut“. Diese Änderung beeinflusste Cranach nicht. Er wechselt nicht zum neuen Text „Du sollst keins andern Haus begehren.“ 71 Die Angabe zur Leithandschrift verdanke ich Natalio Fernández Marcos (Nachricht vom 27. 1. 2015): vgl. Fernández Marcos, Natalio, El texto griego de Septuaginta en la Políglota Complutense, EstBib 72, no. 1 (2014), 103–117; Fernández Marcos, Natalio, Greek Sources of the Complutensian Polyglot, in: Lange, Nicholas de u. a. (Hg.), Jewish Reception of Greek Bible Versions. Studies in Their Use in Late Antiquity and the Middle Ages, TSMJ 23, Tübingen 2009, 302–315. Die Prüfungen des Textes dieser Handschrift nahm M. Sigismund, Wuppertal, für mich vor, dem ich gleichfalls danke. 72 Vgl. als Zwischenglied Breitinger, Johann J. / Grabe, Joannes E. (Hg.), He palaia diatheke kata tous Hebdomekonta: Vetus Testamentum ex Versione Septuaginta Interpretum, vol. I, Zürich 1730, 132 z.St. (auch dort Abfolge Frau-Haus). 73 S. die kritischen Editionen: Rahlfs, Alfred / Hanhart, Robert, Septuaginta: id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, Stuttgart 22006, 120.296; Wevers, Exodus, 243, und Wevers, Deuteronomium, 114.
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Cranach kann die ungewöhnliche Reihenfolge des neunten und zehnten Gebots wählen bzw. nach älteren Vorläufern festhalten, weil seine Zeit sich neben der Vulgata mit dem griechischen Text befasst und dort im von der Vulgata abweichenden Text von Ex 20 eine Unterstützung für diese Reihenfolge findet. Schön wäre, wir könnten dies an dem in Wittenberg benützten Exemplar der Septuaginta prüfen. Doch leider ging dieses Exemplar wohl verloren.74 Müßig ist zu überlegen, ob Cranach sich humanistisch beraten ließ und von wem (sei es durch Karlstadt, Thilonius oder einen uns unbekannten Dritten). Uns muss genügen und für die Sache entscheidend ist: Die humanistische Diskussion des frühen 16. Jh. nahm nicht zuletzt dank der langen Wirkungsgeschichte Augustins neben dem lateinischen den griechischen Text des Dekalogs wahr. Das stellte die Vulgata infrage und erlaubte Wagnisse am Text mit markanten Besonderheiten. Tabelle 6: Das neunte und zehnte Gebot in den protestantischen Katechismen des 16. Jh. Luthers Kleiner Katechismus
Heidelberger Katechismus (Gebote wieder gegeben nach Ex 20)75
9. Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
10. Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel, noch alles, was dein Nächster hat. (Verbindung des neunten und zehnten Gebots gegen die Zählung Luthers)
10. Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was sein ist.
74 Georg Spalatin, seit 1511 in Wittenberg, rühmte sich, eine umfassende griechische Bibliothek aufgebaut zu haben (näheres hierzu bei: Bernstein, Eckhard, Mutianus Rufus und sein humanistischer Freundeskreis in Gotha, in: Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation 2, Köln / Weimar / Wien 2014, 144 f.). Diese Bibliothek enthielt mit Sicherheit auch eine frühe griechische Version des Alten Testaments gemäß dem humanistischen Grundsatz „ad fontes!“. Fraglich aber bleibt, was mit dieser Handschrift geschah: Große Teile der Bibliotheca Electoralis – der kurfürstlichen Bibliothek Friedrichs des Weisen – kamen Mitte des 16. Jahrhunderts über Weimar nach Jena, Einzelnes wohl auch nach Coburg und Gotha. An keinem der drei Standorte konnte jedoch bei Recherchen für diesen Beitrag eine SeptuagintaHandschrift festgestellt werden, die zur Zeit Cranachs in Wittenberg hätte sein können. Für die Recherche danke ich Benjamin Blum, der die Suche koordinierte und mein ganzes Mansukript durchsah, sowie für die jeweiligen Bibliotheken Dr. Joachim Ott / Jena, Cornelia Hopf / Gotha und Dr. Silvia Pfister / Coburg. Möglich ist demnach, dass die Handschrift nicht aus Wittenberg transferiert wurde, da ihr nach den in der ersten Hälfte des 16. Jh. erschienenen Drucken der LXX keine Bedeutung mehr beigemessen wurde, und dort unterging, oder dass sie am neuen Standort in den Wirren des 30jährigen Krieges zerstört wurde bzw. anderweitig später verloren ging. 75 Heidelberger Katechismus in der heutigen Fassung (digitale Ausgabe der EKD). Die Ausgabe von 1563 (Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz [Hg.], Catechismus Oder Christlicher Vnderricht, wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wirdt …), schrieb: „Laß dich nit gelüsten deines nechsten Hauß / Laß dich nit gelüsten deines nechsten weibs / noch seines Knechts / noch seiner Magd / noch seines Ochsen / noch seines Esels / noch alles das dein Nechster hat.“
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Hinzuzufügen ist, dass diese besondere Öffnung zum Griechischen nur kurz währte, bevor die humanistische Dynamik sie zugunsten des Hebräischen überholte: Der griechische Text der Gebote besaß, wie das 16. Jh. wusste, gegenüber dem lateinischen Text Vorrang. Aber der hebräische Text des Dekalogs ging dem Griechischen noch voraus, und ihm entsprach die Vulgata von Ex 20, weil Hieronymus das Hebräische übersetzte. Luther wird daraufhin im Katechismus gegen den frühen Humanismus das Hebräische und die Vulgata von Ex 20 bevorzugen (vgl. Tabelle 6). Er berichtigt den überholten Wortlaut von Ex 20,17 und schreibt gegen Marquard / Geiler „Haus“, nicht „Gut“. Zugleich entscheidet er sich in der Anordnung wie schon in seiner vorreformatorischen Predigt (1516/17) gegen Cranach und gegen die Septuaginta. Nicht Cranachs Reihenfolge, sondern die Marquard-Geilers setzt sich damit beim neunten / zehnten Gebot (Zählung Luthers) durch. Nach Luther folgte in der Texttreue zum Hebräischen bald der nächste Schritt: Die Kürzung am Anfang des Dekalogs musste aufgehoben werden. Wollte man bei insgesamt zehn Geboten bleiben, musste man dann in etwa verfahren wie Philo im 1. Jh. Er hatte den Anfang des Dekalogs in zwei Gebote geteilt und umgekehrt die Schlussaussagen des Dekalogs zu einem umfassenden Verbot, etwas zu begehren, kontrahiert (decal. 52–81.142). Der Heidelberger Katechismus kommt 1563 zu einem analogen Ergebnis. Er zitiert den Dekalog in seiner umfangreichen biblischen Textgestalt im Wesentlichen nach Ex 20,76 teilt das erste Gebot Luthers in erstes und zweites Gebot und kontrahiert das einstige neunte und zehnte in ein einziges zehntes Gebot. Damit vollendet sich die protestantische Bibeltreue zu Ex 20, hebräischer Text, an unserer Stelle gegen Cranach.
5. Das sechste und siebte Gebot Vorbereitet sind wir auf eine vielleicht noch größere Besonderheit von Cranachs Tafel (Tabelle 7): Cranach schließt das Verbot zu töten in der oberen Bildreihe (Gebote 1–5) an das Gebot, die Eltern zu ehren, an. Das ist soweit die übliche Reihenfolge des Dekalogs. Die zweite Reihe (untere Zeile der Tafel) dagegen beginnt er mit den Verboten, zu stehlen und unkeusch zu sein. Hier ändert er die Reihenfolge gegenüber der Vulgata und gegenüber Augustin (serm. 8,5–7 u. ö.77). Die Bildentwürfe stimmt er auf die Gegenwart ab. Der Mord geschieht nach einer mit Spiel und Wein verbrachten Nacht (s. die Utensilien auf dem Tisch); ein Laster zieht das andere nach sich. Und auf dem sechsten Bildfeld steigt ein Dieb 76 So gewiss er in der Marginalie zu seiner 61. Frage auf beide Referenzstellen, „Exod. 20“ und „Deut. 5“ verweist. 77 Vollständigere Belege bei: Geerlings, „Decalogue“, 110.
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Tabelle 7: Die Abfolge vom fünften bis zum siebten Gebot Cranachs Cranachs GeboteTafel
Vulgata Clementina Ex 20 und Dtn 5
G, Gottingen- G, Gottinsis Ex 20 gensis Dtn 5 und Hs. 108 Rahlfs
Marquard von Lindau / Geiler von Kaysersberg78
οὐ μοιχεύσεις
Reihenfolge der Vulgata 5 Du solt nie- entspricht mandt tödten jeweils dem (explizit nach M von Ex und Dtn. Ex) Cranach 6 Du solt differiert zu nicht unküsch Vulgata und sein / und M, entspricht dein ee niet aber dem brechen kritischen (explizit nach Text von G Ex) Dtn.
13
5 Du solt niemant dötten
Non occides. (Ex 20,13; Dtn 5,17)
οὐ μοιχεύσεις
17
οὐ φονεύσεις
18
14 Non moechaberis (Ex 20,14) bzw. neque moechaberis (Dtn 5,18) (entspräche Cranachs Gebot sieben)
6 Du solt nit stehlen
14 οὐ
κλέψεις
19 οὐ
Hinweise
κλέψεις
7 Du solt nit unkeusch sein 15 Non furtum facies (Ex 20,15) bzw. furtumque non facies (Dtn 5,19) (entspräche Cranachs Gebot sechs)
15 οὐ
φονεύσεις (entspräche Cranachs Gebot fünf)
7 Du solt nit stelen
78 Marquard / Geiler, Frag und Antwurt; 5. Gebot und Zitat von Ex 20 Vulgata in der spätmittelalterlichen Variante „Non occidas“ p. XXX v.–XXXI r., 6. Gebot und Zitat von Ex 20 Vulgata in der spätmittelalterlichen Variante „Non Mechaberis“ p. XXXVI v., 7. Gebot und Zitat der spätmittelalterlichen Vulgata „Non furtum facias“ p. XLIII (der Druck nennt hier Ex nicht, da die Vulgata von Ex und Dtn übereinstimmen).
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ins Haus, als die Eheleute schlafen, während sein Kumpan unten wacht. Beide Szenen transponieren die Verbote in die Welt des 16.Jh. und bilden insofern eine künstlerische Invention.79 Den deutschen Wortlaut der drei Gebote jedoch zitiert Cranach konservativ. Bis auf die Rechtschreibung gibt er den Text wieder, den wir auch im Druck Marquards und Geilers finden (s. weiterhin Tabelle 7). Er beschränkt sich also auf die ihm wichtige Differenz der Abfolge und schützt diese vor der Beeinträchtigung durch eine Diskussion um den Wortlaut.80 Kunstgeschichtlich wiederholt sich ein vertrautes Phänomen. In Dekalogbildern des Mittelalters gab es Cranachs Umkehrung von sechstem und siebtem Gebot seit ca. 1300, und unterstützt wurde sie durch eine scholastische Dekalogauslegung, die des Pariser Gelehrten Jean Gerson (Anfang des 15. Jh.).81 Unter unseren beiden Leitbildern des 15. Jh., dem Blockbuch und dem Danziger Dekalog, bot daraufhin das Blockbuch sie. Die Danziger Tafel dagegen korrigiert hier das Blockbuch.82 Wie kommt Cranach dann dazu, gegen die stärkere Kunsttradition, Marquard / Geiler, die Vulgata und die 1516 stattfindenden Predigten Luthers zu dieser Reihenfolge zu greifen? Der Einfluss Gersons und der zweiten Bildtradition bedürfen der Unterstützung durch dritte Argumente: Künstlerisch wirkt sich die Suche nach einem stimmigen Bild aus. Wenn nämlich die zweite Reihe mit dem Diebstahl beginnt, korrespondieren Anfang und Ende – Einbruch (Bildfeld 6) und Gier nach fremdem Gut (Bildfeld 10) –, zudem siebtes und neuntes Feld; beide widmen sich nunmehr der Sexualethik (s. Abb.). Freilich hätte der Bildaufbau ebenso die alternative Abfolge mit dem Verbot, sich sexuell falsch zu verhalten, als sechstes Gebot auslösen können. Im ersten Gebot (oben links) zeigt Cranach ja, wie besprochen, die verführende Liebesgöt79 Vgl.
Gerhard Begrich in: Seupt / Begrich / Pietsch, Die Zehn-Gebote-Tafel, 39. Die Konvergenz von Cranachs Wortlaut der Gebote mit dem oberdeutschen Druck belegt, wie verbreitet die Marquard-Geilersche Textfassung war. Trotzdem gibt es eine Besonderheit: Beim Gebot über das sexuelle Verhalten muss Cranach sich kürzer als Marquard und Geiler halten, weil seine Tafel keine zweizeilige Bildunterschrift erlaubt. Er beschränkt sich auf die erste Zeile und stellt lediglich sie im Bild dar (Abb. 1, zweites Bild der unteren Reihe). Marquard und Geiler allerdings hatten das „non moechaberis“ der Vulgata nicht zufällig doppelt übersetzt. Die erste Zeile hatten sie auf das vor‑ und außereheliche Verhalten bezogen; dann meinte es „unkeusch sein“. In der zweiten Zeile wandten sie es auf die Ehe an; dort konkretisierte es sich als Ehebruch. Tatsächlich bildet nach dem griechischen Verb μοιχεύω der Ehebruch, nicht das vor‑ und außereheliche Verhalten die Mitte des Verbots. Das geht bei Cranach verloren. Er malt die Frau auf seinem siebten Bildfeld ohne Haube, somit als unverheiratete Frau, der unser Gebot dazu helfen möge, der Betörung des Verführers beim Picknick im Freien und dem berauschenden Glas des Weines zu widerstehen. Sinnenfällig wird, dass Cranach die Aussage des griechischen Ursprungstextes mangels eigener Griechischkenntnisse nicht selbst kontrolliert. 81 Ältestes derzeit bekanntes Zeugnis der Bildtradition ist eine Handschrift aus der Picardie um 1300 (Thum, Die Zehn Gebote, 50). Die Auslegung von Gerson, Johannes, Opusculum tripartitum de praeceptis decalogi, de confessione, de arte moriendi (um 1404), verbreitete sich weit. 82 Labuda, Kleidung, 417 wies nach, dass der Künstler der Danziger Tafel das Blockbuch kannte und dessen drittes Gebot als Vorlage benützte. Die Korrektur gegen das Blockbuch beim 6.–7. Gebot geschah demnach bewusst. 80
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tin Venus; darunter hätte hervorragend die jetzige Bildtafel 7 mit der Verführung gepasst. Der Bildentwurf Cranachs erklärt also die Eigenheit der Abfolge nur, wenn die Umkehrung der Gebote neun und zehn bereits akzeptiert ist. Zudem bedarf es wiederum der textgeschichtlichen Diskussion.83 Sie wird durch den erwähnten Verlust der Wittenberger Septuaginta erschwert und ist trotzdem aufschlussreich: Das griechische Dtn und Ex-Buch gehen auch in der Mitte des Dekalogs auseinander. Die erwähnte Handschrift 108 Rahlfs (= Vat. gr. 330) und vorzügliche andere Handschriften von Dtn 5,18 f. G stellen nach das Gebot, die Eltern zu ehren, zunächst das Verbot sexueller Verletzung, bieten dann aber die Abfolge 18οὐ φονεύσεις 19 οὐ κλέψεις („Du wirst / sollst nicht morden. Du wirst / sollst nicht stehlen“; s. Tabelle 7). Diese Abfolge erweist sich auf die Dauer als der beste Text. Ein Teil der Abfolge Cranachs, sein Nacheinander der Verbote, zu morden und zu stehlen, stimmt mit der Abfolge der heutigen kritischen Septuagintaedition für das Dtn überein. Tabelle 8: Cranachs Abfolge seiner Gebote fünf bis sieben und die Vergleichstexte aus dem Pentateuch der Complutense und Aldina, dem Neuen Testament und Hos G Cranachs GeboteTafel (vgl. G Hs. 84 Rahlfs)
G-Fassung von Complutense und Aldina Ex 20 (dort ohne Versangaben)
G Complutense und Aldina Dtn 5 (dort ohne Vers angaben)
Mt 19,18 und Mk 10,19 par. hebräischer Text des Dekalogs
Röm 13,9 Hos 4,2 G
οὐ μοιχεύσεις 5 Du solt niemant dötten
οὐ φονεύσεις (bei οὐ φονεύσεις, Mk hier und im Folgenden mit der Endung ‑ῃς)
οὐ φονεύσεις (heute G 20,15, M 20,13)
οὐ φονεύσεις (heute G 5,18)
οὐ μοιχεύσεις (heute G 20,13, M 20,14)
οὐδὲ μοιχεύσεις οὐ μοιχεύσεις, (Complutense) bzw. οὐ μοιχεύσεις (Aldina) (heute G 5,17)
ψεῦδος καὶ φόνος καὶ
83 Besprechung der komplizierten Textsituation für den Dekalog insgesamt bei: Schenker, Adrian, Die Reihenfolge der Gebote auf der zweiten Tafel: Zur Systematik des Dekalogs, in: Schenker, Adrian (Hg.), Recht und Kult im Alten Testament: achtzehn Studien, OBO 172, Fribourg / Göttingen 2000, 52–66, und Schmid, Ulrich, Old Testament and New Testament Versions of the Mosaic Law: The Intersection of Oral and Written Tradition, in: Peters, Melvin K. H. (Hg.), XIV Congress of the International Organization for Septuagint and Cognate Studies, Helsinki 2010, SCS 59, Atlanta, GA 2013, 587–604.
282 6 Du solt οὐ κλέψεις nit stehlen (heute G 20,14, M 20,15)
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οὐ κλέψεις (heute οὐ κλέψεις, G 5,19)
οὐ κλέψεις
κλοπὴ καὶ
μοιχεία κέχυται
7 Du solt nit unkeusch sein οὐ ψευδομαρτυρήσεις
Dennoch ist der Sachverhalt komplizierter als beim neunten und zehnten Gebot. Die Edition der Septuaginta in der Complutense traut der Handschrift 108 Rahlfs in Dtn 5,17–19 nicht, sondern korrigiert sie zugunsten des hebräischen Textes und der Vulgata (nicht töten – nicht ehebrechen – nicht stehlen; vgl. Tabelle 8).84 Die Nähe zur Complutense am Ende von Cranachs Dekalog darf deshalb nicht in die Irre führen und die Complutense oder einzelne Septuagintahandschriften überbewerten lassen (Hs. 84 Rahlfs würde Cranachs Abfolge unterstützen, war jedoch, soweit ich sehen kann, im 16. Jh. nicht relevant).85 In unseren Übergangsjahren müssen wir nicht nur den Pentateuchtext in sich, sondern auch dritte Aspekte beachten. Unter ihnen ragen die Referenzen auf den Dekalog an dritten biblischen Stellen hervor: Einerseits wirkte die Abfolge des hebräischen Dekalog-Textes in vielen (wenn auch nach heutigem Stand nicht den besten) Septuagintahandschriften und der neutestamentlichen Erzählung über die Begegnung Jesu mit dem reichen Jüngling nach. Das und die Suche nach einem parallelen Text von Ex und Dtn erklärt die Entscheidung der Complutense gegen ihre Leithandschrift und 108 an dieser Stelle, eine, wie wir heute wissen, textkritisch falsche Entscheidung (der die Aldina gleichwohl folgt).86 Zum anderen rezipierte Paulus an einer berühmten Stelle seiner Briefe die Abfolge οὐ φονεύσεις, οὐ κλέψεις, somit die abweichende Septuagintafassung des Deuteronomium-Ausgangstextes („Du wirst / sollst nicht morden. Du wirst / sollst nicht stehlen“ Röm 13,9). Paulus und die Tradition von Dtn G stehen Pate für die maßgebliche Änderung bei Cranach. Allerdings gab es bei Paulus noch 84 Das ist ein Paralleleinfluss aus Ex 20, unterstützt dadurch, dass Hs. 108 Rahlfs dort die Reihenfolge οὐ φονεύσεις – οὐ μοιχεύσεις – οὐ κλέψεις bietet. 85 Nach Wevers, Exodus, 243 z.St., und Schmid, Old Testament, 591, bietet nur diese Hs. 84 aus dem 10. / 11. Jh. die Abfolge Ex 20,15.14.13. Einen Einfluss dieses singulären Zeugen können wir im frühen 16. Jh. nicht postulieren. 86 Die Reihenfolge „du sollst nicht töten / nicht ehebrechen / nicht stehlen“ wurde über Jahrhunderte zum Standardtext der Septuaginta im Buche Exodus und im Deuteronomium. Noch die 1730 erschienene Edition von Breitinger / Grabe, He palaia diatheke, 132 und 330, bietet diese Fassung.
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eine Leerstelle; er zitierte: „Du sollst nicht ehebrechen“ (οὐ μοιχεύσεις) nicht. So war unklar, wohin dieses dritte Gebot aus der Mitte des Dekalogs gehöre. Einer Einordnung nach dem Gebot, die Eltern zu ehren, widersprachen Vulgata und hebräischer Text von Lev 20 und Dtn 5. Zur Lösung half vielleicht Hos 4,2. Diese Stelle bot hebräisch, griechisch und lateinisch die Abfolge Mord–Diebstahl–Ehebruch. Heute ist unsicher, ob der Prophet auf den Dekalog referiert (der Anfang seiner Reihe mit ψεῦδος, „Lüge“, ist im Dekalog nicht vorbereitet). Doch für uns hier ist das irrelevant. Im 16. Jh. konnte man die Reihe des Paulus analog zu Hos 4,2 vervollständigen. Der Ehebruch kam dann an die dritte Stelle, wie das bei Cranach der Fall ist. Machen wir freilich aus Cranach keinen modernen Exegeten. Er berücksichtigt in seiner Anordnung des vierten bis sechsten Gebotes wie am Ende des Dekalogs Diskussionen seiner Zeit, ohne selbst des Griechischen oder Hebräischen mächtig zu sein, nicht die spätere Handschriftenkenntnis. Wichtig für seinen Bildentwurf ist nur, dass der Vulgatatext von Ex 20 aufgrund der griechischen Paralleltexte auf alternative Anordnungen geöffnet werden kann. Dank der humanistischen Bemühungen seiner Zeit, um die er durch Kontakte weiß, ist ihm sein Bildentwurf freigestellt (und durch die Tradition Gersons, falls er sie kennt, zusätzlich legitimiert). In der kurzen Phase der Kritik herkömmlicher Lektüren der Vulgata zum Alten Testament durch griechische Einflüsse (G und NT-Rezeptionen) macht er davon Gebrauch. Tabelle 9: Die Gebote fünf bis sieben bzw. sechs bis acht in den protestantischen Katechismen des 16. Jh. Ex 20 hebräisch
Luthers Kleiner Katechismus
Heidelberger Katechismus
֥ל ֹ֖א ִּת ְר ָ ֖צֽח׃
13
5 Du sollst nicht töten.
6 Du sollst nicht töten.
֣ ֖ל ֹא ִּתנְ ָ ֑אֽף׃
14
6 Du sollst nicht ehebrechen.
7 Du sollst nicht ehebrechen.
7 Du sollst nicht stehlen.
8 Du sollst nicht stehlen.
֣ ֖ל ֹא ִּתגְ ֔ ֽנ ֹב׃15
Allerdings ist seine Rekonstruktion des Textaufbaus im 16. Jh. nicht minder gewagt als die der Complutense-Septuaginta. Die heutige kritische Ausgabe des Dtn G bestätigt die Stellung von „Du sollst nicht unkeusch sein / ehebrechen“ an siebter Stelle nicht, stellt dieses Gebot vielmehr vor „du sollst nicht töten“ (5,17; s. Tabelle 7). Luther wird Cranach schon aus einem anderen Grunde nicht folgen. Denn er hält sich mit dem nächsten Schritt der humanistischen Entwicklung an die hebräische Textfolge, die Grundlage der Vulgata. Seine Anordnung der Gebote kehrt daher wie bei den Geboten neun und zehn zu Marquard und Geiler zurück, nun mit einem nach dem Hebräischen verbesserten Text, und der Heidelberger Katechismus schreibt das fort (Tabelle 9).
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Der Wortlaut der Gebote wird auf diese Weise in den protestantischen Katechismen des 16. Jh. besser und genauer, als es der abgeschliffene spätmittelalterlich-frühneuhochdeutsche Wortlaut bei Cranach war. Doch die Diskussion um die Septuagintafassung des Dtn geht verloren, und die Vielfalt des Ex-Textes wird eingeschränkt. Heute wären Cranach und die Complutense zu berichtigen und stünde in LXX Ex 20,14 f. das Verbot, zu töten, hinter dem Verbot, zu stehlen (s. nochmals Tabelle 7). Die Anordnung bei Cranach ist insofern experimenteller als die Luthers, text‑ und kunstgeschichtlich faszinierend. Zugleich ergibt sie kultur‑ und sozialgeschichtlich einen bemerkenswerten Sinn: Die erste Hälfte des Dekalogs und obere Reihe von Cranachs Tafel setzt die Pointe, wer Gott nicht ehre (erstes Feld, links), laufe am Ende Gefahr zu morden (fünftes Feld, rechts). Und die untere Reihe ist gerahmt durch den häufigsten Gerichtsfall der Renaissancestädte, das Eigentumsdelikt in Gestalt des Einbruchs (sechstes Feld, links außen) bzw. des Gierens nach fremdem Gut im Geschäftsleben (zehntes Feld, rechts außen). Die nach innen angrenzenden Feldern der zweiten Reihe thematisieren sodann die größte Gefahr für das gesittete Leben in der Stadt, den Verstoß gegen sexuelle Normen vor der Ehe (siebtes Feld, links) und in der Ehe (neuntes Feld, rechts). In der Mitte schließlich stehen der Weg zum Gottesdienst (drittes Gebot) sowie der Weg zum Richter (achtes Gebot). Wer Gott recht ehrt, wird – heißt das – in einer Stadt mit gerechten Richtern gut leben können. Das scheint mir kein Zufall. Dem aus dem Mittelalter stammenden und humanistisch vertieften Text, den Cranach benützt, gelingt es vielmehr, den Dekalog an die Renaissancezeit zu adaptieren. Interessen an der Textgeschichte und aktuelle Ethik verschränken sich.
6. Ergebnis Cranachs Gemälde hat einen guten Ort im Lutherhaus, aber nicht, weil es Luthers Text und Theologie im Kleinen Katechismus vorbereiten würde, sondern weil es zeigt, welch experimentellen Zugang zum Schrifttext die humanistische Renaissance vor Luther eröffnete. Hebräischstudien begannen, und es wurde möglich, den hebräischen Text ins Nachdenken über die Gebote einzubeziehen. Die Septuaginta wurde bekannt, und die Anordnung der Gebote in der Mitte und am Ende des Dekalogs konnte, unterstützt durch Impulse Augustins und Gersons, verändert werden. Cranach, der Künstler, gewahrte in diesem Schmelztiegel von Ideen die Möglichkeit für einen kühnen, eigenständigen Bildentwurf. Er wagte eine humanistisch aktualisierte Abfolge der Gebote und malte sie in seiner Tafel für eine Residenzstadt der Renaissance, die den Gottesdienst ehrte, Eigentum achtete und die Sittlichkeit groß schrieb. Er selber konnte weder Griechisch noch Hebräisch. Aber er partizipierte an den Diskussionen seiner Zeit und bewahrt uns auf diese
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Weise eines der eindrücklichsten Bilder zur Rezeption des Dekalogs samt Einflüssen der Septuaginta beziehungsweise genauer einer spezifischen, heute schon wieder Geschichte gewordenen Diskussion um griechische Textfassungen vom Anfang des 16. Jh. Wer Cranach beim Entwurf seiner Tafel beeinflusste, wissen wir nicht. Nahe liegt, an Gesprächspartner vom kursächsischen Hof und der Universität zu denken, die in Wittenberg blühte. Doch sicher ist eines, nämlich dass nicht Luther der Berater Cranachs war. Zu sehr unterscheidet sich Cranachs Dekalogtext von Luthers Predigten 1516/17 und von Luthers Kleinem Katechismus. Blicken wir zurück, dann stehen der unmittelbar vorreformatorische Cranach und der reformatorische Luther für zwei unterschiedliche Realisierungen des Impulses „zurück zu den Quellen“ aus dem Renaissance-Humanismus: Cranach betreibt keine eigenen Quellenstudien. Ihn interessiert nicht, die Schriftkenntnis theoretisch voranzutreiben. Vielmehr greift er mit dem Auge des Künstlers die Impulse auf, die durch den Humanismus am hebräischen und griechischen Bibeltext entstanden waren. Darauf baut er seinen Bildentwurf. Für ihn, den Künstler, vergegenwärtigt das Bild besser als alles Wort das Anliegen, vor Gott in der Gegenwart recht zu leben. Luther dagegen ist Gelehrter. Trotz aller Neuerungen, die er einbringt, steht er auf den Schultern Heinrichs von Friemar d. Ä. und des späten Mittelalters. Die Vulgata ist ihm tief vertraut. Zugleich vollzieht er einen Schritt über Cranach hinaus. Er lernt für das Alte Testament bei den Hebraisten. Als Konsequenz steht sein Dekalog dem hebräischen Ausgangstext näher als der Text Cranachs. Dafür verlieren sich bei ihm die Sonderimpulse durch den griechischen Dekalog, die wir im zweiten Jahrzehnt des 16. Jh. beobachten. Dankenswerterweise dürfen wir heute beides wahrnehmen und würdigen, die Kraft der Kunst bei Cranach und die Kraft des Wortes bei Luther. Wer wahrnimmt, dass sich die Reihenfolge der Gebote in den hebräischen und griechischen Fassungen von Dtn 5 und Ex 20 in den heutigen Bibelausgaben unterscheidet,87 wird Cranach für seinen Mut, die Diskussion darüber zu eröffnen, hohen Respekt zollen. Und wer sich heute schwer tut, den Dekalog in einer „richtigen“ Reihenfolge zu lernen, darf sich beruhigen: Mnemotechnisch und sachlich sind verschiedene Anordnungen des Dekalogs möglich. Das beweist die Textüberlieferung.
87 Was bes. Schenker, Reihenfolge, und Schmid, Old Testament, in ihren Beiträgen erschließen.
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Autorenverzeichnis Kristin De Troyer, studied philosophy, religious studies and theology at the Catholic University of Louvain, Belgium (1981–1987), PhD in Theology (Old Testament) at the University of Leiden, the Netherlands (1997), taught Old Testament/ Hebrew Bible at the Catholic Seminary in Breda, the Netherlands (1989–1998), Claremont School of Theology and Claremont Graduate University, Claremont, California (1998–2008), University of St Andrews, Scotland, UK (2008–2015) and is currently Professor of Old Testament/Hebrew Bible at the Paris-Lodron Universität Salzburg, Austria. Heinz-Josef Fabry, geb. 1944, Studium der Kath. Theologie und Orientalistik, 1975 Promotion, 1979 Habilitation, 1982–2011 Professor für Einleitung in das Alte Testament und Geschichte Israels an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Jong-Hoon Kim, geb. 1971, Studium der Germanistik und der Ev. Theologie in Südkorea, 2008 Promotion an der KiHo Wuppertal/Bethel, seit 2009 Professor für die Theologie des Alten Testaments an der Busan Presbyterian University in Südkorea. Wolfgang Kraus, geb. 1955, nach Studium der Evang. Theologie Vikar und Pfarrer der Evang.-Luth. Kirche in Bayern. 1990 Promotion in Erlangen, 1994 Habilitation ebd. 1996–2004 Universitätsprofessor an der Universität Koblenz-Landau, Abt. Koblenz, Professur für Altes und Neues Testament und ihre Didaktik, seit 2004 Universitätsprofessor an der Fachrichtung Evang. Theologie der Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für Neues Testament. Siegfried Kreuzer, geb. 1949, Studium der Evangelischen Theologie, 1981 Promotion, 1987 Habilitation, 1991–2015 Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Martin Karrer, geb. 1954, Studium der Ev. Theologie und Germanistik, 1983 Promotion, 1988 Habilitation, seit 1990 Professor für Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel.
292
Autorenverzeichnis
Martin Meiser, geb. 1957, Studium der Ev. Theologie, 1992 Promotion, 1996 Habilitation, seit 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neues Testament an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken. Jonathan Miles Robker, geb. 1980, Studium der Religionswissenschaften und Geschichte, Master’s Studium der Theologie, 2011 Promotion, 2018 Habilitation, seit 2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Alten Testaments der Evangelischen Theologie an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Martin Rösel, geb. 1961, Studium der Ev. Theologie und altorientalischen Religionsgeschichte in Bonn und Hamburg, 1993 Promotion, 1999 Habilitation, 2007 apl. Professur, seit 1993 Akademischer Oberrat für Hebräisch und Altes Testament an der Universität Rostock. Adrian Schenker, geb. 1939, Studium der kath. Theologie an der Universität Freiburg/Schweiz, 1972 Promotion, 1973 Habilitation an derselben Universität, dort Lehrtätigkeit als Lehrbeauftragter, Privatdozent, dann als Titular-Prof. und o. Prof., seit 2005 emeritiert. Marcus Sigismund, geb. 1971, Studium der Geschichte, Kath. Theologie und Wirtschaftswissenschaften, 2002 Promotion in Alter Geschichte, stellvertr. wiss. Projektleiter des DFG-Langzeitprojektes „Editio Critica Maior der Johannesoffenbarung“ am Institut für Septuaginta und biblische Textforschung (ISBTF) Wuppertal und Lehrbeauftragter am Institut für Katholische Theologie der Bergischen Universität Wuppertal. Emanuel Tov, geb. 1941, Studium der Hebräischen Bibel und griechischen Literatur, 1974 Promotion, seit 1986 Professor an der Hebr. Universität, Jerusalem, seit 2009 emeritiert. Frank Ueberschaer, geb. 1972, Studium der Ev. Theologie und der Jüdischen Studien, 2007 Promotion, 2014 Habilitation, seit 2016 Juniorprofessor für Exegese und Theologie des Alten Testaments an der Martin-Luther-Universität HalleWittenberg. Thomas Wagner, geb. 1971, Studium der Ev. Theologie, 2006 Promotion, 2011 Habilitation, seit 2013 Akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal.
Stellenregister Altes Testament Gen 1 1,27a 2 2,12 1,1 2,2 3,9 3,13 4 4,8 9,8–17 9,21 10,17 11,6 14,3 14,13 14,18–20 17 17,14 20,5 21,29 22,12 30,36 31,11–13 31,6 35,22 37,27 37–48 38 38,1 38,25 39,1 40,1 41,1 41,21 42,14 42,36 44,18
33, 37 72 37 55 7 5 202 191 35 53 264 55 55 55 55 108 239, 257 33 108 55 56 202 224 224 56 53 201 52 123 52 55 52 52 52 56 72 56 52
46,28 48,1, 49 49,1 49,10 Ex 3,14 3,15 4 4,14 4,22 6,3 8,16 ff 15,3 15,8 18,21 19 20 20,2 20,2–6 20,3 20,3 f 20,13 20,14 20,15 20,16 20,17 20,21 22,23 22,27 22,28 24 29,45 32 32,10
52 52 118, 122, 123, 125 121 122 281 f 6, 200 72 33 8 211 158 224 32, 34 117 224 224 264 f, 268, 270, 273–279, 281 ff, 285 f 270 268 263, 270, 272 f 271 263, 279, 282 263, 279, 282, 284 263, 279, 282 266 ff 225, 264, 273–276, 278 224 8 7 34, 42 254 33 180 224
294 33 33,12 Lev 8,31–11,40 9,2 9,9 10,17 11,6 11,9 16 20 20,10 Num 3,39 9,10 11,33 12,8 21,5 22–24 22–24G 22,5 23 23,21 23,23 24 24,4 24,6 24,7 24,7G 24,14b 24,17 24–17 Dtn 1,13 4,2 4,23 4,30 5,6–10 5 5,7
Stellenregister
213 158 150 63 3 45 45, 55 55 63 254 283 72 53 53 8 204 f 205 118 121 113, 121 111 113 f 191 111, 119, 122 189 116, 189 33, 111, 113, 115, 117 f, 121 ff 121, 209 121 33, 111, 113, 119, 120 ff 122, 125 33,108, 281 224 200 108 121, 209 269 ff. 270, 273–276, 279, 281, 283, 258 f. 270 ff.
5,17 5,17–19 5,18 5,18 f.G 5,19 5,20 5,21 5,22 5,28–31 8,4 9,20 11,24 f. 11,29 11,29a 11,29 f. 11,30 12,5 12,14.16 13 13,2–6 17,2 17,17 18 18,9–14.20–22 18,10 f. 18,11 18,14 18,18 18,18–22 18,22 26,5 27 27,2b–3a.4a.5–7 27,4 29,4 29,24 31,16 31,17 31,29 32,2 32,18 32,18a 32,36 32,43LXX 33,29 34, 11
279 282 225, 279 281 279 266 ff. 276 275 224 245 224 119 221 225 221 225 224 225 205 191, 198 108 108 f 198 198 191, 196 205 191 195 224 194 6 233 225 221, 224 245 108 108 8 121, 209 117 211 211 116 240 119 195
295
Stellenregister
Jos 1.2a.3*4ab.5,7a. 14.15a.20b. 21–24a 1,3 1,8 1,15 2 2a.3.4ab*5.7a. 8a.10.12a. 2,1 2,2 2,3 2,5–8.10. 17–18.20 2,6 2,9 2,10 2,13 2–13 3,10 3,12 4,2 4,5 5,2 6 6,1–20 6,2–25 6,3 6,3–7,10 6,3b 6,3aα 6,3aβ 6,3b 6,3b.6 6,3.4.7.14.15 6,3.11.14 6,4 6,5–10 6,5a 6,5b 6,6 6,6a 6,7 6,7b 6,8 f. 6,8a.b 6,8c
85 119 139 141 85, 144, 148 85 145 142, 146 145 f 77 147 146 142 145 85 141 81 81 81 78 81, 85 79,91 81, 92 80, 81, 82, 86 86 87 81 81 81 81 80 81 82, 88, 89 83 86 86 86, 89 87 83 86 86 86 86
6,9 6,10 6,11 6,12 6,13 6,13 f. 6,14 6,14a 6,14b 6,15 6,15a–b 6,15b 6,15c 6,15 f.20 6,16 6,16b 6,16bα 6,20a 6,21 6,21–25 6,22 6,26 7,9 7,21 8 8,1–10 8,30–35 9,2 9,14[20] 10 10,2 10,15.17.23 10–22 10,37 10,42 12 f. 13,22 14,9 15,3.10 15,7–17,1 16,6 17.14.17 18,1–10 18,14 18,28 19 19,14 19,20 f.
86 87, 137 80, 82, 87 82 83 135 82 87 82, 87 82 87 82 87, 89 87 82, 87 88 87 88 88 88 146 88 80 81 85, 221 78 78, 90 78, 81 139 79, 90, 138 81 80, 90 138 142 881 87 191 119 80 138 80 81 92 80 72 136 80 136
296
Stellenregister
19,29–24,33 19,39 19,44 19,49 f. 20 20,1 21,42 21,42a 20,4 22,9–34 22,14 22,30 23,10 23,14 24,33a.b
133 24,33 137 f. 78 79, 91 137 78 77 81 84, 91 81 81 81 81 77
1 Sam 1,3 9,7 11 11,1 14 15 16–18
56 116 48, 154, 169 62, 67 93 117, 118 49
2 Sam 1–12 2,2–8 4,1–5 6,10–16 7,4 11 f. 11,1 11,2–1 Kön 2,11 12 12,2 13 ff. 13,1 14 f. 15 15–19 15,1–12 15,1–19,9 20,23–26 22 24,18
151
167 155, 170 17 17 17 240 93 62, 68 14, 22 16, 170 16 93 93, 110 154, 170 16 12 14, 23 9, 23, 153, 155, 169 16, 24 49 225
Richter 1,34 f. 5,5 10,7
77 117 8
Rut 1,22 3 3,18 4,17 4,18–22
52 52, 67 52 52 52
1 Kön 1–4 2–11 3–10 3 3,6.7.8.9 3,15 3,20 f. 4,17–19G 4,18.19.17M 5 5,1M 5,2 f.,4–6.7–14G 5, 2–4–7 f.9–14M 5,14a–32G 5,15–30.32b M 5,20[6] 5,20[6].23[9] 5,31–32a M 6–8 6,1a–1dG 6,4 f.6 f.8.9–15. 16–34G 6,2 f.4–10.14. 15–38. M 7,1–6.7.8 f.10 f. 12 f.G 7,13–18.19 f.21. 23 f.25.26M 7,1–12.27–51M 7,17–37.38–50G 7,49[35] 8,1–5G 8,1–53 8,1 8,2
11 94, 110 94 93 162 190 165 165 94 165 165 165 165 165 162 161 165 94 165 165 165 165 165 165 165 164 164 VIII, 153, 155 156 156
297
Stellenregister
8,3–5G 8,3 8,5 8,6 8,7 8,8 8,9 8,10 8,11 8,12 f. 8,14 8,15 8,16 8,17 8,18 8,18 8,19 8,20 8,21 8,22.31 8,22 8,23.24.25.26².29. 36.52.56.66 8,23.25.28.33.46 8.23.24.25.28². 29.36 8,23 8,24 8,25 8,26.28.32 8,26 8,27 8,28 8,28bβ 8,29 8,30 8,31 8,32 8,32aβ 8,33 8,34 8,35 8,36 8,36 aβ 8,37 8,38 8,39 8,41
165 156 163, 164 156 156 156, 160, 164 156, 160 156, 160 156 164 156, 160 156, 166 160, 166 166 156, 166 VIII, 71–76 156, 160 156, 160 156 164 160 161 164 162 156, 160, 161, 166, 167 161 156, 160, 161 161 156, 161, 162 160 160, 161, 162 159 156, 160, 161 156, 161, 166, 167 156, 160 156, 160, 161, 162, 166 158 156 156, 166 160 160, 161 156, 158 156 156 156 164
8,42 8,43 8,43M 8,44 8,46 8,47 f. 8,47 8,48 8,49 8,62 8,64 9,1 9,15.17–19. 20–22M 9,22 9,25 9,27 f. 10 10,5.8.13 10,5.8 10,8 10,13 10,22G 10,26aG 10,29 11 11,1–13 11,1–13G 11,1–8 11,1–3M 11,3–8G 11,1 f.G 11,1 11,1G 11,1c 11,2 11,2G 11,3 11,3G 11,3aG 11,3b 11,4.3.7.5.8.6M 11,4–8G 11,4–6M 11,4 11,4G 11,5–8G 11,5–7G
160 166, 167 158 156, 160, 166 156, 158, 160 156 156 156, 159 156, 160, 164 164 164 164 165 161 164 161, 162 94, 98, 102, 109 162 162 164 162 165 165 96 94 94, 95 f., 100, 102, 192 VIII, 93, 98 109 95, 106, 108 165 102, 103, 108 95 96, 99, 102 95 96, 102, 105 99, 108 96, 102 102 102 95 165 100, 103, 104, 106, 108 97, 107 96, 102 99, 100, 102, 103 103 100, 104
298
Stellenregister
11,5M 11,5G 11,6 11,6G 11,7 f.M 11,7G 11,8G 11,9–13 11,9G 11,10G 11,11.13.26.32. 34.36.38 11,11 11,11G 11.14 11,12 f. 11,12G 11,17 11,23–38 11,26 ff. 12,6 12,7 12,8 12,21 14,5 14,25 f. 15,18 15,23 15,29 18,12.36 20G 20M 20(21),6.12.23.31 20(21),9.32.39 f. 21G 21M 22,10 22,19 22,12 22,21 22,49 23,3
97, 104, 107, 109 99, 104 97 103, 104 97, 104, 107 99, 104 99, 100, 102, 104 97, 104, 107 100 100 161 105 100 110 100, 105 100 162 192 97 164 162, 162 164 162 162 192 161 193 161 161 165 165 162 161 165 1665 164 164 162 164 192 164
2 Kön 6,8–19 7,1–8 11 12,21
16 16 164 193
14,12 14,25 17,13 17,17 18 18,22 21,23 22 f. 23,30
164 192, 204 196 191 164 164 162 225 162
1Kgt 1–4 3,21 6,2 7,16 12,3 22,5 28,8
150 194 191 194 194 190 191
2Kgt 1,21 15,18 24,11 24,19
208 207 190 190
3Kgt 2–11 12,24 16,12
94, 110 192 190
4 Kgt 23,24
191
1 Chr 6,33 17,13 21,8 21,9 25,1–6
158 240 72 190 190
2 Chr 1,3 162 2,7[8].9[10].14[15] 162 2,7[8] 162 4,20 164 4,38 156 5,2–6,42 VIII, 153, 155 5,1b–13 156
299
Stellenregister
5,2–6ab 5,2 5,4 5,6 5,7 5,8 5,9 5,10 5,11 5,12 5,13 5,14 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5b–6a.40–42 6,5 6,7 6,8 6,9 6,10 6,11 6,12.22 6,12 6,14 6,14.15.16.17.19. 20.21.12.23.31 6,14.16.19.24.36 6,16 6,17 6,18 6,19 6,19bβ 6,20 6,21 6,22 6,23 6,23aβ 6,24 6,25 6,26 6,27 6,27aβ 6,28 6,29 6,30
164 156 156 163, 164 156 156 156, 160, 164 156, 160 160 190 156 156, 160 164 156 156, 160 156, 166 156 160, 166 166 VIII, 71, 72, 73, 74, 89, 156, 166 156, 160 156, 160 156 164 160, 163 156, 160, 163, 166, 167 162 164 156, 163, 160 156, 162 160 160, 162, 163 159 156, 160, 167 156, 166, 167 160, 163 160, 162, 166 158 156, 163, 164 156, 166 160 160 158 156 156 156
6,31 6,32 6,33 6,33G 6,34 6,36 6,36bαG 6,23 6,37 f. 6,38 6,39 6,41 f. 7,4 7,7 7,17.19 8,9 8,12 8,18 9,4.7 9,7 9,22 9,29 10,6 10,7 10,8 12,2 12,5 15,1 16,2 16,3 16,7 18,19–21 18,9 18,20 19,2M 20,37 21,12–15 23,17 24,6 24,17–25 24,20–22 24,25 25,3 25,22 26,28 28,10 29,25 29,30G
156 160, 164 166 167 156, 160 156, 158, 160, 163 158 156 156 156, 159 156 161 164 164 164 162 164 162 162 164 162 190 164 162 164 192 192 192 192 108 162 191 164 164 190 192 192 164 162 193 192 162 162 164 190 162 190 190
300
Stellenregister
32,12 32,32 33,18 f. 33,18 33,24 34,18 34,20 34,27 34,31 35,15 35,24 35,25 36,15 f. 36,20
164 190, 192, 194 192 190 162 164 162 164 164 190 162 192 193 162
3 Chr
6,39
Esr 4,23 5,1 5,8.15 6,14 8,10
116 116 193 193 72
Neh 6,12 6,14 9,21 9,26.30 13,28
193 193 245 196 220
Hi 9,34 12,19 14,11 30,13 33,19 36,28 38,27 39,2
56 56 116 56 56 117 56 56
Ps 2,7 2,7G 6,8 8,6 18,47
211 240 244 34 56
24[25],14 25,5.9 27,13 31,3 41[42],8 44,7 f.G 50[51],6 76G 77G 78,16.44 90 91,13 96,7G 101G 101,2–18G 101,26–28G 102 102,1 102,2–12 102,11 102,13–23 102,25–27 102,25 102,26–28 102,26 102,27 102,28 103,4G 104,2 104,24 107,7 109G 109,1G 117,35 132,10 f. 132,10 147,9[20] 147,18
158 119 53 244 158 240 158 192 192 117 243 119 240 VIII, 240, 245 245 240, 242, 243, 245 VIII, 239, 240, 243, 245 243 243 243 244 244 242, 243 244 244 244 18, 240 245 243 119 239, 257 240 119 161 161 158 117
Prov 5,15 20,14 31,29
117 116 56
Hld 4,15 f.
117
301
Stellenregister
Jes 1,1 1,2 2,1 2,2 3,2 3,12G 5,28 6 6,1G 7,9 7,9G 7,10–14G 7,17 8,19b 11,15 13,1 14,3–19 14,19G 15,1 19,1 19,7 21,15 28,7 29,4 30,6 31,2 32,6 34,4 34,16 36–39 38,8 40,15 40,22 42,16 44,9 44,11 f. 44,25 44,33 45,8 48,16 48,21 51,3 51,6 52,7 54,16 62,4
212 211 203 121 191 205 119 172, 180, 183, 186, 195 213 206 207 188 198 205, 211 119 190 208 190 190 188 119 189 205, 211 190 204 204 244, 245 56 190, 192 195 117 245 119 191 72 203, 205 117 117 119 117 116 245 198 198 213, 213
63,3 63,19 64,1 65,17 66 66,22
119 213 213 245, 256 195 256
Jer 1,1 1,9.17 6,13 7,30 8,3 8,7 9,17 13,7 14,14 15,16 16,15 16,21 18,14 23 23,3.8 23,20 23,25 24,9 25,30 26,6 27–29 27,11 29,5 30,24 33,20 34 34[27],7 34[27],9 35 36 36[29],8 36[29],12 38,31–34G 45,27 48,33 49,39 50,14.29 51,3.33 51,29
203 200 205 56 201 56 117 201 191 211 201 158 117 205 201 121 211 201 119 58 58, 61, 68 197 116 121 58 205 200 191 205 205 191 197 205, 257 203 119 121 119 119 203
302 Ez 1–20 1–10M 1 f. 1M 1G 1,4G 1,4–28 1,4aM 1,4aG 1,5M 1,5a M 1,6M 1,6–10M 1,6G 1,7G 1,8–10 1,8–10G 1,8a G 1,8 M 1,9G 1,9M 1,10M 1,11 1,11M 1,11G 1,12G 1,12M 1,13M 1,13G 1,14M 1,14G 1,18M 1,20M 1,20G 1,22M 1,23M 1,24 f.M 2,3 2,9 f. 3,1M 5,11M 7,1–11M 8–11 8,2
Stellenregister
172 175 171 VIII, 171, 172, 174, 175, 176, 179, 182, 183, 184, 185 VIII, 171, 175, 176, 179, 180, 181, 182 178, 183 172, 173 177 177 172, 173 178 173, 179 174 178, 179 180 175 179 179 179 179 173, 179 174, 180 57 173, 175 179, 180 179 173 173, 177 177, 179 178, 183 178 174 178 178 175, 176 173 184 211 211 211 212 188 172, 185 213
10 10,14 11,2 11,7 12,7 12,24 13 13,7 13,9 13,11 13,20 14,14 16,45 16,53 20 21,25–28[30–33] 22,8 22,28 30,17 34,17 38 f. 38 38,16 40–48 44,15 45 f. 45,17
172, 184 180 204 204 203 191 196 191 191, 196 57 57 195 212 57 57 188 191 191 207 57 117, 118, 124, 209 118 121 201 198 122 188
Dan 1,17G 1,8 2,1.7 2,1 2,7 2,17.24 2,19 2,23G 2,25G 2,26G 2,28G 2,29G 2,30G 2,45 4–8M 4–6G 4,10 4,15 6,6[8]
189 193 190 211 211 116 189 158 158 158 158 158 158 199 189 189 189 158 210
303
Stellenregister
6,19 f. 7 7,1 7,2G 7,16G 8,1 8,1G 8,16 9,6 9,21G 10,14 Hos 1,9 2,5.9.12.15[7.11. 17.17] 2,13[15] 2,18 3,5 4,2 4,2G 4,9 5,10.15 6,4 6,7 6,9[8] 7,7.12 7,13 8,4 9,7 9,12 10,11 10,13 11,1 11,2.8.9 12,9 13,6.10 13,6 14,2 Joel 1,4 2,3 2,11 2,27 2,28 3(4),7 3[4],16
116 183 190 189 158 189 189 190 204 190 121 200 200 201 201 121 283 281 200 200 200 200 204 200 200, 205 200, 202 200 201 200 200 211 200 200 203 200 209 116 200 200 211 201 200
Am 1 f. 1,1M 1,1G 1,5 1,6 1,9 2,1 2,9 3,9 4,2 4,3 4,8 4,13 5,1 5,26 f. 7,1G 7,2 7,4 7,7 7,8 7,8a 7,10 7,12 7,13.17 7,14 7,16G 8,1 8,9 8,10M 8,10G 9 9,1 9,7 9,11 f. 9,12 9,13 9,14
206 206 206 207 207 63 63 200 205, 206 208 56 201 119 203 198 209 210 63 202 212 200 63 63 200 206, 207 199 63 210 193 193 187, 215 202 63 187, 189, 215 189, 201 63 116
Obd 17 18
200 200
Jona/Jon 1,2 1,5 1,9 2,1
200 200 203 202
304
Stellenregister
2,3.5 2,10 2,11 3,1 3,4 4,2
200 200 202 211 63 204
Mi 1,2 1,3 1,7 1,8 1,8M 1,8G 2,11–13 2,12 f. 3,2 3,7 3,11 4,1 4,2 4,5 4,9 5,3 5,6 5,8.10[9.11] 5,12[13] 5,14 6,1 6,2 6,7.13 6,15 7,9 7,16 7,18
210, 212 119 201 212 212 212 204 204 200 191, 204, 205 191 121, 209 201 200 201 201 63 200 200 212 63 212 200 201, 208 63 212 210
Nah 1,1
203
Hab 1,1 2,3 f. 2,6 3,1 3,13 3,15 3,19
203 239 203, 257 63 119 119 119
Zef 2,5 3,16a
207 203
Hag 2 2,1 2,6 2,6.21 2,6.21M 2,6.21G 2,9 2,21
249 250 250 249 249 249 250 250
Sach 2,15 4 5,1M 5,2G 6,1–7 9 9,13 9,14 10,2 13,2 13,7 14,14–21 14,14
210 172, 186 210 210 183 119 119 202 189, 191 206, 207 198 188 188, 207
Jdt 9,7
32, 41
Tob 1,8 2,6 6,13 14,4G
193 193 193 194
Sir 19,19 24 24,33 31[34],5 36,20 39,1 46, 14 46,20 47,1
193 193 196 196 190, 194 194 194 194 195
305
Stellenregister
47,12 47,24 f. 48,10 48,15 f. 48,17B 49,9
195 194 195 196 209, 210 195
Bar 1,21 2,20 2,24
197 197 204
4,2–6 4,4
248 193
1Makk 1,11–15 14,41
208 194
2 Makk 7,3 7,6 9,28
209 203 192
Neues Testament Mt 2 2,2 5,28 19,18
120 119 264 281
Mk 10,19
281
Lk 23,43
116, 255
Röm 13,9
281, 282
2Kor 12,4
116
2Petr 3 3,8 3,13
254, 256 256 246
Hebr 1–6 1 1,1–14 1,1–4 1,1–2a. 1,2b–13 1,2b–4 1,3.13
239, 257 240 239 239 239, 248 239, 240 240 239
1,5–13 1,6 1,7 1,8 1,10–12 1,11 1,11a 1,12 1,12b 1,12c 2,8 3,7–4,11 4,11 4,14 4,16 7–10 7,12 7,22 7,26 8,1 8,6–20 9,23 9,25 ff. 9,27 9,28 10,12 10,16.29 10,19–13,25 10,22 10,25 10,36–39
240 255 18 255 240, 242, 243, 244, 245, 246, 250, 252, 253 244, 247, 253 246 244 246 246 254, 255 247 252 251 248 254, 255 251 248 251 239, 251 248 251 255 251 255 239 248 251, 257 248 255 255
306 10,37 11,1 12,2 12,18–29 12,18–24 12,23–25 12,24 12,25–29 12,25–27 12,25 12,26 12,26 f–28
Stellenregister
255 248 239 247 247, 248 251 248 242, 247, 250, 254, 255 246 249 247, 249, 250 249, 250, 252
12,27 f. 12,27 13,8 13,20
254, 256 246, 247, 250, 251, 253 243 248
Offb 2,7 6,4 20,11 21 21,1 21,2
116 244, 245 245 247 245, 256 248
Apokryphe Literatur 1 Esr 1,26 1,30
193 193
4 Esr 5,50–55 7,26 8,56 13,36
245 248 248 248
ApkEl 43,13
256
1Hen 52,1
183
2 Clem 16,3
253
Jub 1,12
196
Schriften vom Toten Meer 1QIsaa 1QIsab (= 1Q8) 1QapGen ar (= 1Q20) 1QSI 1–3 1QSI 3 1QSVIII 15 4QExa(4Q1) 4QExod–Levf 4QGen–Exod² 4QGenc (= 4Q3) 4QGene (= 4Q5) 4QpaleoExm (= 4Q22) 4QNumb (= 4Q27) 4QDtnj (=4Q37) 4QDtnf (=4Q33) 4QDtnk1 (=4Q38)
46, 59 59 52 198 198, 203, 204 198, 203 223 29 29 52 52 29, 224, 230 118, 224 224 55 224
4QDtn (=4Q41) 4QJosha (= 4Q47) 4QJoshb (= 4Q48) 4QSama (= 4Q51) 4QSamc (= 4Q53) 4QIsac (= 4Q57) 4QJera (= 4Q70) 4QJerb (= 4Q71) 4QJerc (= 4Q72) 4QJerd (= 4Q72a) 4QEzb (= 4Q74) 4Q84 (= 4QPsb) 4QLXXLeva (= 4Q119) 4QpHabII7–10 4QpHabVII1
224 83, 84, 92 92 48, 49, 57, 58, 59, 66 48 59 58 58, 223 58 58 175 243 22 198 198
Stellenregister
4QpHabVII,2 4Q158 (= 4QRPa) 4Q166II 4Q175 (= Test) 4Q339 (= List of False Prophets) 4Q364 (= RPb) 4Q364–367 (= RPc–e) 4Q375 (=apocr Mosesa) 4Q376 (=apocrMosesb) 4Q385 (= psEzeka) 4Q390 4Q397 5/6ḤevPs 8ḤevXIIgr
198 58, 195 198 224 198 195 195 198 198 180 198, 204 194 46 154, 168, 169
307
4QpaleoLev (= 11QpaleoLeva) 230, 235 11Q05 198 11Q05XX 14 211 11Q2–18 175 11Q5 (= 11QPsa) 54, 69, 243 11Q13II18 198 11Q13III15 198 11Q17 (= 11QShirShabb) 183 11QT19LIV8–18 198 11QTLX16–LXI5 198 11Q20–31 175, 185 Mas1b (= MasLevb) 45, 46, 55, 63 Mas1d (=MasEzek) 46, 63 Mas1e (=MasPsa) 46, 60 MurXII (= Mur 88) 52, 63
Autorenregister Adams, E. (244), (247), (251), 256 Adna, J. (187), 214 Aejmelaeus, A. (11), (12), 17(17), 22, 23, 24, (29), 31(31), (33), 34, (35), 39, (59), 66, 80, 84, 91, 92, (128), (151), (200), 214, Aitken, J. K. (33), 35(35), 39, 41, (50), 70 Albertz, R. (189), 214 Albright, W. F. (48), 65, 222 Andersen, F. I. (50), 54 (54), 55, (57), 65, (202), (206), (209), (212), 214 Anderson, R. T. (219), (221), 234 Anderson, G. W. (63), 67, 68 Ariel, Ch. 54, 65 Armand, K. (25), 41 Attridge, H. (247), (251), 256 Augustin, M. (157), 169 Auld, A. G. (36), 39, 79(79), 87(87), 89 Ausloos, H. (59), 70, (84), 91, (113), 124, (239), 257 Backhaus, K. 239, (240), 241(241), 242(242), 253(253), (254), 255(255), 256, 257 Ballhorn, E. (197), 214, Bar-Asher, M. 58, 65 Barker, J. W. (45), 69 Barr, J. (32), (33), (38), (39), (54), (56), (62), 65 Barth, H. (49), 66 Barthélemy, D. 14(14), 15(15), 17, 22, 23, 45, (46), (47), 66, (128), 151, 154(154), 168, 169 Basse, M. (262), (263), (266), (271), 286 Bautz, F. W. (263), 286 Becker, J. (172), 185 Becking. B. (232), 234 Begg, C. (84), 89 Begrich, G. (259), (280), 288 Belenkaja, E. (239), (241), 257 Bendavid, A. (157), 169
Ben-Hayim, Z. 227, (230), 234 Bentzen, A. (46), (49), 66 Ben-Zion, I. 234, (234) Bernstein, E. (277), 286 Bertram, G. 25(25), 26(26), 39 Bieberstein, K. 79(79), 90 Bierende, E. 261, (262), 286 Blass, F. 169 Block, D. (173), (185) Böhler, D. (35), 42 Böhm, M. (220), 234 Bonney, G. (37), 40, Bons, E. 38(38), 39, (201), 214, (239), 257 Boyd-Tayler, C. (199), (200), 214, 216 Braulik, G. (275), 286 Brennecke, H. C. (20), 22 Brock, S. P. (12), (15), 22 Brooke, A. E. (71), (73), 76, (82), 90, 128, 134, (136), 139, (141), (147), 149, 151 Brooke, G. J. (79), 91 Braun, H. 242(242), 243, 249, (253), 257 Brucker, R. (239), (244), 257 Brülle, A. (232), 234 Burney, C. F. (46), 66 Busto Saiz, J. R. (11), 22, (71), 76, (154), 169 Carr, D. M. 106, 110 Caulley, T. S. (38), (39), (188), 217, (239), 257 Charlesworth, J. H. (221), 234 Chazon, E. G. (219), 235 Childs, B. (49), (65), 66 Cimosa, M. 27(27), (37), (39), 40 Clines, D. J. A. (30), 40, (50), 70 Cohen, M. (55), 66 Cohn, L. 151 Collins, J. J. (112), 113, (114), 123(123), 124, (219), 235 Cook, J. 27(27), (29), 31(31), (36), (39), 40, (196), 216, (239), 257
310
Autorenregister
Crawford, S. W. 219, 230(230), 235, 237 Crokkett, W. D. (157), 169 Cross, F. L. (15), 22, (49) Cross, F. M. 48(48), 57(57), 66, (154), 169, (181), 185, 222(222), (232), 235 Cox, C. (59), 66, (112), 124, (139), 151 Dafni, E. G. 31(31), (35), 40, (206), (207), 209(209), 214 Dahmen, U. (220), 236 Dahood, M. J. (50), 66 Dávid, N. (45), (219), 235 Davies, G. (25), 42 Debrunner, A. 169 Deconinck, J. (130), 151 Deissmann, A. (25), 26, 40 Deist, F. E. (46), 66 De Boer, P. A. H. (46), 66 De Lagarde, P. A. 18, 22, 62(62) De Troyer, K. (17), 23, (30), 40, (59), 66, 79(79), (80), (84), (86), (87), 90, 91,92, (127), 151, (219), 235, 291 Delitzsch, F. 57, 67 Dell, K. J. (25), 42 Den Hertog, C. 77(77), 91 Devreesse, R. 151 Dexinger, F. (221), 236 Dines, J. (16), 22, (30), 40, 187(187), 214 Driesbach, J. (57), 66 Driver, S. R. (46), 66 Dogniez, C. (202), 205(205), 211, 214 Douglas, A. 34(34), (36), 40 Dorival, G. (114), 124 Doyle, B. (30), 40 Dusek, J. (221), 235 Ebeling, F. (181), 185 Ebeling, G. 31(31), (32), 40 Ego, B. (51), (193), 214 Eisele, W. 241(241), 247(247), (250), 251(251), (252), 253, 255(255), 257 Eissfeldt, O. 47(47), 66 Ellerbrock, U. (181), 185 Ellingworth, P. (247), 257 Emerton, J. (25), 42, (49), 67, 79, 89 Engel, H. (197), 214 Engberg-Petersen, T. (27), 42 Eshel, E. 224(224), 230, 235
Eshel, H. 224(224), 230, 235 Exum, J.Ch. (30), 40 Fabris, R. (27), (39) Fabry, H.-J. (35), (36), 40, 42, (210), 217, (220), 236 Fassberg, S. E. 55(55), 66 Feldmeier, R. 38(38), 40 Festorazzi, F. (27), (39) Fernández Marcos, N. 11(11), (15), 22, (59), 66, 69, (71), 76, (128), (129), (130), 151, (154), 169, (276), 286 Field, F. 153(153), 169, 230(230), 235 Fischer, A. A. 3, 4(4), 22, (46), (47), 66, 70 Fischer, B. (264), 289 Fischer, I. (240), 257 Fitzmyer, J. A. (194), 215 Florentin, M. 227(227), 237 Forbes, A. D. 54(54), (55), 65 Fraenkel, D. (128), (130), 131, 152 Frankel, Z. (25), 40, (111), 124 Freedman, D. N. (50), 56(56), (57), 65, 67, (202), (206), (209), (212), 214, 230(230), (232), 235 Frevel, C. (222), 237, (275), 286 Frey, J. (219), (220), (221), (223), (232), (233), (234), 236, 237, (240), 258 Friedländer, M. (259), (262), 286 Fritz, V. 85(85), 90 Gäbel, G. 241(241), 257 Gall, A. F. von 226(226), 228, 229, 233, 235 Gallagher, E. L. (224), 235 Gauthier R. (27), 40 Geiger, A. 25(25), 40, (59), (64), (65), 67, 75(75), 76 Geerlings, W. (269), (278), 286 Gerth, B. 170 Gese, H. (60), 67 Gesenius, W. 223, 234, 242 Gialouris, N. 182, 185 Giles, T. (219), 234 Ginsburg, C. D. (46), 66 Girón Blanc, L. F. 226(226), 228, 235 Glaue, P. 231(231), 235 Glenny, W. E. (29), 187, (200), (201), (202), 206(206), (207), 209(209), (210), 215
Autorenregister
Gracia Martinez, F. 79, (84), 91, (175), 185, (188), 215, (239), 257 Graupner, A. (275), 286 Gräßer, E. 245, 246, 252(252), 253(253), 254(254), 256(256), 257 Gray, G. B. (119), 124 Green, W. S. (112), 124 Greenberg, M. (49), 67. (171), (172) Greenspoon, L. J. (45), 69, (135), 151 Goff, M. (219), 235 Gunkel, H. (50), 67 Heckl, R. 182, 186 Heckel, T. K. (204), 215 Harl, M. (204), 215 Harlow, D. (219), 235 Harrison, R. K. (49), 67 Hartensrein, F. (38), 40 Hanhart, R. (8), 24, (71), (73), 76, (136), 138, (147), 152, (188), 208, 216, (276), (289) Hausherr, J. 2 Hauspie, K. (112), (123), 125 Halperin, D. J. 180(180), (183), (184), 185 Hammerstaedt-Löhr, A., (173), 185 Henceforth (47) Hentschel, G. 97(97), 110 Hemerén, G. (172), 185 Heydenreich, G. (261), (264), 286 Himbaza, I. 19(19) 22 Höhne, E. (172), 185 Hofius, O. 241(241), (251), 257 Hoffmann, H.-D. 97(97), 110 Hoffmann, K. (265), 286 Hoftijzer, J. (117), (124) Hogan, K. M. (219), 235 Holmes, R. (134), 136, 139, (141), 150, 151 Homer, H. 180, 181 (181), 186 Horbury, W. 122(122), 123(123), 124 Hornkohl, A. D. (58), 60, (61), 67 Holsing, H. 260, 286 Hossfeld, F.-L. (243), 257, (275), 286 Hugo, P. (15), (16), 22, 23, (45), 69, (155), 170 Huß, R. 257 Jansma, T. (46), (47), 67 Janowski, B. (38), 40, (252), 257
311
Jastram, N. 230(230), 235 Jeremias, J. (33), (38), 40 Jobes, K. H. (16), 22, (35), 40 Joffe, L. (60), 67 Jongeling, K. (117), 124 Joosten, J. 27(27), (28), (29), (30), (31), 40, 41, (58), 67, (199), 200(200), (201), (207), 214, 215, 231(231), 232, 235, (239), 257 Kahle, P. (47), 67, (75) Kaminka, A. (25), 41 Karo, G. (130), 151 Karrer, M. (7),(9), 10(10), 11, (16), 23, 24, (27), (30), (32), (37), 40, 41, 42, (77), 91, (155), (161), (164), 169, (173), 185, 187, (188), (203), (205), 214, 215, 216, (239), 240(240), (244), 245(245), 246(246), (255), 257 Kartveit, M. 219, (232), 236 Kalms, J. U. (32), 42 Kaminsky, J. (219), 235 Kattenbusch, F. 31, 41 Kearney, J. (227), 236 Kegler, J. (157), 169 Keil, C. F. (57), 67 Kim, J.-H. 5(5), 9(9), 12, 14, (16), 23, (153), (154), (155), (157), (158), (159), (160), (161), 165(165), (167), (168), 169, (203), 215 Kim, K.-R. 228(228), 236 Keel, O. (172), 186 Klappert, B. (252), 257 Klopfenstein, M. (27), 43 Knibb, M. A. (27), (31), 39, 41, (112), (114), (118), (122), (124), 125, 187, (200), 209(209), 214, 215 Kraft, R. A. 29, 41 Kraus, H.-J. (60), 67 Kraus, W. (5), (7), (9), 10, 11, (14), (17), 23, 24, (27), (30), 32, (37), 38(38), 40, 41, 42, (77), (79), 90, 91, (132), (152), (155), (161), 164, 169, 170, (173), 185, (187), (188), (202), (205), 214, 215, 216, (231), 235, (239), (240), (244), (247), (248), (252), (254), 257, 258, (268), 288 Kreuzer, S. (6), (10), (11), (13), (14), (15), (16), (17), (19), 22, 23, 24, (30),
312
Autorenregister
(37), (38), 39, 41, 42, 77, (93), 110, (127), (128), (130), (148), 151, (153), 155(155), (157), (165), (168), 169, 170, (199), (201), (203), (210), 215, (216), 220(220), (231), 235, 236, (239), 257 Karlstadt, A. B. von 268(268), 269(269), 277, 286, 288 Köckert, M. (275), 286 Koerner, J. L. (260), 286 Koh, Y. V. (25), 42 Kolb, K. (259), (262), (269), 287 Konkel, M. (173), (185), (188), 211(211), 212(212), 213, 215 Korpel, M. C. A. (173), (185), 188, 211(211), 212(212), (213), 215 Kroll, J. (181), 186 Kruse, J.-M. (268), (269), 287 Kühne, H. (262), 287 Kühner, R. 170 Labuda, A. (280), 287 Lagarde, P. A. de 18(18), 22, 62(62), 67, 73, 153, 170 Lane, W. I. (252), 258 Lange, A. 51, 69, (80), 83(83), 90, 91, 219, 235 Lange, M. (34), 42 Lange, N. de 286, 276 Laun, C. (262), 287 Law, T. M. (17), 23, (26), (30), 41, (80), (84), 91, 92, (127), 151 Lee, J. A. L. (30), 41, (115), 124 Leiner, M. (252), 257 Leith, M. (181), 186 Lemaire, A. (16), 24, 27, 40, (60), 69, (106), 110 Lemche, N. P. (27), 42 Lesch, J. P. (11), 22, (201), 216 Levine, B. A. (50) Levin, C. 85(85), 91, (275), 287 Lichtenberger, H. (38), 39, (188), 217, (239), 257 Lietzmann, H. (130), 150, 151 Liljeström, M. 17, 23, 80, (84), 91, 92, (127), 151 Loretz, O. (28), 42 Ludolphy, I. (269), 287
Lüpke, J. von, (262) ,287 Loader, W. R. (255), 258 Louw, T. A. W. van der (189), (211), 215 Lust, J. 112(112), 113, 122, (123), 124, 125, (171), (172), (177), 185, 186, 188(188), 215 Luther, M. 259, (260), (262), 266(266), 267(267), (268), (269), 270(270), 271, 272, 273, 277, 278, 280, 283, 284, 285, 287 Macintosh, A. A. (57), 67 Magen, Y. (232), 236 Maier, J. 85(85), 91 Mansoor, M. 67, 45 Marböck, J. (195), (196), 215 Margolis, M. L. 128, (128), 131(131), 133(133), 134, 135(135), 136, 137(137), 138(138), 139, (140), (141), 143(143), (147), 149, 151 Marti, K. (57), 67 Marttila, M. (230), 235 Matthews, K. A. 230(230), 235 Mazor, L. 79(79), 91 McCarter, P. K. 57(57), 67, McCullough, W. S. (15), 24 McDonald, L. (50), 69 Mackie, S. D. (241), (251), 258 McKendrick, S. (29), 41 McLay, T. (32), 35, 36(36), 41 Meiser, M. 11, (16), (19), 22, 23, (27), (30), (32), (37), (38), 40, 41, 42, 94, 110, (132), 152, (161), (168), 169, (203), (212), 215, 216 McLean, N. (71), (73), 76, (82), 90, (128), 134, (136), 140, (141), (147), 149, 151 Méritan, J. (49), 67 Milgrom, J. (50) Miller, Y. (219), 235 Miller-Naudé, C. 55, 66 Misgav, H. (232), 236 Mizrahi, N. 62(62), 67 Moisés, S. (16), 22, (35), 40 Mor, M. (225), 236 Morgenstern, M. 198(198), 216 Mulder, M. J. (72), 76 Munnich, O. (14), 23, (155), 170, (202), 214
Autorenregister
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Murtonen, A. 54(54), 68 Müller, M. (26), (27), (33), 36(36), 41, 42 Müller, R. (79), 90
Procksch, O. 140,(141), 152 Pummer, R. 220, (221), 231, 236
Neef, H.-D. (211), 216 Newsome, J. 157, 170 Noth, M. (49), (50), 68, 80, 85(85), 86, 91, 97(97), 110, (114), 125, (232), 236 Nyberg, H. S. 57(57), 68
Rahlfs, A. (8),11, 12(12), 17, 18, 24, (128), (130), 131, 135, (136), 138, (147), 149(149), 150(150), 152, 153(153), 170, 208, 231(231), 235, 276(276), 279, 281, 282(282), 289 Rehkopf, F. 169 Reiterer, F. 225, 236 Rendtorff, R. 26 Revell, E. J. (53), 68 Rezetko, R. (50) Riggenbach, E. (244), 258 Robert, U. (84), 91 Roberts, B. J. (46) Robinson, T. H. (57), 68 Robker, J. M. (30), 42, (168), 170, (199), (210), 216, 239, 257 Rofé, A. 79(79), 80(80), 91 Rösel, H. N. 77(77), 91 Rösel, M. (5), 7(7), 24, (27), (29), (30), (34), (35), (37), (38), 41, 42, (111), (113), 118(118), 122, 125, (199), 210, 216, 275, 287 Rosenberg, J. 258, 262, 286 Roth, C. (268), 286 Rudersdorf, M. (261), 287 Rudolph, W. 206(206), 207, 208(208), 209(209), 216, 266, 270, 289
Oepke, A. 252(252), 258 Oesch, J. M. (52), 63, 67, 68, (157), 170 O’Connel, S. (276), 287 Ofer, Y. (53), 68 Offerhaus, U. (210), 217 Ohr, A. (53), (54), 68 Orlinsky, H. M. (47), (63), 68 O’Sullivan, O. (29), 41 Ozment, S. E. (260), 287 Otto, E. 225(225), 236, (275), 287 Pakkala, J. (79), 90, (230), 235 Paul, S. M. (80), 90, (206), (207), (209), 216, (224), 235 Parsons, J. (134), 136, 139, (141), 150, 151 Peréz Castro, F. 226(226), 236 Perkins, L. (29), (32), (33), (35), 41 Penkower, J. S. (63), 68 Peter, J. (11), (15), 22, (201), 216 Peter-Spörndli, U. (269), 287 Peters, M. K. H. 23, (25), 39, (128), 151, (154), (155), (169), 170, (202), 215, (281), 288 Petit, F. (150), 152 Petruccione, J. F. (132), 152 Pietersma, A. 27(27), 32(32), (34), 41, (199), (200), 214, 216 Pietsch, J. M. (259), (280), 288 Pike, D. M. (120), 125 Piquer Otero, A. (113), 124, (219), 237 Pola, T. 188(188), 216 Polak, F. H. (48), (56), 68, 70 Popkes, E. E. (221), 234 Pretzl, O. 133, 134, 138(138), 139(139), (140), 149, 152
Quast, U. (12), 24
Salvesen, A. G. (26), 41, 135, 151 Sanders, J. A. (50), 69 Sanderson, J. E. 230(230), 236 Sarna, N. M. (61), 68 Sauer, G. (194), 216 Schäfer, R. (59), 68 Schaper, J. (25), 42 Schattner-Rieser, U. (219), (220), (221), (223), 232, (233), 234, 236, 237 Schenck, K. L. (241), 258 Schenker, A. (2), (16), 23, 24, (45), 69, (72), (75), 76, 84(84), 91, 105(105), (106), 110, (155), 170, 225(225), 231 (231), 236, (281), (285), 288 Schiller, G. (262), 288
314
Autorenregister
Schierse, F.-J. (245), (246), 248(248), 258 Schmid, K. 31(31), 32(32), 33, (37), 42, (195), 215, (219), (220), 223, (232), (233), 234, 236, 237, 288, Schmid, U. (281), (282), (285) 288 Schmidt, W. H. (275), 288 Schmitz, B. (32), 42 Schnocks, J. (220), 236 Schoeps H-J. (26), 42 Schorch, S. (59), 68, (223), 226, (227), 228(228), 229, 236 Schreiner, J. (28), 42 Seebass, H. (111), 125 Seeligmann, I. L. 25(25), 42, 64(64), 68 Segal, M. (62), 68 Segal, M. Z. (49), 68 Seybold, K. (243), 258 Shawn, W. F. (172), 186 Shoulson, M. 227(227), 236 Siegert, F. 32(32), 42 Sieveking, J. 182, 186 Seow, C.-L. 56(56), 69 Seupt, K. (259), (265), (280), 288 Sigismund, M. 14, (15), (16), 17(17), (19), 22, 23, 24, (37), (38), 41, 42, (127), (130), 132, 151, 152, (153), (155), (168), 169, 170, (203), 215, (276) Silva, M. (16), 22, (35), 40 Sipilä, S. (78), 84(84), 91 Smith, G. V. (129), 133(133), 134, 135(135), (136), 137(137), 138(138), (139), (140), (141), 149, 152 Soggin, J. A. 69 Sollamo, R. (17), 22, 163(163), 170 Sommer, B. D. (61), 69 Spiekermann, H. Stadelmann, H. (196), 216 Steck, O. H. (49), 66, (195), 215 Stemberger, G. (198), 216 Sterling, G. E. (241), 258 Steyn, G. J. (30), 42, (241), (243), (244), (250), 258 Stipp, H.-J. (36), 40, (58), 69, (196), (200), (203), 205(205), 208(208), 216, (239), 257 Stockhausen, A. von (200), 216 Strehle, J. (262), 287 Strolz, W. (28), 42 Swete, H. B. 128(128), 152, 157, (165), 170
Tal, A. 227(227), (232), (236) Talkenberge, H. (265), 288 Talmon, S. (48), (54), (55), (63), 66, 69, (222), 235 Taylor, B. A. (12), 24, (155), 170 Thackeray, H.St.J. (71), (73), 76, (84), 91, 153, 154(154), 170 Taschl-Erber, A. (240), 257 Thelle, R. I. 225(225), 236, 237 Thenius, O. (49), 57(57), 69 Thompson, J. A. (49), 69 Thum, V. (260), (262), (265), (280), 288 Trebolle, J. 80(80), 92, 113, 124, (219), 237 Tronier, H. (27), 42 Töpfer, T. (261), 287 Troxel, R. L. (189), (200), 216, 217 Torijano Morales, P. A. (113), 124, (219), 237 Tov, E. 3(3), 24, 26(26), (27), (28), 30, (31), (33), (34), 43, (47), (48), (51), (52), (53), (55), (58), (59), (60), 69, 78(78), 79(79), (80), 83(83), 90, 92, (108), 110(110), (132), 151, (154), 169, (187), 216, (219), (220), (224), 228(228), (230), 231(231), 235, 237 Tsedaka, B. (221), 227(227), (229), 233(233), 237 Tsevat, M. (59), 70 Tsfania, L. (232), 236 Tzoref, S. (219), 235, 237 Ueberschaer, F. 13(13), 23, (30), 42, (108), 110, (168), 170, (195), (196), 199, (210), 216, 217, (239), 257 Ulrich, E. (34), 43, 83(83), 92, (154), 170(175), 186, (210), 217, (219), 237 Usener, K. (173), (185) Utzschneider, H. 204(204), 208(208), (209), (210), 211, (212), 217 Van der Kooij, A. (57), 70, 187, (188), 215 Van der Meer, M. 78(78), 79, 80(80), 81(81), 89(89), 92, (132), 152, 188(188) Van Keulen, P. 94(94), 105(150), 108(108), 110 Vannutelli, P. (157), 170 Verbrugghe, G. (181), 186 Vermes, G. (115), 125
Autorenregister
Vieweger, D. 10(10), 24 Vögtle, A. 246(246), 247(247), (252), 254(254), 258 Vonach, A. (196), (203), 217, (157), 170 Wagner, A. (29), 42 Wagner, T. (30), 42, (168), 170, (174), 186, (199), (210), 216, 239, 257, 262, 287 Walter, N. (252), (256), 258, (268), 288 Widder, E. (265), 288 Witulski, T. (241). 255(255), 258 Weber, R. (73), 76, (264), (266), (270), (289) Wehrle, J. (268), 288 Weiher, A. (181), 186 Weiss, H.-F. (239), (247), (248), (250), (252), (253), 258 Weissenberg, H. (230), 235 Weitzman, M. P. (51) Wellhausen, J. (46), 57(57), 70, 153(153), 154(154), 170 Wénin, A. (113), 125 Westerman, C. (50)
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Wevers, J. W. 15(15), 24, 112(112), (113), (114), 125, (156), 170, (266), (270), (276), (282), 289 Wickersham, J. M. (181), 186 Wolff, H. W. (57), 70, (205), (206), (209), 217 Wooden, R. G. (5), 24, 27, 42, (80), 90 Wrogemann, H. (10), 23 Würthwein, E.-U. 3, 4(4), 22, 24, 47(47), (49), 66, 70 Young, I. (45), (50), (56), 70, (219), 237 Zacharias, F. 25(25), 40, (111), 124 Zenger, E. (222), 237, (243), 257 Zewi, T. 227(227), 237 Ziegert, C. 35(35), 43, (113), (116), (118), 125 Ziegler, J. 12, 24, 25(25), 26(26), 39, 43, (202), 217 Zimmerli, W. (46), 70, (171), (172), 186 Zobel, H.-J. (268), (269), 288 Zorzin, A. (269), 288 Zsengellér, J. 228, (232), 237
Stichwortverzeichnis Agag 116, 117, 118, 209 Ägypten 19, 190, 202, 207, 214 Aktualisierung 188, 189, 193, 198, 202, 206, 207, 208, 213 Alexandrien 214 Alexandrinus (A) 8, 18 Altar 9, 33, 80, 84, 90, 91, 221, 224, 225 Anthropomorphismus 221 Antiochenischer Text 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 19, 22, 23, 24, 71, 76, 103, 104, 127, 132, 133, 140, 141, 143, 144, 147, 151, 152, 153, 154, 155, 160, 167, 168, 169, 170, 188, 190, 208 Antiochus IV. (Epiphanes) 188, 208, 209, 220 Apokalyptik / apokalyptisch 183, 196, 209, 201, 241, 245, 248, 251, 252, 255, 256 Aquila 14, 15, 22, 89, 128, 129, 140, 146, 151, 154, 169 Armenische Version 139, 146 Augustin 269, 274, 275, 276, 277, 278, 284, 286 Bohairische Übersetzung (Bo) 18, 73, 225 Bund (auch Diatheke oder διαθεκε) 96, 105, 107, 109, 200, 241, 248, 256, 282, 288 Bundeslade 9, 86, 87, 164 Christologie 255, 258 Complutense 275, 276, 281, 282, 283, 284, 286, 287, 288 Damaskus Dokument (CD) 120 David 9, 52, 72, 93, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 103, 104, 109, 111, 123, 124, 164, 166, 195, 198, 206, 207, 208, 230 Dekalog IX, 221, 224, 225, 236, 259, 260, 261, 262, 263, 266, 267, 268, 269, 271, 272, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 280, 281, 282, 283, 284, 285, 286, 287, 288
Diaspora 37, 113, 116, 123, 125, 197, 232 Dittographie 176, 180 Doppelung 212 Elephantine 233 Engel 18, 34, 239, 240, 241, 248, 265 Epigraphik 232 Eschatologie / Eschaton IX, 35, 42 112, 115, 123, 239, 240, 241, 248, 252, 253, 255, 256, 257, 258 G-Vorlage (in der Regel, einfach „Vorlage“ geschrieben) 47, 48, 64, 78, 79, 80, 82, 89, 105, 107, 109, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 118, 121, 130, 158, 164, 165, 171, 175, 176, 178, 180, 184, 187 Garizim IX, 219, 220, 221, 224, 225, 232, 233, 234, 236 Geniza 127 Genus / Geschlecht 156, 174 Gerechtigkeit 173, 174 Gericht 119, 161, 184, 194, 195, 206, 208, 211, 241, 246, 249, 250, 252, 253, 255, 256, 257, 262, 264, 265, 266, 267, 284 Glosse 107, 138, 146 Gnade 221, 265 Gog 116, 117, 118, 121, 124, 209, 210 Gottessohn (auch Sohn Gottes oder Sohn) 96, 97, 99, 100, 239, 240, 244, 245, 247 Haplographie 48, 49, 72 Harmonisierung 33, 188, 190, 202, 204, 210, 211, 212, 213, 224, 228, 230 Hasmonäer / Hasmonäisch 122, 188, 197, 215, 220, 224, 225 Heliopolis 233 Hellenismus / hellenistisch 7, 25, 26, 30, 32, 34, 36, 37, 38, 39, 42, 58, 67, 123, 153, 154, 157, 168, 169, 171, 180, 181,
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Stichwortverzeichnis
184, 185, 188, 208, 210, 215, 241, 245, 248, 252, 254, 256, 258 Hexapla / Hexaplarisch 15, 20, 21, 82, 135, 138, 139, 140, 141, 143, 144, 145, 146, 147, 151, 153, 158, 177, 223, 231 Hieronymus 19, 20, 21, 206, 207, 209, 212 Homer 180, 181, 186, 203, 216 Homoioarkton 210 Homoioteleuton 213 Humanismus 261, 272, 274, 278, 285, 286, 287 Ikonographie 180, 181, 185, 265, 274, 288 Jerusalem 2, 20, 43, 49, 53, 54, 55, 57, 63, 66, 68, 69, 79, 91, 95, 96, 97, 99, 100, 104, 154, 157, 164, 169, 171, 184, 187, 192, 206, 210, 220, 221, 223, 224, 225, 227, 228, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 248, 250, 252, 292 Josephus 11, 15, 32, 42, 83, 84, 85, 89, 91, 103, 154, 170, 220 Kaige Rezension (auch βγ und γδ Texte in Sam-Kön, καιγε) 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 21, 23, 113, 153, 154, 155, 160, 161, 162, 165, 167, 168, 170, 190 Ketiv 55, 58, 62, 63, 64, 66 Konjektur 72 Leontopolis 190, 215 Lukian von Antiochien 11, 12, 19, 20, 128, 151, 153 Lukianisch (z. B. Text, Lesart, Rezension) 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 71, 127, 153, 154 Mantik 191, 196 Masada 45, 62, 63, 69, 70, 222 Masoretischer Text (M) IV, VI, VIII, 2, 3, 28, 71, 74, 75, 76, 94, 95, 96, 100, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 115, 120, 123, 127, 139, 140, 143, 144, 157, 170, 176, 188, 190, 196, 208, 213, 216, 231 Messianismus 111, 112, 116, 118, 209 Naḥal Ḥever (Ḥev) 62
Old Greek 14, 16, 17, 22, 23, 24, 25, 27, 40, 42, 48, 51, 59, 66, 77, 78, 79, 80, 90, 127, 129, 130, 142, 144, 146, 147, 148, 151, 155, 165, 170, 187, 188, 215, 222, 276 Origenes (auch „Origen“) 12, 19, 20, 21, 82, 132, 135, 138, 144, 151, 153, 169, 230, 231, 235 Orthographie 45, 46, 50, 54, 56, 59, 61, 62, 64, 65, 67, 69, 135, 156 Papyrus Nash (auch als „Pap. Nash) 224 Pentateuch 6, 8, 15, 18, 19, 26, 28, 29, 43, 46, 47, 48, 53, 54, 62, 67, 68, 112, 113, 115, 122, 123, 124, 125, 130, 187, 195, 219, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 275, 276, 281, 282, 286, 287 Perser(zeit) 220 Peschitta (S) 15, 103, 109, 113, 224 Petuchah 52 Philo (auch Philon) 84, 89, 123, 151, 181, 191, 247, 251, 278 Phylakterie 224 Polyglotte 223 Prä-Samaritanus (auch präsamaritanisch) 225, 228, 230 Predigt 2, 262, 263, 264, 266, 267, 271, 273, 274, 278, 280, 285, 286 Priester 122, 188, 189, 196, 216, 220, 223, 226, 233, 241, 251, 254, 255, 258 Prophet 4, 32, 45, 46, 48, 49, 51, 52, 53, 54, 55, 57, 61, 62, 66, 68, 70, 130, 154, 168, 169, 171, 174, 175, 177, 178, 184, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 283 Prophetie IX, 187, 188, 190, 192, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 203, 204, 205, 207, 216, 265, 288 Proto-Masoretischer Text 18, 28, 45, 74, 75, 112, 127, 140, 143, 144, 145, 146, 224, 225 Ptolemäer(zeit) 123,220 Puncta extraordinaria 46, 51, 53
Stichwortverzeichnis
Qere 55, 58, 62, 63, 64, 65, 66, 68 Qumran 2, 3, 5, 11, 12, 17, 19, 21, 22, 29, 34, 43, 45, 46, 47, 48, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62,63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 79, 80, 83, 90, 91, 92, 110, 112, 113, 120, 121, 122, 124, 125, 127, 154, 169, 170, 172, 175, 176, 182, 184, 185, 186, 197, 198, 201, 202, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 228, 229, 230, 233, 234, 235, 236, 237, 243 Rahlfs, Alfred (Person) 8, 12, 17, 18, 24, 128, 136, 150, 152, 153, 170, 235, 289 Rahlfs (Edition) 11, 130, 131, 133, 136, 138, 147, 149, 208, 276, 279, 281, 282 Reformation 260, 261, 262, 268, 277, 286, 287 Sahidische Übersetzung (Sa) 18, 146 Salomo VIII, 32, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 102, 103, 104, 106, 107, 108, 109, 155, 159, 160, 164, 165, 195, 196 Samaritaner IX, 3, 48, 118, 219, 220, 221, 223, 227, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237 Samaritanus 113, 219, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233, 234, 235, 236, 237 Saul 93, 110, 111, 123, 124, 191, 208 Schofar 77, 81, 86, 87, 88, 89, 90, 92 Schreibfehler VIII, 10, 17, 21, 71, 72, 74, 75, 76, 116, 124, 142, 206, 207, 227 Seleukiden(zeit) 28, 220, 236 Septuaginta (G) VI, VII, VIII, IX, 2–43, 71, 76, 77, 93, 94, 98, 99, 100, 102–114, 123, 127–130, 132, 136, 149–155, 158, 161–167, 169, 170, 173, 185, 187–197, 199–217, 231, 235, 239, 242, 257, 266, 268, 269, 274, 276 ff., 281–286, 288 f., 292 Setumah 51, 52, 63, 68 Sinaiticus (S) 150, 152 Symmachus 82, 89, 177, 244 Synagoge 171, 183, 184, 227 Syntax 72, 73, 81, 166, 174, 175, 178, 186 Syrohexapla 177
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Talmud 223 Targum (T, inkl. Pseudo-Jonathan und samaritanischer Targum) 51, 58, 115, 183, 184, 186, 230, 231, 232, 234, 236, 244 Tempel 37, 94, 155, 164, 201, 213, 220, 233, 240, 250, 257 Tempelrolle 198 Theodoret von Kyros 131, 132, 144, 152, 205, 206, 208, 210, 212, 216 Theodotion (θ’) 89, 129, 146 Theophanie 33, 41, 202, 250 Tochterübersetzung(en) 3, 12, 24 Tora 48, 49, 53, 54, 55, 56, 58, 61, 62, 64, 70, 118, 191, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 220, 222, 223, 227, 229, 236, 237 Transposition / Umstellung 164, 165, 250 Übersetzer (von G) 4, 6, 7, 9, 33, 34, 35, 37, 71, 74, 75, 94, 104, 105, 108, 111–118, 120, 121, 122, 124, 159, 161– 166, 168, 179, 180, 184, 185, 187–190, 199–202, 206, 210, 212, 243, 244 Vaticanus (B) 12, 16, 17, 36, 39, 73, 74, 82, 90, 103, 128, 140, 147, 151, 159, 200, 202, 215, 276 Verbot 108, 191, 273, 276, 278, 280, 281, 284 Verfolgung 2 Verlesung 180, 187, 195 Verschreibung 144, 175, 180, 187, 199, 201, 202, 204, 208, 209, 210, 212 Vetus Latina ( „Codex Lugdunensis“) 15, 73, 83, 84, 91, 143, 144 Vulgata 113, 115, 122, 157, 260, 262, 263, 264, 266, 267, 270, 272–280, 282, 283, 285, 289 Wadi ed-Daliyeh 181, 232, 237 Wadi Murabbat (Mur; Murabba‘at) 45, 52, 62, 63, 212, 222 Weisheit 32, 94, 194–197, 215–217