221 93 3MB
German Pages 944 Year 2015
Langenfeld/Fröhler
Testamentsgestaltung
Testamentsgestaltung Einzeltestament . Ehegattentestament Unternehmertestament Begründet von
Prof. Dr. Gerrit Langenfeld † Notar und Notariatsdirektor a.D. in Karlsruhe, Honorarprofessor der Universität Heidelberg
Ab der 5. Auflage fortgeführt und neu bearbeitet von
Dr. Oliver Fröhler Notar und Notariatsdirektor in Lörrach, Lehrbeauftragter an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg. sowie vormals an der Notarakademie Baden-Württemberg in Stuttgart
5. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2015
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-45674-0 ©2015 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort
In der Testamentsgestaltung lebt das Erbrecht.1 Dieses Buch möchte allen, die zu diesem Leben beitragen, Orientierungs- und Gestaltungshilfen geben. Über die bloße Darstellung rechtlicher Möglichkeiten hinaus bietet es inhaltliche Vorgaben für anerkannte und praxisgerechte Lösungen und Formulierungsvorschläge an. Prof. Dr. Gerrit Langenfeld, der diesen Klassiker ins Leben gerufen, die Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen seit der ersten Auflage dieses Werkes geprägt sowie stetig fortentwickelt hat, ist viel zu früh siebzigjährig am 21. November 2011 in Konstanz verstorben. Dies hat im Kollegenkreis, dem Verlag und bei mir selbst große Bestürzung ausgelöst. Ich bin sehr dankbar dafür, Prof. Dr. Gerrit Langenfeld persönlich kennengelernt und mich mit ihm anlässlich anderer Projekte des Verlags in intensiven Gesprächen ausgetauscht haben zu können. Dem Verlag danke ich für das in mich gesetzte Vertrauen zur Fortführung der „Testamentsgestaltung“, die meiner lieben Ehefrau und meinen beiden lieben Töchtern einige Entbehrungen abverlangt und mir nicht nur wegen des Arbeitsaufwandes vorübergehend schlaflose Nächte bereitet hat. Auch in der vorliegenden fünften Auflage dieses Handbuchs wird die Testamentsgestaltung nach Fallgruppen weiter fortentwickelt. Das Werk ist zudem spürbar erweitert worden. So sind zusätzlich anlässlich der – auf ab dem 17.8.2015 eintretende Erbfälle anzuwendenden – EuErbVO verschiedene Typen für eine Gestaltung durch eine auch bereits zuvor erklärbare Rechtswahl nach EuErbVO, nationalem deutschen oder ausländischem Recht, durch Zuwendungsverzichtsvertrag, durch Apothekeninhabertestament als Musterbeispiel für die Anordnung weiterer Nacherbfolge, mittels Erbausschlagung sowie durch Anordnung von Erbausgleichung bzw. Pflichtteilsanrechung hinzugekommen. Zudem ist ein gesondertes Kapitel zum Erbnachweis samt diesbezüglichem Verfahren eingefügt worden. Darüber hinaus wurden neben neuer Rechtsprechung und Literatur insbesondere die Gesetze zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zum deutsch-französischen Güterstand der Wahlzugewinngemeinschaft, zur Modernisierung des Benachrichtigungswesens in Nachlasssachen, zur Änderung des Kosten- und Gebührenrechts und zur betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, der Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften, Länderübersichten zum ausländischen Recht, die Bewertung von Lebensversicherungen im Pflichtteilsrecht und die Erbschaftsteuerentscheidung des BVerfG vom 17.12.2014 berücksichtigt.
1 Langenfeld, ZEV 2007, 453.
V
Vorwort
Letztwillige Verfügungen sind zeitlich gestreckte Gestaltungen, die regelmäßig erst nach Jahren oder Jahrzehnten Wirkung entfalten. Um der hiermit verbundenen Verantwortung des Testamentsgestalters gerecht zu werden, ist die Darstellung um Aufarbeitung der maßgeblichen Rechtsprechung und Literatur und insbesondere um das Aufzeigen von Entwicklungstendenzen bemüht. Die vom Konsens der Fachleute getragenen Lösungen werden entsprechend den Grundsätzen der Gestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen in Formulierungsbeispiele umgesetzt. Von ihnen ausgehend kann der Notar, Rechtsanwalt und sonstige Berater in wertender Zuordnung die für den von ihm zu bearbeitenden Fall angemessene und zukunftssichere Gestaltung finden. Hinterzarten, im Mai 2015
VI
Oliver Fröhler
Inhaltsübersicht
Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Musterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII
1. Kapitel Grundlagen der Testamentsgestaltung Rz.
Seite
A. Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . .
1
5
B. Formfragen bei Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . .
48
22
C. Der Erblasser: Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
49
D. Auslandsberührung und Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . .
125
52
E. Der Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
115
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
118
G. Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
137
A. Die gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
144
B. Das Erbrecht des Partners der eingetragenen Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
162
C. Das Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
164
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden . . . .
115
182
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen . . .
227
224
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . .
258
234
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtnachfolge.
1
283
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
300
2. Kapitel Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht als Ausgangspunkt der Testamentsgestaltung
3. Kapitel Die Instrumente der Testamentsgestaltung
VII
Inhaltsbersicht Rz.
Seite
C. Das Vermächtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
338
D. Die Auflage als Instrument der Verpflichtung ohne korrespondierende Berechtigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
376
E. Teilungsanordnung, Übernahmerecht und Teilungsverbot als Instrumente der Steuerung der Nachlassauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
379
F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung über den Tod hinaus . . . . . . . . . . .
319
389
G. Die Vollmacht auf den Todesfall als Alternative zur Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
373
410
H. Die Bedingung als testamentarisches Vielzweckinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
383
414
I. Die letztwillige Schiedsklausel als Instrument der Befriedung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
392
418
J. Ausschluss der Sorgerechtsübertragung und Vormundbenennung für ein minderjähriges nichteheliches Kind .
400
420
4. Kapitel Verfügungen von Todes wegen nur eines Erblassers A. Das Einzeltestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
423
B. Hinweise zur Gestaltung von Einzeltestamenten . . . . . .
6
424
C. Formulierungs- und Gestaltungsbeispiele. . . . . . . . . . . .
12
425
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . .
12
427
A. Typus Ehegattentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
435
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? . . . . . .
13
438
C. Einheitslösung oder Trennungslösung? . . . . . . . . . . . . .
61
458
D. Probleme der Trennungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
461
E. Gemeinsames Versterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
467
F. Der Änderungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
470
G. Verzicht auf Selbstanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
481
H. Pflichtteilsstrafklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
483
I. Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
489
5. Kapitel Das Ehegattentestament
VIII
Inhaltsbersicht Rz.
Seite
J. Ehegattentestament und Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . .
162
494
K. Vermögens- und Personensorge für minderjährige Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
501
L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslösung . .
189
503
M. Formulierungsbeispiele für Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
509
N. Zuwendungsverzichtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
528
A. Das Testament der Patchwork-Familie . . . . . . . . . . . . . .
1
539
B. Das Geschiedenentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
547
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
564
D. Letztwillige Verfügungen zugunsten überschuldeter bzw. Arbeitslosengeld II beziehender Abkömmlinge (Bedürftigentestament) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
151
600
E. Testament zur Versorgung von Tieren . . . . . . . . . . . . . .
163
608
F. Die letztwillige Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
609
G. Das Testament des Apothekeninhabers . . . . . . . . . . . . .
188
618
1
651
B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermächtnisnehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
655
C. Die Vererbung eines Einzelunternehmens . . . . . . . . . . .
44
661
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . .
51
663
E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
681
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
687
G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich . . .
143
695
H. Die letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel . . . . . . .
198
711
I. Typen von Unternehmertestamenten. . . . . . . . . . . . . . .
208
715
6. Kapitel Besondere Typen letztwilliger Verfügungen
7. Kapitel Das Testament des Unternehmers A. Fallgruppen und Zwecke des Unternehmertestaments . .
IX
Inhaltsbersicht
8. Kapitel Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermächtnisausschlagung Rz.
Seite
A. Erbschaftsausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
722
B. Anfechtung der Annahme, Fristversäumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
754
C. Vermächtnisausschlagung und deren Anfechtung . . . . .
75
761
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . .
1
764
B. Testamentsvollstreckerzeugnis und sonstige Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
801
C. Vermächtnisvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
805
D. Weitere Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweise . . .
65
806
E. Europäisches Nachlasszeugnis für Erbfälle ab dem 17.8.2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
810
F. Änderungen des nationalen Rechts für Erbfälle ab dem 17.8.2015 zwecks Duchführung der EuErbVO . .
84
813
A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
820
B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers . . . . . . . . . . .
21
837
C. Der Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
843
D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
849
9. Kapitel Erbnachweis und diesbezügliches Verfahren
10. Kapitel Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschäfte
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
X
885
Musterverzeichnis
1. Kapitel Grundlagen der Testamentsgestaltung Rz.
Seite
A. Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . .
1
5
B. Formfragen bei Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . M1 Nottestament vor dem Bürgermeister. . . . . . . . . M2 Nottestament in besonderen Fällen (Dreizeugentestament). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M3 Eigenhändiges Testament – Urkundenrahmen . . M4 Notariell beurkundetes Testament – Urkundenrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M5 Notariell beurkundetes Testament durch Übergabe einer offenen/verschlossenen Schrift. . . . . . M6 Notariell errichtetes Testament – Vermerke bei körperlicher oder sonstiger Einschränkung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M7 Widerruf eines einzeltestamentarischen Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 56
22 24
59 69
26 30
88
35
88
37
93
40
108
48
C. Der Erblasser: Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
49
D. Auslandsberührung und Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . M8 Einseitig erklärte Rechtswahl eines Ausländers für Grundbesitz in Deutschland nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M9 Erbvertraglich erklärte Rechtswahl eines Ausländers für Grundbesitz in Deutschland nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 10 Rechtswahl nach EuErbVO durch Einzeltestament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 11 Verzicht auf Rechtswahl nach EuErbVO in Einzeltestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 12 Rechtswahl nach EuErbVO durch gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 13 Verzicht auf Rechtswahl nach EuErbVO in gemeinschaftlichem Testament . . . . . . . . . . . . M 14 Rechtswahl nach EuErbVO durch Erbvertrag . .
.
125
52
.
173
67
.
179
69
.
192
72
.
192
74
.
195
76
. .
195 199
76 78
E. Der Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
115
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348
118
XI
Musterverzeichnis Rz.
Seite
426
137
A. Die gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
144
B. Das Erbrecht des Partners der eingetragenen Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
162
56
164
114
182
115
182
120
184
120
185
127
187
130
188
154
195
155 158
196 197
159
198
160
199
161
199
179
206
G. Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Kapitel Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht als Ausgangspunkt der Testamentsgestaltung
C. Das Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 15 Auf Schenkungen vor Eheschließung gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden . . . . M 16 Angebot des Pflichtteilsberechtigten auf Abschluss eines unentgeltlichen Erbverzichtsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 17 Annahme eines Angebots auf Abschluss eines unentgeltlichen Erbverzichtsvertrages durch den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 18 Auflösend bedingter Pflichtteilsverzicht der volljährigen Kinder auf den Tod des erstversterbenden Elternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 19 Auflösend bedingter Pflichtteilsverzicht der übernehmenden bzw. gleichgestellten Kinder auf den Tod des erstversterbenden Elternteils . . . . . . M 20 Erbverzichtsvertrag mit sofort gezahlter Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 21 Entgeltlicher Erbverzichtsvertrag mit Vorabzahlung auf Treuhandkonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 22 Auflösend bedingter Erbverzichtsvertrag . . . . . . M 23 Um Geltendmachung des Elternpflichtteils auflösend bedingter Pflichtteilsverzicht . . . . . . . M 24 Regelung zur Unterhaltspflicht im Pflichtteilsverzichtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 25 Um die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen den Verzichtenden auflösend bedingter Pflichtteilsverzicht . . . . . . . M 26 Ohne Mitwirkung des Begünstigten nicht mehr aufhebbarer gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII
Musterverzeichnis Rz.
Seite
180 181
207 208
182 183 184
208 209 209
185
210
201 203 207
214 215 217
... ... ...
227 230 231
224 225 226
...
235
227
... ... ...
235 237 252
227 229 233
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . . M 42 Varianten einer Erbausgleichungsanordnung . . . M 43 Vorbehalt späterer Erbausgleichung . . . . . . . . . . M 44 Ausgleichungspflicht für Ersatzerben . . . . . . . . . M 45 Pflegeausgleichungsanordnung mit hilfsweisem Vorausvermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 46 Ausschluss einer Pflegeausgleichung . . . . . . . . . M 47 Vorausvermächtnisweise Erbausgleichungsanordnung aufgrund Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . M 48 Vorausvermächtnisweise Erbausgleichungsaufhebung aufgrund Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . M 49 Vorausvermächtnisweise nicht vorbehaltene Erbausgleichungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 50 Vorausvermächtnisweise nicht vorbehaltene Erbausgleichungsaufhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 51 Auf gesetzliche Erbfolge beschränkte Erbausgleichungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 52 Ausdrückliche Anordnung der Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 53 Ausdrückliche Klarstellung der Anordnungswirkung bei Wegfall des Zuwendungsempfängers . . M 54 Vermächtnisweise nachträgliche Aufhebung einer Anrechnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258 276 277 279
234 241 242 243
286 289
245 247
299
250
299
251
303
252
303
252
312
255
324
260
327
262
329
262
M 27 M 28 M 29 M 30 M 31 M 32 M 33 M 34 M 35
Einbeziehung des Ehegatten in den Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkter Pflichtteilsverzicht des Ehegatten . Pflichtteilsverzicht zugunsten bestimmter Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzicht ohne Erstreckung auf Abkömmlinge. . . Stundungsvereinbarung bei Pflichtteilsverzicht . Erbvertraglicher Verzicht auf die Rechte des § 2306 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrag über die Aufhebung eines Erbverzichtsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichstellungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebzeitige Ertragswertanordnung für Landgut. . .
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen M 36 Verteilung der Pflichtteilslast (1). . . . . . . . . . M 37 Verteilung der Pflichtteilslast (2). . . . . . . . . . M 38 Letztwillige Ertragswertanordnung für Landgut (1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 39 Letztwillige Ertragswertanordnung für Landgut (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 40 Ausschluss der Doppelberufung . . . . . . . . . . M 41 Pflichtteilsentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Musterverzeichnis
M 55 M 56 M 57 M 58 M 59
M 60
Pflichtteilsanrechnungsbestimmung durch Verfügung von Todes wegen aufgrund Vorbehalts. . . Vorrangbestimmung bei güter- und pflichtteilsrechtlicher Anrechnungspflicht . . . . . . . . . . . . . Um Nichterhöhung des Pflichtteils bedingte Anordnung der Erbausgleichung . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Pflichtteilsanrechnung und bedingte Anordnung der Erbausgleichung . . . . . . Pflichtteilsanrechnungsbestimmung des zuwen denden Ehegatten, Pflichtteilsergänzungsverzicht des nichtzuwendenden Ehegatten, Pflichtteilsverzicht des Zuwendungsempfängers gegenüber dem nichtzuwendenden Ehegatten und Vorbehalt der Erbausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorausvermächtnisweise Erbausgleichungsanordnung durch den zuwendenden Ehegatten aufgrund Vorbehalts und durch den nichtzuwendenden Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
330
263
339
267
345
270
347
271
358
275
358
276
1 39 49
283 293 295
51 54
295 296
55 56 57 57 57 58 59
296 297 297 297 298 298 299
60
300
61 97
300 311
103
312
3. Kapitel Die Instrumente der Testamentsgestaltung A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtnachfolge . M 61 Beschwerung nur des Ersatzerben . . . . . . . . . . . . M 62 Abkömmlinge als Ersatzerben . . . . . . . . . . . . . . M 63 Einsetzung eines Ersatzerben ungeachtet gesetzlicher Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 64 Entfallen der Ersatzerbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . M 65 Entfallen der Ersatzerbfolge bei Zuwendungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 66 Ersatzerbenklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 67 Mehrfache Ersatzerbenbenennung . . . . . . . . . . . M 68 Einsetzung eines Alleinerben . . . . . . . . . . . . . . . M 69 Einsetzung mehrerer Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . M 70 Gemeinschaftlicher Erbteil. . . . . . . . . . . . . . . . . M 71 Mehrfach gestaltete Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . M 72 Auflösend bedingte Ersatzerbeneinsetzung des Schwiegerkindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 73 Befreiung des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 74 Schenkungen des Vorerben als Vorausvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV
Musterverzeichnis
M 75 M 76 M 77 M 78 M 79 M 80 M 81 M 82
M 83 M 84 M 85 M 86 M 87 M 88 M 89 M 90 M 91 M 92 M 93 M 94
Teilweise Befreiung des Vorerben . . . . . . . . . . . . Anordnung eines Vorausvermächtnisses an den Alleinvorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anordnung von Vor- und Nacherbschaft im Einzeltestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entfallen der Nacherbschaft bei Wegfall des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anordnung von Vor- und Nacherbschaft im Ehegattentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anordnung weiterer Nacherbfolgen . . . . . . . . . . Einsetzung unbekannter Nacherben . . . . . . . . . . Durch eigene letztwillige Verfügung des Vorerben auflösend bedingte Nacherbschaft . . . . . . . . . . . Einsetzung der eigenen Erben des Vorerben als Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Gegenständliche“ Vor- und Nacherbfolge . . . . . Bedingtes Vorausvermächtnis mit Veräußerungsbefugnis des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingtes Vorausvermächtnis mit eigenem Vermächtnis des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung der Gesamtheit der Nacherbenrechte durch den Nacherben an den Vorerben . . . Ausscheidungsvereinbarung über Grundbesitz aus der Nacherbenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . Unveräußerlichkeit der Nacherbenanwartschaft Übertrabarkeit der Nacherbenanwartschaft auf den Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtvererblichkeit der Nacherbenanwartschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatznacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatznacherben-Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Das Vermächtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 95 Fälligkeit und Verjährung eines Vermächtnisses . M 96 Vollmacht für den Vermächtnisnehmer auf den Todesfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 97 Vermächtnisnehmer als eigener Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 98 Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass. . . . . . . . M 99 Nießbrauchsvermächtnis am Erbteil . . . . . . . . . M 100 Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer . . M 101 Bruttonießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
105
313
115
317
119
318
121
319
121 125 126
319 321 321
127
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129 130
323 324
131
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132
325
133
325
148
330
152 153
332 333
154
333
157 162 163
334 335 336
173 182
338 341
185
342
186 197 198 204 205
343 346 346 349 349 XV
Musterverzeichnis Rz.
Seite
. . . . .
206 207 207 207 208
350 350 350 350 351
.
209
352
. . . . . . . . . . . . .
210 222 233 234 236 237 241 242 243 244 253 277 281
352 356 359 359 360 361 361 362 362 363 366 373 374
.
283
375
D. Die Auflage als Instrument der Verpflichtung ohne korrespondierende Berechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 122 Auflage zur Tierheimaufnahme . . . . . . . . . . . . . M 123 Auflage zur Grabpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287 291 291
376 377 377
. . .
295 298 299
379 381 382
.
300
382
. . . .
301 303 315 317
383 384 387 388
F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung über den Tod hinaus . . . . . . . . . . . M 131 Abwicklungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . .
319 370
389 407
M 102 Erhaltungspflichten des Eigentümers bei Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . M 103 Bruchteilsnießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 104 Quotennießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 105 Entgeltlicher Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . M 106 Rentenwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 107 Rangrücktrittsverpflichtung bei Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 108 Grundpfanddarlehen bei Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 109 Wohnungsrechtsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . M 110 Zwangsvollstreckungsunterwerfung. . . . . . . . . M 111 Kapitalwahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 112 Rentenreallast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 113 Wertgesichertes Geldvermächtnis . . . . . . . . . . M 114 Vorausvermächtnis an den Alleinerben . . . . . . M 115 Vorausvermächtnis an den Miterben . . . . . . . . M 116 Vorausvermächtnis an den Vorerben. . . . . . . . . M 117 Untervermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 118 Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben. M 119 Vor- und Nachvermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . M 120 Ausbildungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . M 121 Ausschluss des Kürzungsrechts des Hauptvermächtnisnehmers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Teilungsanordnung, Übernahmerecht und Teilungsverbot als Instrumente der Steuerung der Nachlassauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 124 Teilungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 125 Vorausvermächtnis – Grundfall . . . . . . . . . . . . M 126 Vorausvermächtnis – Gefahr ungleicher Darlehenbelastung bzw. des Wegfalls einzelner Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 127 Teilungsanordnung mit Vorausvermächtnis der Wertdifferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 128 Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 129 Teilungsverbot als Vermächtnis . . . . . . . . . . . . M 130 Teilungsverbot als Auflage . . . . . . . . . . . . . . . .
XVI
Musterverzeichnis Rz.
Seite
. . . . . .
370 370 370 370 370 370
407 408 408 409 409 409
. .
371 372
409 410
373
410
382
414
H. Die Bedingung als testamentarisches Vielzweckinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 141 Wertgesichertes Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . .
383 390
414 418
I. Die letztwillige Schiedsklausel als Instrument der Befriedung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 142 Schiedsgutachterklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
392 396
418 419
400
420
401
421
M 132 M 133 M 134 M 135 M 136 M 137 M 138
Verwaltungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . Gesamttestamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . Nacherben- bzw. Nachnacherbenvollstreckung Befugniserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befugniseinschränkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckervergütung. . . . . . . . . . . Ernennung des Testamentsvollstreckers zum Schiedsrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 139 Erteilung einer Vollmacht auf den Todesfall . . .
G. Die Vollmacht auf den Todesfall als Alternative zur Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 140 Postmortale Vollmacht und Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J. Ausschluss der Sorgerechtsübertragung und Vormundbenennung für ein minderjähriges nichteheliches Kind . M 143 Sorgerechtsübertragungsausschluss und Vormundbenennung für ein nichteheliches minderjähriges Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Kapitel Verfügungen von Todes wegen nur eines Erblassers A. Das Einzeltestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
423
B. Hinweise zur Gestaltung von Einzeltestamenten . . . . . .
6
424
C. Formulierungs- und Gestaltungsbeispiele. . . . . . . . . . . . M 144 Eigenhändiges Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 145 Notariell beurkundetes Testament . . . . . . . . . . .
12 11 11
425 425 426
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . M 146 Entgeltlicher Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 19
427 429
XVII
Musterverzeichnis
5. Kapitel Das Ehegattentestament Rz.
Seite
A. Typus Ehegattentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
435
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? . . . . . . M 147 Eigenhändiges gemeinschaftliches Testament – Urkundenrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . M 148 Notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament – Urkundenrahmen . . . . . . . . . . . . . . M 149 Widerruf einer einseitigen Verfügung aus einem gemeinschaftlichen Testament durch Einzeltestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 150 Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments durch gemeinschaftliches Widerrufstestament . . M 151 Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung aus einem gemeinschaftlichen Testament mit Änderungsvorbehalt durch Einzeltestament . . . . M 152 Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments durch einseitige Erklärung zu Lebzeiten beider Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 153 Erbvertrag – Urkundenrahmen . . . . . . . . . . . . . .
13
438
18
440
18
441
20
444
21
444
24
445
41 47
450 452
C. Einheitslösung oder Trennungslösung? . . . . . . . . . . . . . M 154 Eigenhändiges Berliner Testament mit Mindestinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
458
68
460
D. Probleme der Trennungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . M 155 Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben (1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 156 Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben (2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 157 Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben (3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 158 Herausgabevermächtnis beim Ehegattentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 159 Vormerkung beim Herausgabevermächtnis . M 160 Verfügungsunterlassungsvermächtnis . . . . . M 161 Aufschiebend bedingte Übereignung beim Herausgabevermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . M 162 Wiederverheiratungsklausel beim Herausgabevermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
...
69
461
...
75
462
...
75
462
...
75
463
... ... ...
77 83 84
463 466 466
...
85
466
...
87
467
E. Gemeinsames Versterben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 163 Schlusserbenbestimmung einschließlich gleichzeitigen Versterbens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 164 Herausgabevermächtnis bei gleichzeitigem Versterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
467
91
468
92
468
XVIII
Musterverzeichnis Rz.
Seite
93
469
M 165 Herausgabevermächtnis für den Erben des Erstverstorbenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 166 Gleichzeitigkeitsklausel mit Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 167 Gleichzeitigkeitsklausel mit Vermächtnis in Pflichtteilshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
469
95
470
F. Der Änderungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 168 Änderungsvorbehalt beim Erbvertrag . . . . . . . . .
96 112
470 476
G. Verzicht auf Selbstanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 169 Umfassender Selbstanfechtungsverzicht. . . . . . . M 170 Eingeschränkter Selbstanfechtungsverzicht . . . .
122 127 128
481 483 483
H. Pflichtteilsstrafklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 171 Pflichtteilsstrafklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 172 Pflichtteilsstrafklausel bei Durchsetzung des Pflichtteilsverlangens . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 173 Erweiterte Jastrow’sche Klausel . . . . . . . . . . . . . M 174 Abänderungsvorbehalt bei Pflichtteilsverlangen .
129 134
483 485
135 141 147
486 487 489
148
489
158
492
I. Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 175 Wiederverheiratungsklausel – Vermächtnislösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Ehegattentestament und Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . M 176 Kein Aufrechterhaltungswille. . . . . . . . . . . . . . . M 177 Weitergeltung von Verfügungen nach Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 178 Entfallen der Verfügungen schon vor Scheidung .
162 174
494 498
181 182
500 500
K. Vermögens- und Personensorge für minderjährige Erben . M 179 Ausschluss von der Vermögenssorge. . . . . . . . . . M 180 Benennung eines Vormunds . . . . . . . . . . . . . . . .
184 184 187
501 501 502
L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslösung . . M 181 Supervermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 210
503 508
. . . . .
211 214 215 216 217
509 510 512 513 514
.
217
515
.
220
518
M. Formulierungsbeispiele für Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 182 Erbvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag . . . . M 183 Gegenseitige Vorerbeneinsetzung . . . . . . . . . . . M 184 Rückflusslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 185 Gegenseitige Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . M 186 Berliner Testament mit Befreiung für künftigen Vermögenserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 187 Berliner Testament mit teilweisem Änderungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Musterverzeichnis Rz.
Seite
220
519
220 221 221 221 222
521 522 524 525 526
222
526
223
528
254
535
A. Das Testament der Patchwork-Familie. . . . . . . . . . . . . . M 196 Verpflichtung zum Stiefkindunterhalt . . . . . . . . M 197 Ausbildungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 198 Gemeinschaftliches Berliner Testament der Patchwork-Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 199 Alternative: Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen mit Änderungsvorbehalt der PatchworkFamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 200 Erbvertrag mit Trennungslösung der PatchworkFamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 13 14
539 542 543
18
544
18
545
18
546
B. Das Geschiedenentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 201 Nacherbenlösung beim Geschiedenentestament M 202 Anordnung weiterer Nacherbfolge . . . . . . . . . . . M 203 Verwaltungsausschluss und Pflegerbenennung für minderjährige Abkömmlinge . . . . . . . . . . . . M 204 Vermächtnislösung beim Geschiedenentestament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 205 Kombinationslösung beim Geschiedenentestament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 36 37
547 552 553
38
554
68
562
69
563
70 87
564 569
110 114
581 583
M 188 Berliner Testament mit völliger Bindung des Überlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 189 Erbvertrag mit Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 190 Befreite Vorerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 191 Nicht befreite Vorerbschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . M 192 Beschränkung der Nacherbfolge auf Immobilien. M 193 Gegenseitiges Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . M 194 Nießbrauchsvermächtnis für den zweiten Ehegatten und Pflichtteilsverzichtsvertrag . . . . . N. Zuwendungsverzichtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 195 Vertrag über vollentgeltlichen Zuwendungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Kapitel Besondere Typen letztwilliger Verfügungen
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 206 Behindertentestament Nacherbenlösung . . . . . . M 207 Anordnung eines Geldvermächtnisses beim Behindertentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 208 Teilungsanordnung beim Behindertentestament. XX
Musterverzeichnis
M 209 Salvatorische Klausel beim Behindertentestament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 210 Vermächtnislösung beim Behindertentestament als Einzeltestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 211 Vermächtnislösung beim Ehegattenerbvertrag . . M 212 Leibrentenvermächtnis beim Behindertentestament. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
131
589
147 147
595 597
148
599
D. Letztwillige Verfügungen zugunsten überschuldeter bzw. Arbeitslosengeld II beziehender Abkömmlinge (Bedürftigentestament) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 213 Überschuldeten- bzw. Bedürftigentestament Nacherbenlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 214 Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht . . . . .
151
600
156 162
602 607
E. Testament zur Versorgung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . M 215 Testament für Haustiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163 165
608 609
F. Die letztwillige Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 216 Errichtung einer Stiftung durch Stiftungsgeschäft von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
609
187
615
188
618
257
643
A. Fallgruppen und Zwecke des Unternehmertestaments . .
1
651
B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
655
C. Die Vererbung eines Einzelunternehmens . . . . . . . . . . .
44
661
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen. . . . . . . . M 218 Fortsetzungsklausel bei der GbR. . . . . . . . . . . . . M 219 Allgemeine Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . M 220 Erbeinsetzung bei allgemeiner Nachfolgeklausel M 221 Qualifizierte Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . M 222 Erbeinsetzung bei qualifizierter Nachfolgeklausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 223 Vorausvermächtnis des Beteiligungswertes. . . . .
51 55 67 67 68
663 665 668 668 668
68 69
669 669
G. Das Testament des Apothekeninhabers . . . . . . . . . . . . . M 217 Verfügung von Todes wegen des Apothekeninhabers – sog. Apothekeninhabertestament (Ehemann als Apothekeninhaber, Ehefrau ohne Approbation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7. Kapitel Das Testament des Unternehmers
XXI
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70 74
670 671
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84 84 89 90 91 98 103
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690
126 127 130 141 141
690 691 692 694 694
M 224 Erbeinsetzung nur eines Nachfolgers . . . . . . . . . M 225 Beschränkung der Nachfolge . . . . . . . . . . . . . . . M 226 Qualifizierte Fortsetzungsklausel und Vermächtnisklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 227 Gesellschaftsvertragliche Umwandlungsermächtigung für den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 228 Letztwillige Anordnung der Umwandlung . . . . . M 229 Zulassung der Nießbrauchsbestellung im Gesellschaftsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 230 Nießbrauchsvermächtnis an der Beteiligung. . . . M 231 Eintrittsklausel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 232 Qualifizierte Eintrittsklausel . . . . . . . . . . . . . . . M 233 Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . M 234 Qualifizierte Nachfolgeklausel bei der KG . . . . . M 235 Vererbungsklausel in der GmbH-Satzung . . . . . . E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 236 Testament des Unternehmers, Bedingungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 237 Testament des Unternehmer-Ehegatten, Bedingungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 238 Testament des Unternehmers, Maßgabelösung. M 239 Testament des Ehegatten des Unternehmers, Maßgabelösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 240 Testament des Unternehmers, Kombinationslösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 241 Testament des Unternehmers, Vermächtnislösung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 242 Ertragsnießbrauch am Unternehmen . . . . . . . . . M 243 Rentenwahlrecht bei Ertragsnießbrauch am Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 244 Schuldrechtliches Ertragsvermächtnis am Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 245 Nießbrauchsvermächtnis an den Erträgen der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 246 Nießbrauchsvermächtnis am GmbH-Anteil . . . . M 247 Leibrentenvermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 248 Vermächtnis einer stillen Beteiligung . . . . . . . . . M 249 Vermächtnis einer Unterbeteiligung . . . . . . . . . .
XXII
Musterverzeichnis Rz.
Seite
G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich . . . M 250 Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen mit Wahlrecht des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 251 Gesellschaftsvertragliche Zulassung der Testamentsvollstreckung an einer Beteiligung mit automatischer Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
143
695
167
701
189
709
H. Die letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel . . . . . . . M 252 Letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel . . . .
198 198
711 711
I. Typen von Unternehmertestamenten. . . . . . . . . . . . . . . M 253 Testament des jungen Unternehmers . . . . . . . . . M 254 Testament des Mitgesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . M 255 Testament des Alleingesellschafters einer GmbH M 256 Testament des Einzelunternehmers mit noch minderjährigen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 213
715 717
214 215
719 719
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1
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.
62
754
. . .
69 70 72
757 758 760
8. Kapitel Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermächtnisausschlagung A. Erbschaftsausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 257 Ausschlagung einer Erbschaft mittels notarieller Unterschriftsbeglaubigung . . . . . . . . . . . . . . . . . M 258 Ausschlagung einer Erbschaft durch den gesetzlichen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 259 Antrag auf familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 260 Ausschlagung einer Erbschaft aus ererbtem Ausschlagungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 261 Ausschlagung einer Erbschaft als eingesetzter Erbe unter Annahme einer Erbschaft als gesetzlicher Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 262 Ausschlagung einer Erbschaft bei Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anfechtung der Annahme, Fristversäumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 263 Anfechtung der Versäumnis der Ausschlagungsfrist unter Nachholung der Ausschlagung M 264 Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft . M 265 Anfechtung der Annahme einer Erbschaft . . . .
XXIII
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C. Vermächtnisausschlagung und deren Anfechtung . . . . . M 266 Ausschlagung eines Vermächtnisses. . . . . . . . . .
Rz.
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75 75
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794
9. Kapitel Erbnachweis und diesbezügliches Verfahren A. Erbscheinsverfahren und Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . M 267 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins – Alleinerbe, gesetzliche Erbfolge, kein Auslandsbezug. . M 268 Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins – gewillkürte Erbfolge, kein Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 269 Antrag auf Erteilung eines vorläufigen gemeinschaftlichen Erbscheins – gesetzliche Erbfolge, kein Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 270 Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins – kein Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 271 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei angeordneter Nacherbfolge – kein Auslandsbezug . . . M 272 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei angeordneter Nacherbfolge und dem Vorerben zugewendetem Vorausvermächtnis vor Eintritt des Nacherbfalls – kein Auslandsbezug . . . . . . . M 273 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge – kein Auslandsbezug . M 274 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei durch Wiederverheiratung bedingter Nacherbfolge – kein Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 275 Antrag auf Erteilung eines gegenständlich beschränkten Vollerbscheins (Hauptantrag) bzw. eines Vorerbscheins mit Vermerk über Eintritt der Nacherbfolge (Hilfsantrag) bei angeordneter Nacherbfolge und dem Alleinvorerben zugewendetem Vorausvermächtnis ab Eintritt des Nacherbfalls – kein Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . M 276 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei eingetretener Nacherbfolge, wenn dem Alleinvorerben ein Vorausvermächtnis zugewendet wurde – kein Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . M 277 Antrag auf Erteilung eines gegenständlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkten Eigenrechtserbscheins nach einem deutschen Erblasser mit Grundbesitz im Ausland
XXIV
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.
62
805
C. Vermächtnisvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 287 Antrag auf Erteilung eines Vermächtnisvollstreckerzeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
805
63
806
D. Weitere Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweise . . .
65
806
E. Europäisches Nachlasszeugnis für Erbfälle ab dem 17.8.2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
810
F. Änderungen des nationalen Rechts für Erbfälle ab dem 17.8.2015 zwecks Duchführung der EuErbVO . .
84
813
M 278 Antrag auf Erteilung eines gegenständlich auf den im inländischen Spaltnachlass für unbewegliches Vermögen befindlichen Nachlass beschränkten Eigenrechtserbscheins nach einem ausländischen Erblasser . . . . . . . . . . . . . . M 279 Antrag auf Erteilung eines gegenständlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkten Doppelerbscheins nach einem vor dem 17.8.2015 verstorbenen ausländischen Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 280 Antrag auf Erteilung eines unbeschränkten Doppelerbscheins nach einem ausländischen Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 281 Antrag auf Erteilung eines gegenständlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkten Fremdrechtserbscheins nach einem ausländischen Erblasser mit Grundbesitz im Inland . . . . M 282 Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der gegenständlich auf im Gebiet der früheren DDR belegenen Grundbesitz beschränkt ist. . . . . . . . . . . . B. Testamentsvollstreckerzeugnis und sonstige Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 283 Ernennung eines Nachfolgertestamentsvollstreckers durch die übrigen Mitvollstrecker . . . M 284 Annahme/Ablehnung des Testamentsvollstreckeramts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 285 Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 286 Antrag auf Erteilung eines Nacherbenvollstreckerzeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXV
Musterverzeichnis
10. Kapitel Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschäfte Rz.
Seite
1
820
8
826
20
833
B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers . . . . . . . . . . . M 290 Handlungsanweisung und Vollmacht des Einzelunternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 291 Handlungsanweisung und Vollmacht des Alleingesellschafter- Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . M 292 Handlungsanweisung und Vollmacht des Mitgesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
837
31
841
31
842
31
842
C. Der Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 293 Ehevertrag über gegenständliche Herausnahme des Anfangsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 294 Ehevertrag über gegenständliche Herausnahme des Betriebsvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 295 Ehevertrag über die Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch Vereinbarung von Gütertrennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 296 Ehevertrag über die Versorgung der zweiten Ehefrau durch Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . .
32
843
36
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37
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38
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40 43 44
849 850 855
61
868
67
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72 76 77
880 882 883
A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 288 Rangbestimmung unter mehreren Bevollmächtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 289 Generalvorsorgevollmacht mit hilfsweiser Betreuungsverfügung und Patientenverfügung . .
D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 297 Übergabe eines Handwerksbetriebes . . . . . . . . . . M 298 Hausübergabe mit Nießbrauchsvorbehalt . . . . . . M 299 Lediglich rechtlich vorteilhafter Rückübertragungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 300 Lediglich rechtlich vorteilhafte Anordnung der Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 301 Erbentestaments- und Vermächtnisvollstreckung zur Erfüllung und Verwaltung eines nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 302 Ausstattung eines Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . M 303 Ehegattenzuwendung zur Haftungsvermeidung .
XXVI
Literaturverzeichnis
Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007 Bamberger/Roth/Bearbeiter, BGB, 3. Auflage 2012 Beck’sches Formularbuch Erbrecht/Bearbeiter (Hrsg.: Brambring/Mutter), 3. Auflage 2014 Beck’sches Notar-Handbuch/Bearbeiter (Hrsg.: Heckschen/Herrler/Starke), 6. Auflage 2015 Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 5. Auflage 2013 Bieritz-Harder/Conradis/Thie, Sozialgesetzbuch XII, 9. Auflage 2012 Brox/Walker, Erbrecht, 26. Auflage 2014 Burandt/Franke, Unternehmertestament, 2003 Burandt/Rojahn/Bearbeiter, Erbrecht, 2. Auflage 2014 Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, 2. Auflage 2010 Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 4. Auflage 2010 Ebeling/Geck, Handbuch der Erbengemeinschaft, Loseblatt Ebenroth, Erbrecht, 1992 Engelmann, Letztwillige Verfügung zu Gunsten Verschuldeter oder Sozialhilfebedürftiger, 2. Auflage 2001 Erman/Bearbeiter, BGB, 14. Auflage 2014 Esch/Baumann/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, 7. Auflage 2009 Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Loseblatt Fichtner/Wenzel, Bundessozialhilfegesetz, 2003 Flick/Piltz (Hrsg.), Der Internationale Erbfall, 2. Auflage 2008 Frank/Helms, Erbrecht, 6. Auflage 2013 Franzen, Anwaltskunst, 3. Auflage 2001 Fromm/Vogt, Richtig schenken und vererben, 7. Auflage 2012 Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Auflage 2002 Groll/Bearbeiter, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Auflage 2015 Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014 Harder/Kroppenberg, Grundzüge des Erbrechts, 5. Auflage 2002 Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (SGB) II, Loseblatt Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Handbuch des Erbrechts, 2. Auflage 2010 Jauernig/Bearbeiter, BGB, 15. Auflage 2014 John, Grundzüge des Erbrechts, 1981 Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblatt Keidel/Bearbeiter, FamFG, 18. Auflage 2014 Kerscher/Krug, Das erbrechtliche Mandat, 5. Auflage 2014
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Literaturverzeichnis
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XXIX
1. Kapitel Grundlagen der Testamentsgestaltung
Inhaltsübersicht Rz. A. Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Bedeutung der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Richterliche Inhaltskontrolle als Schranke der Testierfreiheit . . . . . 1. Die Hohenzollern-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltskontrolle letztwilliger Verfügungen bei Potestativbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . b) Stufen der Prüfung . . . . . . . c) Beurteilungszeitpunkt . . . . d) Unzulässiger Druck als Kriterium der Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätze für die Gestaltung von Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichtteilsstrafklauseln . . . . . 5. Bedeutung der Inhaltskontrolle im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . III. Das Pflichtteilsrecht als Schranke der Testierfreiheit. . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrang des Pflichtteils der Abkömmlinge . . . . . . 2. Verhältnis zur Testierfreiheit . 3. Reform 2009 . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen nach den Heimgesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tatbestand, Schutzzweck, Ersetzung durch Landesrecht . . . 2. Anwendung auf Verfügungen von Todes wegen. . . . . . . . . . . . 3. Heim, betreutes Wohnen, Heimbewohner, Heimbewerber, maßgebender Zeitpunkt . . 4. Heimträger, Heimmitarbeiter, nahestehende Personen . . . . . . 5. Ausnahmegenehmigung . . . . . 6. Umgang mit dem Gesetz und Haftungsrisiken . . . . . . . . . . . . V. Zuwendungen an öffentlich Bedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6 6 8 11
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Rz. B. Formfragen bei Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außerordentliche Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das eigenhändige Testament, besondere amtliche Verwahrung . . . 1. Anforderungen an die Eigenhändigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere amtliche Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das öffentliche Testament; besondere amtliche Verwahrung; elektronische Übermittlung von Verwahrangaben erbfolgerelevanter Urkunden an das Zentrale Testamentsregister . . . . . . . . . . . . 1. Erklärung zur Niederschrift eines Notars . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere amtliche Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Elektronische Übermittlung von Verwahrangaben erbfolgerelevanter Urkunden an das Zentrale Testamentsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Körperliche und andere Einschränkungen des Erblassers sowie Testamentserrichtung durch Mehrfachbehinderte . . . . . . . . . . . V. Eigenhändiges oder öffentliches Testament? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Gleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das öffentliche Testament als Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweis . . . . . . . . . . . . . . . 3. Testamentswiderruf . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . b) Widerrufstestament . . . . . . . c) Bloßer inhaltlicher Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Veränderung oder Vernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Widerruf des Widerrufs . . . .
48 48 48 54 60 60 67
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89 94 94
97 101 101 103 104 106 108
1
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung Rz. f) Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung . . . . . . . . 109 C. Der Erblasser: Testierfähigkeit . . 113 D. Auslandsberührung und Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . II. Das gesetzlich vorgesehene Erbstatut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsches Kollisionsrecht. . . . 2. Europäische Erbrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Handeln unter falschem Recht 4. Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Erbfälle bis einschließlich 16.8.2015 . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausländische Erblasser bb) Deutsche Erblasser . . . . c) Erbfälle ab einschließlich 17.8.2015 . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . e) Vermeidung . . . . . . . . . . . . . f) Unterschiedliche Pflichtteilsrechte . . . . . . . . . . . . . . g) Pflichtteilsrechte als Störfaktoren bei der Nachlassplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Internationale Pflichtteilsstrafklausel. . . . . . . . . . . . . . 5. Hinkendes Rechtsverhältnis . . 6. Güterrechtliche Erbteilserhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgrund Zugewinngemeinschaft nach § 1371 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgrund Gütertrennung nach § 1371 Abs. 4 BGB . . . c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . 7. Anerkennung deutscher Gestaltungsmöglichkeiten im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anerkennung notarieller und eigenhändiger Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot von Erbvertrag, gemeinschaftlichem Testament und Erb- und Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . 8. Verfügungen von Todes wegen a) Deutsches Internationales Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäische Erbrechtsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . .
2
125 125 126 126 128 134 136 136 137 137 141 142 143 144 145
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Rz. III. Erbstatut kraft Rechtswahl. . . . . . 1. Deutsches Kollisionsrecht . . . . 2. Rechtswahl nach ausländischem IPR . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtswahl nach EuErbVO . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzeltestament . . . . . . . . . . c) Gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erbrecht im vereinten Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Erbrecht in anderen Staaten . . . . . 1. Angrenzende Nachbarstaaten . a) Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht. . . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . b) Niederlande . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . c) Belgien. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . . . . . . d) Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . .
171 171 180 182 182 192 193 196 200 201 201 201 201 202 204 206 207
208 209 209 210 212 214
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216 218 218 219 221 223
224
226 227 227 228 230
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung Rz.
e)
f)
g)
h)
dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . Tschechische Republik. . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . .
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Rz. ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . i) Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . 2. Weitere Staaten . . . . . . . . . . . . . a) Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . b) Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . c) Russland . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . . dd) Pflichtteilsrecht. . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . d) Griechenland . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut. . . . . . . . . . . . .
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298 299 299 300 302 303
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306 307 307
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung Rz. bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . e) Kroatien . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . f) England, Wales und Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . g) USA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erbstatut . . . . . . . . . . . . bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand . . . . . . . cc) Gesetzliches Erbrecht . dd) Pflichtteilsrecht . . . . . . ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament . . . . . . . . . . . E. Der Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit der Ermittlung . . II. Frageliste mit Problemansätzen . 1. Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . 3. Verträge auf den Todesfall . . . . 4. Auslandsvermögen . . . . . . . . . . 5. Nachlassplanung . . . . . . . . . . .
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Rz. F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bereicherungsprinzip. . . . . . b) Stichtagsprinzip . . . . . . . . . . c) Maßgeblichkeitsprinzip . . . 2. Persönliche Steuerpflicht, Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erwerb von Todes wegen . . . . . 4. Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . II. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . 1. Der Beschluss des BVerfG vom 10.11.2006 . . . . . . . . . . . . . 2. Schwerpunkte des Beschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Verschonungsebene . . . . . . III. Die Erbschaftsteuerreform 2009 . 1. Zielsetzung und Grundsätze der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßnahmen auf der Bewertungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der gemeine Wert als Bewertungsziel . . . . . . . . . . . . . b) Bewertungsvorschriften . . . aa) Nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . bb) Betriebsvermögen . . . . . cc) Land- und forstwirtschaftliches Vermögen . dd) Grundvermögen . . . . . . 3. Verschonungsregelungen . . . . . a) Verschonung des Familienheims . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwerb von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner . . . . bb) Fortdauer der Begünstigung ehebedingter Zuwendungen hinsichtlich des Familienheims . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erwerb von Todes wegen durch Kinder oder Kinder vorverstorbener Kinder . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschonung von Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand der Verschonung . . . . . . . . . . . . bb) Umfang der Verschonung . . . . . . . . . . . . . . . .
348 348 348 349 350 351 352 355 356 357 357 358 362 367 367 368 368 370
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit Rz. cc) Lohnsummenerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . dd) Behaltensfrist . . . . . . . . ee) Erhöhungsoption . . . . . c) Verschonung vermieteten Grundbesitzes . . . . . . . . . . . 4. Vermeidung der Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer . . . . . . 5. Gestaltungsmöglichkeiten nach der Reform . . . . . . . . . . . . a) Selbstnutzung beim Familienheim . . . . . . . . . . . b) Lohnsummenkontrolle bei Betriebsvermögen . . . . . c) Nulloption . . . . . . . . . . . . . . d) Beteiligungsquote bei Kapitalgesellschaften . . . . . e) Überhöhte Unternehmenswerte? . . . . . . . . . . . . . IV. Die Berechnung der Steuer . . . . . . 1. Berücksichtigung früherer Erwerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394 396 397 398
399 400 400 402 405 406 407 409
Rz. 2. Steuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freibeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuersätze . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Wegfall bewertungsbedingter Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von der Fallgruppe zum Gestaltungstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung der Methode der Orientierung an Fallgruppen und Gestaltungstypen bei der Testamentsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Von der Beratung zur Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Beratungsgespräch . . . . . . . 2. Die Gestaltung . . . . . . . . . . . . .
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A. Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit I. Die Bedeutung der Testierfreiheit Die Testierfreiheit des Erblassers ist ein bestimmendes Element der von 1 Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Erbrechtsgarantie. Sie ist als Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Tod hinaus eng mit der Garantie des Eigentums verknüpft und genießt wie diese als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit besonders ausgeprägten Schutz.1 Dem Erblasser ist hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln.2 Die Testierfreiheit umfasst auch die Freiheit, die Vermögensnachfolge nicht an den allgemeinen gesellschaftlichen Überzeugungen oder den Anschauungen der Mehrheit ausrichten zu müssen.3 Insbesondere ist der Erblasser von Verfassungs wegen nicht zu einer Gleichbehandlung seiner Abkömmlinge gezwungen.4
1 BVerfG v. 16.10.1984 – 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329 (341) = FamRZ 1985, 256; BVerfG v. 14.12.1994 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346 (358) = MDR 1995, 288 = FamRZ 1995, 405. 2 BVerfG v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341 (350) = FamRZ 1999, 985. 3 BVerfG v. 21.2.2000 – 1 BvR 1937/97, FamRZ 2000, 945 (946). 4 BVerfG v. 16.10.1984 – 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329 ff. = FamRZ 1985, 256.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
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Die „legitime Willkür“1 des Erblassers ist im Verhältnis zum Ehegatten und zu den Abkömmlingen auch deshalb hinnehmbar, weil für diese durch das Pflichtteilsrecht eine Mindestteilhabe sichergestellt ist.2 Die gesetzliche Regelung des Pflichtteilsrechts bestätigt geradezu die Befugnis des Erblassers, auch die engste Familie von der Erbfolge auszuschließen.
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Schranken der Testierfreiheit ergeben sich aus speziellen Schutzgesetzen wie den Heimgesetzen (s. dazu 1. Kap. Rz. 28 ff.) und aus den allgemeinen Gesetzen wie den Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB. Über diese Generalklauseln wirken sich auch Grundrechte testamentarisch Bedachter, insbesondere deren Eheschließungsfreiheit, einschränkend auf die Testierfreiheit aus, was zur nachfolgend dargestellten richterlichen Inhaltskontrolle führen kann.
II. Richterliche Inhaltskontrolle als Schranke der Testierfreiheit 1. Die Hohenzollern-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 4
Mit Kammerbeschluss vom 22.3.20043 hat das BVerfG zur Frage der Wirksamkeit der Ebenbürtigkeitsklausel des Hauses Hohenzollern in einem Erbvertrag aus dem Jahre 1938 Stellung genommen. Mit dieser Klausel wurde derjenige Abkömmling des als Erblasser vertragschließenden Kronprinzen Wilhelm von Preußen für erbunfähig erklärt, der nicht aus einer den Grundsätzen der alten Hausverfassung des brandenburg-preußischen Hauses entsprechenden Ehe stammt oder in einer nicht hausverfassungsmäßigen Ehe lebt. Nachdem Amtsgericht und Landgericht im Streit um die Erbfolge die Klausel für sittenwidrig iSv. § 138 BGB und damit für nichtig angesehen hatten sowie die dagegen gerichteten weiteren Beschwerden durch das Oberlandesgericht wegen dieser für die Feststellung der Erbfolge erheblichen Vorfrage angesichts beabsichtigter Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nach § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorgelegt worden waren, verneinte dieser die Sittenwidrigkeit und sah die Ebenbürtigkeitsklausel als wirksam an. Daraufhin wurde der älteste Sohn des Erblassers von den Nachlassgerichten als von der Erbfolge ausgeschlossen behandelt. Er wandte sich schließlich mit einer Verfassungsbeschwerde hiergegen an das Bundesverfassungsgericht.
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Das Bundesverfassungsgericht geht entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auf das Privatrecht aus, was hier bedeutet, dass der Testierfreiheit des Erblassers das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 GG gegenübersteht, die Ehe mit einem selbstgewählten Partner einzugehen und fort1 Isensee, DNotZ 2004, 754 (758). 2 Gaier, ZEV 2006, 2 (4). 3 BVerfG v. 22.3.2004 – 1 BvR 2248/01, NJW 2004, 2008 = ZEV 2004, 241 = FamRZ 2004, 765 mit Anm. Staudinger; dazu Otte, ZEV 2004, 393; Isensee, DNotZ 2004, 754; Gutmann, NJW 2004, 2347; Horsch, Rpfleger 2005, 285; Gaier, ZEV 2006, 2; Weiler, MittBayNot 2006, 296 (302); Kroppenberg, DNotZ 2006, 86.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
zuführen. Die dabei im Rahmen der Prüfung der §§ 138, 242 BGB erforderliche Abwägung habe der Bundesgerichtshof nicht hinreichend vorgenommen. Die Ebenbürtigkeitsklausel sei geeignet, die Eheschließungsfreiheit des zum Nacherben eingesetzten Abkömmlings zu beeinträchtigen. Dieser sehe sich vor die Alternative gestellt, entweder eine nicht ebenbürtige Ehe nicht zu schließen bzw. nicht aufrecht zu erhalten oder seine Position als Nacherbe zu verlieren. Dies könne zu einem unzumutbaren Druck auf den Erben führen, wenn dieser wirtschaftlich ohne die Erbschaft nicht hinreichend abgesichert sei. Zur Prüfung dieser Frage wies das Bundesverfassungsgericht die Sache an das Landgericht zurück. 2. Inhaltskontrolle letztwilliger Verfügungen bei Potestativbedingungen a) Fragestellung Die für die Testamentsgestaltung bedeutsame Folge der Entscheidung ist, 6 dass die Zivilgerichte von Verfassungs wegen eine Inhaltskontrolle letztwilliger Verfügungen dann vorzunehmen haben, wenn ein Grundrecht des erbrechtlich Bedachten mit der Testierfreiheit des Erblassers in einer Weise kollidiert, die zu einem unzumutbaren Eingriff in eine auch gegenüber dem Erblasser geschützte Grundrechtsposition führen kann. Dass dies nur ausnahmsweise der Fall sein kann, ergibt sich schon daraus, dass die Testierfreiheit es dem Erblasser erlaubt, auch nächste Verwandte gerade nicht zu berücksichtigen. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit wegen Grundrechtsverletzung bedarf al- 7 so der besonderen Begründung dafür, warum Grundrechte des Erbprätendenten die Testierfreiheit des Erblassers einschränken sollen. Voraussetzung ist zunächst, dass die erbrechtliche Regelung einen sachlichen Bezug zu einem Grundrecht des Erbprätendenten hat. Dies ist der Fall bei Potestativbedingungen, die die Erlangung oder Beibehaltung einer erbrechtlichen Position von der Eingehung oder Aufrechterhaltung einer Ehe abhängig machen, also die nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit berühren. Neben den Ebenbürtigkeitsbestimmungen der Adelshäuser, die naturgemäß selten sind, kommen hier vor allem die Wiederverheiratungsklauseln in ihren verschiedenen Ausprägungen (s. dazu 5. Kap. Rz. 148 ff.) in Betracht. b) Stufen der Prüfung Nach dem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts sind letztwillige Eben- 8 bürtigkeitsbestimmungen auf ihre Wirksamkeit oder Anwendbarkeit in zwei Stufen zu prüfen. Zunächst muss die Klausel geeignet sein, die Ausübung der Eheschließungsfreiheit zu beeinflussen. Sodann ist sie angesichts der Umstände des Einzelfalles daraufhin zu überprüfen, ob sie auf den Erbprätendenten einen unzumutbaren Druck hinsichtlich der Eingehung oder Aufrechterhaltung einer Ehe ausübt.
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Geeignet zur Beeinträchtigung der Eheschließungsfreiheit ist die Klausel dann, wenn sie den Erben vor die Alternative stellt, entweder die unerwünschte Ehe nicht einzugehen oder zu beenden, oder die Beteiligung am Nachlass zu verlieren. Für die Unzumutbarkeit des hierdurch erzeugten Drucks ist insbesondere maßgeblich, ob der Wert des Nachlasses geeignet ist, unter Berücksichtigung der Lebensführung und der sonstigen Vermögensverhältnisse des Erben dessen Entscheidung für oder gegen die unerwünschte Eheschließung nachhaltig zu beeinflussen. Dieser wirtschaftliche Druck kann dadurch entscheidend gemildert werden, dass mit dem Verlust der Erbenstellung der Erwerb anderer versorgungsgeeigneter Ansprüche gegen den dann zum Zuge kommenden Erben verbunden ist, im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall etwa Apanagen.
10 Ist ein unzumutbarer Druck zu bejahen, so ist die Klausel von Verfassungs
wegen unwirksam oder unanwendbar. Auf welche zivilrechtliche Grundlage dieses Ergebnis gestützt wird, also etwa auf § 138 BGB oder § 242 BGB, ist Sache der ordentlichen Gerichte. c) Beurteilungszeitpunkt 11 Entsprechend seiner Selbstbeschränkung auf die verfassungsrechtlichen
Grundlagen der Beurteilung von ehebezogenen Potestativbedingungen hat sich das BVerfG der Festlegung zu der streitigen Frage enthalten, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Verfügung von Todes wegen maßgeblich ist. Die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums stellen auf den Errichtungszeitpunkt ab, die herrschende Meinung im Schrifttum auf den Zeitpunkt des Erbfalls und eine Mindermeinung auf den Zeitpunkt der richterlichen Beurteilung.1 Relevant ist die Frage dann, wenn zwischen der Errichtung der letztwilligen Verfügung und dem Erbfall bzw. der gerichtlichen Entscheidung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der Bewertungsmaßstäbe eintritt. So hat der BGH2 das Testament des verheirateten Erblassers zugunsten seiner Geliebten als“ Mätressentestament“ für sittenwidrig und nichtig angesehen, obwohl der Erblasser alsbald nach der Testamentserrichtung geschieden wurde. Zur Vermeidung solcher unbefriedigender Ergebnisse sollte man von der Unterscheidung zwischen Wirksamkeitskontrolle und Ausübungskontrolle ausgehen, die der Familienrechtssenat des BGH im Anschluss an die Vorgaben des BVerfG für die Inhaltskontrolle bei Eheverträgen aufgestellt hat.3
1 Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur bei Staudinger/Otte, Vorbem. zu §§ 2064 ff. BGB, Rz. 179. 2 BGH v. 15.2.1956 – IV ZR 294/55, BGHZ 20, 71 = NJW 1956, 865 m. Anm. Rechenmacher. 3 BGH v. 11.2.2004 – XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = FamRZ 2004, 601 = FamRB 2004, 105 = NJW 2004, 930 ff.; BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, NJW 2001, 930 = FamRZ 2001, 343 ff. = DNotZ 2001, 221; eingehend hierzu Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 15 ff.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
Danach hat Folgendes zu gelten:1 – Dem Verdikt der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unterliegt die letzt- 12 willige Verfügung nur, wenn deren Voraussetzungen im Errichtungszeitpunkt vorliegen und beim Erbfall noch bestehen. Das BVerfG trägt dem im entschiedenen Fall dadurch Rechnung, dass es die Fortdauer des unzulässigen Drucks auf die Ausübung der Eheschließungsfreiheit bis zum Eintritt des Erbfalls betont. Beispiel: Der vermögende Ehemann setzt die Ehefrau zur Alleinerbin ein mit der Bestimmung, dass bei Wiederverheiratung Nacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge eintritt. Damit verliert die selbst nicht vermögende Ehefrau bei Wiederverheiratung den gesamten Nachlass und ist auf die Versorgung durch den neuen Ehemann angewiesen. Erfolgt die Wiederverheiratung nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist gem. § 1944 Abs. 1 BGB, so hat sie auch keine Möglichkeit mehr, den Pflichtteil zu verlangen. Die Klausel hält die Ehefrau im Sinne eines unzumutbaren wirtschaftlichen Drucks von der Wiederverheiratung ab und dürfte deshalb schon im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gegen § 138 Abs. 1 BGB verstoßen. Haben sich die Verhältnisse beim Erbfall nicht geändert, so verbleibt es beim Verdikt der Sittenwidrigkeit.
– Die letztwillige Verfügung ist als wirksam anzusehen, wenn die Vo- 13 raussetzungen der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB zwar im Zeitpunkt der Errichtung vorlagen, aber zum Zeitpunkt des Erbfalls entfallen sind. Beispiel: In obigem Fall wendet der Ehemann nach der Testamentserrichtung, aber vor seinem Tod der Ehefrau einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens lebzeitig zu, wodurch die Angewiesenheit der Ehefrau auf das spätere Erbe entfällt. Der Ehemann belässt es bei der testamentarischen Wiederverheiratungsklausel, um das verbleibende Vermögen den Kindern zu erhalten. Im Zeitpunkt des Erbfalls ist die Ehefrau versorgt und kann ohne Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Versorgung entscheiden, ob sie eine neue Ehe eingehen will. Die Wiederverheiratungsklausel ist deshalb als wirksam anzusehen.
– § 138 BGB ist nicht einschlägig, wenn die letztwillige Verfügung zum 14 Errichtungszeitpunkt unbedenklich ist, aber infolge geänderter Umstände beim Erbfall unsittliche Auswirkungen hat. Statt der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB findet dann eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB statt. Sie besteht grundsätzlich darin, dass dem durch die Klausel Begünstigten die Berufung auf sie als unzulässige Rechtsausübung versagt wird. Beispiel: Im obigen Fall überträgt der Ehemann der Ehefrau im Zeitpunkt der Testamentserrichtung einen nicht unerheblichen, zur Versorgung geeigneten Teil seines Vermögens. Im weiteren Verlauf der Ehe geht das zugewendete Vermögen der Ehefrau dadurch verloren, dass sie es in einer wirtschaftlich schwierigen Situation zur Befriedigung von Gläubigern des Ehemannes verwendet. Beim Tod des Ehemannes 1 Vgl. auch Reimann/Bengel/J. Mayer, A 60a.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung ist wieder nicht unerhebliches Vermögen vorhanden, das unter die unveränderte Wiederverheiratungsklausel fällt. Die Wiederverheiratungsklausel ist deshalb bei Testamentserrichtung als wirksam anzusehen, übt aber infolge der geänderten Umstände zum Zeitpunkt des Erbfalls unzulässigen Druck auf die Eheschließungsfreiheit der Ehefrau aus. Sieht man richtigerweise ein nachträgliches Unwirksamwerden der zunächst wirksamen Klausel nach § 138 BGB nicht als möglich an, so ist über die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu helfen. Die Nacherbfolge tritt zwar ein. Die Nacherben haben aber die Versorgung der Ehefrau des Erblassers in geeigneter Weise sicherzustellen.
d) Unzulässiger Druck als Kriterium der Sittenwidrigkeit 15 Auch wenn man die möglichen Unwirksamkeitszeitpunkte in dieser Wei-
se auffasst, bleibt die Beantwortung der Frage entscheidend, unter welchen Voraussetzungen eine an das Heiratsverhalten anknüpfende Potestativbedingung sittenwidrig und nichtig sein kann. Nach den Vorgaben des BVerfG sind Potestativbedingungen an der Ausübung unzulässigen Drucks auf den Bedachten zu messen.1 Dies ermöglicht und erfordert es, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie insbesondere den Umfang der Zuwendung und das Angewiesensein des Bedachten auf die Zuwendung.2 16 In der die Grundsätze des BVerfG ablehnenden Literatur3 wird die Auffas-
sung vertreten, erbrechtliche Potestativbedingungen könnten niemals einen Eingriff in Freiheitsrechte bedeuten, da Zuwendungen von Todes wegen immer nur Angebote auf etwas seien, auf das man keinen Anspruch habe. Dieser Grundsatz wird von Anderen4 für die Fälle als eingeschränkt angesehen, in denen der Erblasser wissentlich und willentlich die Angewiesenheit des Bedachten auf die Zuwendungen verursacht oder mitverursacht hat. Angewiesenheit auf die Zuwendung liegt nach dieser Ansicht vor, wenn das bisherige Leben des Bedachten vom Erblasser so gelenkt worden ist, dass sich der Bedachte auf den Erbschaftserwerb Hoffnung machte und er, wenn sich die Hoffnung nicht erfüllt, in Schwierigkeiten gerät. Hier kann man an die Konstellation denken, dass die überlebende Ehefrau, die der gemeinsamen Kinder wegen auf eigene Alterssicherung und eigenen Vermögenserwerb verzichtet hat, für den Fall ihrer Wiederverheiratung völlig von jeder Erbschaftsbeteiligung ausgeschlossen wird. 17 Will man, wie dies vom BVerfG den Zivilgerichten und damit auch dem
Testamentsgestalter auferlegt ist, letztwillige Verfügungen, die eine Sanktion an das Heiratsverhalten anknüpfen, einer Kontrolle am Maßstab des Art. 6 GG unterwerfen, so bildet der unzumutbare Druck in Verbindung mit dem Umfang der dem Erblasser zuzurechnenden Angewiesenheit des Erbanwärters auf die Nachlassbeteiligung ein brauchbares Kriterium für die Prüfung der Wirksamkeit bzw. Korrekturbedürftigkeit der Regelung. 1 2 3 4
Dogmatische Kritik an diesem Ansatz bei Kroppenberg, DNotZ 2006, 86 (95). Gaier, ZEV 2006, 2 (5). So von Gutmann, NJW 2004, 2347 (2348). Otte, ZEV 2004, 397.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
3. Grundsätze für die Gestaltung von Wiederverheiratungsklauseln Wiederverheiratungsklauseln haben den Zweck, eine Schmälerung von 18 Erb- und Pflichtteilsansprüchen der gemeinsamen Abkömmlinge durch entsprechende Ansprüche eines neuen Ehepartners, eingetragenen Lebenspartners und/oder weiterer, nicht aus der Verbindung mit dem erstversterbenden Erblasser, insbesondere aus der nächsten Ehe stammender Abkömmlinge zu verhindern. Sie sind nach der Rechtsprechung unbedenklich zulässig,1 werden aber für die Gestaltungspraxis vom überwiegenden Teil der Kautelarjuristen zumindest nicht empfohlen.2 Wo sie dennoch verwendet werden, geschieht dies grundsätzlich entweder in der Form der auflösend bedingten Erbenstellung des überlebenden Ehegatten durch Anordnung des Eintritts der Nacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge oder in der Form der Verpflichtung des überlebenden Ehegatten, den Kindern bei Wiederverheiratung Geldvermächtnisse in Höhe des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils nach dem Erstverstorbenen auszuzahlen. Eine Sittenwidrigkeit wegen Eingriffs in die Eheschließungsfreiheit i.S. der 19 Grundsätze des BVerfG kommt dann in Betracht, wenn der überlebende Ehegatte bei Wiederverheiratung den Nachlass sofort und ohne Kompensation verliert.3 Diese Wirkung hat etwa die Klausel, dass der überlebende Ehegatte als Alleinerbe eingesetzt wird, aber mit sofortiger Wirkung Nacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge eintritt, wenn er wieder heiratet. Hierdurch verliert er den gesamten Nachlass und hat im Regelfall auch keine Möglichkeit, den Pflichtteil zu verlangen, wenn die dieses Verlangen voraussetzende Erbausschlagung nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 1 BGB nicht mehr möglich ist. Ist hier der überlebende Ehegatte für seine Versorgung auf den Nachlass angewiesen, so kann der bei Wiederverheiratung drohende Verlust der Existenzgrundlage einen unzumutbaren Druck auf ihn ausüben und das Verdikt der Sittenwidrigkeit der Wiederverheiratungsklausel begründen. Dieser Gefahr kann der Testamentsgestalter ebenso unschwer wie wirk- 20 sam begegnen. Es genügt, dem überlebenden Ehegatten auf den sofortigen Eintritt der Nacherbfolge ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils zuzuwenden oder die Nacherbfolge erst auf den Tod des überlebenden Ehegatten eintreten zu lassen.4 Auch die Zuweisung anderer Rechtspositionen wie Nießbrauch oder Wohnungsrecht mindestens im Wert des Pflichtteils bzw. die Gestaltung durch Herausgabevermächtnis ist zur Abwendung der Sittenwidrigkeit geeignet.5 Schließlich kann alternativ eine Gestaltung durch Herausgabevermächtnis trotz damit ggf. verbundener Restrisiken 1 BGH v. 6.11.1985 – IVa ZB 5/85, BGHZ 96, 198 (202) = MDR 1986, 295 = FamRZ 1986, 155; BGH v. 6.11.1985 – IVa ZB 5/85, FamRZ 1965, 600 = DNotZ 1986, 541 = BWNotZ 1986, 64. 2 Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2269 BGB Rz. 58 ff. (64 u. 78). 3 OLG Saarbrücken v. 15.10.2014 – 5 U 19/13, ZEV 2015, 364; Scheuren-Brandes, ZEV 2005, 185. 4 Weiler, MittBayNot 2006, 296 (303). 5 Reimann/Bengel/J. Mayer, A 61.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
hinsichtlich der Pflichtteilsfestigkeit (s. dazu 3. Kap. Rz. 253 bzw. 5. Kap. Rz. 82) erwogen werden. 4. Pflichtteilsstrafklauseln 21 Bei den gängigen Pflichtteilsstrafklauseln (s. dazu 5. Kap. Rz. 129 ff.), die
ebenfalls den Charakter von Potestativbedingungen haben, besteht nach gegenwärtigem Stand für den Testamentsgestalter kein Anlass, sich auf eine richterliche Inhaltskontrolle einzustellen. Derartige Strafklauseln sollen die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen den überlebenden, als Alleinerbe des erstverstorbenen Ehegatten eingesetzten Elternteil dadurch abhalten, dass sie für den Fall der Geltendmachung auch auf den Tod des letztversterbenden Elternteils enterbt werden. Bei Eintritt dieser Verhaltensbedingung erhalten die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge letztlich auf den Tod beider Elternteile ihren Pflichtteil, wobei sie bei Aufrechterhaltung bzw. Nichtverbrauch des Nachlasses durch den überlebenden Ehegatten wirtschaftlich sogar zweimal aus dem Nachlass des erstversterbenden Elternteils bedient werden. Auch wenn diese Doppelbegünstigung durch Verwendung der Jastrow’schen Klausel (s. dazu 5. Kap. Rz. 137 ff.) vermieden wird, bleibt es dabei, dass die Abkömmlinge zumindest aus dem Nachlass jeden Elternteils ihre gesetzliche Mindestbeteiligung erhalten. Auf mehr haben sie, wie eingangs dargelegt (s. dazu Rz. 2), auch im Lichte des Art. 6 GG keinen Anspruch. Eine Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsstrafklauseln scheidet deshalb angesichts der Testierfreiheit von vornherein aus. 5. Bedeutung der Inhaltskontrolle im Erbrecht 22 Ganz im Gegensatz zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen
spielt die richterliche Inhaltskontrolle letztwilliger Verfügungen eine nur untergeordnete Rolle. Der direkt entschiedene Fall der Ebenbürtigkeitsklausel wird sich angesichts der geringen Zahl der möglichen Betroffenen und des Übergangs zur republikanischen Staatsform kaum wiederholen. Die Anwendung der Entscheidungsgrundsätze auf andere an die Eheschließung anknüpfende Potestativbedingungen ist bei Pflichtteilsstrafklauseln von vornherein ausgeschlossen und bei den in der Praxis ohnehin seltenen Wiederverheiratungsklauseln leicht zu vermeiden. Immerhin lässt sich aber der Entscheidung des BVerfG der Appell an den Testamentsgestalter und Testator entnehmen, die „Herrschaft über den Tod hinaus“ durch Einflussnahme auf das künftige Verhalten der Erben auf das Notwendige und Vernünftige zu beschränken. Hierzu hilft wie immer im Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle die Ausrichtung der jeweiligen Gestaltung an anerkannten Fallgruppen und Gestaltungstypen (s. dazu Rz. 431 ff.).
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
III. Das Pflichtteilsrecht als Schranke der Testierfreiheit 1. Verfassungsrang des Pflichtteils der Abkömmlinge Durch Beschluss vom 19.4.2005 hat das BVerfG1 dem Pflichtteilsrecht (s. 23 ausführlich zum Pflichtteilsrecht 2. Kap. Rz. 56 ff.) der Abkömmlinge Verfassungsrang beigelegt. Es hat festgestellt, dass die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 iVm. Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet ist. Eine völlige Abschaffung des Pflichtteilsrechts, wie sie teilweise2 gefordert wurde, kommt damit nicht in Betracht. Wohl aber hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum zur Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts.3 Die Literatur hat die Entscheidung grundsätzlich billigend aufgenommen,4 kritisiert aber teilweise den historischen Ansatz.5 Das BVerfG geht davon aus, dass im Rahmen der erbrechtlichen Instituts- 24 garantie die tradierten Kernelemente des deutschen Erbrechts, zu denen auch die Teilhabe der Kinder am Nachlass der Eltern zählt, am Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG teilnehmen. Daneben steht Art. 6 Abs. 1 GG, der auch den Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern gewährleistet. Da dieser verfassungsrechtliche Schutz die familiäre Verantwortlichkeit zwischen Eltern und Kindern umfasst, sind die strukturprägenden Merkmale der Nachlassteilhabe nichts anderes als Ausdruck der Familiensolidarität. Gerade auch in Fällen der Entfremdung und Zerrüttung setzt das Pflichtteilsrecht der Testierfreiheit und damit den Bestrafungsmöglichkeiten des Erblassers notwendige Grenzen. Insbesondere für nichteheliche Kinder kommt der Gesetzgeber mit dem Pflichtteilsrecht seinem Schutzauftrag nach. 2. Verhältnis zur Testierfreiheit Der zwingenden Nachlassbeteiligung der Kinder steht die Testierfreiheit 25 des Erblassers gegenüber. Der Gesetzgeber hat nach der Rechtsprechung des BVerfG die Aufgabe, diese Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie für beide Grundrechtsträger so weit wie möglich wirksam bleiben. Gefordert sei ein schonender 1 BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, BVerfGE 112, 332 ff. = FamRZ 2005, 872 = FamRB 2005, 204. 2 Petri, ZRP 1993, 205; kritisch auch Dauner-Lieb, DNotZ 2001, 460. 3 Allgemein zur Reichweite des staatsrechtlichen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Gefüge der Gewaltenteilung ausführlich Fröhler, Grenzen legislativer Gestaltungsfreiheit in zentralen Fragen des Wehrverfassungsrechts – eine staatsrechtliche Analyse unter vergleichender Berücksichtigung der schweizerischen Rechtslage, 1995, S. 238 ff. 4 Z.B. Gaier, ZEV 2006, 2; Weiler, MittBayNot 2006, 296; Schöpflin, FamRZ 2005, 2025. 5 Kleensang, DNotZ 2005, 509; Kleensang, ZEV 2005, 277; BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03 mit Anm. J. Mayer, FamRZ 2005, 1441.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Ausgleich. Vor diesem Hintergrund bejaht das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit zentraler Vorschriften des geltenden Pflichtteilsrechts der Kinder im Bereich der Pflichtteilsberechtigung, der Pflichtteilsentziehungsgründe und der Pflichtteilsunwürdigkeitsgründe. Es betont, dass das in § 2303 Abs. 1 BGB geregelte Pflichtteilsrecht eine Regelung darstellt, die zum einen die angemessene Nachlassteilhabe der Kinder sichert, zum anderen aber dem Erblasser einen hinreichend weiten Raum zur Verwirklichung der Testierfreiheit lässt. Infolge des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers muss es aber nicht zwingend bei der geltenden gesetzlichen Regelung verbleiben. So wäre statt eines schuldrechtlichen Geldzahlungsanspruchs bspw. – wie nach schweizerischem Recht in Art. 470 ZGB1 (s. dazu nachfolgend Rz. 254) – ein materielles dingliches Noterbrecht denkbar, ebenso eine andere Pflichtteilshöhe.2 3. Reform 2009 26 Durch eine letztlich lediglich kleine punktuelle Reform3 wurde das
Pflichtteilsrecht im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben modernisiert und an gewandelte gesellschaftliche Gegebenheiten angepasst. Schwerpunkte der Reform sind folgende zum 1.1.2010 in Kraft getretenen Änderungen: – Die komplizierte und mit vielen Streitfragen behaftete Regelung des § 2306 Abs. 1 BGB wurde vereinfacht. Der mit Beschränkungen und Beschwerungen als Erbe berufene Pflichtteilsberechtigte hat nunmehr unabhängig von der Höhe seines Erbteils ein Wahlrecht. Er kann entweder den Erbteil mit allen Belastungen oder Beschwerungen annehmen oder den Erbteil ausschlagen und dennoch den Pflichtteil verlangen. – Bei der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 BGB wurde eine gleitende ProRata-Lösung eingeführt. – Die Stundungsgründe des § 2331a BGB wurden maßvoll erweitert. 27 Die Pflichtteilsentziehungsgründe der §§ 2333 ff. BGB wurden moderni-
siert. Alle Änderungen haben Auswirkungen auf die Testamentsgestaltung bei Pflichtteilsberührung, was im Folgenden bei der jeweiligen Darstellung berücksichtigt ist. Ursprünglich vorgesehene, deutlich weitergehende Reformvorschläge wurden letztlich nicht realisiert: So sollte § 2050 BGB zunächst durch einen neuen Absatz 4 dahingehend erweitert werden, dass der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen auch ohne vorherige aufschiebend bedingte Anordnung erstmals nachträglich die Ausgleichung oder den Ausschluss der Ausgleichung von Zuwendungen mit Wirkung nach § 2316 Abs. 1 BGB gegen den Pflichtteil des Zuwendungsempfängers treffen kann.4 § 2050 BGB wurde jedoch unter Hinweis auf den vorrangigen Vertrauens1 2 3 4
Dazu Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (39). Gaier, ZEV 2006, 2 (6). Gesetz v. 24.9.2009, BGBl. I 2009, S. 3142. S. dazu Schaal/Grigas, BWNotZ 2008, 2 ff.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
schutz des Zuwendungsempfängers letztlich unverändert gelassen.1 Nach bereits spätestens bei Zuwendung aufschiebend um eine anschließend noch zu errichtende letztwillige Verfügung bedingter ausbedungener Anordnung ist dies nach wie vor gleichwohl mit pflichtteilsrechtlicher Fernwirkung vorausvermächtnisweise durch Verfügung von Todes wegen möglich (s. dazu nachfolgend 2. Kap. Rz. 296 ff.). Gleiches gilt für den ursprünglichen Vorschlag, durch Neufassung des § 2278 Abs. 2 BGB Anordnungen nach §§ 2050, 2053 BGB als vertragsmäßig bindende Verfügungen eines Erbvertrages zuzulassen.2
IV. Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen nach den Heimgesetzen 1. Tatbestand, Schutzzweck, Ersetzung durch Landesrecht Eine praktisch bedeutsame Einschränkung der Testierfreiheit ergibt sich 28 aus § 14 HeimG. Nach § 14 Abs. 1 HeimG bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz ist es dem Heimträger untersagt, sich von Bewohnerinnen und Bewohnern oder Bewerberinnen und Bewerbern um einen Heimplatz Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Nach § 14 Abs. 5 HeimG bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz ist es der Leitung, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern des Heimes verboten, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen oder Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen. Dies gilt nicht, soweit es sich um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt. Nach § 14 Abs. 6 HeimG bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz kann die zuständige Behörde in Einzelfällen Ausnahmen von diesen Verboten zulassen, soweit der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohnern die Aufrechterhaltung der Verbote nicht erfordert und die Leistungen noch nicht versprochen oder gewährt worden sind. Schutzzweck der Vorschrift ist es, eine unterschiedliche, sachlich nicht 29 gerechtfertigte Behandlung der Heimbewohner zu verhindern und damit den Heimfrieden zu sichern, die Heimbewohner vor finanzieller Ausnutzung oder Benachteiligung zu schützen sowie ihre Testierfreiheit zu gewährleisten. Das BVerfG3 hat in Würdigung dieser Schutzzwecke die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bejaht. Hieraus ergibt sich aber auch, dass grundsätzlich eine analoge oder erweiternde Auslegung der Vorschrift gegen die durch Art. 14 GG geschützte Testierfreiheit verstößt.4
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Kritisch dazu Odersky, notar 2009, 362 f. BT-Drucks. 16/13543, S. 6. BVerfG v. 3.7.1998 – 1 BvR 434/98, FamRZ 1998, 1498. BayObLG v. 28.6.1991 – BReg.1a Z 3/90, FamRZ 1991, 1354 = NJW 1992, 55; BayObLG v. 22.2.2000 – 1Z BR 147/99, FamRZ 2000, 1395 = ZEV 2000, 284.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
30 Mit der Föderalismusreform ging die Gesetzgebungskompetenz nach
Art. 70 GG für das Heimwesen auf die Länder über,1 dies durch den ausdrücklichen Ausschluss des Heimrechts in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. Von der neuen Gesetzgebungskompetenz haben einige Bundesländer bereits Gebrauch gemacht.2 Die diesbezüglichen Landesgesetze enthalten dem § 14 HeimG weitgehend entsprechende Regelungen. Soweit die Länder hingegen keine diesbezüglichen landesrechtlichen Regelungen getroffen haben, gilt das Bundesrecht nach Art. 125a GG fort.3 Mit dieser Maßgabe gelten die folgenden Grundsätze daher im Zweifel weiter. 2. Anwendung auf Verfügungen von Todes wegen 31 § 14 HeimG bzw. die entsprechende Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz
ist ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB, sodass ein Rechtsgeschäft, das den Tatbestand erfüllt, nichtig ist. Nach allgemeiner Ansicht gilt das Verbot nicht nur für lebzeitige Zuwendungen, sondern auch für Zuwendungen durch Verfügung von Todes wegen.4 Erbverträge mit den Adressanten des Verbots erfüllen den Tatbestand des Versprechens. Testamentarische Zuwendungen können den Tatbestand des Gewährenlassens unter der Voraussetzung erfüllen, dass ein Einvernehmen zwischen dem Testierenden und dem Bedachten vorliegt. Das bedeutet, dass der Bedachte Kenntnis von der ihn betreffenden letztwilligen Zuwendung haben muss und der letztwillig verfügende Heimbewohner oder Heimbewerber seinerseits um das diesbezügliche Wissen des Bedachten weiß und ein Einvernehmen zwischen Erblasser und Heimträger herbeigeführt wurde, andernfalls ist das dann sog. „stille Testament“ gleichwohl wirksam.5 Dabei ist keine erbvertragliche Bindung erforderlich, es schadet bereits die durch die Heimleitung vermittelte Kenntnis des Heimträgers von einem nicht bin1 Drasdo, NVwZ 2008, 639. Lediglich hinsichtlich der heimvertraglichen Regelungen verblieb die Kompetenz beim Bund, der davon mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz vom 29.7.2009 Gebrauch gemacht hat. 2 So insbesondere Baden-Württemberg durch Landesheimgesetz (GBl. 2008, S. 169), Bayern durch Gesetz zur Regelung der Pflege-, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung (GVBl. 2008, S. 346), Berlin durch Wohnteilhabegesetz (GVBl. 2010, S. 285), Brandenburg durch Pflege- und Betreuungswohngesetz (GVBl. I 2009, S. 298; Hamburg durch Wohn- und Betreuungsqualitätsgesetz (GVBl. I 2009, S. 494), Mecklenburg-Vorpommern durch Einrichtungsqualitätengesetz (GVOBl. 2010, S. 241), Nordrhein-Westfalen durch Wohn- und Teilhabegesetz (GV 2008, S. 738), RheinlandPfalz durch Gesetz über Wohnformen und Teilhabe (GVBl. 2009, S. 399), Saarland durch Landesheimgesetz (ABl. 2009, S. 906) und Schleswig-Holstein durch Selbstbestimmungsstärkungsgesetz (GVOBl. 2009, S. 402). 3 Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Rechtsformularbuch, Kap. 88 Rz. 31. 4 OLG München v. 20.6.2006 – 33 Wx 119/06, FamRZ 2007, 212 = NJW 2006, 2642 f. 5 BGH v. 26.10.2011 – IV ZB 33/10, MDR 2011, 1479 = FamRZ 2011, 2012, 124 = DNotZ 2012, 210; BayObLG v. 28.6.1991 – BReg.1a Z 3/90, FamRZ 1991, 1354 = BayObLGZ 1991, 251 (256); 1992, 344 (349); G. Müller, MittBayNot 2012, 298; Tersteegen, RNotZ 2012, 376 (378 f.); a.A. (Kenntnis des Heimträgers sei nicht erforderlich bei Zuwendungen von Angehörigen eines Heimbewohners, wenn letzterer zu diesem Zeitpunkt weiter im betroffenen Heim lebe) OLG München v. 20.6.2006 – 33 Wx 119/06, FamRZ 2007, 212 = DNotZ 2006, 2642; Sagmeister, ZEV 2012, 99.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
denden einseitigen Testament des Heimbewohners bzw. Heimbewerbers.1 Nichtig ist zudem nicht nur eine letztwillige Begünstigung unmittelbar durch den Heimbewohner bzw. Heimbewerber zugunsten des darüber noch zu Lebzeiten dieses Heimbewohners bzw. Heimbewerbers informierten Heimträgers, sondern auch eine Erb- oder Vermächtniseinsetzung des Heimträgers durch Angehörige eines Heimbewohners bzw. Heimbewerbers, der anschließend (weiter) im betroffenen Heim lebt und die dortigen Dienste des begünstigten Heimträgers in Anspruch nimmt, da hierdurch die Art der dortigen Behandlung beeinflusst und daraus der Heimfriede gefährdet werden kann.2 Daher können bspw. insbesondere Eltern, die neben ihrem in einem Heim 32 befindlichen behinderten Kind keine weiteren Abkömmlinge hinterlassen, den dortigen Behindertenheimträger grundsätzlich nicht wirksam als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen und darüber zu Lebzeiten ihres behinderten Kindes informieren, um ihrem behinderten Kind eine möglichst gute Heimversorgung zuteilwerden zu lassen.3 Dagegen ist ein entsprechenes Testament bzw. entsprechender Erbvertrag 33 wirksam, wenn der Verbotsadressat erst nach dem Tod des Erblassers von der diesbezüglichen Zuwendung Kenntnis erlangt und daher eine Auswirkung auf das Verhalten gegenüber dem Heimbewohner ausgeschlossen ist.4 Für die Kenntnisnahme durch den Heimträger genügt die Kenntnis einer Person, die der Heimträger mit der Wahrnehmung der Angelegenheiten der Heimbewohner betraut hat und die den Heimträger gegenüber den Heimbewohnern repräsentiert.5 Die letztwillige Zuwendung muss einen Vermögenswert haben. Ob sie im 34 Wege der Einsetzung als Erbe, Miterbe, Ersatzerbe oder Nacherbe, der Einsetzung als Vermächtnisnehmer oder als Auflagenbegünstigter erfolgt, ist gleichgültig. Auch die Einsetzung als Testamentsvollstrecker unterfällt dem Verbot, wenn mit ihr ein Vergütungsanspruch verbunden ist.6 3. Heim, betreutes Wohnen, Heimbewohner, Heimbewerber, maßgebender Zeitpunkt § 14 Abs. 1 und 5 HeimG bzw. das entsprechende Vorschrift im jeweiligen 35 Landesgesetz schützt den Bewohner eines in Deutschland belegenen Heimes. Ein Heim im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn es sich um eine 1 VGH Mannheim v. 1.7.2004 – 6 S 40/04, NJW 2004, 3792 = MittBayNot 2005, 317 (318 ff.). 2 OLG München v. 20.6.2006 – 33 Wx 119/06, FamRZ 2007, 212 = NJW 2006, 2642 f. 3 Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Kap. 88 Rz. 34. 4 BayObLG v. 28.6.1991 – BReg.1a Z 3/90, FamRZ 1991, 1354 = NJW 1992, 55; BayObLG v. 24.11.1992 – 1Z BR 73/92, MDR 1993, 244 = FamRZ 1993, 479 = DNotZ 1993, 453. 5 BayObLG v. 24.11.1992 – 1Z BR 73/92, MDR 1993, 244 = FamRZ 1993, 479 = DNotZ 1993, 453; OLG Karlsruhe v. 22.2.1995 – 9 U 160/94, ZEV 1996, 146 mit Anm. Rossak; KG, ZEV 1998, 437. 6 Rossak, MittBayNot 1998, 407;Würzburger Notarhdb/G. Müller, S. 1582 Rz. 58.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Einrichtung handelt, die zum Zwecke der Unterbringung Alte, Pflegebedürftige oder Behinderte nicht nur vorübergehend gegen Entgelt aufnimmt, und die Einrichtung in ihrem Bestand von Wechsel und Bestand ihrer Bewohner unabhängig ist. Entsprechendes kann je nach landesrechtlicher Ausgestaltung (so bspw. nach Art. 2 PflegewoqG in Bayern) auch für Anlagen betreuten Wohnens gelten, ohne dass das Zuwendungsverbot auf dort eingesetzte ambulante Pflegedienste anwendbar ist.1 Einrichtungen des betreuten Wohnens sind vom Anwendungsbereich der Vorschrift jedoch ausgeschlossen, solange keine Verpflichtung besteht, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen. Ausgenommen sind auch rein familiäre Betreuungsverhältnisse. 36 Neben den Heimbewohnern sind auch die Heimbewerber in den Tat-
bestand der Schutznorm des § 14 Abs. 1 HeimG aufgenommen.2 Die Anwendung des § 14 Abs. 5 HeimG auf Heimbewerber kommt nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht in Betracht. Heimbewerber ist, wer in einem Heim aufgenommen werden will. Der entsprechende Wille muss bereits nach außen erkennbar in Erscheinung getreten sein, beispielsweise durch Kontaktaufnahme zum Heim in der Form einer Heimbesichtigung oder eines Informationsgesprächs mit dem Heimleiter.3 37 Für diese Eigenschaften kommt es auf den Zeitpunkt der Errichtung der
letztwilligen Verfügung an. Wird die letztwillige Verfügung zu einem Zeitpunkt errichtet, in dem der Testierende weder Heimbewohner ist noch sich um die Aufnahme in das Heim beworben hat, so kommt § 14 HeimG bzw. die entsprechende Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz nicht zur Anwendung. Dies gilt richtiger Ansicht nach auch dann, wenn später die Kontaktaufnahme oder der Einzug in das Heim erfolgt. Wenn in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird, die zunächst mangels Bewohner- oder Bewerbereigenschaft des Testators wirksame letztwillige Verfügung könne unwirksam werden, wenn der Testator Heimbewohner oder Heimbewerber wird, ist dies abzulehnen. Sie verstößt gegen den Grundsatz, dass die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts auf den Zeitpunkt seiner Vornahme zu beurteilen ist, insbesondere aber gegen den grundgesetzlichen Schutz der Testierfreiheit. Die Anwendung der Norm setzt weiter voraus, dass das Heimgesetz bzw. die entsprechende Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz, das wiederum idR (wie bspw. das Landesheimgesetz Baden-Württemberg) das bundesrechtliche Heimgesetz nicht ersetzt hat,4 zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bzw. des Abschlusses des Erbvertrages bereits in Kraft getreten war (dies geschah bspw. für das Bundesheimgesetz am 1.1.1975 und das Landesheimgesetz Baden-Württem-
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Ludyga, ZEV 2014, 177. 3. Gesetz zur Änderung des Heimgesetzes v. 5.11.2001, BGBl. I 2001, S. 2960. G. Müller, 10 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2003, S. 163. OLG Stuttgart v. 24.6.2010 – 8 W 241/10, MDR 2010, 1330 = FamRZ 2011, 408 = ZEV 2011, 78.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
berg am 10.8.2008).1 Eine Ausnahme gilt ausschließlich für Vermächtniseinsetzungen, für die nach § 2171 Abs. 1 BGB alleine maßgebend ist, dass die heimrechtliche Regelung im Zeitpunkt des Erbfalls in Kraft getreten ist.2 4. Heimträger, Heimmitarbeiter, nahestehende Personen Adressat des Verbots nach § 14 Abs. 1 HeimG ist der Heimträger, also die- 38 jenige natürliche oder juristische Person, in deren Namen oder auf deren Rechnung das Heim betrieben wird. Das Verbot nach § 14 Abs. 5 HeimG richtet sich an sämtliche in dem 39 Heim beschäftigten Personen, unabhängig davon, ob sie dort hauptberuflich, nebenberuflich oder ehrenamtlich tätig sind oder ob sie mit der Pflege bzw. Betreuung des Heimbewohners betraut sind. Auch externe Selbstständige wie der Vertrauensarzt oder der ständige herangezogene Friseur sind Verbotsadressaten. Nach ständiger Rechtsprechung3 wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die den Heimmitarbeitern versprochenen oder gewährten Vermögensvorteile im Zusammenhang mit Heimleistungen stehen. Ein unzulässiges Umgehungsgeschäft mit der Folge der Anwendung des 40 Verbots liegt dann vor, wenn an Stelle des jeweiligen o.g. Verbotsadressaten eine diesem nahestehende natürliche oder mit ihm verbundene juristische Person begünstigt wird und sich die Zuwendung über den Umweg der Einschaltung dieses Dritten als Zuwendung an den Verbotsadressaten darstellt.4 5. Ausnahmegenehmigung Nach § 14 Abs. 6 HeimG kann die Heimaufsichtsbehörde i.S.v. § 23 41 HeimG in Einzelfällen von den Verboten des § 14 Abs. 1 und 5 Ausnahmen zulassen, soweit der Schutz der Bewohner die Aufrechterhaltung des Verbotes nicht erfordert. Eine derartige Ausnahmegenehmigung kommt nur solange in Betracht, wie die Leistung noch nicht versprochen oder gewährt worden ist.5 Eine nachträgliche Ausnahmegenehmigung ist un1 OLG Stuttgart v. 24.6.2010 – 8 W 241/10, MDR 2010, 1330 = FamRZ 2011, 408 = ZEV 2011, 78. 2 OLG Stuttgart v. 24.6.2010 – 8 W 241/10, MDR 2010, 1330 = FamRZ 2011, 408 = ZEV 2011, 78; BeckOK BGB/Wendtland, § 134 Rz. 3. 3 BGH v. 9.2.1990 – V ZR 139/88, BGHZ 110, 235 ff. = MDR 1990, 610 = FamRZ 1990, 616; OLG Frankfurt v. 29.1.2001 – 20 W 71/99, FamRZ 2001, 1172 = DNotZ 2001, 716 = ZEV 2001, 364 mit Anm. Rossak; Kieser, ZErb 2002, 33. 4 Z.B. OLG Düsseldorf v. 18.7.1997 – 3 Wx 250/97, FamRZ 1998, 192 = MittBayNot 1998, 264 = ZEV 1997, 459 (Kinder des Heimleiters als Nacherben); OLG Frankfurt v. 29.1.2001 – 20 W 71/99, FamRZ 2001, 1172 = NJW 2001, 1504 (Ehefrau des Pförtners); zusammenfassend Ziegert, ZErb 2003, 166 m.w.N. 5 BVerwG v. 18.12.1987 – 7 C 57/85, NJW 1988, 984; BayObLG v. 24.11.1992 – 1Z BR 73/92, MDR 1993, 244 = FamRZ 1993, 479 = DNotZ 1993, 453; Everts, MittBayNot 2005, 320 f.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
wirksam.1 Die Genehmigung muss also eingeholt werden, bevor der Erbvertrag mit dem Verbotsadressaten geschlossen wird oder im Falle des Testaments das Einvernehmen über die Zuwendung dadurch hergestellt worden ist, dass der Heimträger Kenntnis von der Verfügung erlangt hat und der verfügende Heimbewohner dies wiederum weiß2 bzw. der Heimträger die Zuwendung annimmt, indem er in Kenntnis davon nach außen nichts Gegenteiliges erkennen lässt3. Wird die Genehmigung einer einseitigen letztwilligen Verfügung beantragt, so ist zu bedenken, dass der Verbotsadressat im Genehmigungsverfahren Kenntnis von der Verfügung erlangen wird, im Falle der Nichterteilung der Genehmigung insoweit erstmals das Einvernehmen hergestellt ist und das Testament erst jetzt unwirksam wird. Bei einseitigen letztwilligen Verfügungen ist also immer zu erwägen, ob vom Antrag auf Genehmigung abgesehen werden soll, um das Zustandekommen der Einigung zu Lebzeiten des Testators zu vermeiden. 42 Je nach Einzelfall soll eine Genehmigungserteilung insbesondere dann in
Betracht kommen, wenn alle Heimbewohner unterschiedslos ohne Bevorzugung des Erblassers bzw. dessen Angehörigen insbesondere über einen Förderverein von der Zuwendung profitieren.4 Antragsberechtigt ist neben dem Begünstigten auch der testierende Erblasser.5 43 Nach rechtstatsächlichen Erhebungen6 geht der Ausnahmegenehmigungs-
tatbestand des § 14 Abs. 6 HeimG bislang faktisch ins Leere, da nach der Praxis der zuständigen Behörden die Genehmigung ausnahmslos versagt wird. 6. Umgang mit dem Gesetz und Haftungsrisiken 44 Für den beurkundenden Notar, aber auch für den beratenden Anwalt erge-
ben sich aus § 14 HeimG bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz Haftungsgefahren. Die Beurkundung eines gegen § 14 HeimG verstoßenden Erbvertrages ist nach § 4 BeurkG als gesetzwidrig abzulehnen. Bei einseitigen Verfügungen ist der Erblasser zu befragen, wenn die Möglichkeit der Heimberührung besteht. Die Anwendung des § 14 HeimG bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landes1 Everts, MittBayNot 2005, 320 f. 2 BGH v. 24.1.1996 – IV ZR 84/95, ZEV 1996, 147 f.; OLG Karlsruhe v. 22.2.1995 – 9 U 160/94, ZEV 1996, 146 f. 3 BVerwG v. 26.1.1990 – 7 B 86/89, NJW 1990, 2268 f.; KG v. 14.5.1998 – 1 W 3540/97, NJW-RR 1999, 2 ff.; BayObLG v. 24.11.1992 – 1Z BR 73/92, NJW 1993, 1143 ff.; VGH Mannheim v. 1.7.2004 – 6 S 40/04, MittBayNot 2005, 317 (318 ff.); a.A. offenbar die hessische Verwaltungspraxis laut Spall, MittBayNot 2010, 9 (13): im Rahmen eines Vor- und Nacherbfolgemodells sei hinsichtlich einer Nacherbenbegünstigung die Erteilung der Ausnahmegenehmigung noch bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist auf den Nacherbfall ausreichend. 4 S. dazu Tersteegen, RNotZ 2009, 222 (226). 5 VG Würzburg v. 3.6.2008 – W 1 K 08.638, MittBayNot 2010, 56 f.; Spall, MittBayNot 2010, 9 (13). 6 Rastätter, Der Einfluss des § 14 HeimG auf Verfügungen von Todes wegen, 2004, S. 72.
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Inhalt und Grenzen der Testierfreiheit
gesetz liegt nahe, wenn der Notar in ein Heim gerufen wird und der Heimbewohner nicht Verwandte oder persönliche Freunde, sondern eine als Heimträger in Betracht kommende Institution oder Person, eine als Heimmitarbeiter in Betracht kommende Person oder eine diesen möglicherweise nahe stehende Person testamentarisch bedenken will. Ergibt sich hier ein Heimbezug, so ist zu klären, ob der Begünstigte von der geplanten letztwilligen Verfügung Kenntnis hat. Auch wenn dies nicht der Fall ist, ist nach der Lebenserfahrung mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der Erblasser den Begünstigten später in Kenntnis setzen wird und dadurch das Testament unwirksam wird. Die Einholung einer behördlichen Ausnahmegenehmigung wird nur in 45 Betracht kommen, wenn ein Ausnahmefall vorliegt, der nach der Interessenlage insbesondere auch den Schutz des Heimfriedens zurücktreten lässt. Denn jedenfalls wird die Genehmigungsbehörde den Begünstigten anhören müssen und so das die Unwirksamkeit begründende Einvernehmen herbeiführen, wenn die Genehmigung schließlich nicht erteilt wird. In der Literatur streitig erörtert wird der Fall, dass der Testator bei der Er- 46 richtung der letztwilligen Verfügung zugunsten eines Heimträgers noch nicht Heimbewohner und noch nicht Heimbewerber war, aber später in das von diesem Träger betriebene Heim aufgenommen wird, und der Heimträger zum Errichtungszeitpunkt von der Verfügung Kenntnis hatte. Die Möglichkeit, dass die zunächst wirksame letztwillige Verfügung durch einen späteren Einzug ins Heim unwirksam wird, wird teilweise verneint,1 nach anderer Auffassung aber bejaht.2 Letztere Auffassung beruft sich dabei zu Recht auf den Schutzzweck der Norm. Die Gefahr, dass der Erblasser vom Bedachten im Verhältnis zu den anderen Heimbewohnern bevorzugt behandelt wird, bestehe unabhängig davon, in welcher Reihenfolge die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllt worden seien. Für den Testamentsgestalter besteht hier erhöhte Gefahr, dass er den Heimbezug nicht erkennt. Haftungsmäßig vorwerfen können wird man ihm dies allerdings nur, wenn sich der Heimbezug nach den Umständen des Einzelfalles aufdrängt.
V. Zuwendungen an öffentlich Bedienstete Verbotsvorschriften für dienstbezogene Belohnungen oder Geschenke be- 47 stehen nach § 71 Abs. 1 BBG für Beamte, nach § 19 Abs. 1 SG für Soldaten, und nach § 10 Abs. 1 BAT für sonstige Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Entsprechendes galt nach der früheren Regelung des § 78 Abs. 2 ZDG für damalige Zivildienstleistende, die mit Aufhebung des Zivildienstes am 30.11.2010 außer Kraft trat. Ob es sich hierbei jeweils um Verbotsgesetze i.S. des § 134 BGB mit der Folge der Unwirksamkeit entsprechen1 So G. Müller, 10 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2003, S. 163. 2 So Rastätter, Der Einfluss des § 14 HeimG auf Verfügungen von Todes wegen, 2004, S. 106, und Everts, MittBayNot 2005, 320 (321).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
der testamentarischer Verfügungen handelt, ist zweifelhaft und wohl zu verneinen. Für § 10 Abs. 1 BAT jedenfalls hat der BGH1 die Nichtigkeitsfolge verneint.
B. Formfragen bei Verfügungen von Todes wegen I. Überblick 1. Ordentliche Testamentsformen 48 Verfügungen von Todes wegen sind als Einzeltestament (letztwillige Ver-
fügung iSd. § 1937 BGB), gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag möglich, bedürfen jedoch zu ihrer Wirksamkeit zwingend der höchstpersönlichen und damit insoweit – anders als hinsichtlich der Mitwirkung des bloßen Vertragspartners ohne eigene Erblasserfunktion beim einseitigen Erbvertrag (s. dazu 4. Kap. Rz. 12 ff.) – einer eine Stellvertretung ausschließenden Errichtung (eigenhändiges Testament) bzw. Erklärung (notarielles Testament bzw. Erbvertrag) durch den Erblasser. 49 Testamente können entweder von einer Einzelperson (Einzeltestament
nach §§ 2231 ff. BGB) oder von Ehegatten (gemeinschaftliches Testament nach §§ 2265 ff. BGB) errichtet bzw. erklärt werden, dies entweder als eigenhändiges Testament nach § 2247 BGB oder als öffentliches Testament zur Niederschrift eines Notars nach § 2232 BGB. 50 Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 LPartG können auch beide gleichgeschlechtlichen
Lebenspartner, die vor dem Standesbeamten iSd. § 1 LPartG förmlich eine Lebenspartnerschaft begründet haben, ein gemeinschaftliches Testament errichten, für das gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 LPartG die Regelungen der §§ 2266 bis 2272 BGB entsprechend gelten. 51 Andere Personen, insbesondere Geschwister oder in nichtehelicher Le-
bensgemeinschaft lebende verschiedengeschlechtliche Partner, sind für beabsichtigte korrespondierende Verfügungen auf Beurkundung eines Erbvertrags angewiesen, um gleichwohl einem gemeinschaftlichen Testament ähnliche Bindungswirkungen zu erreichen. Das gilt sogar für Verlobte, deren vor Eheschließung errichtetes gemeinschaftliches Testament nichtig ist und selbst durch spätere Heirat nicht wirksam wird,2 bzw. für gleichgeschlechtliche Partner, die sich analog einem Verlöbnis die Lebenspartnerschaft iSd. § 1 Abs. 4 LPartG versprochen und noch vor förmlicher Begründung der Lebenspartnerschaft ein unheilbar unwirksames gemeinschaftliches Testament errichten. 1 BGH v. 14.12.1999 – X ZR 34/98, BGHZ 143, 283 = MDR 2000, 872 = ZEV 2000, 202 mit Anm. Koos, ZEV 2002, 235. 2 Erman/Kappler, § 2265 BGB Rz. 2; Kanzleiter, FamRZ 2001, 1198; v. Proff, ZErb 2008, 254 (257); aA Wacke, FamRZ 2001, 457.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Ein Erbvertrag1 muss zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger An- 52 wesenheit beider Teile geschlossen werden, § 2276 BGB. Beim einseitigen Erbvertrag trifft nur ein Teil vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen, beim zweiseitigen Erbvertrag geschieht dies durch beide Teile. Als Erblasser kann einen Erbvertrag nur schließen, wer nach § 2274 BGB persönlich auftritt sowie gemäß § 2275 Abs. 1 BGB unbeschränkt geschäftsfähig ist oder nach § 2275 Abs. 2 BGB als beschränkt geschäftsfähiger Ehegatte mit Zustimmung seines gesetzlichen Verteters, bei einem Vormund zusätzlich mit rechtskräftiger familiengerichtlicher Genehmigung handelt. Gleiches gilt nach § 2275 Abs. 3 BGB zugunsten minderjähriger Verlobter, wobei für ein Verlöbnis anders als nach § 1303 BGB bei Eheschließung beide Partner minderjährig sein dürfen,2 und Minderjähriger, die sich analog einem Verlöbnis die Lebenspartnerschaft iSd. § 1 Abs. 4 LPartG versprechen,3 obwohl die Begründung der Lebenspartnerschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 LPartG Volljährigkeit beider Partner voraussetzt. Die Erleichterungen nach § 2275 Abs. 2 und 3 BGB gelten nicht für Partner weiterer Lebensgemeinschaften, insbesondere nicht für solche einer verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft.4 Das gemeinschaftliche Testament kann als eigenhändiges Testament oder 53 zu notarieller Niederschrift errichtet werden. Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen eigenhändigen Testaments genügt es nach § 2267 BGB, wenn einer der Ehegatten den Testamentstext eigenhändig schreibt und beide Ehegatten diese gemeinschaftliche Erklärung ebenfalls eigenhändig unterschreiben. 2. Außerordentliche Testamentsformen Nach den §§ 2249 bis 2252 BGB kennt das Gesetz außerordentliche Testa- 54 mentsformen, die dann Bedeutung erlangen, wenn der Erblasser kein eigenhändiges Testament mehr erstellen kann und zu befürchten ist, dass er versterben werde, bevor eine Testamentserrichtung vor einem Notar möglich ist. Von praktischer Relevanz sind dabei insbesondere das Nottestament vor dem Bürgermeister nach § 2249 BGB (s. Rz. 55) und das Dreizeugentestament nach § 2250 BGB (s. Rz. 57). Weiterhin sieht § 2251 BGB die Möglichkeit vor, während einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes außerhalb eines inländischen Hafens ein Seetestament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen zu errichten. Für alle vorstehend genannten Nottestamentsvarianten ist nach § 2252 BGB zu beachten, dass das Testa-
1 Zum Erbvertrag allgemein als Instrument der Gestaltung s. ausführlich 4. Kap. Rz. 12; zum Ehegattenerbvertrag s. 5. Kap Rz. 42 ff.; zum Erbvertrag nur eines Erblassers bzw. zum entgeltlichen Erbvertrag s. 4. Kap Rz. 12 ff. 2 Erman/Kroll-Ludwigs, vor § 1297 BGB Rz. 8; aA Canaris, AcP 165 (1965), 1 (19): keine Haftung für Ansprüche aus §§ 1297 ff. BGB. 3 Erman/Kappler, § 2275 BGB Rz. 2; NK-Kornexl, § 2275 BGB Rz. 15; Wellenhofer, NJW 2005, 705 (709); kritisch Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2275 BGB Rz. 5. 4 Erman/Kappler, § 2275 BGB Rz. 2.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ment dann als nicht errichtet gilt, wenn seit dessen Erstellung drei Monate verstrichen sind und der Erblasser noch lebt. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gesetz Nottestamenten entgegen ansonsten zwingenden Formvorschriften nur wegen der vermuteten nahen Todesgefahr vorläufigen Wirksamkeitscharakter zubilligt. Unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung ist im Rahmen der Nottestamente keine weitere vertiefende Erörterung angezeigt, sondern auf die allgemeinen Ausführungen zu verweisen, wobei angesichts der Dringlichkeit und mangels notarieller Beurkundung bzw. notarieller oder anwaltlicher Beratung regelmäßig kurze und einfach strukturierte Verfügungen protokolliert werden dürften. 55 Beim Nottestament vor dem Bürgermeister nimmt der für den Aufent-
haltsort des Erblassers örtlich zuständige Bürgermeister die Rolle des Notars ein, muss jedoch nach § 2249 Abs. 1 Satz 2 BGB zur wirksamen Testamentserrichtung zwei Zeugen hinzuziehen. Darüber hinaus verweist § 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB auf die vom Bürgermeister einzuhaltenden Formvorschriften nach BeurkG und BGB. Zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Errichtung eines Nottestaments zur Niederschrift des Bürgermeisters ist u.a., dass – der Erblasser seinen letzten Willen mündlich oder durch Übergabe einer Schrift erklärt hat, – der zuständige Bürgermeister des Aufenthaltsortes des Erblassers handelt, – zwei Zeugen hinzugezogen sind, – der Erblasser, der Bürgermeister und beide Zeugen ständig anwesend sind, – die Niederschrift noch zu Lebzeiten des Erblassers erstellt wird und – aus dieser Niederschrift hervorgeht, wer Erblasser, Urkundsperson und Zeuge ist sowie – die Niederschrift vorgelesen, durch den Erblasser genehmigt und durch den Bürgermeister, die beiden Zeugen sowie den Erblasser – soweit er nicht schreibunfähig ist (s. dazu Rz. 90 ff. und M 6) – unterzeichnet werden. 56 Als Urkundsperson ist sachlich der Bürgermeister, örtlich der Bürgermeis-
ter des Aufenthaltsortes des Erblassers zuständig. Die Todesbesorgnis muss entweder objektiv oder subjektiv vorliegen.
M1
Nottestament vor dem Brgermeister
(Form: Beurkundung durch Brgermeister) Anwesend sind in der Wohnung des dort ebenfalls anwesenden . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) in . . . (Ort, Straße, Hausnummer) heute, am . . . (Datum):
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
1. . . . als Brgermeister des aktuellen Aufenthaltsortes des Erblassers, 2. . . . als Zeuge, geb. am . . . , wohnhaft in . . . , als Zeuge, 3. . . . als Zeuge, geb. am . . . , wohnhaft in . . . , als Zeuge. Der Brgermeister und beide Zeugen haben sich auf Ersuchen des Erblassers . . . heute in dessen Wohnung begeben. Der Erblasser . . . ist dem Brgermeister persçnlich bekannt/hat sich ausgewiesen durch . . . . Der Erblasser ist weder mit dem Brgermeister noch mit den beiden Zeugen verwandt oder verschwgert, liegt bei Anfertigung der Niederschrift in seinem Bett, vermag seinen Willen deutlich zum Ausdruck zu bringen und ist bei klarem Bewusstsein. Aufgrund des persçnlichen Eindruckes und nach der Unterhaltung gewinnt der Brgermeister die berzeugung, dass der Erblasser uneingeschrnkt testierfhig ist. Der Erblasser ist vor allem zu Zeit, Ort und persçnlichen Verhltnissen voll orientiert, kann insbesondere seine persçnlichen Daten, seinen Wohnort und das heutige Datum richtig wiedergeben sowie zutreffende Angaben zum aktuellen Zeitgeschehen und zu seiner gesundheitlichen Situation machen. Der Erblasser hat nach eigenen Angaben in der Vergangenheit bereits mehrfach Herzinfarkte erlitten und befrchtet in Krze zu sterben, noch bevor er vor einem Notar ein Testament beurkunden lassen kann. Der Erblasser ist nach eigenen Angaben am . . . in . . . geboren, wohnhaft in . . . , ledig/verwitwet/verheiratet, deutscher Staatsangehçriger und habe keine Abkçmmlinge. Er sei durch Verfgungen von Todes wegen, insbesondere durch Erbvertrge mit Dritten nicht gebunden. Der Erblasser . . . erklrt sodann in dauerhafter, ununterbrochener Gegenwart des Brgermeisters und der beiden Zeugen mndlich seinen letzten Willen wie folgt: ... Der Brgermeister wies den Erblasser . . . darauf hin, dass das heutige Nottestament als nicht errichtet gilt, wenn seit der heutigen Errichtung drei Monate vergangen sind und der Erblasser zu diesem Zeitpunkt noch lebt. Er wies weiter darauf hin, dass der Beginn und der Lauf der Frist gehemmt sind, solange der Erblasser außer Stande ist, ein Testament vor einem Notar zu errichten. Die Niederschrift wurde vom Brgermeister vorgelesen, vom Erblasser genehmigt und von ihm, dem Brgermeister und den beiden Zeugen wie folgt unterschrieben: (Unterschriften)
Nach § 2250 BGB ist ein Dreizeugentestament wirksam, wenn sich der 57 Erblasser an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, und er sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Nottestaments vor einem Bürgermeister nicht mehr möglich ist. Hier treten die drei Zeugen, die allesamt zur Mitwirkung unter Übernahme der Verantwortung für die richtige Wiedergabe des Erblasserwillens bereit sein müssen, an die Stelle der Urkundsperson. Alle drei Zeugen müssen wäh25
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
rend des gesamten Errichtungsvorganges samt Verlesung und Genehmigung der Niederschrift anwesend sein. Weiter muss die Niederschrift vorgelesen, durch den Erblasser genehmigt und durch alle drei Zeugen (dies ist umstritten) sowie den Erblasser – soweit er nicht schreibunfähig ist – unterzeichnet werden. 58 Die Todesgefahr muss entweder objektiv vorliegen, ohne dass sich die
Zeugen dessen bewusst sein müssen,1 oder subjektiv zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nach Ansicht aller drei Zeugen bestehen und dann zusätzlich angesichts der objektiven Sachlage als gerechtfertigt angesehen werden können2 oder objektiv bestehen. Der Todesgefahr steht eine jederzeit drohende Testierfähigkeit gleich, wenn diese voraussichtlich durchgängig bis zum Tod des Erblassers fortdauert.3 59 Im Gegensatz zu einem Nottestament vor einem Bürgermeister kann ein
Dreizeugentestament ausschließlich durch mündliche Erklärung des Erblasserwillens und nicht auch durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift errichtet werden, da die im Jahre 2002 erfolgte Neufassung des § 2232 BGB nicht auf § 2250 BGB erweitert wurde. Soweit sich der Erblasser daher ausschließlich – und nicht nur zu einzelnen Punkten – durch Zeichen oder Gebärden auszudrücken vermag, kann ein Dreizeugentestament nicht wirksam errichtet werden.
M2
Nottestament in besonderen Fllen (Dreizeugentestament)
(Form: Beurkundung durch einen der drei Zeugen) Anwesend sind am . . . um . . . Uhr an der Bundesautobahn A . . . Kilometerstand . . . in der Nhe der Ausfahrt . . . in Fahrtrichtung . . . : 1. Als Zeuge . . . , geb. am . . . , wohnhaft . . . , 2. Als Zeuge . . . , geb. am . . . , wohnhaft . . . , 3. Als Zeuge . . . , geb. am . . . , wohnhaft . . . . Weiter anwesend ist der Erblasser . . . , geb. am . . . in . . . , wohnhaft . . . , ausgewiesen durch . . . . Der Erblasser hat soeben einen Unfall erlitten, bei dem er schwer verletzt worden ist, insbesondere offensichtlich einige Knochenbrche erlitten hat. Unfallhilfe ist gerufen, aber noch nicht erschienen. Der Erblasser ist bei vollem Bewusstsein, kann seine persçnlichen Daten sowie das aktuelle Tagesdatum richtig wiedergeben und ist ber seine Situation orientiert. Selbst schreiben kann er nicht. Der Erblasser, der mit den Zeugen weder verwandt noch verschwgert ist, erklrt sodann in dauerhafter, unun-
1 BGH v. 15.11.1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372 ff. = NJW 1952, 181; LG Freiburg v. 19.3.2003 – 4 T 187/02, BWNotZ 2004, 42 = ZEV 2003, 370. 2 BGH v. 15.11.1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372 ff. = NJW 1952, 181; OLG München v. 14.7.2009 – 31 Wx 141/08, FamRZ 2009, 1945 = ZEV 2009, 468 = NJW 2010, 684. 3 OLG München v. 14.7.2009 – 31 Wx 141/08, FamRZ 2009, 1945 = ZEV 2009, 468 = NJW 2010, 684.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
terbrochener Gegenwart aller drei Zeugen mndlich seinen letzten Willen wie folgt: ... Die Niederschrift wurde von . . . als einem der drei Zeugen vorgelesen, vom Erblasser . . . , der zur eigenhndigen Unterschrift nicht imstande ist, genehmigt und von allen drei Zeugen wie folgt unterschrieben: (Unterschriften)
II. Das eigenhändige Testament, besondere amtliche Verwahrung 1. Anforderungen an die Eigenhändigkeit Ein eigenhändiges Testament kann gem. § 2247 BGB nur dadurch wirksam 60 errichtet werden, dass der Erblasser den Testamentstext selbst handschriftlich schreibt und unterschreibt. Soweit Passagen von dritter Hand, mit Maschine, Computer oder in sonstiger Weise anders als handschriftlich geund unterschrieben werden, sind diese ungültig und können unter Umständen trotz der Regelung des § 2085 BGB zur Ungültigkeit des gesamten Testaments führen.1 Gleiches kann auch für Verzeichnisse o.ä. gelten, die dem eigenhändigen Testament als Anlage beigefügt sind und auf die im eigenhändig verfassten Testamentstext verwiesen wird. Auf das Schreibmaterial samt seiner Form (bspw. Brief oder Postkarte) und das Schreibmittel (bspw. Tinte, Bleistift, Kreide) kommt es nicht an. Entscheidend ist ausschließlich, den ernsthaften Testierwillen des Erblas- 61 sers dafür erkennen zu können, dass es sich weder um einen bloßen Entwurf noch um einen unverbindlichen Scherz handelt. Angaben von Ort und Zeit (Tag, Monat und Jahr) sind zur Wirksamkeit 62 der Verfügung nicht zwingend erforderlich, aber dringend zu empfehlen. Eine Zeitangabe ist insbesondere dann von elementarer Bedeutung, wenn mehrere Testamente existieren. Ein früheres Testament wird nach § 2258 BGB insoweit aufgehoben, als das später errichtete Testament mit diesem in Widerspruch steht. Wird in dem späteren Testament die Zeitangabe unterlassen, ist es nach § 2247 Abs. 5 BGB nur dann als gültig anzusehen, wenn der Zeitpunkt der Errichtung in anderer Weise bewiesen werden kann. Objektiv beweisbelastet ist derjenige, der sich auf die Gültigkeit des undatierten Testaments beruft, also im Allgemeinen der, der durch dieses Testament begünstigt wird. Die eigenhändige Unterschrift soll Vor- und Familiennamen des Erblas- 63 sers enthalten. Unterschreibt der Erblasser in anderer Weise, etwa alleine mit dem Vornamen, mit einem Pseudonym oder mit der Bezeichnung seiner Stellung im Familienverband (bspw. mit „Euer Vater“), ist das Testa-
1 Erman/Kappler, § 2247 BGB Rz. 12.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ment nach § 2247 Abs. 3 BGB nur dann gültig, wenn diese Unterschrift keinen Zweifel an der Urheberschaft und an der Ernstlichkeit des Willens des Urhebers zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung zulässt. 64 Eine lediglich auf dem letzten Blatt von mehreren nicht untrennbar mit-
einander verbundenen Blättern befindliche Unterschrift erfüllt nur dann die Anforderungen an die Formgültigkeit eines eigenhändigen Testaments, wenn bspw. anhand des Schreibmaterials, eines fortlaufenden Textes bzw. von Seitenzahlnummerierung ein enger Zusammenhang und eine einheitliche Willensbildung erkennbar ist, was nicht ausschließlich aufgrund gemeinsamer Aufbewahrung mit anderen Dokumenten angenommen werden kann.1 Darüber hinaus kann ein Erblasser ein formwirksames (Änderungs-)Testament u.a. auch dadurch erstellen, dass er auf einer bloßen Kopie eines von ihm eigenhändig ge- und unterschriebenen Testaments, das als solches vorhanden ist und bleibt, unvollständige Textpassagen eigenhändig ergänzt2 oder durchstreicht,3 wenn er die so auf der Kopie eigenhändig vorgenommenen Änderungen auch als Abschluss der Urkunde an deren Schluss eigenhändig unterschreibt, wobei dazu u.U. eine eigenhändige Unterschrift auf einem fest verschlossenen Umschlag genügen kann, in dem sich der Testamentstext befindet.4 65 Soweit spätere eigenhändige Änderungen räumlich von der vorher geleis-
teten Unterschrift erfasst werden, ist selbst bei sehr langem zeitlichen Abstand zur Ausgangstexterrichtung bzw. unter vollständigem Austausch des Textes keine erneute Unterschrift erforderlich, wenn dies nach dem festgestellten Erblasserwillen von der früheren Unterschrift gedeckt sein sollte und das räumliche Erscheinungsbild nicht entgegensteht.5 Ausnahmsweise können nachträgliche Änderungen unter der bisherigen Ausgangsunterschrift nur dann wirksam sein, wenn entweder unter dem eigenhändigen Änderungstext nochmals eigenhändig unterschrieben wird oder ein dergestalt enger Bezug zwischen Ausgangs- und Änderungstext besteht, dass nur beide Texte zusammen den Erblasserwillen vollständig, durchführbar bzw. ersichtlich erscheinen lassen. 66 Wer minderjährig ist oder Geschriebenes (insbesondere aufgrund von Er-
blindung) nicht zu lesen vermag, kann ein eigenhändiges Testament aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 2247 Abs. 4 BGB nicht wirksam errichten.
1 OLG Hamm v. 19.9.2012 – I-15 W 420/11, FGPrax 2013, 28 (29) = ZErb 2013, 14. 2 OLG Karlsruhe v. 15.1.2002 – 14 Wx 114/01, FamRZ 2003, 1507 = NJW-RR 2003, 653. 3 OLG München v. 25.10.2005 – 31 Wx 72/05, ZEV 2006, 33 = NJW-RR 2006, 11. 4 OLG München v. 31.8.2011 – 31 Wx 179/10, FamRZ 2012, 250 = FGPrax 2011, 305 (306). 5 BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, MDR 1974, 742 = NJW 1974, 1083; OLG Zweibrücken v. 6.10.1997 – 3 W 166/97, FamRZ 1998, 581 = FGPrax 1998, 26; BayObLG v. 24.7.1984 – 1 Z 41/84, MDR 1984, 1024 = FamRZ 1984, 1268.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
2. Besondere amtliche Verwahrung Ein eigenhändiges Testament kann der Erblasser bei dem für die Verwah- 67 rung zuständigen Nachlassgericht1 nach § 2248 BGB iVm. §§ 344 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 346 FamFG in die besondere amtliche Verwahrung geben. Diese schützt gegen Fälschung, Verlust und Unterdrückung der Testamentsurkunde. Der – bei gemeinschaftlichen Testamenten jeder – Erblasser – bei Erbverträgen jeder Vertragsschließende – erhält nach § 346 Abs. 3 FamFG einen Hinterlegungsschein, wobei der Erblasser das Testament auch ohne diesen Hinterlegungsschein – insbesondere im Verlustfall – wieder aus der Verwahrung zurücknehmen kann und die lediglich durch § 27 AktO2 als bloße Verwaltungsanweisung vorgesehene Vorlage des Hinterlegungsscheins keine Voraussetzung für die Herausgabe iSv. § 346 Abs. 1 FamFG iVm. §§ 2256, 2300 Abs. 2 BGB ist, die daher auch bei Verlust des Hinterlegungsscheins möglich bleibt.3 Dieses so verwahrte Testament darf nach § 2256 Abs. 3 Halbsatz 1 iVm. 68 Abs. 2 Satz 2 BGB nur an den Erblasser persönlich zurückgegeben werden.4 Die Tatsache, dass ein Testament (noch) in besonderer amtlicher Verwahrung ist, hindert den Erblasser nicht daran, nach § 2258 BGB den dortigen Inhalt durch ein zeitlich nachfolgendes eigenhändiges Testament zu modifizieren oder das verwahrte Testament gänzlich aufzuheben. Die besondere amtliche Inverwahrnahme ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Die bloße Rücknahme eines eigenhändigen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung gilt nach § 2256 Abs. 3 Halbs. 2 BGB sowie kraft Umkehrschlusses zur Rückgabe eines öffentlichen Testaments nach § 2256 Abs. 1 BGB noch nicht als Testamentswiderruf. Vielmehr ist dazu ein zusätzlicher Widerruf (bspw. durch Vernichtung iSd. § 2255 BGB) erforderlich. Seit 1.1.2012 hat das jeweils verwahrende Nachlassgericht nach § 347 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG unverzüglich die Verwahrangaben iSv. § 78 b Abs. 2 Satz 2 BNotO5 gem. § 2 ZTRV6 elektronisch an die Bundesnotarkammer 1 Nachlassgerichte sind in Baden-Württemberg bis zum Abschluss der dortigen Notariatsreform am 31.12.2017 die nachlassgerichtlichen Abteilungen der staatlichen Notariate in Nachlass- und in durch Auseinandersetzungsantrag bis einschließlich 31.8.2013 eingeleiteten Teilungssachen nach Art. 147 EGBGB iVm. §§ 1 Abs. 1 und 2, 38 bad-württ. LFGG, in den anderen Bundesländern bzw. ab 1.1.2018 auch in BadenWürttemberg die örtlich zuständigen Amtsgerichte, s. dazu Prütting/Helms/Fröhler, § 342 FamFG Rz. 130. 2 Abgedruckt in der in Bayern geltenden Fassung v. 16.12.1998 bei Firsching/Graf, Anh. 4. 3 Stellungnahme des BR zum GesetzE der BReg. Nr. 86 (§ 346 Abs. 3), BR-Drucks. 309/07 (Beschl.), S. 72. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des BT zu dem GesetzE der BReg. zu § 346, BT-Drucks. 16/9733, S. 297; Prütting/Helms/Fröhler, § 346 FamFG Rz. 31; Keidel/Zimmermann, § 346 FamFG Rz. 12; MünchKomm.ZPO/Muscheler, § 346 FamFG Rz. 10. 4 Palandt/Weidlich § 2248 BGB Rz. 6; Prütting/Helms/Fröhler, § 346 FamFG Rz. 24. 5 BGBl. I 2010, S. 2255 ff., geändert durch Gesetz v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, S. 554 f. 6 BGBl. I 2011, S. 1386 ff., geändert durch Gesetz v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, S. 554 (555).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
als die das Zentrale Testamentsregister führende Registerbehörde zu übermitteln, die gemäß § 347 Abs. 4 Satz 2 FamFG ihrerseits eine ihr zur Kenntnis gelangte Nachricht vom Tod eines Erblassers sofort derjenigen Stelle – hier des o.g. verwahrenden Nachlassgerichts – mitteilt, von der die ursprüngliche Verwahrnachricht stammt. Derartige Verwahrangaben gehen daher im Gegensatz zur früheren Handhabung nicht mehr in Papierform mit gelber Karteikarte bei den Standesämtern oder dem Amtsgericht Schöneberg in Berlin, sondern ausschließlich elektronisch beim Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer ein.1 Die Standesämter und das Amtsgericht Schöneberg in Berlin sind übergangsweise nach § 347 Abs. 4 Satz 1 FamFG zur Weiterführung ihrer Verzeichnisse über erbrechtsrelevante Daten bzw. nach § 347 Abs. 4 Satz 2 FamFG zur Mitteilung der Nachricht vom Tod des Erblassers an die jeweilige Stelle, von der die Verwahrungsnachricht stammt, so lange verpflichtet, bis deren vollständige Überführung nach dem Testamentsverzeichnis-Überführungsgesetz (TVÜG)2 in das von der Bundesnotarkammer in Berlin als Registerbehörde geführte Zentrale Testamentsregister abgeschlossen ist bzw. das neu geschaffene Zentrale Testamentsregister die Bearbeitung der Mitteilung über Sterbefälle nach § 4 Abs. 1 TVÜG übernimmt.3 Im Falle des Todes des Erblassers ist so nach § 348 bzw. § 350 FamFG sichergestellt, dass das Testament schnellstmöglich eröffnet und allen Beteiligten bekannt gegeben wird.
M3
Eigenhndiges Testament – Urkundenrahmen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein Testament Ich, . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), geboren am . . . in . . . , wohnhaft in . . . , errichte hiermit mein Testament. Mir geht es gesundheitlich gut. Ich bin im vollen Besitz meiner geistigen Krfte. ber meinen Nachlass kann ich frei verfgen. Ich bin ledig oder: Ich bin weder durch einen Erbvertrag noch durch ein gemeinschaftliches Testament mit meinem am . . . verstorbenen Ehegatten gebunden. Vorsorglich widerrufe ich hiermit alle bisher von mir getroffenen Verfgungen von Todes wegen. Mein letzter Wille bestimmt sich daher ausschließlich nach dem hier niedergeschriebenen Testament. . . . (eigenhndig handschriftlich erstellte letztwillige Verfgungen). . . . (Ort, Datum) . . . (eigenhndig handschriftlich erstellte Unterschrift)
1 Diehn, NJW 2011, 481 (484). 2 BGBl. I 2010, S. 2258 f., geändert durch Gesetz v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, S. 554 (555). 3 Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 43 und Rz. 49.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
III. Das öffentliche Testament; besondere amtliche Verwahrung; elektronische Übermittlung von Verwahrangaben erbfolgerelevanter Urkunden an das Zentrale Testamentsregister 1. Erklärung zur Niederschrift eines Notars Ein in den §§ 2231 bis 2233 BGB geregeltes öffentliches Testament wird, so- 70 weit es sich weder um ein zur Niederschrift eines Konsularbeamten errichtetes Konsulartestament – nach § 10 Abs. 2 KonsG stehen die vor einem Konsularbeamten aufgenommenen Urkunden1 den von einem inländischen Notar aufgenommenen Urkunden gleich2 – noch um ein Bürgermeisternottestament (s. dazu Rz. 55) handelt, nach § 2231 Nr. 1 BGB stets zur Niederschrift eines Notars erklärt. Dabei ist entweder der von dem Erblasser erklärte letzte Wille in die Nie- 71 derschrift aufzunehmen oder dem Notar durch den Erblasser ein (offenes oder verschlossenes) Schriftstück mit der Erklärung zu übergeben, dass dieses seinen letzten Willen enthalte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Schriftstück vom Erblasser selbst oder von einem Dritten verfasst ist. Der Notar hat bei der Testamentsbeurkundung eine Amtspflicht zu um- 72 fassender Prüfung der Rechtslage und Belehrung des Erblassers über die rechtliche Tragweite der Verfügungen.3 Unter Beachtung der beurkundungsrechtlichen Besonderheiten für Verfügungen von Todes wegen nach den §§ 27 bis 35 BeurkG ist die über die Testamentserrichtung aufgenommene Niederschrift (Protokoll) den Beteiligten nach den §§ 8 und 13 BeurkG vorzulesen, von ihnen zu genehmigen und durch die Beteiligten und den Notar zu unterschreiben, wobei ein versehentliches Unterlassen der Unterschrift der Niederschrift durch den Notar nach § 35 BeurkG nicht zur Unwirksamkeit des Testaments führt, wenn der Notar die Aufschrift auf dem nach § 34 BeurkG verschlossenen Umschlag (s. nachfolgend Rz. 74) unterschrieben hat. Dabei beeinträchtigt die Unterzeichnung durch den Erblasser mit einem 73 unzutreffenden Vornamen unter zusätzlicher Verwendung des richtigen Familiennamens – bspw. durch die Ehefrau mit dem Vornamen des Ehemannes und ihrem Familiennamen – nicht die Formwirksamkeit der Urkunde.4 Mit der Unterschrift iSd. § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG als Wirksamkeitsbedingung wird dokumentiert, dass sich der Beteiligte seine in der Urkunde niedergelegte Erklärung als Zeichen der Verantwortungsübernahme für deren Geltung und Gültigkeit zurechnen lässt. Dabei ist die Urkunde mit dem durch den Beteiligten tatsächlich geführten Namen zu unterzeichnen, empfehlenswerterweise mit dem Vor- und dem Familien1 2 3 4
S. dazu im Allgemeinen Geimer, DNotZ 1978, 3 ff. Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 29. Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Rechtsformularbuch, Kap. 81 Rz. 43. OLG Köln v. 7.12.2009 – 2 Wx 83/09 u. 2 Wx 84/09, FamRZ 2010, 679 f. = FGPrax 2010, 80 ff.; Baumann, RNotZ 2010, 310.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
namen. Ausreichend ist jedoch auch die Unterzeichnung nur mit dem Familiennamen,1 während die Unterzeichnung ausschließlich mit dem Vornamen zur Unwirksamkeit der beurkundeten Verfügung führen soll, wenn der Beteiligte unter diesem Vornamen anders als bspw. kirchliche Würdenträger oder Angehörige des Hochadels in der Öffentlichkeit nicht allgemein bekannt ist.2 73a
Auf Verlangen des Erblassers hat der Notar bei der Beurkundung bis zu zwei Zeugen oder einen zweiten Notar zuzuziehen und dies in der Niederschrift, die dann auch von diesen Personen zu unterschreiben ist, zu vermerken. 2. Besondere amtliche Verwahrung
74 Die Niederschrift über die Errichtung des Testaments ist von dem Notar
nach § 34 BeurkG in einen von ihm zu unterschreibenden Umschlag zu nehmen, der mit dem Amtssiegel verschlossen wird und sodann in die besondere amtliche Verwahrung des nach § 344 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 FamFG örtlich zuständigen Nachlassgerichts zu geben ist.3 Dem Erblasser soll nach § 346 Abs. 3 FamFG durch das verwahrende Nachlassgericht ein Hinterlegungsschein erteilt werden. 75 Die Rücknahme eines öffentlichen Testaments – selbst eines vor dem Bür-
germeister errichteten Nottestaments – gilt nach § 2256 Abs. 1 BGB als Widerruf, wobei die Rückgabe nach § 2256 Abs. 2 Satz 2 BGB nur an den Erblasser persönlich erfolgen darf. 3. Elektronische Übermittlung von Verwahrangaben erbfolgerelevanter Urkunden an das Zentrale Testamentsregister 76 Seit 1.1.2012 sind gem. § 34a Abs. 1 BeurkG4 Notare bzw. nach § 10 Abs. 3
KonsG iVm. § 34a Abs. 1 BeurkG Konsularbeamte iVm. §§ 2, 4 ZTRV5 zur elektronischen Mitteilung der Verwahrangaben iSd. § 78b Abs. 2 Satz 1 BNotO6 nach beurkundeter Errichtung oder Änderung erbfolgerelevanter Urkunden iSd. § 78b Abs. 2 Satz 2 BNotO, zu denen insbesondere öffentliche Testamente und Erbverträge gehören, ausschließlich an die Bundesnotarkammer als die das Zentrale Testamentsregister führende Registerbehörde verpflichtet.
1 OLG Köln v. 7.12.2009 – 2 Wx 83/09 u. 2 Wx 84/09, FamRZ 2010, 679 f. = FGPrax 2010, 80 ff. 2 BGH v. 25.10.2002 – V ZR 279/01, BGHZ 152, 255 ff. = MDR 2003, 384 f. = DNotZ 2003, 269 ff.; a.A. Baumann, RNotZ 2010, 310 (314). 3 S. dazu Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 13 bis Rz. 29. 4 BGBl. I 2010, S. 2255 ff. 5 BGBl. I 2011, S. 1386 ff., geändert durch Gesetz v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, S. 554 (555). 6 Diehn, NJW 2011, 481 (484).
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Dabei sind nach § 1 ZTRV als Ergebnis einer Abwägung der jeweils grund- 77 rechtsspezifischen Vorgaben der Verpflichtung zur Datensparsamkeit iSd. § 3a BDSG aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG einerseits1 und der Gewährleistung des Erbrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG durch ein funktionsfähiges Registersystem zur Auffindung erbfolgerelevanter Urkunden andererseits2 folgende Verwahrangaben zu übermitteln: hinsichtlich des Erblassers Familienname, Geburtsname, alle Vornamen und Geschlecht, Tag und Ort der Geburt, Geburtsstandesamt und Geburtenregisternummer, wenn die Geburt im Inland beurkundet wurde, Staat der Geburt, wenn der Erblasser im Ausland geboren wurde, Bezeichnung und Anschrift der Verwahrstelle, Verwahrnummer, Verwahrbuchnummer oder Aktenzeichen des Verfahrens der Verwahrstelle, Art und Datum der Errichtung der erbfolgerelevanten Urkunde und Name, Amtssitz und Urkundenrollen-Nummer des beurkundenden Notars.3 Daten der Eltern des Erblassers sind im Testamentszentralregister nicht 78 speicherfähig und daher auch nicht elektronisch zu übermitteln.4 Fehlt bei notarieller Beurkundung einer erbfolgerelevanten Urkunde eine 79 zur Ermittlung der Geburtenregisternummer geeignete Urkunde, kann diese durch den Notar anlässlich der elektronischen Meldung an das Zentrale Testamentsregister elektronisch beim Geburtsstandesamt angefordert und auf ihrer Grundlage später nachgemeldet werden. Italienische Ehefrauen führen als ihren Familiennamen ausschließlich 80 den Geburtsnamen, erhalten bspw. in ihrem Pass auch bei dessen Neuausstellung nach Heirat lediglich den an nur schwer auffindbarer Stelle gesonderten amtlichen Vermerk „Coniugata“ unter zusätzlicher Angabe des Namens des Ehemannes und sind daher mit ihrem Geburtsnamen als Familiennamen zu registrieren.5 Übermittelt werden somit anders als an das Zentrale Vorsorgeregister kei- 81 ne inhaltlichen Angaben über eine Verfügung von Todes wegen, sondern ausschließlich die zu deren Auffinden erforderlichen Daten.6 Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZTRV wird bei mehre- 82 ren von einer Verfügung von Todes wegen betroffenen Erblassern für jeden Erblasser eine gesonderte Registrierung vorgenommen.7 Gem. § 78b Abs. 2 Satz 1 BNotO sind unabhängig von der in § 347 Abs. 1 83 Satz 1 FamFG formulierten Einschränkung für gerichtliche Übermittlungen erbfolgerelevante Urkunden „Testamente, Erbverträge und alle Ur1 2 3 4 5 6 7
Görk, DNotZ 2011, 71 (77); Diehn, NJW 2011, 481 (482). Begr. zum GesetzE des BR zum Allg. Teil, BT-Drucks. 17/2583, S. 12. Diehn, NJW 2011, 481 (482). Diehn, DNotZ 2011, 676 (677). Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 22. Diehn, NJW 2011, 481 (482). Diehn, DNotZ 2011, 676 (677); Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 23.
33
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
kunden mit Erklärungen, welche die Erbfolge beeinflussen können, insbesondere Aufhebungsverträge, Rücktritts- und Anfechtungserklärungen, Erb- und Zuwendungsverzichtsverträge, Ehe- und Lebenspartnerschaftsverträge und Rechtswahlen“. Diese Aufzählung ist, wie die vorstehende Formulierung „insbesondere“ zeigt, lediglich exemplarisch und nicht abschließend zu verstehen.1 84 Eine Richtigstellung offensichtlicher Unrichtigkeiten durch Nachtrags-
vermerk gem. § 44a Abs. 2 BeurkG muss nicht ihrerseits registriert, stattdessen jedoch ggf. zwecks Berichtigung des betroffenen Verwahrdatensatzes nach § 5 Satz 1 Nr. 2 ZTRV mitgeteilt werden.2 85 Für andere Urkunden (§ 78b Abs. 2 Satz 1 Fall 3 BNotO) als Testamente
(§ 78b Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BNotO) und Erbverträge (§ 78b Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BNotO) ist somit allein die abstrakte Möglichkeit einer Auswirkung auf die Erbfolge erforderlich und zugleich ausreichend, ohne dass es insoweit auf eine konkrete tatsächliche Erbfolgerelevanz ankommt, da das Nachlassgericht alle derartigen Urkunden überprüfen und auswerten können muss.3 Die abstrakte Eignung zur Beeinflussung des gesetzlichen Erbrechts ist bspw. für güterstandsändernde Regelungen zu bejahen, aber für reine Pflichtteilsverzichtsverträge zu verneinen.4 86 Eine Übermittlungspflicht setzt insoweit jedoch voraus, dass die betroffe-
ne erbrechtsrelevante Erklärung zu Lebzeiten des Erblassers abgegeben worden ist. Daher werden insbesondere Erbausschlagungserklärungen trotz ihrer erbrechtlichen Auswirkungen nicht von der Mitteilungspflicht erfasst.5 87 Für Testamente (§ 78b Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BNotO) und Erbverträge (§ 78b
Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BNotO) ist hingegen noch nicht einmal die abstrakte Erbfolgerelevanz zu überprüfen. Die sie betreffenden Verwahrangaben sind aufgrund diesbezüglicher formaler Registerpflicht nach § 78b Abs. 2 Satz 1 BNotO unabhängig von ihrem Inhalt immer6 und daher auch dann übermittlungspflichtig bzw. in das Zentrale Testamentsregister aufzunehmen, wenn sie ausschließlich Vermächtnisse enthalten und somit konkret keine Auswirkungen auf die Erbfolge haben.7
1 Diehn, NJW 2011, 481. 2 Diehn, DNotZ 2011, 676 (677); Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 24. 3 Begr. zum GesetzE des BR zu § 78b BNotO, BT-Drucks. 17/2583, S. 17; Diehn, NJW 2011, 481; Diehn, DNotZ 2011, 676 (677); Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 27. 4 Begr. zum GesetzE des BR zu § 78b BNotO, BT-Drucks. 17/2583, S. 17; Prütting/ Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 25. 5 Begr. zum GesetzE des BR zu § 78b BNotO, BT-Drucks. 17/2583, S. 17; Görk, DNotZ 2011, 71 (77); Diehn, NJW 2011, 481; Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 28. 6 Begr. zum GesetzE des BR zu § 78b BNotO, BT-Drucks. 17/2583, S. 17; Diehn, NJW 2011, 481; Diehn, DNotZ 2011, 676 (677). 7 Begr. zum GesetzE des BR zu § 78b BNotO, BT-Drucks. 17/2583, S. 17; Görk, DNotZ 2011, 71 (77); Diehn, NJW 2011, 481.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Derartige Verwahrangaben gehen daher entgegen der früheren Handhabung 88 dann nicht mehr über das Verwahrgericht in Papierform mit gelber Karteikarte bei den Standesämtern oder dem Amtsgericht Schöneberg in Berlin, sondern ausschließlich elektronisch beim Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer ein.1 Die Standesämter und das Amtsgericht Schöneberg in Berlin sind übergangsweise nach § 347 Abs. 4 Satz 1 FamFG zur Weiterführung ihrer Verzeichnisse über erbrechtsrelevante Daten bzw. nach § 347 Abs. 4 Satz 2 FamFG zur Mitteilung der Nachricht vom Tod des Erblassers an die jeweilige Stelle, von der die Verwahrungsnachricht stammt, so lange verpflichtet, bis deren vollständige Überführung nach dem Testamentsverzeichnis-Überführungsgesetz (TVÜG)2 in das von der Bundesnotarkammer in Berlin als Registerbehörde geführte Zentrale Testamentsregister abgeschlossen ist bzw. das neu geschaffene Zentrale Testamentsregister die Bearbeitung der Mitteilung über Sterbefälle nach § 4 Abs. 1 TVÜG übernimmt.3 Im Falle des Todes des Erblassers ist so nach § 348 bzw. § 350 FamFG sichergestellt, dass das Testament schnellstmöglich eröffnet und allen Beteiligten bekannt gegeben wird.
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Notariell beurkundetes Testament – Urkundenrahmen
(Form: notarielle Beurkundung) Heute, am . . . , ist vor mir, Notar . . . mit Amtssitz in . . . , im Amtszimmer des Notariats in . . . erschienen: Herr/Frau . . . (alle Vornamen, Nachname und ggf. Geburtsname des Erblassers), geb. am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft . . . , zustzliche nicht registerpflichtige Angabe: Sohn/Tochter des . . . und der . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis) oder: dem Notar persçnlich bekannt. Zustzlich liegt zum Nachweis des Geburtsortes und der Geburtenregisternummer eine Geburtsurkunde vor oder: bei Beurkundung liegt keine Geburtsurkunde vor. Herr/Frau . . . weiß, dass das Testament im Erbfall nur dann sicher aufgefunden werden kann, wenn er/sie seinen/ihren Geburtsort heute richtig angegeben hat. Gleichwohl verzichtet er/sie trotz Belehrung auf eigene Vorlage und zudem auf sptere Einholung einer Geburtsurkunde, sondern besteht stattdessen auf sofortige Beurkundung. Der Notar wird insoweit von jeder Haftung freigestellt. Trotz Belehrung wnscht Herr/Frau … keine vorherige Testamentsregistereinsicht.
1 Diehn, NJW 2011, 481 (484). 2 BGBl. I 2010, S. 2258 f., geändert durch Gesetz v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, S. 554 (555). 3 Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 43 und Rz. 49.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Herr/Frau . . . erklrt, ausschließlich deutscher/deutsche Staatsangehçriger/ Staatsangehçrige zu sein. Er/Sie sei ledig/verwitwet/ohne notariell beurkundeten Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet/auf Grund notariell beurkundeten Ehevertrages im Gterstand der Gtertrennung verheiratet/ohne notariell beurkundeten Lebenspartnerschaftsvertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft verpartnert/auf Grund notariell beurkundeten Lebenspartnerschaftsvertrages im Gterstand der Gtertrennung verpartnert. Er/Sie habe keine Abkçmmlinge oder: . . . Kinder oder: . . . Kinder, ein weiteres Kind . . . sei vorverstorben und habe seinerseits . . . Kinder hinterlassen. Er/Sie sei durch Verfgungen von Todes wegen, insbesondere durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament nicht gebunden/habe mit dem vorverstorbenen Ehepartner/Lebenspartner zwar ein gemeinschaftliches Testament/einen Erbvertrag errichtet, dieses/dieser enthalte jedoch ausschließlich Regelungen auf den Tod des Erstversterbenden und binde den Lngstlebenden nicht. Aus der Unterhaltung und nach dem persçnlichen Eindruck gewinnt der Notar zweifelsfrei die berzeugung, dass Herr/Frau … uneingeschrnkt geschfts- und testierfhig ist. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wurde verzichtet. Eventuelle weitere Angaben: bei leicht eingeschrnktem Hçrvermçgen: Herr/Frau . . . hçrt nach eigenen Angaben leicht eingeschrnkt und trgt ein Hçrgert. Eine Verstndigung ist jedoch durch hier praktiziertes langsames und lautes Sprechen uneingeschrnkt mçglich. Ergnzend wird Herrn/Frau . . . der Urkundentext vor Unterschrift zur Durchsicht vorgelegt. Er/Sie ist uneingeschrnkt testierfhig. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars ist trotz Belehrung verzichtet. bei Hausbesuch: Herr/Frau . . . leidet nach eigenen Angaben an . . . (Ausfhrung zu bestehender Krankheit), hat deshalb um Hausbesuch gebeten, ist nach berzeugung des Notars, die dieser aufgrund der ausgiebigen Vorbesprechung vom . . . und dem bei Beurkundung gewonnenen hat, zweifelsfrei bei klarem Verstand, vollstndig orientiert . . . (ggf. anhand von Beispielen ausfhren) und kann seinen/ihren Willen deutlich und uneingeschrnkt zum Ausdruck bringen. Er/sie ist daher vollumfnglich testierfhig. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wird verzichtet. Der Beurkundungstext wurde durch den Notar aufgrund der o.g. Vorbesprechung vorbereitet und ausgedruckt zum hiesigen Auswrtstermin mitgebracht. Zur Beurkundung erklrt Herr/Frau . . . folgendes Testament Vorsorglich widerrufe ich hiermit alle von mir bisher etwa getroffenen Verfgungen von Todes wegen. Mein letzter Wille bestimmt sich daher ausschließlich nach dem hier beurkundeten Testament. . . . (letztwillige Verfgungen)
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Trotz Belehrung verzichte ich auf einen vorherigen notariellen Entwurf und auf Rcksprache mit meinem Rechtsanwalt und Steuerberater oder: Abweichungen vom vorherigen Entwurf wurden vorab erçrtert. Ich wurde vom Notar ber die Bedeutung der hier getroffenen Verfgungen eingehend belehrt, insbesondere ber das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht, einschließlich des Pflichtteilsergnzungsrechts, sowie die gesetzlichen Regelungen ber die erbrechtliche Ausgleichungspflicht im Falle einer Erbauseinandersetzung nach den §§ 2050 ff. BGB und die Anrechnungspflicht auf Pflichtteilsansprche gem. §§ 2315 f. BGB. Sollte ich Beteiligungen an Gesellschaften – derzeit besitze ich keine derartigen Beteiligungen – erwerben, werde ich die hier getroffenen letztwilligen Verfgungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem jeweils zu Grunde liegenden Gesellschaftsvertrag rechtlich und steuerlich berprfen lassen, um eventuelle Vermçgensnachteile zu vermeiden. Ferner ist mir bekannt, dass Ansprche aus Vertrgen zu Gunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere aus bestimmten Lebensversicherungen bzw. Sparvertrgen, mçglicherweise nicht in den Nachlass fallen, sondern eventuell direkt einem im zu Grunde liegenden Vertrag ggf. benannten Bezugsberechtigten zukommen kçnnen und daher berprft werden sollten. Zum Zwecke der Kostenberechnung gebe ich den derzeitigen Wert meines Vermçgens netto mit . . . Euro bzw. brutto mit . . . Euro an. Ich erbitte eine beglaubigte Kopie dieser Urkunde fr meine Unterlagen, eine weitere beglaubigte Kopie soll der Notar offen zur Urkundensammlung nehmen. Vom Notar vorgelesen, – ggf. ergnzend: sowie dem/der Erschienenen ergnzend zur Durchsicht vorgelegt – von dem/der Erschienenen genehmigt und wie folgt eigenhndig unterschrieben: . . . (Unterschriften von Erblasser und Notar)
M5
Notariell beurkundetes Testament durch bergabe einer offenen/verschlossenen Schrift
(Form: notarielle Beurkundung) Heute, am . . . , ist vor mir, Notar . . . mit Amtssitz in . . . , im Amtszimmer des Notariats in . . . erschienen: Herr/Frau . . . (alle Vornamen, Nachname und ggf. Geburtsname des Erblassers), geb. am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis) . . . oder: dem Notar persçnlich bekannt, zustzliche nicht registerpflichtige Angabe: Sohn/Tochter des . . . und der . . . , Zustzlich liegt zum Nachweis des Geburtsortes und der Geburtenregisternummer eine Geburtsurkunde des/der Erschienenen vor oder: Bei Beurkundung liegt keine Geburtsurkunde vor. Herr/Frau . . . weiß, dass das Testament im Erbfall nur dann sicher aufgefunden werden kann, wenn er/sie seinen/ihren Geburtsort samt Geburtenregisternummer heute richtig angegeben hat.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Gleichwohl verzichtet er/sie trotz Belehrung auf eigene Vorlage und zudem auf sptere Einholung einer Geburtsurkunde, sondern besteht stattdessen auf sofortige Beurkundung. Der Notar wird insoweit von jeder Haftung freigestellt. Trotz Belehrung wnscht Herr/Frau . . . keine vorherige Testamentsregistereinsicht. Herr/Frau . . . ist auf Grund des persçnlichen Eindrucks des Notars, den dieser heute whrend der gemeinsamen Unterredung gewonnen hat, uneingeschrnkt geschfts- und testierfhig . . . (ggf. weitere Ausfhrungen ber den Gesundheitszustand, insbesondere bei erkrankten, hçr- bzw. sprachbehinderten Erblassern). Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wird verzichtet. Herr/Frau . . . mçchte ein çffentliches Testament durch bergabe einer offenen Schrift/einer verschlossenen Schrift ohne Hinzuziehung von Zeugen errichten. Er/Sie bergibt dem Notar eine offene Schrift/eine verschlossene Schrift, die dieser Niederschrift beigefgt wird. Dabei erklrt Herr/Frau . . . gegenber dem Notar mndlich, dass diese Schrift seinen/ihren letzten Willen enthalte. Der Notar besprach den Inhalt dieser Schrift mit Herrn/Frau . . . . Ergnzend belehrt der Notar ihn/sie insbesondere darber, dass gem. § 27 BeurkG Zuwendungen an den beurkundenden Notar oder dessen Einsetzung zum Testamentsvollstrecker selbst dann unwirksam sind, wenn der Notar hiervon keinerlei Kenntnis hatte. Zum Zwecke der Kostenberechnung gibt Herr/ Frau den derzeitigen Wert seines/ihres Vermçgens netto mit . . . Euro bzw. brutto mit . . . Euro an. Sodann kennzeichnete der Notar die offene Schrift durch den darauf aufgebrachten Vermerk „Urkundenrolle Nr. . . .“/die verschlossene Schrift durch auf dem Umschlag aufgebrachten Vermerk „dieser Umschlag enthlt das Testament von Herrn/Frau . . . , geboren am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft in . . .“. Schließlich fgte der Notar die bergebene Schrift der Niederschrift bei. Vom Notar vorgelesen, vorab zur Durchsicht vorgelegt, von dem/der Erschienenen genehmigt und wie folgt unterschrieben: . . . (Unterschriften von Erblasser und Notar)
IV. Körperliche und andere Einschränkungen des Erblassers sowie Testamentserrichtung durch Mehrfachbehinderte 89 Ist der Erblasser körperlich beeinträchtigt, minderjährig oder der deut-
schen Sprache nicht kundig, sind gesetzliche Sonderregelungen zu beachten. Nach § 2232 BGB wird ein öffentliches Testament zur Niederschrift des Notars dadurch errichtet, dass der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklärt oder ihm eine Schrift mit der Erklärung übergibt, dass diese seinen letzten Willen enthalte, wobei diese Schrift offen oder verschlossen übergeben werden kann und nicht vom Erblasser geschrieben zu sein braucht. § 2233 BGB sieht vor, dass ein minderjähriger Erblasser, der nach 38
B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
§ 2229 Abs. 1 BGB das 16. Lebensjahr vollendet haben muss, das Testament nur durch Erklärung gegenüber dem Notar oder durch Übergabe einer offenen Schrift und ein Erblasser, der nicht im Stande ist, Geschriebenes zu lesen, das Testament nur durch Erklärung gegenüber dem Notar errichten kann. Die §§ 22 bis 32 BeurkG regeln schließlich in den vorstehend genannten 90 Fällen und insbesondere bei Hör-, Sprach- bzw. Sehbehinderung sowie Schreibunfähigkeit Besonderheiten über die Zuziehung von Zeugen, eines zweiten Notars, Dolmetschern, Gebärdensprachdolmetschern und Vertrauenspersonen. Nachdem das BVerfG durch Beschluss v. 19.1.1999 den bis dahin gesetzlich 91 geltenden generellen Ausschluss durch gleichzeitige Schreib- und Sprechunfähigkeit mehrfachbehinderter Personen von der Testiermöglichkeit in den §§ 2232, 2233 BGB und § 31 BeurkG wegen Verstoßes gegen die Erbrechtsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Benachteiligungsverbot für Behinderte aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG für verfassungswidrig erklärt hatte,1 wurden die §§ 2232 und 2233 BGB durch Gesetz vom 23.7.2002 entsprechend neugefasst bzw. § 31 BeurkG aufgehoben.2 Seitdem ist in § 2232 BGB auf das frühere Erfordernis der Mündlichkeit der Erklärung des Erblasserwillens verzichtet. Ausreichend sind nunmehr auch stillschweigende, schlüssige, konkluden- 92 te Willenserklärungen, die durch Gebärden, Zeichen, allgemein nicht verständliche Laute und Kommunikationshilfen sowie Gebärdendolmetscher, Blindenschrift etc. vermittelt werden. Ein sprachbehinderter und schreibunfähiger Erblasser kann somit seine Erklärung auch konkludent als Antwort auf Fragen des Notars durch Gebärden oder Zeichen, wie etwa Kopfnicken bzw. Kopfschütteln, oder auf andere Weise abgeben. Der Notar ist nunmehr berechtigt, auch schriftliche Fragen zu stellen oder sich beantworten zu lassen. Insbesondere müssen
93
– im Falle körperlicher Beeinträchtigung eines Erblassers die zwingende Vorlage der Niederschrift an den Erblasser zur Durchsicht bei Hörbehinderung nach § 23 BeurkG, – die zwingende Hinzuziehung und Unterschriftsleistung eines Zeugen bei Schreibunfähigkeit nach § 25 BeurkG, – die zusätzlich zwingende Hinzuziehung einer gem. seit 1.8.2002 geltender Fassung des § 24 Abs. 1 Satz 2 BeurkG BeurkG – statt zuvor „Vertrauensperson“ nunmehr – Verständigungsperson („Person . . . , die sich mit dem behinderten Beteiligten zu verständigen vermag und mit deren Zuziehung er nach der Überzeugung des Notars einverstanden ist“), der
1 BVerfG v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, FamRZ 1999, 985 = NJW 1999, 1853 ff. 2 BGBl. 2002 I, S. 2850.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
durch den Notar die Mitverantwortung zur Ermittlung des Willens des behinderten Erblassers zu übertragen ist,1 wenn in der Niederschrift die Feststellung getroffen wird, dass der Erblasser nicht hinreichend zu hören oder zu sprechen und sich auch nicht schriftlich zu verständigen vermag, wobei der Notar diese förmliche Feststellung treffen soll, wenn dies seiner Überzeugung oder den Angaben des Erblassers entspricht, sowie als Sollregelung die Unterschriftsleistung dieser Verständigungsperson, – die zusätzlich jeweils bereits aus § 22 BeurkG resultierende, aber verzichtbare Sollhinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars nach § 24 BeurkG, – die Sollhinzuziehung eines Gebärdensprachdolmetschers nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BeurkG auf Verlangen des hör- oder sprachbehinderten Erblassers, der mit einer Verständigungsperson iSd. § 24 Abs. 1 Satz 2 BeurkG identisch sein darf, soweit nicht § 24 Abs. 2 BeurkG entgegensteht,2 – die verzichtbare Sollhinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars bei Hör-, Sprach- bzw. Sehbehinderung nach § 22 BeurkG sowie – die Mitwirkungs- bzw. Begünstigungsverbote für den Notar, Zeugen, einen zweiten Notar, Dolmetscher, Gebärdensprachdolmetscher und Vertrauenspersonen unmittelbar aus oder analog §§ 6, 7, 16 Abs. 3 Satz 2, 24 Abs. 2, 26 bzw. 27 BeurkG berücksichtigt werden.
M6
Notariell errichtetes Testament – Vermerke bei kçrperlicher oder sonstiger Einschrnkung des Erblassers
(Form: notarielle Beurkundung) Bei einem hçrbehinderten Erblasser iSd. § 22 BeurkG: Herr/Frau . . . (Erblasser) vermag nach eigenen Angaben und nach berzeugung des Notars auch langsam, deutlich und laut Gesprochenes nicht hinreichend zu hçren, unterliegt jedoch keinen anderen kçrperlichen Beschrnkungen, ist insbesondere weder sprach- noch sehbehindert, vermag Geschriebenes uneingeschrnkt zu lesen und kann sowohl den eigenen Namen als auch im brigen vollumfnglich selbst schreiben. Als Gebrdensprachdolmetscher wurde Herr/Frau . . . hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis). Zudem wird der Beurkundungstext Herrn/Frau . . . (Erblasser) zur Durchsicht vorgelegt und neben dem Notar und Herrn/Frau . . . (Erblasser) auch von Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) unterschrieben. Herr/Frau . . . (Gebrdensprachdol-
1 OLG Hamm v. 26.2.2002 – 15 W 385/01, NJW 2002, 3410 = ZEV 2002, 458 (460) = MittBayNot 2002, 406; Grziwotz/Heinemann, § 24 BeurkG Rz. 19; Winkler, § 24 BeurkG Rz. 14. 2 Armbrüster/Preuß/Renner, § 24 BeurkG Rz. 8; Lerch, § 24 BeurkG Rz. 8; Soergel/J. Mayer, § 24 BeurkG Rz. 9; Winkler, § 24 BeurkG Rz. 12.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
metscher) ist nicht allgemein vereidigt. Auf Vereidigung wird allseits verzichtet oder: Herr/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) wurde auf die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer Eidesverletzung hingewiesen. Daraufhin leistete er/sie dadurch den Eid, dass er/sie dem Notar folgende Worte nachsprach: „Ich schwçre, dass ich treu und gewissenhaft bersetzen werde.“ Auf Grund des persçnlichen Eindrucks und nach einem lngeren ber Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) gefhrten Gesprch mit Herrn/ Frau . . . (Erblasser) gewinnt der Notar die berzeugung, dass Herr/Frau . . . (Erblasser) uneingeschrnkt testierfhig ist. Verbots- und Ausschließungstatbestnde hinsichtlich dieser Gebrdensprachdolmetschermitwirkung sind nicht erkennbar und wurden nach Erçrterung der analog geltenden Regelungen der §§ 6, 7, 16 Abs. 3 Satz 2, 26 und 27 BeurkG ausdrcklich verneint. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wurde trotz Belehrung verzichtet. Die Verstndigung wurde durch den Notar ergnzend auch schriftlich gefhrt. Nach Vermittlung ber Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) erklrte Herr/Frau . . . (Erblasser) sodann: . . . Bei einem sprachbehinderten Erblasser iSd. § 22 BeurkG: Herr/Frau . . . (Erblasser) vermag nach eigenen Angaben und nach berzeugung des Notars nicht hinreichend zu sprechen, unterliegt jedoch keinen anderen kçrperlichen Beschrnkungen, ist insbesondere weder hçr- noch sehbehindert, vermag Geschriebenes uneingeschrnkt zu lesen und kann sowohl den eigenen Namen als auch im brigen vollumfnglich selbst schreiben. Als Gebrdensprachdolmetscher wurde Herr/Frau . . . hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis). Zudem wird der Beurkundungstext neben dem Notar und Herrn/Frau . . . (Erblasser) auch von Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) unterschrieben. Herr/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) ist nicht allgemein vereidigt. Auf Vereidigung wird allseits verzichtet oder: Herr/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) wurde auf die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer Eidesverletzung hingewiesen. Daraufhin leistete er/sie dadurch den Eid, dass er/sie dem Notar folgende Worte nachsprach: „Ich schwçre, dass ich treu und gewissenhaft bersetzen werde.“ Auf Grund des persçnlichen Eindrucks und nach einem lngeren ber Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) gefhrten Gesprch mit Herrn/Frau . . . (Erblasser) gewinnt der Notar die berzeugung, dass Herr/Frau . . . (Erblasser) uneingeschrnkt testierfhig ist. Verbots- und Ausschließungstatbestnde hinsichtlich dieser Gebrdensprachdolmetschermitwirkung sind nicht erkennbar und wurden nach Erçrterung der analog geltenden Regelungen der §§ 6, 7 26 und 27 BeurkG ausdrcklich verneint. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wurde trotz Belehrung verzichtet. Die Verstndigung wurde durch Herrn/Frau . . . (Erblasser) ergnzend auch schriftlich gefhrt. Nach Vermittlung ber Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) erklrte Herr/Frau . . . (Erblasser) sodann: . . . Bei einem sehbehinderten Erblasser iSd. § 22 BeurkG: Herr/Frau . . . (Name des Erblassers) vermag nach eigenen Angaben und nach berzeugung des Notars nicht hinreichend zu sehen, unterliegt jedoch keinen anderen kçrperlichen Beschrnkungen, ist insbesondere weder hçr- noch sprachbehindert und kann sowohl den eigenen Namen als auch im brigen vollumfnglich selbst schreiben. Auf die Hinzuziehung eines zweiten Notars wurde trotz Belehrung verzichtet. Als Zeuge wurde Herr/Frau . . . hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis). Verbots- und Ausschließungstatbestnde hinsichtlich
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
dieser Zeugenmitwirkung sind nicht erkennbar und wurden nach Erçrterung der Regelung der §§ 26 und 27 BeurkG ausdrcklich verneint. Zudem wird der Beurkundungstext neben dem Notar und Herrn/Frau . . . (Erblasser) auch von Herrn/Frau . . . (Zeuge) unterschrieben. oder: Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wurde trotz Belehrung verzichtet. Bei einem hçr- und sprachbehinderten Erblasser, mit dem keine schriftliche Verstndigung mçglich ist, iSd. § 24 BeurkG: Herr/Frau . . . (Erblasser) vermag nach eigenen Angaben und nach berzeugung des Notars auch langsam, deutlich und laut Gesprochenes nicht hinreichend zu hçren, nicht hinreichend zu sprechen, Geschriebenes nicht zu lesen, selbst nicht zu schreiben, mit ihm/ihr ist insgesamt keine schriftliche Verstndigung mçglich. Er/sie unterliegt im brigen keinen weiteren kçrperlichen Beschrnkungen und ist insbesondere nicht sehbehindert. Als Gebrdensprachdolmetscher wurde Herr/Frau . . . hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis). Als Verstndigungsperson wurde mit Zustimmung des Herrn/der Frau . . . (Erblasser) Herr/Frau . . . (Verstndigungsperson) hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis), mit dem/der sich Herr/Frau . . . (Erblasser) verstndigen kann. Als Schreibzeuge wurde Herr/Frau . . . hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis). Zudem wird der Beurkundungstext von dem Notar, Herrn/Frau . . . (Schreibzeuge), Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) und Herrn/Frau . . . (Verstndigungsperson) unterschrieben. Herr/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) ist nicht allgemein vereidigt. Auf Vereidigung wird allseits verzichtet oder: Herr/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) wurde auf die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer Eidesverletzung hingewiesen. Daraufhin leistete er/sie dadurch den Eid, dass er/sie dem Notar folgende Worte nachsprach: „Ich schwçre, dass ich treu und gewissenhaft bersetzen werde.“ Auf Grund des persçnlichen Eindrucks und nach einem lngeren ber Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) gefhrten Gesprch mit Herrn/Frau . . . (Erblasser) gewinnt der Notar die berzeugung, dass Herr/Frau . . . (Erblasser) uneingeschrnkt testierfhig ist. Verbots- und Ausschließungstatbestnde hinsichtlich der jeweiligen Mitwirkung der o.g. hinzugezogenen Personen sind nicht erkennbar und wurden nach Erçrterung der Regelungen der §§ 6, 7, 16 Abs. 3 Satz 2, 24 Abs. 2, 26 und 27 BeurkG ausdrcklich verneint. Auf die Hinzuziehung eines weiteren Zeugen oder zweiten Notars wurde trotz Belehrung verzichtet. Nach Vermittlung ber Herrn/Frau . . . (Gebrdensprachdolmetscher) und Herrn/Frau . . . (Verstndigungsperson) erklrte Herr/Frau . . . (Erblasser) sodann: . . . Bei einem schreibunfhigen Erblasser iSd. § 25 BeurkG: Herr/Frau . . . (Erblasser) vermag nach eigenen Angaben und nach berzeugung des Notars seinen/ihren Namen nicht zu schreiben, unterliegt jedoch keinen anderen kçrperlichen Beschrnkungen und ist insbesondere weder hçr-, sprach- noch sehbehindert. Daher wurde als Zeuge Herr/Frau . . . hinzugezogen, ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis). Zudem wird der Beurkundungstext neben dem Notar und Herrn/Frau . . . (Erblasser) auch von Herrn/Frau . . . (Zeuge) unterschrieben. Verbots- bzw. Ausschließungstatbestnde hinsichtlich dieser Zeugenmitwirkung sind nicht erkennbar und wurden nach Erçrterung der Regelungen der §§ 26 und 27 BeurkG ausdrcklich verneint.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Bei einem sprachunkundigen Erblasser iSd. § 32 BeurkG: Nach eigenen Angaben und nach berzeugung des Notars ist Herr/Frau . . . (Erblasser) der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig. Daher wurde Herr/ Frau . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis), als Dolmetscher/ Dolmetscherin fr die . . . (Nationalitt) Sprache hinzugezogen. Herr/Frau . . . (Dolmetscher) ist nicht allgemein vereidigt. Auf Vereidigung des Dolmetschers wird jedoch allseits verzichtet oder: Der Dolmetscher/die Dolmetscherin wurde auf die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer Eidesverletzung hingewiesen. Daraufhin leistete er/sie dadurch den Eid, dass er/sie dem Notar folgende Worte nachsprach: „Ich schwçre, dass ich treu und gewissenhaft bersetzen werde.“ Auf Grund des persçnlichen Eindrucks und nach einem lngeren ber den Dolmetscher/die Dolmetscherin gefhrten Gesprch mit Herrn/Frau . . . (Erblasser) gewinnt der Notar die berzeugung, dass Herr/ Frau . . . (Erblasser) uneingeschrnkt testierfhig ist. Der Notar weist Herrn/Frau . . . (Erblasser) darauf hin, dass er/sie eine schriftliche bersetzung des Beurkundungstextes verlangen kçnne, die dann der Niederschrift beigefgt wrde. Auf eine derartige schriftliche bersetzung wird jedoch trotz Belehrung verzichtet. Verbots- bzw. Ausschließungstatbestnde hinsichtlich dieser Dolmetschermitwirkung sind nicht erkennbar und wurden nach Erçrterung der Regelungen der §§ 6, 7, 16 Abs. 3 Satz 2, 26 und 27 BeurkG ausdrcklich verneint. Auf Vermittlung des Dolmetschers/der Dolmetscherin erklrte Herr/Frau . . . (Erblasser) sodann: . . .
V. Eigenhändiges oder öffentliches Testament? 1. Grundsätzliche Gleichwertigkeit Eigenhändige und öffentliche Testamente sind hinsichtlich ihrer rein erb- 94 rechtlichen Wirkung grundsätzlich gleichwertig. Dabei können alle letztwilligen Regelungen, die Inhalt eines Einzeltestaments oder eines gemeinschaftlichen Testaments sein können, sowohl in eigenhändiger als auch in öffentlicher Form wirksam getroffen werden. Auch bei der Aufhebung und Abänderung von Testamenten durch ein nachfolgendes Testament besteht insoweit Gleichwertigkeit, als sowohl ein eigenhändiges Testament nicht nur durch ein eigenhändiges, sondern auch durch eine öffentliches Testament, als auch ein öffentliches Testament nicht nur durch ein öffentliches Testament, sondern auch durch ein eigenhändiges Testament geändert oder aufgehoben werden können. Für den Testamentsgestalter bedeutet dies, dass seine Gestaltung gegen spätere unberatene Änderungen durch den bzw. die Erblasser nicht gefeit ist, egal ob er als Anwalt den Testamentsentwurf gefertigt oder als Notar das Testament beurkundet hat. Inhaltliche Gleichwertigkeit beider Testamentsformen besteht insoweit 95 grundsätzlich dann, wenn der Wille des Erblassers fachgerecht umgesetzt worden ist, sei es von einem beratenden Rechtsanwalt, etwa einem Fachanwalt für Erbrecht, oder von dem beurkundenden Notar. Dagegen zeigt die
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Praxis der Nachlassgerichte, dass das nicht auf fachgerechter Beratung beruhende eigenhändige Testament häufig auslegungsbedürftig, fehleranfällig und grundsätzlich nicht gleichwertig ist. Darüber hinaus ist zur Nachlassabwicklung zwingend ein Erbschein, Testamentsvollstreckerzeugnis bzw. Europäisches Nachlasszeugnis erforderlich, da die Formerleichterungen aus § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Halbs. 2 GBO mangels notarieller Beurkundung nicht anwendbar sind (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 65 ff.). 96 Entwirft ein Rechtsanwalt das Testament, so muss er darauf achten, dass
dieses vom Erblasser richtig und vollständig eigenhändig abgeschrieben und unterschrieben wird, somit die Formerfordernisse erfüllt sind und das Testament in dieser Fassung in die besondere amtliche Verwahrung gegeben wird. In schwierigen Fällen besteht eine für den Erblasser ideale Form der Zusammenarbeit darin, dass der vom Rechtsanwalt erstellte Entwurf vom Notar beurkundet wird. Dies sichert die Prüfung und Beratung durch zwei Fachleute. Dagegen steht lediglich der Mehraufwand an Gebühren, der zumindest in kritischen Fällen in Kauf genommen werden sollte. 2. Das öffentliche Testament als Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweis 97 In der Regel weist der Erbe sein Erbrecht durch Vorlage eines Erbscheins
bzw. der Testamentsvollstrecker sein Amt mittels Testamentsvollstreckerzeugnis nach. Der Erbschein ist eine öffentliche Urkunde, durch die die Gesamtrechtsnachfolge des Erben, die jeweilige Erbteilsquote und das Bestehen bzw. Nichtbestehen eventueller Beschränkungen des Erben bezeugt wird. Die Richtigkeit des bezeugten Erbrechts wird gem. § 2365 BGB vermutet, soweit nicht mehrere einander widersprechende Erbscheine vorliegen. Gem. §§ 2366, 2367 BGB genießt der erteilte und in Kraft befindliche Erbschein öffentlichen Glauben. Geschützt ist jedoch ausschließlich der rechtsgeschäftliche Einzelerwerb und dieser lediglich insoweit, als der in Rede stehende Gegenstand tatsächlich zum Nachlass gehört. Diese Richtigkeitsfunktion des Erbscheins gilt entsprechend auch dann, wenn ein Erbscheinserbe hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Geschäftsanteils einer GmbH an Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der GmbH mitwirkt.1 98 Ungeachtet hiervon bleibt die tatsächliche Erbfolge von einem abweichen-
den Erbschein unberührt. Mangels materieller Rechtskraft vermag daher ein Erbschein ein Prozessgericht nicht inhaltlich zu binden. Umgekehrt ist das Nachlassgericht, wenn ausschließlich die Prozessparteien Beteiligte des Erbscheinsverfahrens sind, trotz der Unterschiede im jeweiligen Verfahren an rechtskräftige Zivilprozessurteile gebunden, die das Erbrecht als solches feststellen, nicht jedoch bei einer ausschließlichen Behandlung des Erbrechts als Vorfrage oder vorgreifliches Rechtsverhältnis.2 Eine gleiche
1 Däubler, GmbHR 1963, 181; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 13. 2 MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2359 BGB Rz. 41 ff.
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Bindungswirkung gilt insoweit auch für bloße Anerkenntnis-, Verzichtsbzw. Versäumnisurteile.1 Ausnahmsweise entfällt eine Bindung jedoch, wenn sich der im Zivilprozess Unterlegene gegenüber der Ausnutzung des rechtskräftigen Urteils auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen sittenwidriger Herbeiführung der Rechtskraft berufen kann.2 Ist das Testament öffentlich beurkundet worden, kann nach § 35 Abs. 1 99 Satz 2, Abs. 2 Halbs. 2 GBO zumindest im Regelfall weitgehend auf derartige Zeugnisse verzichtet werden (s. dazu ausführlich 9. Kap. Rz. 65 ff.). Aufgabe des beurkundenden Notars ist es, nach Möglichkeit Zweifel nicht 100 aufkommen zu lassen und durch eindeutige Bestimmung der Erben und der Erbteile die Verwendbarkeit der Verfügung von Todes wegen als Erbnachweis zu ermöglichen. Die Verwendbarkeit als Erbnachweis stellt einen nicht zu vernachlässigenden Vorteil des öffentlichen Testaments gegenüber dem privatschriftlichen Testament dar. Entsprechendes gilt für die Verwendbarkeit des öffentlichen Testaments als Testamenstvollstreckernachweis sowie für den förmlichen Vollmachtsnachweis für testamentarische postmortale Vollmachten (s. dazu nachfolgend 3. Kap. Rz. 372). 3. Testamentswiderruf a) Grundsätze Ein Einzeltestament kann sowohl insgesamt als auch lediglich bezüglich 101 einzelner Verfügungen durch den Erblasser jederzeit und ohne besonderen Grund gem. § 2253 BGB widerrufen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Erblasser dem im Testament genannten Begünstigten die dort vorgesehenen Zuwendungen versprochen hat. Im letztgenannten Fall steht dem Begünstigten, der im Vertrauen auf die ihm in Aussicht gestellte Zuwendung seinerseits gegenüber dem Erblasser Leistungen erbracht hat, ggf. ein bereicherungsrechtlicher Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels Eintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges gegen den tatsächlichen Erben zu.3 Die jederzeitige Widerrufbarkeit letztwilliger Verfügungen von Todes wegen nach § 2253 BGB ist Ausfluss des Grundsatzes der Testierfreiheit. Der Erblasser ist hingegen dann an seine letztwillige Verfügung gebunden, wenn er diese mit dem Begünstigten durch notariellen Erbvertrag als vertragsmäßig vereinbart hat.
1 Bejahend Erman/Schlüter, § 2359 BGB Rz. 5, 13. Aufl. 2011; Lange/Kuchinke, § 39 III; ohne ausdrückliche Erwähnung von Anerkenntnis- bzw. Versäumnisurteilen allgemein für rechtkräftige Urteile bejahend Erman/Simon, § 2359 BGB Rz. 5; verneinend MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2359 BGB Rz. 43; Zimmermann, Erbschein und Erbscheinsverfahren Rz. 168. 2 BGH v. 24.9.1987 – III ZR 187/86, NJW 1987, 3256 (3257 ff.); BGH v. 21.6.1951 – III ZR 210/50, NJW 1951, 759; RGZ v. 3.5.1937 – VI 333/36, RGZ 155, 55 (60 f.); Erman/ Schlüter, 13. Aufl. 2011, § 2359 BGB Rz. 5; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 14. 3 BGH v. 29.11.1965 – VII ZR 214/63, BGHZ 44, 321 (322 ff.) = NJW 1966, 540.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
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Ein Widerruf verkörpert seinerseits eine letztwillige Verfügung und setzt nach § 2229 BGB daher Testierfähigkeit des Erblassers voraus. Dies gilt sogar bei Widerruf durch Vernichtung bzw. Veränderung der Testamentsurkunde nach § 2255 BGB oder durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung nach § 2256 BGB. b) Widerrufstestament
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Dabei kann sich ein Widerrufstestament nach § 2254 BGB auf den Widerruf des aufzuhebenden Testaments beschränken. Eine zusätzliche Regelung neuer letztwilliger Verfügungen von Todes wegen ist möglich, aber nicht erforderlich. Es gelten die allgemeinen Formerfordernisse eines Testaments. Wegen des Grundsatzes der Gleichwertigkeit der Testamentsformen muss das Widerrufstestament nicht in derselben Form wie das widerrufene Testament errichtet werden. Insbesondere kann ein notariell beurkundetes Testament wirksam auch durch ein eigenhändiges Widerrufstestament aufgehoben werden.1 c) Bloßer inhaltlicher Widerspruch
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Alternativ kann ein Testament auch insoweit widerrufen werden, als das neue Testament das widerrufene Testament zwar nicht erwähnt, mit diesem jedoch in inhaltlichem Widerspruch steht (§ 2258 BGB). Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser das frühere Testament vergessen hatte. Die Widerrufswirkung tritt jedoch gem. § 2258 Abs. 1 BGB lediglich „insoweit“ ein, als eine inhaltliche Unvereinbarkeit besteht. Im Übrigen bleibt das Ausgangstestament wirksam bestehen. Vollständige Unwirksamkeit des früheren Testaments tritt lediglich dann ein, wenn dem späteren Testament der Erblasserwille zu entnehmen ist, dass sich die Erbfolge ausschließlich nach dem neuen Testament richten soll. Es ist daher zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten dringend zu empfehlen, im Widerrufs- bzw. späteren Testament klarzustellen, inwieweit ein früheres Testament aufgehoben bleiben bzw. fortbestehen soll.
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Gem. § 2247 Abs. 2 BGB ist die Angabe des Errichtungszeitpunktes grundsätzlich zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung für ein Testament. Im Hinblick auf die vorstehend erörterte Regelung des § 2258 BGB erhält der Errichtungszeitpunkt jedoch eine besondere Bedeutung: Liegen mehrere Testamente vor, von denen das eine datiert, das andere hingegen undatiert ist und kann der Errichtungszeitpunkt des undatierten Testamentes nicht mehr festgestellt werden, wird das undatierte Testament im Zweifel mit der Folge als älteres Testament angesehen, dass das datierte Testament gem. § 2247 Abs. 5 BGB Bestand behält und maßgebend ist. Lässt sich der Errichtungszeitpunkt bei beiden vorliegenden Testamenten nicht mehr feststellen und enthalten beide Testamente inhaltlich widersprüchliche
1 OLG Köln v. 26.4.1968 – 2 Wx 9/68, OLGZ 1968, 324 (325).
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B. Formfragen bei Verfgungen von Todes wegen
Anordnungen, so heben sie sich insoweit gegenseitig auf. Der Datierung eines Testamentes kommt damit mittelbar erhebliche Bedeutung zu. d) Veränderung oder Vernichtung Als weitere Variante kommt gem. § 2255 BGB ein Widerruf durch Vernich- 106 tung oder Veränderung des Testamentes mit Aufhebungsabsicht möglich. Auch insoweit ist Testierfähigkeit des Erblassers erforderlich,1 wobei entgegen dem Wortlaut auch bloße einzelne Verfügungen des Testaments widerrufbar sind.2 Die Vernichtung bzw. Veränderung der Testamentsurkunde muss durch den Erblasser erfolgt sein. Trotz des auch hier geltenden Höchstpersönlichkeitsgrundsatzes ist es für einen Widerruf durch Vernichtung ausreichend, wenn sich der Erblasser eines Dritten als unselbständiges Werkzeug ohne Entscheidungsspielraum bedient, der die letztwillige Verfügung im Auftrag und mit Willen des Erblassers auf Geheiß zu dessen Lebzeiten vernichtet.3 Dann muss der Erblasser jedoch noch im Zeitpunkt der Vernichtung der Testamentsurkunde testierfähig sein.4 Da keine Vermutung dafür besteht, dass ein zerstörtes bzw. unauffind- 107 bares Testament vom Erblasser vernichtet wurde, trägt derjenige, der aus der Unwirksamkeit des in Rede stehenden Testaments Rechte ableitet, die objektive Beweislast für eine Vernichtung bzw. Veränderung durch den Erblasser. Kann das Testament selbst in Urschrift nicht mehr vorgelegt werden, trägt vorab derjenige, der Rechte aus dem Bestehen dieses Testaments ableitet, die objektive Feststellungslast für dessen formgültige Errichtung und dessen Inhalt,5 wobei an den Nachweis der Existenz und des Inhalts des Testaments strenge Anforderungen gestellt werden.6 Steht eine Vernichtung bzw. Änderung des Testaments durch den Erblasser fest, wird die zur Wirksamkeit der Aufhebung zusätzlich erforderliche Aufhebungsabsicht des Erblassers nach § 2255 Satz 2 BGB vermutet.7 e) Widerruf des Widerrufs Ein durch Testament erfolgter Widerruf kann seinerseits widerrufen wer- 108 den. Dabei besagt § 2257 BGB, dass die durch den nunmehr widerrufenen Widerruf ursprünglich widerrufene letztwillige Verfügung im Zweifel wieder wirksam wird. Zur Vermeidung von verbleibenden Ungewissheiten ist 1 Erman/Kappler, § 2255 BGB Rz. 1. 2 Erman/Kappler, § 2255 BGB Rz. 1. 3 OLG Hamm v. 11.9.2001 – 15 W 224/01, FamRZ 2002, 769 = NJW-RR 2002, 222 = ZEV 2002, 108. 4 OLG Düsseldorf v. 30.4.2014 – 3 Wx 141/13, FamRZ 2014, 1943 = FGPrax 2014, 163 = RNotZ 2014, 445 (449). 5 BayObLG v. 23.12.1985 – BReg. 1 Z 97/85, FamRZ 1986, 1043 (1045) = BeckRS 1985, 30879963; BayObLG v. 26.2.21985 – 1 Z 91/84, FamRZ 1985, 839 (840) = Rpfleger 1985, 194. 6 OLG München v. 16.4.2008 – 31 Wx 094/07, FamRZ 2008, 1378 = ZEV 2008, 286 = Rpfleger 2008, 364 f. 7 Staudinger/Baumann, § 2255 BGB Rz. 37.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
daher zu empfehlen, innerhalb der testamentarischen Erklärung über den Widerruf des Widerrufs ausdrücklich klarzustellen, ob die ursprüngliche Verfügung wieder gültig sein soll. Wurde ein Testament gem. §§ 2255, 2256 BGB durch Vernichtung, Änderung der Urkunde oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung widerrufen, ist ein testamentarischer Widerruf dieses Widerrufs zum Zwecke der Wiederherstellung der ursprünglichen letztwilligen Verfügung nicht ausreichend. Vielmehr muss die Verfügung von Todes wegen formgerecht neu erstellt werden. Hierzu ist es ausreichend, wenn auf einem ursprünglichen eigenhändigen Testament, das durch Durchstreichen widerrufen wurde, der eigenhändig ge- und unterschriebene Vermerk „dieses Testament soll doch gelten“ aufgebracht wird. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die ursprüngliche letztwillige Verfügung ein notariell beurkundetes, nicht handgeschriebenes Testament gewesen ist, da dann die nunmehr gewählte eigenhändige Errichtungsform nicht gewahrt wird.1
M7
Widerruf eines einzeltestamentarischen Widerrufs
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit widerrufe ich meinen am . . . (Datum) durch Testament erfolgten Widerruf meines Testaments vom . . . (Datum). Damit lebt mein Testament vom . . . (Datum) wieder auf. (Unterschriften)
f) Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung 109
Ein vor einem Notar oder als Nottestament vor einem Bürgermeister errichtetes öffentliches Testament gilt darüber hinaus auch dann als widerrufen, wenn es an den Erblasser aus der amtlichen Verwahrung auf Anforderung des Erblassers zurückgegeben wurde. Der Erblasser muss die Rückgabe dabei höchstpersönlich verlangen. Die höchstpersönlich an den Erblasser erfolgende Rückgabe ist formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für diesen Widerruf. Der Erblasser muss dabei zudem testierfähig sein, andernfalls darf keine Rückgabe erfolgen.2 Im Gegensatz dazu stellt gem. § 2256 Abs. 3 BGB die Rückgabe eines eigenhändigen Testaments aus der amtlichen Verwahrung keinen Testamentswiderruf dar.
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Erfolgt eine Aushändigung versehentlich, etwa bei einer Einsichtnahme ohne vom Erblasser gestelltes Rückgabeverlangen, tritt die Widerrufswirkung nach § 2256 BGB nicht ein.3 1 BayObLG v. 13.2.1973 – BReg 1 Z 108/72, MDR 1973, 35 = DNotZ 1973, 630 = MittBayNot 1973, 103 = BayObLGZ 1973, 35 (39). 2 OLG Köln v. 12.7.2013 – 2 Wx 177/13, MDR 2013, 1232 = FGPrax 2013, 304 = BWNotZ 2014, 58 f. 3 Staudinger/Baumann, § 2256 BGB Rz. 10.
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C. Der Erblasser: Testierfhigkeit
§ 2256 BGB gilt entsprechend für ein vor einem Konsul errichtetes Testa- 111 ment, auch wenn die Vorschrift in § 16a Abs. 1 KonsG nicht mehr angeführt ist. Ebenfalls entsprechende Anwendung findet § 2256 BGB gem. § 2300 Abs. 2 BGB auf Erbverträge, wenn sie ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthalten, was bereits dann nicht mehr der Fall ist, wenn darin zusätzlich bspw. eine postmortale Vollzugsvollmacht enthalten ist.1 Die Rückgabe muss dann jedoch an alle Vertragsschließenden gemeinschaftlich erfolgen. Ein testamentarischer Widerruf eines Bezugsrechts aus einer Lebensver- 112 sicherung wird erst durch Anzeige an den Versicherer wirksam.2
C. Der Erblasser: Testierfähigkeit Nach § 28 BeurkG soll der Notar seine Feststellungen über die erforderli- 113 che Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken. Das Gesetz knüpft die persönliche Fähigkeit, Verfügungen von Todes wegen zu errichten, an unterschiedliche Voraussetzungen, je nach dem, ob es sich um ein Testament oder einen Erbvertrag handelt. Einen Erbvertrag kann nach § 2275 Abs. 1 BGB als Erblasser nur schlie- 114 ßen, wer unbeschränkt geschäftsfähig ist, während der Vertragsgegner nach den allgemeinen Vorschriften für Verträge vertreten sein darf. Ehegatten und Verlobte können nach § 2275 Abs. 2, 3 BGB als Erblasser einen Erbvertrag mit dem anderen Ehegatten oder Verlobten auch bei beschränkter Geschäftsfähigkeit schließen, wenn der gesetzliche Vertreter und beim Vormund auch das Familiengericht zustimmen. Die erforderliche Geschäftsfähigkeit für Testamente, die Testierfähigkeit, 115 definiert § 2229 BGB. Danach beginnt die Testierfähigkeit zwar mit der Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs. Gem. §§ 2247 Abs. 4, 2233 Abs. 1 BGB sind Minderjährige und unabhängig vom jeweiligen Alter Leseunfähige jedoch auf bestimmte Errichtungsformen beschränkt. Ein Minderjähriger, der mindestens das 16. Lebensjahr vollendet haben 116 muss, kann daher gem. §§ 2229, 2232, 2233 Abs. 1 ‚2247 Abs. 4 BGB ausschließlich durch Erklärung gegenüber dem Notar oder Übergabe einer offenen – nicht jedoch einer verschlossenen3 – Schrift wirksam ein öffentliches – jedoch kein eigenhändiges4– Testament errichten. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ist nicht erforderlich.
1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 40 (41). 2 BGH v. 1.7.2008 – IVa ZR 201/80, BGHZ 81, 95 (97 ff.) = NJW 1981, 2245 = MDR 1981, 918 = FamRZ 1981, 95. 3 Erman/Kappler, § 2233 BGB Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 2233 BGB Rz. 1. 4 Erman/Kappler, § 2247 BGB Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 2247 BGB Rz. 2.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
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Ein Leseunfähiger kann gem. §§ 2229, 2232, 2233 Abs. 2, 2247 Abs. 4 BGB ebenfalls kein eigenhändiges,1 sondern nur ein öffentliches Testament, dieses ebenfalls nicht durch Übergabe einer verschlossenen Schrift und im Gegensatz zum Minderjährigen auch nicht durch Übergabe einer offenen Schrift, sondern ausschließlich durch Erklärung gegenüber dem Notar errichten.2
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Wer das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist schlechthin testierunfähig, kann also auch nicht mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters wirksam testieren.
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Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten, § 2229 Abs. 4 BGB. Die Bestimmung des § 2229 Abs. 4 BGB fasst lediglich sachlich die Gesichtspunkte zusammen, die gem. §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2 BGB zur Nichtigkeit einer Willenserklärung führen.3 Wer also voll geschäftsfähig ist, ist immer auch testierfähig.
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In lichten Augenblicken errichtete letztwillige Verfügungen eines in der übrigen Zeit Testierunfähigen sind wirksam.4 Dagegen gibt es keine relative, also von der Schwierigkeit der Verfügung abhängige Testierfähigkeit5 und keine partielle Testierfähigkeit.6 Wird die Testierfähigkeit bestritten, was in der Praxis immer häufiger vorkommt,7 so ist im Rahmen des § 26 FamFG der Erblasser so lange als testierfähig anzusehen, bis die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht.8 Können trotz Amtsermittlung erbfolgerelevante Tatsachen nicht aufgeklärt werden, trägt die diesbezügliche Feststellungslast jeweils derjenige, dem die jeweilige nicht ermittelbare Tatsache zugutekäme,9 bspw. der durch ein Testament verdrängte gesetzliche Erbe für eine Testierunfähigkeit des Erblas-
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Erman/Kappler, § 2247 BGB Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 2247 BGB Rz. 2. Erman/Kappler, § 2233 BGB Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 2233 BGB Rz. 2. BayObLG v. 6.3.1996 – 1Z BR 199/95, FamRZ 1996, 971 = NJW-RR 1996, 1289. BayObLG v. 28.12.1993 – 1Z BR 85/93, FamRZ 1994, 1137 = ZEV 1994, 303 mit Anm. Jerschke. BGH v. 13.5.1959 – V ZR 151/58 BGHZ 30, 117 = MDR 1959, 742 = NJW 1959, 1587. BayObLG v. 31.1.1991 – BReg.1 Z 37/90, MDR 1991, 539 = FamRZ 1991, 990 = NJW 1992, 248. Z.B. Testierunfähigkeit wegen vaskulärer Demenz: BayObLG v. 9.3.2005 – 1Z BR 112/04, FamRZ 2005, 2019 = ZEV 2005, 348; wegen Wahnvorstellungen: BayObLG v. 17.8.2004 – 1Z BR 53/04, FamRZ 2005, 658 = MittBayNot 2005, 235 = NotBZ 2004, 433 = BeckRS 2004, 09699; zu den Praxisproblemen bei dementen Erblassern siehe Zimmer, NJW 2007, 1713. BayObLG v. 31.1.1991 – BReg.1 Z 37/90, MDR 1991, 539 = FamRZ 1991, 990 = BayObLGZ 1991, 59 (64) = DNotZ 1991, 904 = MittBayNot 1991, 87; BayObLG v. 23.9.1994 – 1Z BR 12/94, MittBayNot 1995, 56 = BayObLGR 1995, 2. Bassenge/Roth, § 352 FamFG Rz. 11 ff.; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 35.
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C. Der Erblasser: Testierfhigkeit
sers1 der Testamentserbe für die ernsthafte Möglichkeit eines lichten Intervalls des Erblassers während der Testamentserrichtung trotz erwiesener Testierunfähigkeit des Erblassers vor und nach Testamentserrichtung,2 Seit der Abschaffung der rechtlichen Entmündigung durch das Betreuungs- 121 gesetz gibt es die Testierunfähigkeit wegen Entmündigung nicht mehr. Die Anordnung einer Betreuung, auch mit Einwilligungsvorbehalt, § 1903 Abs. 2 BGB, ist als solche ohne Auswirkungen auf die Testierfähigkeit. Wo es dem Notar möglich ist, sollte er, sobald Anhaltspunkte für Zweifel 122 an der Testierfähigkeit bestehen, einen Facharzt, also einen Psychiater oder Neurologen, hinzuziehen.3 Auch das Zeugnis des Hausarztes ist besser als lediglich der eigene Eindruck des Notars. Bei der alters- und krankheitsbedingten Demenz – Alzheimer Typ, vaskuläre Demenz – handelt es sich um jahrelange Prozesse,4 die der zu einer singulären Beurkundung herangezogene Notar nur schwer beurteilen kann. Wer den Erblasser nicht länger kennt, kann die typischen Persönlichkeitsveränderungen5 nicht erkennen. Letztlich bleibt dem Notar nur seine auf Berufserfahrung beruhende allgemeine Menschenkenntnis. Zweifel an der Geschäfts- oder Testierfähigkeit hat der Notar gem. §§ 28, 123 11 Abs. 2 BeurkG in der Urkunde festzuhalten, sollte aber dann doch beurkunden. Denn lehnt er die Beurkundung ab, so hat ein vielleicht doch vorhandener beachtlicher Erblasserwille keine Aussicht auf Anerkennung. Dies können die potentiell Bedachten gegen den Notar im Haftungsprozess geltend machen. Ausführliche Vermerke nach §§ 11 Abs. 2, 28 BeurkG können den Erblasser gesundheitlich und in seiner Akzeptanz des Notars beeinträchtigen. Es wird deshalb für zulässig gehalten, neben dem kurzen Vermerk in der Urkunde eine gesonderte Tatsachenbescheinigung zu verfassen und diese zusammen mit der Verfügung von Todes wegen in die Verwahrung zu geben.6 Der Vorschlag, den beurkundeten Notar die Testierfähigkeit mittels sog. 124 Screening-Verfahren feststellen zu lassen,7 ist zu Recht auf Ablehnung gestoßen. Aus juristischer Sicht wird richtig eingewendet,8 dieser Vorschlag verlange dem Notar etwas ab, was er als medizinischer Laie regelmäßig nicht leisten könne und gehe zum anderen weit über das hinaus, was nach herrschender Ansicht von einem Notar im Rahmen der Beurkundung ei1 OLG Frankfurt v. 22.12.1997 – 20 W 264/95, FamRZ 1998, 1061 = NJW-RR 1998, 870. 2 BayObLG v. 24.3.2005 – 1 Z BR 107/04, MittBayNot 2006, 159 (160 ff.); OLG Frankfurt v. 22.12.1997 – 20 W 264/95, FamRZ 1998, 1061 = NJW-RR 1998, 870. 3 BayObLG v. 28.12.1993 – 1Z BR 85/93, FamRZ 1994, 1137 = ZEV 1994, 303 mit Anm. Jerschke. 4 Vgl. Wetterling/Neubauer/Neubauer, ZEV 1995, 46 ff. 5 Wetterling/Neubauer/Neubauer, ZEV 1995, 46 (48). 6 Winkler, § 11 BeurkG Rz. 15 ff. 7 Lichtenwimmer, Die Feststellung der Geschäfts- und Testierfähigkeit beim alten Menschen durch den Notar – ein interdisziplinärer Vorschlag, DNotZ 2005, 806. 8 G.Müller, DNotZ 2006, 325.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ner Verfügung von Todes wegen bisher verlangt worden ist. Aus medizinischer Sicht1 wird gegen die Anwendung solcher Kurztests durch den Notar geltend gemacht, dass diese von medizinischen Laien nicht zuverlässlich gehandhabt werden können und sie darüber hinaus auch bei fachmännischer Handhabung grundsätzlich nicht geeignet sind, die Diagnose oder gar den Ausschluss einer demenziellen Erkrankung zu ermöglichen.
D. Auslandsberührung und Rechtswahl I. Ausgangsproblematik 125
Im Rahmen zunehmender internationaler Verflechtung in weiten Teilen des privaten und beruflichen Lebens sind auch bei jeder erbrechtlichen Gestaltung eventuelle Auslandsberührungen zu analysieren und darauf zu überprüfen, ob eine Modifizierung des Erbstatuts erforderlich und bejahendenfalls durch Rechtswahl möglich ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn zum Nachlass voraussichtlich Vermögen im Ausland gehören wird, ein Erblasser neben der deutschen auch eine andere bzw. ausschließlich eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, den gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat oder der Erblasser und sein Ehegatte bzw. Lebenspartner verschiedenen Staaten angehören bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt in unterschiedlichen Ländern haben.2 Im Rahmen dieses Buches können nur diesbezügliche Grundsätze und einzelne besonders praxiswichtige Probleme und Gestaltungsmöglichkeiten angesprochen werden. Im Einzelfall ist das spezielle Schrifttum heranzuziehen.3
II. Das gesetzlich vorgesehene Erbstatut 1. Deutsches Kollisionsrecht 126
Nach deutschem Internationalen Privatrecht (Kollisionsrecht) wird die Rechtsnachfolge von Todes wegen gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB – vorbehaltlich etwaiger Nachlassspaltung (s. dazu nachfolgend Rz. 136 ff.) und eventueller Vorfragen insbesondere zum Güterrechtsstatut – lediglich für bis einschließlich 16.8.2015 eintretende Erbfälle von dem Recht desjenigen Staates bestimmt, dem der Erblasser im Zeitpunkt des Todes angehört. Dies folgt zum einen unmittelbar aus Artt. 20 ff. EuErbVO iVm. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO und darüber hinaus aus der durch die Bundesregierung geplanten Angleichung des nationalen Rechts an die Regelun1 Cording/Foerster, Psychopathologische Kurztests durch den Notar – ein im Grundsatz verfehlter Vorschlag, DNotZ 2006, 329. 2 Vgl. von Oertzen, ZEV 1995, 176 ff. 3 Flick/Piltz, Der internationale Erbfall; Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht; Süß, Erbrecht in Europa; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 3 u. Kap. 4; Reimann/Bengel/J. Mayer/Riering/Sieghörtner, S. 229 ff.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
gen der EuErbVO, die nach dem diesbezüglichen derzeitigen Gesetzentwurf für Erbfälle ab dem 17.8.2015 eine Anpassung des Art. 25 EGBGB dahingehend vorsieht, dass für die Rechtsnachfolge von Todes wegen fortan die Regelungen des Kapitels III der EuErbVO (Artt. 20 ff. EuErbVO) entsprechend anwendbar sein sollen, soweit die EuErbVO nicht unmittelbar gilt (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 93).1 Für bis einschließlich 16.8.2015 eintretende Erbfälle wird ein deutscher 127 Erblasser somit aus Sicht eines deutschen Gerichts grundsätzlich nach deutschem Sachrecht beerbt, auch wenn er seinen Wohnsitz im Ausland hatte, ein Ausländer, soweit das Kollisionsrecht seines Heimatstaates nicht nach Art. 4 EGBGB auf deutsches Recht zurückverweist, hingegen nach dem Recht des Staates, dem er zurzeit seines Todes angehörte, auch wenn er seinen Wohnsitz im Zeitpunkt des Todes in Deutschland hatte. Gehört der Erblasser mehreren Staaten an, ist das Recht desjenigen Staates anzuwenden, mit dem der Erblasser am engsten verbunden war, insbesondere durch den gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf seines Lebens. Ist er auch Deutscher, so geht diese Rechtsstellung nach Art. 5 Abs. 1 EGBGB vor. 2. Europäische Erbrechtsverordnung Durch EU-Verordnung vom 4.7.2012 haben das Europäische Parlament und 128 der Rat der Europäischen Union auf Vorschlag der Europäischen Kommission die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) erlassen, die Regelungen der internationalen Zuständigkeit für nachlassgerichtliche Verrichtungen, des maßgeblichen Erbstatuts, der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen und eines Europäischen Nachlasszeugnisses enthält, während das materielle Recht unberührt bleibt.2 Eine weitere EU-Initiative zu einem Europäischen Testamentsregister ist angekündigt.3 Die Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung dienen der Ermöglichung einer zuverlässigen Nachlassvorabregelung durch in der Europäischen Union ansässige Personen und der Wahrung der Rechte von Erben, Vermächtnisnehmern, anderen mit dem Erblasser verbundenen Personen und Nachlassgläubigern. Von besonderer Bedeutung für nachlassgerichtliche Verfahren sind dabei 129 neben den Bestimmungen der Artt. 4 bis 19 EuErbVO über die Begründung der internationalen Zuständigkeit und der Artt. 62 bis 73 EuErbVO über das Europäische Nachlasszeugnis insbesondere die Vorschriften der Artt. 20 bis 38 EuErbVO über das Erbstatut. Die Regelungen dieser Verordnung sind nach ihrem Inkrafttreten als unmittelbar geltendes Recht iSd. 1 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 31 IntErbRVG-E, BR-Drucks. 644/14, S. 52; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (49). 2 ABl. EU vom 27.7.2012, L 201/107 ff.; vgl dazu den zugrunde liegenden Kommisionsvorschlag vom 14.10.2009 KOM (2009) 154, dazu DNotI, DNotI-Report 2009, 186 f., BNotK, BNotK 06/2009 (Beilage zu DNotI-Report 2009 Heft 24), 2. 3 KOM (2009) 154, Begründung, S. 2.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Art. 3 Nr. 1 EGBGB gegenüber nationalen Regelungen einschließlich dem Kollisionsrecht nach dem EGBGB vorrangig.1 Die Vorschriften sind nach den Erwägungsgründen 82 bzw. 83 derzeit für das Vereinigte Königreich und Irland sowie endgültig für Dänemark weder bindend noch anwendbar.2 130
Die Anwendbarkeit der EuErbVO setzt weder die Maßgeblichkeit des Rechts eines (teilnehmenden oder nicht teilnehmenden) Mitgliedsstaats3 noch voraus, dass der Erblasser Staatsangehöriger eines (teilnehmenden oder nicht teilnehmenden) Mitgliedsstaats ist,4 sondern knüpft allein an die Betroffenheit eines Mitgliedsstaates von einer Rechtsnachfolge von Todes wegen, insbesondere durch den dortigen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an. So ist ein deutsches Nachlassgericht bspw. für eine chinesische Staatsangehörige, die bei ihrem Tod den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, nach Art. 4 EuErbVO bzw. für einen deutschen Staatsangehörigen, der auch in Deutschland Nachlassvermögen hinterlässt, aber bei seinem Tod den gewöhnlichen Aufenthalt in den USA hatte, nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a EuErbVO insgesamt international zuständig.5
131
Abweichend von Art. 25 EGBGB knüpft Art. 21 Abs. 1 EuErbVO hinsichtlich des Erbstatuts nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt (wobei dieser gem. Art. 20 EuErbVO im Gegensatz zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO nicht in einem Mitgliedstaat liegen muss) des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an, soweit nicht nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausnahmsweise wegen offensichtlich engerer Verbindung zu einem anderen Staat dessen Recht anzuwenden ist. Nach Art. 22 EuErbVO kann der Erblasser jedoch das Recht seiner bei Rechtswahl oder Tod bestehenden Staatsangehörigkeit bzw. einer von mehreren eigenen Staatsangehörigkeiten durch Verfügung von Todes wegen wählen (Zu Rechtswahlmöglichkeiten s. nachfolgend Rz. 171 ff.).
132
Nach Art. 83 Abs. 1 EuErbVO findet die Europäische Erbrechtsverordnung in ihrem Anwendungsbereich auf die Rechtsnachfolge derjenigen Personen Anwendung, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind.
133
Zu auch dann noch möglichen Konstellationen einer Nachlassspaltung s. Rz. 142. Zur Nachlassspaltung in bis einschließlich 16.8.2015 eintretenden Erbfällen s. Rz. 137 ff. Zur diesbezüglichen materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen s. Rz. 167 f. 1 2 3 4
Bachmayer, BWNotZ 2010, 146 (157). KOM (2009) 154, S. 14 f. So ausdrücklich Art. 20 EuErbVO; Remde, RNotZ 2012, 65 (75). So ausdrücklich Art. 10 Abs. 1 EuErbVO; Wagner, DNotZ 2010, 506 f., der zu Recht ganz allgemein von „Regelungen für internationale Erbfälle“ bzw. „Sonderregelungen für Erbfälle mit Auslandsbezug“ spricht; Schaal, BWNotZ 2013, 29; Remde, RNotZ 2012, 65 (75). 5 Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 154.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
3. Handeln unter falschem Recht Handelt ein Erblasser dergestalt unter falschem Recht, dass er bei Erstellung 134 einer Verfügung von Todes wegen in Folge Irrtums über das maßgebliche Erbstatut materiell-rechtliche Institute einer außerhalb dieses Erbstatuts liegenden Rechtsordnung verwendet, muss ein deutsches Nachlassgericht nach den Regelungen des tatsächlichen Erbstatuts ggf. unter Beweisaufnahme den wahren Erblasserwillen ermitteln und soweit in das geltende Erbstatut übersetzbar möglichst aufrechterhalten.1 Dies gilt bspw. für einen deutschen Erblasser mit dem bei einem vor dem 17.8.2015 eintretenden Erbfall ausschließlich in der Schweiz befindlichen Wohnsitz, der eines seiner beiden Kinder auf den Pflichtteil setzt und dafür sein von diesem Kind abstammendes Enkelkind auf „die dadurch frei werdende Quote“ unter Anordnung von „Willensvollstreckung“ einsetzt.2 Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB findet insoweit bei vor dem 17.8.2015 eintre- 135 tenden Erbfällen aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Erblassers unabhängig davon, dass ein schweizerisches Nachlassgericht gem. Art. 90 IPRG (Schweiz) wegen des schweizerischen Wohnsitzes des Erblassers nach schweizerischem Recht entscheiden müsste (s. zu diesem hinkenden Rechtsverhältnis Rz. 149 ff.), deutsches Erbrecht Anwendung, während der Erblasser aufgrund seines Wohnsitzes offensichtlich von der Anwendung schweizerischen Erbrechts ausging.3 4. Nachlassspaltung a) Allgemeines Sowohl unter Anwendung des EGBGB als auch bei Maßgeblichkeit der 136 EuErbVO können Nachlassspaltungen auftreten, durch die der Grundsatz der Nachlasseinheit durchbrochen wird. Hierbei ist aufgrund der für Erbfälle ab dem 17.8.2015 maßgebenden EuErbVO nach dem Todeszeitpunkt des Erblassers zu unterscheiden. b) Erbfälle bis einschließlich 16.8.2015 aa) Ausländische Erblasser Dies geschieht für bis einschließlich 16.8.2015 eintretende Erbfälle bei 137 ausländischen Staatsangehörigen häufig durch Rechtswahl nach Art. 25 1 BGH v. 22.3.2006 – IV ZR 93/05, MDR 2006, 1248 = FamRZ 2006, 862; ZEV 2006, 263; OLG Köln v. 15.1.2014 – 2 Wx 291/13, NotBZ 2014, 299 = ZEV 2014, 497; BayObLG v. 18.3.2003 – 1Z BR 71/02, FamRZ 2003, 1595 = ZEV 2003, 503; DNotI, DNotI-Report 2014, 92 f. 2 OLG Köln v. 15.1.2014 – 2 Wx 291/13, NotBZ 2014, 299 = ZEV 2014, 497; BayObLG v. 18.3.2003 – 1Z BR 71/02, FamRZ 2003, 1595 = ZEV 2003, 503; DNotI, DNotI-Report 2014, 92 f. 3 OLG Köln v. 15.1.2014 – 2 Wx 291/13, NotBZ 2014, 299 = ZEV 2014, 497; BayObLG v. 18.3.2003 – 1Z BR 71/02, FamRZ 2003, 1595 = ZEV 2003, 503; DNotI, DNotI-Report 2014, 92 f.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Abs. 2 EGBGB, teilweise Rück- oder Weiterverweisung auf Grund einer Nachlassspaltung in einem ausländischen Kollisionsrecht nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB und Vorrang des Einzelstatuts nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB. 138
Die Rechtswahl eines ausländischen Staatsangehörigen ist – soweit nicht nach ausländischem Recht weitere Tatbestände eröffnet sind – nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB auf das im Inland belegene unbewegliche Vermögen beschränkt, während für das sonstige Vermögen aus Sicht des deutschen internationalen Privatrechts nach wie vor das Heimatrecht des Erblassers gilt.
139
Eine teilweise Rück- oder Weiterverweisung ergibt sich insbesondere dann, wenn das über das Heimatrecht berufene ausländische Erbstatut hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens auf den Belegenheitsort bzw. hinsichtlich des beweglichen Vermögens auf den letzten Wohnsitz des Erblassers verweist und sich beide Orte nicht im Hoheitsgebiet des Erbstatutes befinden. Verstirbt beispielsweise ein französischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Deutschland und Grundbesitz in Frankreich, so wird durch das gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB im Wege der Gesamtverweisung berufene französische Erbstatut hinsichtlich des beweglichen Vermögens auf den letzten Wohnsitz in Deutschland zurückverwiesen.
140
Schließlich bewirkt Art. 3a Abs. 2 EGBGB gegenüber nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB berufenem ausländischen Gesamtstatut den Vorrang deutschen Rechts für bestimmte Sondervermögensmassen, die in Deutschland belegen sind, insbesondere für Höfe im Sinne der Höfeordnung und Anteile an Personengesellschaften. bb) Deutsche Erblasser
141
Bei deutschen Staatsangehörigen tritt Nachlassspaltung für bis einschließlich 16.8.2015 erfolgte Erbfälle insbesondere über Art. 3a Abs. 2 EGBGB ein, wenn Grundbesitz im Ausland belegen ist und das dortige Belegenheitsrecht hierfür sein eigenes Recht als Recht des Belegenheitsortes für anwendbar erachtet, beispielsweise bei Tod eines deutschen Staatsangehörigen mit letztem Wohnsitz in Deutschland unter Hinterlassung von Grundbesitz in Frankreich. c) Erbfälle ab einschließlich 17.8.2015
142
Eine Nachlassspaltung (insbesondere nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB) ist für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle im Anwendungsbereich der EuErbVO wegen des Prinzips der Einheit des Erbstatuts grundsätzlich ausgeschlossen, kann jedoch ausnahmsweise aufgrund gem. Art. 75 Abs. 1 und 2 EuErbVO weiterhin anwendbarer internationaler Übereinkommen zwischen Mitglied- und Drittstaaten (so insbesondere die Maßgeblichkeit der Staatsangehörigkeit des Erblassers bzw. Belegenheit von Nachlass im deutsch-türkischen Nachlassabkommen, deutsch-persischen Niederlas-
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
sungsabkommen und deutsch-sowjetischen Konsularvertrag),1 Rück- oder Weiterverweisung nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO2 bzw. besonderer nationaler, unabhängig vom Erbstatut anwendbarer Regelungen iSd. Art. 30 EuErbVO eintreten.3 Zugleich lässt Art. 34 EuErbVO Rück- bzw. Weiterverweisungen durch Internationales Privatrecht von Drittstaaten, zu denen auch Dänemark, Großbritannien und Irland zählen,4 lediglich in eingeschränktem Umfang, insbesondere auf das Recht eines Mitgliedstaates zu. Nach Art. 20 EuErbVO bleibt es bei der Anwendung des maßgebenden Rechts auch dann, wenn es sich dabei ggf. um das Recht eines Nichtmitgliedstaates handelt. d) Rechtsfolge Die Nachlassspaltung bewirkt, dass jeder Nachlassteil als rechtlich selb- 143 ständig angesehen wird, also so behandelt wird, als ob er den gesamten Nachlass bilde. Der Erblasser kann für jeden Nachlassteil eine gesonderte Verfügung von Todes wegen treffen, also insbesondere jeweils verschiedene Personen zur Erben einsetzen. Er hat sich dabei an den formellen und materiellen Vorgaben des jeweiligen Rechts auszurichten. Die Verfügungen können in einer Urkunde zusammengefasst werden. Gültigkeit und Inhalt jeder Verfügung bestimmt sich unabhängig von der anderen Verfügung nach dem jeweils maßgeblichen Recht. Jeder Nachlassteil kann jeweils für sich angenommen oder ausgeschlagen werden, dies nach dem jeweils geltenden Rechtsvorschriften. Etwaige Pflichtteilsansprüche sind für jeden Nachlassteil besonders zu beurteilen. Das jeweilige Recht entscheidet, ob ein Pflichtteilsanspruch gegeben ist und wie er ausgestaltet ist. Probleme für die Testamentsgestaltung können sich aus der Abstimmung der Verfügungen über die Nachlassteile ergeben, insbesondere hinsichtlich der Zuordnung der Nachlassverbindlichkeiten5 und der Berücksichtigung abweichender Pflichtteilsrechte der beteiligten Rechtsordnungen. e) Vermeidung Soweit die Nachlassspaltung für Erbfälle bis zum 16.8.2015 nach Art. 3a 144 Abs. 2 EGBGB bzw. für Erbfälle ab dem 17.8.2015 aufgrund gem. Art. 75 Abs. 1 u. 2 EuErbVO weiterhin anwendbarer internationaler Übereinkommen zwischen Mitglied- und Drittstaaten auf dem Grundsatz der lex rei sitae bei Grundbesitz im Ausland beruht, besteht eine Möglichkeit ihrer Vermeidung darin, das betroffene Grundstück in eine Gesellschaft einzubringen mit der Folge, dass dann nicht das Grundstück, sondern der Gesellschaftsanteil in den Nachlass fällt und dieser als bewegliche Sache zu 1 Dörner, ZEV 2012, 505 (510 Fn. 29). 2 Schaal, BWNotZ 2013, 29 (30): bspw. deutscher Erblasser mit beim Erbfall gewöhnlichem Aufenthalt und Vermögen überwiegend in Texas, aber Grundbesitz in Deutschland und Frankreich. 3 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). 4 Dörner, ZEV 2012, 505 (511) Fn. 41. 5 Dazu Gruber, ZEV 2001, 463.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
qualifizieren ist.1 So ermöglicht bspw. für Erbfälle bis zum 16.8.2015 die Einbringung eines in Frankreich belegenen Grundstücks in eine Ehegattengesellschaft unter der Rechtsform der société civile immobilière gem. Art. 1845 ff. Code civil die Fortgeltung deutschen Rechts, während jedoch für ab dem 17.8.2015 eintretende Erbfälle grundsätzlich alleine der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bei dessen Tod ohne Nachlassspaltung maßgebend ist. f) Unterschiedliche Pflichtteilsrechte 145
Die Sicherung einer Mindestbeteiligung des Ehegatten und von Abkömmlingen des Erblassers an dessen Nachlass erfolgt in den einzelnen Rechtsordnungen auf verschiedenen Wegen.2 Teilweise, so etwa in Griechenland, werden den nächsten Verwandten materielle Noterbrechte gewährt, die ihnen eine bestimmte Erbquote dinglich sichern und die Testierfreiheit des Erblassers auf die verbleibende Erbquote unmittelbar reduzieren. Teilweise treten derartige materielle Noterbrechte nicht automatisch ein, sondern müssen, wie dies in der Schweiz und Italien der Fall ist, durch Herabsetzungsklage geltend gemacht werden. Andere Staaten gewähren, wie in Deutschland, Österreich, Polen und seit 1.1.2007 Frankreich vorgesehen, schuldrechtliche Pflichtteilsrechte. Keinerlei Pflichtteils- oder Noterbrechte kennen die meisten Staaten des Common Law. g) Pflichtteilsrechte als Störfaktoren bei der Nachlassplanung
146
Bei Nachlassspaltung bestehen hinsichtlich des Erblasservermögens zwei Nachlassteile, die rechtlich selbständig sind und jeweils nur nach dem für sie geltenden Erbrecht beurteilt werden. Probleme entstehen hier insbesondere dann, wenn der Erblasser zwei pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge hat und dem einen das Vermögen in Deutschland, dem anderen das Vermögen im Ausland vererbt. Denn dann ist jeder Abkömmling jeweils im anderen Rechtsbereich enterbt und kann dort Pflichtteilsrechte oder Noterbrechte geltend machen, ohne dass es eine Rolle spielt, dass er im anderen Rechtsbereich geerbt hat. Nach deutschem Recht kann dies durch Pflichtteilsverzicht ausgeschlossen werden. Dagegen ist in den meisten ausländischen Rechten der Pflichtteilsverzicht nicht zulässig. h) Internationale Pflichtteilsstrafklausel
147
In der Literatur3 werden diverse Fälle einer internationalen Pflichtteilsstrafklausel diskutiert. Folgender Fall ist von besonderer Relevanz: Ein deutscher Erblasser verfügt in seinem Testament, dass seine Tochter eine Immobilie in Deutschland und sein Sohn eine gleich wertvolle Immobilie 1 Vgl. Süß, ZNotP 2001, 181. 2 Vgl. die Aufstellung bei Milzer, BWNotZ 2002, 166 (169). 3 Z.B. bei Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, Rz. 118 und Steiner, ZEV 2001, 479; weitere Beispiele mit Pflichtteilsstrafklauseln bei Milzer, BWNotZ 2002, 166 (176).
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
in Russland erhält. Zur Absicherung dieser Testamentsgestaltung erklären beide Kinder vor einem deutschen Notar einen umfassenden Pflichtteilsverzicht. Der Pflichtteilsverzicht ist in Russland zu Lebzeiten des Erblassers nicht möglich und daher unwirksam.1 Die Tochter, die in Russland enterbt ist, kann daher ohne Erfordernis einer Herabsetzungsklage nach russischem Recht ihr Noterbrecht an der dortigen Immobilie geltend machen. Hier kann der Testamentsgestalter in das Testament eine Strafklausel des Inhalts aufnehmen, dass die Tochter ihre Rechte am deutschen Nachlassteil verliert, wenn sie nach Anfall der Erbschaft nicht innerhalb einer bestimmten Frist auf ihr Noterbrecht an dem russischen Nachlassteil verzichtet. Zum russischen Erb- und Pflichtteilsrecht samt diesbezüglichem deutsch-sowjetischen Konsularvertrag s. nachfolgend Rz. 299. Ein weiterer Anwendungsfall für diese „internationale Pflichtteilsstraf- 148 klausel“2 ist die Einsetzung des Ehegatten zum Alleinerben der Immobilie in Russland durch ein von einem russischen Notar beurkundetes gesondertes Testament und die Anordnung in dem deutschen Testament des Erblassers, dass die in diesem den Kindern gemachten letztwilligen Zuwendungen entfallen, wenn die Kinder nicht binnen Jahresfrist nach dem Erbfall auf ihr russisches Noterbrecht verzichten. 5. Hinkendes Rechtsverhältnis Von einer Nachlassspaltung ist das Phänomen eines sog. hinkenden 149 Rechtsverhältnisses streng zu unterscheiden. Letzteres entsteht dann, wenn beide betroffenen Staaten für sich jeweils hinsichtlich des gesamten Nachlasses und nicht lediglich bezüglich einzelner Nachlassbestandteile iSd. Art. 3a Abs. 2 EGBGB auf Grund ihres Kollisionsrechts zur Anwendung des eigenen Rechts gelangen.3 Dies ist für bis einschließlich 16.8.2015 eintretende Erbfälle insbesondere 150 bei deutschen Staatsangehörigen mit letztem Wohnsitz in der Schweiz relevant. Nach deutschem internationalen Privatrecht ist über Art. 25 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht anwendbar, da das schweizerische Recht kein Einzelstatut iSd. Art. 3a Abs. 2 EGBGB vorsieht. Nach schweizerischem internationalen Privatrecht (Art. 90 Abs. 1 IPRG) untersteht der Nachlass eines Erblassers mit letztem Wohnsitz in der Schweiz dem schweizerischen Recht. Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Ein schweizerisches Nachlassgericht wird daher ohne Einschränkung auf bestimmte Vermögensgegenstände insgesamt auf schweizerisches Recht, ein deutsches Nachlassgericht ebenfalls ohne Einschränkung auf bestimmte Vermögensgegenstände insgesamt auf deutsches Erbrecht abstellen.4
1 2 3 4
Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 959. Flick/v. Oertzen, FAZ Nr. 74 vom 28.3.2006. Schotten/Schmellenkamp, Rz. 52. Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (42 ff.).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
151
Dieser für bis einschließlich 16.8.2015 eintretende Erbfälle entstehende Nachlasskonflikt ist ausschließlich dadurch vermeidbar, dass der deutsche Staatsangehörige in der Schweiz nach schweizerischem Recht (Art. 90 Abs. 2 IPRG) eine Rechtswahl für deutsches Erbrecht trifft. Dies kann auch aus materiell-rechtlichen Erwägungen bedeutsam sein,1 denn das schweizerische Recht sieht abweichend vom deutschen Recht kein lediglich schuldrechtliches Pflichtteilsrecht, sondern ein dingliches Pflichtteilserbrecht vor. Eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB hilft dabei nicht weiter, da diese ausschließlich in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen betrifft, für das die insoweit zuständigen deutschen Gerichte aus o.g. Gründen ohnehin deutsches Erbrecht anwenden. 6. Güterrechtliche Erbteilserhöhung a) Aufgrund Zugewinngemeinschaft nach § 1371 Abs. 1 BGB
152
Schwierig gestaltet sich eine Lösung in Erbfällen auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten, wenn unter Anwendung deutschen Güterrechtsstatuts das deutsche Recht der Zugewinngemeinschaft maßgebend ist, obwohl sich das Erbstatut nach ausländischem Recht richtet. Fraglich ist hierbei insbesondere, ob sich das gesetzliche Erbrecht des längstlebenden Ehegatten gem. § 1371 Abs. 1 BGB auch dann um ein Viertel erhöht, wenn die hinsichtlich des Erbstatuts berufene ausländische Rechtsordnung eine derartige Anordnung nicht kennt.
153
Dies ist bislang sehr umstritten gewesen. Eine erste Meinung vertritt diesbezüglich eine rein güterrechtliche Qualifikation und hält in derartigen Fällen § 1371 Abs. 1 BGB mit der Folge einer Erhöhung des durch ausländisches Erbstatut bemessenen Erbteils für anwendbar, da die Erbteilserhöhung ausschließliche Folge des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft, nicht aber der Ehe als solcher sei und das Güterrecht systematisch nicht zum Erbrecht gehöre.2 Deutlich vorsichtiger positioniert sich hingegen das OLG Karlsruhe, nach dem § 1371 Abs. 1 BGB „jedenfalls dann, wenn – wie hier – deutsches Recht als Erbstatut maßgebend ist“, güterrechtliche zu qualifizieren sei, wobei im dort entschiedenen Fall eine Rückverweisung des texanischen Heimatrechts des Erblassers auf die deutsche lex rei sitae zugrunde lag.3 Nach einer Minderansicht ist § 1371 Abs. 1 BGB ausschließlich erbrechtlich zu qualifizieren, da Folge der Regelung die Erhö-
1 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (39 ff.). 2 OLG Schleswig v. 19.8.2013 – 3 Wx 60/13, FamRZ 2014, 504 = DNotZ 2014, 292 (österreichisches Erbstatut); OLG München v. 16.4.2012 – 31 Wx 45/12, FamRZ 2013, 36 = ZEV 2012, 591 = MittBayNot 2013, 73 (iranisches Erbstatut); OLG Hamm v. 29.4.1992 – 15 W 114/91, FamRZ 1993, 111 = IPRax 1994, 49 (iranisches Erbstatut); LG Bonn v. 19.12.1984 – 5 T 195/84, MittRhNotK 1985, 106; LG Mosbach v. 18.3.1997 – 2 T 177/96, ZEV 1998, 489; Palandt/Thorn, Art. 15 EGBGB Rz. 26; Erman/Hohloch, Art. 15 EGBGB Rz. 37; Ludwig, DNotZ 2005, 586 (588); Heinig, DNotZ 2014, 251 (253 ff.); Mankowski, ZEV 2014, 121 ff. 3 OLG Karlsruhe v. 29.6.1989 – 11 W 86/89, NJW 1990, 1420 (1421).
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
hung des Erbteils sei, der nicht güterrechtlich anfalle, so dass im Falle eines entgegenstehenden ausländischen Erbstatuts keine Erbteilserhöhung stattfindet.1 Nach einer an Bedeutung zunehmend gewinnenden vermittelnden Ansicht ist eine Erbteilserhöhung in derartigen Fällen jedoch lediglich dann zulässig, wenn dies im Wege der Doppelqualifikation sowohl nach güterrechtlicher als auch erbrechtlicher Qualifikation vorgesehen ist, da § 1371 Abs. 1 BGB durch die angeordnete pauschale Erbteilserhöhung erbrechtliche sowie aufgrund der dadurch ausgelösten Zugewinnausgleichsabgeltung güterrechtlichen Charakter habe und nur über eine zumindest auch erbrechtliche Qualifikation die vorrangigen Vorgaben aus Art. 23 Abs. 2 Buchst. b EuErbVO,2 wonach das Erbstatut die gesetzliche Erbquote bestimmt, erfüllt werden können.3 Der BGH hat diese Frage nunmehr, nachdem er sie zuvor in einem anderen Verfahren mangels entsprechender Beschwer des Beschwerdeführers noch offen gelassen und sich dazu auch nicht obiter dictum geäußert hatte,4 dahingehend entschieden, dass § 1371 Abs. 1 BGB auf der Qualifikationsebene rein güterrechtlich ohne äquivalenzorientierte Betrachtung des Erbstatuts zu qualifizieren ist.5 Ungeachtet dieser rein güterrechtlichen Qualifikation ist bei einem durch 154 Sachvorschriften verschiedener Rechtsordnungen ausgelösten Widerspruch im Einzelfall ggf. eine Anpassung oder Angleichung vorzunehmen,6 um unbillige Ergebnisse mittels Erhöhung oder Reduzierung der Gesamterbquote zu korrigieren.7 So sieht bspw. bei schweizerischem Erbstatut und deutschem Güterrecht- 155 statut nach Art. 462 ZGB auch das schweizerische Erbrecht zugunsten des längstlebenden Ehegatten eine echte Erbquote und nicht lediglich ein nicht substituierbares anderes Rechtsinstitut, wie etwa ein bloßes Vermächtnis, vor. Darüber hinaus erfolgt nach dem gesetzlichen schweizerischen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gem. Art. 204 ZGB nicht nur bei Beendigung der Ehe zu Lebzeiten beider Ehegatten, sondern auch beim Tod des Erstversterbenden von ihnen in gleichem Maße ein gü-
1 Rittner, DNotZ 1958, 181, (189 ff.). 2 Süß, MittBayNot 2013, 74 (75). 3 OLG Köln v. 5.8.2011 – 2 Wx 115/11, FamRZ 2012, 819 = ZEV 2012, 205 (türkisches Erbstatut); OLG Frankfurt v. 20.10.2009 – 20 W 80/07, FamRZ 2010, 767 = ZEV 2010, 253 (schwedisches Erbstatut); OLG Stuttgart v. 8.3.2005 – 8 W 96/04, FamRZ 2005, 1710 = DNotZ 2005, 632 = BWNotZ 2006, 59 (österreichisches Erbstatut); OLG Düsseldorf v. 3.8.1987 – 3 Wx 207/87, MittRhNotK 1988, 69 = IPRspr 1987 Nr. 105 (niederländisches Erbstatut); DNotI, DNotI-Report 2013, 175 f.; DNotI, DNotI-Report 2012, 107 f.; MünchKomm.BGB/Siehr Art. 15 EGBGB Rz. 117; MünchKomm.BGB/Birk, Art. 25 EGBGB Rz. 158; Schotten/Johnen, DtZ 1991, 259; Schotten/Schmellenkamp, Rz. 288. 4 BGH v. 12.9.2012 – IV ZB 12/12, FamRZ 2012, 1871 = NJW-RR 2013, 201 = MittBayNot 2013, 258. 5 BGH v. 13.5.2015 – IV ZB 30/14, BGH BeckRS 2015, 09892. 6 BGH v. 13.5.2015 – IV ZB 30/14, BGH BeckRS 2015, 09892. 7 Erman/Hohloch, Art. 15 EGBGB Rz. 37; Palandt/Thorn, Art. 15 EGBGB Rz. 26.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
terrechtlicher Ausgleich durch Vorschlagsteilung. Daher kompensiert das schweizerische Erbrecht durch die Höhe der gesetzlichen Erbquote des längstlebenden Ehegatten keinen Ausfall eines güterrechtlichen Ausgleichs, sondern dürfte eigentlich nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöht werden.1 Im Wege der Anpassung wäre jedoch bspw. bei einer Kombination aus schweizerischem Erb- und deutschem Güterrechtsstatut auf den Tod des erstverstorbenen Ehegatten die Erbquote der überlebenden Ehefrau zugunsten der Kinder von 3/4 (1/2 schweizerische Erbquote nach Art. 462 Ziff. 1 ZGB zzgl. Erhöhung um 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB) auf die sowohl nach Art. 462 Ziff. 1 ZGB als auch nach § 1931 Abs. 1 S. 1 iVm. § 1371 Abs. 1 BGB maßgebende Erbquote von 1/2 zu reduzieren und damit dasselbe Ergebnis erreicht, das unter der Zugrundelegung der hier vertretenen Doppelqualifikation eintritt, nach der es mangels deutschen Erbstatuts ebenfalls bei der damit identischen schweizerischen Erbquote von 1/2 nach Art. 462 Ziff. 1 ZGB verbleibt. 156
Ungeachtet der Frage, ob § 1371 Abs. 1 BGB auch erbrechtlich zu qualifizieren ist, kommt einer Güterrechtswahl Erbfolgerelevanz iSd. § 34a BeurkG mit der Folge zu, dass die Verwahrangaben unverzüglich elektronisch an die das Zentrale Testamentsregister führende Registerbehörde zu übermitteln sind.2 b) Aufgrund Gütertrennung nach § 1371 Abs. 4 BGB
157
Nach § 1931 Abs. 4 BGB erhöht sich das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten neben Abkömmlingen des Erstversterbenden gegenüber der Erbquote von 1/4 aus § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn beim Erbfall Gütertrennung bestand und als gesetzliche Erben der ersten Ordnung ein Kind (dann Erhöhung von 1/4 auf 1/2) oder zwei Kinder (dann Erhöhung von 1/4 auf 1/3) bzw. nach § 1931 Abs. 4 letzter Halbs. iVm. § 1924 Abs. 3 BGB Kindeskinder eines weggefallenen Kindes3 des erstversterbenden Ehegatten vorhanden sind.
158
Bei Auslandsbezug ist § 1931 Abs. 4 BGB erbrechtlich zu qualifizieren und daher nur dann anwendbar, wenn auf den Erbfall deutsches Erbrecht anzuwenden ist.4 Darüber hinaus setzt § 1931 Abs. 4 BGB wegen der gleichzeitigen Einführung5 der nur eine auf Abkömmlinge beschränkte Ausgleichung bei besonderer Mitarbeit und Pflegeleistung regelnden Vorschrift des § 2057a BGB6 streng voraus, dass im Falle eines ausländischen Güterrechtsstatuts, das insoweit im Gegensatz zu einem ausländischen Erbstatut zulässig ist, inhaltlich eine ausländische Gütertrennung besteht, die bei abstrakter Betrachtungsweise der Gütertrennung nach § 1414 BGB 1 2 3 4
Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (47). DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 98 (99). Staudinger/Werner, § 1931 BGB Rz. 43. OLG Düsseldorf v. 3.9.2009 – 3 Wx 8/09, FamRZ 2010, 72 = ZEV 2009, 515 = RNotZ 2010, 58. 5 Jeweils durch BGBl. I 1969, 1243. 6 Odersky, notar 2009, 490.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
entspricht.1 Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn auf den Tod oder während der Ehe ein Ausgleich für Mitarbeit eines Ehegatten vorgesehen ist, wie bspw. in einer Errungenschaftsgemeinschaft nach rumänischem Recht, in der alles in der Ehezeit Erworbene als vermutetes gemeinsames Vermögen Gesamtgut wird und auf die § 1931 Abs. 4 BGB daher nicht anwendbar ist.2 c) Schlussfolgerung Zur Vermeidung ungewisser Ergebnisse sollte daher eine förmliche 159 Rechtswahl zugunsten deutschen Erbrechts erwogen werden (s. dazu nachfolgend Rz. 171 ff.) Verhaltensmaxime für den deutschen Testamentsgestalter in der Person 160 des Notars oder Anwalts hat zu sein, die Abfassung letztwilliger Verfügungen von Erblassern über deren dem ausländischen Recht unterliegendes Vermögen den entsprechenden Amtsträgern im betroffenen Ausland zu überlassen und den Erblasser darauf zu verweisen, im dortigen Land fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Letztwillige Verfügungen mit Auslandsbezug wird der deutsche Notar oder Anwalt nur gestalten, wenn deutsches Erbrecht kraft Verweisung des ausländischen Rechts oder Rechtswahl zur Anwendung kommt. Besondere Probleme ergeben sich in den Fällen der Nachlassspaltung dahingehend, dass zunächst deren Eintreten zu erkennen und dann zu fragen ist, ob man die Nachlassspaltung vermeiden kann. Ist dies nicht möglich, so kann sich eine Zusammenarbeit etwa mit einem ausländischen Notar als zweckmäßig erweisen. 7. Anerkennung deutscher Gestaltungsmöglichkeiten im Ausland a) Anerkennung notarieller und eigenhändiger Testamente Alle Staaten des lateinischen Notariats kennen das notarielle Testament 161 und sehen ein in Deutschland errichtetes notarielles Testament als formwirksam an.3 Dagegen wird von einzelnen Common Law – Staaten ein notarielles Testament nicht anerkannt, wenn es nicht zugleich ihrer eigenen Form des Zwei- oder Drei-Zeugen-Testaments entspricht.4 Bei Beurkundung in Deutschland empfiehlt sich deshalb die Einhaltung der deutschen notariellen Form unter Hinzuziehung der nach Common Law erforderlichen Zeugen. Das in Deutschland zunächst unbekannte eigenhändige Testament wurde 162 im Zuge der Rezeption des Code civil in Baden eingeführt und für den Bereich des BGB als Ausdruck bürgerlicher Freiheit übernommen. Es ist in 1 OLG Düsseldorf v. 3.9.2009 – 3 Wx 8/09, FamRZ 2010, 72 = ZEV 2009, 515 = RNotZ 2010, 58. 2 OLG Düsseldorf v. 3.9.2009 – 3 Wx 8/09, FamRZ 2010, 72 = ZEV 2009, 515 = RNotZ 2010, 58. 3 Würzburger Notarhdb/Hertel, S. 2523. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, S. 2523.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
den Staaten des lateinischen Notariats grundsätzlich anerkannt, tritt dort aber häufig in seiner praktischen Bedeutung hinter das notarielle Testament zurück. Im Bereich des Common Law ist ein privatschriftliches Testament ohne Hinzuziehung der erforderlichen Zeugen unwirksam.1 b) Verbot von Erbvertrag, gemeinschaftlichem Testament und Erb- und Pflichtteilsverzicht 163
Eine Bindung des Erblassers hinsichtlich seiner Testierfreiheit durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament ist in den Ländern des romanischen Rechtskreises, den ehemals kommunistischen Ländern sowie dem islamischen Rechtskreis verboten. Gleiches gilt für den Erbverzicht und den Pflichtteilsverzicht. Soweit nach deutschem IPR das materielle Erbrecht eines dieser Staaten anwendbar ist, sind Erbvertrag, gemeinschaftliches Testament und Erb- und Pflichtteilsverzicht auch aus Sicht des deutschen Rechts unzulässig und unwirksam. Dies ist immer dann der Fall, wenn nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB ein Ausländer an dem Rechtsgeschäft beteiligt ist und keine zulässige Rechtswahl vorliegt.
164
Für die Praxis gilt, dass an Stelle des Erbvertrags oder des gemeinschaftlichen Testaments zumeist durch jeden Erblasser jeweils ein Einzeltestament zu errichten ist, während ein Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag bei entsprechender Auslandsberührung als Gestaltungsmittel ausscheidet. 8. Verfügungen von Todes wegen a) Deutsches Internationales Erbrecht
165
Im Anwendungsbereich der EuErbVO gewährt in bis einschließlich 16.8.2015 eintretenden Erbfällen Art. 26 EGBGB für die Formerfordernisse einer Verfügung von Todes wegen alternativ mehrere Anknüpfungsmöglichkeiten. Sie richten sich – entweder nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser in dem Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, oder im Zeitpunkt des Todes angehörte (Doppelstaater können ihr Testament entweder nach dem Recht des einen oder nach dem Recht des anderen Staates errichten), – oder nach dem Recht des Ortes, an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat, – oder nach dem Recht eines Ortes, an dem der Erblasser im Zeitpunkt, in dem er letztwillig verfügt hat, oder im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte, – oder nach dem Recht des Ortes, an dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit es sich um dieses handelt,
1 Vgl. z.B. BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 135/03, MDR 2004, 1423 = FamRZ 2004, 1562 = NJW 2004, 3558 = ZEV 2004, 374.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
– oder nach dem Recht, auf das die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist (Erbstatut, Art. 25 EGBGB) oder im Zeitpunkt der Verfügung anzuwenden wäre. Nach Art. 26 Abs. 5 Satz 1 EGBGB ist dann jedoch für die Gültigkeit der 166 Errichtung einer Verfügung von Todes wegen das hypothetische Erbstatut maßgebend, das im Zeitpunkt der diesbezüglichen Errichtung anzuwenden gewesen wäre, so dass bspw. ein durch italienische Ehegatten errichtetes gemeinschaftliches Testament nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB iVm. Art. 589 Codice Civile auch dann unwirksam ist bzw. bleibt, wenn die Eheleute später deutsche Staatsangehörige werden, und auch eine salvatorische Klausel, nach der hilfsweise die jeweiligen Verfügungen als Einzeltestamente aufrecht erhalten gelten, wegen Umgehungsverbotes unwirksam ist.1 Art. 26 EGBGB hat den wesentlichen kollisionsrechtlichen Inhalt des Haager Übereinkommens über das auf die Form von Verfügungen von Todes wegen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 übernommen. Die Regelung gewährleistet deshalb in weitem Umfange2, dass die Gültigkeit von Verfügungen von Todes wegen nicht an der Form scheitert. b) Europäische Erbrechtsverordnung Die materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen iSd. Art. 26 167 EuErbVO bestimmt sich in ab einschließlich 17.8.2015 eintretenden Erbfällen für Einzel- und, wie Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bzw. d EuErbVO zeigt, gemeinschaftliche3 Testamente gem. Art. 24 Abs. 1 iVm. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d EuErbVO nach dem hypothetischen Erbstatut zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung4 vorbehaltlich einer diesbezüglichen Rechtswahl nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO. Dabei ist für gemeinschaftliche Testamente jeweils Wirksamkeit bei jedem Testierer erforderlich, wobei eine Unwirksamkeit direkt nur aus einer materiellen Verbotsnorm resultieren kann, bei einer Formvorschrift hingegen Art. 27 EuErbVO maßgeblich ist.5 Für Erbverträge über den Nachlass lediglich einer Person richtet sich die 168 materielle Wirksamkeit nach Art. 25 Abs. 1 EuErbVO ebenfalls nach dem hypothetischen Erbstatut bezüglich des Erblassers zum Zeitpunkt der Erbvertragserrichtung, für Erbverträge über den Nachlass mehrerer Personen nach Art. 25 Abs. 2 EuErbVO hingegen kumulativ nach dem hypothetischen Erbstatut jedes Erblassers. Im Falle derartiger Wirksamkeit ist für materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen jedoch insgesamt das 1 OLG München v. 14.3.2012 – 31 Wx 488/11 u. 31 Wx 514/11, FamRZ 2014, 508 = MittBayNot 2014, 370. 2 Vgl. Übersicht über beigetretene Staaten bei Jayme/Hausmann, Internationales Privatund Verfahrensrecht, 17. Aufl. 2014, H 60 Fn. 1. 3 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396); zweifelnd Odersky, notar 2013, 3 (8). 4 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396); Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 102. 5 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Recht der engsten Verbindung des Erbvertrages maßgebend,1 vorbehaltlich einer diesbezüglichen Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO. 169
Die Formgültigkeit einer Verfügung von Todes wegen folgt aus Art. 27 EuErbVO, soweit nicht nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO das nicht von allen Mitgliedstaaten ratifizierte HTestformÜ2 vorrangig ist.
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Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung im Rahmen der Angleichung des nationalen Rechts an die EuErbVO erfreulicherweise, den jeweiligen Wortlaut der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend ergänzt, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag vertragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit3 entschieden ist (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 96).4
III. Erbstatut kraft Rechtswahl 1. Deutsches Kollisionsrecht 171
Ausländer können für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen gem. Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO bis spätestens am 16.8.2015 nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB deutsches Recht wählen, wenn sie zum Zeitpunkt dieser Rechtswahl ungeachtet eventueller späterer diesbezüglicher Veränderungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, während für das übrige Nachlassvermögen ihr Heimatrecht maßgeblich bleibt. In jedem Fall der Nachlassspaltung ist jeder Nachlassteil als selbständiger Nachlass anzusehen mit der Folge, dass er bei der Testamentserrichtung so behandelt wird, als wenn er der ganze Nachlass wäre.5 Wählt also ein Ausländer, dessen Nachlass einem ausländischen Erbstatut unterliegt, für seinen in Deutschland belegenen Grundbesitz nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB deutsches Recht, so kann er für diesen Grundbesitz als eigenständigen Spaltnachlass auch abweichend von seinem sonstigen Nachlass Erben einsetzen und sich des gesamten deutschen erbrechtlichen Instrumentariums bedienen, als wäre er Deutscher und dieser Grundbesitz sein gesamter Nachlass.
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Da diese Rechtswahlmöglichkeit ausschließlich auf unbewegliches Vermögen beschränkt ist, durchbricht sie im Regelfall den Grundsatz der Nachlasseinheit und führt zu einer Nachlassspaltung.
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Ab einschließlich 17.8.2015 kann ein Erblasser, der nicht spätestens bei seinem Tod zumindest auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, für 1 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). 2 BGBl. II 1965, S. 1145; BGBl. II 1966, S. 11. 3 S. dazu u.a. bejahend Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91). 4 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (49). 5 Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB Rz. 9.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
die Rechtsnachfolge von Todes wegen kein deutsches Recht mehr wählen.1 Hat er in Deutschland bei seinem Tod keinen gewöhnlichen Aufenthalt, besteht für seinen Nachlass nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO auch kein gesetzliches deutsches Erbstatut. Daher kann die Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB für ausländische Staatsangehörige ohne gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auch für Erbfälle ab dem 17.8.2015 von erheblicher praktischer Bedeutung sein, vorausgesetzt, sie wurde bis einschließlich 16.8.2015 formgerecht realisiert.
M8
Einseitig erklrte Rechtswahl eines Auslnders fr Grundbesitz in Deutschland nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB2
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit whle ich fr die Erbfolge hinsichtlich meines gesamten im Inland belegenen unbeweglichen Vermçgens das deutsche Recht. Mir sind die Grundzge des deutschen Erbrechts vom beurkundenden Notar erçrtert worden. Ich bin des Weiteren durch den Notar, der das durch die Rechtswahl ausgeschaltete fremde Erbrecht weder kennen muss noch ber dessen Inhalt belehrt oder diesbezglich eine Beratung oder Betreuung bernommen hat, darber belehrt worden, dass die Rechtswahl im Ausland mçglicherweise nicht anerkannt wird, auf Grund der Rechtswahl ggf. eine Nachlassspaltung entstehen kann und sich mçglicherweise Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Nachlassgegenstnden zu der dem deutschen Erbrecht unterliegenden Rechtsordnung und zu der fremden Rechtsordnung ergeben kçnnen.
Dagegen dürfte eine entsprechende Rechtswahl eines deutschen Staats- 174 angehörigen gem. Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO iVm. Art. 25 Abs. 2 EGBGB für sein in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen nur dann bedeutsam sein, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat und für den Fall seines Versterbens nach dem 16.8.2015 ausschließlich den in Deutschland befindlichen Grundbesitz deutschem, jedoch sein übriges Vermögen dem ausländischen Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts unterstellen möchte. Andernfalls wird er für seinen gesamten Nachlass gem. Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 iVm. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO das deutsche Heimatrecht wählen. Die nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB einem ausländischen Erblasser für im In- 175 land belegenes unbewegliches Vermögen eröffnete Rechtswahl deutschen Rechts nach deutschem Internationalen Privatrecht kann nur durch Verfügung von Todes wegen, somit durch Einzeltestament, gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag, getroffen werden. Umstritten ist, ob eine derartige in einem gemeinschaftlichen Testament 176 oder Erbvertrag enthaltene Rechtswahl bindend vorgenommen werden 1 Odersky, notar 2013, 3 (8). 2 Vgl. dazu Schotten/Schmellenkamp, Rz. 360.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
kann. Art. 26 Abs. 5 Satz 1 EGBGB verweist hinsichtlich der Bindung auf die anzuwendenden Sachnormen und damit auf das deutsche Erbrecht. Gegen die Möglichkeit einer bindenden Vereinbarung spricht der Wortlaut der §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, wonach ausschließlich Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen wechselbezüglich bzw. vertragsmäßig bindend vereinbart werden können, so dass eine in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag enthaltene Rechtswahl einseitig frei widerrufen werden kann.1 Nach anderer Ansicht steht die Rechtswahl in ihren Auswirkungen der Erbeinsetzung gleich und kann daher bindend vereinbart werden.2 177
Selbst wenn eine erbvertragliche Rechtswahl danach keine Bindungswirkung entfalten sollte und einseitig widerrufen werden kann, bleibt jedoch nach Art. 26 Abs. 5 Satz 1 EGBGB eine vor dem Widerruf errichtete Verfügung von Todes wegen nach dem bisher gewählten Recht (z.B. nach Rechtswahl eines italienischen Ehemanns einer deutsch-italienischen Ehe gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB für den in Deutschland belegenen Grundbesitz)3 wirksam.4
178
Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung im Rahmen der Angleichung des nationalen Rechts an die EuErbVO erfreulicherweise, den jeweiligen Wortlaut der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend zu ergänzen, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag vertragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit5 entschieden ist (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 96).6
179
Ausnahmsweise kann auch ausländisches Internationales Privatrecht eine erbrechtliche Rechtswahl zulassen (zB Belgien, Italien, Niederlande, Rumänien, Schweiz).7 Soweit die betroffene ausländische Rechtsordnung ein gemeinschaftliches Testament bzw. einen Erbvertrag nicht vorsieht, könnte dies über ein Formverbot hinaus als Sachverbot zur Unwirksamkeit der darin getroffenen letztwilligen Verfügungen samt Rechtswahl führen.8 Daher sollte die Rechtswahl in derartigen Fällen vorsorglich zusätzlich einseitig, wiederum hilfsweise mit testamentarischer Wirkung neben der erbvertraglichen bindenden Anordnung getroffen werden.9 1 Dörner, DNotZ 1988, 67 (91); Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB Rz. 8. 2 Lichtenberger, DNotZ 1986, 644 (665); Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.). 3 Zur Rechtswahl nach italienischem Recht Schotten/Schmellenkamp, Rz. 296 u. 296a. 4 Dörner, DNotZ 1988, 67 (88); Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB Rz. 8. 5 S. dazu u.a. bejahend Lichtenberger, DNotZ 1986, 644 (665); Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91); Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB Rz. 8. 6 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (49). 7 Schotten/Schmellenkamp, Rz. 296. 8 Schotten/Schmellenkamp, Rz. 296a für das Bsp. Italien. 9 Schotten/Schmellenkamp, Rz. 296a bzw. 361.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
M9
Erbvertraglich erklrte Rechtswahl eines Auslnders fr Grundbesitz in Deutschland nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB1
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit whle ich, . . . (Vor- und Nachname),/whlt jeder von uns fr die Erbfolge hinsichtlich meines/seines gesamten im Inland belegenen unbeweglichen Vermçgens das deutsche Recht. Ggf. Zusatz: Diese Rechtswahl fr die Erbfolge erstreckt sich darber hinaus auf mein/unser gesamtes sonstiges Vermçgen, wenn eine Rechtswahl auch insoweit derzeit bereits zulssig ist bzw. sobald sie bis zu meinem/unserem Tod auch insoweit zulssig wird. Wir nehmen diese Rechtswahl gegenseitig an. Soweit dies rechtlich zulssig ist, treffen wir sie mit erbvertraglich bindender Wirkung. Wir sind vom beurkundenden Notar ber die Grundzge des deutschen Erbrechts und die Bindungswirkung belehrt worden. Fr den Fall, dass die in dieser Urkunde ebenfalls mit erbvertraglich bindender Wirkung getroffenen Verfgungen von Todes wegen aufgehoben werden oder unwirksam werden sollten oder dass ich, . . . (Vor- und Nachname), der Lngstlebende von uns bin, behalte ich mir/behlt sich jeder von uns das Recht vor, einseitig von dieser Rechtswahl zurckzutreten. Fr den Fall, dass die Rechtswahl erbvertraglich bindend nicht wirksam getroffen werden kann, whle ich, . . . (Vor- und Nachname),/whlt jeder das deutsche Recht hiermit einseitig und mit rein testamentarischer Wirkung. Wir sind des Weiteren durch den beurkundenden Notar, der das durch die Rechtswahl ausgeschaltete fremde Erbrecht weder kennen muss noch ber dessen Inhalt belehrt oder diesbezglich eine Beratung oder Betreuung bernommen hat, darber belehrt worden, dass die Rechtswahl im Ausland mçglicherweise nicht anerkannt wird, auf Grund der Rechtswahl ggf. eine Nachlassspaltung entstehen kann und sich mçglicherweise Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Nachlassgegenstnden zu der dem deutschen Erbrecht unterliegenden Rechtsordnung und zu der fremden Rechtsordnung ergeben kçnnen.
2. Rechtswahl nach ausländischem IPR Soweit ein ausländischer Staat für seine Bürger im Bereich des Erbrechts ei- 180 ne Rechtswahl deutschen Rechts zulässt, nimmt dies das deutsche IPR hin.2 Voraussetzungen, Grenzen, Umfang und Inhalt der Rechtswahl werden dabei vom ausländischen Kollisionsrecht bestimmt. So erlaubt Art. 46 Abs. 2 des italienischen IPRG italienischen Staatsbürgern, durch testamentarische Anordnung für die Rechtsnachfolge in ihr gesamtes Vermögen das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthaltes zu wählen.3 Im Ausnahmefall gestattet die ausländische Rechtsordnung dem Auslän- 181 der, anstelle des grundsätzlich geltenden Rechts dieser Rechtsordnung sein Heimatrecht zu wählen. So gilt für einen in der Schweiz ansässigen Deutschen nach Art. 90 Abs. 1 des IPR-Gesetzes der Schweiz das Schwei1 Vgl. dazu Schotten/Schmellenkamp, Rz. 360. 2 Lange, DNotZ 2000, 332. 3 Hausmann, JbItalR 15/16 (2002/2003), 173.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
zer Erbrecht als Wohnsitzrecht. Er kann aber, etwa wenn er vor einem deutschen Notar testiert, seinen ganzen Nachlass dem deutschen Recht unterstellen, Art. 90 Abs. 2 IPRG. Damit gilt für diesen Nachlass auch das deutsche Pflichtteilsrecht. 3. Rechtswahl nach EuErbVO a) Übersicht 182
Abweichend von Art. 25 EGBGB knüpft Art. 21 Abs. 1 EuErbVO hinsichtlich des Erbstatuts nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt, der wiederum gem. Art. 20 EuErbVO im Gegensatz zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO nicht in einem Mitgliedstaat liegen muss, des Erblassers im Zeitpunkt dessen Todes an, soweit nicht nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausnahmsweise wegen offensichtlich engerer Verbindung zu einem anderen Staat dessen Recht anzuwenden ist. Nach Art. 22 EuErbVO kann der Erblasser jedoch das Recht seiner bei Rechtswahl oder Tod bestehenden Staatsangehörigkeit bzw. einer von mehreren eigenen Staatsangehörigkeiten durch Verfügung von Todes wegen wählen. Dabei muss ein konkretes Recht gewählt werden, während eine lediglich pauschalierte Rechtswahl des beim Tod bestehenden Heimatrechts zu unbestimmt und daher unwirksam ist.1 Auch eine bloße bestätigende Rechtswahl nach dem gewöhnlichen Aufenthalt kommt nicht in Betracht.2 Möchte ein in Deutschland lebender Ausländer gerade nicht nach dem Recht seiner Staatsangehörigkeit, sondern dem deutschen Aufenthaltsrecht beerbt werden, sollte dies jedoch zumindest in der letztwilligen Verfügung klargestellt werden, um das Risiko einer nachlassgerichtlichen Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl des Heimatrechts auszuschließen.3
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Nach Art. 83 Abs. 2 Alt. 1 EuErbVO ist auch eine bereits vor dem 17.8.2015 getroffene Rechswahl wirksam, wenn sie die Voraussetzungen der Artt. 20 bis 38 EuErbVO erfüllt und der Erblasser nicht bis zum 16.8.2015, mithin nicht vor dem in Art. 83 Abs. 1 EuErbVO festgelegten Stichtag des 17.8.2015 verstirbt. Davon werden nach dem diesbezüglichen Regelungszweck, hilfsweise der Auslegungsregel des Art. 83 Abs. 4 EuErbVO zurecht auch Verfügungen erfasst, die noch vor dem Inkrafttreten der EuErbVO iSd. Art. 84 EuErbVO am 16.8.20124 errichtet wurden.5
184
Dabei ist für eine Rechtswahl insbesondere zwischen Formwirksamkeit einerseits und materieller Wirksamkeit andererseits sowie den verschiedenen Verfügungstypen in Gestalt des Einzeltestaments, Erbvertrags bzw. 1 Dörner, ZEV 2012, 505 (511); Erman/Hohloch, Art. 22 EuErbVO Rz. 6; Janzen, DNotZ 2012, 484 (486); Leitzen, ZEV 2013, 128. 2 Odersky, notar 2013, 3 (7). 3 Leitzen, ZEV 2013, 128 (132); Odersky, notar 2013, 3 (7). 4 MünchKomm.BGB/Dutta, Art. 84 EuErbVO Rz. 1. 5 Odersky, notar 2013, 3 (5); skeptisch Leitzen, ZEV 2013, 128 (131), der vorsichtshalber zu einer späteren Wiederholung der Rechtswahl rät.
70
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
gemeinschaftlichen Testaments und im Hinblick auf das Erfordernis von Fallgruppenbildungen nach Staatsangehörigkeit bzw. gewöhnlichem Aufenthalt eines Erblassers zu differenzieren. Eine Rechswahl lässt sich ausschließlich in einer letztwilligen Verfügung 185 wirksam anordnen, muss jedoch, wie Art. 22 Abs. 2 bzw. Art. 83 Abs. 4 EuErbVO zeigen, nicht ausdrücklich, sondern kann vielmehr auch stillschweigend getroffen werden, setzt aber zumindest ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein voraus1 und sollte zudem in der betroffenen Verfügung von Todes wegen angedeutet sein.2 Entscheidungskriterium für eine Rechtswahl ist neben der Belegenheit des 186 Nachlassvermögens zumeist das Fehlen bzw. verneindenfalls der Umfang und die Ausgestaltung von Pflichtteilsrechten insbesondere von Abkömmlingen bei einer Alleinerbeneinsetzung des Ehegatten bzw. Lebenspartners als bloßer schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch oder dingliches Noterbrecht.3 Aufgrund des Vorrangs internationaler Übereinkommen nach Art. 75 Eu- 187 ErbVO einerseits und der ausdrücklichen Kodifizierung in Art. 27 EuErbVO andererseits ist für die Formgültigkeit einer Verfügung von Todes wegen das HTestformÜ4 maßgebend.5 Nach Art. 34 Abs. 2 EuErbVO verkörpert eine Rechtswahl stets eine Sach- 188 normverweisung, aufgrund derer eine etwaige durch das gewählte Recht vorgesehene Rück- oder Weiterverweisung unbeachtlich bleibt.6 Eine Rechtswahl kann insbesondere durch abweichende Regelungen aus 189 nach Art. 75 Abs. 1 und 2 EuErbVO weiterhin anwendbaren internationalen Übereinkommen zwischen Mitglied- und Drittstaaten begrenzt sein.7 Dies gilt vor allem für die Maßgeblichkeit der Staatsangehörigkeit des Erblassers bzw. die Belegenheit von Nachlass im deutsch-türkischen Nachlassabkommen, deutsch-persischen Niederlassungsabkommen und deutsch-sowjetischen Konsularvertrag. Wegen des in Art. 23 Abs. 1 EuErbVO verankerten Grundsatzes der Nach- 190 lasseinheit ist im Gegensatz zu Art. 25 Abs. 2 EGBGB eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl unzulässig.8 Daher wird auch eine Nachlassspaltung grundsätzlich ausgeschlossen, kann jedoch ausnahmsweise aufgrund gem. Art. 75 Abs. 1 und 2 EuErbVO weiterhin anwendbarer internationaler Übereinkommen zwischen Mitglied- und Drittstaaten (so insbesondere 1 LG München v. 5.2.2007 – 13 T 13484/06, ZEV 2007, 434; BeckOK BGB/Lorenz, Art. 25 EGBGB Rz. 21. 2 Leitzen, ZEV 2013, 128 (129). 3 Odersky, notar 2013, 3 (7). 4 BGBl. II 1965, S. 1145; BGBl. II 1966, S. 11. 5 Odersky, notar 2013, 3 (6). 6 Erman/Hohloch, Art. 34 EuErbVO Rz. 3; MünchKomm.BGB/Dutta, Art. 34 EuErbVO Rz. 10; Odersky, notar 2013, 3 (6). 7 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 121 (123); Leitzen, ZEV 2013, 128. 8 Erman/Hohloch, Art. 22 EuERbVO Rz. 7; Leitzen, ZEV 2013, 128 (129).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
die Maßgeblichkeit der Staatsangehörigkeit des Erblassers bzw. Belegenheit von Nachlass im deutsch-türkischen Nachlassabkommen, deutsch-persischen Niederlassungsabkommen und deutsch-sowjetischen Konsularvertrag),1 Rück- oder Weiterverweisung nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO2 bzw. besonderer nationaler, unabhängig vom Erbstatut anwendbarer Regelungen iSd. Art. 30 EuErbVO eintreten.3 191
Im Falle des Scheiterns einer Rechtswahl mit der Folge der Fortgeltung des Rechts des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers bei seinem Tod nach Art. 21 EuErbVO, kann die letztwillige Verfügung nach den deutschen Rechtsgrundsätzen des Handelns unter falschem Recht4 ausgelegt werden (s. dazu oben Rz. 134 f.).5 b) Einzeltestament
192
Gem. Art. 24 Abs. 1 EuErbVO richten sich die Zulässigkeit und iSd. Art. 26 EuErbVO die materielle Wirksamkeit von Testamenten nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers bei Testamentserrichtung, soweit dieser nicht nach Art. 24 Abs. 2 iVm. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO das Recht seiner Staatsangehörigkeit wählt. Entsprechendes gilt nach Art. 22 Abs. 1 bzw. Abs. 2 EuErbVO für die davon zu trennende Frage des maßgebenden anzuwendenden materiellen Erbrechts. Die Formgültigkeit eines Testaments folgt aus Art. 27 EuErbVO, soweit nicht nach Art. 75 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO das nicht von allen Mitgliedstaaten ratifizierte HTestformÜ6 vorrangig ist.
M 10
Rechtswahl nach EuErbVO durch Einzeltestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Variante 1 (deutscher Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in Deutschland, bin ausschließlich deutscher Staatsangehçriger und whle hiermit frsorglich sowohl fr die Zulssigkeit und materielle Rechtswirksamkeit des hiesigen Testaments
1 Dörner, ZEV 2012, 505 (510 Fn. 29). 2 Schaal, BWNotZ 2013, 29 (30): bspw. deutscher Erblasser mit beim Erbfall gewöhnlichem Aufenthalt und Vermögen überwiegend in Texas, aber Grundbesitz in Deutschland und Frankreich. 3 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). 4 BGH v. 22.3.2006 – IV ZR 93/05, MDR 2006, 1248 = FamRZ 2006, 862; ZEV 2006, 263; OLG Köln v. 15.1.2014 – 2 Wx 291/13, NotBZ 2014, 299 = ZEV 2014, 497; BayObLG v. 18.3.2003 – 1Z BR 71/02, FamRZ 2003, 1595 = ZEV 2003, 503; DNotI, DNotI-Report 2014, 92 f. 5 Buschbaum/Simon, NJW 2012, 2393 (2395); Leitzen, ZEV 2013, 128 (130); Nordmeier, ZEV 2012, 513 (519). 6 BGBl. II 1965, S. 1145; BGBl. II 1966, S. 11.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
als auch fr das materielle Erbrecht bezglich meines gesamten Nachlasses, somit vollumfnglich fr die Rechtsnachfolge von Todes wegen das deutsche Recht. Der Notar hat ber dadurch im Falle einer Verlagerung des gewçhnlichen Aufenthaltes ins Ausland eventuell verdrngtes auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet. Variante 2 (deutscher Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt im Ausland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in . . . (Ausland), bin ausschließlich deutscher Staatsangehçriger und whle hiermit sowohl fr die Zulssigkeit und materielle Rechtswirksamkeit des hiesigen Testaments als auch fr das materielle Erbrecht bezglich meines gesamten Nachlasses, somit vollumfnglich fr die Rechtsnachfolge von Todes wegen das deutsche Recht. Der Notar hat ber dadurch eventuell verdrngtes auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet. Variante 3 (auslndischer Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in Deutschland, bin ausschließlich . . . (auslndischer) Staatsangehçriger und whle hiermit frsorglich sowohl fr die Zulssigkeit und materielle Rechtswirksamkeit als auch fr das materielle Erbrecht bezglich meines gesamten Nachlasses, somit vollumfnglich fr die Rechtsnachfolge von Todes wegen das . . . (auslndische) Recht (Recht der Staatsangehçrigkeit). Der Notar hat ber auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet. Variante 4 (auslndischer Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt in anderem Ausland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in . . . (auslndischer Staat 1), bin ausschließlich . . . (auslndischer) Staatsangehçriger (Staat 2) und whle hiermit frsorglich sowohl fr die Zulssigkeit und materielle Rechtswirksamkeit als auch fr das materielle Erbrecht bezglich meines gesamten Nachlasses, somit vollumfnglich fr die Rechtsnachfolge von Todes wegen das . . . (auslndische) Recht . . . (Recht der Staatsangehçrigkeit des Staates 2). Der Notar hat ber auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
M 11
Verzicht auf Rechtswahl nach EuErbVO in Einzeltestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Variante 1 (deutscher Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in Deutschland, mçchte diesen hier auch knftig beibehalten und bin ausschließlich deutscher Staatsangehçriger. Trotz Belehrung wnsche ich derzeit keine Rechtswahl fr die Zulssigkeit bzw. materielle Rechtswirksamkeit des hiesigen Testaments und fr das materielle Erbrecht bzw. die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Mir ist bekannt, dass sich bei einer Verlagerung meines gewçhnlichen Aufenthaltes ins Ausland das jeweilige Statut fr den Fall, dass ich nach dem 16.8.2015 versterbe, nicht mehr nach meiner Staatsangehçrigkeit, sondern nach dem Recht meines gewçhnlichen Aufenthaltes bei meinem Tod richten drfte und daher u.a. fr den Erben bspw. hinsichtlich des Pflichtteilsrechts bzw. bestimmter Gestaltungsmçglichkeiten erhebliche Nachteile eintreten kçnnen. Ich weiß, dass ich mein Testament in diesem Fall nochmals berprfen und ggf. anpassen lassen sollte. Der Notar hat ber auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet. Variante 2 (deutscher Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt im Ausland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in . . . (Ausland) und bin ausschließlich deutscher Staatsangehçriger. Trotz eingehender nachdrcklicher Belehrung wnsche ich derzeit keine Rechtswahl fr die Zulssigkeit bzw. materielle Rechtswirksamkeit des hiesigen Testaments und fr das materielle Erbrecht bzw. die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Mir ist bekannt, dass sich bei einer Beibehaltung meines gewçhnlichen Aufenthaltes im Ausland das jeweilige Statut fr den Fall, dass ich nach dem 16.8.2015 versterbe, nicht nach meiner Staatsangehçrigkeit, sondern nach dem Recht meines gewçhnlichen Aufenthaltes bei meinem Tod richten drfte und daher u.a. fr den Erben bspw. hinsichtlich des Pflichtteilsrechts bzw. bestimmter Gestaltungsmçglichkeiten erhebliche Nachteile eintreten kçnnen. Der Notar hat ber auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet. Variante 3 (auslndischer Staatsangehçriger mit gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland): Ich, . . . , habe meinen gewçhnlichen Aufenthalt in Deutschland und bin ausschließlich . . . (auslndischer) Staatsangehçriger. Trotz eingehender nachdrcklicher Belehrung wnsche ich derzeit keine Rechtswahl fr die Zulssigkeit bzw. materielle Rechtswirksamkeit des hiesigen Testaments und fr das materielle Erbrecht bzw. die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Mir ist bekannt, dass sich bei einer Beibehaltung meines gewçhnlichen Aufenthaltes in Deutschland bzw. dessen Verlegung in ein von meiner Staatsangehçrigkeit abweichendes anderes Land das jeweilige Statut fr den Fall, dass ich nach
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
dem 16.8.2015 versterbe, nicht nach meiner Staatsangehçrigkeit, sondern nach dem Recht meines gewçhnlichen Aufenthaltes bei meinem Tod richten drfte, das erheblich von dem Recht meiner Staatsangehçrigkeit abweichen kann. Der Notar hat ber auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet.
c) Gemeinschaftliches Testament Auch für ein gemeinschaftliches1 Testament bestimmen sich Zulässigkeit 193 und materielle Wirksamkeit iSd. Art. 26 EuErbVO in ab einschließlich 17.8.2015 eintretenden Erbfällen, wie Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bzw. d EuErbVO zeigt, ebenso wie für Einzeltestamente gem. Art. 24 Abs. 1 iVm. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d EuErbVO nach dem hypothetischen Erbstatut zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung2 vorbehaltlich einer diesbezüglichen Rechtswahl nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO. Dabei ist für ein gemeinschaftliches Testament jedoch erforderlich, dass die materielle Wirksamkeit jeweils bei jedem Testierer eintritt, wobei ein Unwirksamkeitsgrund iSd. Art. 24 Abs. 1 EuErbVO nur aus einer materiellen Verbotsnorm resultieren kann.3 Auf bindende gemeinschaftliche Testamente dürfte Art. 25 Abs. 3 EuErbVO analog anwendbar sein, so dass Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen für beide Erblasser einheitlich auch nach dem Recht der Staatsangehörigkeit gewählt werden kann, die nur einer von ihnen hat. Hiervon ist streng die Bestimmung des anzuwendenden materiellen Erbrechts zu unterscheiden, das sich gem. Art. 22 EuErbVO nach den Umständen zum Zeitpunkt des Erbfalls richtet und auf das Art. 25 Abs. 3 EuErbVO gerade nicht, auch nicht analog anwendbar ist (s. dazu nachfolgend Rz. 198).4 Sind die Zulässigkeit und die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen 194 erfüllt, richten sich die Bindungswirkung und das materielle Erbrecht jedoch nur dann nach demselben Erbstatut, wenn beide Testierer ohnehin bereits diesem selben Erbstatut unterliegen. Insbesondere fehlt für das gemeinschaftliche Testament eine Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO entsprechende Regelung, die in diesem Fall das mit dem gemeinschaftlichen Testament am engsten verbundene Recht für maßgebend erklären würde.5 Gilt daher für jeden der beiden Erblasser ein anderes materielles Erbstatut, sollte anstelle eines gemeinschaftlichen Testaments sicherheitshalber ein Erbvertrag beurkundet werden.6 Zur Frage einer etwaigen wechselbezügli1 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396); zweifelnd: Lechner, NJW 2013, 26 (27); Odersky, notar 2013, 3 (8). 2 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396); Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 102. 3 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). 4 Leitzen, ZEV 2013, 128 (129 f.). 5 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). 6 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396); Odersky, notar 2013, 3 (8).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
chen Bindung einer nach Art. 22 EuErbVO getroffenen Wahl des anzuwendenden materiellen Rechts s. nachfolgend Rz. 197. 195
Die Formgültigkeit beurteilt sich auch für gemeinschaftliche Testamente nach Art. 27 EuErbVO, soweit nicht gem. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO das nicht von allen Mitgliedstaaten ratifizierte HTestformÜ1 vorrangig ist.
M 12
Rechtswahl nach EuErbVO durch gemeinschaftliches Testament
(Form: Verfgung von Todes wegen) (deutsche Ehegatten mit gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland) Wir, die Eheleute . . . und . . . , haben unseren gewçhnlichen Aufenthalt beide in Deutschland, sind jeweils ausschließlich deutsche Staatsangehçrige und whlen hiermit jeweils frsorglich sowohl fr die Zulssigkeit, materielle Rechtswirksamkeit und Bindungswirkung des hiesigen gemeinschaftlichen Testaments als auch fr das materielle Erbrecht bezglich unseres gesamten Nachlasses, somit vollumfnglich fr die Rechtsnachfolge von Todes wegen das deutsche Recht mit mçglichst wechselbezglich bindender Wirkung, hilfsweise jeweils lediglich einseitig testamentarisch. Der Notar hat ber dadurch im Falle einer Verlagerung des gewçhnlichen Aufenthaltes ins Ausland eventuell verdrngtes auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet.
M 13
Verzicht auf Rechtswahl nach EuErbVO in gemeinschaftlichem Testament
(Form: Verfgung von Todes wegen) (deutsche Ehegatten mit gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland) Wir, die Eheleute . . . und . . . , haben unseren gewçhnlichen Aufenthalt beide in Deutschland, mçchten diesen hier auch knftig beibehalten und sind jeweils ausschließlich deutsche Staatsangehçrige. Trotz Belehrung wnschen wir derzeit keine Rechtswahl fr die Zulssigkeit, materielle Rechtswirksamkeit bzw. Bindungswirkung des hiesigen gemeinschaftlichen Testaments und fr das materielle Erbrecht bzw. die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Uns ist bekannt, dass sich bei einer Verlagerung unseres gewçhnlichen Aufenthaltes ins Ausland das jeweilige Statut fr Erbflle ab dem 17.8.2015 nicht mehr nach unserer Staatsangehçrigkeit, sondern nach dem Recht unseres gewçhnlichen Aufenthaltes bei unserem Tod richten drfte und daher u.a. die Wirksamkeit der letztwilligen Verfgung in Frage stehen kann bzw. fr den Erben bspw. hinsichtlich des Pflichtteilsrechts bzw. bestimmter Gestaltungsmçglichkeiten erhebliche Nachteile eintreten kçnnen. Entsprechendes kann bei derartigen Vernderungen lediglich in der Person eines von uns beiden gelten. 1 BGBl. II 1965, S. 1145; BGBl. II 1966, S. 11.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Wir wissen, dass wir unser Testament in diesem Fall nochmals berprfen und ggf. anpassen lassen sollten. Der Notar hat ber auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet.
d) Erbvertrag Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung eines Erbver- 196 trages werden nach Art. 25 EuErbVO unabhängig von dem jeweils anwendbaren Erbrecht gesondert geregelt.1 Für Erbverträge über den Nachlass lediglich einer Person richten sich die Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung nach Art. 25 Abs. 1 EuErbVO ebenfalls nach dem hypothetischen Erbstatut bezüglich des Erblassers zum Zeitpunkt der Erbvertragserrichtung. Dagegen ist für Erbverträge über den Nachlass mehrerer Personen nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 EuErbVO kumulativ das jeweilige hypothetische Erbstatut bezüglich jedes Erblassers zum Zeitpunkt der Erbvertragserrichtung relevant. Daher ist ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Erblasser betrifft, nur dann zulässig, wenn er nach jedem der Rechte jedes Erblassers zulässig ist. Sind diese Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Erbvertrages erfüllt, ist für die materielle Wirksamkeit und Bindungswirkung insgesamt nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO das mit dem Erbvertrag am engsten verbundene Recht maßgebend.2 Nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO können die Parteien jedoch für Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen des Erbvertrages das Recht desjenigen Staates wählen, dessen Staatsangehörigkeit zumindest einer von ihnen hat. Ob die Rechtswahl aus Art. 25 Abs. 3 EuErbVO ihrerseits mit erbvertragli- 197 cher Bindungswirkung vereinbart werden kann, dürfte sich aus dem für die materielle Wirksamkeit gewählten Recht ergeben.3 Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung im Rahmen der Angleichung des nationalen Rechts an die EuErbVO erfreulicherweise, den jeweiligen Wortlaut der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend zu ergänzen, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag vertragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit4 entschieden ist (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 96).5
1 2 3 4
Odersky, notar 2013, 3 (8). Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). Leitzen, ZEV 2013, 128 (130); Odersky, notar 2013, 3 (8). S. dazu u.a. bejahend Lichtenberger, DNotZ 1986, 644 (665); Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91); Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB Rz. 8. 5 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (49).
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
198
Unabhängig davon richtet sich die Rechtswahl für das anzuwendende materielle Erbrecht für jeden Erblasser des Erbvertrages gesondert nach Art. 22 EuErbVO. Dabei können beide Erblasser bspw. bei gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich als anzuwendendes Erbrecht das Recht der gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit selbst dann wählen, wenn diese bei dem einen Erblasser bereits zur Zeit der Erklärung der Rechtswahl besteht, bei dem anderen hingegen erst bis zu dessen Tod eintritt.1 Im Gegensatz dazu scheidet, wie sich aus Art. 24 Abs. 1 EuErbVO und dem Umkehrschluss aus Art. 25 Abs. 3 EuErbVO ergibt, wonach nur für das Erbvertragsstatut in Gestalt der Zulässigkeit, materiellen Wirksamkeit und Bindungswirkungen, mithin gerade nicht für das Erbstatut selbst die Wahlberechtigung lediglich einer Person genügt, eine gemeinsame Wahl des Rechts derselben Staatsangehörigkeit aus, wenn diese nur einer der Erblasser bei Rechtswahlausübung oder bis zu seinem Tod aufweist, der andere dagegen zu keiner Zeit.2
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Die Formgültigkeit eines Erbvertrages richtet sich nach Art. 27 EuErbVO, soweit nicht gem. Art. 75 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO das nicht von allen Mitgliedstaaten ratifizierte HTestformÜ3 vorrangig ist.
M 14
Rechtswahl nach EuErbVO durch Erbvertrag
(Form: Verfgung von Todes wegen) Variante 1 (deutsche Ehegatten mit gewçhnlichem Aufenthalt im Ausland): Wir, die Eheleute . . . und . . . , haben unseren gewçhnlichen Aufenthalt beide in . . . (Ausland), sind jeweils ausschließlich deutsche Staatsangehçrige und whlen hiermit jeweils sowohl fr die Zulssigkeit, materielle Rechtswirksamkeit und Bindungswirkung des hiesigen Erbvertrages als auch fr das materielle Erbrecht bezglich unseres gesamten Nachlasses, somit vollumfnglich fr die Rechtsnachfolge von Todes wegen das deutsche Recht mit mçglichst vertragsmßig bindender Wirkung, hilfsweise jeweils lediglich einseitig testamentarisch. Der Notar hat ber dadurch eventuell verdrngtes auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet. Variante 2 (deutsch-auslndische Ehe mit dem gemeinsamen gewçhnlichem Aufenthalt in Deutschland): Wir, die Eheleute . . . und . . . , haben unseren gewçhnlichen Aufenthalt beide in Deutschland, den wir auch knftig beibehalten mçchten. Ich, . . . , (Ehemann) bin ausschließlich deutscher Staatsangehçriger, ich . . . , (Ehefrau) bin ausschließlich . . . (auslndische) Staatsangehçrige. Wir whlen hiermit jeweils fr die Zulssigkeit, materielle Rechtswirksamkeit und Bindungswirkung des
1 Leitzen, ZEV 2013, 128 (129). 2 Leitzen, ZEV 2013, 128 (130); a.A. Nordmeier, ZEV 2012, 513 (518 f.). 3 BGBl. II 1965, S. 1145; BGBl. II 1966, S. 11.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
hiesigen Erbvertrages nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO im Hinblick auf die deutsche Staatsangehçrigkeit des Ehemanns vollumfnglich das deutsche Recht mit mçglichst vertragsmßig bindender Wirkung, hilfsweise jeweils lediglich einseitig testamentarisch. Zusatz bei Rechtswahl vor dem 17.8.2015: Ich, . . . , (Ehefrau) whle hiermit fr die Erbfolge hinsichtlich meines gesamten in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermçgens nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB iVm. Art. 83 Abs. 2 Alt. 2 EuErbVO das deutsche Recht. Ich, . . . , (Ehefrau) wnsche derzeit keine Wahl meines Staatsangehçrigkeitsrechts. Mir sind die Grundzge des deutschen Erbrechts vom beurkundenden Notar erçrtert worden. Ich bin des Weiteren durch den Notar, der das durch die Rechtswahl ausgeschaltete fremde Erbrecht weder kennen muss noch ber dessen Inhalt belehrt oder diesbezglich eine Beratung oder Betreuung bernommen hat, darber belehrt worden, dass die Rechtswahl im Ausland mçglicherweise nicht anerkannt wird, auf Grund der Rechtswahl ggf. eine Nachlassspaltung entstehen kann und sich mçglicherweise Schwierigkeiten bei der Zuordnung von Nachlassgegenstnden zu der dem deutschen Erbrecht unterliegenden Rechtsordnung und zu der fremden Rechtsordnung ergeben kçnnen. Der Notar hat ber durch die Rechtswahl eventuell verdrngtes auslndisches Recht mangels entsprechender Verpflichtung nicht belehrt und wird insoweit von jeder Haftung befreit. Trotz Belehrung ist auf Einholung eines diesbezglichen Rechtsgutachtens verzichtet.
IV. Erbrecht im vereinten Deutschland Nach Art. 230 Abs. 2 EGBGB finden die erbrechtlichen Vorschriften des 200 BGB im Gesamtbereich des vereinten Deutschland Anwendung. Für Verfügungen von Todes wegen ehemaliger DDR-Bürger gelten also grundsätzlich keine Besonderheiten. Zu beachten sind lediglich Art. 235 § 1 und § 2 EGBGB. Nach Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB bleibt den vor dem Beitritt geborenen nichtehelichen Kindern des Erblassers, der zur Zeit des Beitritts seinen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte, die vom ZGB gewährte Gleichstellung mit ehelichen Kindern in der Weise erhalten, dass sich ihr Erbund Pflichtteilsrecht nach den BGB-Vorschriften über das Erbrecht eines ehelichen Kindes bestimmt. Nach Art. 235 § 2 EGBGB beurteilt sich die Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen, die unter der Geltung des ZGB errichtet wurde, weiter nach dem bisherigen Recht. Das ZGB hatte den Erbvertrag abgeschafft, kannte aber in Art. 388 das gemeinschaftliche Testament. Dessen Bindungswirkung gem. Art. 390 ff. ZGB bleibt nach Art. 235 § 2 Satz 2 EGBGB beachtlich.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
V. Erbrecht in anderen Staaten 1. Angrenzende Nachbarstaaten a) Dänemark aa) Erbstatut 201
Da Dänemark kein Vertragsstaat der EuErbVO ist, findet dort das Kollisionsrecht der EuErbVO keine Anwendung. Stattdessen ist das dänische IPR maßgebend. Danach ist das Erbstatut ungeschrieben und richtet sich nach dem letzten Domizil, somit als fest und dauerhaft beabsichtigten Wohnsitz des Erblassers.1 Eine Rechtswahl ist nicht vorgesehen. bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand
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Das für das gesetzliche Erbrecht im Wege der Vorfrage wichtige Güterstatut ist ebenfalls ungeschrieben und richtet sich nach dem Recht desjenigen Staates, in dem der Ehemann zum Zeitpunkt der Eheschließung seinen als fest und dauerhaft beabsichtigten Wohnsitz hatte.2 Im Gegensatz dazu ist bei Anwendbarkeit der nordischen Konvention zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden als dann wandelbares Güterstatut der letzte gemeinsame als fest und dauerhaft beabsichtigte Wohnsitz in einem dieser Vertragsstaaten nach Artikel 3 Abs. 1 Nordische Familienrechtskonvention maßgebend.3 Nach § 53 EheWirkG besteht eine güterrechtliche Rechtswahlmöglichkeit hinsichtlich des Rechts am neuen gemeinsamen als fest und dauerhaft beabsichtigten Wohnsitz der Ehegatten, soweit zeitgleich nach diesem neuen Wohnsitzrecht eine entsprechende güterrechtliche Wahl getroffen wird. Ob und ggf. inwieweit durch Rechtswahl das Güterrecht an einem anderen Ort als demjenigen des als fest und dauerhaft beabsichtigten Wohnsitzes des Ehemannes bestimmt werden kann, ist umstritten und bislang ungeklärt.4
203
Gesetzlicher Güterstand ist nach § 15 EheWirkG die allgemeine Gütergemeinschaft, die ungeachtet dieser Bezeichnung tatsächlich eine gesamthandslose aufgeschobene Gütergemeinschaft, da erst durch Tod bzw. Scheidung eine hälftige Aufteilung sämtlichen Vermögens nach § 16 Abs. 2 EheWirkG erfolgt.5 Vertragliche Güterstände sind nicht vorgesehen.6 1 Süß/Ring/Olsen-Ring, Erbrecht in Europa, S. 419 Rz. 13; Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 634; ähnlich Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1137 (Wohnsitz). 2 Schotten/Schmellenkamp/Koenigs, Anhang II Rz. 394 S. 429; ähnlich Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1135 (Wohnsitz). 3 Schotten/Schmellenkamp/Koenigs, Anhang II Rz. 394 S. 429; ähnlich Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1135 (Wohnsitz). 4 Schotten/Schmellenkamp/Koenigs, Anhang II Rz. 394 S. 429; ähnlich Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1136 (Wohnsitz). 5 Henrich, FamRZ 2000, 6 (8); Schotten/Schmellenkamp/Koenigs, Anhang II Rz. 394 S. 431; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1135. 6 Schotten/Schmellenkamp/Koenigs, Anhang II Rz. 394 S. 432; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1143.
80
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
cc) Gesetzliches Erbrecht Der längstlebende Ehegatte erbt neben Abkömmlingen des Erblassers 204 nach § 6 ErbG 1/3, während die Kinder zu gleichen Teilen die restlichen 2/3 teilen und dem längstlebenden Ehegatten zusätzlich der Hausrat als Voraus nach § 7a ErbG gesetzlich zugewendet wird. Dagegen erbt der längstlebende Ehegatte neben Eltern bzw. deren Abkömmlingen oder entfernteren gesetzlichen Erben die gesamte Erbschaft alleine.1 Ungeachtet der Erbordnungszugehörigkeit neben ihm berufener Verwandter erhält der längstlebende Ehegatte, soweit der gesetzliche Güterstand der aufgeschobenen Gütergemeinschaft bestanden hat, außerhalb des Nachlasses güterrechtlich die Hälfte des gemeinschaftlichen Vermögens als Anteil am Gesamtgut, mindestens jedoch einen Betrag derzeit 170 000,00 Dänischen Kronen nach § 7b ErbG.2 Wenn der längstlebende Ehegatte nach § 8 ErbG die Fortsetzung der Gütergemeinschaft wählt, erfolgen güterrechtlicher Ausgleich und Nachlassauseinandersetzung am Gesamtgut erst nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten, soweit der erstverstorbene Ehegatte keine nicht vom längstlebenden Ehegatten abstammenden Abkömmlinge hinterlässt oder diese (ggfs. über deren gesetzlichen Vertreter) der Fortsetzung zustimmen.3 Nichteheliche Lebenspartner sind derzeit nicht gesetzlich erbberechtigt.4
205
dd) Pflichtteilsrecht Das Pflichtteilsrecht ist nach § 25 ErbG nicht als schuldrechtlicher Geld- 206 zahlungsanspruch, sondern als dingliches Noterbrecht ausgestaltet. Dabei sind Abkömmlinge und der Ehegatte pflichtteilsberechtigt. Die Pflichtteilsquote beträgt seit dem 1.1.2008 lediglich 25 % statt der bis zum 31.12.2007 noch geltenden 50 % des jeweiligen gesetzlichen Erbteils, wobei der Erblasser den Pflichtteil seiner Kinder ungeachtet der Pflichtteilsquote bis auf 1 Mio Dänische Kronen (somit ca. 137 000,00 Euro) reduzieren kann.5 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht Gemäß § 31 ErbG sind Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsverträge zu- 207 lässig und wirksam.6
1 Süß/Ring/Olsen-Ring, Erbrecht in Europa, S. 419 Rz. 31; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1146. 2 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1148. 3 Süß/Ring/Olsen-Ring, Erbrecht in Europa, S. 428 Rz. 49; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1149. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1144. 5 Süß/Ring/Olsen-Ring, Erbrecht in Europa, S. 451 Rz. 154. 6 Süß/Ring/Olsen-Ring, Erbrecht in Europa, S. 454 Rz. 168; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1151.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament 208
Gemeinschaftliche gegenseitige Testamente sind zulässig und wirksam. Gem. § 67 ErbG kann zudem ein Testiervertrag mit der Verpflichtung zur Nichterrichtung bzw. zu einem Nichtwiderruf eines Testamentes abgeschlossen werden.1 b) Niederlande aa) Erbstatut
209
Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut für Erbfälle zwischen dem 1.10.1996 und dem 16.8.2015 nach dem Haager Erbrechtsübereinkommen mit der Folge, dass der Erblasser nach Art. 3 Abs. 1 dieses Abkommens, wenn er Staatsangehöriger des Staates seines gewöhnlichen Aufenthaltes war, nach dem Recht eben dieses Staates beerbt wird, während alleine das Recht des Wohnsitzstaates maßgebend ist, wenn der Erblasser in diesem Staat mindestens fünf Jahre vor seinem Tod den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, ohne ausnahmsweise mit seinem Heimatstaat eindeutig näher verbunden gewesen zu sein, während ansonsten alleine die Staatsangehörigkeit des Erblassers in Ermangelung engerer Verbundenheit mit einem anderen Staat zum Todeszeitpunkt maßgebend ist, zudem ist nach Art. 5 Abs. 1 dieses Abkommens eine Rechtswahl entweder nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes oder der Staatsangehörigkeit des Erblassers bei Rechtswahl möglich sowie für Erbfälle vor dem 1.10.1996 gewohnheitsrechtlich die Staatsangehörigkeit des Erblassers maßgebend.2 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand
210
Die für die Bestimmung des gesetzlichen Ehegattengüterrechts maßgebliche Vorfrage des Güterstatuts richtet sich nach den zum 1.1.2012 neu in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommenen Regelungen vorrangig am Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit und ersatzweise an dem gemeinsamen Aufenthalt unmittelbar nach Eheschließung aus. Zudem ist eine Güterstatutsrechtswahl zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit oder des Aufenthaltes eines der beiden Ehegatten eröffnet.3
211
Gesetzlicher Güterstand ist die als Gütergemeinschaft nach Artikel 1:93 BW bezeichnete, materiell rechtlich jedoch lediglich mit güterrechtlichem
1 Süß/Ring/Olsen-Ring, Erbrecht in Europa, S. 442 Rz. 106 f.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1155 f. 2 Süß/v. Maas de Bie, Erbrecht in Europa, S. 1050 ff. Rz. 4 ff.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 318 f. 3 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 412 S. 525 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 314.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Ausgleich ausgestattete Gütertrennung.1 Durch notariellen Ehevertrag, der im Falle eines Abschlusses nach Eheschließung einer gerichtlichen Genehmigung nach Art. 1:119 BW bedarf, können die Güterstände der Errungenschaftsgemeinschaft nach Art. 1:123 BW und der Gewinn- und Verlustgemeinschaft nach Art. 1:128 BW gewählt werden, neben darüberhinaus möglichen Modifizierungen des gesetzlichen Güterstandes.2 cc) Gesetzliches Erbrecht Nach Art. 4:11 BW erbt der längstlebende Ehegatte neben Abkömmlingen 212 mit demselben Erbteil wie ein Kind und bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen alleine, neben gemeinsamen Kindern beider Ehegatten erbt der Ehegatte nach Art. 4:13 BW alleine, wobei die gemeinsamen Kinder einen schuldrechtlichen Geldzahlungsanspruch in Höhe ihrer gesetzlichen Erbquote nach Art. 13 Abs. 3 haben, diesen jedoch erst nach dem Tod oder im Falle der Insolvenz des längstlebenden Ehegatten durchsetzen können.3 Nach Art. 1:30 BW können auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe 213 miteinander eingehen. Darüberhinaus besteht die Möglichkeit einer bloßen registrierten gleichgeschlechtlichen oder verschiedengeschlechtlichen Partnerschaft nach Art. 1:80a BW, die dem längstlebenden Partner wie einem Ehegatten nach Art. 4:8 BW eine entsprechende erbrechtliche Position einräumt.4 dd) Pflichtteilsrecht Nach Art. 4:63 BW ist das Pflichtteilsrecht als rein schuldrechtlicher Geld- 214 zahlungsanspruch ausgestaltet. Pflichtteilsberechtigt sind ausschließlich die Abkömmlinge des Erblassers, dabei im Umfange der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, während Ehegatten kein Pflichtteilsrecht haben, jedoch den Nießbrauch an der Ehewohnung und am Hausrat geltend machen können, Art. 4:29 BW.5 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Ein Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag ist nach Art. 4:190 BW 215 unzulässig.6 1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 412 S. 533; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 325. 2 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 412 S. 534 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 334. 3 Süß/v. Maas de Bie, Erbrecht in Europa, S. 1069 f. Rz. 67 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 341 f. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 335 f. 5 Süß/v. Maas de Bie, Erbrecht in Europa, S. 1069 f. Rz. 89 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 345. 6 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 345.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
216
Eine Erbausschlagung ist nur innerhalb einer seitens des Gerichts gesetzten Ausschlagungsfrist wirksam möglich, Art. 4:192 BW.1 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament
217
Ebenso sind Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente nach Art. 4:4, 93 BW verboten, wobei es sich dabei lediglich um eine Formvorschrift handelt, die bei Einhaltung einer anderen Ortsform nicht zur Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen führt, jedoch keine Bindungswirkung auslöst.2 c) Belgien aa) Erbstatut
218
Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut nach dem am 1.10.2004 in Belgien in Kraft getretenen dortigen Gesetzbuch zum Internationalen Privatrecht vom 16.7.2004 (IPRG). Nach Art. 78 IPRG ist für das bewegliche Vermögen das Recht desjenigen Staates maßgebend, an dem der Erblasser seinen im Todeszeitpunkt gewöhnlichen Aufenthalt hatte, während für unbewegliches Vermögen das Recht des diesbezüglichen Belegenheitsortes berufen ist. Dies führt regelmäßig zu einer Nachlassspaltung. Gem. Art. 79 IPRG kann der Erblasser stattdessen mittels Rechtswahl das Recht seiner Staatsangehörigkeit oder dasjenige seines gewöhnlichen Aufenthaltes zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes als maßgebend bestimmen, wobei trotz einer derartigen Rechtswahl evtl. ohne die Rechtswahl maßgebende Noterb- bzw. Pflichtteilsrechte bestehen bleiben und daher eine Rechtswahl insoweit durchbrochen wird.3 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand
219
Als wesentliche Vorfrage zur Bestimmung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts bestimmt sich das Ehegüterstatut nach Art. 51 IPRG unwandelbar nach dem ersten gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten direkt nach deren Eheschließung, ersatzweise bei unterschiedlichem diesbezüglichem Aufenthalt nach der gemeinsamen Staatsangehörigkeit bei Eheschließung, wiederum ersatzweise nach dem Recht des Ortes der Eheschließung. Gem. Art. 49 IPRG ist eine Rechtswahl des Güterrechtsstatuts zulässig, nach der das Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes direkt nach der Eheschließung bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes oder der Staatsangehörigkeit eines der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl gilt.4 1 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 357. 2 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 350 f. 3 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 633; Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 307 Rz. 2 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 183 f. 4 Schotten/Schmellenkamp/Buchholz, Anhang II Rz. 391 S. 413; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 180 ff.
84
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Gem. Artt. 1398 ff. Code Civil ist die Errungenschaftsgemeinschaft ge- 220 setzlicher Güterstand. Durch notarielle Beurkundung im Sinne des Art. 1392 Code Civil kann nach der jeweiligen Ortsform des Vertragsschlusses im Wege notarieller Beurkundung entweder der Güterstand der Gütertrennung nach Art. 1466 Code Civil oder die Gütergemeinschaft nach Artt. 1451 ff. Code Civil gewählt werden.1 cc) Gesetzliches Erbrecht Der längstlebende Ehegatte ist neben Abkömmlingen nicht unmittelbar 221 erbberechtigt, sondern erhält nach Art. 745 bis § 1 Abs. 1 Code Civil den Nießbrauch am gesamten Nachlass, während er neben anderen Verwandten das etwa vorhandene vollständige Gesamtgut erbt und zusätzlich den Nießbrauch am evtl. vorhandenen Eigengut des erstverstorbenen Ehegatten erhält (Art. 745 bis § 1 Abs. 2 Code Civil). Dabei ist der längstlebende Ehegatte jeweils berechtigt, diesen jeweiligen Nießbrauch entsprechend seiner geschätzten Lebensdauer gem. Art. 745 quarta bis 745 septie Code Civil in Volleigentum, Einmalzahlung oder wertgesicherte Geldrente umwandeln zu lassen.2 Gleichgeschlechtliche Ehegatten nach Art. 143 Code Civil sind güter- und 222 erbrechtlich der heteorologen Ehe gleichgestellt. Dagegen sind die Partner einer gleich- oder verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des Art. 1475 Code Civil erbrechtlich lediglich an der Familienwohnung und dem Hausrat nach Art. 745 octies Code Civil erbrechtlich berechtigt.3 dd) Pflichtteilsrecht Das Pflichtteilsrecht ist nicht als schuldrechtlicher Geldzahlungs- 223 anspruch, sondern als dingliches Noterbrecht ausgestaltet, wobei die pflichtteilsberechtigten Noterben evtl. letztwillige Beeinträchtigungen ihres Noterberechts nach Art. 920 Code Civil durch Herabsetzungsklage durchsetzen müssen. Nach Art. 913 Code Civil sind Abkömmlinge ersatzweise Vorfahren in gerader Linie pflichtteilsberechtigt, wobei die Pflichtteilsquote der Kinder von deren Anzahl abhängt, in dem die Pflichtteilsquote eines einzigen Kindes 1/2, die von zwei Kindern insgesamt 2/3 und diejenige von mindestens drei oder mehr Kindern insgesamt 3/4 des Nachlasses beträgt, Artt. 913, 914 Code Civil. Im Gegensatz dazu steht dem längstlebenden Ehegatten ausschließlich der Nießbrauch an der Hälfte der Erbschaft als Pflichtteil zu, der wiederum jeweils hälftig auf der Summe der Pflichtteile aller Noterben einerseits und evtl. anderweitig frei verfüg1 Schotten/Schmellenkamp/Buchholz, Anhang II Rz. 391 S. 415 ff.; Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 307 Rz. 2 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 187. 2 Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 319 ff. Rz. 48 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 197 f. 3 Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 321 Rz. 55 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 195.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ter Nachlassteile andererseits lastet, Art. 915 bis Abs. 4 Code Civil. Der längstlebende Ehegatte kann jedoch unter Anrechnung auf seine Pflichtteilsquote den Nießbrauch an der ehelichen Wohnung samt dem Hausrat statt lediglich den Pflichtteil an der abstrakten Erbquote geltend machen.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung 224
Nach Artt. 791, 1130 Code Civil sind Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsverträge materiell-rechtlich verboten, wobei jedoch insbesondere durch ehevertragliche Vereinbarung von Gütergemeinschaft nach Art. 1452 Code Civil unter Zuteilung des Gesamtgutes an den überlebenden Ehegatten indirekte Pflichtteilsminderungen erzielt werden können.2
225
Nach Art. 784 ZGB in Verbindung mit Art. 1185 GGB muss eine Erbschaftsausschlagung gegenüber dem Gericht erster Instanz desjenigen Wohnortes, den der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes hatte, erklärt werden.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament
226
Nach Art. 968 Code Civil sind gemeinschaftliche Testamente im Wege eines Formverbotes sowie gem. Art. 1130 Abs. 2 Code Civil Erbverträge insoweit materiell-rechtlich verboten und damit unwirksam.4 d) Luxemburg aa) Erbstatut
227
Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut mangels gesetzlicher Regelungen nach Richterrecht dahingehend, dass in Anlehnung an Art. 3 Abs. 2 Code Civil für unbewegliches Vermögen das Recht des Staates des Belgenheitsortes bzw. hinsichtlich des beweglichen Vermögens das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers im Sinne des gewöhnlichen Aufenthaltes maßgebend ist. Dies führt regelmäßig zu einer Nachlassspaltung. Eine Rechtswahl hinsichtlich des Erbstatuts ist unzulässig, wobei jedoch eine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB anerkannt wird.5
1 Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 325 Rz. 75 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 199 f. 2 Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 327 Rz. 88; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 203. 3 Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 328 Rz. 90; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 204. 4 Süß, IPRax 2002, 22 (35); Süß/Hustedt, Erbrecht in Europa, S. 322 Rz. 59; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 207. 5 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 637; Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 987 f. Rz. 7 ff.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand Hinsichtlich des als Vorfrage für das gesetzliche Ehegattenrecht maß- 228 gebenden Güterstatuts ist das Haager Ehegüterrechtsabkommen vom 14.3.1978 vorrangig zu beachten. Nach dessen Art. 4 Abs. 1 ist das Recht des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes der Ehegatten nach Eheschließung, ersatzweise der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten nach Art. 4 Abs. 2 und wiederum ersatzweise bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit und unterschiedlichem gewöhnlichen Aufenthalt unmittelbar nach Eheschließung gemäß Art. 4 Abs. 3 dieses Abkommens das Recht desjenigen Staates maßgebend, zu dem insgesamt die engsten Beziehungen bestehen. Dabei ist das Güterrechtsstatut grundsätzlich unwandelbar und nach Art. 3 Abs. 1 vor der Eheschließung bzw. gemäß Art. 6 Abs. 1 dieses Abkommens nach der Eheschließung das Recht des Staates der Staatsangehörigkeit bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes eines der Ehegatten zur Zeit der Rechtswahl maßgebend.1 Nach Art. 1400 Code Civil ist gesetzlicher Güterstand die Errungen- 229 schaftsgemeinschaft, wobei insbesondere nach Art. 1405 Code Civil weder in das Gesamtgut noch an beide Ehegatten gemeinsam zugewendete Schenkungen bzw. letztwillige Zuteilungen zum Eigengut des dadurch Begünstigten gehören. Im Wege notarieller Beurkundung können Ehegatten durch Ehevertrag insbesondere nach Art. 1536 Code Civil Gütertrennung, gem. Art. 1569 Code Civil Zugewinngemeinschaft bzw. nach Art. 1498 Code Civil Fahrnis- und Errungenschaftsgemeinschaft vereinbaren.2 cc) Gesetzliches Erbrecht Der längstlebende Ehegatte erhält neben Kindern bzw. entfernteren Ab- 230 kömmlingen wahlweise mindestens 1/4 Erbteil und höchstens das Eigentum an einem Nachlassanteil des Abkömmlings mit dem geringsten Erbteil oder den Nießbrauch an dem Seitens der Ehegatten gemeinsam bewohnten und entweder im gemeinsamen Eigentum oder dem Alleineigentum des Erblassers befindlichen Grundstück samt den diesbezüglichen Einrichtungsgegenständen (Art. 767–1 Code Civil) sodass je nach Wahl des längstlebenden Ehegatten die Gesamterbquote der Kinder bzw. Abkömmlinge 3/4 beträgt oder im Falle der Nießbrauchslösung der gesamte aber dann entsprechend belastete Nachlass den Kindern bzw. Abkömmlingen zufällt. Dabei wirkt sich der jeweilige Güterstand der Ehegatten nicht auf die Erbquote, sondern stattdessen auf die Zusammensetzung des Nachlasses aus.3
1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 409 S. 504 f.; Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 989 Rz. 18. 2 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 409 S. 511 ff. 3 Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 997 Rz. 59 u. Rz. 62.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
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Soweit verschieden- oder gleichgeschlechtliche Paare ein Partenariat als eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander eingehen, ergeben sich daraus weder erb- noch pflichtteilsrechtliche einer Ehe entsprechende Rechte.1 dd) Pflichtteilsrecht
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Das Pflichtteilsrecht ist nach Art. 913 Code Civil nicht als lediglich schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch, sondern stattdessen als dingliches Noterbrecht ausgestaltet, dass jedoch erst nach Geltendmachung einer Herabsetzungsklage gem. Art. 920 Code Civil entsteht und nicht lediglich bei gewillkürter Erbfolge, sondern bereits bei beeinträchtigenden Verfügungen zu Lebzeiten ausgelöst werden kann. Pflichtteilsberechtigt sind ausschließlich die Abkömmlinge des Erblassers nach Artt. 913, 914 Code Civil und damit insbesondere weder der längstlebende Ehegatte noch die Eltern des erstversterbenden Ehegatten bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen.2 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung
233
Ein Erbverzicht oder ein Pflichtteilsverzicht ist nach Art. 791 Code Civil unzulässig.3
234
Stattdessen kommt lediglich eine Erbausschlagung nach dem Tod des Erblassers gegenüber dem die Erbschaft eröffnenden Gericht nach Art. 784 Code Civil in Betracht.4 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament
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Ein Erbvertrag ist nach Art. 1130 Code Civil, ein gemeinschaftliches Testament nach Art. 968 Code Civil unzulässig, wobei zwei testamentarische Verfügungen ohne wechselseitige Bindungswirkung in derselben Urkunde zusammengefasst werden können.5 e) Frankreich aa) Erbstatut
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Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut nach Art. 3 Abs. 2 Code Civil für Grundstücke nach dem Recht deren Belegenheitsortes, während für bewegliches Vermögen gewohnheitsrechtlich das 1 2 3 4 5
Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 999 Rz. 70. Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 1005 ff. Rz. 106 ff. Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 1007 Rz. 115. Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 1007 Rz. 116 u. S. 1011 Rz. 141. Trib. d’arrondissement Luxembourg v. 13.1.1960 – Pas Lux. 18, 144; Ferid/Firsching/ Dörner/Hausmann/Hustedt/Watgen, Internationales Erbrecht, Länderbericht Luxemburg, Grundzüge Rz. 58; Süß/Frank, Erbrecht in Europa, S. 1008 Rz. 125.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Recht desjenigen Staates maßgebend ist, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes den Wohnort hatte.1 Dies führt regelmäßig zur Nachlassspaltung. Dabei werden Rück- und Weiterverweisungen anerkannt. Eine Rechtswahl des Erbstatutes ist nicht vorgesehen.2 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand Das für das gesetzliche Erbrecht als wichtige Vorfrage relevante Güter- 237 rechtsstatut richtet sich gem. Art. 4 Haager Ehegüterrechtsübereinkommen vom 14.3.1978 nach dem Recht desjenigen Staates, in dem beide Ehegatten nach der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen, abweichend davon jedoch ausnahmsweise nach dem Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit gem. Art. 4 Abs. 2 dieses Abkommens, soweit beide Ehegatten Staatsangehörige eines Vertragsstaates mit einem Vorbehalt nach Art. 5 Abs. 1 des Abkommens sind wie beispielsweise niederländische Staatsangehörige, bzw. die Ehegatten Angehörige eines Nichtvertragsstaates des Abkommens sind und das Internationale Privatrecht des Heimatstaates sowie dasjenige des Aufenthaltsstaates jeweils an das gemeinsame Heimatrecht anknüpfen bzw. nach Art. 7 Abs. 2 des Abkommens bei einem ersten gewöhnlichen Aufenthalt nach der Heirat jeweils in verschiedenen Staaten, solange sie nicht anschließend ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat aufnehmen, dessen Recht dann anwendbar ist. Das Güterrechtsstatut ist nach Art. 7 Abs. 1 des Abkommens grundsätzlich unwandelbar. Eine Güterrechtswahl ist durch Ehevertrag nach Artt. 3 Abs. 1, 6 des Abkommens zulässig.3 Daneben kommt auch der auf dem deutsch-französischen Abkommen als 238 Völkerrechtsvertrag basierende Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft nach § 1519 BGB sowohl für deutsch-französische gemischtnationale als auch für ausschließlich nationale Ehen in Betracht, der jedoch Verfügungsbeschränkungen enthält, die im Gegensatz zu den Regelungen der §§ 1365, 1369 BGB nicht dispositiv sind, und dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht im Übrigen zumindest ähnlich ist (s. dazu ausführlich nachfolgend 2. Kap. Rz. 30). Nach Art. 1400 Code Civil ist gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft. Durch notarielle Beurkundung iSd. Artt. 1394 Abs. 1, 1397 Abs. 1 Code Civil können ehevertraglich die Güterstände der Gütergemeinschaft nach Art. 1497 Code Civil, der Gütertrennung nach Art. 1536 Code Civil oder der Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach Art. 1569 Code Civil vereinbart werden, wobei frühestens zwei Jahre nach der letzten Änderung bzw. im Falle einer Ehevertragsbeurkundung vor Eheschließung frühes-
1 BayObLG v. 3.4.1990 – BReg. 1a Z 70/89, FamRZ 1990, 1123 = NJW-RR 1990, 1033. 2 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 634; Süß/Döbereiner, Erbrecht in Europa, S. 613 ff. Rz. 1 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 183 f. 3 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 371 S. 441 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 213 ff.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
tens zwei Jahre nach Eheschließung gem. Artt. 1395, 1397 Abs. 1 Code Civil Veränderungen beurkundet werden dürfen.1 cc) Gesetzliches Erbrecht 239
Der längstlebende Ehegatte erbt neben Abkömmlingen 1/4, hat jedoch, wenn ausschließlich gemeinsame Abkömmlinge beider Ehegatten vorhanden sind, das Wahlrecht nach Art. 757 Code Civil, dieses Erbrecht durch den Nießbrauch am gesamten Nachlass zu ersetzen, während die Erben bis zur Nachlassteilung gegenüber dem längstlebenden Ehegatten die Umwandlung des Nießbrauches in eine Leibrente nach Art. 759 Code Civil durchsetzen können. Im Gegensatz dazu erbt der längstlebende Ehegatte neben Eltern des Erblassers die Hälfte, die sich nach Art. 757–1 Code Civil auf 3/4 erhöht, wenn ein Elternteil vorverstorben ist, bzw. nach Art. 757–2 Code Civil zur Alleinerbschaft des Ehegatten erstarkt, wenn weder Abkömmlinge noch Eltern des erstverstorbenen Ehegatten vorhanden sind. Zusätzlich hat der längstlebende Ehegatte ein lebzeitiges unentgeltliches Nutzungsrecht an der dem erstverstorbenen Ehegatten gehörenden Ehewohnung samt Mobiliar, das nach Art. 765 Code Civil jedoch auf den Erbteil anzurechnen ist.2
240
Wahlweise hat der Erblasser die Möglichkeit, den längstlebenden Ehegatten zu 1/4 als erbenden Eigentümer und zu 3/4 als Nießbrauchsberechtigten oder als Nießbrauchsberechtigten am Gesamtnachlass nach Art. 1094-1 Code Civil einzusetzen. Dabei kann der Erblasser dem längstlebenden Ehegatten selbst das diesbezügliche Wahlrecht erweitert um die Alternative der Erbeinsetzung auf den allgemeinen freien Teil nach Art. 913 Code Civil zu überlassen.3
241
Soweit verschieden- oder gleichgeschlechtliche Paare ein Partenariat als eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander eingehen, ergeben sich daraus weder erb- noch pflichtteilsrechtliche einer Ehe entsprechende Rechte.4 dd) Pflichtteilsrecht
242
Seit dem 1.1.2007 ist das Pflichtteilsrecht gemäß Art. 924 Code Civil lediglich als schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch und im Gegensatz zu der davor bestehenden Rechtslage nicht mehr als dingliches Noterbenrecht ausgestaltet. Pflichtteilsberechtigt sind alleine die Kinder, wobei die Pflichtteilsquote einem Kind 1/2, bei zwei Kindern 2/3 und bei drei oder 1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 391 S. 448 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 232 ff. 2 Süß/Döbereiner, Erbrecht in Europa, S. 635 f. Rz. 64 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 244 f. 3 Süß/Döbereiner, Erbrecht in Europa, S. 635 f. Rz. 66 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 250. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 240 f.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
mehr Kindern 3/4 des Nachlasses nach Art. 913 Code Civil beträgt, der Ehegatte hingegen nur dann pflichtteilsberechtigt ist, wenn weder Abkömmlinge noch Vorfahren des Erblassers hinterlassen wurden und die Pflichtteilsquote dann nach Art. 916 Code Civil 1/4 beträgt. Vorfahren sind nicht pflichtteilsberechtigt, haben aber die Möglichkeit, dem Erblasser gewährte Geschenke, soweit dieser keine Abkömmlinge hinterlässt, nach Art. 738-2 Code Civil zurückzuverlangen.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Seit dem 1.1.2007 sind Pflichtteilsverzichtsverträge nach Art. 930 Code 243 Civil zulässig und wirksam, wenn sie sukzessive in Abwesenheit des jeweils anderen Vertragsteils für jede der beiden Parteien alleine durch zwei Notare getrennt beurkundet werden, was in Deutschland so nicht möglich ist. Hier bietet sich allenfalls an, in Deutschland jeweils getrennt vor einem Notar unter Hinzuziehung eines weiteren Notars sukzessive mittels Angebot und Annahme zu beurkunden und diese Beurkundung sicherheitshalber in Frankreich wiederholen zu lassen.2 Für eine Erbausschlagung nach Art. 804 Code Civil, die gegenüber dem 244 Tribunal de Grand Instance zu erklären ist, genügt die Schriftform.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag sind nach Artt. 968, 1130 245 Abs. 2 bzw. 1389 Code Civil unzulässig, wobei ein außerhalb Frankreichs errichtetes gemeinschaftliches Testament auch in Frankreich für wirksam angesehen wird, während hinsichtlich eines Erbvertrages unklar ist, ob aufgrund Art. 1130 Abs. 2 Code Civil ein materielles Verbot mit der Folge einer diesbezüglichen Unwirksamkeit anzunehmen ist. Sicherheitshalber sollte daher zu zwei gesondert errichteten Einzeltestamenten geraten werden.4 f) Schweiz aa) Erbstatut Da die Schweiz kein Vertragsstaat der EuErbVO ist, findet dort das Kollisi- 246 onsrecht der EuErbVO keine Anwendung. Stattdessen ist das schweizerische IPR maßgebend. Danach ist für das Erbstatut gem. Art. 90 Abs. 1 iVm. Art. 91 Abs. 1 IPRG der letzte Wohnsitz des Erblassers maßgebend. Ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz kann nach 1 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 248 f. 2 Ähnlich Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 251 f. 3 Süß/Döbereiner, Erbrecht in Europa, S. 663 ff. Rz. 149 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 267. 4 Süß/Döbereiner, Erbrecht in Europa, S. 645 f. Rz. 96 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 256 ff.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Art. 90 Abs. 2 IPRG das Recht seiner Staatsangehörigkeit wählen, wobei aus schweizerischer Sicht deutsches Recht nur dann Anwendung findet, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes noch deutscher Staatsangehöriger gewesen und nicht Schweizer Bürger geworden ist.1 247
Ein schweizerischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Deutschland unterliegt aus Sicht eines deutschen Gerichts im Falle eines Todeseintrittes bis einschließlich 16.8.2015 vor Anwendbarkeit der EuErbVO deutschem Erbrecht, da die Rückverweisung aus Art. 91 Abs. 1 IPRG nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB angenommen wird.2 Aus Sicht schweizerischer Gerichte wird nach wohl hM gemäß den Grundsätzen der „foreign court theory“ bis zur Anwendbarkeit der EuErbVO in diesem Falle ebenfalls deutsches Recht anzuwenden sein, da dann wie durch ein deutsches Gericht zu entscheiden wäre, das zunächst nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung schweizerischen Rechts gelangte, welches seinerseits jedoch nach Art. 91 Abs. 1 IPRG wiederum auf deutsches Recht zurückverweisen würde, das dann durch das deutsche Recht endgültig anzunehmen wäre,3 während nach einer Mindermeinung wegen der Annahme des Verweises aus Art. 25 Abs. 1 EGBGB auf schweizerisches Recht dieses über Art. 14 Abs. 2 IPRG angenommen werde.4 Ein schweizerischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland kann jedoch nach Art. 91 Abs. 2 iVm. Art. 87 Abs. 2 IPRG entweder für seinen gesamten Nachlass oder für sein in der Schweiz befindliches Nachlassvermögen schweizerisches Recht wählen.5 Soweit die Rechtswahl auf den in der Schweiz belegenen Nachlass beschränkt wird, kann eine Nachlassspaltung eintreten, da die durch Art. 91 Abs. 1 IPRG ausgelöste Rückverweisung auf deutsches Recht um das von der Rechtswahl, die von der Gesamtverweisung nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB anerkannt wird, erfasste Nachlassvermögen reduziert ist.6 Zudem dürfte ohnehin die Zuständigkeit eines schweizerischen Nachlassgerichts für einen mit letztem Wohnsitz in Deutschland verstorbenen schweizerischen Staatsangehörigen nach Art. 87 Abs. 1 IPRG fehlen.7
248
Für Erbfälle ab einschließlich 17.8.2015 richtet sich aus Sicht eines deutschen Nachlassgerichts das Erbstatut gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nicht 1 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (45); Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 639; Süß/ Wolf/Berger-Steiner, Erbrecht in Europa, S. 1327 ff. Rz. 11 ff.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 83 ff. 2 BayObLG v. 3.8.2001 – 1Z BR 101/00, FamRZ 2002, 274 = ZEV 2001, 483; LG Kempten v. 8.8.2002 – 3 O 2474/01, IPrax 2004, 530 = ZEV 2003, 165; Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (43 f.); IPRG-Kommentar/Heini, Art. 91 IPRG Rz. 5; Krzywon, BWNotZ 1989, 153 (156); Lorenz, DNotZ 1993, 148 (152); aA v. Overbeck, IPRax 1988, 329 (332 f.). 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2001, 153 (154); Siehr, Das Internationale Privatrecht der Schweiz, 2002, S. 165; Siehr, FS für Piotet, S. 531 (547). 4 Dutoit, Commentaire de la loi federale du 18. Décembre 1987, 5. Aufl. 2010, Art. 91 IPRG Rz. 4 f.; Krzywon, BWNotZ 1989, 153 (156). 5 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (45). 6 Siehr, Festschrift für Piotet, 1990, S. 531 (541). 7 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 85.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
mehr nach der Staatsangehörigkeit, sondern dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, soweit nicht nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausnahmsweise wegen offensichtlich engerer Verbindungen des Erblassers zu einem anderen Staat dessen Recht anzuwenden ist bzw. der Erblasser gem. Art. 22 EuErbVO eine Rechtwahl getroffen hat bzw. eine vorher getroffene Rechtswahl nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO fort gilt.1 Durch Staatsvertrag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und 249 seiner königlichen Hoheit dem Großherzog von Baden betreffend die gegenseitigen Bedingungen über Freizügigkeit und weitere nachbarliche Verhältnisse vom 6.12.1856 wurden für schweizerische Erblasser einerseits bzw. deutsche Erblasser mit badischem Bürgerrecht andererseits kollisionsrechtliche Regelungen für das jeweilige Erbstatut getroffen. Trotz Vertragskündigung zum 28.2.1979 hat sich die Schweiz einseitig die weitere Anwendung des dortigen Art. 6 auf Erbschaften vorbehalten, deren Teilung aufgrund einer vor dem 28.2.1979 errichteten letztwilligen Verfügung zu erfolgen hat2, während der Staatsvertrag in Baden vollumfänglich außer Kraft trat3. Wörtlich heißt es in dieser Regelung: „Sollte unter denjenigen, welche auf die gleiche Verlassenschaft Anspruch machen, über die Erbsberechtigung Streit entstehen, so wird nach den Gesetzen und durch die Gerichte desjenigen Landes entschieden werden, in welchem das Eigentum sich befindet. Liegt der Nachlass in beiden Staaten, so sind die Behörden desjenigen Staates kompetent, dem der Erblasser bürgerrechtlich angehört, oder in welchem er zur Zeit des Todes wohnte, wenn er nicht Bürger eines der kontrahierenden Staaten war.“4 Diese Vorschrift wird dahingehend ausgelegt, dass der unbewegliche Nachlass des Erblassers dem Recht des Belegenheitsortes, beweglicher Nachlass hingegen dem Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers unterliegt.5 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand Als für die Bestimmung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts maßgebende 250 Vorfrage sieht Art. 54 IPRG als Ehegüterstatut jeweils nach Art. 55 Abs. 1 IPRG mit Rückwirkung wandelbar das Recht des jeweiligen gemeinsamen bzw. letzten gemeinsamen Wohnsitzes, ersatzweise der gemeinsamen Staatsangehörigkeit und wiederum ersatzweise den Güterstand der Gütertrennung nach schweizerischem Recht vor, wobei nach Art. 14 Abs. 1 IPRG eine Rück- oder Weiterverweisung durch ausländisches Internationales Privatrecht grundsätzlich unbeachtlich ist und nach Art. 52 IPRG ei-
1 2 3 4
Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 101. Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (43). GBl.BW 1979, 79. BadRegBl 1857, 431 = BBl 1857 I, 110; Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann/Lorenz, Internationales Erbrecht, Länderbericht Schweiz, Texte I Nr. 2. 5 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (43); Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann/Lorenz, Internationales Erbrecht, Länderbericht Schweiz“ Rz. 40 mwN.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ne Güterrechtswahl hinsichtlich des Rechts des gemeinsamen Wohnsitzes oder der Staatsangehörigkeit eines der Ehepartner möglich ist.1 251
Wird ein schweizerisches Nachlassgericht mit einem deutsch-schweizerischen Erbfall auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten befasst, ist auf die gesetzliche Regelung nach Art. 54 i.V.m. Art. 55 IPRG abzustellen, wonach die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe, soweit dies nicht ausgeschlossen wird, wandelbar dem Recht des aktuellen gemeinsamen Wohnsitzstaates unterliegen, ohne dass es auf die Staatsangehörigkeit der Ehegatten ankäme. Danach untersteht aus schweizerischer Sicht ein deutsches Ehepaar mit Wohnsitz in der Schweiz dem schweizerischen Ehegüterrecht und damit vorbehaltlich ehevertraglicher Wahl eines anderen Güterstandes dem gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung nach Art. 181 ZGB, während für ein schweizerisches Ehepaar mit Wohnsitz in Deutschland zwar zunächst auf deutsches Kollisionsrecht verwiesen, von dort jedoch über Art. 15 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 auf schweizerisches Recht zurückverwiesen würde. Nach Art. 52 IPRG können Ehegatten zwischen dem Recht des Staates, in dem beide ihren Wohnsitz haben oder nach der Eheschließung haben werden, und dem Recht eines ihrer Heimatstaaten wählen. Umstritten ist, ob eine Teilrechtswahl für außerhalb der Schweiz belegene Vermögenswerte trotz Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung in Art. 52 IPRG zulässig ist.2 Wirksamkeitsvoraussetzung einer Rechtswahl ist nach Art. 53 IPRG lediglich einfache Schriftform. Eine nach Art. 184 ZGB für Eheverträge vorgeschriebene öffentliche Beurkundung ist nicht erforderlich.3
252
Nach Art. 181, 196 ZGB ist der Zugewinngemeinschaft ähnliche Errungenschaftsbeteiligung gesetzlicher Güterstand, die nach Art. 201 ZGB keinerlei Gesamthandsvermögen kennt. Durch nach Art. 84 ZGB notariell beurkundeten Ehevertrag können insbesondere die Güterstände der allgemeinen Gütergemeinschaft nach Art. 222 ZGB, der beschränkten Gütergemeinschaft nach Art. 223 ZGB und der Gütertrennung nach Art. 247 ZGB gewählt werden.4 cc) Gesetzliches Erbrecht
253
Der längstlebende Ehegatte erbt nach Art. 462 Nr. 1 ZGB neben Kindern die Hälfte, nach Art. 462 Nr. 2 ZGB bei Nichtvorhandensein von Ab-
1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 419 S. 561 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 80 ff. 2 Bejahend Schwenzer, DNotZ 1991, 419 (429); Wachter, RNotZ 2001, 65 (74); Volken, Der Bernische Notar 1989, 433 (448); verneinend Bucher, Lausanner Kolloquium, S. 115 (119 u. 123). 3 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (46 f.). 4 Schotten/Schmellenkamp, Anhang II Rz. 419 S. 562 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 88 ff.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
kömmlingen neben Eltern 3/4 und nach Art. 462 Nr. 3 ZGB neben Großeltern den gesamten Nachlass.1 dd) Pflichtteilsrecht Nach Art. 470 ZGB ist das Pflichtteilsrecht als dingliches Noterbrecht 254 und damit nicht lediglich als schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch ausgestaltet, wobei der längstlebende Ehegatte, Abkömmlinge sowie ersatzweise Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt sind und gem. Art. 471 ZGB die Pflichtteilsquote für Abkömmlinge auf 3/4 bzw. für den längstlebenden Ehegatten oder die Eltern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils bemessen ist.2 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Gem. Art. 495 Abs. 1 ZGB ist ein nach Artt. 512, 499 ZGB notariell beur- 255 kundeter Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag zulässig.3 Nach Artt. 566, 567, 570 ZGB ist eine Erbschaftsausschlagung innerhalb 256 einer Frist von 3 Monaten schriftlich oder mündlich gegenüber der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde zu erklären.4 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Nach Art. 494 Abs. 1 ZGB ist ein Erbvertrag zulässig, bedarf jedoch nach 257 Art. 512 Abs. 1 ZGB der notariellen Beurkundung, während ein gemeinschaftliches Testament im Sinne eines Formverbotes unzulässig ist, aber, soweit es nach der entsprechenden Ortsform formwirksam erstellt worden ist, als wirksam anerkannt wird (Art. 93 Abs. 1 IPRG), jedoch keinerlei Bindungswirkung entfalten kann.5 g) Österreich aa) Erbstatut Das erbrechtliche Kollisionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 258 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut gem. §§ 28 Abs. 1, 9 IPRG nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, bei mehrfacher Staatsangehörigkeit ist die österreichische Staatsangehörig-
1 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (39); Süß/Wolf/Berger-Steiner, Erbrecht in Europa, S. 1336 Rz. 48.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 97. 2 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (39); Süß/Wolf/Berger-Steiner, Erbrecht in Europa, S. 1345 ff. Rz. 74 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 98. 3 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (41); Süß/Wolf/Berger-Steiner, Erbrecht in Europa, S. 1345 ff. Rz. 84 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 99. 4 Süß/Wolf/Berger-Steiner, Erbrecht in Europa, S. 1351 f. Rz. 94 f. 5 Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (41); Süß/Wolf/Berger-Steiner, Erbrecht in Europa, S. 1339 f. Rz. 59 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 102 ff.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
keit nach § 9 IPRG vorrangig (Firsching/Graf 2.113). Es ist keine Rechtswahl eröffnet.1 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand 259
Die für das gesetzliche Ehegattenerbrecht wesentliche Vorfrage des Güterstatutes ist nach § 19 IPRG unwandelbar. Die bei Eheschließung gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, ersatzweise der bei Eheschließung gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt und wiederum ersatzweise das österreichische Recht bzw. die im Übrigen engste Verbindung maßgebend. Nach § 19 Halbsatz 1 IPRG ist eine Rechtswahl möglich, die nach überwiegender Ansicht einen „international privatrechtlichen Sachverhalt“ voraussetzt.2
260
Der als Gütertrennung bezeichnete gesetzliche Güterstand ist rechtlich nach § 1237 ABGB iVm. § 81 EheG als Zugewinngemeinschaft ausgestaltet. Durch notariell beurkundeten Ehepakt gem. § 1217 ABGB kann insbesondere der Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft nach § 1233 ABGB vereinbart werden.3 cc) Gesetzliches Erbrecht
261
Der längstlebende Ehegatte erbt nach § 757 Abs. 1 ABGB neben Abkömmlingen des Erblassers 1/3, während Kinder die restlichen 2/3 untereinander zu gleichen Teilen erhalten, neben Eltern oder Großeltern des Erblassers 2/3 und neben anderen gesetzlichen Erben den gesamten Nachlass. Besteht österreichisches Erbstatut mit deutschem Güterrechtstatut bedarf die Zugrundelegung des § 1371 Abs. 1 BGB einer entsprechenden Anpassung an die nach deutschem Recht geltende gesetzliche Gesamtrechtserbquote von 1/2 aus den §§ 1931 Abs. 1 Satz 1, 1371 Abs. 1 BGB durch Reduzierung des sich andernfalls aus der Kombination von 1/3 nach österreichischem gesetzlichen Erbrecht und 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB ergebenen Gesamterbquotenbetrag von 7/12 auf 1/2.4 dd) Pflichtteilsrecht
262
Nach §§ 762, 763 ABGB sind Abkömmlinge des Erblassers, bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen ersatzweise Eltern oder Großeltern des Erblassers sowie der längstlebende Ehegatte pflichtteilsberechtigt, wobei
1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 638; Süß/Haunschmidt, Erbrecht in Europa, S. 1091 f. Rz. 1 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 39 ff. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report, 1997, 134; Schotten/Schmellenkamp/Wegerhoff, Anhang II Rz. 414 S. 541 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 35 ff. 3 Schotten/Schmellenkamp/Wegerhoff, Anhang II Rz. 414 S. 542 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 42 ff. 4 DNotI, Fax-Abruf-Gutachten Nr. 14184 (2005); Süß/Haunschmidt, Erbrecht in Europa, S. 1094 f. Rz. 22 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 50 f.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
das Pflichtteilsrecht als reiner schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch ohne dingliches Noterbrecht ausgestaltet ist und gem. § 765 ABGB nach der Hälfte des gesetzlichen Erbteils bemessen wird.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Nach § 551 ABGB ist ein Erbverzichtsvertrag, gem. § 767 ABGB ein reiner 263 Pflichtteilsverzichtsvertrag zulässig, der notariell beurkundet werden muss und im Zweifel auch zu Lasten der Abkömmlinge Wirkung entfaltet.2 Das österreichische Erbrecht kennt keinen Vonselbsterwerb der Erbschaft, 263a sondern setzt dazu eine Erbschaftsannahme im Sinne einer Erbserklärung nach § 159 AußStrG voraus. Daher fehlt es an der Notwendigkeit einer Erbausschlagung. Soweit sich der Nachlass im Ausland befindet, richtet sich der Modus des Erwerbes einschließlich der Nachlassverbindlichkeitshaftung gem. Art. 32 IPRG nach dem Recht des Belgenheitsortes, so dass für den in Deutschland befindlichen Nachlass eines österreichischen Staatsangehörigen weder eine Erbserklärung nach § 799 ABGB als Annahme noch eine zum eigentlichen Übergang des Vermögens führende gerichtliche Einantwortung nach den §§ 797, 819 ABGB im Sinne eines Verlassenschaftsverfahrens erforderlich wäre (Firsching/Graf Rn. 2.113). Vielmehr gilt hier der Vonselbsterwerb mit dem daraus resultierenden eventuellen Erfordernis einer Erbausschlagung nach § 1942 Abs. 1 BGB.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Nach § 1248 ABGB kann ein gemeinschaftliches Testament ausschließ- 264 lich von Ehegatten und lediglich ohne Bindungswirkungen errichtet werden. Gem. § 1249 ABGB ist ein Erbvertrag nur als Ehepakt zwischen Ehegatten oder Verlobten, lediglich mit Verfügungen zugunsten dieses jeweils anderen Erbpaktpartners und bindend ausschließlich im Umfange von 3/4 des Nachlasses möglich.4 h) Tschechische Republik aa) Erbstatut Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 265 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut gem. § 17 IPRG nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, ohne dass eine 1 Süß/Haunschmidt, Erbrecht in Europa, S. 1094 f. Rz. 22 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 52. 2 Süß/Haunschmidt, Erbrecht in Europa, S. 1108 f. Rz. 85 ff.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 54. 3 Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rz. 2.113; Süß/Haunschmidt, Erbrecht in Europa, S. 1121 ff. Rz. 139 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 74. 4 Süß/Haunschmidt, Erbrecht in Europa, S. 1103 f. Rz. 60. u. S. 1107 f. Rz. 76; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 57 ff. mit Gestaltungsvorschlägen.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
Rechtswahl eröffnet ist, wobei jedoch nach § 35 IPRG ein Rückverweis berücksichtigt wird.1 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand 266
Das für das gesetzliche Ehegattenerbrecht im Wege der Vorfrage maßgebende Ehegüterstatut stellt nach § 49 Abs. 3 IPRG jeweils wandelbar auf den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Eheleute, ersatzweise deren gemeinsame Staatsangehörigkeit ab, wobei wiederum ersatzweise tschechisches Recht gilt und eine Rückverweisung auf tschechisches Recht angenommen wird sowie nach § 49 Abs. 4 IPRG eine Güterstatutsrechtswahl zulässig ist, die notarielle Beurkundung voraussetzt.2
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Nach § 143 BGB ist gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft, in der unentgeltliche bzw. letztwillige Zuwendungen ohne entgegenstehende Anordnung des Zuwendenden in das Eigengut des Begünstigten fällt. Durch notariell beurkundeten Ehevertrag nach § 143a BGB kann insbesondere der Güterstand der Gütertrennung nach § 729 BGB vereinbart werden.3 cc) Gesetzliches Erbrecht
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Der längstlebende Ehegatte und die Kinder des Erblassers sind gem. § 1635 BGB nach Köpfen zu gleichen Teilen erbberechtigt, wobei weggefallene Kinder durch deren Abkömmlinge nach Stämmen ersetzt werden. Bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen erben der längstlebende Ehegatte, die Eltern des Erblassers und evtl. mit dem Erblasser zumindest ein Jahr vor dem Erbfall in dem selben Haushalt lebende und diesen Haushalt versorgende oder in ihrem Unterhalt auf den Erblasser angewiesene Personen zu untereinander gleichen Teilen, wobei dem Erblasser mindestens ein Erbteil von 1/2 nach § 1636 BGB verbleiben muss.4
269
Registrierte gleichgeschlechtliche Lebenspartner und nichteheliche Lebensgefährten sind neben Abkömmlingen des Erblassers nicht, im Gegensatz dazu jedoch sehr wohl neben den Eltern des Erblassers bzw. dessen Geschwistern zu gleichen Teilen nach Köpfen gem. §§ 1636, 1637 BGB gesetzlich erbberechtigt.5
1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 640; Süß/Rombach, Erbrecht in Europa, S. 1484. Rz. 2 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1032 f. 2 Schotten/Schmellenkamp/Wittkowski, Anhang II Rz. 425 S. 593 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1026 ff. 3 Schotten/Schmellenkamp/Wittkowski, Anhang II Rz. 425 S. 595 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1037. 4 Süß/Rombach, Erbrecht in Europa, S. 1488. Rz. 19 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1045. 5 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1043.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
dd) Pflichtteilsrecht Im Gegensatz zum früheren tschechischen Recht ist der Pflichtteil nach 270 § 1654 BGB seit dem 1.1.2014 als bloßer schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch ohne dingliches Noterbrecht ausgestaltet, wobei nach § 479 BGB ausschließlich Abkömmlinge, jedoch weder Eltern noch der längstlebende Ehegatte pflichtteilsberechtigt sind und die Pflichtteilshöhe für minderjährige Abkömmlinge 3/4, für volljährige Abkömmlinge 1/2 des gesetzlichen Erbteils beträgt, § 1643 BGB.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Ebenfalls seit dem 1.1.2014 ist erstmals ein Erbverzichts- bzw. ein Pflicht- 271 teilsverzichtsvertrag eröffnet, der nach § 1484 BGB der notariellen Beurkundung bedarf.2 Nach § 1485 BGB ist eine Erbausschlagung innerhalb einer Frist von ei- 272 nem Monat ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Belehrung über das Ausschlagungsrecht durch Erklärung gegenüber dem Gericht zu erklären.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Ebenfalls seit dem 1.1.2014 ist nach § 1582 BGB erstmals ein Erbvertrag 273 zulässig, der nicht nur zwischen Ehegatten, sondern nach § 1584 BGB auch zwischen anderen Personen abgeschlossen werden kann, jedoch nach § 1585 BGB lediglich im Umfange von 3/4 des Nachlasses bindend vereinbart werden kann und nach § 1582 Abs. 2 BGB der notariellen Beurkundung bedarf.4 Ein gemeinschaftliches Testament ist nach § 476 Abs. 3 BGB verboten.5 i) Polen aa) Erbstatut Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 274 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut gem. Artt. 64 Abs. 2, 65 IPRG nach der Staatsangehörigkeit des Erblasser, wobei nach Art. 64 Abs. 1 IPRG eine Rechtswahl für das Recht der Staatsangehö-
1 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1047; vgl. zum alten Noterbenrecht: Süß/Rombach, Erbrecht in Europa, S. 1501 f. Rz. 71 f. 2 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1048; vgl. zum alten Noterbenrecht: Süß/Rombach, Erbrecht in Europa, S. 1501 Rz. 71. 3 Süß/Rombach, Erbrecht in Europa, S. 1507 f. Rz. 88 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1059. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1051. 5 Süß/Rombach, Erbrecht in Europa, S. 1496. Rz. 52; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 1051.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
rigkeit, des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Erbfalls möglich ist.1 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand 275
Das als Vorfrage für das Ehegattenerbrecht wichtige Ehegüterstatut stellt nach Art. 51 IPRG jeweils wandelbar auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute, ersatzweise auf den jeweiligen gemeinsamen Wohnsitz, wiederum ersatzweise auf den jeweiligen gemeinsamen Aufenthalt und schließlich auf das Recht desjenigen Staates ab, mit dem die Ehegatten anderweitig am engsten verbunden sind. Nach Art. 52 IPRG kann zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Aufenthaltes eines der Ehegatten eine Rechtswahl getroffen werden.2
276
Nach Art. 31 FamGB ist die Errungenschaftsgemeinschaft gesetzlicher Güterstand. Durch nach Art. 47 FamGB notariell beurkundeten Ehevertrag können insbesondere die Güterstände der Gütertrennung nach Art. 51 FamGB bzw. der Gütertrennung mit Zugewinngemeinschaft nach Art. 51/2, 51/4 FamGB vereinbart werden.3 cc) Gesetzliches Erbrecht
277
Der längstlebende Ehegatte erhält im Anschluss an die hälftige Auseinandersetzung des Gesamtgutes im Wege der Erbfolge bei Vorhandensein von Kindern des Erblassers eine Erbquote, die zu gleichen Teilen nach Köpfen bemessen ist, jedoch 1/4 des Nachlasses nicht unterschreitet (Art. 931 ZGB), während der längstlebende Ehegatte neben Eltern oder Geschwistern des Erblassers die Hälfte des Nachlasses bzw. bei Nichtvorhandensein von Kindern, Eltern, Geschwistern oder Abkömmlingen von Geschwistern nach Art. 935 ZGB alleine erbt.4
278
Eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften bzw. eine gleichgeschlechtliche Ehe sieht das polnische Recht derzeit noch nicht vor (bitte prüfen, Gesetzesentwurf 2011 war schon vorhanden). Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet für den längstlebenden Partner kein gesetzliches Erbrecht.5
1 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 638; Süß/Lakomy, Erbrecht in Europa, S. 1147 f. Rz. 4 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 892. 2 Schotten/Schmellenkamp/Linnenbrink, Anhang II Rz. 415 S. 545 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 889 ff. 3 Schotten/Schmellenkamp/Linnenbrink, Anhang II Rz. 415 S. 546 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 895 f. 4 Süß/Lakomy, Erbrecht in Europa, S. 1148 f. Rz. 9 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 900. 5 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 897 f.
100
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
dd) Pflichtteilsrecht Nach Art. 991 ZGB ist der Pflichtteil als lediglich schuldrechtlicher Geld- 279 zahlungsanspruch ohne dingliches Noterbrecht ausgestaltet, wobei ausschließlich der längstlebende Ehegatte bzw. Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt sind und der Pflichtteil nach Art. 991 ZGB im Grundsatz die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, für Minderjährige bzw. bei Arbeitsunfähigkeit des Berechtigten jedoch ausnahmsweise 2/3 des gesetzlichen Erbteils beträgt.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Nach Art. 1048 ZGB ist ein Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag 280 zulässig und bedarf der notariellen Beurkundung.2 Eine Erbschaftsausschlagung ist nach Art. 1015 § 1 ZGB gegenüber einem 281 Notar oder Nachlassgericht zu erklären.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Nach Artt. 941, 942, 1047 ZGB sind Erbverträge und gemeinschaftliche 282 Testamente materiell verboten und daher unwirksam.4 2. Weitere Staaten a) Italien aa) Erbstatut Das erbrechtliche Kollsionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 283 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut gem. Art. 46 Abs. 1 IPRG nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Der Erblasser kann jedoch gem. Art. 46 Abs. 2 IPRG durch Rechtswahl auch das Recht seines gewöhnlichen Aufenthaltsortes bestimmen, wenn er in diesem Staat bei seinem Tod noch den gewöhnlichen Aufenthalt hat, wobei er aber dann, wenn er italienischer Staatsangehöriger ist, Pflichtteilsrechte von bei seinem Tod mit ihrem gewöhnlichen Aufenthalt in Italien lebenden Pflichtteilsberechtigten nicht beeinträchtigen kann.5
1 Gralla, ZNotP 1997, 47 (50); Süß/Lakomy, Erbrecht in Europa, S. 1154 f. Rz. 36 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 897 f. 2 Süß/Lakomy, Erbrecht in Europa, S. 1156 Rz. 41.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 902. 3 Süß/Lakomy, Erbrecht in Europa, S. 1158 f. Rz. 50 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 909. 4 Süß/Lakomy, Erbrecht in Europa, S. 1156 Rz. 41; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 905. 5 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 635; Süß/Cubbedu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, S. 829 f. Rz. 3 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 273 f.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand 284
Das als wichtige Voraussetzung für die Bestimmung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts geltende Ehegüterstatut richtet sich nach Art. 30 IPRG wandelbar nach der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten, ersatzweise nach dem Recht des Ortes des jeweiligen Schwerpunktes der Eheführung, wobei nach Art. 30 Abs. 1 Satz 2 IPRG eine Güterstatutsrechtswahl zulässig ist und dabei das Recht der Staatsangehörigkeit oder des gewöhnlichen Aufenthaltes eines der Ehegatten jeweils jedoch ausschließlich für das Gesamtvermögen gewählt werden kann.1
285
Nach Artt. 159, 177 Codice Civile ist gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft, wobei nach Art. 179b Codice Civile unentgeltliche lebzeitige oder letztwillige Zuwendungen zum Eigengut des begünstigten Ehegatten gehören, soweit sie vom Zuwenden nicht dem Gesamtgut zugeordnet wurden. Durch nach Artt. 162 Abs. 1, 2269 Codice Civile notariell beurkundeten Ehevertrag kann wahlweise der Güterstand der Gütertrennung nach Art. 215 Codice Civile bzw. eine Modifizierung des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft nach Art. 210 Codice Civile vereinbart werden.2 cc) Gesetzliches Erbrecht
286
Das gesetzliche Erbrecht des längstlebenden Ehegatten beträgt neben Abkömmlingen nach Art. 581 Codice Civile 1/3, bei lediglich einem Kind die Hälfte, neben Eltern oder Geschwistern gem. Art. 582 Codice Civile 2/3 bzw. bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen, Eltern und Geschwistern nach Art. 583 Codice Civile den vollständigen Nachlass jeweils vor Abzug der güterrechtlichen Beteiligung des längstlebenden Ehegatten gem. Art. 194 Codice Civile in Höhe der Hälfte des Gesamtgutes.3 dd) Pflichtteilsrecht
287
Das Pflichtteilsrecht ist gem. Art. 457 Codice Civile als dingliches Noterbrecht und damit gerade nicht als lediglich schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch ausgestaltet, Dabei muss das Noterbrecht erst durch gestaltende Herabsetzungsklage durchgesetzt werden. Zudem sind nach Art. 536 Abs. 1 Codice Civile ausschließlich der längstlebende Ehegatte, die Abkömmlinge und die Vorfahren pflichtteilsberechtigt. Die Höhe des Pflichtteilsrechts beträgt bei Vorhandensein des längstlebenden Ehegatten und mehreren Kindern nach Art. 542 Abs. 2 Codice Civile bezüglich des längstlebenden Ehegatten 1/4 und hinsichtlich der Kinder insgesamt die 1 Schotten/Schmellenkamp/Priemer, Anhang II Rz. 403 S. 476 f.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 270 ff. 2 Schotten/Schmellenkamp/Priemer, Anhang II Rz. 403 S. 477 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 275 ff. 3 Süß/Cubbedu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, S. 840 ff. Rz. 30 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 283 f.
102
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Hälfte des Nachlasses, bei Vorhandensein des längstlebenden Ehegatten neben einem einzigen Kind nach Art. 542 Abs. 1 Codice Civile sowohl für den längstlebenden Ehegatten als auch für das Kind jeweils 1/3 des Nachlasses, bei Hinterlassung von zwei Kindern ohne einen längstlebenden Ehegatten nach Art. 537 Abs. 2 Codice Civile insgesamt 2/3, bei Hinterlassung ausschließlich des Ehegatten oder ausschließlich eines Kindes nach Art. 537 Abs. 1 bzw. Art. 540 Abs. 1 Codice Civile jeweils die Hälfte, bei Hinterlassung ausschließlich des längstlebenden Ehegatten ohne Abkömmlinge jedoch mit Vorfahren nach Art. 544 Codice Civile für den längstlebenden Ehegatten 1/2 und die Vorfahren insgesamt 1/4 sowie bei ausschließlichem Vorhandensein von Vorfahren nach Art. 538 Codice Civile insgesamt die Vorfahren 1/3 des Nachlasses, beim längstlebenden Ehegatten zuzüglich eines ihm zwingend zustehenden Voraus in Gestalt eines lebenslangen Wohnrechtes an der Ehewohnung samt Benutzungsrecht am Hausrat nach Art. 540 Abs. 2 Codice Civile.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Nach Art. 458 Codice Civile ist sowohl ein Erbverzicht- als auch ein 288 Pflichtteilsverzichtsvertrag unwirksam, soweit nicht nach Artt. 768 bis ff. Codice Civile im Rahmen einer Betriebsübertragung in Gestalt eines Familienvertrages ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen wird, der dann ausnahmsweise zulässig ist.2 Das italienische Recht kennt keinen Vonselbsterwerb der Erbschaft, son- 289 dern setzt diesbezüglich eine Erbschaftsannahme im Sinne des Art. 459 Codice Civile voraus. Soweit die Erbschaft nicht angetreten werden soll, kommt eine Erbschaftsausschlagung in Betracht, die durch einen Notar bzw. Kanzleibeamten des zuständigen Bezirksgerichts aufzunehmen und in das Register über die Erbfolge einzutragen ist (nach Art. 519 Abs. 1 Codice Civile), andernfalls gegenüber dritten Miterben keine Wirkung entfaltet.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Nach Artt. 458 Satz 1, 589 Codice Civile bzw. nach Art. 635 Codice Civile 290 ist sowohl ein Erbvertrag als auch ein gemeinschaftliches Testament materiell-rechtlich unzulässig und nichtig.4
1 Süß/Cubbedu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, S. 853 ff. Rz. 83 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 285 f. 2 Süß/Cubbedu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, S. 860 Rz. 106; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 289 ff. 3 Süß/Cubbedu Wiedemann/Wiedemann, Erbrecht in Europa, S. 860 Rz. 155 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 304 ff. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 294 f.
103
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
b) Türkei aa) Erbstatut 291
Da die Türkei kein Vertragsstaat der EuErbVO ist, findet dort das Kollisionsrecht der EuErbVO keine Anwendung. Stattdessen ist, soweit keine vorrangigen Staatsverträge gelten, das türkische IPR maßgebend. Das bilaterale deutsch-türkische Nachlassabkommen hat – ebenso wie aus deutscher Sicht für Erbfälle bis zum 16.8.2015 nach Art. 3 Nr. 2 EGBGB bzw. für Erbfälle ab dem 17.8.2015 gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO – auch nach türkischem Recht für das Erbstatut Vorrang vor dem jeweiligen nationalen IPR. Dabei ist in deutsch-türkischen Nachlassfällen gem. § 14 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens1 für Grundstücke das Recht des diesbezüglichen Belegenheitsortes bzw. für bewegliches Vermögen das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers maßgebend, so dass eine Nachlassspaltung eintreten kann. Außerhalb des Anwendungsbereichs des deutsch-türkischen Nachlassabkommens unterliegt nach Art. 20 IPRG das in der Türkei belegene unbewegliche Vermögen dem türkischen Recht, während für das sonstige Vermögen das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers maßgebend ist. Eine Rechtswahl ist weder im deutschtürkischen Nachlassabkommen noch nach türkischem IPR eröffnet.2 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand
292
Das als Vorfrage für das gesetzliche Ehegattenerbrecht maßgebende Ehegüterrechtsstatut stellt nach Art. 15 IPRG unwandelbar auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung, ersatzweise auf den diesbezüglichen gemeinsamen Wohnsitz und wiederum ersatzweise ausschließlich auf türkisches Güterrecht ab. Gem. Art. 15 Abs. 1 IPRG kann vor Eheschließung das Recht der Staatsangehörigkeit oder des gewöhnlichen Aufenthaltes eines Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung, nach Eheschließung jedoch ausschließlich das Recht einer späteren gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten gewählt werden.3
293
In Anlehnung an das schweizerische Zivilgesetzbuch ist die Errungenschaftsbeteiligung ohne Bildung von Gesamtgut gesetzlicher Güterstand, wobei durch nach Art. 204 ZGB notariell zu beurkundenden Ehevertrag insbesondere gem. Art. 206 ZGB der Güterstand der Gütertrennung, nach Art. 244 ZGB der Güterstand der Gütertrennung mit Aufteilgut bzw. gem.
1 Anlage zu Art. 20 des deutsch-türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929 (RGBl. 1930 II, S. 748, fortgeltend aufgrund Bekanntmachung vom 26.2.1952, BGBl. II 1952, S. 608. 2 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 640; Süß/Kilic, Erbrecht in Europa, S. 1526 ff. Rz. 1 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 116 f. 3 Schotten/Schmellenkamp/Naumann, Anhang II Rz. 426 S. 597 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 114 ff.
104
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Art. 256 ZGB der Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart werden kann.1 cc) Gesetzliches Erbrecht Das gesetzliche Ehegattenerbrecht beträgt nach Art. 499 Nr. 1 ZGB neben 294 Abkömmlingen 1/4 bzw. neben Eltern oder ersatzweise deren Nachkömmlingen die Hälfte des Nachlasses.2 dd) Pflichtteilsrecht Das Pflichtteilsrecht ist als dingliches durch Herabsetzungsklage durch- 295 zusetzendes Noterbrecht und damit nicht lediglich als schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch ausgestaltet, wobei nach Art. 506 ZGB Abkömmlinge zur Hälfte, jeder Elternteil zu 1/4 und der längstlebende Ehegatte neben gesetzlichen Erben nach seinem gesetzlichen Erbteil bzw. als gesetzlicher Alleinerbe zu 3/4 pflichtteilsberechtigt ist.3 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Nach Art. 528 ZGB ist ein Erbverzichtsvertrag zulässig und dürfte im 296 Zweifel wegen der Ausgestaltung als dingliches Noterbrecht auch den Pflichtteil miterfassen, wobei angesichts des Erfordernisses der gestalterischen Herabsetzungsklage zur Auslösung des Noterbrechts sicherheitshalber auch das dingliche Pflichtteilsrecht ausdrücklich mit einbezogen werden sollte.4 Eine Erbausschlagung ist nach Art. 609 ZGB gegenüber dem Friedens- 297 gericht in Ankara, Istanbul oder Izmir innerhalb einer Frist von drei Monaten zu erklären, wobei allgemein die Aushändigung durch einen vor Ort ansässigen Rechtsanwalt empfohlen wird.5 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Nach Art. 527 ZGB ist ein Erbvertrag zulässig und bedarf gem. Art. 545 298 ZGB der notariellen Beurkundung. Dagegen gilt ein gemeinschaftliches Testament mangels gesetzlicher Regelung als unzulässig.6 1 Schotten/Schmellenkamp/Naumann, Anhang II Rz. 426 S. 598 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 118 ff. 2 Süß/Kilic, Erbrecht in Europa, S. 1533 Rz. 23 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 131. 3 Süß/Kilic, Erbrecht in Europa, S. 1544 f. Rz. 63 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 132 f. 4 Süß/Kilic, Erbrecht in Europa, S. 1547 Rz. 71; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 135. 5 DNotI, DNotI-Gutachten, 2000, Fax-Abruf-Nr. 14106; Süß/Kilic, Erbrecht in Europa, S. 1548 f. Rz. 78 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 144. 6 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 144.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
c) Russland aa) Erbstatut 299
Da Russland kein Vertragsstaat der EuErbVO ist, findet dort das Kollisionsrecht der EuErbVO keine Anwendung. Stattdessen ist, soweit keine vorrangigen Staatsverträge gelten, das russische IPR maßgebend. Der bilaterale deutsch-sowjetische Konsularvertrag hat – ebenso wie aus deutscher Sicht für Erbfälle bis zum 16.8.2015 nach Art. 3 Nr. 2 EGBGB bzw. für Erbfälle ab dem 17.8.2015 gem. Art. 75 Abs. 1 EuErbVO – auch nach russischem Recht für das Erbstatut Vorrang vor dem jeweiligen nationalen IPR. Dabei ist in deutsch-russischen Nachlassfällen gem. Art. 28 Abs. 3 des deutsch-sowjetischen Konsularvertrags vom 25.4.19581 für Grundstücke das Recht des diesbezüglichen Belegenheitsortes bzw. für bewegliches Vermögen das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers maßgebend, so dass eine Nachlassspaltung eintreten kann. Außerhalb des Anwendungsbereichs des deutsch-sowjetischen Konsularvertrags unterliegt gem. Art. 1224 ZGB das unbewegliche Vermögen ebenfalls dem Recht des Belegenheitsortes und das bewegliche Vermögen dem Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers, wobei eine Rück- bzw. Weiterverweisung durch das so berufene Wohnsitzrecht nach Art. 1190 ZGB unbeachtlich bleibt.2 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand
300
Das als Vorfrage für das gesetzliche Ehegattenerbrecht maßgebende Ehegüterrechtsstatut stellt nach Art. 161 Abs. 1 FamGB wandelbar auf den jeweiligen gemeinsamen Wohnsitz, ersatzweise auf den letzten gemeinsamen Wohnsitz ab, wiederum ersatzweise ist russisches Recht maßgend. Gem. Art. 161 Abs. 2 FamGB ist eine Rechtswahl möglich, soweit kein gemeinsamer Wohnsitz besteht.3
301
Nach Art. 33 FamGB ist gesetzlicher Güterstand die Errungenschaftsgemeinschaft. Durch gem. Artt. 40, 41 FamGB notariell zu beglaubigenden Ehevertrag kann ein anderer Güterstand, insbesondere der Güterstand der Gütertrennung gewählt werden.4 cc) Gesetzliches Erbrecht
302
Nach Art. 1141 Abs. 2 ZGB erbt der längstlebende Ehegatte neben Kindern, ersatzweise deren Abkömmlingen und Eltern zu gleichen Teilen nach Köpfen, bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen und Eltern alleine.5 1 BGBl II 1959, S. 233 u. S. 469. 2 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 639; Süß/Masannek, Erbrecht in Europa, S. 1253 ff. Rz. 2 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 942 ff. 3 Schotten/Schmellenkamp/Heins, Anhang II Rz. 417 S. 553 f.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 938 ff. 4 Schotten/Schmellenkamp/Heins, Anhang II Rz. 417 S. 554 f.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 947 f. 5 Süß/Masannek, Erbrecht in Europa, S. 1258 Rz. 24; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 953 f.
106
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
dd) Pflichtteilsrecht Gem. Art. 1149 ZGB ist das Pflichtteilsrecht nicht als rein schuldrecht- 303 licher Geldzahlungsanspruch, sondern als dingliches Noterbrecht ohne Erfordernis einer Herabsetzungsklage ausgestaltet, wobei lediglich minderjährige Kinder, arbeitsunfähige Kinder, der arbeitsunfähige längstlebende Ehegatte und arbeitsunfähige Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt sind und deren Pflichtteilsquote die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Ein Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag ist unzulässig.2
304
Nach Art. 1159 ZGB muss eine Erbausschlagung gem. Artt. 1154 Abs. 1, 305 1157 Abs. 2 ZGB binnen einer Frist von 6 Monaten gegenüber dem zuständigen Notar erklärt werden.3 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Erbverträge sind nach ungeschriebenen Grundsätzen, gemeinschaftliche 306 Testamente sind ausdrücklich gem. Art. 1118 Abs. 4 ZGB materiell-rechtlich verboten und daher unter Geltung russischen Erbrechts unwirksam, wobei das diesbezügliche Verbot nicht zum internationalen russischen Ordre Public zählt und daher bei Geltung deutschen Erbrechts unbeachtlich ist.4 d) Griechenland aa) Erbstatut Das erbrechtliche Kollisionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 307 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut gem. Art. 28 ZGB nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Es ist keine Rechtswahl eröffnet.5
1 Süß/Masannek, Erbrecht in Europa, S. 1265 f. Rz. 51 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 958. 2 Süß/Masannek, Erbrecht in Europa, S. 1265 f. Rz. 51 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 959. 3 Süß/Masannek, Erbrecht in Europa, S. 1269 f. Rz. 66 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 967. 4 Soergel/Kegel, Art. 4 EGBGB Rz. 35; Riering, ZEV 1994, 225 (227); Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 962 f. 5 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 635; Süß/Stamatiadis, Erbrecht in Europa, S. 686 ff. Rz. 1 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 12.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand 308
Als wesentliche Vorfrage für das gesetzliche Ehegattengüterrecht stellt Art. 14 ZGB gemäß Art. 15 ZGB unwandelbar im Zeitpunkt direkt nach der Eheschließung auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten, ersatzweise bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und wiederum ersatzweise auf das Recht desjenigen Staates ab, zu dem die engste Verbindung besteht, wobei nach Art. 32 ZGB keine Rückverweisung berücksichtigt wird und keine Rechtswahl eröffnet ist.1
309
Nach Art. 1397 ZGB ist die Zugewinngemeinschaft gesetzlicher Güterstand. Mangels Dispositivität des Zugewinnausgleiches vor Entstehung des Ausgleichsanspruches kann keine Gütertrennung vereinbart werden. Durch nach Art. 1403 Abs. 2 Satz 1 ZGB erforderliche notarielle Beurkundung ist ausschließlich der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft wählbar.2 cc) Gesetzliches Erbrecht
310
Der längstlebende Ehegatte erbt nach Art. 1820 ZGB neben Abkömmlingen 1/4 des Nachlasses, neben Eltern bzw. ersatzweise Geschwistern bzw. wiederum ersatzweise deren Abkömmlingen die Hälfte des Nachlasses sowie in allen anderen Konstellationen nach Art. 1821 ZGB den gesamten Nachlass alleine und jeweils zusätzlich güterrechtlich 1/3 des Zugewinns in Form eines Geldanspruches nach Art. 1400 ZGB.3 dd) Pflichtteilsrecht
311
Nach Art. 1829 ZGB verkörpert der Pflichtteil ein dingliches Noterbrecht, das ohne Herabsetzungsklage sofort mit dem Erbfall entsteht, wobei Abkömmlinge, Eltern und der längstlebende Ehegatte des Erblassers nach Art. 1825 ZGB pflichtteilsberechtigt sind und die Pflichtteilsquote die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt, jedoch ein griechischer Erblasser, mit ununterbrochenem Wohnsitz während der letzten 25 Jahre vor seinem Tod nach Art. 21 Gesetz 1738/1987 frei von Beeinträchtigungen durch dingliche Noterbrechte anderweitig über außerhalb von Griechenland befindliches Vermögen verfügen kann und insoweit möglicherweise eine Nachlassspaltung entsteht.4
1 Schotten/Schmellenkamp/Priemer, Anhang II Rz. 398 S. 453 f.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 8 ff. 2 Schotten/Schmellenkamp/Priemer, Anhang II Rz. 398 S. 454 f.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 13 ff. 3 Süß/Stamatiadis, Erbrecht in Europa, S. 695 f. Rz. 31; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 20. 4 Süß/Stamatiadis, Erbrecht in Europa, S. 698 f. Rz. 46 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 22.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Nach Art. 1 Gesetzesverordnung 472/1994 kann ein griechischer Staats- 312 angehöriger mit seinem künftigen ausländischen Ehepartner einen wirksamen Erbverzichtsvertrag im Ausland vereinbaren, während im Übrigen Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsverträge nach Art. 368 ZGB nichtig sind.1 Gem. Art. 848 Abs. 1 Satz 1 ZGB bzw. Art. 812 ZPO erfolgt eine Erbaus- 313 schlagung mittels Erklärung beim Sekretariat bzw. der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts.2 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Gem. Art. 1717 ZGB sind gemeinschaftliche Testamente bzw. nach 314 Art. 368 ZGB Erbverträge aufgrund diesbezüglichen materiell-rechtlichen Verbotes unzulässig und nichtig.3 e) Kroatien aa) Erbstatut Das erbrechtliche Kollisionsrecht untersteht für Erbfälle ab dem 17.8.2015 315 den Regelungen der EuErbVO. Im Übrigen richtet sich das Erbstatut gem. Art. 30 IPRG nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, wobei keine Rechtswahl eröffnet ist.4 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand Das als Vorfrage zur Bemessung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts maß- 316 gebende Ehegüterrechtsstatut bestimmt sich nach Art. 36 IPRG wandelbar nach der Staatsangehörigkeit der Ehegatten, ersatzweise nach deren gemeinsamem Wohnsitz, wiederum ersatzweise nach dem letzten gemeinsamen Wohnsitz, ohne nach eigenem Recht eine Rechtswahl zu ermöglichen.5 Die Errungenschaftsgemeinschaft ist nach Art. 248 FamG gesetzlicher 317 Güterstand, wobei nach Art. 253 FamG insbesondere das durch unentgeltliche lebzeitige bzw. letztwillige Zuwendung erworbene Vermögen zum Eigengut des dadurch Begünstigten wird. Nach Art. 255 FamG sind Ehe-
1 Süß/Stamatiadis, Erbrecht in Europa, S. 700 Rz. 53; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 23. 2 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 33. 3 Süß/Stamatiadis, Erbrecht in Europa, S. 697 Rz. 44 bzw. S. 700 Rz. 53; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 23. 4 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 636; Süß, Erbrecht in Europa, S. 935 f. Rz. 1 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 778 f. 5 Schotten/Schmellenkamp/Schneider, Anhang II Rz. 406 S. 493 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 775 f.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
verträge möglich, ohne dass dort die Reichweite der Gestaltungsmöglichkeiten definiert ist.1 cc) Gesetzliches Erbrecht 318
Der längstlebende Ehegatte und die Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge des erstverstorbenen Ehegatten erben nach Art. 9 ErbG zu gleichen Teilen, bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen erbt der längstlebende Ehegatte nach Art. 11 ErbG neben beiden Eltern die Hälfte, neben dem einzigen überlebenden Elternteil 3/4 und bei Nichtvorhandensein von Eltern den vollständigen Nachlass.2
319
Nach Art. 8 Abs. 8 ErbG steht die nichteheliche verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft der Ehe unter der Voraussetzung gleich, dass der Erblasser nicht verheiratet war, aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft entweder ein gemeinsames Kind hervorgegangen war oder diese beim Tod des Erblassers mindestens drei Jahre existierte und erst durch den Tod des Erblassers aufgelöst wurde. Im Gegensatz dazu begründet eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft kein Erbrecht.3 dd) Pflichtteilsrecht
320
Das Pflichtteilsrecht ist nicht als schuldrechtlicher Geldzahlungsanspruch, sondern als dingliches Noterbrecht ausgestaltet, das nach Art. 32 ErbG jedoch durch Herabsetzungsklage durchgesetzt werden muss, nach Art. 70 ErbG den Kindern, ersatzweise deren Abkömmlingen sowie dem längstlebenden Ehegatten bzw. verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten im o.g. Sinne jeweils in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils eröffnet ist, während bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen Eltern, ersatzweise andere Vorfahren ausschließlich im Falle von Arbeitsunfähigkeit und Bedürftigkeit und dann in Höhe eines Drittels des gesetzlichen Erbteils noterbberechtigt sind.4 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung
321
Gem. Art. 134 ErbG ist ein vollumfänglicher Erbverzichtsvertrag zulässig, während hingegen nach Art. 103 ErbG ein reiner Pflichtteilsverzichtsvertrag unzulässig ist.5 1 Schotten/Schmellenkamp/Schneider, Anhang II Rz. 406 S. 495 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 780 f. 2 Süß, Erbrecht in Europa, S. 937 Rz. 7 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 778 f. 3 Süß, Erbrecht in Europa, S. 937 f. Rz. 11 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 784. 4 Süß, Erbrecht in Europa, S. 945 Rz. 40 f.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 785 f. 5 Süß, Erbrecht in Europa, S. 946 f. Rz. 49; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 787.
110
D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
Nach Art. 4 Abs. 4 ErbG tritt ein Vonselbsterwerb der Erbschaft an die ge- 322 setzlichen Erben vorbehaltlich einer Erbausschlagung ein, die gegenüber dem Nachlassgericht nach Art. 130 Abs. 1 ErbG bis spätestens zum Abschluss des erstinstanzlichen Nachlassverfahrens erklärt werden muss.1 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Nach Art. 102 ErbG sind Erbverträge und darüber hinaus nach allgemeiner 323 Ansicht auch im Umfange vertragsmäßig bindender Verfügungen errichtete gemeinschaftliche Testamente materiell-rechtlich unwirksam.2 f) England, Wales und Schottland aa) Erbstatut Da Großbritannien kein Vertragsstaat der EuErbVO ist, findet dort das 324 Kollisionsrecht der EuErbVO keine Anwendung. Stattdessen ist das jeweilige dortige IPR maßgebend. Danach richtet sich das Erbstatut in England, Wales und Schottland jeweils mit der Folge einer Nachlassspaltung für das unbewegliche Vermögen nach dem Recht des Belegenheitsortes einerseits und hinsichtlich des beweglichen Vermögens nach dem letzten Domicile des Erblassers andererseits. Dieses Domicile, das dem Wohnsitz ähnlich, jedoch zunächst als Domicile of Origin mit der Geburt am Domicile des Vaters zum Zeitpunkt der Geburt ausgerichtet ist, verändert sich während der Minderjährigkeit gemäß dem Domicile des Vaters und begründet mit Eintritt der Volljährigkeit aufgrund eines neuen Aufenthaltes mit der Absicht des dortigen dauerhaften Verbleibens ohne Rückkehr an das bisherige Domicile ein Domicile of Choice. Bei weiterer Veränderung des neuen Wohnortes ohne dauerhafte Aufenthaltsabsicht lebt jedoch das ursprüngliche Domicile of Origin wieder auf.3 Eine Rechtswahl ist nach englischem und walisischem Recht unzulässig. Stattdessen ist insoweit jeweils ausschließlich das Recht zur Auslegung einer letztwilligen Anordnung wählbar. Nach schottischem Recht ist jedoch eine Erbstatutsrechtswahl eröffnet.4 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand Als wesentliche Vorfrage für die Bestimmung des gesetzlichen Erbrechts 325 bestimmt sich das Güterrechtsstatut für England, Wales und Schottland im Sinne einer Güterrechtsspaltung für das bewegliche Vermögen nach dem Domicile bei Eheschließung, das nach anfänglicher Anknüpfung alleine an das Domicile des Ehemannes heute wohl überwiegend an das ers1 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 795. 2 Süß, Erbrecht in Europa, S. 943 f. Rz. 36; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 789. 3 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 1 Rz. 91. 4 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 635; Süß/Odersky, Erbrecht in Europa, S. 720 ff. Rz. 2 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 498.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
te gemeinsame Domicile der Eheleute anknüpft, wohl auch bei Domicileverlegung unmittelbar nach der Eheschließung maßgebend ist und lediglich eine Rechtswahl beinhalten dürfte. Im Gegensatz dazu richtet sich das Güterstatut für unbewegliches Vermögen nach dem Recht des Belegenheitsortes. Das Güterrechtsstatut ist jeweils unwandelbar.1 326
Gesetzlicher Güterstand ist für England, Wales und Schottland jeweils die Gütertrennung, die nach schottischem Recht jedoch teilweise einer Zugewinngemeinschaft ähnelt.2 cc) Gesetzliches Erbrecht
327
Der längstlebende Ehegatte erhält nach englischem Recht neben Abkömmlingen keinen Erbteil, sondern stattdessen ähnlich einem Voraus die „Personal Chattels“ bestehend aus Auto, Hausrat samt anderen persönlichen Gebrauchsgegenständen, Mobiliar, Antiquitäten, Bilder und Schmuck einen fixen Geldbetrag von 125 000,00 Englischen Pfund, den Life Interest als lebenslängliches Nutzungsrecht an einer Hälfte des verbliebenen Nachlasses, wahlweise stattdessen einen kapitalisierten Geldbetrag dieses Life Interests sowie das Recht auf Übertragung des in den Nachlass fallenden Familienwohnheims unter Anrechnung auf weitere Ansprüche, während Alleinerben des restlichen Nachlasses die Abkömmlinge sind. Neben Eltern oder Geschwistern des Erblassers erbt der längstlebende Ehegatte hingegen nach Zuordnung des o.g. Voraus in Gestalt des Personal Chattels und des festen Geldbetrages von 125 000,00 Englischen Pfund die Hälfte des verbleibenden Nachlasses, während er bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen, Eltern oder deren Abkömmlingen Alleinerbe wird.3
328
Nach schottischem Recht erhält der längstlebende Ehegatte als Vorrecht in Gestalt von Prior Rights das in den Nachlass fallende Familienwohnheim bis zu einem Wert von 300 000,00 Britischen Pfund, den Hausrat bis zu einem Wert von 24 000,00 Britischen Pfund sowie einen fixen Geldbetrag von 42 000,00 Britischen Pfund, der sich bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen auf insgesamt 75 000,00 Britische Pfund erhöht, als sogenannte Legal Rights neben Abkömmlingen 1/3 des verbleibenden Nettonachlasswertes des beweglichen Vermögens, ohne Vorhandensein von Abkömmlingen die Hälfte des verbleibenden beweglichen Nettonachlasswertes und hinsichtlich des restlichen Nachlasses bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen, Eltern oder Geschwistern des erstverstorbenen Ehegatten alles alleine.4
1 Schotten/Schmellenkamp/Knoche, Anhang II Rz. 399 S. 457 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 492 ff. 2 Schotten/Schmellenkamp/Knoche, Anhang II Rz. 399 S. 460 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 499 ff. 3 Süß/Odersky, Erbrecht in Europa, S. 731 ff. Rz. 29 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 509 ff. 4 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 514 ff.
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D. Auslandsberhrung und Rechtswahl
dd) Pflichtteilsrecht Nach englischem Recht sind anstelle von Pflichtteilsrechten Unterhalts- 329 ansprüche vorgesehen.1 Im Gegensatz dazu entsprechen die nach schottischem Recht dem längst- 330 lebenden Ehegatten und den Abkömmlingen am beweglichen Nachlass eingeräumten Legal Rights einem als dingliches Noterbrecht ausgestalteten Pflichtteilsrecht, das dem längstlebenden Ehegatten neben Abkömmlingen im Umfange von 1/3 und bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen im Umfange der Hälfte des Nettowertes des nach Abzug der Prior Rights verbleibenden Nachlasses bzw. den Abkömmlingen in entsprechendem Umfange unentziehbar zusteht.2 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht und Erbausschlagung Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag ist nach schottischem Recht zulässig. Da 331 das englische Recht kein Pflichtteilsrecht kennt, stellt sich die diesbezügliche Problematik dort nicht.3 Die Ausschlagung als Erbe oder Vermächtnisnehmer hat gegenüber dem 332 Personal Representative statt gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen, da der Nachlass dem Erben nicht unmittelbar anfällt.4 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Sowohl das englische als auch das schottische Recht sehen keinen Erbver- 333 trag vor. Stattdessen ist aber ein gemeinschaftliches, auch gegenseitiges, jedoch nicht bindendes Testament möglich, wobei wiederum ein Testiervertrag mit schuldrechtlicher Bindung und Schadensersatzpflichtigkeit im Falle einer davon abweichenden späteren Testamentsänderung des Erblassers in Betracht kommt.5 g) USA aa) Erbstatut Da die USA kein Vertragsstaat der EuErbVO sind, findet dort das Kollisi- 334 onsrecht der EuErbVO keine Anwendung. Stattdessen ist das jeweilige dortige IPR maßgebend. Danach ist in sämtlichen US-Bundesstaaten für unbewegliches Vermögen das Recht des jeweiligen Belegenheitsortes und für bewegliches Vermögen das Recht des letzten Domiciles des Erblassers
1 2 3 4 5
Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 513. Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 517. Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 519 f. Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 535. Süß/Odersky, Erbrecht in Europa, S. 747 f. Rz. 81 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 525 f.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
maßgebend, worunter letztlich der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt verstanden wird,1 wobei in manchen Bundesstaaten, so bspw. in Minnesota, bezüglich des beweglichen Vermögens eine Rechtswahl zugelassen ist.2 Es tritt daher Nachlassspaltung ein. In Mississippi unterliegt jedoch auch dort befindliches bewegliches Vermögen dem dortigen Erbstatut.3 bb) Vorfrage Güterstatut und Güterstand 335
Das als wichtige Vorfrage zur Bestimmung des gesetzlichen Ehegattenerbrechts geltende Ehegüterrechtsstatut richtet sich im Wege der Güterrechtsspaltung hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens nach dem Recht des Belegenheitsortes und bezüglich des beweglichen Vermögens wandelbar nach dem jeweiligen gemeinsamen beim entsprechenden Erwerb bestehenden ehelichen Domicile in Gestalt des Wohnsitzes, wobei eine Ehegüterrechtswahl zulässig ist.4
336
Gesetzlicher Güterstand ist in den US-Bundesstaaten Arizona, Idaho, Kalifornien, Louisiana, Neu Mexiko, Nevada, Texas, Washington (Staat), Wisconsin und in Puerto Rico (US-Territorium) die Errungenschaftsgemeinschaft. In den übrigen US-Bundesstaaten ist gesetzlicher Güterstand die Gütertrennung. Durch einfach schriftlichen Ehevertrag kann der Güterstand wahlweise verändert werden.5 cc) Gesetzliches Erbrecht
337
Das gesetzliche Erbrecht ist in den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet. In Florida erbt der längstlebende Ehegatte neben Abkömmlingen zu 1/2 zuzüglich eines Vorausbetrages von 20 000,00 US-$ und ist bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen Alleinerbe. In Georgia erbt der längstlebende Ehegatte neben Abkömmlingen zu 1/2 ohne weiteren Vorausbetrag und ist bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen Alleinerbe. In Texas erbt der längstlebende Ehegatte neben Abkömmlingen 1/3 des beweglichen Vermögens und erhält den lebtäglichen Nießbrauch an 1/3 des unbeweglichen Vermögens, während er bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen Alleinerbe des beweglichen Vermögens und neben den Verwandten des Erblassers zu 1/2 Erbe des unbeweglichen Vermögens ist.6
1 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 1 Rz. 91. 2 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 642; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 623 ff. 3 Schotten/Schmellenkamp, Anhang III S. 642. 4 Schotten/Schmellenkamp/Bardy, Anhang II Rz. 429 S. 614 ff.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 617 ff. 5 Schotten/Schmellenkamp/Bardy, Anhang II Rz. 429 S. 611 ff.; Würzburger Notarhdb/ Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 628 ff. 6 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 637 f.
114
E. Der Nachlass
dd) Pflichtteilsrecht Pflichtteilsrechte zugunsten von Kindern sind ausschließlich in Louisiana 338 (dort bei einem Kind 1/4, bei zwei oder mehr Kindern insgesamt 1/2) und Puerto Rico (dort insgesamt 2/3) vorgesehen, während weitere Bundesstaaten eine versehentliche Nichterwähnung von Kindern durch Zuteilung des gesetzlichen Erbteils ausgleichen, so dass diesbezüglich zur Vermeidung von pflichtteilsähnlichen Folgen eine ausdrückliche Enterbung zu empfehlen ist. Darüber hinaus sehen mehrere Bundesstaaten Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder bzw. bedürftiger Witwen gegen den Nachlass vor. Im Übrige bestehen Pflichtteilsrechte ausschließlich für Ehegatten.1 ee) Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht Ein Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag ist, wenn auch nur teil- 339 weise ausdrücklich geregelt, jeweils zulässig und bedarf lediglich der Schriftform, der auch eine notarielle Beurkundung genügt, und eine vollständige Offenlegung der Vermögensverhältnisse enthalten sollte und nicht gegen die Grundsätze der Fairness und Zumutbarkeit gegenüber dem Verzichtenden verstoßen darf.2 ff) Erbvertrag bzw. gemeinschaftliches Testament Ein gemeinschaftliches Testament kann nur ohne Bindungswirkung ver- 340 einbart werden, wobei wiederum ein Testiervertrag mit schuldrechtlicher Bindung und Schadensersatzpflichtigkeit im Falle einer davon abweichenden späteren Testamentsänderung des Erblassers in Betracht kommt, während der Abschluss eines Erbvertrages nicht möglich ist.3
E. Der Nachlass I. Notwendigkeit der Ermittlung Die möglichst genaue Ermittlung des gegenwärtigen und voraussicht- 341 lichen künftigen Nachlassbestandes ist für eine sachgerechte Testamentsgestaltung unerlässlich. Dies gilt, obwohl das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge eine Einzelbezeichnung der vererbten Gegenstände überflüssig macht, ja sogar verbietet. Manche Vermögensgegenstände, etwa der Nieß-
1 Burandt/Rojahn/Frank, Länderbericht USA Rz. 74 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 639 ff. 2 Burandt/Rojahn/Frank, Länderbericht USA Rz. 86 ff.; Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 646 ff. 3 Würzburger Notarhdb/Hertel, Teil 7 Kap. 4 Rz. 658 ff.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
brauch oder eine Reallast, sind unvererblich.1 Andere, wie etwa die Lebensversicherungssumme, fallen nicht in den Nachlass, sondern gehen durch lebzeitiges Geschäft auf den Todesfall über. Ein Unternehmen als Nachlassbestandteil stellt ganz andere Gestaltungsprobleme als ein Wertpapierdepot. Bei Grundbesitz sollen kostenintensive Vollzugsakte erspart werden. Auslandsvermögen kann der Nachlassspaltung unterliegen. Für Personengesellschaftsbeteiligungen tritt Sondererbfolge ein. Die Erbschaftsteuerbelastung ist je nach Nachlassgegenstand verschieden. Der voraussichtliche Nachlassbestand ist deshalb immer festzustellen, bevor eine Gestaltung gewählt wird.
II. Frageliste mit Problemansätzen 1. Grundstücke 342
Der Erblasser ist zu befragen, ob und wenn ja wo und zu welchen Anteilen – Alleineigentum, Miteigentum nach Bruchteilen, Gesamthandeigentum – er Grundbesitz hat. Als besonders wertvoller und besonderen Förmlichkeiten unterliegender Nachlassbestandteil bestimmt Grundeigentum bzw. ein Erbbaurecht nicht selten die Testamentsgestaltung. Sollen etwa beim Berliner Testament die beiden Kinder auf den Tod des Letztversterbenden bedacht werden, wobei der Sohn das Haus, die Tochter das bewegliche Vermögen erhalten soll, so ist die je hälftige Schlusserbeneinsetzung nicht kostengünstig. Das Haus würde beiden Erben in Erbengemeinschaft anfallen und müsste im Wege der notariellen Erbauseinandersetzung dem Sohn aufgelassen und auf ihn grundbuchmäßig umgeschrieben werden. Beides verursacht erhebliche Kosten, die erspart werden, wenn der Sohn zum Alleinerben eingesetzt wird und die Tochter den beweglichen Nachlass ggf. durch Testamentsvollstreckung gesichert als Vermächtnis erhält. Derjenige, dem Grundbesitz zugewendet wird, sollte daher stets mittels kostensparender Gesamtrechtsnachfolge als alleiniger Erbe immer eingesetzt werden, wenn sich dies nicht aus anderen Gründen verbietet. 2. Betriebsvermögen
343
Unternehmen oder Unternehmensbestandteile erfordern häufig besondere Gestaltungen. Einkommensteuerlich ist immer zu beachten, dass zur Vermeidung von Entnahmegewinnen (vgl. 7. Kap. Rz. 19 ff.) das Betriebsvermögen nur an den Betriebsnachfolger gehen darf und Abfindungen weichender Erben aus dem Betriebsvermögen zu vermeiden sind. Bei Gesellschaftsbeteiligungen ist auf Abstimmung mit dem jeweiligen Gesellschaftsvertrag zu achten, dies insbesondere im Bereich der Sondererbfolge bei Personengesellschaftsbeteiligungen, vgl. 7. Kap. Rz. 61 ff. Die von der
1 Die vermögensrechtlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts sind vererblich, BGH v. 1.12.1999 – I ZR 49/97, MDR 2000, 1147 = FamRZ 2000, 1080 = ZEV 2000, 323 „Marlene Dietrich“.
116
E. Der Nachlass
Interessenlage her oft empfehlenswerte Testamentsvollstreckung wirft insoweit teilweise rechtliche Probleme auf, vgl. 7. Kap. Rz. 143 ff. 3. Verträge auf den Todesfall Ein Erblasser muss darauf hingewiesen werden, dass Versicherungssum- 344 men aus Lebensversicherungen auf den Todesfall, soweit ein diesbezüglicher Bezugsberechtigter benannt und daher mit der Versicherung ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall iSd §§ 328, 330, 331 BGB zustandegekommen ist, nicht in den Nachlass fallen und dann auch nicht eventuellen letztwillig vorgesehenen Schutzmechanismen wie bspw. Testamentsvollstreckung, Nacherbfolge bzw. Nachvermächtnis unterliegen. Fehlt eine entsprechende Bezugsberechtigung, fällt die betroffene Versicherungssumme hingegen in den Nachlass.1 Sonstige Bankgeschäfte auf den Todesfall wie Auszahlungsvereinbarungen, Zuwendung des Übereignungsanspruchs hinsichtlich eines Wertpapierdepots oder Sparkonten auf den Namen eines Dritten unter Vorbehalt eigener Verfügungsbefugnis sind ebenfalls zu erfragen und hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit zu überprüfen. 4. Auslandsvermögen Bei Auslandsvermögen, etwa einem Ferienhaus im Ausland, ist die mögli- 345 che Nachlassspaltung (vgl. Rz. 136 ff.) mit der Folge der Notwendigkeit einer separaten letztwilligen Verfügung nach Ortsrecht zu beachten. Auch hier sind die Erblasser zu befragen. 5. Nachlassplanung Die in den USA als „Estate Planning“ wissenschaftlich und in der Praxis 346 eingeführte Nachlassplanung2 wird in Deutschland noch nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit bedacht. Sie umfasst die planende Aufbereitung des Vermögens im Hinblick auf den Vermögensübergang in vorweggenommener Erbfolge oder erbrechtlicher oder sonstiger Nachfolge auf den Todesfall. Besondere Bedeutung hat sie im Bereich der Unternehmensnachfolge. Als erbrechtsübergreifende Aufgabe beinhaltet die Nachlassplanung nach Reimann3 – die Definition der Ziele insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerbelastung, – die erbrechtliche Absicherung, solange geplante lebzeitige Transfermaßnahmen noch nicht verwirklicht sind,
1 Beck FormB ErbR/Lehmann, I.V.1. 2 Vgl. mit Nachweisen Reimann, ZEV 1997, 129. 3 Reimann, ZEV 1997, 129 (134).
117
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
– flankierende Maßnahmen wie Vollmachten, Eheverträge, Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge, Gesellschaftsverträge, Lebensversicherungsverträge, – Beseitigung rechtlicher Störfaktoren wie ungeeigneter Eheverträge, Erbverträge oder Gesellschaftsverträge, und – zweckmäßige Umschichtung und Strukturierung des Vermögens im Hinblick auf die vorweggenommene Erbfolge oder Nachfolge auf den Todesfall. 347
Natürlich darf nicht übersehen werden, dass das Vermögen lebzeitig zumindest zum Teil zur Disposition des Erblassers bleiben muss. Seine Interessen sind vorrangig, dann folgen diejenigen der Erben. Lebensplanung geht vor Nachlassplanung. Entscheidend ist, dass überhaupt und mit fachmännischer Hilfe und Beratung unter Berücksichtigung familienrechtlicher, erbrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher, steuerlicher und sonstiger Aspekte geplant wird. Dabei wird die Planung umso wichtiger, je mehr Vermögen vorhanden ist, dessen Substanz in der Generationenfolge erhalten bleiben soll.
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung I. Grundlagen 1. Prinzipien 348
Für die Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer gelten das Bereicherungsprinzip, das Stichtagsprinzip und das Maßgeblichkeitsprinzip a) Bereicherungsprinzip
349
Besteuert wird die Bereicherung, die das Vermögen des Erwerbs durch den Erbanfall erfährt. Deshalb sind vom Erwerb die Nachlassverbindlichkeiten i.S. von § 10 Abs. 5 ErbStG abzuziehen, also die Erblasserschulden, die Verbindlichkeiten des Erben aus Vermächtnissen, Auflagen und Pflichtteilen, die Beerdigungs-, Grabherstellungs- und Grabpflegekosten und die sonstigen Kosten der Nachlassregelung. b) Stichtagsprinzip
350
Für die Ermittlung und Bewertung der Bereicherung gelten Stichtage, §§ 9, 11 ErbStG. Stichtag für die Entstehung der Steuerschuld ist der Todestag, sofern nicht die Regelungen nach § 9 Nr. 1a–f ErbStG einen anderen Stichtag bestimmen. Der Bewertungsstichtag knüpft an den Entstehungsstichtag an, §§ 11, 12 ErbStG. Wertveränderungen vor oder nach dem Stichtag sind unbeachtlich. So kann etwa ein Kursverfall bei Aktien nach dem Erb118
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
fall dazu führen, dass Werte zu versteuern sind, die bei Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht durch den Erben nicht mehr vorhanden sind. Bei kursabhängigen Nachlassgegenständen sollten deshalb Vollmachten zur Überbrückung der Zeit zwischen Erbfall und Erlangung der Verfügungslegitimation – Erbschein, öffentliches Testament, Testamentsvollstreckerzeugnis – vorhanden sein. c) Maßgeblichkeitsprinzip Die Erbschaftsteuer knüpft an den erbrechtlichen Erwerb i.S.d. BGB an. 351 Die Bindung an das Zivilrecht ist damit vorgegeben, es gibt keine Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn.1 Zivilrechtliche Gestaltungen, die nicht missbräuchlich sind, sind damit erbschaftsteuerlich anzuerkennen. Die Grenze bildet aber auch hier der Gestaltungsmissbrauch i.S.v. § 42 AO.2 2. Persönliche Steuerpflicht, Inlandsbezug Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt die Steuerpflicht für den gesamten Ver- 352 mögensanfall im In- und Ausland ein, wenn entweder der Erblasser oder der Erbe im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Für die Inländer-Eigenschaft wird nicht an die Staatsangehörigkeit, vielmehr an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt am Todestag angeknüpft. Nach § 9 Satz 2 AO genügt für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts schon eine zeitlich zusammenhängende Aufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten. Bei Ausländern mit solchem gewöhnlichen Aufenthalt droht die Gefahr der Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer nach deutschem und ausländischem Erbrecht. Wird Inlandsvermögen vererbt und sind weder Erblasser noch Erwerber In- 353 länder in obigem Sinne, so beschränkt sich die Steuerpflicht auf das Inlandsvermögen.3 Hat der Erwerber auch im Ausland eine der deutschen Erbschaftsteuer 354 entsprechende Steuer zu zahlen, so wird ihm die im Ausland gezahlte Steuer nach § 21 ErbStG auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet. Doppelbesteuerungsabkommen gehen vor, soweit sie bestehen.4 3. Erwerb von Todes wegen Den der Besteuerung unterliegenden Erwerb von Todes wegen definiert 355 § 3 ErbStG als – Erwerb durch Erbanfall, § 1922 BGB, – Erwerb durch Vermächtnis, §§ 2147 ff. BGB, 1 2 3 4
Kapp/Ebeling, § 1 ErbStG Rz. 5 m.w.N. BFH v. 24.5.2000, BFH/NV 2001, 162. Vgl. § 121 BewG. Vgl. den Überblick bei Kapp/Ebeling, § 21 ErbStG Rz. 41 ff.
119
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
– Erwerb aufgrund §§ 2303 ff. BGB,
eines
geltendgemachten
Pflichtteilsanspruchs,
– Erwerb durch Schenkung auf den Todesfall, § 2301 BGB, – Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB, – Erwerb aufgrund Stiftungsgeschäfts von Todes wegen, – Erwerb infolge Vollziehung einer Auflage oder Erfüllung einer Bedingung, – Erwerb aufgrund Gesellschaftsrechts beim Tod eines Gesellschafters, – Erwerb als Entgelt für die Übertragung einer Nacherbenanwartschaft, – Erwerb durch Zweckzuwendungen. 4. Steuerbefreiungen 356
Die in § 13 ErbStG bezeichneten Erwerbsvorgänge bleiben aus verschiedenen legislatorischen Gründen ganz oder limitiert steuerfrei, darunter Hausrat, Kunstsammlungen und Bibliotheken. Von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind die Steuerbefreiungen der das Familienheim betreffenden lebzeitigen Ehegattenzuwendungen und des Erwerbs von Todes wegen des selbstgenutzten Familienheims. Sie werden im Folgenden unter dem Gesichtspunkt der Erbschaftsteuerreform dargestellt, ebenso die von § 13a ErbStG n.F. gewährten Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften.
II. Verfassungsmäßigkeit 1. Der Beschluss des BVerfG vom 10.11.2006 357
Infolge des Vorlagebeschlusses des BFH vom 22.5.20021 hatte sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit der Wertermittlungs- und Berechnungsvorschriften der §§ 10 bis 19a ErbStG am Maßstab des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG zu befassen. Mit Beschluss vom 7.11.20062 stellte es fest, dass die durch § 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, weil sie an Steuerwerte anknüpft, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage muss wegen der dem geltenden Erbschaftsteuerrecht zu Grunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallen1 BFH v. 22.5.2002 – II R 61/99, FamRZ 2002, 1333 = NJW 2002, 3197. 2 BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192 = FamRZ 2007, 340 = ErbStB 2007, 64 = ZEV 2007, 14 = ZErb 2007, 65.
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F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
den Vermögenszuwachs zu besteuern, einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Die Bewertungsmethoden müssen gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Dem genügen die Bewertungsvorschriften des ErbStG 1974 i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.2.1997 nicht, da sie bei Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben regelmäßig zu Steuerwerten führen, die nur etwa der Hälfte des gemeinen Wertes entsprechen. Der Gesetzgeber wurde zur verfassungskonformen Neuregelung bis 31.12.2008 verpflichtet. 2. Schwerpunkte des Beschlusses Der Beschluss, zu dessen Erlass das BVerfG immerhin fünf Jahre brauchte, 358 unterscheidet im Sinne einer einfachen und griffigen Strukturierung zwei Ebenen der Erbschaftsbesteuerung. Auf der ersten Ebene der Wertermittlung ist ein einheitlicher Bewertungsmaßstab für die der Erbschaftsteuer unterliegenden Vermögenserwerbe anzuwenden, der am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet werden muss. Auf der zweiten Ebene der Besteuerung steht es dem Gesetzgeber in den Grenzen zielgenauer und normenklarer Regelungen frei, einzelne Erwerbe ausgehend von deren gemeinen Wert durch Verschonungsnormen von der Erbschaftsteuer teilweise oder sogar weitgehend freizustellen. Die Urteilsgründe geben den Vorlagebeschluss des BFH inhaltlich wieder 359 und beschreiben präzise die Wertermittlungs- und Berechnungsvorschriften des Erbschaftsteuergesetzes 1974, um im Anschluss hieran im Einzelnen zu begründen, inwieweit und warum im Bereich des Betriebsvermögens, der Grundstücke, der Anteile an Kapitalgesellschaften und der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe die gemeinen Werte in einem dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nicht mehr entsprechenden Ausmaß verfehlt werden. Vom Grundsatz her liegt dies bei Betriebsvermögen und Kapitalgesellschaftsanteilen an der verfehlten Ausrichtung an den Steuerbilanzwerten (Wertverfehlung infolge bilanzpolitischer Maßnahmen, Bildung stiller Reserven, Bildung gewillkürten Betriebsvermögens und Aktivierungsverbots für den Firmenwert), bei Grundstücken und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen an der verfehlten Ausrichtung am Ertragswert. Das BVerfG betont die Freiheit des Gesetzgebers in der Wahl geeigneter 360 Bewertungsmethoden. Lediglich im Bereich des Betriebs- und Beteiligungsvermögens erklärt es das Stuttgarter Verfahren für ungeeignet zu Ermittlung des gemeinen Werts,1 während die Ertragswertmethode und die Discounted Cash Flow-Verfahren als geeignet bezeichnet werden.
1 Nach den Reaktionen des Schrifttums gilt dies auch für die Bewertung im Rahmen gesellschaftsvertraglicher Abfindungsklauseln, vgl. Seer, GmbHR 2007, 281; Hülsmann, GmbHR 2007, 290; Brinkmeier, GmbH-StB 2007, 156.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
361
Angesichts der die Entscheidung hinreichend tragenden Verfassungswidrigkeit der Bewertungsvorschriften sah sich das BVerfG nicht dazu aufgerufen, über die vom BFH in seinem Vorlagebeschluss vertretene Auffassung, die Kumulation von Begünstigungsvorschriften bei Betriebsvermögen sei unzulässig, zu entscheiden. 3. Die Verschonungsebene
362
Hinsichtlich von Verschonungsregelungen auf der zweiten Ebene wird der Beschluss des BVerfG im Einzelnen nicht konkret, macht aber die erforderlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben wie folgt:
363
Während der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten ist, sich auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgebenden Bewertungsziel zu orientieren, ist er1 in der Wahl der Wertermittlungsmethoden für die einzelnen Arten von Vermögensgegenständen jedoch grundsätzlich frei. Es muss lediglich gewährleistet sein, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.
364
Weiterhin2 ist es dem Gesetzgeber unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe in einem zweiten Schritt der Bemessungsgrundlagenermittlung mittels Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände – gegebenenfalls auch sehr weitgehend – zu begünstigen. Hierbei müssen die Lenkungszwecke von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen sein, der Kreis der Begünstigten sachgerecht abgegrenzt und die Lenkungszwecke gleichheitsgerecht ausgestaltet sein. Deshalb müssen die Begünstigungswirkungen ausreichend zielgenau und innerhalb des begünstigten Kreises möglichst gleichmäßig eintreten.
365
Schließlich3 kann der Gesetzgeber auch mittels Differenzierungen beim Steuersatz eine steuerliche Lenkung verfolgen, für die ebenfalls die verfassungsrechtlichen Vorgarten an fiskalische Lenkungs- und Förderungsnormen gelten.
366
Was den konkreten Inhalt möglicher Verschonungsregelungen betrifft, zu dem der Beschluss vom 7.11.2006 nichts sagt, verbleibt es auch angesichts der bisherigen Verschonungsregelungen inhaltlich bei den Vorgaben der Beschlüsse des BVerfG vom 22.6.1995.4 Danach hat im Familienkreis der Wert des persönlichen Gebrauchsvermögens steuerfrei zu bleiben. Weiterhin darf die Fortführung mittelständischer Unternehmen durch die Erbschaftsbesteuerung nicht gefährdet werden. Als Instrumente der Verscho1 2 3 4
Tz. 200 des Beschlusses. Tz. 201 des Beschlusses. Tz. 202 des Beschlusses. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 = DNotZ 1995, 763 = MDR 1995, 1000 = FamRZ 1995, 1264; BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = DNotZ 1995, 758 = BStBl. II 1995, 656 und 671 = MDR 1995, 1005 = FamRZ 1995, 1261.
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F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
nung kommen hier wie bisher persönliche Freibeträge, Steuerklassen und Steuersätze in Betracht. Die Notwendigkeit der Freistellung des persönlichen Gebrauchsvermögens im Bereich der Verwandtenerbfolge ist allgemein anerkannt. Bei der Privilegierung der Unternehmensnachfolge sind die Bedenken des Bundesfinanzhofs hinsichtlich einer Kumulierung von Vergünstigungen zu beachten.
III. Die Erbschaftsteuerreform 2009 1. Zielsetzung und Grundsätze der Reform Der Gesetzgeber hatte die Vorgaben des BVerfG bis 31.12.2008 in eine 367 Neuregelung umzusetzen. Dies ist mit Gesetz vom 24.12.20081 geschehen, das am 1.1.2009 in Kraft trat. Dabei haben sich die folgenden Überlegungen durchgesetzt: – Eine Abschaffung der Erbschaftsteuer kann nicht in Betracht; vielmehr wird das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht als Instrument angesehen, die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft zu erhöhen. Das Gesamtaufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer sollte durch die Reform nicht wesentlich verändert werden. Angesichts der durch die einheitliche Bewertung zu Verkehrswerten nicht unerheblich verbreiterten Bemessungsgrundlage ergab sich ein größerer Spielraum für gezielte Verschonungsregelungen. Deutlich höhere persönliche Freibeträge sollen zusätzlich dafür sorgen, dass Vermögensübergänge im engen familiären Umfeld in den meisten Fällen steuerfrei bleiben. – Weitere Verschonungsregelungen betreffen das dem Gemeinwohl dienende Vermögen. Hierzu gehören in Deutschland die kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Familienunternehmen, bei denen der Unternehmensübergang in Erbfall häufig auch für die Beschäftigten schicksalhaft ist. Deshalb werden diejenigen Unternehmen von der Steuer entlastet, bei denen im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitestgehend gesichert werden. – Gemeinwohlgründe sprechen auch für Verschonungsregelungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und bei vermieteten Immobilien. 2. Maßnahmen auf der Bewertungsebene a) Der gemeine Wert als Bewertungsziel Die Bewertung von Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapi- 368 talgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben richtet sich einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgebenden Bewertungsziel aus, § 12 ErbStG. Diese Vermögensklassen sollen in einem realitätsgerechten und praktikablen Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.
1 BGBl. I 2008, 3018.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
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Hier gelten folgende Grundsätze: – Soweit der gemeine Wert von Betriebsvermögen und Beteiligungen an nicht börsennotierten Kapitalgesellschaften nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden kann, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten oder einer anderen anerkannten Bewertungsmethode zu schätzen. Mindestwert ist die Summe der gemeinen Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter des Unternehmens abzüglich der Schulden. – Bei Grundvermögen entspricht der Grundstückswert der Grundstücksfläche multipliziert mit dem aktuellen Bodenrichtwert nach BauGB. Die Gebäudewerte der verschiedenen Grundstücksarten werden in Anlehnung an die Wertermittlungsverordnung im Vergleichswert-, Ertragswert- sowie Sachwertverfahren ermittelt. – Bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen wird das Wohnhaus wie beim Grundvermögen bewertet. Im Übrigen erfolgt die Bewertung im Ertragswertverfahren. – Das übrige Vermögen wird wie bisher mit dem gemeinen Wert angesetzt. b) Bewertungsvorschriften
370
Die gesetzliche Neuregelung steht und fällt auf der Bewertungsebene damit, dass sachgerechte und praktikable Bewertungsvorschriften gefunden werden, die es erlauben, bei Grundvermögen und Betriebsvermögen den gemeinen Wert zu ermitteln. Das ErbStG verweist hierzu auf das geänderte BewG. aa) Nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften
371
Nach § 11 Abs. 2 BewG sind solche Anteile mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Er wird ermittelt anhand von Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, sonst nach der Ertragswertmethode oder einer anderen üblichen Bewertungsmethode, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen würde. Der Substanzwert darf nicht unterschritten werden. bb) Betriebsvermögen
372
Nach § 95 Abs. 1 BewG n.F. umfasst das Betriebsvermögen alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Bei der Bewertung nach § 109 BewG sind nicht mehr wie bisher die Steuerbilanzwerte anzusetzen, sondern nach der Neufassung der Vorschrift der gemeine Wert. Der gemeine Wert ist wie bei Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 11 Abs. 2 BewG in einem offenen Verfahren zu ermitteln.
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F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
cc) Land- und forstwirtschaftliches Vermögen Es gelten die §§ 157 bis 175 BewG. Die Vorschriften berücksichtigen, dass 373 land- und forstwirtschaftliche Betriebe als Generationsbetriebe nur in wenigen Fällen im Ganzen veräußert werden. Ein Marktwert eines ganzen Betriebs kann daher nicht aus Verkaufsfällen oder Statistiken bestimmt werden. Weiterhin werden land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen typischerweise nicht verkauft, sondern überwiegend verpachtet. Das Konzept des Gesetzes zur Neubewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sieht deshalb ein typisierendes Verfahren vor, das sich am gemeinen Wert unter Berücksichtigung der Betriebsfortführung orientiert. Die Bewertung von Betriebswohnungen und des Wohnteils erfolgt nach 374 den Bewertungsvorschriften des Grundvermögens, § 167 BewG. Beim Wirtschaftsteil ist nach § 162 BewG davon auszugehen, dass der Betrieb fortgeführt wird. Die Wertermittlung erfolgt grundsätzlich im Ertragswertverfahren nach § 163 BewG durch Kapitalisierung des Reingewinns, wobei nicht das individuelle durch den betreffenden Land- und Forstwirt erwirtschaftete Ergebnis maßgeblich ist, sondern der gemeinhin bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig erzielbare Reingewinn abzüglich eines Lohnansatzes für nicht entlohnte Arbeitskräfte. Dabei darf der Mindestwert nach § 164 BewG nicht unterschritten werden, um auch bei kleinen und mittleren Betrieben, die nur einen geringen oder gar negativen Reinertrag erwirtschaften, zu einem zumindest nicht negativen Reinertrag zu kommen. dd) Grundvermögen Es gelten die §§ 176 bis 186 BewG. Zum Grundvermögen gehören nach 375 § 176 Abs. 1 BewG der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör, weiterhin das Erbbaurecht, sowie das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht und Teilerbbaurecht, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder um Betriebsgrundstücke handelt. Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich gem. § 179 BewG regel- 376 mäßig nach ihrer Fläche und dem Bodenrichtwert nach § 196 BauGB in der jeweils geltenden Fassung. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage wird ein allgemeiner 20 %iger Abschlag vom Bodenrichtwert nicht mehr vorgenommen. Die Bodenrichtwerte sind von den Gutachterausschüssen nach dem BauGB zu ermitteln und festzustellen. Die hierfür maßgebliche Vorschrift des § 196 BauGB wurde wesentlich erweitert. Zum einen sind die Gutachterausschüsse verpflichtet, flächendeckend Bodenrichtwerte unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands der Grundstücke (baureifes Land, Bauerwartungsland, Rohbauland und landund forstwirtschaftlich genutzte Flächen) zu ermitteln. Zum anderen sollen die Gutachterausschüsse bei der Bestimmung und Abgrenzung der Richtwertzonen genauer und differenzierter arbeiten.
125
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
377
Bei den bebauten Grundstücken werden nach § 181 BewG unterschieden Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke und sonstige bebaute Grundstücke. Wird ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet, ist nach § 180 Abs. 1 BewG der fertig gestellte Teile als benutzbares Gebäude anzusehen.
378
Nach § 182 BewG ist der Wert von bebauten Grundstücken nach dem Vergleichswertverfahren, dem Ertragswertverfahren oder dem Sachwertverfahren zu ermitteln.
379
Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind nach § 183 BewG Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstücken hinreichend übereinstimmen. An Stelle von Preisen für die Vergleichsgrundstücke können auch Vergleichsfaktoren herangezogen werden, die von den Gutachterausschüssen ermittelt werden. Im Vergleichswertverfahren sind grundsätzlich zu bewerten das Wohnungseigentum, das Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäuser.
380
Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist nach § 184 BewG der Wert der baulichen Anlagen getrennt von Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags zu ermitteln. Der Bodenwert ist wie bei unbebauten Grundstücken zu ermitteln. In diesem Verfahren sind zu bewerten Mietwohngrundstücke, Geschäftsgrundstücke und gemischtgenutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt.
381
Bei Anwendung des Sachwertverfahrens ist nach § 189 BewG der Wert der baulichen Anlagen und der Wert der sonstigen Anlagen getrennt von Bodenwert nach Herstellungswerten zu ermitteln. Der Bodenwert ist wie der Wert des unbebauten Grundstücks zu ermitteln. In diesem Verfahren zu bewerten sind Wohnungseigentum, Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäuser, für die ein Vergleichswert nicht vorliegt, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich keine übliche Miete ermitteln lässt, und sonstige bebaute Grundstücke. 3. Verschonungsregelungen a) Verschonung des Familienheims aa) Erwerb von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner
382
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bleibt der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einen im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums gelegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1–5 BewG durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine 126
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert. Unter Erwerb von Todes wegen i.S.d. Verschonungsregelung ist nach § 3 383 ErbStG nicht nur der Erwerb durch Erbfolge, sondern auch der Erwerb auf Grund eines anderen Tatbestandes des § 3 ErbStG zu verstehen,1 insbesondere der Erwerb durch Vermächtnis. Das Tatbestandsmerkmal der zwingenden Gründe wird in der Gesetzes- 384 begründung nicht erläutert. Hier werden Abgrenzungsprobleme entstehen. Ein zwingender Grund wird dann vorliegen, wenn die Selbstnutzung aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr möglich ist. Ob bei älteren Menschen eine Änderung der Lebensplanung in dem Sinne, bei noch guter Gesundheit etwa in ein Wohnstift mit betreutem Wohnen umzuziehen, einen zwingenden Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung darstellt, ist zweifelhaft.2 Der Umzug an einen neuen Beschäftigungsort infolge Verlusts des Arbeitsplatzes dürfte den Tatbestand erfüllen. Abzuwarten bleibt, ob jeder berufsbedingte Umzug als zwingend angesehen wird. Da das Gesetz nicht ausdrücklich die Selbstnutzung als Eigentümer for- 385 dert und die Begründung hierzu schweigt, wird in der Literatur eine Fortdauer der Selbstnutzung auch in den Fällen für möglich gehalten, wenn der Erwerber das Familienheim veräußert und als Mieter weiter nutzt, oder wenn er das Familienheim unter Nießbrauchsvorbehalt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergibt.3 bb) Fortdauer der Begünstigung ehebedingter Zuwendungen hinsichtlich des Familienheims Neben der neuen Verschonungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG 386 ist es bei der bisherigen Steuerfreiheit von lebzeitigen Ehegattenzuwendungen hinsichtlich des Familienheims4 mit der Maßgabe geblieben, dass diese Befreiung sachlich auf Familienheime in einem EU-Mitgliedstaat oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums und persönlich auf Lebenspartner erstreckt wurde, § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG.
1 2 3 4
Geck, ZEV 2008, 557 (558). Verneinend Geck, ZEV 2008, 557 (558). Keim, ZEV 2008, 557 (558). § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG a.F.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
cc) Erwerb von Todes wegen durch Kinder oder Kinder vorverstorbener Kinder 387
§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG überträgt die für den Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG geltenden Grundsätze des steuerfreien Erwerbs eines Familienheims von Todes wegen auch auf den Erwerb durch Kinder und die Kinder verstorbener Kinder, dies unter der weiteren Voraussetzung, dass die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Aus der Verwendung des Begriffs „soweit“ und nicht des Begriffs „sofern“ ergibt sich, dass es beim Erwerb einer Wohnung von über 200 qm Wohnfläche bei der Befreiung für 200 qm verbleibt und nur die überschießende Wohnfläche nicht steuerfrei erworben wird.
388
Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen aufgrund einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. b) Verschonung von Betriebsvermögen aa) Gegenstand der Verschonung
389
Das begünstigte Vermögen ergibt sich aus § 13b Abs. 1 ErbStG. Dazu gehören Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Betriebsvermögens einschließlich etwaiger Mitunternehmeranteile sowie unmittelbar gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften mit einem Volumen von mehr als 25 % des Nennkapitals, ersatzweise poolgebundene Anteile. Die Verschonung wird nach § 13b Abs. 2 ErbStG nicht gewährt, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen oder das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Hierdurch sollen vermögensverwaltende Gesellschaften von der Verschonung ausgenommen werden.
390
§ 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG zählt auf, was zum Verwaltungsvermögen gehört. Insbesondere sind Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte sowie Bauten Verwaltungsvermögen. Die gesetzliche Regelung enthält hiervon einzelne Ausnahmen. Eine wichtige Ausnahme gilt für sämtliche im Rahmen einer Betriebsaufspaltung begründeten Nutzungsverhältnisse. Eine weitere Ausnahme betrifft die Betriebsverpachtung, wenn die Nutzungsüberlassung im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebs erfolgt, welche beim Verpächter zu Einkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG führt, und der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter zum Erben eingesetzt hat. Gleiches gilt, wenn die Verpachtung zwar an einen Dritten erfolgt, der Beschenkte im Zeitpunkt der Steuerentstehung den Betrieb jedoch altersbedingt noch nicht führen kann und die Verpachtung auf höchstens zehn Jahre befristet ist. In den Einzelheiten sind diese 128
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Ausnahmeregelungen kompliziert und bedürfen der sorgfältigen Umsetzung in die Praxis. Bei Grundstücksunternehmen wie Wohnungsbauunternehmen, deren 391 Hauptzweck die Vermietung von Wohnungen ist, gelten die im Rahmen dieses Unternehmenszwecks gewerblich Dritten zur Nutzung überlassenen Grundstücke nicht als Verwaltungsvermögen. bb) Umfang der Verschonung Nach §§ 13a Abs. 1, 13b Abs. 4 ErbStG können 85 % des Wertes von Be- 392 triebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften unter den Voraussetzungen der Lohnsummenerhaltung und der Behaltensfrist bei der Besteuerung außer Ansatz bleiben. Die restlichen 15 % sind sofort zu versteuern. Hierbei wird zur Vermeidung kleiner Besteuerungsfälle nach § 13a Abs. 2 ErbStG ein gleitender Abzugsbetrag von 150 000 Euro gewährt. Bei Ausübung der mit verschärften Voraussetzungen verbundenen Ver- 393 schonungsoption des § 13a Abs. 8 ErbStG erhöht sich der Verschonungsabschlag auf 100 %, sodass der gesamte Erwerb steuerfrei bleibt. cc) Lohnsummenerfordernis Voraussetzung für die 85 %ige Verschonung ist, dass die Summe der maß- 394 gebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, innerhalb von sieben Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 650 % der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme). Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre. Die Lohnsumme umfasst alle Vergütungen (Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile), die im maßgebenden Wirtschaftsjahr auf die an die auf den Lohn und Gehaltslisten des erfassten Beschäftigten gezahlt werden. Die einzelnen Vergütungen sind in § 13a Abs. 4 ErbStG aufgeführt. Unterschreitet die Summe der maßgeblichen jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird. Abgerechnet wird also erst nach Ablauf der Lohnsummenfrist von sieben Jahren, wobei bei Unterschreitung der Mindestlohnsumme die Verschonung nicht i.S. eines“ Fallbeils“ insgesamt, sondern nur anteilig entfällt. Zu beachten ist, dass nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG das Lohnsummen- 395 erfordernis insgesamt entfällt, wenn die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb nicht mehr als zehn Beschäftigte hat.
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1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
dd) Behaltensfrist 396
Der Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG und der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG fallen nach § 13a Abs. 5 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn und soweit der Erwerber die Behaltensfrist von sieben Jahren nicht einhält. Ein Verstoß gegen die Behaltensfrist liegt vor, wenn der Erwerber das begünstigte Vermögen innerhalb der Frist veräußert oder einen anderen der in § 13a Abs. 5 ErbStG bezeichneten Aufgabetatbestände verwirklicht. Der Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Verhaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Verhaltensfrist entspricht. ee) Erhöhungsoption
397
Nach § 13a Abs. 8 ErbStG hat der Erwerber die Option auf eine Begünstigung von 100 % statt lediglich 85 %, also auf völlige Erbschaftsteuerfreiheit. Die Ausübung der Option erfolgt durch unwiderrufliche Erklärung und bewirkt, dass sich die Lohnsummefrist von sieben auf zehn Jahre erhöht und an die Stelle der maßgebenden Lohnsumme von 650 % eine Lohnsumme von 1000 % tritt, dass sich die Behaltensfrist von sieben auf zehn Jahre erhöht und schließlich an die Stelle des Prozentsatzes von 50 % für das höchstzulässige Verwaltungsvermögen ein Prozentsatz von 10 % tritt. c) Verschonung vermieteten Grundbesitzes
398
Bebaute Grundstücke oder Grundstücksteile, die zu Wohnzwecken vermietet werden und nicht zum begünstigten Betriebsvermögen gehören, werden nach § 13c ErbStG nur mit 90 % ihres Wertes angesetzt. 4. Vermeidung der Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer
399
Durch die erhöhten Bemessungsgrundlagen für den steuerpflichtigen Erwerb kann es zu einer Belastung sowohl durch Erbschaftsteuer wie durch Einkommensteuer kommen. Die häufigste Fallgruppe betrifft den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb einkommensteuerverstrickter Gegenstände des Betriebsvermögens, deren ertragsteuerlich anzusetzender Wert unter dem gemeinen Wert liegt. Wird diese Wertdifferenz durch Veräußerung oder Betriebsaufgabe einkommensteuerlich realisiert, so kommt zu der Belastung mit Erbschaftsteuer die Belastung mit Einkommensteuer hinzu. Angesichts der Möglichkeiten zur Beseitigung dieses unbefriedigenden Ergebnisses1 hat sich der Gesetzgeber in einem neuen § 35b EStG für eine Anrechnung der Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer entschieden. 1 Crezelius, BB-Spezial 2008, Heft 10 m.w.N.
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F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
5. Gestaltungsmöglichkeiten nach der Reform a) Selbstnutzung beim Familienheim Die in der letzten Phase des Gesetzgebungsverfahrens eingeführte Ver- 400 schonungsregelung für das Familienheim ist allenfalls auf den ersten Blick uneingeschränkt vorteilhaft. Der Pferdefuß liegt in der zehnjährigen Behaltensfrist, die die Lebensplanung für das Alter erheblich einschränkt.1 Oft ist es so, dass der überlebende Ehegatte das zu groß gewordene Familienheim nicht weiter allein nutzen, sondern zugunsten eines kleineren Objekts oder des Umzugs in ein Seniorenheim veräußern möchte. Ein zwingender Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung liegt hierin regelmäßig nicht. Die Veräußerung löst die Steuerpflicht aus. Steht fest, dass der überlebende Ehegatte das Familienheim nicht weiter- 401 benutzen wird und spricht angesichts eines größeren Altersunterschiedes die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der wesentlich jüngere Ehegatten der Überlebende ist, so kann der ältere Ehegatte daran denken, das Familienheim oder seinen Miteigentumsanteil an ihm dem jüngeren Ehegatten ehebedingt und nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei unter Lebenden zu übertragen. Für den Fall, dass der ältere Ehegatte der Überlebende ist, kann dieser sich ein Rückforderungsrecht auf den Tod des jüngeren Ehegatten vorbehalten. b) Lohnsummenkontrolle bei Betriebsvermögen Bei der in weiten Kreisen der Wirtschaft als belastend empfundenen,2 mit 402 der Verschonung des Betriebsvermögens verbundenen Lohnsummekontrolle ist zu berücksichtigen, dass eine Anpassung der Ausgangslohnsumme an die Entwicklung der Löhne und Gehälter nicht erfolgt. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Lohnerhöhung von 3 % erlaubt dies nach sieben Jahren eine effektive Unterschreitung der Ausgangs Lohnsumme um etwa 20 %. Ein eventuell notwendig werdender Arbeitsplatzabbau wird also teilweise durch Lohnerhöhungen kompensiert. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Nachsteuer nicht zu verzinsen 403 ist und nur insoweit erhoben wird, als die in den sieben oder zehn Jahren aufgewendeten Lohnsummen die Mindestlohnsumme unterschreiten. Eine Möglichkeit, die allerdings das gesetzgeberische Ziel der Erhaltung 404 der Arbeitsplätze konterkariert, ist die Herabsetzung der Ausgangslohnsumme durch Abbau von Arbeitsplätzen, Ersetzung von Vollzeitbeschäftigten durch Teilzeitkräfte oder Begründung von Leiharbeitsverhältnissen statt eigener Einstellungen.
1 Flick/Hannes, FAZ v. 15.12.2008. 2 Flick/Hannes, FAZ v. 6.1.2009.
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c) Nulloption 405
Die Option für einen Verschonungsabschlag von 100 % an Stelle der primär vorgesehenen 85 % hat ihre Gefahren. Sie führt zu einer Verlängerung der Behaltensfrist auf zehn Jahre und zu einer Begrenzung des Verwaltungsvermögens auf 10 %. Bei der Normalverschonung sind zwar 15 % des Unternehmenswerts zu versteuern. Dafür ist die siebenjähriger Behaltensfrist leichter planbar. Die zulässige Verwaltungskapitalquote von 50 % erlaubt es, sonst steuerpflichtiges Vermögen wie etwa vermietete Immobilien dem Betriebsvermögen und damit der Erbschaftsteuerfreiheit zuzuordnen. Erkauft wird dies allerdings durch die ertragsteuerliche Verstrickung dieses eingebrachten Vermögens und die Einbeziehung in die betriebliche Haftung. Insgesamt bietet die lediglich 85 %ige Verschonung aber Gestaltungsmöglichkeiten, die bei der Nulloption weitgehend entfallen. d) Beteiligungsquote bei Kapitalgesellschaften
406
Beteiligungen an Kapitalgesellschaften werden nur dann verschont, wenn sie mehr als 25 % des Gesellschaftskapitals ausmachen oder in einem Pool zusammengefasst sind. Insofern erhält etwa der Familienpool über seine sonstigen Vorteile hinaus auch eine neue Bedeutung für die erbschaftsteuerliche Verschonung von Betriebsvermögen. Eine andere Möglichkeit ist der Wechsel der Rechtsform des Unternehmens in die Personengesellschaft, bei der es keine Mindestquote für die Inanspruchnahme des erbschaftsteuerlichen Bewertungsabschlags gibt.1 e) Überhöhte Unternehmenswerte?
407
Das vereinfachte Ertragswertverfahren bei der Unternehmensbewertung kann zu überhöhten Erbschaftsteuerwerten führen. Dieser Effekt ergibt sich über einen zu hohen Kapitalisierungsfaktor, mit denen die Unternehmensgewinne multipliziert werden, um das Betriebsvermögen zu bewerten. Der Kapitalisierungsfaktor ist der Kehrwert aus einem Basiszinssatz und einem Risikozuschlag. Je niedriger, der aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abgeleitete und von der Bundesbank berechnete Basiszinssatz und der gesetzliche Risikozuschlag ausfallen, desto höher ist der Kapitalisierungsfaktor und dadurch der Unternehmenswert. Nach dem Stand vom 7.1.20092 ergibt sich aus einem Basiszinssatz für 2009 von 3,61 % und einem Risikozuschlag von 4,5 % ein Kapitalisierungsfaktor von 12,33.
408
Dieser Faktor wird als nicht marktgerecht angesehen. Den Unternehmen bleibt dann nur die Wahl eines teuren Wertgutachtens.
1 Flick, FAZ v. 21.10.2008. 2 Flick/Hannes, FAZ v. 12.1.2009, S. 11.
132
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
IV. Die Berechnung der Steuer 1. Berücksichtigung früherer Erwerbe In Abschnitt 3 des ErbStG ist es bei der Berücksichtigung früherer Erwer- 409 be nach § 14 verblieben. Danach sind mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammenzurechnen, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe mit dem früheren Wert zugerechnet werden, also beim Erbanfall die Schenkungen des Erblassers, seit deren Ausführung noch keine zehn Jahre verstrichen sind. Dies bedeutet umgekehrt, dass die erbschaftsteuerlichen Freibeträge alle zehn Jahre wieder aufleben. Bei größeren Vermögen ist also die stufenweise Transferierung im Abstand von jeweils zehn Jahren erbschaftsteuerlich interessant. 2. Steuerklassen Verblieben ist es auch bei den Steuerklassen des § 15 Abs. 1 ErbStG. Der 410 Steuerklasse I gehören der Ehegatte, die Kinder und Stiefkinder, deren Abkömmlinge und die Eltern und Voreltern, letztere nur beim Erwerb von Todes wegen, an. Der Steuerklasse II gehören die Eltern und vor Eltern an, soweit sie nicht zur Steuerklasse I gehören, weiterhin die Geschwister und deren Abkömmlinge ersten Grades, die Stiefeltern, die Schwiegerkinder, die Schwiegereltern und der geschiedene Ehegatte. Alle übrigen Erwerber bilden die Steuerklasse III. 3. Freibeträge Die Freibeträge nach § 16 ErbStG wurden für den engeren Kreis der Familie 411 den durch das neue Bewertungsrecht zu erwartenden höheren Erbschaftswerten angepasst. Sie betragen je nach Steuerklasse iSd. § 15 ErbStG für Ehegatten 500 000 Euro, für Kinder, Stiefkinder1 („Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2“) und Kinder bzw. Stiefkinder2 („Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2“) verstorbener Kinder 400 000 Euro sowie für Kinder bzw. Stiefkinder3 („Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2“) noch lebender Kinder 200 000 Euro. Die übrigen Personen der Steuerklasse I haben einen Freibetrag von 100 000 Euro. Verlierer der Reform sind die Personen der Steuerklasse II und III, die lediglich Freibeträge von 20 000 Euro haben. Neu in den Kreis der Begünstigten aufgenommen wurden – im Gegensatz zu verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgefährten, für die nur ein Erwerb von 20 000 Euro steuerfrei bleibt – Lebenspartner iSd. LPartG, die wie Ehegatten einen Freibetrag von 500 000 Euro haben. Einen zusätzlichen besonderen Versorgungsfreibetrag, die aber um den Ka- 412 pitalwert der Versorgungsbezüge gekürzt wird, haben nach § 17 Abs. 1 1 Meincke, § 16 ErbStG Rz. 9; BeckFormB ErbR/Mutter, S. 78. 2 Meincke, § 16 ErbStG Rz. 9. 3 Meincke, § 16 ErbStG Rz. 9.
133
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
ErbStG der überlebende Ehegatte und der überlebende Lebenspartner iSd. LPartG in Höhe von jeweils 256 000 Euro. 413
Weitere zusätzliche Versorgungsfreibeträge haben für Erwerbe von Todes wegen nach § 17 Abs. 2 ErbStG die Kinder, und zwar abgestuft je nach Alter i.H.v. 52 000 Euro bis 10 300 Euro. 4. Steuersätze
414
Die Steuersätze nach § 19 ErbStG gehen für Personen der Steuerklasse I von 7 % bis 30 %, für Personen der Steuerklasse II und III von 30 % bis 50 %.
415
Auch hier sind die Steuerklassen II und III Verlierer der Reform. Dies gilt nach § 19a ErbStG allerdings nicht für den Erwerb von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichen Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 19a, Abs. 2 ErbStG. Nach dieser Regelung1 versteuern Erwerber, die an sich in die Erbschaftsteuerklasse II und III fallen, den Erwerb eines von §§ 13a, 13b ErbStG begünstigten Betriebsvermögens nach dem Tarif der Steuerklasse I. Hierdurch soll die Generationenbrücke des § 13a ErbStG zur Nachfolgebrücke verlängert werden. Adoptionen allein aus Gründen der Unternehmensnachfolge erübrigen sich künftig.
V. Wegfall bewertungsbedingter Gestaltungen 416
Nach dem Wegfall von Bewertungsprivilegien im Grundstücks- und Unternehmensbereich sind die Gestaltungen obsolet geworden, die auf den Bewertungsunterschieden aufbauten. Dies gilt vor allem für den Einsatz des Vermächtnisses in der Weise, dass ein privilegierter Vermögensgegenstand, etwa ein Hausgrundstück, nur einem von mehreren Nachlassbeteiligten testamentarisch zugewendet wurde, und dieser damit einen Steuervorteil etwa gegenüber dem mit Geld Bedachten erhielt. In diese Richtung ging schon eine Ankündigung des BFH, künftig Sachvermächtnisse mit dem gemeinen Wert des Vermächtnisanspruchs und nicht mehr mit dem privilegierten Steuerwert der vermachten Sache zu bewerten.2 Nachdem nunmehr alle Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind, ist dieser Bewertungsfrage die Brisanz genommen.
VI. Das Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 417
Das BVerfG hat durch Urteil vom 17.12.2014 entschieden, dass Teile der im ErbStG für die Übertragung von Betrieben enthaltenen Vergünstigun-
1 Kommentierung bei Geck in Kapp/Ebeling. 2 BFH v. 13.8.2008 – II R7/07, BStBl. II 2008, 982 = FamRZ 2008, 2027 = ErbStB 2008, 319.
134
F. Erbschaftsteuerrecht unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung
gen verfassungswidrig sind, und den Gesetzgeber zu einer diesbezüglichen Gesetzesänderung bis zum 30.6.2016 aufgefordert.1 Die Entscheidung erging aufgrund einer Normenkontrollvorlage des BFH 418 vom 27.9.2012 nach Art. 100 Abs. 1 GG, der § 19 Abs. 1 iVm. §§ 13a und 13b ErbStG in der im Jahr 2009 geltenden Fassung wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig hielt, da die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen nicht durch ausreichende Sach- und Gemeinwohlgründe gerechtfertigt seien und einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufweisen würden.2 Das BVerfG erklärt in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 zunächst die 419 im Vorlagebeschluss des BFH monierten Normen des ErbStG für formell verfassungsgemäß, da insbesondere trotz vollständigen Zuflusses des Erbschaftsteueraufkommens nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG an die Länder die erbschaftsteuerliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Vermeidung einer Rechtszersplitterung aus Art. 72 Abs. 2 iVm. Art. 105 Abs. 2 GG folge. Die materiellen Verschonungsregelungen nach §§ 13a und 13b ErbStG 420 mit weitgehender oder sogar vollständiger Freistellung von der Erbschaftsteuer bei unentgeltlichem Übergang betrieblichen Vermögens sind nach Ansicht des BVerfG für kleine und mittlere in personaler Verantwortung geführte Unternehmen zur Sicherung ihres Bestandes und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze im Rahmen des diesbezüglich grundsätzlich weiten gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums selbst ohne konkrete Bedürfnisprüfung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Darüber hinaus ist die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens bei größeren Unternehmen unverhältnismäßig, wenn insoweit nicht durch konkrete gesetzliche Bedürfnisprüfung ein entsprechendes Erfordernis zur Vermeidung einer Gefährdung des betroffenen Betriebes nachgewiesen ist. Nach einer dabei durch das BVerfG benannten Empfehlung der Europäischen Kommission vom 6.5.2003 könnte die Grenzziehung bei 250 Arbeitnehmern, einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro bzw. einer Jahresbilanzsumme von 43 Millionen Euro liegen.3 Einen weiteren Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG stellt das BVerfG hinsicht- 421 lich der von § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG vorgesehenen Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten von der Lohnsummenpflicht fest, da dadurch über 90 % aller Betriebe in Deutschland von der Pflicht zur Lohnsummeneinhaltung begünstigend befreit werden und damit gegenüber Erwerbern anderen nichtprivilegierten Vermögens unverhältnismäßig bessergestellt sind.
1 BVerfG v. 17.1.2014 – 1 BvL 21/12, DStR 2015, 31 = FamRZ 2015, 213 = ZEV 2015, 19. 2 BFH v. 27.9.2012 – II R 9/11, BStBl. II 2012, 899 = ZEV 2012, 599 m. Anm. Hannes. 3 2003/361/EG, ABl L 124/36 v. 20.5.2003.
135
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
422
Des Weiteren verstößt die uneingeschränkte Verschonung des Erwerbs von bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen bestehendem Vermögen ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
423
Schließlich führen nach diesem Urteil des BVerfG gesetzlich nicht verhinderte Umgehungsgestaltungen zur Gleichheitswidrigkeit der insoweit nicht hinreichend vollzogenen Gesetzesanordnung aus §§ 13a und 13b ErbStG. Dies gilt insbesondere für die Umgehung der Lohnsummenpflicht durch Aufspaltung eines Betriebes mit über 20 Beschäftigten in eine Besitzgesellschaft, der neben dem Betriebsvermögen nur bis höchstens 20 Beschäftigte zugeordnet sind, einerseits und eine mit umfangreichen den Steuerwert erheblich reduzierenden Verbindlichkeiten sowie hohen Beschäftigtenzahlen belastete Betriebsgesellschaft andererseits, die Erhöhung des von der Verschonungsregelung erfassten Anteils des Verwaltungsvermögens am Betriebsvermögen mittels mehrstufiger Konzernstruktur sowie die bereits durch Gesetz vom 26.6.20131 ausgeschaltete vorherige Einbringung nicht produktiven für die Betriebsliquidität nicht erforderlichen Finanzvermögens in Cash-Gesellschaften.
424
Von möglicherweise ebenfalls wichtiger Bedeutung für die Neufassung der §§ 13a und 13b ErbStG können die Sondervoten von drei an der Entscheidung beteiligten Bundesverfassungsrichtern sein, nach denen die betroffenen Regelungen nicht alleine gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, sondern zudem gegen das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG verstoßen, aus dem die staatliche Verpflichtung zur Ausgleichung sozialer Gegensätze resultiere.2
425
Mangels einer durch das BVerfG angeordneten vorübergehenden Weiteranwendung der §§ 13a und 13b ErbStG besteht die Gefahr, dass die gesetzgeberische Neuregelung mit Rückwirkung erfolgt. Der Gesetzgeber darf dabei eine Rückwirkung anordnen, ohne dies zu müssen.3 Daher sollte, soweit mit einer Betriebsübertragung nicht bis zum Ablauf der dem Gesetzgeber auferlegten Änderungsfrist am 30.6.2016 zugewartet werden kann, in den Übertragungsvertrag zwingend von vorneherein zumindest ein bedingtes Rückübertragungsrecht für den Fall aufgenommen werden, dass die Verschonungsvorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG durch eine schenkungsteuerrechtlich stärker belastende rückwirkende neue gesetzliche Regelung ersetzt werden.4
1 BGBl. I 2013, S. 1809, 1842. 2 BVerfG v. 17.1.2014 – 1 BvL 21/12, ZEV 2015, 19 (51 f.); kritisch dazu Crezelius, ZEV 2015, 1 (7). 3 Hannes, ZEV 2015, 7 (12); Christ, FamRB 2015, 63 (64). 4 Ihle, notar 2015, 23 (26).
136
G. Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen
G. Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen I. Von der Fallgruppe zum Gestaltungstyp Wie im gesamten Bereich der Rechts- und Vertragsgestaltung bewährt sich 426 auch im Erbrecht die Methode der Gestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen. Sie wurde anhand der Ehevertragsgestaltung entwickelt1 und alsbald für den Gesamtbereich der Tätigkeit des Kautelarjuristen als Methode der Kautelarjurisprudenz etabliert.2 Ausgehend von den in der Rechtswirklichkeit vorkommenden Fallgruppen bildet der Kautelarjurist unter Berücksichtigung des verfolgten Zwecks einerseits und der gesetzlichen Regelung andererseits Vertrags- und Regelungstypen. Diese werden nicht vom Gesetz abgeleitet, sondern aus der Wirklichkeit geboren. Das Gesetz ist nicht Ziel einer kautelarjuristischen Gestaltung, sondern ihr Instrument. Das Arbeiten mit diesen Fallgruppen und Gestaltungstypen vollzieht sich 427 nicht etwa so, dass der Vertragsjurist nach Art des Richters seinen Sachverhalt unter eine Fallgruppe bzw. einen Vertragstyp subsumiert. Vielmehr bedient sich der in die Zukunft hinein gestaltende Kautelarjurist im Umgang mit Fallgruppen und Gestaltungstypen des analogen, komparativen Denkens, der Zuordnung. Der konkrete Gestaltungsfall wird mit den ihm benachbarten Fallgruppen verglichen und der Fallgruppe zugeordnet, der er am nächsten steht. Je mehr der konkrete Fall einer typischen Fallgruppe entspricht, desto mehr kann der für diese Fallgruppe entwickelte Gestaltungstyp verwirklicht werden. Je mehr der konkrete Fall von der Fallgruppe abweicht, desto mehr Abweichungen vom Gestaltungstyp sind erforderlich. Regelmäßig bieten sich Alternativen an. Das Denken in Alternativen ist 428 ebenfalls für die Arbeitsweise des Kautelarjuristen kennzeichnend.3 Solche Alternativen ergeben sich häufig im mehr instrumentalen Bereich der einzelnen Gestaltungsformen innerhalb eines Gestaltungstyps.4 So stehen für die Versorgung der Unternehmerwitwe z.B. alternativ das Nießbrauchsvermächtnis, das Rentenvermächtnis oder das Vermächtnis einer dauernden Last zur Verfügung. Die Entscheidung, welchen Regelungstyps man sich bedient, erfolgt nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, im Beispielsfall nicht zuletzt unter Berücksichtigung steuerlicher Folgen. 1 Langenfeld, Möglichkeiten und Grenzen notarieller Vertragsgestaltung bei Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen, DNotZ-Sonderheft Notartag 1985, 167; Langenfeld, Ehevertragsgestaltung nach Ehetypen, FamRZ 1994, 201. 2 Jerschke, Die Wirklichkeit als Muster-Orientierung an typischen Fall als Beitrag zur Vertragsgerechtigkeit, DNotZ-Sonderheft Notartag 1989, 21; Langenfeld, Vertragsgestaltung, passim. 3 Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 59. 4 Dazu Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 65.
137
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
429
Im Bereich der Testamentsgestaltung stellt sich mit besonderer Schärfe das die Arbeit des Kautelarjuristen ebenfalls kennzeichnende Prognoseproblem.1 Die gewählte Gestaltung muss zunächst vom gegenwärtigen Stand ausgehen. Es sind also im Sinne einer kautelarjuristischen Hermeneutik2 die gegenwärtigen Verhältnisse und Vorstellungen der Beteiligten zu ermitteln. Auf ihrer Grundlage ist die voraussichtliche künftige Entwicklung und sind vor allem mögliche Störfaktoren zu bedenken und zu gewichten. Die gewählte Gestaltung muss möglichst vielen denkbaren künftigen Ereignissen gerecht werden und für möglichst viele denkbare Störfälle Vorsorge treffen. Hierzu gehört auch die Berücksichtigung erkennbarer Tendenzen der Rechtsprechung, die Rechtsprechungsprognose.3 Das Prognoseproblem führt auch dazu, dass Testamentsgestaltungen in regelmäßigen Abständen überprüft werden sollten. Hier hat sich als Regel der Praxis ein Zeitraum von etwa zehn Jahren bewährt.4
430
Nur die Orientierung an Fallgruppen und Gestaltungstypen vermag im Bereich der Testamentsgestaltung wie im gesamten Bereich der Kautelarjurisprudenz Sachrichtigkeit, Rechtssicherheit5 und Haftungsvermeidung6 zu gewährleisten.
II. Anwendung der Methode der Orientierung an Fallgruppen und Gestaltungstypen bei der Testamentsgestaltung 431
Die im Bereich der Ehevertragsgestaltung alsbald allgemein rezipierte Methode der Orientierung an Fallgruppen und Gestaltungstypen7 wird mittlerweile für den Gesamtbereich vertragsjuristischer Gestaltungen als grundlegend angesehen.8 Für den erfahrenen Vertragsjuristen bringt sie vor allem ein Element der Bewusstmachung schon immer angewendeter Gestaltungs- und Verhandlungsmaximen mit sich, für den Berufsanfänger einen gezielten Einstieg in ein unübersichtliches und heterogenes Betätigungsfeld.
432
Wer zwecks Einstiegs in die Erbrechtsgestaltung das fünfte Buch des BGB von vorne bis hinten liest, erfährt nichts über die Erbrechtswirklichkeit. Wer aber eine nach Testamentstypen aufgebaute kautelarjuristische Darstellung konsultiert, erhält Zugang zu den Zwecken, Inhalten und Instrumenten erbrechtlicher Gestaltungen. Die Methode der Gestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen orientiert sich an der Rechtswirklich1 Dazu Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 4. 2 Dazu Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 87 ff. 3 Vgl. Köhler, Rechtsprechungsprognose als Amtspflicht des Notars, in FS 125 Jahre Bayerisches Notariat, 1987, S. 197 ff. 4 Franzen, Anwaltskunst, 3. Aufl. 2001, S. 186 f. 5 Dazu Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 245 f. 6 Dazu Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 152. 7 Für die Praxis vgl. Langenfeld, Hdb. der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen; für die Wissenschaft z.B. Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 195. 8 Vgl. z.B. Schmittat, Einführung in die Vertragsgestaltung, 3. Aufl. 2008, S. 216 ff.; Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003, S. 73 ff.
138
G. Testamentsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen
keit und vermittelt inhaltliche Vorgaben für die Verwirklichung bestimmter Zwecke. Dem Gesetz sind die Instrumente der Gestaltung zu entnehmen, etwa die erbrechtlichen Institute der Erbeinsetzung, des Vermächtnisses oder der Testamentsvollstreckung. Leben erhalten diese Institute erst durch ihre instrumentale Funktion bei der Bildung von Gestaltungstypen. Diese Gestaltungstypen ergeben sich aus der juristischen Umsetzung typischer Fallgruppen. Die Wirklichkeit dient als Muster für kautelarjuristische Gestaltungen. Die Orientierung an kautelarjuristischen Gestaltungstypen erlaubt die individuelle Gestaltung des Einzelfalls. So hat der Testamentsgestalter zunächst zu ermitteln, welcher typischen Fallgruppe, für die ein Gestaltungstyp zur Verfügung steht, sein Fall zuzuordnen ist. Ergibt diese wertende Zuordnung, dass der zu gestaltende Fall der Fallgruppe problemlos zuzuordnen ist, so kann der Gestaltungstyp übernommen werden. Ergeben sich Abweichungen, so ist zu prüfen, inwieweit Anpassungen des Gestaltungstyps erforderlich sind. Es wird also nicht etwa der Einzelfall in das Prokrustesbett eines Gestaltungstyps gezwängt, sondern vielmehr umgekehrt der Gestaltungstyp dem Einzelfall angepasst. Dies ist beim Arbeiten mit Typen in wertender Zuordnung unter Einsatz analogen Denkens problemlos möglich. Denn Typen sind nicht wie das Gesetz starr strukturiert, sondern elastisch und jeder sachgerechten Anpassung zugänglich. Die Bewusstmachung der Methode der Gestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen verhilft zur Bildung eines kautelarjuristischen Vorverständnisses und zur Erlernung des analogen Denkens, dass in der an der Subsumtion ausgerichteten juristischen Ausbildung nicht hinreichend vermittelt wird. Im Erbrecht vollzog sich die Wende von der traditionellen dogmatischen 433 Betrachtungsweise zur Darstellung von fallgruppen- und zweckbezogenen Testamentstypen schon vor über 20 Jahren.1 Mittlerweile folgen alle kautelarjuristischen Erbrechtsbücher dieser von der Fallgruppen- und Vertragstypenmethode bestimmten Darstellungsweise. Ausdrücklich und besonders eindrucksvoll geschieht dies in der Schrift von Baltzer zum Vorund Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz.2 Kautelarjuristische, gesetzlich nicht geregelte Testamentstypen wie das 434 Behindertentestament, das Geschiedenentestament, das Bedürftigentestament oder das Unternehmertestament werden unter diesen Bezeichnungen quer durch die einschlägigen Rechtsgebiete erörtert und einschließlich ihrer Alternativen und Untertypen dargestellt und ausformuliert. Selbstverständlich folgt auch das vorstehende Buch seit seinem ersten Erscheinen dieser Darstellungsweise.
1 Nieder in Münchener Vertragshdb., Band 6, Kap. VIII; Nieder, Hdb. der Testamentsgestaltung, 1. Aufl. 1992, mit ausdrücklicher (Vorwort) Berufung auf Langenfeld, Vertragsgestaltung. 2 Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007.
139
1. Kap. Grundlagen der Testamentsgestaltung
III. Von der Beratung zur Gestaltung 1. Das Beratungsgespräch 435
Die Orientierung an Fallgruppen und Testamentstypen gibt auch dem beratenden Gespräch des Testamentsgestalters mit dem Erblasser Struktur und Ziel. Im Vorfeld der Gestaltung, insbesondere in der Verhandlung mit den Beteiligten, vollzieht sich das Hin- und Herwandern des Blicks, der hermeneutische Prozess, der nicht ein Zirkel, sondern eine aufsteigende Spirale zu sein hat. Durch die Ausrichtung der Verhandlung auf einen bestimmten Testaments- oder Regelungstyp, der sich aus den denkbaren Alternativen herausschält, findet dieser Prozess sein Ziel und schließlich sein Ende. Eine Wanderung ohne Ende wird vermieden. Der Testamentsgestalter gewinnt aus der Kenntnis der und der Orientierung an den anerkannten Gestaltungstypen Ruhe und Sicherheit zur Strukturierung der Verhandlung und zur Hinführung des Testators an die Akzeptanz der gewünschten Gestaltung. Der Testator erkennt die Kompetenz des Testamentsgestalters und vertraut sich ihr im Ergebnis an. 2. Die Gestaltung
436
Wesentliche Aufgabe des Beratungsgesprächs ist die Vermittlung der gesetzlichen Vorgaben. Jedem in der erbrechtlichen Beratung erfahrenen Testamentsgestalter ist bekannt, dass im Regelfall zunächst gängige Verständnisdefizite des Laien zu überwinden sind. So ist das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge regelmäßig nicht bekannt. Der Laie will einzelne Gegenstände vererben und findet sich nur zögerlich mit der Umsetzung seiner Wünsche etwa in die Kategorien der Erbeinsetzung und des Vermächtnisses ab.
437
Die hiermit verbundene Anstrengung können sich aber weder der Berater noch der Testator ersparen. Denn für das hoch technische, von dogmatischer Präzision und sprachlicher und sachlicher Begrifflichkeit gekennzeichnete Erb- und Testamentsrecht des BGB gilt in besonderer Weise, dass die Sprache der Niederschrift die juristischen Fachsprache zu sein hat. Ein fachmännisch gestaltetes Testament darf nichts der Auslegung überlassen. Die erforderliche Eindeutigkeit und Klarheit ist nur durch den Gebrauch der Fachsprache mit den Fachausdrücken des Gesetzes zu erreichen. Hier muss das Ergebnis der Übersetzertätigkeit des Testamentsgestaltetes darin bestehen, dass die Beteiligten bei der Niederschrift oder Verlesung des in der Fachsprache abgefassten Testaments mit den einzelnen Begriffen und Regelungen inhaltlich richtige Vorstellungen verbinden.
140
2. Kapitel Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht als Ausgangspunkt der Testamentsgestaltung
Inhaltsübersicht
A. Die gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . I. Ausgangspunkt der Verhandlung II. Gesetzliche Erbfolge und Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesamtrechtsnachfolge und Gesamthand. . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzliche Erbfolge nach Erbordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Familienerbfolge . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheit: Minderjährig Adoptierte . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheit: Volljährig Adoptierte . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheit: Nichteheliche Kinder bzw. Väter. . . . 2. Reihenfolge der Erbberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Erbrecht des Ehegatten neben den Verwandten des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ehegattenerbrecht neben Abkömmlingen . . . . . . . . . . . . . a) Bei Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei allgemeiner Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . c) Bei deutsch-französischer Wahl-Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bei Gütertrennung . . . . . . . e) Bei fortgesetzter Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . 3. Das Ehegattenerbrecht neben Eltern, Geschwistern, Geschwisterkindern und Großeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraus, Dreißigster. . . . . . . . . . VI. Mehrfache Verwandtschaft bzw. verwandter Ehegatte . . . . . . . . . . . VII. Fiskuserbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Der Wegfall gesetzlicher Erben . . IX. Besonderheit: Deutsch-deutsche Erbfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1 1
B. Das Erbrecht des Partners der eingetragenen Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
2 3 8 8 8 9 10 11 16
22 22 27 27 29
30 31 32
33 38 40 42 43 44
C. Das Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . I. Pflichtteilsrecht und Testierfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichtteilsrecht, Pflichtteilsanspruch, Pflichtteilsergänzungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsrecht. . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsanspruch . . . . . . . . . 4. Pflichtteilsergänzungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausschluss pflichtteilsrechtlicher Mehrfachbegünstigung desselben Stammes . . . . . . . . . . . . IV. Beeinträchtigende Erblasserverfügungen als Voraussetzung von Ansprüchen aus dem Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Enterbung des Pflichtteilsberechtigten, § 2303 BGB . . . . . 3. Erbeinsetzung des Pflichtteilsberechtigten mit Beschränkungen und Beschwerungen, § 2306 BGB. . . . . . . . . . 4. Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten auf einen unter der Pflichtteilsquote liegenden Erbteil, § 2305 BGB . . . . . . . . . . 5. Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten lediglich zum Vermächtnisnehmer, § 2307 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erbeinsetzung und zusätzliches Vermächtnis . . . . . . . . . . . 7. Der Ehegatte als Erbe oder Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . a) Bei ehevertraglicher Gütertrennung, Gütergemeinschaft oder deutsch-französischer Wahl-Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . .
56 56
60 60 61 62 63
64
68 68 69
70
73
74 75 76
76
141
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht Rz. b) Bei Zugewinngemeinschaft V. Tragung der Pflichtteilslast . . . . . VI. Wertermittlung im Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Zweck . . . . . . . . . . . 2. Schlüsselbegriff Schenkung. . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . b) Gemischte Schenkung . . . . c) Übergabeverträge. . . . . . . . . d) Ehebedingte Zuwendungen e) Ausstattung . . . . . . . . . . . . . f) Güterstandswechsel durch Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . g) Gesellschaftsrechtliche Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . h) Lebensversicherungen auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . i) Spenden bzw. Zustiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Dingliche Belastung . . . . . . k) Umdeutung eines formnichtigen Schenkungsversprechens . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkungen des Bereichs der Pflichtteilsergänzung . . . . . a) Die Fristen des § 2325 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls . . . . D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden . . . . . . . . . . . . I. Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . a) Varianten hinsichtlich des Verzichtsumfangs . . . . . . . . b) Vertragscharakter . . . . . . . . c) Beurkundungspflicht . . . . . d) Abschlusszeitpunkt . . . . . . e) Höchstpersönlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsgeschäft unter Lebenden . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bedingung und Befristung . h) Wirkungserstreckung . . . . . i) Schenkungskriterium . . . . . j) Unwirksamkeitskriterium nach § 7 iVm. § 27 BeurkG. k) Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei ausschließlichem Erbverzichtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
78 85 88 89 89 96 96 97 98 101 103 104 105 106 109 110
111 112 112 114 115 115 115 115 116 117 118 119 124 125 131 133 134 135
136
Rz. a) Gesetzliche Erbfolge . . . . . b) Umdeutung bei gewillkürter Erbfolge . . . . . . . . . . c) Relativer Erbverzicht . . . . 3. Besonderheiten beim ausschließlichen Pflichtteilsverzichtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung der Unterscheidung zwischen Erb- und Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . 5. Grundgeschäft . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Beurkundungspflicht. . . . . c) Kein diesbezügliches Höchstpersönlichkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . d) Gestaltung des Grundgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Sicherung des Austauschverhältnisses bei hinausgeschobener Abfindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auswirkung eines Pflichtteilsverzichts auf Elternpflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Auswirkung eines Pflichtteilsverzichts auf Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Auswirkung eines Pflichtteilsverzichts auf die Einrede gegen Pflichtteilsergänzungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Stillschweigender Erb- und Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . 10. Steuerpflichtige Gegenleistung für Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Geschäftsfähigkeit des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Abfindung und Pflichtteilsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der beschränkte, insbesondere der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit des beschränkten Pflichtteilsverzichts . . . . . . . . . 2. Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . 3. Weitere Möglichkeiten der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . 4. Fallgruppen und Typen beschränkter Pflichtteilsverzichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 137 140
144
147 148 148 149
152 154
155
159
160
161 162
167 170 173
174 174 175 176
178
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht Rz.
III.
IV.
V. VI. VII.
VIII.
IX.
a) Der auf einen Zuwendungsgegenstand beschränkte Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der vorsorgliche gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflichtteilsverzicht nur zugunsten bestimmter Personen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stundung des Pflichtteilsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . e) Pflichtteilsverzicht zur Ausschaltung der sich aus § 2306 BGB ergebenden Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle . . . . . . . . . . . . Die Aufhebung von Erbverzichtsbzw. Pflichtteilsverzichtsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung ergänzungspflichtiger Schenkungen i.S.v. § 2325 BGB bei vorweggenommener Erbfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtzeitig schenken . . . . . . . . 2. Mitwirkung des Ergänzungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . Reduzierung der Schenkung durch Gegenleistungen. . . . . . . . . Ertragswertanordnung bei landwirtschaftlichen Übergaben . . . . . Vermeidung der Schenkung durch andere Vertragstypen . . . . . 1. Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ehebedingte „unbenannte“ Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Güterstandswechsel durch Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Traditionelle Rechtsprechung, Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abfindungsausschluss . . . . . . . 3. Gründung einer Gesellschaft bzw. Aufnahme in eine Gesellschaft ohne Einlageverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendung der Ausnahmen auf vermögensverwaltende Gesellschaften? . . . . . . . . . . . . . Pflichtteilsflucht in ausländische Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1. Ausländische Immobilien . . . . 222 2. Ausländische Privatstiftungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
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181
182 184
185 186
197
202 202 203 204 205 208 208 214 215 218 218 219
220
221 222
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . I. Anordnungen über die Tragung der Pflichtteilslast nach § 2324 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abweichende Anordnungen im Verhältnis mehrerer Erben zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichende Anordnungen im Verhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmer/ Auflagenberechtigtem . . . . . . . II. Anordnung der Pflichtteilsberechnung zum Ertragswert nach § 2312 BGB . . . . . . . . . . . . . . III. Strafklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Socinische Klausel („Cautela Socini“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstreckung der Ausschlagungswirkung auf die Ersatzerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsstrafklauseln . . . . . . IV. Pflichtteilsentziehung, Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der Pflichtteilsentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Pflichtteilsentziehungsgründe . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Wirkung zulasten von entfernteren Abkömmlingen . . 4. Streitverkündung und Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Praktische Bedeutung der Pflichtteilsentziehung . . . . . . . 6. Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangsproblematik . . . . . . . . . . II. Zuwendungsart . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zwischen Ausstattung und Schenkung. . . . . . III. Erbausgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Ausgleichung bei Erbauseinandersetzung. . . . . . .
227
227 227
230
231
232 236 236
237 238
239 239 248 253 254 255
257 258 258 261 261 262 266 266
143
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht Rz. 2. Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge . . a) Zuwendungsarten . . . . . . . . b) Erblasseranordnung. . . . . . . c) Ausgleichungspflicht des Ersatzerben. . . . . . . . . . . . . . d) Entferntere und angenommene Abkömmlinge . . . . . . 3. Lebzeitige besondere Leistungen von Abkömmlingen an den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berechnung der Ausgleichung. a) Für Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge . . b) Für besondere Leistungen von Abkömmlingen an den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nachträgliche Anordnungen . . a) Rechtzeitig aufgrund Vorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verspätet mangels Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkungen der Erbausgleichung auf Pflichtteilsquoten . . . . V. Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . . 1. Wesen der Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271 271 275 279 280
282 290 290
293 296 296 301 304 315 315
Rz. 2. Anrechnungsbestimmung . . . . 3. Nachträgliche Aufhebung . . . . 4. Nachträgliche Bestimmung . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbarer Ausweg über gesetzliche Berücksichtigung von Eigengeschenken bei Pflichtteilsergänzung . . . . . . . . . . . 5. Berechnung der Anrechnung . . 6. Anrechnungsbestimmung gegenüber dem Ehegatten. . . . . VI. Kumulation von Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchführung der Kumulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtvergleich der Pflichtteilshöhe zwischen § 2315 Abs. 1, § 2316 Abs. 4 und § 2316 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . VII. Besonderheiten hinsichtlich des Ehegatten des Zuwendenden . . . . 1. Erbausgleichung . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . 3. Schlussfolgerungen für die Gestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
316 328 330 330
332 335 338
340 340
344 349 349 353 356
A. Die gesetzliche Erbfolge I. Ausgangspunkt der Verhandlung 1
Die gesetzliche Erbfolge ist in zweierlei Weise Ausgangspunkt jeder Verfügung von Todes wegen. Zum einen muss der Erblasser die gesetzliche Regelung kennen, um entscheiden zu können, ob und in welchem Umfang letztwillige Verfügungen zur Verwirklichung seiner Vorstellungen erforderlich sind. Zum Zweiten setzt das Pflichtteilsrecht der Testierfreiheit Grenzen. Zu Beginn des Beratungsgesprächs ist deshalb die gesetzliche Erbfolge, bezogen auf die konkreten Verhältnisse des Erblassers, zu erläutern und es ist zu erörtern, ob und in welchem Umfang Pflichtteilsansprüche bestehen. Dabei genügt es regelmäßig, dem Erblasser unter Berücksichtigung seiner zuvor erfragten Familiensituation die gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrechte in seinem Fall kurz darzulegen. Damit werden von vornherein falsche Vorstellungen ausgeräumt und wird hinsichtlich des Pflichtteilsrechts ein zuvor meist nicht vorhandenes Problembewusstsein hergestellt, sodass die weitere Verhandlung von Anfang an in den richtigen Bahnen verläuft.
144
A. Die gesetzliche Erbfolge
II. Gesetzliche Erbfolge und Testierfreiheit Die gesetzliche Erbfolge tritt nur ein, soweit nicht eine letztwillige Erb- 2 regelung vorliegt. Ausschließlich nach dem Gesetz bestimmt sich die Erbfolge, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Nur nach der letztwilligen Verfügung bestimmt sich die Erbfolge, wenn durch Einsetzung von Erben über den gesamten Nachlass bzw. im Falle einer Nachlassspaltung zumindest einen gesamten Spaltnachlass (s. oben 1. Kap. Rz. 143) verfügt wird. Enthält die letztwillige Verfügung keine ausdrückliche Erbeinsetzung, sondern lediglich Einzelzuwendungen, so ist zunächst unklar, ob eine Erbeinsetzung gewollt ist oder die gesetzliche Erbfolge eintritt und auf ihrer Grundlage die testierten Einzelverfügungen zu erfüllen sind. Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollte daher in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich klargestellt werden, ob eine zum Vonselbstanfall nach § 1942 Abs. 1 BGB führende Erbeinsetzung oder lediglich eine durch den Erben noch zu erfüllende Vermächtnisanordnung gewollt ist. Andernfalls muss die Verfügung zunächst mit offenem Ergebnis, ggf. auch ergänzend ausgelegt und erst dann, wenn dies nicht weiterhilft, hilfsweise im Wege der Auslegungsregel des § 2087 BGB entschieden werden. Danach ist die Zuwendung des Nachlassvermögens oder eines Bruchteils desselben im Gegensatz zur Zuordnung einzelner Gegenstände als Erbeinsetzung anzusehen. Dabei kommt jedoch über den Wortlaut der Verfügung hinaus insbesondere bei Zuwendung eines Hausgrundstücks, obwohl es sich dabei um einen Einzelgegenstand handelt, eine Erbeinsetzung in Betracht, wenn dieser Grundbesitz nach den Vorstellungen des Erblassers bei Abfassung der Verfügung den Nachlass vollständig oder zumindest im Wesentlichen ausfüllt, ohne dass daneben erhebliche Restnachlasswerte verbleiben.1 Die gesetzliche Erbfolge tritt auch dann ein, wenn sich die testierte Erbfolge – etwa wegen Formmängeln – als unwirksam erweist oder wenn der eingesetzte Erbe samt eventueller Ersatzerben wegfällt.
III. Gesamtrechtsnachfolge und Gesamthand Nach § 1922 BGB geht mit dem Tod des Erblassers sein Vermögen als 3 Ganzes auf den oder die Erben über. Es handelt sich dabei um einen vom Gesetz nach § 1942 Abs. 1 BGB angeordneten Vonselbsterwerb. Im Moment des Todes treten an die Stelle des Erblassers, der nicht mehr Inhaber von Rechten und Pflichten sein kann, hinsichtlich der vererblichen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten der oder die Erben. Sie sind damit Inhaber dieser ererbten Rechte und Pflichten, ohne dass zu diesem Erwerb noch Übertragungsakte nötig wären. Ist z.B. der Erblasser im Grundbuch als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen, so wird mit seinem Tod sein Erbe Eigentümer. Das Grundbuch wird im Moment des Todes unrichtig, da es nicht mehr den Eigentümer verzeichnet. Der Erbe 1 OLG Düsseldorf v. 30.4.2014 – I-3 Wx 141/13, RNotZ 2014, 445 (448).
145
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
als neuer Eigentümer wird, sobald er die Erbfolge durch Erbschein (s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 1 ff.), Europäisches Nachlasszeugnis (s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 74 ff.) oder öffentliches Testament bzw. Erbvertrag samt Eröffnungsprotokoll (s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 65 ff.) nachweist, auf Antrag im Wege der Grundbuchberichtigung im Grundbuch eingetragen. Diese Eintragung ist nicht wie bei rechtsgeschäftlichem Erwerb nach § 873 BGB rechtsbegründend – konstitutiv –, sondern lediglich deklaratorisch, also berichtigend. 4
Wer Erbe wird, bestimmt die letztwillige Verfügung des Erblassers oder in Ermangelung einer solchen das Gesetz. Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft, die den besonderen Regeln der §§ 2032 ff. BGB gehorcht. Der Nachlass bildet ein gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen, das der Erbengemeinschaft zusteht. Der einzelne Miterbe hat keinen Anteil an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über den er verfügen könnte. Jeder Erbschaftsgegenstand gehört allen gemeinsam, über ihn können nur alle gemeinsam verfügen. Lediglich über seinen Anteil an der Erbengemeinschaft, seinen Erbteil, kann ein Miterbe durch notariellen Vertrag verfügen. Der Erwerber des Erbteils etwa beim Erbteilskauf tritt anstelle des Verkäufers in die Erbengemeinschaft ein. Die übrigen Miterben haben zum Schutz der Erbengemeinschaft, die meist durch Blutsbande verbunden ist, im Falle des Verkaufs ein Vorkaufsrecht, das jedoch nicht besteht, wenn Erbteilserwerber ein Miterbe ist.1
5
Von der Gesamtrechtsnachfolge ausgenommen und damit unvererblich sind höchstpersönliche Rechte des Erblassers, die mit seinem Tod erlöschen. Dies sind insbesondere seine Stellung als Inhaber der elterlichen Sorge, als Vormund, als Träger von Persönlichkeitsrechten und als Berechtigter aus einem Nießbrauch oder einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wie etwa einem dinglichen Wohnungsrecht nach § 1093 BGB.
6
Bei der Mitgliedschaft in Personengesellschaften ist das Erlöschen der Mitgliedschaft beim Tod eines Gesellschafters gesetzliche Regel, § 727 Abs. 1 BGB. Hier kann der Gesellschaftsvertrag die Mitgliedschaft jedoch vererblich stellen. Die Mitgliedschaft in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach der gesetzlichen Regel des § 15 Abs. 1 GmbHG frei vererblich. Frei vererblich sind auch durch Wertpapiere verkörperte Mitgliedschaften, wie etwa die durch Aktie verkörperte Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft.
7
Die Kenntnis der Grundsätze der Gesamtrechtsnachfolge und der gesamthänderischen Bindung des Nachlasses kann beim juristischen Laien nicht vorausgesetzt werden. Regelmäßig geht der Laie davon aus, dass einzelne Vermögensgegenstände direkt und ohne rechtsgeschäftlichen Erfüllungsakt an einzelne von mehreren Personen vererbt werden können. Privattestamente nicht beratener Erblasser begnügen sich selten mit der bloßen Erbeinsetzung oder Miterbeneinsetzung, sondern bestimmen konkret, welche Person welchen Nachlassgegenstand erhalten soll. Aufgabe des Be1 BGH v. 16.12.1992 – IV ZR 222/91, MDR 1993, 356 = DNotZ 1993, 536.
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A. Die gesetzliche Erbfolge
ratungsgesprächs ist es deshalb nicht selten, dem Erblasser zunächst die Grundsätze der Gesamtrechtsnachfolge fallbezogen zu vermitteln.
IV. Gesetzliche Erbfolge nach Erbordnungen 1. Familienerbfolge a) Allgemeines Neben dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge folgt das deutsche Erb- 8 recht dem Grundsatz der Familienerbfolge in Erbfolgeordnungen. Erbberechtigt ist die Familie im Sinne der Blutsverwandten und der ihnen gleichgestellten Personen. Hierzu zählen als Blutsverwandte die ehelichen und nichtehelichen Abkömmlinge, die Eltern und Voreltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. b) Besonderheit: Minderjährig Adoptierte Minderjährig adoptierte Kinder stehen den leiblichen Kindern gleich, 9 ebenso die Adoptiveltern dieser Kinder den leiblichen Eltern, § 1754 BGB. Durch Annahme als Kind (Adoption) erlangt das angenommene Kind die rechtliche Stellung eines Kindes – bei Annahme durch ein Ehepaar oder bei Annahme des Kindes eines Ehegatten durch den anderen diejenige eines gemeinschaftlichen Kindes – des/der Annehmenden (§ 1754 BGB). Als solchem stehen ihm und seinen Abkömmlingen das gesetzliche Erbrecht samt Pflichtteilsrecht nach dem Annehmenden und dessen Verwandten zu. Das Gleiche gilt umgekehrt für den Annehmenden und dessen Verwandte gegenüber dem Angenommenen (§§ 1754, 1924 ff., 2303 BGB). Das angenommene Kind und dessen Abkömmlinge haben kein gesetzliches Erbrecht – und somit auch kein Pflichtteilsrecht – gegenüber den leiblichen Eltern und deren Verwandten. Nimmt jedoch ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten an, so tritt das Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses nicht im Verhältnis zu den Verwandten des anderen Elternteils ein, wenn dieser die elterliche Sorge hatte und verstorben ist (§ 1756 Abs. 2 BGB). Nach § 1925 Abs. 4 BGB sind in den Fällen des § 1756 BGB das angenommene Kind und die Abkömmlinge der leiblichen Eltern oder des anderen Elternteils des Kindes im Verhältnis zueinander nicht Erben der zweiten Ordnung. Die davon abweichenden Rechtsfolgen früherer vor dem 1.1.1977 begründeter Adoptionsverhältnisse und den diesbezüglichen Übergangsvorschriften richten sich danach, ob die an Kindes Statt Angenommenen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Adoptionsrechts bereits volljährig waren oder nicht.1
1 Vgl. dazu MünchKomm.BGB/Lüderitz, 1. Aufl. 1978, vor § 1741 BGB Rz. 42 ff.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
c) Besonderheit: Volljährig Adoptierte 10 Im Unterschied zur Adoption Minderjähriger treten ein volljähriger Adop-
tierter und seine Abkömmlinge grundsätzlich nur in ein Verwandtschaftsverhältnis zum Annehmenden ein, nicht jedoch zu dessen Familie. Der volljährig Adoptierte verbleibt grundsätzlich in der Verwandtschaft seiner ursprünglichen Familie. Er und seine Abkömmlinge sind doppelt erbberechtigt. Sie sind gesetzliche Erben sowohl des Annehmenden als auch der Ursprungsfamilie. Die Eltern und sonstigen Verwandten des Angenommenen sind neben dem Annehmenden weiterhin verwandt, ggf. unterhaltsund erbberechtigt. Grundsätzlich keine Verwandtschaft und keine Erbberechtigung besteht jedoch zwischen den Angenommenen und der Familie des Annehmenden. In bestimmten, in § 1772 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a bis d BGB enumerativ genannten Ausnahmefällen kann das Familiengericht auf Antrag auch bei der Annahme Volljähriger die gleichen Wirkungen wie bei der Annahme Minderjähriger anordnen. Eine derartige Volladoption ist jedoch nach § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn der betroffene leibliche Elternteil dem zu adoptierenden Kind seinerseits Unterhalt geleistet hatte oder bereits bei gerichtlicher Entscheidung absehbar ist, dass der betroffene leibliche Elternteil auf seine gegenüber dem zu adoptierenden Kind bestehenden Unterhaltsansprüche angewiesen sein wird.1 Sofern kein Ausspruch nach § 1772 BGB erfolgt, ist der als Volljähriger Angenommene (samt seinen Abkömmlingen) sowohl gesetzlicher Erbe seiner leiblichen Verwandten aufsteigender Linie als auch Erbe des Annehmenden. Beim Tod des Angenommenen ist der Annehmende gleichrangig mit den leiblichen Eltern und deren Abkömmlingen gesetzlicher Erbe der zweiten Ordnung. Entsprechend verhält es sich mit dem Pflichtteilsrecht. d) Besonderheit: Nichteheliche Kinder bzw. Väter 11 Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehe-
licher Kinder (ErbGleichG) v. 16.12.1997 am 1.4.1998 gelten für die erbrechtlichen Verhältnisse nicht aus einer Ehe stammender Kinder dieselben Bestimmungen wie für eheliche Kinder, soweit nicht nach Art. 227 Abs. 1 EGBGB der Erblasser vor dem 1.4.1998 verstorben oder über den Erbausgleich eine wirksame Vereinbarung getroffen oder der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt worden ist und daher ausnahmsweise die §§ 1934a bis 1934e BGB aF fortgelten. Dies beruht auf dem Verfassungsgebot des Art. 6 Abs. 5 GG zur Gleichbehandlung der nichtehelichen mit den ehelichen Kindern. Dabei wurde eine vertragliche Vereinbarung nur wirksam, wenn sie nach § 1934d Abs. 4 Satz 1 BGB aF notariell beurkundet, im Falle gesetzlicher Vertretung analog § 2347 BGB vormundschafts-
1 OLG Celle v. 19.6.2013 – 17 UF 3/13, FamRZ 2014, 579; OLG München v. 8.5.2009, FamRZ 2009, 1337 = DNotZ 2010, 147; Erman/Saar, § 1772 BGB Rz. 3; Palandt/Götz, § 1772 BGB Rz. 2.
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A. Die gesetzliche Erbfolge
gerichtlich genehmigt,1 nicht wirksam rückwirkend angefochten worden war, kein Verstoß gegen zwingendes Recht erfolgte und ein wirksames Erbausgleichsverlangen des Kindes vorlag, bei dessen Abgabe dieses nach § 1934d Abs. 1 BGB aF bereits das 21., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hatte. Ein rechtkräftiges Urteil iSd. Art. 227 Abs. 1 EGBGB musste als Leistungsurteil die Höhe des Ausgleichsbetrages festlegen, so dass ein bloßes Grund- oder Feststellungsurteil nicht ausreichend ist.2 Von der erbrechtlichen Gleichstellung ausgenommen waren zunächst nach Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG aF3 vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder im Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater bzw. dessen Verwandten.4 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat jedoch 12 durch Urteil v. 28.5.2009 für das dort konkret entschiedene Individualbeschwerdeverfahren, dem eine besondere Beziehung zwischen Vater und Tochter zugrunde lag, festgestellt, dass diese Ausnahmeregelung gegen Art. 14 iVm. Art. 8 EMRK verstößt.5 Das Urteil wirkt zwar unmittelbar ausschließlich zwischen den Parteien, entfaltet jedoch im Rahmen vertretbarer methodischer Gesetzesauslegung mittelbare Wirkung auch auf andere Vorgänge6 und hat insoweit Gesetzesrang.7 Nach einem ersten Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 1.12.20098 sollten zunächst durch eine entsprechende Änderung des Art. 12 § 3 Abs. 1 NEhelG für Erbfälle ab dem 29.5.2009 auch vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt werden und zwar auch dann, wenn sie selbst vorverstorben sind und daher ihre Abkömmlinge iSd. § 1924 BGB als Erben nachrücken. Im Verhältnis zu Ehegatten oder Lebenspartnern (iSd. LPartG) des nichtehelichen Vaters sollten diese nichtehelichen Kinder nach Art. 12 § 10 Abs. 2 bis 4 NEhelG-E jedoch lediglich die Stellung eines Nacherben haben bzw. bei vor dem neuen Stichtag eingetretenen Erbfällen, in denen der Fiskus Erbe geworden ist, von diesem eine Entschädigung für die entgangenen erbrechtlichen Ansprüche verlangen können. Diese vorstehend beabsichtigte Beschränkung auf eine Nacherbenstellung 13 wurde jedoch durch Gesetz vom 12.4.2011 nicht übernommen. Vielmehr sind durch Änderung des Art. 12 § 10 NEhelG nunmehr auch vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder ehelichen Kindern für Erbfälle ab dem 29.5.2009 erb- und pflichtteilsrechtlich nach dem Vater und umge1 Brüggemann, FamRZ 1990, 5 (12); Palandt/Edenhofer, 55. Aufl. 1996, § 1934d BGB Rz. 19. 2 Palandt/Edenhofer, 55. Aufl. 1996, § 1934e BGB Rz. 3. 3 BGBl. 1969 I, S. 1243. 4 Zu den Einzelheiten nach früherem Recht vgl. Wurm/Wagner/Zartmann/Schiller, 14. Aufl. Kap. 74 B II. 5 EGMR v. 28.5.2009 – Nr. 3545/0431, BWNotZ 2009, 203 (206 f.). 6 Krug, BWNotZ 2009, 208 (209) unter Hinweis auf BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 323 (325 f.) = NJW 2004, 3407. 7 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 323 (325 f.) = NJW 2004, 3407; Erman/Lieder, § 1924 BGB Rz. 1e. 8 Abrufbar unter www.bmj.bund.de.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
kehrt der Vater nach vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindern1 grundsätzlich uneingeschränkt gleichgestellt,2 nicht jedoch für Erbfälle vor dem 29.5.2009 aus diesem Personenkreis3 bzw. die jeweiligen Verwandten4, für die das Kind ersatzweise Wertersatz verlangen kann, wenn ein Land bzw. der Bund nach § 1936 BGB Erbe geworden ist. Dagegen kann aber sehr wohl bspw. ein nichteheliches Kind aufgrund Vorversterbens seines vorrangig gesetzlich berufenen Vaters vor dem 29.5.2009 auf den ab dem 29.5.2009 eingetretenen Tod des ehelichen anderen Kindes des Vaters gesetzlicher Erbe sein.5 Zudem erstreckt sich das gesetzliche Erbrecht auch auf die jeweiligen Verwandten des Vaters bzw. des nichtehelichen Kindes.6 Der Ausschluss dieser Gleichstellung für vor dem 29.5.2009 eingetretene Erbfälle ist nach Ansicht des BVerfG nicht verfassungswidrig und verstoße wegen eines grundsätzlich weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für Übergangsregelungen insbesondere nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.7 Möglicherweise ergibt sich jedoch im Wege konventionskonformer Auslegung insbesondere aus dem Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK, dem Schutz der Familie gem. Art. 8 EMRK bzw. der Gewährleistung des Eigentums aus dem 1. Zusatzprotokoll zur EMRK in Anlehnung an das EGMRUrteil in der Rechtssache Fabris gegen Frankreich8 eine zwingende Begrenzung des Ausschlusses des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts für vor dem 29.5.2009 eingetretene Erbfälle dahingehend, dass vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder auch für Erbfälle vor dem 29.5.2009 nach ihrem Vater oder ihren väterlichen Verwandten erb- und pflichtteilsberechtigt sind, wenn zu diesem Stichtag weder eine tatsächliche Nachlassauseinandersetzung noch eine dem nichtehelichen Kind gegenüber rechtskräftige Entscheidung ergangen war.9 14 Wurde vor dieser Gesetzesänderung vom 12.4.2011 gemäß der früheren
Rechtslage antragsgemäß ein Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge erteilt, der nach damaligem Stand folgerichtig auf den nach dem 28.5.2009 eingetretenen Tod eines vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindes des-
1 Erman/Lieder, § 1925 BGB Rz. 1b. 2 BGBl. 2011 I, S. 615. 3 BGH v. 26.10.2011 – IV ZR 150/10, MDR 2012, 101 = FamRZ 2012, 119 = DNotZ 2012, 212; OLG München v. 21.1.2013 – 31 Wx 485/12, MDR 2013, 345 = FamRZ 2013, 1333 = FGPrax 2013, 73. 4 OLG München v. 21.1.2013 – 31 Wx 485/12, MDR 2013, 345 = FamRZ 2013, 1333 = FGPrax 2013, 73; Palandt/Weidlich, Art. 227 EGBGB Rz. 5; Erman/Lieder, § 1925 BGB Rz. 1 b; Palandt/Weidlich, Art. 227 EGBGB Rz. 5. 5 OLG München v. 21.1.2013 – 31 Wx 485/12, MDR 2013, 345 = FamRZ 2013, 1333 = FGPrax 2013, 73. 6 OLG München v. 21.1.2013 – 31 Wx 485/12, MDR 2013, 345 = FamRZ 2013, 1333 = FGPrax 2013, 73; Palandt/Weidlich, Art. 227 EGBGB Rz. 5; Erman/Lieder, § 1925 BGB Rz. 1 b; Palandt/Weidlich, Art. 227 EGBGB Rz. 5. 7 BVerfG v. 18.3.2013 – 1 BvR 2436/11, 1 BvR 3155/11, FamRZ 2013, 847 = ZEV 2013, 326. 8 EGMR v. 7.2.2013 – 16547/08, BeckRS 2013, 07656 (vollständige englische Fassung) = ZEV 2014, 491 (auszugsweise deutsche Übersetzung). 9 Leipold, ZEV 2014, 449 (451 ff.); dazu kritisch Odersky, notar 2012, 61.
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A. Die gesetzliche Erbfolge
sen nach Aktenlage bekannte Verwandtschaft väterlicherseits unberücksichtigt lässt, erfolgte auf dieser Grundlage hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes bereits die Grundbuchberichtigung zugunsten des im Erbschein benannten Erben, hat dieser den Grundbesitz zwischenzeitlich verkauft, liegt dem Grundbuchamt ein Antrag auf Eintragung für die diesbezügliche Erwerbsvormerkung vor und kündigt diesem das Nachlassgericht ab dem 12.4.2011 unter Mitteilung der bisherigen Nichtberücksichtigung der Verwandtschaft des Erblassers väterlicherseits die höchstwahrscheinliche Erbscheinseinziehung an, darf das Grundbuchamt die einen gutgläubigen Erwerb des Käufers ermöglichende Erwerbsvormerkung zur Vermeidung materieller Rechtswidrigkeit wie in anderen Fällen grundbuchamtlicher Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuchs1 nicht sehenden Auges materiell rechtswidrig eintragen.2 Zudem ist das Grundbuchamt aufgrund der zu erwartenden Erbscheinseinziehung ebenso wie im Falle einer veränderten Tatsachenlage3 auch bei rückwirkender Gesetzesänderung nicht mehr an den noch nicht eingezogenen Erbschein gebunden.4 Dem steht auch nicht Art. 12 § 24 Abs. 1 NEhelG entgegen, wonach ein durch die o.g. Gesetzesänderung unrichtig gewordener Erbschein „nur auf Antrag eingezogen oder für kraftlos erklärt“ wird, da diese Regelung lediglich einen durch die ansonsten abstrakt bestehende Amtsermittlungspflicht ausgelösten intensiven Verwaltungskostenaufwand vermeiden wollte,5 ohne im konkreten Einzelfall eine Amtsermittlungsbefugnis zu unterbinden.6 Art. 12 § 24 Abs. 1 NEhelG ist daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass das Nachlassgericht zur Einziehung bzw. Kraftloserklärung eines unrichtigen Erbscheins jederzeit auch ohne Antrag berechtigt, jedoch nur bei Evidenz der Unrichtigkeit von Amts wegen ohne Antrag bzw. bei Fehlen einer solchen Unrichtigkeitsevidenz ausschließlich auf Antrag verpflichtet ist.7 Da Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 Abs. 1 BGB zumindest 15 für Abkömmlinge die Pflichtteilsberechtigung des Anspruchstellers ausschließlich im Zeitpunkt des Erbfalls, nicht jedoch zusätzlich im Sinne ei-
1 OLG München v. 7.11.2011 – 34 Wx 400/11, DNotZ 2012, 298 (Geschäftsunfähigkeit); OLG Hamm v. 11.5.2004 – 15 W 163/04, FGPrax 2004, 266 = NotBZ 2004, 397 (vorab erloschene Vollmacht); OLG Schleswig v. 27.11.2003 – 2 W 173/03, FGPrax 2004, 264 (265) (unwirksames öffentliches Testament); OLG Karlsruhe v. 2.9.1997 – 11 Wx 60/97, NJW-RR 1998, 445 = Rpfleger 1998, 68 (Geschäftsunfähigkeit); BayObLG v. 24.3.1994 – 2Z BR 24/94, 2Z BR 25/94, DNotZ 1995, 63 = MittBayNot 1994, 323 (fehlende Teilabtretung); OLG Frankfurt v. 25.1.1991 – 20 W 523/89, Rpfleger 1991, 361 (bedingte Nacherbfolge); Bestelmeyer, Rpfleger 1997, 424; Demharter, § 13 GBO Rz. 12; Palandt/Bassenge, § 892 BGB Rz. 1; aA Erman/Artz, § 892 BGB Rz. 37; Hügel/ Reetz, § 13 GBO Rz. 25 ff.; Kesseler, ZNotP 2004, 338. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 141 (143). 3 Demharter, § 35 GBO Rz. 26; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 141 (143). 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 141 (143). 5 BT-Drucks. 17/3305, S. 10. 6 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 141 (143). 7 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 141 (143).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
ner Doppelberechtigung auch schon bei Schenkung voraussetzen,1 können auch vor dem 25.9.2009 erfolgte Schenkungen eines Vaters an Dritte Pflichtteilsergänzungsansprüche seiner vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder (bzw. umgekehrt Schenkungen eines vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindes an Dritte Pflichtteilsergänzungsansprüche seines Vaters) auslösen.2 2. Reihenfolge der Erbberechtigung 16 Maßgeblich für die Reihenfolge der Erbberechtigung ist nicht in erster Linie
der Grad der Verwandtschaft, sondern die Zugehörigkeit zu einer näheren oder ferneren Erbordnung. Zu den verschiedenen Erbordnungen gehören nur Verwandte. Der Begriff der Verwandtschaft und der Verwandtschaftsgrade ergibt sich aus § 1589 BGB. Diese Vorschrift bestimmt, wer mit wem in welchem Grad verwandt ist. In gerader Linie miteinander verwandt sind Personen, bei denen eine von der anderen abstammt, also etwa Vater, Sohn und Enkel. In der Seitenlinie miteinander verwandt sind Personen, die nicht voneinander, sondern von einer dritten Person abstammen, also etwa Geschwister, Geschwisterkinder und Onkel und Neffe. Der Grad der Verwandtschaft bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. So sind z.B. Vater und Sohn im ersten Grad, Großvater und Enkel im zweiten Grad gerader Linie verwandt. Onkel und Neffe sind im dritten Grad der Seitenlinie miteinander verwandt. 17 Das BGB ordnet die Verwandten hinsichtlich der Erbberechtigung in Erb-
ordnungen oder Parentelen ein, wobei die nähere Erbordnung die fernere insgesamt von der Erbfolge ausschließt, § 1930 BGB. Solange also auch nur ein Angehöriger der vorhergehenden Erbordnung vorhanden ist, schließt er alle Angehörigen der nachfolgenden Ordnungen aus. Zum Beispiel erben neben dem einzigen Kind des Erblassers seine Eltern, Geschwister, Geschwisterkinder, seine Großeltern und deren Abkömmlinge nicht. Das Kind erbt allein, weil es der ersten Erbordnung angehört und deshalb alle anderen Ordnungen ausschließt. Eine Ausnahme hiervon bildet der Ehegatte, der neben allen Erbordnungen miterbt und neben entfernteren Erbordnungen sogar zum Alleinerben berufen ist.
1 BGH v. 23.5.2012 – IV ZR 250/11, BGHZ 193, 260 = MDR 2012, 977 = DNotZ 2012, 860 unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. BGH v. 21.6.1972 – IV ZR 69/71, BGHZ 59, 210 = FamRZ 1973, 86 = NJW 1973, 40 bzw. BGH v. 25.6.1997 – IV ZR 233/96, MDR 1997, 741 = DNotZ 1998, 135 = NJW 1997, 2676; ebenso wegen der grammatikalischen, historischen und teleologischen Argumentation des BGH auch zugunsten von Ehegatten bzw. Lebenspartnern iSd. § 10 Abs. 6 Satz 2 LPartG bejaht von Keim, NJW 2012, 3484; Lange, DNotZ 2012, 865; Otte, ZEV 2012, 478, 482, Reimann, FamRZ 2012, 1386; Röhl, MittBayNot 2013, 146, 148; Ruby/Schindler, ZEV 2014, 27 (28); verneint von Bonefeld, ZErb 2012, 225; Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rz. 4; offengelassen von BGH v. 23.5.2012 – IV ZR 250/11, BGHZ 193, 260 = MDR 2012, 977 = DNotZ 2012, 860; Wendt, ErbR 2013, 366 (380). 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 185 (187).
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A. Die gesetzliche Erbfolge
Erben erster Ordnung sind nach § 1924 BGB die Abkömmlinge des Erblas- 18 sers. Bei Leihmutterschaft sind nicht die genetischen Eltern, sondern die Leihmutter und deren Ehemann nach §§ 1591, 1592 BGB die rechtlichen Eltern,1 soweit das Kind nicht im Wege der Adoption nach § 1754 BGB rechtliches Kind der Annehmenden wird.2 Stiefkinder haben gegenüber Stiefvater oder Stiefmutter kein gesetzliches Erbrecht, da sie mit diesen gesetzlich nicht verwandt sind. Stirbt ihr leiblicher Elternteil, so sind sie dessen gesetzliche Erben erster Ordnung, müssen sich den Nachlass aber nach den Bestimmungen über das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten mit Stiefvater oder Stiefmutter teilen (s. nachfolgend Rz. 22 ff.), sofern diese nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen und auf ihren Pflichtteil verwiesen sind. Haben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand gelebt und erhält der überlebende Stief-Elternteil deshalb nach § 1371 Abs. 1 BGB einen um ein Viertel der Erbschaft erhöhten Erbteil, steht den Stiefkindern nach § 1371 Abs. 4 BGB ein gesetzliches Vermächtnis auf Gewährung der erforderlichen Mittel für eine angemessene Ausbildung aus dem zusätzlichen Erbanteil des Stief-Elternteils zu. Erben der zweiten Ordnung sind nach § 1925 BGB die Eltern des Erblas- 19 sers und deren Abkömmlinge, also Geschwister und Abkömmlinge von Geschwistern. Erben der dritten Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 1926 BGB. Erben der vierten Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Ab der vierten Ordnung ist der Grad, also die Nähe der Verwandtschaft, für die Größe der Erbteile maßgeblich. In der ersten bis dritten Ordnung spielt der Grad der Verwandtschaft je- 20 doch keine Rolle. In diesen ersten drei Ordnungen richtet sich die Erbfolge bei absteigender Verwandtschaft nach Stämmen und bei aufsteigender Verwandtschaft nach Linien. Dies bedeutet:
21
Mehrere Kinder des Erblassers erben zu gleichen Teilen, Erbfolge nach Stämmen, § 1924 Abs. 4 BGB. Ein lebender Abkömmling des Erblassers schließt dabei seine Nachkommen aus, Repräsentationsprinzip. An die Stelle eines vorverstorbenen Abkömmlings treten dessen Abkömmlinge, Eintrittsrecht, § 1924 Abs. 3 BGB. Jeder Abkömmling des Erblassers bildet mit seinen Abkömmlingen einen Stamm. Jeder Stamm erhält denselben Erbteil wie die anderen Stämme. Fällt ein Stamm ganz aus, so wächst sein Teil den anderen Stämmen gleichmäßig zu. Solange auch nur ein Abkömmling vorhanden ist, schließt er alle folgenden Ordnungen von der Erbfolge aus.
1 OLG Stuttgart v. 7.2.2012 – 8 W 46/12, FamRZ 2012, 1740 = Die Justiz 2012, 327. 2 Wiegelmann, FamRB 2012, 33.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Wird der Erblasser nicht von Abkömmlingen, sondern von Eltern oder Großeltern oder deren Abkömmlingen beerbt, so spaltet sich die Erbfolge in Linien auf. In der zweiten Ordnung entstehen hier die Linie des Vaters und die Linie der Mutter. In der dritten Ordnung entstehen hier vier Linien, und zwar die Linien des Großvaters väterlicherseits und mütterlicherseits und der Großmutter väterlicherseits und mütterlicherseits. Über diese Linien teilt sich dann der Nachlass in zwei bzw. vier Teile auf. Innerhalb der Linien richtet sich die Erfolge wiederum nach den Stämmen der Abkömmlinge von Großeltern oder Urgroßeltern. Hieraus folgt z.B., dass Vollgeschwister des Erblassers sowohl in der väterlichen als auch der mütterlichen Linie erben, während Halbgeschwister nur in der Linie ihres Vaters oder ihrer Mutter erben.
V. Das Erbrecht des Ehegatten neben den Verwandten des Erblassers 1. Grundsätze 22 Der in gültiger Ehe verheiratete Ehegatte erbt neben Verwandten der ers-
ten und zweiten Ordnung und neben Großeltern. Er schließt die übrigen Verwandten der dritten Ordnung und alle ferneren Erbordnungen von der Erbfolge aus, § 1931 BGB. 23 Nach § 1933 BGB sind das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegat-
ten und das Recht auf den Voraus ausgeschlossen, wenn – die Ehe bereits rechtskräftig geschieden und damit der überlebende Partner beim Erbfall nicht mehr Ehegatte des Erblassers gewesen ist, – zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen der Ehescheidung – auch bei einem im Ausland dann nach dortigem Recht durchgeführten Scheidungsverfahren1 – gegeben waren, mithin nach deutschem Scheidungsrecht für die gem. § 1565 Abs. 1 BGB gescheiterte Ehe das Trennungsjahr nach § 1565 Abs. 2 BGB abgelaufen ist oder das Scheitern gem. § 1566 BGB unwiderleglich vermutet wird und die Härteklausel nach § 1568 BGB nicht erfüllt ist2 sowie der Erblasser die Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) beantragt oder einem Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten – da nach § 114 Abs. 4 Nr. 3 FamFG kein Anwaltszwang besteht, zulässigerweise auch durch eigenes Schreiben an das Familiengericht – zugestimmt hatte, wozu keine ausdrückliche Zustimmung erklärt werden muss, sondern sich die Zustimmung auch durch Auslegung aus einer Parteierklärung ergeben kann, jedoch gar keine Äußerung des Erblassers nicht ausreicht,3 oder
1 OLG Stuttgart v. 4.10.2011 – 8 W 321/11, FamRZ 2012, 480 = BWNotZ 2011, 214 = ZEV 2012, 208 (liechtensteinisches Recht); Erman/Lieder, § 1933 BGB Rz. 3. 2 Erman/Lieder, § 1933 BGB Rz. 3. 3 OLG Düsseldorf v. 12.9.2011 – I-3 Wx 179/11, MDR 2011, 1363 = FamRZ 2012, 152 = DNotZ 2012, 221.
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A. Die gesetzliche Erbfolge
– der Erblasser die Aufhebungsklage (§ 1313 BGB) erhoben hatte und zumindest ein Aufhebungsgrund nach § 1314 BGB bestand. Der Scheidungsantrag bzw. die Aufhebungsklage muss dabei iSd. § 262 Satz 2 ZPO rechtshängig und daher dem Gegner nach §§ 124 FamFG iVm. § 253, 261 Abs. 1 ZPO vor dem Tod des Erblassers zugestellt sein.1 Soweit bei Auslandsbezug das maßgebende Kollisionsrecht wie bspw. § 14 24 der Anlage zu Art. 20 des deutsch-türkischen Konsularvertrages (s. oben 1. Kap. Rz. 291), der auch nach Inkrafttreten der EuErbVO für Erbfälle ab dem 17.8.2015 als gem. Art. 3 Nr. 2 EGBGB vorrangiges Recht anwendbar bleibt, eine Nachlassspaltung vorsieht, kann sich ein rechtzeitig förmlich eingeleitetes Scheidungsverfahren auf das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten je nach Erbstatut unterschiedlich auswirken, da bspw. das türkische Recht keine § 1933 BGB entsprechende Regelung kennt, sondern Ehegatten ihr gesetzliches Ehegattenerbrecht erst mit Scheidung verlieren.2 Für ab 21.6.2012 eingeleitete Scheidungsverfahren können die Eheleute jedoch nach Art. 5 VO Rom III innerhalb des diesbezüglichen Anwendungsbereichs das Scheidungsstatut spätestens bis zur Anrufung des Gerichts3 selbst bestimmen,4 andernfalls ist nach Art. 8 Buchst. a VO Rom III mehrstufig und dabei vorrangig das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes bei Gerichtsanrufung maßgebend.5 Im Falle des Ausschlusses des Erbrechts ist der Ehegatte nach §§ 1569 bis 25 1586b BGB unterhaltsberechtigt. Zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Eheauflösung etc. s. nachfolgend 5. Kap. Rz. 162 ff. Das Erbrecht des Ehegatten ist güterstandsabhängig. Es kommt jeweils da- 26 rauf an, in welchem der Güterstände insbesondere des BGB die Eheleute gelebt haben, ob sie also im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet waren oder Gütertrennung, deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft oder Gütergemeinschaft ehevertraglich vereinbart hatten. 2. Das Ehegattenerbrecht neben Abkömmlingen a) Bei Zugewinngemeinschaft Neben Abkömmlingen des Erblassers, und zwar unabhängig davon, ob 27 diese auch Abkömmlinge des längstlebenden Ehegatten sind oder nicht, erbt der Ehegatte beim nach § 1363 BGB gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Viertel des Nachlasses und nach § 1371 Abs. 1 BGB ein weiteres Viertel, insgesamt also die Hälfte des Nachlasses. Das ihm nach § 1371 BGB zustehende Viertel des 1 BGH v. 6.6.1990 – IV ZR 88/89, BGHZ 111, 329 = MDR 1990, 907 = NJW 1990, 2382. 2 OLG Köln v. 21.2.2014 – 2 Wx 30/14 u. 2 Wx 43/14, FamRZ 2014, 1585 = FGPrax 2014, 124. 3 Erman/Hohloch, Art. 5 VO Rom III Rz. 1. 4 Ludwig, FamRB 2014, 340. 5 Erman/Hohloch, Art. 8 VO Rom III Rz. 1; Ludwig, FamRB 2014, 340.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Nachlasses stellt seinen Zugewinnausgleich dar, der im Falle der Auflösung der Ehe in dieser Weise pauschal und ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich überhaupt Zugewinn und bejahendenfalls in welcher Höhe entstanden ist, ermittelt wird (erbrechtliche Lösung). Die andere Nachlasshälfte steht den Abkömmlingen des Erblassers nach den Regeln des Verwandtenerbrechts zu. 28 Hinterlässt der erstversterbende Ehegatte also bei gesetzlichem Güter-
stand der Zugewinngemeinschaft den überlebenden Ehegatten und zwei Kinder, so erbt der überlebende Ehegatte 1/2 des Nachlasses, während die Kinder zu je 1/4 erben. Sind drei Kinder vorhanden, so erben sie je 1/6. Sind ein Kind und anstelle eines vorverstorbenen Kindes zwei Enkel vorhanden, so erbt das Kind 1/4, während sich die Enkel das Viertel ihres vorverstorbenen als Miterbe weggefallenen Elternteils gleichmäßig teilen und zu je 1/8 erben. b) Bei allgemeiner Gütergemeinschaft 29 Im Rahmen ehevertraglich nach § 1415 vereinbarter allgemeiner Güter-
gemeinschaft erbt der Ehegatte neben Abkömmlingen des Erblassers im Gegensatz zur Gütertrennung unabhängig von der Anzahl der daneben berufenen Abkömmlinge lediglich das ihm nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB zustehende Nachlassviertel. In den Nachlass des Erblassers fällt nach §§ 1482, 1476 BGB hier der Anteil von 1/2 des Erblassers am Gesamtgut. Daneben gehört zu seinem Nachlass sein Vorbehaltsgut insgesamt, § 1418 BGB. Im Beispielsfall von zwei Kindern würde also bei Bestehen von Gütergemeinschaft der überlebende Ehegatte lediglich 1/4, die Kinder würden hingegen je 3/8 des Nachlasses erben. c) Bei deutsch-französischer Wahl-Zugewinngemeinschaft 30 Das gleiche Ergebnis wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft gilt trotz
seiner insoweit missverständlichen Bezeichnung für den seit 1.5.2013 eröffneten ehevertraglich zu begründenden Wahlgüterstand der deutsch-französischen Wahl-Zugewinngemeinschaft1 nach § 1519 BGB iVm. dem am 1.5.2013 in Kraft getretenen zunächst zehn Jahre geltenden, sich danach mangels Kündigung stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängernden Abkommen v. 4.2.2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft.2 Nach dessen Art. 12 kann der überlebende Ehegatte im Gegensatz zu § 1371 Abs. 3 BGB den güterrechtlichen Zugewinnausgleich neben seinem Erbteil, mithin ohne Erbausschlagung geltend machen.3 Zudem kann hinsichtlich der diesbezüglichen Ausgleichsquote gem. Art. 12 ehevertrag1 BeckFormB ErbR/Schwab, K. XVIII S. 1212; Heinemann, FamRB 2012, 129 (131); Jünemann, ZEV 2013, 353; Weidlich, ZEV 2014, 345. 2 G. v. 15.3.2012, BGBl. II 2012, S. 178, geändert durch Bek. v. 22.4.2013, BGBl. II 2013, S. 431. 3 Jünemann, ZEV 2013, 353 (358 f.).
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A. Die gesetzliche Erbfolge
lich eine erhöhte bzw. schematische Berechnung vereinbart werden, die jedoch wegen der Abweichung vom gesetzlichen Leitbild eventuellen Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB unterliegt1 und nicht von dem ansonsten auch für die deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft geltenden2 erbschaftsteuerlichen Privileg des § 5 Abs. 3 ErbStG erfasst ist.3 d) Bei Gütertrennung Bei nach § 1414 BGB ehevertraglich vereinbarter Gütertrennung erbt der 31 Ehegatte nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB neben Abkömmlingen des Erblassers mindestens 1/4. Sind neben ihm jedoch ein oder zwei Kinder des Erblassers zur Erbfolge berufen, so kommt dem Ehegatten die Sonderregelung des § 1931 Abs. 4 BGB zugute. Der Ehegatte erbt hier neben einem oder zwei Kindern mit diesen zu gleichen Teilen. Ist also neben dem Ehegatten nur ein Kind des Erblassers vorhanden, erben Ehegatte und Kind zu gleichen Teilen je 1/2. Sind zwei Kinder vorhanden, erben Ehegatte und beide Kinder je 1/3. Bei drei und mehr Kindern verbleibt es bei dem Ehegattenerbteil von 1/4 nach § 1931 Abs. 1 BGB. Diese Regeln gelten nach § 1931 Abs. 4 letzter Halbs. iVm. § 1924 Abs. 3 BGB auch neben Abkömmlingen weggefallener Kinder des erstversterbenden Ehegatten entsprechend der Erbfolge nach Stämmen.4 Im Gegensatz zu allen anderen Güterständen hängt bei der Gütertrennung die Quote des gesetzlichen Erbteils von der Anzahl der neben dem überlebenden Ehegatten zu gesetzlichen Erben berufenen Abkömmlinge des Erstversterbenden ab. e) Bei fortgesetzter Gütergemeinschaft Haben die Ehegatten nach § 1483 BGB ehevertraglich fortgesetzte Güter- 32 gemeinschaft vereinbart und sind nur gemeinschaftliche Abkömmlinge vorhanden, besteht die Gütergemeinschaft zwischen dem Überlebenden und, soweit kein Tatbestand nach §§ 1506, 1511 und 1517 BGB erfüllt ist, allen nach §§ 1923, 1924 BGB zu gesetzlichen Erben berufenen gemeinschaftlichen Abkömmlingen am Gesamtgut unter diesbezüglichem Ausschluss einer Erbfolge fort, während ausschließlich das Vorbehalts- bzw. Sondergut in den Nachlass fällt,5 an dem der Überlebende und die Abkömmlinge des Erstversterbenden entsprechend den Regelungen für die allgemeine Gütergemeinschaft erbberechtigt sind. Abkömmlinge ausschließlich des Erstversterbenden nehmen an der Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht teil, sondern erben sowohl aus dem Vorbehalts- und Sonder- als auch aus dem Gesamtgut.6 Die Auflösung der Gütergemeinschaftsfortsetzung durch ein1 2 3 4 5 6
Heinemann, FamRB 2012, 129 (131); Schaal, ZNotP 2010, 162 (168). BT-Drucks. 17/5126, S. 10. Heinemann, FamRB 2012, 129 (131). Staudinger/Werner, § 1931 BGB Rz. 4. Erman/Heinemann, § 1483 BGB Rz. 3; Palandt/Brudermüller, § 1483 BGB Rz. 1 f. Erman/Heinemann, § 1483 BGB Rz. 4; Palandt/Brudermüller, § 1483 BGB Rz. 3.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
seitige Verfügung von Todes wegen statt Ehevertrag kann ausschließlich im Falle des § 1509 BGB und dabei nur dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung gegenüber dem anderen Ehegatten, Klage auf Aufhebung der Gütergemeinschaft bzw. Beantragung der Eheaufhebung vorliegen oder Antrag auf Eheaufhebung gestellt wurde.1 Dabei kommt auch ein stillschweigender Ausschluss in Betracht, wenn bspw. in einem gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament geregelt ist, dass der längstlebende Ehegatte letztwillige Verfügungen treffen darf.2 3. Das Ehegattenerbrecht neben Eltern, Geschwistern, Geschwisterkindern und Großeltern 33 Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten beträgt neben Verwandten der zwei-
ten Ordnung oder neben Großeltern nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB 1/2 des Nachlasses. Bei gesetzlichem Güterstand der Zugewinngemeinschaft kommt im Gegensatz zur Gütertrennung, Gütergemeinschaft bzw. zum deutsch-französischem Wahlgüterstand darüber hinaus das pauschale Viertel nach § 1371 Abs. 1 BGB hinzu, so dass der Ehegatte hier 3/4 des Erbes erhält. 34 Dies bedeutet am Beispiel: Der kinderlos versterbende Erblasser hinter-
lässt seinen Ehegatten. Seine Eltern sind tot, es lebt noch eine Schwester. Bei gesetzlichem Güterstand erbt der Ehegatte hier 3/4, während die Schwester des Erblassers 1/4 erbt. 35 Das Erbrecht von Verwandten der zweiten Ordnung oder Großeltern ne-
ben dem Ehegatten wird regelmäßig als nicht sachgerecht angesehen. Kinderlose Eheleute müssen also, wenn sie dieses vermeiden wollen, ein Testament errichten, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. 36 Problematisch erscheint die Berechnung der gesetzlichen Erbquote des
längstlebenden Ehegatten, wenn iSd. § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB mit Großeltern Abkömmlinge von Großeltern zusammentreffen. Bsp.: Der im gesetzlichen Güterstand verheiratete Erblasser hinterlässt neben seinem Ehegatten ausschließlich die Großeltern väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits. Dem längstlebenden Ehegatten steht in einem ersten Schritt unbestrittenermaßen nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gesetzliche Erbquote von 1/2 zu. Umstritten ist nun, inwieweit sich diese aus der verbleibenden zweiten Hälfte nach § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB erweitert: Eine Ansicht nimmt ein gesetzliches Alleinerbrecht des längstlebenden Ehegatten an, da die o.g. zweite Hälfte zunächst auf alle vier Großelternteile zu je 1/8 aufgeteilt werde, die beiden Anteile mütterlicherseits von insgesamt 1/4 nach § 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB an deren Tochter (Tante des
1 Erman/Heinemann, § 1483 BGB Rz. 1; MünchKomm.BGB/Kanzleiter, § 1509 BGB Rz. 3; Staudinger/Thiele, § 1509 BGB Rz. 1. 2 LG Marburg v. 28.5.2000 – 3 T 285/98, Rpfleger 2000, 70; Erman/Heinemann, § 1509 BGB Rz. 1.
158
A. Die gesetzliche Erbfolge
Erblassers) und damit nach § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB an den längstlebenden Ehegatten fallen und sodann nach §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB im Wege der gesetzlichen güterrechtlichen Erbteilserhöhung das letzte Viertel ebenfalls an den längstlebenden Ehegatte falle, ohne dass noch ein Anteil für die Großeltern väterlicherseits verbliebe.1 Nach richtiger anderer Ansicht dürfe der Anteil aller ursprünglichen Großeltern lediglich gemindert, nicht jedoch ganz ausgeschlossen werden, so dass hinsichtlich der zweiten Hälfte zuerst eine güterrechtliche Erhöhung der Quote des Ehegatten um 1/4 aus §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB auf dann 3/4 erfolge, das verbleibende Viertel zu je 1/16 auf alle ursprünglich vier Großelternteile verteilt werde, beide die ursprünglichen Großeltern mütterlicherseits betreffenden Anteile davon in Höhe von jeweils 1/16 (somit insgesamt 2/16) nach § 1926 Abs. 3 Satz 1 BGB an deren Tochter (Tante des Erblassers) und damit nach § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB an den längstlebenden Ehegatten fallen, der insgesamt 7/8 Anteile erhält, während den Großeltern väterlicherseits nach § 1931 Abs. 1 BGB noch jeweils 1/16 (somit insgesamt 1/8) verbleibt.2 Sind weder Verwandte der ersten und zweiten Ordnung noch Großeltern 37 vorhanden, so erbt der überlebende Ehegatte nach § 1931 Abs. 2 BGB unabhängig vom Güterstand allein. 4. Voraus, Dreißigster Der überlebende Ehegatte hat als gesetzlicher Erbe nach § 1932 BGB einen 38 gesetzlichen Vermächtnisanspruch gegen die anderen Erben auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke, dies zusätzlich zu seinem Erbteil und gegenüber Abkömmlingen soweit, wie er die Gegenstände zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt, gegenüber sonstigen gesetzlichen Miterben insgesamt. Hierdurch kann er bei einfachen Verhältnissen praktisch zum Alleinerben werden. Der enterbte überlebende Ehegatte hat unter den Voraussetzungen des 39 § 1969 BGB Anspruch auf den sog. „Dreißigsten“, d.h. in den ersten 30 Tagen nach dem Erbfall auf Unterhalt und Wohnung im bisherigen Umfang.
VI. Mehrfache Verwandtschaft bzw. verwandter Ehegatte Wer in der ersten, zweiten oder dritten Ordnung – wegen Übergangs zur 40 Gradesnähe ab der vierten Ordnung jedoch nicht über die dritte Ordnung hi1 Brox/Walker, Rz. 75; Dölle, I 780; von Lübtow, I 69; Schlüter, § 10 V 1 c cc; Belling, Jura 1986, 579 (586); Bühler, BWNotZ 1961, 112; Staudenmaier, BWNotZ 1961, 323 (324). 2 Erman/Lieder, § 1931 BGB Rz. 25; Münch.Komm.BGB/Leipold, § 1931 BGB Rz. 29; Palandt/Weidlich, § 1931 BGB Rz. 7; Soergel/Stein, § 1931 BGB Rz. 23; Staudinger/ Werner, § 1931 BGB Rz. 37; v. Olshausen, FamRZ 1981, 633; Muscheler, Erbrecht Rz. 1480; Lange/Kuchinke, § 12 III 4b.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
naus – verschiedenen Stämmen angehört, erhält nach § 1927 BGB den jeweiligen ihm in jedem dieser Stämme zufallenden Erbteil als iSd. § 1922 Abs. 2 BGB jeweils eigenständigen Erbteil mit der Folge jeweils gesonderter Behandlung im Rahmen der Erbausschlagung nach § 1951 Abs. 1 BGB, Erbausgleichung iSd. §§ 2051, 2056 BGB, Pflichtteilsberechnung nach § 2303 BGB, Belastung durch Auflagen- bzw. Vermächtnisse gem. §§ 2161, 2187 BGB sowie Haftung für Nachlassverbindlichkeiten nach § 2007 BGB.1 Dies kann insbesondere bei Abstammung aus einer zwischen Verwandten eingegangenen Ehe oder in Folge einer Kindesannahme vor allem mittels Volljährigenadoption unter grundsätzlicher Fortgeltung sonstiger bisheriger Verwandtschaftsverhältnisse nach § 1770 Abs. 2 BGB in Betracht kommen.2 41 Entsprechendes gilt für ein mehrfaches Erbrecht des verwandten Ehegat-
ten nach § 1934 BGB bzw. des verwandten Lebenspartners gem. § 10 Abs. 1 Satz 6 bzw. Satz 7 LPartG im Falle einer Ehe- bzw. Lebenspartnerschaft des Überlebenden mit Tante/Onkel oder Großtante/Großonkel des erstverstorbenen Ehegatten/Lebenspartners neben Verwandten zweiter Ordnung,3 wobei der Überlebende im Falle der Erbausschlagung seines Ehegattenerbteils trotz Annahme bzw. Nichtausschlagung des Verwandtenerbteils nach § 1371 Abs. 3 BGB den güterrechtlichen Zugewinnausgleich geltend machen kann.4
VII. Fiskuserbrecht 42 Ist zur Zeit des Erbfalls weder ein Verwandter noch ein Ehegatte des Erb-
lassers vorhanden und besaß der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit, so ist gesetzlicher Erbe der Landesfiskus, d.h. dasjenige Bundesland, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz, ersatzweise seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei mehreren Wohnsitzen erben die betroffenen Bundesländer zu gleichen Teilen in Erbengemeinschaft.5 Der Fiskus kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft nicht ausschlagen (§ 1942 Abs. 2 BGB) – umgekehrt aber sehr wohl die ihm als eingesetztem Erben angefallene Erbschaft – und auf ein gesetzliches Erbrecht nicht verzichten (§ 2346 BGB), haftet jedoch als gesetzlicher Erbe nur mit dem Nachlass.6 Das Fiskuserbrecht besteht auch bei staatenlosen oder, wenn originär oder aufgrund Rückverweisung deutsches Erbrecht anwendbar ist oder maßgebendes ausländisches Recht ein privates Fiskuserbrecht und kein öffentlich-rechtliches Aneignungsrecht vorsieht,
1 2 3 4
Erman/Lieder, § 1927 BGB Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 1927 BGB Rz. 3. Erman/Lieder, § 1927 BGB Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 1927 BGB Rz. 2. Erman/Lieder, § 1934 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 1934 BGB Rz. 2. Erman/Budzikiewicz, § 1371 BGB Rz. 11; MünchKomm, BGB/Koch, § 1371 BGB Rz. 37; Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rz. 18; Palandt/Weidlich, § 1934 BGB Rz. 2. 5 Staudinger/Werner, § 1936 BGB Rz. 5. 6 Palandt/Weidlich, § 2011 BGB Rz. 1.
160
A. Die gesetzliche Erbfolge
ausländischen Erblassern.1 Ein vor dem 1.7.1949 geborenes nichteheliches Kind kann für Erbfälle auf den Tod des Vaters oder von dessen Verwandten2 vor dem 29.5.20093 ersatzweise Wertersatz verlangen, wenn ein Land bzw. der Bund an seiner Stelle nach § 1936 BGB Erbe geworden ist). Für Erbfälle ab dem 17.8.2015 ist im Geltungsbereich des Art. 33 EuErbVO nach § 32 IntErbRVG-E (s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 86 ff.) ein gegenüber dem gesetzlichen Erbrecht vorrangiges wahlweise auch teilweise ausübbares Aneignungsrecht des Fiskus eröffnet.4
VIII. Der Wegfall gesetzlicher Erben Nach § 1923 BGB kann Erbe nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt 43 oder bereits erzeugt war und dann lebend zur Welt kommt. Nicht nur ein Vorversterben führt zum Wegfall dieses Erben, sondern auch vor dem Erbfall der durch notariell beurkundeten Vertrag erklärte Erbverzicht nach § 2346 Abs. 1 BGB oder die Enterbung nach § 1938 BGB, nach dem Erbfall die Erbausschlagung nach § 1953 Abs. 1 und Abs. 2 BGB oder die Erbunwürdigkeit nach § 2344 Abs. 1 BGB.
IX. Besonderheit: Deutsch-deutsche Erbfälle Gem. Art. 230 EGBGB sind das BGB und das EGBGB für das in Art. 3 des 44 Einigungsvertrages (EinigVtr) (G v. 23.9.1990 II 885, BGBl. II 1990, 921) genannte Gebiet am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts zum 3.10.1990 nach Maßgabe der Übergangsvorschriften aus Art. 231 bis Art. 237 EGBGB in Kraft getreten. Nach den erbrechtlichen Übergangsregelungen des Art. 235 EGBGB ist im 45 dortigen § 1 vorgesehen, dass für die erbrechtlichen Verhältnisse das bis dahin geltende Recht maßgebend bleibt, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben ist. Dagegen wird nach dortigem § 2 die auch vor dem Wirksamwerden des Beitritts erfolgte Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen selbst dann nach dem bisherigen Recht beurteilt, wenn der Erblasser erst nach dem Wirksamwerdens des Beitritts stirbt. Letzteres gilt auch für die Bindung des Erblassers bei einem gemeinschaftlichen Testament, wenn dieses vor dem Wirksamwerden des Beitritts errichtet wurde.
1 OLG München v. 26.5.2011 – 31 Wx 78/11, FamRZ 2011, 1756 = BWNotZ 2011, 221 = ZEV 2011, 469; Palandt/Weidlich, § 1936 BGB Rz. 3. 2 OLG München v. 21.1.2013 – 31 Wx 485/12, MDR 2013, 345 = FamRZ 2013, 1333 = FGPrax 2013, 73; Palandt/Weidlich, Art. 227 EGBGB Rz. 5; Erman/Lieder, § 1925 BGB Rz. 1 b; Palandt/Weidlich, Art. 227 EGBGB Rz. 5. 3 BGH v. 26.10.2011 – IV ZR 150/10, MDR 2012, 101 = FamRZ 2012, 119 = DNotZ 2012, 212; OLG München v. 21.1.2013 – 31 Wx 485/12, MDR 2013, 345 = FamRZ 2013, 1333 = FGPrax 2013, 73. 4 Palandt/Weidlich, § 1936 BGB Rz. 3.
161
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
46 Die international-privatrechtlichen Übergangsregelungen des Art. 236
EGBGB sehen im dortigen § 1 zunächst vor, dass auf vor Wirksamwerden des Beitritts abgeschlossene Vorgänge das bisherige Internationale Privatrecht anwendbar bleibt. Im Gegensatz dazu unterliegen die für das Erbrecht mittelbar relevanten güterrechtlichen Wirkungen von Ehen, die vor Wirksamwerden des Beitritts geschlossen wurden, nach dortigem § 3 von diesem Tag an dem Art. 15 EGBGB, wobei dann an die Stelle des Zeitpunktes der Eheschließung der Tag des Wirksamwerdens des Beitritts tritt und nur aus diesem Wechsel resultierende Ansprüche wegen der Beendigung des früheren Güterstands bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Wirksamwerden des Beitritts als gestundet gelten. 47 Das Pflichtteilsrecht der DDR unterschied sich von dem Pflichtteilsrecht
des BGB in einer wesentlichen Voraussetzung. Nach § 396 ZGB (Zivilgesetzbuch der DDR) war pflichtteilsberechtigt nur, wer dem Erblasser gegenüber bis zu dessen Tode unterhaltsberechtigt war. Im Gegensatz dazu entscheidet nach § 2303 BGB allein dort genannte Verwandtschaftsverhältnis bzw. das Bestehen der Ehe.
B. Das Erbrecht des Partners der eingetragenen Lebenspartnerschaft 48 Nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft1 können
zwei Personen gleichen Geschlechts durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde eine Lebensgemeinschaft – Lebenspartnerschaft – begründen. Das LPartG regelt die Lebenspartnerschaft weitgehend durch Bezug auf eherechtliche Normen.2 49 Durch § 10 LPartG werden die Lebenspartner im Erbrecht im Wesentli-
chen den Ehegatten gleichgestellt. Sie haben ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht, einen Voraus und die Möglichkeit, gemeinschaftliche Testamente zu errichten sowie Erb- und Pflichtteilsverzichte zu vereinbaren. 50 Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Lebenspartners beträgt neben
Abkömmlingen des verstorbenen Lebenspartners ein Viertel, neben Eltern, Großeltern und Geschwistern die Hälfte. Bei Fehlen von Verwandten der ersten und zweiten Ordnung wird der überlebende Lebenspartner Alleinerbe. Lebten die Lebenspartner im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, so erhöht sich kraft Verweisung von § 6 Satz 2 LPartG auf § 1371 BGB der Erbteil wie bei Ehegatten in den ersten beiden Fällen jeweils um ein Viertel, also neben Abkömmlingen auf die Hälfte, neben Eltern, Groß-
1 Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG v. 16.2.2001, zuletzt geändert durch Art. 8 Personenstandsrechts-Änderungsgesetz v. 7.5.2013. 2 Zur erbschaftsteuerlichen Behandlung siehe Meincke, § 3 ErbStG Rz. 11a.
162
B. Das Erbrecht des Partners der eingetragenen Lebenspartnerschaft
eltern und Geschwistern auf drei Viertel. Zusätzlich zum gesetzlichen Erbteil erhält der überlebende Lebenspartner die zum partnerschaftlichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Geschenke zur Lebenspartnerschaft als Voraus, also als gesetzliches Vermächtnis. Der Pflichtteil desjenigen Lebenspartners, der durch Verfügung von Todes 51 wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, beläuft sich auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Für ihn gelten die Vorschriften des BGB über den Pflichtteil mit der Maßgabe entsprechend, dass der Lebenspartner wie ein Ehegatte zu behandeln ist. Entsprechend der missglückten Regelung des § 1933 BGB ist das gesetzli- 52 che Erbrecht des überlebenden Lebenspartners nach § 10 Abs. 3 LPartG ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft nach § 15 Abs. 2 Nr. 1, 3 LPartG gegeben waren und der Erblasser die Aufhebung beantragt oder ihr zugestimmt hatte oder wenn der Erblasser den Antrag nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 gestellt hatte und der Antrag begründet war. Für eine letztwillige Verfügung zugunsten des Lebenspartners gilt nach 53 § 10 Abs. 5 LPartG, dass die Verfügung durch Aufhebung der Lebenspartnerschaft bzw. in den vorbezeichneten Fällen der Antragstellung regelmäßig unwirksam ist, dies aber nicht sein muss, siehe Verweisung auf § 2077 Abs. 1 und 3 BGB. Empfehlenswert ist deshalb, diese Frage ausdrücklich zu regeln.1 Zudem ist der längstlebende Lebenspartner nach § 10 Abs. 6 LPartG 54 pflichtteilsberechtigt. Lebenspartner sind Ehegatten dadurch auch insoweit gleichgestellt, als die zehnjährige Verjährungsfrist für konkurrierende Pflichtteilsansprüche Dritter bei Schenkungen an Lebenspartner nicht vor Aufhebung bzw. Beendigung der Lebenspartnerschaft zu laufen beginnt. Zwar wurde § 2325 Abs. 3 BGB nicht durch ausdrückliche Erwähnung auch der Lebenspartner erweitert, doch ordnet § 10 Abs. 6 Satz 2 LPartG allgemein die entsprechende Geltung der Vorschriften des BGB über den Pflichtteil von Ehegatten für Lebenspartner an und ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 2325 Abs. 3 BGB für Lebenspartner erwähnt.2 Es wäre systemwidrig, wenn Lebenspartner als Schenkungsempfänger gegenüber Ehegatten privilegiert würden.3 Die frühere kostenrechtliche Privilegierung der Verbindung eines Ehever- 55 trages mit einem Erbvertrag nach § 46 Abs. 3 KostO aF ist mit Inkrafttreten des GNotKG entfallen.
1 G. Müller, DNotZ 2001, 581 (587). 2 BT-Drucks. 14/3751, 40. 3 Palandt/Brudermüller, § 10 LPartG Rz. 5; Leipold, ZEV 2001, 218; Welling, RNotZ 2002, 249 (266 mwN); aA Mayer, ZEV 2001, 169 (173).
163
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
C. Das Pflichtteilsrecht I. Pflichtteilsrecht und Testierfreiheit 56 In Ausübung seiner Testierfreiheit kann der Erblasser auch seine nächsten
Angehörigen übergehen, indem er andere Personen zu Erben einsetzt. Das Gesetz stellt in §§ 2303 ff. BGB aber sicher, dass die Abkömmlinge, der Ehegatte und mangels erbberechtigter Abkömmlinge auch die Eltern wertmäßig am Nachlass beteiligt werden. Sie erhalten ein gesetzliches Geldvermächtnis in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Das Pflichtteilsrecht als Schranke der Testierfreiheit erhält angesichts gestiegener Vermögenswerte und zunehmenden Gebrauchs von der Testierfreiheit immer größere Bedeutung. Erblasser und Testamentsgestalter sehen es primär als Störfaktor für sachgerechte Gestaltungen an, die Rechtsprechung, insbesondere das BVerfG begreift sich dagegen primär als Schutzpatron der Pflichtteilsberechtigten. 57 Je nach Fallgestaltung schlägt die Waage der Einzelfallgerechtigkeit zu-
gunsten der Testierfreiheit oder des Pflichtteilsrechts aus. Im Falle des Berliner Testaments älterer Eheleute, die die gemeinsamen Kinder ausgebildet und häufig auch ausgestattet haben, stößt die Pflichtteilsbeteiligung der Kinder am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten als Gefährdung der Versorgung des überlebenden Ehegatten regelmäßig auf berechtigtes Unverständnis. Im Falle der Alleinerbeneinsetzung der zweiten Ehefrau zu Lasten der Kinder erster Ehe entspricht die Pflichtteilsbeteiligung der erstehelichen Kinder am Nachlass ihres Vaters dagegen grundsätzlich dem Gerechtigkeitsempfinden. Die letztwillige Bedenkung nur eines von mehreren Abkömmlingen mit der Folge von Pflichtteilsansprüchen der anderen Abkömmlinge wird als ungerecht empfunden, wenn die enterbten Abkömmlinge sich seit langem, eindeutig und völlig vom Erblasser losgesagt haben, als gerecht dagegen, wenn eine willkürliche Bevorzugung des als Alleinerben eingesetzten Abkömmlings durch den Erblasser vorliegt. 58 Die Beispiele verdeutlichen, dass die pauschalierende Lösung des Geset-
zes, die dem Pflichtteilsberechtigten eine gegenüber dem gesetzlichen Erbteil halbierte und lediglich schuldrechtliche Nachlassbeteiligung in Geld garantiert, einen insgesamt gelungenen Kompromiss zwischen Testierfreiheit und Familienerbrecht darstellt. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass das Gesetz nicht nur zwingende Regelungen als Schranke der Gestaltungsfreiheit vorsieht, sondern auch Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. So können bei lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an Pflichtteilsberechtigte durch Anrechnungs- und Ausgleichungsbestimmungen künftige Pflichtteilsansprüche herabgesetzt werden. Vertragliche Verzichte auf das Erbrecht insgesamt, lediglich den Pflichtteil oder lediglich Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen einer Zuwendung an Dritte können Pflichtteilsansprüche ganz ausschließen. Schließlich bleibt die im Rahmen grundsätzlich intakter Familien regelmäßig begründete Erwartung oder 164
C. Das Pflichtteilsrecht
Hoffnung, dass die Pflichtteilsberechtigten gesetzlich bestehende, aber nicht fallgerechte Pflichtteilsansprüche nicht geltend machen werden. So achten die gemeinsamen Kinder regelmäßig das Alleinerbrecht des überlebenden Ehegatten beim Berliner Testament und warten ohne Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen den Schlusserbfall ab. Hieraus lässt sich der Grundsatz ableiten, dass auch ein von der gesetzlichen Erbfolge abweichender Gebrauch von der Testierfreiheit begründete Aussicht auf Akzeptanz unter Verzicht immerhin auf fällige Geldansprüche hat, wenn der Familienbezug durch die abweichende Gestaltung gewahrt bleibt. Insgesamt zu Recht hat deshalb auch das BVerfG1 die grundsätzliche Verfas- 59 sungsmäßigkeit des geltenden Pflichtteilsrechts als Ausgleich zwischen Testierfreiheit und Verwandtenerbrecht bejaht. Gesetzgeberische Korrekturen bei den Einzelheiten der gesetzlichen Regelung wie bei den Pflichtteilsentziehungsgründen des § 2333 BGB hat es dabei nicht ausgeschlossen.
II. Pflichtteilsrecht, Pflichtteilsanspruch, Pflichtteilsergänzungsanspruch 1. Unterscheidung Auf der Grundlage des Pflichtteilsrechts eines Angehörigen im Verhältnis 60 zu einem bestimmten Erblasser können für diesen Angehörigen mit dem Erbfall Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen. Die Begriffe bezeichnen Verschiedenes und sind zu unterscheiden. 2. Pflichtteilsrecht Unter Pflichtteilsrecht versteht man die grundsätzliche Berechtigung von 61 Abkömmlingen, Eltern und Ehegatten, beim Erbfall Ansprüche nach §§ 2303 ff. BGB zu erhalten. Das Pflichtteilsrecht ist die Quelle verschiedener Rechte und Ansprüche, von denen der Pflichtteilsanspruch nur einer ist. Vor dem Erbfall kann das Pflichtteilsrecht Gegenstand eines Vertrages zwischen gesetzlichen Erben sein, § 311b Abs. 5 BGB, weiterhin Gegenstand eines Pflichtteilsverzichts zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten, § 2346 Abs. 2 BGB, schließlich Grundlage der Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten, §§ 2281, 2079 BGB. Nach dem Erbfall können aus dem konkretisierten Pflichtteilsrecht der Pflichtteilsanspruch des § 2303 BGB, die besonderen Rechtsfolgen der §§ 2305 bis 2307 BGB, das Auskunftsrecht nach § 2314 BGB, die Leistungsverweigerungsrechte der §§ 2318, 2319 BGB und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB folgen.
1 BVerfG v. 30.8.2000 – 1 BvR 2464/97, FamRZ 2000, 1563 = NJW 2001, 141 = ZEV 2000, 399 mit Anm. J. Mayer, ZEV 2000, 447 = DNotZ 2001, 133; vgl. auch Keim, Tagungsbericht, DNotZ 2001, 434 (437); Dauner-Lieb, DNotZ 2001, 460.
165
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
3. Pflichtteilsanspruch 62 Der Pflichtteilsanspruch des § 2303 BGB entsteht mit dem Erbfall, § 2317
Abs. 1 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt ihn ohne sein zutun und sogar gegen seinen Willen als vererbliches und veräußerliches Recht, § 2317 Abs. 2 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte ist Nachlassgläubiger mit den Rechten auf Inventarerstellung und eidesstattliche Versicherung, §§ 1994, 2006 BGB, und dem besonderen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB. 4. Pflichtteilsergänzungsanspruch 63 Der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325 ff. BGB ist ein eigener,
vom Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs unabhängiger gesetzlicher Anspruch, § 2326 BGB. Hat z.B. der Erblasser zu Lebzeiten sein wesentliches Vermögen der Tochter unentgeltlich zugewendet, so kann der als Alleinerbe eingesetzte Sohn von seiner Schwester nach § 2329 BGB die Herausgabe des Geschenkes zum Zweck der Erlangung der Pflichtteilsquote aus dem Gesamtvermögen verlangen, § 2329 Abs. 1 Satz 2 BGB.
III. Ausschluss pflichtteilsrechtlicher Mehrfachbegünstigung desselben Stammes 64 Zur Vermeidung einer pflichtteilsrechtlichen Mehrfachbegünstigung des-
selben Stammes schließt § 2309 BGB das Pflichtteilsrecht von Eltern bzw. entfernteren Verwandten des Erblassers insoweit aus, als ein Abkömmling den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt, wenn dieser Abkömmling diese Eltern bzw. entfernteren Verwandten des Erblassers im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde. § 2309 BGB gilt dabei als eine schwer verständliche und zugleich eine der umstrittensten Vorschriften des Pflichtteilsrechts.1 65 Ein entfernterer Abkömmling (zB ein Enkel) ist nicht nur bei Vorverster-
ben nach § 1924 Abs. 3 BGB, Erbausschlagung nach § 1953 Abs. 2 BGB, Erbunwürdigerklärung nach § 2344 Abs. 2 BGB bzw. Erbverzicht nach § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB unter Ausschluss der Erstreckungswirkung aus § 2349 BGB, sondern aufgrund des entstehungsgeschichtlich belegten gesetzgeberisch beabsichtigten Gleichlaufs mit diesen Normen sogar im Falle einer letztwilligen Enterbung iSd. § 1938 BGB seines die Verwandtschaft zum Erblasser (zB Großmutter) erst vermittelnden Elternteils als dem näheren Abkömmling (zB Sohn) nach dem Erblasser (z.B. Großmutter) iSd. § 2309 BGB gesetzlicher Erbe.2 Regelungsgrund des § 2309 BGB 1 Lange, DNotZ 2011, 872; G. Müller, MittBayNot 2012, 478; Raape, FS Haff, 1950, S. 317 (318); Röhl, DNotZ 2012, 724. 2 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = DNotZ 2011, 866; RG v. 6.6.1918 – Rep. IV 114/18, RGZ 93, 193 (194 f.); RG v. 10.5.1905 – Rep. VII 489/04, RGZ 61, 14 (17 f.); MünchKomm.BGB/Lange, § 2309 BGB Rz. 13; Lange, DNotZ 2011, 871 (872 f.); BeckOK BGB/J. Mayer, § 2309 BGB Rz. 4 u. Rz. 8; aA (keine Vorversterbensfiktion im BGB bei Enterbung) Staudinger/Haas, § 2309 BGB Rz. 16 f.; Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1124 (1130 ff.).
166
C. Das Pflichtteilsrecht
ist die gesetzgeberische Prämisse: „Demselben Stamme darf nicht zweimal ein Pflichtteil gewährt werden“.1 Eine Pflichtteilsberechtigung folgt daraus jedoch nur dann, wenn dieser nähere als gesetzlicher Erbe ausgeschlossene Abkömmling (zB Sohn) bspw. durch Pflichtteilsentziehung nicht pflichtteilsberechtigt ist.2 Dabei genügt als letztwillige Enterbung iSd. § 1938 bereits eine Verfügung, in der die bisherige Erbeinsetzung des näheren Abkömmlings unter gleichzeitiger Pflichtteilsentziehung widerrufen und damit dessen Ausschluss als Erbe zum Ausdruck gebracht wird.3 Zudem dürfte auch eine bloße erschöpfende Erbeinsetzung Dritter ohne negativ verfügte Enterbung ausreichend sein.4 Eine Pflichtteilsentziehung kann somit im Gegensatz zu einer Enterbung nicht auch gegenüber den Abkömmlingen derjenigen Person, die die schwere Verfehlung iSd. § 2333 BGB begangen hat, als den entfernteren Abkömmlingen des Erblassers angeordnet werden. Diese Abkömmlinge bleiben in einem derartigen Fall gemäß § 2309 BGB anders als bspw. bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag iSd. § 2346 Abs. 2 BGB mit Erstreckungswirkung nach § 2349 BGB pflichtteilsberechtigt.5 Der Erblasser ist durch einen förmlichen Erb- und Pflichtteilsverzicht des 66 näheren Abkömmlings iSd. § 2346 BGB nicht an dessen letztwilliger Erbeinsetzung gehindert.6 Nach Rspr. des BGH soll ein entfernterer Abkömmling (zB Enkel des Erb- 67 lassers) jedoch durch einen näheren Abkömmling (zB Tochter des Erblassers und zugleich Mutter des Enkels des Erblassers) dann nicht pflichtteilsrechtlich ausgeschlossen sein, wenn sowohl der nähere als auch der entferntere Abkömmling beide demselben alleine bedachten Stamm gesetzlicher Erben angehören, dieser nähere Abkömmling förmlich gegenüber dem Erblasser auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht ohne Erstreckung auf den entfernteren Abkömmling verzichtet hat und daher nach § 2346 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB als vorverstorben gilt. Dies folge daraus, dass dann der nähere Abkömmling (zB Tochter des Erblassers) zum einen aufgrund seines Erb- und Pflichtteilsverzichts entgegen § 2309 Alt. 1 BGB nicht mehr pflichtteilsberechtigt ist und auch eine letztwillige oder lebzeitige Zuwendung an den dies annehmenden näheren Abkömmling (zB Tochter des Erblassers) bei einer ausschließlich auf denselben alleinigen Stamm bezogenen Erbfolge wegen diesbezüglicher teleologischer 1 Mot. V, S. 401; Prot. V, S. 512; Lange, DNotZ 2011, 871 (872 f.). 2 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = DNotZ 2011, 866; RG v. 6.6.1918 – Rep. IV 114/18, RGZ 93, 193 (195). 3 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = DNotZ 2011, 866. 4 RG v. 6.6.1918 – Rep. IV 114/18, RGZ 93, 193 (195); MünchKomm.BGB/Lange, § 2309 BGB Rz. 12; MünchKomm.BGB/Leipold, § 1938 BGB Rz. 6; aA von Jacubetzky, Recht 1906, 281 (282); Kretzschmar, Recht 1908, 793 (794 f.); offen gelassen in BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = DNotZ 2011, 866. 5 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = DNotZ 2011, 866; MünchKomm.BGB/Lange, § 2336 BGB Rz. 17. 6 BGH v. 27.6.2012 – IV ZR 239/10, MDR 2012, 1099 = FamRZ 2012, 1379 = DNotZ 2012, 782.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Reduktion nicht als Hinterlassenes iSd. § 2309 Alt. 2 BGB gelte.1 Diese Sichtweise schränkt jedoch die Testierfreiheit des Erblassers übermäßig ein, neigt zu Zufallsresultaten, ist mit dem Wortlaut des § 2309 BGB nicht vereinbar, widerspricht dem systematischen Zusammenhang des Pflichtteilsrechts aus § 2315 Abs. 3 iVm. § 2051 Abs. 1 BGB und muss daher abgelehnt werden.2 Die diesbezügliche praktische Relevanz dieser Rspr. ist jedoch insofern eingeschränkt, als abweichend von der entschiedenen Konstellation zumeist zur Vermeidung einer regelmäßig gerade nicht gewünschten gesetzlichen Erbteils- bzw. Pflichtteilserhöhung Dritter über die ansonsten ausgelöste Rechtsfolge der Regelung des § 2310 Satz 2 BGB lediglich ein Pflichtteilsverzicht ohne Erbrechtsverzicht, dabei mangels abweichender Bestimmung iSd. § 2349 BGB auch eine Erstreckung der Pflichtteilsverzichtswirkungen auf die entfernteren Abkömmlinge des Erblassers bzw. des Verzichtenden ausgelöst und eine Vorversterbensfiktion iSd. § 2346 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB ausgeschlossen wird.3
IV. Beeinträchtigende Erblasserverfügungen als Voraussetzung von Ansprüchen aus dem Pflichtteilsrecht 1. Grundsatz 68 Wird der Pflichtteilsberechtigte Erbe oder Miterbe und erhält er mindes-
tens einen Erbteil in Höhe der gesetzlichen Erbquote ohne Beschränkungen und Beschwerungen i.S.v. § 2306 BGB und aus einem Nachlass, der nicht durch Schenkungen i.S.v. § 2325 BGB geschmälert ist, so realisiert sich das Pflichtteilsrecht nicht. Die gesetzlichen Schutzvorschriften kommen nur dann und immer dann zur Anwendung, wenn der Erblasser durch lebzeitige oder letztwillige Verfügungen in diesen Bereich der garantierten Mindestbeteiligung eines Pflichtteilsberechtigten eingreift. Der Testamentsgestalter hat die folgenden Grundfälle zu beachten, um das Pflichtteilsrecht als Störfaktor auszuschalten. 2. Enterbung des Pflichtteilsberechtigten, § 2303 BGB 69 Enterbt der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten, indem er Dritte zu Er-
ben einsetzt, so hat der Pflichtteilsberechtigte beim Erbfall den vollen Pflichtteilsanspruch des § 2303 BGB. Beim Berliner Testament nach § 2269 BGB ist der als Schlusserbe eingesetzte Abkömmling auf den Tod des erstversterbenden Elternteils enterbt. Auch die Einsetzung lediglich zum Ersatzerben ist ein Ausschluss von der Erbfolge i.S.v. § 2303 BGB. 1 BGH v. 27.6.2012 – IV ZR 239/10, MDR 2012, 1099 = FamRZ 2012, 1379 = DNotZ 2012, 782. 2 Häberle, NJW 2012, 3760; Leipold, Erbrecht Rz. 822a; Lichtenwimmer, ZEV 2012, 474; G. Müller, MittBayNot 2012, 478; Röhl, DNotZ 2012, 724; MünchKomm.BGB/ Lange, § 2309 BGB Rz. 8; Staudinger/Otte, § 2309 BGB Rz. 11; Wagenknecht, ZErb 2012, 322. 3 Häberle, NJW 2012, 3760; G. Müller, MittBayNot 2012, 478; Röhl, DNotZ 2012, 724.
168
C. Das Pflichtteilsrecht
3. Erbeinsetzung des Pflichtteilsberechtigten mit Beschränkungen und Beschwerungen, § 2306 BGB Zu erheblichen Problemen bei der Testamentsgestaltung und der Nachlass- 70 abwicklung hatte § 2306 Abs. 1 BGB a.F. geführt. Nach ihm wurde dem Pflichtteilsberechtigten nicht nur eine wertmäßige Nachlassbeteiligung, sondern im Fall der Berufung zum Erben mit einer dem Pflichtteil entsprechenden oder geringeren Erbquote die Lastenfreiheit seines Erbteils garantiert. Von Gesetzes wegen galten Beschränkungen durch Einsetzung eines Nacherben, Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder Teilungsanordnung und Beschwerungen mit einem Vermächtnis oder einer Auflage als nicht angeordnet. Der Wegfall erfolgte automatisch und zwingend. Weder hatte der Pflichtteilsberechtigte zwecks Eintritts des Wegfalls eine Erklärung abzugeben, noch hatte er die Möglichkeit, die Anordnungen des Erblassers zu respektieren. Dabei war zusätzlich noch zu beachten, dass die Ermittlung der „Hälfte des gesetzlichen Erbteils“ i.S.v. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann durch einfachen rechnerischen Quotenvergleich erfolgte, wenn bei der konkreten Pflichtteilsberechnung nicht auch Werte heranzuziehen waren, die nicht im Nachlass enthalten sind. Erfolgte eine solche Heranziehung in den Fällen der Anrechnung und Ausgleichung nach §§ 2315, 2326 BGB, so war anstelle des Quotenvergleichs ein Wertvergleich vorzunehmender besondere praktische Schwierigkeiten bereitete.1 War der dem Pflichtteilsberechtigten hinterlassene Erbteil größer als die Pflichtteilsquote, so brauchte sich der Pflichtteilsberechtigte mit den Beschränkungen und Beschwerungen i.S.v. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht abzufinden. Er konnte vielmehr nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. den Erbteil ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Nach der gem. Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 2 EGBGB für seit 1.1.2010 einge- 71 tretene Erbfälle maßgebenden Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB gilt bei Beschränkungen und Beschwerungen unabhängig davon, ob der hinterlassene Erbteil kleiner, gleich oder größer ist als der Pflichtteil, die bisher nur für den den Pflichtteil übersteigenden Erbteil geltende Regelung. Danach hat jeder pflichtteilsberechtigte Erbe, der durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder einer Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist, unabhängig von der Höhe des Erbteils ein Wahlrecht. Er kann entweder den Erbteil mit den Belastungen und Beschränkungen annehmen oder den Erbteil ausschlagen und dennoch den Pflichtteil verlangen. Ein automatisches Entfallen der Beschränkungen oder Beschwerungen gibt es nicht mehr. Der lediglich als Nacherbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2306 Abs. 2 BGB entsprechende Rechte. Für die Testamentsgestaltung bedeutet die Neuregelung, dass jede Be- 72 schränkung oder Beschwerung eines pflichtteilsberechtigten Erben diesen zur Ausschlagung und zum Verlangen des Pflichtteils berechtigt. Soll der gesetzlich Pflichtteilsberechtigte bei Ausschlagung des Erbteils keinen 1 Vgl. nur Klingelhöffer, ZEV 1997, 299.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Pflichtteil geltend machen können, so ist mit ihm ein Pflichtteilsverzichtsvertrag in notariell beurkundeter Form abzuschließen. 4. Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten auf einen unter der Pflichtteilsquote liegenden Erbteil, § 2305 BGB 73 Wenn der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten zwar zum unbeschränk-
ten und unbeschwerten Miterben einsetzt, aber zu einer unter der Pflichtteilsquote liegenden Erbteilsquote, so hat der Pflichtteilsberechtigte den Anspruch auf Zahlung der Differenz bis zur Höhe des der Pflichtteilsquote entsprechenden Betrags, den sog. Pflichtteilsrestanspruch oder Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB. 5. Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten lediglich zum Vermächtnisnehmer, § 2307 BGB 74 Wird der Pflichtteilsberechtigte nicht zum Erben eingesetzt, sondern le-
diglich mit einem Vermächtnis bedacht, so hat er nach § 2307 BGB unabhängig vom Wert und der Lastenfreiheit des Vermächtnisses die Wahl, ob er das Vermächtnis annimmt und gegebenenfalls den Zusatzpflichtteilsanspruch des § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend macht oder ob er das Vermächtnis mit der Folge ausschlägt, dass ihm der volle Pflichtteilsanspruch des § 2303 BGB zusteht. 6. Erbeinsetzung und zusätzliches Vermächtnis 75 Bei Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten sowohl zum Erben als auch
zum Vermächtnisnehmer ist zu beachten, dass der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft und das Vermächtnis getrennt annehmen bzw. ausschlagen kann.1 7. Der Ehegatte als Erbe oder Vermächtnisnehmer a) Bei ehevertraglicher Gütertrennung, Gütergemeinschaft oder deutsch-französischer Wahl-Zugewinngemeinschaft 76 Bei ehevertraglich vereinbarter Gütertrennung nach § 1414 BGB, all-
gemeiner Gütergemeinschaft gem. § 1415 BGB oder deutsch-französischer Wahl-Zugewinngemeinnschaft nach § 1519 BGB iVm. dem am 1.5.2013 in Kraft getretenen zunächst zehn Jahre geltenden, sich danach mangels Kündigung stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängernden Abkommen v. 4.2.2010 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft2 ergeben sich für den überlebenden Ehegatten keine Unterschiede 1 Zu den Einzelfällen vgl. Schlitt, ZEV 1998, 216. 2 G.v. 15.3.2012, BGBl. II 2012, S. 178, geändert durch Bek. v. 22.4.2013, BGBl. II 2013, S. 431.
170
C. Das Pflichtteilsrecht
gegenüber sonstigen pflichtteilsberechtigten Erben. Der Pflichtteil des Ehegatten berechnet sich nach der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, wobei § 1931 Abs. 4 BGB zu beachten ist. Ist der Ehegatte unter der Pflichtteilsquote als Miterbe eingesetzt, kann er seinen Zusatzpflichtteil gem. § 2305 BGB verlangen. Bei deutsch-französischer Wahl-Zugewinngemeinnschaft kann nach 77 Art. 12 des diesbezüglichen Abkommens (s. oben Rz. 76) der überlebende Ehegatte im Gegensatz zu § 1371 Abs. 3 BGB den güterrechtlichen Zugewinnausgleich neben seinem Erbteil, mithin ohne Erbausschlagung geltend machen.1 Zudem kann hinsichtlich der diesbezüglichen Ausgleichsquote gem. Art. 12 ehevertraglich eine erhöhte bzw. schematische Berechnung vereinbart werden, die jedoch wegen der Abweichung vom gesetzlichen Leitbild eventuellen Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB unterliegt2 und nicht von dem ansonsten auch für die deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft geltenden3 erbschaftsteuerlichen Privileg des § 5 Abs. 3 ErbStG erfasst ist.4 b) Bei Zugewinngemeinschaft Anders ist dies beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. 78 Hier hat der Ehegatte, wenn er Erbe oder Vermächtnisnehmer ist, ein Wahlrecht zwischen den folgenden Möglichkeiten: Er kann einmal das Erbe oder Vermächtnis annehmen. Dann hat er keinen 79 Anspruch auf den rechtsgeschäftlichen Zugewinnausgleich, wie dieser im Falle der Ehescheidung vorgenommen wird, §§ 1373 ff. BGB. Er kann jedoch den Zusatzpflichtteil des § 2305 BGB geltend machen, wenn der Wert des Erbteils oder Vermächtnisses hinter dem Wert des nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Pflichtteils zurückbleibt, sog. großer Pflichtteil. Die Pflichtteile der Kinder errechnen sich in diesem Fall nach dem erhöhten Erbteil des überlebenden Elternteils. Am Beispiel bedeutet dies: Der Ehegatte ist bei gesetzlichem Güterstand 80 und bei Vorhandensein von zwei Kindern zu 1/5 als Miterbe eingesetzt. Der gesetzliche Erbteil beträgt 1/2, der Pflichtteil mithin 1/4. Der Zusatzpflichtteil in Höhe der Differenzen zwischen 1/5 und 1/4 kann hier verlangt werden. Anstelle der Annahme des Erbteils oder Vermächtnisses kann jedoch der 81 Ehegatte auch das Erbe ausschlagen, den rechtsgeschäftlichen Zugewinnausgleich nach §§ 1373 ff. BGB geltend machen und daneben, soweit er nicht iSv. § 1371 Abs. 3 Halbs. 2 BGB vertraglich notariell beurkundet auf sein Erb- bzw. Pflichtteilsrecht verzichtet hat, den so genannten kleinen Pflichtteil, also den Pflichtteil aus dem nicht nach § 1371 Abs. 1 BGB er1 2 3 4
Jünemann, ZEV 2013, 353 (358 f.). Heinemann, FamRB 2012, 129 (131); Schaal, ZNotP 2010, 162 (168). BT-Drucks. 17/5126, S. 10. Heinemann, FamRB 2012, 129 (131).
171
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
höhten Ehegattenerbrecht verlangen. Die Pflichtteile der Kinder errechnen sich in diesem Fall gem. § 1371 Abs. 2 Halbs. 2 BGB nach dem nicht erhöhten Erbteil des überlebenden Ehegatten.1 82 Am Beispiel bedeutet dies: In obigem Fall schlägt der Ehegatte aus. Aus
dem nach Abzug des Zugewinnausgleichsanspruchs des Ehegatten, den dieser ausgezahlt erhält, verbleibenden Nachlass erhält der Ehegatte den Pflichtteil aus § 1391 Abs. 1 BGB, also die Hälfte von 1/4 = 1/8. Die Pflichtteile der Kinder berechnen sich im ersten Beispiel nach 1/2 des Nachlasses, im zweiten Beispiel nach 3/8 des Nachlasses. Ist der Ehegatte völlig enterbt, so erhält er nach § 1371 Abs. 2 BGB nur den kleinen Pflichtteil und kann daneben den rechtsgeschäftlichen Zugewinnausgleich geltend machen. Er hat jedoch nicht die Möglichkeit, auf den rechtsgeschäftlichen Zugewinnausgleich zu verzichten und dafür den großen Pflichtteil zu verlangen. Bei Enterbung erhält der Ehegatte also in jedem Fall nur den kleinen Pflichtteil. 83 Güterrechtlicher Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 bzw. Abs. 3 iVm.
§§ 1373 ff. BGB kann jedoch durch notariell beurkundeten Ehevertrag isoliert auch dann ausgeschlossen werden, wenn der schematische erbrechtliche Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB fortgelten soll.2 84 Der überlebende Ehegatte kann nicht wahlweise statt Zugewinnausgleich
und kleinem Pflichtteil den nach dem erhöhten gesetzlichen Erbteil errechneten (großen) Pflichtteil verlangen.3
V. Tragung der Pflichtteilslast 85 Schuldner des Pflichtteilsanspruchs im Außenverhältnis ist der Erbe,
mehrere Erben als Gesamtschuldner, § 2058 BGB. Ein selbst pflichtteilsberechtigter Erbe kann nach § 2319 BGB die Befriedigung der anderen Pflichtteilsberechtigten soweit verweigern, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt, § 2319 Satz 1 BGB. Für den Ausfall haften die übrigen Erben, § 2319 Satz 2 BGB. 86 Die Verteilung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis von Miterben, Ver-
mächtnisnehmern und Auflagenberechtigten regeln die §§ 2318, 2320 bis 2324 BGB. Nach § 2318 Abs. 1 BGB sollen diese die Pflichtteilslast anteilig im Verhältnis ihrer Beteiligung am Nachlasswert tragen. Der Erbe kann hierzu die Erfüllung von Vermächtnissen und Auflagen anteilig verweigern. Er kann jedes Vermächtnis und jede Auflage um den Prozentsatz kürzen, den die Pflichtteilsberechtigten vom Nachlass beanspruchen kön-
1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 124. 2 Erman/Budzikiewicz, § 1371 BGB Rz. 17; MünchKomm.BGB/Kanzleiter, § 1408 BGB Rz. 14; Soergel/Lange, § 1371 BGB Rz. 7; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 124; Cypionka, MittRhNotK 1986, 157 (165). 3 BGH v. 25.6.1964 – III ZR 90/63, BGHZ 42, 182 = FamRZ 1964, 624 = NJW 1964, 2404; BGH v. 17.3.1982 – IV a ZR 27/81, MDR 1982, 829 = DNotZ 1983, 629.
172
C. Das Pflichtteilsrecht
nen.1 Bei dieser Kürzung wird die jeweilige eigene Pflichtteilsberechtigung wiederum geschützt, § 2318 Abs. 2, 3 BGB. Die §§ 2320 bis 2323 BGB regeln die anteilige Tragung der Pflichtteilslast 87 durch diejenigen, die an die Stelle weggefallener Pflichtteilsberechtigter treten. § 2324 BGB gibt dem Erblasser die Möglichkeit, die Tragung der Pflichtteilslast im Innenverhältnis mehrerer Verpflichteter abweichend zu regeln (s. nachfolgend Rz. 227 f.) In die eigene Pflichtteilsberechtigung eines Trägers der Pflichtteilslast nach §§ 2318 Abs. 2, 3 BGB kann er aber nicht eingreifen.
VI. Wertermittlung im Pflichtteilsrecht Für die Pflichtteilsberechnung ist der Nachlasswert bei Erbfall maßgeb- 88 lich, § 2311 Abs. 1 BGB, also der Verkehrswert nach Abzug der Verbindlichkeiten. Der Verkehrswert ist erforderlichenfalls zu schätzen. Entgegen einer verbreiteten Laienvorstellung sind Wertbestimmungen des Erblassers unmaßgeblich, § 2311 Abs. 2 Satz 2 BGB. Bedingte, ungewisse oder unsichere Rechte werden nach § 2313 BGB behandelt. Die Ermittlung des Verkehrswertes durch Schätzung ist Gegenstand einer sich ständig im Fluss befindlichen Rechtsprechung und Literatur.2
VII. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch 1. Inhalt und Zweck Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des § 2325 BGB sichert die Nachlass- 89 beteiligung der Pflichtteilsberechtigten für den Fall, dass der Erblasser sein Vermögen und damit den Nachlass durch lebzeitige Schenkungen mindert. Wendet z.B. der Erblasser sein Hausgrundstück der Tochter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zu und ist sein Nachlass dann gering oder gar Null, so nützen dem dadurch übergangenen Sohn die gesetzlichen Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303 ff. BGB einschließlich eines etwaigen Ausgleichspflichtteils nach § 2316 BGB nichts, da diese sich immer auf den tatsächlich vorhandenen Nachlass beschränken und auch im Fall des § 2316 BGB lediglich das tatsächliche Pflichtteilsvolumen verteilt wird (s. nachfolgend Rz. 304 ff.). Die Lücke schließt hier § 2325 BGB. Im Beispielsfall kann der übergangene Sohn die Hinzurechnung des Wertes der vorweggenommenen Erbfolge zum Nachlass die Berechnung seines Pflichtteils nach dem sich so ergebenden fiktiven Nachlasswert und die Auszahlung des Betrags der Pflichtteilserhöhung von seiner als Alleinerbin eingesetzten Schwester verlangen, soweit dies nicht durch Zeitablauf iSd § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, (s. nachfolgend Rz. 90). Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch kann unter den Voraussetzungen des § 822 BGB
1 Zu den Einzelheiten vgl. Soergel/Dieckmann, § 2318 BGB Rz. 3 ff. 2 Zu den Einzelheiten vgl. Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, Rz. 173–303.
173
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
auch gegenüber einem Dritten bestehen, der den Schenkungsgegenstand als Zweitbeschenkter seitens des Beschenkten unentgeltlich erhalten hat.1 90 Für seit dem 1.1.2010 eingetretene Erbfälle können Pflichtteilsergän-
zungsansprüche nach § 2325 Abs. 3 BGB nicht mehr während zehn Jahren nach Leistung in Höhe des vollen Zuwendungswertes, sondern abschmelzend nur im ersten Jahr nach Leistung in voller Höhe und sodann jährlich um ein Zehntel gemindert geltend gemacht werden, wobei die Frist mangels Leistung insbesondere bei Vorbehalt von Nießbrauch,2 dinglichem Wohnungs- oder schuldrechtlichem Nutzungsrecht am überwiegenden Objektteil ohne erhebliche Genussentbehrung3 und Rückforderungsrechten im Fall der Weiterveräußerung bzw. Belastung des Zuwendungsobjektes ohne Zustimmung des Zuwendenden4 nicht zu laufen beginnt. 91 Gleiches gilt nach § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB sogar unabhängig von eventu-
ellen sich durch den Zuwendenden vorbehaltenen Gegenleistungen bei unentgeltlichen Zuwendungen des einen an den anderen Ehegatten5 bzw. nach § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG iVm. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB für gleichgeschlechtliche Lebenspartner iSd. LPartG6. 92 Schenkt ein späterer Erblasser einer anderen Person ein Grundstück, das
dieser spätere Erblasser mit dem ihm von dieser anderen Person unentgeltlich überlassenen Geld erworben hat, steht diese vorherige Geldschenkung der Auslösung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen diesen Grundbesitzerwerber zumindest dann nicht entgegen, wenn dessen Geldzuwendung uneigennützig und ohne Erwartung einer späteren Gegenleistung erfolgte7. 93 Wurde eine Zuwendung auf Grund entsprechender Vereinbarung bereits
unentgeltlich erbracht, ist auf Grund einer späteren Vereinbarung der Parteien keine nachträgliche Behandlung als entgeltliches Geschäft mehr möglich.8 94 Dieser Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein vom Pflichtteilsanspruch zu
unterscheidender, selbständiger und gegebenenfalls ergänzend neben den Pflichtteilsanspruch tretender Anspruch, der noch vor vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit – wenn auch nur aufschiebend bedingt
1 BGH v. 20.11.2013 – IV ZR 54/13, MDR 2014, 163 = DNotZ 2014, 371. 2 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, MDR 1994, 1015 = FamRZ 1994, 885 = NJW 1994, 1791. 3 OLG Karlsruhe v. 20.9.2007 – 12 U 124/07, ZEV 2008, 244 f. 4 OLG Düsseldorf v. 11.4.2008 – 7 U 70/7, DNotZ 2009, 67 m. abl. Anm. Diehn. 5 Kritisch im Hinblick auf eine eventuelle diesbezügliche Verfassungswidrigkeit Derleder, ZEV 2014, 8 ff. 6 BT-Drucks. 14/3751, 40; Palandt/Brudermüller, § 10 LPartG Rz. 5; Leipold, ZEV 2001, 218; Elling, RNotZ 2002, 249 (266) mwN; aA J. Mayer, ZEV 2001, 169 (173). 7 LG Berlin v. 28.9.2010 – 2 O 287/10, NJW-Spezial 2011, 72 = BeckRS 2011, 00896. 8 OLG Düsseldorf v. 5.2.2001 – 9 U 136/00, NJW-RR 2001, 1518; a.A. MünchKomm.BGB/Kollhosser, § 516 BGB Rz. 21.
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C. Das Pflichtteilsrecht
verwertbar – pfändbar ist,1 aber ausschließlich durch den pflichtteilsberechtigten Schuldner geltend gemacht werden kann.2 Er setzt nicht voraus, dass ein Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil des § 2303 BGB besteht. Hat in obigem Beispielsfall der Vater der Tochter das Hausgrundstück übergeben und dann den Sohn zu seinem Alleinerben eingesetzt, so hat dieser keinen Pflichtteilsanspruch, wohl aber den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dieser richtet sich ebenfalls gegen die Schwester, diesmal nicht in ihrer Eigenschaft als Erbin, sondern als Beschenkte, § 2329 BGB (Fall des § 2329 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist wie der Pflichtteilsanspruch ver- 95 erblich und übertragbar. Die Rechtsfragen beim beschenkten Pflichtteilsberechtigten und selbst pflichtteilsberechtigten Erben regeln §§ 2327, 2328 BGB. Anspruchsschuldner ist regelmäßig der Erbe und ausnahmsweise der Beschenkte, wenn der Erbe zur Ergänzung nicht verpflichtet ist, § 2329 BGB. 2. Schlüsselbegriff Schenkung a) Grundsätze Pflicht- und Anstandsschenkungen sind nach § 2330 BGB nicht ergän- 96 zungspflichtig. Sonst ist Anknüpfungspunkt eine Schenkung i.S.v. § 516 Abs. 1 BGB.3 Wer einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend macht, hat die Voraussetzungen der Schenkung zu beweisen, insbesondere auch die subjektive Einigung von Schenker und Beschenktem über die Unentgeltlichkeit. Bei gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Auflage ist nur der den Wert der Gegenleistungen überschießende Wert, also der unentgeltliche Teil als Schenkung anzusehen und zur Ergänzung herauszuziehen. b) Gemischte Schenkung Ein Austauschvertrag, bei dem sich Leistung und Gegenleistung gegenüber- 97 stehen, kann nach dem Prinzip der subjektiven Äquivalenz auch dann voll entgeltlich sein, wenn die Gegenleistung objektiv nicht dem Wert der Leistung entspricht.4 Besteht zwischen den Werten ein auffallendes, grobes Missverhältnis, so spricht nach der Rechtsprechung5 eine tatsächliche Vermutung für die Einigung der Parteien über eine teilweise Unentgeltlichkeit. 1 BGH v. 26.2.2009 – VII ZB 30/08, FamRZ 2009, 869 = MDR 2009, 648 = FamRB 2009, 244 = ErbStB 2009, 342 = NJW-RR 2009, 997; Palandt/Weidlich, § 2317 BGB Rz. 8. 2 BGH v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09, FamRZ 2011, 212 = MDR 2011, 131 = FamRZ 2011, 1399 m. Anm. Floeth = NJW 2011, 1448; Palandt/Weidlich, § 2317 BGB Rz. 8. 3 Ständige Rechtsprechung seit RG v. 25.3.1930 – VII 440/29, RGZ 128, 187; vgl. BGH v. 21.6.1972 – IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132 = NJW 1972, 1709 = DNotZ 1973, 426. 4 BGHZ 59, 132; BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 = MDR 1982, 124 = FamRZ 1982, 56 = FamRZ 1981, 1173. 5 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 = MDR 1992, 263 = FamRZ 1992, 304 = NJW 1992, 558; BGH v. 6.3.1996 – IV ZR 374/94, ZEV 1996, 197.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
c) Übergabeverträge 98 Gegenleistungen bei Übergabeverträgen wie Nießbrauch, Wohnungsrecht,
Rente, Pflege, Schuldübernahme oder Abfindungszahlungen mindern den Wert der ergänzungspflichtigen Schenkung. Die Bewertung richtet sich nach den Wertverhältnissen zum Zeitpunkt der Schenkung unabhängig von der späteren tatsächlichen Entwicklung.1 So wird etwa der Jahreswert des Nießbrauchs mit der allgemein anzunehmenden Lebenserwartung kapitalisiert, auch wenn der Berechtigte konkret alsbald verstirbt.2 Zu Gestaltungsmöglichkeiten (s. nachfolgend Rz. 204). 99 Zudem beginnt die Frist des § 2325 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 BGB mangels
Leistung insbesondere bei Vorbehalt von Nießbrauch,3 dinglichem Wohnungs- oder schuldrechtlichem Nutzungsrecht am überwiegenden Objektteil ohne erhebliche Genussentbehrung4 und Rückforderungsrechten im Fall der Weiterveräußerung oder Belastung des Zuwendungsobjektes ohne Zustimmung des Zuwendenden5 bzw. nach § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB bei unentgeltlichen Zuwendungen an den Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner nicht zu laufen. 100
Übertragen Eltern Grundbesitz unentgeltlich auf ihr Kind, das seinerseits an den eigenen Ehegatten im unmittelbaren Anschluss daran freigebig, ohne dazu gegenüber den zuwendenden Eltern verpflichtet zu sein, unentgeltlich einen Miteigentumsanteil weiterüberträgt, liegt schenkungsteuerlich keine Zuwendung der Eltern an das Schwiegerkind vor.6 Ob jedoch tatsächlich keinerlei eine schenkungsteuerliche Zuwendung der Eltern an das Schwiegerkind begründende Weitergabeverpflichtung des erstbeschenkten Kindes gegenüber seinen schenkenden Eltern besteht, folgt aus den abgeschlossenen Verträgen, deren inhaltlicher Abstimmung untereinander und den damit erkennbar angestrebten Zielen der Beteiligten.7 Dabei kann die förmliche Zusammenfassung in ein und derselben Urkunde für eine Weitergabeverpflichtung sprechen, da das erstbeschenkte Kind wegen der zeitgleichen Beurkundung regelmäßig keine anderweitige Entscheidungsfreiheit mehr hat.8 Jedoch ist die bloße Kenntnis der schenkenden Eltern von bzw. deren Einverständnis mit einer derartigen Weiterübertragung für die
1 Abstrakte Berechnung, vgl. BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 278 = MDR 1982, 124 = FamRZ 1982, 56 = FamRZ 1981, 1173. 2 A.A., d.h. für konkrete Berechnung OLG Hamburg v. 20.8.1991 – 2 U 30/90, FamRZ 1992, 228; OLG Köln v. 22.11.1991 – 20 U 36/91, MDR 1992, 586 = FamRZ 1992, 480. 3 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, MDR 1994, 1015 = FamRZ 1994, 885 = NJW 1994, 1791. 4 OLG Karlsruhe v. 20.9.2007 – 12 U 124/07, ZEV 2008, 244 f. 5 OLG Düsseldorf v. 11.4.2008 – 7 U 70/7, DNotZ 2009, 67 m. abl. Anm. Diehn. 6 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FamRZ 2013, 1802 = DNotZ 2014, 103 (104 ff.). 7 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FamRZ 2013, 1802 = DNotZ 2014, 103 (104 ff.). 8 BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FamRZ 2013, 1802 = DNotZ 2014, 103 (105) – dort waren Erstschenkung und Weitergabezuwendung in zwei einzelnen unmittelbar hintereinander beurkundeten Dokumenten erstellt worden.
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C. Das Pflichtteilsrecht
Annahme einer Weitergabeverpflichtung alleine unschädlich.1 Auch wird regelmäßig eine freigebige Zuwendung an das eigene Kind zwecks Anrechnung des gesamten Zuwendungswertes auf Pflichtteilsrechte bzw. Hinzurechnung zum Anfangsvermögen nach § 1374 Abs. 2 BGB anzunehmen sein.2 Die vollständige ungebundene Übertragung durch die Eltern an das Kind muss zudem vor Weiterübertragung bereits ausgeführt sein, was neben dem wirksamen Schenkungsversprechen die diesbezügliche Auflassung und Eintragungsbewilligung, nicht jedoch den Eintragungsantrag voraussetzt.3 d) Ehebedingte Zuwendungen Ehebedingte Zuwendungen4 sind nach Ansicht des BGH5 in der Regel ob- 101 jektiv unentgeltlich und im Erbrecht, insbesondere auch bei § 2325 BGB, grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln. Ausnahmsweise fehlt es jedoch an der objektiven Unentgeltlichkeit, wenn sich die ehebedingte Zuwendung im Rahmen einer nach den konkreten Verhältnissen angemessenen Alterssicherung des begünstigten Ehegatten bewegt, wobei die Altersabsicherungsabsicht als solche nicht ausdrücklich bezeichnet werden muss, aber sicherheitshalber so bezeichnet werden sollte.6 Schenkungsteuerrechtlich gilt die Einzahlung eines Geldbetrages durch 102 einen der beiden Ehegatten auf deren als Oder-Konto geführtes Gemeinschaftskonto nur dann als Schenkung an den nicht einzahlenden Ehegatten, wenn letzterer tatsächlich hälftig beteiligt wird, was anhand objektiver Tatsachen nachweisbar sein muss und sich insbesondere durch häufigen Zugriff des nicht einzahlenden Ehegatten auf das Guthaben manifestieren kann.7 Ähnliches dürfte gelten, wenn langjährige Dienste entgolten werden.8 Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. nachfolgend Rz. 214. e) Ausstattung Die Ausstattung ist nur hinsichtlich eines etwaigen Übermaßes ergän- 103 zungspflichtige Schenkung, § 1624 BGB. Ob bzw. inwieweit begrifflich eine Ausstattung oder eine Schenkung vorliegt, hat über die Regelung des § 2325 BGB hinaus erhebliche Bedeutung insbesondere für die Anwendbarkeit der Formvorschrift nach § 518 Abs. 1 BGB und das Bestehen eventuel1 2 3 4 5
BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FamRZ 2013, 1802 = DNotZ 2014, 103 (105). BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FamRZ 2013, 1802 = DNotZ 2014, 103 (106). BFH v. 18.7.2013 – II R 37/11, FamRZ 2013, 1802 = DNotZ 2014, 103 (107). Hierzu eingehend Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 168 ff., 870 ff. BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 164/91, BGHZ 116, 167 = MDR 1992, 264 = FamRZ 1992, 300 = NJW 1992, 564. 6 OLG Schleswig v. 16.2.2010 – 3 U 39/09, MDR 2010, 576 = ZEV 2010, 369 = MittBayNot 2011, 148; Sarres, FamRB 2011, 250 (251). 7 BFH v. 23.11.2011 – II R 33/10, FamRZ 2012, 1137 = DStR 2012, 796 = ZEV 2012, 280. 8 Dazu Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 898 ff.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
ler Rückforderungs- bzw. Widerrufsrechte des Zuwendungsgebers bzw. des nach Überleitung gem. § 93 Abs. 1 SGB XII berechtigten Sozialhilfeträgers und Herausgaberechte des Vertragserben bzw. vertragsmäßig bedachten Vermächtnisnehmers nach §§ 2287, 2288 BGB.1 Zu Einzelheiten hinsichtlich der Ausstattung s. nachfolgend Rz. 208 ff. f) Güterstandswechsel durch Ehevertrag 104
Ehevertragliche Vereinbarungen zum Güterstand sieht der BGH grundsätzlich nicht als Schenkung an.2 Zu Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung s. nachfolgend Rz. 215 ff. g) Gesellschaftsrechtliche Vorgänge
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Die Aufnahme in eine Personengesellschaft ist für den aufgenommenen persönlich haftenden Gesellschafter grundsätzlich nicht als Schenkung i.S.v. § 2325 BGB anzusehen, da in der Übernahme der Gesellschafterpflichten mittels Einsatzes der vollständigen Arbeitskraft samt persönlicher Haftung für die Unternehmensverbindlichkeiten regelmäßig eine entsprechende Gegenleistung liegt.3 Im Gegensatz dazu dürfte für die unentgeltliche Übertragung eines Kommanditanteils mangels persönlicher Haftung bei erbrachter Einlage Schenkungsrecht gelten.4 h) Lebensversicherungen auf den Todesfall
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Wendet der Erblasser die Todesfallleistung aus einem Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenkweise zu, so berechnet sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 Abs. 1 BGB weder nach der Versicherungsleistung5 noch nach der Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien6, sondern vielmehr alleine nach dem Wert, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten – juristischen – Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können, wobei in aller Regel auf den Rückkaufswert abzustellen ist, je nach Einzelfall ggf. auch ein – objektiv belegter – höherer Veräußerungswert heranzuziehen sein kann.7 1 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 f. 2 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 = MDR 1992, 263 = FamRZ 1992, 304 = NJW 1992, 558. 3 BGH v. 11.5.1959 – II ZR 2/58, MDR 1959, 638 = FamRZ 1959, 291 = NJW 1959, 1433; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, Hdb. der Testamentsgestaltung, § 2 Rz. 127. 4 BGH v. 2.7.1990 – II ZR 243/89, MDR 1991, 127 = NJW 1990, 2616 = DNotZ 1991, 819; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, Hdb. der Testamentsgestaltung, § 2 Rz. 127. 5 So aber LG Göttingen v. 23.3.2007 – 4 S 6/06, ZErb 2007, 307 = ZEV 2007, 386; BeckOK BGB/J. Mayer, § 2325 BGB Rz. 9. 6 So noch die frühere anschließend jedoch aufgegebene BGH-Rspr. BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, BGHZ 7, 134 (142) = NJW 1952, 1173; dem noch folgend OLG Stuttgart v. 13.12.2007 – 19 U 140/07, FamRZ 2008, 822 = ZEV 2008, 145 = BWNotZ 2008, 59. 7 BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, MDR 2010, 870 = DNotZ 2011, 129; kritisch J. Mayer, DNotZ 2011, 89 (91 ff.).
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C. Das Pflichtteilsrecht
Tritt jedoch ein Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus einer Lebens- 107 versicherung als Sicherheit an einen Kreditgeber ab und widerruft er dazu ein widerruflich gewährtes Bezugsrecht, dann gehört der Anspruch auf die Versicherungssumme in Höhe der gesicherten Schuld zu seinem Nachlass und ist ebenso wie die gesicherte Schuld zur Berechnung des Pflichtteils nach § 2311 BGB zu berücksichtigen, während lediglich der über die gesicherte Schuld hinausgehende Differenzbetrag der Versicherungssumme nach Eintritt des Versicherungsfalls unmittelbar dem Bezugsberechtigten außerhalb des Nachlasses zufällt1 und sich die diesbezügliche Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gem. § 2325 Abs. 1 BGB nach den vorstehend erörterten Kriterien (s. oben Rz. 106) richtet. Der Erwerb eines Anspruchs aus einem durch den Arbeitgeber zugunsten 108 und mit Einverständnis des Erblassers abgeschlossenen Direktversicherungsvertrag unterliegt nur dann nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer, wenn der Bezugsberechtigte wie bspw. ein bloßer Lebensgefährte die persönlichen Voraussetzungen nach §§ 46 bis 48 SGB VI für den Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung des Erblassers nicht erfüllt.2 i) Spenden bzw. Zustiftungen Endgültige unentgeltliche Zuwendungen an eine gemeinnützige Stiftung 109 zur Förderung des Stiftungszwecks mittels freier oder gebundener Spenden bzw. Zustiftungen sind -nach deutschem Recht im Gegensatz zu dem österreichischen Privileg pflichtteilsfreier Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken gemäß § 785 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 österr. AGBG3 – pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen iSd. §§ 2325, 2329 iVm. § 516 BGB, soweit mangels Kündigungsrechts des Spenders bzw. Vermögensrückfalls bei Insolvenz des Spendenempfängers kein fiduziarisches Treuhandverhältnis begründet wird, aufgrund satzungsgemäßer Eigenverwendung der Zuwendungen keine bloße Beauftragung des Spendenempfängers als Mittels- bzw. Durchgangsperson erfolgt und letztlich tatsächlich das Vermögen des Spendenempfängers (bspw. die durch Spenden sanierte im Eigentum einer erbbauberechtigten Stiftung stehende Dresdner Frauenkirche) bereichert wird.4 j) Dingliche Belastung Ist Grundbesitz durch eine Grundschuld oder anderweitig dinglich belas- 110 tet, bleibt diese Last bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen nach 1 2 3 4
BGH v. NJW 1996, 2230, 2231). BFH v. 18.12.2013 – II R 55/12, FamRZ 2014, 479 = ZEV 2014, 213 (214 f.). Dazu Hüttemann/Rawert, ZEV 2007, 108 (109). BGH v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, MDR 2004, 755 = DNotZ 2004, 475 = ZEV 2004, 115 ff. m. Anm. Kolhosser; Palandt/Weidenkaff, § 516 BGB Rz. 6; Röthel, ZEV 2006, 8 (10); Speckbrock, Rpfleger 2009, 597 (598); aA OLG Dresden v. 2.5.2002 – 7 U 2905/01, FamRZ 2003, 62 = NJW 2002, 3181(3182)).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
§ 2313 Abs. 2 Satz 1 iVm. Abs. 1 Satz 1 BGB außer Ansatz, solange ihre tatsächliche Verwirklichung wie bspw. bei einer diesbezüglichen Absicherung einer gegenüber einem Dritte bestehenden Verbindlichkeit unsicher ist.1 k) Umdeutung eines formnichtigen Schenkungsversprechens 111
Ggf. kann ein nach § 518 Abs. 1 iVm. § 125 Satz 1 BGB formnichtiges Schenkungsversprechen gem. § 140 BGB in eine Verfügung von Todes wegen umgedeutet werden, soweit die diesbezüglichen Voraussetzungen bzw. Formvorschriften beachtet werden. Insoweit kommt insbesondere die Umdeutung in ein eigenhändiges Testament iSd. § 2247 BGB in Betracht. Dabei ist im Hinblick auf § 2087 Abs. 2 BGB jedoch zu berücksichtigen, dass die Zuwendung eines Einzelgegenstandes regelmäßig lediglich als Vermächtnis- und nicht als Erbeinsetzung auszulegen sein wird.2 3. Einschränkungen des Bereichs der Pflichtteilsergänzung a) Die Fristen des § 2325 Abs. 3 BGB
112
Die Berücksichtigung ergänzungspflichtiger Schenkungen wird von § 2325 Abs. 3 BGB zeitlich begrenzt. Nach der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts3 wird die Schenkung auf seit dem 1.1.2010 eingetretene Erbfälle innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel geringer berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenken Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung insgesamt unberücksichtigt.
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Bei einer Schenkung an den Ehegatten beginnt die Frist nicht vor Auflösung der Ehe, sodass bei Auflösung der Ehe durch den Tod des Erblassers alle ehezeitlichen Schenkungen ergänzungspflichtig sind. Leistung und damit den Fristbeginn nimmt der BGH4 mit dem Zeitpunkt der wirtschaftlichen Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkers an. Diese wirtschaftliche Ausgliederung liegt nicht vor, wenn sich der Schenker kraft Nießbrauchsvorbehalt die volle Nutzung des geschenkten Grundstücks sichert, also insofern kein Vermögensopfer erbringt.5 Gleiches gilt bei vorbehaltenem dinglichen Wohnungs- oder schuldrechtlichen Nutzungsrecht am überwiegenden Objektteil ohne erhebliche Genussentbehrung6 und
1 2 3 4
BGH v. 10.11.2010 – IV ZR 51/09, MDR 2011, 49 = DNotZ 2011, 771. KG v. 26.5.2009 – 1 W 61/08, MDR 2009, 1116 = FG-Prax 2009, 170 (171). Gesetz v. 24.9.2009, BGBl. I 2009, 3142. BGH v. 17.9.1986 – IVa ZR 13/85, BGHZ 98, 226 = MDR 1987, 126 = FamRZ 1986, 1197 = NJW 1987, 122 = DNotZ 1987, 315 mit Anm. Nieder. 5 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 = MDR 1994, 1015 = FamRZ 1994, 885 = NJW 1994, 1791 = ZEV 1994, 233. 6 OLG Karlsruhe v. 20.9.2007 – 12 U 124/07, ZEV 2008, 244 f.
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C. Das Pflichtteilsrecht
Rückforderungsrechten des Übergebers im Fall der Weiterveräußerung oder Belastung des Zuwendungsobjektes ohne dessen Zustimmung.1 Im Übrigen ist bei Übereignung von Mobilien und Immobilien grundsätzlich der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs maßgeblich.2 b) Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 Abs. 1 BGB setzen die 114 Pflichtteilsberechtigung des Anspruchstellers ausschließlich im Zeitpunkt des Erbfalls, nicht jedoch zusätzlich im Sinne einer Doppelberechtigung auch schon bei Schenkung voraus und kommen daher insbesondere auch bei Schenkungen vor Geburt von Abkömmlingen in Betracht.3 Daher können auch vor dem 25.9.2009 erfolgte Schenkungen eines Vaters an Dritte Pflichtteilsergänzungsansprüche seiner vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder bzw. umgekehrt Schenkungen eines vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kindes an Dritte Pflichtteilsergänzungsansprüche seines Vaters auslösen.4 Zudem dürften Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen der grammatikalischen, historischen und teleologischen Argumentation des BGH5 trotz dessen nunmehr speziell für nachgeborene Abkömmlinge aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteter verfassungsrechtlicher Vorgabe auch zugunsten von erst nach der maßgebenden Schenkung durch Eheschließung pflichtteilsberechtigt gewordenen Ehegatten bzw. Lebenspartnern iSd. LPartG bestehen.6 Soweit derartige erst durch Eheschließung nach vorausgegangener Schenkungszuwendung entstehende Pflichtteilsergänzungsansprüche des diesbezüglich nachrückenden Ehegatten ausgeschlossen sein sollen, muss daher zwischen den (künftigen) Ehegatten ein insoweit ggfs. gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkundet werden.7
1 OLG Düsseldorf v. 11.4.2008 – 7 U 70/7, DNotZ 2009, 67 m. abl. Anm. Diehn. 2 BGH v. 2.12.1987 – IVa ZR 149/86, MDR 1988, 296 = DNotZ 1988, 441 = NJW 1988, 821. 3 BGH v. 23.5.2012 – IV ZR 250/11, BGHZ 193, 260 = MDR 2012, 977 = DNotZ 2012, 860 unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr. BGH v. 21.6.1972 – IV ZR 69/71, BGHZ 59, 210 = FamRZ 1973, 86 = NJW 1973, 40 bzw. BGH v. 25.6.1997 – IV ZR 233/96, MDR 1997, 741 = DNotZ 1998, 135 = NJW 1997, 2676. 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 185 (187). 5 Röhl, MittBayNot 2013, 146 (148). 6 Keim, NJW 2012, 3484; Lange, DNotZ 2012, 865; Otte, ZEV 2012, 478 (482), Reimann, FamRZ 2012, 1386; Röhl, MittBayNot 2013, 146 (148); Ruby/Schindler, ZEV 2014, 27 (28); verneint von Bonefeld, ZErb 2012, 225; Burandt/Jensen, NWB 2013, 143 (145 ff.); Klassen, NJ 2012, 428 (429); Litzenburger, FD-ErbR 2012, 336179; Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rz. 4; offengelassen von BGH v. 23.5.2012 – IV ZR 250/11, BGHZ 193, 260 = MDR 2012, 977 = DNotZ 2012, 860; Wendt, ErbR 2013, 366 (380). 7 Röhl, MittBayNot 2013, 146 (148).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
M 15
Auf Schenkungen vor Eheschließung gegenstndlich beschrnkter Pflichtteilsverzichtsvertrag
(Form: notarielle Beurkundung) Wir, . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift beider Verlobten) beabsichtigen in Krze einander zu heiraten. Wir verzichten hiermit wechselseitig auf unser jeweiliges Pflichtteilsrecht samt Pflichtteilsergnzungsansprchen im Falle des Todes des jeweils anderen von uns und nehmen diesen Verzicht hiermit gegenseitig an. Dieser Verzicht ist jedoch gegenstndlich beschrnkt auf Pflichtteilsrechte samt Pflichtteilsergnzungsansprche, die wegen bereits erfolgter oder vor unserer Eheschließung noch erfolgender unentgeltlicher Zuwendungen ausgelçst werden kçnnen. Gegenleistungen sind jeweils nicht geschuldet. Der jeweilige Verzicht erfolgt unbedingt. Wir wurden vom Notar insbesondere darber belehrt, dass der Verzichtende durch diesen Vertrag sein gesetzliches Pflichtteilsrecht im vorgenannten Umfang verliert und ein Pflichtteilsverzichtsvertrag einer gerichtlichen Wirksamkeits- bzw. Ausbungskontrolle unterliegen kann.
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden I. Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht 1. Grundsätze a) Varianten hinsichtlich des Verzichtsumfangs 115
Ein Verwandter bzw. Ehegatte/Lebenspartner kann nach § 2346 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB kumulativ auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach dem Erblasser, gem. § 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkt ausschließlich auf das gesetzliche Erbrecht unter Aufrechterhaltung bzw. Vorbehalt des Pflichtteilsrechts1 oder nach § 2346 Abs. 2 BGB beschränkt ausschließlich auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht unter Aufrechterhaltung des gesetzlichen Erbrechts verzichten. Der Verzicht darf dabei auch auf einen bloßen Bruchteil des gesetzlichen Erbrechts in Gestalt eines Erbteils an dem ansonsten anfallenden Gesamtnachlass bzw. einen Teil eines Erbteils beschränkt werden.2 Zum Zuwendungsverzichtsvertrag s. nachfolgend 5. Kap. Rz. 223 ff.
1 Mot. V S. 472; BayObLG v. 10.2.1981 – BReg 1 Z 125/80, MDR 1981, 673 = MittBayNot 1981, 143 = BayObLGZ 1981, 30, 33; BeckOK BGB/J. Mayer, § 2346 BGB Rz. 15; jurisPK-BGB/Hau, § 2346 BGB Rz. 18; MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2346 BGB Rz. 11; Palandt/Weidlich, § 2346 BGB Rz. 3; Reul, MittRhNotK 1997, 373 (378); Soergel/Damrau, § 2346 BGB Rz. 9; Staudinger/Schotten, § 2346 BGB Rz. 35; aA Harrer, ZBlFG 1915, 1 (11). 2 MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2346 BGB Rz. 14.
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
b) Vertragscharakter Der jeweilige Verzicht muss dabei nach § 2346 Abs. 1 BGB durch einen ge- 116 genseitigen Vertrag zwischen Erblasser und Verzichtendem vereinbart werden. c) Beurkundungspflicht Ein Erbverzichtsvertrag bedarf gem. § 2348 BGB der notariellen Beurkun- 117 dung. Dieses Formerfordernis gilt über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus auch für ausschließliche Pflichtteilsverzichts- (§ 2346 Abs. 2 BGB) bzw. Zuwendungsverzichtsverträge (§ 2352 Abs. 2 BGB).1 Für Pflichtteilsverzichtsverträge folgt dies aus § 2346 Abs. 1 Halbs. 2 bzw. Abs. 2 BGB, für Zuwendungsverzichtsverträge mittels Verweisung aus § 2352 Satz 3 BGB. Zu den Anforderungen an das Verpflichtungsgeschäft s. nachfolgend Rz. 148 ff. d) Abschlusszeitpunkt Verträge über einen Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht können nur zu Lebzei- 118 ten des Erblassers wirksam vereinbart werden.2 Teilweise wird in der Literatur abweichend hiervon differenzierend vertreten, dass Pflichtteilsverzichtsverträge anders als ein Erbverzichtsvertrag auch noch – z.B. durch isolierte Annahme des Verzichtenden – nach dem Tod des Erblassers wirksam zustandekommen können, da hierdurch die gesetzliche Erbfolge nicht berührt wird.3 Diese Ansicht hat sich bislang jedoch in der Rechtsprechung nicht durchsetzen können. e) Höchstpersönlichkeitsprinzip Der Erblasser muss bei der Beurkundung eines Erb- bzw. Pflichtteils- 119 verzichtsvertrages gem. § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB im Gegensatz zum Verzichtenden höchstpersönlich mitwirken und darf daher weder rechtsgeschäftlich noch, wenn er nicht geschäftsunfähig ist (s. dazu nachfolgend Rz. 170 ff.), gesetzlich vertreten werden. Ein Verstoß gegen dieses Höchstpersönlichkeitsgebot führt sowohl bei Erbverzichts- als auch bei Pflichtteilsverzichtsverträgen zur Nichtigkeit des Vertrags.4 Zu den Anforderungen an das Verpflichtungsgeschäft s. nachfolgend Rz. 148 ff. Da das Gesetz keine gleichzeitige Anwesenheit beider Parteien vor- 120 schreibt, können derartige Verzichtsverträge auch durch jeweils gesondert 1 MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2348 BGB Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 2348 BGB Rz. 1. 2 BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, MDR 1997, 260 = DNotZ 1997, 42. 3 J. Mayer, MittBayNot 1997, 85; a.A. BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, MDR 1997, 260 = DNotZ 1997, 422. 4 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (321) = MDR 1962, 894 = NJW 1962, 1910; OLG Düsseldorf v. 21.6.2011 – 3 Wx 56/11, MDR 2011, 984 = ZEV 2011, 201; Staudinger/Schotten, § 2347 BGB Rz. 26.
183
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
beurkundete sukzessive Antrags- und Annahmeerklärung wirksam zustande kommen.1 Dabei kann wahlweise der Erblasser oder der Verzichtende Anbietender bzw. Annehmender sein.2 Dies ist insbesondere dann von praktischer Bedeutung, wenn die Parteien in großer räumlicher Distanz voneinander entfernt leben, der Pflichtteilsberechtigte einen Notar an seinem Wohnort mit der Ausarbeitung des Vertrages beauftragt und der Erblasser den Anfahrtsweg dorthin nicht auf sich nehmen möchte. Hier wäre eine Vertragsbeurkundung unter späterer Nachgenehmigung oder Vollmachtsbestätigung durch den bei Beurkundung nicht anwesenden Erblasser wegen Verstoßes gegen das Höchstpersönlichkeitsgebot aus § 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB unwirksam. Stattdessen kommt jedoch eine sukzessiv beurkundete Antrags- und Annahmeerklärung in Betracht, aufgrund derer der Erblasser die Annahme des zuvor durch den Pflichtteilsberechtigten angebotenen, von dessen Notar entworfenen Pflichtteilsverzichtsvertrags vor seinem Notar annehmen kann. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass ein sukzessiv unter Abwesenden angebotener Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag trotz grundsätzlich fehlender Empfangsbedürftigkeit der Annahmeerklärung entgegen § 153 BGB nach dem Tod des Erblassers nicht mehr wirksam werden kann.3
M 16
Angebot des Pflichtteilsberechtigten auf Abschluss eines unentgeltlichen Erbverzichtsvertrages
(Form: notarielle Beurkundung) Ich, . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Verzichtenden), mache hiermit . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Erblassers) das Angebot zum Abschluss eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages gemß Anlage zu dieser Urkunde. Die Anlage ist Bestandteil dieser Urkunde und wurde mitverlesen. Fr das Angebot gelten im Einzelnen folgende (neben dem aus der Anlage resultierenden Inhalt weiteren) Bedingungen: Das Angebot ist unwiderruflich bis . . . (Datum). Ab diesem Zeitpunkt behalte ich mir das Recht des jederzeitigen Widerrufs vor. Ein etwaiger Widerruf ist nach Ablauf der Bindungsfrist zu erklren, und zwar ausschließlich gegenber dem Angebotsempfnger durch eingeschriebenen Brief. Der Widerruf wird wirksam mit seinem Zugang beim Angebotsempfnger. Der Vertrag kommt zustande mit Beurkundung der Annahmeerklrung durch einen deutschen Notar. Eines Zugangs dieser Urkunde bei mir bedarf es nicht. Das Recht der Annahme ist weder vererblich, noch bertragbar, noch abtretbar. Ich 1 BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 242/94, MDR 1996, 855 = FamRZ 1996, 412 = DNotZ 1997, 44; Erman/Simon, § 2348 Rz. 2; Keim, RNotZ 2013, 411 (413); MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2348 BGB Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 2348 BGB Rz. 1; Staudinger/Schotten, § 2348 BGB Rz. 12. 2 Staudinger/Schotten, § 2348 BGB Rz. 12. 3 MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2348 BGB Rz. 3; RGRK/Johannsen, § 2348 BGB Rz. 1; Staudinger/Schotten, § 2348 BGB Rz. 14.
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
weiß, dass der Vertrag nur dann wirksam zustande kommen kann, wenn der Erblasser als Angebotsempfnger bei Annahme lebt. Bei Beurkundung der Annahmeerklrung soll der Angebotsempfnger durch den die Annahme beurkundenden Notar ber die vertraglichen Regelungen belehrt werden. Zudem erbitte ich eine Ausfertigung der Annahmeurkunde zu meinen Hnden. Sofern das Angebot angenommen wird, gilt die Kostenregelung nach dem Vertragstext (Anlage). Der Notar hat eingehend ber Wesen und Reichweite der vertraglichen Regelungen und des Angebots belehrt. Er bernimmt keine steuerliche Beratung und wird insoweit von jeder Haftung freigestellt. Beantragt werden: – eine beglaubigte Abschrift an den anbietenden Verzichtenden, – eine Ausfertigung an den Erblasser als Angebotsempfnger – Meldung an das ZTR. Anlage Erbverzichtsvertrag Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Verzichtenden) verzichtet hiermit gegenber Herrn/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Erblassers) auf sein/ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Erblassers) nimmt diese Verzichtserklrung hiermit an. Gegenleistungen sind nicht geschuldet. Der Verzicht erfolgt unbedingt. Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere darber belehrt, dass der Verzichtende durch diesen Vertrag sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht auf das Ableben des Erblassers vollumfnglich verliert, sich dadurch Pflichtteilsansprche anderer Berechtigter erhçhen kçnnen und der Vertrag eine eventuelle gewillkrte Erbeinsetzung, die jedoch nicht Geschftsgrundlage des hiesigen Vertrages ist, nicht aufhebt. Ein ausschließlicher Pflichtteilsverzichtsvertrag (ohne Erbverzicht) wird gleichwohl nicht gewnscht. Ein Erbund Pflichtteilsverzicht kann einer gerichtlichen Wirksamkeits- bzw. Ausbungskontrolle unterliegen. Alle mit diesem Vertrag zusammenhngenden Kosten trgt der Erblasser. ber die gesamtschuldnerische Haftung fr Kosten und Steuern ist belehrt.
M 17
Annahme eines Angebots auf Abschluss eines unentgeltlichen Erbverzichtsvertrages durch den Erblasser
(Form: notarielle Beurkundung) Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Verzichtenden) hat mir . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Erblassers) das Angebot zum Abschluss eines Erbverzichtsvertrages gemacht. Das Angebot ist enthalten in der Urkunde des Notars . . . (Name und Amtssitz), UR . . ./. . . vom . . . samt dortiger Anlage. Eine Ausfertigung liegt mir vor. Der Inhalt ist mir bekannt. Das Angebot ist noch wirksam.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Ich nehme hiermit das Angebot ohne jede Einschrnkung und vorbehaltlos an. Nach den Bedingungen des Angebots kommt der Erbverzichtsvertrag mit der Beurkundung dieser Annahmeerklrung durch mich wirksam zustande. Der Notar hat ber Wesen und Reichweite der vertraglichen Regelungen und des Angebots belehrt. Er bernimmt keine steuerliche Beratung und wird insoweit von jeder Haftung freigestellt. Es gilt die Kostenregelung nach der Anlage zu dem o.g. Angebot. Beantragt werden: – eine beglaubigte Abschrift an den annehmenden Erblasser, – eine Ausfertigung an den anbietenden Verzichtenden, – Meldung an das ZTR.
121
Soweit der Erblasser zu seinen Lebzeiten das Angebot des Verzichtenden durch seine notariell beurkundete Annahme noch persönlich annimmt, schadet ein Zugang dieser Annahme erst nach dem zwischenzeitlichen Tod des Erblassers nicht.
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Umgekehrt würde jedoch im Falle eines Angebots des Erblassers dessen Versterben vor Annahmebeurkundung durch den Verzichtenden ein Zustandekommen des Verzichtsvertrages verhindern.
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Ist anstelle sukzessiver Splittung in Angebot und Annahme der Verzichtende bei Beurkundung eines Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrages vertreten, sollte sicherheitshalber auf eine zumindest mündliche Bevollmächtigung seines Vertreters mit zu Nachweiszwecken nachträglicher Vollmachtsbestätigung hingewirkt werden, da der Vertrag auf diese Weise sofort wirksam wird. Würde der Verzichtende umgekehrt durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten und der Erblasser bis zum Eingang der Nachgenehmigung des Vertreters versterben, könnte der Verzichtsvertrag entgegen § 130 Abs. 2 BGB nicht mehr wirksam werden. Vielmehr gebietet der Grundsatz der erbrechtlichen Rechtssicherheit, dass ein Erbbzw. Pflichtteilsverzicht noch zu Lebzeiten des Erblassers wirksam zustande kommt (s. dazu oben Rz. 118).1 f) Rechtsgeschäft unter Lebenden
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Erb- und/oder Pflichtteilsverzichtsverträge sind Rechtsgeschäfte unter Lebenden. Daraus folgt, dass sich Willensmängel nach den §§ 116 ff. BGB, eine teilweise Unwirksamkeit nach § 139 BGB statt nach § 2085 BGG und eine Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB statt nach § 2078 BGB richten.2 Widerrufs- oder Rücktrittsvorbehalte sind unzulässig und dürften regelmäßig in zulässige auflösende Bedingungen umzudeuten sein. 1 BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, FamRZ 1997, 173 = MDR 1997, 260 = DNotZ 1997, 422. 2 Staudinger/Schotten, Einl. zu §§ 2346 ff. BGB Rz. 21.
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
g) Bedingung und Befristung Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsverträge können auch bedingt oder befristet 125 vereinbart werden. Dies geschieht bei vollumfänglichen Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträ- 126 gen insbesondere zwischen verzichtenden nichtehelichen Kindern und deren leiblichem mit einer anderen Frau als der Mutter dieser Kinder verheirateten Vater unter der auflösenden Bedingung nicht rechtzeitiger Bezahlung von Abfindungsleistungen (s. dazu nachfolgend Rz. 158). Von Bedingungen wird auch in bloßen Pflichtteilsverzichtsverträgen zwi- 127 schen Eltern und verzichtenden Kindern auf den Tod des erstversterbenden Elternteils und dabei oftmals sogar ohne Gegenleistung Gebrauch gemacht, indem der diesbezügliche Verzicht der Kinder von der Unterlassung einer Erbeinsetzung anderer als des Längstlebenden durch den erstversterbenden Ehegatten und dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Ausschlusses des Ehegattenerbrechts nach § 1933 BGB, insbesondere vom Ausbleiben einer Eheauflösung, auflösend bedingt abhängig gemacht wird.
M 18
Auflçsend bedingter Pflichtteilsverzicht der volljhrigen Kinder auf den Tod des erstversterbenden Elternteils
(Form: notarielle Beurkundung) Wir, . . . (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Anschrift der verzichtenden volljhrigen Kinder), verzichten hiermit jeweils fr uns und mit Wirkung fr unsere Abkçmmlinge vollumfnglich auf unser gesetzliches Pflichtteilsrecht am Nachlass unseres erstversterbenden Elternteils. Dieser Verzicht erfolgt jedoch unter der auflçsenden Bedingung, dass sich unsere Eltern wider Erwarten nicht gegenseitig alleine beerben und das Ehegattenerbrecht des lngstlebenden Elternteils im Sinne des § 1933 BGB ausgeschlossen ist, insbesondere die Ehe unserer Eltern geschieden wird. Wir, die Eheleute . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift der Eltern), nehmen hiermit den jeweiligen vorstehenden auflçsend bedingten Verzicht jeweils an. Das gesetzliche Erbrecht der Verzichtenden wird durch den hier beurkundeten jeweiligen Verzicht nicht berhrt. Ein Erbverzicht wird nicht gewnscht. Fr den jeweiligen Pflichtteilsverzicht ist jeweils keine Gegenleistung geschuldet. Der jeweilige Pflichtteilsverzicht ist mit Ausnahme der in der hiesigen Urkunde ausdrcklich enthaltenen auflçsenden Bedingungen unbedingt vereinbart, insbesondere unabhngig von einer eventuellen Schluss- bzw. Ersatzerbeneinsetzung.
Auch in Übergabeverträgen kann regelmäßig sowohl hinsichtlich des über- 128 nehmenden als auch bezüglich des gleichgestellten Kindes ein entsprechender bedingter Pflichtteilsverzichtsvertrag zu erwägen sein, der zudem einen Verzicht dieser Kinder und wechselseitig der zuwendenden Eltern auf Pflichtteilsergänzung wegen Übergabe bzw. Gleichstellung erfasst. Da-
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
bei sollte, da der Pflichtteilsverzicht noch zu Lebzeiten des Erblassers wirksam werden muss (s. oben Rz. 118), ebenfalls jeweils eine auflösende und keine aufschiebende Bedingung verwendet werden. Hinsichtlich des übernehmenden Kindes dürfte bei Nichteintritt eines Rückübertragungsfalls nicht selten im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157, 242 BGB eine entsprechende stillschweigende auflösende Bedingung anzunehmen sein.1 129
Für derartige Konstellationen sollte der Übergabevertrag zur Vermeidung überraschender Auslegungsergebnisse jedoch ausdrücklich Regelungen hinsichtlich des Pflichtteilsverzichts und eventueller Gleichstellungsleistungen beinhalten. Diese dürften oftmals dahingehend ausgestaltet werden, dass der Pflichtteilsverzicht des ursprünglichen Übernehmers auch durch die Rückübertragung des Übergabeobjektes auflösend bedingt gestaltet und im Falle des Vorversterbens des Übernehmers dessen Erben bereits gezahlte Gleichstellungsleistungen durch den Übergeber erstattet erhalten bzw. sie durch diesen aus noch offenen Gleichstellungspflichten freigestellt werden.2
130
Ein Rücktrittsvorbehalt kann bezüglich des Pflichtteilsverzichts hingegen nicht wirksam vorgesehen werden. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss zu § 2293 BGB. Wurde er gleichwohl vereinbart, ist er jedoch möglicherweise in eine auflösende Bedingung umzudeuten.
M 19
Auflçsend bedingter Pflichtteilsverzicht der bernehmenden bzw. gleichgestellten Kinder auf den Tod des erstversterbenden Elternteils
(Form: notarielle Beurkundung) Wir, . . . (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Anschrift der bernehmenden bzw. gleichgestellten verzichtenden Kinder), verzichten hiermit jeweils fr uns und mit Wirkung fr unsere Abkçmmlinge vollumfnglich auf unser gesetzliches Pflichtteilsrecht am Nachlass unseres erstversterbenden Elternteils. Dieser Verzicht erfolgt jedoch unter der auflçsenden Bedingung, dass sich unsere Eltern nicht gegenseitig alleine beerben und das Ehegattenerbrecht des lngstlebenden Elternteils im Sinne des § 1933 BGB ausgeschlossen ist, insbesondere die Ehe unserer Eltern geschieden wird. Weiter verzichten wir, . . . (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Anschrift der bernehmenden bzw. gleichgestellten verzichtenden Kinder), hiermit jeweils fr uns und mit Wirkung fr unsere Abkçmmlinge nach jedem zuwendenden Elternteil sowie wechselseitig auch wir, die Eheleute . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift der zuwendenden Eltern), nach dem jeweils anderen zuwendenden Ehegatten vollumfnglich auf Pflichtteilsergnzung hinsichtlich der in dieser Urkunde durch bergabe bzw. Gleichstellung geregelten Zuwendungen.
1 OLG München v. 14.5.2014 – 7 U 2983/13, notar 2015, 17. 2 Ebenso Müller, notar 2015, 104.
188
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
Wir, die Eheleute . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift der zuwendenden Eltern), nehmen hiermit den jeweiligen vorstehenden Verzicht jeweils an. Das gesetzliche Erbrecht der Verzichtenden wird durch den hier beurkundeten jeweiligen Verzicht nicht berhrt. Ein Erbverzicht wird nicht gewnscht. Fr den jeweiligen Pflichtteilsverzicht ist jeweils keine weitergehende Gegenleistung geschuldet. Der jeweilige Pflichtteilsverzicht ist mit Ausnahme der in der hiesigen Urkunde ausdrcklich enthaltenen auflçsenden Bedingungen unbedingt vereinbart. Kommt es gemß Ziff. . . . dieser Urkunde aufgrund Vorversterbens des bernehmers zu einer Rckbertragung des bergabeobjektes, dann verbleibt der Gleichstellungsbetrag dem Gleichstellungsberechtigten. Bei einer derartigen Rckbertragung entfllt der jeweilige Pflichtteilsverzicht samt Pflichtteilsergnzungsverzicht des bernehmers im Wege der auflçsenden Bedingung. Zugleich hat der Rckforderungsempfnger den Erben des bernehmers den bereits geleisteten Gleichstellungsbetrag zu ersetzen bzw., soweit der Gleichstellungsbetrag bis dahin noch nicht geleistet sein sollte, diese von der Gleichstellungsverpflichtung freizustellen.
h) Wirkungserstreckung Gem. § 2349 BGB erstreckt sich die Wirkung eines Erbverzichts eines Ab- 131 kömmlings oder eines Seitenverwandten des Erblassers auf dessen Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt wird. Nach überwiegender Ansicht gilt diese Vermutungsregelung über den Wortlaut hinaus auch für den Pflichtteilsverzichtsvertragsteil bzw. einen reinen Pflichtteilsverzichtsvertrag.1 Zur Vermeidung von Auslegungsrisiken ist jedoch zu empfehlen, dass so- 132 wohl beim Erb- als auch beim Pflichtteilsverzichtsvertrag ausdrücklich klargestellt wird, ob eine Wirkungserstreckung auf die Abkömmlinge des Verzichtenden gewollt ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine derartige Erstreckung auf Abkömmlinge lediglich bei verzichtenden Abkömmlingen oder Seitenverwandten des Erblassers, nicht jedoch bei verzichtenden Ehegatten des Erblassers oder dessen Eltern eintritt. i) Schenkungskriterium Erbringt der Erblasser für einen Pflichtteilsverzicht keine Gegenleistung, 133 liegt darin gleichwohl keine Schenkung. Umgekehrt erfolgt eine Schenkung des Erblassers an den Verzichtenden, wenn die von ihm geleisteten Abfindungszahlungen die Summe aus Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen übersteigt.2
1 Erman/Simon, § 2349 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2349 BGB Rz. 1; RGRK/Johannsen, § 2349 BGB Rz. 2; Baumgärtel, DNotZ 1959, 65. 2 Reimann/Bengel/J. Mayer, A Rz. 183.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
j) Unwirksamkeitskriterium nach § 7 iVm. § 27 BeurkG 134
Ein Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag ist nicht aufgrund des Umstandes unwirksam, dass der beurkundende Notar bzw. dessen Angehörige nach § 7 BeurkG ggf. zu den Erb- und Pflichtteilsberechtigten gehören; zudem ist ein Erbverzichts-, Pflichtteilsverzichts- bzw. Zuwendungsverzichtsvertrag keine Verfügung von Todes wegen iSd. § 27 BeurkG und setzt die Anwendbarkeit des § 7 BeurkG hinsichtlich der Verschaffung eines Vorteils für einen Zuwendungsverzicht die Wirksamkeit der die Zuwendung enthaltenden letztwilligen Verfügung voraus.1 k) Kollisionsrecht
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Für ab 17.8.2015 eintretende Erbfälle richtet sich das für einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag maßgebende Erbstatut nach Art. 25 EuErbVO.2 Danach ist zunächst das hypothetische Erbstatut des Erblassers bzw. bei gegenseitigem Verzicht dasjenige jedes Erblassers zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend, aufgrund späteren Umzuges bzw. anschließender Rechtswahl droht jedoch ein nachträglicher Statutenwechsel gemäß dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des jeweiligen Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes.3 Je nach Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt kann daher insbesondere für deutsche Staatsangehörige vorsorgend nach Art. 22 EuErbVO eine Wahl des Rechts der eigenen Staatsangehörigkeit erforderlich sein (s. dazu oben 1. Kap. Rz. 182).4 2. Besonderheiten bei ausschließlichem Erbverzichtsvertrag a) Gesetzliche Erbfolge
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Rechtsfolge eines Erbverzichts ist die unmittelbare Veränderung der gesetzlichen Erbfolge dahingehend, dass der Verzichtende und – soweit es sich bei dem Verzichtenden um einen Abkömmling oder Seitenverwandten des Erblassers handelt und keine andere Regelung getroffen ist – gem. § 2349 BGB seine Abkömmlinge beim Erbfall von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind, als wenn sie zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebten. Nach § 2310 Satz 2 BGB werden die durch Erbverzicht ausgeschlossenen Verzichtenden bei der Erbteilsfeststellung zur Berechnung von Pflichtteilen anders als bei ausschließlichem Pflichtteilsverzicht, Ausschlagung, Erbunwürdigerklärung oder Ausschluss durch letztwillige Verfügung nicht mitgezählt. Wurde eine Erstreckung des Erbverzichts auf die Abkömmlinge entgegen § 2349 BGB ausgeschlossen, werden diese gem. ihrem Eintrittsrecht nach § 1924 Abs. 3 BGB mitgezählt. 1 OLG Düsseldorf v. 19.7.2013 – I-7 U 170/12, MDR 2014, 166 = ZEV 2014, 102. 2 Döbereiner, MittBayNot 2013, 437 (442 ff.); Dutta, FamRZ 2013, 4 (10); Odersky, notar 2014, 139 f.; Nordmeier, ZEV 2013, 117 (120 f.); Schaal, BWNotZ 2013, 29 f. 3 Döbereiner, MittBayNot 2013, 437 (443); Odersky, notar 2014, 139 (140); Nordmeier, ZEV 2013, 117 (121). 4 Odersky, notar 2014, 139 (141).
190
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
b) Umdeutung bei gewillkürter Erbfolge Ausnahmsweise kann ein ausschließlich das gesetzliche Erbrecht erfas- 137 sender Erbverzichtsvertrag ggf. ergänzend als Zuwendungsverzichtsvertrag hinsichtlich der gewillkürten Erbeinsetzung auszulegen sein, wenn sich die gewillkürte und die gesetzliche Erbfolge inhaltlich decken.1 Dabei dürfte zudem gem. Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 2 EGBGB für Erbfälle seit dem 1.1.2010 grundsätzlich eine Erstreckung hinsichtlich der Abkömmlinge des Verzichtenden nach §§ 2352 i.V.m. § 2349 BGB anzunehmen sein (s. dazu nachfolgend 5. Kap. Rz. 230 ff.), so dass es auf eine ergänzende Testamentsauslegung bezüglich einer etwaigen Ersatzerbeneinsetzung2 nicht ankäme.3 Ein Erbverzichtsvertrag kann aber nur dann ggf. in einen auch eine letzt- 138 willige Erbeinsetzung erfassenden Zuwendungsverzichtsvertrag umgedeutet werden, wenn die in Rede stehende Verfügung von Todes wegen bereits bei seiner Errichtung existiert hat und nicht erst später nachgeschoben wird.4 Der Erbverzichtsvertrag steht jedoch als solcher einer letztwilligen Er- 139 beinsetzung des verzichtenden Kindes nicht entgegen5 und vermag nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten keine Bindungswirkung zulasten des Überlebenden dergestalt zu entfalten, dass dieser das verzichtende Kind nicht als gewillkürten Erben einsetzen dürfte, da eine Enterbung, selbst wenn man den Erbverzicht auch als Erbvertrag auslegen könnte, wegen des abschließenden Charakters des Katalogs nach § 2278 BGB nicht vertragsmäßig verfügt werden könnte.6 c) Relativer Erbverzicht Nach § 2350 BGB wird im Wege einer Auslegungsregel vermutet, dass ein 140 gesetzlicher Erbe, der zugunsten eines Anderen bzw. als Abkömmling des Erblassers auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, einen lediglich auflösend7 (s. dazu oben Rz. 126) um zumindest irgendeine (nicht jedoch bloße Nach-)Erbenstellung dieses aus seiner Sicht zu begünstigenden Dritten (Abs. 1) bzw. der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers (Abs. 2) bedingten Erbverzichtsvertrag abschließt, soweit sich kein anderer Wille beider Parteien ermitteln lässt.8
1 2 3 4 5
OLG Celle v. 21.2.2011 – 6 W 32/11, FamRZ 2011, 1535 = notar 2011, 167. So jedoch OLG Celle v. 21.2.2011 – 6 W 32/11, FamRZ 2011, 1535 = notar 2011, 167. Odersky, notar 2011, 167. DNotI, Gutachten Abruf-Nr. 113638 v. 16.3.2012, S. 2. BGH v. 27.6.2012 – IV ZR 239/10, MDR 2012, 1099 = FamRZ 2012, 1379 = DNotZ 2012, 782; DNotI, Gutachten Abruf-Nr. 113638 v. 16.3.2012, S. 2. 6 DNotI, Gutachten Abruf-Nr. 113638 v. 16.3.2012, S. 2. 7 Palandt/Weidlich, § 2350 BGB Rz. 2; aA (aufschiebend) Staudinger/Schotten, § 2350 BGB Rz. 11. 8 BGH v. 17.10.2007 – IV ZR 266/06, MDR 2008, 87 = FamRZ 2008, 48 = ZEV 2008, 36.
191
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
141
Wurde mit dem Erb- nach § 2346 Abs. 2 BGB auch ein Pflichtteilsverzicht verbunden, muss bei Bedingungseintritt iSd. § 2350 BGB durch Auslegung ermittelt werden, ob der Pflichtteilsverzichtsvertragsteil auch ohne den Erbverzichtsteil isoliert fortbestehen oder der gesamte Vertrag nach § 139 BGB unwirksam sein sollte.1
142
Verzichten bspw. zwei Kinder gegenüber dem verwitweten Vater vertraglich zugunsten ihres ausdrücklich benannten dritten Geschwisterteils, gilt § 2350 Abs. 1 BGB vorrangig gegenüber § 2350 Abs. 2 BGB. Verstirbt jedoch das begünstigte dritte Geschwisterteil vor und soll sodann stattdessen dessen Ehegatte begünstigt werden, muss wegen der durch Bedingungswegfall eintretenden Unwirksamkeit des zunächst geschlossenen Erbverzichtsvertrages ein neuer Erbverzichtsvertrag vereinbart werden.2
143
§ 2350 BGB ist mangels betroffenen gesetzlichen Erbrechts auf einen reinen Pflichtteilverzichtsvertrag nicht anwendbar,3 jedoch umgekehrt wegen ähnlicher Zielsetzung sehr wohl auf den Zuwendungsverzichtsvertrag.4 3. Besonderheiten beim ausschließlichen Pflichtteilsverzichtsvertrag
144
Durch einen Pflichtteilsverzichtsvertrag werden der Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB, der Pflichtteilsrestanspruch nach §§ 2305, 2307 BGB, der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach §§ 2325 ff. BGB und die Berufung auf die den §§ 2306, 2318 Abs. 2, 2319 und 2328 BGB entfließenden Rechte ausgeschlossen. Ein Erbverzicht kann im Hinblick auf den Grundsatz der Universalsukzession nicht gegenständlich beschränkt werden, es sei denn, es liegt ein auf ein Vermächtnis bezogener Zuwendungsverzicht vor.5 Im Gegensatz dazu ist jedoch ein auf bestimmte Nachlassgegenstände beschränkter reiner Pflichtteilsverzichtsvertrag zulässig, da der vom Verzicht betroffene Pflichtteilsanspruch lediglich einen rechnerischen Geldausgleichsposten darstellt und von dem Grundsatz der Universalsukzession, die einem gegenständlichen Erbverzicht entgegensteht, nicht betroffen ist.6
145
Neben der Beschränkung des Pflichtteilsverzichts auf einen bestimmten Nachlassgegenstand ist die Beschränkung auf eine bestimmte Zahlungssumme bzw. Ratenzahlung,7 eine besondere Bewertungsart bzw. einen fi-
1 2 3 4
BGH v. 17.10.2007 – IV ZR 266/06, MDR 2008, 87 = FamRZ 2008, 48 = ZEV 2008, 36. DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 29 (30). Erman/Simon, § 2350 BGB Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2350 BGB Rz. 1. Palandt/Weidlich, § 2350 BGB Rz. 1; Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 18; aA MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2352 BGB Rz. 5. 5 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 19 Rz. 12. 6 Weirich, DNotZ 1986, 5 (11). 7 MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2346 BGB Rz. 20; Weirich, DNotZ 1986, 5 (11).
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
xierten Wert,1 einen Bruchteil,2 den bloßen Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB,3 die Akzeptanz von Beschwerung bzw. Beschränkungen iSd. § 2306 BGB,4 Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 BGB5 oder persönlich beschränkt auf gegen bestimmte Personen gerichtete Pflichtteilsansprüche6 anerkannt. Zu diesbezüglichen Einzelheiten s. nachfolgend Rz. 174 ff.
146
4. Bedeutung der Unterscheidung zwischen Erb- und Pflichtteilsverzicht Die Unterscheidung zwischen einem ausschließlichen Pflichtteilsver- 147 zichtsvertrag einerseits und einem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag bzw. reinen Erbverzicht andererseits hat eine erhebliche Auswirkung auf die Pflichtteilsquoten der übrigen Pflichtteilsberechtigten. Gem. § 2310 Satz 2 BGB wird bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgebenden Erbteils derjenige nicht mitberücksichtigt, der durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. Umgekehrt wird gleichwohl berücksichtigt, wer lediglich auf seine Pflichtteilsrechte und nicht zugleich auch auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat.7 Der Erblasser wird zur Vermeidung einer ungewollten Erhöhung der Pflichtteilsquoten weiterer nicht verzichtender Pflichtteilsberechtigter darauf dringen, dass der Verzichtende lediglich auf sein Pflichtteils- und nicht zugleich auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet. Möchte z.B. der Erblasser seine zweite Ehefrau vor den Pflichtteilsansprüchen der beiden Kinder erster Ehe schützen und bietet deshalb letzteren Abfindungen für den Verzicht an, so ist der Verzicht des zunächst und möglicherweise allein abfindungsbereiten Kindes auf den Pflichtteil zu beschränken. Ein etwaiger Pflichtteilsanspruch des anderen Kindes verbleibt dann, gesetzlichen Güterstand vorausgesetzt, bei einem Achtel, während er bei einem Erbverzicht auf ein Viertel steigen würde, und damit der Erbverzicht seinen Zweck nicht erreichen würde. Beim reinen Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB ist zu beachten, dass die Ausschaltung des Pflichtteilsberechtigten als gesetzlichen Erben der Verfügung von Todes wegen zugunsten gewillkürter Erben bedarf. Beim Erbverzicht scheidet er dagegen als gesetzlicher Erbe aus, sodass es der Erblasser gegebenenfalls bei der gesetzlichen Erbfolge belassen kann.
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Weirich, DNotZ 1986, 5 (10). Weirich, DNotZ 1986, 5 (10). BeckOK BGB/J. Mayer, § 2346 BGB Rz. 17; Weirich, DNotZ 1986, 5 (10). BeckOK BGB/J. Mayer, § 2346 BGB Rz. 17; Weirich, DNotZ 1986, 5 (10). Staudinger/Schotten, § 2346 BGB Rz. 51. Spanke, ZEV 2012, 345. BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, MDR 1982, 829 = FamRZ 1982, 571 = DNotZ 1983, 629.
193
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
5. Grundgeschäft a) Allgemeines 148
Erfolgt ein Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht entgeltlich gegen Abfindung, dann verkörpert eine Abfindungsvereinbarung das dem Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag gegenüberstehende Erfüllungsgeschäft. Erbverzicht und Abfindung beruhen dabei auf einem ihre causa bildenden Grund- bzw. Verpflichtungsgeschäft i.S. der §§ 320 ff. BGB. b) Beurkundungspflicht
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Die Beurkundungspflicht gilt im Gegensatz zur bloßen eine Kondiktion verhindernden Rechtsgrundabrede zudem in entsprechender Anwendung des § 2348 BGB bereits für eine ausschließliche Verpflichtung zum Abschluss eines Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrages, die auch durch einen formlosen anwaltlichen Vergleichsvertrag nicht ersetzt werden kann, da sie andernfalls durch Klage aus einer nicht beurkundeten Verpflichtung auf Abgabe der Verzichtserklärung umgangen werden könnte.1 Trotz noch ausstehender diesbezüglicher höchstrichterlicher Rspr. dürfte sich daher die Mitbeurkundung eines verpflichtenden Kausalgeschäfts empfehlen.2
150
Ein nach § 125 BGB formnichtiges Grund- bzw. Verpflichtungsgeschäft wird jedoch durch formgerechten Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag in gesamtanaloger Anwendung der §§ 311 b Abs. 1 Satz 2, 518 Abs. 2, 766 Satz 3 BGB, § 15 Abs. 4 GmbHG geheilt.3
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Liegt dem Erb- und Pflichtteilsverzicht sowie anderen damit zusammenhängenden für sich genommen nicht beurkundungspflichtigen Vollzugsgeschäften wie bspw. einer Darlehensforderungsabtretung dasselbe Kausalgeschäft zugrunde, bedürfen derartige weitere Vollzugsgeschäfte nicht der Mitbeurkundung, jedoch muss dann, wenn sie Bedingung für den Erbverzichtsvertrag sind, dieser Bedingungsumstand in der Urkunde über den Erbverzicht zumindest anderweitig zum Ausdruck gebracht werden.4
1 OLG Köln v. 30.6.2010 – 2 U 154/09, DNotZ 2011, 344; Keim, RNotZ 2013, 411 (413); Keller, ZEV 2005, 229 (233); Schotten, RNotZ 2012, 94 (95). 2 DNotI, DNotI-Report 2014, 93 (94). 3 LG Bonn v. 3.9.1998 – 2 O 229/98, ZEV 1999, 356 (357); BeckOK BGB/J. Mayer, § 2348 BGB Rz. 6; BGB-RGRK/Johannsen, § 2346 BGB Rz. 2; Damrau, NJW 1984, 1163 (1164); DNotI, DNotI-Report 2014, 93 (94); Erman/Simon, § 2348 BGB Rz. 3; Keim, RNotZ 2013, 411 (413); MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2348 BGB Rz. 8; Soergel/ Damrau, § 2348 BGB Rz. 5; für Einzelanalogie nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB: Keller, ZEV 2005, 229 (233 f.); Palandt/Weidlich, § 2346 BGB Rz. 6; Staudinger/Schotten, § 2348 BGB Rz. 17. 4 BGH v. 7.12.2011 – IV ZR 16/11, MDR 2012, 229 = ZEV 2012, 145.
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
c) Kein diesbezügliches Höchstpersönlichkeitserfordernis Mangels Anwendbarkeit des § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB muss der Erblasser 152 bei Abschluss eines entsprechenden Verpflichtungsvertrages insoweit nicht höchstpersönlich handeln.1 Zudem führt ein bspw. wegen Missachtung des Höchstpersönlichkeits- 153 grundsatzes unwirksamer Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht als Vollzugsgeschäft wegen des Abstraktionsprinzips nicht auch zur Unwirksamkeit des diesbezüglichen Kausalgeschäfts und besteht dann nur in sehr seltenen Ausnahmefällen bei konkreten Anhaltspunkten ein einheitliches Rechtsgeschäft iSd. § 139 BGB, wozu alleine ein wirtschaftlicher Zusammenhang, die Aufnahme beider Rechtsgeschäfte in dieselbe Urkunde oder ein Sicherungsbedürfnis des Verzichtenden nicht ausreicht, sondern eine salvatorische Klausel das Gegenteil vermuten lässt.2 d) Gestaltung des Grundgeschäfts Die Beurkundung des Grundgeschäfts kann dann, wenn die Abfindungs- 154 summe unüblicherweise ungesichert bereits vorab bezahlt worden ist oder bei geringfügigen Abfindungsbeträgen im Notartermin beglichen wird, in aller Kürze erfolgen.
M 20
Erbverzichtsvertrag mit sofort gezahlter Abfindung
(Form: notarielle Beurkundung) Der Sohn/die Tochter . . . (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Anschrift) verzichtet hiermit fr sich und seine/ihre Abkçmmlinge auf smtliche gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte auf den Tod seines/ihres Vaters . . . (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Anschrift). Der Vater nimmt den Verzicht hiermit an. Der Erbverzicht erfolgt gegen Abfindung. Als Abfindung ist eine Geldbetrag von . . . Euro (i.W. . . . Euro) vereinbart, dessen Empfang in bar der Sohn/die Tochter . . . (Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Anschrift) hiermit besttigt.
e) Die Sicherung des Austauschverhältnisses bei hinausgeschobener Abfindung Aus der Empfehlung, den Erb- und Pflichtteilsverzicht sofort wirksam wer- 155 den zu lassen (s. oben Rz. 118), folgt beim entgeltlichen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag die weitere Empfehlung, die Abfindung nur Zug um 1 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 = MDR 1962, 894 = NJW 1962, 1676; OLG Düsseldorf v. 20.12.2013 – 7 U 153/12, ZErb 2014, 202 = ZEV 2014, 265; Keim, RNotZ 2013, 411 (414); Schotten, RNotZ 2012, 94 (95). 2 OLG Düsseldorf v. 20.12.2013 – 7 U 153/12, ZErb 2014, 202 = ZEV 2014, 265; Palandt/ Weidlich, § 2347 BGB Rz. 2.
195
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Zug gegen Beurkundung des Verzichts zu leisten. Wer als Erblasser auf den Erb- und Pflichtteilsverzicht Wert legt, sollte die Abfindungssumme aus Eigenkapital oder Drittkredit bereithalten. Für den Verzichtenden geht es dann noch um die Sicherung der Zug-um-Zug-Zahlung, die über einen Treuhänder erfolgen kann.
M 21
Entgeltlicher Erbverzichtsvertrag mit Vorabzahlung auf Treuhandkonto
(Form: notarielle Beurkundung) Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des verzichtenden Kindes) verzichtet hiermit gegenber Herrn/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Elternteils als Erblasser) auf sein/ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Erblassers) nimmt diese Verzichtserklrung hiermit an. Als abschließende Gegenleistung ist eine sofort fllige Abfindungszahlung in Hçhe von . . . Euro (i.W. . . . Euro) geschuldet. Dieser Betrag befindet sich bereits auf dem Anderkonto des diesen Verzichtsvertrag beurkundenden Notars. Dieser wird unwiderruflich angewiesen, den Betrag unverzglich auf das Konto von Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des verzichtenden Kindes) IBAN: . . . BIC: . . . zu berweisen. Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere darber belehrt, dass der Verzichtende durch diesen Vertrag sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht auf das Ableben des Erblassers vollumfnglich verliert, sich dadurch Pflichtteilsansprche anderer Berechtigter erhçhen kçnnen und der Vertrag eine eventuelle gewillkrte Erbeinsetzung, die jedoch nicht Geschftsgrundlage des hiesigen Vertrages ist, nicht aufhebt. Ein ausschließlicher Pflichtteilsverzichtsvertrag (ohne Erbverzicht) wird gleichwohl nicht gewnscht. Ein Erbund Pflichtteilsverzicht kann einer gerichtlichen Wirksamkeits- bzw. Ausbungskontrolle unterliegen. Alle mit diesem Vertrag zusammenhngenden Kosten trgt der Erblasser. ber die gesamtschuldnerische Haftung fr Kosten und Steuern ist belehrt.
156
Steht in einem Fall des § 2347 BGB noch eine erforderliche familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung aus (s. nachfolgend Rz. 170 ff.), so kann sich ebenfalls eine Treuhandabwicklung empfehlen.
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Die Verknüpfung des Pflichtteilsverzichts mit der Erbringung der Abfindung kann nicht durch einen Rücktrittsvorbehalt beim Verzicht erfolgen, da dieser als abstraktes Verfügungsgeschäft zwar der Bedingung, nicht aber dem Rücktrittsvorbehalt zugänglich ist. Der Rücktrittsvorbehalt kann beim Grundgeschäft erfolgen, was aber unpraktisch ist, da es dann noch der Aufhebung des Verzichts in Vollzug des Rücktritts bedarf. So ist die
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
einzig praktikable Alternative die Bedingung der Wirksamkeit des Verzichts selbst durch die Zahlung oder Nichtzahlung der Abfindung. Lässt sich die Stundung der Abfindungszahlung nicht vermeiden, so ist 158 die Wirksamkeit des Erb- und Pflichtteilsverzichts durch die Zahlung der Abfindung zu bedingen. Da der Verzicht noch zu Lebzeiten des Erblassers wirksam werden muss, ist die auflösende Bedingung der aufschiebenden Bedingung vorzuziehen. Für die Vertragsgestaltung gilt wie immer bei Einsatz von Bedingungen, dass Streit und Beweisschwierigkeiten vorzubeugen ist.
M 22
Auflçsend bedingter Erbverzichtsvertrag
(Form: notarielle Beurkundung) Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des verzichtenden Kindes) verzichtet hiermit gegenber Herrn/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Elternteils als Erblasser) auf sein/ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht. Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift des Erblassers) nimmt diese Verzichtserklrung hiermit an. Als abschließende Gegenleistung ist ein Abfindungsbetrag von . . . Euro (i.W. . . . Euro) geschuldet. Dieser Betrag ist in fnf gleichen Jahresraten auf das Konto des Verzichtenden IBAN: . . . BIC: . . . zu zahlen, die erste Rate am . . . , die folgenden Raten jeweils an demselben Tag des jeweiligen Folgejahres. Fr die Rechtzeitigkeit der Zahlung ist die Gutschrift auf diesem Empfngerkonto maßgebend. Eine Verzinsung erfolgt nicht. Wegen der Zahlung der Betrge unterwirft sich der Schuldner hiermit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermçgen. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht ist auflçsend bedingt durch die nicht vollstndige Zahlung des Abfindungsbetrages bis zum . . . Der Verzichtende hat dem Notar die vollstndige Zahlung nach Eintritt der diesbezglichen Voraussetzungen unverzglich schriftlich mitzuteilen. Tritt die auflçsende Bedingung dadurch ein, dass der Abfindungsbetrag bis zum . . . nicht vollstndig bezahlt ist, so sind bereits bezahlte Teilbetrge der Abfindung zurckzuzahlen. Mangels Rckzahlung sind sie gem. § 2315 BGB auf den Pflichtteil anzurechnen. Die Beteiligten wurden vom Notar insbesondere darber belehrt, dass der Verzichtende durch diesen Vertrag sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht auf das Ableben des Erblassers vollumfnglich verliert, sich dadurch Pflichtteilsansprche anderer Berechtigter erhçhen kçnnen und der Vertrag eine eventuelle gewillkrte Erbeinsetzung, die jedoch nicht Geschftsgrundlage des hiesigen Vertrages ist, nicht aufhebt. Ein ausschließlicher Pflichtteilsverzichtsvertrag (ohne Erbverzicht) wird gleichwohl nicht gewnscht. Ein Erbund Pflichtteilsverzicht kann einer gerichtlichen Wirksamkeits- bzw. Ausbungskontrolle unterliegen. Alle mit diesem Vertrag zusammenhngenden Kosten trgt der Erblasser. ber die gesamtschuldnerische Haftung fr Kosten und Steuern ist belehrt.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
6. Auswirkung eines Pflichtteilsverzichts auf Elternpflichtteil 159
Setzen sich Ehegatten letztwillig gegenseitig zu Alleinerben ein und verzichten die Kinder mit Erstreckung auf ihre Abkömmlinge für den Tod des erstversterbenden Elternteils vertraglich auf Pflichtteilsansprüche, ist ein noch lebender Elternteil des erstversterbenden Ehegatten aufgrund des auch gegenüber ihren Abkömmlingen wirkenden Pflichtteilsverzichts der Kinder ohne Ausschluss nach § 2309 BGB mit der Folge pflichtteilsberechtigt, dass ggf. bei Bezug von Sozialleistungen deren Überleitung auf den Sozialhilfeträger droht. Dieses Risiko kann dadurch ausgeschlossen werden, dass der Pflichtteilsverzicht der Kinder um die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen von Elternseite bzw. eines diesbezüglichen Überleitungsempfängers auflösend bedingt vereinbart werden,1 wobei dann jedoch wiederum die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch Abkömmlinge droht.
M 23
Um Geltendmachung des Elternpflichtteils auflçsend bedingter Pflichtteilsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Der Pflichtteilsverzicht ist dadurch auflçsend bedingt vereinbart, dass von Elternseite bzw. eines diesbezglichen berleitungsempfngers Pflichtteilsansprche geltend gemacht werden. Insbesondere ber die Risiken der Geltendmachung von Pflichtteilsansprchen durch Abkçmmlinge ist belehrt.
7. Auswirkung eines Pflichtteilsverzichts auf Unterhalt 160
Nach § 1586b BGB geht mit dem Tod des Verpflichteten die Nacheheunterhaltspflicht beschränkt auf die Höhe des fiktiv im Falle einer nicht erfolgten Scheidung bestehenden Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über. Im Falle eines Erb-bzw. Pflichtteilsverzichts entfällt diese Unterhaltspflicht jedoch nicht von selbst, da nur so die gesetzgeberische Zielsetzung des Schutzes eines unterhaltsberechtigten Ehegatten gewährleistet wird und zudem ein unterhaltsrechtlicher Anspruch betroffen ist.2 Bei der Ermittlung des Grenzbetrags, bis zu dem die Erben des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten dem unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten nach § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB haften können, sind 1 Keim, MittBayNot 2012, 137.). 2 BeckOK BGB/J. Mayer, § 2346 BGB Rz. 21; Bergschneider, FamRZ 2003, 1049 (1057); Grziwotz, FamRZ 1991, 1258; Keim, FPR 2006, 145 (146); Keim, RNotZ 2013, 411 (414); Klingelhöffer, ZEV 1999, 13; Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, Rz. 872; Palandt/Brudermüller, § 1586b BGB Rz. 8; Pentz, FamRZ 1998, 1344; Schmitz, FamRZ 1999, 1569; Schwab/Borth, IV Rz. 1501; aA Dieckmann, NJW 1980, 2777; Dieckmann, FamRZ 1992, 633; Dieckmann, FamRZ 1999, 1029; MünchKomm.BGB/Leipold, § 1933 BGB Rz. 25; MünchKomm.BGB/Maurer, § 1586b BGB Rz. 6; Palandt/Weidlich, § 1933 BGB Rz. 10.
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
auch Pflichtteilsergänzungsansprüche zu berücksichtigen.1 Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sollte jedoch bei Beurkundung des Erb- bzw. Pflichtteilsverzichts ein Fortbestehen oder ein Wegfall des Unterhaltsanspruchs ausdrücklich geregelt werden.2
M 24
Regelung zur Unterhaltspflicht im Pflichtteilsverzichtsvertrag
(Form: notarielle Beurkundung) Im Hinblick auf § 1586b BGB vereinbaren wir hiermit, dass die Unterhaltspflicht aufgrund des Pflichtteilsverzichts entfllt. alternativ: Im Hinblick auf § 1586b BGB vereinbaren wir hiermit, dass die Unterhaltspflicht trotz des Pflichtteilsverzichts nicht entfllt, sondern fortbesteht.
8. Auswirkung eines Pflichtteilsverzichts auf die Einrede gegen Pflichtteilsergänzungsansprüche Nach § 2328 BGB kann der pflichtteilsberechtigte Erbe die Ergänzung des 161 Pflichtteils insoweit verweigern, als ihm bei fiktiver Enterbung sein eigener Gesamtpflichtteil tatsächlich zustehen würde.3 Daher würde ein Erbe durch Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht mangels dann tatsächlichen Pflichtteilsrechts seine Einrede aus § 2328 BGB verlieren.4 Daher sollte der Pflichtteilsverzicht lediglich auflösend bedingt um die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen den Verzichtenden erklärt werden.5
M 25
Um die Geltendmachung von Pflichtteilsergnzungsansprchen gegen den Verzichtenden auflçsend bedingter Pflichtteilsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Der Pflichtteilsverzicht ist dadurch auflçsend bedingt vereinbart, dass gegen den Verzichtenden Pflichtteilsergnzungsansprche geltend gemacht werden.
1 BGH v. 29.11.2000 – XII ZR 165/98, MDR 2001, 453 = FamRZ 2001, 282 = ZEV 2001, 113. 2 Keim, RNotZ 2013, 411 (414); Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, Rz. 2115. 3 Palandt/Weidlich, § 2328 BGB Rz. 1. 4 J. Mayer, ZEV 2007, 556 (557 f.); Schlitt/Müller/Kasper, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 8 Rz. 27 ff.; Tanck, ZErb 2001, 194 (196). 5 Keim, RNotZ 2013, 411 (422).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
9. Stillschweigender Erb- und Pflichtteilsverzicht 162
Ein Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht kann in Ausnahmefällen auch stillschweigend in einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag wirksam vereinbart werden, soweit sich diese Regelung aus der dann zulässigen ergänzenden Auslegung hinreichend deutlich erschließt.1
163
Dies gilt bspw. für einen notariell beurkundeten Erbvertrag zwischen den sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzenden Ehegatten als Eltern und einem ihrer Kinder als bindend eingesetzten alleinigen Vertragsschlusserben bei gleichzeitiger Vermächtniszuwendung zugunsten der nicht an der Urkunde mitwirkenden Kinder des vorverstorbenen weiteren Kindes für den Fall deren Nichtgeltendmachung von Pflichtteilsrechten. Dabei besteht gerade bei Wahl des Erbvertrages mit dem Schlusserben statt eines gemeinschaftlichen Testaments die typische Erwartungshaltung der Eltern an den erbvertraglich gesicherten Schlusserben, dass dieser bzw. sein Stamm auf den Tod des erstversterbenden Elternteils keine Pflichtteilsansprüche erhebt. Ohne besondere weitere Umstände, die in einer etwaigen Verpflichtung des Schlusserben zu eigenen (Gegen-)Leistungen bzw. einem Rücktrittsvorbehalt der Erblasser liegen können, kann davon ausgegangen werden, dass der Schlusserbe mit Annahme seiner bindenden Schlusserbeneinsetzung zugleich auf Pflichtteilsansprüche beim Tod des erstversterbenden Elternteils verzichtet, wobei die Eltern diesen Verzicht mit der Schlusserbeneinsetzung gleichzeitig annehmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie hier ausschließlich Bestimmungen zum Ausschluss von Pflichtteilsrechten der anderen Abkömmlinge und gerade nicht solcher des Vertragsschlusserben enthalten sind. Das Formerfordernis aus § 2348 BGB ist dabei durch die Erbvertragsform gewahrt.2
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Aber auch in einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament kann ein Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht stillschweigend vereinbart werden, da dort trotz lediglich einseitig getroffener und zu Lebzeiten frei widerrufbarer letztwilliger Verfügungen der gemeinschaftlich erklärte Wille zu deren gegenseitiger Billigung deutlich wird. Dies gilt bspw. im Falle vorab ehevertraglich vereinbarter Gütertrennung und eines sodann am gleichen Tag vor demselben Notar beurkundeten gemeinschaftlichen 1 BGH v. 9.3.1977 – IV ZR 114/75, NJW 1977, 1728 = MittBayNot 1977, 127; BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, BGHZ 22, 364 = NJW 1957, 422; OLG Düsseldorf v. 23.7.1999 – 7 U 236/98, FamRZ 2000, 856 = MittBayNot 1999, 574 (576) = NJWE-FER 1999, 329; OLG Hamm v. 4.4.1995 – 10 U 90/94, FamRZ 1996, 1176 = NJW-RR 1996, 906; BayObLG v. 10.2.1981 – BReg. 1Z 125/80, MDR 1981, 673 = MittBayNot 1981, 143; BeckOK BGB/J. Mayer, § 2346 BGB Rz. 8; Erman/Simon, § 2348 BGB Rz. 1; Keim, ZEV 2001, 1; Keller, ZEV 2005, 229 (230); Palandt/Weidlich, § 2346 BGB Rz. 14 u. § 2348 BGB Rz. 3; RGRK/Johannsen, § 2346 BGB Rz. 10; aA Edenfeld, ZEV 1997, 70 (71); Edenfeld, ZEV 1997, 134 (137); Groll/Muscheler, B XV Rz. 166; Habermann, JuS 1979, 169; MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2348 BGB Rz. 7; Reul, MittRhNotK 19797, 373 (379); Soergel/Damrau, § § 2346 BGB Rz. 8; Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 13 u. Rz. 15. 2 BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, BGHZ 22, 364 = NJW 1957, 422.
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
Testaments, in dem jeder Ehegatte jeweils seine Kinder aus erster Ehe zu alleinigen Erben einsetzt, dem anderen Ehegatten lediglich den Hausrat sowie ein Wohnungsrecht vermacht und damit auch im Hinblick auf die Gütertrennung zum Ausdruck bringt, dass keine weitere Teilhabe des einen am Vermögen des anderen Ehegatten gewünscht wird. Die Form des § 2348 BGB ist dabei durch die gewählte notarielle Beurkundung gewahrt.1 Aus einem notariell beurkundeten Übergabevertrag lässt sich nur sehr 165 selten mittels ergänzender Auslegung ein stillschweigender Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht ermitteln. So sind bspw. bloße Abfindungsregelungen regelmäßig kein Anhaltspunkt für einen gewollten Pflichtteilsverzichtsvertrag.2 Soweit die notarielle Vertragsurkunde ausdrücklich einen Pflichtteilsverzicht enthält, bleibt grundsätzlich kein Raum für eine auslegungsbedingte Erweiterung als Erbverzicht.3 Zur Vermeidung unzutreffender Auslegungsergebnisse sollte stets eine aus- 166 drückliche Vereinbarung von Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsverträgen bevorzugt werden. Soweit aus dem Gesamtzusammenhang mit anderen Regelungen die Gefahr einer stillschweigend anzunehmenden Verzichtsregelung besteht, obschon eine solche nicht gewünscht wird, ist es umgekehrt ratsam, ausdrücklich klarzustellen, dass kein Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht vereinbart ist. 10. Steuerpflichtige Gegenleistung für Pflichtteilsverzicht Ein Kind, das gegenüber seinen Eltern als potentiellen Erblassern zu deren 167 Lebzeiten auf künftige Pflichtteilsansprüche gegen von vorneherein als wiederkehrende Zahlungen vorgesehene Leistungen verzichtet, erhält diese wegen der Ungewissheit der späteren tatsächlichen Entstehung von Pflichtteilsansprüchen unentgeltlich mit der Folge, dass sie der Schenkungsteuer und damit mangels vereinbarter Zahlung einer einmaligen Kapitalsumme nicht der Einkommensteuer unterliegen.4 Im Gegensatz dazu muss sich ein Kind bei der Abgeltung bereits entstande- 168 ner Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des Erblassers nicht mit bloßen wiederkehrenden Leistungen zufrieden geben und unterliegt daher, wenn es dies doch tut, wegen Überlassung von Kapital zur Nutzung iSd. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG hinsichtlich des Ertragsteils der Einkommensteuer.5 Da eine Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht bereits allein mit dem Erbfall, sondern erst mit der weiteren Geltendmachung des Pflichtteils entsteht, stellt sich die Frage, ob möglicherweise auch die vorstehende Ein1 2 3 4
BGH v. 9.3.1977 – IV ZR 114/75, NJW 1977, 1728 = MittBayNot 1977, 127. OLG Hamm v. 4.4.1995 – 10 U 90/94, FamRZ 1996, 1176 = NJW-RR 1996, 906. BayObLG v. 10.2.1981 – BReg. 1Z 125/80, MDR 1981, 673 = MittBayNot 1981, 143. BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, ErbStB 2010, 263 = DStR 2010, 1327 = MittBayNot 2010, 509; Christ, FamRB 2010, 273. 5 BFH v. 9.2.2010 – VIII R 43/06, ErbStB 2010, 263 = DStR 2010, 1327 = MittBayNot 2010, 509; Christ, FamRB 2010, 273.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
kommensteuerpflicht ebenfalls erst dann entsteht, wenn der Pflichtteil geltend gemacht worden ist.1 169
Auch ein nicht beurkundeter und daher nach § 2348 BGB formunwirksamer Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag soll steuerrechtlich nach § 41 AO relevant sein können, da die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten dessen wirtschaftliches Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen.2 Entsprechendes gilt trotz grundsätzlicher Übernahme der zivilrechtlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht für ein formunwirksames mündliches, aber gleichwohl erfülltes Vermächtnis, das nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigungsfähig sein soll.3 11. Geschäftsfähigkeit des Erblassers
170
Gem. § 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB kann anders als beim Erbvertrag für einen nach § 104 Nr. 1 und 2 BGB geschäftsunfähigen Erblasser dessen gesetzlicher Vertreter in Durchbrechung des Höchstpersönlichkeitsgebots aus § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB einen Erbverzichts- und/oder Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließen. Hierzu ist eine betreuungs- bzw. familiengerichtliche Genehmigung erforderlich, im Falle gesetzlicher Vertretung kraft elterlicher Sorge jedoch nur dann, wenn dieser Vertrag weder mit dem Ehegatten noch mit dem Verlobten des gesetzlich vertretenen Erblassers abgeschlossen wird. Die erst iSd. § 40 Abs. 2 Satz 1 FamFG mit Rechtskraft nach § 45 FamFG durch Ablauf der Rechtsmittelfrist wirksame Genehmigung muss dem gesetzlichen Vertreter gegenüber noch während Bestehens seiner Vertretungsmacht und zu Lebzeiten des Erblassers erklärt werden. Soweit der gesetzliche Vertreter nach § 181 BGB bzw. § 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen ist, muss die Willenserklärung durch einen Ergänzungsbetreuer bzw. Ergänzungspfleger abgegeben werden. Eine Vertretung durch Vollmacht kommt angesichts des grundsätzlichen Höchstpersönlichkeitsgebots aus § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in Betracht.4 Dies gilt selbst dann, wenn Bevollmächtigter der gesetzliche Vertreter ist.5 Zudem kann auch eine Vertretung des Erblassers durch einen vollmachtlosen Vertreter mit anschließender Genehmigung seitens des Erblassers nicht in einen sukzessiven Abschluss mittels Angebot und Annahme umgedeutet werden, zumal eine mit Unterschriftsbeglaubigung versehene Genehmigung des Erblassers das Beurkundungserfordernis aus § 2348 BGB verletzten würde.6 Ist der Erbverzichtsvertrag mit Grundstücksübertragungen verbunden, heilt der Grundbuchvollzug
1 Christ, FamRB 2010, 273. 2 BFH v. 5.11.1998 – IV R 32/98, DStRE 1999, 55 (57); Groll/Muscheler, B XV Rz. 167. 3 FG München v. 15.9.1993 – 4 K 1274/89, UVR 1994, 58; Groll/Muscheler, B XV Rz. 167. 4 Erman/Simon, § 2347 BGB Rz. 2. 5 Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Rechtsformularbuch, Kap. 90 Rz. 9. 6 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 7 U 205/00, FamRZ 2002, 1147 = NJW-RR 2002, 584.
202
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich die Formunwirksamkeit des Grundbesitzübertragungsteils, nicht jedoch diejenige des Erbverzichts.1 Soweit der gesetzliche Vertreter zugleich verzichtender Vertragspartner ist, 171 dürfte zumindest bei einem reinen Pflichtteilsverzichtsvertrag kein Vertretungsausschluss iSd. §§ 1795, 181 BGB vorliegen, da der Pflichtteilsverzicht für den Erblasser lediglich rechtlich vorteilhaft ist.2 Da bei einem Erbverzichtsvertrag nicht ausgeschlossen werden kann, dass aufgrund nunmehr ausgelöster Änderung der gesetzlichen Erbfolge bei gleichzeitiger geschäftsunfähigkeitsbedingter Verhinderung des Erblassers an einer letztwilligen Verfügung für diesen nicht lediglich ein rechtlicher Vorteil eintritt,3 sollte insoweit sicherheitshalber ein Ergänzungsbetreuer bzw. Ergänzungspfleger bestellt werden, der für den geschäftsunfähigen Erblasser handelt. Ein minderjähriger beschränkt geschäftsfähiger Erblasser kann bei Abschluss eines Erbverzichts- und/oder Pflichtteilsverzichtsvertrags nach § 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB ausschließlich persönlich handeln, ohne hierzu der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder der Genehmigung des Familiengerichts zu bedürfen. Bleiben Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erblassers, sollte neben dem 172 gesetzlichen Vertreter sicherheitshalber auch der Erblasser selbst an dem Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag mitwirken, da letzterer andernfalls, wenn doch Geschäftsfähigkeit bestehen sollte, wegen Verstoßes gegen das Höchstpersönlichkeitsgebot aus § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB unwirksam wäre.4 Zudem sollte im Falle einer Betreuung hinsichtlich des Aufgabenbereichs auf eine ausdrückliche Einbeziehung des Erbverzichtsbzw. Pflichtteilsverzichtsvertragsabschlusses über die bloße Angabe der allgemeinen Vermögenssorge hinaus hingewirkt werden, um keine Zweifel hinsichtlich der Reichweite der gesetzlichen Vertretungsmacht aufkommen zu lassen. 12. Abfindung und Pflichtteilsergänzung Die Frage, ob eine Abfindung für den Erb- und Pflichtteilsverzicht grund- 173 sätzlich eine Schenkung darstellt und damit Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB anderer Pflichtteilsberechtigter auslösen kann, wird in der Literatur zu einer „berühmten Streitfrage“5 hochstilisiert, deren Beantwortung durch den BGH bislang ausdrücklich offengelassen wurde.6 Richtig dürfte es sein,7 die nach dem Prinzip der subjekti1 OLG Düsseldorf v. 6.7.2001 – 7 U 205/00, FamRZ 2002, 1147 = NJW-RR 2002, 584. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2004, 197 (198). 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2004, 197 (198), worin letztlich jedoch der lediglich rechtliche Vorteil bejaht wird. 4 BayObLG v. 13.11.2000 – 1Z BR 134/99, FamRZ 2001, 941 ff.; Staudinger/Schotten, § 2347 BGB Rz. 31. 5 Dieckmann, FamRZ 1986, 258 (259); Kollhosser, AcP 194 (1994), 231 (258). 6 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 150/84, MDR 1986, 561 = FamRZ 1986, 258 = NJW 1986, 127 (129). 7 So Rheinbay, ZEV 2000, 278.
203
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
ven Äquivalenz bemessene Abfindung als ergänzungsfest anzusehen und überschießende Abfindungen wie gemischte Schenkungen zu behandeln. Für die Vertragsgestaltung gilt, dass man eine übermäßige Zuwendung nicht als Abfindung für den Erbverzicht deklarieren kann.1
II. Der beschränkte, insbesondere der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht 1. Zulässigkeit des beschränkten Pflichtteilsverzichts 174
Der Pflichtteilsverzicht beseitigt das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden und der Abkömmlinge seiner Abkömmlinge. Er geht damit in seiner Wirkung über die Anrechnungsbestimmung des § 2315 BGB hinaus, die eine den Pflichtteilsanspruch mindestens egalisierende Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten voraussetzt, ebenso über die Ausgleichungsbestimmung nach § 2050 BGB, die sich wegen § 2316 BGB auch auf den Pflichtteilsanspruch auswirkt und ebenfalls nur bei einer Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten getroffen bzw. vorbehalten werden kann. Gegenüber dem Erbverzicht, der den Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 1 BGB im Zweifel mitumfasst, ist der reine Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB regelmäßig vorzuziehen,2 da er den Erbteil des Verzichtenden als Zählfaktor für die Pflichtteilsrechte der anderen pflichtteilsberechtigten Erben erhält und zu keiner Erhöhung von deren Pflichtteilsrechten führt. Bei Anrechnung oder Ausgleichung bestehen zudem die Schwierigkeiten der Wertbestimmung der Zuwendung im Streitfall, die dadurch verschärft werden, dass der inflationsbereinigte Wert im Zeitpunkt der Zuwendung maßgeblich ist,3 und nicht der oft höhere Wert im Zeitpunkt des Erbfalls. 2. Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht
175
Von diesem Pflichtteilsansprüche aller Art ausschließenden Pflichtteilsverzicht zu unterscheiden ist der nach allgemeiner Ansicht mögliche gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht.4 Seine Zulässigkeit ergibt sich daraus, dass der Pflichtteilsanspruch nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Geldanspruch ist, auf den auch nur beschränkt in der Weise verzichtet werden kann, dass zur Berechnung von Pflichtteilsrestansprüchen nach §§ 2305, 2307 BGB und Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach §§ 2315 ff. BGB eine bestimmte Zuwendung des Erblassers an einen Dritten außer Betracht bleibt. Dieser gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht, 1 So der Fall des OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, MDR 2000, 337 = ZEV 2000, 277, um Pflichtteilsergänzungsansprüchen aus dem Wege zu gehen. Wer aber als Erblasser die Abfindung bezahlt, die ihm der Verzicht nach subjektiver Wertung wert ist, und keinen Schenkungswillen hat, der kann sicher sein, dass sich der Verzichtende nicht späteren Ergänzungsansprüchen ausgesetzt sehen wird. 2 J. Mayer, ZEV 2000, 263: „auf den Erbverzicht aber verzichte“. 3 §§ 2055 Abs. 2, 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB. 4 Vgl. Palandt/Weidlich, § 2346 BGB Rz. 15 m.w.N.
204
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
der wie der Vollverzicht nach § 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf, ist die praxishäufigste Form des Pflichtteilsverzichts. Standardfall ist die Grundstücksüberlassung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an einen von mehreren Abkömmlingen, bei der die anderen Abkömmlinge mitwirken, indem sie einen auf das Übergabeobjekt beschränkten Pflichtteilsverzichtsvertrag mit den übergebenden Eltern abschließen. Der Verzicht kann direkt entgeltlich sein, wenn Abfindungszahlungen an die Verzichtenden vereinbart werden, oder im Hinblick auf vergangene, gleichzeitige oder künftige Zuwendungen der Eltern an die Verzichtenden erklärt werden. 3. Weitere Möglichkeiten der Beschränkung Der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht weichender Abkömm- 176 linge wird mit dem beschränkten Pflichtteilsverzicht in eins gesetzt. Aber auch andere vertragliche Einschränkungen künftiger Pflichtteilsansprüche sind möglich, wenn auch selten.1 So kann sich der Verzicht auf einen Bruchteil des gesetzlichen Pflichtteils beziehen, er kann auf den Pflichtteilsrestanspruch nach §§ 2305, 2307 BGB beschränkt werden, er kann sich auf die Bewertung etwa von Betriebsvermögen beziehen,2 er kann einen Höchstbetrag für Pflichtteilsansprüche festlegen, er kann die nachträgliche Anrechnung einer Zuwendung i.S.v. § 2315 BGB betreffen, er kann bisher ausgleichungspflichtige Zuwendungen an andere Abkömmlinge aus der Pflichtteilsberechnung herausnehmen,3 er kann auf gegen bestimmte Personen gerichtete Pflichtteilsansprüche persönlich beschränkt sein4 und kann sich schließlich auf Stundung oder Verratung des künftigen Pflichtteilsanspruchs beziehen.5 Bei allen verzichtsweisen Pflichtteilseinschränkungen, insbesondere beim 177 gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht, ist zu beachten,6 dass sich der Pflichtteilsverzicht nicht nur auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB zu beziehen hat, sondern auch auf den Ausgleichspflichtteil nach § 2316 BGB. Es ist deshalb auf klare Formulierung des Verzichtsumfangs zu achten. 4. Fallgruppen und Typen beschränkter Pflichtteilsverzichte a) Der auf einen Zuwendungsgegenstand beschränkte Pflichtteilsverzicht Bei diesem praxishäufigsten Regelungstyp verzichten pflichtteilsberech- 178 tigte Dritte anlässlich einer Zuwendung auf alle Pflichtteilsrechte hinsichtlich des Zuwendungsgegenstandes. Bedarf die Zuwendung wie bei 1 2 3 4 5 6
Vgl. J. Mayer, ZEV 2000, 263 m.w.N. Weirich, DNotZ 1986, 5 (11). J. Mayer, ZEV 1996, 441 (443). Spanke, ZEV 2012, 345. Weirich, DNotZ 1986, 5 (11). J. Mayer, ZEV 2000, 264.
205
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Grundstücken der notariellen Beurkundung, so werden der pflichtteilsberechtigte Dritte regelmäßig in die Präsenz der Urkunde aufgenommen und der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht mit beurkundet. Zweckmäßig ist dies insbesondere, wenn ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling von dem mit der Zuwendung bedachten Abkömmling eine Ausgleichszahlung erhält, die nicht am Verkehrswert orientiert ist, oder wenn der Pflichtteilsberechtigte bereits eine Zuwendung erhalten hat. Angesichts der üblichen familiären Gemengelagen sollte in allen Fällen von Zuwendungen an einzelne von mehreren Abkömmlingen versucht werden, die anderen Abkömmlinge zu gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichten heranzuziehen. 179
Ein zu regelnder Störfall ist die nachträgliche Aufhebung des gegenständlichen Pflichtteilsverzichts zwischen Erblasser und Verzichtendem ohne Mitwirkung bzw. Kenntnis des Zuwendungsempfängers, der Abfindungsleistungen erbracht hat.1 Vorgeschlagen wird hier eine Vereinbarung nach § 311b Abs. 5 BGB zwischen den Abkömmlingen2 oder die Annahme eines dreiseitigen Vertrages zwischen Erblasser und beiden Abkömmlingen. Die nachfolgende Formulierung stellt die vertragliche Übereinstimmung zwischen allen drei Beteiligten klar und sieht ausdrücklich vor, dass der Verzichtsvertrag nur mit Zustimmung des Zuwendungsempfängers wieder aufgehoben werden kann.
M 26
Ohne Mitwirkung des Begnstigten nicht mehr aufhebbarer gegenstndlich beschrnkter Pflichtteilsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Die heutige Zuwendung des Erschienenen Ziffer 1 an den Erschienenen Ziffer 2 soll nach dem gemeinsamen vertraglichen Willen aller Erschienenen zu keinerlei Pflichtteilsansprchen des Erschienenen Ziffer 3 und seiner Abkçmmlinge oder Erben auf den Tod des Erschienenen Ziffer 1 fhren. Der Erschienene Ziffer 3 verzichtet deshalb gegenstndlich beschrnkt auf den Zuwendungsgegenstand fr sich und seine Abkçmmlinge auf den Pflichtteilsanspruch, Ausgleichspflichtteil und Pflichtteilsergnzungsanspruch. Der Erschienene Ziffer 1 nimmt den Verzicht an. Die Aufhebung dieses gegenstndlich beschrnkten Pflichtteilsverzichts bedarf der Mitwirkung des Erschienenen Ziffer 2. Der Notar hat darber belehrt, dass infolge dieses Verzichts der Zuwendungsgegenstand als Berechnungsgrundlage fr Pflichtteilsansprche aller Art des Erschienenen Ziffer 3 aus dem Nachlass des Erschienenen Ziffer 1 ausscheidet, dass aber die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht am brigen Nachlass des Erschienenen Ziffer 1 unberhrt bleiben.
1 J. Mayer, ZEV 2000, 264. 2 Reimann/Bengel/J. Mayer, Formulare B 81.
206
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
Insbesondere angesichts der Vererblichkeit von Pflichtteilsansprüchen 180 sollte bei Übergabe an Abkömmlinge auch daran gedacht werden, den Ehegatten des Übergebers gegenständlich beschränkt auf Pflichtteilsansprüche verzichten zu lassen.1
M 27
Einbeziehung des Ehegatten in den Pflichtteilsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Die Ehefrau des bergebers, die Erschienene Ziffer 2, verzichtet gegenstndlich beschrnkt auf den Zuwendungsgegenstand fr sich und ihre Abkçmmlinge auf den Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergnzungsanspruch. Der bergeber, der Erschienene Ziffer 1, nimmt den Verzicht an.
b) Der vorsorgliche gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht des Ehegatten Eine häufige Modifizierung der Zugewinngemeinschaft besteht darin, be- 181 stimmte Vermögensgegenstände, etwa Anfangsvermögen, künftigen privilegierten Erwerb i.S. des § 1374 Abs. 2 BGB oder Betriebsvermögen, aus dem Zugewinnausgleich gegenständlich herauszunehmen.2 Die Gestaltung vermeidet die totale Gütertrennung und schützt familiäres bzw. betriebliches Vermögen vor dem Zugewinnausgleich. Sie wird vom anderen Ehegatten regelmäßig auch deshalb akzeptiert, weil seine Ansprüche für den Fall der Eheauflösung durch den Tod unberührt bleiben. Eine allgemeine Empfehlung, mit jedem Ehevertrag dieser Art auch einen beschränkten Pflichtteilsverzicht gleichen Umfangs zu verbinden3 ist also nicht gerechtfertigt. Im Einzelfall, etwa bei der Herausnahme von Betriebsvermögen aus dem Zugewinnausgleich, kann der vorsorgende beschränkte Pflichtteilsverzicht angezeigt sein. Seine Formulierung ist angesichts der Definition der ausgenommenen Gegenstände, und der Regelungen betreffend die Surrogate, die Erträge, die Verwendungen und die Aufwendungen entsprechend schwierig wie beim Ehevertrag. Hier wie dort kann eine Schiedsgutachterklausel zweckmäßig sein.
1 J. Mayer spricht vom „vergessenen Verzicht“ und weist zutreffend darauf hin, dass auch dieser Verzicht einen eigenen Kostenwert hat. 2 Vgl. dazu mit Formulierungsvorschlägen Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 1261 ff. 3 So Reimann in FS Schippel, 1996, S. 301 ff. und insbesondere J. Mayer, ZEV 2000, 263 (264).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
M 28
Beschrnkter Pflichtteilsverzicht des Ehegatten
(Form: notarielle Beurkundung) Die jeweilige Beteiligung des Ehemannes/der Ehefrau an dem Familienunternehmen . . . , derzeit in der Rechtsform der GmbH & Co KG, eingetragen im Handelsregister des Amtgerichts . . . HRA . . . und HRB . . . , soll zu keinerlei Pflichtteilsansprchen der Ehefrau/des Ehemannes auf den Tod des Ehemannes/der Ehefrau fhren. Im brigen sollen die Erb- und Pflichtteilsrechte der Ehefrau/des Ehemannes unberhrt bleiben. Im Wege des gegenstndlich beschrnkten Pflichtteilsverzichts sind sich die Eheleute darber einig, dass zur Berechnung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergnzungsansprchen der Ehefrau/des Ehemannes nicht herangezogen werden soll das gesamte Betriebsvermçgen der obigen Firmen mit allen Aktiva und Passiva einschließlich des Sonderbetriebsvermçgens, insbesondere der betrieblich genutzten Grundstcke. Herausgenommen ist das Betriebsvermçgen zum Zeitpunkt des Erbfalls in seiner dann bestehenden Rechtsform und seiner dann bestehenden Zusammensetzung, vorausgesetzt, es handelt sich noch um ein Familienunternehmen, das vom Ehemann/der Ehefrau oder dem von ihm/ihr bestimmten Nachfolger beherrscht oder geleitet wird. ber diese Voraussetzungen, den Bestand und den Wert des Betriebsvermçgens bestimmt auf Verlangen eines Beteiligten der Steuerberater des Unternehmens als Schiedsgutachter verbindlich.
c) Pflichtteilsverzicht nur zugunsten bestimmter Personen 182
Soll der Pflichtteilsverzicht nur unter der Voraussetzung gelten, dass bestimmte Dritte Erben werden, so ist er entsprechend auflösend zu bedingen.1
M 29
Pflichtteilsverzicht zugunsten bestimmter Personen
(Form: notarielle Beurkundung) Vorstehender Pflichtteilsverzicht ist dadurch auflçsend bedingt, dass nicht ausschließlich die Geschwister oder Geschwisterkinder durch Vermchtnisse oder Auflage nicht beschwerte Erben werden.
183
Will der Verzichtende nur für sich unter der Voraussetzung verzichten, dass seine Abkömmlinge Erben werden, ist auch dies durch auflösende Bedingung zu regeln.
1 J. Mayer, ZEV 2000, 263 (266).
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D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
M 30
Verzicht ohne Erstreckung auf Abkçmmlinge
(Form: notarielle Beurkundung) Vorstehender Pflichtteilsverzicht erstreckt sich nicht auf die Abkçmmlinge. Er ist dadurch auflçsend bedingt, dass nicht ausschließlich Abkçmmlinge des Verzichtenden Erben, Vermchtnisnehmer oder Auflagenbegnstigte werden.
d) Stundung des Pflichtteilsanspruchs Zur Vermeidung der erbschaftsteuerlichen Nachteile des Berliner Testa- 184 ments (s. nachfolgend 5. Kap. Rz. 189 ff.) wird vorgeschlagen, dass die Abkömmlinge auf den Tod des erstversterbenden Elternteils ihre Pflichtteilsansprüche zur Ausnutzung der Kinderfreibeträge zwar geltend machen, die Beträge aber dem verbleibenden Elternteil bis zu dessen Tod stunden.1 Diese Stundungsvereinbarung kann schon zu Lebzeiten als beschränkter Pflichtteilsverzicht etwa durch Hinzuziehung der Abkömmlinge zum Ehegattenerbvertrag getroffen werden.2
M 31
Stundungsvereinbarung bei Pflichtteilsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Im Wege des beschrnkten Pflichtteilsverzichts vereinbaren die Erschienenen Ziffer 1 und 2 als knftige Erblasser und der Erschienene Ziffer 3 als Abkçmmling, dass bei Geltendmachung des Pflichtteils auf den Tod des Erstversterbenden der Erschienenen Ziffer 1 und 2 der Pflichtteilsanspruch auf den Tod des Letztversterbenden zu stunden ist und dass Sicherheiten fr die gestundeten Betrge nicht verlangt werden kçnnen.
e) Pflichtteilsverzicht zur Ausschaltung der sich aus § 2306 BGB ergebenden Rechte Der Erbe hat nach § 2306 BGB die Möglichkeit, den belasteten Erbteil aus- 185 zuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Diese Befugnis kann durch einen beschränkten Pflichtteilsverzicht ausgeschlossen werden. Er ist grundsätzlich immer zu empfehlen.3 Das praktische Problem ist, dass dies regelmäßig nur beim Erbvertrag mit dem betreffenden Erben realisierbar sein wird.
1 Dressler, NJW 1997, 2848 (2849); Ebeling, NJW 1998, 358; Bedenken bei J. Mayer, ZEV 1998, 55 und ZEV 2000, 266. 2 J. Mayer, ZEV 2000, 265: „Der Trendsetter unter den Verzichten“. 3 J. Mayer, ZEV 2000, 263 (266).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
M 32
Erbvertraglicher Verzicht auf die Rechte des § 2306 BGB
(Form: notarielle Beurkundung) Der Vertragserbe erklrt sich mit den vorstehenden Beschrnkungen (Testamentsvollstreckung, Vermchtnisse, Auflagen) einverstanden. Er verzichtet fr sich und seine Abkçmmlinge auf alle sich aus § 2306 BGB etwa ergebenden Pflichtteilsrechte. Der Erblasser nimmt hiermit den Verzicht an.
5. Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle 186
Ähnlich der gerichtlichen Überprüfung von Eheverträgen wird nunmehr auch eine gerichtliche Ausübungs- und Wirksamkeitskontrolle für Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsverträge, insbesondere hinsichtlich eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage für einen unter Eheleuten geschlossenen isolierten Pflichtteilsverzichtsvertrag erwogen.1 Daher sollte bei Beurkundung auf diesbezügliche eventuelle Risiken hingewiesen werden. Bspw. kann eine ausdrücklich beabsichtigte spätere Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments Geschäftsgrundlage für einen vorab vereinbarten wechselseitigen Pflichtteilsverzichtsvertrag sein.2 Nach Eintritt des Erbfalls bleibt ein abstrakter Erbverzichtsvertrag, soweit keine Anfechtung möglich ist, grundsätzlich wirksam, ggf. kommt jedoch eine Anpassung eines dem Erbverzicht möglicherweise zugrunde liegenden schuldrechtlichen Grundgeschäfts in Betracht.3 Es empfiehlt sich daher, das jeweilige Motiv für eine Verzichtserklärung ausdrücklich in die Urkunde aufzunehmen.4
187
Die Anfechtung eines Erbverzichtsvertrages ist nur zu Lebzeiten und nicht mehr nach dem Tod des Erblassers möglich, da die Erbfolge im Erbfall aus Rechssicherheitsgründen feststehen muss.5
188
Ein Erbverzichtsvertrag, durch den der Begünstigte aufgrund unrichtig geschilderter Ausgangstatsachen die alters- und erfahrungsmäßig schwächere Position des Verzichtenden ausnutzt und verstärkt, kann nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig sein.6 Ein Pflichtteilsverzichts1 Wendt, ZNotP 2006, 2 ff. 2 OLG Nürnberg v. 12.11.2002 – 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 412 = ZEV 2003, 514 = RNotZ 2003, 187 (188 ff.). 3 BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, FamRZ 1997, 287 = MDR 1997, 258 = DNotZ 1997, 806 (808 f.). 4 Reimann/Bengel/J. Mayer, A Rz. 184. 5 OLG Düsseldorf v. 21.2.2013 – 3 Wx 193/12, FamRZ 2014, 68 = ZEV 2013, 498; BayObLG v. 4.1.2006 – 1Z BR 97/03, MDR 2006, 638 = NJW-RR 2006, 372; OLG Celle v. 8.7.2003 – 6 W 63/03, ZEV 2004, 156 = NJW-RR 2003, 1450; OLG Schleswig v. 27.5.1997, – 3 U 148/95, NJW-RR 1997, 1092; OLG Koblenz v. 4.3.1993 – 6 W 99/93, MDR 1993, 656 = DNotZ 1993, 828; a.A. Damrau, MittBayNot 2006, 251; Leipold, ZEV 2006, 212; Mankowski, ZEV 1998, 30. 6 OLG München v. 25.1.2006 – 15 U 4751/04, FamRZ 2007, 418 = ZEV 2006, 313 = MittBayNot 2006, 428 (429 f.) – Verzicht des nichtehelichen Kindes gegenüber dem leiblichen Vater.
210
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
vertrag ist nicht alleine deshalb sittenwidrig, weil der verzichtende Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt der Beurkundung und beim Tod des Erblassers hilfebedürftig ist.1 Im Gegensatz dazu kann jedoch ein erst nach dem Tod des Erblassers zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und den Erben des Erblassers vereinbarter unentgeltlicher Pflichtteilserlassvertrag sittenwidrig sein.2 Eine Sittenwidrigkeit ist jedoch ausgeschlossen, wenn bei Abschluss eines Erbverzichtsvertrages zwischen künftigen Ehegatten der eine dem anderen Partner ungefragt und ohne konkrete Anhaltspunkte für ein diesbezügliches Informationsinteresse selbst eine erhebliche eigene Vermögensposition nicht offenbart.3 In seltenen Ausnahmefällen kann jedoch ggf. ein sittenwidriger Ehevertrag einen isoliert betrachtet rechtmäßigen mitbeurkundeten Erbverzichtsvertrag infizieren, wobei aufgrund typischer diesbezüglicher Interessenausrichtung regelmäßig ein Erbverzichtsteil unabhängig von der Wirksamkeit des Ehevertragssteils fortgelten soll.4 Ein Pflichteilsverzicht eines uneingeschränkt geschäftsfähigen körperlich 189 behinderten volljährigen Sozialleistungen beziehenden Kindes mit seinen Eltern ist ebenso wie die Ablehnung der Erbenstellung oder eines Vermächtnisses insbesondere aufgrund dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter (auch negativer) Erbfreiheit und Privatautonomie nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.5 Noch nicht gesichert ist, ob und inwieweit diese BGH-Rspr. auf nicht be- 190 hinderte Sozialleistungsempfänger übertragen werden kann. Dabei dürfte zwischen das abstrakte Pflichtteilsrecht betreffenden Pflichtteilsverzichtsverträgen einerseits und einem Erlass mit dem Erbfall bereits konkret entstandener Pflichtteilsansprüche andererseits zu unterscheiden sein. Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann trotz eines dann regelmäßig nicht re- 191 levanten Familienlastenausgleichs wegen der aber ebenfalls maßgebenden negativen Erbfreiheit des nicht behinderten Erben grundsätzlich je nach Gewichtung und Abwägung aller Einzelfallumstände rechtmäßig sein.6 Selbst dann kann aber auch ein nicht sittenwidriger Pflichtteilsverzicht
1 OLG Köln v. 9.12.2009 – 2 U 46/09, FamRZ 2010, 838 = ZEV 2010, 87 = BWNotZ 2010, 135 – Verzicht der Sozialleistungen beziehenden Tochter gegenüber ihrer Mutter; Vaupel, RNotZ 2009, 497 (508). 2 VGH Mannheim v. 8.6.1993 – 6 S 1068/92, NJW 1993, 2953 (2954 f.) – Verzicht des nichtehelichen Kindes gegenüber dem leiblichen Vater. 3 OLG Düsseldorf v. 21.2.2013 – 3 Wx 193/12, FamRZ 2014, 68 = ZEV 2013, 498; Grziwotz, FamRB 2013, 151; Keim, MittBayNot 2014, 173 (174). 4 Keim, MittBayNot 2014, 173 (174). 5 BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, = MDR 2011, 303 = FamRZ 2011, 472 = DNotZ 2011, 381 = BWNotZ 2011, 158; OLG Köln v. 9.12.2009 – 2 U 26/09, FamRZ 2010, 838 = ZEV 2020, 87 = BWNotZ 2010, 135; Dreher/Görner, NJW 2011, 1761; Kleensang, BWNotZ 2011, 162; Ivo, DNotZ 2011, 387; Menzel, MittBayNot 289; v. Proff, ZErb 2010, 206 (210); Spall, MittBayNot 2012, 141; Vaupel, RNotZ 2009, 497 (508); Zimmer, ZEV 2011, 262; kritisch Staudinger/Sack/Fischinger, § 138 BGB Rz. 466 f. 6 DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 125189 v. 12.7.2013, S. 2; v. Proff, ZErb 2010, 206 (210).
211
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
des Sozialleistungsempfängers als Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zu sozialrechtlichen Nachteilen führen.1 192
Im Gegensatz dazu kann jedoch ein erst nach dem Tod des Erblassers zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und den Erben des Erblassers vereinbarter unentgeltlicher Pflichtteilserlassvertrag bezüglich dann erstmals nach § 2317 Abs. 1 BGB konkret entstandener Pflichtteilsansprüche sittenwidrig sein.2
193
Wird Sozialhilfe gewährt, geht der mit dem Tod des Erblassers entstandene konkrete Pflichtteilsanspruch erst mit Anordnung ihrer Überleitung nach § 93 Abs. 2 SGBXII auf den Sozialhilfeträger über und untersteht bis dahin noch der Verfügungsmacht des Sozialhilfeempfängers.3
194
Anders verhält es sich hingegen bei Empfängern von ALG II, die mit dem Erblasser keinen Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen haben, nun mit dem Erbfall sofort nach § 33 Abs. 1 Satz 1SGB II und ohne Erfordernis einer Überleitungsanzeige die Forderungsinhaberschaft an ihrem Pflichtteilsrecht verlieren und daher keinen Erlass von Pflichtteilsrechten aussprechen können.4
195
Das vor dem Erbfall noch nicht konkretisierte abstrakte Pflichtteilsrecht ist jedoch weder bei Bezug von ALG II noch von Sozialhilfe überleitungsfähig.5
196
Der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils ist ebenso wie eine Erbausschlagung auch in der Wohlverhaltensphase keine zum Verlust der Restschuldbefreiung führende Obliegenheitsverletzung des Schuldners iSd. Regelung des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da andernfalls deren Zweck zur Schaffung eines Annahmeanreizes verfehlt würde.6 Selbst die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung, die Erb- oder Vermächtnisausschlagung und die Vereinbarung eines Erbverzichts sind wegen ihres höchstpersönlichen Charakters im Insolvenzverfahren nicht nach § 83 Abs. 1 InsO anfechtbar.7 Daher kann der insolvente Schuldner erst recht auch während des Insolvenzverfahrens ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters durch Abschluss eines Zuwendungsverzichtsvertrages auf eine ihm noch nicht angefallene Erbschaft verzichten.8
1 2 3 4 5 6
Klühs, ZEV 2011, 15 (18). VGH Mannheim NJW 1993, 2953, 2954 f.; v. Proff, ZErb 2010, 206 (210). V. Proff, ZErb 2010, 206 (207). V. Proff, ZErb 2010, 206 f. V. Proff, ZErb 2010, 206 (209). BGH v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, MDR 2009, 1191 = FamRZ 2009, 1486 = DNotZ 2009, 862. 7 BGH v. 20.12.2012 – IX ZR 56/12, MDR 2013, 232 = FamRZ 2013, 373 = DNotZ 2013, 541. 8 BeckOK BGB/J. Mayer, § 2346 BGB Rz. 2; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 43; Ivo, ZErb 2003, 250 (253); Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Kap. P Rz. 192 ff.; Staudinger/Schotten, § 2346 BGB Rz. 8.
212
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
III. Die Aufhebung von Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsverträgen Ein Vertrag über Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht kann nach § 2351 BGB als 197 Rechtsgeschäft unter Lebenden vertraglich zwischen Erblasser und Verzichtendem jederzeit in notariell beurkundeter Form ohne Mitwirkung der durch den Verzicht Begünstigten oder von dessen Wirkungserstreckung erfassten Abkömmlinge aufgehoben werden, da der dadurch ausgelöste Wegfall der ursprünglich von § 2310 Satz 2 BGB bewirkten Erbteilserhöhung eine bloße Reflexwirkung der Aufhebung ist.1 Wurde der Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag mit einem Erbvertrag ver- 198 bunden, müssen an der Aufhebung des Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsvertragsteils die ausschließlich erbvertraglich bindend eingesetzten Erben, die keinen Verzicht abgegeben hatten, selbst dann nicht mitwirken, wenn die Verzichtsaufhebung unentgeltlich erfolgt, da insoweit keine Schenkung aus dem Vermögen des Erblassers an den Verzichtenden iSd. § 516 BGB zugrunde liegt und daher § 2287 BGB nicht anwendbar ist, wenn der Zuwendungswert unter dem fiktiven Pflichtteils des Verzichtenden liegt.2 Zur Vermeidung künftiger pflichtteilsrechtlicher Anspruchsstellung kön- 199 nen sich der Verzichtende und der durch den Verzicht Begünstigte, wenn sie künftige gesetzliche Erben nach dem in Rede stehenden Erblasser sind, insbesondere nach § 311b Abs. 5 Satz 1 BGB durch notariell beurkundeten Vertrag zur Nichtgeltendmachung von Pflichtteilsansprüchen verpflichten.3 Ebenso wie bei Abschluss des Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsver- 200 trages ist zu dessen Aufhebung neben notarieller Beurkundung die höchstpersönliche Mitwirkung des Erblassers erforderlich.4 Ausgenommen ist der geschäftsunfähige Erblasser, für den sein gesetzlicher Vertreter handelt, der wiederum der gerichtlichen Genehmigung bedarf (s. dazu oben Rz. 170 ff.). Mangels Verweisung auf § 2347 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB ist für den 201 minderjährigen Erblasser angesichts der ihn betreffenden Nachteiligkeit 1 BeckOK BGB/J. Mayer, § 2351 BGB Rz. 8; DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 116245 v. 16.2.2012, S. 2; MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2351 BGB Rz. 2; NK-BGB/Beck, § 2351 BGB Rz. 10; Palandt/Weidlich, § 2351 BGB Rz. 1. 2 BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 = MDR 1980, 915 = DNotZ 1981, 49; OLG Düsseldorf v. 20.4.2012 – 7 U 184/10, ZEV 2013, 392; LG Aachen v. 10.11.1994 – 8 O 285/94, FamRZ 1996, 61; Erman/Simon, § 2351 BGB Rz. 1; DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 116245 v. 16.2.2012, S. 2; Kanzleiter, DNotZ 2009, 86; Keim, RNotZ 2013, 411 (415); MünchKomm.BGB/Musielak, § 2289 BGB Rz. 15; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 19 Rz. 24b; Palandt/Weidlich, § 2287 BGB Rz. 5; aA Schindler, DNotZ 2004, 824; Schindler, ZEV 2005, 299. 3 DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 116245 v. 16.2.2012, S. 3 f.; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 19 Rz. 24b; Palandt/Weidlich, § 2351 BGB Rz. 1; Schindler, DNotZ 2004, 824 (837). 4 OLG München v. 14.5.2014 – 7 U 2983/13, notar 2015, 17.
213
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
zwar die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, jedoch keine gerichtliche Genehmigung erforderlich.1 Da eine Verweisung auf § 2347 Abs. 1 BGB in Ansehung des Verzichtenden fehlt, kann der minderjährige Verzichtende als lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft iSd. § 107 BGB ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters persönlich alleine2 bzw. der geschäftsunfähige Verzichtende zwar nur über seinen gesetzlichen Vertreter, aber ohne Bedürfnis einer betreuungs- bzw. familiengerichtlichen Genehmigung handeln.3
M 33
Vertrag ber die Aufhebung eines Erbverzichtsvertrages
(Form: notarielle Beurkundung) Wir haben am . . . (Datum) vor dem Notar . . . (Name) in . . . (Ort) unter UR . . . (Urkundenrollennummer) einen Erbverzichtsvertrag beurkunden lassen, durch den wir den gegenseitigen Verzicht auf unser jeweiliges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht vereinbart haben. Wegen des weiteren Inhalts wird auf die vorstehende Bezugsurkunde verwiesen. Sie liegt bei Beurkundung urschriftlich vor. Ihr Inhalt ist uns bekannt. Auf erneutes Verlesen und Beifgen verzichten wir. Wir heben hiermit den jeweiligen vorstehend genannten Erb- und Pflichtteilsverzicht auf. Uns ist bekannt, dass der heutige Aufhebungsvertrag den jeweiligen Erb- und Pflichtteilsverzicht jeweils auf Ableben des anderen Ehegatten beseitigt und den gesetzlichen Ausgangszustand wieder herstellt. Insbesondere ber das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht hat der Notar belehrt.
IV. Vermeidung ergänzungspflichtiger Schenkungen i.S.v. § 2325 BGB bei vorweggenommener Erbfolge 1. Rechtzeitig schenken 202
Die Einführung einer gestuften Nichtberücksichtigung von Schenkungen durch die Neufassung des § 2325 Abs. 3 BGB hat die Dringlichkeit von rechtzeitigen Schenkungen zwar verringert, aber nicht aufgehoben. Das Ziel bleibt immer noch die volle Ausnutzung der Zehnjahresfrist zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen Dritter. Dies gilt insbesondere für Grundstückszuwendungen an Abkömmlinge im Wege vorweggenommener Erbfolge. Pflichtteilsergänzungsansprüche der anderen Abkömmlinge sind hier nach Ablauf von zehn Jahren gänzlich ausgeschlossen, wobei die Frist mit Eigentumsumschreibung im Grundbuch beginnt.4 Der bei solchen Grundstücksübergaben häufige Nießbrauchs1 2 3 4
Palandt/Weidlich, § 2351 BGB Rz. 1; Staudinger/Schotten, § 2351 BGB Rz. 13. Palandt/Weidlich, § 2351 BGB Rz. 1. Palandt/Weidlich, § 2351 BGB Rz. 1; Staudinger/Schotten, § 2351 BGB Rz. 22. BGH v. 2.12.1987 – IVa ZR 149/86, BGHZ 102, 289 = MDR 1988, 296 = FamRZ 1988, 280 = FamRZ 1988, 712 = NJW 1988, 821 = DNotZ 1988, 441.
214
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
vorbehalt verhindert nach der Rechtsprechung des BGH den Fristbeginn iSd. § 2325 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 BGB, da der Übergeber sich hinsichtlich der Nutzung nicht entäußert.1 Entsprechendes gilt mangels Leistungsbewirkung insbesondere, wenn dingliche Wohnungs- oder schuldrechtliche Nutzungsrechte am überwiegenden Objektteil ohne erhebliche Genussentbehrung2 und Rückforderungsrechte im Fall der Weiterveräußerung oder Belastung des Zuwendungsobjektes ohne Zustimmung des Zuwendenden vorbehalten werden.3, 4 Eine weitere Ausnahme besteht nach § 2325 Abs. 3 Halbs. 2 BGB für Schenkungen an den Ehegatten. Hier beginnt die Frist erst mit der Auflösung der Ehe. 2. Mitwirkung des Ergänzungsberechtigten Die beste Vorkehrung gegen Pflichtteilsergänzungsansprüche weichender 203 Geschwister bei Verträgen der vorweggenommenen Erbfolge ist der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht, s. dazu oben Rz. 174 ff. Stattdessen oder ergänzend kann auch eine schuldrechtliche Gleichstellungserklärung abgegeben werden. Sie ist ein beurkundungspflichtiger Erbschaftsvertrag i.S.v. § 311b Abs. 5 BGB.
M 34
Gleichstellungsabrede
Der bernehmer und seine Geschwister, die Erschienenen Ziffer 2 bis 4, betrachten sich hinsichtlich aller bisherigen und heutigen Zuwendungen des bergebers an jeden von ihnen als gleichgestellt. Sie verpflichten sich gegenseitig, nach dem Tod des bergebers insoweit keinerlei Ansprche geltend zu machen, insbesondere keine Ansprche aus Ausgleichung, Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsergnzung.
V. Reduzierung der Schenkung durch Gegenleistungen Gemischte Schenkungen sind nur hinsichtlich ihres unentgeltlichen Teils 204 ergänzungspflichtig i.S.v. § 2325 BGB.5 Bei Grundstücksüberlassungen in vorweggenommener Erbfolge sind Übergabepreise, Gleichstellungsgelder, Nutzungsvorbehalte und Versorgungsrechte als Gegenleistungen anzusehen, die den Bereich der ergänzungspflichtigen Schenkung vermindern oder gar entfallen lassen. Im Vertrag sind damit möglichst Bewertungen vorzunehmen oder zumindest bewertungserhebliche Punkte wie der Gesund1 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 = MDR 1994, 1015 = FamRZ 1994, 885 = NJW 1994, 1791. 2 OLG Karlsruhe v. 20.9.2007 – 12 U 124/07, ZEV 2008, 244 f. 3 OLG Düsseldorf v. 11.4.2008 – 7 U 70/7, DNotZ 2009, 67 = ZEV 2008, 525; Reimann/ Bengel/J. Mayer, A Rz. 172; Diehn, DNotZ 2009, 68 f.; Hertel, ZEV 2008, 526 f. 4 Reimann/Bengel/J. Mayer, A Rz. 172. 5 Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rz. 8 m.w.N.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
heitszustand bei der Pflegeverpflichtung oder der Verzicht des Pflegeverpflichteten auf Berufschancen aufzuführen. Dabei gilt der Grundsatz der subjektiven Äquivalenz. Kraft Privatautonomie steht es den Beteiligten grundsätzlich frei, eine Zuwendung als unentgeltlich oder entgeltlich anzusehen, wenn dies nicht auf Willkür beruht.1 Lediglich bei auffallend großem objektivem Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen wird eine teilweise Unentgeltlichkeitsabrede vermutet.2 Die Bewertungen der Vertragspartner müssen anerkannt werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Verwandtschaftsverhältnisses noch in einem vernünftigen Rahmen bleiben.3 Auch zunächst unentgeltlich erbrachte Leistungen wie etwa Pflegedienste können bei einer nachfolgenden Zuwendung als bereits erbrachte Gegenleistung anerkannt werden und verringern die Unentgeltlichkeitsspanne der Zuwendung.4
VI. Ertragswertanordnung bei landwirtschaftlichen Übergaben 205
Einen direkten Einfluss auf die Bewertung im Pflichtteilsrecht hat die Ertragswertanordnung nach § 2312 BGB bei Übergabe eines Landguts. § 2312 BGB privilegiert den seinerseits pflichtteilsberechtigten letztwilligen5 oder lebzeitigen6 Übernehmer eines Landgutes auf Grund eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes dahingehend, dass für die Berechnung eventueller Pflichtteilsansprüche Dritter der Ertragswert maßgebend sein soll. Dieser bemisst sich gem. § 2049 Abs. 2 BGB nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.
206
Voraussetzung für die Zugrundelegung des Ertragswertes bei der Pflichtteilsberechnung ist dabei insbesondere die Übernahme eines Landgutes. Hierbei muss es sich um eine Besitzung handeln, die zum Zeitpunkt des Erbfalls eine zum selbständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist7 Das Landgut muss eine ausreichende Größe haben und für den Inhaber eine selbständige Nah-
1 BGH v. 21.6.1972 – IV ZR 221/69, BGHZ 59, 132 = FamRZ 1972, 503 = NJW 1972, 1709 = DNotZ 1973, 426. 2 BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 = MDR 1982, 124 = FamRZ 1982, 56 = FamRZ 1981, 1173 = NJW 1982, 43; BGH v. 17.3.1982 – V ZR 27/81, NJW 1982, 2497; BGH v. 9.11.1983 – IVa ZR 151/82, MDR 1984, 297 = FamRZ 1984, 166 = FamRZ 1984, 880 = NJW 1984, 487. 3 BGH v. 9.11.1960 – V ZR 1996/59, MDR 1961, 308 = FamRZ 1961, 116 = NJW 1961, 604; vgl. auch J. Mayer, DNotZ 1996, 617. 4 BGH v. 6.3.1985 – IVa ZR 171/83, MDR 1986, 37 = FamRZ 1985, 696; Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rz. 8. 5 Erman/Röthel, § 2312 BGB Rz. 2. 6 Erman/Röthel, § 2312 BGB Rz. 4. 7 BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, BGHZ 98, 375 (376 ff.) = FamRZ 1987, 378 = DNotZ 1987, 426.
216
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
rungsquelle darstellen. Sie muss jedoch nicht dazu geeignet sein, eine bäuerliche Durchschnittsfamilie zu ernähren. Zwingende Voraussetzung ist hingegen, dass der Betrieb wenigstens zu einem erheblichen Teil zum Lebensunterhalt seines Inhabers beiträgt, wobei er auch nebenberuflich geführt sein darf und dann selbst verhältnismäßig klein sein kann.1 Ein bloßer Zuschussbetrieb ist kein Landgut. Die Ertragswertanordnung ist dann auch bei verhältnismäßig kleinen landwirtschaftlichen Betrieben möglich2 und immer dann empfehlenswert, wenn an einen Pflichtteilsberechtigten i.S. von § 2303 BGB übergeben wird. Ertragswert ist dabei ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen be- 207 stimmtes Vielfaches des Reinertrages. Der diesbezügliche Kapitalisierungsfaktor ist auf Grund Ermächtigung in Art. 137 EGBGB landesrechtlich vielfach dahingehend konkretisiert worden, dass der 25- bzw. 18-fache jährliche Reinertrag maßgebend ist.3
M 35
Lebzeitige Ertragswertanordnung fr Landgut
(Form: notarielle Beurkundung) Als bergeber bestimme ich hiermit gem. § 2312 BGB, dass fr den hier lebzeitig bergebenen land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb als Landgut die Berechnung des Pflichtteils und der Pflichtteilsergnzungsansprche auf der Grundlage des Ertragswertes zu erfolgen hat, soweit der Ertragswert niedriger als der ansonsten maßgebende Wert, insbesondere als der Verkehrswert ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen fr die Zugrundelegung eines „Landgutes“ im Sinne des § 2312 BGB sind mir bekannt.
VII. Vermeidung der Schenkung durch andere Vertragstypen 1. Ausstattung Nach § 1624 BGB ist die Ausstattung keine Schenkung. Ein Pflichtteils- 208 ergänzungsanspruch nach § 2325 BGB kann damit bei Ausstattung nicht entstehen. Die Ausstattung ist nach § 2050 BGB zwischen Abkömmlingen, die als 209 gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, auszugleichen. Der Erblasser kann die Ausgleichung bei der Zuwendung ausschließen. Für die Pflichtteilsberechnung ist dieser Ausschluss aber nach § 2316 Abs. 3 BGB unbeachtlich.
1 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770; Palandt/Weidlich, § 2312 BGB Rz. 7. 2 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770; Palandt/Weidlich, § 2312 BGB Rz. 7. 3 Vgl. dazu die diesbezügliche Übersicht bei MünchKomm.BGB/Säcker, Art. 137 EGBGB Rz. 4.
217
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
210
Die Pflichtteile der Abkömmlinge werden beim Vorliegen einer Ausstattung also immer in Anwendung von § 2316 BGB nach demjenigen bestimmt, was auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten bei der Teilung entfallen würde. Dadurch erhöhen sich die Pflichtteile der ausgleichungsberechtigten Abkömmlinge und vermindern sich die Pflichtteile der ausgleichsverpflichteten Abkömmlinge ohne Rücksicht darauf, ob sie kraft Gesetzes oder gewillkürt erben, ob ihre Erbquoten zueinander im Verhältnis der gesetzlichen Erbregel stehen, ob sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind, die Erbschaft ausgeschlagen haben oder für erbunwürdig erklärt werden. Lediglich wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, wird nach § 2316 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht berücksichtigt.
211
Der Zeitpunkt der Ausstattung spielt keine Rolle. Die Ausstattung ist im Rahmen des § 2316 BGB also auch noch dann zu berücksichtigen, wenn der Berücksichtigung einer Schenkung im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Ablauf der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB entgegenstünde. Insofern geht der Anwendungsbereich der Pflichtteilsausgleichung über den der Pflichtteilsergänzung hinaus.
212
Zu beachten ist aber, dass die nach § 2316 Abs. 3 BGB zwingende Berücksichtung der Ausstattung bei der Berechnung der Pflichtteile der Abkömmlinge zwar zu einer Verschiebung der Pflichtteile zwischen den ausgleichsberechtigten Abkömmlingen führt, nicht aber zu einer Vergrößerung des Pflichtteilsvolumens insgesamt.1
213
Weiterhin bleibt der Wert der Ausstattung bei der Berechnung des Pflichtteils der anderen Abkömmlinge außer Betracht, wenn der Ausstattungsempfänger mit der Ausstattung mehr erhalten hat, als ihm bei der Auseinandersetzung gebührt.2 Denn die Ausgleichung kann zwar dazu führen, dass der Empfänger einer lebzeitigen Zuwendung am tatsächlichen Auseinandersetzungsguthaben des Nachlasses nicht mehr beteiligt ist, nicht aber zu einer Herauszahlung des Mehrbetrages, § 2056 BGB. Hier geht die Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB in ihrer Wirkung über die Pflichtteilsausgleichung nach § 2316 BGB hinaus. Beispiele: Fall 1: Ausstattung Der Erblasser E hat den Sohn S und die Tochter T. Er stattet die Tochter mit einem Bauplatz im ausgleichsbezogenen Wert von 200 000 Euro aus. Bei seinem Tod erbt die zur Alleinerbin eingesetzte Tochter T 1 000 000 Euro. S macht den Pflichtteil geltend. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch scheidet nach § 2325 BGB aus. Die Pflichtteilsansprüche aus dem vorhandenen Nachlass betragen je 250 000 Euro, insgesamt 500 000 Euro.
1 Sostmann, MittRhNotK 1976, 479 (493); Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 289; Soergel/Dieckmann, § 2316 BGB Rz. 3; MünchKomm.BGB/Lange, § 2316 BGB Rz. 13. 2 RG v. 9.11.1911 – IV 92/11, RGZ 77, 282; Soergel/Dieckmann, § 2316 BGB Rz. 10; MünchKomm.BGB/Lange, § 2316 BGB Rz. 14.
218
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden Für die Berechnung der Ausgleichspflichtteile i.S. von § 2316 BGB wird dem Nachlass der Ausstattungswert hinzugerechnet, was einen Nachlasswert von 1 200 000 Euro und fiktive Erbteile von je 600 000 Euro ergibt. Der Ausgleichungserbteil der T beträgt 600 000 Euro minus 200 000 Euro, also 400 000 Euro; der Ausgleichungserbteil des S beträgt 600 000 Euro. Der Ausgleichungspflichtteil der T beträgt 200 000 Euro; der Ausgleichungspflichtteil des S beträgt 300 000 Euro. Die Pflichtteilssumme beträgt wiederum 500 000 Euro. Im Ergebnis erhält S den Pflichtteil, der ihm zugestanden hätte, wenn die Ausstattung nicht erfolgt wäre und sich ihr Wert noch im Nachlass befunden hätte. Fall 2: Vorweggenommene Erbfolge Im Fall 1 hat E der T den Bauplatz nicht als Ausstattung, sondern in vorweggenommener Erbfolge ohne Ausgleichungsbestimmung zugewendet. Eine Pflichtteilsausgleichung nach § 2316 BGB findet nicht statt. Wohl aber kann der S, wenn die Voraussetzungen des § 2325 Abs. 3 BGB nicht vorliegen, den Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB geltend machen. Er erhält damit den Pflichtteil von 250 000 Euro aus dem vorhandenen Nachlass und zusätzlich einen Pflichtteilsergänzungsanspruch von 50 000 Euro aus dem Wert der vorweggenommenen Erbfolge. Das Ergebnis entspricht damit dem Fall 1. Abwandlung von Fall 1 Im Fall 1 hatte der E bei Ausstattung noch erhebliches weiteres Vermögen, das er aber bis zu seinem Tod verbraucht. Der Nachlasswert beim Erbfall ist Null. Mangels Aktivnachlasses entstehen keine Pflichtteilsansprüche. Die Ausgleichung einschließlich der Ausgleichungsergänzung ist nach § 2056 BGB ausgeschlossen.1 Abwandlung von Fall 2 Im Fall 2 soll der Nachlasswert in Abwandlung wie in Fall 3 Null sein. Pflichtteilsansprüche entstehen auch hier nicht. Wohl aber kann S nach § 2325 BGB den selbständigen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 50 000 Euro gegen die T geltend machen, soweit dem nicht § 2325 Abs. 3 BGB entgegensteht.
2. Ehebedingte „unbenannte“ Zuwendung Die ehebedingte Zuwendung stellt einen eigenen Vertragstyp dar, sie ist 214 nicht Schenkung i.S. von § 516 BGB.2 Im Rechtsfolgenbereich ist sie aber grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln.3 Der BGH4 lässt die Frage der Pflichtteilsergänzungsfestigkeit offen für Fälle der Belohnung langjähriger Dienste oder der Altersvorsorge des Ehegatten. Pflichtteilsergänzungsfest sollten auch Ehegattenzuwendung im Rahmen eines fiktiven Zugewinnausgleichs sein.5 Im Gegensatz dazu hält jedoch neuerdings das OLG Schleswig die Interessen des längstlebenden Ehegatten bereits ab1 Soergel/Wolf, § 2056 BGB Rz. 2. 2 Vgl. eingehend Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 254; Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen, Kap. 8 Rz. 1 ff. 3 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 164/90, MDR 1992, 264 = NJW 1992, 564 = FamRZ 1992, 300; kritisch zu diesem Urteil insbesondere Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, Rz. 348 ff.; J. Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 8 Rz. 38. 4 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 164/90, MDR 1992, 264 = NJW 1992, 564 = FamRZ 1992, 300. 5 Langenfeld, ZEV 1994, 129; Klingelhöffer, NJW 1993, 1097 (1101); Hayler, FuR 2000, 4; Hayler, DNotZ 2000, 681; a.A. OLG Schleswig v. 10.12.2013 – 3 U 29/13, FamRZ 2014, 1740 = ZEV 2014, 260; Schlitt/Müller, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 57.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
schließend durch den erb- und güterrechtlichen Zugewinnausgleich für berücksichtigt, verneint eine Entziehung einer hälftigen Beteiligung am ehelichen Vermögenserwerb aus dem Anwendungsbereich des § 2325 BGB und bejaht einen Pflichtteilsergänzungsanspruch der Abkömmlinge des erstversterbenden Ehegatten, der den gemeinsamen jeweils hälftigen Hauserwerb alleine finanziert hatte.1 Eine gesicherte Gestaltung ist daher bis zu einer diesbezüglichen höchstrichterlichen Klärung derzeit nicht möglich. 3. Güterstandswechsel durch Ehevertrag 215
Mit Recht hat der BGH2 den Wechsel von der Zugewinngemeinschaft zur Gütergemeinschaft, durch den das voreheliche Vermögen des Ehemannes vergemeinschaftet wurde, nicht als Schenkung i.S. von § 2325 BGB angesehen. Es fehle an einer Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Der Rechtsgrund für die Bereicherung liege in dem familienrechtlichen Vertrag über die Errichtung der Gütergemeinschaft, mit dessen Hilfe die Ehegatten ihre güterrechtlichen Verhältnisse neu ordnen. Schenkung i.S. von § 2325 BGB könne aber vorliegen, wenn die Ehevertragsfreiheit zu ehefremden Zwecken missbraucht werde.
216
Die Rechtsprechung des BGH deckt die für die Praxis relevanten Gestaltungen ab, nämlich – die Vereinbarung von Gütergemeinschaft zur Vergemeinschaftung einseitigen Vermögens, – die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft durch Vereinbarung von Gütertrennung zur Begründung von Zugewinnausgleichsansprüchen, und – den Übergang von der Gütertrennung zur Zugewinngemeinschaft mit dem Ergebnis der Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB und der entsprechenden Pflichtteils.
217
Ausgenommen sind wie immer Missbrauchsfälle, deren Einbeziehung in die Pflichtteilsergänzung sich der BGH unter dem Stichwort „Verfolgung ehefremder Zwecke“ vorbehalten hat. Sie liegen insbesondere dann vor, wenn eine Maßnahmenfolge aufgrund einheitlichen, vorgefassten Plans verwirklicht wird.
VIII. Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen 1. Traditionelle Rechtsprechung, Fallgruppen 218
Ausgehend vom Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Erbrecht, einem Postulat der Rechtsprechung, das sich vor allem in den Grundsätzen der erbrechtlichen Sondernachfolge in Personengesellschaftsanteile auswirkt 1 OLG Schleswig v. 10.12.2013 – 3 U 29/13, FamRZ 2014, 1740 = ZEV 2014, 260; a.A. Weidlich, ZEV 2014, 345 (347 f.). 2 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 = MDR 1992, 263 = FamRZ 1992, 304 = NJW 1992, 558 = LM § 516 BGB Nr. 23 mit Anm. Langenfeld.
220
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
(vgl. 7. Kap. Rz. 51 ff.), entziehen zwei Grundsatzurteile des BGH gesellschaftsrechtliche Vorgänge dem Bereich der Schenkung. Zum einen sah der BGH1 die Aufnahme eines Gesellschafters in eine Personenhandelsgesellschaft auch dann nicht als Schenkung an, wenn der Aufgenommene keine Einlage zu erbringen hatte. Zum anderen sah der BGH2 die Vereinbarung eines Abfindungsausschlusses in einer Zweipersonen-Handelsgesellschaft wegen des Wagnischarakters nicht als Schenkung zugunsten des überlebenden Gesellschafters an, wenn die Abfindung für den Tod beider allseitig ausgeschlossen wurde. Die Entscheidungen ergingen zum Schenkungsbegriff der §§ 516, 2301 BGB, werden aber allgemein auch als für § 2325 BGB einschlägig angesehen.3 2. Abfindungsausschluss Der gesellschaftsvertragliche Ausschluss des Abfindungs- oder Auseinan- 219 dersetzungsguthabens für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters durch den Tod ist nach allgemeiner Ansicht zulässig.4 Da dann nichts in den Nachlass des betroffenen Gesellschafters fällt, kann kein ordentlicher Pflichtteilsanspruch entstehen, sondern lediglich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch. Beim allseitigen und damit nicht nur einzelne Gesellschafter erfassenden Abfindungsausschluss nimmt die noch ganz überwiegende Auffassung einen gegenseitigen, entgeltlichen und vollzogenen Vertrag unter Lebenden an, der keine Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst.5 Auch die h.L. nimmt jedoch dann eine ergänzungspflichtige Zuwendung an, wenn ein großes Missverhältnis hinsichtlich der Lebenserwartung der Gesellschafter vorliegt, also bei großem Altersunterschied oder schwerer Erkrankung eines Gesellschafters. Die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB beginnt dann nach überwiegender Meinung erst mit dem Tod des Gesellschafters,6 da die Klausel erst dann Wirkung entfaltet, § 2301 BGB.7 3. Gründung einer Gesellschaft bzw. Aufnahme in eine Gesellschaft ohne Einlageverpflichtung In seiner diesbezüglichen Grundlagenentscheidung8 hat der BGH die Auf- 220 nahme eines voll mitarbeitenden Komplementärs ohne Einlage in eine 1 BGH v. 11.5.1959 – II ZR 2/58, MDR 1959, 638 = NJW 1959, 1433. 2 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 (194) = FamRZ 1957, 51 = NJW 1957, 180. 3 Vgl. nur Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rz. 15. 4 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 (194) = FamRZ 1957, 51 = NJW 1957, 180; MünchKomm.BGB/Schäfer, § 738 BGB Rz. 61; Palandt/Sprau, § 738 BGB Rz. 7. 5 MünchKomm.BGB/Lange, § 2325 BGB Rz. 32 u. Rz. 34; Palandt/Weidlich, § 2325 BGB Rz. 15; a.A. BeckOK BGB/J. Mayer, § 2325 BGB Rz. 15. 6 Soergel/Dieckmann, § 2325 BGB Rz. 32; BGH v. 2.6.1993 – IV ZR 259/92, MDR 1993, 768 = FamRZ 1993, 1063 = NJW 1993, 2737 zum Übernahmerecht. 7 Wegmann, ZEV 1998, 135. 8 BGH v. 11.5.1959 – II ZR 2/58, MDR 1959, 638 = NJW 1959, 1433; ebenso Erman/Röthel, § 2325 BGB Rz. 8.
221
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Personengesellschaft nicht als Schenkung angesehen, da in dem geschuldeten Einsatz der vollen Arbeitskraft und der persönlichen Haftung eine ausreichende Gegenleistung liege. Später hat der BGH1 bei unterschiedlicher Lebenserwartung eine gemischte Schenkung angenommen. Gesicherte Aussagen über die Pflichtteilsergänzungsfestigkeit sind auch hier nicht möglich.2 4. Anwendung der Ausnahmen auf vermögensverwaltende Gesellschaften? 221
Es erscheint schwer vorstellbar, dass der Vorrang des Gesellschaftsrechts vor der Pflichtteilsergänzung auch für lediglich vermögensverwaltende Gesellschaften in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder der OHG i.S.v. § 105 Abs. 2 Alt. 2 HGB gelten kann. Hier sind Arbeitseinsatz und Haftungsrisiko gegenüber der gewerblich tätigen Personengesellschaft so gering, dass nicht der gesellschaftlich geprägte Charakter des Rechtsgeschäfts im Vordergrund steht, sondern der Charakter der unentgeltlichen Vermögensnachfolge, also des ureigenen Bereichs der Pflichtteilsergänzung.
IX. Pflichtteilsflucht in ausländische Rechtsordnungen 1. Ausländische Immobilien 222
Für vor dem 17.8.2015 eintretende Erbfälle kann ggf. eine Verlagerung von Vermögen durch Investitionen in ausländische Immobilien zu einer Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen führen, wenn die Rechtsordnung des Belegenheitsstaates kein entsprechendes Pflichtteilsrecht kennt und diesbezüglich zumindest nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB im Wege der Nachlassspaltung anwendbar ist.3 Insoweit kommt insbesondere Grundbesitzerwerb in England in Betracht, da das englische Recht kein Pflichtteilsrecht kennt und englische Gerichte für eine eventuelle ohnehin restriktiv gehandhabte Korrekturentscheidung mittels „family provision“ nur dann zuständig sind, wenn der Erblasser mit englischem domicile (s. dazu oben 1. Kap. Rz. 324) verstorben ist.4
1 BGH v. 26.3.1981 – IVa ZR 154/80, MDR 1981, 826 = FamRZ 1981, 653 = NJW 1981, 1956. 2 Wegmann, ZEV 1998, 135. 3 Everts, ZEV 2013, 124 (126 f.); Röthel, AcP 212 (2012), 157 (181); Schlitt/Müller/Lehmann, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 14 Rz. 159. 4 DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 102271 vom 10.9.2010, S. 2.; Röthel, AcP 212 (2012), 157 (181); Röthel, NJW 2012, 337.
222
D. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen unter Lebenden
Darüber hinaus werden aus entsprechenden Gründen Grundbesitzinvesti- 223 tionen vor allem in Nordirland,1 Wales,2 der spanischen Provinz Navarra,3 auf der spanischen Insel Menorca4 und in Florida5 erwogen.6 Dagegen ist für ab dem 17.8.2015 eintretende Erbfälle nach der dann maß- 224 gebenden und als unmittelbar geltendes Recht iSd. Art. 3 Nr. 1 EGBGB gegenüber nationalem Kollisionsrecht vorrangigen7 Regelung des Prinzips der Einheit des Erbstatuts gem. Art. 20 EuErbVO iVm. Art. 23 Abs. 2 Buchst. h, Art. 30 EuErbVO grundsätzlich keine Nachlassspaltung mehr möglich. Ausnahmsweise kommt eine Nachlassspaltung nur aufgrund nach Art. 75 Abs. 1 und 2 EuErbVO weiterhin anwendbarer internationaler Übereinkommen zwischen Mitglied- und Drittstaaten (so insbesondere mit Maßgeblichkeit der Staatsangehörigkeit des Erblassers bzw. Belegenheit von Nachlass im deutsch-türkischen Nachlassabkommen, deutschpersischen Niederlassungsabkommen und deutsch-sowjetischen Konsularvertrag) oder Rück- bzw. Weiterverweisung nach dem anzuwendenden Recht eines Drittstaates gem. Art. 34 Abs. 1 EuErbVO (so bspw. für einen deutschen Erblasser mit beim Erbfall gewöhnlichem Aufenthalt und Vermögen überwiegend in Texas, aber Grundbesitz in Deutschland und Frankreich8) in Betracht. Mangels entsprechender diesbezüglicher internationaler Übereinkommen tritt in den eingangs geschilderten Konstellationen unter Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland keine Nachlassspaltung ein. Eine Pflichtteilsflucht kann daher für ab dem 17.8.2015 eintretende Erbfäl- 225 le hinsichtlich im Ausland belegenen Immobiliarvermögens ausschließlich dann Pflichtteilsansprüche vermeiden, wenn der Erblasser dort im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2. Ausländische Privatstiftungen Während endgültige unentgeltliche Zuwendungen an inländische Stiftun- 226 gen grundsätzlich pflichtteilsergänzungspflichtige Schenkungen iSd. §§ 2325, 2329 iVm. § 516 BGB verkörpern (s. oben Rz. 109),9 können entsprechende Vermögensübertragungen an liechtensteinische Privatstiftungen Pflichtteilszugriffe zumindest erheblich erschweren. Dies folgt zum ei1 2 3 4 5
6 7 8 9
Everts, ZEV 2013, 124 (126 f. Everts, ZEV 2013, 124 (126 f.). Schlitt/Müller/Emmerling de Oliveira, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 15 Rz. 583 ff. Schlitt/Müller/Emmerling de Oliveira, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 15 Rz. 583 ff. BGH v. 21.4.1993 – XII ZR 248/91, MDR 1993, 764 = FamRZ 1993, 1065 = NJW 1993, 1920 (1921); OLG Celle v. 8.5.2003 – 6 U 208/02, FamRZ 2003, 1876 = ZEV 2003, 509 (511); Everts, ZEV 2013, 124 (126 f.). Everts, ZEV 2013, 124 (126 f.); Röthel, AcP 212 (2012), 157 (181). Bachmayer, BWNotZ 2010, 146 (157). Schaal, BWNotZ 2013, 29 (30). BGH v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, MDR 2004, 755 = DNotZ 2004, 475 = ZEV 2004, 115 ff. m. Anm. Kolhosser; Palandt/Weidenkaff, § 516 BGB Rz. 6; Röthel, ZEV 2006, 8 (10); Speckbrock, Rpfleger 2009, 597 (598); aA OLG Dresden v. 2.5.2002 – 7 U 2905/01, FamRZ 2003, 62 = NJW 2002, 3181(3182)).
223
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
nen aus der nach Art. 29 Abs. 5 Satz 2 IPRG (Liechtenstein) kumulativen Ausrichtung diesbezüglicher (dort sogar noterbenrechtlicher) Pflichtteilsrechte nach liechtensteinischem Recht und dem Heimatrecht des Erblassers, so dass Zuwendungen an Stiftungen nur innerhalb von zwei Jahren pflichtteilsrelevant sind.1 Des Weiteren ist nach Art. 39 Abs. 1 Halbs. 1 IPRG (Liechtenstein) das auf eine spätere Zu- bzw. Nachstiftung anwendbare Recht frei wählbar.2 Zudem kann ein in Deutschland erwirkter Titel in Liechtenstein mangels Beitritts Liechtensteins zu einem auch für Deutschland relevanten Gerichtsstands- bzw. Vollstreckungsabkommen nicht vollstreckt werden.3
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen I. Anordnungen über die Tragung der Pflichtteilslast nach § 2324 BGB 1. Grundsätze 227
Nach § 2324 BGB kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen die Pflichtteilslast im Verhältnis der Erben zueinander einzelnen Erben auferlegen und von den Vorschriften der §§ 2318 Abs. 1, 2320 bis 2323 BGB abweichende Anordnungen treffen.
228
Dies gibt dem Erblasser die Befugnis, – die Tragung der Pflichtteilslast im Verhältnis der Miterben zueinander abweichend von der gesetzlichen Regelung zu regeln, – das Kürzungsrecht des Erben nach § 2318 Abs. 1 BGB gegenüber Vermächtnisnehmern und Auflagenberechtigten zu erweitern, zu beschränken oder auszuschließen, oder – von den Einzelregelungen der §§ 2320 bis 2323 BGB abweichende Anordnungen zu treffen.
229
Dabei ist zu beachten, dass der Erblasser weder die Pflichtteilslast im Außenverhältnis ändern kann, noch in die eigenen Pflichtteilsrechte der Nachlassbeteiligten eingreifen kann. Die §§ 2318 Abs. 2 u. Abs. 3, 2319 Satz 1 BGB begrenzen seine Anordnungsbefugnisse. Im zulässigen Bereich ist die Anordnungsbefugnis nach § 2324 BGB ein wichtiges Instrument der Testamentsgestaltung, das immer dann in Erwägung gezogen werden sollte, wenn mehrere Personen bedacht werden und dabei Pflichtteilsberechtigte nicht bedacht werden.
1 Röthel, AcP 212 (2012), 157 (181); Röthel, NJW 2012, 337. 2 Röthel, AcP 212 (2012), 157 (182). 3 Röthel, AcP 212 (2012), 157 (182).
224
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen
2. Abweichende Anordnungen im Verhältnis mehrerer Erben zueinander Praxiswichtig ist hier der Fall, dass einzelne Miterben von der Pflichtteils- 230 last freigestellt werden sollen. Die Verlagerung ist aber nur bis zur Grenze der eigenen Pflichtteilsberechtigung der durch die Anordnung belasteten Miterben möglich, § 2319 BGB. Beispiel: Der in zweiter Ehe in Gütertrennung verheiratete Erblasser hat Sohn und Tochter aus erster Ehe. Er setzt die Ehefrau zur Miterbin zu einem Viertel und die Tochter zur Miterbin zu drei Vierteln ein mit der Bestimmung, dass die Tochter einen etwaigen Pflichtteil des Sohnes allein zu tragen hat. Nach der gesetzlichen Regelung wäre der Pflichtteilsanspruch des Sohnes als Nachlassverbindlichkeit vorweg zu befriedigen, würde also auch die Ehefrau entsprechend ihrem Erbteil belasten.
M 36
Verteilung der Pflichtteilslast (1)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Im Verhltnis der Miterben hat meine Tochter/mein Sohn . . . etwaige Pflichtteilsansprche des Sohnes/der Tochter . . . zu Lasten ihres/seines Erbteils allein zu tragen.
3. Abweichende Anordnungen im Verhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmer/Auflagenberechtigtem § 2318 BGB soll bewirken, dass Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagen- 231 berechtigte die Pflichtteilslast anteilig zu tragen haben. Deshalb gibt § 2318 Abs. 1 BGB dem Erben, der nach außen den Pflichtteil allein schuldet, ein Kürzungsrecht im Innenverhältnis. Praxiswichtig ist die Möglichkeit des Ausschlusses dieses Kürzungsrechts. Die Grenze dieser Anordnung ist das eigene Pflichtteilsrecht des Allein- oder Miterben1, § 2318 Abs. 3 BGB.2 Beispiel: Im obigen Fall hat der Erblasser die Tochter zur Alleinerbin eingesetzt und der Ehefrau als Vermächtnis eine unbelastete Eigentumswohnung ausgesetzt, deren Wert etwa einem Viertel seines Vermögens entspricht. Diese Wohnung soll die Ehefrau ohne Abzug wegen des Pflichtteils des Sohnes erhalten.
1 BGH v. 10.7.1985 – IVa ZR 151/83, MDR 1985, 1002 = NJW 1985, 2828; Dahlkamp, RNotZ 2014, 257 (261); MünchKomm.BGB/Lange, § 2318 BGB Rz. 17. 2 Zu § 2318 BGB vgl. Schlitt, ZEV 1998, 91 und Tanck, ZEV 1998, 132.
225
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
M 37
Verteilung der Pflichtteilslast (2)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Pflichtteilslast hinsichtlich meines Sohnes/meiner Tochter . . . trgt die Erbin/der Erbe allein. Ihr/sein gesetzliches Krzungsrecht gegenber meiner Ehefrau/meinem Ehemann als Vermchtnisnehmerin/Vermchtnisnehmer nach § 2318 Abs. 1 BGB wird ausgeschlossen, sodass meine Ehefrau/mein Ehemann das Vermchtnis ungeschmlert durch etwaige Pflichtteilsansprche des Sohnes/der Tochter erhlt.
II. Anordnung der Pflichtteilsberechnung zum Ertragswert nach § 2312 BGB 232
§ 2312 BGB ist eine agrarpolitische Schutzvorschrift, die es dem Erblasser ermöglicht, einem nach § 2303 BGB zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehörenden Erben einen landwirtschaftlichen Betrieb nur mit eingeschränkten Pflichtteilsrechten belastet zukommen zu lassen. Hier gestattet das Gesetz dem Erblasser, in die Pflichtteilsansprüche etwa der weichenden Geschwister direkt einzugreifen, da diese sich infolge der Anordnung nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach dem geringeren Ertragswert des Betriebs bemessen. Die Anordnung besteht bei mehreren Erben darin, dass der begünstigte Erbe das Recht hat, den Betrieb zum Ertragwert zu übernehmen. Unerheblich ist, ob das Übernahmerecht als Vorausvermächtnis oder im Wege der Teilungsanordnung angewendet wird. Beim Alleinerben besteht die Anordnung darin, dass im Rahmen der Pflichtteilsberechnung der landwirtschaftliche Betrieb zum Ertragswert anzusetzen ist. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß.1 Von ihr sollte in den einschlägigen Fällen regelmäßig Gebrauch gemacht werden.
233
Dabei privilegiert § 2312 BGB den seinerseits pflichtteilsberechtigten letztwilligen2 oder lebzeitigen3 Übernehmer eines Landgutes auf Grund eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes dahingehend, dass für die Berechnung eventueller Pflichtteilsansprüche Dritter der Ertragswert maßgebend sein soll. Dieser bemisst sich gem. § 2049 Abs. 2 BGB nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.
234
Voraussetzung für die Zugrundelegung des Ertragswertes bei der Pflichtteilsberechnung ist dabei insbesondere die Übernahme eines Landgutes. Hierbei muss es sich um eine Besitzung handeln, die zum Zeitpunkt des
1 BVerfG v. 16.10.1984 – 1 BvL 17/80, NJW 1985, 1329 = BVerfGE 67, 348 = MDR 1985, 642 = FamRZ 1985, 256. 2 Erman/Röthel, § 2312 BGB Rz. 2. 3 Erman/Röthel, § 2312 BGB Rz. 4.
226
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen
Erbfalls eine zum selbständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist1 Das Landgut muss eine ausreichende Größe haben und für den Inhaber eine selbständige Nahrungsquelle darstellen. Sie muss jedoch nicht dazu geeignet sein, eine bäuerliche Durchschnittsfamilie zu ernähren. Zwingende Voraussetzung ist hingegen, dass der Betrieb wenigstens zu einem erheblichen Teil zum Lebensunterhalt seines Inhabers beiträgt, wobei er auch nebenberuflich geführt sein darf und dann selbst verhältnismäßig klein sein kann.2 Ein bloßer Zuschussbetrieb ist kein Landgut. Die Ertragswertanordnung ist dann auch bei verhältnismäßig kleinen landwirtschaftlichen Betrieben möglich3 und immer dann empfehlenswert, wenn an einen Pflichtteilsberechtigten i.S. von § 2303 BGB übergeben wird. Ertragswert ist dabei ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen be- 235 stimmtes Vielfaches des Reinertrages. Der diesbezügliche Kapitalisierungsfaktor ist auf Grund Ermächtigung in Art. 137 EGBGB landesrechtlich vielfach dahingehend konkretisiert worden, dass der 25- bzw. 18-fache jährliche Reinertrag maßgebend ist.4
M 38
Letztwillige Ertragswertanordnung fr Landgut (1)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meinen Sohn/meine Tochter . . . zu meinem Alleinerben ein. Im Rahmen der Pflichtteilsberechnung der brigen pflichtteilsberechtigten Abkçmmlinge ist der auf den Sohn/die Tochter bergehende landwirtschaftliche Betrieb zum Ertragswert anzusetzen, soweit der Ertragswert niedriger als der ansonsten maßgebende Wert, insbesondere als der Verkehrswert ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen fr die Zugrundelegung eines „Landgutes“ im Sinne des § 2312 BGB sind mir bekannt.
M 39
Letztwillige Ertragswertanordnung fr Landgut (2)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein Sohn/meine Tochter . . . erhlt als Miterbe vorausvermchtnisweise ohne Anrechnung auf den Erbteil/im Wege der Teilungsanordnung unter Anrech-
1 BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, BGHZ 98, 375 (376 ff.) = FamRZ 1987, 378 = DNotZ 1987, 426. 2 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770; Palandt/Weidlich, § 2312 BGB Rz. 7. 3 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770; Palandt/Weidlich, § 2312 BGB Rz. 7. 4 Vgl. dazu die diesbezügliche Übersicht bei MünchKomm.BGB/Säcker, Art. 137 EGBGB Rz. 4.
227
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
nung auf seinen/ihren Erbteil, jedoch hinsichtlich einer etwaigen berschreitung des auf den Erbteil entfallenden Wertanteils ohne diesbezgliche Ausgleichungspflicht insoweit vorausvermchtnisweise den landwirtschaftlichen Betrieb, der hiermit zum Ertragswert angesetzt wird, soweit der Ertragswert niedriger als der ansonsten maßgebende Wert, insbesondere als der Verkehrswert ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen fr die Zugrundelegung eines „Landgutes“ im Sinne des § 2312 BGB sind mir bekannt.
III. Strafklauseln 1. Socinische Klausel („Cautela Socini“) 236
Bis zu einer 1993 veröffentlichten Entscheidung des BGH1 glaubte man, durch eine nach dem im 15. Jahrhundert lebenden Juristen Marianus Socinus benannte Klausel („Cautela Socini“)2 den Erben oder Vermächtnisnehmer zur Beachtung des Erblasserwillens zwingen zu können, auch wenn ihm die Rechte aus §§ 2306, 2307 BGB zustanden. Der BGH hat die socinische Klausel als unwirksam abgelehnt, da ihr § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB aF als zwingende Schutzvorschrift für den Pflichtteilsberechtigten entgegengestanden sei. Da § 2306 Abs. 1 BGB nunmehr aufgrund seiner nach Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 2 EGBGB für seit dem 1.1.2010 eingetretene Erbfälle geltenden Neufassung eine Pflichtteilsunterschreitung zulässt, dürfte auch eine Cautela Socini wirksam angeordnet werden können.3 2. Erstreckung der Ausschlagungswirkung auf die Ersatzerben
237
Wenn der Erbe oder Vermächtnisnehmer gem. §§ 2306 Abs. 1, Abs. 2, 2307 Abs. 1 BGB das Erbe oder Vermächtnis ausschlägt, um seinen Pflichtteil zu erlangen, bleibt die Frage offen, ob dann trotzdem seine zu Ersatzerben berufenen Abkömmlinge Erben werden. Diese mögliche Doppelberufung kann man auslegungsfest durch eine klärende Klausel unterbinden.4
1 BGH v. 28.10.1992 – IV ZR 221/91, BGHZ 120, 96 = MDR 1993, 355 = NJW 1993, 1005 = FamRZ 1993, 179. 2 Formulierung nach Nieder, Hdb. der Testamentsgestaltung, 1. Aufl. 1992, Rz. 284: „Übernimmt ein pflichtteilsberechtigter Bedachter innerhalb der Ausschlagungsfrist nicht die Beschränkungen oder Beschwerungen gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB ausdrücklich gegenüber den anderen Erben oder schlägt er die Erbschaft oder das ihm zugewandte Vermächtnis gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB oder § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB aus, so wird er hiermit in Höhe seiner Pflichtteilsquote zum Erben eingesetzt und die Beschränkungen oder Beschwerungen gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen“. 3 Baumann/Karsten, RNotZ 2010, 95; MünchKomm.BGB/Lange, § 2306 BGB Rz. 30; Palandt/Weidlich, § 2306 BGB Rz. 8; kritisch J. Mayer, ZEV 2010, 2 (4); Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, Hdb. der Testamentsgestaltung, § 15 Rz. 193. 4 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, Hdb. der Testamentsgestaltung, § 2 Rz. 33.
228
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen
M 40
Ausschluss der Doppelberufung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ein den Pflichtteil verlangender Erbe ist mit seinem ganzen Stamm von der Erbeinsetzung einschließlich der Ersatzerbeneinsetzung ausgeschlossen.
3. Pflichtteilsstrafklauseln Beim Berliner Testament von Ehegatten/Lebenspartnern spielen Pflicht- 238 teilsstrafklauseln, insbesondere die berühmte „Jastrow’sche Klausel“ eine praxiserhebliche Rolle (s. dazu nachfolgend 5. Kap. Rz. 129 ff.).1
IV. Pflichtteilsentziehung, Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht 1. Grundsätze der Pflichtteilsentziehung In bestimmten eng begrenzten Fällen kann der Erblasser nach §§ 2333 bis 239 2337 BGB einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entziehen. In einer Pflichtteilsentziehung ist regelmäßig auch eine konkludente Enterbung iSd. § 1938 BGB enthalten, die jedoch ihrerseits nicht zwingend ist.2 Das Gesetz geht hier von dem Grundsatz aus, dass ein Pflichtteilsberechtigter, der gewisse persönliche Verpflichtungen gröblich verletzt hat, die sich aus seinem Verhältnis zum Erblasser ergeben, seinen Pflichtteil verwirkt hat. Die Entziehung hat grundsätzlich Strafcharakter, wenn auch ein Verschulden in strafrechtlichen Sinn nicht erforderlich ist und natürlicher Vorsatz genügt.3 Nach § 2336 Abs. 1 BGB erfolgt die Entziehung des Pflichtteils durch 240 letztwillige Verfügung. Die Pflichtteilsentziehung kann sogar der einzige Inhalt des Testaments sein. Das Pflichtteilsentziehungsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das nur vom 241 Erblasser höchstpersönlich wahlweise für den ganzen Pflichtteil oder lediglich teilweise ausgeübt werden kann.4 Die Pflichtteilsentziehung kann zudem bedingt vorgenommen werden, etwa auflösend bedingt durch die Schadenswiedergutmachung in einer bestimmten Frist. Nach § 2337 BGB erlischt das Pflichtteilsentziehungsrecht durch Verzei- 242 hung. Ebenso wird eine schon ausgesprochene Entziehung durch Verzeihung unwirksam. Verzeihung ist der Ausdruck des Versöhnungswillens 1 Vgl. dazu auch die Darstellung von Reimann/Bengel/J. Mayer, Testament, A 429 ff. 2 BayObLG v. 30.11.1995 – 1Z BR 86/95, FamRZ 1996, 826 = DNotZ 1996, 319; MünchKomm.BGB/Lange, § 2336 BGB Rz. 16; RGRK/Johannsen, § 2336 BGB Rz. 1. 3 BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, BVerfGE 112, 332 = FamRZ 2005, 872 = FamRB 2005, 204 = NJW 2005, 1561 = ZEV 2005, 301 (Ziffer 88). 4 MünchKomm.BGB/Lange, § 2336 BGB Rz. 17.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
gegenüber dem Schuldigen. Es muss die Absicht bestehen, aus der Verfehlung keinerlei Nachteile mehr für den Schuldigen entstehen zu lassen. Verzeihung ist eine rein tatsächliche, keine Rechtshandlung. Eine bestimmte Form und der Zugang sind nicht erforderlich, schlüssiges Verhalten genügt. Die Verzeihung ist unwiderruflich. Die Beweislast für das Vorliegen einer Verzeihung hat derjenige, der sich auf sie beruft. 243
Verzeihung setzt ihrerseits ein Verhalten des Erblassers voraus, das dessen Einordnung des ursprünglichen Pflichtteilsentziehungsumstandes fortan nicht mehr als Kränkung, sondern ein Wiederaufleben der familiären Beziehung zu dem betroffenen Pflichtteilsberechtigten als Wandel hin zur Normalität erkennen lässt, ohne dass insoweit ein inniges Verhältnis oder eine Versöhnung erforderlich ist.1 Dies kann bspw. auch formlos durch Aufnahme eines nicht unerheblichen Kredits durch den Erblasser für Umbaumaßnahmen des Abkömmlings in der von diesem genutzten Wohnung im Haus des Erblassers erfolgen.2
244
Die Pflichtteilsentziehung kann nach § 2336 Abs. 1 BGB ausschließlich durch letztwillige Verfügung erfolgen. Gem. § 2336 Abs. 2 BGB muss bei Errichtung der maßgebenden Verfügung von Todes wegen der jeweilige Grund der Entziehung, im Fall des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB zusätzlich der Umstand der für den Erblasser bestehenden subjektiven Unzumutbarkeit der Teilhabe des betroffenen Pflichtteilsberechtigten am Nachlass, noch bestehen und in dieser letztwilligen Verfügung angegeben werden.
245
Dabei hat der Erblasser in den Fällen des § 2336 Abs. 2 Satz 1 BGB in der letztwilligen Verfügung den Entziehungsgrund mittels einer ausführlichen Tatbeschreibung des unverwechselbaren konkretisierten Kernsachverhalts anzugeben.3 Eine ausdrückliche Einordnung unter einen der in § 2333 BGB genannten Entziehungstatbestände ist jedoch nicht erforderlich.4 Zur Parallelproblematik der Konkretisierung des Kernsachverhaltes beim Tatbestand der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 BGB s. nachfolgend 6. Kap. Rz. 160 ff. Die den Entziehungsgrund begründenden Tatsachen können schon länger zurückliegen. Er darf bloß nicht lediglich in der Zukunft liegen. Möglich ist jedoch die Entziehung für den Fall, dass ein vom Erblasser vermuteter, jedoch noch nicht sicher feststehender Entziehungsgrund vorliegt. Bei der Angabe des Grundes sollten auf jeden Fall der gesetzliche Tatbestand und die ihn erfüllenden Tatsachen angegeben werden. 1 OLG Nürnberg v. 8.5.2012 – 12 U 2016/11, FamRZ 2013, 330 = NJW-RR 2012, 1225 = BWNotZ 2012, 111 (112 ff.). 2 OLG Hamm v. 22.2.2007 – 10 U 111/06, FamRZ 2007, 1359 = NJW-RR 2007, 1235 (1239)). 3 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 102/09, ZEV 2011, 370 (371); BGH v. 27.2.1985 – IVa ZR 136/83, NJW 1985, 1554; OLG Hamm v. 22.2.2007 – 10 U 111/06, NJW-RR 2007, 1235 (1236 f.); OLG Düsseldorf v. 4.12.1998 – 7 U 144/97, FamRZ 1999, 1469 f.; im Ergebnis wohl ähnlich BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, NJW 2011, 1878 (1881); a.A. (jede substanziierte konkret auslegbare Bezeichnung des Grundes reiche aus) Lange, DNotZ 2011, 871 (873 f.); Lange, ZErb 2008, 59 (63); NK-BGB/Herzog, § 2336 BGB Rz. 8. 4 OLG Düsseldorf v. 4.12.1998 – 7 U 144/97, FamRZ 1999, 1469 f.
230
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen
Die Entziehungsgründe sind im Gesetz abschließend geregelt. Der Beweis 246 der tatsächlichen Voraussetzungen des Entziehungsgrundes obliegt nach § 2336 Abs. 3 BGB demjenigen, welcher die Entziehung geltend macht, regelmäßig also dem eingesetzten Erben. Kann er diesen Beweis nicht führen, ist die Pflichtteilsentziehung wirkungslos. Bei Vorliegen und Beweis der gesetzlichen Voraussetzungen hat der von 247 der Pflichtteilsentziehung Betroffene keinerlei Pflichtteilsansprüche. Bei der Berechnung der Pflichtteilsquote anderer Pflichtteilsberechtigter wird der so weggefallene Pflichtteilsberechtigte jedoch fiktiv mitgezählt. Die Pflichtteile anderer Berechtigter berechnen sich also so, als sei der Weggefallene noch als Berechtigter vorhanden. Sie erhöhen sich durch die Pflichtteilsentziehung nicht. Insofern bringt die wirksame Pflichtteilsentziehung eine Erweiterung der Testierfreiheit des Erblassers mit sich. Der Erblasser kann den freigewordenen Pflichtteil beliebig vererben. 2. Die einzelnen Pflichtteilsentziehungsgründe Durch Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 2 EGBGB ist das Pflichtteilsentziehungs- 248 recht für seit dem 1.1.2010 eingetretene Erbfälle reformiert worden. So wurde durch Neueinfügung des § 2333 Abs. 2 BGB samt Aufhebung der früheren §§ 2334, 2335 BGB eine einheitliche Regelung hinsichtlich pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge, Ehegatten/Lebenspartnern bzw. Eltern geschaffen. Die schwere körperliche Misshandlung (Ziffer 2 a.F.) ist als eigener Entziehungsgrund entfallen, da sie gegenüber der jetzigen Ziffer 2 (Verbrechen oder schweres vorsätzliches Vergehen) keinen eigenständigen Anwendungsbereich hat. An die Stelle des Entziehungsgrundes eines „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ (Ziffer 5 a.F.) ist in Ziffer 4 n.F. die rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ohne Bewährung wegen einer vorsätzlichen Straftat getreten, wenn deshalb die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass für den Erblasser unzumutbar ist. Geblieben ist es bei den Entziehungsgründen des Trachtens nach dem Leben des Erblassers oder einer ihm nahe stehenden Person (Ziffer 1 n.F.) und der böswilligen Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser (Ziffer 3 n.F.). Bezüglich der Tatbestände des nach dem Leben Trachtens (§ 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und eines Verbrechens bzw. schweren Vergehens (§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB) wirkt der Schutzbereich nunmehr auch bei Beeinträchtigungen des Ehegatten des Erblassers, eines anderen Abkömmlings des Erblassers oder anderer dem Erblasser nahestehender Personen. Im Einzelnen gilt nach neuem Recht:
249
Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling dem Erblasser, dessen Ehegatten oder einem anderen Abkömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet (§ 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ein solches Trachten liegt vor, wenn der ernsthafte Wille betätigt wird, den Tod des anderen herbeizuführen. Ein einmaliger Versuch genügt.
231
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Beharrlichkeit ist nicht erforderlich. Mittäterschaft, Beihilfe und Anstiftung genügen. 250
Weiterhin kann der Pflichtteil entzogen werden, wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der vorbezeichneten Personen schuldig macht (§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Dieser Tatbestand setzt im Gegensatz zu § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB keine entsprechende strafrechtliche Verurteilung voraus.1 Ob ein schweres Vergehen vorliegt, beurteilt sich nach dem Grad des sittlichen Verschuldens. Auch nach Neufassung dieses Tatbestandes ist entsprechend des dortigen gesetzgeberischen Willens2 weiterhin gemäß der zur Altfassung der Regelung ergangenen Rspr.3 eine schwere Kränkung des Erblassers aufgrund grober Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses erforderlich.4 Dabei dürfte insbesondere eine zulasten einer GmbH, oHG bzw. KG, an der die von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB geschützten Personen als Gesellschafter beteiligt sind, begangene Straftat aufgrund eigener Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zumindest dann nicht ausreichend sein, wenn diese Personen nicht deren alleinige Gesellschafter sind.5
251
Ein weiterer Entziehungsgrund ist die böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser (§ 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Hierzu gehört z.B. auch die Unterlassung der Pflege im Krankheitsfall, wenn der Erblasser selbst keine Möglichkeiten und Mittel zur Verschaffung der Pflege durch Dritte hat und sie auch nicht vom Verpflichteten erhält. Dagegen kann eine diesbezügliche Pflichtteilsentziehung nicht aus einer Versagung persönlicher Pflege im Krankheitsfall abgeleitet werden, da Unterhalt gemäß § 1612 BGB ausschließlich als Geldleistung geschuldet ist, und zudem für eine böswillige Verletzung eine verwerfliche Gesinnung voraussetzt.6
252
Schließlich ist die Entziehung zulässig, wenn der Abkömmling wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wurde (§ 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Dabei dürfte eine Gesamtstrafe von mindestens 1 Jahr aus mehreren Einzelstrafen von jeweils unter 1 Jahr wegen des auch in diesem Strafausspruch manifestierten Strafmakels zumindest dann ausreichen, wenn die Gesamtstrafenbil1 MünchKomm.BGB/Lange, § 2333 BGB Rz. 26; DNotI-Gutachen, DNotI-Report 2010, 167 f. 2 RegE, BT-Drucks. 16/8954, S. 23. 3 BGH v. 1.3.1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1085 ff. 4 MünchKomm.BGB/Lange, § 2333 BGB Rz. 22; DNotI-Gutachen, DNotI-Report 2010, 167 (168); aA Palandt/Weidlich, § 2333 BGB Rz. 6. 5 DNotI-Gutachen, DNotI-Report 2010, 167 (168). 6 OLG Frankfurt v. 29.10.2013 – 15 U 61/12, FamRZ 2014, 1149 ff.; Sarres, FamRB 2014, 142 (143).
232
E. Pflichtteilsrelevante Gestaltungen von Todes wegen
dung nicht iSd. § 55 StGB nachträglich erfolgt.1 Im Falle einer Verurteilung auf Bewährung ändert auch ein erst späterer Bewährungswiderruf wegen der Maßgeblichkeit des Unrechtsgehalts bei Urteilsverkündung statt eines erst späteren zusätzlichen Fehlverhaltens nichts an der Unanwendbarkeit des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB.2
M 41
Pflichtteilsentziehung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein Sohn/meine Tochter . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift) ist samt seinen/ihren Abkçmmlingen weder Erbe noch Ersatzerbe. Zugleich entziehe ich ihm/ihr den gesetzlichen Pflichtteil, da er/sie sich einer schweren vorstzlichen Straftat schuldig gemacht hat. Er/Sie hat . . . (genaue Sachverhaltsschilderung unter Angabe von Ort, Zeit, Personen und Tatgeschehen). . . . (Vor- und Nachname) ist wegen dieses Vorfalles durch das Landgericht . . . (Ort) zu einer Freiheitsstrafe von . . . verurteilt worden. Das Urteil ist rechtskrftig. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die diesbezgliche Ermittlungs- und Gerichtsakte. Aufgrund der besonderen vorstehend geschilderten Tatumstnde und meiner in unserer Familie gelebten Wertvorstellung eines respekt- und vertrauensvollen zwischenmenschlichen Umgangs ist es fr mich unzumutbar, dass . . . (Vor- und Nachname) an meinem Nachlass teilhat. Mir ist bekannt, dass diese Pflichtteilsentziehung ausschließlich gegenber . . . (Vor- und Nachname), nicht jedoch gegenber dessen/deren Abkçmmlingen Wirkung entfaltet. ber das gesetzliche Pflichtteilsrecht und das Recht der Pflichtteilsentziehung bin ich eingehend belehrt worden. Insbesondere ist mir bekannt, dass das Recht auf Entziehung des Pflichtteils durch Verzeihung erlischt. Es hat keine Verzeihung stattgefunden.
3. Keine Wirkung zulasten von entfernteren Abkömmlingen Eine Pflichtteilsentziehung kann im Gegensatz zu einer Enterbung nicht 253 auch gegenüber den Abkömmlingen derjenigen Person, die die schwere Verfehlung iSd. § 2333 BGB begangen hat, als den entfernteren Abkömmlingen des Erblassers angeordnet werden. Diese Abkömmlinge bleiben in einem derartigen Fall gemäß § 2309 BGB anders als bspw. bei einem Pflichtteilsverzichtsvertrag iSd. § 2346 Abs. 2 BGB mit Erstreckungswirkung nach § 2349 BGB pflichtteilsberechtigt.3
1 DNotI-Gutachen, DNotI-Report 2014, 116 (117); Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 8 Rz. 119. 2 MünchKomm.BGB/Lange, § 2333 BGB Rz. 40; DNotI-Gutachen, DNotI-Report 2014, 116 f.; aA Prütting/Wegen/Weinreich/Deppenkemper, § 2333 BGB Rz. 6. 3 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = NJW 2011, 1878 (1879 f.) = DNotZ 2011, 866; MünchKomm.BGB/Lange, § 2336 BGB Rz. 17.
233
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
4. Streitverkündung und Hinterlegung 254
Dabei kann die Pflichtteilsentziehung auch in dem zwischen entfernterem Abkömmling und Erben anhängigen Rechtsstreit entschieden werden, da der Erbe das Risiko, den Pflichtteil aufgrund bloßer dort inter partes wirkender Rechtskraft an beide Abkömmlinge und damit doppelt bezahlen zu müssen, durch Streitverkündung iSd. § 72 ZPO samt Hinterlegung gemäß § 372 BGB lösen kann1 und sollte2. 5. Praktische Bedeutung der Pflichtteilsentziehung
255
Traditionell hat die Pflichtteilsentziehung, wie die notarielle und nachlassgerichtliche Erfahrung lehrt und Äußerungen der Literatur3 bestätigen, so gut wie keine praktische Bedeutung. Dies ist auch nach der Reform so geblieben.
256
Der Gesetzgeber der Reform hat im Anschluss an die Ausführungen des BVerfG4 mit gutem Grund darauf verzichtet, eine allgemeine Zerrüttungsoder Entfremdungsklausel5 in den Katalog der Entziehungsvoraussetzungen einzufügen. Durch eine solche Klausel wäre ohne Zweifel die praktische Bedeutung der Pflichtteilsentziehung erheblich gesteigert, aber auch die Institution des Pflichtteilsrechts insgesamt in Frage gestellt worden. 6. Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 BGB
257
Zu dieser praxiswichtigen Gestaltung s. nachfolgend 6. Kap. Rz. 160 ff.
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung I. Ausgangsproblematik 258
Die in der Praxis vielfach unterschätzte, aufgrund ihrer Komplexität besonders fehleranfällige Gestaltung durch Anordnung einer Erbausgleichung bzw. Pflichtteilsanrechnung ist äußerst praxisrelevant und hat erhebliche Bedeutung für die Realisierung einer gerechten Gesamtrechtsnachfolge auf den späteren Tod desjenigen, der noch unter Lebenden unentgeltliche Zuwendungen tätigt. Wenden bspw. Eltern ihren Kindern zu Lebzeiten Gegenstände oder Sachleistungen zu, stellt sich insbesondere die Frage, ob bzw. inwiefern diesbezüglich Auswirkungen auf eine spätere Erbauseinan1 BGH v. 13.4.2011 – IV ZR 204/09, MDR 2011, 732 = NJW 2011, 1878 (1879 f.) = DNotZ 2011, 866. 2 Lange, DNotZ 2011, 871 (874). 3 Herzog, Die Pflichtteilsentziehung – ein vernachlässigtes Institut, 2003, passim. 4 BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, BVerfGE 112, 332 = FamRZ 2005, 872 = FamRB 2005, 204 = NJW 2005, 1561 = ZEV 2005, 301 (Ziffer 82). 5 Vorgeschlagen z.B. von Lange, AcP 204 (2004), 804.
234
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
dersetzung und/oder eventuelle Pflichtteilsrechte der Zuwendungsempfänger resultieren. Dabei sind vor allem die Zuwendungsart und der Umstand maßgebend, ob und bejahendenfalls mit welchem Inhalt der zuwendende Elternteil bzw. sein Ehegatte entsprechende Anordnungen trifft. Ausgangsfall:
259
Zur Veranschaulichung soll das nachfolgende Fallbeispiel dienen, das im Zuge der weiteren Betrachtung jeweils modifiziert fortentwickelt wird: Die Eheleute F und M sind im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und haben vier gemeinsame Kinder, K1, K2, K3 und K4. Weitere Abkömmlinge sind nicht vorhanden. F tätigt zu Lebzeiten jeweils mit der Anordnung einer entsprechenden Erbausgleichungspflicht schenkweise Zuwendungen ausschließlich an K1, K2 und K3. Der Zuwendungswert beträgt unter Berücksichtigung der Inflation bis zum Erbfall bezüglich K1 200 000,00 Euro, an K2 40 000,00 Euro und hinsichtlich K3 20 000,00 Euro. F verstirbt, ohne eine Verfügung von Todes wegen zu hinterlassen. Der Nachlasswert beträgt 600 000,00 Euro. M schlägt die Erbschaft nicht aus. Diese Konstellation wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Im Vordergrund 260 stehen dabei folgende Problemfelder: – Wie wird die Erbausgleichung durchgeführt? – Was ändert sich, wenn K4 an F Pflegeleistungen erbracht hat? – Wie wirkt sich die jeweilige Erbausgleichungspflicht auf den Pflichtteil von K1, K2, K3, K4 und M aus? – Welche Auswirkungen hätten sich für den jeweiligen Pflichtteil ergeben, wenn an Stelle einer Erbausgleichungspflicht eine Pflichtteilsanrechnung bestimmt worden wäre? – Was hätte sich insoweit geändert, wenn Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung kumulativ angeordnet worden wären? – Welche Gestaltungsmöglichkeit kommt in Betracht, wenn ebenfalls K4 von F beschenkt wurde, dabei jedoch eine Pflichtteilsanrechnungsanordnung vergessen worden wäre? – Was würde gelten, wenn sich M und F gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hätten?
II. Zuwendungsart 1. Bedeutung der Differenzierung Von den in Betracht kommenden Zuwendungsarten haben insoweit ins- 261 besondere Schenkungen einerseits und Ausstattungen andererseits erhebliche praktische Relevanz. Eine diesbezügliche Differenzierung ist vor allem deshalb von entscheidender Bedeutung, weil für Ausstattungen im Gegensatz zu Schenkungen nach § 2050 Abs. 1 BGB im Rahmen der Erbausgleichung und deren pflichtteilsrechtlicher Fernwirkung iSd. § 2316 235
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Abs. 3 BGB Besonderheiten gelten, die nachstehend näher erläutert werden. Darüber hinaus unterliegen Ausstattungen anders als Schenkungen innerhalb der Übermaßgrenze – mit Ausnahme der nach § 1624 Abs. 2 BGB ausdrücklich für anwendbar erklärten schenkungsrechtlichen Sachund Rechtsmängelhaftungsregelungen – grundsätzlich nicht dem Schenkungsrecht und damit keinem Anspruch auf Rückforderung bzw. Sozialhilfezugriff nach § 528 BGB, Herausgabe, Verschaffung bzw. Wertersatz iSd. §§ 2287, 2288 BGB bzw. Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB, keinem Widerruf wegen groben Undanks iSd. § 530 BGB, keiner Verfügungsbeschränkung nach § 2113 Abs. 2 BGB und keiner Anrechnungspflicht iSd. § 2327 BGB, da Rechtsgrund insoweit keine Schenkung, sondern nach § 1624 Abs. 1 BGB eine familienrechtliche causa sui generis ist.1 Zudem kann insbesondere die Übertragung eines landwirtschaftlichen Unternehmens gegen Zusage eines Altenteils als Ausstattung nach §§ 1908, 1624 BGB ausgewogen und damit anders als eine den Verbotsregelungen der §§ 1908i, 1804 BGB unterliegende gemischte Schenkung betreuungs- familiengerichtlich genehmigungsfähig sein.2 2. Abgrenzung zwischen Ausstattung und Schenkung 262
Ausstattung iSd. § 1624 BGB ist ausschließlich das, was einem Kind von Elternseite anlässlich Heirat oder Existenzgründung zu dem aus Sicht des Zuwendenden subjektiven Hauptzweck der Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder Lebensstellung des Kindes gewährt wird,3 ohne dass es auf eine diesbezügliche objektive Erforderlichkeit ankommt.4 Ein anderer weiterer Nebenzweck, etwa derjenige der Gleichstellung mit den übrigen Kindern, steht der Ausstattungseigenschaft nicht entgegen.5 Ausstattungscharakter iSd. § 2050 Abs. 1 BGB haben insbesondere die finanzielle Hilfe zur Gründung einer beruflichen Existenz, eine Zuwendung zur Erlangung bzw. Erhaltung einer selbständigen Lebensstellung sowie die Aussteuer bei Heirat. Ein der Ausstattung diesbezüglich gleichgestellter Übermaßzuschuss iSd. § 2050 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist bspw. der Verzicht auf Mietzins und Nebenkosten gegenüber einem Kind für dessen Nutzung eines bezogen auf das Erblasservermögen unverhältnismäßig großen Wohnbereichs.6 Übermaßausbildungsaufwendung iSd. § 2050 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist bspw. die Gewährung von gemessen am Erblasservermögen überzogen hoher Unterhaltszahlungen für ein studierendes Kind.7 1 Staudinger/Hilbig-Lugani, § 1624 BGB Rz. 1; Staudinger/Olshausen, 2006, § 2325 BGB Rz. 5; Everts, MittBayNot 2011, 107 (109 f.); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 f. Jakob, AcP 207 (2007), 198 (200); Kerscher/Tanck, ZEV 2007, 354; Sailer, NotBZ 2002, 81. 2 OLG Stuttgart v. 30.6.2004 – 8 W 495/03, FamRZ 2005, 62 = BWNotZ 2004, 147 =, MittBayNot 2005, 229; Böhmer, MittBayNot 2005, 232 (233 f.). 3 RG v. 21.1.1910 – 277/09 IV, JW 1910, 237. 4 Soergel/Strätz, § 1624 BGB Rz. 8. 5 BGH v. 26.5.1965 – IV ZR 139/64, FamRZ 1965, 502 (503); Staudinger/Hilbig-Lugani, § 1624 BGB Rz. 12. 6 Everts, notar 2013, 219 (221). 7 Everts, notar 2013, 219 (221).
236
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
Im Gegensatz dazu liegt jedoch eine (ggf. gemischte) Schenkung vor, wenn 263 die Zuwendung ohne den von § 1624 BGB vorausgesetzten o.g. Hauptzweck aus reiner Freigebigkeit zu beliebigen sonstigen Zwecken, etwa ausschließlich zur Gleichstellung mit den übrigen Kindern, erfolgte.1 Ausstattungsgegenstand können alle erdenklichen Vermögenswerte aus 264 dem Bestand der Elternseite sein, insbesondere bewegliche und unbewegliche Gegenstände, Rechte und Forderungen.2 Gegenleistungen des Kindes sind solange unschädlich, als sie den Zuwendungswert unterschreiten.3 Eine Ausstattung unterliegt jedoch insoweit Schenkungsrecht, als die Zu- 265 wendung einzelfallbezogen im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse und den bisherigen Lebensstandard der Elternseite zum Zeitpunkt der Zuwendung bzw. des Zuwendungsversprechens4 nicht angemessen ist.5
III. Erbausgleichung 1. Pflicht zur Ausgleichung bei Erbauseinandersetzung Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge iSd. § 2050 BGB 266 bzw. lebzeitige besondere Leistungen von Abkömmlingen an den Erblasser sind unter den Voraussetzungen der §§ 2050 ff. BGB auf den Tod des Zuwendenden (§ 2050 BGB) bzw. Leistungsempfängers (§ 2057a BGB) im Rahmen der Erbauseinandersetzung durch Verrechnung unter denjenigen Abkömmlingen zur Ausgleichung zu bringen, die entweder nach §§ 2050, 2057a BGB als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen oder nach §§ 2052, 2057a BGB durch Verfügung von Todes wegen auf die gesetzlichen Erbteile bzw., wenn bspw. daneben weitere von der Ausgleichung nicht erfasste Erben berufen sind,6 im Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile, insoweit ggf. auch höher oder niedriger7 als nach gesetzlicher Erbfolge, somit lediglich in relativer Kongruenz statt absoluter Identität8 zu Miterben eingesetzt sind. Dabei ist es unerheblich, ob jeweils alle oder lediglich mehrere Abkömmlinge bzw. daneben noch Dritte als Erben berufen sind.9 § 2052 BGB verkörpert für die gewillkürte Erbfolge jedoch lediglich eine Vermutungsregel, für deren etwaige Widerlegung ein auslegungsverpflichteter Abkömmling beweisbelastet ist.10 1 2 3 4 5 6 7
8 9 10
RG v. 21.1.1910 – 277/09 IV, JW 1910, 237. Soergel/Strätz, § 1624 BGB Rz. 8. Jakob, AcP 207 (2007), 198 (220 f.). RG v. 13.7.1933 – IV 139/33, RGZ 141, 358 (359); BeckOK BGB/Enders, § 1624 BGB Rz. 5; Staudinger/Hilbig-Lugani§ 1624 BGB Rz. 13. Staudinger/Hilbig-Lugani§ 1624 BGB Rz. 13. MünchKomm.BGB/Ann, § 2052 BGB Rz. 2; RGRK/Kregel, § 2052 BGB Rz. 2. MünchKomm.BGB/Ann, § 2052 BGB Rz. 2; RGRK/Kregel, § 2052 BGB Rz. 2; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (95); aA Everts, notar 2013, 219 (220): nicht niedriger als nach gesetzlicher Erbfolge. MünchKomm.BGB/Ann, § 2052 BGB Rz. 2. Erman/Bayer, § 2050 BGB Rz. 4; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (95). MünchKomm.BGB/Ann, § 2052 BGB Rz. 2.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
267
Dabei ist der Zuwendungsbegriff im Rahmen der hiesigen Erbausgleichung gegenüber demjenigen für eine Pflichtteilsanrechnung insofern weitergehend, als keine Freiwilligkeit der Leistung erforderlich ist, sondern von § 2050 BGB auch Zuwendungen erfasst werden, die, wie die Formulierung „Andere Zuwendungen“ nach § 2050 Abs. 3 BGB zeigt, aufgrund einer gesetzlichen Leistungspflicht wie bspw. der Unterhaltspflicht bei Pflege erbracht werden.1
268
Andere Miterben als Abkömmlinge, insbesondere der längstlebende Ehegatte, nehmen an der Ausgleichung hingegen nicht teil. Ein Erbteilserwerber tritt jedoch auch dann in Rechte und Pflichten der Ausgleichung ein, wenn er seinerseits nicht Erbe ist.2 Gleiches gilt für Erben von Abkömmlingen iSd §§ 2050, 2052, 2057a BGB3, Gläubiger des Miterben nach Pfändung des Nachlassanteils4 und in einen Miterbenanteil vollstreckende Nachlassgläubiger.5
269
Im Gegensatz zur Pflichtteilsbestimmung nach § 2316 Abs. 1 BGB, die zur Berücksichtigung von Ausgleichungspflichten lediglich auf das Vorhandensein von Abkömmlingen abstellt (s. nachfolgend Rz. 304 ff.), ist für eine Erbausgleichung zusätzlich Voraussetzung, dass diese Abkömmlinge tatsächlich Miterben im o.g. Sinne sind. Mangels Auswirkungen auf das Erbteilsverhältnis steht der Anwendung des § 2052 BGB die Begünstigung eines Abkömmlings durch Vorausvermächtnis bzw. Auflage grundsätzlich nicht entgegen.6
270
Über die Regelungen der §§ 2050 ff. BGB hinaus kann der künftige Erblasser die Anrechnung von Vorempfängen bei der Auseinandersetzung unter Miterben ausschließlich durch Verfügung von Todes wegen und damit nicht mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden, insbesondere nicht durch Vertrag zugunsten Dritter wirksam verbindlich regeln.7 Dies gilt bspw. für nachträgliche Ausgleichungsanordnungen, eine den Ausgleichungsbetrag nach § 2055 BGB übersteigende Bewertung, die Einbeziehung des Erbteils des längstlebenden Ehegatten in die Ausgleichung und aufgrund der gesetzlichen pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen aus § 2316 Abs. 1 BGB auch für Ausgleichungsanordnungen auf den Tod des nichtzuwendenden längstlebenden Ehegatten als letztwillig eingesetztem Alleinerben des
1 RG v. 12.5.1910 – IV 411/09, RGZ 73, 372 (377); BeckOK BGB/J. Mayer, § 2316 BGB Rz. 5; NK/Bock, § 2316 BGB Rz. 12; RGRK/Kregel, § 2050 BGB Rz. 14; Staudinger/ Werner, § 2050 Rz. 17 u. Rz. 31; aA (auch für Erbausgleichung Freigebigkeit erforderlich) MünchKomm.BGB/Ann, § 2050 BGB Rz. 30; Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 10; aA (Ausgleichungspflicht nur für die über die Einstandspflicht nach Sozialhilferecht hinausgehende Zuwendung) Soergel/Dieckmann, § 2316 BGB Rz. 5. 2 Staudinger/Werner, § 2050 BGB Rz. 4. 3 Palandt/Weidlich, § 2057a BGB Rz. 3; Staudinger/Werner, § 2050 BGB Rz. 15. 4 MünchKomm.BGB/Ann, § 2050 BGB Rz. 3; Soergel/Wolf, § 2050 BGB Rz. 5. 5 MünchKomm.BGB/Ann, § 2050 BGB Rz. 3; RGRK/Kregel, § 2055 BGB Rz. 10. 6 MünchKomm.BGB/Ann, § 2052 BGB Rz. 2; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (95). 7 BGH v. 28.10.2009 – IV ZR 82/08, MDR 2010, 86 = FamRZ 2010, 27 = DNotZ 2010, 629 (630 ff.); a.A. Leipold, ZEV 2010, 34 (35 f.); Keim, DNotZ 2010, 633 (634 ff.).
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
erstversterbenden Zuwendenden.1 Umgekehrt bleibt die Vereinbarung einer Ausgleichungsverpflichtung des Zuwendungsempfängers aus dessen Eigenmitteln bei Fehlen ausreichender diesbezüglicher Nachlasswerte unter Durchbrechung der Regelung des § 2056 BGB durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zulässig, das allenfalls nach den allgemeinen Regelungen der §§ 311 b Abs. 1 bzw. 518 Abs. 1 BGB formbedürftig sein kann.2 2. Lebzeitige Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge a) Zuwendungsarten Ausstattungen iSd. § 1624 BGB (insbesondere die finanzielle Hilfe zur 271 Gründung einer beruflichen Existenz oder die Aussteuer bei Heirat; zu diesbezüglichen Einzelheiten s. oben Rz. 262), Übermaßzuschüsse und Übermaßausbildungsaufwendungen sind nach § 2050 Abs. 1 und 2 BGB kraft Gesetzes im Rahmen einer Erbauseinandersetzung auszugleichen, wenn der Zuwendende nicht vor oder spätestens bei Zuwendung eine andere Anordnung trifft. Zur gleichwohl notwendigen Anordnung bei Zuwendungen an einen entfernteren oder angenommenen Abkömmling bzw. Ersatzerben vor Wegfall des diesen ausschließenden näheren Abkömmlings bzw. Erben (s. nachfolgend Rz. 279 ff.). Für Übermaßzuschüsse und Übermaßausbildungsaufwendungen gilt dies trotz Fehlens einer ausdrücklichen diesbezüglichen Regelung aufgrund der bloßen Ergänzungsfunktion des § 2050 Abs. 2 BGB gegenüber § 2050 Abs. 1 BGB.3 Im Gegensatz dazu sind andere Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 3 BGB, ins- 272 besondere Schenkungen, nur dann im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ausgleichungspflichtig, wenn der Erblasser dies vor oder spätestens bei Zuwendung anordnet. Da der vorstehenden Einstufung einer Zuwendung nach § 2050 Abs. 1 und 273 2 BGB insbesondere als Ausstattung einerseits bzw. nach § 2050 Abs. 3 BGB vor allem als Schenkung andererseits hinsichtlich der hier maßgebenden Erbausgleichungspflicht, der damit verbundenen pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen nach § 2316 BGB (s. nachfolgend Rz. 304 ff.) sowie der eingangs skizzierten Konsequenzen aus der Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit von Schenkungsrecht erhebliche Bedeutung zukommt und speziell für Ausstattungen eine diesbezügliche eigenständige Zuwendungsabsicht erforderlich ist, sollte in der Zuwendungsurkunde ausdrücklich eine entsprechende Abgrenzung getroffen werden.4 Durch die für ab 1.1.2010 erfolgte Erbfälle in Kraft getretene Erbrechts- 274 reform hat sich an den vorstehenden Regelungen entgegen zunächst anderen Zielvorgaben nichts geändert. Der ursprüngliche Reformvorschlag, § 2050 BGB durch einen neuen Absatz 4 dahingehend zu erweitern, dass 1 2 3 4
A.A. Keim, DNotZ 2010, 633 (635). Keim, DNotZ 2010, 633 (635 f.). Palandt/Weidlich, § 2050 BGB Rz. 9. Vgl. dazu Beck’sches Notarhandbuch/Jerschke, A V Rz. 37 u. Rz. 47.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen nachträglich Anordnungen über die Ausgleichung oder den Ausschluss der Ausgleichung von Zuwendungen nach § 2316 Abs. 1 BGB mit Wirkung gegen den Pflichtteil des Zuwendungsempfängers – als aufschiebend bedingte Anordnung ist dies nach wie vor gleichwohl mit pflichtteilsrechtlicher Fernwirkung vorausvermächtnisweise durch Verfügung von Todes wegen möglich (s. nachfolgend Rz. 296) – treffen kann1, wurde unter Hinweis auf den Vertrauensschutz des Zuwendungsempfängers letztlich nicht übernommen.2 Gleiches gilt für den ursprünglichen Vorschlag, durch Neufassung des § 2278 Abs. 2 BGB Anordnungen nach §§ 2050, 2053 BGB als vertragsmäßig bindende Verfügungen eines Erbvertrages zuzulassen3. b) Erblasseranordnung 275
Entsprechende Anordnungen des Erblassers sind empfangsbedürftige Willenserklärungen und können aufschiebend – etwa durch rechtzeitig erklärten Vorbehalt für eine erst später durch Verfügung von Todes wegen erfolgende vermächtnisweise Anordnung4 – oder auflösend bedingt gestaltet sein. Sie sind zudem jeweils formfrei wirksam, im Gegensatz zu einer schuldrechtlich verpflichtenden Auflage iSd. § 525 BGB, lediglich rechtlich vorteilhaft5 und können daher ohne Ergänzungspfleger durch ein minderjähriges Kind persönlich bzw. trotz Vorliegens der übrigen Voraussetzungen des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB für ein geschäftsunfähiges Kind durch dessen Eltern wirksam entgegengenommen werden. Aus dem Umkehrschluss zu § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt sich neben der Formfreiheit weiter, dass Anordnungen, die eine Erbausgleichung betreffen, im Gegensatz zu den Erklärungen des Erblassers in einem Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag nicht höchstpersönlich abgegeben werden müssen, sondern auch mittels eines gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreters getroffen werden können, für Erklärungen des Erblassers zu einer Ausstattung ergibt sich dies angesichts der gesetzlichen Rechtsfolgen aus §§ 2050 Abs. 1, 2316 Abs. 3 BGB bereits aus den Regelungen der §§ 1624, 1908 BGB.6 Für Erklärungen des Erblassers zu einer Ausstattung, die nach § 2050 Abs. 1 BGB bei Fehlen einer anderweitiger Anordnung kraft Gesetzes zur Erbausgleichung und nach § 2316 Abs. 3 BGB selbst im Falle einer anderweitigen Bestimmung zwingend zu pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen führt, folgt dies zudem aus §§ 1624, 1908 BGB.
276
Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch, soweit der Zuwendungsvertrag nicht ohnehin notariell beurkundet wird, zumindest eine schriftliche Abfassung. In jedem Fall sollte ausdrücklich – positiv wie negativ – geregelt 1 2 3 4 5 6
Dazu Schaal/Grigas, BWNotZ 2008, 2 ff. Kritisch dazu Odersky, notar 2009, 362 f. BT-Drucks. 16/13543, S. 6. Peter, BWNotZ 1986, 28 (32); Thubauville, MittRhNotK 1992, 289 (297). BGH v. 10.11.1954 – II ZR 165/53, FamRZ 1955, 43 = NJW 1955, 1353. Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (96); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 43 (44); Everts, notar 2014, 219 (222).
240
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
werden, ob eine Ausgleichungspflicht besteht oder nicht. Zur Vermeidung unbeabsichtigter Ergebnisse sollte insbesondere eine Reduzierung auf auslegungsbedürftige Umschreibungen wie bspw. „die Zuwendung erfolgt in vorweggenommener Erbfolge“ vermieden werden.1
M 42
Varianten einer Erbausgleichungsanordnung
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendungsempfnger . . . (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Anschrift) hat den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, bei einer Erbauseinandersetzung im Sinne der §§ 2050, 2052 BGB auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), zur Ausgleichung zu bringen. Die Ausgleichungspflicht besteht auch fr Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. Alternativ: Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat hierfr bei einer Erbauseinandersetzung im Sinne der §§ 2050, 2052 BGB auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), einen Wert in Hçhe von . . . Euro ohne Inflationsausgleich zur Ausgleichung zu bringen. Die Ausgleichungspflicht besteht auch fr Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. Zusatz bei Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB: Den Beteiligten ist bekannt, dass die Zuwendung im Rahmen der Pflichtteilsbestimmung nach § 2316 Abs. 3 BGB auch insoweit mitbercksichtigt werden muss, als der angeordnete Anrechnungswert vom gesetzlichen Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB abweicht. Zusatz bei Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 3 BGB: Den Beteiligten ist bekannt, dass der den gesetzlichen Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB bersteigende Differenzbetrag zum angeordneten Anrechnungswert im Rahmen der Pflichtteilsbestimmung nach § 2316 Abs. 1 BGB nicht bercksichtigt wird, sondern insoweit ein Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkundet werden msste. Dies wird jedoch trotz Belehrung nicht gewnscht. Alternativ: Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat den Zuwendungswert bei einer Erbauseinandersetzung nicht zur Ausgleichung zu bringen. Zusatz bei Zuwendungen nach § 2050 Abs. 1 und 2 BGB: Den Beteiligten ist bekannt, dass die Zuwendung im Rahmen der Pflichtteilsbestimmung iSd § 2316 Abs. 1 BGB nach § 2316 Abs. 3 BGB trotz Ausschluss der Ausgleichung mitbercksichtigt werden muss. Sie geben den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall an.
1 BGH v. 27.1.2010 – IV ZR 91/09, MDR 2010, 634 = FamRZ 2010, 640 = DNotZ 2011, 59 (61 f.); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (96); Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 222.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
277
Für Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 3, insbesondere Schenkungen, ist im Hinblick auf die durch eine endgültige Ausgleichungsanordnung nach § 2316 Abs. 1 BGB ausgelösten pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen regelmäßig lediglich ein Ausgleichungsvorbehalt empfehlenswert.
M 43
Vorbehalt spterer Erbausgleichung1
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendende behlt sich hiermit ausdrcklich vor, durch Verfgung von Todes wegen anzuordnen, dass der Zuwendungsempfnger . . . (Name) den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, oder einen geringeren Wert bei einer Erbauseinandersetzung iSd. §§ 2050 ff. BGB auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), zur Ausgleichung zu bringen hat. Dieser Vorbehalt berechtigt auch zur Anordnung einer Ausgleichungspflicht von Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. Den Beteiligten ist bekannt, dass die Anordnung noch eine entsprechende Verfgung von Todes wegen voraussetzt, die dann zu Pflichtteilsverschiebungen iSd. § 2316 Abs. 1 BGB fhren kann. Es wird klargestellt, dass eine Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB zugrunde liegt. ...
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Nichtausgleichungsanordnungen iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB bzw. Ausgleichungsanordnungen iSd. § 2050 Abs. 3 BGB müssen daher jeweils spätestens bei Zuwendung erfolgen.2 Die Ausgleichungspflicht entsteht im Rahmen der vorstehenden Voraussetzungen bereits mit dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft unabhängig davon, ob die Zuwendung noch durch den Erblasser oder als Nachlassverbindlichkeit erst von dessen Erben erfüllt wird.3 Folgerichtig ist der Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts zugleich der späteste zulässige Zeitpunkt für eine Nichtausgleichungsanordnung iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB bzw. eine Ausgleichungsanordnung iSd § 2050 Abs. 3 BGB. Ein späterer Untergang des Zuwendungsgegenstandes beseitigt eine einmal entstandene Ausgleichungspflicht nicht.4
1 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (96). 2 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (95); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (74); Everts, notar 2014, 219 (221 f.); MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 10; Schlitt/G. Müller/Blum, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 3 Rz. 182. 3 Staudinger/Werner, § 2050 BGB Rz. 18. 4 Staudinger/Werner, § 2055 BGB Rz. 10.
242
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
c) Ausgleichungspflicht des Ersatzerben Unabhängig von der Zuwendungsart ist derjenige Abkömmling des zuwen- 279 denden Erblassers, der an Stelle eines als Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfallenden ausgleichungspflichtigen Abkömmlings des Zuwendenden tritt – bspw. die Kinder des Zuwendungsempfängers bzw. bei Kinderlosigkeit dessen Geschwister –, (§ 2051 Abs. 1 BGB) bzw. derjenige Ersatzerbe des zuwendenden Erblassers ausgleichungsverpflichtet, der aufgrund Verfügung von Todes berufen ist und kein Abkömmling des Zuwendenden ist (§ 2051 Abs. 2 BGB1). § 2051 Abs. 2 BGB sieht dies jedoch nur im Zweifel vor. Entsprechendes gilt zugunsten des Ersatzerben trotz Fehlens einer ausdrücklichen Erwähnung im Gesetzeswortlaut auch für den Übergang einer Ausgleichungsberechtigung.2 Verstirbt der ausgleichungspflichtige Abkömmling als Erbe nach, sind seine Erben kraft vererbter Ausgleichungspflicht unabhängig davon ausgleichungspflichtig, ob sie Abkömmlinge des Zuwendenden sind.3 Zur Vermeidung unbeabsichtigter Auslegungsergebnisse sollte in jedem Fall ausdrücklich – positiv wie negativ – geregelt werden, ob auch für Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB eine Ausgleichungspflicht besteht oder nicht.
M 44
Ausgleichungspflicht fr Ersatzerben
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Die Ausgleichungspflicht besteht auch fr Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. Alternativ: Die Ausgleichungspflicht besteht nicht fr Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. ...
d) Entferntere und angenommene Abkömmlinge Abweichend von § 2050 Abs. 1 BGB sieht § 2053 Abs. 1 BGB ebenfalls 280 unabhängig von der Zuwendungsart vor, dass Zuwendungen an einen entfernteren Abkömmling bzw. Ersatzerben vor Wegfall des diesen ausschließenden näheren Abkömmlings bzw. Erben nur dann ausgleichungspflichtig sind, wenn der Erblasser dies vor oder spätestens bei Zuwendung angeordnet hat. Dies gilt damit insoweit insbesondere für Ausstattungen, obwohl diese dann, wenn der Zuwendungsempfänger bei Zuwendung nächstberufener gesetzlicher Erbe wäre, auch ohne Anordnung ausgleichungspflichtig wären (s. oben Rz. 271). Gleiches sieht § 2053 Abs. 2 BGB für Zuwendungen an ein erst später iSd §§ 1741 ff. BGB angenommenes 1 Palandt/Weidlich, § 2051 BGB Rz. 2: ist ein Abkömmling Ersatzerbe, hat Abs. 1 Vorrang. 2 Staudinger/Werner, § 2051 BGB Rz. 6. 3 Palandt/Weidlich, § 2051 BGB Rz. 1.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Kind vor. Statten jedoch Großeltern ihre Enkel zur Entlastung ihres Kindes (Elternteil des Enkels) auf dessen Geheiß aus, kann dies zugleich eine Zuwendung an das Kind sein, das dann nach § 2050 Abs. 1 BGB ohne gesonderte Anordnung ausgleichspflichtig wäre.1 281
Irrt der Erblasser bei Zuwendung an den entfernteren Abkömmling über Wegfall oder Existenz des näheren erbberechtigten Abkömmlings, ist ausschließlich seine Vorstellung über die Person des unmittelbar erbberechtigten Abkömmlings maßgebend: Bei irrtümlicher Annahme eines Wegfalls des näheren erbberechtigten Abkömmlings besteht eine Ausgleichungspflicht des entfernteren Abkömmlings unter den Voraussetzungen des § 2050 Abs. 1 BGB, da die Ausnahmeregelung des § 2053 BGB nicht anwendbar ist,2 während der entferntere Abkömmling als Zuwendungsempfänger ausschließlich bei einer Anordnung iSd. § 2053 BGB ausgleichspflichtig ist, wenn der Erblasser irrtümlich an die Existenz des tatsächlich bereits weggefallenen Abkömmlings glaubte.3 3. Lebzeitige besondere Leistungen von Abkömmlingen an den Erblasser
282
Nach § 2057a BGB kann derjenige Abkömmling, der durch Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers während längerer Zeit, durch erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maß zur Erhaltung oder Vermehrung des Erblasservermögens beigetragen oder den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, unter allen im o.g. Sinn (s. oben Rz. 266 ff.) erbenden Abkömmlingen bei Erbauseinandersetzung eine Ausgleichung verlangen.
283
Im Gegensatz zur pauschalierten Berücksichtigung von Ehegattenmitarbeit über güterstandsbezogene güterrechtliche (§ 1371 Abs. 2 BGB) bzw. erbrechtliche (§ 1371 Abs. 1 iVm § 1931 Abs. 3 BGB bzw. § 1931 Abs. 4 BGB) Ausgleichsmechanismen sieht § 2057a BGB für Abkömmlinge bei Erbfällen seit dem 1.7.1970 in Anlehnung an Art. 633 des schweizerischen ZGB eine einzelfallbezogene Ausgleichung vor.4
284
Der Ausgleichungsanspruch besteht auch dann, wenn der Abkömmling bei Leistungserbringung noch durch einen näheren, jedoch später weggefallenen Abkömmling als Erbe verdrängt war. § 2053 BGB findet weder direkt noch analog Anwendung, da nunmehr im Gegensatz zur Ausgleichung einer Erblasserzuwendung der Abkömmling Leistender ist.5 Der an 1 Staudinger/Werner, § 2053 BGB Rz. 6. 2 Erman/Bayer, 12. Aufl. 2008, § 2053 BGB Rz. 1; Staudinger/Werner, § 2053 BGB Rz. 6; MünchKomm.BGB/Ann, § 2053 BGB Rz. 3 in Abkehr zur entgegengesetzten Ansicht von MünchKomm.BGB/Heldrich, 4. Aufl. 2004, § 2053 BGB Rz. 3. 3 Erman/Bayer, § 2053 BGB Rz. 1; Staudinger/Werner, § 2053 Rz. 6; MünchKomm.BGB/ Ann, § 2053 BGB Rz. 3 in Abkehr zur entgegengesetzten Ansicht von MünchKomm.BGB/Heldrich, 4. Aufl. 2004, § 2053 BGB Rz. 3. 4 Erman/Bayer, § 2057a BGB Rz. 2 und 3 mit Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur zum schweizerischen Recht als diesbezügliche Auslegungshilfe. 5 Erman/Bayer, § 2057a BGB Rz. 4; Staudinger/Werner, § 2057a BGB Rz. 21; MünchKomm.BGB/Ann, § 2057a BGB Rz. 7; aA Palandt/Weidlich, § 2057a BGB Rz. 3.
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
die Stelle eines wegfallenden, ansonsten jedoch iSd § 2057a BGB ausgleichungsberechtigten Abkömmlings tretende Abkömmling ist jedoch seinerseits analog § 2051 BGB ausgleichungsberechtigt1 wie auch der Erbe eines ausgleichsberechtigten Miterben.2 Durch die Erbrechtsreform wurde der Ausgleichungsanspruch für Pflege- 285 leistungen dadurch spürbar begünstigt, dass im Gegensatz zu § 2057a Abs. 2 BGB aF für ab dem 1.1.2010 eintretende Erbfälle ein Verzicht des pflegenden Abkömmlings auf berufliches Einkommen während der Pflegezeit nicht mehr erforderlich ist. Dies gilt nach Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB auch für vor dem 1.1.2010 erbrachte Pflegeleistungen.3 Nach wie vor beschränkt sich der Ausgleichsanspruch jedoch auf Abkömmlinge, da der ursprüngliche Reformvorschlag nach § 2057b BGB-E einer Anspruchserweiterung auf alle gesetzlichen Erben4 nicht übernommen wurde. Der Ausgleichanspruch setzt keine höchstpersönliche Leistung des Erblas- 286 sers voraus. In Anlehnung an die Vorbildnorm nach Art. 633 ZGB (Schweiz) kann auch die im Auftrag des Abkömmlings geleistete Mitarbeit des Ehegatten, von Familienangehörigen und Dritten (bspw. Hilfskräften) ausreichend sein.5 Einzelheiten sind diesbezüglich jedoch noch unklar. Soweit der Erblasser diesbezüglich eine Ausgleichung wünscht, empfiehlt sich daher eine ausdrückliche testamentarische Regelung mit hilfsweisem Vorausvermächtnis,6 das jedoch anders als die originäre Ausgleichung nach § 2057a BGB nicht an der pflichtteilsrechtlichen Fernwirkung iSd § 2316 BGB teilhat und zudem im Hinblick auf das Höchstpersönlichkeitspostulat des § 2065 Abs. 2 BGB mit Ausnahme der Tatbestände aus §§ 2151, 2152 BGB nur dann Bestand haben dürfte, wenn der Erblasser die Pflegeperson selbst ausgewählt hat.7
M 45
Pflegeausgleichungsanordnung mit hilfsweisem Vorausvermchtnis8
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit stelle ich klar, dass zugunsten desjenigen Abkçmmlings, der mich pflegt und beerbt, eine Erbausgleichung iSd. § 2057a BGB stattzufinden hat. Soweit dies nach den gesetzlichen Voraussetzungen ausgeschlossen ist, steht
1 Erman/Bayer, § 2057a BGB Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2057a BGB Rz. 3; Damrau, FamRZ 1969, 580. 2 Palandt/Weidlich, § 2057a BGB Rz. 3. 3 Palandt/Ellenberger, Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB Rz. 4. 4 Dazu Schaal/Grigas, BWNotZ 2008, 2, 6 f. 5 Erman/Bayer, § 2057a BGB Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 2057a BGB Rz. 5; Soergel/Wolf, § 2057a BGB Rz. 4. 6 Odersky, notar 2009, 362 (363). 7 OLG Frankfurt v. 13.2.1995 – 20 W 394/94, DNotZ 1996, 56 (58); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (97). 8 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (97).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
diesem Abkçmmling fr dessen Pflegeleistung der entsprechende hypothetische Ausgleichungswert vorausvermchtnisweise zu. Dieser Anspruch besteht jedoch nur insoweit, als der berechtigte Abkçmmling bzw. ein von diesem beauftragter Dritter fr die Pflegeleistung kein angemessenes Entgelt erhalten hat. Sollte der Abkçmmling die Pflege nicht persçnlich leisten, gelten entsprechende Leistungen Dritter, die von ihm auf seine Kosten beauftragt wurden, als von ihm selbst erbracht. Ehegatten, Partner oder Abkçmmlinge von Abkçmmlingen iSd. § 2057a BGB gelten dabei im Zweifel als in diesem Sinne beauftragt. Ich habe . . . (Name des Abkçmmlings), im Verhinderungsfall ersatzweise . . . (Name eines weiteren Abkçmmlings – ggf. weiter staffeln) bereits persçnlich zu meiner Pflegeperson bestimmt.
287
Eine Ausgleichung entfällt hingegen kraft Gesetzes nach § 2057a Abs. 2 BGB, wenn für die Leistungen ein angemessenes Entgelt gewährt bzw. vereinbart wurde oder soweit dem Abkömmling hierfür ein Anspruch aus anderem Rechtsgrund, insbesondere ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht. Dieser Ausschluss gilt jedoch nach dem Normzweck des § 2057a BGB nicht, wenn derartige Ansprüche faktisch nicht durchsetzbar1 bzw. verjährt sind2. Erlöschen aus einem anderen Rechtsgrund bestehende Ansprüche hingegen durch Verzicht oder Verwirkung, ist aufgrund des widersprüchlichen Verhaltens des pflegenden Abkömmlings kein Ausgleichungsanspruch aus § 2057a BGB eröffnet.3
288
Für die anspruchsbegründenden Tatsachen nach § 2057a Abs. 1 BGB ist der Ausgleichungsberechtigte, für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes, insbesondere die Gegenleistung eines angemessenen Entgelts an den Anspruchsteller, ist hingegen der Ausgleichungspflichtige darlegungs- und beweisbelastet.4
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Der Erblasser kann eine gesetzlich bestehende Ausgleichungspflicht zugunsten der dadurch beschwerten Abkömmlinge durch Verfügung von Todes wegen vorausvermächtnisweise einschränken oder ausschließen.5 Derartige Gestaltungsmittel nehmen jedoch anders als gesetzlich vorgesehene Maßnahmen nach § 2057a Abs. 2 BGB nicht an der pflichtteilrechtlichen Fernwirkung iSd § 2316 Abs. 1 BGB teil, da andernfalls die zwingenden Formvorschriften für Pflichtteilsverzichtsverträge nach §§ 2347, 2348 BGB umgangen würden (s. nachfolgend Rz. 310).6
1 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (97 f.); MünchKomm.BGB/Ann, § 2057a BGB Rz. 31. 2 Soergel/Wolf, § 2057a BGB Rz. 15; Staudinger/Werner, § 2057a BGB Rz. 23; aA MünchKomm.BGB/Ann, § 2057a BGB Rz. 31. 3 Soergel/Wolf, § 2057a BGB Rz. 15. 4 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (98); Petersen, ZEV 2000, 432. 5 Erman/Bayer, § 2057a BGB Rz. 8; Palandt/Weidlich, § 2057a BGB Rz. 1. 6 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (98).
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
M 46
Ausschluss einer Pflegeausgleichung1
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit schließe ich jegliche eventuelle Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen iSd. § 2057a BGB aus. Vorausvermchtnisweise sind alle Abkçmmlinge iSd. §§ 2057a, 2052 BGB so zu stellen, als gbe es keine Ausgleichungspflicht iSd. § 2057a BGB. Mir ist bekannt, dass derartige Leistungen gleichwohl im Rahmen der Pflichtteilsbestimmung nach § 2316 BGB bercksichtigt werden.
4. Berechnung der Ausgleichung a) Für Zuwendungen des Erblassers an Abkömmlinge Die Erbausgleichung von Zuwendungen wird in mehreren Schritten durch- 290 geführt. Zunächst sind von dem nach Abzug aller Nachlassverbindlichkeiten verbleibenden Nettonachlass diejenigen Erbteile herauszurechnen, die auf andere Personen als die nach den §§ 2050, 2052 BGB der Ausgleichung unterliegenden Abkömmlinge, insbesondere auf den längstlebenden Ehegatten, entfallen, so dass sich der Ausgleichungsnachlass ergibt, der den an der Erbausgleichung teilnehmenden Abkömmlingen verbleibt. Sodann werden dem Ausgleichungsnachlass alle zur Ausgleichung zu bringenden Zuwendungen hinzugerechnet. Anschließend ist gem. § 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB für jeden einzelnen dieser Abkömmlinge dessen rechnerischer Anteil an dem so erhöhten Ausgleichungsnachlass zu ermitteln. Dabei bleiben Abkömmlinge, die zu Lebzeiten mehr als diesen Anteil erhalten haben, nach § 2056 Satz 2 BGB außer Betracht. Der sie betreffende Zuwendungswert wird vom Ausgleichungsnachlass wieder abgezogen. Ihre Erbquote wird bei der Ausgleichung nicht mehr berücksichtigt. Sie müssen jedoch nach § 2056 Satz 1 BGB den Mehrbetrag nicht herausgeben, wobei ihnen gegenüber jedoch eventuelle Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB bestehen können (s. oben Rz. 89 ff.). In einem letzten Schritt wird die Zuwendung auf den rechnerischen Teil gem. § 2055 Abs. 1 Satz 1 BGB angerechnet. Daraus ergibt sich der gesetzliche Erbanspruch.2 Der Nachlasswert wird nach dem Zeitpunkt des Erbfalls ermittelt.3 So- 291 weit der Erblasser diesbezüglich nichts anderes anordnet, bestimmt sich der Wert der ausgleichungspflichtigen Zuwendung gem. § 2055 Abs. 2 BGB nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Zuwendung unter zusätzlicher Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes zwischen Zuwendung
1 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (98). 2 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (98). 3 BGH v. 30.10.1985 – IVa ZR 26/84, MDR 1986, 208 = FamRZ 1986, 156 = NJW 1986, 931 (932); Erman/Bayer, § 2055 BGB Rz. 2; Palandt/Weidlich, § 2055 BGB Rz. 3; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (98); Meincke, AcP 178, 59; aA Staudinger/Werner, § 2055 BGB Rz. 1; MünchKomm.BGB/Ann, § 2055 Rz. 12: Zeitpunkt der Auseinandersetzung.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
und Erbfall gemäß Lebenshaltungskostenindex.1 Da die Regelung des § 2055 Abs. 2 BGB dispositiv ist,2 darf der Erblasser auch einen niedrigeren Wert für maßgebend erklären, zumal er die für Ausstattungen, Übermaßzuschüsse und Übermaßausbildungsaufwendungen vorgesehene Ausgleichung nach § 2050 Abs. 1 und 2 BGB sogar gänzlich ausschließen bzw. in den Fällen des § 2050 Abs. 3 BGB auf die Anordnung einer Ausgleichung vollständig verzichten kann. Er ist daher auch berechtigt, die Erbausgleichung zu einem höheren als dem von § 2055 Abs. 2 BGB vorgesehenen Wert anzuordnen.3 Derartige Anordnungen lösen dann jedoch keine pflichtteilsrechtliche Fernwirkung aus und bleiben insoweit bei der Pflichtteilsbestimmung iSd. § 2316 Abs. 1 BGB unbeachtlich, wenn ein Fall des § 2316 Abs. 3 BGB vorliegt (s. nachfolgend Rz. 310 f.) bzw. abweichend von § 2055 Abs. 2 BGB ein den Zuwendungswert übersteigender Ausgleichungswert vereinbart wird, damit nicht indirekt durch die Hintertür der Erbausgleichungspflicht die zwingenden Formvorschriften für Pflichtteilsverzichtsverträge nach §§ 2347, 2348 BGB umgangen werden können (s. nachfolgend Rz. 310 f.). 292
Entwicklung des Ausgangsfalls: Im o.g. Fallbeispiel (s. oben Rz. 259) ist die gesetzliche Erbfolge maßgebend. Es erben M zu 1/2 sowie K1, K2, K3 und K4 jeweils zu 1/8. Vorab ist der auf M entfallende Anteil iHv 300 000,00 Euro vom Nachlasswert abzuziehen, da der Ehegatte nach § 2050 BGB nicht an der Ausgleichung teilnimmt. Zum verbleibenden Ausgleichungsnachlass von 300 000,00 Euro werden nach § 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB alle drei Zuwendungswerte von insgesamt 260 000,00 Euro hinzugerechnet. Da K1 mit 200 000,00 Euro vorab bereits mehr als das der Erbquote entsprechende Drittel an diesem Zwischenwert von 560 000,00 Euro erhalten hat, scheidet es nach § 2056 Satz 2 BGB samt seiner Erbquote und seinem Zuwendungswert aus der Ausgleichung aus, ohne den Mehrwert erstatten zu müssen (§ 2056 Satz 1 BGB), wobei ihm gegenüber eventuelle Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB bestehen können (s. oben Rz. 90 ff.). Der Zwischenwert von 560 000,00 Euro reduziert sich daher auf 360 000,00 Euro. Hieran sind K2, K3 und K4 zu gleichen Teilen, mithin iHv. jeweils 120 000,00 Euro berechtigt. Darauf müssen sich K2 und K3 jedoch ihren jeweiligen Vorempfang von 40 000,00 Euro bzw. 20 000,00 Euro anrechnen lassen, so dass K2 1 BGH v. 4.7.1975 – IV ZR 3/74, MDR 1975, 916 = NJW 1975, 1831 (1832); Erman/Bayer, § 2055 BGB Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2055 BGB Rz. 3; MünchKomm.BGB/Ann, § 2055 BGB Rz. 15; aA Staudinger/Werner, § 2055 BGB Rz. 8: Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zuwendung unter zusätzlicher Berücksichtigung der Wertsteigerung des betroffenen Nachlassgegenstandes; aA Krug, ZEV 2000, 41: Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes zwischen Zuwendung und Erbauseinandersetzung gemäß Lebenshaltungskostenindex. 2 MünchKomm.BGB/Ann, § 2055 BGB Rz. 16; Staudinger/Werner, § 2055 BGB Rz. 12. 3 OLG Hamm v. 10.12.1965 – 6 U 222/65, MDR 1966, 330; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 244; aA Wegmann, Grundstücksüberlassung, Fn. 389: gesetzeswidrig wegen Unzulässigkeit eines dadurch faktisch erzielten gegenständlich beschränkten Erbverzichts.
248
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
80 000,00 Euro, K3 100 000,00 Euro und K4 120 000,00 Euro aus dem Ausgleichungsnachlass von 300 000,00 Euro zustehen. b) Für besondere Leistungen von Abkömmlingen an den Erblasser Nach § 2057a Abs. 3 BGB ist die bei Erbauseinandersetzung durchzufüh- 293 rende Ausgleichung für besondere Leistungen eines Abkömmlings nach Billigkeitskriterien mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen sowie auf den Nachlasswert zu ermitteln. In Anlehnung an die schweizerische Rechtsprechung zu Art. 633 ZGB (Schweiz) muss dabei insbesondere auf den Umfang der durch die Leistungen bedingten Einbußen bei der eigenen Erwerbstätigkeit des ausgleichsberechtigten Abkömmlings abgestellt werden.1 Hier ist ein erhebliches Streitpotential zu erwarten.2 Nach einem Vorwegabzug der Erbteile anderer Personen als der nach den 294 §§ 2057a, 2052 BGB der Ausgleichung unterliegenden Abkömmlinge (insbesondere des längstlebenden Ehegatten) wird nach § 2057a Abs. 4 BGB anders als bei der Zuwendungsausgleichung iSd. § 2055 BGB von dem auf die verbleibenden Erbteile entfallenden Restnachlasswert der Wert der besonderen Leistungen aller iSd. § 2057a BGB ausgleichungsberechtigten Abkömmlinge abgerechnet. Sodann wird der Wert des verbleibenden Restnachlasses auf die Abkömmlinge im Verhältnis ihrer Erbquoten verteilt. Abschließend wird für jeden ausgleichungsberechtigten Abkömmling dessen jeweiliger Ausgleichungsbetrag hinzugerechnet. Entwicklung des Ausgangsfalls:
295
Wird das o.g. Fallbeispiel (vgl. oben Rz. 259 und Rz. 292) dahingehend abgewandelt, dass K4 an F besondere Leistungen iSd. § 2057a BGB iHv. 30 000,00 Euro erbracht hat, reduziert dieser Betrag den maßgebenden erhöhten Ausgleichungsnachlass von 360 000,00 Euro auf 330 000,00 Euro. Daran sind K2, K3 und K4 zu gleichen Teilen, mithin iHv. jeweils 110 000,00 Euro berechtigt. K2 und K3 müssen sich jedoch ihren jeweiligen Vorempfang von 40 000,00 Euro bzw. 20 000,00 Euro darauf anrechnen lassen, so dass K2 70 000,00 Euro, K3 90 000,00 Euro und K4 110 000,00 Euro zustehen. Nach § 2057a Abs. 4 Satz 1 BGB erhält K4 zusätzlich den Ausgleichungsbetrag von 30 000,00 Euro. Insgesamt stehen damit K2 70 000,00 Euro, K3 90 000,00 Euro und K4 140 000,00 Euro aus dem Ausgleichungsnachlass von 300 000,00 Euro zu. 5. Nachträgliche Anordnungen a) Rechtzeitig aufgrund Vorbehalts Hat sich der Erblasser spätestens bei Zuwendung eine Nichtausglei- 296 chungsanordnung iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB bzw. eine Ausgleichungs1 Erman/Bayer, § 2057a BGB Rz. 9; Knur, FamRZ 1970, 277. 2 Odersky, notar 2009, 362 (363).
249
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
anordnung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB vorbehalten, gilt dies als bereits getroffene, um die spätere letztwillige Umsetzung aufschiebend bedingte Erklärung, da sich der Zuwendungsempfänger von Anfang an auf die Rechtsfolgen der Ausgleichung für den Fall des Bedingungseintritts einstellen und diese im Rahmen seiner Entscheidung über die Zuwendungsannahme mit berücksichtigen kann. Es handelt sich daher um keine im engeren Sinne nachträgliche, sondern vielmehr um eine rechtzeitige Anordnung, die anders als entsprechende Vermächtnisse ohne Vorbehalt unmittelbare Auswirkungen auf die Erbausgleichung hat. 297
Gleiches gilt für eine auflösende Bedingung, wenn sich der Erblasser spätestens bei Zuwendung vorbehält, seine Ausgleichungsanordnung wieder aufzuheben.1
298
Der Bedingungseintritt kann dabei jeweils ausschließlich durch eine Verfügung von Todes wegen – dann vorausvermächtnisweise – ausgelöst werden, die dem Zuwendungsempfänger im Gegensatz zur Erklärung des Vorbehalts nicht zugehen muss.2 Eine nachträgliche Anordnung durch Rechtsgeschäft unter Lebenden ist nicht möglich.3
299
Es sollte jeweils klargestellt werden, dass dieses Vorausvermächtnis im Ersatzerbfall auch den Ersatzerben zusteht.
M 47
Vorausvermchtnisweise Erbausgleichungsanordnung aufgrund Vorbehalts4
(Form: Verfgung von Todes wegen) Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), habe ich an . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) als sonstige Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB ohne Gegenleistung bertragen und mir dabei eine sptere Ausgleichungsordnung vorbehalten. Von diesem Vorbehalt mache ich hiermit Gebrauch und ordne nunmehr eine entsprechende Ausgleichungspflicht dergestalt an, dass . . . (Name) den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB, den ich klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall feststelle, bei einer Erbauseinandersetzung im Sinne der §§ 2050, 2052 BGB auf meinen Tod zur Ausgleichung zu bringen hat. Diese Anordnung soll auch fr und gegen Ersatzerben gelten. Mir ist bekannt, dass die Ausgleichungsanordnung nach § 2316 Abs. 1 BGB zu Pflichtteilsverschiebungen fhren kann.
1 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 228. 2 J. Mayer, ZEV 1996, 441 (445). 3 BGH v. 28.10.2009 – IV ZR 82/08, FamRZ 2010, 27 = DNotZ 2010, 629 = ZEV 2010, 33 (34); RG v. 1.10.1917 – IV 182/17, RGZ 90, 419 (422); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (99); Staudinger/Werner, § 2050 BGB Rz. 33. 4 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (99).
250
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
M 48
Vorausvermchtnisweise Erbausgleichungsaufhebung aufgrund Vorbehalts
(Form: Verfgung von Todes wegen) Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), habe ich an . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) ohne Gegenleistung bertragen, zugleich angeordnet, dass dieser den Wert der Zuwendung bei einer knftigen Erbauseinandersetzung auf meinen Tod nach den §§ 2050, 2052 BGB zur Ausgleichung zu bringen hat und mir dabei eine sptere Aufhebung dieser Ausgleichungsordnung vorbehalten. Von diesem Vorbehalt mache ich hiermit Gebrauch und ordne nunmehr die Aufhebung dieser Ausgleichungspflicht an. Diese Anordnung soll auch fr und gegen Ersatzerben gelten.
Eine aufschiebend bedingte Ausgleichungsanordnung iSd. § 2050 Abs. 3 300 BGB löst nach Bedingungseintritt anders als entsprechende Vermächtnisse ohne Vorbehalt zudem gem. § 2316 Abs. 1 BGB pflichtteilsrechtliche Fernwirkungen aus,1 soweit nicht von den gesetzlichen Vorgaben bspw. durch Festsetzung eines § 2055 Abs. 2 BGB übersteigenden Ausgleichswertes abgewichen wird (s. nachfolgend Rz. 310). Gleiches muss auch für eine um die vorbehaltene spätere Aufhebung oder anderweitig auflösend bedingte oder für eine um den Eintritt gewillkürter Erbfolge bedingte Anordnung gelten.2 Im Gegensatz dazu bewirkt bei einer Nichtausgleichungsanordnung iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB selbst ein rechtzeitiger Vorbehalt angesichts der Ausschlussregelung des § 2316 Abs. 3 BGB (s. nachfolgend Rz. 308) keine Pflichtteilsverschiebung.3 b) Verspätet mangels Vorbehalt Fehlt ein entsprechender Vorbehalt, vermag der Erblasser zwar nicht un- 301 mittelbar auf die Erbausgleichung und damit auch nicht auf die Pflichtteilsbestimmung iSd. § 2316 Abs. 1 BGB einzuwirken. Stattdessen kann er jedoch durch eine Verfügung von Todes wegen vorausvermächtnisweise anordnen, dass der von ihm Begünstigte so gestellt wird, als wäre die Anordnung rechtzeitig erfolgt. Der Erblasser kann dies jedoch nicht ersatzweise durch Rechtsgeschäft un- 302 ter Lebenden erreichen, sondern ist insoweit auf eine Verfügung von Todes wegen beschränkt.4 Ist der Erblasser nicht mehr testierfähig, kommt ggf. 1 2 3 4
Staudinger/Haas, § 2316 BGB, Rz. 11; J. Mayer, ZEV 1996, 441 (443 ff.). Beck’sches Notarhandbuch/Jerschke, A V Rz. 90. Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (99). BGH v. 28.10.2009 – IV ZR 82/08, FamRZ 2010, 27 = DNotZ 2010, 629 = ZEV 2010, 33 (34); RG v. 1.10.1917 – IV 182/17, RGZ 90, 419 (422); Staudinger/Werner, § 2050 BGB Rz. 33.
251
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
ein notariell zu beurkundender, jedoch rein schuldrechtlich wirkender Erbschaftsvertrag iSd. § 312 Abs. 2 BGB zwischen den künftigen gesetzlichen Erben über die Ausgleichungspflicht und möglicherweise ein Erlassvertrag iSd. § 397 BGB in Betracht.1 303
Pflichtteilsrechte bleiben davon jedoch unberührt, da verspätete Anordnungen keine abweichende pflichtteilsrechtliche Fernwirkung auslösen können. Gleichzeitig sollte jeweils klargestellt werden, dass dieses Vorausvermächtnis im Ersatzerbfall auch den Ersatzerben zusteht.
M 49
Vorausvermchtnisweise nicht vorbehaltene Erbausgleichungsanordnung2
(Form: Verfgung von Todes wegen) Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), habe ich an . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) ohne Gegenleistung als sonstige Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB bertragen und dabei eine erbrechtliche Ausgleichungspflicht weder angeordnet noch vorbehalten. Dies mçchte ich nunmehr faktisch nachholen. Daher wird . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings), ersatzweise der an seiner Stelle berufene Ersatzerbe, zugunsten aller anderen Miterben, hilfsweise deren Ersatzerben, mit einem Vorausvermchtnis dahingehend belastet, dass diese jeweils einen Geldbetrag in der Hçhe erhalten, der einem Ausgleichungsanspruch nach §§ 2050 ff. BGB wegen der o.g. bertragung auch gegenber Ersatzerben entsprochen htte.
M 50
Vorausvermchtnisweise nicht vorbehaltene Erbausgleichungsaufhebung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), habe ich an . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) als sonstige Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB ohne Gegenleistung bertragen und zugleich angeordnet, dass . . . (Vor- und Nachname des Zuwendungsempfngers) den Wert der Zuwendung bei einer knftigen Erbauseinandersetzung auf meinen Tod erbrechtlich zur Ausgleichung zu bringen hat. Diese Ausgleichungspflicht soll nunmehr mittelbar beseitigt werden. Daher werden alle anderen Miterben mit einem Vorausvermchtnis zugunsten . . . (Vor- und Nachname des Zuwendungsempfngers), ersatzweise des an seiner Stelle berufenen Ersatzerben, dergestalt beschwert, dass das seinerzeit mit einer erbrechtlichen Ausgleichungspflicht bertragene Wohnungseigentum abwei1 J. Mayer, ZEV 1996, 441 (445 f.); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (100). 2 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (100).
252
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
chend von den dortigen Anordnungen erbrechtlich bei einer Erbauseinandersetzung nicht nach den §§ 2050 ff. BGB zur Ausgleichung zu bringen ist. . . . (Vor- und Nachname des Zuwendungsempfngers) ist stattdessen so zu stellen, als sei eine derartige erbrechtliche Ausgleichungspflicht niemals angeordnet worden.
IV. Auswirkungen der Erbausgleichung auf Pflichtteilsquoten Erbausgleichungspflichten nach § 2050 BGB und Erbausgleichungsansprü- 304 che nach § 2057a BGB sind nach § 2316 Abs. 1 BGB bei der Bestimmung des Pflichtteils eines Abkömmlings mit zu berücksichtigen und entfalten daher zusätzlich zwingende pflichtteilsrechtliche Fernwirkungen.1 Insoweit kommt es zwischen pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen aufgrund einer ausgleichungsbedingten Veränderung des jeweiligen Erbanspruchs regelmäßig zu Pflichtteilsverschiebungen, die sich grundsätzlich zulasten eines Zuwendungsempfängers iSd. § 2050 BGB pflichtteilsmindernd bzw. zugunsten eines Zuwendenden iSd. § 2057a BGB pflichtteilserhöhend auswirken. Die zur Pflichtteilsverschiebung führende Ausgleichung erfasst ausschließlich die einer fiktiven gesetzlichen Erbfolge unterliegenden Nachlassteile von Abkömmlingen iSd. § 2316 BGB und damit keine Nachlassteile, die auf andere Pflichtteilsberechtigte (bspw. den längstlebenden Ehegatten) entfallen.2 Dies gilt entgegen §§ 2050, 2057a BGB unabhängig von der tatsächlichen 305 Erbfolge und damit sogar dann, wenn kein oder nur ein Abkömmling Erbe geworden ist,3 jedoch mindestens zwei Abkömmlinge existieren, die bei hypothetischer gesetzlicher Erbfolge Miterben wären und daher einer Erbausgleichungspflicht unterliegen würden.4 Im Gegensatz zur Erbausgleichungspflicht nach § 2050 BGB bzw. zum Erbausgleichungsanspruch gem. § 2057a BGB setzt die Pflichtteilsbestimmung nach § 2316 Abs. 1 BGB damit keine tatsächliche, sondern lediglich eine hypothetische gesetzliche Erbenstellung von mindestens zwei Abkömmlingen voraus und erfolgt unter Berücksichtigung einer fiktiven Erbausgleichung auch dann, wenn tatsächlich keine Erbausgleichungspflicht besteht. Abkömmlinge sind dabei nach § 2310 Satz 1 BGB auch dann als vorhan- 306 den iSd. § 2316 Abs. 1 BGB mitzuzählen, wenn sie durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen sind, die Erbschaft ausgeschlagen haben, für erbunwürdig erklärt wurden oder aufgrund Pflichtteilsentziehung bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrages nicht pflichtteilsberechtigt sind.5 Unberücksichtigt bleiben nach §§ 2310 Satz 2, 2316 Abs. 1 Satz 2 BGB le-
1 2 3 4 5
J. Mayer, ZEV 1996, 441 (442). MünchKomm.BGB/Lange, § 2316 BGB Rz. 1; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (100). Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 3. Erman/Röthel, § 2316 BGB Rz. 2. Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 3.
253
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
diglich durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossene Abkömmlinge. 307
Der Anwendungsbereich des § 2316 BGB ist nicht nur zugunsten enterbter pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge, sondern auch zu deren Lasten und gleichzeitig zugunsten erbender anderer Abkömmlinge eröffnet, die sich auf eigene Ausgleichungsansprüche aus § 2057a BGB bzw. auf Ausgleichungspflichten der den Pflichtteil geltend machenden Abkömmlinge aus § 2050 BGB berufen.1
308
Ausstattungen, Übermaßzuschüsse und Übermaßausbildungsaufwendungen iSd. § 2050 Abs. 1 und Abs. 2 BGB müssen nach § 2316 Abs. 3 BGB bei der Pflichtteilsbestimmung iSd. § 2316 Abs. 1 BGB selbst dann, wenn aufgrund rechtzeitiger abweichender Anordnung keine bzw. eine für den Zuwendungsempfänger günstigere erbrechtliche Ausgleichungspflicht iSd. §§ 2050, 2052 BGB eintritt, insoweit zwingend berücksichtigt werden, als ein Pflichtteilsberechtigter hierdurch einen Nachteil erfährt. Der Pflichtteil wird insoweit auf der Basis fiktiver Erbausgleichung ermittelt. Obwohl sich der Wortlaut des § 2316 Abs. 3 BGB alleine auf § 2050 Abs. 1 BGB bezieht, gilt § 2050 Abs. 2 BGB wegen seiner bloßen Ergänzungsfunktion gleichwohl als von § 2316 Abs. 3 BGB miterfasst.2
309
Dagegen sind sonstige Zuwendungen, insbesondere Schenkungen, nach § 2316 Abs. 1 BGB im Rahmen der Pflichtteilsbestimmung nur dann maßgebend, wenn zugleich aufgrund rechtzeitiger Anordnung des Erblassers eine Ausgleichungspflicht iSd. § 2050 Abs. 3 BGB besteht. In diesen Fällen ist daher ein tatsächliches Bestehen einer Ausgleichungspflicht zwingende Voraussetzung für eine Berücksichtigung bei der Pflichtteilsbestimmung. Eine derartige rechtzeitige Anordnung besteht ausnahmsweise auch dann, wenn sie aufgrund eines bis zur Zuwendung erklärten Vorbehalts durch erst später zu treffende Verfügung von Todes wegen aufschiebend bedingt erfolgt,3 da insoweit der Vorbehalt maßgebend ist.
310
Soweit anderweitige (bspw. iSv. § 2050 Abs. 3 BGB nicht rechtzeitig vorbehaltene bzw. § 2057a BGB betreffende) Änderungen im Rahmen der Ausgleichung erst durch Verfügung von Todes erreicht werden, nehmen diese nicht an der pflichtteilsrechtlichen Fernwirkung iSd. § 2316 Abs. 1 BGB teil.4 Gleichermaßen bleibt insoweit bei der Pflichtteilsbestimmung iSd. § 2316 Abs. 1 BGB auch ein abweichend von § 2055 Abs. 2 BGB vereinbarter, den Zuwendungswert übersteigender Ausgleichungswert unbeachtlich, damit nicht indirekt durch die Hintertür der Erbausgleichungs1 BGH v. 9.12.1992 – IV ZR 82/92, MDR 1993, 452 = FamRZ 1993, 535 = NJW 1993, 1197; OLG Nürnberg v. 25.2.1992 – 1 U 3542/91, NJW 1992, 2303; MüKo.BGB/Lange, § 2316 BGB Rz. 3; Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 16; aA OLG Stuttgart v. 14.9.1988 – 4 U 45/88, DNotZ 1989, 184, 185 m. abl. Anm. Cieslar, DNotZ 1989, 185 (186). 2 Palandt/Weidlich, § 2316 BGB Rz. 2; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (100). 3 Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 11; J. Mayer, ZEV 1996, 441 (443 ff.); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (100 f.). 4 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 279.
254
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
pflicht die zwingenden Formvorschriften für Pflichtteilsverzichtsverträge nach §§ 2347, 2348 BGB umgangen werden.1 Insoweit können Pflichtteilsrechte jeweils ausschließlich durch förmli- 311 chen Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen Erblasser und betroffenem Berechtigten, der dann gegenständlich beschränkt werden sollte, reduziert werden. Da die Erbausgleichungsanordnung für Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 3 312 BGB sogar bei bloßer hypothetischer gesetzlicher Erbenstellung von mindestens zwei Abkömmlingen trotz einer tatsächlich davon abweichenden gewillkürten Erbfolge zu irreparablen Pflichtteilsverschiebungen führen kann (s. oben Rz. 304), sollte die spätestens bei Zuwendung getroffene oder vorbehaltene und anschließend durch Vermächtnis ausgelöste Ausgleichungsanordnung ausdrücklich vorsehen, dass die Ausgleichung nicht bei gewillkürter, sondern ausschließlich bei gesetzlicher Erbfolge zu erfolgen hat.2 Für Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB verhindert eine entsprechende Nichtausgleichungsanordnung die Pflichtteilsfernwirkungen nach § 2316 Abs. 3 BGB jedoch nicht, soweit dies einen Pflichtteilsberechtigten benachteiligen würde. Die Ausgleichung sollte dabei im Hinblick auf die Auslegungsregel des § 2052 BGB auch ausdrücklich für den Fall ausgeschlossen bleiben, dass die gewillkürte Erbeinsetzung der gesetzlichen Erbfolge entspricht.3
M 51
Auf gesetzliche Erbfolge beschrnkte Erbausgleichungsanordnung
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, bei einer Erbauseinandersetzung iSd. §§ 2050 ff. BGB ausschließlich bei Eintritt gesetzlicher Erbfolge zur Ausgleichung zu bringen. Die Ausgleichungspflicht besteht auch fr Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. Bei Eintritt gewillkrter Erbfolge erfolgt eine Ausgleichung selbst dann nicht, wenn sie der gesetzlichen Erbfolge entspricht.
Aufgrund der Fernwirkungen der Erbausgleichungspflicht iSd. §§ 2055, 313 2057a BGB beträgt der Pflichtteil des Zuwendungsempfängers nach § 2316
1 Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 26; Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen, Kap. 4 Rz. 139; Thubauville, MittRhNotK 1992, 289 (305); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (101). 2 Beck’sches Notarhandbuch/Jerschke, A V Rz. 90. 3 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (101).
255
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
Abs. 1 BGB die Hälfte des zwischen den Abkömmlingen errechneten Erbanspruchs. 314
Entwicklung des Ausgangsfalls: Im o.g. Fallbeispiel (mit den diesbezüglichen Vorschriften hinsichtlich der Ausgleichung nach § 2055 BGB, s. oben Rz. 259 mit Rz. 292) hat K2 daher einen Pflichtteil von 40 000,00 Euro (1/2 von 80 000,00 Euro), K3 einen Pflichtteil von 50 000,00 Euro (1/2 von 100 000,00 Euro) und K4 einen Pflichtteil von 60 000,00 Euro (1/2 von 120 000,00 Euro). In der Abwandlung (mit den diesbezüglichen Vorschriften hinsichtlich der Ausgleichung nach § 2057a BGB, s. oben Rz. 259 mit Rz. 295) hat K2 einen Pflichtteil von 35 000,00 Euro (1/2 von 70 000,00 Euro), K3 einen Pflichtteil von 45 000,00 Euro (1/2 von 90 000,00 Euro) und K4 einen Pflichtteil von 70 000,00 Euro (1/2 von 140 000,00 Euro). K1 steht jeweils kein Pflichtteil zu, da es bereits wegen hoher Vorabzuwendungen nach § 2056 Satz 2 BGB aus der Ausgleichung ausgeschieden ist. Der Pflichtteil des M wird von der ausschließlich auf die Abkömmlinge beschränkten Erbausgleichung jeweils nicht berührt.
V. Pflichtteilsanrechnung 1. Wesen der Pflichtteilsanrechnung 315
Die Bestimmung einer Anrechnungspflicht auf den Pflichtteil führt zu einer Entlastung des Erben ausschließlich durch Reduzierung des Pflichtteilsrechts des betroffenen Zuwendungsempfängers. Hierdurch wird im Gegensatz zu den pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen aufgrund einer Ausgleichungspflicht nach § 2316 Abs. 1 BGB das Pflichtteilsrecht anderer Pflichtteilsberechtigter nicht berührt, insbesondere dasjenige von pflichtteilsberechtigten Erben nicht erhöht. Die Anrechnungspflicht hat zudem Auswirkungen auf eventuelle Pflichtteilsergänzungs- bzw. Zusatzpflichtteilsansprüche des Bestimmungsempfängers aus § 2325 BGB bzw. § 2305 BGB.1 2. Anrechnungsbestimmung
316
Anders als bei einer Erbausgleichung kann der Erblasser die Anrechnung auf den Pflichtteil gem. § 2315 Abs. 1 BGB nicht nur zu Lasten von Abkömmlingen, sondern auch des Ehegatten und von Eltern, mithin zu Lasten aller pflichtteilsberechtigter Personen oder auch nur eines einzelnen von mehreren Pflichtteilsberechtigten2 bestimmen. Voraussetzung ist eine unmittelbare freigebige zu einer Verminderung des Nachlasswertes führende Zuwendung. Daran fehlt es bspw. bei einem bloßen einseitigen Verzicht auf den Anspruch zur Rückübertragung eines Grundstücks3 bzw.
1 Palandt/Weidlich, § 2315 BGB Rz. 5; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (101). 2 Everts, notar 2013, 219 (224). 3 BGH v. 20.4.1983 – IVa ZR 222/81, WM 1983, 823.
256
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
bei bereits bestehender Verpflichtung des Zuwendenden zu der in Rede stehenden Leistung z.B. aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht bei Pflegeaufwendungen von Eltern an deren Kind1 bzw. an den Ehegatten des Pflichtteilsberechtigten2. Dagegen kann eine Pflichtteilsanrechnung auch im Dreiecksverhältnis 317 aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtung des künftigen Erblassers gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten zur freigebigen Zuwendung mit Erfüllung aufgrund Vertrags zugunsten Dritter bzw. Geheiß des Pflichtteilsberechtigten zwecks Verkürzung des Übertragungsaktes an einen Dritten erfolgen.3 Hierzu zählen insbesondere Zuwendungen an eine oHG, KG oder GbR, an der der Pflichtteilsberechtigte beteiligt ist, soweit durch Vereinbarung ein entsprechender Vermögenszuwachs des Pflichtteilsberechtigten etwa durch Gutschrift auf dessen Kapitalkonto in der empfangenden Gesellschaft bei satzungsgemäßer Ausrichtung der Beteiligung der Gesellschafter hinsichtlich des Liquidationserlöses am jeweiligen Kapitalkonto sichergestellt ist.4 Soweit Unsicherheiten hinsichtlich der Zuwendungsbewertung bestehen, sollte hilfsweise ein ergänzender gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen künftigem Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem beurkundet werden.5 Die Bestimmung der Pflichtteilsanrechnung ist einseitige empfangs- 318 bedürftige Willenserklärung des Erblassers. Sie muss spätestens bei Zuwendung erfolgen6 und kann, soweit nicht unter Lebenden ein entsprechender diesbezüglicher Vorbehalt für eine spätere letztwillige Anordnung erklärt wurde, ausschließlich durch Rechtsgeschäft unter Lebenden vorgenommen werden.7 Aus dem Umkehrschluss zu § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt sich ebenso wie für den Fall der Ausgleichungsanordnung nach § 2050 Abs. 1 bzw. 3 BGB (s. dazu oben Rz. 266 ff.), dass die Anordnung eine Pflichtteilsanrechnung im Gegensatz zu den Erklärungen des Erblassers in einem Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag nicht höchstpersönlich abgegeben werden müssen, sondern auch mittels eines gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreters getroffen werden können.8 Eine Pflichtteilsanrechnungsbestimmung iSd. § 2315 BGB ist im Gegen- 319 satz zur Anordnung einer Ausgleichungspflicht nach § 2050 BGB (s. dazu oben Rz. 266 ff.) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da der Anrechnungspflichtige nach § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB das Risiko ggf. erheblicher Wert1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 175 f.; Everts, notar 2013, 219 (225). 2 BGH v. 21.3.1962 – V ZR 169/60, DNotZ 1963, 113 (114). 3 BGH v. 21.3.1962 – V ZR 169/60, DNotZ 1963, 113 (114); Dauner-Lieb/Grziwotz/Hohmann-Dennhardt/Herrler/Schmied-Kovarik, § 2315 BGB Rz. 10; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 59 (60); Everts, notar 2013, 219 (225); MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 8; Staudinger/Haas, § 2315 Rz. 14. 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 59 (60); Everts, notar 2013, 219 (225). 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 59 (60); Everts, notar 2013, 219 (225). 6 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (101); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (74); MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 10. 7 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (74); Klingelhöffer, ZEV 1995, 180 (182). 8 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (101).
257
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
minderungen am Zuwendungsgegenstand zwischen Zuwendung und Erbfall (bspw. bei Aktien) trägt.1 Die empfangsbedürftige Anrechnungserklärung kann daher weder persönlich durch ein minderjähriges Kind noch durch die nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossenen Eltern für ein geschäftsunfähiges Kind wirksam entgegengenommen werden. Hierzu bedarf es vielmehr eines Ergänzungspflegers iSd. § 1909 BGB, der seinerseits analog §§ 1822 Nr. 2, 2347 Abs. 1 BGB eine familiengerichtliche Genehmigung benötigt.2 Dabei dürfte eine Analogie zu § 2347 Abs. 1 BGB näherliegend sein, da diese Regelung Erbverzichtsverträge und noch nicht konkret entstandene, sondern auf abstrakte künftige Pflichtteilsrechte bezogene Pflichtteilsverzichtsverträge iSd. § 2346 BGB erfasst, während § 1822 Nr. 2 BGB insoweit ausschließlich einen Verzicht auf bereits entstandene konkrete Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303, 397 BGB betrifft.3 320
Das Familiengericht prüft dabei unter Gesamtabwägung aller Umstände ohne isolierte Einzeluntersuchung der Anrechnungsbestimmung, ob das Gesamtgeschäft im Ganzen für das Mündel vorteilhaft ist.4 Gleichwohl sollte die Anrechnungsklausel in derartigen Fällen sicherheitshalber vorsehen, dass die Höhe des Anrechnungsbetrages auf den Wert des Zuwendungsobjektes im Zeitpunkt des Todes des Übergebers begrenzt5 und die Anrechnungspflicht im Falle eines Rückübertragungsvorbehaltes durch eine seitens des Zuwendenden veranlasste Rückübertragung auflösend bedingt ist.
1 MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 17; PWW/Deppenkämper, § 2315 BGB Rz. 1 Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 26 u. 32; HK-PflichtteilsR/Herrler/SchmiedKovarik, Rz. 25 ff.; Lange/Kuchinke, § 37 VII 9 a; Lange, Erbrecht, Kap. 20 Rz. 111; Muscheler, Erbrecht Band II, Rz. 4194; Keim, MittBayNot 2008, 8 (12); offen gelassen insoweit, als für den Gesamtvertrag (Pflichtteilsanrechnung, dingliche Grundschuldübernahme, Nießbrauchs- und Rückübertragungsvorbehalt) ohne Differenzierung nach der jeweiligen Einzelteilregelung ein Ausschluss lediglich rechtlicher Vorteilhaftigkeit, ein Vertretungsausschluss, die gerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit „allein schon wegen“ des Rückübertragungsvorbehalts nach § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB und die Genehmigungserteilung im Rahmen einer Gesamtabwägung ohne Erörterung des Risikos eines ggf. erheblichen Zuwendungswertverlustes jenseits des Pflichtteilsanrechnungsbetrags auch konkret für die Pflichtteilsanrechnung bejaht werden OLG München v. 17.7.2007 – 31 Wx 18/07, DNotZ 2008, 199 ff. = FamRZ 2008, 820 ff. = BWNotZ 2007, 168 ff.; aA OLG Dresden v. 2.4.1996 – 3 W 336/96, MittBayNot 1996, 288 (291) = MittRhNotK 1997, 184 ff.; Everts, notar 2014, 219 (228); Pentz, MDR 1998, 1266 (1267 f.). 2 MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB R. 17; Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 32; BeckOK BGB/J. Mayer, § 2315 BGB Rz. 8; NK-BGB/Bock, § 2315 BGB Rz. 11; Lange, Erbrecht, Kap. 20 Rz. 111; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (102); differenzierend Keim, ZEV 2006, 363 (364); Fembacher, MittBayNot 2004, 24 (25); aA Weigl, MittBayNot 2008, 275; Winkler, ZEV 2005, 89 (92). 3 Erman/Saar, § 1822 BGB Rz. 3a; Palandt/Götz, § 1822 BGB Rz. 3. 4 OLG München v. 17.7.2007 – 31 Wx 18/07, 2007, 168 ff., DNotZ 2008, 199 ff. = FamRZ 2008, 820 ff. = BWNotZ 2007, 168 ff. 5 Fembacher/Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (85).
258
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
Im Falle der Einräumung eines Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung 321 dürfte insoweit spätester Bestimmungs- bzw. Zuwendungszeitpunkt im regelmäßig als Schenkung ausgestalteten Valutaverhältnis bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht bereits die gegen dessen Willen nicht mehr änderbare Benennung des Dritten als Bezugsberechtigten nach § 159 Abs. 3 VVG,1 im Falle eines widerruflichen Bezugsrechts hingegen erst der spätere Erwerb des Anspruchs auf Versicherungssummenauszahlung2 sein. Selbst bei einem widerruflichen Bezugsrecht dürfte jedoch in der Zeitspanne zwischen dem Tod des Versicherten als Versprechensempfänger und der Annahme des durch die Versicherung als Versprechendem übermittelten Angebots keine Anrechnungsbestimmung mehr möglich sein, da ab dem Erbfall ein nunmehr erstmals konkreter Pflichtteilsanspruch an die Stelle des ursprünglichen abstrakten Pflichtteilsrechts getreten ist,3 auf den § 2315 BGB keine Anwendung findet.4 Zur Vermeidung eventueller diesbezüglicher Restrisiken sollte im De- 322 ckungsverhältnis noch vor der Bestimmung des Bezugsberechtigten ein entsprechender Schenkungsvertrag mit Anrechnungsanordnung beurkunde5 oder das Bezugsrecht vollständig ausgeschlossen, dadurch die Versicherungssumme in den Nachlass umgeleitet und diese letztwillig vermächtnisweise zugeordnet werden.6 Für die Anordnung der Anrechnungsbestimmung ist der Erbe darlegungs- 323 und beweispflichtig,7 ohne dass selbst bei hohem Zuwendungswert ein Anscheinsbeweis für eine stillschweigende Anrechnungsbestimmung spricht.8 Die alleinige Formulierung „in Anrechnung auf den Erbteil“ ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht ausreichend.9 Bei einer „im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich“ erfolgten Zuwendung muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der Erblasser eine reine Erbausgleichung iSd. §§ 2050 Abs. 1, 2316 Abs. 1 BGB, eine kumulative Erbausglei1 Dauner-Lieb/Grziwotz/Hohmann-Dennhardt/Herrler/Schmied-Kovarik, § 2315 BGB Rz. 18; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (75); Elfring, ZEV 2004, 305 (308); Everts, notar 2013, 219 (226); Leitzen, RNotZ 2009, 129 (145); aA Everts, notar 2013, 219 (226): erst bei Auszahlung. 2 Dauner-Lieb/Grziwotz/Hohmann-Dennhardt/Herrler/Schmied-Kovarik, § 2315 BGB Rz. 18; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (74); Everts, notar 2013, 219 (226); Leitzen, RNotZ 2009, 129 (145); J. Mayer, DNotZ 2000, 905; MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 10; Schlitt/Müller/Blum, Hdb. Pflichtteilsrecht, § 3 Rz. 116; aA Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 15 Rz. 22: schon bei widerruflicher Benennung zum Bezugsberechtigten. 3 Palandt/Weidlich, § 2317 BGB Rz. 1. 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (75). 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (75). 6 Beck’sches Notarhandbuch/Bengel/Reimann, C Rz. 207; DNotI-Gutachten, DNotIReport 2014, 73 (75). 7 BGH v. 27.1.2010 – IV ZR 91/09, MDR 2010, 634 = FamRZ 2010, 640 = DNotZ 2011, 59 (61 f.); OLG Schleswig v. 13.11.2007 – 3 U 54/07, ZErb 2008, 29 = ZEV 2008, 386. 8 OLG Köln v. 28.11.2007 – 2 W 88/07, NJW-RR 2008, 240; Palandt/Weidlich, § 2315 BGB Rz. 4. 9 OLG Schleswig v. 13.11.2007 – 3 U 54/07, ZErb 2008, 29 = ZEV 2008, 386.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
chung und Pflichtteilsanrechnung nach § 2316 Abs. 4 BGB oder eine reine Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 Abs. 1 BGB beabsichtigt hat, wobei für eine Erbausgleichung der Wille zur bloßen temporären Vorverlagerung der Zuwendung und für eine Pflichtteilsanrechnung das Ziel einer Enterbung des Zuwendungsempfängers bei ausschließlicher Pflichtteilsberechtigung des (noch) nicht Bedachten spricht.1 324
Die Pflichtteilsanrechnung ist zudem, soweit nicht das den Rechtsgrund begründende Rechtsgeschäft seinerseits formpflichtig ist,2 formfrei wirksam. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch, soweit der Zuwendungsvertrag nicht ohnehin notariell beurkundet wird, zumindest eine schriftliche Abfassung. In jedem Fall sollte ausdrücklich – positiv wie negativ – geregelt werden, ob der Zuwendungswert auf Pflichtteilsansprüche anzurechnen ist oder nicht. Zur Vermeidung unbeabsichtigter Ergebnisse sollte insbesondere eine Reduzierung auf auslegungsbedürftige Umschreibungen wie bspw. „die Zuwendung erfolgt in vorweggenommener Erbfolge“ vermieden werden.
M 52
Ausdrckliche Anordnung der Pflichtteilsanrechnung
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen. Der Notar hat insbesondere ber das Wesen der Pflichtteilsanrechnung und darber belehrt, dass bei kraft Gesetzes ausgelçster bzw. rechtzeitiger zustzlich angeordneter Erbausgleichung nach § 2316 Abs. 4 BGB eine Reduzierung der Pflichtteilsverkrzung eintreten kann. Alternativ: Der Zuwendende behlt sich hiermit ausdrcklich vor, durch Verfgung von Todes wegen anzuordnen, dass sich der Zuwendungsempfnger . . . (Name) den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen hat. Der Notar hat insbesondere ber das Wesen der Pflichtteilsanrechnung und darber belehrt, dass bei kraft Gesetzes ausgelçster bzw. rechtzeitiger zustzlich angeordneter Erbausgleichung nach § 2316 Abs. 4 BGB eine Reduzierung der Pflichtteilsverkrzung eintreten kann.
1 BGH v. 27.1.2010 – IV ZR 91/09, MDR 2010, 634 = FamRZ 2010, 640 = DNotZ 2011, 59 (61 f.); Everts, MittBayNot 2011, 107 (108 f.). 2 BeckOK BGB/J. Mayer, § 2315 BGB Rz. 6; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 73 (75); MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 10; Thubauville, MittRhNotK 1992, 289 (297); aA Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 22: stets formfrei.
260
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
Alternativ: Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert nicht auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen. Alternativ bei minderjhrigen oder geschftsunfhigen Zuwendungsempfngern: Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen, hçchstens jedoch in Hçhe des Wertes zum Zeitpunkt des Todes des Zuwendenden. Zusatz bei Rckbertragungsvorbehalt: Die vorstehende Anrechnungspflicht ist durch eine seitens des Zuwendenden veranlasste Rckbertragung des Zuwendungsobjektes auflçsend bedingt.
Durch die zum 1.1.2010 in Kraft getretene Erbrechtsreform hat sich an 325 den vorstehenden Regelungen entgegen zunächst anderen Zielvorgaben nichts geändert. Der ursprüngliche Reformvorschlag, § 2315 Abs. 1 BGB durch neue Sätze 2 und 3 dahingehend zu erweitern, dass der Erblasser die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil nachträglich durch Verfügung von Todes wegen anordnen kann,1 wurde unter Hinweis auf den Vertrauensschutz des Zuwendungsempfängers letztlich nicht übernommen.2 Gleiches gilt für den ursprünglichen Vorschlag, durch Neufassung von § 2278 Abs. 2 BGB Anordnungen nach § 2315 BGB als vertragsmäßig bindende Verfügungen eines Erbvertrages zuzulassen.3 Bei Wegfall eines anrechnungspflichtigen Abkömmlings vor oder nach 326 dem Erbfall, etwa durch Verlust des gesetzlichen Erb- oder Pflichtteilsrechts, erfasst die Anrechnungspflicht nach § 2315 Abs. 3 iVm. § 2051 Abs. 1 BGB die an dessen Stelle tretenden Abkömmlinge des zuwendenden Erblassers, die nicht zwingend auch Abkömmlinge des weggefallenen anrechnungspflichtigen Abkömmlings sein müssen. Nachrückende Abkömmlinge des Erblassers können bspw. die Kinder des Zuwendungsempfängers bzw. bei Kinderlosigkeit dessen Geschwister sein, wobei letztere nur bei durch Erbverzicht iSd. § 2310 Satz 2 BGB bedingten Wegfall des Zuwendungsempfängers an dessen Stelle treten können.4 Dies gilt jedoch nur, soweit die nachrückenden Abkömmlinge des Erblas- 327 sers nicht beweisen, dass die Anrechnung ausschließlich den Zuwendungsempfänger belasten sollte.5 Zur Vermeidung unbeabsichtigter Auslegungsergebnisse sollte in der Anrechnungsbestimmung eine entsprechende ausdrückliche Klarstellung erfolgen. Da § 2315 Abs. 3 BGB nur auf Abs. 1, nicht jedoch auf Abs. 2 des § 2051 BGB verweist, erfasst die Anrechnungspflicht keine anderen pflichtteilsberechtigten Ersatzerben als Abkömmlin1 2 3 4 5
Dazu Schaal/Grigas, BWNotZ 2008, 2 (9 ff.). Kritisch dazu Odersky, notar 2009, 362 f. BT-Drucks. 16/13543, S. 6. Vgl. dazu MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 26. Erman/Röthel, § 2315 BGB Rz. 6.
261
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
ge, mithin weder die Ehefrau noch die Eltern des Erblassers, hinsichtlich derer jedoch § 2309 BGB zu beachten ist.1
M 53
Ausdrckliche Klarstellung der Anordnungswirkung bei Wegfall des Zuwendungsempfngers
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Diese Anordnung soll auch gegenber denjenigen Abkçmmlingen des Zuwendenden gelten, die iSd. §§ 2315 Abs. 3, 2051 Abs. 1 BGB an Stelle des wegfallenden Zuwendungsempfngers als Pflichtteilsberechtigte nachrcken.
3. Nachträgliche Aufhebung 328
Der Erblasser kann eine bereits spätestens bei Zuwendung und damit rechtzeitig bestimmte Anrechnungspflicht nachträglich wieder aufheben. Der nachträgliche Widerruf der Anrechnungsbestimmung ist formfrei möglich, da Pflichtteilsansprüche Dritter anders als über die pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen von Erbausgleichungspflichten nach § 2316 Abs. 1 BGB nicht betroffen sind.2
329
Da aus Beweisgründen ohnehin dringend eine zumindest schriftliche Fixierung und mangels diesbezüglicher höchstrichterlicher Rechtsprechung der sicherste Weg zu empfehlen ist, sollte eine nachträgliche Aufhebung der Anrechnungspflicht gleichwohl vermächtnisweise durch Verfügung von Todes wegen erfolgen.3
M 54
Vermchtnisweise nachtrgliche Aufhebung einer Anrechnungspflicht4
(Form: Verfgung von Todes wegen) Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), ber Zuwendungsvertrag habe ich an . . . (Vor- und Nachname) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) ohne Gegenleistung bertragen und zugleich angeordnet, dass dieser, ersatzweise dessen nachrckenden Abkçmmlinge sich den Wert der Zuwendung auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen hat/haben. Diese Anrechnungspflicht hebe ich hiermit vermchtnisweise/vorausvermchtnisweise auf.
1 MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 27; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (102). 2 Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 33; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 295; J. Mayer, ZEV 1996, 441 (446); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (102 f.); aA Lange/Kuchinke, 5. Aufl. 2001, § 37 VI 9a Fn. 332: Verfügung von Todes wegen sei zwingend. 3 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (102). 4 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (103).
262
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
4. Nachträgliche Bestimmung a) Grundsatz Der Erblasser kann eine erst nach der Zuwendung getroffene Anrechnungs- 330 pflicht iSd. § 2315 BGB grundsätzlich nicht alleine bestimmen. Ausnahmsweise ist dies jedoch durch Verfügung von Todes wegen möglich, wenn der Erblasser sich dies spätestens bei Zuwendung vorbehalten hat, da insoweit keine nachträgliche, sondern eine um die letztwillige Anordnung aufschiebend bedingte rechtzeitige Bestimmung zugrunde liegt1, oder die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung nach den §§ 2333 ff. BGB gegeben sind2.
M 55
Pflichtteilsanrechnungsbestimmung durch Verfgung von Todes wegen aufgrund Vorbehalts
(Form: Verfgung von Todes wegen) Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), habe ich an . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) als sonstige Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB ohne Gegenleistung bertragen und mir dabei eine sptere Pflichtteilsanrechnungsbestimmung vorbehalten. Von diesem Vorbehalt mache ich hiermit Gebrauch und ordne nunmehr an, dass sich der Zuwendungsempfnger . . . (Name) den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, den ich klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall feststelle, bei meinem Tod auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen hat. Diese Anordnung soll auch gegenber meinen anderen Abkçmmlingen gelten, soweit sie iSd. §§ 2315 Abs. 3, 2051 Abs. 1 BGB an Stelle des wegfallenden Zuwendungsempfngers als Pflichtteilsberechtigte nachrcken sollten.
Ansonsten können Pflichtteilsrechte des Zuwendungsempfängers zu Leb- 331 zeiten des Erblassers unmittelbar ausschließlich durch einen dann gegenständlich beschränkten notariell zu beurkundenden förmlichen Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen Erblasser und betroffenem Berechtigten reduziert werden. Ist der Erblasser nicht mehr geschäftsfähig, kommen ggf. ein notariell zu beurkundender, jedoch rein schuldrechtlich wirkender Erbschaftsvertrag iSd. § 312 Abs. 2 BGB zwischen den künftigen gesetzlichen Erben über die Anrechnungspflicht und möglicherweise ein Erlassvertrag iSd. § 397 BGB in Betracht.3
1 J. Mayer, ZEV 1996, 441 (447); Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 20; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 295. 2 Erman/Röthel, § 2315 BGB Rz. 4. 3 J. Mayer, ZEV 1996, 441 (446 f.); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (103).
263
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
b) Mittelbarer Ausweg über gesetzliche Berücksichtigung von Eigengeschenken bei Pflichtteilsergänzung 332
Unterbleibt – was in der Praxis häufig insbesondere wegen Unkenntnis von den Voraussetzungen des § 2315 Abs. 1 BGB geschieht – eine rechtzeitige Pflichtteilsanrechnungsbestimmung zulasten des Zuwendungsempfängers (bspw. eines beschenkten Kindes), der anschließend eine nachträgliche Pflichtteilsverzichtsvertragsregelung ablehnt, kann der Zuwendende eine pflichtteilsreduzierende Berücksichtigung des Zuwendungswertes zugunsten eines Dritten (bspw. seines von ihm zum Alleinerben eingesetzten Ehegatten) mittelbar noch dadurch erreichen, dass er diesem Dritten ebenfalls eine unentgeltliche Zuwendung zukommen lässt, hinsichtlich derer dieser (hier bspw. der Ehegatte) gegenüber Pflichtteilsergänzungsansprüchen des ursprünglichen Zuwendungsempfängers (hier bspw. des vorab beschenkten Kindes) aus § 2325 Abs. 1 BGB ohne diesbezügliches Anordnungserfordernis durch die nach § 2327 BGB kraft Gesetzes eintretende Anrechnung geschützt ist.1
333
Für die diesbezügliche Berechnung sind zunächst alle betroffenen Schenkungen gemäß dem Wertansatz nach § 2325 Abs. 2 BGB2 zu addieren. Dabei ist auf die Berücksichtigung von Eigengeschenken an den Pflichtteilsergänzungsberechtigten (hier bspw. das Kind) innerhalb des § 2327 BGB die Regelung über Befristung und Abschmelzung iSd. § 2325 Abs. 3 BGB unanwendbar3. Umgekehrt kann aufgrund des insoweit jedoch sehr wohl geltenden § 2325 Abs. 3 BGB der eigentlich gem. § 2327 BGB zu kürzende Pflichtteilsergänzungsanspruch des ursprünglichen Zuwendungsempfängers (hier bspw. des Kindes) aus § 2325 Abs. 1 BGB gegenüber dem zu schützenden nun beschenkten künftigen Alleinerben (hier dem Ehegatten) mit der Folge reduziert bzw. ausgeschlossen sein, dass die beabsichtigte Verrechnung zumindest teilweise scheitern würde. Daher könnte der künftige Erblasser einen derartigen nach § 2325 Abs. 3 BGB ab Leistungsvollzug jährlich um 1/10 abschmelzenden Pflichtteilsergänzungsanspruch (hier bspw. des Kindes) ggf. durch weitere Schenkungen jeweils wieder insoweit anreichern, dass diese Schenkung nach § 2327 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes vollständig auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch des ursprünglichen Zuwendungsempfängers (hier bspw. des Kindes) angerechnet wird.4
334
Im Gegensatz zu einer dadurch kompensierbaren unterlassenen Pflichtteilsanrechnungsbestimmung iSd. § 2315 Abs. 1 BGB ist hier jedoch Voraussetzung, dass der Zuwendende nochmals zu Lebzeiten eigenes Vermögen durch Übertragung an den zu schützenden Dritten (hier bspw. den 1 J. Mayer, ZErb 2007, 130 (133); Wall, ZErb 2011, 10 (11). 2 BeckOK.BGB/J. Mayer, § 2327 BGB Rz. 4. 3 BGH v. 4.10.1989 – IVa ZR 198/88, BGHZ 108, 393 (399) = MDR 1990, 138 = FamRZ 1990, 41 = NJW 1990, 180 (181); OLG Koblenz v. 9.8.2004 – 12 U 432/03, BeckRS 2004, 07771; Erman/Röthel, § 2327 BGB Rz. 4; MünchKomm.BGB/Lange, § 2327 BGB Rz. 6. 4 Wall, ZErb 2011, 10 (11).
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
Ehegatten) verliert und dabei zudem das Risiko eingeht, dass sich das Verhältnis zu dem dadurch Begünstigten anschließend verschlechtert. Um diese Nachteile zu vermeiden, kann der künftige Erblasser statt einer unmittelbar vollzogenen Schenkung einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall in Gestalt eines auf den Namen des Dritten angelegten, aber noch bei sich zurückgehaltenen Sparbuchs oder einer auf seinen Tod abgeschlossenen Lebensversicherung unter widerruflicher Bezugsberechtigung iSd. §§ 159, 160 VVG abschließen,1 der bis zu seinem Tod weder einen Anspruch noch eine Anwartschaft, sondern „lediglich eine Erwerbshoffnung“ seitens des Begünstigten2 begründet. Dadurch erwirbt der Dritte auf den Tod des Erblassers gem. §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB originär außerhalb des Nachlasses und damit jenseits des allgemeinen Pflichtteilsanspruchs aus § 2311 Abs. 1 BGB,3 unterliegt jedoch aufgrund des nach §§ 516 ff. BGB schenkungsrechtlich ausgestalteten Valutaverhältnisses stattdessen einem Pflichtteilsergänzungsanspruch iSd. § 2325 Abs. 1 BGB,4 der wiederum nach § 2327 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruchsberechtigten zugewendeten Eigengeschenken verrechnet wird.5 5. Berechnung der Anrechnung Die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil erfolgt in drei 335 Schritten. Dabei wird die Berechnung bei Vorhandensein mehrerer anrechnungspflichtiger Zuwendungsempfänger für jeden von ihnen gesondert durchgeführt.6 Zunächst ist nach § 2315 Abs. 2 Satz 1 BGB der Wert der Zuwendung des betroffenen Pflichtteilsberechtigten nur für ihn dem Gesamtnachlasswert hinzuzurechnen. Anschließend wird durch Multiplizierung dieses fiktiven Gesamtwertes mit der konkreten Pflichtteilsquote des betroffenen Zuwendungsempfängers dessen rechnerischer Pflichtteil bestimmt. In einem letzten Schritt ist nach § 2315 Abs. 1 BGB von dem rechnerisch ermittelten Pflichtteil der Wert der Zuwendung abzuziehen. Soweit der Erblasser diesbezüglich nichts anderes anordnet, bestimmt 336 sich der Wert der anrechnungspflichtigen Zuwendung gem. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Zuwendung – bei Auseinanderfallen von schuldrechtlichem Verpflichtungs- und dinglichem Vollzugsgeschäft bei Vollzug – unter zusätzlicher Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes zwischen Zuwendung und Erbfall gemäß Lebenshal1 Wall, ZErb 2011, 10 (13). 2 BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, MDR 2010, 870 = DNotZ 2011, 129 = ZEV 2010, 305 (306). 3 BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, MDR 2010, 870 = DNotZ 2011, 129 = ZEV 2010, 305 (306); Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 22. 4 BGH v. 28.4.2010 – IV ZR 73/08, MDR 2010, 870 = DNotZ 2011, 129 = ZEV 2010, 305 (306). 5 Wall, ZErb 2011, 10 (13 ff.) unter kritischem Hinweis auf den diesbezüglichen Wertungswiderspruch zwischen lebzeitigen Schenkungen außerhalb bzw. innerhalb eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall mit dem Plädoyer für dessen dogmatische Einordnung als Forderungsvermächtnis statt als lebzeitige Schenkung. 6 Erman/Röthel, § 2315 BGB Rz. 7.
265
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
tungskostenindex.1 Der Erblasser darf stattdessen einen niedrigeren Wert für maßgebend erklären, zumal er die Bestimmung der Anrechnungspflicht ohnehin gänzlich unterlassen kann. Der Erblasser kann jedoch bei der Pflichtteilsanrechnung im Gegensatz zu Anordnungen im Rahmen der Erbausgleichung (dort allerdings wiederum insoweit ohne pflichtteilsrechtliche Fernwirkungen, s. oben Rz. 304 ff.) nicht durch einseitige Bestimmung, sondern nur durch notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag gemeinsam mit dem Zuwendungsempfänger einen höheren als den von § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgesehenen Wert festsetzen, da andernfalls die zwingenden Formerfordernisse aus §§ 2347, 2348 BGB unterlaufen würden.2 Gleichermaßen muss eine Anordnung unzulässig sein, die den Anrechnungswert nach dem Zeitpunkt des Erbfalls auch dann vorsieht, wenn dadurch eine Werterhöhung eintritt.3 337
Entwicklung des Ausgangsfalls: Das o.g. Fallbeispiel (s. oben Rz. 259 mit Rz. 292) wird dahingehend abgewandelt, dass nunmehr bei jedem Zuwendungsempfänger anstelle der Ausgleichungsanordnung die Anrechnung auf den Pflichtteil einzeln bestimmt wird. Danach hat K1 nach wie vor keinen Pflichtteil (seine Vorabzuwendung von 200 000,00 Euro wird dem Nettonachlass von 600 000,00 Euro hinzugefügt, die sich daraus ergebenden 800 000,00 Euro werden mit der Pflichtteilsquote von 1/16 multipliziert, von den daraus resultierenden 50 000,00 Euro wird der Zuwendungswert von 200 000,00 Euro abgezogen). K2 hat ebenfalls keinen Pflichtteil (seine Vorabzuwendung von 40 000,00 Euro wird dem Nettonachlass von 600 000,00 Euro hinzugefügt, die sich daraus ergebenden 640 000,00 Euro werden mit der Pflichtteilsquote von 1/16 multipliziert, von den daraus resultierenden 40 000,00 Euro wird der Zuwendungswert von 40 000,00 Euro abgezogen). K3 hat nur noch einen Pflichtteil iHv. 18 750,00 Euro (seine Vorabzuwendung von 20 000,00 Euro wird dem Nettonachlass von 600 000,00 Euro hinzugefügt, die sich daraus ergebenden 620 000,00 Euro werden mit der Pflichtteilsquote von 1/16 multipliziert, von den daraus resultierenden 38 750,00 Euro wird der Zuwendungswert von 20 000,00 Euro abgezogen). K4 hat nur noch einen Pflichtteil iHv. 37 500,00 Euro (1/16 von 600 000,00 Euro). M hat einen Pflichtteil von 150 000,00 Euro (1/4 von 600 000,00 Euro).
1 BGH v. 4.7.1975 – IV ZR 3/74, MDR 1975, 916 = FamRZ 1975, 485 = NJW 1975, 1831 (1832); Palandt/Weidlich, § 2315 BGB Rz. 8; MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 23; Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 49. 2 Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 43; Keim, MittBayNot 2008, 8 (10 f.); Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 301; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (103); aA Ebenroth/Bacher/Lorz, JZ 1991, 277 (281 f.): auch insoweit einseitiges Bestimmungsrecht des Erblassers mangels Schutzbedürftigkeit des Zuwendungsempfängers. 3 Keim, MittBayNot 2008, 8 (10 f.); Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen, Kap. 4 Rz. 139; aA OLG Nürnberg v. 5.10.2004 – 2 U 2279/04, ZEV 2006, 361 mit ablehnender Anmerkung von Keim, ZEV 2006, 363.
266
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
6. Anrechnungsbestimmung gegenüber dem Ehegatten Der Erblasser kann eine Anrechnungsbestimmung anlässlich einer ent- 338 sprechenden Zuwendung auch gegenüber seinem Ehegatten treffen. Insoweit gelten zunächst die allgemeinen Grundsätze. Besonderheiten bestehen jedoch bei gesetzlichem Güterstand der Zugewinngemeinschaft im Hinblick auf das Verhältnis der beiden Anrechnungspflichten des Ehegatten auf Zugewinnausgleichansprüche nach § 1380 BGB einerseits und Pflichtteilsansprüche aus § 2315 BGB andererseits. Soweit der Erblasser bei Zuwendung bestimmt, dass eine Anrechnung so- 339 wohl auf Zugewinnausgleichsforderungen nach § 1380 BGB als auch auf Pflichtteilsansprüche nach § 2315 BGB zu erfolgen hat, sollte ausdrücklich die Reihenfolge und damit der Vorrang der Anrechnung des insgesamt nur einmal zur Verfügung stehenden Zuwendungswertes vorgegeben werden. Unterbleibt eine Vorrangbestimmung, dürfte im Zweifel aus dem Rechtsgedanken des § 366 Abs. 2 BGB ein Vorrang der Pflichtteilsanrechnung als wegen höherer Insolvenzrisiken und Erbschaftsteuerpflichtigkeit des Pflichtteilsanspruchs für den Zuwendungsempfänger günstigere Variante bestehen.1
M 56
Vorrangbestimmung bei gter- und pflichtteilsrechtlicher Anrechnungspflicht
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Mein Ehegatte hat sich als Zuwendungsempfnger den Zuwendungswert iSd. § 1380 Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Scheidung bzw. Erbfall festgestellt wird, vorrangig auf eventuelle Zugewinnausgleichsforderungen und nachrangig auf eventuelle Pflichtteilsansprche (alternativ: vorrangig auf eventuelle Pflichtteilsansprche und nachrangig auf eventuelle Zugewinnausgleichsforderungen) anrechnen zu lassen. Diese Anordnung soll auch gegenber denjenigen Abkçmmlingen des Zuwendenden gelten, die iSd. §§ 2315 Abs. 3, 2051 Abs. 1 BGB an Stelle des wegfallenden Zuwendungsempfngers als Pflichtteilsberechtigte nachrcken.
VI. Kumulation von Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung 1. Durchführung der Kumulation Erbausgleichungspflichten nach den §§ 2050 ff. BGB und Pflichtteilsan- 340 rechnungen nach § 2315 BGB können für dieselbe Zuwendung gegenüber 1 Dazu und zur jeweiligen Berechnung Erman/Röthel, § 2315 BGB Rz. 15; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (103 f.).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
demselben Zuwendungsempfänger gemeinsam vorgesehen werden, wenn alle Voraussetzungen für beide Gestaltungsmittel vorliegen. 341
Nach § 2316 Abs. 4 BGB ist jedoch hinsichtlich der Pflichtteilsbestimmung die Besonderheit zu beachten, dass von dem rechnerischen Ausgleichungspflichtteil, der auch bei Vorhandensein eines Ehegatten vorab unter Berücksichtigung der Erbausgleichung nach § 2316 Abs. 1 BGB zu ermitteln ist,1 gem. § 2316 Abs. 4 BGB lediglich die Hälfte des Zuwendungswertes abgezogen werden darf. Dies folgt daraus, dass die andere Hälfte des Zuwendungswertes bereits vorab bei Ermittlung des Erbausgleichungsbetrages im Rahmen der Bestimmung des rechnerischen Ausgleichungspflichtteils nach § 2316 Abs. 1 BGB berücksichtigt wurde.2
342
Obschon die Zurechnung des Vorempfangs im Rahmen der pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen nach §§ 2316 Abs. 1, 2055 Abs. 1 Satz 2 BGB im Gegensatz zur Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 Abs. 1 BGB auf denjenigen Nachlassteil beschränkt ist, der ausschließlich Abkömmlingen iSd. § 2316 Abs. 1 BGB zusteht, gilt die Reduzierung nach § 2316 Abs. 4 BGB auch bei Vorhandensein des pflichtteilsberechtigten längstlebenden Ehegatten des Erblassers.3
343
Entwicklung des Ausgangsfalls: Das o.g. Fallbeispiel (mit den diesbezüglichen Vorschriften hinsichtlich der Ausgleichung nach § 2055 BGB, s. oben Rz. 259 mit Rz. 292) wird dahingehend abgewandelt, dass nunmehr bei jedem Zuwendungsempfänger der Zuwendungswert nicht nur zur Ausgleichung zu bringen, sondern zusätzlich auf den jeweiligen Pflichtteil anzurechnen ist. Der Pflichtteil des K2 beträgt jetzt 20 000,00 Euro (von dem nach § 2316 Abs. 1 BGB ermittelten Pflichtteil iHv. 40 000,00 Euro – s. oben Rz. 314 – wird der halbe Zuwendungswert iHv. 20 000,00 Euro abgezogen). Der Pflichtteil des K3 hat nun eine Höhe von 40 000,00 Euro (von dem nach § 2316 Abs. 1 BGB ermittelten Pflichtteil iHv. 50 000,00 Euro – s. oben Rz. 314 – wird der halbe Zuwendungswert iHv. 10 000,00 Euro abgezogen). Der Pflichtteil des K4 beträgt, da von dem rechnerischen Pflichtteil nach § 2316 Abs. 1 BGB iHv. 60 000,00 Euro – s. oben Rz. 314 – mangels Vorempfangs nichts abzuziehen ist, hingegen unverändert 60 000,00 Euro. In der Abwandlung (mit den diesbezüglichen Vorschriften hinsichtlich der Ausgleichung nach § 2057a BGB, s. oben Rz. 259 mit Rz. 295) beträgt der Pflichtteil des K2 jetzt 15 000,00 Euro (von dem nach § 2316 Abs. 1 BGB ermittelten Pflichtteil iHv. 35 000,00 Euro – s. oben Rz. 314 – wird der halbe Zuwendungswert iHv. 20 000,00 Euro abgezogen). Der Pflichtteil des K3 hat nun eine Höhe von 35 000,00 Euro (von dem nach § 2316 Abs. 1 BGB ermittelten Pflichtteil 1 Erman/Röthel, § 2316 BGB Rz. 8; Staudinger/Haas, § 2316 Rz. 49 ff.; Sostmann, MittRhNotK 1976, 479 (494); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (104); Palandt/Weidlich, § 2316 BGB Rz. 7; kritisch Schäfer, ZEV 2013, 63 (65 f.): aA Erath, AcP 127 (1927), 318 ff. 2 Palandt/Weidlich, § 2316 BGB Rz. 7; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (104); Erman/Röthel, § 2316 BGB Rz. 8. 3 MünchKomm.BGB/Lange, § 2316 BGB Rz. 34; Staudinger/Haas, § 2316 BGB Rz. 51.
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
iHv. 45 000,00 Euro – s. oben Rz. 314 – wird der halbe Zuwendungswert iHv. 10 000,00 Euro abgezogen). Der Pflichtteil des K4 beträgt, da von dem rechnerischen Pflichtteil nach § 2316 Abs. 1 BGB iHv. 70 000,00 Euro mangels Vorempfangs nichts abzuziehen ist, hingegen unverändert 70 000,00 Euro. K1 hat in beiden Varianten keinen Pflichtteil, da es wegen eines zu hohen Zuwendungswertes nach § 2356 BGB bereits aufgrund der Erbausgleichung nichts mehr erhält. Da der Pflichtteil des M nicht der Erbausgleichung unterliegt und damit nicht von § 2316 Abs. 1 BGB erfasst wird, beträgt er nach § 2315 BGB unverändert 150 000,00 Euro. 2. Gesamtvergleich der Pflichtteilshöhe zwischen § 2315 Abs. 1, § 2316 Abs. 4 und § 2316 Abs. 1 BGB Aus einem Gesamtvergleich der jeweiligen Anrechnungs- bzw. Ausglei- 344 chungsanordnungen ergibt sich, dass der Pflichtteilsanspruch eines nicht iSd. § 2056 BGB ausscheidenden Zuwendungsempfängers insbesondere bei Vorhandensein des pflichtteilsberechtigten längstlebenden Ehegatten neben den übrigen Abkömmlingen des Erblassers regelmäßig durch ausschließliche Pflichtteilsanrechnung iSd. § 2315 Abs. 1 BGB am stärksten reduziert wird (laut Fallbeispiel für K2 auf Null, für K3 auf 18 750,00 Euro und für K4 auf 37 500,00 Euro), bei Kumulation von Pflichtteilsanrechnung und Erbausgleichung iSd. § 2316 Abs. 4 BGB deutlich höher ist (laut Fallbeispiel für K2 20 000,00 Euro ohne § 2057a BGB bzw. 15 000,00 Euro mit § 2057a BGB, für K3 40 000,00 Euro ohne § 2057a BGB bzw. 35 000,00 Euro mit § 2057a BGB sowie für K4 60 000,00 Euro ohne § 2057a BGB bzw. 70 000,00 Euro mit § 2057a BGB) und bei bloßer Erbausgleichungsanordnung mit pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen iSd. § 2316 Abs. 1 BGB den höchsten Wert erreicht (laut Fallbeispiel für K2 40 000,00 Euro ohne § 2057a BGB bzw. 35 000,00 Euro mit § 2057a BGB, für K3 50 000,00 Euro ohne § 2057a BGB bzw. 45 000,00 Euro mit § 2057a BGB sowie für K4 60 000,00 Euro ohne § 2057a BGB bzw. 70 000,00 Euro mit § 2057a BGB). Sind ausschließlich Abkömmlinge vorhanden, liegt der aus dem Restnachlass berechnete Pflichtteil des Zuwendungsempfängers unter dem Zuwendungswert und hat kein weiterer Abkömmling Zuwendungen erhalten, dürften sich die Resultate der verschiedenen Varianten je nach Nachlassund Zuwendungswert tendenziell untereinander annähern.1 Es ist jedoch unausweichlich, in jedem Einzelfall vorab eine gesonderte Berechnung durchzuführen und dabei neben der Pflichtteilshöhe auch andere Gesichtspunkte, insbesondere die Problematik der Bindung an Ausgleichungsanordnungen zu berücksichtigen. Insgesamt sollte daher bei Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 3 BGB neben 345 der Pflichtteilsanrechnungsbestimmung eine Erbausgleichung entweder lediglich durch eine (ggf. vorbehaltene) vorausvermächtnisweise Anordnung durch Verfügung von Todes wegen2 oder zwar sofort, jedoch unter 1 Wegmann, Grundstücksüberlassung, Rz. 568. 2 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 260.
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
der Bedingung angeordnet werden, dass sich hierdurch der Pflichtteil des Zuwendungsempfängers im Gegensatz zur ausschließlichen Pflichtteilserhöhung nicht erhöht1. Für kraft Gesetzes ausgleichungspflichtige Zuwendungen iSd. § 2050 Abs. 1 und 2 BGB scheitert eine Nichtausgleichungsanordnung an § 2316 Abs. 3 BGB. Es empfiehlt sich daher eine Klarstellung, welche Zuwendungsart zugrunde liegt.
M 57
Um Nichterhçhung des Pflichtteils bedingte Anordnung der Erbausgleichung2
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert iSd § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, beim Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen. Zugleich hat der Zuwendungsempfnger. . . (Name) den Zuwendungswert iSd § 2055 Abs. 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, bei einer Erbauseinandersetzung im Sinne der §§ 2050 ff. BGB beim Tod des Zuwendenden, . . . (Name), unter der Bedingung zur Ausgleichung zu bringen, dass sich dadurch sein Pflichtteil im Verhltnis zu einer ausschließlichen Pflichtteilsanrechnung iSd § 2315 BGB nicht erhçht. Es wird klarstellend festgestellt, dass eine Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB zugrunde liegt.
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Soweit bei Zuwendung eine vorausvermächtnisweise Anordnung vorbehalten wird, ist zu bedenken, dass ein Vorbehalt als durch späteres Vermächtnis aufschiebend bedingte Anordnung gilt, die mit Bedingungseintritt wiederum ungewollte Pflichtteilsverschiebungen iSd. § 2316 Abs. 1 BGB bspw. zum Nachteil des längstlebenden alleinerbenden Ehegatten durch Erhöhung der Pflichtteile der übrigen Abkömmlinge auslösen kann, die anders als die durch die Verschiebung ohnehin reduzierten Pflichtteilsrechte des Zuwendungsempfängers noch nicht durch Pflichtteilsanrechnung neutralisiert sind.
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Dem lässt sich insoweit nur dadurch vorbeugen, dass der Vorbehalt für gewillkürte Erbfolge oder dann ausgeschlossen wird, wenn der Erblasser in der Verfügung von Todes wegen von dem Vorbehalt (ausdrücklich) keinen Gebrauch macht, sondern die anderen Abkömmlinge vorausvermächtnisweise lediglich so stellt, als wäre eine Ausgleichung angeordnet.3 Dann wäre jedoch der Zuwendungsempfänger ggf. auch insoweit pflichtteils1 Beck’sches Notarhandbuch/Jerschke, A V Rz. 93. 2 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (104 f.). 3 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (105).
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
berechtigt, falls keine Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 Abs. 1 BGB erfolgte.
M 58
Bestimmung der Pflichtteilsanrechnung und bedingte Anordnung der Erbausgleichung1
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, beim Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen. Diese Anordnung soll auch gegenber denjenigen Abkçmmlingen des Zuwendenden gelten, die iSd. §§ 2315 Abs. 3, 2051 Abs. 1 BGB an Stelle des wegfallenden Zuwendungsempfngers als Pflichtteilsberechtigte nachrcken. Zugleich behlt sich der Zuwendende hiermit ausschließlich fr den Fall des Eintritts gesetzlicher Erbfolge ausdrcklich vor, durch Verfgung von Todes wegen anzuordnen, dass der Zuwendungsempfnger . . . (Name) den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, oder einen geringeren Wert bei einer Erbauseinandersetzung iSd. §§ 2050 ff. BGB auf den Tod des Zuwendenden . . . (Name) zur Ausgleichung zu bringen hat. Bei Eintritt gewillkrter Erbfolge wird der Vorbehalt selbst dann nicht ausgelçst, wenn diese der gesetzlichen Erbfolge entspricht. Eine vorausvermchtnisweise Umsetzung des Vorbehalts gilt jedoch nicht als gewillkrte Erbfolge. Der Vorbehalt berechtigt auch dazu, die Ausgleichung nur unter der Bedingung anzuordnen, dass sich dadurch der Pflichtteil des Zuwendungsempfngers im Verhltnis zu einer ausschließlichen Pflichtteilsanrechnung iSd. § 2315 BGB nicht erhçht. Den Beteiligten ist bekannt, dass eine entsprechende letztwillige Anordnung zu Pflichtteilsverschiebungen iSd. § 2316 Abs. 1 BGB fhren kann. Alternativ: Der Vorbehalt gilt jedoch dann nicht als aufschiebend bedingte Ausgleichungsanordnung iSd. §§ 2316 iVm. 2050 ff. BGB, wenn der Zuwendende in der Verfgung von Todes wegen von diesem Vorbehalt ausdrcklich keinen Gebrauch macht, sondern die Abkçmmlinge vorausvermchtnisweise lediglich so stellt, als ob eine Ausgleichung angeordnet wre. Jeweiliger Zusatz: Es wird klarstellend festgestellt, dass eine Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB zugrunde liegt.
Der Zuwendende kann jedoch die letztwillige vorausvermächtnisweise 348 Anordnung im Gegensatz zu einer lebzeitigen spätestens bei Übergabe getroffenen endgültigen Ausgleichungsanordnung bis zu seinem Tod man1 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (104 f.).
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2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
gels dann bereits eingetretener Außenwirkung jederzeit im Rahmen seiner Testierfreiheit widerrufen.
VII. Besonderheiten hinsichtlich des Ehegatten des Zuwendenden 1. Erbausgleichung 349
Ist der Übergeber bei Zuwendung an einen gemeinschaftlichen Abkömmling verheiratet und haben sich die Ehegatten durch Verfügung von Todes wegen gegenseitig zu Alleinerben sowie die gemeinsamen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zu Schlusserben eingesetzt (Einheitslösung iSd. § 2269 BGB), stellt sich die Frage, ob eine Erbausgleichungspflicht des Zuwendungsempfängers für den Fall, dass der Übergeber erstversterbender Elternteil ist, auf den Tod des nichtzuwendenden Elternteils angeordnet werden kann. Denn die Kinder bilden erst zu diesem Zeitpunkt eine Erbengemeinschaft, in der ein eventueller Ausgleich praktisch relevant wird. Eine entsprechende Problematik entsteht für den Fall, dass beide Ehegatten jeweils ihren hälftigen Anteil am betroffenen Zuwendungsgegenstand übertragen, auf den Tod des Längstlebenden jedoch den vollständigen Wert, somit auch den hälftigen Anteil des Erstversterbenden ausgeglichen wissen möchten, während beim Tod des erstversterbenden Ehegatten der Überlebende Alleinerbe wird und daher hinsichtlich der Zuwendung des Erstversterbenden noch keine Ausgleichungskonstellation vorhanden ist.
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Zwar wird vertreten, dass in derartigen Fällen auch der zuerst versterbende Ehegatte beim Tod des längstlebenden Ehegatten insoweit als Erblasser iSd. §§ 2050, 2052 BGB gilt und daher seine Zuwendungen gleichwohl auf den Tod des anderen längstlebenden Ehegatten (im Fall des § 2050 Abs. 3 BGB bei rechtzeitiger Anordnung) auszugleichen sind.1 Gegen diese Sichtweise sprechen jedoch der auf den konkreten Erblasser abstellende Wortlaut der §§ 2050, 2052 BGB, die trotz Einheitslösung iSd. § 2269 BGB bestehende systematische Selbständigkeit der jeweiligen Erbfolge nach jedem Ehegatten und die Wertungswidersprüche zur unstreitigen Nichtanwendbarkeit dieses weiten Erblasserbegriffs auf § 2316 BGB, der § 2050 BGB gerade voraussetzt.2 Der BGH hat bislang ausdrücklich offen gelassen, welcher Ansicht insoweit zu folgen ist, eine Anwendung dieses weiten Erblasserbegriffs auf pflichtteilsrechtliche Vorschriften, insbesondere die §§ 2315, 2316, 2325 und 2327 BGB unter ausdrücklicher Anlehnung einer diesbezüglichen Entscheidung des KG3 jedoch auch für den Fall aus1 RG v. 26.3.1914 – IV 686/13, RG WarnRspr. 1938 Nr. 22; KG v. 21.3.1974 – 12 U 2102/73, OLGZ 1974, 257 (259 ff.) = NJW 1974, 2131 zur Parallelproblematik bei § 2327 BGB; Staudinger/Werner, § 2052 BGB Rz. 6. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2000, 82 (83); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (105); Thubauville, MittRhNotK 1992, 289 (295); Mohr, ZEV 1999, 257 (258). 3 KG v. 21.3.1974 – 12 U 2102/73, OLGZ 1974, 257 (259 ff.) = NJW 1974, 2131 zur Parallelproblematik bei § 2327 BGB.
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F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
geschlossen, dass eine Ausgleichungsanordnung auf den Tod des nichtzuwendenden Ehegatten möglich wäre.1 Da danach eine pflichtteilsrechtliche Fernwirkung iSd. § 2316 BGB selbst dann ausscheidet, wenn eine derartige Ausgleichungsanordnung zulässig sein sollte, reduziert sich die Diskussion auf die Frage, in welcher Form die Ausgleichungspflicht auf den Tod des nicht zuwendenden Ehegatten angeordnet werden muss. Bis zu einer diesbezüglichen höchstrichterlichen Klärung ist für die Regelungen nach §§ 2050, 2052 BGB die sicherste Gestaltung zu wählen und daher von einem engen Erblasserbegriff auszugehen, der eine Ausgleichung auf den Tod des nichtzuwendenden Ehegatten nicht erfasst.2 Es sollte stattdessen eine Gestaltung bevorzugt werden, die selbst unter 351 Geltung des engen Erblasserbegriffs bei Erstversterben des Zuwendenden faktisch auf den Tod des nichtzuwendenden Ehegatten eine Ausgleichung ermöglicht. Dies sollte durch beide Ehegatten jeweils vorausvermächtnisweise mittels Verfügung von Todes wegen beschränkt auf den Tod des Längstlebenden von ihnen, hilfsweise auf ihren zeitgleichen Tod geschehen. Soweit alternativ ein Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB zwischen 352 dem Zuwendungsempfänger und dem nichtzuwendenden Ehegatten zugunsten der übrigen Schlusserben vorgeschlagen wird,3 dürfte dem entgegenstehen, dass verbindliche Anordnungen für eine Erbauseinandersetzung nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden getroffen werden können.4 Wer gleichwohl eine derartige Gestaltung riskiert, sollte den beiden Parteien ein freies Aufhebungsrecht gegenüber den übrigen Schlusserben vorbehalten.5 2. Pflichtteilsanrechnung Die Bestimmung einer Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 BGB durch den 353 zuwendenden (anschließend erstversterbenden) Ehegatten vermag selbst bei einer Einheitslösung iSd. § 2269 BGB die Pflichtteilsansprüche des betroffenen gemeinschaftlichen Abkömmlings als Zuwendungsempfänger und Schlusserben auf den Tod des nichtzuwendenden längstlebenden Ehegatten aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 2315 BGB und zur Vermeidung einer Doppelanrechnung in zwei getrennten Erbfällen unstreitig nicht zu reduzieren.6 1 BGH v. 13.7.1983 – IVa ZR 15/82, MDR 1983, 916 = FamRZ 1983, 1104 = FamRZ 1983, 1013 = NJW 1983, 2875 (2876 f.). 2 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (105). 3 Thubauville, MittRhNotK 1992, 289 (295); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2000, 82 (83). 4 Vgl. BGH v. 28.10.2009 – IV ZR 82/08, FamRZ 2010, 27 = DNotZ 2010, 629 = ZEV 2010, 33 (34) mit krit. Anm. v. Leipold. 5 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (105). 6 BGH v. 13.7.1983 – IVa ZR 15/82, MDR 1983, 916 = FamRZ 1983, 1104 = FamRZ 1983, 1013 = NJW 1983, 2875 ff.; OLG Koblenz v. 14.6.2010 – 2 U 831/09, MDR 2010, 1331 = FamRZ 2011, 146; ZEV 2010, 473 (474); Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (105); Staudinger/ Haas, § 2315 BGB Rz. 10; Keim, MittBayNot 2008, 8 (9).
273
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
354
Bei Zuwendung müsste daher der zuwendende Ehegatte eine Pflichtteilsanrechnungsbestimmung auf seinen Tod treffen und der nichtzuwendende Ehegatte als Erblasser höchstpersönlich gemeinsam mit dem Zuwendungsempfänger einen gegenständlich beschränkten notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkunden lassen. Hierdurch wäre der Pflichtteil des Zuwendungsempfängers unabhängig davon, welcher Ehegatte zuerst verstirbt, sowohl zugunsten des längstlebenden alleinerbenden Ehegatten als auch zugunsten der übrigen Schlusserben um den Zuwendungswert reduziert. Zum Schutz des verzichtenden Zuwendungsempfängers könnte der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzichtsvertrag dadurch auflösend bedingt werden, dass andere Personen als der jeweils andere Elternteil bzw. als andere Abkömmlinge bedacht werden.
355
Ergänzend ist zu erwägen, dass der nichtzuwendende Ehegatte hinsichtlich der Zuwendung seines Ehegatten auf Pflichtteilsergänzung verzichtet, damit derartige Ansprüche nach dem Tod des zuwendenden Ehegatten als Erstversterbendem nicht zunächst in der Person des nichtzuwendenden Ehegatten entstehen und sodann vererblich sind. 3. Schlussfolgerungen für die Gestaltung
356
Beide Ehegatten sollten jeweils vorausvermächtnisweise durch Verfügung von Todes wegen beschränkt auf den Tod des Längstlebenden von ihnen, hilfsweise auf ihren zeitgleichen Tod eine Ausgleichung zumindest faktisch auslösen. Zusätzlich sollte der zuwendende Ehegatte bei Zuwendung die Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 BGB bestimmen, sowie zwischen dem nichtzuwendenden Ehegatten und dem Zuwendungsempfänger ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag und zwischen beiden Ehegatten ein Vertrag über Pflichtteilsergänzungsverzicht des Nichtzuwendenden beurkundet werden. Der zuwendende Ehegatte sollte jedenfalls eine sofortige uneingeschränkte Ausgleichungsanordnung unterlassen, da andernfalls nach § 2316 Abs. 1 BGB Pflichtteilsverschiebungen zum Nachteil des nichtzuwendenden alleinerbenden Ehegatten durch Erhöhung der Pflichtteilsrechte der übrigen Abkömmlinge eintreten können, die anders als die durch die Verschiebung ohnehin reduzierten Pflichtteilsrechte des Zuwendungsempfängers noch nicht durch Pflichtteilsanrechnung neutralisiert sind. Der zuwendende Ehegatte könnte sich bei Zuwendung die vorgesehene vorausvermächtnisweise Ausgleichung unter der Bedingung vorbehalten, dass er nicht vor seinem Ehegatten verstirbt und sich durch die bedingte Ausgleichungsanordnung der Pflichtteil des Zuwendungsempfängers im Gegensatz zur ausschließlichen Pflichtteilsanrechnung nicht erhöht, um insoweit auf seinen Tod als Längstlebender oder gleichzeitig mit seinem Ehegatten Versterbender eine sachgerechte Pflichtteilsverschiebung zugunsten der anderen Abkömmlinge zulasten des Zuwendungsempfängers zu bewirken. Die durch vorausvermächtnisweise Umsetzung einer vorbehaltenen Erbausgleichungsanordnung ausgelösten pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen iSd. § 2316 Abs. 1 BGB wären für den nichtzuwendenden Ehegatten unschädlich, da sich die Pflichtteile der 274
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
anderen Abkömmlinge ausschließlich bei Tod des Zuwendenden als Längstlebendem oder bei gleichzeitigem Versterben beider Ehegatten erhöhen. Für den Fall des Scheiterns der Ausgleichung an einer Erhöhung des Pflichtteils des Zuwendungsempfängers nach § 2316 Abs. 4 BGB sollte der Zuwendende eine ausschließlich faktische vorausvermächtnisweise Ausgleichung verfügen. Ein Vorbehalt durch den nichtzuwendenden Ehegatten liefe hingegen ins Leere, da selbst bei Bejahung eines weiten Erblasserbegriffs keine pflichtteilsrechtlichen Fernwirkungen iSd § 2316 BGB eintreten können.1 Für kraft Gesetzes ausgleichungspflichtige Zuwendungen iSd. § 2050 357 Abs. 1 und Abs. 2 BGB scheitert eine Nichtausgleichungsanordnung an § 2316 Abs. 3 BGB. Es empfiehlt sich daher eine Klarstellung, welche Zuwendungsart zugrunde liegt.2 Zu der sehr umstrittenen Frage, ob und bejahendenfalls unter welchen Vo- 358 raussetzungen ein stillschweigender Pflichtteilsverzicht möglich ist, vgl. oben Rz. 162 ff.
M 59
Pflichtteilsanrechnungsbestimmung des zuwendenden Ehegatten, Pflichtteilsergnzungsverzicht des nichtzuwendenden Ehegatten, Pflichtteilsverzicht des Zuwendungsempfngers gegenber dem nichtzuwendenden Ehegatten und Vorbehalt der Erbausgleichung3
(Form: notarielle Beurkundung, soweit Zuwendungsgeschft beurkundungspflichtig) Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, beim Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen. Diese Anordnung soll auch gegenber denjenigen Abkçmmlingen des Zuwendenden gelten, die iSd. §§ 2315 Abs. 3, 2051 Abs. 1 BGB an Stelle des wegfallenden Zuwendungsempfngers als Pflichtteilsberechtigte nachrcken. Der nichtzuwendende Ehegatte verzichtet hiermit auf etwaige Pflichtteilsergnzungsansprche, die aus dieser Zuwendung entstehen kçnnen. Dieser Verzicht wird von dem zuwendenden Ehegatten angenommen. Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) verzichtet hiermit auf den Tod des nichtzuwendenden Elternteils . . . (Name) auf etwaige Pflichtteilsansprche einschließlich etwaiger Ausgleichspflichtteils- bzw. Pflichtteilsergnzungsrechte dadurch auflçsend bedingt, dass dieser Elternteil durch andere Personen als den anderen Elternteil und/oder durch einen oder mehrere gemein1 BGH v. 13.7.1983 – IVa ZR 15/82, MDR 1983, 916 = FamRZ 1983, 1104 = FamRZ 1983, 1013 = NJW 1983, 2875 (2876 f.). 2 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 2 Rz. 261. 3 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (106).
275
2. Kap. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsrecht
schaftliche Abkçmmlinge beerbt wird oder unter anderen Personen als innerhalb dieses Personenkreises Zuwendungen ttigt bzw. gettigt hat. Der Verzicht erfolgt gegenstndlich beschrnkt ausschließlich insoweit, als bei der Bewertung des Nachlasses der Zuwendungswert aus der o.g. bertragung iSd § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht bercksichtigt wird. Die Wirkungen dieses Verzichts erstrecken sich auch auf die Abkçmmlinge des Verzichtenden. Dieser Verzicht wird hiermit von dem nichtzuwendenden Elternteil . . . (Name) angenommen. Der zuwendende Ehegatte behlt sich hiermit ausdrcklich vor, durch Verfgung von Todes wegen anzuordnen, dass der Zuwendungsempfnger . . . (Name) den Zuwendungswert iSd § 2055 Abs. 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, oder einen geringeren Wert bei einer Erbauseinandersetzung iSd §§ 2050 ff. BGB auf den Tod des Zuwendenden zur Ausgleichung zu bringen hat. Dieser Vorbehalt erfasst auch eine Ausgleichungspflicht fr Ersatzerben iSd. § 2051 Abs. 2 BGB. Er gilt nur fr den Fall, dass der Zuwendende nicht vor dem nichtzuwendenden Ehegatten verstirbt. Er lsst auch die Bedingung zu, dass sich durch eine Ausgleichungsanordnung der Pflichtteil des Zuwendungsempfngers im Verhltnis zu einer ausschließlichen Pflichtteilsanrechnung iSd. § 2315 BGB nicht erhçht. Der nichtzuwendende Ehegatte erwgt fr den Fall, dass er Lngstlebender ist, eine entsprechende vorausvermchtnisweise Regelung zur faktischen Ausgleichung der o.g. Zuwendung, ohne sich diese ausdrcklich vorzubehalten. Gleiches erwgt der zuwendende Ehegatte bei Wegfall der Ausgleichungsanordnung wegen einer o.g. zugunsten des Zuwendungsempfngers wirkenden Pflichtteilserhçhung. Den Beteiligten ist bekannt, dass die jeweilige Anordnung noch eine entsprechende Verfgung von Todes wegen voraussetzt, die dann im Falle der vorbehaltenen Regelung des Ehemanns zu Pflichtteilsverschiebungen iSd § 2316 Abs. 1 BGB fhren kann. Es wird klarstellend festgestellt, dass eine Zuwendung iSd. § 2050 Abs. 3 BGB zugrunde liegt.
M 60
Vorausvermchtnisweise Erbausgleichungsanordnung durch den zuwendenden Ehegatten aufgrund Vorbehalts und durch den nichtzuwendenden Ehegatten1
(Form: Verfgung von Todes wegen) ... Durch Urkunde des Notars . . . (Name) in . . . (Ort), vom . . . (Datum), UR . . . (Urkundenrollennummer), habe ich, . . . (Vor- und Nachname des zuwendenden Ehegatten), an . . . (Vor- und Nachname des Abkçmmlings) meine Eigentumswohnung in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) ohne Gegenleistung als sonstige Zuwendung iSd § 2050 Abs. 3 BGB mit der Bestimmung zur Pflicht1 Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (107).
276
F. Erbausgleichung und Pflichtteilsanrechnung
teilsanrechnung iSd § 2315 BGB und unter dem Vorbehalt bertragen, durch Verfgung von Todes wegen eine erbrechtliche Ausgleichungspflicht iSd. §§ 2050 ff. BGB auch hinsichtlich Ersatzerben zum Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB oder zu einem geringeren Wert auf meinen Tod fr den Fall anzuordnen, dass ich nicht vor meinem Ehegatten versterbe. Der Vorbehalt lsst auch die Bedingung zu, dass sich durch eine Ausgleichungsanordnung der Pflichtteil des Zuwendungsempfngers im Verhltnis zu einer ausschließlichen Pflichtteilsanrechnung iSd. § 2315 BGB nicht erhçht. Von diesem Vorbehalt mache ich, . . . (Vor- und Nachname des zuwendenden Ehegatten), hiermit Gebrauch und ordne nunmehr eine entsprechende Ausgleichungspflicht dergestalt an, dass . . . (Name) den Zuwendungswert iSd. § 2055 Abs. 2 BGB, den ich klarstellend mit . . . Euro (Geldbetrag) vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall feststelle, bei einer Erbauseinandersetzung iSd §§ 2050 ff. BGB auf meinen Tod, soweit ich nicht vor meinem Ehegatten versterbe, zur Ausgleichung zu bringen hat, wenn sich dadurch der Pflichtteil des Zuwendungsempfngers im Verhltnis zu einer ausschließlichen Pflichtteilsanrechnung iSd § 2315 BGB nicht erhçht. Diese Anordnung soll auch fr und gegen nachrckende Abkçmmlinge bzw. Ersatzerben wegfallender Abkçmmlinge gelten. Mir ist bekannt, dass die Ausgleichungsanordnung nach § 2316 Abs. 1 BGB zu Pflichtteilsverschiebungen fhren kann. Entfllt die Ausgleichungsanordnung wegen einer derartigen Pflichtteilserhçhung zugunsten des Zuwendungsempfngers, beschwere ich . . . (Vor- und Nachname des Zuwendungsempfngers), ersatzweise den an dessen Stelle berufenen Ersatzerben, zugunsten aller anderen Miterben, hilfsweise deren Ersatzerben, mit einem Vorausvermchtnis dahingehend, dass diese jeweils einen Geldbetrag in der Hçhe erhalten, der einem Ausgleichungsanspruch nach §§ 2050 ff. BGB wegen der o.g. bertragung entsprochen htte. Soweit ich, . . . (Vor- und Nachname des nichtzuwendenden Ehegatten), lngstlebender Ehegatte bin, beschwere ich, . . . (Vor- und Nachname des nichtzuwendenden Ehegatten), . . . (Vor- und Nachname des Zuwendungsempfngers), ersatzweise den an dessen Stelle berufenen Ersatzerben, zugunsten aller anderen Miterben, hilfsweise deren Ersatzerben, mit einem Vorausvermchtnis dahingehend, dass diese jeweils einen Geldbetrag in der Hçhe erhalten, der einem Ausgleichungsanspruch nach §§ 2050 ff. BGB wegen der o.g. bertragung entsprochen htte.
277
3. Kapitel Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Inhaltsübersicht Rz. A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gesamtrechtsnachfolge . . . . . 1. Jeder Erbfall führt zur Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . 2. Die Möglichkeit der Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Alleinerbe. . . . . . . . . . . . . . 4. Die Erbengemeinschaft . . . . . . II. Gesamtrechtsnachfolge und Zuweisung einzelner Gegenstände . 1. Gesamtrechtsnachfolge und Laienhorizont . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zuweisung einzelner Gegenstände auf der Grundlage der Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuweisung an den Alleinerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuweisung an einzelne Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuweisung an Nichterben . III. Die Erbenbestimmung . . . . . . . . . 1. Wer kann Erbe sein? . . . . . . . . . 2. Wer wird Erbe, wer Vermächtnisnehmer? . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzliche Beibehaltung der gesetzlichen Erbfolge bei Einzelzuweisung. . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmsweises Unterbleiben der Erbenbestimmung trotz letztwilliger Verfügung über den Gesamtnachlass . . . . 5. Keine Drittbestimmung des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Bestimmung von Ersatzerben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Auslegung, gesetzliche Auslegungsregeln, tatsächliche Vermutungen bei der Ersatzerbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ersatzerbfolge auch, wenn der Erstberufene den Pflichtteil verlangt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zuwendungsverzicht gegen Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 1 2 3 5 10 10
16 16 17 18 19 19 25
29
30 32 35
40
54
Rz. 10. Formulierung der Ersatzerbenbestimmung . . . . . . . . . . 11. Ersatzerbenkette . . . . . . . . . . . IV. Formulierungsbeispiele für Erbeinsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einsetzung eines Alleinerben . 2. Einsetzung mehrerer Erben . . . 3. Gemeinschaftlicher Erbteil . . . 4. Mehrfach gestaltete Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auflösend bedingt gestaltete (Ersatz-)Erbeineinsetzung des Schwiegerkindes . . . . . . . . . . . . B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anordnung der Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtsstellung des Vorerben . 1. Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsschutz gegen Eigengläubiger des Vorerben . . 3. Nacherbfolge und Grundbuch . a) Eintragung des Nacherbenvermerks . . . . . . . . . . . . . b) Surrogatgrundstück . . . . . . . c) Andere Eintragung als Erbbaurechte oder Löschungen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Löschung des Nacherbenvermerks . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerfragen der Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . III. Die gesetzlichen Beschränkungen des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfügungsbeschränkungen . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundschuldbestellung. . . . c) Zustimmungserfordernisse d) Gutgläubiger Erwerb . . . . . . e) Befreiung durch den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitverwaltungsrechte des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 57 58 58 58 58 59
60
61 61 64 64 65 67 67 68
69 70 76 78 78 79 79 81 82 84 85 88
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung Rz. 4. Kontroll- und Sicherungsrechte des Nacherben . . . . . . . . . . . 5. Verwaltungspflichten, Lastenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gestaltungsmöglichkeiten. . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusätzliche Beschränkungen des nicht befreiten Vorerben . . 3. Befreiung des Vorerben von allen gesetzlichen Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermächtigung des Vorerben zu Schenkungen? . . . . . . . . . . . . . . 5. Teilweise Befreiung des Vorerben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorausvermächtnis an den Alleinvorerben . . . . . . . . . . . . . 7. Vorausvermächtnis an den Mitvorerben. . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ermächtigung des Vorerben zu lebzeitiger Übertragung . . . . . . 9. Testamentsvollstreckung . . . . V. Gestaltungsziele und Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ziele der Vor- und Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachteile der Vor- und Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die einzelnen Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einzeltestament . . . . . . . . . b) Anordnung von Vor- und Nacherbschaft im Ehegattentestament . . . . . . . . . . . . c) Anordnung weiterer Nacherbfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einsetzung unbekannter Nacherben . . . . . . . . . . . . . . e) Durch eigene letztwillige Verfügung des Vorerben auflösend bedingte Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . f) Einsetzung der eigenen Erben des Vorerben als Nacherben (sog. Dieterle-Klausel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) „Gegenständliche“ Vorund Nacherbfolge . . . . . . . . h) Bedingtes Vorausvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Testamentsvollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft . . . . . . 5. Post- bzw. transmortale Vollmacht des Erblassers . . . . . . . .
280
89 91 92 92 95
97 98 104 106 113 114 116 117 117 118 120 120
122 123 127
128
130 131 132 134 143
Rz. VI. Störfaktoren, Fehlerquellen . . . . . 1. Konstruktive Vor- und Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerung und Vererbung der Nacherbenanwartschaft . . . a) Veräußerung . . . . . . . . . . . . . b) Vererbung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis Ersatzerbenbestimmung – § 2069 BGB – § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . VII. Fallgruppen und Alternativen der Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . 1. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alternativen. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Nießbrauchsvermächtnis als Gestaltungsalternative . . . . C. Das Vermächtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . 1. Das Vermächtnis als Leistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Vermächtnisgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dreiecksverhältnis Erbe – Vermächtnisnehmer – Pflichtteilsberechtigter . . . . . . . 4. Beschwerter und Bedachter . . . 5. Anfall und Fälligkeit . . . . . . . . . 6. Annahme und Ausschlagung . . 7. Kosten der Vermächtniserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Sicherstellung der Vermächtniserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Nießbrauchsvermächtnis . . . 1. Die gesetzliche Regelung des Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Nießbrauchs . . . . b) Nießbrauchsgegenstände . . c) Erbschaftsteuerliche Behandlung des Nießbrauchsvermächtnisses . . . . . . . . . . 2. Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nießbrauchsvermächtnis an einem Erbteil . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nießbrauchsvermächtnis an Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . a) Der Grundstücksnießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bruchteilsnießbrauch – Quotennießbrauch. . . . . . . . c) Verhältnis Eigentümer – Nießbraucher . . . . . . . . . . . .
144 144 145 145 156
158 164 164 170 171
173 173 173 175
177 178 179 182 183 184 188 188 188 193
194 195 198 199 199 200 202
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung Rz.
III.
IV.
V. VI.
d) Gestaltungsformen . . . . . . . aa) Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bruttonießbrauch . . . . . cc) Erhaltungspflichten des Eigentümers . . . . . . . . . dd) Bruchteilsnießbrauch, Quotennießbrauch, entgeltlicher Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . ee) Rentenwahlrecht . . . . . ff) Grundpfanddarlehen bei Renovierungen und Sanierungen. . . . . . . . . . 5. Nießbrauchsvermächtnis am Einzelunternehmen und Unternehmensbeteiligungen . . . . Das Wohnungsrechtsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelung. . . . . . . . a) Beschränkte persönliche Dienstbarkeit . . . . . . . . . . . . b) Wohnungsgewährungsreallast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitbenutzungsdienstbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufnahmerecht . . . . . . . . . . e) Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Besichtigungsrecht . . . . . . . g) Erhaltungskosten, Lastentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsatz des Wohnungsrechtsvermächtnisses . . . . . . . . . . . . . Das Rentenvermächtnis . . . . . . . . 1. Einsatzmöglichkeiten, Gefahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Zivilrecht der Rente . . . . . 3. Sicherheiten für den Leibrentenberechtigten . . . . . . . . . . . . . a) Wertsicherung . . . . . . . . . . . b) Zwangsvollstreckungsunterwerfung . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalwahlrecht . . . . . . . . . d) Dingliche Sicherheiten . . . . Das wertgesicherte Kapitalvermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Vorausvermächtnis . . . . . . . . 1. Begriff und Anwendungsfälle . 2. Vorausvermächtnis zugunsten des alleinigen Vollerben . . . . . . 3. Vorausvermächtnis zugunsten eines Miterben . . . . . . . . . . . . .
Rz.
204
204 205
VII. VIII.
206
207 208 IX. 209
211 212 212 212 213 214 215 216 217 218 222 223 223 225 X. 229 229 233 234 235 237 238 238 239 242
XI. XII.
4. Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben. . . . . . . . . . . . . . . . Das Untervermächtnis . . . . . . . . . Das Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben . . . . . . . . . . . . . 1. Alternative zur befreiten Vorerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Konstruktion . . . . . 3. Vermächtnisanwartschaft . . . . 4. Rechtsverhältnis Erbe – Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . 5. Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses . . . . . . Das Vor- und Nachvermächtnis . . 1. Rechtliche Konstruktion . . . . . a) Abgrenzung zur Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Nachvermächtnis als Untervermächtnis . . . . . . . . 2. Anwendungsfälle, praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechtsstellung des Nachvermächtnisnehmers zwischen Erbfall und Anfall des Nachvermächtnisses . . . . . . . . 4. Kautelarjuristische Verstärkung der Stellung des Nachvermächtnisnehmers . . . . . . . . a) Eintragung einer Auflassungsvormerkung . . . . . . . . b) Verpflichtung zur aufschiebend bedingten oder befristeten Übereignung . . . . . . . . c) Anordnung von Testamentsvollstreckung . . . . . . . 5. Verfügbarkeit der Anwartschaft des Nachvermächtnisnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermächtnisse mit Auswahl-, Bestimmungs- und Konkretisierungsbefugnissen Dritter . . . . . . . 1. Vermächtnis und Drittbestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kombination der Drittbestimmungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . Haupt- und Untervermächtnis . . . Erbschaftsteuerrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
243 244 245 245 246 247 248 252 255 255 256 260 262
267
271 271
272 273
277
278 278 281 282 285
D. Die Auflage als Instrument der Verpflichtung ohne korrespondierende Berechtigung . . . . . . . . . . 287 I. Rechtlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . 287
281
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung Rz. II. Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Gestaltungshinweise . . . . . . . . . . 290 E. Teilungsanordnung, Übernahmerecht und Teilungsverbot als Instrumente der Steuerung der Nachlassauseinandersetzung . . . . I. Die Teilungsanordnung . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum Vorausvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Unterschiede . . . . . 3. Gestaltungsmöglichkeiten bei überquotaler Zuweisung von Nachlassgegenständen an einzelne Miterben . . . . . . . . . . . . . a) Teilungsanordnung . . . . . . . b) Vorausvermächtnis . . . . . . . c) Vorausvermächtnis nur der Wertdifferenz . . . . . . . . . . . . II. Das Übernahmerecht . . . . . . . . . . III. Das Teilungsverbot . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Regelung. . . . . . . . 2. Rechtliche Einordnung . . . . . . a) Gestaltungsmöglichkeiten. b) Reine Teilungsanordnung . c) Teilungsverbot als Vermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . d) Teilungsverbot als Auflage . 3. Unterschiede von Vermächtnis- und Auflagenlösung . . . . . 4. Verstärkung des Teilungsverbots durch Anordnung von Testamentsvollstreckung . . . . F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung über den Tod hinaus . . . . . I. Willensvollstreckung . . . . . . . . . . II. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgabenstellung, Typen der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . 1. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Abwicklungsvollstreckung c) Verwaltungsvollstreckung . d) Dauervollstreckung . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . bb) Besonderheit Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nacherbenvollstreckung . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . .
282
295 295 295 296 296 297
298 298 299 301 303 304 304 311 311 314 315 316 317
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319 319 322 324 324 325 325 326 329 331 331 332 333 333
Rz. bb) Nacherbenvollstrecker und gesetzlicher Vertreter des Erben . . . . . . . . . cc) Kombinationslösung. . . f) Beschränkter Aufgabenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingung. . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . b) Entgeltlichkeitsnachweis . . c) Eintritt von Geschäftsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Testamenstvollstreckervermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundbuch . . . . . . . . . . . bb) Gesellschafterliste bzw. Handelsregister . . . . . . . e) Erweiterungen . . . . . . . . . . . f) Beschränkungen . . . . . . . . . . 3. Amtsbeendigung . . . . . . . . . . . . V. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einseitige letztwillige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierung: Anordnung Testamentsvollstreckung und Personbestimmung . . . . . . . . . . 3. Problematik Alleinerbe als Testamentsvollstrecker . . . . . . 4. Unwirksamkeitstatbestände . . 5. Problematik Ersatztestamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . 6. Eintritt der Verfügungsbeschränkung der Erben . . . . . . 7. Notar als Testamentsvollstrecker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der die letztwillige Verfügung beurkundende Notar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ermächtigung des Urkundsnotars . . . . . . . . . . . . . c) Sozius des beurkundenden Notars . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unverbindlicher Erblasserwunsch . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bloße beurkundete Testamentsvollstreckungsanordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Anlage zur beurkundeten letztwilligen Verfügung. . . . g) Eigenhändiges Testament . .
334 335 336 337 338 338 339 339 344 345 346 346 347 348 349 350 351 351
352 353 355 356 357 358
358 359 360 361
362 363 364
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge Rz. h) Notar mit Amtssitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Vergütung des Testamentsvollstreckers. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bemessungsgrundlagen . . . . . . 3. Sonderfall: Unwirksame Testamenstvollstreckungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Formulierungsbeispiele . . . . . . . . G. Die Vollmacht auf den Todesfall als Alternative zur Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . III. Abgrenzung zur Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vollmacht neben Testamentsvollstreckung? . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Postmortale Vollmacht . . . . . . 2. Transmortale Vollmacht . . . . . 3. Ansprüche des Erben gegen den Bevollmächtigten . . . . . . . 4. Schlussfolgerung. . . . . . . . . . . . H. Die Bedingung als testamentarisches Vielzweckinstrument. . . . . I. Die Bedingung als Instrument der Störfallvorsorge . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsmöglichkeiten . . . . . 1. Sicherung von Vermächtnissen und Auflagen . . . . . . . . . . .
365 367 367 368
370 371
373 373 374 375 379 379 380 381 382 383 383 384
Rz. 2. Sicherung einer lebzeitigen Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingte Nacherbeneinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Straf- und Verwirkungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gefahr: Konstruktive Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die letztwillige Wertsicherungsklausel als Instrument der Werterhaltung von Zuwendungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wertsicherung für die Zeit bis zum Erbfall. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertsicherung für die Zeit nach dem Erbfall . . . . . . . . . . . . I. Die letztwillige Schiedsklausel als Instrument der Befriedung . . . I. Unterscheidung Schiedsgutachterklausel – Schiedsgerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss von Pflichtteilsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schiedsgutachterklausel . . . . . . . . V. Schiedsgerichtsklausel . . . . . . . . .
385 386 387 388
390 390 391 392
392 394 395 396 397
J. Ausschluss der Sorgerechtsübertragung und Vormundbenennung für ein minderjähriges nichteheliches Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400
384
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge I. Die Gesamtrechtsnachfolge 1. Jeder Erbfall führt zur Gesamtrechtsnachfolge Bei jedem Erbfall tritt nach § 1922 BGB zwingend eine Gesamtrechtsnach- 1 folge ein. Das Vermögen des Erblassers geht von Gesetzes wegen in einem Akt nach § 1942 Abs. 1 im Wege des Vonselbsterwerbs auf eine oder mehrere andere Personen, also den Erben oder die Miterben, über. Es gibt keinen Nachlass ohne Erben. Hat der Erblasser keinen Erben bestimmt, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Der oder die Erben erwerben das Vermögen des Erblassers, also alle über den Tod hinaus bestehenden Sachen und Rechte, aber auch die Verbindlichkeiten, mit dem Todeszeitpunkt in ihrer Gesamtheit und automatisch und ohne dass rechtsgeschäftliche Übertra283
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
gungs- und Übernahmeakte erforderlich wären. Einen wirtschaftlichen Vorteil muss der Erbe nicht erlangen. Auch der wertlose oder überschuldete Nachlass geht auf den eingesetzten oder gesetzlichen Erben, hilfsweise den nach § 1936 BGB gesetzlich berufenen Fiskus (s. dazu oben 2. Kap. Rz. 42) über. 2. Die Möglichkeit der Erbausschlagung 2
Ist eine Person Erbe geworden, so bedeutet dies nicht, dass sie Erbe bleiben muss. Nach § 1942 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen. Schlägt er aus, so gilt nach § 1953 BGB der Anfall an ihn als nicht erfolgt. Es wird also niemand gezwungen, Erbe zu werden. Dies gilt auch für denjenigen, der als Partner des Erbvertrags oder gemeinschaftlichen Testaments Erbe wird, also zu Lebzeiten des Erblassers Erbe werden wollte. Bei der Testamentsgestaltung ist der Fall der Ausschlagung der Erbschaft durch den eingesetzten Erben immer in Betracht zu ziehen, insbesondere auch die von § 1948 BGB eröffnete Möglichkeit, die Erbschaft als eingesetzter Erbe auszuschlagen und als gesetzlicher Erbe anzunehmen.1 Zu diesbezüglichen Voraussetzungen und Gestaltungsvarianten ausführlich 8. Kap. Rz. 1 ff. 3. Der Alleinerbe
3
Der rechtlich einfachste und bei der Testamentsgestaltung häufig anzustrebende Fall der Erbfolge ist die Beerbung des Erblassers nur durch eine Person, den sog. Alleinerben. Er kann von Gesetzes wegen eintreten, z.B. wenn der alleinstehende Erblasser ohne letztwillige Verfügung verstirbt und nur ein Kind hinterlässt. Dieses erwirbt dann sein gesamtes Vermögen allein und in einem Akt. Hatte der Erblasser Grundbesitz, so wird das Grundbuch mit seinem Tod unrichtig, weil zu diesem Zeitpunkt das Eigentum auf den Alleinerben übergeht. Das Grundbuch ist dann der geänderten Rechtslage anzupassen, also nach Vorlage eines Erbnachweises (s. dazu ausführlich 9. Kap. Rz. 1 ff.) zu berichtigen.
4
Hat der Erblasser mehrere gleichberechtigte gesetzliche Erben oder will er sonst mehrere Personen letztwillig bedenken, so empfiehlt sich häufig auch dann die letztwillige Einsetzung eines Alleinerben mit Vermächtnissen für die übrigen Begünstigten. Soll z.B. eines von drei Kindern das Familienheim erhalten, während die beiden anderen aus dem sonstigen Nachlass bedacht werden sollen, so erspart die Alleinerbeneinsetzung des für die Nachfolge in das Familienheim vorgesehenen Kindes die Umständlichkeiten und Kosten der Erbauseinandersetzung über das Grundstück. Ggf. sind die Vermächtnisnehmer jedoch durch Testamentsvollstreckung ggü. dem Alleinerben abzusichern, wobei zwecks Kostenersparnis statt einer außenstehenden Drittperson einer der Vermächtnisnehmer zum Tes1 Zu Form, Frist und Anfechtbarkeit der Erbannahme und Erbausschlagung vgl. §§ 1942 ff. BGB.
284
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
tamentsvollstrecker ohne Honoraranspruch, jedoch mit dem Recht auf Einbehalt seiner Aufwendungen ernannt werden kann. 4. Die Erbengemeinschaft Werden kraft Gesetzes oder letztwilliger Verfügung mehrere Personen Er- 5 ben, so wird nach § 2032 BGB der Nachlass ihr gemeinschaftliches Vermögen. Der Nachlass steht ihnen in Gesamthand als Erbengemeinschaft zu. Die einzelnen Miterben haben ideelle Anteile am Nachlass als Gesamthandsvermögen, die Erbteile, § 2033 Abs. 1 BGB. Sie haben aber keine Anteile an den einzelnen Nachlassgegenständen, diese stehen vielmehr im Eigentum der Erbengemeinschaft als solcher. Hieraus folgt, dass der einzelne Miterbe zwar über seinen Erbteil verfügen kann, § 2033 Abs. 1 BGB, dass aber bei der Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände alle Miterben zusammenwirken müssen. Haben z.B. zwei Brüder ihren Vater gemeinsam beerbt und befindet sich im Nachlass ein Hausgrundstück, so kann dieses nur von beiden gemeinsam veräußert oder belastet werden. Braucht der eine Bruder einen Bankkredit und verlangt die Bank hierfür eine Sicherheit, so kann das ererbte Haus nur dann mit einer Grundschuld belastet werden, wenn diese von beiden Erben bestellt wird. Ist der Miterbe hierzu nicht bereit, kann der andere der Bank lediglich dadurch Sicherheit stellen, dass er ihr seinen hälftigen Erbteil verpfändet, § 1274 BGB. Die Erbengemeinschaft ist nach der gesetzlichen Regelung instabil. Erben 6 z.B. mehrere Personen als wesentlichen Nachlassgegenstand ein Mietshaus, so haben sie folgende Möglichkeiten: – Sie behalten das Hausgrundstück im Gesamthandseigentum und teilen den Nutzungserlös, § 2038 BGB. – Sie führen eine einvernehmliche Auseinandersetzung durch, § 2042 BGB, in der ein Miterbe das Alleineigentum am Hausgrundstück erwirbt und die anderen Miterben auszahlt. – Sie verkaufen einvernehmlich das Hausgrundstück an einen Dritten und teilen den Veräußerungserlös. Ist eine einvernehmliche Regelung nicht möglich, kann jeder Miterbe eine 7 Teilungsversteigerung des Hausgrundstücks erzwingen, § 180 ZVG. Der Erblasser muss mit diesen Möglichkeiten rechnen. Er kann das Ver- 8 halten der Erbengemeinschaft in gewissem Umfang durch Teilungsanordnungen und Teilungsverbote steuern, vgl. Rz. 295 ff. Keine Erbengemeinschaft entsteht bei der Vererbung der Mitgliedschaft 9 an Personengesellschaften, also OHG, KG und Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Mitgliedschaft geht hier im Wege der sog. erbrechtlichen Sondernachfolge unmittelbar in Teilen auf die mehreren Erben über, s. hierzu 7. Kap. Rz. 51 ff.
285
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
II. Gesamtrechtsnachfolge und Zuweisung einzelner Gegenstände 1. Gesamtrechtsnachfolge und Laienhorizont 10 Aus dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge resultiert, dass der Erblas-
ser keine einzelnen Gegenstände auf verschiedene Personen mit unmittelbar rechtlicher Wirkung vererben kann. Lediglich dann, wenn nur ein Alleinerbe bestimmt ist, erwirbt dieser die einzelnen Nachlassgegenstände als Teil des Nachlasses direkt und unmittelbar mit dem Tod des Erblassers. Werden dagegen mehrere Erben bestimmt, so erben diese die einzelnen Nachlassgegenstände zwingend als Gesamthand, Eigentümer werden alle Erben gemeinsam in Erbengemeinschaft. Sollen einzelne Nachlassgegenstände auf einzelne Erben verteilt werden, so sind diese rechtsgeschäftlich von der Erbengemeinschaft auf den einzelnen Erben zu übertragen. Hierzu bedarf es bei Grundstücken der Auflassung und Grundbucheintragung nach §§ 925, 873 BGB, bei beweglichen Sachen der Einigung und Übergabe nach § 929 BGB, bei Forderungen der Abtretung nach § 398 BGB usw. Der Erblasser kann die gewünschte gegenständliche Verteilung durch Teilungsanordnung oder Vermächtnis anordnen. Sie muss aber dann von der Erbengemeinschaft rechtsgeschäftlich vorgenommen werden, da sie mit direkter dinglicher Wirkung nicht möglich ist. 11 Die erbrechtliche Unmöglichkeit unmittelbarer gegenständlicher Nach-
lassverteilung zwischen mehreren Erben entspricht nicht der Vorstellung des Laien und muss im Regelfall dem Erblasser vom Testamentsgestalter erst erklärt und beispielhaft verdeutlicht werden. Der Laie geht davon aus, dass er einzelne Nachlassgegenstände unmittelbar an verschiedene Erben vererben kann. Hat eine Erblasserin z.B. ein Ackergrundstück, ein wertvolles Bild und ein Sparbuch, und soll der Neffe A nach ihrem Willen den Acker, der Neffe B das Bild und die Nichte C das Sparbuch erhalten, so wird sie rechtlich unberaten ihr eigenhändiges Testament mit großer Wahrscheinlichkeit wie folgt formulieren: „Meinen Acker in … erbt der A, das Bild ‚Rheinlandschaft‘ erbt der B, mein Sparbuch bei der Sparkasse … erbt die C.“ 12 Das Nachlassgericht ist dann in Verlegenheit, wie es unter Berücksichti-
gung insbes. der Auslegungsregel des § 2087 BGB – entsprechender Erbscheinsantrag vorausgesetzt – den für die Grundbuchberichtigung und die Sparkasse erforderlichen Erbschein erteilt. Es kann – dies die erste Möglichkeit – die Anordnungen lediglich als Vermächtnisse ansehen mit der Folge, dass die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Lebt im Beispielsfall der Bruder der Erblasserin und Vater der A, B, C noch und sind die Eltern der Erblasserin vorverstorben und keine anderen Geschwister oder Geschwisterabkömmlinge vorhanden, so erhält er dann einen Erbschein als gesetzlicher Alleinerbe und muss den Vermächtnisnehmern die Nachlassgegenstände rechtsgeschäftlich übertragen. Er muss also mit dem A zum Notar und ihm den Acker auflassen, dem B muss er das Bild übereignen und der C das Sparbuch abtreten. 286
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
Das Nachlassgericht kann – dies die zweite Möglichkeit – A, B und C als 13 Miterben ansehen, wobei es die Erbteile entsprechend dem Wert der zugedachten Gegenstände festlegen wird. Die Miterben müssen sich dann entsprechend den Anordnungen der Erblasserin auseinander setzen, also gemeinsam zum Notar, um dem A den Acker aufzulassen usw. Das Nachlassgericht kann schließlich – dies die dritte Möglichkeit – eine 14 oder einzelne bedachte Personen als Erben und andere lediglich als Vermächtnisnehmer ansehen. Wenn dem A der Erbschein als Alleinerbe erteilt würde, würden die Notarkosten für die Auflassung des Ackers erspart und könnte der A dem B und C problemlos das Bild und das Sparbuch im Wege der Vermächtniserfüllung übereignen. Diese Auslegung kann das Nachlassgericht aber nur dann vornehmen, wenn der Acker wesentlich wertvoller ist als das Bild und das Sparbuch, und deshalb zu vermuten ist, dass nur der A der Erbe und damit auch der potentielle alleinige Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten sein soll. Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollte in der letztwil- 15 ligen Verfügung ausdrücklich klargestellt werden, ob eine zum Vonselbstanfall nach § 1942 Abs. 1 BGB führende Erbeinsetzung oder lediglich eine durch den Erben noch zu erfüllende Vermächtnisanordnung gewollt ist. Andernfalls muss die Verfügung zunächst mit offenem Ergebnis, ggf. auch ergänzend ausgelegt und erst dann, wenn dies nicht weiterhilft, hilfsweise im Wege der Auslegungsregel des § 2087 BGB entschieden werden. Danach ist die Zuwendung des Nachlassvermögens oder eines Bruchteils desselben im Gegensatz zur Zuordnung einzelner Gegenstände als Erbeinsetzung anzusehen. Dabei kommt jedoch über den Wortlaut der Verfügung hinaus insbesondere bei Zuwendung eines Hausgrundstücks, obwohl es sich dabei um einen Einzelgegenstand handelt, eine Erbeinsetzung in Betracht, wenn dieser Grundbesitz nach den Vorstellungen des Erblassers bei Abfassung der Verfügung den Nachlass vollständig oder zumindest im Wesentlichen ausfüllt, ohne dass daneben erhebliche Restnachlasswerte verbleiben.1 2. Die Zuweisung einzelner Gegenstände auf der Grundlage der Gesamtrechtsnachfolge a) Zuweisung an den Alleinerben Keine Probleme bereitet die Zuweisung einzelner Gegenstände (nach- 16 folgend „Einzelzuweisung“) an den Alleinerben. Da der Alleinerbe Gesamtrechtsnachfolger wird, erwirbt er automatisch alle im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Vermögensgegenstände. Insofern erwirbt er auch Vermögensgegenstände, die im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung noch nicht vorhanden sind; er kann Vermögensgegenstände,
1 OLG Düsseldorf v. 30.4.2014 – I-3 Wx 141/13, FamRZ 2014, 1943 = FGPrax 2014, 163 = RNotZ 2014, 445 (448).
287
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
die im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr vorhanden sind, nicht mehr erwerben. Der Testamentsgestalter hat dies dem Testator zu verdeutlichen. b) Zuweisung an einzelne Miterben 17 Die Einzelzuweisung an einen von mehreren Miterben mit unmittelbar
dinglicher Wirkung ist nicht möglich; zu Ausnahmen bei der qualifizierten Nachfolge in Personengesellschaftsanteile vgl. 7. Kap. Rz. 68. Sie kann nur im Wege des Vorausvermächtnisses nach § 2150 BGB (vgl. Rz. 296) oder der Teilungsanordnung nach § 2048 BGB (vgl. Rz. 295 ff.) erfolgen, bedarf also des rechtsgeschäftlichen Erfüllungsgeschäfts nach Eintritt des Erbfalls. Wird z.B. einem von mehreren Miterben das Recht auf Übernahme eine Grundstücks als Vorausvermächtnis zugewendet, so verwirklicht sich der Eigentumserwerb auf der Grundlage einer notariell beurkundeten Eigentumsübertragung konstitutiv mit Eintragung des rechtsgeschäftlichen Vollzugs. Lediglich die vorausvermächtnisweise Einzelzuweisung an den alleinigen Vorerben wirkt nach § 2110 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Nacherbenanwartschaften im Zweifel ausnahmsweise dinglich, vgl. Rz. 106 ff. c) Zuweisung an Nichterben 18 Die Einzelzuweisung an andere Personen als Erben erfolgt im Wege des
Vermächtnisses1 (vgl. Rz. 173 ff.) oder der Auflage2 (vgl. Rz. 287 ff.). Sie bedarf immer des rechtsgeschäftlichen Vollzugs. Es ist möglich und häufig, Personen, die nach der gesetzlichen Erbfolge Erben wären, durch letztwillige Verfügung lediglich als Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte einzusetzen.
III. Die Erbenbestimmung 1. Wer kann Erbe sein? 19 Der Erblasser kann jeden Menschen zum Erben bestimmen, auch wenn er
noch nicht geboren ist. So können z.B. noch kinderlose Eheleute auf den Tod des Letztversterbenden ihre gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen, die nach § 1923 zum Zeitpunkt des Erbfalls zumindest gezeugt und später lebend zur Welt gekommen sein müssen. Auch jede juristische Person wie der eingetragene Verein, die GmbH oder die AG kann zum Erben eingesetzt werden. Werden sonstige Personenvereinigungen, etwa die BGBGesellschaft, die OHG, die KG oder ein nichteingetragener Verein zu Erben eingesetzt, so sind diejenigen ihrer Mitglieder, die beim Erbfall vorhanden sind, als Erben anzusehen mit der Auflage, die Erbschaft in das jeweilige Sondervermögen der Personenvereinigung einzubringen.
1 § 1939 BGB. 2 § 1940 BGB.
288
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
Nach § 83 BGB kann auch eine noch zu errichtende Stiftung (s. dazu 20 6. Kap. Rz. 166 ff.), die nach § 84 BGB bereits als vor dem Erbfall als entstanden und damit als erbfähig gilt, und, soweit diese nach deren Heimatrecht – wie bspw. gemäß Art. 81 ZGB (Schweiz) eine schweizerische Stiftung – rechtsfähig ist, sogar eine ausländische Stiftung1 als Erbe eingesetzt werden. Alternativ kommt eine Errichtung durch Vermächtnis, Auflage oder Stiftungsgeschäft unter Lebenden in Betracht. (Haus-)Tiere sind zivilrechtlich nach § 90a BGB Sachen gleichgestellt und 21 können mangels von § 1922 Abs. 1 BGB vorausgesetzter Eigenschaft als Person nicht Erbe sein (zur Auflagenbegünstigung von Haustieren s. Rz. 291 ff.). Soll eine nicht rechtsfähige Untereinheit einer juristischen Person erben, 22 so setzt man die juristische Person zum Erben ein mit der Auflage, das Erbe für die Untereinheit zu verwenden, also z.B. eine Universität mit der Auflage, das Geld für die Juristische Fakultät zu verwenden. Mit Ausnahme des gesetzlich nach §§ 1936, 1942 Abs. 2 BGB unausschlag- 23 bar berufenen Fiskus (s. dazu oben 2. Kap. Rz. 42) kann jeder Erbe, auch der testamentarisch bestimmte, die Erbschaft innerhalb der gesetzlichen Fristen durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht ausschlagen, §§ 1944 ff. BGB. Zu diesbezüglichen Voraussetzungen und Gestaltungsvarianten ausführlich 8. Kap. Rz. 1 ff. Er wird dann nicht Erbe. Der Erblasser kann also niemanden zwingen, sein Erbe zu werden. Der Erbe haftet nach Annahme der Erbschaft mit seinem gesamten Ver- 24 mögen für die Verbindlichkeiten des Nachlasses, § 1967 BGB. Er kann seine Haftung durch Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenz oder andere diesen gleichstehenden Maßnahmen auf den Bestand des Nachlasses beschränken. 2. Wer wird Erbe, wer Vermächtnisnehmer? Zum Erben bestimmt man, wem man sein ganzes Vermögen oder das Ver- 25 mögen, was nach Erfüllung der Einzelzuwendungen an andere Personen verbleibt, zuwenden will. Die Einsetzung eines Alleinerben ist die einfachste und regelmäßig die 26 zweckmäßigste Form der Erbeinsetzung. Der Alleinerbe erwirbt auch Nachlassgegenstände wie Grundstücke oder GmbH-Anteile, die rechtsgeschäftlich nur in besonderer, kostenträchtiger Form erworben werden können, kraft Erbrechts sofort und kostenlos. Er braucht sich nicht mit Miterben auseinander zu setzen, was etwa bei Grundstücken oder GmbHAnteilen wiederum Kosten verursacht. Lediglich die Nachlassgegenstände, die anderen Personen etwa vermächtnisweise zugewendet sind, hat er diesen rechtsgeschäftlich zu Eigentum zu übertragen.
1 OLG München v. 8.4.2009 – 31 Wx 121/08, FGPrax 2009, 171 (172 f.).
289
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
27 Die Alleinerbeneinsetzung kann auch überwiegend zum Zweck der Nach-
lassauseinandersetzung in Gestalt einer Vertrauensperson erfolgen. Dies ist eine Alternative zur Testamentsvollstreckung. Der Alleinerbe wird mit Universalvermächtnis1 oder Quotenvermächtnissen,2 gegebenenfalls ergänzt durch Stückvermächtnisse beschwert, die den Nachlass ausschöpfen. Seine Vergütung erhält er durch Vorausvermächtnis. Der Nachlass erhält dadurch einen unbeschränkten Rechtsträger, der den Vollzug allein vornehmen kann. 28 Die bei Einsetzung mehrerer Erben entstehende Gesamthand ist dann un-
problematisch, wenn entweder der wesentliche Nachlass ungeteilt bleiben soll oder der wesentliche Nachlass sofort an Dritte veräußert werden soll. Besteht z.B. der wesentliche Nachlass aus einem vermieteten Wohn- und Geschäftshaus, das die Kinder als Schlusserben des letztversterbenden Ehegatten in Erbengemeinschaft innehaben und verwalten sollen, so ist die Miterbeneinsetzung zweckmäßig. Ebenso zweckmäßig ist sie, wenn etwa die Kinder als Schlusserben am Familienheim der Eltern allesamt nicht interessiert sind, dieses also beim Tod des letzten Elternteils verkauft werden soll. Grundsätzlich unzweckmäßig ist aber die Miterbeneinsetzung, wenn eine Immobilie nur einem von mehreren Erben zugewendet werden soll. Hier wird dann eine notarielle Erbauseinandersetzung erforderlich, bei der die Erbengemeinschaft einem Miterben das Grundstück auflässt. Hierfür entstehen Notar- und Grundbuchkosten aus dem vollen Grundstückswert. In diesen Fällen ist es deshalb zweckmäßiger, denjenigen Erben, der das wertvolle Grundstück erhalten soll, zum Alleinerben einzusetzen und die übrigen Personen ggf. durch Testamentsvollstrecker, dessen Amt zur Kostenersparnis auch der Vermächtnisnehmer honorarfrei bekleiden kann, abgesichert mit Vermächtnissen zu bedenken. 3. Grundsätzliche Beibehaltung der gesetzlichen Erbfolge bei Einzelzuweisung 29 Die letztwillige Bestimmung von Erben kann unterbleiben, wenn es der
Erblasser grundsätzlich bei der gesetzlichen Erbfolge belassen will und lediglich begrenzte Einzelzuweisungen durch Vermächtnis vornehmen will. Z.B. kann es der Witwer bei der gesetzlichen Erbfolge durch Kinder und Enkel belassen und lediglich seiner Haushälterin ein Geldvermächtnis aussetzen. 4. Ausnahmsweises Unterbleiben der Erbenbestimmung trotz letztwilliger Verfügung über den Gesamtnachlass 30 Ausnahmsweise kann es auch dann bei der – möglicherweise ungeklärten
– gesetzlichen Erbfolge verbleiben, obwohl die letztwillige Verfügung den Gesamtnachlass ausschöpft. Die Nachlassgegenstände sind dann durch 1 Vermächtnis des gesamten Erblasservermögens. 2 Vermächtnis eines Bruchteils des Erblasservermögens.
290
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
Vermächtnis zu verteilen. Unbedingt erforderlich ist in diesem Fall ein Vermächtnis über einen etwaigen Restnachlass und die Bestimmung eines Testamentsvollstreckers. Diesem können auch Auswahl- und Bestimmungsbefugnisse hinsichtlich der Vermächtnisnehmer und -gegenstände gegeben werden. Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers mit der Befugnis zur Be- 31 stimmung des Begünstigten von Vermächtnissen kann auch dann eine Lösung sein, wenn bei eiligen Testamenten etwa die begünstigte Institution nicht rechtlich exakt bezeichnet werden kann. 5. Keine Drittbestimmung des Erben Zum Wesen der Testierfreiheit gehört, dass sie nur vom Erblasser selbst 32 ausgeübt werden kann. § 2065 Abs. 2 BGB ordnet deshalb an, dass der Erblasser die Bestimmung des Erben selbst vornehmen muss und nicht einem anderen überlassen darf. Dieses grundsätzlich richtige gesetzliche Verbot wird dann problematisch, wenn der Erblasser ein besonderes Interesse daran hat, eine begrenzte Auswahlentscheidung auf die Zeit nach seinem Tod zu verlagern. Die praktisch relevante Fallgruppe ist das Unternehmertestament. Möchte der Erblasser etwa, dass eines seiner Kinder Unternehmensnachfolger wird, kann er aber zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung angesichts des Alters und des Ausbildungsstandes der Kinder diese Entscheidung noch nicht treffen, so sieht er sich durch § 2065 Abs. 2 BGB daran gehindert, für die Entscheidung durch eine andere Person, etwa den Ehegatten/Lebenspartner, lediglich den Rahmen vorzugeben und die Konkretisierung dieser anderen Person zu überlassen. Eine Auslegung des § 2065 Abs. 2 BGB in diesem modifizierten Sinn ließe 33 sich durchaus mit dem Schutz der Testierfreiheit vereinbaren. So hat es das Reichsgericht gesehen und eine Erbenbezeichnung durch einen Dritten aufgrund durch den Erblasser vorgegebener Bestimmungskriterien zugelassen.1 Nach dieser Auffassung würde es genügen, wenn der Unternehmer für die Bestimmung des Unternehmenserben etwa durch den Ehegatten/Lebenspartner oder den Testamentsvollstrecker vorgeben würde, es sei unter seinen Abkömmlingen derjenige als Erbe zu bezeichnen, der nach Alter und Ausbildung zur Fortführung des Unternehmens geeignet sei. Die hiermit verbundene begrenzte Ermessensentscheidung des Dritten hat dann aber der Bundesgerichtshof2 nicht als zulässig angesehen. Seine Auffassung, dass die Verfügung von Todes wegen so genaue Hinweise enthalten müsse, dass die Bezeichnung des Erben von jeder sachkundigen Person ohne Ermessensausübung nach objektiven Kriterien vorgenommen und nur die „Bezeichnung“, nicht dagegen die „Bestimmung“ überlassen werden kann, ohne dass dabei ihr eigenes Ermessen bestimmend oder mitbestimmend ist, entzieht die Drittbestimmung des Erben dem Bereich der rechtssicheren Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Formel ist allerdings nur scheinbar griffig. 1 RG v. 6.2.1939 – IV 188/38, RGZ 159, 296. 2 BGH v. 18.11.1954 – IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199 (200) = NJW 1955, 100 f.
291
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Insbesondere bleibt zweifelhaft, ob eine eigene subjektive Wertung der bestimmenden Person tatsächlich ausschließbar ist.1 Die Frage ist deshalb derzeit nur von akademischem Interesse. Die Gestaltungspraxis2 bedient sich für die Drittbestimmung etwa des Unternehmensnachfolgers des Bestimmungsvermächtnisses nach § 2151 BGB, vgl. 7. Kap. Rz. 104 ff. 34 Die Problematik nach § 2065 Abs. 2 BGB gewinnt zudem zunehmend im
pflegerischen Bereich an Bedeutung. Dabei führt die Einsetzung desjenigen zum Erben, der „sich bis zu meinem Tode um mich kümmert“, bereits aufgrund der vielfältigen diesbezüglichen Deutungsmöglichkeiten (körperliche Pflege, Hausarbeitshilfe, Ausführung rein finanzieller Vorgänge, seelische Unterstützung oder bloße Aufmerksamkeit) und des daher zu vage vorgegebenen Kriteriums des Sich-Kümmerns dazu, dass die Auswahlentscheidung letztlich unzulässigerweise zwingend vom jeweiligen Begriffsverständnis eines Dritten abhängt.3 Im Gegensatz dazu ist die Erbeinsetzung desjenigen, der „mich zuletzt pflegt“ dann mit dem Höchstpersönlichkeitsprinzip des § 2065 Abs. 2 BGB vereinbar, wenn der Erblasser vor seinem Tod pflegebedürftig war und die Pflegeperson selbst bestimmt hat.4 6. Die Bestimmung von Ersatzerben 35 Auch wenn der Laie bei der Abfassung seines Testaments die Grundsätze
der Universalsukzession des § 1922 Abs. 1 BGB und des Vonselbsterwerbs nach § 1942 Abs. 1 BGB beachtet und einen oder mehrere Erben bestimmt, denkt er regelmäßig nicht daran, Ersatzerben zu bestimmen. Dabei ist es in der Praxis häufig, dass ein eingesetzter Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfällt. Die Vorsorge hierfür ist ein Kennzeichen des fachmännischen Testaments. 36 Ein eingesetzter Erbe kann i.S.v. § 2096 BGB vor dem Eintritt des Erbfalls
wegfallen durch – Tod vor dem Erblasser, – Zuwendungsverzichtsvertrag nach § 2352 BGB, – Nichterleben einer aufschiebenden Bedingung nach § 2074 BGB, – Eintritt einer auflösenden Bedingung, – Unwirksamkeit oder Widerruf der Erbeinsetzung. 37 Ein eingesetzter Erbe kann nach dem Eintritt des Erbfalls wegfallen durch
– Erbausschlagung nach §§ 1952, 1953 BGB, – Erbunwürdigerklärung nach § 2344 BGB, – Anfechtung der Erbeinsetzung nach §§ 2078, 2079 BGB. 1 2 3 4
Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger § 8 Rz. 40 ff.; Helms, ZEV 2007, 1 (2). Zu dieser Helms, ZEV 2007, 1. OLG München v. 22.5.2013 – 31 Wx 55/13, DNotZ 2013, 788 f. OLG Frankfurt v. 13.2.1995 – 20 W 394/94, NJW-RR 1995, 711.
292
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
Der Erblasser kann die Ersatzerbenbestimmung auf einzelne Wegfalls- 38 gründe beschränken.1 Die Fälle des Todes vor dem Erblasser und der Ausschlagung sind regelmäßig zu regeln. Der Ersatzerbe rückt mangels abweichender Regelung in die Stellung des 39 Erstberufenen ein. Der Erblasser kann seine Rechtsposition aber abweichend von der des Erstberufenen regeln, ihn etwa mit Vermächtnissen belasten, mit denen er den Erstberufenen nicht beschwert hat.2
M 61
Beschwerung nur des Ersatzerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fr den Fall, dass der eingesetzte Erbe . . . vor mir verstirbt, und nur fr diesen Fall, setze ich dessen Sohn/Tochter . . . zum Ersatzerben ein. Den Ersatzerben und nur ihn belaste ich mit dem folgenden Vermchtnis zugunsten der Witwe/des Witwers . . . des vorverstorbenen Erben: . . .
7. Auslegung, gesetzliche Auslegungsregeln, tatsächliche Vermutungen bei der Ersatzerbfolge Ziel sachgerechter Testamentsgestaltung im Bereich der Bestimmung von 40 Ersatzerben hat es zu sein, die denkbaren Störfälle infolge des Wegfalls des Erstbedachten zu regeln und der Auslegung keinen Raum zu lassen. Die Aufarbeitung der Gesetzes- und Rechtsprechungsgrundsätze3 ergibt dabei einen größeren Regelungsbedarf, als zunächst zu vermuten wäre. Bei der ausdrücklichen Ersatzerbeneinsetzung des § 2096 BGB gibt das Ge- 41 setz in § 2097 BGB die Auslegungsregel vor, dass jemand, der dann, wenn der zunächst berufene Erbe nicht Erbe sein kann, zum Ersatzerben berufen ist, auch für den Fall Ersatzerbe ist, dass der zunächst berufene Erbe nicht Erbe sein will, und umgekehrt. Will der Erblasser die Ersatzerbeneinsetzung auf einen der beiden Fälle beschränken, hat er dies ausdrücklich zu bestimmen. § 2098 BGB bestimmt, dass Miterben im Falle ihrer Einsetzung zu Ersatz- 42 erben in dem Verhältnis Ersatzerben werden, wie sie Erben sind. Wird für einen Miterben ein Ersatzerbe bestimmt, so geht nach § 2099 BGB die Ersatzerbfolge der Anwachsung nach § 2094 BGB in der Weise vor sich, dass der Erbteil des weggefallenen Miterben dem Ersatzerben anfällt und nicht den anderen Miterben anwächst. Enthält die letztwillige Verfügung keine ausdrückliche Ersatzerbeneinset- 43 zung, so kann eine mutmaßliche Ersatzerbeneinsetzung ermittelt werden
1 Soergel/Loritz § 2096 BGB Rz. 9. 2 Soergel/Loritz § 2096 BGB Rz. 14. 3 Nieder, ZEV 1996, 241.
293
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
– durch individuelle Auslegung der letztwilligen Verfügung in Anwendung der Anhalts- oder Andeutungstheorie,1 – bei deren Versagen durch Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln wie z.B. §§ 2069, 2102 Abs. 1 BGB, – bei deren Nichtanwendbarkeit mit Hilfe obergerichtlicher tatsächlicher Vermutungen.2 44 Eine häufig zur Anwendung kommende gesetzliche Auslegungsregel ist
§ 2069 BGB, wonach bei der Bedenkung eines Abkömmlings durch Erbeinsetzung, Vermächtnis oder Auflage dessen Abkömmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge als bedacht gelten, wenn der zunächst bedachte Abkömmling nach Errichtung des Testaments wegfällt. Diese Auslegungsregel wird in der Gestaltungspraxis regelmäßig formuliert. 45 Eine analoge Anwendung dieser Regelung auf den Wegfall anderer einge-
setzter Erben als Abkömmlinge des Erblassers kommt nicht in Betracht. Gleichwohl kann aus dem Rechtsgedanken dieser Regelung bei besonderen Näheverhältnissen zwischen eingesetztem Erben und Erblasser im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung ein entsprechender hypothetischer Erblasserwille zur Ersatzerbeneinsetzung unterstellt werden, da die Erbeinsetzung dann einen ausreichenden andeutungsweisen Anhaltspunkt darstellt.3 46 Dies gilt jedoch nur dann, wenn kein tatsächlicher davon abweichender
Wille des Erblassers festgestellt wird, was jedoch bspw. bei Maßgeblichkeit einer notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen der Fall ist, die ausschließlich die Erbeinsetzung der im Verhältnis zum Erblasser um mehrere Jahre älteren Lebensgefährtin einerseits und den Hinweis andererseits enthält, „weiteres habe der Erblasser nicht zu bestimmen“.4 47 Darüber hinaus kann ausnahmsweise im Wege der ergänzenden Testa-
mentsauslegung nicht nur der Abkömmling einer anderen letztwillig eingesetzten Person als eines Abkömmlings des Erblassers, sondern auch ein anderweitig Verwandter des letztwillig Eingesetzten, der nicht Abkömmling dieses Eingesetzten ist, bspw. ein entfernterer Neffe des weggefallenen eingesetzten Erben als Ersatzerbe in Betracht kommen, wenn der weggefallene eingesetzte Erbe keine näherstehenden Verwandten als diesen Neffen hatte, der Erblasser mit Ausnahme des Fiskus keine gesetzlichen Erben hinterlässt und die Verfügung von Todes wegen keine Ersatzerbenbenennung enthält.5 1 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246 (248) = MDR 1981, 736 = FamRZ 1981, 767 = NJW 1981, 1736. 2 Baumgärtel, FS Schwab, 1990, S. 43. 3 OLG München v. 19.12.2012 – 31 Wx 372/12, BWNotZ 2013, 27 (28); OLG Hamm v. 10.12.1986 – 15 W 409/86, NJW-RR 1987, 648 f. 4 OLG Düsseldorf v. 30.7.2012 – I-3 Wx 247/11, FGPrax 2012, 259 f.; Sarres, FamRB 2012, 379 f. 5 BayObLG v. 16.5.1988 – BReg.1 Z 47/87, MDR 1988, 866 = FamRZ 1988, 986 = NJW 1988, 2744 f.
294
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
Ist der letztwillig bedachte weggefallene Erbe jedoch weder Abkömmling 48 noch anderweitig mittels Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft mit dem Erblasser verbunden (zur Tochter einer weggefallenen Freundin der Erblasserin), setzt die hypothetische Feststellung einer diesbezüglichen Ersatzerbeneinsetzung weitere Anhaltspunkte in der Verfügung von Todes wegen voraus.1 Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollte in der letztwil- 49 ligen Verfügung ausdrücklich klargestellt werden, wer Ersatzerbe ist, oder ob statt dessen bei Wegfall eines von mehreren Miterben Anwachsung erfolgt. Soweit Abkömmlinge, die nicht aus einer Ehe stammen, und deren Abkömmlinge als Ersatzerben ausgeschlossen sein sollen, muss auch dieses ausdrücklich angeordnet werden.
M 62
Abkçmmlinge als Ersatzerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ersatzerben sind die Abkçmmlinge des weggefallenen Miterben, mehrere unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
Nach der Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB tritt, wenn der Vorerbe 50 vor oder nach dem Erbfall wegfällt, der Nacherbe als Ersatzerbe an seine Stelle. Zu den überraschenden2 Fußfallen des Erbrechts gehört, dass es streitig ist, ob ein nach § 2096 BGB ausdrücklich eingesetzter Ersatzerbe den nach §§ 2069, 2102 Abs. 1 BGB vermuteten Ersatzerben immer vorgeht. Teilweise3 wird eine Auslegung im Einzelfall verlangt, obwohl nach logi- 51 schen Grundsätzen die Regelung vor der Vermutung Vorrang haben sollte. Deshalb empfiehlt sich die ausdrückliche Klarstellung, dass die Regelung alle Vermutungen ausschließt.
M 63
Einsetzung eines Ersatzerben ungeachtet gesetzlicher Bestimmung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Unabhngig bzw. abweichend von anders lautenden gesetzlichen Auslegungs-, Vermutungs- und Ergnzungsbestimmungen wird zum Ersatzerben . . . bestimmt.
1 OLG München v. 19.12.2012 – 31 Wx 372/12, BWNotZ 2013, 27 (28). 2 So mit Recht Nieder, ZEV 1996, 241 mwN. 3 BayObLG v. 30.9.1993 – 1Z BR 9/93, FamRZ 1994, 783 = BayObLGZ 1993, 334 = NJWRR 1994, 460 = MittBayNot 1994, 149; Palandt/Weidlich, § 2096 BGB Rz. 4.
295
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
52 Bei den tatsächlichen Vermutungen als dritter Stufe der Ermittlung mut-
maßlicher Ersatzerben handelt es sich um Beweislastnormen, die dem Gegenbeweis zugänglich sind, dass die vermutete Tatsache nicht zutrifft.1 53 Insbesondere wird aus dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB gefolgert,
dass bei Personen, die dem Erblasser besonders nahe stehen, im Zweifel deren Abkömmlinge als Ersatzerben berufen sein sollen. Ein derartiges Näheverhältnis besteht nach der Rechtsprechung z.B. zum anderen Ehegatten, zu Stiefkindern und Geschwistern.2 Die fachmännische Testamentsgestaltung darf auf diese unscharfen Beweislastregeln nicht abstellen, sondern hat die jeweiligen Ersatzerben ausdrücklich zu bestimmen. 8. Ersatzerbfolge auch, wenn der Erstberufene den Pflichtteil verlangt? 54 Zu regeln ist, ob die Ersatzerbfolge auch dann eintritt, wenn der Erstberu-
fene nach § 2306 BGB ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. Der Erblasser wird hier regelmäßig nicht wollen, dass der Stamm des Ausschlagenden nochmals berücksichtigt wird.
M 64
Entfallen der Ersatzerbfolge
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Ersatzerbfolge zugunsten der Abkçmmlinge des Erben tritt nicht ein, wenn dieser durch Ausschlagung wegfllt und den Pflichtteil verlangt.
9. Zuwendungsverzicht gegen Abfindung 55 Erfolgt ein Zuwendungsverzicht gegen Abfindung, so wird der Erblasser
keine weitere Begünstigung des Stammes des Verzichtenden wollen.3 Auch dies ist vorsorgend zu regeln.
M 65
Entfallen der Ersatzerbfolge bei Zuwendungsverzicht
(Form: Verfgung von Todes wegen) Erklrt ein Erbe einen Zuwendungsverzicht gegen Abfindung, so entfllt die zugunsten seines Stammes angeordnete Ersatzerbfolge.
1 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 293 ZPO Rz. 3. 2 Nachweise bei Nieder, ZEV 1996, 241. 3 OLG Köln v. 25.8.1989 – 2 Wx 21/89, FamRZ 1990, 99.
296
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
10. Formulierung der Ersatzerbenbestimmung Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze kann die Ersatz- 56 erbenklausel wie folgt lauten:
M 66
Ersatzerbenklausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fllt ein Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls weg, so sind seine Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge Ersatzerben. Sind keine Abkçmmlinge vorhanden, so wchst der Erbteil den brigen Erben nach dem Verhltnis ihrer Erbteile an, bei gemeinschaftlichen Erbteilen zunchst innerhalb des gemeinschaftlichen Erbteils. Diese Bestimmungen haben Vorrang vor allen gesetzlichen oder sonstigen Auslegungs-, Vermutungs- oder Ergnzungsbestimmungen. Schlgt ein Erbe die Erbschaft zwecks Verlangen des Pflichtteils aus oder verzichtet er gegen Entgelt auf seine Zuwendung, so werden seine Abkçmmlinge nicht Ersatzerben.
11. Ersatzerbenkette Für den Fall, dass ein Ersatzerbe wegfällt, kann der Erblasser einen wei- 57 teren Ersatzerben bestimmen, dies auch mehrfach.
M 67
Mehrfache Ersatzerbenbenennung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fllt der Erbe . . . vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls weg, so ist . . . Ersatzerbe. Fllt auch . . . vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls weg, so ist . . . Ersatzerbe. Diese Bestimmungen haben Vorrang vor allen gesetzlichen oder sonstigen Auslegungs-, Vermutungs- oder Ergnzungsbestimmungen.
IV. Formulierungsbeispiele für Erbeinsetzungen 1. Einsetzung eines Alleinerben M 68
Einsetzung eines Alleinerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Erben setze ich ein . . . Zum Ersatzerben bestimme ich . . .
297
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
2. Einsetzung mehrerer Erben M 69
Einsetzung mehrerer Erben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinen Erben setze ich ein . . . und . . . zu gleichen Erbteilen von je einhalb. Ersatzerben jedes Miterben sind die Abkçmmlinge einschließlich adoptierter und nichtehelicher Kinder, jeweils nach der gesetzlichen Erbregel erster Ordnung zum Zeitpunkt des Erbfalles. Mangels Ersatzerben tritt Anwachsung an die anderen Miterben oder deren Ersatzerben ein.
3. Gemeinschaftlicher Erbteil 58 Nach § 2093 BGB können einige von mehreren Erben auf einen gemein-
schaftlichen Erbteil eingesetzt werden mit der Folge, dass innerhalb dieses Erbteils dann Anwachsung nach § 2094 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB und Ersatzberufung gem. § 2098 Abs. 2 BGB stattfinden. Der gemeinschaftliche Erbteil bildet dabei einen gedachten Einheitsbruchteil, tritt nach außen als solcher jedoch nicht in Erscheinung. In einem Erbschein sind daher die internen Unterbruchteile als echte Erbteile aufzuführen. Man bedient sich dieser Möglichkeit vor allem dann, wenn man die Erbschaft auf verschiedene Erbstämme aufteilen will, z.B. die eigenen Verwandten und die Verwandten des vorverstorbenen Ehegatten.
M 70
Gemeinschaftlicher Erbteil
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinen Erben setze ich ein: 1. Auf einen gemeinschaftlichen hlftigen Erbteil die Neffen . . . und . . . meines vorverstorbenen Mannes. 2. Auf einen gemeinschaftlichen hlftigen Erbteil meine Nichten . . . und . . . Ersatzerben sind jeweils nur die bestimmten Miterben innerhalb des jeweiligen gemeinschaftlichen Erbteils. Fallen alle fr einen gemeinschaftlichen Erbteil bestimmten Miterben weg, tritt Anwachsung an die Miterben des anderen gemeinschaftlichen Erbteils ein.
4. Mehrfach gestaltete Erbeinsetzung 59 Der Erblasser kann eine Person mehrfach jeweils unter verschiedenen Vo-
raussetzungen und mit unterschiedlicher Ausgestaltung zum Allein- oder
298
A. Die Erbeinsetzung als Instrument der Gesamtrechtsnachfolge
Miterben einsetzen und ihr nach § 1951 Abs. 3 BGB überlassen, mittels teilweiser Ausschlagung eine der Alternativen zu wählen.1
M 71
Mehrfach gestaltete Erbeinsetzung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Erben setze ich . . . ein, und zwar entweder a) als alleinigen von allen Beschrnkungen, soweit zulssig, befreiten Vorerben, mit der Maßgabe, dass . . . auf seinen Tod Nacherbe wird, oder b) als alleinigen Vollerben, aber beschwert mit einem Vermchtnis zugunsten des . . . des Inhalts . . . . . . ist in erster Linie zum Vorerben gemß oben a) berufen. Er ist aber berechtigt, diese Berufung auszuschlagen, und wird dann Erbe gemß oben b).
5. Auflösend bedingt gestaltete (Ersatz-)Erbeineinsetzung des Schwiegerkindes Soll das Schwiegerkind ausschließlich für den Fall des Fortbestehens der 60 Ehe mit dem eigenen Kind des Erblassers soweit steuerlich vertretbar als (Ersatz-)Erbe eingesetzt werden, empfiehlt sich eine ausdrückliche Aufnahme einer um die Eheaufhebung auflösenden Bedingung dieser Einsetzung als nach § 2075 BGB zulässige echte Potestativbedingung.2 Andernfalls bliebe ungewiss, ob im Wege der ergänzenden bzw. erläuternden Auslegung nach §§ 2084, 133 BGB,3 hilfsweise im Falle einer analogen Anwendbarkeit der Auslegungsregelung des § 2077 BGB,4 wiederum ersatzweise durch Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB5 das gleiche Ergebnis erzielt werden könnte.
1 §§ 1951, 2074, 2075 BGB; BayObLG v. 27.6.1996 – 1Z BR 148/95, FamRZ 1997, 188 = Rpfleger 1996, 510; Edenfeld, ZEV 1996, 425; Palandt/Weidlich, § 1951 BGB Rz. 5. 2 Reimann, ZEV 2011, 636. 3 Litzenburger, ZEV 2003, 385 (386 f.); Reimann, ZEV 2011, 636 (637 f.). 4 Verneinend: BGH v. 2.4.2003 – IV ZB 28/02, NJW 2003, 2095 f.; bejahend unter Hinweis auf die anschließend erstmals ein Rückforderungsrecht der Schwiegereltern ggü. dem beschenkten Schwiegerkind wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach Ehescheidung anerkennende Rspr. BGH v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, NJW 2010, 2202 (2203 ff.) bzw. BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, NJW 2010, 2884 ff.: Leipold, ZEV 2003, 285 ff.; Reimann, ZEV 2011, 636 (638); kritisch wiederum Litzenburger, ZEV 2003, 385 (388 f.). 5 Litzenburger, ZEV 2003, 385 (389); Reimann, ZEV 2011, 636 (638 f.).
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 72
Auflçsend bedingte Ersatzerbeneinsetzung des Schwiegerkindes
(Form: Verfgung von Todes wegen) Als Ersatzerben setze ich meine Schwiegertochter/meinen Schwiegersohn . . . ein, wobei diese Ersatzerbeneinsetzung dadurch auflçsend bedingt ist, dass deren/dessen Ehe mit meinem Sohn/meiner Tochter . . . analog § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB vor dem Erbfall aufgelçst worden ist oder analog § 2077 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 BGB die dortigen Voraussetzungen eingretreten sind.
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses I. Anordnung der Vor- und Nacherbschaft 61 Die Vor- und Nacherbschaft bedarf der letztwilligen Anordnung. Nach
§ 2100 BGB kann der Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, dass er erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist. Der zunächst berufene Erbe heißt Vorerbe, der nach ihm berufene Erbe Nacherbe. Der Nacherbe beerbt nicht den Vorerben, sondern den Erblasser. Der Erblasser wird daher zweimal beerbt, zunächst bei seinem Tod vom Vorerben, dann zu einem von ihm letztwillig bestimmten späteren Zeitpunkt oder Ereignis vom Nacherben. Tritt die Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben ein, was nach § 2106 BGB mangels anderweitiger Bestimmung des Erblassers vermutet wird und was auch der praktisch häufigste Fall ist, so treten mit dem Tod des Vorerben zwei Erbfolgen ein. Hinsichtlich seines eigenen Vermögens wird der Vorerbe von seinen eigenen gesetzlichen oder eingesetzten Erben beerbt; hinsichtlich des der Nacherbschaft unterliegenden Vermögens wird der ursprüngliche Erblasser noch einmal, und zwar vom Nacherben beerbt. Tritt die Nacherbfolge vor dem Tod des Vorerben ein, etwa mit der Wiederverheiratung des als Vorerben eingesetzten Ehegatten/Lebenspartners, so wird der Erblasser zu diesem Zeitpunkt noch einmal beerbt, im Beispielsfall von den für den Fall der Wiederverheiratung des Vorerben als Nacherben eingesetzten Kindern. Der Vorerbe verliert den Nachlass des Erblassers und behält sein eigenes Vermögen, hinsichtlich dessen er bei seinem Tod von seinen Erben beerbt wird. 62 Der Erblasser kann eine oder auch mehrere Nacherbfälle anordnen. Das
Gesetz setzt dieser Zukunftsbindung des Nachlasses zeitliche Grenzen. Nach § 2109 BGB wird die Einsetzung eines Nacherben mit dem Ablauf der nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am Tag nach dem Tod des Erblassers beginnenden und 30 Jahre später endenden Frist unwirksam, wenn nicht vorher die Nacherbfolge eingetreten ist. In zwei in § 2109 BGB bezeichneten Fällen bleibt aber die Nacherbfolge auch über diese Frist hinaus wirksam. Der praxiswichtigste Fall ist der, dass die Nacherbfolge für 300
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vor- oder Nacherben ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt. So ist die Frist insbesondere dann ohne Bedeutung, wenn – wie häufig – nach § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB der Erbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt und der Vorerbe beim Erbfall zur Zeit des Todes des Erblassers lebte.1. Im Falle angeordneter Nachnacherbfolge muss ein etwaiger Ausnahmetat- 63 bestand gem. § 2109 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB für jeden Nacherbfall gesondert geprüft werden, wobei die Nacherbeinsetzung bspw. unwirksam wird, wenn die Frist 30 Jahre nach dem Erbfall überschritten ist und der zweite Nacherbe zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte.2 Setzt der Erblasser jedoch z.B. seinen Ehegatten/Lebenspartner zum Vorerben, sein Kind zum ersten Nacherben und dessen noch nicht vorhandene Abkömmlinge zu zweiten Nacherben jeweils auf den Todesfall ein, so treten alle Nacherbfolgen auch über die 30-Jahresfrist hinaus ein, wenn Ehegatte/Lebenspartner und Kindbeim Tod des Erblassers leben.3 Das Kind wird unabhängig von der Frist Nacherbe, weil der Vorerbe – und zudem noch es selbst als Nacherbe – den Erbfall erlebt hat; die nach Eintritt des Erbfalls gezeugten Enkel werden unabhängig von der Frist weitere Nacherben, weil der erste Nacherbe als ihr Vorerbe den Erbfall erlebt hat.
II. Die Rechtsstellung des Vorerben 1. Grundsätze Der Vorerbe ist Erbe auf Zeit, auf ihn geht das Vermögen des Erblassers 64 über, § 1922 BGB, dessen Besitz, § 857 BGB, und dessen Verbindlichkeiten, § 1967 BGB. Beim Eintritt des Nacherbfalls wird der Erblasser zum zweiten Mal beerbt, diesmal vom Nacherben. Der Vorerbe vererbt das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht als eigenes weiter, seine Erben haben an ihm keine Erb- oder Pflichtteilsrechte. Obwohl also der Vorerbe Eigentümer aller Sachen und Inhaber aller Rechte der Vorerbschaft ist, bleibt diese ein von seinem eigenen Vermögen zu unterscheidendes Sondervermögen, dessen Erhalt für den Nacherben durch die dingliche Surrogation des § 2111 BGB und die Verfügungsbeschränkungen und Verwaltungspflichten der §§ 2113 ff. BGB geschützt wird. Grundsätzlich ist der Vorerbe aber nicht nur Rechtsinhaber, sondern nach § 2112 auch zur Verfügung über die zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstände befugt. 2. Vollstreckungsschutz gegen Eigengläubiger des Vorerben Durch § 2115 BGB und die ergänzenden Verfahrensvorschriften der §§ 773 65 ZPO, 83 InsO wird der der Nacherbfolge unterliegende Nachlass vor Voll1 Palandt/Weidlich, § 2109 BGB Rz. 2. 2 OLG Hamm v. 14.12.2010 – 15 W 190/10, FamRZ 2011, 1427 f. = ZEV 2011, 327 f. = RNotZ 2011, 249 (250 f.). 3 OLG Hamburg v. 19.11.1984 – 12 U 49/84, FamRZ 1985, 539.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
streckungsmaßnahmen der Eigengläubiger des Vorerben wegen Geldforderungen gegen den Vorerben geschützt. Der Schutz besteht im Verbot der Verwertung. Die durch Pfändung oder Beschlagnahme begründeten Sicherungsrechte sind zunächst wirksam und verlieren erst dann ihre Wirksamkeit, wenn die Nacherbfolge eintritt. Sie gestatten dem Gläubiger also die Verwertung der dem Vorerben zustehenden Nutzungen und erhalten ihm den Verwertungsvorrang hinsichtlich der Substanz für den Fall, dass die Nacherbfolge nicht eintritt. 66 Vor dieser sog. Halbvollstreckung kann der Erblasser den Nacherben nur
durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung schützen,1 infolge derer den Eigengläubigern des Vorerben nach § 2115 BGB schon die Vollstreckung in die zur Vorerbschaft gehörenden Gegenstände untersagt ist. Die Eigengläubiger des Mitvorerben können allerdings dessen Erbteil nach § 859 Abs. 2 ZPO pfänden; der Erbteil bleibt aber der Testamentsvollstreckung unterworfen. 3. Nacherbfolge und Grundbuch a) Eintragung des Nacherbenvermerks 67 Da bei Grundstücksverfügungen des Vorerben der gutgläubige Erwerber
nach § 2113 Abs. 3 BGB geschützt wird, hat das Grundbuchamt nach § 51 GBO bei der Grundbuchberichtigung auf den Tod des Erblassers auch das Recht des Nacherben einschließlich des Nachnacherben und des Ersatznacherben sowie eine etwaige Befreiung des Vorerben nach § 2136 BGB im Grundbuch einzutragen. Die Eintragung zerstört den guten Glauben eines Erwerbers von Rechten an dem Grundstück, bewirkt aber keine Grundbuchsperre. b) Surrogatgrundstück 68 Sie hat auch auf Surrogatgrundstücken i.S.v. § 2111 BGB zu erfolgen. Dies
gilt bspw. bei Erwerb durch einen von zwei Vorerben im Wege der Nachlassauseinandersetzung, aufgrund gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise selbst dann, wenn zum Nachlass nicht der Grundstücksanteil, sondern der Gesamthandsanteil an einer Erben- oder Gütergemeinschaft gehört.2 Endet nämlich eine aus zwei Personen bestehende Güter- oder Erbengemeinschaft dadurch, dass der überlebende den verstorbenen Gesamthänder alleine als Vorerbe beerbt, ist er hinsichtlich des ihm unabhängig von der Erbfolge bereits zuvor gehörenden Gesamthandanteils von der Nacherbfolge samt deren Beschränkungen nicht betroffen, daher gegenüber den Nacherben vorrangig schutzbedürftig und im Ergebnis überhaupt
1 Kessel, MittRhNotK 1991, 137 (142 f.). 2 OLG München v. 10.2.2012 – 34 Wx 143/11, FamRZ 2012, 1169 f. = FGPrax 2012, 103.
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
nicht von § 2113 BGB (auch nicht analog) erfasst, da § 2113 BGB nur zulasten des gesamten Gesamthandvermögens wirken könnte.1 c) Andere Eintragung als Erbbaurechte oder Löschungen Grundsätzlich darf das Grundbuchamt bei eingetragenem Nacherbenver- 69 merk andere Eintragungen (bspw. einer Grundschuld) nicht von den Voraussetzungen des § 2113 BGB abhängig machen, wenn nicht ausnahmsweise die Löschung eines Rechts oder die Eintragung eines Erbbaurechts in Rede steht, da das Nacherbenrecht nur vor der Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs geschützt werden soll.2 d) Löschung des Nacherbenvermerks Die Löschung des Vermerks bedarf der Zustimmung des Nacherben ein- 70 schließlich der Ersatznacherben in der Form des § 29 GBO oder des Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 Abs. 1 GBO. Letzterer ist insbesondere dann zu führen, wenn der befreite Vorerbe das Grundstück entgeltlich veräußert. Die Entgeltlichkeit muss dann nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO offenkundig 71 sein.3 Zur Löschung des Nacherbenvermerks aufgrund entgeltlicher Verfügung des iSd. §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB befreiten Vorerben über zum Nachlass gehörenden Grundbesitz mittels Unrichtigkeitsnachweises kann nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO eine Offenkundigkeit der Entgeltlichkeit iSv. § 2113 Abs. 2 BGB aufgrund von allgemeinen Erfahrungssätzen insbesondere bei Kaufverträgen mit einem dem Vorerben nicht ersichtlich nahestehenden Dritten ausreichen.4 Setzt der Erblasser bspw. seine Tochter letztwillig zur nichtbefreiten Vor- 72 erbin und neben deren bereits lebenden namentlich benannten nunmehr volljährigen Kindern „etwaige weitere Kinder, die“ dieser Tochter „noch geboren werden sollten“, als Nacherben ein, bedarf es im Rahmen der Abwicklung eines von der Vorerbin mit Zustimmung aller volljährigen Kinder geschlossenen Kaufvertrages über zum Nachlass gehörenden Grundbesitz zur Löschung des Nacherbenvermerks mittels Unrichtigkeitsnachweises hinsichtlich etwaiger künftiger weiterer Kinder grundsätzlich der diesbezüglichen Bewilligung durch einen Pfleger iSd. § 1913 Satz 2 BGB, die wiederum nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine gerichtlichen Genehmigung erfordert.5 Ob ein Pfleger iSd. § 1913 Satz 2 BGB 1 BGH v. 15.3.2007 – V ZB 145/06, BGHZ 171, 350 ff. = MDR 2007, 887 = FamRZ 2007, 1015 ff. = ZEV 2007, 323 ff. 2 OLG Frankfurt v. 2.8.2011 – 20 W 346/11, FamRZ 2012, 745 f. = DNotZ 2012, 150 f. 3 Zu den Anforderungen BayObLG v. 4.8.1988 – BReg.2 Z 19/88, DNotZ 1989, 182. 4 OLG Braunschweig v. 4.12.1990 – 2 W 132/90, Rpfleger 1991, 204 f.; Böhringer, DNotZ 2012, 413 (423)), wobei die Nacherben anzuhören sind (BayObLG v. 15.6.1994 – 2Z BR 44/94, FamRZ 1995, 379 ff. = NJW-RR 1994, 1360 f. = MittBayNot 1994, 447 ff.; OLG Hamm v. 16.1.1984 – 15 W 3/84, Rpfleger 1984, 312 f. 5 Bremkamp, RNotZ 2011, 36 (37).
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
bestellt wird, ist jedoch im Gegensatz zu Pflegschaften nach §§ 1911, 1912 BGB ausdrücklich („kann … bestellt werden“) Ermessenssache.1 Ausnahmsweise kann jedoch eine Bewilligung für eventuelle noch nicht gezeugte weitere Nacherben entbehrlich sein, wenn nach lebensnaher Betrachtung offenkundig ist, dass keine weiteren Kinder geboren werden.2 Davon wird jedenfalls bei einer 66-jährigen Frau ausgegangen,3 teilweise wird dies trotz reproduktionsmedizinischer Möglichkeiten sogar bereits ab dem 55. Lebensjahr befürwortet.4 Soweit nach der letztwilligen Verfügung jedoch auch adoptierte Kinder Nacherben sein können, dürfte eine genehmigungspflichtige Bewilligung unvermeidbar sein, da dann keine objektiven medizinischen Voraussetzungen im Vordergrund stehen. 73 Im Gegensatz zur Löschung mittels Unrichtigkeitsnachweises anlässlich
den Nacherben gegenüber wirksamer Grundbesitzveräußerung bedarf die sonstige Löschung des Nacherbenvermerks vor Eintritt der Nacherbfolge ohne vorherige wirksame Veräußerung der Bewilligung aller Nacherben und nun ausnahmsweise auch aller Ersatznacherben bzw. ggf. aller Nachnacherben und Ersatznachnacherben.5 74 Die sicherste Art des Nachweises der Unrichtigkeit ist die in der Form
des § 29 GBO vorgelegte Zustimmung des Nacherben.6 Der Ersatznacherbe braucht hier im Gegensatz zu einem Nachnacherben nicht zuzustimmen, da infolge der Zustimmung des Nacherben das Grundstück endgültig aus der Vorerbschaft ausscheidet. 75 Bei der bloßen Löschung des Nacherbenvermerks verbleibt dagegen das
Grundstück in der Vorerbschaft und verliert lediglich den grundbuchmäßigen Schutz, weshalb hier der Ersatznacherbe zustimmen muss. Der Nacherbenvollstrecker nach § 2222 BGB kann auf die Eintragung des Nacherbenvermerks verzichten, ohne dass das Grundbuchamt die Zweckmäßigkeit des Verzichts nachprüfen darf.7 4. Steuerfragen der Vor- und Nacherbschaft 76 Bei der Erbschaftsteuer führt die Vor- und Nacherbfolge zur doppelten Be-
steuerung desselben Nachlasses, wenn die Nacherfolge durch den Tod des Vorerben eintritt. Nach § 6 Abs. 1, 2 ErbStG unterliegt sowohl der Anfall
1 Bremkamp, RNotZ 2011, 36 (39). 2 OLG Hamm v. 11.2.1997 – 15 W 439/96, FamRZ 1997, 1368 = NJW-RR 1997, 1095 = MittBayNot 1997, 240; Bremkamp, RNotZ 2011, 36 (38 ff.) mwN. 3 OLG Hamm v. 11.2.1997 – 15 W 439/96, FamRZ 1997, 1368 = NJW-RR 1997, 1095 = MittBayNot 1997, 240; Bremkamp, RNotZ 2011, 36 (37). 4 Bremkamp, RNotZ 2011, 36 (39) unter Hinweis auf medizinische Studien, nach denen die Menopause durchschnittlich mit 51,4 Jahren einsetze bzw. die Wahrscheinlichkeit für deren Einsetzen nach dem 55. Lebensjahr 5 % betrage. 5 Henn, DNotZ 2013, 246 f. 6 BayObLG v. 27.7.1982 – BReg.2 Z 12/82, DNotZ 1983, 320. 7 BayObLG v. 1.6.1989 – BReg 2 Z 119/88, FamRZ 1989, 1123 = DNotZ 1990, 56 = Rpfleger 1989, 413.
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
beim Vorerben als auch der Anfall beim Nacherben der Besteuerung. Abweichend vom Zivilrecht wird erbschaftsteuerlich der Erwerb des Nacherben als Erwerb vom Vorerben behandelt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist aber der Versteuerung auf Antrag das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. Setzt z.B. der Erblasser seine Lebensgefährtin zur Vorerbin und seinen Sohn aus geschiedener Ehe zum Nacherben ein, so erwirbt dieser steuerlich den Nachlass von der Vorerbin nach Steuerklasse III, kann aber die Versteuerung nach seinem Vater in Steuerklasse I beantragen. Bei Nacherbfolge aufgrund eines anderen Ereignisses als des Todes des 77 Vorerben wird die Substanz der Erbschaft nur einmal besteuert, da nach § 6 Abs. 3 ErbStG dem Nacherben die vom Vorerben entrichtete Steuer angerechnet wird, sofern sie nicht auf eine dem Vorerben verbleibende Bereicherung entfällt. Erbschaftsteuerlich ist es gleichgültig, ob man sich des Berliner Testaments oder der Vor- und Nacherbfolge bedient. Auch beim Berliner Testament werden die dem Schlusserben anfallenden Gegenstände aus dem Nachlass des erstversterbenden Ehegatten ein zweites Mal versteuert. Auch hier erfolgt nach § 15 Abs. 3 ErbStG die Versteuerung beim Schlusserben nach dem näher verwandten Ehegatten.
III. Die gesetzlichen Beschränkungen des Vorerben 1. Überblick Nach §§ 2113 ff. BGB unterliegt der Vorerbe Beschränkungen, von denen 78 ihn der Erblasser nach § 2136 BGB bis auf wenige Ausnahmen befreien kann. Es handelt sich um – Verfügungsbeschränkungen, – Mitverwaltungsrechte des Nacherben, – Kontroll- und Sicherungsrechte des Nacherben, und – Verwaltungspflichten. 2. Verfügungsbeschränkungen a) Grundsatz Verfügungen des Vorerben über Grundstücke, Rechte an Grundstücken, 79 Schiffe oder Schiffsbauwerke, unentgeltliche Verfügungen des Vorerben über einen Erbschaftsgegenstand und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Eigengläubigern des Vorerben sind im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden, §§ 2113, 2115 BGB. Die Unwirksamkeit besteht gegenüber jedermann, ist aber bis zum Ein- 80 tritt des Nacherbfalls hinausgeschoben. Es genügt der bloße Rechtsverlust, wirtschaftliche Nachteiligkeit ist nicht erforderlich. 305
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
b) Grundschuldbestellung 81 Der nach §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB befreite Vorerbe kann auch ohne Zu-
stimmung der Nacherben als iSd. § 2113 Abs. 2 entgeltliche Verfügung zulasten zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes eine Grundschuld zur Kreditaufnahme bestellen, wenn der Auszahlungsbetrag in den Nachlass oder zumindest an den Vorerben, der Nachlassgegenstände nach §§ 2134, 2136 BGB sogar ohne Auslösung einer Ersatzpflicht verwenden oder verbrauchen kann, nicht jedoch an einen Dritten fließt.1 Wegen verbleibender Restrisiken und des Umstandes, dass auch das finanzierende Kreditinstitut den sichersten Weg beschreiten wird, sollte jedoch sicherheitshalber die Zustimmung der Nacherben bzw. eines eventuell nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB erforderlichen Ergänzungspflegers und eine ggf. nach § 1821 Nr. 1 BGB erforderliche gerichtliche Genehmigung eingeholt werden.2 Zudem kann die Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks3 insoweit endgültige Klarheit schaffen.4 c) Zustimmungserfordernisse 82 Keine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Nacherbe der Verfügung zu-
stimmt. Die Zustimmung des Ersatznacherben ist nicht erforderlich. Soweit der Vorerbe der Zustimmung des Nacherben zur Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände wegen Unentgeltlichkeit bzw. nichtbefreiter Vorerbschaft zwecks endgültiger Ausscheidung aus der dem Recht der Nacherben unterliegenden Erbschaft bedarf, erfordert dies bei Vorhandensein mehrerer Nacherben die Zustimmung aller Nacherben5 sowie aller eventuell eingesetzten Nachnacherben.6 Zwar wird, wie § 2120 BGB zeigt, keine zusätzliche Zustimmung der Ersatznacherben benötigt,7 die jedoch zur Löschung des Nacherbenvermerks am veräußerten Grundbesitz auf-
1 RG v. 3.9.1935 – III 36/35, 385 (395); RG v. 21.9.1931 – IV 87/31, RGZ 133, 263 (267); Beck’sches Notarhandbuch/Amann, A VI Rz. 94; BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2113 BGB Rz. 15; DNotI-Gutachten, Abruf Nr. 115288 v. 5.4.2012, S. 2; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 3480; Wehrstedt, MittRhNotK 1999, 103; aA Gaberdiel/Gladenbeck, Kreditsicherung durch Grundschulden, Rz. 198; Staudinger/Avenarius, § 2113 BGB Rz. 76. 2 DNotI, Abruf- Abruf Nr. 115288 v. 5.4.2012, S. 4; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 10 Rz. 38. 3 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 3490. 4 DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 15288 v. 5.4.2012, S. 3. 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 165; Dillmann, RNotZ 2002, 2 (11); Hartmann, ZEV 2009, 107 (109). 6 OLG Zweibrücken v. 12.1.2011 – 3 W 195/10, FamRZ 2011, 1430 = ZEV 2011, 321; Heskamp, RNotZ 2014, 517 (520). 7 BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (118) = WM 1963, 1211 ff.; OLG München v. 10.8.2012 – 34 Wx 187/12, FamRZ 2013, 734 = DNotZ 2013, 24; BayObLG v. 22.10.1992 – 2Z BR 85/92, = DNotZ 1993, 404 ff. = Rpfleger 1993, 148 f.; MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2102 BGB Rz. 12; Heskamp, RNotZ 2014, 517 (521); Lange, AcP 212 (2012), 334 (343).
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
grund Unrichtigkeitsnachweises formlos anzuhören sein sollen.1 Eine derartige Freigabe einzelner Nachlassgegenstände kann der Erblasser zudem nicht wirksam ausschließen.2 Selbst ein entsprechend angewiesener Testamentsvollstrecker ist bei Einverständnis aller Erben zu einer Verfügung nicht an die entgegengesetzte Erblasserweisung gebunden.3 Verfügt der Vorerbe bei angeordneter Nach- und Nachnacherbfolge mit 83 Zustimmung des Nacherben, aber ohne Zustimmung des Nachnacherben über Grundbesitz und wird sodann die diesbezügliche Eigentumsübertragung im Grundbuch eingetragen, kann der Nacherbe nicht unter Berufung auf das Fehlen der Zustimmung des Nachnacherben Grundbuchberichtigung verlangen, da die Verfügung bis zum Eintritt des Nachnacherbfalls wirksam bleibt und die Nachnacherben durch den noch eingetragenen Nachnacherbenvermerk gesichert sind.4 d) Gutgläubiger Erwerb Gutgläubiger Erwerb ist möglich. Unentgeltlich ist eine Verfügung dann, 84 wenn keine gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass fließt und der Vorerbe dies weiß oder hätte wissen müssen. e) Befreiung durch den Erblasser Der Erblasser kann den Vorerben vom Verbot der Verfügung über Grund- 85 stücke, Grundstücksrechte und Schiffe befreien, nicht aber vom Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB. Dies folgt jeweils aus § 2136 BGB. Eine (teil-)unentgeltliche Verfügung verstößt selbst dann gegen § 2113 86 Abs. 2 Satz 1 BGB, wenn sie nicht zugunsten eines Dritten, sondern eines von mehreren Nacherben erfolgt.5 Problematisch und mit Restrisiken behaftet dürfte dabei eine teilunentgeltliche Zuwendung durch den Vorerben an eines von seinen zwei Kindern als Nacherben des Ausgangserblassers im Hinblick auf § 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB selbst dann sein, wenn der Zuwendungsempfänger zugunsten des anderen nicht mitwirkenden Nacherben den Zuwendungswert im Nacherbfall zur Ausgleichung zu bringen hat,6 da die Ausgleichung nach §§ 2050, 2052 BGB ausschließlich durch den Ausgangserblasser und damit nicht durch den Vorerben ange-
1 OLG München v. 10.8.2012 – 34 Wx 187/12, FamRZ 2013, 734 = DNotZ 2013, 24; a.A. Henn, DNotZ 2013, 246 (249 ff.). 2 Heskamp, RNotZ 2014, 517 (522); Keim, DNotZ 2003, 822 (830 f.). 3 BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (118) = WM 1963, 1211 ff.; BGH v. 18.6.1971 – V ZB 4/71, BGHZ 56, 275 (281); Heskamp, RNotZ 2014, 517 (522). 4 OLG München v. 7.8.2013 – 34 Wx 161/13, FamRZ 2014, 875 f. = RNotZ 2013, 552 (553 f.). 5 RG v. 6.3.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (391 f.); OLG Braunschweig v. 11.11.1993 – 4 W 13/93, FamRZ 1995, 443 (445). 6 So aber im Grundsatz akzeptiert durch RG v. 6.3.1939 – V 194/38-, RGZ 159, 385 (391 f.); OLG Braunschweig v. 11.11.1993 – 4 W 13/93, FamRZ 1995, 443 (445).
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
ordnet, sondern hier allenfalls schuldrechtlich vereinbart werden kann,1 der Zuwendungsempfänger tatsächlich selbst Nacherbe werden müsste,2 eine Auseinandersetzungsregelung hinsichtlich der im Nacherbfall eintretenden Erbengemeinschaft erforderlich wäre und zumindest das Recht des anderen Nacherben auf Teilungsversteigerung nach §§ 2042 Abs. 2, 753 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BGB iSv. § 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt sein kann.3 Während zwar für eine Vollentgeltlichkeit iSd. § 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB ausnahmsweise die direkte Begleichung des dem künftigen Nacherbteil entsprechenden Wertes unmittelbar an den anderen Nacherben statt in die Nachlassmasse genügen soll,4 ist hingegen insoweit jedoch insbesondere eine Auszahlung des Gegenwertes an den im Zeitpunkt der Verfügung als mutmaßlicher späterer Nacherbe Berufenen gemäß dessen mutmaßlichem künftigen Nacherbteil nicht ausreichend, wenn dieser später doch nicht tatsächlich Nacherbe wird.5 87 Analog § 2120 BGB kann der befreite Vorerbe als Verkäufer vom Nach-
erben die förmliche Zustimmung zur Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks verlangen, wenn dies zur Löschung des Nacherbenvermerks erforderlich ist oder der Käufer dies verlangt, ohne dass der Verkauf eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung sein muss.6 3. Mitverwaltungsrechte des Nacherben 88 Die Mitverwaltungsrechte des Nacherben beziehen sich nach § 2114 BGB
auf die Kündigung und Einziehung von Hypothekenforderungen und Grundschulden, nach §§ 2116 bis 2118 BGB auf Wertpapiere und Buchforderungen. Geld ist nach § 2119 BGB mündelsicher anzulegen. Von diesen Beschränkungen kann der Erblasser den Vorerben befreien. 4. Kontroll- und Sicherungsrechte des Nacherben 89 An Kontroll- und Sicherungsrechten stehen dem Nacherben zu
– das Recht auf Nachlassverzeichnung, § 2121 BGB, – das Recht auf Feststellung des Zustandes der Erbschaft durch Sachverständige, § 2122 BGB, 1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 165 (166 f.). 2 Friederich, Rechtsgeschäfte zwischen Vorerben und Nacherben, 1999, Rz. 122 u. Rz. 279 ff. 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 165 (166 f.); a.A. (ohne Problematisierung dieser Bedenken) RG v. 6.3.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (391 f.); OLG Braunschweig v. 11.11.1993 – 4 W 13/93, FamRZ 1995, 443 (445). 4 BGH v. 2.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 ff. = NJW 1953, 219; RG v. 6.3.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (391 f.). 5 BGH v. 2.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 ff. = NJW 1953, 219; RG v. 6.3.1939 – V 194/38, RGZ 159, 385 (391 f.). 6 RG v. 3.9.1935 – III 36/35, RGZ 148, 385 (390); OLG Frankfurt v. 20.4.2011 – 4 U 78/10, MDR 2011, 921 = FamRZ 2011, 1620 f. = RNotZ 2011, 614 (615 f.); LG Lübeck v. 18.1.1988 – 7 T 829/87, Rpfleger 1988, 313.
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
– das Recht auf Aufstellung einer Wirtschaftsplans für Wälder, Bergwerke und Anlagen zur Gewinnung von Bodenbestandteilen, § 2123 BGB, – das Recht auf Auskunft über den Bestand der Erbschaft, wenn Grund zur Annahme besteht, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt, § 2127 BGB, – das Recht auf Sicherheitsleistung bei begründeter Besorgnis der Verletzung der Rechte des Nacherben, § 2128 BGB, – das Recht auf Entziehung der Verwaltung nach § 2129 BGB. Die Rechte nach §§ 2121, 2122 BGB können dem Nacherben nicht entzo- 90 gen werden, von den Beschränkungen der §§ 2127 bis 2129 BGB dagegen kann der Vorerbe befreit werden. 5. Verwaltungspflichten, Lastenverteilung Gem. § 2111 BGB gehört im Wege der Surrogation dasjenige, was der Vor- 91 erbe auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts, als Ersatz für Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstands oder durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, automatisch zu der der Nacherbfolge unterliegenden Erbschaft. Ausgenommen sind lediglich Nutzungen der Erbschaft, die dem Vorerben zustehen. Im Rahmen der Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung hat der Vorerbe den Nachlass getrennt von seinem Eigenvermögen zu verwalten und unterliegt andernfalls im Wege aus Schadensersatzpflicht resultierender Beweislastumkehr der Nachweispflicht dafür, dass die Surrogationsvoraussetzungen nicht eingetreten sind.1 Verfügt der Vorerbe über Erbschaftsgegenstände, so fällt die Gegenleistung im Wege der Surrogation des § 2111 BGB in das Sondervermögen Vorerbschaft. Ist zur ordnungsgemäßen Verwaltung eine Verfügung erforderlich, zu der der Vorerbe dem Nacherben gegenüber nicht befugt ist, so ist der Nacherbe zur Einwilligung verpflichtet, § 2120 BGB. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten trägt der Vorerbe. Andere Erhaltungskosten kann er aus der Erbschaft bestreiten, § 2124 BGB. Außerordentliche Lasten, die sich auf den Stammwert der Erbschaftsgegenstände beziehen, kann der Vorerbe ebenfalls aus der Erbschaft bestreiten, § 2126 BGB. Beim Eintritt der Nacherbfolge ist der Vorerbe verpflichtet, dem Nacherben die Erbschaft im Zustand ordnungsgemäßer Verwaltung herauszugeben, § 2130 BGB. Hat er einen Nachlassgegenstand für sich verwendet, so ist er nach § 2134 BGB zum Wertersatz verpflichtet. Im Rahmen der Verwaltung haftet er nur für die Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten, § 2131 BGB. Der Erblasser kann den Vorerben von den Verpflichtungen zur Herausgabe der Erbschaft im Zustand ordnungsgemäßer Verwaltung und den Verboten übermäßiger Fruchtziehung und eigennütziger Verwendung befreien. Der Vorerbe ist dann zum Verzehr des Nachlasses befugt. Er hat nach § 2133 BGB lediglich die noch vorhandenen Nachlassgegenstände herauszugeben. Nach § 2138 Abs. 2 BGB hat er aber 1 MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2130 BGB Rz. 6; Roth, NJW-Spezial 2011, 423.
309
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
für die entgegen § 2113 Abs. 2 BGB verschenkten Gegenstände und für die absichtliche Verminderung des Nachlasses zum Nachteil des Nacherben Schadensersatz zu leisten. Eine derartige weitgehende Befreiung ist nach § 2137 BGB zu vermuten, wenn der Erblasser den Nacherben auf den Überrest eingesetzt hat oder wenn er bestimmt hat, dass der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt ist.
IV. Gestaltungsmöglichkeiten 1. Überblick 92 Die Vor- und Nacherbschaft wird dadurch zu einem sehr variablen und
der Feineinstellung zugänglichen Instrument der Testamentsgestaltung, dass der Erblasser die gesetzliche Stellung des Vorerben schwächen oder stärken kann. 93 Die letztwillige Verfügung kann die gesetzlichen Befugnisse des Vorerben
zugunsten des Nacherben beschränken – nicht mit dinglicher Wirkung wegen des Verbots des § 137 BGB, – aber durch weitere die Verwaltung betreffende Vermächtnisse und Auflagen, oder – durch Anordnung von Testamentsvollstreckung. 94 Die letztwillige Verfügung kann die gesetzlichen Befugnisse des Vorerben
zu Lasten des Nacherben erweitern – durch Vorausvermächtnisse einzelner Nachlassgegenstände an den Vorerben mit dem Ergebnis der Beschränkung der Nacherbschaft auf die übrigen Nachlassgegenstände, – durch Befreiungen nach § 2136 BGB oder – durch Einsetzung des Vorerben zum Testamentsvollstrecker, soweit zulässig. 2. Zusätzliche Beschränkungen des nicht befreiten Vorerben 95 Der Eigentümer- und Rechtsinhaberstellung des Vorerben entspricht es,
dass der Vorerbe nach § 2212 BGB grundsätzlich verfügungsbefugt ist und lediglich den eingeschränkten Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. BGB unterliegt, deren rechtlicher und praktischer Schwerpunkt auf dem Verbot der Grundstücksverfügungen liegt. Diese Verfügungsbefugnis beseitigt die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers für den Vorerben, der dann nach § 2211 Abs. 1 BGB allein und ausschließlich verfügungsbefugt ist(s. oben Rz. 93). Zum Vorerben-Testamentsvollstrecker kann auch der Nacherbe eingesetzt werden. Für die Testamentsgestaltung stellt sich die Frage, ob dann, wenn der Vorerbe überhaupt nicht verfügungsbefugt sein soll, die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft noch die sachgerechte Gestaltung ist und nicht etwa das Nießbrauchsvermächtnis vorzuziehen ist. 310
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
Weiterhin können die Verwaltungs- und Rechenschaftspflichten des Vor- 96 erben1 dadurch verstärkt werden, dass dem Vorerben weitere Pflichten dieser Art durch Auflage oder Vermächtnis auferlegt werden. Hierdurch kann den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung getragen werden. 3. Befreiung des Vorerben von allen gesetzlichen Beschränkungen Die Befreiung des Vorerben von allen gesetzlichen Beschränkungen ist in 97 §§ 2136, 2137 f. BGB vorgesehen. Der befreite Vorerbe unterliegt dann lediglich noch dem Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB und der Verpflichtung zur Nachlassverzeichnung nach § 2121 BGB. Die Absonderung der Vorerbschaft wirkt sich unabdingbar durch die dingliche Surrogation des § 2111 BGB und durch die Abschirmung vor Eigengläubigern nach § 2115 BGB aus. Der Vorerbe ist nicht nur zur Fruchtziehung, sondern auch zum Verzehr der Nachlasssubstanz befugt. Diese Gestaltung ist deshalb insbesondere dann empfehlenswert, wenn der Erblasser volles Vertrauen in den Vorerben selbst hat und seine Versorgung sicherstellen will, aber der Nachlass dem Zugriff der Eigengläubiger bzw. Pflichtteilsberechtigten entzogen sein soll.
M 73
Befreiung des Vorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vorerbe ist von allen gesetzlichen Beschrnkungen und Verpflichtungen befreit, soweit dies zulssig ist. Er ist insoweit zur freien Verfgung ber die Erbschaft und zu ihrem Verzehr berechtigt.
4. Ermächtigung des Vorerben zu Schenkungen? Das den Vorerben beschränkende Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 98 BGB, von dem letztwillig nicht befreit werden kann,2 ist regelmäßig zweckmäßig. Will der Erblasser seinen Erben generell zu Schenkungen ermächtigen, so 99 kann er ihn zum Vollerben einsetzen und ihn mit einem Herausgabevermächtnis hinsichtlich des Restnachlasses zugunsten des Endbedachten beschweren.3 Möchte der Erblasser das Schenkungsverbot nur teilweise in dem Sinn 100 aufheben, dass der Vorerbe zu Schenkungen an den Nacherben befugt ist, so werden hierfür verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert.4 1 Staudinger/Avenarius, § 2100 BGB Rz. 33 und § 2112 BGB Rz. 29. 2 § 2136 BGB führt § 2113 Abs. 2 nicht auf, die erteilte Befreiung ist unwirksam, BGH v. 2.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (276) = NJW 1953, 219. 3 Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (18 ff.); Zawar, DNotZ 1986, 515 (516). 4 Vgl. Kanzleiter, FS Schippel, 1996, S. 287.
311
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Unproblematisch ist der Fall der Schenkung an den alleinigen Nacherben. Hier macht die Zustimmung des Nacherben die Schenkung endgültig wirksam. Problematisch ist die Ermächtigung zu Schenkungen an einen von mehreren Nacherben, da hier die Gefahr der Schmälerung des Nachlasses zu Lasten der anderen Miterben besteht, der das Verbot des § 2113 Abs. 2 BGB vorbeugen will. 101
Ungeachtet weiterer Differenzierungen1 sind wohl wegen Umgehung des Schenkungsverbots unwirksam und deshalb wegen Verstoßes gegen den Gestaltungsgrundsatz des sicheren Weges2 zu vermeiden – die dem Vorerben auf den Tod erteilte Vollmacht zu Schenkungen aus dem Nachlass (s. dazu nachfolgend Rz. 143), – die den übrigen Nacherben erteilte Auflage, Schenkungen zuzustimmen und – das dem Vorerben ausgesetzte Vermächtnis zu Lasten der Nacherben auf allgemeine Zustimmung zu Schenkungen.
102
Der Erblasser kann aber den Nacherben durch Vermächtnis damit beschweren, bestimmten einzelnen unentgeltlichen Verfügungen zuzustimmen.3
103
Unbedenklich ist wohl allein das dem Vorerben ausgesetzte aufschiebend bedingte Vorausvermächtnis des Inhalts, dass die Nachlassgegenstände, die der Vorerbe einem Nacherben schenkt, dem Vorerben als Vorausvermächtnis zugewendet werden, § 2110 Abs. 2 BGB. Hier wird der Nachlassgegenstand in zulässiger Weise von der Nacherbfolge frei.4 Der Vorerbe verschenkt einen eigenen, nicht der Nacherbfolge unterliegenden Nachlassgegenstand.
M 74
Schenkungen des Vorerben als Vorausvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Nachlassgegenstnde, die der Vorerbe einem Nacherben schenkt oder sonst ohne volle Gegenleistung zuwendet, sind dem Vorerben als Vorausvermchtnis zugewendet.
5. Teilweise Befreiung des Vorerben 104
Von jeder der in § 2136 BGB bezeichneten Beschränkungen und Verpflichtungen kann einzeln befreit werden. Im praktischen Regelfall stellt sich 1 Dazu Kanzleiter, FS Schippel, 1996, S. 287. 2 Dazu Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 234 ff. 3 OLG Düsseldorf v. 14.6.1999, FamRZ 2000, 571 = DNotZ 2001, 140; kritisch hierzu Ludwig, DNotZ 2001, 102. 4 Kanzleiter, FS Schippel, 1996, S. 300 Fn. 53; J. Mayer, ZErb 2001, 206.
312
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
allerdings die Alternative entweder der Befreiung von allen Beschränkungen oder der Belassung aller Beschränkungen. Nach richtiger h.L. kann innerhalb des § 2113 Abs. 1 BGB vom Verfügungs- 105 verbot auch lediglich für einzelne Nachlassgegenstände, z.B. für privatgenützten, nicht aber betrieblichen Grundbesitz oder für Belastungen, nicht aber Veräußerungen Befreiung erteilt werden.1 Angesichts einer diesbezüglichen Mindermeinung2 und des Fehlens entsprechender ober- und höchstgerichtlicher Rechtsprechung empfiehlt sich die Absicherung durch Zustimmungspflichten des Nacherben.3
M 75
Teilweise Befreiung des Vorerben4
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vorerbe darf ber Grundstcke, die nicht betrieblich genutzt werden, verfgen, nicht aber ber Grundstcke des Privatvermçgens. Sollte diese teilweise Befreiung unwirksam sein, so hat er gegen den Nacherben einen entsprechenden Anspruch auf Zustimmung.
6. Vorausvermächtnis an den Alleinvorerben Soweit die Anordnung der Nacherbfolge den Zweck verfolgt, das wesentli- 106 che Nachlassvermögen des Erblassers sicher unter Zwischenerwerb des nichtbefreiten Vorerben in das Eigentum der Nacherben zu überführen, besteht gleichwohl der Bedarf, materiell weniger wertvolle bzw. ideell weniger wichtige Gegenstände in das freie Eigentum des Vorerben zu übertragen. Dies kann durch Anordnung eines Vorausvermächtnisses an den Alleinvorerben geschehen. In derartigen Fällen wird der Alleinvorerbe gem. § 2110 Abs. 2 BGB mit 107 dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes sofort und ohne Zutun der Nacherben frei von der Nacherbfolge Eigentümer des ihm durch Vorausvermächtnis zugewendeten Gegenstandes. Das dem Alleinvorerben zugewendete Vorausvermächtnis entfaltet damit entgegen der nach § 2174 BGB zu Gunsten des Damnationslegates getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung ausnahmsweise nicht lediglich schuldrechtliche, sondern unmittelbar dingliche Wirkung eines Vindikationsvermächtnisses. Der Vorausvermächtnisgegenstand tritt von selbst aus dem gebundenen Nachlass heraus und zugleich in das freie Vermögen des Vorerben ein, ohne dem in § 2139
1 MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2136 BGB Rz. 8; RGRK/Johannsen, § 2136 BGB Rz. 8; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 10 Rz. 39. 2 Staudinger/Avenarius, § 2136 BGB Rz. 3. 3 Reimann/Bengel/J. Mayer, A 96. 4 Zu weiteren Befreiungen vgl. J. Mayer, ZEV 2001, 1.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
BGB geregelten Anfallsrecht des Nacherben oder dem Herausgaberecht des Vorerben zu unterliegen.1 108
Da § 2110 Abs. 2 BGB nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich „im Zweifel“ und damit nicht zwingend dazu führt, dass das Recht des Nacherben einen Vorausvermächtnisgegenstand nicht erfasst, kann eine von dieser Vermutung abweichende Erstreckung der Vor- und Nacherbfolge auf den Vorausvermächtnisgegenstand letztwillig wirksam angeordnet werden, ohne dass auf die Aussetzung eines bloßen Nachvermächtnisses ausgewichen werden müsste.2
109
Bis zu einer diesbezüglichen höchstrichterlichen Klärung sollte, sofern ein sicheres Erfasstsein des zugeordneten Nachlassgegenstandes von den Nacherbenrechten gewünscht und ein vormerkungsgesichertes Nachvermächtnis nicht für ausreichend erachtet wird sowie keine steuerlichen Gründe entgegenstehen, mit einer Teilungsanordnung statt einem Vorausvermächtnis gearbeitet oder zumindest hilfsweise ein ggf. vormerkungsgesichertes Nachvermächtnis angeordnet werden. Im Übrigen ist zu empfehlen, zur Vermeidung von Auslegungsrisiken bei Vorausvermächtnissen an den Vorerben stets ausdrücklich klarzustellen, ob sich die Nacherbenrechte gleichwohl auf den Vorausvermächtnisgegenstand beziehen oder nicht.
110
Wird bspw. ohne eine vorausvermächtnisweise Anordnung ausschließlich aufgrund Teilerbauseinandersetzungsvereinbarung zwischen den alleinigen beiden Erben, dem befreiten Vorerben V1, dessen volljähriges Kind N1 diesbezüglicher alleiniger Nacherbe ist, und dem befreiten Vorerben V2, dessen volljähriges Kind N2 diesbezüglicher alleiniger Nacherbe ist, zum Nachlass gehöriger Grundbesitz nachweislich bzw. nach allgemeinen Erfahrungssätzen hinreichend vermutet vollentgeltlich an V1 zu Alleineigentum übertragen, setzt sich nach § 2111 Abs. 1 Satz 3 Var. 3 BGB im Wege der dinglichen Surrogation das Nacherbenrecht des N1 an dem zugeteilten Grundbesitz bzw. das Nacherbenrecht des N2 an dem diesbezüglichen Ausgleichsbetrag von selbst fort, soweit keine zusätzliche ggfs. konkludente Vereinbarung über das Ausscheiden aus dem Nachlass und damit auch aus
1 Fröhler, BWNotZ 2005, 1 f.; Staudinger/Avenarius, § 2110 BGB Rz. 7; aA Burandt/Rojahn/Lang, § 2110 BGB Rz. 3: kein erbrechtlicher Vonselbsterwerb des Vorerben. 2 Flad, DGWR 1937, 233 (236); Fröhler, BWNotZ 2005, 1; Kanzleiter, FS Schippel, 1996, S. 287 (299); Leitzen, RNotZ 2012, 159 (162), Ludwig, DNotZ 2001, 102 (112); Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 10 Rz. 42; Soergel/Harder/Wegmann, § 2110 BGB Rz. 2; Staudinger/Avenarius, § 2110 BGB Rz. 4 u. 10; v. Dickhuth-Harrach, Hdb. der Erbfolge-Gestaltung, 2011, § 23 Rn. 70; aA Nolting, Die Befreiung des Vorerben über die Grenzen des § 2136 BGB hinaus, 2003, S. 127 ff.; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 113 (114) (unter Hinweis auf die abweichende Zielrichtung der Zweiten Kommission, jedoch ohne Erkenntnisse zu den Gründen der abschließenden Gesetzesänderung); Kuetgens, Das Vorausvermächtnis nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1913, S. 37; MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2110 BGB Rz. 3; Nolting, Die Befreiung des Vorerben über die Grenzen des § 2136 BGB hinaus, 2003, S. 127 ff.; Palandt/Weidlich, § 2110 BGB Rz. 2; Staudinger/Otte, § 2150 BGB Rz. 4.
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
der Nacherbenbindung getroffen wurde.1 Ein Nacherbenvermerk im Grundbuch ist ausschließlich für die Nacherben bezüglich des betroffenen Grundstückserwerbers (hier N1 und eventuelle Ersatznacherben nach V1) einzutragen.2 Darüber hinaus wird bei Nachvermächtnisanordnung soweit mitvermacht sowie bewilligt und beantragt eine Vormerkung eingetragen. Auf die Erbauseinandersetzung findet § 2113 BGB grundsätzlich bereits dann Anwendung, wenn wenigstens ein beteiligter Miterbe davon betroffen ist,3 soweit nicht ausschließlich eine letztwillige Anordnung des Erblassers erfüllt wird.4 Dagegen muss im Falle vorausvermächtnisweiser Zuwendung iSd. § 2110 111 Abs. 2 BGB (ausdrücklich oder wie im Zweifel) ohne Nacherbenerstreckung wegen diesbezüglichen Erlöschens der Nacherbenrechte ein Vermerk über das Nichterfasstsein des Vorausvermächtnisgegenstandes von der Nacherbfolge in den Erbschein aufgenommen werden,5 während im Grundbuch kein Nacherbenvermerk eingetragen werden darf.6 Wird ausnahmsweise jedoch letztwillig eine Erstreckung der Nacherbenrechte auf einen vorausvermächtnisweise zugewendeten Nachlassgegenstand angeordnet, entfällt der Vermerk über das Nichterfasstsein des betroffenen konkreten Grundbesitzes von der Nacherbfolge im Erbschein. Allgemein ist zum Nachweis der Vorerbfolge anstelle eines Erbscheins 112 nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO die Vorlage eines notariell beurkundeten (gemeinschaftlichen) Testaments bzw. Erbvertrages samt des nachlassgerichtlichen Eröffnungsprotokolls jeweils in beglaubigter Abschrift ausreichend, wenn diese Verfügung von Todes wegen alle Nacherben namentlich benennt7 oder eine derartige Benennung vor Eintritt des Nacherbfalls auch aufgrund nachlassgerichtlicher Ermittlungen in einem Erbschein – wie bspw. bei einer Einsetzung der im Zeitpunkt des Todes des Vorerben vorhandenen Abkömmlinge des Vorerben zu Nacherben – nicht möglich wä-
1 BGH v. 13.10.2000 – V ZR 451/98, MDR 2001, 157 = FamRZ 2001, 220 f. = DNotZ 2001, 392 ff.; BGH v. 14.7.1969 – V ZR 122/66, NJW 1969, 2043 (2044); BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 ff. = WM 1963, 1211 ff.; RG v. 28.10.1916 – Vb 2/16, RGZ 89, 53 (56 ff.); Deimann, Rpfleger 1978, 244; Leitzen, RNotZ 2012, 159 (160); Staudinger/Avenarius, § 2111 BGB Rz. 27. 2 BayObLG v. 24.4.1997 – 2Z BR 38/97, FamRZ 1997, 1363 = DNotZ 1998, 206 (208); KG v. 3.11.1992 – 1 W 3761/92, DNotZ 1993, 607 (608 ff.); Keim, DNotZ 2003, 822 (824); Leitzen, RNotZ 2012, 159 (162). 3 BGH v. 15.3.2007 – V ZB 145/06, BGHZ 171, 350 ff. = MDR 2007, 887 = DNotZ 2007, 700 (701); OLG Saarbrücken v. 3.5.1999 – 5 W 314/98, FamRZ 2000, 122 = DNotZ 2000, 64 (65 ff.); Staudinger/Avenarius, § 2111 BGB Rz. 51; Leitzen, RNotZ 2012, 159 (160). 4 Staudinger/Avenarius, § 2111 BGB Rz. 53; Leitzen, RNotZ 2012, 159 (160). 5 KG v. 25.1.1940 – 1 Wx 867/39, JFG 21, 122 (126); Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (3); Leitzen, RNotZ 2012, 159 (163). 6 Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (2); Leitzen, RNotZ 2012, 159 (162). 7 OLG Dresden v. 11.3.1930 – 6 Reg. 42/30, JFG 7, 267 (269); Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (7).
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
re.1 Zu dem erst nach Eintritt der Nacherbfolge beantragten Erbschein als Erbnachweis für die Rechtsnachfolge auf den Ausgangserbfall vor Eintritt der Nacherbfolge bei Vorausvermächtnis an den Alleinvorerben insbesondere zum Zweck der Grundbuchberichtigung s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 40 ff. 7. Vorausvermächtnis an den Mitvorerben 113
Ist das Vorausvermächtnis einem von mehreren Mitvorerben zugewendet, bedarf es noch der Vermächtniserfüllung innerhalb der Vorerbengemeinschaft, jedoch im Zweifel mangels dann diesbezüglich eintretender Erstreckung der Nacherbenrechte ebenfalls keiner Mitwirkung der Nacherben.2 Auch insoweit muss ein Vermerk über das Nichterfasstsein des Vorausvermächtnisgegenstandes von der Nacherbfolge in den Erbschein aufgenommen werden. Dies gilt jedoch wiederum dann nicht, wenn sich ausnahmsweise im Wege der Auslegung oder ausdrücklich eine Erstreckung der Nacherbenrechte auf einen vorausvermächtnisweise zugewendeten Nachlassgegenstand ergibt (s. dazu oben Rz. 108). Werden nicht mehrere Vorerben, sondern ist nur ein Vorerbe neben mindestens einem weiteren Vollerben in Erbengemeinschaft Erbe, gilt insoweit nichts anderes. 8. Ermächtigung des Vorerben zu lebzeitiger Übertragung
114
Als weiteres Gestaltungsmittel in derartigen Konstellationen kann der Vorerbe berechtigt werden, bereits zu seinen Lebzeiten nach dem Tod des Erblassers alles sonstige Vermögen an einen oder mehrere Nacherben zu übertragen. Macht der Vorerbe von dieser Berechtigung Gebrauch, so gelten diese Gegenstände ihm gegenüber als vorausvermächtnisweise frei von der Nacherbfolge zugewendet. Hierdurch wird erreicht, dass das letztgenannte Vermögen bereits zu Lebzeiten nach freiem Gutdünken des Vorerben im Kreise der Nacherben verteilt werden kann. Ohne eine derartige Berechtigung bedürfte der Vorerbe hierzu der Zustimmung aller Nacherben, somit auch jener, die diese Vermögensgegenstände nicht erhalten sollen. Da der Vorerbe von diesen eine entsprechende Zustimmung im Zweifel nur sehr schwer wird erhalten können, ist er auf ein derartiges aufschiebend bedingtes Vorausvermächtnis angewiesen.
115
Dabei ist jedoch zu beachten, dass das in Rede stehende Vermögen auf diese Art und Weise in das freie Vermögen des längstlebenden Ehegatten übergeht und damit nunmehr dem Zugriff von Personen unterliegt, die nach dem längstlebenden Ehegatten pflichtteilsberechtigt sind. Es ist daher genau abzuwägen, ob die freie Verfügungsbefugnis oder der Schutz vor Zugriffen pflichtteilsberechtigter Personen Vorrang haben soll. 1 BayObLG v. 22.12.1982 – BReg. 2 Z 88/82, DNotZ 1984, 502 = Rpfleger 1983, 104; Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (7). 2 Staudinger/Avenarius, § 2110 BGB Rz. 10; Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (2); Leitzen, RNotZ 2012, 159 (162).
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
M 76
Anordnung eines Vorausvermchtnisses an den Alleinvorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der lngstlebende Ehegatte erhlt im Wege des Vorausvermchtnisses frei von der Nacherbfolge den gesamten Hausrat und alle persçnlichen Gegenstnde des erstversterbenden Ehegatten. Ggf. Zusatz: Der lngstlebende Ehegatte hat als Vorerbe zudem das Recht, ber Nachlassgegenstnde jeglicher Art vor Eintritt des Nacherbfalls durch bertragung an einen oder mehrere gemeinschaftliche Abkçmmlinge beider Ehegatten zu verfgen. Wird in dieser Weise ber Nachlassgegenstnde verfgt, gelten diese dem lngstlebenden Ehegatten durch den erstversterbenden Ehegatten ebenfalls als vorausvermchtnisweise frei von der Nacherbfolge zugewendet.
9. Testamentsvollstreckung Durch Anordnung einer Nacherbentestamentsvollstreckung (s. nachfol- 116 gend Rz. 138 ff.) können insbesondere Probleme der erforderlichen Zustimmung nicht geschäftsfähiger oder noch unbekannter Nacherben vermieden und dadurch die Position des Vorerben verstärkt werden. Eine Bestellung des alleinigen Vorerben zum Nacherbenvollstrecker ist nach h.M. grundsätzlich ausgeschlossen (s. nachfolgend Rz. 141).
V. Gestaltungsziele und Gestaltungstypen 1. Ziele der Vor- und Nacherbfolge Mit der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft lassen sich die folgenden 117 Ziele verwirklichen: – Erhaltung des Familienvermögens im Wechsel der Generationen. Der Erblasser kann den erarbeiteten oder ererbten Kern seines Privatvermögens, etwa Grundvermögen oder Betriebsvermögen, auf einen langen Zeitraum in der Hand von ihm bestimmten Personen binden und erhalten, etwa indem er zunächst die Kinder und dann die Enkel zu Erben einsetzt. Er verwirklicht so den „Erbhofgedanken“. – Trennung von Nutzung und Substanz. Der Erblasser kann die Versorgung durch Nutzung und die Erhaltung des Vermögens für den Endbedachten miteinander verbinden, indem er etwa den Ehegatten als Vorerben, den Abkömmling als Nacherben einsetzt. – Ausschaltung von Erben und Pflichtteilsberechtigten des Vorerben. Die Einsetzung lediglich zum Vorerben verhindert das Abwandern von Vermögen an störende Erben und Pflichtteilsberechtigte des Vorerben, etwa nichteheliche Kinder oder Kinder aus anderen Ehen des Ehegatten, den geschiedenen Ehegatten des Erblassers über das gemeinsame Kind oder den Ehegatten des Vorerben. 317
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
– Überbrückung von Zwischenzeiten. Der Vorerbe wird hier gewissermaßen als Treuhänder eingesetzt, bis der Nacherbe ein bestimmtes Alter oder einen bestimmten Ausbildungsstand erreicht hat. – Reaktion auf Verhaltensweisen des Vorerben. Der Eintritt der Nacherbfolge wird von einem – nicht erwünschten – Verhalten des Vorerben abhängig gemacht, etwa von der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten oder von der Nichtbefolgung bestimmter Wünsche des Erblassers. – Schutz des Vorerben vor seinen Gläubigern. Der überschuldete Vorerbe wird im eigenen Interesse vor seinen Gläubigern geschützt;1 beim behinderten Kind wird der Zugriff der Sozialbehörde verhindert. Flankierend ist regelmäßig Testamentsvollstreckung anzuordnen. – Bedenkung noch nicht erzeugter Personen. Der Vorerbe ist hier der Platzhalter für den noch nicht erzeugten Nacherben. Wird dieser nicht geboren, bleibt er Erbe. 2. Nachteile der Vor- und Nacherbfolge 118
Die Vor- und Nacherbfolge ist eine Konstruktion von hoher juristischer Künstlichkeit. Sie ist für die Betroffenen nur schwer handhabbar und wirft, ist die Vorerbfolge erst einmal eingetreten, die Nacherbfolge aber noch nicht, immer wieder Abstimmungsprobleme auf. Der Vorerbe ist trotz möglicher Befreiungen im Ergebnis sehr viel stärker eingeschränkt, als es der Erblasser bei Kenntnis der Folgerungen gewollt hätte.
119
Der Rat langjähriger Praktiker des Erbrechts geht deshalb dahin, die Vorund Nacherbschaft nur bei zwingenden Gründen einzusetzen. So ist im engeren Familienbereich das Berliner Testament regelmäßig die bessere Lösung. Wer berücksichtigt, dass die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft besonderer Indikation bedarf, geht sie vom richtigen Standpunkt aus an. 3. Die einzelnen Gestaltungstypen a) Einzeltestament M 77
Anordnung von Vor- und Nacherbschaft im Einzeltestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Erben setze ich . . . ein. Der Erbe soll nur Vorerbe sein. Zum Nacherben setze ich . . . ein. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Der Nacherbe ist auch Ersatzerbe. Die Nacherbenanwartschaft ist weder verußerlich noch vererblich. Stirbt der
1 Zu Problemen der Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO vgl. Damrau, MDR 2000, 255.
318
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls oder wird er aus einem sonstigen Grund nicht Nacherbe, so tritt an seine Stelle . . . Der Vorerbe ist von allen gesetzlichen Beschrnkungen und Verpflichtungen befreit, soweit dies zulssig ist.
Besonders bei der komplizierten und fehleranfälligen Anordnung von Vor- 120 und Nacherbfolge empfiehlt sich der Gebrauch der Fachsprache, wo immer dies möglich ist. Der Eintritt der Nacherbfolge mit dem Tod des Vorerben entspricht der ge- 121 setzlichen Vermutung des § 2106 BGB, die Einsetzung des Nacherben als Ersatzerben der Auslegungsregel des § 2102 BGB. Zur Veräußerung und Belastung der Nacherbenanwartschaft s. nachfolgend Rz. 145 ff. Die Alternative zur Einsetzung eines Ersatzerben ist das Entfallen der Nacherbschaft beim Wegfall des bestimmten Vorerben.
M 78
Entfallen der Nacherbschaft bei Wegfall des Vorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Stirbt der eingesetzte Nacherbe vor Eintritt des Erbfalls oder wird er aus einem sonstigen Grund nicht Nacherbe, so entfllt die Nacherbfolge.
b) Anordnung von Vor- und Nacherbschaft im Ehegattentestament M 79
Anordnung von Vor- und Nacherbschaft im Ehegattentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir berufen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben, gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden vorhanden sind. Der Vorerbe ist von allen Beschrnkungen und Verpflichtungen befreit, von denen er nach dem Gesetz befreit werden kann. Ihm stehen alle Rechte zu, die ihm nach dem Gesetz zustehen kçnnen, einschließlich des Rechts auf Verzehr des Nachlasses. Nacherben auf den Tod des Letztversterbenden und Erben des Letztversterbenden und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge, und zwar einschließlich adoptierter Abkçmmlinge, jedoch mit Ausnahme nichtehelicher Kinder mnnlicher Nachkommen und ihrer Abkçmmlinge, unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des zweiten Erbfalles. Es sind dies zurzeit . . . Derjenige unserer Abkçmmlinge, der beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, wird samt seinen Abkçmmlingen nicht Nacherbe und nicht Erbe des Letztversterbenden. Die Nacherbenanwartschaften sind nicht vererb-
319
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
lich und lediglich an den Vorerben verußerlich. Beim Tod eines Nacherben zwischen dem Eintritt des Erbfalles und dem Eintritt des Nacherbfalles nach dem Erstversterbenden treten an seine Stelle seine Abkçmmlinge nach obiger Maßgabe. . . . (Bindungswirkungen bzw. Abnderungsbefugnis fr Schluss- bzw. Ersatzerbeinsetzung der Abkçmmlinge)
122
Diese Bestimmungen in einem gemeinschaftlichen Testament oder Ehegattenerbvertrag verwirklichen die sog. Trennungslösung, s. nachfolgend 5. Kap. Rz. 69 ff. c) Anordnung weiterer Nacherbfolgen
123
Der Erblasser hat die Möglichkeit, nicht nur eine Nacherbfolge, sondern auch weitere Nacherbfolgen anzuordnen, indem sog. Nachnacherben eingesetzt werden. Hierdurch kann auf den Werdegang des Nachlasses auch über den Nacherbfall hinaus Einfluss genommen werden. Im Gegensatz zum Ersatznacherben, der an Stelle eines weggefallenen Nacherben Nacherbe wird, wird der Nachnacherbe erst durch Eintritt des Nachnacherbfalls Erbe. Zwischen dem Nacherbfall und dem Nachnacherbfall nimmt der Nacherbe die Position eines Vorerben gegenüber dem Nachnacherben ein.
124
Bei der Gestaltung derartiger letztwilliger Verfügungen darf somit nicht übersehen werden, dass der Nacherbe gegenüber dem Nachnacherben grundsätzlich denselben Beschränkungen unterliegt, die für einen Vorerben gelten. Im Rahmen der gestaltenden Beratung ist daher zwingend die Frage aufzuwerfen, ob der Nacherbe gegenüber dem Nachnacherben befreiter oder nichtbefreiter Vorerbe sein soll. Eine eventuelle Befreiung ist ausdrücklich in die letztwillige Verfügung aufzunehmen, um Auslegungsschwierigkeiten vorzubeugen. Ebenfalls sollte ausdrücklich klargestellt werden, ob jeweils nur einmal oder nach jeder weiteren Nacherbfolge nochmals weitere Nacherbfolge angeordnet wird.
125
Während der nichtbefreite Vorerbe für Verfügungen über den Nachlass aus o.g. Gründen ausschließlich der Zustimmung des Nacherben, nicht jedoch der Ersatznacherben bedarf, ist bei Anordnung einer Nachnacherbfolge zusätzlich auch die Zustimmung des Nachnacherben erforderlich (s. dazu ausführlich oben Rz. 82). Des Weiteren sollte in der letztwilligen Verfügung klargestellt sein, ob Ersatznachnacherben eingesetzt sind und derartige Ersatznachnacherbeinsetzungen bei einer Veräußerung der Nachnacherbanwartschaften entfallen.
320
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
M 80
Anordnung weiterer Nacherbfolgen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Es wird jeweils weitere Nacherbfolge angeordnet. Die vorstehend genannten jeweiligen Nacherben bzw. Ersatznacherben haben in der Zeit vom ersten Nacherbfall bis zum jeweiligen weiteren Nacherbfall die Rechtstellung eines gesetzlich beschrnkten Vorerben. Sie sind jedoch jeweils von allen Beschrnkungen befreit, von denen nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann. Die weitere Nacherbfolge tritt jeweils mit dem Tod des jeweiligen ersten Nacherben ein. Auf den Tod des jeweiligen weiteren Nacherben wird jedoch keine nochmalige weitere Nacherbfolge angeordnet. Jeweils weitere Nacherben auf den jeweiligen Tod des jeweiligen ersten Nacherben sind dessen jeweilige Abkçmmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des Todes des jeweiligen ersten Nacherben, zu denen ohne Einschrnkung auch nichteheliche Kinder und deren Abkçmmlinge zhlen. Ersatzweise tritt jeweils Anwachsung ein. Diese Nachnacherbanwartschaften sind weder vererblich noch verußerlich, wobei eine Verußerung an den ersten Nacherben zulssig ist und dann auch jede ausdrckliche oder stillschweigende Ersatznachnacherbeinsetzung entfllt.
Zu beachten ist bei der Anordnung mehrerer Nacherbfolgen die 30-Jahres- 126 Frist des § 2109 BGB. Gem. § 2109 Abs. 2 Satz 2 BGB wird sie hier aber überspielt (s. dazu ausführlich oben Rz. 62 f.). d) Einsetzung unbekannter Nacherben M 81
Einsetzung unbekannter Nacherben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Erben setze ich meine Tochter/meinen Sohn . . . ein. Sie/Er ist aber lediglich nichtbefreiter Vorerbe. Nacherben werden ihre/seine etwaigen Abkçmmlinge einschließlich adoptierter Abkçmmlinge, unter sich nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Zum Nacherbenvollstrecker bestimme ich meinen Schwiegersohn/meine Schwiegertochter . . .
Die Nacherben werden hier vom Erblasser benannt, sind aber, da noch 127 nicht geboren, unbekannt.1 Eine derartige Anordnung stellt für den Erben eine starke Beschränkung dar, da bis zu seinem Tod nicht feststeht, ob er Erbe oder lediglich Vorerbe ist. Für Verfügungen und Maßnahmen des Vorerben, die der Mitwirkung des Nacherben bedürfen, ist für unbekannte Nacherben nach § 1913 Satz 2 BGB ein Pfleger zu bestellen. Deshalb ist es 1 Zu den Problemen bei unbekannten Nacherben Kanzleiter, DNotZ 1970, 326; BayObLG v. 17.3.1982 – BReg.2 Z 13/82, FamRZ 1982, 1139 = DNotZ 1983, 318; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger“, § 10 Rz. 67.
321
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
zweckmäßig, einen Nacherbentestamentsvollstrecker nach § 2222 BGB zu bestellen. e) Durch eigene letztwillige Verfügung des Vorerben auflösend bedingte Nacherbschaft M 82
Durch eigene letztwillige Verfgung des Vorerben auflçsend bedingte Nacherbschaft
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meiner Vorerbin setze ich meine Ehefrau . . . ein. Nacherben auf ihren Tod werden meine Kinder . . . Die Nacherbfolge entfllt durch die auflçsende Bedingung, dass meine Ehefrau . . . durch Verfgung von Todes wegen, die fr die Erbfolge nach meiner Ehefrau maßgeblich ist, eine der zunchst als Nacherben vorgesehenen Personen bestimmt, die dann unter Ausschluss der anderen Schlusserbe wird. Fr die ausgeschlossenen Nacherben, die nicht Schlusserben werden, kann meine Frau . . . Vermchtnisse aussetzen. Sie kann auch beliebige Vermchtnisse hinsichtlich ihres eigenen Vermçgens aussetzen, das nicht zunchst durch die Nacherbfolge beschrnkt war.
128
Die Gestaltung verstößt nach h.M.1 nicht gegen das Verbot der Fremdbestimmung des Erben in § 2065 BGB. Der Vorerbe bestimmt nicht den Nacherben, sondern beseitigt durch seine letztwillige Verfügung die angeordnete Nacherbschaft. Er wird dadurch unbeschränkter Erbe und verfügt anschließend letztwillig nur noch über sein eigenes Vermögen. In der nur eingeschränkten Befugnis des Vorerben, lediglich durch eigene Verfügung zugunsten bestimmter Personen – hier der Abkömmlinge – die auflösende Bedingung eintreten zu lassen, wird allerdings in der Literatur teilweise eine unzulässige Vertretung im Willen gesehen.2 Wer sicher gehen will wählt deshalb das Bestimmungsvermächtnis nach § 2151 BGB (s. nachfolgend Rz. 278 ff.).3
1 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 10 Rz. 70 m.w.N.; N. Mayer, ZEV 1996, 105; J. Mayer, ZEV 2000, 1, 7; Palandt/Weidlich, § 2065 BGB Rz. 6; BGH v. 14.7.1972 – V ZR 124/70, BGHZ 59, 220 = MDR 1972, 1022 = NJW 1972, 1987 = DNotZ 1973, 105; BGH v. 4.12.1980 – IVa ZR 46/80, MDR 1981, 475 = NJW 1981, 2051 = DNotZ 1981, 765; BayObLG v. 27.5.1991 – BReg.1 Z 24/91, FamRZ 1991, 1488; Kanzleiter, DNotZ 2001, 151; OLG Hamm v. 24.8.1999 – 15 W 218/99, FamRZ 2000, 446 = MittRhNotK 1999, 312 = MittBayNot 2000, 47 = ZEV 2000, 197 mit Anm. Loritz. 2 Brox, FS Bartholomeyczik, 1973, S. 52; Stiegeler, Der Grundsatz der Selbstentscheidung des Erblassers, Diss. Freiburg 1985, S. 99; anders die Rechtsprechung, die Einschränkungen für zulässig hält: BGH v. 14.7.1972 – V ZR 124/70, BGHZ 59, 222 = MDR 1972, 1022 = NJW 1972, 1987 = DNotZ 1973, 105; OLG Oldenburg v. 6.11.1990 – 5 U 50/90, MDR 1991, 539 = FamRZ 1991, 862 = NJW-RR 1991, 646. 3 Warnend auch Kanzleiter, DNotZ 2001, 154, Anm. zu OLG Frankfurt v. 10.12.1999 – 20 W 224/97, DNotZ 2001, 143.
322
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
Diese Gestaltung hat auch den Nachteil, dass der Vorerbe mit der Beseiti- 129 gung der Nacherbschaft die dem Schutz des Nacherben dienenden Verfügungsbeschränkungen rückwirkend aufheben kann. Bis zu seinem Tod allerdings bleiben sie bestehen, da bis dahin nicht feststeht, ob der Vorerbe tatsächlich eine eigene, die Nacherbschaft beseitigende letztwillige Verfügung hinterlässt. f) Einsetzung der eigenen Erben des Vorerben als Nacherben (sog. Dieterle-Klausel1) M 83
Einsetzung der eigenen Erben des Vorerben als Nacherben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meiner Vorerbin setze ich meine Ehefrau/meinen Ehemann . . . ein. Nacherben auf ihren/seinen Tod werden die Personen, die meine Ehefrau/mein Ehemann . . . zu ihren/seinen eigenen Erben einsetzt und die auch ihre/seine Erben werden, bei mehreren Personen im gleichen Anteilsverhltnis. Setzt meine Ehefrau/mein Ehemann keine eigenen Erben ein, so werden Nacherben meine Kinder . . . zu gleichen Teilen, ersatzweise jeweils deren Abkçmmlinge, in zweiter Linie die Miterben oder ihre Abkçmmlinge, alles nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge.
Bei der Nacherbeneinsetzung unter der auflösenden Bedingung eigener Ver- 130 fügungen des Vorerben entfällt durch dessen letztwillige Verfügung die Nacherbschaft. Bei der Einsetzung der eigenen Erben des Vorerben als Nacherben verbleibt es bei der Nacherbschaft, die sich aber nach der eigenen Verfügung des Vorerben bestimmt. Trotzdem verstößt die Gestaltung nach h.L.2 nicht gegen § 2065 Abs. 2 BGB. Der Erblasser bestimmt selbst den Nacherben, nur eben nach Maßgabe der eigenen letztwilligen Verfügung eines anderen. Der Vorteil gegenüber der Einsetzung des Erstbedachten zum Vollerben liegt in der Separierung des Nachlasses vom Vermögen des Erstbedachten und in den Schutzvorschriften für den Nacherben. Zunehmend wird vor dieser Gestaltung gewarnt.3 Eine derartige Koppelung der Nacherbenbestimmung an die Auswahl der eigenen Erben durch den Vorerben hat das OLG Frankfurt in einem Beschluss v. 10.12.1999 wegen Verstoßes gegen den Höchstpersönlichkeitsgrundsatz iSd. § 2065 Abs. 2 BGB als unwirksam erachtet.4 Diese Entscheidung muss trotz der ihr berechtigterweise aus dem Schrifttum vehement entgegengebrachten Kritik5 bei der Wahl der sichersten Gestaltung dahin gehend berücksichtigt wer1 Dazu ausführlich unten 6. Kap. Rz. 24 ff. 2 Schäfer, BWNotZ 1962, 203; Gaberdiel, Rpfleger 1966, 265; Dieterle, BWNotZ 1971, 15; MünchKomm.BGB/Leipold, § 2065 BGB Rz. 9; Palandt/Weidlich, § 2065 BGB Rz. 7; a.A. Reimann/Bengel/J. Mayer/Voit, Vor § 2229 BGB Rz. 24. 3 J. Mayer, ZErb 2001, 205. 4 OLG Frankfurt v. 10.12.1999 – 20 W 224/97, FamRZ 2000, 1607 = DNotZ 2001, 143. 5 Ivo, DNotZ 2002, 266.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
den, dass derartige Klauseln bis zu einer höchstrichterlichen Klärung möglichst nicht verwendet werden.1 g) „Gegenständliche“ Vor- und Nacherbfolge M 84
„Gegenstndliche“ Vor- und Nacherbfolge
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir, die Eheleute . . . , setzen uns gegenseitig zu Vorerben, unsere Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge auf den Tod des Letztversterbenden zu Nacherben ein. Der berlebende Ehegatte erhlt im Wege des nicht der Nacherbfolge unterliegenden Vorausvermchtnisses den gesamten Nachlass des Erstversterbenden mit Ausnahme smtlicher Grundstcke und grundstcksgleicher Rechte.
131
Die Vor- und Nacherbschaft bezieht sich immer auf den gesamten Nachlass oder einen Bruchteil des Nachlasses. Ihre Beschränkung auf einzelne Nachlassgegenstände ist unzulässig, es gibt in diesem Sinne keine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbfolge. Im Ergebnis kann man aber die Vor- und Nacherbschaft auf einzelne Gegenstände beschränken, indem man dem Vorerben die übrigen Nachlassgegenstände als Vorausvermächtnis zuwendet. Beim alleinigen Vorerben wirkt das Vorausvermächtnis dinglich.2 Mit dem Erbfall wird der Erbe damit gleichzeitig durch die Nacherbschaft beschränkter Eigentümer der nicht durch Vorausvermächtnis ihm zugewendeten Gegenstände und unbeschränkter Eigentümer der ihm durch Vorausvermächtnis zugewendeten Gegenstände. h) Bedingtes Vorausvermächtnis M 85
Bedingtes Vorausvermchtnis mit Verußerungsbefugnis des Vorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vorerbe ist berechtigt, vor Eintritt des Nacherbfalles den zur Vorerbschaft gehçrenden Grundbesitz an einen oder mehrere unserer gemeinschaftlichen Abkçmmlinge zu bertragen. Macht der Vorerbe von dieser Befugnis Gebrauch, so gilt ihm der berlassene Grundbesitz als durch Vorausvermchtnis auf Ableben des Erstversterbenden zugewendet.
132
Das bedingte Vorausvermächtnis kann auch an ein eigenes Vermächtnis des Vorerben geknüpft werden. 1 Kanzleiter, DNotZ 2001, 149 (154). 2 BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60 = MDR 1960, 483 = NJW 1960, 959.
324
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
M 86
Bedingtes Vorausvermchtnis mit eigenem Vermchtnis des Vorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vorerbe ist berechtigt, den zur Vorerbschaft gehçrenden Grundbesitz einzelnen unserer gemeinschaftlichen Abkçmmlinge als Vermchtnis auszusetzen. Macht er von dieser Befugnis Gebrauch, so gilt ihm dieser Grundbesitz als durch Vorausvermchtnis auf den Vortag seines Todes zugewendet.
Das bedingte Vorausvermächtnis gibt dem Vorerben die Möglichkeit, die 133 dingliche Verteilung des Nachlasses zu steuern und auch Wertverschiebungen vorzunehmen. Es ist ein sehr variables Gestaltungsmittel, dessen gezielter Einsatz Probleme lösen kann.1 4. Testamentsvollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft M 87
Testamentsvollstreckung bei Vor- und Nacherbschaft
(Form: Verfgung von Todes wegen) Vorerbenvollstreckung Ich ordne Testamentsvollstreckung fr den Vorerben an. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, smtliche Verwaltungs- und Verfgungsbefugnisse des Vorerben auszuben. Testamentsvollstreckung ab Eintritt des Nacherbfalles Ich ordne Testamentsvollstreckung fr die Nacherben ab dem Eintritt der Nacherbfolge zur Nachlassauseinandersetzung und Erfllung der Vermchtnisse an. Nacherbentestamentsvollstreckung nach § 2222 BGB Ich ordne Testamentsvollstreckung fr den Nacherben bis zum Eintritt des Nacherbfalles an. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, die Rechte des Nacherben auszuben und dessen Pflichten zu erfllen. Umfassende Testamentsvollstreckung fr Vor- und Nacherbschaft Ich ordne Testamentsvollstreckung fr den Vorerben bis zum Eintritt des Nacherbfalles, fr die Nacherben bis zum Eintritt des Nacherbfalles und fr die Nacherben ab Eintritt des Nacherbfalles an, letztere bis zur Beendigung der Nachlassauseinandersetzung zwischen den Nacherben.
1 Keller, BWNotZ 1970, 49 (53).
325
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
134
Bei der Testamentsvollstreckung im Bereich der Vor- und Nacherbschaft sind zu unterscheiden – die Testamentsvollstreckung nur für die Vorerbschaft, sei es als Abwicklungsvollstreckung oder Verwaltungsvollstreckung, – die Testamentsvollstreckung nur für die Nacherbschaft, sei es als Verwaltungs- oder als Abwicklungsvollstreckung, – die Testamentsvollstreckung nur hinsichtlich der Ausübung der Rechte des Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft, Nacherbentestamentsvollstreckung nach § 2222 BGB, – die Testamentsvollstreckung hinsichtlich Vor- und Nacherbschaft, zweckmäßigerweise einschließlich der Nacherbentestamentsvollstreckung nach § 2222 BGB.
135
Die Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft ausschließlich der Nacherbentestamentsvollstreckung ist denkbar, aber nicht zweckmäßig.
136
Die Anordnung der Testamentsvollstreckung für den Vorerben verhindert nach §§ 2115, 2214 BGB insbesondere, dass Eigengläubiger des Vorerben in den Nachlass vollstrecken können. Der Testamentsvollstrecker ist allein über den Nachlass verwaltungs- und verfügungsbefugt, allerdings nach h.L. entgegen vereinzelter obergerichtlicher Rspr. nur im Umfang der Verfügungsbefugnisse des Vorerben, da der Nacherbenschutz insoweit nach dem Gesetzeszweck nicht eingeschränkt werden soll.1
137
Ist der Testamentsvollstrecker zugleich für den Vor- und Nacherben ernannt, so ist er unstreitig während der Vorerbschaft nur gem. § 2205 Satz 3 BGB in der Verfügung beschränkt, nicht dagegen nach den für den Vorerben geltenden weitergehenden Beschränkungen der §§ 2113, 2114 BGB.2
138
Die Anordnung einer Nacherbentestamentsvollstreckung nach § 2222 BGB ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn der Nacherbe unter elterlicher Sorge, unter Pflegschaft oder Betreuung steht, wenn er noch nicht geboren oder noch nicht gezeugt ist oder seine Person erst durch ein künftiges Ereignis bestimmt werden soll. Dadurch entfällt das Erfordernis, für unbekannte Nacherben zur Wahrung ihrer Rechte und Pflichten einen Pfleger oder Betreuer zu bestellen.3 Die Nacherbenvollstreckung beschränkt nicht den Vorerben, sondern den Nacherben.
1 Erman/Schmidt, § 2222 BGB Rz. 4; Keim, ZErb 2008, 5 (8); Lange/Kuchinke, § 31 VI 2a; Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 22 Rz. 22; MünchKomm.BGB/Zimmermann, § 2222 BGB Rz. 9; Palandt/Weidlich, § 2205 BGB Rz. 24; Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, Rz. 373; aA OLG Stuttgart v. 4.12.1979 – 8 W 422/79, BWNotZ 1980, 92 (ohne Begründung); Winkler, Der Testamentsvollstrecker, Rz. 215. 2 BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 = MDR 1963, 994 = NJW 1963, 2320; BayObLG v. 30.1.1991 – BReg 2 Z 1/91, FamRZ 1991, 984 = BWNotZ 1991, 142; MittBayNot 1991, 122; vgl. Soergel/Damrau, § 2205 BGB Rz. 58. 3 Kanzleiter, DNotZ 1970, 335.
326
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
Erteilt der Nacherbenvollstrecker, der zugleich gesetzlicher Vertreter des 139 Nacherben ist, zu einer Verfügung des Vorerben nach den §§ 2113 ff. BGB seine Zustimmung, so unterliegt er als Testamentsvollstrecker mangels Ableitung seiner Rechtsmacht aus der gesetzlichen Vertretungsmacht im Gegensatz zu seiner Rolle als gesetzlicher Vertreter unabhängig vom jeweiligen Gegenstand des betroffenen Rechtsgeschäfts keiner familiengerichtlichen Genehmigungspflicht.1 Aufgrund der Personenidentität zwischen Nacherbenvollstrecker und ge- 140 setzlichem Vertreter, dessen diesbezügliche gesetzliche Vertretungsmacht insoweit verdrängt wird, droht jedoch die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft,2 die die im Übrigen verbleibende gesetzliche Vertretungsmacht hinsichtlich der Wahrnehmung der Rechte des Nacherben gegenüber dem Nacherbenvollstrecker ausschließen dürfte. Dies gilt auch dann, wenn der Nacherbenvollstrecker durch den Erblasser von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde, da hier die Rolle des gesetzlichen Vertreters als den Nacherben gesetzlich vertretender Kontrollierender, für die selbst das Familien- bzw. Betreuungsgericht nicht wirksam von den zwingenden Beschränkungen der §§ 1795, 1796, 181 BGB befreien könnte,3 und nicht dessen Testamentsvollstreckereigenschaft betroffen ist. Nach h.M. kann im Gegensatz zu einem Mitvorerben4 der alleinige Vor- 141 erbe nicht zum Nacherbentestamentsvollstrecker gem. § 2222 BGB bestellt werden.5 Begründet wird dies – ebenso wie der Ausschluss des Alleinvollerben als Testamentsvollstrecker – mit dem Wesen der Vor- und Nacherbschaft oder der unverzichtbaren Überwachungsverpflichtung des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Vorerben, die bei Personenidentität nicht möglich sei. Ein Alleinerbe könne ohnehin ebenso wie ein an seiner Stelle eingesetzter Erbentestamentsvollstrecker verfügen. Daher sei eine zusätzliche Anordnung der Testamentsvollstreckung wegen vollständiger Übereinstimmung der jeweiligen Rechtsmacht des Erbentestaments-
1 RG v. 8.10.1917 – IV 124/17, RGZ 91, 69 (70 ff.); BayObLG v. 1.6.1989 – BReg.2 Z 119/88, FamRZ 1989, 1123 = NJW-RR 1989, 1096, Erman/Saar, vor §§ 1821, 1822 BGB Rz. 4; Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 19 f. 2 So für den Erben OLG Nürnberg v. 29.6.2001 – 11 UF 1441/01, MDR 2001, 1117 f. = FamRZ 2002, 272 = ZEV 2002, 158 = MittBayNot 2002, 403 f.; BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft); Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 20; aA LG Mannheim v. 31.1.1977 – 4 T 229/76, MDR 1977, 579 = Die Justiz 1977, 135 f.: mangels Einschlägigkeit einer gesetzlichen Ausschließung nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB gerichtliche Entziehung nach §§ 1629 Abs. 2, 1796 BGB nur bei konkreter Gefährdung des Kindesinteresses. 3 So für Erben BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft). 4 BayObLG v. 1.6.1989 – BReg.2 Z 119/88, FamRZ 1989, 1123 = NJW-RR 1989, 1096: Ein Mitvorerbe kann Nacherbenvollstrecker sein. 5 RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177; OLG Zweibrücken v. 30.6.1999 – 3 W 124/99, FamRZ 2000, 323 f. = ZEV 2001, 27. OLG Karlsruhe v. 8.9.1980 – 4 W 57/80, MDR 1981, 943; a.A. Rohlff, DNotZ 1971, 527; Staudinger/Avenarius, § 2100 BGB Rz. 37.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
vollstreckers einerseits und des Erben andererseits gleichsam in „Personalunion“1 überflüssig bzw. eine Beschränkung der Erbenrechte durch dieselbe mit dem Alleinerben identische Person als Erbentestamentsvollstrecker sinnlos.2 Ausnahmsweise kann jedoch der Alleinerbe dann Testamentsvollstrecker sein, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverstößen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann.3 Diese Vorgaben sind bei der letztwilligen Gestaltung zu berücksichtigen, wenngleich ein Wertungswiderspruch darin bestehen könnte, dass der Erblasser auf die Überwachungsverpflichtung verzichten und dem Vorerben durch die Nacherbentestamentsvollstreckung lediglich die Zustimmungsbefugnisse des Nacherben übertragen kann. 142
Will der Erblasser nur den Vorerben vor dem Zugriff seiner Eigengläubiger schützen, genügt die Anordnung der Testamentsvollstreckung nur für die Vorerbschaft. Sollen nur die Befugnisse und Pflichten des Nacherben vor Anfall der Nacherbschaft wahrgenommen werden, ist die Nacherbentestamentsvollstreckung nach § 2222 BGB ausreichend. Soll der Testamentsvollstrecker Befugnisse im gesamten Bereich der angeordneten Vor- und Nacherbschaft haben, sind die Testamentsvollstreckung für die Vorerbschaft, die Testamentsvollstreckung nach § 2222 BGB und die Testamentsvollstreckung für die Nacherbschaft miteinander zu kombinieren. 5. Post- bzw. transmortale Vollmacht des Erblassers
143
Eine post- bzw. transmortale Vollmacht des Erblassers berechtigt trotz eventueller Schwierigkeiten beim Vollmachtswiderruf bis zum Nacherbfall nicht nur zur Vertretung des Vorerben, sondern auch zur Vertretung des Nacherben, ohne den Verfügungsbeschränkungen des Vorerben zu unterliegen.4 Zulasten des Nacherben kann dabei jedoch nicht der alleinige Vorerbe bevollmächtigt werden, da andernfalls die Regelung des § 2136 BGB unterlaufen würde.5
1 Lange, Erbrecht, 2011, Kap. 15, Rz. 30. 2 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f.; ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam; RG v. 15.2.1940 – IV 111/39, RGZ 163, 57 (58); RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 (178). 3 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f.; ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam. 4 KG v. 30.3.1908 – 1 X 93/08, KGJ 36, A 166 (167 f.); OLG Stuttgart v. 30.1.1973 – 8 W 211/72, OLGZ 1973, 262 = DNotZ 1974, 365 (367); MünchKomm.BGB/Schramm, § 168 BGB Rz. 33; Keim, DNotZ 2008, 175 (178 ff.); Palandt/Weidlich, § 2112 BGB Rz. 4; aA MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2112 BGB Rz. 8; Staudinger/Avenarius, § 2112 BGB Rz. 34. 5 KG v. 13.5.1912 – 1 X 149/12, KGJ 43, A 157 (160 f.); NK-BGB/Gierl, § 2123 BGB Rz. 8; MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2112 BGB Rz. 10 aA Palandt/Weidlich, § 2112 BGB Rz. 4; Zimmer, ZEV 2014, 526 (530); Keim, DNotZ 2008, 175 (181 f.): ausnahmsweise auch der Vorerbe bis zur endgültigen Klärung der Erbenstellung.
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
VI. Störfaktoren, Fehlerquellen 1. Konstruktive Vor- und Nacherbfolge Nicht selten gehen Erblasserwünsche dahin, dass ein Erbe dann nicht 144 mehr Erbe sein soll, wenn er eine vom Erblasser nicht gewünschte Handlung vornimmt, etwa das ererbte Familienheim veräußert oder sich als überlebender Ehegatte wieder verheiratet. Derartige Verwirkungsklauseln in der Form der auflösend bedingten Erbeinsetzung führen als „konstruktive Nacherbfolge“ zwingend dazu, dass der Erbe von Anfang an nur Vorerbe ist und lebenslang den Verfügungsbeschränkungen eines Vorerben unterliegt,1 auch wenn er nicht daran denkt, das Haus zu veräußern oder sich wieder zu verheiraten. Dies gilt auch, wenn sich der Erblasser nicht bewusst ist, dass er den Erben insoweit einschränkt. Der Vertragsjurist als Testamentsgestalter muss in jedem Fall vermeiden, durch eine derartige Gestaltung die Vor- und Nacherbfolge gewissermaßen durch die Hintertür einzuführen. Besser ist regelmäßig ein bedingtes Herausgabe- oder Geldvermächtnis. Bei der Wiederverheiratungsklausel im Berliner Testament, so man sie überhaupt will, sollte man zB nicht die Gestaltung wählen, dass die Kinder bei Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten Miterben zu ihren gesetzlichen Erbteilen werden, sondern den Kindern für diesen Fall Vermächtnisse in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile auswerfen. 2. Veräußerung und Vererbung der Nacherbenanwartschaft a) Veräußerung Zwischen dem Tod des Erblassers und dem Eintritt der Nacherbfolge hat 145 der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht.2 Dieses Anwartschaftsrecht ist übertragbar, nach §§ 1273 ff. BGB verpfändbar und nach § 857 Abs. 1 ZPO pfändbar. Die – ganze oder teilweise – Übertragung erfolgt in entsprechender Anwendung von § 2033 BGB in notarieller Urkunde; das Kausalgeschäft ist nach §§ 2371, 2385 BGB analog formbedürftig. Mit der Übertragung tritt der Erwerber in die Rechtsstellung des Nacherben ein. Mit dem Eintritt des Nacherbfalls erwirbt er die Erbschaft ohne weitere Zwischenakte und ohne Durchgangserwerb des Veräußerers.3 Soweit nicht ein einzelner Nachlassgegenstand, sondern der vollständige 146 Nachlass unter Aufgabe sämtlicher Nacherbenrechte in das freie Vermögen des Vorerben übergehen soll, ist eine Gesamtübertragung entsprechend § 2033 BGB erforderlich. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass eine derartige Gesamtübertragung Ersatznacherben gegenüber nur wirksam ist, wenn diese der Übertragung zugestimmt haben.
1 Vgl. insbes. Wilhelm, NJW 1990, 2857. 2 BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367 = MDR 1983, 839 = FamRZ 1983, 809 = FamRZ 1983, 882. 3 Palandt/Weidlich, § 2108 BGB Rz. 10.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
147
Bei der Ausgangsfrage, ob überhaupt eine Ersatznacherbfolge angeordnet ist, sind wiederum die Grundsätze über die ergänzende Testamentsauslegung nach dem Rechtsgedanken des § 2069 BGB zu beachten. Da zum Zeitpunkt der Übertragung nicht feststeht, wer als Ersatznacherbe beim Eintritt des Nacherbfalles berufen wäre und daher seine Zustimmungserklärung abzugeben hätte, müsste für die noch unbekannten Ersatznacherben gem. § 1913 BGB ein Pfleger bestellt werden, dessen Erklärungen wiederum gem. § 1822 Nr. 1 BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedürfen. Eine Genehmigung wäre wiederum nur dann zu erlangen, wenn sichergestellt ist, dass die letztlich berufenen Nacherben eine vollentgeltliche Gegenleistung erhalten. Konsequenterweise müsste das Betreuungsgericht in derartigen Fällen darauf bestehen, dass der durch Sachverständigengutachten zur ermittelnde volle Gegenwert des Nachlasses bis zum Eintritt des angeordneten Nacherbfalls (in der Regel somit bis zum Tod des Vorerben) auf einem Treuhandkonto sicher hinterlegt wird. Derartige Abwicklungen erscheinen bereits aus praktischen Gründen nicht empfehlenswert. Umgekehrt dürfte es auch nicht vertretbar sein, eine Übertragung der Nacherbenanwartschaftsrechte ohne Zustimmung der Ersatznacherben vorzunehmen, da dann unklar bliebe, ob eventuell bei Eintritt desjenigen Ereignisses, das den Nacherbfall auslösen würde, Ersatznacherben berufen wären, denen gegenüber das Rechtsgeschäft unwirksam wäre.
148
In der Regel kommt daher eine Übertragung der Gesamtheit der Nacherbenrechte auf den Vorerben nur in solchen Fällen in Betracht, in denen die Einsetzung von Ersatznacherben sicher ausgeschlossen ist. Dies ist insbesondere bei einem letztwillig ausdrücklich angeordneten Wegfall der Einsetzung von Ersatznacherben bei einer Übertragung der Nacherbenrechte an den Vorerben der Fall.
M 88
bertragung der Gesamtheit der Nacherbenrechte durch den Nacherben an den Vorerben
(Form: notarielle Beurkundung) Die Urkunde betrifft den Nachlass des am . . . (Sterbedatum) verstorbenen Herrn . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), zuletzt wohnhaft gewesen . . . (letzte Wohnanschrift). Dieser wurde auf Grund notariellen Erbvertrages vom . . . (Errichtungsdatum), UR . . . (Urkundenrollennummer), erçffnet durch das Notariat/Amtsgericht – Nachlassgericht – . . . (Gerichtsort) am . . . (Erçffnungsdatum) auf den Tod des . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) erçffnet. Nach diesem Erbvertrag ist die Witwe des Erblassers als befreite Vorerbin eingesetzt. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod der Vorerbin ein. Nacherbe ist das alleinige gemeinsame Kind . . . (Vor- und Nachname), Ersatznacherben sind deren Abkçmmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung. Die Nacherbanwartschaft ist nicht vererblich oder verußerlich, wobei
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
eine Verußerung an den Vorerben zulssig ist und dann jegliche ausdrckliche oder stillschweigende Ersatznacherbeinsetzung gegenstandslos wird. Frau . . . (Vor- und Nachname der Nacherbin) bertrgt hiermit ihre Nacherbanwartschaftsrechte am gesamten Nachlass des Erblassers an ihre dies annehmende Mutter . . . (Vor- und Nachname der Vorerbin). Eine Gegenleistung ist hierfr nicht geschuldet. In Vollzug dieser Regelung tritt Frau . . . (Vor- und Nachname der Nacherbin) hiermit ihr Nacherbenanwartschaftsrecht am Nachlass des Herrn . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) an ihre Mutter Frau . . . (Vor- und Nachname der Vorerbin) ab. Frau . . . (Vor- und Nachname der Vorerbin) nimmt diese Abtretung hiermit an. Zugleich wird hiermit die Lçschung des Nacherbenvermerkes im Grundbuch bewilligt und beantragt.
In der Praxis besteht häufig ein Bedürfnis dafür, von Nacherbenanwart- 149 schaftsrechten belasteten Grundbesitz des Vorerben gegenständlich beschränkt in dessen von den Rechten der Nacherben freies Vermögen zu überführen. Dies gilt umso mehr, als eine Übertragung der gesamten Nacherbenanwartschaften in der Regel daran scheitert, dass – zumindest im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung – Ersatznacherben eingesetzt sind und deren Zustimmung ohne Mitwirkung eines dafür gesondert zu bestellenden Pflegers und ohne betreuungsgerichtliche Genehmigung zu diesem Vertrag nicht realisierbar ist. Zur Befreiung eines einzelnen Nachlassgegenstandes aus der Nacherben- 150 bindung wurde zunächst vorgeschlagen, den Grundbesitz in einem ersten Schritt durch Übertragung vom Vor- auf den Nacherben aus dem Nachlass vollständig auszuscheiden und ihn sodann vom Nacherben an den Vorerben zurückzuübertragen, da Veräußerungen unter Beteiligung des Nacherben auch ohne Zustimmung des Ersatznacherben wirksam sind.1 Eine derartige Konstruktion zog jedoch sowohl für den Erwerb des Nacherben vom Vorerben als auch für den Rückerwerb des Vorerben vom Nacherben erhebliche Steuerrisiken nach sich. Deshalb und zur Vereinfachung der Abwicklung wurde weiter vorgeschla- 151 gen, die gegenstandsbezogene Freistellung aus der Nacherbenbindung ohne Erfüllungshandlung ausschließlich durch einseitige Zustimmungserklärung des Nacherben wiederum ohne Mitwirkung des Ersatznacherben zuzulassen.2 Zwischenzeitlich ist durch das Bayerische Oberste Landesgericht am 152 1.3.2005 auf der Grundlage entsprechender zuvor durch den BGH obiter dictum getroffener Feststellungen3 entschieden worden, dass Vor- und
1 Maurer, DNotZ 1981, 223 (229 ff.). 2 Keim, DNotZ 2003, 822 (829). 3 BGH v. 13.10.2000 – V ZR 451/98, MDR 2001, 157 = FamRZ 2001, 220 f. = RNotZ 2001, 166 (167) = ZEV 2001, 19 f.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Nacherben ohne Zustimmung des Ersatznacherben ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück durch auseinandersetzungsähnliche Ausscheidungsvereinbarung auf den Vorerben zu Alleineigentum mit der Folge übertragen können, dass das Grundstück aus dem Nachlass ausscheidet, damit von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfasst wird und das Grundbuch nach § 22 GBO ohne Bewilligung von Ersatznacherben berichtigt werden kann.1 Soweit Nachnacherben vorhanden sind, ist jedoch deren Zustimmung erforderlich.2
M 89
Ausscheidungsvereinbarung ber Grundbesitz aus der Nacherbenbindung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Alleinvorerbe und smtliche Nacherben sind sich darber einig, dass der oben genannte zum Nachlassvermçgen gehçrige Grundbesitz nunmehr aus der Nacherbenbindung ausscheidet und in das nacherbenfreie Volleigentum des Vorerben eintritt. . . . (Vereinbarung eventueller Gegenleistungen bzw. Klarstellung, dass keine Gegenleistung geschuldet ist) Die Beteiligten sind sich ber die vorstehenden Rechtsnderungen in Form der Eigentumsbertragung durch Herauslçsung des Gegenstandes aus der Vorerbschaft einig. Sie bewilligen und beantragen den Vollzug im Grundbuch samt Lçschung des Nach- und Ersatznacherbenvermerks im Grundbuch.
153
Die Möglichkeit der Veräußerung, Pfändung und Verpfändung widerspricht regelmäßig dem Erblasserwillen. Der Erblasser will vor Eintritt des Nacherbfalls kein verkehrsfähiges Nacherbenanwartschaftsrecht. Vor dem (Vor-) Erbfall ist die Anwartschaftsrechtsübertragung nach § 311b Abs. 5 BGB ausgeschlossen.3 Ob der Erblasser die Übertragbarkeit testamentarisch ausschließen kann, ist streitig und wird zurecht überwiegend bejaht4 Der Testamentsgestalter sollte den Ausschluss der Übertragbarkeit zusätzlich durch eine auflösende Bedingung absichern.
1 BayObLG v. 1.3.2005 – 2Z 231/04, FamRZ 2005, 1862 = DNotZ 2005, 790 = NJW-RR 2005, 956 = RNotZ 2005, 366 (367) mit Anm. Keim, RNotZ 2005, 368 f. 2 Heskamp, RNotZ 2014, 517 (520). 3 Palandt/Weidlich, § 2100 BGB Rz. 13. 4 Dafür RG v. 13.11.1942 – VII 60/42, RGZ 170, 163 (168); Erman/Schmidt, § 2100 BGB Rz. 11; Soergel/Harder, § 2108 BGB Rz. 12; MünchKomm.BGB/Grunsky, § 2100 BGB Rz. 34; Palandt/Weidlich, § 2100 BGB Rz. 13; Heskamp, RNotZ 2014, 517, aA Staudinger/Avenarius, § 2100 BGB Rz. 76 u. § 2108 BGB Rz. 9; Mezger, AcP 152 (1952), 382.
332
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
M 90
Unverußerlichkeit der Nacherbenanwartschaft
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Nacherbenanwartschaft ist unverußerlich. In jedem Fall ist die Einsetzung als Nacherbe auflçsend bedingt durch die Verußerung, Verpfndung oder Pfndung der Nacherbenanwartschaft. Ersatzerbe wird bei Eintritt der auflçsenden Bedingung . . .
Durch die auflösende Bedingung entfällt die Nacherbschaft. Die Übertra- 154 gung der Nacherbenanwartschaft auf den Vorerben kann man hiervon ausnehmen:
M 91
bertrabarkeit der Nacherbenanwartschaft auf den Vorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Nacherbe kann seine Anwartschaft auf den Vorerben bertragen. Die Einsetzung von Ersatzerben ist hierdurch auflçsend bedingt.
Unabhängig hiervon kann man den Nacherben nicht hindern, schon beim 155 Tod des Erblassers die Erbschaft auszuschlagen, § 2141 BGB. b) Vererbung Zu Auslegungsschwierigkeiten kann der Fall führen, dass der Nacherbe 156 nach dem Tod des Erblassers, jedoch vor dem Eintritt des Nacherbfalles seinerseits verstirbt. Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB geht das Recht des Nacherben in diesem Fall auf seine Erben über, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist. Im Zweifel ist also das Anwartschaftsrecht des Nacherben vererblich, und zwar sowohl hinsichtlich der gesetzlichen als auch der testamentarisch eingesetzten Erben des Nacherben. Auf dem Weg der testamentarischen Erbfolge nach dem Nacherben kann also auch eine familienfremde Person Nacherbe werden. Dies wird vom Erblasser regelmäßig nicht gewollt sein. Beispiel: Der Erblasser hat seine Ehefrau als Vorerbin, seinen Sohn als Nacherben auf deren Tod eingesetzt. Es verstirbt zunächst der Erblasser, dann der Sohn und dann die Ehefrau. Nach § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB wäre dann zunächst davon auszugehen, dass auf den Tod der Ehefrau die Erben des vorverstorbenen Sohnes Nacherben werden. Der Sohn hatte testamentarisch seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Diese würde damit Nacherbin nach dem Tod des Erblassers, wobei die Enkel des Erblassers leer ausgingen und das Familiengut aus der Familie des Erblassers vorläufig oder dauernd auszuscheiden droht.
333
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
157
Es ist Aufgabe sorgfältiger Testamentsgestaltung, hier Regelungen zu treffen, die die gesetzliche Auslegungsregel des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB ausdrücklich entkräften. Hierzu genügt im Zweifel die Einsetzung eines Ersatznacherben.1 Angesichts bestehender Streitfragen2 sollte der Erblasser die Vererblichkeit ausdrücklich ausschließen. Der Erblasser sollte also ausdrücklich bestimmen, dass beim Tod des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalles die Anwartschaft nicht auf dessen Erben übergehen soll, sondern an die Stelle des Nacherben ein Ersatznacherbe tritt.
M 92
Nichtvererblichkeit der Nacherbenanwartschaft
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Nacherbenanwartschaft ist unvererblich, sie geht beim Tod des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls nicht auf die Erben des Nacherben ber. Vielmehr tritt als Ersatznacherbe . . . an die Stelle des verstorbenen Vorerben.
3. Verhältnis Ersatzerbenbestimmung – § 2069 BGB – § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB 158
Eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts3 hat den Blick auf ein juristisches „Bermuda-Dreieck“ gelenkt, in dem unter der Fahne des vorgeblichen Erblasserwillens das Schiff der Testamentsgestaltung versinken kann.4
159
Die Eckpunkte des Dreiecks sind – die Einsetzung eines Ersatznacherben nach §§ 2096, 2100 BGB, – die Auslegungsregel des § 2069 BGB, nach der im Zweifel an die Stelle eines bedachten Abkömmlings dessen Abkömmlinge treten, – die Vorschrift des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB, nach der die Nacherbenanwartschaft im Zweifel auf die Erben des vor Eintritt des Nacherbfalls versterbenden Nacherben übergeht.
160
Im Fall des BayObLG hatte die Erblasserin einen Sohn zum Vorerben und vier andere Kinder zu Nacherben eingesetzt. In ihrem notariellen Testament ordnete sie an, dass Ersatznacherben die „übrigen Nacherben zu glei-
1 Palandt/Weidlich, § 2108 BGB Rz. 6. 2 Vgl. BayObLG v. 30.9.1993 – 1Z BR 9/93, FamRZ 1994, 783 = BayObLGZ 1993, 334 = ZEV 1995, 25; dazu Musielak, ZEV 1995, 5 und J. Mayer, MittBayNot 1994, 111. 3 BayObLG v. 30.9.1993 – 1Z BR 9/93, FamRZ 1994, 783 = BayObLGZ 1993, 334 = NJWRR 1994, 460 = MittBayNot 1994, 149; zustimmend Palandt/Weidlich, § 2096 BGB Rz. 2; aA J. Mayer, MittBayNot 1994, 111. 4 Vgl. die Anm. von J. Mayer, MittBayNot 1994, 111 und Musielak, ZEV 1995, 5; Lange/ Kuchinke, § 27 VI 2; vgl. auch OLG Karlsruhe v. 12.4.1999 – 11 Wx 12/98, FamRZ 2000, 63 = FGPrax 1999, 155; BayObLG v. 19.1.2001 – 1Z BR 176/99, FamRZ 2001, 1561 = ZEV 2001, 440.
334
B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
chen Teilen“ sein sollten. Dies geschah, obwohl bereits zwei der Nacherben eigene Kinder hatten. Da das Testament von einem Notar fachmännisch formuliert wurde, konnte angesichts seines klaren Wortlauts eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass infolge der Ersatznacherbenbestimmung weder die Abkömmlinge des vorverstorbenen Nacherben noch dessen Erben zum Zuge kamen. Dennoch betont das BayObLG die Notwendigkeit der Ermittlung des wirklichen Erblasserwillens unter Berücksichtigung aller drei Alternativen und findet hierfür Zustimmung.1 Unter der Annahme, dass die vor dem Erblasser verstorbene Vorerbin ei- 161 nen Ehemann, ein Kind und kein Testament hinterlässt, wäre die Erbfolge jeweils unterschiedlich, denn – bei Maßgeblichkeit der angeordneten Ersatznacherbfolge würden ihre Geschwister, die übrigen Nacherben, an ihre Stelle treten, – bei Anwendung des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB würde ihre Nacherbenanwartschaft auf ihre gesetzlichen Erben Mann und Kind übergehen. Angesichts der überraschenden2 Infragestellung des eindeutigen Testa- 162 mentswortlauts durch das BayObLG und die ihm folgenden Meinungen besteht zusätzlicher Regelungsbedarf.3 Die Formulierung der letztwilligen Verfügung muss klarstellen, dass der Erblasser weder die Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln noch die Vererbung der Nacherbenanwartschaft wünscht.
M 93
Ersatznacherben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu Ersatznacherben werden bestimmt . . . Etwa hiervon abweichende gesetzliche oder sonstige Auslegungsregeln sollen nicht zur Anwendung kommen. Die Ersatzerbenbestimmung schließt die Vererbung der Nacherbenanwartschaft aus.
Ergänzend sollte ein entsprechender Belehrungsvermerk aufgenommen 163 werden.
1 Lange/Kuchinke, § 27 VI, 2; Palandt/Weidlich, § 2096 BGB Rz. 2; Musielak, ZEV 1995, 5 (6): „Welche Meinung der beurkundende Notar mit den testamentarischen Bestimmungen selber verbindet, ist für den Willen des Erblassers und für die Auslegung des Testaments nicht maßgebend“. 2 So mit Recht Nieder, ZEV 1996, 241. 3 J. Mayer, MittBayNot 1994, 111.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 94
Ersatznacherben-Belehrung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mit dem Erschienenen wurde die Auslegungsregel des § 2069 BGB und die Vererbungsregel des § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB erçrtert. Der Erschienene erklrt hierzu, nicht zu wnschen, dass an die Stelle eines Nacherben dessen Abkçmmlinge treten, ebenso nicht, dass an die Stelle eines Nacherben dessen testamentarische oder gesetzliche Erben treten.
VII. Fallgruppen und Alternativen der Vor- und Nacherbschaft 1. Fallgruppen 164
Im Bereich des Ehegattentestaments ist die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft insbesondere bei folgenden Fallgruppen empfehlenswert:
165
Erst kurz verheiratete junge Eheleute mit größerem ererbten oder in vorweggenommener Erbfolge erworbenen Vermögen eines oder beider Gatten wollen zumindest für die nächsten Jahre vermeiden, dass dieses Vermögen bei vorzeitigem Versterben auf den Ehegatten übergeht. Hier empfiehlt sich als Übergangslösung die Einsetzung des Ehegatten lediglich zum nicht befreiten Vorerben und die Einsetzung der Verwandten zu Nacherben, wobei die Vorerbschaft befristet oder durch Wiederverheiratung auflösend bedingt sein kann. Nachlassgegenstände, die der Ehegatte zur freien Verfügung erhalten soll, können ihm durch Vorausvermächtnis zugewendet werden.
166
Eine weitere Fallgruppe im Ehegattenbereich wird durch das Vorhandensein einseitiger Kinder eines Ehegatten bestimmt, die durch die Einsetzung des betreffenden Ehegatten lediglich zum Vorerben erb- und pflichtteilsmäßig vom Vermögen des anderen ferngehalten werden.
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Ein weiterer Gestaltungstyp ist das Geschiedenentestament, bei dem durch Anordnung von Nacherbfolge vermieden wird, dass der geschiedene Ehegatte über das gemeinsame Kind erb- und pflichtteilsberechtigt werden kann, vgl. 6. Kap. Rz. 24 ff.
168
Beim sog. Behindertentestament wird die Vor- und Nacherbfolge verbunden mit Testamentsvollstreckung dazu eingesetzt, den Zugriff der Sozialbehörde auf das ererbte Vermögen eines behinderten Kindes zu verhindern, vgl. 6. Kap. Rz. 81 ff.
169
Entsprechende Zielrichtung hat die Einsetzung des verschwenderischen oder überschuldeten Kindes lediglich zum Vorerben, vgl. 6. Kap. Rz. 160 ff.
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B. Die Vor- und Nacherbschaft als Instrument der Zukunftsbindung des Nachlasses
2. Alternativen Mit der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sollte vorsichtig und zö- 170 gerlich umgegangen werden. Sie ist kompliziert und für die Beteiligten schwer handhabbar. Sofern eine grundsätzlich gleichwertige Gestaltungsalternative besteht, sollte dieser der Vorzug gegeben werden. Solche Alternativen sind Nutzungsvermächtnisse wie das Nießbrauchsvermächtnis (Rz. 188 ff.)1 oder das Rentenvermächtnis (Rz. 223 ff.), mit Einschränkung auch das Vor- und Nachvermächtnis (Rz. 255 ff.). 3. Das Nießbrauchsvermächtnis als Gestaltungsalternative Eine Gestaltungsalternative zur Anordnung von Vor- und Nacherbschaft 171 ist das Nießbrauchsvermächtnis. Die Alternative ist nicht gleichwertig, grundsätzlich hat der Vorerbe eine stärkere Stellung als der Nießbraucher. Der Vorerbe wird im Wege der Universalsukzession unmittelbarer und alleiniger Rechtsnachfolger des Erblassers und damit – wenn auch auf Zeit – Eigentümer und Inhaber aller Nachlassgegenstände. Der Nießbraucher hat lediglich einen Anspruch auf Erwerb seiner Befugnisse, der sich gegen den Erben als vollen Rechtsnachfolger des Erblassers richtet. Der Vorerbe ist grundsätzlich verfügungsbefugt, auch wenn er von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen nicht befreit wird. Der Nießbraucher hat als solcher hingegen keinerlei Verfügungsbefugnisse. Er kann, was nur im Ausnahmefall in Betracht kommt, als ernannter Testamentsvollstrecker Verfügungsbefugnisse erhalten. Gemeinsam ist dem Vorerben und dem Nießbraucher die wirtschaftliche Stellung eines Nutzungsberechtigten auf Zeit ohne die Möglichkeit, die Nachlasssubstanz als eigenes Vermögen vererben zu können. Bei der Wahl zwischen beiden Gestaltungen spielen auch steuerliche Fol- 172 gen eine Rolle (vgl. Rz. 76 f.). Zu warnen ist wie immer2 aber davor, zivilrechtliche und sonstige Gesichtspunkte zugunsten steuerlicher Aspekte zu vernachlässigen oder hintanzustellen. So ist der Nießbraucher im Vergleich zum Vorerben immer ein Nachlassbedachter minderer Stellung, was von den Beteiligten regelmäßig auch so empfunden wird. Bei sorgfältiger Gestaltung kann je nach Fallgruppe das Nießbrauchsvermächtnis, verbunden mit weiteren Befugnissen wie Vollmachten oder der Testamentsvollstreckung, der Vorerbenberufung grundsätzlich gleichwertig sein.
1 Vgl. auch Schlieper, Vor- und Nacherbschaft oder Nießbrauchsvermächtnis – Zur zweckmäßigen Gestaltung der Verfügung von Todes wegen, MittRhNotK 1995, 249. 2 Vgl. Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 234 ff.
337
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
C. Das Vermächtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstände I. Gesetzliche Grundlagen 1. Das Vermächtnis als Leistungsanspruch 173
Nach § 1939 BGB kann der Erblasser durch Testament einem Anderen, ohne ihn als Erbe einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden. Ein solches Vermächtnis1 begründet für den Bedachten das Recht, von dem Beschwerten – regelmäßig dem Erben, vereinzelt einem anderen Vermächtnisnehmer – die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern, § 2174 BGB. Der Bedachte erhält also lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb des vermachten Gegenstandes, er erwirbt diesen Gegenstand nicht unmittelbar mit dem Erbfall, ausgenommen der Alleinvorerbe als Vorausvermächtnisnehmer nach § 2110 Abs. 2 BGB. Er wird nicht Erbe oder Miterbe und wird im Erbschein nicht aufgeführt. Der schuldrechtliche Vermächtnisanspruch muss dinglich erfüllt werden. Inhalt und Form der Vermächtniserfüllung richten sich nach dem Gegenstand des Vermächtnisses. So müssen bewegliche Sachen durch Einigung und Übergabe übereignet werden, Forderungen müssen abgetreten werden, Grundstücke bei gleichzeitiger Anwesenheit von Erben und Vermächtnisnehmer vor dem Notar aufgelassen werden, wobei das Eigentum dann mit Umschreibung im Grundbuch auf den Vermächtnisnehmer übergeht, §§ 873, 925 BGB.
174
Zwischen der Rechtsstellung des Erben und der des Vermächtnisnehmers besteht also durchaus ein Qualitätsunterschied. Der Erbe erwirbt den gesamten Nachlass gem. § 1942 Abs. 1 BGB durch Vonselbsterwerb. Der Vermächtnisnehmer erwirbt lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb eines einzelnen Nachlassgegenstandes. Hieraus folgt für die Testamentsgestaltung, dass das Vermächtnis grundsätzlich das Instrument zur Zuwendung einzelner Gegenstände verkörpert und der Vermächtnisnehmer grundsätzlich ein Nachlassbeteiligter minderen Rechts ist, ein außenstehender Nachlassgläubiger. Sachgerechte Testamentsgestaltung kann es erforderlich machen, gleichrangige Bedachte aus Gründen der Zweckmäßigkeit verschieden zu behandeln, indem die einen Erben, die anderen Vermächtnisnehmer werden. Dann sollte aber die Rechtsposition der Vermächtnisnehmer möglichst verstärkt werden, etwa indem sie zur Vermächtniserfüllung bevollmächtigt werden oder insofern zum Testamentsvollstrecker eingesetzt werden, vgl. Rz. 336. 2. Mögliche Vermächtnisgegenstände
175
Gegenstand des Vermächtnisses kann alles sein, was dem Bedachten einen Vermögensvorteil bringt. Eine direkte Vermögensmehrung braucht 1 Zawar, Das Vermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 1983; Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007; Sarres, Vermächtnis, 2009.
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
nicht einzutreten, es genügt eine begünstigende Auswirkung im Vermögensbereich. Der Vermögensvorteil muss Gegenstand eines Anspruchs sein können. Hierunter fallen Ansprüche auf Übereignung oder Nutzung von Sachen, auf Bestellung oder Abtretung von Rechten, auf Übertragung von Sachgesamtheiten wie etwa eines Unternehmens, auf Leistung von Diensten, auf Unterlassung beeinträchtigender Handlungen, auf Befreiung von einer Verbindlichkeit, auf Stundung, auf Sicherheitsleistung, auf die Nichtausübung von Gestaltungsrechten und auf andere Begünstigungen mit Vermögensrelevanz im weitesten Sinne. Die Palette der möglichen Vermächtnisgegenstände ist also weit.1 Obwohl § 29 Abs. 1 Halbs. 1 UrhG als Verfügungsbeschränkung eine urheberrechtliche Einzelrechtsnachfolge im Grundsatz verbietet, ist nach § 29 Abs. 1 Halbs. 2 UrhG die Übertragung eines Urheberrechts in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen, somit neben einer Erbeinsetzung insbesondere durch Vermächtnis, oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung zulässig.2 Das Vermächtnis eines bestimmten Gegenstandes ist nach § 2169 Abs. 1 176 BGB unwirksam, wenn sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Nachlass befindet. Sollten auch Surrogate vermacht sein, so ist dies ausdrücklich zu bestimmen, auf die Sondervorschriften des § 2169 Abs. 2 bis 4 BGB sollte man es nicht ankommen lassen. Eine ausdrücklich anzuordnende Gestaltung ist das Verschaffungsvermächtnis des § 2170 BGB. 3. Dreiecksverhältnis Erbe – Vermächtnisnehmer – Pflichtteilsberechtigter Wenn neben Erben und Vermächtnisnehmern noch enterbte Pflichtteils- 177 berechtigte vorhanden sind, ist § 2318 BGB zu beachten. Hat z.B. der Erblasser drei Söhne und soll der Sohn S1 das Haus, der Sohn S2 das Geldvermögen und der Sohn S3 nichts erhalten, so bieten sich zwei Gestaltungsvarianten an. Entweder werden S1 und S2 Miterben und im Wege der Teilungsanordnung verpflichtet. Dann schulden beide dem S3 den Pflichtteil. Wird, was wegen der Grundbuchberichtigung zweckmäßig ist, S1 Alleinerbe und erhält S2 das Geldvermögen als Vermächtnis, so schuldet nur S1 dem S3 den Pflichtteil, kann aber von S2 nach § 2318 Abs. 1 BGB die anteilige Tragung der Pflichtteilslast verlangen. Soll nur der Erbe die Pflichtteilslast tragen, so hat der Erblasser dies in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich zu bestimmen. 4. Beschwerter und Bedachter Mit dem Vermächtnis ist im Zweifel der Erbe beschwert, § 2147 Satz 2 178 BGB. Es kann aber auch der Ersatzerbe, der Nacherbe und ein Vermächt1 Vgl. BGH v. 27.6.2001 – IV ZR 120/00, MDR 2001, 1296 = FamRZ 2001, 1297 = DNotZ 2001, 805 zum Ankaufsrechtsvermächtnis. 2 Gloser, DNotZ 2013, 497 (499).
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
nisnehmer beschwert werden. Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner für die Vermächtniserfüllung, im Innenverhältnis sind sie im Zweifel im Verhältnis ihrer Erbquoten beschwert, §§ 2058, 2148 BGB. Wie bei der Erbeinsetzung muss die letztwillige Verfügung auch beim Vermächtnis klarstellen, ob beim Wegfall des Bedachten das Vermächtnis entfällt oder ob und welche Ersatzvermächtnisnehmer berufen sind, §§ 2160, 2190 BGB. 5. Anfall und Fälligkeit 179
Zu unterscheiden ist zwischen dem Anfall und der Fälligkeit des Vermächtnisses. Mit dem Anfall entsteht der Vermächtnisanspruch. Frühester Zeitpunkt für den Anfall ist der Erbfall, § 2176 BGB. Es kann bestimmt werden, dass das Vermächtnis erst zu einem späteren Zeitpunkt oder Ereignis anfällt, § 2177 BGB.
180
Fälligkeit bedeutet den Zeitpunkt, zu dem das angefallene Vermächtnis zu erfüllen ist. Im Regelfall wird das Vermächtnis mit dem Anfall fällig, §§ 271, 2181 BGB. Der Erblasser kann bestimmen, dass die Fälligkeit erst später eintritt. Von dieser Möglichkeit macht man etwa im Rahmen von Pflichtteilsstrafklauseln Gebrauch, vgl. 5. Kap. Rz. 137 ff.1 Soweit letztwillig nichts Anderes geregelt ist, wird das Vermächtnis nach § 271 Abs. 1 BGB sofort mit dem Erbfall fällig und ist das sofortige Erfüllungsverlangen des Vermächtnisnehmers nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen treuwidrig, zu denen der bloße Umstand einer Testamentsvollstreckungsanordnung nicht gehört.2
181
Beim Grundstücksvermächtnis interessiert die Möglichkeit der Eintragung einer Vormerkung nach § 883 BGB im Grundbuch. Vor dem Erbfall hat der Vermächtnisnehmer lediglich eine Hoffnung, aber keine Anwartschaft auf den Erwerb des Grundstücks. Zu Lebzeiten des Erblassers kann der künftige Vermächtnisanspruch deshalb nicht durch Vormerkung abgesichert werden.3 Ab dem Erbfall ist die Sicherung möglich. Das angefallene Vermächtnis ist ein Anspruch i.S.d. § 883 Abs. 1 Satz 1 BGB, das aufschiebend bedingte Vermächtnis ein bedingter Anspruch i.S.v. § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Bestellung der Sicherheit kann vom Vermächtnisnehmer aber nur verlangt werden, wenn der Erblasser dies als zusätzlichen Vermächtnisbestandteil bestimmt hat.4 Sonst kann Antrag auf einstweilige Verfügung zur Eintragung einer Vormerkung gestellt werden.5
1 Verbesserte Jastrow’sche Klausel. 2 LG Oldenburg v. 15.12.2009 – 17 S 670/09, ZErb 2010, 152 f.; Palandt/Weidlich, § 2174 BGB Rz. 3. 3 BGH v. 19.1.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 (117) = NJW 1954, 633. 4 BayObLG v. 22.12.1980 – 2 Z 62/80, Rpfleger 1981, 190 = MittBayNot 1981, 72. 5 Staudinger/Otte, § 2179 BGB Rz. 12.
340
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
6. Annahme und Ausschlagung Der Bedachte kann ab dem Erbfall das Vermächtnis durch formlose Erklä- 182 rung gegenüber dem Beschwerten annehmen oder ausschlagen, §§ 2176, 2180 BGB. Beide Erklärungen sind bedingungs- und befristungsfeindlich, nach der Annahme ist die Ausschlagung nicht mehr möglich. Annahme und Ausschlagung sind unwiderruflich, aber gegebenenfalls wegen Willensmängeln anfechtbar. Fristen bestehen nicht. Der Vermächtnisanspruch verjährte nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. in 30 Jahren nach Fälligkeit. Aufgrund der Erbrechtsreform gilt nach Art. 229 § 23 EGBGB1 nunmehr auch für alle am 31.12.2009 noch nicht verjährten erbrechtlichen Ansprüche aufgrund der Aufhebung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, die gem. § 199 BGB mit dem Schluss desjenigen Jahres beginnt, in dem der Gläubiger von seinem Anspruch Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Anderenfalls tritt Verjährung spätestens dreißig Jahre nach Anspruchsentstehung ein. Dies gilt, soweit nicht ausdrücklich etwas Anderes bestimmt ist (dies ist unverändert nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dreißigjähriger Verjährungsfrist für Herausgabeansprüche nach §§ 2018, 2130 und 2362 BGB bzw. nach §§ 2287 Abs. 2, 2332 Abs. 1 BGB mit starrer dreijähriger Verjährungsfrist für Ansprüche nach §§ 2287 Abs. 1, 2329 BGB der Fall). Zu faktischen Verjährungsfristverlängerungen kann es dadurch kommen, dass nach § 207 Abs. 1 Satz 2 BGB die Verjährung von Ansprüchen zwischen einem Kind und seinen Eltern bzw. dem Ehegatten oder Lebenspartner eines Elternteils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes gehemmt ist. Nach Art. 229 § 23 Abs. 2 EGBGB beginnt die Frist dabei in Übergangsfällen jedoch nicht vor dem 1.1.2010. Bei auf Grundbesitzübertragung gerichteten Vermächtnissen gilt nach § 196 BGB ausnahmsweise statt der dreijährigen die zehnjährige Verjährungsfrist. Angesichts des Risikos einer gerade durch juristische Laien oftmals vergessenen Vermächtniserfüllung empfiehlt sich die Anordnung einer Verjährungsfristverlängerung durch Verfügung von Todes wegen nach § 202 Abs. 2 BGB.2
M 95
Flligkeit und Verjhrung eines Vermchtnisses
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich bestimme hiermit, dass dieses Vermchtnis sechs Monate nach der nachlassgerichtlichen Veranlassung der Bekanntgabe dieser Verfgung an den Beschwerten iSd. § 348 FamFG, sptestens jedoch ein Jahr nach meinem Tod fllig ist und erst dreißig Jahre nach meinem Tod verjhrt.
1 Gesetz v. 24.9.2009, BGBl. I 2009, 3142. 2 Odersky, notar 2009, 362 (365 f.); zur Zulässigkeit bei Vermächtnisanordnungen Erman/Schmidt-Räntsch, § 202 BGB Rz. 2.
341
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
7. Kosten der Vermächtniserfüllung 183
Die Kosten der Vermächtniserfüllung trägt nach der Rechtsprechung grundsätzlich der Beschwerte.1 Der Erblasser kann anderes anordnen. 8. Sicherstellung der Vermächtniserfüllung
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Die Kautelarjurisprudenz hat Instrumente entwickelt, um dem Vermächtnisnehmer zum Erwerb des vermachten Gegenstandes zu verhelfen, ohne dass es der Mitwirkung des Erben bedarf.
185
Die erste Gestaltung ist die unwiderrufliche Bevollmächtigung des Vermächtnisnehmers auf den Todesfall, sich das Vermächtnis selbst zu erfüllen.2 Sie empfiehlt sich insbesondere bei Grundstücksvermächtnissen. Hier sollte man sie aber wegen des Nachweises beim Grundbuchamt3 nur im Rahmen eines notariell beurkundeten Testaments verwenden, das dann bei Beurkundung des Vermächtniserfüllungsvertrages in Ausfertigung vorliegen muss, was nicht unproblematisch erscheint.
M 96
Vollmacht fr den Vermchtnisnehmer auf den Todesfall
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem/Der . . . setze ich mein Grundstck (Beschrieb) als Vermchtnis aus. Ich bevollmchtige ihn/sie hiermit auf meinen Tod unwiderruflich und unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB, sich das Grundstck in Erfllung des Vermchtnisses selbst zu Eigentum zu bertragen. Er/Sie ist berechtigt, sich unmittelbar eine Ausfertigung als Vollmachtsnachweis bersenden zu lassen, soweit ich diese Berechtigung nicht gegenber dem beurkundenden Notar widerrufen habe. Mein Erbe ist zum Widerruf nicht berechtigt.
186
Die zweite Gestaltung ist die Einsetzung des Vermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker mit der einzigen Aufgabe, sich selbst das Vermächtnis zu erfüllen, § 2208 BGB. Diese Anordnung kann auch im privatschriftlichen Testament erfolgen und ist rechtlich abgesichert.4 Ihr Nachteil ist, dass ein Testamentsvollstreckerzeugnis5 zu erteilen ist, was Umstände und Kosten verursacht. Beim notariellen Testament bzw. Erbver-
1 BGH v. 20.3.1963 – V ZR 89/62, MDR 1963, 578 = DNotZ 1964, 232 = NJW 1963, 1602. 2 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 167 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, Einf. vor § 2197 BGB Rz. 16. 3 § 29 GBO, Probleme nach § 311b Abs. 1 BGB entstehen nicht, da die Vollmacht den Erblasser selbst nicht bindet. 4 Erman/M. Schmidt, § 2205 BGB Rz. 8; MünchKomm.BGB/Zimmermann, § 2205 BGB Rz. 59; Soergel/Damrau, § 2205 BGB Rz. 58. 5 Die Beschränkung ist nach § 2368 Abs. 1 BGB im Testamentsvollstreckerzeugnis zu vermerken.
342
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
trag genügt zum Nachweis der Testamentsvollstreckung nach § 35 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 GBO dessen Vorlage mit nachlassgerichtlichem Eröffnungsprotokoll und, soweit dort nicht bereits ersichtlich, Annahmezeugnis jeweils in der Form des § 29 GBO (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 73).1
M 97
Vermchtnisnehmer als eigener Testamentsvollstrecker
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem . . . setze ich mein Grundstck (Beschrieb) als Vermchtnis aus. Zur Erfllung dieses Vermchtnisses setze ich ihn als Testamentsvollstrecker ein mit der einzigen Aufgabe, sich das Grundstck in Erfllung des Vermchtnisses selbst zu Eigentum zu bertragen.
Zur empfehlenswerten Kombination beider Möglichkeiten vgl. Rz. 379 ff.
187
II. Das Nießbrauchsvermächtnis 1. Die gesetzliche Regelung des Nießbrauchs a) Inhalt des Nießbrauchs Der Nießbrauch ist das dingliche Recht, die Nutzungen des mit dem 188 Nießbrauch belasteten Gegenstandes zu ziehen, § 1030 BGB. Er verpflichtet den Eigentümer des belasteten Gegenstandes zur Duldung dieser Nutzung, nicht zu irgendwelchen Leistungen. Der Nießbrauch ist unübertragbar und unvererblich, §§ 1059, 1061 BGB.2 Der Nießbraucher kann den Gegenstand in Besitz nehmen, verwalten und 189 bewirtschaften. In seine Substanz eingreifen und über ihn verfügen kann er nicht. Nach § 1059 Satz 2 BGB kann der Nießbraucher die Ausübung des Nießbrauchs einem anderen schuldrechtlich überlassen. Diese Befugnis kann mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden. Von der Überlassung des Nießbrauchs zur Ausübung zu unterscheiden ist die entgeltliche oder unentgeltliche Nutzungsüberlassung des mit dem Nießbrauch belasteten Gegenstandes, etwa die Vermietung des mit dem Nießbrauch belasteten Hausgrundstücks. Sie ist Ausfluss der dem Nießbraucher zustehenden dinglichen Nutzungsbefugnis. Im Beispielsfall ist der Vermieter des Hauses also der Nießbraucher, nicht der Eigentümer. Zwischen Eigentümer und Nießbraucher besteht ein gesetzliches Schuld- 190 verhältnis. Es verpflichtet den Nießbraucher – zur Erhaltung des Gegenstandes in seinem wirtschaftlichen Bestand, § 1041 Satz 1 BGB, 1 BeckOK GBO/Wilsch, § 35 GBO Rz. 131. 2 Zur Übertragbarkeit bei juristischen Personen vgl. §§ 1059a–e BGB.
343
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
– zu Ausbesserungen und Erneuerungen, die zu der gewöhnlichen Unterhaltung des Gegenstandes gehören, § 1041 Satz 2 BGB, – zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung, §§ 1036 Abs. 2, 1041 BGB, und – zur Tragung der laufenden öffentlichen und privaten Lasten einschließlich der Versicherungsbeiträge, §§ 1045, 1047 BGB. 191
Zur Vornahme außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen ist der Nießbraucher nicht verpflichtet, aber berechtigt, §§ 1043, 1044, 1049 BGB. Kostenersatz kann er vom Eigentümer unter den Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen, § 1049 BGB. Da der Eigentümer nicht zur Leistung verpflichtet ist, kann der Nießbraucher vom Eigentümer nicht verlangen, dass dieser solche außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen vornimmt.1 Deshalb hat der Nießbraucher auch die normale Abnutzung nicht zu vertreten, § 1050 BGB.
192
Das gesetzliche Schuldverhältnis kann mit dinglicher Wirkung abgeändert werden. Da der Nießbrauch eine Dienstbarkeit ist, dürfen dabei aber dem Eigentümer keine Leistungspflichten auferlegt werden. Umgekehrt kann ein Mietvertrag mit Entgeltpflicht durch den Nießbrauch nicht gänzlich verdinglicht werden,2 während jedoch bloße Entgeltregelungen als Gegenleistungspflicht des Nießbrauchers dinglicher Inhalt des Nießbrauchs3 oder zumindest auflösende Bedingung für Rechtsausübung oder Rechtsbestand desselben4 sein können. Insbesondere kann der Eigentümer zwar schuldrechtlich, aber nicht mit dinglicher Wirkung verpflichtet werden, Unterhaltungsmaßnahmen vorzunehmen. Wohl aber können dem Nießbraucher mit dinglicher Wirkung ihm obliegende Unterhaltungsmaßnahmen erlassen werden. b) Nießbrauchsgegenstände
193
Der Nießbrauch kann bestellt werden an – beweglichen Sachen durch Einigung und Übergabe, §§ 1030, 1032 BGB, – Grundstücken durch Einigung und Eintragung im Grundbuch, §§ 1030, 873 BGB, – Rechten nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften, § 1069 BGB, – Sachgesamtheiten wie dem Vermögen einer Person, § 1085 BGB, oder der Erbschaft, § 1089 BGB, aber nur in der Weise, dass der Nießbrauch 1 BGH v. 4.7.1969 – V ZR 37/66, BGHZ 52, 234 (237) MDR 1969, 834 = NJW 1969, 1847. 2 BayObLG v. 7.8.1979 – BReg 2 Z 5/79, BayObLGZ 1979, 277 = Rpfleger 1979, 382 = MittBayNot 1979, 165. 3 BayObLG v. 7.8.1979 – BReg 2 Z 5/79, BayObLGZ 1979, 277 = Rpfleger 1979, 382 = MittBayNot 1979, 165; BeckOK BGB/Wegmann, § 1930 BGB Rz. 32; aA Palandt/Bassenge, § 1030 BGB Rz. 7; Staudinger/Frank, § 1030 BGB Rz. 61. 4 Palandt/Bassenge, § 1030 BGB Rz. 7.
344
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
an jedem einzelnen Gegenstand der Sachgesamtheit bestellt wird. Soll der Nießbrauch an einer Immobilie auch das Inventar erfassen, ist dies ausdrücklich anzuordnen. c) Erbschaftsteuerliche Behandlung des Nießbrauchsvermächtnisses Erbschaftsteuerlich unterliegt die Zuwendung eines Nießbrauchs von To- 194 des wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer, wobei nach § 23 Abs. 1 ErbStG entweder die sofortige Versteuerung nach dem Kapitalwert oder jährlich wiederkehrend nach dem Jahreswert gewählt werden kann. 2. Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass Das Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass ist die praxishäufigste Form 195 des Vermögensnießbrauchs, §§ 1089, 1085 ff. BGB. Als Alternative zur Vor- und Nacherbschaft erlaubt es dem Erblasser, dem Erben mit dem Eigentum die Substanz zuzuwenden, dem Vermächtnisnehmer mit dem Nießbrauch die Nutzung. Die Stellung des Nießbrauchers ist schwächer als die des Vorerben. Der 196 Vorerbe ist bis zum Eintritt des Nacherbfalls grundsätzlich verfügungsberechtigter Eigentümer des Nachlasses, § 2112 BGB. Dagegen ist der Nießbraucher als bloßer Inhaber eines Nutzungsrechts nicht verfügungsbefugt.1 Weiterhin verwaltet der Vorerbe den Nachlass grundsätzlich nach seinem eigenen Ermessen mit der in seinen eigenen Angelegenheiten angewendeten Sorgfalt, er haftet nur für die Erhaltung der wertmäßigen Substanz des Nachlasses, nicht für die Erhaltung der einzelnen Nachlassgegenstände. Der Nießbraucher dagegen hat die wirtschaftliche Bestimmung der konkreten Nachlassgegenstände zu erhalten und haftet hierfür voll. Für die Verwaltung eines größeren Nachlasses mit verschiedenen Nachlass- 197 gegenständen ist der Vorerbe deshalb von seiner Rechtsstellung her besser gerüstet als der Nießbraucher am Nachlass, dem in verschiedener Weise die Hände gebunden sind. Auch das Bestehen von Verbindlichkeiten hinsichtlich des Erblasservermögens indiziert eher die Vor- und Nacherbschaft als das Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass, da der Vorerbe als insofern voller Erbe automatisch in die Verbindlichkeiten eintritt, während diese beim Nießbrauchsvermächtnis auf den Erben übergehen, obwohl dieser keine Nutzungsbefugnisse hat. Insgesamt dürfte vom Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass eher abzuraten sein. Die praxistauglichen Alternativen sind die Vor- und Nacherbschaft einerseits und die Beschränkung des Nießbrauchs auf einzelne Nachlassgegenstände andererseits.
1 Begrenzte Ausnahmen nach §§ 1074, 1077, 1087 Abs. 2 BGB.
345
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Wählt man bei kleineren und einfach strukturierten Nachlässen trotz dieser Bedenken das Vermächtnis des Nachlassnießbrauchs, so ist dem Nießbraucher die volle Lastentragung aufzuerlegen.
M 98
Nießbrauchsvermchtnis am Nachlass
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Erben setze ich meinen Sohn aus erster Ehe . . . ein, ersatzweise dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Meiner zweiten Ehefrau . . . setze ich als Vermchtnis den lebenslangen Nießbrauch an meinem gesamten Nachlass aus. Die Nießbraucherin hat alle Lasten des Nachlasses zu tragen, auch soweit diese nach der gesetzlichen Regelung vom Eigentmer zu tragen wren.
3. Nießbrauchsvermächtnis an einem Erbteil 198
Der Nießbrauch an einem Erbteil ist Rechtsnießbrauch nach § 1068 BGB. Er wird nach §§ 1069, 2033 BGB durch notariell beurkundeten Vertrag zwischen dem betroffenen Miterben und dem Nießbraucher bestellt. Über den Erbteil bezieht er sich immer auf den Nachlass in seinem jeweiligen Bestand. Ganz anders ist dies beim Nießbrauch an der Erbschaft, der nicht mehr ist als eine Addition von Nießbrauchsrechten an den einzelnen Nachlassgegenständen, also z.B. an einem später zum Nachlass kommenden Ersatzgegenstand wieder neu bestellt werden muss. Das Nießbrauchsvermächtnis am Erbteil ist eine Alternative zur Vor- und Nacherbschaft hinsichtlich eines Miterben. Sie ist wegen der Möglichkeit der einheitlichen Bestellung als Rechtsnießbrauch nicht im gleichen Maße bedenklich wie der Nießbrauch an der Erbschaft.
M 99
Nießbrauchsvermchtnis am Erbteil
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinen Erben setze ich meine Enkel . . . ein. Der Mutter des . . . , meiner Tochter . . . , setze ich als Vermchtnis den lebenslangen Nießbrauch an seinem Erbteil aus. Die Nießbraucherin hat alle Lasten des Erbteils zu tragen, auch soweit diese nach der gesetzlichen Regelung vom Erben zu tragen wren.
4. Nießbrauchsvermächtnis an Grundstücken a) Der Grundstücksnießbrauch 199
Der Grundstücksnießbrauch gibt dem Nießbraucher nach § 1030 BGB das Recht, sämtliche Nutzungen des belasteten Grundstücks zu ziehen. Dem 346
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
Eigentümer verbleibt nur die rechtliche Verfügungsbefugnis, also die Möglichkeit der Veräußerung und Belastung des Grundstücks. Der Nießbrauch entsteht durch Einigung und Eintragung im Grundbuch, § 873 BGB. Er ist nicht übertragbar und nicht vererblich, §§ 1059, 1061 BGB. Seine Ausübung kann nach § 1059 Satz 2 BGB aber einem anderen überlassen werden. Diese Befugnis kann durch Vereinbarung zwischen Eigentümer und Nießbraucher mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen werden, wozu Grundbucheintragung erforderlich ist.1 Die Vermietung des Nießbrauchsgegenstandes ist aber typische Selbstausübung des Nießbrauchs.2 b) Bruchteilsnießbrauch – Quotennießbrauch Der Nießbrauch an einem Miteigentumsanteil des belasteten Grundstücks 200 – Bruchteilsnießbrauch – ist nach § 1066 BGB dann ohne Weiteres möglich, wenn der Anteil eines Miteigentümers belastet wird. Zulässig ist aber auch die Belastung eines Miteigentumsanteils, der nicht dem Anteil eines Miteigentümers entspricht. Der Alleineigentümer kann also einen ideellen Bruchteil des Grundstücks mit dem Nießbrauch belasten, der Miteigentümer einen kleineren Bruchteil seines Miteigentumsanteils.3 Möglich ist auch der Quotennießbrauch, bei dem das ganze Grundstück 201 mit dem Bruchteil eines Nießbrauchs belastet wird.4 Die Nutzungen des Grundstücks sind dann zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher im Verhältnis ihrer Berechtigung zu teilen, die Besitz- und Verwaltungsrechte stehen ihnen gemeinsam zu. Der Unterschied zwischen Bruchteilsnießbrauch und Quotennießbrauch besteht darin, dass beim Bruchteilsnießbrauch ein ideeller Miteigentumsanteil mit einem ganzen Nießbrauch belastet ist, beim Quotennießbrauch das gesamte Grundstück mit einem teilweisen Nießbrauch. c) Verhältnis Eigentümer – Nießbraucher Zwischen Nießbraucher und Eigentümer besteht ein gesetzlich eingehend 202 geregeltes Schuldverhältnis. Auf den Grundstücksnießbrauch bezogen gelten die folgenden Rechte und Pflichten: – Der Nießbraucher ist zum Besitz des Grundstücks berechtigt, § 1036 BGB. Er kann also etwa dem Eigentümer grundsätzlich das Betreten des Nießbrauchsgrundstücks verbieten. Der Nießbraucher ist nach § 1037 BGB nicht berechtigt, das Nießbrauchsgrundstück umzugestalten oder wesentlich zu verändern. Er hat die beim Erwerb des Nießbrauchs be-
1 BGH v. 21.6.1985 – V ZR 37/84, MDR 1985, 919 = NJW 1985, 2827 = DNotZ 1986, 23. 2 BGH v. 20.10.1989 – V ZR 341/87, MDR 1990, 229 = DNotZ 1990, 502. 3 Staudinger/Frank, § 1030 BGB Rz. 21. 4 Staudinger/Frank, § 1030 BGB Rz. 39; BGH v. 6.6.2003 – V ZR 392/02, FamRZ 2003, 1273 = MDR 2003, 1170 = NJW-RR 2003, 1290.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
stehende wirtschaftliche Zweckbestimmung des Grundstücks aufrecht zu erhalten, darf also etwa nicht aus einem reinen Wohngrundstück ein Fabrikgrundstück machen. – Ausbesserungen und Erneuerungen des Grundstücks und der auf ihm befindlichen Gebäude hat der Nießbraucher nach § 1041 BGB nur insoweit zu tragen, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung des Grundstücks gehören. Außergewöhnliche Ausbesserungen oder Erneuerungen obliegen dem Eigentümer. So hat etwa der Nießbraucher zwar einzelne beschädigte Dachziegel zu ersetzen, die Neueindeckung des Daches insgesamt kann der Eigentümer von ihm jedoch nicht verlangen. Die Notwendigkeit außergewöhnlicher Ausbesserungen oder Erneuerungen hat der Nießbraucher dem Eigentümer anzuzeigen, ihre Vornahme hat er zu dulden. Einen Anspruch auf Vornahme derartiger Maßnahmen hat der Nießbraucher gegen den Eigentümer nicht. Der Nießbraucher ist zur Tragung der laufenden öffentlichen und privaten Lasten verpflichtet, § 1047 BGB. Zu den öffentlichen Lasten gehören z.B. die Grundsteuer, die Gebühren für die Kanalisation, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Schornsteinfeger, u.a., auch die Gewerbesteuer. Der Eigentümer hat hier die Lasten zu tragen, die auf den Stammwert des Grundstücks angelegt werden, also zB Erschließungsbeiträge und Flurbereinigungsbeiträge. Von den privaten Lasten trägt der Nießbraucher zB die laufenden Zinsen von Hypotheken und Grundschulden sowie wiederkehrende Leistungen aufgrund von Reallasten und Rentenschulden, Überbauund Notwegrenten und Leistungen nach § 1022 BGB. Der Eigentümer trägt die Tilgung von Hypotheken und Grundschulden und Verzugszinsen wegen rückständiger Tilgungsbeträge. Notwendige Versicherungen des Grundstücks gehen zu Lasten des Nießbrauchers, § 1045 BGB. 203
Der Inhalt des Nießbrauchs kann hinsichtlich der Lastentragung mit dinglicher Wirkung geändert und entsprechend im Grundbuch eingetragen werden.1 Für den Vermächtnisnießbrauch kommen vor allem in Betracht – der Nießbrauch mit voller Lastentragung des Nießbrauchers, Nießbraucher als „wirtschaftlicher Eigentümer“, – der Nießbrauch mit voller Lastentragung des Eigentümers, sog. „Bruttonießbrauch“, – der Nießbrauch mit der Verpflichtung des Nießbrauchers zur Zahlung eines Entgelts.
1 BayObLG v. 7.8.1979 – BReg 2 Z 5/79, BayObLGZ 1979, 277 = Rpfleger 1979, 382 = MittBayNot MünchKomm.BGB/Pohlmann; Vorbemerk. § 1030 BGB Rz. 21; Palandt/ Bassenge, § 1047 BGB Rz. 1.
348
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
d) Gestaltungsformen aa) Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer Das Vermächtnis eines Nießbrauchs mit gesetzlicher Lastenverteilung 204 wird regelmäßig nicht sachgerecht sein. Will man dem Nießbraucher alle Nutzungen des Grundstücks zukommen lassen, so wird er den Eigentümer auch von den Lasten freizustellen haben.
M 100
Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentmer
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem . . . setze ich als Vermchtnis den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Hausgrundstck (Beschrieb nach dem Grundbuch) aus. In Abweichung von der gesetzlichen Lastenverteilung hat der Nießbraucher alle Lasten des Grundstcks zu tragen. Mit diesem Inhalt ist der Nießbrauch im Grundbuch einzutragen.
bb) Bruttonießbrauch Will man dem Nießbraucher lediglich die Erträge des Grundstücks zu- 205 wenden und soll der Eigentümer alle Lasten tragen, so ist ein sog. Bruttonießbrauch zu vermachen.
M 101
Bruttonießbrauch
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Enkel . . . setze ich den unentgeltlichen Nießbrauch an meinem Hausgrundstck (Beschrieb nach dem Grundbuch) als Vermchtnis aus. Der Nießbrauch endet mit der Vollendung des 30. Lebensjahres meines Enkels . . . Alle mit dem Nießbrauch verbundenen Lasten sind dem Nießbraucher erlassen und vom Eigentmer zu tragen. Mit dieser Befristung und diesem Inhalt ist der Nießbrauch im Grundbuch einzutragen.
cc) Erhaltungspflichten des Eigentümers Soll der Eigentümer dem Nießbraucher gegenüber verpflichtet sein, das 206 Grundstück in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, so können diese Leistungspflichten nicht Inhalt des Nießbrauchs sein. Erforderlich ist die Eintragung einer Reallast nach § 1105 BGB, wenn diese Verpflichtungen verdinglicht werden sollen.
349
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 102
Erhaltungspflichten des Eigentmers bei Nießbrauchsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Weiterer Inhalt des Vermchtnisses ist, dass der Eigentmer meinem Enkel . . . gegenber verpflichtet ist, das Haus durch laufende Reparaturen und Erhaltungsmaßnahmen im Zustand einer ordnungsgemßen Mietsache zu erhalten. Zur Sicherung dieser Verpflichtung ist fr den Enkel im Grundbuch im Rang nach dem Nießbrauch eine Reallast mit derselben Befristung wie der Nießbrauch einzutragen.
dd) Bruchteilsnießbrauch, Quotennießbrauch, entgeltlicher Nießbrauch 207
Soll der Eigentümer neben dem Nießbraucher noch eine quotale Nutzungsbefugnis oder quotale Einkünfte haben, so bieten sich der Bruchteilsnießbrauch, der Quotennießbrauch und der entgeltliche Nießbrauch an.
M 103
Bruchteilsnießbrauch
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Enkel . . . setze ich als Vermchtnis den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an einem hlftigen Miteigentumsanteil meines Hauses (Beschrieb nach dem Grundbuch) aus.
M 104
Quotennießbrauch
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Enkel . . . setze ich als Vermchtnis den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch zur hlftigen Quote an meinem Haus (Beschrieb nach dem Grundbuch) aus. Der Nießbrauch ist im Grundbuch zu Lasten des Grundstcks insgesamt, aber nur zur hlftigen Quote einzutragen, so dass dem Eigentmer die hlftige Nutzungsziehung verbleibt.
M 105
Entgeltlicher Nießbrauch
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meiner zweiten Ehefrau . . . setze ich den Nießbrauch an meinem Haus (Beschrieb nach dem Grundbuch) als Vermchtnis aus. Der Nießbrauch erlischt mit der Wiederverheiratung oder dem Tod der . . . Als Entgelt fr den Nieß-
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
brauch ist dem Eigentmer bis zum 1. Februar des Folgejahres ein Drittel der im Vorjahr erzielten Kaltmieten ohne Nebenkosten zu zahlen. Dieses Entgelt ist im Grundbuch als Inhalt des Nießbrauchs einzutragen.
ee) Rentenwahlrecht Das Nießbrauchsvermächtnis dient der Versorgung des Bedachten. Dessen 208 Stellung ist rechtlich stark. Er ist Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechts, das die Nutzungsbefugnisse des Eigentümers ausschließt, dem Nießbraucher aber auch die Verwaltung und die Lastentragung, und zwar je nach Ausgestaltung die volle oder nur die teilweise Lastentragung auferlegt. Besonders mit vorrückendem Alter können die Lastentragungspflichten, etwa die vollen Erhaltungspflichten beim Nießbrauch als wirtschaftlichem Eigentum, oder die Verwaltungspflichten für den Nießbraucher lästig oder gar unerfüllbar werden. Als Vorsorge hierfür kann der Erblasser dem Nießbraucher ein Rentenwahlrecht als ergänzendes Vermächtnis aussetzen.
M 106
Rentenwahlrecht
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Nießbraucher kann bei Anfall des Nießbrauchsvermchtnisses und zu jedem spteren Zeitpunkt verlangen, dass ihm anstelle des Nießbrauchs eine Rente gezahlt wird. Der Jahresbetrag der Rente bestimmt sich nach den Jahresnettoertrgen des Grundstcks in dem der ersten Festsetzung vorangehenden Jahr. Die Rente ist in zwçlf monatlich im Voraus zu zahlenden Teilbetrgen zu entrichten. Knftige Anpassung an den Jahresnettoertrag oder sonstige Wertsicherung kann verlangt werden. Der Grundstckseigentmer kann notwendige Renovierungen und Sanierungen des Hausgrundstcks vornehmen und die Zinsen, nicht aber die Tilgung, der hierzu aufgenommenen Darlehen von den Ertrgen des Grundstcks abziehen. Bei Geltendmachung des Rentenwahlrechts ist Zug um Zug gegen Lçschung des Nießbrauchs eine Reallast im Grundbuch einzutragen.
ff) Grundpfanddarlehen bei Renovierungen und Sanierungen Soweit entsprechend der gesetzlichen Regel der Eigentümer die außerge- 209 wöhnlichen Erhaltungsmaßnahmen zu tragen hat, ist er darauf angewiesen, das Grundstück erstrangig unter Rangrücktritt des Nießbrauchs mit den entsprechenden Grundpfanddarlehen belasten zu können. Der entsprechende Rangrücktritt kann dem Vermächtnisnehmer zur Auflage gemacht werden.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 107
Rangrcktrittsverpflichtung bei Nießbrauchsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vermchtnisnehmer ist verpflichtet, mit seinem Nießbrauch hinter Grundpfanddarlehen im Rang zurckzutreten, deren Valuta zur Finanzierung von außergewçhnlichen Erhaltungsmaßnahmen verwendet wird. Er kann dabei fr sich die Eintragung einer Lçschungsvormerkung verlangen.
210
Trägt der Nießbraucher als wirtschaftlicher Eigentümer alle Lasten, so kann er seinerseits auf die entsprechende Belastung des Grundstücks angewiesen sein.
M 108
Grundpfanddarlehen bei Nießbrauchsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Nießbraucher kann vom Eigentmer verlangen, dass dieser die Eintragung von Grundpfandrechten bewilligt, die der Sicherung von Darlehen zur Finanzierung außergewçhnlicher Erhaltungsmaßnahmen dienen.
5. Nießbrauchsvermächtnis am Einzelunternehmen und Unternehmensbeteiligungen 211
Vgl. hierzu 7. Kap. Rz. 122.
III. Das Wohnungsrechtsvermächtnis 1. Gesetzliche Regelung a) Beschränkte persönliche Dienstbarkeit 212
Nach § 1093 BGB kann als beschränkte persönliche Dienstbarkeit das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen. Auf dieses Wohnungsrecht finden die Nießbrauchsvorschriften weitgehende Anwendung. Es ist nur möglich, wenn Gebäudeteile unter Ausschluss des Eigentümers benutzt werden sollen. Bei reiner Mitbenutzung ist lediglich die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB möglich.1
1 Zum schuldrechtlichen Wohnungsrecht als Vermächtnisgegenstand vgl. Hofstetter, ZEV 1996, 17.
352
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
b) Wohnungsgewährungsreallast Die Alternative zum dinglichen Wohnungsrecht nach § 1093 BGB ist die 213 Wohnungsgewährungsreallast nach § 1105 BGB.1 Bei ihr wird der Eigentümer verpflichtet, dem Berechtigten Wohnung nach dessen Bedarf zu gewähren. Die Wohnungsgewährungspflicht muss dabei das gesamte Grundstück betreffen. Kann die Wohnungsgewährungspflicht nach dem Inhalt der Vereinbarung nur durch Überlassung einer bestimmten Wohnung in einem bestimmten Gebäude erfüllt werden, so handelt es sich in Wirklichkeit um ein dingliches Wohnungsrecht. Zur Konkretisierung der Wohnungsgewährungspflicht kann aber beispielhaft auf einen bestimmten Wohnungstyp des auf dem Grundstück derzeit befindlichen Gebäudes verwiesen werden. In der notariellen Praxis wird die Wohnungsgewährungsreallast teilweise dem Wohnungsrecht vorgezogen, teilweise neben diesem2 oder für den Fall von dessen Ausfall bestellt, da das Wohnungsrecht nach § 1093 BGB nach h.L. bei Zerstörung des Gebäudes erlischt,3 während die Wohnungsgewährungsreallast sich auf das Grundstück unabhängig vom jeweiligen Gebäudebestand bezieht. Will man von der Wohnungsgewährungsreallast absehen und dennoch für den Fall der Zerstörung des Gebäudes Vorsorge treffen, so kann man dem Wohnungsberechtigten auch den schuldrechtlichen Anspruch auf Neubestellung eines entsprechenden Wohnungsrechts nach Zerstörung des gegenwärtigen Gebäudes in einem neuen Gebäude geben und diesen durch Vormerkung, sog. Brandvormerkung4 sichern. Da Leistungspflichten des Eigentümers aber nicht Inhalt von Dienstbarkeiten sein können, kann eine Verpflichtung des Eigentümers, nach Zerstörung des gegenwärtigen Gebäudes ein neues Gebäude zu errichten, nicht zum Inhalt des Wohnungsrechts gemacht werden. Eine derartige Wiederherstellungspflicht soll aber dann, wenn sie alle künftigen Fälle der Zerstörung des Gebäudes betrifft, zum Inhalt einer besonderen Reallast gemacht werden können.5 c) Mitbenutzungsdienstbarkeit Das dingliche Wohnungsrecht nach § 1093 BGB ist nur möglich, wenn Ge- 214 bäude oder Gebäudeteile als Wohnung genutzt werden. Bei anderer Nutzung als zum Wohnen kommt nur die beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB in Betracht.6 Die Mitbenutzung von Grund1 BGH v. 12.1.1972 – V ZB 24/71, BGHZ 58, 57 = NJW 1972, 540 = MittBayNot 1972, 120; BayObLG v. 9.4.1981 – BReg.2 Z 21/81, MDR 1981, 759 = Rpfleger 1981, 353; Nieder, BWNotZ 1975, 6. 2 OLG Hamm v. 7.7.1975 – 15 Wx 33/74, DNotZ 1976, 229 (231); OLG Oldenburg v. 26.6.1978 – 5 Wx 20/78, MittRhNotK 1978, 185; vgl. auch Böhringer, BWNotZ 1990, 153 ff. 3 BGH v. 31.1.1964 – V ZR 191/61, DNotZ 1965, 165. 4 Reichert, BWNotZ 1962, 117 (124). 5 LG Freiburg v. 2.5.1973 – 4 T 42/73, BWNotZ 1974, 85 (86); MünchKomm.BGB/Joost, § 1105 BGB Rz. 40. 6 Vgl. BayObLG v. 17.1.1985 – BReg.2 Z 132/84, DNotZ 1986, 148.
353
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
stücksflächen wie etwa dem Hausgarten und Nebengebäuden wie etwa Ställen und Garagen kann nach § 1093 Abs. 3 BGB möglicher Inhalt des Wohnungsrechts sein.1 Die Mitbenutzungsrechte sind in der Vereinbarung genau zu bezeichnen. Soweit sie den Rahmen des § 1093 Abs. 3 BGB überschreiten, können sie durch beschränkte persönliche Dienstbarkeit abgesichert werden. d) Aufnahmerecht 215
Nach § 1093 Abs. 2 BGB ist der Wohnungsberechtigte befugt, seine Familie sowie die zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege erforderlichen Personen in die Wohnung aufzunehmen. In diesen Kreis hat der BGH2 auch den Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft einbezogen. Durch Vereinbarung kann der Kreis dieser zugelassenen Personen mit dinglicher Wirkung eingeschränkt werden.3 Eine Erweiterung des Personenkreises erhält über § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB dingliche Wirkung. Die entgeltliche oder unentgeltliche Überlassung der Wohnung kann dem Wohnungsberechtigten gestattet werden. Eine derartige Vereinbarung erhält über § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB dingliche Wirkung. e) Entgelt
216
Ein für das Wohnungsrecht vereinbartes Entgelt, etwa eine mietähnliche monatliche Nutzungsentschädigung, kann nicht zum Inhalt des dinglichen Rechts gemacht werden.4 Die Entrichtung des Entgelts kann aber zur Bedingung für das Bestehen oder die Ausübung des Wohnungsrechts erhoben werden.5 f) Besichtigungsrecht
217
Dem Eigentümer steht nach dem Gesetz gegenüber dem Wohnungsberechtigten ein Recht zur Besichtigung der Wohnung nicht zu. Ein solches Recht sollte deshalb in geeigneten Fällen ausdrücklich vereinbart werden. g) Erhaltungskosten, Lastentragung
218
Für die Erhaltung der Wohnung hat der Wohnungsberechtigte zu sorgen, §§ 1041, 1093 Abs. 1 BGB. Er hat also die gewöhnlichen Reparaturen zu tragen. Außerdem hat er die privaten Kosten und öffentlichen Abgaben für Wasser, Müll, Beleuchtung, Heizung usw. zu tragen. Wie beim Nieß1 Erman/Grziwotz, § 1093 BGB Rz. 15. 2 BGH v. 7.5.1982 – V ZR 58/81, MDR 1982, 743 = FamRZ 1982, 774 = NJW 1982, 1868. 3 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 1262 mwN. 4 BGH v. 10.5.1968 – V ZR 221/64, BB 1968, 767 = WM 1968, 775 = BeckRS 31172089; Erman/Grziwotz, § 1093 BGB Rz. 4. 5 Ripfel, DNotZ 1968, 406; Erman/Grziwotz, § 1093 BGB Rz. 4.
354
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
brauch ist der Eigentümer nicht verpflichtet, eine außergewöhnliche Ausbesserung des Grundstücks oder Gebäudes auf seine Kosten vorzunehmen.1 Der Eigentümer kann aber durch Vereinbarung mit dem Wohnungsberech- 219 tigten mit dinglicher Wirkung verpflichtet werden, das Gebäude einschließlich der Wohnung des Wohnungsberechtigten in Stand zu halten, da das Gebäude eine Anlage iSd. § 1021 Abs. 1 Satz 1 BGB ist.2 Auf diese Verpflichtung finden nach § 1021 Abs. 2 BGB die Vorschriften über die Reallast entsprechende Anwendung. Zusätzlich zu dieser Vereinbarung soll auch eine weitere Reallast dieses Inhalts möglich sein.3 Nach der Rechtsprechung4 soll als dinglicher Inhalt des Wohnungsrechts 220 die Vereinbarung möglich sein, dass der Eigentümer zur Tragung der Kosten für Heizung, Strom, Gas verpflichtet ist. Nach der Auffassung von Amann5 zum „Begleitschuldverhältnis“ soll der Eigentümer auch zur Lieferung dieser Leistungen mit dinglicher Wirkung verpflichtet werden können. Im Hinblick darauf, dass diese Verdinglichungsmöglichkeit bestritten ist,6 empfiehlt sich als sicherer Weg bei allen Zahlungs- und Leistungspflichten des Eigentümers die besondere Reallast. Im Unterschied zum gesetzlichen Schuldverhältnis beim Nießbrauch 221 trägt der Eigentümer im Verhältnis zum Wohnungsberechtigten die öffentlichen und privaten Lasten des Grundstücks, also etwa Grundsteuer, Brandversicherung, Zinsen bei Grundpfandrechten allein und insgesamt, da § 1047 BGB in § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht für anwendbar erklärt ist. Diese Lasten können dem Wohnungsberechtigten durch Vereinbarung auferlegt werden, aber nicht mit dinglicher Wirkung, da damit von der Unentgeltlichkeit als einem tragenden Grundsatz des Wohnungsrechts abgewichen würde.7 Die Nichtzahlung kann auch zur auflösenden Bedingung für Bestand oder Ausübung des Wohnungsrechts gemacht werden. 2. Einsatz des Wohnungsrechtsvermächtnisses Das Wohnungsrechtsvermächtnis dient dazu, dem Bedachten die in der 222 Regel lebenslange Nutzung eines Gebäudeteils zum Wohnen zu verschaffen. Insofern bezweckt es die Versorgung von Personen, die im Übrigen nicht Erbe werden sollen, und hat keine Gestaltungsalternative. Auf präzise Formulierung sollte Wert gelegt werden. 1 BGH v. 4.7.1969 – V ZR 37/66, BGHZ 52, 234 = NJW 1969, 1847 = MDR 1969, 834. 2 Kraiß, BWNotZ 1972, 10; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 1251; MünchKomm.BGB/Joost, § 1093 BGB Rz. 8. 3 MünchKomm.BGB/Joost, § 1093 BGB Rz. 3. 4 BayObLG v. 18.6.1980 – BReg.2 Z 28/80, MDR 1980, 835 = Rpfleger 1980, 385 = DNotZ 1981, 124; LG Köln v. 20.2.1987 – 11 T 24/87, MittRhNotK 1987, 105. 5 Amann, DNotZ 1982, 396; Amann, DNotZ 1989, 534. 6 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 1253. 7 BayObLG v. 29.7.1988 – BReg.2 Z 76/88, MDR 1989, 66 = DNotZ 1989, 569 = NJW-RR 1989, 15 = MittRhNotK 1988, 231.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 109
Wohnungsrechtsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich bin Eigentmer des Mehrfamilienhauses (Beschrieb nach dem Grundbuch). Ich setze dem . . . als Vermchtnis das Recht aus, die Wohnung im Erdgeschoss links des Hauses lebenslang unentgeltlich bewohnen zu drfen. In Erfllung des Vermchtnisses ist fr den . . . im Grundbuch zulasten des vorbezeichneten Grundstcks an rangbereiter Stelle einzutragen: Lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht nach § 1093 BGB des Inhalts, dass der Berechtigte die Wohnung im Erdgeschoss links des Hauses unter Ausschluss des Eigentmers zum Wohnen nutzen darf. Die Wohnung darf Dritten entgeltlich oder unentgeltlich berlassen werden. Der Wohnungsberechtigte hat das Recht zur Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Anlagen.
IV. Das Rentenvermächtnis 1. Einsatzmöglichkeiten, Gefahren 223
Das Rentenvermächtnis eignet sich insbesondere zur Versorgung naher Angehöriger, etwa des Ehegatten bei direkter Erbeinsetzung der Abkömmlinge. Gegenüber dem Nießbrauchsvermächtnis hat es den Nachteil größerer Abhängigkeit des Rentenberechtigten, der eine schwächere Rechtsstellung hat als der Nießbraucher, aber den Vorteil eines reinen Geldanspruchs ohne Verantwortung für die Vermögensgegenstände, aus denen die Erträge erwirtschaftet werden. Während der Nießbraucher ertragsabhängige und deshalb schwankende Einkünfte hat, kann sich der Rentenberechtigte auf feststehende Bezüge einrichten, die durch Wertsicherungsklausel der Veränderung des Geldwertes und der Lebenshaltungskosten angepasst werden können. Wie der Erbe diese Beträge erwirtschaftet, ist seine Sache. Notfalls muss er die Substanz der Erbschaft angreifen, während beim Nießbrauch die Substanz immer unantastbar ist. Der Rentenberechtigte erlangt also eine beruhigende Existenzsicherung ohne eigenen Verwaltungsaufwand. Hinsichtlich der Eintreibbarkeit der Rente können weitere Sicherheiten durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung und Reallast oder Grundpfandrecht vorgesehen werden.
224
Diese Zukunftssicherung des Vermächtnisnehmers kann zur Gefahr für den Erben werden. Ein Rentenvermächtnis ist nur dann zweckmäßig, wenn der Nachlass die Erwirtschaftung der Rente erlaubt. Bei Renditegrundstücken kann regelmäßig von sicheren künftigen Erträgen ausgegangen werden, die auch grundsätzlich entsprechend der Steigerung der Lebenshaltungskosten steigen. Dagegen ist die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens nicht mit ähnlicher Sicherheit vorhersehbar. Hier kann eine wertgesicherte Rentenverpflichtung bei ungünstiger Entwicklung zur Gefährdung des Unternehmens beitragen. Bei betrieblich zu erwirtschaftender Rente ist deshalb zu erwägen, ob man die Zahlungsverpflichtung 356
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
nicht auch vom Ertrag des Unternehmens abhängig macht, etwa indem bestimmt wird, dass bei schlechter Ertragslage die Rente vermindert werden kann. Hieraus ergeben sich dann aber für den Rentenberechtigten Gefahren. Er hat auf die Unternehmensführung und Bilanzpolitik keinen Einfluss und sieht sich möglicherweise gerade dann einer existenzgefährdenden Einschränkung seiner Ansprüche ausgesetzt, wenn er infolge Alters oder Krankheit einerseits besonders bedürftig und andererseits besonders wehrlos ist. Mit dem Vermächtnis einer veränderlichen anstelle einer wertgesicherten Rente sollte man also besonders vorsichtig sein und weitere Sicherheiten, etwa durch Leistungsbestimmungsrechte Dritter nach § 2156 BGB, vorsehen. 2. Das Zivilrecht der Rente Die Versorgungsrente ist Leibrente nach §§ 759 ff. BGB. Nach dem Gesetz 225 ist sie im Zweifel auf die Lebensdauer des Gläubigers zu entrichten, der für die Rente bestimmte Betrag ist im Zweifel der Jahresbetrag der Rente, die Geldrente ist für drei Monate im Voraus zu zahlen, §§ 759, 760 BGB. Das Leibrentenversprechen ist schriftlich zu erteilen, § 761 BGB. Mit der weit überwiegenden Meinung1 sind bei der Leibrente zu unter- 226 scheiden – die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung der Leibrente, – die Bestellung des Leibrentenstammrechts als eines einheitlich nutzbaren Rechts, und – die Verpflichtung zu den einzelnen Rentenleistungen, die die Erträge des Leibrentenstammrechts darstellen.2 Für das Leibrentenvermächtnis bedeutet dies, dass zu regeln sind
227
– die Anordnung des Vermächtnisses als Schuldgrund für die Verpflichtung des Erben zur Leibrentenbestellung, – die Sicherstellung der mindestens schriftlichen Bestellung des Leibrentenstammrechts für die angeordnete Dauer und – die Zahlungsmodalitäten, regelmäßig durch Festsetzung des Monatsbetrages der Rente und Anordnung monatlicher Vorauszahlung. Die beste Sicherstellung der formgerechten Bestellung des Leibrenten- 228 stammrechts liegt in der Anordnung formbedürftiger Sicherheiten wie der Zwangsvollstreckungsunterwerfung oder der Grundstücksbelastung. Die Sicherheitenbestellung umfasst dann ausdrücklich oder im Zweifel auch die Leibrentenbestellung selbst.
1 Z.B. Palandt/Sprau, § 759 BGB Rz. 1; MünchKomm.BGB/Habersack, § 759 BGB Rz. 3. 2 BGH v. 16.12.1965 – II ZR 274/63, WM 1966 1966, 248; BGH v. 25.4.1991 – III ZR 159/90, FamRZ 1991, 918 = DNotZ 1992, 297.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
3. Sicherheiten für den Leibrentenberechtigten a) Wertsicherung 229
Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung hat der Erblasser alle Kenntnisse, die zur Festsetzung eines bestimmten Rentenbetrages erforderlich sind. Der Geldwertschwund macht aber eine Wertsicherung erforderlich, und zwar zunächst bis zum Erbfall hinsichtlich der Höhe des erstmals zu zahlenden Rentenbetrages und dann für die Zukunft hinsichtlich der Anpassung der laufenden Rentenzahlungen bis zum Erlöschen des Leibrentenstammrechts. Wertsicherungsklauseln sind im Preisklauselgesetz vom 13.6.20071 geregelt. An die Stelle eines behördlichen Genehmigungssystems ist ein System der Legalausnahmen vom grundsätzlichen Indexierungsverbot getreten.2
230
Für die Wertsicherung kommen in Betracht – der Leistungsvorbehalt, § 1 Abs. 2 Nr. 1 PreisklauselG, unterliegt nicht dem Preisklauselverbot des § 1 Abs. 1 PreisklauselG, – die Spannungsklausel, § 1 Abs. 2 Nr. 2 PreisklauselG, unterliegt nicht dem Preisklauselverbot des § 1 Abs. 1 PreisklauselG, – die Wertsicherungsklausel, die grundsätzlich verboten ist, wenn nicht ein Ausnahmefall nach §§ 3 ff. PreisklauselG vorliegt.
231
Lebenshaltungsindexklauseln sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 PreisklauselG zulässig bei wiederkehrenden Zahlungen, die entweder auf die Lebenszeit eines Berechtigten, bis zum Erreichen der Erwerbsfähigkeit oder eines bestimmten Ausbildungsziels des Empfängers, bis zum Beginn der Altersversorgung des Empfängers oder auf die Dauer von mindestens zehn Jahren zu erbringen sind.
232
Ein Preisindex für die Lebenshaltung stellt auf die Änderung der Verbraucherpreise und -gewohnheiten ab. Hierfür stellt das Statistische Bundesamt den Verbraucherpreisindex für Deutschland zur Verfügung. Er wird regelmäßig in der NJW und DNotZ veröffentlicht. b) Zwangsvollstreckungsunterwerfung
233
Der auf die Rente angewiesene Vermächtnisnehmer muss die Möglichkeit haben, seine Ansprüche gegen den zahlungsunwilligen, aber zahlungsfähigen Erben schnell durchzusetzen. Regelmäßig ist ihm deshalb das Recht zu vermachen, vom Erben wegen der Rentenzahlungspflicht die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Erben zu verlangen. Diese Zwangsvollstreckungsunterwerfung bedarf nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der notariellen Beurkundung. Sie ist nur wegen bestimmter oder aus der Unterwerfungsurkunde selbst be-
1 BGBl. I 2007, 2246. 2 Reul, MittBayNot 2007, 445.
358
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
stimmbarer Beträge zulässig. Genügende Bestimmbarkeit liegt bei einer Unterhaltsrente mit Preisindex-Wertsicherungsklausel vor.1
M 110
Zwangsvollstreckungsunterwerfung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der die Rente schuldende Erbe ist verpflichtet, sich wegen seiner Zahlungspflichten gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO in notarieller Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermçgen mit der Maßgabe zu unterwerfen, dass dem Rentenberechtigten jederzeit ohne weiteren Nachweis vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden kann. Die Vollstreckungsunterwerfung hat beim Erbfall wegen der dann geschuldeten Monatsbetrge der Rente zu erfolgen, spter auf Verlangen wegen etwaiger Erhçhungsbetrge, sobald die Erhçhung eingetreten ist.
c) Kapitalwahlrecht Dem Berechtigten kann für den Fall, dass die Rentenzahlungen nicht 234 pünktlich erbracht werden, ein Kapitalwahlrecht vermacht werden. Es sollte dann mit einer dinglichen Sicherheit verbunden werden.
M 111
Kapitalwahlrecht
(Form: Verfgung von Todes wegen) Gert der Rentenverpflichtete mit mindestens drei Monatsrenten in Verzug, so kann der Rentenberechtigte anstelle der Rente einen Kapitalbetrag in Euro verlangen. Der Kapitalbetrag errechnet sich aus der im Zeitpunkt des Verlangens geschuldeten Monatsrente multipliziert mit der Anzahl der Monate bis zur Vollendung des 90. Lebensjahres des Rentenberechtigten. Er ist in dieser Hçhe sofort in einer Summe fllig. Mit seiner Zahlung erlischt die Rentenzahlungsverpflichtung.
d) Dingliche Sicherheiten Wo immer möglich, sollte die Rentenzahlungspflicht auf Grundstücken 235 dinglich abgesichert werden. Die Absicherung kann durch Reallast oder Grundpfandrecht erfolgen. Praxisüblich ist die Verwendung der Reallast nach §§ 1105 ff. BGB als dingliches Recht auf wiederkehrende Leistungen. Die einzelnen wiederkehrenden Leistungen müssen nicht von vornherein bestimmt, sondern lediglich bestimmbar sein.2 1 BGH v. 10.12.2004 – IVa ZB 73/04, MDR 2005, 534 = FamRZ 2005, 437 = DNotZ 2005, 285. 2 § 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB.
359
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
236
Wie beim Nießbrauchsvermächtnis an Grundstücken ist an die Erleichterung der Eintragung im Grundbuch durch Vollmacht auf den Todesfall für den Vermächtnisnehmer oder seine Einsetzung zum Testamentsvollstrecker zu denken (s. dazu nachfolgend Rz. 373 f.).
M 112
Rentenreallast
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zur Sicherung der Rentenzahlungsverpflichtung ist auf dem Grundstck (Beschrieb nach dem Grundbuch) fr den Vermchtnisnehmer an erster Rangstelle eine Reallast nach § 1105 BGB einzutragen. Die Ablçsungssumme fr diese Reallast beluft sich auf den Monatsbetrag der in dem dem Erbfall folgenden Monat zu zahlenden Rente multipliziert mit der Anzahl der Monate bis zur Vollendung des 90. Lebensjahres des Berechtigten. Sie ermßigt sich jeweils zum 31. 12. eines Jahres um die in diesem Jahr zahlbaren Monatsrenten. Der erste Ablçsungsbetrag ist nach Bestimmung des Berechtigten entweder als dinglicher Inhalt der Reallast oder als besondere Buchgrundschuld im Grundbuch einzutragen.
V. Das wertgesicherte Kapitalvermächtnis 237
Beim Vermächtnis einer Geldsumme hat der Erblasser regelmäßig einen bestimmten Geldbetrag auszuwerfen. Lediglich im Rahmen eines Zweckvermächtnisses nach § 2156 BGB kann er die Bestimmung einem Dritten überlassen, etwa indem er einem Verwandten den zur Berufsausbildung notwendigen Geldbetrag nach Bestimmung des Testamentsvollstreckers vermacht. Im Übrigen zwingt das Verbot der Drittbestimmung des § 2065 BGB zur Notwendigkeit der Festlegung in der letztwilligen Verfügung. Möglich, aber streitträchtig und damit meist nicht empfehlenswert ist das Vermächtnis eines Geldbetrages in Höhe einer Quote des Brutto- oder Nettonachlasses. Da der Erblasser in der Regel genau weiß, welchen Geldbetrag ein bestimmter Vermächtnisnehmer erhalten soll, empfiehlt sich zur Ausschaltung des Geldwertverfalls zwischen Testamentserrichtung und Erbfall die Indexklausel. Sie unterliegt dem Preisklauselgesetz nicht, da das von diesem vorausgesetzte Schuldverhältnis erst mit dem Anfall des Vermächtnisses entsteht.1
1 So die allgemeine Ansicht zu § 3 WährungsG (Vorgängerregelung), Eppig, DNotZ 1951, 408; Kehrer, BWNotZ 1962, 145; v. Oertzen, ZEV 1994, 160.
360
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
M 113
Wertgesichertes Geldvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem . . . setze ich als Vermchtnis 10 000 Euro aus. Dieser Betrag verndert sich in demselben prozentualen Verhltnis, wie sich der Verbraucherpreisindex fr Deutschland ab heute bis zum Erbfall verndert.
VI. Das Vorausvermächtnis 1. Begriff und Anwendungsfälle Nach der Definition des § 2150 BGB ist Vorausvermächtnis das dem Erben 238 selbst zugewandte Vermächtnis. Es gilt als Vermächtnis auch insoweit, als der Erbe selbst beschwert ist. Häufigste Anwendungsformen sind das Vorausvermächtnis an einen von mehreren Miterben und das Vorausvermächtnis an den Vorerben. 2. Vorausvermächtnis zugunsten des alleinigen Vollerben Das mögliche Vorausvermächtnis zugunsten des Alleinerben kann dem 239 Erben keinen Anspruch gegen sich selbst verschaffen, wird aber wie ein Vermächtnis behandelt und kann dem Alleinerben zum Vorteil gereichen, z.B. gegenüber dem Testamentsvollstrecker.1 Dies kann insbesondere für letztwillig verfügende Partner einer nichtehe- 240 lichen Lebensgemeinschaft bedeutsam sein, die noch nicht wissen, ob sie einander heiraten, und sich sowohl zu Alleinerben als auch vorausvermächtnisweise zu Wohnungsrechtsberechtigten einsetzen, um im Erbfall je nach steuerrechtlicher Konstellation ausschließlich die Erbenstellung oder das Vermächtnis auszuschlagen. Umgekehrt kann sich im Hinblick auf § 2085 BGB bspw. im Falle der Ent- 241 erbung eines Kindes durch den längstlebenden Elternteil bei Geltendmachung des Pflichtteils auf den Tod des erstversterbenden Elternteils ggf. eine Klarstellung dergestalt empfehlen, dass das Vorausvermächtnis entfällt, wenn der Vorausvermächtnisnehmer nicht zugleich Schlusserbe wird.
M 114
Vorausvermchtnis an den Alleinerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Als Vorausvermchtnis erhlt der Alleinerbe das Recht, vom Testamentsvollstrecker die Freigabe meines PKW aus der Testamentsvollstreckung zu verlangen.
1 Palandt/Weidlich, § 2150 BGB Rz. 2.
361
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
3. Vorausvermächtnis zugunsten eines Miterben 242
Ein mit einem Vorausvermächtnis bedachter Miterbe ist Nachlassgläubiger und kann die Erfüllung seines Vermächtnisanspruchs schon vor der Erbauseinandersetzung verlangen. Hierzu steht ihm nach allgemeiner Ansicht die Gesamthandsklage des § 2059 Abs. 2 BGB zu.
M 115
Vorausvermchtnis an den Miterben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Miterbe . . . erhlt als Vorausvermchtnis vorweg ohne Anrechnung auf seinen Erbteil den Betrag von 20 000 Euro.
4. Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben 243
Nacherbfolge kann nur hinsichtlich des gesamten Nachlasses bzw. eines Erbteils angeordnet werden. Eine gegenständliche Beschränkung auf einzelne Nachlassgegenstände ist rechtlich nicht möglich. Das Ergebnis, dass der Vorerbe einzelne Gegenstände des Nachlasses frei von den Beschränkungen der Nacherbfolge, also zu seinem eigenen frei verfügbaren und vererblichen Vermögen erhält, kann aber dadurch erreicht werden, dass dem Vorerben diese Gegenstände als Vorausvermächtnis zugewendet werden, §§ 2110, 2150 BGB (s. dazu ausführlich oben Rz. 106 ff.). Ist das Vorausvermächtnis einem Mitvorerben zugewandt, so ist die Mitvorerbengemeinschaft verpflichtet, ihm den Gegenstand zu freiem Recht zu übertragen, § 2174 BGB (s. dazu ausführlich oben Rz. 113). Handelt es sich bei dem Begünstigten um den alleinigen Vorerben, so fällt der Gegenstand mit dem Erbfall automatisch in dessen freies Vermögen (s. dazu ausführlich oben Rz. 106 ff.). Das Vorausvermächtnis hat hier also dingliche Wirkung.1 Im Grundbuch ist kein Nacherbenvermerk einzutragen. Im Erbschein ist anzugeben, dass sich das Nacherbenrecht nicht auf den vermachten Gegenstand erstreckt. Durch das Vorausvermächtnis des gesamten beweglichen Nachlasses kann die Nacherbfolge im Ergebnis auf das Grundvermögen beschränkt werden.
M 116
Vorausvermchtnis an den Vorerben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Als Vorausvermchtnis erhlt der Vorerbe mein gesamtes bewegliches Vermçgen. Fr Grundstcke verbleibt es bei der angeordneten Nacherbfolge.
1 BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60 = MDR 1960, 483 = NJW 1960, 959.
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
VII. Das Untervermächtnis Beim Untervermächtnis ist der Vermächtnisnehmer seinerseits wieder 244 mit einem Vermächtnis beschwert, §§ 2186 bis 2188 BGB. Es kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dem Vermächtnisnehmer die Substanz, dem Untervermächtnisnehmer die Nutzung zugewendet werden soll.
M 117
Untervermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Enkel . . . setze ich als Vermchtnis das Hausgrundstck (Beschrieb nach dem Grundbuch) aus. Als Untervermchtnis erhlt meine Tochter . . . , die Mutter des . . . , den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an dem Hausgrundstck bei voller Lastentragung durch den Nießbraucher als wirtschaftlichen Eigentmer.
VIII. Das Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben 1. Alternative zur befreiten Vorerbschaft Auch der befreite Vorerbe unterliegt so gravierenden Verfügungs- und Ver- 245 waltungsbeschränkungen und Sicherungs- und Kontrollrechten des Nacherben, dass seine Freiheit oft stärker eingeschränkt ist, als es der Erblasser ihm eigentlich zumuten will. Zu diesen Beschränkungen gehört vor allem das zwingende Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB. Diese nicht dispositiven Beschränkungen sind nur Folge, nicht Ziel der erbrechtlichen Gestaltung, wenn der Erblasser zwar das Schicksal seines Nachlasses über den Tod des Erben hinaus bestimmen will, dieser aber „superbefreiter“1 oder „völlig befreiter“2 Vorerbe sein soll. Wünscht der Erblasser eine weitestgehende lebzeitige Verfügungsfreiheit seines Erben einerseits, bei dessen gleichzeitiger Bindung an seine letztwillige Vorgabe andererseits, wer den noch verbleibenden Nachlassrest auf den Tod des Erben erhalten soll, kommt ein Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben als Gestaltungsmittel in Betracht.3 Dem steht nach § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Dreißigjahresfrist iSd. § 2162 BGB nicht entgegen. Hierdurch werden insbesondere die Nachteile der nach § 2136 BGB nicht disponiblen Beschränkungen einer Nacherbfolgeanordnung umgangen, zu denen vor allem die Unwirksamkeit (teil-)unentgeltlicher Verfügungen nach § 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB und die Verzeichnispflicht aus § 2121 BGB zählen. Darüber hinaus bleiben dem Erben auf diese Weise eventuelle weitere Unannehmlichkeiten erspart, die selbst im Falle einer vollentgeltlichen Veräußerung unter nach §§ 2136, 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB befreiter Vorerbschaft dadurch 1 J. Mayer, ZEV 2000, 1. 2 Wingerter, Die Erweiterung der Befugnisse des befreiten Vorerben, 2000, S. 3. 3 Reimann, MittBayNot 2002, 4 ff.
363
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
entstehen können, dass das Grundbuchamt den Nacherben, bei deren Unbekanntsein einem Pfleger iSd. § 1913 BGB vor Löschung des Nacherbenvermerks rechtliches Gehör hinsichtlich des Nachweises der Vollentgeltlichkeit der Veräußerung gewähren muss.1 Beispiel: Der sehr vermögende Erblasser hat nur eine kinderlose Tochter, der er ebenso sehr vertraut wie er seinem Schwiegersohn misstraut. Er möchte sein Vermögen nach dem Tod der zur Alleinerbin eingesetzten Tochter einer gemeinnützigen Organisation zukommen lassen. Zu Lebzeiten soll die Tochter freie Hand haben, die Organisation soll nur den Überrest erhalten. Hier bietet sich das auf den Tod des Erben aufschiebend befristete Herausgabevermächtnis als Alternativgestaltung zur Vor- und Nacherbschaft an.2
2. Rechtliche Konstruktion 246
Dem Bestreben nach größtmöglicher Freiheit des Erben entspricht das befristete Herausgabevermächtnis. Bei ihm fällt nach § 2177 BGB das Vermächtnis erst an, wenn die Bedingung oder der Termin eintreten. Da der Tod des Erben nicht ungewiss ist, handelt es sich nicht um eine Bedingung, sondern um eine Befristung. Die Formulierung sollte klarstellen, dass die aufschiebende Befristung i.S.v. § 2177 gewollt ist und nicht das bloße Hinausschieben der Fälligkeit eines mit dem Tod des Erblassers anfallenden Vermächtnisses.3 Diese Gestaltung wird ebenso allgemein als zulässig eingesehen wie die Möglichkeit eines Herausgabevermächtnisses auf den Überrest.4 Die ergänzende Auslegungsregel des § 2103 BGB steht dem Vermächtnis auf den Überrest nicht entgegen.5 Die 30-jährige Frist des § 2162 BGB ist nach § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht einschlägig, wenn die mit dem Vermächtnis beschwerte Person der Erbe ist. 3. Vermächtnisanwartschaft
247
Der mit dem durch den Tod des Erben aufschiebend befristeten Vermächtnis Bedachte hat zwischen Erbfall und Vermächtnisanfall eine Anwartschaft unterhalb der Ebene des echten Anwartschaftsrechts, die grundsätzlich vererblich, übertragbar und verpfändbar ist.6 Der Testamentsgestalter hat dies zu regeln, regelmäßig durch Ausschluss der Übertragbarkeit und Vererblichkeit, gegebenenfalls durch Einsetzung eines Ersatzvermächtnisnehmers.
1 Vgl. dazu OLG Hamm v. 16.1.1984 – 15 W 3/84, Rpfleger 1984, 312 (313); Jung, Rpfleger 1999, 204 (208). 2 Vgl. Bühler, BWNotZ 1967, 174; Zawar, Das Vermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 1983; Zawar, DNotZ 1986, 515; Watzek, MittRhNotK 1999, 37. 3 Palandt/Weidlich, § 2177 BGB Rz. 4. 4 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 21 Rz. 43. 5 Palandt/Weidlich, § 2103 BGB Rz. 2. 6 OLG Oldenburg v. 27.2.1990 – 5 U 130/89, MDR 1990, 633 = FamRZ 1990, 912 = NJWRR 1990, 650 mwN.
364
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
4. Rechtsverhältnis Erbe – Vermächtnisnehmer Im Übrigen finden nach § 2179 BGB die §§ 160 Abs. 1, 162 BGB Anwen- 248 dung, nicht aber der nur für aufschiebend bedingte Verfügungen geltende § 161 BGB.1 Eine Verfügung des Erben über den Vermächtnisgegenstand ist also wirksam, kann aber bei Verschulden des Erben einen Schadensersatzanspruch des Vermächtnisbedachten nach § 160 BGB wegen Vereitelung oder Beeinträchtigung des Vermächtnisses auslösen, der auf den Tod des Erben geltend gemacht werden kann. Auch diesen schwachen Schutz des Vermächtnisbedachten kann der Erblasser dadurch außer Kraft setzen, dass er dem Erben jegliche Verfügungen über den Vermächtnisgegenstand gestattet und den Vermächtnisnehmer nur auf den Überrest einsetzt. Nach § 2185 BGB kann der Erbe für Verwendungen auf den Vermächtnis- 249 gegenstand vom Bedachten Ersatz gem. §§ 994 ff. BGB verlangen. Der Erblasser kann den Verwendungsersatzanspruch regeln, insbesondere ihn ausschließen.2 Der aufschiebend bedingte Übereignungsanspruch des Bedachten ist bei 250 Grundstücken durch Vormerkung sicherbar.3 Der Testamentsgestalter sollte regeln, ob die Eintragung einer Vormerkung zu erfolgen hat oder nicht. Die Frage der Surrogation kann durch Bezug auf § 2111 BGB geregelt wer- 251 den. Ein Nachlassverzeichnis wird der Erbe, wenn er eigenes Vermögen hat, schon im Interesse seines eigenen Erben anlegen und fortführen, um diesem Streitigkeiten mit dem Vermächtnisnehmer zu ersparen. 5. Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses Das Herausgabevermächtnis geht den Pflichtteilsansprüchen der eigenen 252 Erben des mit dem Vermächtnis belasteten Erben vor, da es nach ganz hM eine nach § 2311 BGB zu berücksichtigende Erblasserschuld ist und als Nachlassverbindlichkeit des Erben iSd. §§ 1967 Abs. 1, 1922 BGB auf den Tod des Erblassers – somit insbesondere nicht etwa als Verbindlichkeit des Erbeserben aufgrund Anordnung des Erben als Erblasser iSd. § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO – zugunsten des Vermächtnisnehmers vorab vom Nachlass des Erben in Abzug gebracht wird.4 Nur aus dem Nachlass des Erben abzüglich 1 Palandt/Weidlich, § 2179 BGB Rz. 2; MünchKomm.BGB/Rudy, § 2179 BGB Rz. 4; Bühler, BWNotZ 1967, 174; Bungeroth, NJW 1967, 1357). 2 Bühler, BWNotZ 1967, 181. 3 BayObLG v. 22.12.1980 – 2 Z 62/80, MittBayNot 1981, 72. 4 MünchKomm.BGB/Lange, § 2311 BGB Rz. 15; Schlitt/Müller/Blum, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 3 Rz. 57; Schlitt/Müller/G. Müller, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 11 Rz. 249 u. 258; Burandt/Rojahn/G. Müller, § 2311 BGB Rz. 28; Reimann, MittBayNot 2002, 4, 7 f.; Beck’sches Formularbuch Erbrecht/Keim, C II 2 Nr. 7; Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Nieder, ZEV 1994, 158; G. Müller, ZEV 1996, 181; Wagner, ZEV 1997, 370; Busse, MittRhNotK 1998, 239; Kanzleiter, DNotZ 2001, 152; Hölscher, ZEV 2009, 215; Hölscher, ZEV 2011, 569 ff.; Rohlfing, Erbrecht in der anwaltlichen Praxis, Rz. 133 f.; kritisch J. Mayer, ZEV 2000, 1 (9): Restzweifel an der Abzugsfähigkeit
365
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
des Vermächtnisgegenstandes berechnen sich die Pflichtteile der eigenen Erben des Erben.1 Im Beispielsfall braucht der Erblasser also nicht zu befürchten, dass der Schwiegersohn beim Tod der Tochter Pflichtteilsansprüche aus dem dem Vermächtnis unterliegenden Vermögen ableiten kann. 253
Da die Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses von einer Mindermeinung in der Literatur in Frage gestellt wird, sollte jedoch bis zum Vorliegen diesbezüglicher höchstrichterlicher Rspr. unter Hinweis auf Restrisiken zwischen den Beeinträchtigungen des Nacherben aus der absolut pflichtteilsfesten Nacherbfolgeanordnung einerseits und den pflichtteilsrechtlichen Restrisiken des Herausgabevermächtnisses andererseits sorgfältig abgewogen werden.
M 118
Herausgabevermchtnis auf den Tod des Erben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meine Tochter . . . zu meiner alleinigen Erbin ein. Auf den Tod meiner Tochter geht das, was von meinem Nachlass dann noch brig ist, auf den . . . e.V. als Vermchtnis ber. Der . . . e.V. wird nicht Nacherbe, sondern erhlt den berrest meine Nachlasses als aufschiebend befristetes Herausgabevermchtnis, das erst mit dem Tod meiner Tochter anfllt und gleichzeitig fllig wird. Die Anwartschaft des Vermchtnisbedachten ist nicht bertragbar und nicht vererblich. Meine Tochter kann und darf als unbeschrnkte Erbin in jeder rechtlich mçglichen Weise, auch unentgeltlich, ber meinen Nachlass verfgen. Der Vermchtnisbedachte kann eine Nachlassverzeichnung nicht verlangen, ebenso nicht Sicherheiten, auch nicht durch Vormerkung bei Grundstcken. Zum Vermchtnisgegenstand gehçren alle Surrogate i.S.v. § 2111 BGB. Die Erbin hat keinen Anspruch auf Verwendungsersatz iSv. § 2185 BGB. Ich ordne Testamentsvollstreckung zur Erfllung des Herausgabevermchtnisses an. Der Testamentsvollstrecker erhlt eine Vergtung von . . . vom Hundert des Bruttowertes des Vermchtnisbestandes. Das Nachlassgericht wird gebeten, auf Antrag des Vermchtnisnehmers den Testamentsvollstrecker zu bestimmen und zu bestellen. Fr den Fall des Wegfalls der eingesetzten Erbin gleich aus welchem Grund setze ich den . . . e.V. zum Ersatzerben ein.
des Herausgabevermächtnisses wegen Unsicherheit aufgrund Vorhandenseins bereits beim Tod des Beschwerten; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rz. 531 mit Vorschlag eines auflösend bedingten Herausgabevermächtnisses; Schwarz ZEV 2011, 292 (294 f.): mit Vorschlag eines auflösend bedingten erst beim Tod der beschwerten Erben fälligen Herausgabevermächtnisses mit Zweckauflage; dagegen wiederum Hölscher, ZEV 2011, 569 ff. 1 Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Reimann, MittBayNot 2002, 4 (7 f.); Rohlfing, Erbrecht in der anwaltlichen Praxis, 1999, Rz. 133 ff.; Watzek, MittRhNotK 1999, 37 (41 f.); aA Reimann/Bengel/J. Mayer, A Rz. 431.
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
Offen ist die Problematik der Pflichtteilsfestigkeit hingegen bei Verschaf- 254 fungsvermächtnissen.1
IX. Das Vor- und Nachvermächtnis 1. Rechtliche Konstruktion § 2191 BGB bestimmt, dass dann, wenn der Erblasser einen Vermächtnis- 255 gegenstand zunächst dem ersten Vermächtnisnehmer und von einem nach Anfall des Vermächtnisses eintretenden Zeitpunkt oder Ereignis an dem zweiten Vermächtnisnehmer zuwendet, der Vorvermächtnisnehmer mit dem Nachvermächtnis beschwert ist. Das Nachvermächtnis ist eine besondere Form des Untervermächtnisses, ein aufschiebend bedingtes oder befristetes weiteres Vermächtnis, das nicht den Erben, sondern den Vorvermächtnisnehmer verpflichtet. a) Abgrenzung zur Nacherbfolge Von der Nacherbfolge unterscheidet sich das Nachvermächtnis durch sei- 256 nen lediglich schuldrechtlichen Charakter, § 2174 BGB. Der Vermächtnisgegenstand geht nicht etwa bei Eintritt des bestimmten Zeitpunktes oder Ereignisses automatisch und dinglich auf den Zweitbedachten über, sondern muss in Erfüllung des Vermächtnisses rechtsgeschäftlich übertragen werden. Gem. § 2191 Abs. 2 BGB finden ausschließlich folgende Vorschriften der 257 Nacherbfolge Anwendung: – Die Berufung als Nachvermächtnisnehmer enthält im Zweifel auch die Berufung als Ersatzvermächtnisnehmer. – Hat der Erblasser keinen Zeitpunkt für den Anfall bestimmt, fällt das Nachvermächtnis mit dem Tode des Vorvermächtnisnehmers an. – Hat der Erblasser einen kinderlosen Abkömmling zum Vermächtnisnehmer berufen und mit einem Nachvermächtnis beschwert, so ist das Nachvermächtnis im Zweifel nur für den Fall bestimmt, dass der Vorvermächtnisnehmer ohne Abkömmlinge stirbt. – Das Recht des Nachvermächtnisnehmers erstreckt sich im Zweifel auch auf einen Vermächtnisanteil, der dem Vorvermächtnisnehmer infolge Wegfalls eines Mitvermächtnisnehmers angefallen ist. Alle übrigen Vorschriften über die Nacherbfolge sind auf das Nachver- 258 mächtnis auch nicht entsprechend anwendbar. Das bedeutet vor allem, dass es beim Nachvermächtnis keine dingliche Surrogation wie nach § 2211 BGB gibt. Der Nachvermächtnisnehmer wird aber durch die schuldrechtliche Surrogation gem. § 285 BGB sowie durch die Schadensersatzpflicht nach § 280 BGB geschützt. 1 Vgl. DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 21 ff.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
259
Ein für die Testamentsgestaltung wesentlicher Vorteil des Nachvermächtnisses gegenüber der Nacherbfolge besteht darin, dass die Nacherbfolge – ausgenommen der Kunstgriff mittels des Vorausvermächtnisses an den Vorerben (s. dazu ausführlich oben Rz. 106 ff.) – nur für den Nachlass insgesamt und nicht gegenständlich begrenzt bestimmt werden kann, während das Nachvermächtnisses gezielt lediglich für einen bestimmten Gegenstand, etwa ein Grundstück, oder ein Zweckvermögen, etwa ein Unternehmen, angeordnet werden kann. b) Das Nachvermächtnis als Untervermächtnis
260
Aus dem Charakter des Nachvermächtnisses als Untervermächtnis ergibt sich, dass das Vermächtnisobjekt nicht wieder an den Erben zurückfällt, sondern bei Eintritt des bestimmten Zeitpunktes oder Ereignisses zunächst beim Vorvermächtnisnehmer verbleibt mit der diesen und nicht den Erben treffenden Verpflichtung, es auf den Nachvermächtnisnehmer zu übertragen. Nachvermächtnisnehmer kann auch der Erbe sein, wenn ihm im Wege des „Rückvermächtnisses“ der Vermächtnisgegenstand bei Eintritt des Zeitpunktes oder Ereignisses zurückzuübertragen ist.
261
Besonderheiten des Nachvermächtnisses bestehen in zweierlei Weise. Einmal muss anders als bei sonstigen Untervermächtnissen nach § 2191 Abs. 1 BGB der Gegenstand von Vorvermächtnis und Nachvermächtnis identisch sein. Dies schließt nach allgemeiner Ansicht aber ein Nachvermächtnis auf den Überrest, also auf das, was der Vorvermächtnisnehmer vom Vermächtnisgegenstand im Zeitpunkt des Nachvermächtnisfalles noch hat, nicht aus. Zum Zweiten fällt das Nachvermächtnis nicht wie sonstige Untervermächtnisse im selben Zeitpunkt wie das Vermächtnis an, sondern erst zum späteren Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung oder aufschiebenden Befristung. 2. Anwendungsfälle, praktische Bedeutung
262
Das Nachvermächtnis hat eine breite und dogmatisch sorgfältige literarische Aufarbeitung erfahren.1 Als Gestaltungsmittel diskutiert wird es2 insbesondere für das Geschiedenentestament (vgl. 6. Kap. Rz. 39 ff.), das Verschuldetentestament (vgl. 6. Kap. Rz. 151 f.) und das Behindertentestament (vgl. 6. Kap. Rz. 140 ff.).
263
Hinsichtlich des praktischen Einsatzes des Nachvermächtnisses sind drei Fallgruppen mit unterschiedlichen Gestaltungszielen zu unterscheiden, wobei die Alternative immer die Wahl der Vor- und Nacherbfolge ist.
1 Bengel, NJW 1990, 1826; Werkmüller, ZEV 1999, 343; Watzek, MittRhNotK 1999, 37; Randt, BWNotZ 2001, 73; Hartmann, ZEV 2007, 458; Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007. 2 Z.B. von Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007.
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
Bei der ersten Fallgruppe geht es um die Erhaltung eines bestimmten Ge- 264 genstandes, etwa eines Grundstücks, eines Kunstgegenstandes oder wertvollen Schmuckstücks, in der Generationennachfolge. Die Anordnung von Vor- und Nacherbfolge scheitert hier an der Unzulässigkeit der Beschränkung auf Einzelgegenstände oder der Unverhältnismäßigkeit der Anordnung von Vorvermächtnissen für alle anderen Nachlassgegenstände. Hier ist das Nachvermächtnis die einfachste Lösung.1 Bei der zweiten Fallgruppe geht es darum, die Position des Vorvermächt- 265 nisnehmers im Vergleich zu der des Vorerben zu stärken. Der Erstbedachte soll den gesetzlichen Beschränkungen des Vorerben nicht unterworfen sein. Das Nachvermächtnis wird hier nur angeordnet, um den Vermächtnisgegenstand den gesetzlichen oder gewillkürten Erben des Erstbedachten zu entziehen. Dies ist insbesondere der Fall des Geschiedenentestaments. Bei der dritten Fallgruppe kommt es dem Erblasser darauf an, die Position 266 des Erstbedachten im Vergleich zu der des Vorerben schwächer auszugestalten. Der Nachbedachte soll so weit wie möglich gegen Verfügungen des Erstbedachten geschützt werden. Dieser Erstbedachte soll aber nicht die Position eines Erben oder Miterben haben, sondern lediglich Vermächtnisnehmer sein. Dies sind die Fälle des Verschuldetentestaments und insbesondere des Behindertentestaments.2 3. Die Rechtsstellung des Nachvermächtnisnehmers zwischen Erbfall und Anfall des Nachvermächtnisses In der Schwebezeit zwischen dem Anfall des Vermächtnisses und dem 267 Anfall des Nachvermächtnisses hat der Nachvermächtnisnehmer eine wesentlich schwächere Stellung als der Nacherbe. Dem Nacherben steht zwischen Vorerbfall und Nacherbfall ein echtes, dinglich geschütztes Anwartschaftsrecht zu.3 Die Verfügungsmacht des Vorerben über die Vorerbschaft ist unter Lebenden nach §§ 2113 ff. BGB beschränkt, von Todes wegen besteht keine Verfügungsmacht. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen eigener Schulden des Erben sind dem Nacherben gegenüber nach § 2115 BGB relativ unwirksam. Nach § 2111 BGB gilt dingliche Surrogation. Das Anwartschaftsrecht ist veräußerlich, vererblich, verpfändbar, pfändbar und fällt in die Insolvenzmasse des Nacherben. Beim Nacherbfall fällt der der Nacherbschaft unterliegende Nachlass dem Nacherben im Wege der Universalsukzession nach § 2139 BGB unmittelbar an. Diese Vorschriften sind sämtlich auf das Nachvermächtnis nicht entspre- 268 chend anwendbar. Ein echtes Anwartschaftsrecht steht dem Nachver-
1 Siehe das Muster am Schluss dieses Abschnitts, M 119. 2 Hartmann, ZEV 2007, 458: „Vorvermächtnis mit Vorerbschaftswirkung“. 3 Vgl. nur Palandt/Weidlich, § 2108 BGB Rz. 2.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
mächtnisnehmer nicht zu.1 Der Vorvermächtnisnehmer ist in seiner lebzeitigen Verfügungsbefugnis über den Vermächtnisgegenstand nicht beschränkt. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Eigengläubigern des Vorvermächtnisnehmers in den Vermächtnisgegenstand sind wirksam und können auch nicht durch Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO blockiert werden. Der Vermächtnisgegenstand fällt bei Insolvenz des Vorvermächtnisnehmers in die Insolvenzmasse. Der Nachvermächtnisnehmer hat kein Aussonderungsrecht. Dingliche Surrogation findet nicht statt. Beim Anfall des Nachvermächtnisses steht dem Nachvermächtnisnehmer lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf dingliche Erfüllung des Vermächtnisses zu. 269
Geschützt wird der Nachvermächtnisnehmer in der Zeit zwischen dem Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses nach § 2179 BGB lediglich durch die Anwendung der Vorschriften, die für den Fall gelten, dass eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird. Es sind dies § 160 BGB, der einen Schadensersatz gegen den Vorvermächtnisnehmer bei verschuldeter Vereitelung oder Beeinträchtigung des Nachvermächtnisses gewährt, und § 162 BGB, der die treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts durch dessen Fiktion sanktioniert. Der § 161 BGB als wirkungsvollste Schutzvorschrift des bedingten Erwerbs kommt nicht zur Anwendung, weil die Begründung des schuldrechtlichen Erfüllungsanspruchs des Nachvermächtnisnehmers keine Verfügung im Sinne dieser Vorschrift ist.2 Zur Anwendung des § 161 BGB kommt man nur dann, wenn der Erblasser dem Nachvermächtnisnehmer ein zusätzliches Vermächtnis des Inhalts zuwendet, dass der Vorvermächtnisnehmer verpflichtet ist, den Vermächtnisgegenstand dem Nachvermächtnisnehmer unmittelbar mit Anfall des Vorvermächtnisses aufschiebend bedingt oder befristet zu übereignen.3
270
An Stelle der dinglichen Surrogation bei Nacherbschaft kommt dem Nachvermächtnisnehmer die schuldrechtliche Surrogation nach § 285 BGB zugute.4 Nach ihr hat der Vorvermächtnisnehmer bei Anfall des Nachvermächtnisses den Ersatz oder Ersatzanspruch für den Vermächtnisgegenstand herauszugeben, dessen Übertragung nach dem Anfall des Vorvermächtnisses unmöglich geworden ist. Vom Nachvermächtnis erfasst werden auch Surrogate nach §§ 2169 Abs. 3, 2172 Abs. 2, 2173, 2184 BGB sowie Ersatzansprüche nach §§ 2182, 2183 BGB.5
1 Zur Beschreibung der Rechtsposition des Nachvermächtnisnehmers als „Anwartschaft“ im Sinne einer minderen Form des Anwartschaftsrechts und den hieraus resultierenden Problemen vgl. Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 247 ff. 2 Zawar, DNotZ 1986, 515 (524); Watzek, MittRhNotK 1999, 37 (38). 3 Zawar, NJW 2007, 2353. 4 Bühler, BWNotZ 1967, 175; Staudinger/Otte, § 2179 BGB Rz. 3, § 2191 BGB Rz. 7. 5 AnwaltKomm/J. Mayer, § 2191 BGB Rz. 6.
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
4. Kautelarjuristische Verstärkung der Stellung des Nachvermächtnisnehmers a) Eintragung einer Auflassungsvormerkung Ist ein Grundstück Gegenstand des Nachvermächtnisses, so lässt sich ein 271 Schutz des Nachvermächtnisnehmers gegen Zwischenverfügungen des Vorvermächtnisnehmers und Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger dadurch erreichen, dass der Erblasser dem Vorvermächtnisnehmer im Wege des zusätzlichen Untervermächtnisses auferlegt, die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu bewilligen, die den künftigen Eigentumserwerbsanspruch des Nachvermächtnisnehmers sichert.1 b) Verpflichtung zur aufschiebend bedingten oder befristeten Übereignung Bei Mobilien kann der Erstbedachte im Wege des weiteren Unterver- 272 mächtnisses verpflichtet werden, den Vermächtnisgegenstand unmittelbar nach dem Erwerb dem Zweitbedachten aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Nachvermächtnisfalles zu übereignen.2 c) Anordnung von Testamentsvollstreckung Das wirksamste Mittel, um das Nachvermächtnis im Ergebnis der Nach- 273 erbschaft anzugleichen, ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung.3 Dabei ist nacheinander dafür Sorge zu tragen, dass zunächst der Vorvermächtnisnehmer den Vermächtnisgegenstand erwirbt, dieser dann im Vermögen des Vorvermächtnisnehmers erhalten bleibt und schließlich der Erwerb durch den Nachvermächtnisnehmer sichergestellt ist. Dies bedingt eine Aufeinanderfolge von Erfüllungsvollstreckung, Verwaltungsvollstreckung und nochmals Erfüllungsvollstreckung als Teile einer einheitlichen Testamentsvollstreckung. Eine allgemeine Vermächtnisvollstreckung ist zwar im Gesetz nicht aus- 274 drücklich erwähnt, wird aber allgemein für zulässig erachtet, dies auch in Form der Verwaltungsvollstreckung.4 § 2223 BGB wird nicht als abschließend angesehen. Bei der Vermächtnisvollstreckung ist der Vermächtnisnehmer grundsätzlich denselben Vorschriften unterworfen, die bei der eigentlichen Testamentsvollstreckung den Erben beschränken.5 Durch An-
1 LG Aachen v. 26.5.1986 – 3 T 98/86, Rpfleger 1986, 306; Zawar, DNotZ 1986, 515 (525); Kraiß, BWNotZ 1986, 12; Bengel, NJW 1990, 1826 (1828); Hartmann, ZEV 2007, 459. 2 Zawar, Das Vermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 1983, S. 86; Watzek, MittRhNotK 1999, 37 (46); Hartmann, ZEV 2007, 459. 3 Ausführlich Hartmann, ZEV 2007, 458 (459 mwN). 4 BGH v. 29.4.1954 – IV ZR 152/53, BGHZ 13, 203 (206) = NJW 1954, 1036; AnwaltKomm/J. Mayer, § 2191 BGB Rz. 24. 5 BGH v. 29.4.1954 – IV ZR 152/53, BGHZ 13, 203 (206) = NJW 1954, 1036.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
ordnung einer bis zum Eintritt des Nachvermächtnisfalles währenden Vermächtnisvollstreckung wird der Vermächtnisgegenstand der Verfügung des Vorvermächtnisnehmers und seiner Gläubiger entzogen, beim Vorvermächtnisnehmer durch die alleinige Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nach § 2205 BGB, bei den Gläubigern durch § 2214 BGB. 275
Hartmann1 weist zu Recht daraufhin, dass sich zwar aus der Anordnung eines Nachvermächtnisses schlüssig die dinglich wirkende Verfügungsbeschränkung des Testamentsvollstreckers des Inhalts, dass dieser während der Verwaltungsvollstreckung nicht zur Veräußerung des Vermächtnisgegenstandes befugt ist, ergibt, dass es sich aber trotzdem empfiehlt, dies ausdrücklich in der Verfügung von Todes wegen klarzustellen. Hierdurch wird vor allen Dingen sichergestellt, dass der Nachlassrichter diese Beschränkung gem. § 2368 Abs. 1 Satz 2 BGB in das Testamentsvollstreckerzeugnis aufnimmt und damit den öffentlichen Glauben des Zeugnisses hinsichtlich einer unbeschränkten Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers ausschließt.
276
Erforderlich ist es schließlich, eine Vermächtniserfüllungsvollstreckung im Anschluss an die Verwaltungsvollstreckung für die Übereignung des Vermächtnisgegenstandes vom Vorvermächtnisnehmer oder seinen Erben auf den Nachvermächtnisnehmer ausdrücklich anzuordnen. Die Zulässigkeit dieser Abwicklungsvollstreckung ergibt sich nach ganz herrschender Meinung2 aus § 2223 BGB, wonach ein Testamentsvollstrecker auch zu dem Zweck ernannt werden kann, „dass dieser für die Ausführung der einem Vermächtnisnehmer auferlegten Beschwerungen sorgt“. Zu diesen Beschwerungen gehören nach ganz h.M. auch Nachvermächtnisse. Dies wird von einer Mindermeinung3 bestritten, die gleichwohl eine aufgabenverlängernde Testamentsvollstreckung zur Nachvermächtniserfüllung dann für möglich hält, wenn der Erblasser dies gesondert anordnet. Wohlgemerkt bilden dann die vorbezeichneten drei Aufgaben des Vermächtnistestamentsvollstreckers, also die Erfüllung des Vorvermächtnisses, die Verwaltung des Vorvermächtnisses und die Erfüllung des Nachvermächtnisses, Teile einer einheitlichen, übergreifenden Testamentsvollstreckung.4 5. Verfügbarkeit der Anwartschaft des Nachvermächtnisnehmers
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Die dem Nachvermächtnisnehmer zustehende Anwartschaft auf Übereignung des Vermächtnisgegenstandes kann unter Lebenden übertragen5 und damit auch gepfändet und verpfändet werden. Sie ist nach überwiegender Ansicht auch vererblich.6 Diese Veräußerlichkeit und Vererblichkeit sollte der Erblasser regelmäßig ausdrücklich ausschließen. 1 2 3 4 5 6
Hartmann, ZEV 2007, 458, (459). Nachweise bei Hartmann, 2007, 460 Fn. 20. Damrau/J. Mayer, ZEV 2001, 293. So richtig Hartmann, ZEV 2007, 458 (460 ff.). BGH v. 25.3.1963 – III ZB 2/63, MDR 1963, 824 = NJW 1963, 1918. Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 266 ff. m.w.N.
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C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
M 119
Vor- und Nachvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Als Vermchtnis erhlt Frau . . . , die Tochter meines verstorbenen Bruders . . . , meine Eigentumswohnung in der Gartenstraße 4 in A-Stadt, Grundbuch von A-Stadt Nr. . . . Das Vermchtnis ist unverzglich nach meinem Tod zu erfllen. Frau . . . ist jedoch nur Vorvermchtnisnehmerin. Nachvermchtnisnehmer ist ihr Sohn . . . An ihn ist die Eigentumswohnung unmittelbar nach dem Tod der Vorvermchtnisnehmerin herauszugeben und zu bereignen. Der Nachvermchtnisnehmer ist auch Ersatzvermchtnisnehmer. Fr den Nachvermchtnisnehmer selbst wird kein Ersatzvermchtnisnehmer bestimmt. Seine Anwartschaft zwischen dem Erbfall und dem Tod der Vorvermchtnisnehmerin ist weder verußerlich noch vererblich, ausgenommen die Verußerung an die Vorvermchtnisnehmerin. Die Vorvermchtnisnehmerin wird zugunsten des Nachvermchtnisnehmers auf meinen Tod mit dem Untervermchtnis belastet, fr den Nachvermchtnisnehmer eine Auflassungsvormerkung erstrangig im Grundbuch einzutragen. Der Nachvermchtnisnehmer ist verpflichtet, der Bestellung von Grundpfandrechten im Rang vor seiner Auflassungsvormerkung zuzustimmen, wenn diese zur Sicherung von Darlehen erforderlich sind, die fr die Erhaltung oder Sanierung der Eigentumswohnung verwendet werden. Die Zinsen und Tilgung derartiger Darlehen trgt die Vorvermchtnisnehmerin, solange sie Eigentmerin ist. Verwendungsersatz kann sie insofern gegen den Nachvermchtnisnehmer nicht geltend machen. Der Nachvermchtnisnehmer ist verpflichtet, bei bereignung der Eigentumswohnung diese Darlehen und Grundpfandrechte zur alleinigen Schuld und Berechtigung zu bernehmen.
X. Vermächtnisse mit Auswahl-, Bestimmungs- und Konkretisierungsbefugnissen Dritter 1. Vermächtnis und Drittbestimmungsrechte Insbesondere in der Möglichkeit der Entscheidungsverlagerung auf Dritte 278 nach Eintritt des Erbfalls manifestiert sich die weitaus größere Elastizität des schuldrechtlichen Vermächtnisses gegenüber der Erbeinsetzung. Bei der Erbeinsetzung verbietet § 2065 Abs. 1 BGB die Übertragung der Entscheidung über die Wirksamkeit auf einen anderen, § 2065 Abs. 2 BGB die Übertragung der Entscheidung über die Person und den Erbteil des Erben. Beim Vermächtnis dagegen kann einem Dritten die Entscheidung darüber 279 übertragen werden – wer von mehreren kumulativ benannten Vermächtnisnehmern das Vermächtnis erhalten soll, § 2151 BGB,
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
– zu welchen Anteilen mehrere benannte Vermächtnisnehmer das Vermächtnis erhalten sollen, § 2153 BGB, – welchen von mehreren Gegenständen der Vermächtnisnehmer erhalten soll, § 2154 BGB, – wie ein Gattungsvermächtnis konkretisiert wird, § 2155 BGB, – wie ein Zweckvermächtnis konkretisiert wird, § 2156 BGB. 280
Diese Entscheidungen können auch dem Beschwerten übertragen werden. Der praktische Schwerpunkt liegt aber auf der Entscheidungsverlagerung auf Dritte, insbesondere den Testamentsvollstrecker. 2. Kombination der Drittbestimmungsrechte
281
Die Drittbestimmungsrechte können beliebig miteinander kombiniert werden. Praktische Schwerpunkte liegen auf der Bestimmung des Unternehmensnachfolgers (vgl. 7. Kap. Rz. 115), dem „Supervermächtnis“ zur Ausnutzung der Erbschaftsteuerfreibeträge der Kinder beim Tod des erstversterbenden Ehegatten (vgl. 5. Kap. Rz. 204 ff.) und dem nachfolgend ausformulierten Ausbildungsvermächtnis.
M 120
Ausbildungsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dasjenige oder diejenigen meiner bei meinem Tod lebenden Kinder, das seine Ausbildung noch nicht beendet hat, erhlt als Vermchtnis oder, soweit es Erbe wird, als Vorausvermchtnis zum Zwecke der Erlangung einer Berufsausbildung ein angemessenes Geldvermchtnis. Der Testamentsvollstrecker bestimmt, welches Kind ein Vermchtnis in welcher Hçhe erhalten soll und wie das Vermchtnis sichergestellt und ausbezahlt wird.
XI. Haupt- und Untervermächtnis 282
Wird ein Vermächtnisnehmer (dann Hauptvermächtnisnehmer) wiederum mit einem Vermächtnis (Untervermächtnis) beschwert, ist der Hauptvermächtnisnehmer nach der Fälligkeitsregelung des § 2186 BGB erst dann zur Erfüllung des Untervermächtnisses verpflichtet, wenn er selbst die Erfüllung des Hauptvermächtnisses verlangen kann. Nach § 2187 Abs. 1 BGB steht dem Hauptvermächtnisnehmer dabei ein Erfüllungsverweigerungsrecht zu, das zudem gem. § 2187 Abs. 3 iVm. §§ 1992, 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den diesbezüglichen Vorschriften über die Haftung des Erben zur Dürftigkeitseinrede und Überschuldung ausgestaltet ist.
283
§ 2188 BGB gestattet dem durch Kürzungen wegen eines Pflichtteilsanspruchs (§§ 2318, 2322, 2324 BGB), aus Erfüllungsverweigerung nach § 2187 BGB bzw. Haftungsbeschränkung iSd. § 327 InsO beschwerten Ver374
C. Das Vermchtnis als Instrument der Zuweisung einzelner Nachlassgegenstnde
mächtnisnehmer seinerseits eine entsprechende Kürzung des Untervermächtnisses. Dies kann insbesondere bei Unteilbarkeit der Untervermächtnisleistung bspw. auf Nießbrauchbestellung zu einer problematischen Teilgegenleistungszahlungspflicht des Untervermächtnisnehmers bzw. im Falle dessen Verweigerung zu einem Freistellungszahlungsrecht des Hauptvermächtnisnehmers in anteiliger Höhe führen,1 die bspw. durch eine Ausschließung des Kürzungsrechts vermieden wird.2
M 121
Ausschluss des Krzungsrechts des Hauptvermchtnisnehmers
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit bestimme ich zugunsten des Untervermchtnisnehmers den Ausschluss des Krzungsrechts des Hauptvermchtnisnehmers aus § 2188 BGB.
Der pflichtteilsberechtigte Hauptvermächtnisnehmer ist nach § 2318 284 Abs. 2 BGB dadurch geschützt, dass sein Vermächtnis nur insoweit gekürzt werden kann, als ihm selbst der Pflichtteil verbleibt. Ein in diesen Grenzen durch den Erben gegenüber dem Hauptvermächtnisnehmer ausgeübter Kürzungsbetrag iSd. § 2318 Abs. 2 kann durch den Hauptvermächtnisnehmer nach § 2188 BGB an den Untervermächtnisnehmer weitergegeben werden, wobei der so frei werdende Betrag nach dem Regelungszweck der §§ 2188, 2318 Abs. 2 BGB zur Vermeidung ständiger Neuberechnungen alleine dem Hauptvermächtnisnehmer und nicht dem Erben verbleibt.3
XII. Erbschaftsteuerrechtliche Besonderheiten Auch ein formunwirksames mündliches, aber gleichwohl erfülltes Ver- 285 mächtnis soll trotz grundsätzlicher Übernahme der zivilrechtlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht nach § 41 AO iSd. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigungsfähig sein,4 da die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten dessen wirtschaftliches Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen.5 Entsprechendes gilt auch für einen nicht beurkundeten und daher nach § 2348 BGB formunwirksamen Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag.6
1 BGH v. 21.12.1955 – IV ZR 105/55, FamRZ 1956, 151 = NJW 1956, 507; MünchKomm.BGB/Rudy, § 2188 BGB Rz. 3. 2 Lutz, notar 2014, 347 (348). 3 Lutz, notar 2014, 347 (350) mit Berechnungsbeispiel. 4 FG München v. 15.9.1993 – 4 K 1274/89, UVR 1994, 58; Groll/Muscheler, B XV Rz. 167. 5 BFH v. 5.11.1998 – IV R 32/98, DStRE 1999, 55 (57); Groll/Muscheler, B XV Rz. 167. 6 BFH v. 5.11.1998 – IV R 32/98, DStRE 1999, 55 (57); Groll/Muscheler, B XV Rz. 167.
375
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
286
Zwecks mehrfacher Nutzung von Steuerfreibeträgen bzw. Steueroptimierung können in den Grenzen der durch §§ 2162, 2163 BGB vorgegebenen Dreißigjahresfrist auch durch ein zukünftig ungewisses Ereignis aufschiebend bedingte Vermächtnisse jenseits der Zehnjahresfrist aus § 14 ErbStG ähnlich der sukzessiven Übertragung durch Schenkung erwogen werden, die insbesondere von einem auflösend bedingten oder unter aufschiebender Fälligkeit stehenden Vermächtnis abzugrenzen sind, bspw. ein Vermächtnis an den Ehegatten unter der aufschiebenden Bedingung, dass dieser elf Jahre nach dem Erbfall noch lebt bzw. dann noch lebt und nicht erneut geheiratet hat.1
D. Die Auflage als Instrument der Verpflichtung ohne korrespondierende Berechtigung I. Rechtlicher Inhalt 287
Die Auflage nach §§ 2192 ff. BGB belegt den Erben oder Vermächtnisnehmer mit einer Pflicht, ohne jedoch einem anderen, auch wenn er objektiv durch die Auflage begünstigt sein soll, ein Recht auf Erfüllung der Auflage zu geben. Beispiele sind etwa die Verpflichtung des Erben zur Grabpflege oder zur Errichtung eines der Allgemeinheit zugänglichen Museums.
288
Mit der Auflage kann ein Erbe oder ein Vermächtnisnehmer beschwert werden. Hinsichtlich der Vollziehung der Auflage gibt es zwar keinen Leistungsberechtigten, wohl aber Vollziehungsberechtigte. Diese Vollziehungsberechtigten haben einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Vollzug der Auflage durch den Beschwerten. Vollziehungsberechtigte sind nach § 2194 BGB der Erbe gegenüber dem beschwerten Vermächtnisnehmer, der Miterbe gegenüber dem beschwerten Miterben, jeder, dem der Wegfall des Beschwerten im Verhältnis zum Erben zugute kommt, der Nacherbe im Verhältnis zum Vorerben oder der gesetzliche Erbe gegenüber dem testamentarisch eingesetzten Erben, die zuständige Behörde, wenn der Vollzug der Auflage im öffentlichen Interesse liegt, und schließlich der eingesetzte Testamentsvollstrecker.
II. Verwendung 289
Die Auflage als Verpflichtung ohne Rechtszuwendung ermöglicht Gestaltungen, die mit anderen erbrechtlichen Mitteln nicht möglich sind.2 Da kein Begünstigter im Sinne einer rechtsfähigen Person vorhanden sein muss, können durch die Auflage Tieren, der Allgemeinheit oder nicht rechtsfähigen Personengemeinschaften Zuwendungen gemacht werden. 1 Stein, ZEV 2011, 572. 2 Daragan/Tanck, ZErb 1999, 2.
376
D. Die Auflage als Instrument der Verpflichtung ohne korrespondierende Berechtigung
Will man eine Person begünstigen, ohne ihr einen Anspruch zu geben, der dann von Gläubigern gepfändet werden könnte, bietet sich die Auflage an, dies auch dann, wenn man den Erben oder Vermächtnisnehmer nicht dem Drängen des Begünstigten aussetzen will. Die Auflage ist geeignet, dem Erben oder Vermächtnisnehmer bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit Verhaltenspflichten aufzuerlegen. Deren Einhaltung kann dadurch erzwungen werden, dass man die Erfüllung der Auflage zur Bedingung der letztwilligen Zuwendung macht. Die Auflage ist ein Vielzweckinstrument.
III. Gestaltungshinweise Bei Einsatz der Auflage im Testament ist klarzustellen, dass es sich um ei- 290 ne Auflage ohne einen Vollziehungsanspruch des etwa Begünstigten handelt. Der Beschwerte ist ausdrücklich zu bestimmen. Der Zweck der Auflage und der Vollziehungsberechtigte bzw. Bestimmungsberechtigte für Leistungsgegenstand und Leistungsempfänger1 sind eindeutig zu bezeichnen. Zweckmäßig ist meist die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, ggf. auch die weitere Sicherung des Auflagenvollzugs durch Bedingung der mit der Auflage beschwerten Zuwendung. Praktisch häufig sind Auflagen zur Anordnung einer Grabpflege oder zur 291 zweckgebundenen Verwendung vermachter Geldbeträge bspw. zur Bezahlung von (Haus-)Tierpflege.
M 122
Auflage zur Tierheimaufnahme
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der zum Alleinerben eingesetzte Tierschutzverein erhlt die Auflage, den bei meinem Tod von mir gehaltenen Hund in das Tierheim aufzunehmen und gut zu behandeln. Zur berwachung mit dem Recht zu Einzelweisungen ordne ich Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich meinen Neffen . . . , ersatzweise meine Nichte . . .
M 123
Auflage zur Grabpflege
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Erbe wird im Wege der Auflage dazu verpflichtet, meine Grabsttte auf ortsbliche Dauer samt Grabdenkmal zu erwerben, zu unterhalten und angemessen zu pflegen. Hierzu gehçrt insbesondere auch ein angemessener Grabschmuck.
1 §§ 2156, 2193 BGB.
377
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
292
Tierpflegekosten sind dabei nur dann erbschaftsteuerliche Abzugsposten iSd. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, wenn die diesbezügliche Auflage eine entsprechende rechtliche und nicht lediglich moralische Verpflichtung enthält1 oder gar nur eine Erwartung des Erblassers besteht.2 Im Falle einer rechtlich verpflichtenden Auflage existiert trotz Verwirklichung desselben Lebenssachverhalts neben dem Erwerb von Todes wegen aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Gestalt der Zweckzuwendung ein selbständiger weiterer steuerbarer Vorgang in Höhe der entreichernden Auflage nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 8 ErbStG.3 Daher ist zur Vermeidung einer eventuellen steuerlich nachteiligen Überkompensation der Vorteile aus der Abzugsfähigkeit dieser eine Nachlassverbindlichkeit verkörpernden Auflage durch die Steuerlast der Zweckzuwendung im Einzelfall genau abzuwägen, ob nicht ausnahmsweise auf eine rechtlich verpflichtende Auflage verzichtet wird.4
293
Im Wege der Auflage kann der Erbe zudem zur Errichtung einer Stiftung verpflichtet werden (vgl. als Alternative dazu die Erbeinsetzung einer noch zu errichtenden Stiftung nach § 83 BGB oben Rz. 20). Im Falle hinreichender Bestimmung des Stiftungszweckes – so bspw. „im Andenken an meinen Vater (…) den akademischen, aber auch den nicht akademischen Nachwuchs sowie die Ausbildung jeweils in technischen Berufen zu fördern, insbesondere durch die Auslobung von Preisen oder die Förderung berufsbildender Einrichtungen“5 – wird das Höchstpersönlichkeitsgebot aus § 2065 BGB selbst dann noch gewahrt, wenn der Erblasser einem Dritten, insbesondere einem Testamentsvollstrecker, die Auswahl des Stiftungsträgers und die inhaltliche Fassung der Stiftungsfassung überlässt, ohne die Ausgestaltung des Rechtsgeschäfts zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Stiftungsträger als eigentlichen Errichtungsakt für die Stiftung vorzugeben.6 Dabei ist Begünstigter iSd. § 2193 Abs. 1 BGB ausschließlich der auszuwählende Stiftungsträger und damit gerade nicht ein nach dem Stiftungszweck potentieller Destinatär.7
294
Darüber hinaus kommt dem Gestaltungsmittel der Auflage auch im Urheberrecht erhebliche Bedeutung zu, bspw. zur Unterlassung, Duldung oder Einräumung von Nutzungsrechten an Dritte, Abtretung des Urheberrechts an Begünstigte oder Vernichtung des urheberrechtlich geschützten Werkes.8 1 BFH v. 29.6.2009 – II B 149/08, ZEV 2010, 107 unter zusätzlichem Hinweis auf das Fehlen einer diesbezüglichen staatlichen Steuererstattungspflicht aufgrund Tierschutzes aus Art. 20a GG; FG München v. 3.9.2003 – 4 K 5029/01, BeckRS 2003, 26015207. 2 FG München v. 3.9.2003 – 4 K 5029/01, BeckRS 2003, 26015207. 3 BFH v. 16.1.2002 – II R 82/99, NJW 2002, 3047. 4 Götz, ZEV 2012, 649 f. – berichtigt in ZEV 2013, 29 – am Bsp. nicht selbst genutzter Reitpferde. 5 OLG München v. 28.5.2014 – 31 Wx 144/13, RNotZ 2014, 559 (560 ff.). 6 OLG München v. 28.5.2014 – 31 Wx 144/13, RNotZ 2014, 559 (561 f.) = DNotZ 2014, 702 (704). 7 OLG München v. 28.5.2014 – 31 Wx 144/13, RNotZ 2014, 559 (562) = DNotZ 2014, 702 (705). 8 Gloser, DNotZ 2013, 497 (514).
378
E. Teilungsanordnung, bernahmerecht und Teilungsverbot
E. Teilungsanordnung, Übernahmerecht und Teilungsverbot als Instrumente der Steuerung der Nachlassauseinandersetzung I. Die Teilungsanordnung 1. Grundsätze Nach § 2048 BGB kann der Erblasser durch letztwillige Verfügung Anord- 295 nungen über die Auseinandersetzung des Nachlasses zwischen den Miterben treffen. Die Teilungsanordnung regelt die gegenständliche Nachlassauseinandersetzung ohne wertmäßige Bevorzugung eines Miterben. Der Wert des zugeteilten Gegenstandes ist auf den Erbteil anzurechnen,1 Wertüberschüsse sind auszugleichen. Da die Teilungsanordnung nur schuldrechtlich wirkt, können sich die Miterben einstimmig über sie hinwegsetzen. 2. Abgrenzung zum Vorausvermächtnis a) Notwendigkeit der Abgrenzung Will der Erblasser einzelnen Miterben einzelne Gegenstände zuweisen, so 296 kann er dies durch eine Teilungsanordnung nach § 2048 BGB oder ein Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB erreichen. Der hauptsächliche Unterschied der beiden Rechtsinstitute besteht darin, dass die Teilungsanordnung nur die gegenständliche Verteilung des Nachlasses ohne wertmäßige Bevorzugung des betreffenden Miterben regelt,2 während beim Vorausvermächtnis der Miterbe den zugewendeten Gegenstand vorweg erhält. Bei der Teilungsanordnung ist der wirkliche Wert des zugewendeten Gegenstandes auf den Erbteil anzurechnen. Ist der Wert des zugewendeten Gegenstandes höher als der Wert des Erbteils, hat der Miterbe die Wertdifferenz aus seinem Privatvermögen auszugleichen. Beim Vorausvermächtnis erhält der Miterbe den zugewendeten Gegenstand im Wege der Vermächtniserfüllung wie ein am Nachlass nicht beteiligter reiner Vermächtnisnehmer. Der um das Vorausvermächtnis verringerte Nachlass steht dann allen Miterben einschließlich des Vorausvermächtnisnehmers entsprechend den Erbquoten zu. Die Teilungsanordnung konkretisiert also lediglich den Erbteil gegenständlich, während mit dem Vorausvermächtnis eine Begünstigung zusätzlich zum Erbteil erfolgt. Vorausvermächtnis und nicht Teilungsanordnung liegt damit vor, wenn der Miterbe objektiv begünstigt wird und der Erblasser ihn subjektiv begünstigen will. Für die 1 BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (279) = MDR 1982, 124 = FamRZ 1982, 56 = FamRZ 1981, 1173. 2 Die sog. wertverschiebende Teilungsanordnung wird von der Rechtsprechung mit Recht abgelehnt, BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, MDR 1982, 124 = NJW 1982, 43; BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, MDR 1984, 917 = NJW 1985, 51; BGH v. 23.5.1984 – IVa ZR 185/82, FamRZ 1985, 62 mit Anm. Rudolf, BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475.
379
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Testamentsgestaltung bedeutet dies, dass der Testamentsgestalter hier den Willen des Erblassers belehrend und fragend zu ermitteln hat und ihn dann in der Niederschrift eindeutig und zweifelsfrei so festzuhalten hat, dass nichts der Auslegung überlassen bleibt. b) Weitere Unterschiede 297
Bei der Testamentsgestaltung sind folgende weitere Unterschiede von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis zu berücksichtigen: – Die Teilungsanordnung kann nur im Rahmen der allgemeinen Auseinandersetzung geltend gemacht werden, sie gibt keinen Anspruch auf vorgezogene Teilauseinandersetzung. Das Vorausvermächtnis dagegen gibt, wenn nicht der Erblasser Anderes bestimmt, einen sofortigen Vollzugsanspruch. – Die Teilungsanordnung verpflichtet den Miterben zur Übernahme des zugeteilten Gegenstandes. Will er dies nicht, muss er die Erbschaft insgesamt ausschlagen. Der mit einem Vorausvermächtnis bedachte Miterbe dagegen kann das Vorausvermächtnis nach § 2180 BGB ausschlagen und Miterbe bleiben oder die Erbschaft ausschlagen und das Vorausvermächtnis annehmen. Beides allerdings kann der Erblasser dadurch verhindern, dass er die Erbeinsetzung und das Vorausvermächtnis gegenseitig mit einer Bedingung verknüpft. – Im Ehegattentestament sowohl in der Form des gemeinschaftlichen Testaments wie des Erbvertrags kann nur dem Vorausvermächtnis Bindungswirkung beigelegt werden,1 während Teilungsanordnungen vom überlebenden Ehegatten widerrufen2 bzw. geändert oder neu getroffen werden können.3 Gegen lebzeitige beeinträchtigende Verfügungen des gebundenen Ehegatten ist der Vorausvermächtnisnehmer nach § 2288 BGB geschützt, der durch Teilungsanordnung Begünstigte ungeschützt. – Ein durch Teilungsanordnung zugewendeter Gegenstand unterliegt bei Anordnung von Vor- und Nacherbschaft der Nacherbenbeschränkung und bei Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung der Testamentsvollstreckung, während das Vorausvermächtnis nach § 2110 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht der Nacherbenbeschränkung unterliegt und mit Erfüllung auch aus dem der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass ausscheidet. – Erbschaftsteuerlich ist die Teilungsanordnung unbeachtlich, während das Vorausvermächtnis wie ein Vermächtnis an einen Dritten behandelt wird.4 Privilegierende Bewertungsvorschriften für einzelne Gegen-
1 §§ 2270 Abs. 3, 2271, 2278 Abs. 2, 2289 BGB. 2 §§ 2253, 2299 BGB. 3 BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, MDR 1982, 124 = FamRZ 1982, 56 = FamRZ 1981, 1173 = NJW 1982, 43. 4 Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rz. 130.
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E. Teilungsanordnung, bernahmerecht und Teilungsverbot
stände kommen bei der Teilungsanordnung also der Erbengemeinschaft, beim Vorausvermächtnis lediglich dem Vermächtnisnehmer zugute.1 3. Gestaltungsmöglichkeiten bei überquotaler Zuweisung von Nachlassgegenständen an einzelne Miterben a) Teilungsanordnung Will der Erblasser seinen Nachlass gegenständlich verteilen, ohne hier- 298 durch einzelne Miterben über ihre Erbquote hinaus zu bevorzugen, so ist dies der Fall der Teilungsanordnung. Eine Teilungsversteigerung iSd. §§ 180, 181 ZVG ist bei Vorhandensein einer letztwilligen Teilungsanordnung unzulässig, da diese einen Teilungsplan der Erben ersetzt, und mit der Drittwiderspruchsklage nach §§ 768, 771 ZPO anfechtbar, wenn sie nicht ausnahmsweise erforderlich ist, um schwere Nachteile für den Nachlass abzuwenden, und berechtigte Interessen des begünstigten Erben nicht entgegenstehen.2
M 124
Teilungsanordnung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Erben des letztversterbenden Ehegatten werden die gemeinschaftlichen Kinder, also der Sohn . . . und die Tochter . . . , zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, mangels Abkçmmlingen der Miterbe oder dessen Abkçmmlinge. Fr die Teilung des Nachlasses bestimmen wir, dass der Sohn . . . die Eigentumswohnung in der X-Straße 10, die Tochter . . . die Eigentumswohnung in der Y-Straße 30 erhalten. Sollte einer von ihnen hierdurch einen Mehrwert erhalten, so ist dieser auszugleichen. Wird keine Einigung ber den Wert erzielt, so ist das Gutachten des çffentlichen Schtzers der Belegenheitsgemeinde maßgeblich.
b) Vorausvermächtnis Soll ein Miterbe vorweg ohne Anrechnung auf seinen Erbteil einen Nach- 299 lassgegenstand erhalten bzw. möchte der Erblasser auf eine an den Zuteilungswerten ausgerichtete Ausgleichspflicht verzichten und einen Miterben durch einen Vermögensvorteil begünstigen, so ist dies der Fall des Vorausvermächtnisses.3
1 Vgl. auch Schubert in Langenfeld/Gail, Hdb. der Familienunternehmen, Rz. VII 20 und 130 ff., dort auch zum Kaufrechts- und Verschaffungsvermächtnis; Loritz, NJW 1988, 2697. 2 OLG Oldenburg v. 4.2.2014 – 12 U 144/13, notar 2014, 262 f. m. Anm. Roth; KG v. 1.8.2012 – 21 U 169/10, FamRZ 2013, 1163 f. 3 OLG Koblenz v. 27.11.2013 – 5 U 851/13, NJW-RR 2014, 967 f.
381
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 125
Vorausvermchtnis – Grundfall
(Form: Verfgung von Todes wegen) Erben des letztversterbenden Ehegatten werden die gemeinschaftlichen Kinder, also der Sohn . . . und die Tochter . . . , zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, mangels Abkçmmlingen der Miterbe oder dessen Abkçmmlinge. Unsere Tochter . . . , ersatzweise ihre Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, erhlt als Vorausvermchtnis ohne Anrechnung auf ihren Erbteil oder Ausgleichung aus dem Privatvermçgen die Eigentumswohnung in der X-Straße 10.
300
Erhalten mehrere Miterben vorausvermächtnisweise verschiedene Immobilien, sollte jeweils ausdrücklich festgesetzt werden, ob und inwieweit eventuelle Wertdifferenzen bzw. unterschiedliche auf einzelnen Einheiten lastende offene Darlehensverbindlichkeiten vom jeweiligen Erwerber zur alleinigen Haftung unter Mithaftentlassung des anderen Miterben durch den jeweiligen Gläubiger zu übernehmen bzw. auszugleichen sind. Weiter ist zu regeln, ob und ggfs. wie ein Ausgleich herzustellen ist, wenn eine oder mehrere der Einheiten nicht in den Nachlass fällt bzw. fallen, ohne dem betroffenen Miterben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bereits übertragen worden zu sein. Hier bieten sich Lösungen in Form von Ausgleichszahlungsverpflichtungen durch bzw. entsprechende Nichtzuteilung von Immobiliarvermögen zulasten des anderen Miterben an.
M 126
Vorausvermchtnis – Gefahr ungleicher Darlehenbelastung bzw. des Wegfalls einzelner Einheiten
(Form: Verfgung von Todes wegen) Im Wege des Vorausvermchtnisses – soweit nachstehend nichts anderes geregelt ist – ohne Ausgleichspflicht oder Anrechnung auf den Erbteil sind meine Erben bzw. Ersatzerben, soweit die nachstehend genannten Objekte in den Nachlass fallen, wie folgt zur unentgeltlichen Grundbesitzbernahme berechtigt: Meine Tochter . . . (Vor- und Nachname) darf meine vier Eigentumswohnungen in . . . (jeweils genauer Grundbuchbeschrieb) zu Alleineigentum bernehmen. Mein Sohn . . . (Vor- und Nachname) darf meine vier Eigentumswohnungen in . . . (jeweils genauer Grundbuchbeschrieb) zu Alleineigentum bernehmen. Jeder bernehmer hat eventuelle auf den von ihm bernommenen jeweiligen Einheiten lastende offene Darlehen zur alleinigen Haftung unter Mithaftentlassung des anderen Miterben durch den jeweiligen Glubiger zu bernehmen. Unterschiedliche Darlehensbelastungen sind ebenso wenig auszugleichen wie eventuelle unterschiedliche Objektwerte. Soweit eine oder mehrere der o.g. Einheiten nicht in den Nachlass fllt/fallen, ist derjenige Erbe, dem diese Einheit(en) zusteht/zustehen wrde(n), berechtigt, von dem an-
382
E. Teilungsanordnung, bernahmerecht und Teilungsverbot
deren Erben den Verkehrswert dieser fehlenden Einheit(en), der im Streitfall verbindlich durch den Gutachterausschuss der Stadt . . . (Belegenheitsgemeinde) bestimmt wird, Zug-um-Zug gegen die brige Zuteilung in Geld zu verlangen, wenn nicht auf beiden Seiten dieselbe Anzahl gleichwertiger Einheiten fehlt. Ungeachtet des tatschlichen Wertes betrachten wir die Einheiten aus den Grundbchern Nrn. . . . verbindlich untereinander als gleichwertig, die Einheiten aus den Grundbchern Nrn. . . . verbindlich untereinander als gleichwertig sowie alle brigen o.g. Einheiten verbindlich untereinander als gleichwertig. Die Ausgleichszahlungsverpflichtung kann dadurch vermieden werden, dass der Verpflichtete auf die bernahme einer Einheit verzichtet, die der Einheit, die dem Berechtigten fehlt, im o.g. Sinne gleichwertig ist. Der Ausgleichsanspruch besteht im brigen dann nicht, wenn dem betroffenen Schlusserben die in Rede stehende(n) Einheit(en) bereits zu Lebzeiten bertragen worden ist/sind.
c) Vorausvermächtnis nur der Wertdifferenz Probleme bereitet der praxishäufige Fall, dass der Erblasser Miterben ein- 301 setzt und die gegenständliche Teilung des Nachlasses anordnet, aber nicht wünscht, dass etwaige hieraus folgende Wertdifferenzen auszugleichen sind. Da richtiger Ansicht nach1 wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen dieselbe Anordnung des Erblassers nicht zugleich in vollem Umfang Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis sein kann, müssen beide Rechtsinstitute hier in der Weise abgegrenzt und kombiniert werden, dass die Anordnung bis zur Höhe des Erbteilwertes als Teilungsanordnung, für den überschießenden Wert als Vorausvermächtnis getroffen wird.2
M 127
Teilungsanordnung mit Vorausvermchtnis der Wertdifferenz
(Form: Verfgung von Todes wegen) Erben des letztversterbenden Ehegatten werden die gemeinschaftlichen Kinder, also der Sohn . . . und die Tochter . . . , zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, mangels Abkçmmlingen der Miterbe oder dessen Abkçmmlinge. Fr die Teilung des Nachlasses bestimmen wir, dass der Sohn . . . oder seine Ersatzerben die Eigentumswohnung in der X-Straße 10, die Tochter . . . oder ihre Ersatzerben die Eigentumswohnung in der Y-Straße 30 erhalten. Sollte hierdurch einer von ihnen wertmßig mehr als den Wert seines Erbteils erhalten, so ist ihm dieser Mehrwert als Vorausvermchtnis ohne die Verpflichtung zur Ausgleichung aus seinem Privatvermçgen zugewendet. Wird keine Einigung ber den Wert 1 BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, MDR 1984, 917 = NJW 1985, 51; BGH v. 23.5.1984 – IVa ZR 185/82, FamRZ 1985, 62; Lange/Kuchinke, § 29 V 1 d; Loritz, NJW 1988, 2697 (2702); Nieder/R.Kössinger/W. Kössinger, § 15 Rz. 232; Staudinger/Otte, § 2150 BGB Rz. 9. 2 BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, MDR 1984, 917 = NJW 1985, 51; BGH v. 23.5.1984 – IVa ZR 185/82, FamRZ 1985, 62; BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
erzielt, so ist das Gutachten des çffentlichen Schtzers der Belegenheitsgemeinde maßgeblich. Dieses Vorausvermchtnis fllt nur bei Annahme der Erbschaft und erst mit Erbauseinandersetzung an.
302
Die regelmäßig vorzuziehende Alternative hierzu ist die Zuwendung jeweils der ganzen Gegenstände als Vorausvermächtnis mit den Folgen des sofortigen Vollzugsanspruchs, der separaten Ausschlagbarkeit, der Bindungswirkung beim Ehegattentestament und der erbschaftsteuerlichen Behandlung als Vermächtnis.
II. Das Übernahmerecht 303
Das Übernahmerecht unterscheidet sich von der reinen Teilungsanordnung dadurch, dass der Miterbe nicht verpflichtet ist, den zugewandten Gegenstand zu übernehmen, sondern frei entscheiden kann, ob er dies will. Allein die Zubilligung dieser Entscheidungsfreiheit ist schon eine Vergünstigung, die das Übernahmerecht insoweit zum Vermächtnis macht.1 Bestimmt der Erblasser zusätzlich noch einen Übernahmepreis unter dem Verkehrswert, so liegt hierin eine weitere, nur vermächtnisweise mögliche Begünstigung.
M 128
bernahmerecht
(Form: Verfgung von Todes wegen) Erben des letztversterbenden Ehegatten werden die gemeinschaftlichen Kinder, also der Sohn . . . und die Tochter . . . , zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, mangels Abkçmmlingen der Miterbe oder dessen Abkçmmlinge. Unsere Tochter hat das Recht, bei Erbauseinandersetzung die Eigentumswohnung X-Straße 10 zu einem Wert von vier Fnfteln des vom çffentlichen Schtzer der Belegenheitsgemeinde festzusetzenden Verkehrswertes zu bernehmen.
III. Das Teilungsverbot 1. Gesetzliche Regelung 304
Das Erbteilungsverbot nach § 2044 BGB wird in der kautelarjuristischen Literatur vor allem als Instrument der Familienbindung erörtert.2 Nach dem Wortlaut von § 2044 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Erblasser durch letztwillige Verfügung die Auseinandersetzung in Ansehung des Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände ausschließen oder von der Einhaltung einer Kündigungsfrist abhängig machen. Nach allgemeiner Meinung 1 BGH v. 8.11.1961 – V ZR 31/60, BGHZ 36, 115 = NJW 1962, 343 = DNotZ 1962, 322. 2 Kohler, DNotZ 1958, 245; Weckbach, Die Bindungswirkung von Erbteilungsverboten, 1987; Bengel, ZEV 1995, 178.
384
E. Teilungsanordnung, bernahmerecht und Teilungsverbot
kann die Ausschließung auf Dauer oder zeitweilig erfolgen und kann die Auseinandersetzung auch in sonstiger Weise erschwert werden, etwa indem sie vom Mehrheitsbeschluss der Miterben abhängig gemacht wird. Die Anordnung kann bei gewillkürter und bei gesetzlicher Erbfolge erfolgen. Sie wirkt nach §§ 2044 Abs. 1 Satz 2, 751 Satz 1 BGB für und gegen die Sondernachfolger, die den Erbteil gem. § 2033 BGB erworben haben. § 2044 Abs. 2 BGB begrenzt die Anordnung zeitlich auf 30 Jahre nach dem Erbfall bzw. dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses in der Person eines Miterben, dem Eintritt einer angeordneten Nacherbfolge oder dem Anfall eines ausgesetzten Vermächtnisses. Dabei ist zu beachten, dass für die Nacherbfolge und den Vermächtnisanfall nach §§ 2109, 2102 BGB entsprechende Zeitgrenzen bestehen. Zur Fristverlängerung geeignet ist damit lediglich die Anordnung des Fortbestehens des Auseinandersetzungsverbots bis zum Eintritt eines Ereignisses in der Person eines Miterben, also etwa bis zum Tod eines Miterben. Das Auseinandersetzungsverbot beseitigt den Auseinandersetzungs- 305 anspruch der Miterben aus § 2042 Abs. 1 Halbs. 1 BGB, allerdings nur mit schuldrechtlicher Wirkung. Obwohl in § 2044 BGB speziell geregelt, ist es ein Fall der Teilungsanordnung iSv. § 2048 BGB; es kann als negative Teilungsanordnung begriffen werden.1 Die für die Testamentsgestaltung schwerwiegendste Schwäche des Aus- 306 einandersetzungsverbots besteht darin, dass es nicht dinglich wirkt, weil nach § 137 Satz 1 BGB die Verfügungsmacht nicht rechtsgeschäftlich ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Es handelt sich also lediglich um eine schuldrechtliche Unterlassungsverpflichtung nach § 137 Satz 2 BGB. Eine weitere wesentliche Einschränkung erfährt die praktische Tauglich- 307 keit des Auseinandersetzungsverbots dadurch, dass der Auseinandersetzungsausschluss gem. §§ 2044 Abs. 1 Satz 2, 749 Abs. 2 BGB unwirksam ist, wenn ein wichtiger Grund für das Aufhebungsverlangen eines Miterben vorliegt. Weiterhin wirkt das Auseinandersetzungsverbot nicht gegenüber einem 308 Pfändungsgläubiger des Erbteils, § 751 Satz 2 BGB, und im Insolvenzverfahren, § 84 Abs. 2 InsO. Erbengläubiger können das Verbot also zu Fall bringen. Eine Fußfalle für die Gestaltung ist der über § 2044 Abs. 1 Satz 2 BGB gel- 309 tende § 750 BGB, nach dem bei Ausschluss der Auseinandersetzung auf Zeit die Anordnung im Zweifel mit dem Tod eines Miterben außer Kraft tritt. Diese Vermutung ist durch ausdrückliche abweichende Formulierung zu beseitigen. Als rein schuldrechtliche Auseinandersetzungsbeschränkung kann das 310 Teilungsverbot nicht im Grundbuch eingetragen werden. Die in § 2044 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordnete Anwendung von § 1010 Abs. 1 BGB hat zur 1 MünchKomm.BGB/Ann, § 2044 BGB Rz. 2 und § 2048 BGB Rz. 3.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Voraussetzung, dass der Erblasser die Umwandlung der Erbengemeinschaft in eine Bruchteilsgemeinschaft gestattet, deren Teilung aber verboten hat. Dann ist der Teilungsausschluss im Grundbuch eintragbar und wirkt für und gegen einen Sondernachfolger in den Miteigentumsanteil.1 Über die Grundbucheintragung hinaus hat dieses umständliche und wegen der Erforderlichkeit einer Auflassung teure Verfahren keine unmittelbaren Vorteile. Insbesondere gilt § 749 Abs. 2 BGB über die Aufkündbarkeit aus wichtigem Grund auch hier. 2. Rechtliche Einordnung a) Gestaltungsmöglichkeiten 311
Ein vom Erblasser angeordnetes Teilungsverbot kann rechtlich qualifiziert werden als – unverbindlicher Wunsch, – reine Teilungsanordnung, – Auflage iSv. §§ 1940, 2194 ff. BGB, – Vermächtnis iSv. §§ 1939, 2147 ff. BGB, – auflösend bedingte Erbeinsetzung.
312
Bei fachmännischer Gestaltung durch Notar oder Anwalt kommen der unverbindliche Wunsch und die auflösend bedingte Erbeinsetzung nur in Betracht, wenn sie ausdrücklich als solche angeordnet sind. Im Regelfall scheiden sie als praxisrelevante Gestaltungsmöglichkeiten aus.
313
Beim eigentlichen Teilungsverbot iSv. § 2044 BGB sollte der Testamentsgestalter hinsichtlich der rechtlichen Qualifizierung der Auslegung keinen Raum lassen, sondern ausdrücklich bestimmen, was gemeint ist. Dabei sind die folgenden Grundsätze zu beachten. b) Reine Teilungsanordnung
314
Höchstrichterlich noch nicht entschieden und in der Literatur streitig ist die Frage, ob das Teilungsverbot lediglich die Rechtsnatur eines Vermächtnisses oder einer Auflage haben kann,2 oder ob ein Teilungsverbot nach § 2044 BGB grundsätzlich eine schlichte Teilungsanordnung negativen Inhalts iSv. § 2048 BGB ist, die lediglich wie sonstige Teilungsanordnungen auch alternativ in Form eines Vermächtnisses oder einer Auflage angeordnet werden kann.3 Für den Testamentsgestalter besteht angesichts dessen der sichere Weg darin, das Teilungsverbot ausdrücklich entweder als Vermächtnis oder Auflage zu qualifizieren. Auf die damit verbundene Verstär1 Staudinger/Werner, § 2044 BGB Rz. 16. 2 So MünchKomm/Ann, § 2048 BGB Rz. 3; Staudinger/Werner, § 2044 BGB Rz. 59. 3 So Weckbach, Die Bindungswirkung von Erbteilungsverboten, 1987, S. 34; Bengel, ZEV 1995, 178 (179); Erman/Bayer, § 2044 BGB Rz. 2; Soergel/Wolf, § 2044 BGB Rz. 3; unentschieden AnwaltKomm/Eberl-Borges, § 2044 BGB Rz. 3.
386
E. Teilungsanordnung, bernahmerecht und Teilungsverbot
kung hinsichtlich der Durchsetzung sollte nicht verzichtet werden. Die Verbindung des Teilungsverbots mit einem Vermächtnis oder einer Auflage hat auch den Vorteil, dass dadurch im gemeinschaftlichen Testament Wechselbezüglichkeit und im Erbvertrag Vertragsbindung möglich wird, während die reine Teilungsanordnung nur als einseitige Verfügung möglich ist. c) Teilungsverbot als Vermächtnis Das Teilungsverbot kann so ausgeworfen werden, dass zunächst sein Inhalt 315 festgelegt und dann weiter bestimmt wird, dass der Anspruch auf Einhaltung des Verbots jedem Miterben als Vermächtnis zu Lasten der übrigen Miterben zugewendet wird. Jeder Miterbe kann dann kraft Vermächtnisses das Teilungsverbot durchsetzen, §§ 1939, 2147, 2150 BGB. Einverständlich können sich alle Miterben über das Teilungsverbot hinwegsetzen, indem sie die Auseinandersetzung in der vereinbarten Weise vornehmen. Ein Vermächtnis auf Einhaltung des Teilungsverbots kann nicht nur den Miterben als Vorausvermächtnis i.S.v. § 2150 BGB zugewendet werden, sondern auch sonstigen Dritten. So kann im Beispielsfall der Erblasser dann, wenn er lediglich die Kinder zu Erben einsetzt, auch die Enkel in den Schutz des Teilungsverbots einbeziehen, indem er ihnen derartige Vermächtnisse aussetzt.
M 129
Teilungsverbot als Vermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Auseinandersetzung des Nachlasses wird beschrnkt auf die Grundstcke (Beschrieb nach dem Grundbuch) bis zum Tod des jngsten Miterben ausgeschlossen. Der Anspruch auf Einhaltung dieses Teilungsverbots wird jedem Miterben gegen die brigen Miterben als Vermchtnis zugewendet. Weiterhin erhalten die beim Erbfall vorhandenen Abkçmmlinge der eingesetzten Erben Vermchtnisansprche gleichen Inhalts gegen jeden Erben. Dieses Teilungsverbot bleibt auch ber den Tod eines Miterben hinaus bestehen.
d) Teilungsverbot als Auflage Das Teilungsverbot kann schließlich so ausgeworfen werden, dass zu- 316 nächst sein Inhalt festgelegt und dann bestimmt wird, dass die Anordnung im Wege der Auflage erfolgt, §§ 1940, 2192 ff. BGB. Einen Anspruch auf Vollziehung haben in diesem Fall nach § 2194 BGB die Miterben und gegebenenfalls sonstige Vollziehungsberechtigte. Ein etwa bestellter Testamentsvollstrecker ist schon kraft Amtes Vollziehungsberechtigter.1 Ob
1 AnwaltKomm/J. Mayer, § 2194 BGB Rz. 5.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
der Erblasser Personen außerhalb des Kreises der Erben als Vollziehungsberechtigte einsetzen kann, ohne sie hierdurch gleichzeitig zum beschränkten Testamentsvollstrecker zu machen, ist bestritten.1 Angesichts dessen sollte man bei beabsichtigter Drittberechtigung entweder die Vermächtnislösung wählen oder den Dritten ausdrücklich zum Testamentsvollstrecker lediglich mit der Aufgabe der Vollziehung der Auflage bestellen. 3. Unterschiede von Vermächtnis- und Auflagenlösung 317
In der Literatur wird teilweise2 ein Qualitätsunterschied zwischen der Vermächtnislösung und der Auflagenlösung in dem Sinne angenommen, dass die Vermächtnislösung lediglich ein „mildes“ Teilungsverbot darstelle, weil die Miterben einstimmig die Teilung vornehmen könnten und so nur ein Minderheitenschutz vorliege, während die Auflagenlösung als „strenges“ Teilungsverbot bewirke, dass auch die einverständliche Teilung verboten sei. Diese Unterscheidung wird aber dadurch relativiert, dass auch die Auflage nur schuldrechtlich wirkt und ihre einverständliche Nichtbeachtung mit der Folge möglich ist, dass die Auseinandersetzung wirksam erfolgen kann. Allerdings muss ihr ein etwa bestellter externer Vollzugsberechtigter nach § 2194 BGB zustimmen, dies unter Verstoß gegen den erklärten Erblasserwillen. Insofern dürfte für die Testamentsgestaltung die Präferenz auf der Auflagenlösung liegen.
M 130
Teilungsverbot als Auflage
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Auseinandersetzung des Nachlasses wird beschrnkt auf die Grundstcke (Beschrieb nach dem Grundbuch) bis zum Tod des jngsten Miterben in Wege der Auflage ausgeschlossen. Dieses Teilungsverbot bleibt auch ber den Tod eines Miterben hinaus bestehen.
4. Verstärkung des Teilungsverbots durch Anordnung von Testamentsvollstreckung 318
Die Anordnung von Testamentsvollstreckung zur Sicherung der Einhaltung des Teilungsverbots ist nicht zwingend notwendig, aber in vielen Fällen zweckmäßig. Der Testamentsvollstrecker hat das Teilungsverbot als Verwaltungsanordnung gem. § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB zu befolgen. Nach einer singulären Entscheidung des BGH3 hat er im Bereich des Teilungs1 AnwaltKomm/J. Mayer, § 2194 BGB Rz. 8. 2 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 15 Rz. 251; AnwaltKomm/Eberl-Borges, § 2044 BGB Rz. 3. 3 BGH v. 9.5.1984 – IVa ZR 234/82, MDR 1985, 32 = FamRZ 1984, 780 = NJW 1984, 2464 = JR 1985, 104 mit krit. Anm. Damrau.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
verbots nach §§ 2208, 2205 BGB keine Verfügungsbefugnis. Bei der Vermächtnislösung hat er die Einhaltung der Vermächtnisse zu überwachen. Bei der Auflagenlösung ist er kraft Amtes Vollziehungsberechtigter.
F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung über den Tod hinaus I. Willensvollstreckung Die Anordnung von Testamentsvollstreckung gibt dem Erblasser die Mög- 319 lichkeit, seinen Willen über den Tod hinaus zu verwirklichen. In der schweizerischen Rechtsordnung wird der Testamentsvollstrecker nach Art. 517, 518 ZGB (Schweiz) daher zutreffenderweise als „Willensvollstrecker“ bezeichnet. Der Testamentsvollstrecker handelt kraft eigenen Amtes in eigenem Namen, jedoch mit Wirkung für den Nachlass und ist nicht gesetzlicher Vertreter der Erben. Aufgabe des Testamentsgestalters ist es, darauf hinzuwirken, dass sich nicht Misstrauen oder gar Missgunst des Erblassers perpetuieren, indem der Erbe unnötig unter Kuratel gestellt wird. Vielmehr hat die Testamentsvollstreckung dem Schutz der Nachlassbeteiligten vor Konflikten, Streit und Dritteinwirkungen, häufig auch der Erhaltung des Lebenswerks des Erblassers, etwa des von ihm aufgebauten Unternehmens zu dienen. Deshalb muss die Stellung des Testamentsvollstreckers stark sein. Das Gesetz stattet ihn als Treuhänder und Inhaber eines privaten Amtes mit entsprechenden Befugnissen aus. Die Testamentsvollstreckung bewirkt insbesondere
320
– den völligen Ausschluss der Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnisse des Erben im Bereich der Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers, § 2211 BGB, – die Separierung des Nachlasses vom Eigenvermögen des Erben durch Inbesitznahme und Verzeichnung durch den Testamentsvollstrecker, bei Grundbesitz durch zwingende Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks, §§ 2205 ff. BGB, – die Abschirmung des Nachlasses vor den eigenen Gläubigern des Erben, die auf den Nachlass keine Zugriffsmöglichkeit haben, soweit er der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers unterliegt, § 2214 BGB. Nicht jede Nachlassabwicklung bedarf des Testamentsvollstreckers, aber 321 die Testamentsvollstreckung ist in wesentlich mehr Fällen angezeigt, als sie in der Praxis angeordnet wird. Das Kostenargument ist vordergründig und angesichts des Streitpotentials vieler Erbfälle genau genommen falsch. Eine gezielt angeordnete und richtig durchgeführte Testamentsvollstreckung spart Ärger und Kosten, sie ist ihr Geld wert.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
II. Fallgruppen 322
Die Fallgruppen der Testamentsvollstreckung werden von den typischen, mit der Anordnung von Testamentsvollstreckung verfolgten Zwecken bestimmt. Zweck der Testamentsvollstreckung kann sein – die Unterstützung geschäftsunerfahrener, auch minderjähriger Erben, – der Schutz der Erben vor sich selbst, insbesondere vor Leichtsinn, Streitsucht und Böswilligkeit, – die Vermeidung von Konflikten zwischen einer Vielzahl von Nachlassbeteiligten, – die Vereinfachung der Abwicklung bei komplexen Nachlässen und vielfältigen Einzelanordnungen, – die Hervorhebung eines Nachlassbeteiligten, etwa der Ehefrau, durch verstärkte Befugnisse, – der Schutz vor dem Vollstreckungszugriff der Eigengläubiger des Erben, § 2214 BGB, – die Sicherung der Unternehmensnachfolge, – die Ermöglichung der Bestimmung von Vermächtnisgegenstand, Vermächtnisbegünstigten und Vermächtniserfüllung durch den Testamentsvollstrecker trotz des grundsätzlichen Verbots der Vertretung im Willen nach § 2065 BGB.
323
Gem. § 2224 Abs. 1 BGB führen mehrere ernannte Testamentsvollstrecker das Testamentsvollstreckeramt als Gesamtvollstrecker, soweit nicht der Erblasser etwas anderes angeordnet hat. Neben dem Einstimmigkeitsprinzip kommt insbesondere das Mehrheitsprinzip mit Überstimmungsmöglichkeit oder die Zuteilung eigenständiger Wirkungskreise in Betracht.1 Bestehen zwischen den Testamentsvollstreckern Meinungsverschiedenheiten über die Amtsführung und können Sie keine Einigung herbeiführen, entscheidet hierüber ausschließlich das Nachlassgericht (vgl. dazu § 355 Abs. 2 FamFG), soweit der Erblasser eine entsprechende Entscheidungsbefugnis nicht einem Testamentsvollstrecker oder Dritten übertragen hat. Das Nachlassgericht entscheidet dabei ausschließlich über Fragen der sachlichen Amtsführung, nicht hingegen über Rechtsfragen und ist im Rahmen der Entscheidung an das Spektrum der jeweils vertretenen Ansichten gebunden, darf mithin keine Anordnung treffen, die von keinem Mitvollstrecker vorgeschlagen wird.2
1 Staudinger/Reimann, § 2224 BGB Rz. 5 ff. 2 Erman/Schmidt, § 2224 BGB Rz. 3.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
III. Aufgabenstellung, Typen der Testamentsvollstreckung 1. Aufgaben Der Erblasser hat die Aufgaben des Testamentsvollstreckers zu bestimmen. 324 Es gilt der Grundsatz, dass die Aufgabenstellung die Befugnisse bestimmt. Der Definition der Aufgabenstellung ist deshalb größte Sorgfalt zu widmen, während die gesetzlichen Befugnisse nicht zu sehr eingeschränkt werden sollten. Denn die Aufgabenstellung bleibt vorgegeben, während die Erforderlichkeit der Mittel nicht präzise vorhergesehen werden kann. 2. Typen a) Übersicht Als Typen der Testamentsvollstreckung kann man unterscheiden
325
– die Abwicklungsvollstreckung, §§ 2203, 2204 BGB, – die Verwaltungsvollstreckung, § 2209 Satz 1 Halbs. 1 BGB, – die Dauervollstreckung, § 2209 Satz 1 Halbs. 2 BGB, – die Nacherbenvollstreckung, § 2222 BGB, – die Vermächtnisvollstreckung, § 2223 BGB, und – die auf einzelne Aufgaben beschränkte Testamentsvollstreckung, § 2208 BGB. b) Abwicklungsvollstreckung Regelfall ist die Abwicklungsvollstreckung, bei der der Testamentsvollstre- 326 cker die Nachlassverbindlichkeiten erfüllt, Vermächtnisse, Auflagen, Teilungsanordnungen ausführt und den Restnachlass den Erben freigibt. Zur Erfüllung einer bspw. vermächtnisweisen Übertragung von Grundbesitz durch den Testamentsvollstrecker an sich selbst als in einem lediglich eigenhändigen Testament begünstigten Vermächtnisnehmer genügt die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des eigenhändigen Testaments und des Eröffnungsprotokolls.1 Aufgrund ausschließlicher Erfüllung einer Verbindlichkeit nach § 181 Halbs. 2 BGB sind die Insichgeschäftsbeschränkungen des § 181 BGB nicht verletzt. In einem Testamentsvollstreckerzeugnis müssen im Hinblick auf die Ver- 327 fügungsmacht des Testamentsvollstreckers sämtliche Beschränkungen oder Erweiterungen der gesetzlichen Regelung angegeben werden. Hierzu gehören insbesondere die Freistellung bei der Eingehung von Verbindlichkeiten und entgegen der hM2 die Befreiung von den Beschränkungen des 1 OLG Düsseldorf v. 14.8.2013 – I-3 Wx 41/13, FamRZ 2014, 603 ff. = ZEV 2014, 200 ff. = MittBayNot 2014, 67 (68). 2 OLG Köln v. 21.11.2012 – 2 Wx 214/12, FGPrax 2012, 105 f. = RNotZ 2013, 103 ff.; OLG Hamm v. 23.3.2004 – 15 W 75/04, FamRZ 2005, 70 f. = DNotZ 2004, 808 (810); MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2368 BGB Rz. 37; Palandt/Weidlich, § 2368 BGB Rz. 2.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
§ 181 BGB1 einerseits sowie das Verbot zu bestimmten Verfügungen andererseits. 328
Im Rahmen der Vermächtniserfüllung sollte der Testamentsvollstrecker vor vollständiger Nachlassauseinandersetzung zur Vermeidung von Restrisiken aus einer eventuellen Haftung des Nachlasses für die Steuer aller am Erbfall Beteiligten aus § 20 Abs. 3 ErbStG den Vermächtnisgegenstand bis zur Sicherstellung der Begleichung einer eventuell anfallenden Erbschaftsteuer durch den Vermächtnisnehmer bzw. eines diesbezüglichen Negativattests des zuständigen Finanzamtes zurückbehalten.2 c) Verwaltungsvollstreckung
329
Bei der Verwaltungsvollstreckung sind die Befugnisse des Testamentsvollstreckers auf die reine Verwaltung des Nachlasses eingeschränkt. Typische Fälle sind die Testamentsvollstreckung bis zur Volljährigkeit des Erben und die Testamentsvollstreckung bei der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht, § 2338 BGB.
330
Derjenige Testamentsvollstrecker, dem nach § 2209 Satz 1 Halbs. 1 BGB ohne Zuweisung anderer Aufgaben lediglich die Verwaltung des Nachlasses übertragen wurde, ist gleichwohl im Zweifel dazu befugt, auch über Nachlassgegenstände zu verfügen.3 d) Dauervollstreckung aa) Grundsatz
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Die Dauervollstreckung umfasst die Verwaltungsvollstreckung sowie nach § 2209 Satz 2 BGB im Zweifel die Berechtigung zur Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass in unbeschränktem Umfang iSd. § 2207 Satz 1 BGB und endet grundsätzlich gem. § 2210 Satz 1 BGB dreißig Jahre nach dem Erbfall, wenn der Erblasser nicht nach § 2210 Satz 2 BGB anordnet, dass die Verwaltung bis zum Tode des Erben oder des Testamentsvollstreckers oder bis zum Eintritt eines anderen Ereignisses in der Person des einen oder des anderen fortdauern soll.4 Sind seit dem Erbfall dreißig Jahre verstrichen und soll die Verwaltung des Nachlasses nach dem Willen des Erblassers über dreißig Jahre hinaus bis zum Tode des Testamentsvollstreckers fortdauern, verliert die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung ihre Wirksamkeit mit dem Tode des letzten Testamentsvollstreckers, der innerhalb von dreißig Jahren seit dem Erbfall zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde.5
1 2 3 4 5
Letzel, ZEV 2004, 289 (290); Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (101). Weidmann, ZEV 2014, 404 (407 f.). OLG Bremen v. 24.1.2013 – 3 W 26/12, RNotZ 2013, 225 (226). Dazu Weidlich, MittBayNot 2008, 263 ff. BGH v. 5.12.2007 – IV ZR 275/06, MDR 2008, 323 = DNotZ 2008, 539 = MittBayNot 2008, 301.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
bb) Besonderheit Urheberrecht Dagegen gilt die zeitliche Begrenzung aus § 2210 Satz 1 BGB für Testa- 332 mentsvollstreckung im Urheberrecht aufgrund dortiger Sonderregelung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 UrhG im Gegensatz zur entsprechenden urheberrechtlichen Nacherbfolgeregelung des § 2109 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht.1 Da eine Dauertestamentsvollstreckung mit den Grundsätzen eigenverantwortlicher Verwaltung und staatlicher Aufsicht der Stiftung von Todes wegen unvereinbar ist, muss der Testamentsvollstrecker die Verfügungsbefugnis über den als Stiftungsvermögen zugeordneten Nachlassteil gegenüber der Stiftung freigeben, sobald deren Rechtsfähigkeit als Stiftung anerkannt worden ist.2 e) Nacherbenvollstreckung aa) Grundsatz Die Nacherbenvollstreckung dient der Wahrung der Rechte des Nach- 333 erben gegenüber dem Vorerben. Sehr selten ist Vermächtnisvollstreckung zur Sicherung der Ausführung von dem Vermächtnisnehmer auferlegten Untervermächtnissen, Auflagen und Nachvermächtnissen. bb) Nacherbenvollstrecker und gesetzlicher Vertreter des Erben Ist der alleinige gesetzliche Vertreter (z.B. Vater) des Erben (z.B. minderjäh- 334 rige Tochter) zugleich Verwaltungsvollstrecker, kann zur Wahrnehmung der Rechte des Vertretenen gegenüber dem gesetzlichen Vertreter in dessen Eigenschaft als Testamentsvollstrecker – nicht jedoch zur Wahrnehmung der Rechte des Vertretenen aus dem Nachlassvermögen – je nach Einzelfall eine Ergänzungspflegschaft erforderlich sein.3 So unterliegt zwar bspw. der längstlebende Elternteil als Testamentsvollstrecker mangels Ableitung seiner diesbezüglichen Rechtsmacht aus der elterlichen gesetzlichen Vertretungsmacht im Gegensatz zu seiner Rolle als gesetzlich vertretender Elternteil unabhängig vom jeweiligen Gegenstand des betroffenen Rechtsgeschäfts keiner familiengerichtlichen Genehmigungspflicht.4 Aufgrund der Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker und alleinigem Elternteil, dessen diesbezügliche elterliche Vertretungsmacht insoweit nach § 2211 BGB verdrängt wird, droht bspw. bei einer Vermächrnisvollstreckung jedoch die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft,5 die die im Übri1 Gloser, DNotZ 2013, 497 (499 bzw. 510). 2 OLG Frankfurt v. 15.10.2010 – 4 U 134/10, DNotZ 2012, 217 (218). 3 BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, MDR 2008, 805 = DNotZ 2008, 782 = MittBayNot 2008, 297. 4 RG v. 8.10.1917 – IV 124/17, RGZ 91, 69 (70 ff.); Erman/Saar, vor §§ 1821, 1822 BGB Rz. 4; Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 19 f. 5 So für den Erben OLG Nürnberg v. 29.6.2001 – 11 UF 1441/01, MDR 2001, 1117 f. = FamRZ 2002, 272 = ZEV 2002, 158 = MittBayNot 2002, 403 f.; BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft); Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 20; aA LG Mannheim v. 31.1.1977 – 4 T 229/76, MDR
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
gen verbleibende elterliche Vertretungsmacht hinsichtlich der Wahrnehmung der Rechte des minderjährigen Kindes als Vermächtnisnehmer aus §§ 2216, 2219 Abs. 1, 2205 Satz 3 BGB1 auf ordnungsgemäße Verwaltung, Befolgung der Erblasseranordnungen, Haftung aus Pflichtverletzung und Unterlassung anderer als einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechender unentgeltlicher Verfügungen gegenüber dem Testamentsvollstrecker ausschließen dürfte. Dies gilt auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker durch den Erblasser von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde, da hier die Rolle des längstlebenden Ehegatten als den Vermächtnisnehmer gesetzlich vertretender kontrollierender Elternteil, für die selbst das Familiengericht nicht wirksam von den zwingenden Beschränkungen der §§ 1795, 1796, 181 BGB befreien könnte,2 und nicht dessen Testamentsvollstreckereigenschaft betroffen ist. cc) Kombinationslösung 335
Ein Testamentsvollstrecker kann zudem in Gestalt einer „Kombinationslösung“ bspw. auch gleichzeitig für die Vorerbschaft, die Nacherbenvollstreckung und eine Vermächtnisvollstreckung ernannt sein, wobei die Vermächtnisvollstreckung sogar die Entgegennahme der Auflassung durch den Vermächtnisnehmer erfasst.3 Durch Anordnung einer derartigen Vermächtnisvollstreckung können insbesondere auch bei minderjährigen Kindern als Vermächtnisnehmern etwaige aus den Regelungen der §§ 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 iVm. § 181 BGB entstehende Probleme bei der Vermächtniserfüllung umgangen werden, wobei jedoch das Restrisiko einer Ergänzungspflegerbestellung für die Wahrnehmung eventueller Rechte des minderjährigen Vermächtnisnehmers gegenüber seinem Elternteil als Testamentsvollstrecker verbleibt.4 f) Beschränkter Aufgabenkreis
336
Ein variables Instrument ist die Testamentsvollstreckung mit beschränktem Aufgabenkreis. So kann z.B. der Vermächtnisnehmer zum Testamentsvollstrecker lediglich mit der Aufgabe bestellt werden, sich das Ver-
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1977, 579 = Die Justiz 1977, 135 f.: mangels Einschlägigkeit einer gesetzlichen Ausschließung nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB gerichtliche Entziehung nach §§ 1629 Abs. 2, 1796 BGB nur bei konkreter Gefährdung des Kindesinteresses. BGH v. 24.9.1971 – V ZB 6/71, NJW 1971, 2264 (2266 f.) = MittBayNot 1972, 25; Erman/M. Schmidt, § 2216 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2216 BGB Rz. 1. So für Erben BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft). OLG München v. 25.2.2013 – 34 Wx 30/13; FamRZ 2013, 1928 = DNotZ 2013, 695; OLG Hamm v. 27.7.2010 – I-15 Wx 374/09, FamRZ 2011, 329; DNotZ 2011, 221. BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, MDR 2008, 805 = DNotZ 2008, 782; Odersky, notar 2011, 242 (244).
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
mächtnis selbst zu erfüllen, s. dazu oben Rz. 186. Die Testamentsvollstreckung kann auf einzelne Nachlassgegenstände beschränkt werden, auch nur für einen von mehreren Miterben angeordnet werden. Einschränkungen der Verfügungsbefugnis wirken dabei im Zweifel dinglich.1 3. Bedingung Eine auflösend (so bspw. bis zur Beendigung der Zugehörigkeit zu einer be- 337 stimmten Sekte2) oder aufschiebend (so etwa im Falle einer nicht innerhalb einer bestimmten Zeitspanne realisierten Erbauseinandersetzung3) bedingt angeordnete Testamentsvollstreckung setzt im Hinblick auf § 2065 BGB stets voraus, dass der Erblasser die Bedingung höchstpersönlich selbst vorgibt.4 Im Falle einer aufschiebend bedingten Testamentsvollstreckung dürfte zwar analog §§ 2019, 2041, 2111 BGB, analog § 2041 BGB bzw. analog § 2111 BGB bereits in der Zeitspanne bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung trotz dann noch fortbestehender alleiniger Verfügungsbefugnis der Erben bei Verfügungen über Nachlassgegenstände dingliche Surrogation eintreten.5 Gleichwohl sollte bis zu einer diesbezüglichen höchstrichterlichen Klärung eine klarstellende letztwillige Regelung der Verfügungsbefugnis während dieser Zwischenphase getroffen werden.6
IV. Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers 1. Pflichten Zwischen Erben und Testamentsvollstrecker besteht ein gesetzliches 338 Schuldverhältnis. Der Testamentsvollstrecker hat gegenüber dem Erben zwingend, ohne dass ihn der Erblasser hiervon befreien kann,7 die Pflicht zur – Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses, § 2215 BGB, – ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses, § 2216 BGB, – Freigabe nicht zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlicher Gegenstände, § 2217 BGB, – Abrechnung nach Auftragsrecht und Rechnungslegung, § 2218 BGB, – und zum Ersatz verschuldeter Schäden aus Pflichtverletzung.
1 BGH v. 9.5.1984 – IVa ZR 234/82, MDR 1985, 32 = FamRZ 1984, 780 = NJW 1984, 2464. 2 OLG Düsseldorf v. 2.3.1988 – 3 Wx 290/87, NJW 1988, 2615 ff. 3 Ruby, ZEV 2007, 18 (20). 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 24 (25). 5 Hartmann, RNotZ 2008, 150 (152 f.). 6 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 24 (26); Staudinger/Reimann, § 2211 BGB Rz. 8. 7 § 2220 BGB.
395
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
2. Befugnisse a) Grundsätze 339
Die Machtbefugnisse des pflichtgemäß handelnden Testamentsvollstreckers sind groß. Er unterliegt insbesondere nicht der Aufsicht des Nachlassgerichts.
340
Lediglich aus wichtigem Grund kann er von diesem auf Antrag entlassen werden, etwa wegen grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Führung seines Amtes, § 2227 BGB.
341
Gem. § 2205 Satz 1 und 2 BGB ist der Testamentsvollstrecker befugt, den Nachlass in Besitz zu nehmen und über Nachlassgegenstände – nach § 2205 Satz 3 BGB jedoch grundsätzlich nicht unentgeltlich – zu verfügen. Nach § 2211 Abs. 1 BGB verliert der Erbe, obschon er Rechtsträger der Nachlassgegenstände bleibt, an den der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenständen seine Verfügungsbefugnis. Das Verfügungsrecht des Testamentsvollstreckers erfasst dabei ausschließlich die einzelnen Nachlassgegenstände, nicht jedoch die Erbteile, über die der Erbe uneingeschränkt verfügungsbefugt bleibt. Zur Vermeidung eines gutgläubigen Erwerbs Dritter bei Grundstücken ist gem. § 52 GBO im Grundbuch ein Testamentsvollstreckervermerk einzutragen. Auf Antrag kann auch ein Vermächtnisvollstreckervermerk im Grundbuch eingetragen werden.1 Gem. § 2206 BGB ist der Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verfügungsbefugnis auch dazu berechtigt, sich zu entsprechenden Verfügungen zu verpflichten und zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderliche Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen. Er ist gem. § 2212 BGB für Aktivprozesse ausschließlich, gem. § 2213 BGB für Passivprozesse neben den Erben konkurrierend prozessführungsbefugt.
342
Nach § 2211 Abs. 1 BGB verliert der Erbe, obschon er Rechtsträger der Nachlassgegenstände bleibt, an den der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenständen seine Verfügungsbefugnis. Das Verfügungsrecht des Testamentsvollstreckers erfasst dabei ausschließlich die einzelnen Nachlassgegenstände und Erbteile des Erblassers an einem anderen Nachlass, nicht jedoch die Erbteile am betroffenen Nachlass, über die der (Mit-)Erbe uneingeschränkt verfügungsbefugt bleibt.2 Daher kann ein an den Erbteilen der Erben vermachter Nießbrauch trotz Anordnung von Testamentsvollstreckung nicht durch den Testamentsvollstrecker, sondern ausschließlich von den Erben bestellt3 und sodann im Wege der erweiternden Anwendung analog § 1071 BGB mittels Grundbuchberichtigung im Grundbuch eingetragen werden.4 1 Staudinger/Reimann, § 2223 BGB Rz. 20. 2 BGH v. 9.5.1984 – IV a ZR 234/82, MDR 1985, 32 = FamRZ 1984, 780 f. = NJW 1984, 2464 (2465 f.). 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 155 f.; a.A. Kraiß, BWNotZ 1986, 12 (13); Winkler, Testamentsvollstrecker, Rz. 242. 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 155 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 1366.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
Der Testamentsvollstrecker ist Träger eines Amtes. Nur der Testaments- 343 vollstrecker kann über den der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass verfügen, der Erbe ist von jeder Verfügung ausgeschlossen, § 2211 BGB. Der Testamentsvollstrecker erhält vom Nachlassgericht auf Antrag ein Testamentsvollstreckerzeugnis. Dieses gilt gegenüber Privaten, Behörden und Gerichten als Legitimation. Bei Grundbesitz wird die Testamentsvollstreckung in Abteilung II des Grundbuchs vermerkt. Der Testamentsvollstrecker nimmt den Nachlass in Besitz und verfügt bis auf das Schenkungsverbot des § 2205 Satz 3 BGB frei über ihn. Alle Prozesse für und gegen den Nachlass führt der Testamentsvollstrecker. b) Entgeltlichkeitsnachweis Gem. § 2205 Satz 1 und 2 BGB ist der Testamentsvollstrecker befugt, den 344 Nachlass in Besitz zu nehmen und über Nachlassgegenstände – nach § 2205 Satz 3 BGB jedoch grundsätzlich nicht unentgeltlich – zu verfügen. Soweit ein Kaufvertrag mit einem unbeteiligten Dritten geschlossen und die Gegenleistung tatsächlich an den Testamentsvollstrecker erbracht wird, ist nach einem allgemeinen Erfahrungssatz von einer entgeltlichen Verfügung auszugehen.1 Umgekehrt ist der Testamentsvollstrecker im Falle einer abgekürzten Zahlung der Gegenleistung an einen vermeintlichen Vermächtnisnehmer bei berechtigten Zweifeln dessen wirksamer Vermächtniseinsetzung für die Entgeltlichkeit konkret beweisbelastet.2 Entsprechendes gilt bei engen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Vertragsbeteiligten, bspw. im Rahmen einer Erbauseinandersetzung zwischen Familienangehörigen.3 c) Eintritt von Geschäftsunfähigkeit Wird der Testamentsvollstrecker im Rahmen der Veräußerung von Grund- 345 besitz aus dem Nachlass nach Eintragung der Auflassungsvormerkung für den Erwerber geschäftsunfähig sowie anschließend gleichwohl aufgrund zuvor erteilter notarieller Vollmacht der Vollzug des Eigentumswechsels bewilligt und im Grundbuch vollzogen, sind zwar die schuldrechtliche Verpflichtung zur Übereignung nach § 130 Abs. 2 BGB und die Vormerkung wirksam.4 Aufgrund zwischenzeitlicher Geschäftsunfähigkeit endet das Testamentsvollstreckeramt nach §§ 2225, 2201 BGB gesetzlich unter Vonselbsteintritt der Kraftlosigkeit des Testamentsvollstreckerzeugnisses gem. § 2368 Abs. 3 BGB.5 Soweit diesbezüglich jedoch mit der hM eine analoge 1 OLG München v. 6.12.2001 – 34 Wx 403/11, FamRZ 2012, 1170 f. = DNotZ 2012, 459 ff. 2 OLG München v. 5.7.2013 – 34 Wx 191/13, FamRZ 2014, 158 ff. = DNotZ 2014, 69 ff.; Keim, MittBayNot 2014, 71 f. 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 135 (136); ähnlich zur vergleichbaren Problematik des § 2113 Abs. 2 BGB bei Nacherbfolgeanordnung OLG Braunschweig v. 4.12.1990 – 2 W 132/90, Rpfleger 1991, 204. 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 75 (76). 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 75 (76).
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Anwendung von § 878 BGB bejaht wird1 und die Geschäftsunfähigkeit erst nach Eingang des Antrags auf Vollzug des Eigentumswechsels beim Grundbuchamt eingetreten ist, wäre der Eigentumswechsel gleichwohl wirksam.2 Andernfalls muss bzw. sollte zur Vermeidung von Restrisiken mangels diesbezüglicher höchstrichterlicher Rspr. der Ersatztestamentsvollstrecker bzw. Erbe die Gesamtverfügung in Gestalt der Auflassung und Grundbuchumschreibung genehmigen, dadurch Konvaleszens iSd. § 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB auslösen und auf eine Verlautbarung der Genehmigung mittels Klarstellungsvermerks im Grundbuch hinwirken,3 wenn die Eigentumsübertragung nicht bereits mittels Grundbuchberichtigung rückgängig gemacht wurde. Ansonsten ist eine neue Auflassung erforderlich.4 d) Testamenstvollstreckervermerk aa) Grundbuch 346
Zur Vermeidung eines gutgläubigen Erwerbs Dritter bei Grundstücken ist gem. § 52 GBO im Grundbuch ein Testamentsvollstreckervermerk einzutragen, wobei den diesbezüglichen Grundbuchberichtigungsantrag, der keine Verfügung über den betroffenen Grundbesitz darstellt, auch ein Miterbe stellen kann.5 Auf Antrag des Vermächtnisvollstreckers kann auch ein Vermächtnisvollstreckervermerk im Grundbuch eingetragen werden.6 Im Gegensatz zur Testamentsvollstreckung wird die Vermächtnisvollstreckung jedoch nicht im Erbschein vermerkt.7 bb) Gesellschafterliste bzw. Handelsregister
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Die Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerkes in eine Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 GmbHG ist mangels diesbezüglichen Vertrauenstatbestandes hinsichtlich der Vertretungsmacht des darin genannten Gesellschafters aus Gründen der Registerklarheit unzulässig,8 während 1 OLG Brandenburg v. 24.11.1994 – 5 W 48/94, 5 W 53/94, VIZ 1995, 365; LG Neubrandenburg v. 22.12.1994 – 3 T 176/94, MDR 1995, 491; MünchKomm.BGB/Kohler, § 878 BGB Rz. 11; Palandt/Bassenge, § 878 BGB Rz. 11; Böhringer, BWNotZ 1984, 137 (139 f.); Heil, RNotZ 2001, 269; Kesseler, RNotZ 2013, 480 (482) unter Hinweis auf BGH v. 11.10.2012 – V ZB 2/12, DNotZ 2013, 362 (366) zur Veräußerung durch den WEG-Verwalter; Schaub, ZEV 2000, 49 (50); Walloschek, 2011, 167 (172); aA OLG Frankfurt v. 26.11.1979 – 20 W 724/79, OLGZ 1980, 100 ff. = Rpfleger 1980, 63 f.; BayObLG v. 18.5.1956 – BReg. 2 Z 64, 66/56, NJW 1956, 1279; OLG Celle v. 21.1.1953 – 4 Wx 55/52, NJW 1953, 945. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 75 (76). 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 75 (77). 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 75 (76). 5 OLG Stuttgart v. 30.7.2013 – 8 W 173/12, FamRZ 2014, 422 f. = ZEV 2014, 97 f. = DNotI-Report 2013, 141. 6 BayObLGZ 1990, 82; Staudinger/Reimann, § 2223 BGB Rz. 22. 7 KG v. 15.1.1914 – 1 X 512/13, KGJ 46 A, 141 (144 f.); KG v. 24.6.1912 – 1 X 213/12, KGJ 43 A, 92 (94); Staudinger/Reimann, § 2223 BGB Rz. 21. 8 OLG Köln v. 21.7.2014 – 2 Wx 191/14, MittBayNot 2014, 549 (550 f.); OLG München v. 15.11.2011 – 31 Wx 274/11, MDR 2012, 108 f. = FGPrax 2012, 37.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
für einen unter Dauertestamentsvollstreckung stehenden Kommanditisten wegen eines diesbezüglichen Informationsbedürfnisses des Rechtsverkehrs ein Testamentsvollstreckervermerk im Handelsregister einzutragen ist.1 Zur Problematik von Dauertestamentsvollstreckung im Handels- und Gesellschaftsrecht s. 7. Kap. Rz. 143 ff. e) Erweiterungen Typische Erweiterungen der gesetzlich vorgesehenen Verfügungsmacht 348 des Testamentsvollstreckers sind insbesondere dessen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und Einräumung der Berechtigung zur Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass in unbeschränktem Umfang nach § 2207 Satz 1 BGB, wobei aufgrund § 2220 BGB vom zwingenden Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses iSd. § 2216 Abs. 1 BGB nicht befreit werden kann, durch letztwillige Verfügung getroffene schuldrechtliche Anordnungen des Erblassers jedoch nach § 2216 Abs. 2 BGB zu befolgen sind. f) Beschränkungen Die gesetzliche Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers kann je- 349 doch umgekehrt auch beschränkt werden. Dabei kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, dass bestimmter Grundbesitz ohne Zustimmung aller Erben nur an einen bestimmten Personenkreis übertragen werden darf. 3. Amtsbeendigung Der Testamentsvollstrecker kann sein Amt jederzeit, nicht jedoch zur Un- 350 zeit, durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht kündigen, § 2226 BGB. Sonst endet die Testamentsvollstreckung mit Ablauf der im Testament bestimmten Zeit oder mit der Erfüllung der dem Testamentsvollstrecker auferlegten Aufgaben.
V. Die Ernennung des Testamentsvollstreckers 1. Einseitige letztwillige Verfügung Die Ernennung des Testamentsvollstreckers durch den Erblasser erfolgt 351 ausschließlich mittels einseitiger letztwilliger Verfügung, entweder im Testament, § 2197 Abs. 1 BGB, oder im Erbvertrag, §§ 2278 Abs. 2, 2299 BGB. Mehrere Testamentsvollstrecker führen nach der gesetzlichen Regel ihr Amt als Gesamtvollstrecker gemeinschaftlich. Jedoch kann der Erblasser abweichendes bestimmen. Insbesondere kann er jedem von mehreren Testamentsvollstreckern einen eigenen Bereich zuweisen, innerhalb dessen dann jeder seine Aufgabe selbständig wahrnehmen kann (Nebenvollstre1 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, FGPrax 2012, 121.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
cker). Der Erblasser kann auch mehrere Testamentsvollstrecker nacheinander einsetzen. Er kann die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers auch einem Dritten, dem Mitvollstrecker oder Vorvollstrecker oder auch dem Nachlassgericht überlassen, §§ 2198 ff. BGB. Insbesondere die Bestellung des Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht ist in der Praxis häufig, wobei der Erblasser testamentarische Richtlinien geben kann. 2. Differenzierung: Anordnung Testamentsvollstreckung und Personbestimmung 352
Zu unterscheiden ist zwischen der Anordnung von Testamentsvollstreckung und der Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung muss der Erblasser selbst vornehmen, während er die Bestimmung der Person des Testamentsvollstreckers einem Dritten oder dem Nachlassgericht überlassen kann, §§ 2198, 2200 BGB. Der Erblasser kann auch Ersatztestamentsvollstrecker bestimmen, § 2197 Abs. 2 BGB, oder den benannten Testamentsvollstrecker ermächtigen, Mitvollstrecker oder Nachfolger zu ernennen, § 2199 BGB. Testamentsvollstrecker können sein natürliche Personen, auch Verwandte oder Verschwägerte wie etwa ein Kind oder die Ehefrau, juristische Personen, etwa eine Bank,1 oder der jeweilige Träger eines Amtes, etwa der jeweilige Bürgermeister, oder einer Funktion, etwa der Steuerberater2 des Unternehmens zum Zeitpunkt des Erbfalls. Der benannte Testamentsvollstrecker kann sein Amt in freier Entscheidung annehmen oder ablehnen, § 2202 BGB. Deshalb und wegen der Möglichkeit der Amtsunfähigkeit nach § 2201 BGB oder des Versterbens des bestimmten Testamentsvollstreckers sollte immer ein Ersatz vorgesehen werden. Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ist oft sinnimmanent, sollte aber ausdrücklich formuliert werden. 3. Problematik Alleinerbe als Testamentsvollstrecker
353
Zu beachten ist, dass nach h.M. im Gegensatz zu einer zulässigerweise durch alle Miterben gemeinschaftlich geführten Testamentsvollstreckung3 weder der Alleinvollerbe4 Erbentestamentsvollstrecker noch der alleinige Vorerbe5 Nacherbenvollstrecker sein kann. Dies folgt daraus, dass ein Alleinerbe ohnehin ebenso wie ein an seiner Stelle eingesetzter Erbentestamentsvollstrecker verfügen kann und eine zusätzliche Anordnung der Tes1 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f. = ZEV 2005, 204 (205). 2 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f. = ZEV 2005, 204 (205). 3 RG v. 15.2.1940 – IV 111/39, RGZ 163, 57 (58). 4 RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 ff.; BayObLG NJW-RR 2005, 232 (233). 5 RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 ff.; OLG Zweibrücken v. 30.6.1999 – 3 W 124/99, FamRZ 2000, 323 f. = ZEV 2001, 27; Staudinger/Reimann, § 2197 BGB Rz. 53 f.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
tamentsvollstreckung wegen vollständiger Übereinstimmung der jeweiligen Rechtsmacht des Erbentestamentsvollstreckers einerseits und des Erben andererseits gleichsam in „Personalunion“1 überflüssig bzw. eine Beschränkung der Erbenrechte durch dieselbe mit dem Alleinerben identische Person als Erbentestamentsvollstrecker sinnlos2 wäre. Ausnahmsweise darf jedoch der Alleinerbe dann Testamentsvollstrecker sein, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverstößen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann.3 Dagegen kann ein Alleinerbe sogar ohne jede Einschränkung Vermächtnis- 354 vollstrecker sein, wobei die Vermächtnisvollstreckung eine vorherige anderweitige beispielsweise durch den Alleinerben als Erbentestamentsvollstrecker bewirkte Vermächtniserfüllung voraussetzt.4 Gem. § 2223 BGB kann der Erblasser nämlich einen Testamentsvollstrecker auch zur Ausführung der einem Vermächtnisnehmer auferlegten Beschwerungen ernennen. Hierunter fällt insbesondere die Überwachung einer Auflagenvollziehung, beispielsweise die Bezahlung der Grabpflege oder der Versorgung eines Haustieres aus einem vermachten Geldbetrag. Daneben ist Vermächtnisvollstreckung auch zum Zwecke der Verwaltung eines einem Vermächtnisnehmer zugewendeten Vermächtnisgegenstandes zulässig, beispielsweise eines Miteigentumsanteils an einem Betriebsgrundstück, das aus steuerlichen Gründen minderjährigen Kindern vermächtnisweise zugeteilt wurde, bis diese ein bestimmtes Alter erreicht haben werden. Eine Vermächtnisvollstreckung erfasst zudem Abwicklungsvollstreckungsaufgaben zur Erfüllung der dem Vermächtnisnehmer auferlegten Beschwerungen, bspw. von Nachvermächtnissen, und kann auf Antrag des Vermächtnisvollstreckers aufgrund eines dem betroffenen Vermächtnisnehmer vermachten Grundbesitzes bzw. Grundpfandrechts im Grundbuch eingetragen werden.5 Ein Vermächtnisvollstrecker darf alleine auf die Aufgabe der Vermächtnisvollstreckung beschränkt oder zusätzlich auch Testamentsvollstrecker sein. 4. Unwirksamkeitstatbestände Die Testamentsvollstreckerernennung ist gem. § 2201 BGB dann unwirk- 355 sam, wenn die in Rede stehende Person bei vorgesehenem Amtsantritt geschäftsunfähig ist, lediglich beschränkt geschäftsfähig ist oder gem. § 1896
1 Lange, Erbrecht, 2011, Kap. 15, Rz. 30. 2 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f. = ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam; RG v. 15.2.1940 – IV 111/39, RGZ 163, 57 (58); RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 (178). 3 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f. = ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam. 4 Palandt/Weidlich, § 2223 BGB Rz. 2. 5 BayObLG v. 22.3.1990 – BReg 2 Z 112/89, FamRZ 1990, 913 = DNotZ 1991, 548 = BayObLGZ 1990, 82; Staudinger/Reimann, § 2223 BGB Rz. 22.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
BGB zur Besorgung der eigenen Vermögensangelegenheiten einen Betreuer erhalten hat. Das Testamentsvollstreckeramt beginnt gem. § 2202 BGB mit Amtsannahme, die durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, frühestens ab Eintritt des Erbfalls erfolgt. 5. Problematik Ersatztestamentsvollstrecker 356
In der letztwilligen Verfügung sollte stets klargestellt sein, ob bei einem Wegfall eines ernannten Testamentsvollstreckers ein Ersatztestamentsvollstrecker ernannt ist. Andernfalls hat seitens des Nachlassgerichts eine entsprechende Testamentsauslegung zu erfolgen, deren Ergebnis ungewiss ist. 6. Eintritt der Verfügungsbeschränkung der Erben
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Die aus § 2211 Abs. 1 BGB resultierende Verfügungsbeschränkung der Erben tritt unabhängig von der Annahme bzw. dem Beginn des Testamentsvollstreckeramtes iSd. § 2202 Abs. 1 BGB sofort mit dem Erbfall ein.1 Es entsteht daher ein Schutzvakuum.2 Soweit nicht kurzfristig bspw. durch Fristablauf nach § 2202 Abs. 3 BGB eine Lösung erreicht wird, kann ein nachlassgerichtlicher Sicherungsbedarf eintreten. Auch in derartigen Fällen unbekannter Testamentsvollstrecker kann wegen der Vergleichbarund Ähnlichkeit mit dem Unbekanntsein von Erben durch das sachnäher befasste Nachlassgericht analog § 1960 BGB eine Nachlasssicherungspflegschaft angeordnet werden3, ohne dass stattdessen nach § 1913 Satz 1 BGB auf eine dann in die insoweit unpassende sachliche Zuständigkeit des Betreuungsgerichts fallende Pflegschaft zurückgegriffen werden muss4. Da der Nachlasspfleger wegen Unbekanntseins des Testamentsvollstreckers -und nicht der Erben- bestellt wird, erfasst ihn die sofort mit dem Erbfall eintretende Verfügungsbeschränkung der Erben aus § 2211 Abs. 1 BGB nicht.5 7. Notar als Testamentsvollstrecker? a) Der die letztwillige Verfügung beurkundende Notar
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Die Ernennung des ein öffentliches Testament bzw. einen Erbvertrag beurkundenden Notars zum Testamentsvollstrecker des Nachlasses des Erblassers ist – selbst bei Unkenntnis des Notars im Falle Übergabe einer ver1 BGH v. 2.10.1957 – IV ZR 217/57, BGHZ 25, 275 (282) = NJW 1957, 1916. 2 Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (5). 3 Staudinger/Marotzke, § 1960 BGB Rz. 25; Bengel/Reimann, Hdb. Testamentsvollstreckung, Kap. 1 Rz. 15; Haegele/Winkler, Der Testamentsvollstrecker, Rz. 111a; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (5). 4 So aber Damrau, FS Lange, 1992, S. 797 (801); Damrau, ZEV 1996, 81 (83); Zimmermann, Nachlasspflegschaft, Rz. 109. 5 Staudinger/Marotzke, § 1960 BGB Rz. 25; Fröhler, BWNotZ 2011, 2 (5); aA Zimmermann, Nachlasspflegschaft, Rz. 109.
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F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
schlossenen Schrift nach § 2232 Satz 2 BGB1 bzw. unabhängig von einer etwaigen Testamentsvollstreckervergütung2 – nach §§ 7, 27 BeurkG unzulässig und unwirksam, ohne zwingend die Unwirksamkeit auch der anderen dortigen letztwilligen Verfügungen zu bewirken.3 b) Ermächtigung des Urkundsnotars Zudem ist eine Ermächtigung des Urkundsnotars in einer von ihm beur- 359 kundeten Verfügung von Todes wegen zur Bestimmung des Testamentsvollstreckers iSd. § 2198 Abs. 1 BGB nach § 7 Nr. 1 BeurkG unabhängig davon, ob er sich dadurch selbst zum Testamentsvollstrecker bestimmt, unwirksam, um dem Notar selbst bei Bestimmung eines anderen Testamentsvollstreckers eventuelle Vorteile bspw. durch Beauftragung zu Vermächtniserfüllungsverträgen auszuschließen.4 c) Sozius des beurkundenden Notars Umgekehrt bewirkt die Beurkundung der Testamentsvollstreckerernen- 360 nung eines Notars durch dessen Sozius zwar keine Unwirksamkeit dieser Verfügung,5 verstößt jedoch gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG, zieht disziplinar- und dienstaufsichtsrechtliche Folgen nach sich und kommt daher ebenfalls nicht in Betracht.6 d) Unverbindlicher Erblasserwunsch Unsicher erscheint zudem, ob der unverbindliche nicht bindende Wunsch 361 eines Erblassers gegenüber dem Nachlassgericht bzw. sonstigen Bestimmungsberechtigten, wonach der die zugrundeliegende Verfügung von Todes wegen beurkundende Notar möglichst dessen Testamentsvollstrecker sein soll, im Hinblick auf § 27 BeurkG wirksam ist.7
1 Burandt/Rojahn/Egerland, Erbrecht, § 27 BeurkG Rz. 3; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144). 2 Grziwotz/Heinemann, § 27 BeurkG Rz. 18; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144). 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144). 4 BGH v. 10.10.2012 – IV ZB 14/12, MDR 2012, 1468 f. = FamRZ 2013, 32 ff. = DNotZ 2013, 149 ff.; OLG Stuttgart v. 29.3.2012 – 8 W 112/12, FamRZ 2012, 1761 f. = ZEV 2012, 486 f. = BWNotZ 2012, 137 (138 f.). 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 1999, 101 (103). 6 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 1999, 101 (103). 7 Verneinend Eylmann/Vaasen/Baumann, § 27 BeurkG Rz. 8; bejahend OLG Stuttgart v. 16.8.1989 – 8 W 640/88, DNotZ 1990, 430 f. = BWNotZ 1990, 45 f.; Burandt/Rojahn/ Egerland, Erbrecht, § 27 BeurkG Rz. 6; MünchKomm.BGB/Hagena, § 27 BeurkG Rz. 18; Armbrüster, § 27 BeurkG Rz. 7; Winkler, § 27 BeurkG Rz. 9; Reimann, DNotZ 1990, 433 (435); offengelassen DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144).
403
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
e) Bloße beurkundete Testamentsvollstreckungsanordnung 362
Dagegen dürfte die bloße Beurkundung einer Testamentsvollstreckungsanordnung durch einen später eigenhändig oder durch eine von einem anderen (aber nicht Sozius-)Notar beurkundete Verfügung von Todes wegen zum Testamentsvollstrecker ernannten Notar wirksam und zulässig sein,1 soweit sie dieser Notar nicht selbst so vorgeschlagen hat, da dies wiederum gegen § 16 Abs. 1 BNotO iVm. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BeurkG verstoßen würde,2 wobei in diesem Fall zusätzlich empfohlen wird, eine derartige eigenhändig verfügte separate Testamentsvollstreckerernennung nicht ebenfalls in denselben für die beurkundete Verfügung verwendeten Testamentsumschlag aufzunehmen.3 f) Anlage zur beurkundeten letztwilligen Verfügung
363
Wird die in einem durch den Erblasser eigenhändig errichteten Dokument enthaltene Ernennung des Notars zum Testamentsvollstrecker in einer von diesem ernannten Notar beurkundeten Verfügung von Todes wegen als Anlage bezeichnet und gleichzeitig in die besondere Verwahrung des Nachlassgerichts gegeben, kann die Ernennung insbesondere wegen Umgehung der §§ 27, 7 Nr. 1 BeurkG unwirksam sein.4 g) Eigenhändiges Testament
364
Gänzlich unproblematisch kann ein Notar jedoch durch ausschließlich eigenhändiges Testament des Erblassers zum Testamentsvollstrecker ernannt werden und zwar selbst dann, wenn er das betreffende eigenhändige Testament selbst entworfen hat.5 Entsprechendes dürfte auch für eine Ernennung in einem – ggf. durch den ernannten Notar entworfenen – öffentlichen Testament oder Erbvertrag eines anderen (aber nicht Sozius-)Notars gelten. h) Notar mit Amtssitz im Ausland
365
Im Gegensatz dazu muss eine Testamentsvollstreckerernennung eines Notars mit Amtssitz im Ausland in einer von diesem im Land seines Amtssitzes beurkundeten Verfügung von Todes wegen trotz Maßgeblich1 OLG Oldenburg v. 26.10.1989 – 5 W 134/89, DNotZ 1990, 431 (432); LG Göttingen v. 6.2.1952 – 1 T 635/51, DNotZ 1952, 445; Burandt/Rojahn/Egerland, Erbrecht, § 27 BeurkG Rz. 6; Armbrüster, § 27 BeurkG Rz. 7; Winkler, § 27 BeurkG Rz. 9; offengelassen DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144). 2 Armbrüster, § 27 BeurkG Rz. 7; Armbrüster/Leske, ZNotP 2002, 46 (47); offengelassen DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144). 3 BeckOK BeurkG/Litzenburger, § 7 BeurkG Rz. 5; Reimann, DNotZ 1994, 659 (663); Reimann, DNotZ 1990, 433; offengelassen DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144). 4 OLG Bremen v. 15.7.2014 – 5 W 13/14, DNotI-Report 2014, 151 f. 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 143 (144).
404
F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
keit des deutschen Erbstatuts nicht zwingend unwirksam sein, da insoweit alleine das anwendbare Beurkundungsrecht maßgeblich ist. Beispielsweise ist eine Testamentsvollstreckerernennung eines schweizeri- 366 schen Notars in einer von diesem in der Schweiz beurkundeten Verfügung von Todes wegen auch dann wirksam, wenn nach dem Erbstatut deutsches Recht gilt, da auf den Beurkundungsvorgang insoweit ausschließlich schweizerisches Beurkundungsrecht zur Anwendung kommt, nach dem eine derartige Ernennung des beurkundenden schweizerischen Notars zum Willens- bzw. Testamentsvollstrecker keine unzulässige Begünstigung iSd. Art. 503 Abs. 2 ZGB darstellt.1
VI. Die Vergütung des Testamentsvollstreckers 1. Allgemeines Gem. § 2221 BGB erhält der Testamentsvollstrecker für seine Tätigkeit ei- 367 ne angemessene Vergütung, soweit keine besondere Bestimmung getroffen worden ist. Dieser Vergütungsanspruch ist das Gegenstück zur Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers gegenüber den Erben bei schuldhafter Pflichtverletzung nach § 2219 BGB. Grundsätzlich ist der Erblasserwille bei der Bemessung der Vergütung vorrangig maßgebend. Gleichwohl kann eine davon abweichende Vereinbarung mit den Erben wirksam getroffen werden, auf die sich der Testamentsvollstrecker später berufen kann. Der Testamentsvollstrecker kann diese Gebühr selbst dem Nachlass entnehmen. Immer empfehlenswert ist die Festsetzung der Gebühr durch den Erblasser selbst. Bei der Abwicklungsvollstreckung ist die Festsetzung einer einmaligen in Prozenten des Bruttonachlasses ausgedrückten Vergütung üblich, bei der Dauervollstreckung einer Konstituierungsvergütung und einer jährlichen laufenden Vergütung. Es sollte bestimmt werden, dass die Mehrwertsteuer zusätzlich zur Vergütung angerechnet werden kann, wenn der Testamentsvollstrecker umsatzsteuerpflichtig ist. Weiterhin ist zu regeln, ob der Testamentsvollstrecker aufgrund von beruflichen Tätigkeiten wie Prozessführung oder Erstellung der Steuererklärung zusätzliche Aufwendungsansprüche gem. §§ 2216, 670 BGB erhalten soll oder nicht. Zur Testamentsvollstreckervergütung wurden verschiedene Tabellen entwickelt.2 2. Bemessungsgrundlagen Zur Vermeidung eines späteren Streits über die angemessene Höhe der 368 Vergütung, die sich nach nur schwer bezifferbaren Gesichtspunkten wie Testamentsvollstreckeraufgaben und Zusammensetzung des Wertes des Nachlasses bemisst, sollte der Erblasser in der Praxis anerkannte, ohne seine Anordnung jedoch nicht verbindliche Richtlinien in seiner letztwil1 Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann/Lorenz, Internationales Erbrecht, Länderbericht Schweiz, Rz. 133 u. Fn. 650. 2 Vgl. Reimann, DNotZ 2001, 344.
405
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
ligen Verfügung für maßgebend erklären. Hierunter fallen insbesondere die „Rheinische Tabelle“, die „Möhring’sche Tabelle“ sowie die Empfehlungen des deutschen Notarvereins zur Testamentsvollstreckervergütung – sog. Neue Rheinische Tabelle1.2 Daneben kann auch ein fester Prozentsatz des Reinnachlasses oder ein bestimmter Pauschalbetrag als Vergütungssatz zuzüglich Auslagenersatz festgesetzt werden. Aufgrund der zum 1.1.2010 erfolgten Erbrechtsreform gilt nach Art. 229 § 23 EGBGB nunmehr nach Aufhebung des § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF auch für alle am 31.12.2009 noch nicht verjährten Vergütungsansprüche von Testamentsvollstreckern die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, die gem. § 199 BGB mit dem Schluss desjenigen Jahres beginnt, in dem der Gläubiger von seinem Anspruch Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, andernfalls tritt Verjährung spätestens dreißig Jahre nach Anspruchsentstehung ein. Angesichts des Risikos einer oftmals vergessenen Zwischenabrechnung empfiehlt sich die Anordnung einer Verjährungsfristverlängerung durch Verfügung von Todes wegen nach § 202 Abs. 2 BGB.3 369
Die vom Deutschen Notarverein aktualisierte4„Rheinische Tabelle“ des Rheinischen Notarvereins,5 geht von einem vom Bruttowert des Nachlasses abgeleiteten Grundbetrag aus, der sich bei komplexen Nachlässen, Dauervollstreckung und Unternehmensvollstreckung um bestimmte Zuschläge erhöht. Der Grundbetrag beläuft sich bei Nachlässen bis
250 000 Euro
auf
4%
des Bruttonachlasswertes
bis
500 000 Euro
auf
3%
des Bruttonachlasswertes
bis
2 500 000 Euro
auf
2,5 %
des Bruttonachlasswertes
bis
5 000 000 Euro
auf
2%
des Bruttonachlasswertes
über
5 000 000 Euro
auf
1,5 %
des Bruttonachlasswertes
mindestens auf den Höchstbetrag der Vorstufe.
3. Sonderfall: Unwirksame Testamenstvollstreckungsanordnung 370
Besteht tatsächlich bspw. aufgrund einer erst später bekannt werdenden abweichenden weiteren Verfügung von Todes wegen, die die in einem zuvor eröffneten Testament bzw. Erbvertrag noch angeordnete Testamentsvollstreckung aufhebt, oder wegen einer zum Wegfall der Testamentsvollstreckug führenden Erbausschlagung rückwirkend ab dem Erbfall keine wirksame Testamentsvollstreckungsanordnung, hat ein insoweit gutgläubig 1 Speziell dazu OLG Schleswig v. 25.8.2009 – 3 U 46/08, notar 2010, 22 f. mit Anm. Odersky. 2 Ausführliche Nachweise zur Testamentsvollstreckervergütung finden sich bei Bengel/ Reimann, X Rz. 28 ff. 3 Odersky, notar 2009, 362, (365 f.). 4 Neue Rheinische Tabelle, ZEV 2000, 181. 5 DNotZ 1935, 623.
406
F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
auf das Bestehen seines Amtes vertrauender vermeintlicher Testamentsvollstrecker keinerlei Vergütungs- oder Aufwendungsersatzansprüche, wenn alle Erben von Anfang an dessen Testamentsvollstreckung abgelehnt haben.1 Haben die Erben jedoch die Testamentsvollstreckung nicht von Anfang an abgelehnt, stehen dem gutgläubigen vermeintlichen Testamentsvollstrecker hingegen sehr wohl Ansprüche auf Vergütung aus §§ 675, 612, 316, 315 Abs. 3 BGB bzw. Aufwendungsersatz nach § 683 BGB zu.2
VII. Formulierungsbeispiele M 131
Abwicklungsvollstreckung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, meine obigen Anordnungen auszufhren und den Nachlass abzuwickeln. Hierzu hat er alle gesetzlich zulssigen Befugnisse und ist zudem von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit. Zum Testamentsvollstrecker mit dem Recht, einen Nachfolger zu ernennen, ernenne ich Herrn . . . Ersatzweise soll das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen. Der Testamentsvollstrecker erhlt eine einmalige Vergtung in Hçhe von 3 % des Bruttonachlasses zuzglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Die Vergtung wird zur Hlfte nach Erstellung des Nachlassverzeichnisses, zur anderen Hlfte nach Beendigung der Auseinandersetzung fllig und kann vom Testamentsvollstrecker dem Nachlass entnommen werden.
M 132
Verwaltungsvollstreckung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich Herrn . . . Dieser hat unverzglich nach Annahme des Amtes dem Nachlassgericht einen Nachfolger zu benennen. Ersatzweise soll das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen.
1 BGH v. 6.7.1977 – IV ZR 17/76, BGHZ 69, 235 ff. = MDR 1977, 920 = DNotZ 1978, 490 ff.; Erman/Schmidt, § 2221 BGB Rz. 18; aA Bengel/Reimann, Handbuch Testamentsvollstreckung, Kap. VIII Rz. 167; J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, S. 298 f.; Tiling, ZEV 1998, 331 (339); Roth, NJW-Spezial 2011, 679. 2 BGH v. 22.5.1963 – V ZR 42/61, MDR 1963, 832 f. = NJW 1963, 1615; Erman/Schmidt, § 2221 BGB Rz. 18; Groll, Erbrechtsberatung, C IX Rz. 205; Palandt/Weidlich, § 2197 BGB Rz. 4.
407
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, meinen Nachlass bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des jngsten Miterben zu verwalten. Er hat die angeordneten Vermchtnisse zu erfllen. Der Testamentsvollstrecker ist in der Eingehung von Verbindlichkeiten fr den Nachlass nicht beschrnkt und von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit. Die Ertrge des Nachlasses unterliegen der Verwaltung des Testamentsvollstreckers. Er hat aus ihnen und erforderlichenfalls aus der Substanz des Nachlasses jedem Erben die Mittel zur Verfgung zu stellen, die er zu seinem Unterhalt und zur Finanzierung einer angemessenen Ausbildung bençtigt. Hierzu gehçrt auch die Einrichtung einer Wohnung am Ausbildungsoder Studienort und ein angemessenes Kraftfahrzeug. Der Testamentsvollstrecker erhlt neben dem Ersatz seiner Aufwendungen eine einmalige Gebhr von 3 % des bei meinem Tod vorhandenen Bruttonachlasses und fr jedes Jahr der Verwaltung eine jhrlich nachtrglich zahlbare Gebhr von 3 % der jhrlichen Bruttoeinnahmen des Nachlasses, bei angefangenen Jahren zeitanteilig. Die Mehrwertsteuer kann er zustzlich verlangen.
M 133
Gesamttestamentsvollstrecker
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich ordne Testamentsvollstreckung nach folgender Maßgabe an: Ich ernenne zu meinen Testamentsvollstreckern . . . und . . . . Sie fhren ihr Amt als Gesamttestamentsvollstrecker gem. § 2224 BGB gemeinschaftlich. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet das Nachlassgericht. Fllt ein Gesamttestamentsvollstrecker vor oder nach Annahme seines Amtes weg, so fhrt der andere das Amt alleine. Ersatzweise ist das Nachlassgericht ersucht, einen geeigneten Einzeltestamentsvollstrecker zu ernennen.
M 134
Nacherben- bzw. Nachnacherbenvollstreckung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist darauf beschrnkt, die Rechte und Pflichten der Nacherben des erstversterbenden Ehegatten bis zum Eintritt des Nacherbfalls/des jeweils ersten Nacherbfalls wahrzunehmen. Der Vorerbe unterliegt hingegen keiner Testamentsvollstreckung. Hat beim Eintritt der Nacherbfolge der jngste Nacherbe das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet, ist der Testamentsvollstrecker zustzlich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des jngsten Nacherben mit der Verwaltung des gesamten Nachlasses des erstversterbenden Ehegatten betraut. Ggf. Zusatz: Dies gilt entsprechend fr die weitere Nacherbfolge.
408
F. Die Testamentsvollstreckung als Instrument der Willensvollstreckung
M 135
Befugniserweiterung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Testamentsvollstrecker unterliegt in der Eingehung von Verbindlichkeiten fr den Nachlass keinen Beschrnkungen. Er ist von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit.
M 136
Befugniseinschrnkung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem Testamentsvollstrecker ist untersagt, den Grundbesitz in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) innerhalb der ersten . . . (Dauer) Jahre nach meinem Tod ohne Zustimmung smtlicher Erben an andere Personen als an einen oder mehrere Erben – an Erben nur dann, wenn die Verußerung vollentgeltlich erfolgt – zu verußern.
M 137
Testamentsvollstreckervergtung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem Testamenstvollstrecker steht neben dem Ersatz seiner Auslagen eine angemessene Vergtung zu, wobei diese an den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins (Neue Rheinische Tabelle mit eventuellen Fortschreibungen) ausgerichtet sein soll und der Testamentsvollstrecker die Vergtung nach billigem Ermessen festsetzen darf1/Dem Testamentsvollstrecker steht ein Honorar nach den Regelungen der „Rheinischen Tabelle“/iHv . . . % des Reinnachlasses zu. Ich bestimme hiermit, dass der Vergtungsanspruch erst dreißig Jahre nach meinem Tod verjhrt.
Der Testamentsvollstrecker kann zusätzlich auch zum Schiedsrichter ein- 371 gesetzt werden,2 soweit die Streitigkeiten nicht seine Amtsstellung und Amtsbefugnisse betreffen.
M 138
Ernennung des Testamentsvollstreckers zum Schiedsrichter
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich ernenne den jeweils amtierenden Testamentsvollstrecker zum Schiedsrichter. Er entscheidet ber alle rechtlichen Streitigkeiten, die meinen Nachlass betreffen, mit Ausnahme von Streitigkeiten ber seine Amtsstellung und 1 Odersky, notar 2010, 23. 2 J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, Rz. 328.
409
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
Amtsbefugnisse, als Einzelrichter unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte. Soweit es um die Feststellung von Tatsachen geht, entscheidet er auch als Schiedsgutachter. Das Verfahren richtet sich nach ZPO und GVG, ist jedoch nicht çffentlich. Fr diese Ttigkeit kann der Testamentsvollstrecker eine besondere Gebhr verlangen.
372
Zur weiteren Verstärkung seiner Rechtsstellung kann der Erblasser dem Testamentsvollstrecker eine Vollmacht auf den Todesfall erteilen.1 Zweckmäßig ist dies bei Auslandsnachlässen, wenn das betreffende ausländische Recht keine Testamentsvollstreckung kennt.
M 139
Erteilung einer Vollmacht auf den Todesfall
(Form: Verfgung von Todes wegen) In gesonderter Urkunde wird dem Testamentsvollstrecker eine Vollmacht auf den Todesfall erteilt. Der beurkundende Notar wird angewiesen, dem Testamentsvollstrecker eine Ausfertigung der Vollmacht gegen Vorlage des Testamentsvollstreckerzeugnisses zu erteilen. Die Erben erhalten die Auflage, die Vollmacht whrend der Dauer der Testamentsvollstreckung nicht zu widerrufen.
G. Die Vollmacht auf den Todesfall als Alternative zur Testamentsvollstreckung I. Einordnung 373
Die Vollmacht auf den Todesfall ist ein praxiswichtiges Instrument der Testamentsgestaltung. Sie ist eine Vollmacht, die der Erblasser einer Person in seiner letztwilligen Verfügung erteilt, aber nicht mit sofortiger Wirkung, sondern für den Erbfall, also beginnend mit dem Tod des Erblassers. Die Vollmacht auf den Todesfall wird vom Erblasser erteilt, bezieht sich aber auf den Erben. Dieser, nicht der Erblasser, wird von dem postmortal Bevollmächtigten vertreten.2 Die Vertretungsmacht umfasst aber nur den Nachlass, nicht das persönliche Vermögen des Erben.3
1 J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, Rz. 334. 2 BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, BGHZ 87, 19 = MDR 1983, 472 = FamRZ 1983, 476. 3 RG v. 10.1.1923 – V 385/22, RGZ 106, 185; BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, BGHZ 87, 19 = MDR 1983, 472 = FamRZ 1983, 476.
410
G. Die Vollmacht auf den Todesfall als Alternative zur Testamentsvollstreckung
II. Praktische Bedeutung Hauptsächlicher Anwendungsfall der letztwilligen Vollmacht auf den To- 374 desfall ist die Sicherstellung und Erleichterung der Vermächtniserfüllung. Der Vermächtnisnehmer wird unwiderruflich auf den Todesfall bevollmächtigt, sich selbst das Vermächtnis zu erfüllen. Die Vollmacht verstärkt so den rein schuldrechtlichen Vermächtnisanspruch, indem sie dem Vermächtnisnehmer die Rechtsmacht verleiht, sich das Vermächtnis ohne Mitwirkung des Erben zu erfüllen. Von dieser Verstärkung macht der Testamentsgestalter dann Gebrauch, wenn er dem Vermächtnisnehmer größtmögliche Unabhängigkeit vom Erben verschaffen will, insbesondere auch dann, wenn der Vermächtnisnehmer von der Gewichtung her durchaus auch Erbe hätte sein können, aber aus technischen oder sonstigen Gründen der Testamentsgestaltung lediglich Vermächtnisnehmer wird. Angezeigt kann die Verstärkung der Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers weiterhin dann sein, wenn zwischen Erben und Vermächtnisnehmer persönliche Spannungen oder Interessengegensätze bestehen oder möglich sind.
III. Abgrenzung zur Testamentsvollstreckung Die Alternative zur unwiderruflichen postmortalen Vollmacht für den 375 Vermächtnisnehmer ist die Einsetzung des Vermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker mit der einzigen Aufgabe, sich das Vermächtnis selbst zu erfüllen. Diese Gestaltung ist aufwendiger, weil dann vom Nachlassgericht ein Testamentsvollstreckerzeugnis gebührenpflichtig zu erteilen und später wieder einzuziehen ist, das jedoch nach Beendigung des Amtes gem. § 2368 Abs. 3 Halbs. 2 BGB von selbst kraftlos wird, so dass eine Einziehung insoweit unzulässig ist1 und nur bei Unrichtigwerden vor Amtsbeendigung in Betracht kommt,2 aber eine Zurückforderung des Zeugnisses zu den Gerichtsakten zur Vermeidung eines Missbrauchs regelmäßig geboten ist.3 Das Nachlassgericht kann jedoch von einem die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die Testamentsvollstreckerernennung beinhaltenden notariell beurkundeten Testament bzw. entsprechenden Erbvertrag mit Eröffnungsprotokoll und, soweit dort nicht bereits ersichtlich, Annahmezeugnis in der Form des § 29 GBO4 beglaubigte Abschriften als Testamentsvollstreckernachweis (s. dazu ausführlich 9. Kap. Rz. 73) erteilen. Bei Grundstücken ist der Testamentsvollstreckervermerk von Amts wegen einzutragen und später wieder zu löschen.
1 KG v. 13.7.1964 – 1 W 1357/64, NJW 1964, 1905 (1906); OLG Köln v. 3.3.1986 – 2 Wx 47/85, Rpfleger 1986, 261; Prütting/Helms/Fröhler, § 354 FamFG Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2368 BGB Rz. 10. 2 Prütting/Helms/Fröhler, § 354 FamFG Rz. 4; Palandt/Weidlich, § 2368 BGB Rz. 10. 3 KG v. 13.7.1964 – 1 W 1357/64, NJW 1964, 1905 (1906); OLG Köln v. 3.3.1986 – 2 Wx 47/85, Rpfleger 1986, 261. 4 BeckOK GBO/Wilsch, § 35 GBO Rz. 131.
411
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
376
Die postmortale Vollmacht ist in der Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich anerkannt.1 Insbesondere die unwiderrufliche postmortale Vollmacht an den Vermächtnisnehmer zur Vermächtniserfüllung ist mit allen denkbaren Anforderungen an derartige Vollmachten vereinbar. Es handelt sich um eine Spezialvollmacht nur für einen bestimmten Zweck, nicht um eine Generalvollmacht. Die Vollmacht ist nicht isoliert, da ihr der Vermächtnisanspruch gegen den Erben zugrunde liegt. Unwiderruflich kann sie deshalb sein, weil sie dem Interesse des Bevollmächtigten dient. Missbräuchliche Handhabung der Vollmacht ist nicht möglich, da sie nur zur Vermächtniserfüllung ermächtigt.
377
Dennoch sind gewisse Einschränkungen zu machen, die die volle Tauglichkeit der Vollmachtslösung in Frage stellen. In der Praxis wird man von der Vollmacht insbesondere dann Gebrauch machen, wenn die Vermächtniserfüllung einer besonderen Form bedarf. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Vermächtniserwerb sich durch Eintragung im Grundbuch vollzieht, §§ 873, 925 BGB. Die Vollmacht kann zwar auch dann in einem privatschriftlichen Testament erteilt werden, da sie den Erblasser selbst nicht bindet. Aus § 311b Abs. 1 BGB kann sich deshalb die Formbedürftigkeit nicht ergeben. Der Nachweis der Vollmacht gegenüber dem Grundbuchamt ist aber in der Form des § 29 GBO zu führen. Insofern scheidet das privatschriftliche Testament letztlich doch aus. Das notarielle Testament, das in Ausfertigung dem Grundbuchamt vorgelegt werden kann, genügt der Form des § 29 GBO. Gleiches gilt für einen entsprechenden Erbvertrag.
378
Weiterhin wird in der Literatur die postmortale Vollmacht teilweise nicht mit genügender Schärfe von der transmortalen Vollmacht unterschieden. Insbesondere dann, wenn die postmortale Vollmacht zur Erfüllung lebzeitiger Rechtsgeschäfte auf den Todesfall erteilt wird, wird sie in ihrer Wirksamkeit oder zumindest ihrer Unwiderruflichkeit teilweise angezweifelt.2 Weiterhin muss die Vollmachtserteilung als Willenserklärung zu ihrer Wirksamkeit dem Bevollmächtigten zugehen, §§ 167 Abs. 1, 168, 130 Abs. 2 BGB. Auch hier liegt aber regelmäßig kein praktisches Problem, da der Zugang über die nachlassgerichtliche Testamentseröffnung gesichert ist. Es wird aber dennoch empfohlen,3 die unwiderrufliche postmortale Vollmacht zu verstärken, etwa durch die Auflage an den Erben, die Vollmacht nicht zu widerrufen, oder dadurch, dass der Nicht-Widerruf zur aufschiebenden Bedingung für die Erbeinsetzung gemacht wird.
1 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, MDR 1995, 389 = NJW 1995, 250 = LM § 164 BGB Nr. 78 mit Anm. Langenfeld; Palandt/Ellenberger, § 167 BGB Rz. 1; Palandt/ Weidlich, Einf. vor § 2197 BGB Rz. 9; Trapp, ZEV 1995, 314. 2 Vgl. z.B. Krampe, ZEV 1995, 189; Schultz, NJW 1995, 3345; Trapp, ZEV 1995, 314. 3 Bengel/Reimann, Testamentsvollstreckung, Kap. 1 Rz. 60.
412
G. Die Vollmacht auf den Todesfall als Alternative zur Testamentsvollstreckung
IV. Vollmacht neben Testamentsvollstreckung? 1. Postmortale Vollmacht Bei einer postmortalen Vollmacht – insbesondere an den mit Vermächt- 379 nissen und Testamentsvollstreckung zur Vermächtniserfüllung belasteten Alleinerben zur Löschung einer Rückerwerbsvormerkung an dem ihm durch den Erblasser zu Lebzeiten übergebenen Grundbesitz – ist im Wege der Auslegung regelmäßig von dem Willen des vollmachtgebenden Erblassers für deren eigenständigen Bestand neben den Befugnissen des Testamentsvollstreckers auszugehen, ohne dass sie durch Konfusion erlischt, da u.a. die Erbenposition unklar sein kann.1 2. Transmortale Vollmacht Dagegen kann eine bereits vor dem Erbfall über den Tod des Erblassers hi- 380 naus geltende transmortale Vollmacht nur dann „selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen“, wenn sich durch Auslegung nach § 133 BGB aus der Perspektive des Vollmachtgebers keine Kollision mit den Aufgaben des Testamentsvollstreckers ergibt,2 wobei im Falle alleiniger Beerbung des Erblassers durch den transmortal Bevollmächtigten die transmortale Vollmacht ggf. durch Konfusion erlöschen kann,3 während sie jedenfalls bei bloßer Miterbenstellung des Bevollmächtigten fortgilt.4 Sicherheitshalber kann das Verhältnis zwischen Vollmacht und Testamentsvollstreckung im Vollmachtstext klargestellt werden. 3. Ansprüche des Erben gegen den Bevollmächtigten Erben können ggf. nach §§ 667 iVm. § 1922 BGB verschuldensunabhängig 381 Herausgabe bzw. gem. §§ 667, 280 iVm. § 1922 BGB verschuldensabhängig Schadensersatz aus auf sie im Wege der Erbfolge übergegangenen Ansprüchen des Erblassers als Vollmachtgeber gegen den Bevollmächtigten beispielsweise aus ungeklärten Geldabhebungen von einem vollmachtsbezogen verwalteten Konto des Erblassers geltend machen.5
1 OLG München v. 26.7.2012 – 34 Wx 248/12, FamRZ 2013, 402 f. = MittBayNot 2013, 230 f. = DNotI-Report 2012, 161; Weidlich, MittBayNot 2013, 196 (199). 2 OLG München v. 15.11.2011 – 34 Wx 388/11, FamRZ 2012, 1004 f. = ZEV 2012, 376 f. = DNotZ 2012, 303 ff.; Odersky, notar 2012, 60 f.; Reimann, MittBayNot 2012, 228 f. 3 OLG Hamm v. 10.1.2013 – 15 W 79/12, FamRZ 2013, 1513 f. = DNotZ 2013, 689 ff.; kritisch dazu Amann, MittBayNot 2013, 367 ff. 4 OLG Schleswig v. 15.7.2014 – 2 W 48/14, FGPrax 2014, 206 ff. = DNotI-Report 2014, 182 f. 5 OLG Brandenburg v. 20.11.2013 – 4 U 130/12, RNotZ 2014, 374 ff.
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3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
4. Schlussfolgerung 382
Angesichts dessen dürfte es sich für die Praxis der Testamentsgestaltung empfehlen, die unwiderrufliche postmortale Vollmacht und die Testamentsvollstreckerlösung nebeneinander in der Form des folgenden Formulierungsvorschlags vorzusehen.
M 140
Postmortale Vollmacht und Testamentsvollstreckung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Dem Vermchtnisnehmer wird hiermit unwiderruflich auf den Todesfall unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB Vollmacht erteilt, sich das vorbezeichnete Grundstck selbst aufzulassen und alle Erklrungen abzugeben, die zum Eigentumserwerb erforderlich sind. Der bevollmchtigte Vermchtnisnehmer kann eine Ausfertigung dieses notariellen Testaments sowohl vom beurkundenden Notar wie vom Nachlassgericht verlangen. Der beurkundende Notar wird angewiesen, eine Ausfertigung der heutigen Urkunde vorzubereiten und zur Urkundensammlung zu nehmen und sie dem Vermchtnisnehmer beim Erbfall auf Verlangen auszuhndigen. Gleichzeitig wird der Vermchtnisnehmer selbst zum Testamentsvollstrecker bestellt mit der einzigen Aufgabe, sich das vorbezeichnete Grundstck selbst zu Eigentum zu bertragen. Insofern ist er von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit. Der Vermchtnisnehmer kann frei entscheiden, ob er zur Erfllung des Vermchtnisses von der unwiderruflichen Vollmacht auf den Todesfall Gebrauch macht oder die Vermchtniserfllung als Testamentsvollstrecker vornimmt. Die hiermit verbundenen Kosten trgt der Vermchtnisnehmer. Lediglich in dem Fall, dass der Erbe die Vollmacht auf den Todesfall nicht anerkennt oder widerruft und der Vermchtnisnehmer sich deshalb ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilen lsst, trgt der Erbe die beim Nachlassgericht hierfr entstehenden Kosten.
H. Die Bedingung als testamentarisches Vielzweckinstrument I. Die Bedingung als Instrument der Störfallvorsorge 383
Die aufschiebende oder auflösende Bedingung nach § 158 BGB ist kein spezifisch erbrechtliches Instrument, hat aber für die testamentarische Störfallvorsorge besondere Bedeutung.1 Durch den Einsatz der Bedingung kann der Erblasser zum einen für objektive Veränderungen der von ihm zunächst vorausgesetzten Gegebenheiten Vorsorge treffen, zum anderen 1 Vgl. §§ 2074 ff. BGB.
414
H. Die Bedingung als testamentarisches Vielzweckinstrument
auf das subjektive Verhalten der Nachlassbeteiligten Einfluss nehmen. Der Anwendungsbereich der Bedingung im streng dogmatischen Sinn beginnt dabei mit dem Wirksamwerden der letztwilligen Verfügung, also dem Erbfall. Eine entsprechende Anwendung der Bedingungsvorschriften ist aber auch schon für den Zeitraum zwischen Errichtung der letztwilligen Verfügung und Erbfall, ja sogar für ungewisse Ereignisse vor der Errichtung möglich und zweckmäßig. Man kann diese unechten Bedingungen als Voraussetzungen bezeichnen,1 nämlich als Voraussetzungen für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung im Erbfall, wobei wiederum die Grenzen aus § 2065 BGB bzw. § 138 Abs. 1 BGB zu beachten sind. Bedingung und Voraussetzung ermöglichen es dem Erblasser, für verschiedene Sachverhaltsalternativen bzw. für die Aufeinanderfolge verschiedener Sachverhaltsalternativen jeweils verschiedene Lösungen vorzusehen und, soweit die möglichen Änderungen der Verhältnisse auf Willensakten der Nachlassbeteiligten beruhen, deren Entscheidungen zu beeinflussen.
II. Anwendungsmöglichkeiten 1. Sicherung von Vermächtnissen und Auflagen Die Erfüllung eines Vermächtnisses oder der Vollzug einer Auflage kann 384 dadurch sichergestellt werden, dass die Einsetzung des beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmers unter der aufschiebenden oder auflösenden Bedingung der Erfüllung oder des Vollzuges steht. Der Beschwerte muss dann die erforderlichen Vollzugshandlungen vornehmen, wenn er Erbe oder Vermächtnisnehmer werden bzw. bleiben will. 2. Sicherung einer lebzeitigen Gegenleistung Sind als Entgelt für die Erb- oder Vermächtnisnehmereinsetzung vom Be- 385 dachten lebzeitige Leistungen an den Erblasser zu erbringen, so kann die letztwillige Zuwendung unter der Voraussetzung erfolgen, dass diese Leistungen erbracht werden. So kann z.B. der pflegebedürftige Erblasser die von ihm selbst2 ausgewählte Pflegeperson unter der Voraussetzung zu seinem Alleinerben einsetzen, dass er bis zu seinem Tod im vereinbarten Umfang gepflegt wird. 3. Bedingte Nacherbeneinsetzung Die schon konstruktiv durch den Tod des Vorerben oder ein anderes Ereig- 386 nis bedingte Nacherbfolge kann zusätzlich noch weiter bedingt werden, etwa aufschiebend dadurch, dass der überlebende Ehegatte wieder heiratet, oder auflösend dadurch, dass der Vorerbe ein eigenes Testament im Sinne 1 V. Tuhr, Bürgerliches Recht, AT Bd. III/2, 4. Aufl. 1932, § 80 IV; Langenfeld/Gail, Hdb. der Familienunternehmen, Rz. V 52; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 9 Rz. 137 u. § 8 Rz. 38. 2 OLG Frankfurt v. 13.2.1995 – 20 W 394/94, NJW-RR 1995, 711.
415
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
des Erblassers macht. Hier ergeben sich praxistaugliche, aber konstruktiv komplizierte Möglichkeiten. 4. Straf- und Verwirkungsklauseln 387
Strafcharakter haben Klauseln, bei denen der Erblasser den Erben oder Vermächtnisnehmer unter der auflösenden Bedingung einsetzt, dass er bestimmte, vom Erblasser nicht gewünschte Handlungen vornimmt. Hierunter fallen etwa die Pflichtteilsstrafklauseln für Abkömmlinge, die beim Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangen, die Wiederverheiratungsklausel für den überlebenden Ehegatten oder das Veräußerungsverbot für bestimmte Nachlassgegenstände. Problematisch ist die allgemeine Verwirkungsklausel, etwa mit dem Wortlaut: „Wer sich meinem letzten Willen widersetzt, soll nichts bekommen.“ Sie verhindert nicht den Streit der Nachlassbeteiligten, sondern provoziert ihn geradezu und sollte vermieden werden.1
III. Gefahr: Konstruktive Vor- und Nacherbschaft 388
Die auflösend bedingte Erbeinsetzung führt zur sog. konstruktiven Nacherbfolge,2 auch wenn der Erblasser die Nacherbfolge nicht ausdrücklich verfügt hat. Wer unter auflösender Bedingung zum Erben eingesetzt ist, ist von vorneherein lediglich – wenn auch im Wege der Auslegung regelmäßig befreiter3 – Vorerbe.4 Die Nacherben sind durch Auslegung des Testaments zu ermitteln; im Zweifel sind die gesetzlichen Erben Nacherben. Bei der Testamentsgestaltung ist diese Rechtsfolge der auflösend bedingten Erbeinsetzung zu erkennen und sind die Nacherben samt Ersatznacherben ausdrücklich zu bestimmen. Regelmäßig wird diese bedingte Vor- und Nacherbschaft zu vermeiden sein. Besser ist ein bedingtes Vermächtnis oder Vorausvermächtnis.5 So erscheint es z.B. bei der Wiederverheiratungsklausel als unangemessen, den überlebenden Ehegatten durch Einsetzung der Kinder zu Nacherben lebzeitig auch dann zu beschränken, wenn er nicht mehr heiratet. Besser ist hier, den Kindern für den Fall der Wiederverheiratung ein Vermächtnis auszusetzen.
389
Durch eine als automatische Verwirkungsklausel gestaltete Pflichtteilsstrafklausel ist die Schlusserbeneinsetzung eines Abkömmlings dadurch auflösend bedingt, dass dieser den Pflichtteil auf den Tod des Erstversterbenden verlangt. Hierdurch können einerseits spürbare Anreize für ein Unterlassen der Pflichtteilsgeltendmachung geschaffen werden. Dies gilt
1 Anlässlich der Besprechung eines Urteils des OLG Karlsruhe v. 6.8.2004 – 14 U 205/02, FamRZ 2005, 1200 = ZEV 2005, 256 spricht Otte (ZEV 2005, 258) vom „Elend der Verwirkungsklauseln“. 2 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 15 Rz. 177. 3 BayObLG v. 21.2.1962 – BReg. 1 Z 85/61, NJW 1962, 1060 (1061). 4 BayObLG v. 21.2.1962 – BReg. 1 Z 85/61, NJW 1962, 1060. 5 Kehrer, BWNotZ 1957, 135; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 15 Rz. 178.
416
H. Die Bedingung als testamentarisches Vielzweckinstrument
insbesondere für eine erweiterte Jastrow’sche Pflichtteilsstrafklausel. Andererseits wird jedoch sogar die erbrechtliche Stellung eines loyalen Abkömmlings dadurch erheblich beeinträchtigt, dass die auflösende Bedingung für die Schlusserbeneinsetzung durch Geltendmachung des Pflichtteils auch noch nach dem Tod des Längstlebenden und selbst nach Verjährung eintreten kann.1 Danach wird die auflösende Bedingung erst durch einen Erlassvertrag aller Schlusserben untereinander oder noch mit dem Längstlebenden endgültig ausgeschaltet bzw. im Falle eines Alleinschlusserben durch Konfusion mit Eintritt des Schlusserbfalls.2 Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Schlusserben – ähnlich einem längstlebenden Ehegatten unter Wiederverheiratungsklausel – lediglich (auflösend bedingte Schlussvollerben und damit aufschiebend bedingte)Vorerben.3 Hierauf sollte in der Verfügung hingewiesen werden. Zudem muss bei Vorhandensein von Grundbesitz gegenüber dem Grundbuchamt der Nachweis des Nichteintritts der auflösenden Bedingung geführt werden.4 Für den Tatbestand des „Verlangens“ des Pflichtteils ist im Zweifel Voraussetzung, dass der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil bewusst – in Kenntnis der Verwirkungsklausel – fordert.5 Ein derartiges Verlangen kann auch dann vorliegen, wenn der Pflichtteilsanspruch aufgrund eines zuvor erfolgten Erlasses objektiv nicht mehr bestand.6 Das bloße Auskunftsverlangen ist hingegen grundsätzlich unschädlich.7
IV. Die letztwillige Wertsicherungsklausel als Instrument der Werterhaltung von Zuwendungen 1. Wertsicherung für die Zeit bis zum Erbfall Enthält das Testament Geldvermächtnisse, Geldauflagen oder Teilungs- 390 anordnungen mit Ausgleichszahlungen, so können diese für den Zeitraum zwischen der Errichtung des Testaments und dem Erbfall durch Abhängigmachen von Vergleichsgrößen wertgesichert werden, also etwa von der künftigen Entwicklung der Lebenshaltungskosten anhand des Verbraucherpreisindex für Deutschland abhängig gemacht werden. § 1 PreisklauselG steht dem nicht entgegen, da noch kein Schuldverhältnis besteht, wenn der Erbfall noch nicht eingetreten ist.8
1 BGH v. 12.7.2006 – IV ZR 298/03, MittBayNot 2007, 223 f. mit krit. Anm. von Selbherr. 2 Selbherr, MittBayNot 2007, 224 zum vorstehenden BGH-Urteil mit letztlich ablehnender Stellungnahme. 3 Erman/M. Schmidt § 2075 BGB Rz. 2; Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rz. 1.160 u. Rz. 4.302. 4 OLG Köln v. 14.12.2009 – 2 Wx 59/09, MDR 2010. 577 = FamRZ 2010, 927 = ZEV 2010, 97 = FGPrax 2010, 82. 5 BayObLG v. 20.1.2004 – 1Z BR 134/02, FamRZ 2004, 1672 = DNotZ 2004, 804 (805). 6 OLG München v. 29.1.2008 – 31 Wx 68/07, BWNotZ 2008, 93 (94 f.). 7 BayObLG v. 23.10.1990 – BReg.1a Z 50/90, MDR 1991, 253 = FamRZ 1991, 494. 8 Eppig, DNotZ 1951, 408.
417
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
M 141
Wertgesichertes Vermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein Neffe . . . erhlt als Vermchtnis den Betrag von 50 000 Euro. Ab heute bis zum Erbfall verndert sich der Betrag entsprechend der Vernderung des vom statistischen Bundesamt festgestellten Verbraucherpreisindex fr Deutschland.
2. Wertsicherung für die Zeit nach dem Erbfall 391
Wertsicherungen für die Zeit nach dem Erbfall sind nach dem PreisklauselG zu beurteilen.
I. Die letztwillige Schiedsklausel als Instrument der Befriedung I. Unterscheidung Schiedsgutachterklausel – Schiedsgerichtsklausel 392
Bei den in der Literatur unter diesem Begriff erörterten Schiedsklauseln1 sind die Schiedsgutachterklauseln von den Schiedsgerichtsklauseln zu unterscheiden. Sie haben verschiedenen Inhalt und verschiedene Funktionen und unterscheiden sich auch hinsichtlich der praktischen Empfehlung. Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes wegen hinsichtlich des Nachlasses unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit für rechtliche Streitigkeiten einen Schiedsrichter und für tatsächliche Feststellungen einen Schiedsgutachter ernennen. Schiedsgutachterklauseln werden bei der Vertragsgestaltung insgesamt2 und besonders bei der Testamentsgestaltung viel zu selten verwendet. Schiedsgerichtsklauseln dagegen3 überfrachten regelmäßig die letztwillige Verfügung und sind nur im Ausnahmefall zweckmäßig.
393
Die objektive Schiedsfähigkeit unterliegt in Deutschland entsprechend § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO deutschem Recht.4 Nach § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind nur vermögensrechtliche Gegenstände schiedsfähig.5
1 Vgl. Kohler, Letztwillige Schiedsklauseln, DNotZ 1962, 125; Walter, Schiedsverträge und Schiedsklauseln in der notariellen Praxis, insbesondere bei letztwilligen Verfügungen, MittRhNotK 1984, 69. 2 Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 315 ff. 3 Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 321 ff. 4 Mankowski ZEV 2014, 395 f.; Haas, IPrax 1992, 292 (294). 5 Mankowski ZEV 2014, 395 (397); Werner, ZEV 2011, 506 (507 f.).
418
I. Die letztwillige Schiedsklausel als Instrument der Befriedung
II. Ausschluss von Pflichtteilsrechten Die Klärung von Pflichtteilsansprüchen bleibt jedoch zwingend den staat- 394 lichen Gerichten vorbehalten, da sich die Schieds- aus der Testierfähigkeit ableitet und der Erblasser nicht über Pflichtteilsrechte verfügen kann.1
III. Auslandsbezug Bei Auslandsbezug richtet sich die objektive Schiedsfähigkeit gemäß 395 Art. V (2) (a) UNÜ2 nach der lex fori3 Innerhalb eines danach schiedsfähigen Schiedsverfahrens gelten in Verfahren über ab dem 17.8.2015 verstorbene Erblasser die IPR-Regelungen einschließlich diesbezüglicher Rechtswahltatbestände der EuErbVO innerhalb deren Anwendungsbereichs im Gegensatz zu den insoweit kraft Natur der Sache unanwendbaren dortigen Vorschriften über gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung gerichtlicher Entscheidungen bzw. das Europäische Nachlasszeugnis.4
IV. Schiedsgutachterklausel Nach § 317 Abs. 1 BGB kann die Bestimmung der Leistung einem Drit- 396 ten als Schiedsgutachter überlassen werden. Dieser hat die Bestimmung im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen, § 319 BGB. Nur bei offenbarer Unbilligkeit erfolgt die Bestimmung durch gerichtliches Urteil. Beispiele im Bereich letztwilliger Verfügungen sind die Festlegung eines Grundstücks- oder Unternehmenswertes oder eines Übernahmepreises. Bei Anordnung von Testamentsvollstreckung bietet es sich an, den Testamentsvollstrecker in geeigneten Fällen ausdrücklich zum Schiedsrichter einzusetzen.
M 142
Schiedsgutachterklausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Miterbe . . . erhlt als Vorausvermchtnis das Recht, das Hausgrundstck (Beschrieb nach dem Grundbuch) zum Schtzpreis zu bernehmen. Den Schtzpreis bestimmt verbindlich der amtliche Schtzer der Belegenheitsgemeinde . . . Die Kosten der Schtzung trgt der Nachlass.
1 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 175 ZPO Rz. 3; MünchKomm.BGB/Leipold, § 1937 BGB Rz. 32; Lange/Kuchinke S. 738; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 15 Rz. 330; aA Zöller/Geimer, § 1066 ZPO Rz. 18. 2 New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 10.6.1958, BGBl. II 1961, S. 122. 3 Mankowski, ZEV 2014, 395 (396). 4 Mankowski, ZEV 2014, 395 (398 f.).
419
3. Kap. Die Instrumente der Testamentsgestaltung
V. Schiedsgerichtsklausel 397
Nach § 1066 ZPO können Schiedsgerichte i.S.v. §§ 1025 ff. ZPO auch durch letztwillige Verfügungen angeordnet werden.1 Diese Anordnung lässt sich dogmatisch nicht in materiell-rechtliche Institute des Erbrechts einordnen und ist insbesondere keine Auflage,2 sondern resultiert alleine aus dem prozessrechtlichen Regelungsspielraum des § 1066 ZPO. Soweit die Schiedsklausel lediglich Streitigkeiten unter den künftigen Erben, beim Ehegattenerbvertrag einschließlich des überlebenden Ehegatten, betrifft, genügt die Anordnung im Text der letztwilligen Verfügung.3
398
Auch der Testamentsvollstrecker kann zum Schiedsrichter ernannt werden,4 darf jedoch nicht als Richter in eigener Sache auftreten, insbesondere nicht hinsichtlich des Bestandes seines Testamentsvollstreckeramtes5 bzw. bei Streitigkeiten über die Entlassung des Testamentsvollstreckers.6 War in einem früheren gemeinschaftlichen Testament eine einfache Schiedsanordnung enthalten, kann diese, da sie mangels Erbeinsetzung, Vermächtnischarakter oder Auflageneigenschaft7 nicht der Wechselbezüglichkeit iSd. § 2270 Abs. 1 BGB zugänglich ist, gleichwohl später einseitig bspw. in eine Testamentsvollstreckungsanordnung mit Ernennung des Testamenstvollstreckers zum Schiedsrichter abgeändert werden.8
399
Angesichts des durch die Anwendung des FamFG weniger förmlichen und grundsätzlich auch schnellen Verfahrens der Nachlassgerichte ist das Bedürfnis für ein Schiedsgericht in Erbsachen weniger dringlich als in anderen Bereichen. Streitbeilegungen durch spezialisierte Anwälte und Vergleiche, die auch den Charakter von Auslegungsverträgen haben können, sind im Erbrecht häufig.
J. Ausschluss der Sorgerechtsübertragung und Vormundbenennung für ein minderjähriges nichteheliches Kind 400
Durch Verfügung von Todes wegen kann die leibliche Mutter hinsichtlich ihrer nicht volljährigen, nicht aus einer Ehe entstammenden Kinder anordnen, dass nach ihrem Tod abweichend von § 1680 Abs. 2 BGB an Stelle 1 Dazu Otte, Die Zulässigkeit testamentarischer Schiedsgerichte, FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 241. 2 OLG Frankfurt v. 4.5.2012 – 8 U 62/11, ZEV 2012, 665; Zöller/Geimer, § 1066 ZPO Rz. 16a. 3 Zöller/Geimer, § 1066 ZPO Rz. 15. 4 RG v. 27.9.1920 – IV 2/20, RGZ 100, 76. 5 BGH v. 22.1.1964 – V ZR 37/62, BGHZ 41, 23 = MDR 1964, 310 = NJW 1964, 316. 6 OLG Karlsruhe v. 28.7.2009 – 11 Wx 94/07, FamRZ 2010, 150 = NJW 2010, 688 = MittBayNot 2010, 214. 7 Zöller/Geimer, § 1066 ZPO Rz. 16a. 8 OLG Frankfurt v. 4.5.2012 – 8 U 62/11, ZEV 2012, 665.
420
J. Ausschluss der Sorgerechtsbertragung
des leiblichen Vaters ein Vormund zum gesetzlichen Vertreter bestellt wird. Zudem kann sie den Vormund benennen und ihn nach den §§ 1852–1855 BGB befreien. Gem. § 1680 Abs. 2 BGB hat das Familiengericht beim Tod der mit dem leiblichen Vater nicht verheirateten Mutter, der in Ermangelung einer Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 2 BGB bzw. einer familiengerichtlichen Sorgerechtsübertragung nach § 1626a Abs. 3 BGB oder aufgrund einer familiengerichtlichen Sorgerechtsübertragung nach § 1671 BGB die elterliche Sorge über die Kinder alleine zustand, diese elterliche Sorge dann auf den leiblichen Vater zu übertragen, wenn dies wie im Regelfall bzw. im Zweifel anzunehmen1 dem Wohl der Kinder nicht widerspricht. Zur Vermeidung einer im Einzelfall ungerechtfertigten Sorgerechtsüber- 401 tragung sollte die leibliche Mutter in ihrer Verfügung von Todes wegen eventuell vorhandene Gründe für eine negative Kindeswohlprüfung aufführen. Hierzu gehören insbesondere Umstände, auf Grund derer nicht zu erwarten ist, dass der Vater die Belange der Kinder ernsthaft wahrnehmen würde, insbesondere wenn er zu den Kindern jeglichen Kontakt gemieden und sich um diese niemals gekümmert hatte.
M 143
Sorgerechtsbertragungsausschluss und Vormundbenennung fr ein nichteheliches minderjhriges Kind
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein Kind . . . entstammt nicht aus einer Ehe. Mit dem leiblichen Vater, Herrn . . . , wurde keine gemeinsame Sorgeerklrung abgegeben. Er hat sich um das Kind seit dessen Geburt nicht gekmmert und zu ihm auch keinen Kontakt gesucht. Eine bertragung der elterlichen Sorge auf den leiblichen Vater wrde dem Wohl des Kindes nach § 1680 BGB widersprechen. Soweit mein Kind . . . bei meinem Tod noch minderjhrig ist, benenne ich . . . , geb. am . . . , wohnhaft in . . . ersatzweise . . . , geb. am . . . , wohnhaft in . . . zum Vormund. Beide sind im Sinne der §§ 1852–1855, 1777 BGB befreit.
1 BayObLG v. 28.5.1999 – 1Z BR 171/98, FamRZ 2000, 972 = BeckRS 1999, 05995; Palandt/Götz, § 1680 BGB Rz. 2.
421
4. Kapitel Verfügungen von Todes wegen nur eines Erblassers
Inhaltsübersicht
A. Das Einzeltestament . . . . . . . . . . . I. Fallgruppen von Verfügungen von Todes wegen nur eines Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Struktur des Einzeltestaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Hinweise zur Gestaltung von Einzeltestamenten . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
1
C. Formulierungs- und Gestaltungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Eigenhändiges Testament . . . . . . . 12 II. Notariell beurkundetes Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1 4 6
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 I. Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Der entgeltliche Erbvertrag. . . . . . 13
A. Das Einzeltestament I. Fallgruppen von Verfügungen von Todes wegen nur eines Erblassers Der Regelfall der letztwilligen Verfügung nur eines Erblassers ist das Einzel- 1 testament eines nicht Verheirateten bzw. nicht nach LPartG gebundenen Lebenspartners. Dieser wird regelmäßig keine pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge haben. Er ist – von eventuell noch lebenden pflichtteilsberechtigten Eltern abgesehen – frei, Erben und Vermächtnisnehmer nach seinem Belieben zu bedenken. Soweit doch pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge vorhanden sind, ist die Ungleichbehandlung grundsätzlich nur bis zur Grenze des Pflichtteils möglich, wenn Auseinandersetzungen über den Pflichtteil vermieden werden sollen. Auch Verheiratete bzw. nach LPartG gebundene Lebenspartner bedienen 2 sich des Einzeltestaments, wenn sie den Ehegatten bzw. Lebenspartner nicht informieren oder unabhängig von ihm testieren wollen. Dies ist häufig dann der Fall, wenn sich das wesentliche Vermögen im Alleineigentum des testierenden Ehegatten befindet, insbesondere beim Unternehmertestament. Beim Erbvertrag ist der Erblasser, wenn nur er letztwillig verfügt, regel- 3 mäßig nicht verheiratet bzw. verpartnert und schließt den Erbvertrag mit einer Person ab, der gegenüber er sich aus anderen Gründen binden will oder muss. Häufig sind dies erhaltene oder erhoffte Gegenleistungen des Vertragspartners. Einen besonderen Vertragstyp bildet hier der „entgeltliche“
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4. Kap. Verfgungen von Todes wegen nur eines Erblassers
Erbvertrag, s. dazu nachfolgend Rz. 13. Aber auch Verheiratete bzw. nach LPartG gebundene Lebenspartner schließen bisweilen Erbverträge nicht mit dem Ehegatten bzw. Lebenspartner, sondern mit anderen Vertragspartnern, etwa den Abkömmlingen.
II. Die Struktur des Einzeltestaments 4
Regelt eine Einzelperson ihre Erbfolge, so hat sie zunächst einen oder mehrere Erben einzusetzen. Hierin kann sich das Testament erschöpfen. Häufig werden aber noch andere Personen mit Vermächtnissen bedacht. Eine weitere häufige Anordnung ist die der Testamentsvollstreckung mit der Bestimmung des Testamentsvollstreckers. Dann können sonstige letztwillige Anordnungen folgen. Aus der Gewichtung dieser Testamentsbestandteile ergibt sich die Struktur des Einzeltestaments in der Reihenfolge Erbeinsetzung, Vermächtnisse und sonstige Anordnungen.
5
Das Einzeltestament setzt voraus, dass der Erblasser nicht durch frühere bindende Verfügungen von Todes wegen, also Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament, an den jetzt zu treffenden letztwilligen Verfügungen gehindert ist. Der Notar oder sonstige Berater hat sich hiervon zu überzeugen. Wenn der Erblasser nicht zum erstenmal testiert, empfiehlt es sich immer, vorsorglich – soweit möglich – alle früheren Verfügungen von Todes wegen zu widerrufen bzw. Einsicht in das Testamentsregister zu nehmen.
B. Hinweise zur Gestaltung von Einzeltestamenten 6
Den statistisch größten Anteil an Einzeltestamenten nehmen Testamente alleinstehender Personen ohne Abkömmlinge ein. In vielen Fällen neigen Erblasser dazu, ihr Vermögen gegenständlich auf verschiedene Personen zu verteilen nach dem Muster: „Meine Aktien erbt der A. Mein Sparbuch bei der Sparkasse S erbt die B. Die Perlenkette bekommt meine Nichte C.“ Hier hat der Testamentsgestalter zunächst die Aufgabe, dem Testator die rechtlichen Grundsätze der Gesamtrechtsnachfolge, der Erbeinsetzung und der Vermächtnisanordnung zu vermitteln.
7
Regelmäßig unabdingbar ist beim Einzeltestament die Einsetzung eines oder mehrerer Erben. Beschränkt sich das Einzeltestament nur auf das Auswerfen von Vermächtnissen, so tritt die gesetzliche Erbfolge ein und der Nachlass geht zunächst an Personen, die zur Abwicklung nicht bereit sind oder die schlimmstenfalls erst ermittelt werden müssen.
8
Die Einsetzung eines Alleinerben, der dann die Vermächtnisse der übrigen Nachlassbeteiligten erfüllt, ist die regelmäßig anzustrebende Lösung. Zum Alleinerben wählt man denjenigen aus, der wertmäßig den größten
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C. Formulierungs- und Gestaltungsbeispiele
oder aus anderen Gründen attraktivsten Teil des Nachlasses erhält, oder den beruflich oder privat Gewandtesten der Nachlassbeteiligten. Häufig empfehlenswert, aber nur selten durchsetzbar ist die Ernennung 9 eines externen Testamentsvollstreckers. Erwägenswert ist auch aus Gründen der Kostenersparnis die Bestimmung eines von mehreren Miterben zum dann auf ein Honorar verzichtenden Testamentsvollstreckers. Werden mehrere Personen zu Miterben eingesetzt, so sind die Erbteile 10 konkret zu bestimmen. Hiermit kann sich der Testator begnügen, wenn der Nachlass versilbert und der Erlös entsprechend den Erbteilen verteilt werden soll. Sollen jedoch im Rahmen der Miterbenlösung Bestimmungen über die Verteilung der Nachlassgegenstände getroffen werden, so sind Vorausvermächtnisse auszuwerfen. Eine reine Teilungsanordnung ist hier unzweckmäßig, da sie zu Ausgleichszahlungen und zum Streit über deren Höhe führen wird. Bestimmungen über die Bestattung und Grabgestaltung sind im Einzeltes- 11 tament nicht unzulässig, aber regelmäßig unzweckmäßig. Denn bis zur Eröffnung des Einzeltestaments vergeht so viel Zeit, dass die entsprechenden Dispositionen bereits getroffen sind. Häufig empfiehlt sich für den alleinstehenden Erblasser der Abschluss eines Bestattungs-, Grabanlageund Grabpflegevertrages mit der örtlichen Friedhofsverwaltung bzw. privaten Unternehmern.
C. Formulierungs- und Gestaltungsbeispiele I. Eigenhändiges Testament M 144
Eigenhndiges Testament1
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich, die alleinstehende und kinderlose . . . , setze zu meiner Alleinerbin meine Nichte . . . ein. Ersatzerbe fr den Fall des Vorversterbens der . . . ist deren Ehemann . . . Soweit er nicht Erbe wird, erhlt er als Vermchtnis die Briefmarkensammlung meines vorverstorbenen Ehemannes. Meine Freundin . . . erhlt zur Erinnerung an mich als Vermchtnis meine Perlenkette. Ersatzvermchtnisnehmer bestimme ich nicht.
1 Vgl. zum diesbezüglichen Urkundenrahmen ausführlich oben 1. Kap. M 3.
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4. Kap. Verfgungen von Todes wegen nur eines Erblassers
II. Notariell beurkundetes Testament M 145
Notariell beurkundetes Testament1
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . Vor dem Notar . . . ist erschienen, dem Notar persçnlich bekannt und unbedenklich geschftsfhig Herr . . . (Vorname, Name, Geburtstag und Geburtsort, Adresse). Der Erschienene erklrt, vor dem Notar ein Testament errichten zu wollen. Die Zuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars verlangt er nicht. Er ist deutscher Staatsangehçriger, unverheiratet und nach seiner Erklrung durch eine frhere bindende Verfgung von Todes wegen an dem heutigen Testament nicht gehindert. Er erklrt mndlich das folgende Testament 1. Vorsorglich widerrufe ich hiermit alle Verfgungen von Todes wegen, die ich bisher errichtet habe. Trotz Belehrung wnsche ich derzeit keine Rechtswahl fr mein Erbstatut. Mit ist bekannt, dass sich das Erbstatut fr Erbflle ab dem 17.8.2015 nicht mehr nach meiner Staatsangehçrigkeit, sondern nach meinem gewçhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt meines Todes richtet. 2. Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen ein Frau . . . und Herrn . . . Ersatzerben von Frau . . . sind deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Ersatzerben von Herrn . . . sind in erster Linie Frau . . . , in zweiter Linie deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. 3. Als Vorausvermchtnis fr den Fall, dass meine Erben Frau . . . oder deren Abkçmmlinge einerseits und Herr . . . andererseits werden, erhalten als Vorausvermchtnis ohne Anrechnung auf den Erbteil Frau . . . oder deren Abkçmmlinge das gesamte Inventar meiner Wohnung mit allen in der Wohnung befindlichen persçnlichen Gebrauchsgegenstnden, Herr . . . den von mir bei meinem Tod gefahrenen PKW. 4. Zur Auseinandersetzung des Nachlasses unter Bercksichtigung der Vorausvermchtnisse ordne ich Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich meinen Steuerberater . . . Ersatzweise soll das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker bestimmen. Der Testamentsvollstrecker erhlt eine angemessene Gebhr, deren Hçhe des Nachlassgericht bestimmt. (Schlussvermerke, Unterschriften)
1 Vgl. zum diesbezüglichen Urkundenrahmen ausführlich oben 1. Kap. M 4.
426
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers I. Fallgruppe Das Einzeltestament ist durch die Freiheit des Erblassers gekennzeichnet, 12 seine letztwilligen Anordnungen jederzeit ergänzen, ändern oder aufheben zu können. Dagegen ist es das Wesen eines Erbvertrags, den Erblasser zugunsten des Vertragspartners oder eines Drittbegünstigten zu binden. Eine solche Bindung wird der Erblasser nur dann eingehen, wenn dies mit einem besonderen Vorteil für ihn verbunden ist. Den häufigsten Fall bildet hier der entgeltliche Erbvertrag, mit dem sich der Erblasser eine Altersversorgung verschafft. Voraussetzung ist jedoch, dass keine vorrangige zugunsten eines Dritten wirkende bindende anderweitige Verfügung von Todes wegen in Gestalt eines weiteren Erbvertrages oder eines gemeinschaftlichen Testaments existiert. Auf dieses Risiko hat der Notar hinzuwiesen.
II. Der entgeltliche Erbvertrag Der entgeltliche Erbvertrag schafft einen vertraglichen Ausgleich zwi- 13 schen dem Interesse des Erblassers, sein Vermögen oder das Familienheim als zentralen Vermögensgegenstand lebtäglich als Eigentümer nutzen zu können und doch versorgt zu werden, und dem Interesse des Vertragspartners, das Vermögen oder den Vermögensgegenstand als Entgelt für seine Versorgungsleistungen auf den Tod des Erblassers mit Sicherheit zu erhalten. Aus der Verknüpfung dieser Zwecke ergibt sich ein Vertragstyp, der für beide Teile attraktiv ist. Beim entgeltlichen Erbvertrag wird mit der erbvertraglichen Einsetzung 14 einer Person zum Erben oder Vermächtnisnehmer die vertragliche Verpflichtung dieser Person zu Versorgungsleistungen für den Erblasser in einer Urkunde verbunden. Der Versorgungsvertrag, der Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie Rentenzahlungsverpflichtungen zum Inhalt haben kann, und der Erbvertrag über die Erbeinsetzung oder das Vermächtnis stehen dabei in einem Gegenseitigkeitsverhältnis nach §§ 320 ff. BGB. Der Erblasser kann daher nach in der Literatur teilweise widersprochener Rspr. des BGH im Falle unterbliebener geschuldeter Pflegeleistungen von dem gegenseitigen Vertrag unter Lebenden nach § 323 BGB und zugleich von dem Erbvertrag gem. § 2295 BGB zurücktreten, wenn er dem pflegeverpflichteten Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich zur Erbringung der im Einzelnen bezeichneten Pflegeleistungen aufgefordert hat.1 Sicherheitshalber können der Versorgungsvertrag samt Betreuungs-, Pflegeleistungs- sowie Rentenzahlungsverpflichtungen einerseits und der Erbvertrag über die Erbeinsetzung oder das Vermächtnis andererseits zusätz-
1 BGH v. 5.10.2010 – IV ZR 30/10, MDR 2010, 1391 = DNotZ 2012, 146; kritisch J. Mayer, DNotZ 2012, 89 (96 f.): Verfügungsunterlassung nur als Nebenpflicht und daher kein synallagmatisches Verhältnis zur Pflegeverpflichtung.
427
4. Kap. Verfgungen von Todes wegen nur eines Erblassers
lich durch wechselseitige Bedingung und vor allem Rücktrittsrechte des Erblassers für den Fall der Nichterfüllung des Versorgungsvertrages ausdrücklich miteinander verknüpft werden. 15 Beim äußerst praxisrelevanten Fall des Erbvertrags über das Eigenheim
des Erblassers bedarf der letztwillig Begünstigte und zugleich Verpflichtete des Versorgungsvertrags des Schutzes gegen lebzeitige Verfügungen des Erblassers, die nach § 2286 BGB unabdingbar möglich bleiben. Vor dem Erbfall hat der erbvertraglich bindend Bedachte keinen, auch keinen künftigen Erwerbsanspruch, sondern nur eine Erwerbsaussicht, die nicht nach § 883 BGB durch Vormerkung abgesichert werden kann.1 16 Im Sinne selbständiger schuldrechtlicher Verpflichtungen unter Lebenden2
sind deshalb weitere Ansprüche mit dem Ziel letztendlicher Sicherung durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch zu begründen. Die erste Stufe bildet eine Verfügungsunterlassungsvereinbarung des Inhalts, dass sich der Erblasser verpflichtet, über den Grundbesitz unter Lebenden nicht zu verfügen, ihn also weder zu veräußern noch zu belasten, und sich auch nicht zu einer Verfügung nach seinem Tod zu verpflichten. Denn letztere Verpflichtung könnte wiederum durch Auflassungsvormerkung gesichert werden und den Erwerb des Bedachten vereiteln oder stören. Eine schuldrechtliche Verfügungsunterlassungsverpflichtung ist nach § 137 Abs. 2 BGB zulässig,3 erzeugt aber nur einen Unterlassungsanspruch, nicht einen nach § 883 BGB vormerkungsfähigen Erwerbsanspruch. Deshalb ist auf einer zweiten Stufe ein aufschiebend bedingter Übereignungsanspruch hinsichtlich des Grundbesitzes des Inhalts zu begründen, dass sich der Erblasser verpflichtet, dem Vertragspartner den Grundbesitz sofort zu übertragen, wenn er gegen die Verfügungsunterlassungsverpflichtung verstößt. Diese aufschiebend bedingte Übereignungsverpflichtung bedarf der Form des § 311b Abs. 1 BGB. Der durch sie entstehende künftige Übereignungsanspruch ist nach h.M. durch Vormerkung nach § 883 BGB im Grundbuch absicherbar.4 17 Ein derartiger bedingter Übertragungsanspruch darf jedoch wiederum zum
Schutz des Eigentümers lediglich unter dem Vorbehalt des bei Erfüllung für ihn erstrangig einzutragenden lebtäglichen und unentgeltlichen Nießbrauchs, seiner zweitrangigen Pflegereallast und einer drittrangig zu seinen Gunsten für den Fall seines Rücktritts bei Nichterfüllung der Pflegeverpflichtung einzutragenden Rückübertragungsvormerkung gewährt werden. Zugunsten des Vermächtnisnehmers ist sofort die Eintragung einer Erwerbsvormerkung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. 1 2 3 4
BGH v. 19.1.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 = NJW 1954, 633. BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (19) = NJW 1959, 2252. BGH v. 27.2.1967 – III ZR 68/66, FamRZ 1967, 470 = BeckRS 1967, 31169345. BayObLG v. 16.11.1977 – BReg. 2 Z 62/77, MDR 1978, 316 = Rpfleger 1978, 135 = NJW 1978, 700; BayObLG v. 5.10.1978 – BReg. 2 Z 10/78, MDR 1979, 226 = DNotZ 1979, 27; BayObLG v. 18.11.1988 – BReg. 2 Z 99/88, DNotZ 1989, 372 = MittBayNot 1989, 90; Palandt/Ellenberger, § 137 BGB Rz. 6; MünchKomm.BGB/Musielak, § 2286 BGB Rz. 12.
428
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers
Das Modell kann in beiden Stufen variiert werden. So kann beim Ver- 18 fügungsunterlassungsvertrag bestimmt werden, dass der Erblasser Grundpfandrechte bis zu einem Höchstbetrag bestellen kann, bei der bedingten Übereignungsverpflichtung, dass gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung ein Nießbrauch oder dingliches Wohnungsrecht für den Erblasser zu bestellen und einzutragen ist. Zu Gunsten nicht volljähriger bzw. namentlich bei Erbvertragsabschluss 19 noch nicht bekannter Ersatzvermächtnisnehmer sollte jedoch keine Erwerbsvormerkung in das Grundbuch eingetragen werden,1 da andernfalls eine spätere vorzeitige Löschung dieser Vormerkung problematisch werden kann, weil eine für derartige Ersatzvermächtnisnehmer dann erforderliche familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung nur vollentgeltlich erteilt wird.2 Entsprechendes dürfte für einen Rangrücktritt hinter Finanzierungsgrundschulden gelten, die jedoch von vorneherein unter entsprechendem Rangvorbehalt bestellt werden können.
M 146
Entgeltlicher Erbvertrag3
(Form: notarielle beurkundete Verfgung von Todes wegen) Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es sind anwesend, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und unbedenklich voll geschftsfhig: 1. Herr . . . , geb. am . . . in . . . , wohnhaft . . . – Erblasser – 2. Frau . . . , geb. am . . . in . . . , wohnhaft . . . – Vertragsschließende – Herr . . . ist deutscher Staatsangehçriger, verwitwet und kinderlos. Frau . . . betreut ihn in seinem Haus, das nach dem Grundbuch beschrieben ist wie folgt: ... Die Erschienenen erklren den folgenden Erbvertrag mit Verfgungsunterlassungsverpflichtung und Erwerbsrecht: I. Herr . . . setzt der dies annehmenden Frau . . . mit erbvertraglicher Bindung sein Hausgrundstck . . . als Vermchtnis aus. Ersatzvermchtnisnehmer ist die volljhrige Tochter . . . der Frau . . . . Wiederum ersatzweise sind deren Abkçmmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung Vermchtnisnehmer. Eine Erbeinsetzung ist mit dem hiesigen Erbvertrag nicht verbunden. Herr . . . versichert, dass er an den hiesigen Verfgungen weder 1 Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Kap. 86 Rz. 49; aA MünchVertragshdb./Nieder, Bd. 6 Muster XVI.31, Anm. 9. 2 Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Kap. 86 Rz. 49. 3 Vgl. zum diesbezüglichen Urkundenrahmen ausführlich nachfolgend 5. Kap. M 153.
429
4. Kap. Verfgungen von Todes wegen nur eines Erblassers
durch vorrangige bindende gemeinschaftliche Testamente noch durch entsprechende Erbvertrge gehindert ist. Der Notar hat ber die Risiken derartiger eventueller Verfgungen von Todes wegen belehrt. II. Frau . . . ist verpflichtet, Herrn . . . bis zu seinem Tod in gesunden und kranken Tagen zu pflegen und zu verpflegen, und zwar auch bei dauernder Pflegebedrftigkeit, wobei Pflegeleistungen lediglich bis zu einem Umfang geschuldet sind, der der Pflegestufe 2 der derzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften entspricht. Frau . . . hat dabei, sofern es der Gesundheitszustand von Herrn . . . erfordert, bei ihm Wohnung zu nehmen. Ferner hat Frau . . . das von dem Berechtigten bewohnte Einfamilienhaus zu reinigen, die Wsche zu waschen, die Kleider auszubessern und dem Berechtigten die notwendigen Dienste und Handreichungen zu leisten sowie die erforderlichen Gnge zu erledigen. Dabei sind die hierfr von Frau . . . , ihren Familienangehçrigen oder einer gestellten Ersatzkraft geleisteten persçnlichen Dienste fr Herrn . . . unentgeltlich, whrend alle anderen Aufwendungen, insbesondere die Kosten fr die Nahrungs- und Verbrauchsmittel, einschließlich der eigenen Verpflegung von Frau . . . , wenn sie bei Herrn . . . wohnt, sowie die der Gegenstnde des persçnlichen Gebrauchs des Berechtigten und seiner Arzt-, Arznei- und Krankenhauskosten von Herrn . . . zu tragen sind. III. Herr . . . verpflichtet sich hiermit schuldrechtlich gegenber Frau . . . und nach deren Wegfall gegenber der Ersatzvermchtnisnehmerin bzw. hilfsweise den weiteren Ersatzvermchtnisnehmern, ber das Hausgrundstck nicht zu verfgen oder sich nicht zu einer solchen Verfgung zu verpflichten. IV. Sollte Herr . . . gegen diese Verpflichtung verstoßen oder sollten in das Grundstck Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vorgenommen werden, so kçnnen Frau . . . bzw. nach ihrem Wegfall die Ersatzvermchtnisnehmerin bzw. hilfsweise die weiteren Ersatzvermchtnisnehmer verlangen, dass Herr . . . unter dem Vorbehalt seines dann erstrangig im Grundbuch einzutragenden lebtglichen und unentgeltlichen Nießbrauchs und mit Rang unmittelbar danach seiner dann zweitrangig im Grundbuch einzutragenden Pflegereallast das genannte Hausgrundstck sofort Frau . . . oder nach ihrem Wegfall der Ersatzvermchtnisnehmerin bzw. hilfsweise den weiteren Ersatzvermchtnisnehmern, die insoweit ein eigenes Recht erhalten, auf deren Kosten unentgeltlich zu Eigentum bertrgt. Zur Sicherung dieser bedingten bertragungsansprche bewilligt Herr . . . und beantragt Frau . . . die Eintragung je einer Vormerkung zu ihren Gunsten und im Rang danach fr den Fall ihres Wegfalles zugunsten der Ersatzvermchtnisnehmerin im Grundbuch an bereitester Rangstelle. Hinsichtlich der weiteren Ersatzvermchtnisnehmer ist auf Vormerkung verzichtet. V. Die Unterhaltsverpflichtung wird durch die bertragung des Eigentums auf Frau . . . oder die Ersatzvermchtnisnehmerin bzw. hilfsweise die weiteren Er-
430
D. Der Erbvertrag nur eines Erblassers
satzvermchtnisnehmer nicht berhrt. Zur Sicherung des nachstehenden Rckbertragungsanspruchs von Herrn . . . fr den Fall seines berechtigten Rcktritts ist bei der bertragung des Eigentums am Grundstck eine Rckbertragungsvormerkung fr ihn mit Rang nach dem o.g. Nießbrauch und nach der o.g. Pflegereallast im Grundbuch einzutragen. VI. Sollte Frau . . . ihre bernommenen Verpflichtungen trotz erfolgter Abmahnung objektiv nicht ordnungsgemß erfllen, ist Herr . . . zum Rcktritt vom Erbvertrag und den weiter eingegangenen Verpflichtungen berechtigt. Dieses Rcktrittsrecht steht ihm auch zu, wenn Frau . . . wegfllt oder infolge Krankheit zur Leistung der von ihr bernommenen Verpflichtung unfhig wird und Frau . . . oder ihre Erben keine Herrn . . . angenehme Ersatzkraft stellen. Im Falle des berechtigten Rcktritts von Herrn . . . steht Frau . . . oder ihren Erben kein Anspruch auf Entgelt fr bereits aufgrund dieses Vertrages geleistete Dienste zu. Weitere Rcktrittsrechte werden nicht vereinbart. Herr . . . verzichtet auf sein Anfechtungsrecht nach den §§ 2078, 2079 BGB. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
431
5. Kapitel Das Ehegattentestament
Inhaltsübersicht Rz. A. Typus Ehegattentestament. . . . . . I. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Junge Eheleute . . . . . . . . . . . . . 2. Ältere Eheleute . . . . . . . . . . . . . III. Gestaltungsprobleme . . . . . . . . . . 1. Problemvielfalt . . . . . . . . . . . . . 2. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bindung oder Freiheit? . . . . . . . 4. Bezeichnung der Schlusserben, Nacherben oder Ersatzerben . . 5. Änderungsvorbehalte, Selbstanfechtungsverzicht . . . . . . . . . 6. Pflichtteilsstrafklauseln . . . . . 7. Ausnutzung der Erbschaftsteuerfreibeträge . . . . . . . . . . . . B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . I. Wahlmöglichkeit. . . . . . . . . . . . . . II. Das gemeinschaftliche Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Risiken bei Errichtung in zwei Einzelurkunden . . . . . . . . . . . . 3. Umdeutung bei Unwirksamkeit in Einzeltestament . . . . . . 4. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Widerruf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Einseitige Verfügungen . . . . c) Wechselbezügliche Verfügungen. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinsamer Widerruf bb) Gemeinsame Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung . . . . . . . . . . cc) Einseitiger Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung . . . . . . . (1) Aufgrund Änderungsvorbehalts . . . (2) Trotz Fehlens eines Änderungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . . III. Der Ehegattenerbvertrag. . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 3 5 6 6 7 8 9 10 11 12 13 13 14 14 15 16 18 19 19 20 21 21
Rz. 2. Ablieferungspflicht nach Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rücktritt kraft Vorbehalts . . . . 4. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . 5. Rücknahme aus der Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vergleich beider Formen . . . . . . . . 1. Anwendung erbvertraglicher Vorschriften auf das gemeinschaftliche Testament . . . . . . . 2. Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . C. Einheitslösung oder Trennungslösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einheitslösung – Trennungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einheitslösung . . . . . . . . . . . . . . a) Grundprinzip . . . . . . . . . . . . b) Risiken aus Fehlen ausdrücklicher Alleinerbeneinsetzung. . . . . . . . . . . . . . . c) Risiken aus Fehlen ausdrücklicher Schlusserbeneinsetzung. . . . . . . . . . . . . . . II. Standardtyp Berliner Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Probleme der Trennungslösung . . I. Die Trennungslösung als Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . III. Herausgabevermächtnis statt Vor- und Nacherbfolge . . . . . . . . .
45 48 49 53 54
54 55 61 61 61 62 62
63
64 67 69 69 74 76
E. Gemeinsames Versterben . . . . . . . 88 22
24 24
25 42 42
F. Der Änderungsvorbehalt . . . . . . . . I. Änderungsvorbehalt beim Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zum Rücktrittsvorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. BGH: Gesamtbetrachtung aller Vertragsklauseln . . . . . . . . . . . . . . V. Literatur: Spezifizierung des Änderungsvorbehalts . . . . . . . . . . . . .
96 96 97 100 101 102
433
5. Kap. Das Ehegattentestament Rz. VI. Mindermeinung: Einzelbetrachtung nach dem Kriterium des erbvertraglichen Restes . . . . . . . . VII. Praxisgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . VIII. Fallgruppen und Typen des Änderungsvorbehalts . . . . . . . . . . IX. Der Änderungsvorbehalt beim gemeinschaftlichen Testament . . 1. Wechselbezüglichkeit . . . . . . . a) Grundsatz. . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand . . . . . . . . . . . . . c) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundprinzip. . . . . . . . . bb) Typische Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Kumulation zweier Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kirche als Schlusserbe . 2. Zulassung des Widerrufs . . . . . 3. Widerrufsfreiheit durch Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 105 109 113 113 113 114 115 115 116
117 118 120 121
G. Verzicht auf Selbstanfechtung . . . I. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . 1. Grundprinzip. . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerrufsfreiheit durch Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Selbstanfechtung . . . . . . . . . . . . . . III. Verzicht auf Selbstanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122 122 122
H. Pflichtteilsstrafklauseln . . . . . . . . I. Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einfache Pflichtteilsstrafklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erweiterte Pflichtteilsstrafklausel: Jastrow’sche Klausel. . . . . . . . IV. Abänderungsvorbehalt . . . . . . . . .
129 129
I. Wiederverheiratungsklauseln . . . I. Funktion von Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . II. Gestaltung von Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedingte Nacherbeneinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermächtnislösung . . . . . . . . . III. Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
148
123 125 126
130 137 146
148 151 152 155 159 161
J. Ehegattentestament und Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Auswirkungen der Ehescheidung auf das Ehegattentestament . . . . . 162
434
Rz. 1. Fortgeltung von Verfügungen von Todes wegen über die Scheidung hinaus . . . . . . . . . . . 2. Wechselbezüglichkeit der aufrechterhaltenen Schlusserbenbestimmung . . . . 3. Geltung auch für den Ehegattenerbvertrag? . . . . . . . . . . . . . . 4. Empfehlenswerte Regelungen im Ehegattentestament . . . . . . II. Vorverlagerung der Unwirksamkeitsregel des § 2077 Abs. 1 BGB . 1. Mängel der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf die Eignung als Erbnachweis? . . . . . . .
162
171 176 177 182 182 183
K. Vermögens- und Personensorge für minderjährige Erben . . . . . . . . 184 I. Ausschluss der Eltern des Erben von der Verwaltung der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Vorsorge für eigene minderjährige Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslösung . . . . . . . . . . I. Verlust der Kinderfreibeträge auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten beim Berliner Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lösungen nach dem Erbfall. . . . . . III. Lösungen im Rahmen der Testamentsgestaltung . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen der Vermächtnislösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das sofort auflagenfrei zu erfüllende Geldvermächtnis . . . . 3. Geldvermächtnisse mit Untervermächtnissen auf Nutzung durch den überlebenden Ehegatten . . . . . . . . . . 4. Geldvermächtnisse mit hinausgeschobener Erfüllung . . . IV. Das „Supervermächtnis“ . . . . . . . M. Formulierungsbeispiele für Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Junge kinderlose Ehegatten . . . . . 1. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lediglich gegenseitige Erbeinsetzung jüngerer Eheleute . . . . 3. Gegenseitige Vorerbeneinsetzung jüngerer Eheleute . . . . . . .
189
189 191 193 193 194
196 198 204
211 211 212 212 213 215
A. Typus Ehegattentestament Rz. 4. Rückflusslösung bei jüngeren Eheleuten. . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Jüngere Eheleute mit minderjährigen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenseitige Erbeinsetzung . . 3. Berliner Testament mit Befreiung für künftigen Vermögenserwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ältere Eheleute . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen und Interessen . . . 2. Testamente von Ehegatten mit Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berliner Testament mit teilweisem Änderungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berliner Testament mit völliger Bindung des Überlebenden . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erbvertrag mit Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vorerbentestamente bei Eheleuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befreite Vorerbschaft . . . . . . . .
216 217 217 218
218 218 218 220
220
220
220 221 221 222
Rz. 3. Nicht befreite Vorerbschaft . . . 4. Beschränkung der Nacherbfolge auf Immobilien . . . . . . . . . . . VI. Nutzungsvermächtnisse für den Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallgruppen und Interessen . . . 2. Gegenseitiges Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nießbrauchsvermächtnis für den zweiten Ehegatten . . . . . . . N. Zuwendungsverzichtsvertrag . . . . I. Vereinbarung eines Zuwendungsverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . 2. Erstreckungsproblematik . . . . . 3. Verzichtsgegenstand . . . . . . . . . 4. Höchstpersönlichkeitsgrundsatz und Form . . . . . . . . . . . . . . 5. Besonderheiten bei Bindungen aus Erbverträgen . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . 7. Besonderheit: §§ 2287 ff. BGB . II. Aufhebung eines Zuwendungsverzichtsvertrages . . . . . . . . . . . . .
222 222 222 222 222 222 223 223 223 230 238 241 242 250 254 255
A. Typus Ehegattentestament I. Terminologie Ehegatten bzw. Lebenspartner iSd. LPartG testieren zumeist gemeinsam. 1 Das Einzeltestament eines Verheirateten bzw. Lebenspartners iSd. LPartG ist die praktische Ausnahme. Typische Fallgruppen des Einzeltestaments Verheirateter bzw. von Lebenspartnern iSd. LPartG sind hingegen das Unternehmertestament und das Testament des begüterten, mit einem nicht begüterten Partner verheirateten Ehegatten bzw. Lebenspartners iSd. LPartG. Der Begriff „Ehegattentestament“ ist dem Gesetz nicht bekannt. Das Ge- 2 setz unterscheidet unter dem Oberbegriff Verfügungen von Todes wegen Erbverträge und Testamente, wobei bei den Testamenten für Ehegatten und Lebenspartner nach LPartG die besondere privilegierte Form des gemeinschaftlichen Testaments angeboten wird. In Kenntnis dieser gesetzlichen Terminologie kann man als Typusbezeichnung für gemeinsame letztwillige Verfügungen von Ehegatten bzw. Lebenspartnern iSd. LPartG die besonders plastische und kurze Bezeichnung „Ehegattentestament“ verwenden, wie es im Rahmen dieser Darstellung geschieht. Soweit nachstehend von „Ehe435
5. Kap. Das Ehegattentestament
gatten“ die Rede ist, sind darunter entsprechend auch Lebenspartner iSd. LPartG zu verstehen.
II. Fallgruppen 1. Junge Eheleute 3
Für die Fallgruppen des Ehegattentestaments grundlegend ist die Unterscheidung zwischen Testamenten junger Eheleute und solchen älterer Eheleute.
4
Ist in der jungen Ehe bereits Vermögen, insbesondere einseitiges Vermögen aus der jeweiligen Familie eines Partners vorhanden, so erscheint es nicht selbstverständlich, dass die Ehegatten für den Fall des frühzeitigen Versterbens eines von ihnen den anderen als dessen Alleinerben vorsehen wollen. Bei einseitigem Familienvermögen wird es häufig gewünscht sein, dieses Vermögen im Todesfall an die jeweilige Familie, etwa die Eltern oder Geschwister des Erblassers, zurückfließen zu lassen. Sind bereits Kinder vorhanden, so geht deren Versorgung der Versorgung des überlebenden Ehegatten regelmäßig vor. 2. Ältere Eheleute
5
Anders ist die Interessenlage bei älteren Eheleuten, die entweder kinderlos geblieben sind, oder deren Kinder bereits eine Berufsausbildung und in vielen Fällen eine Ausstattung erhalten haben. Hier hat die Versorgung des überlebenden Ehegatten auf Elternseite Priorität. Dieser bietet sich grundsätzlich als Alleinerbe an. Folgefrage ist dann diejenige nach Freiheit oder Bindung des überlebenden Ehegatten an die letztwilligen Verfügungen über das bei seinem Tod vorhandene Vermögen. Hier bieten sich grundsätzlich die Abkömmlinge als Schlusserben oder Nacherben an. Bei kinderlosen Ehegatten stellt sich die Frage, wer Endbedachter auf den Tod des überlebenden Ehegatten sein soll: die beiderseitigen Verwandten zu gleichen Teilen nach Stämmen, nur die Verwandten eines Ehegatten oder sonstige Personen bzw. Institutionen. Ist wesentliches einseitiges, nicht in der Ehe erarbeitetes Vermögen vorhanden, so wird dessen Eigentümer häufig eine Regelung zugunsten der ihm persönlich nahe stehenden Personen wünschen.
III. Gestaltungsprobleme 1. Problemvielfalt 6
Je nach Fallgruppe und etwaigen Besonderheiten des Einzelfalls stellen sich die in den weiteren Abschnitten dieses Kapitels zu behandelnden Gestaltungsprobleme mit unterschiedlicher Dringlichkeit, differenzierter Gewichtung und unterschiedlichen Lösungen.
436
A. Typus Ehegattentestament
2. Form Die Frage nach der zu wählenden Form (s. hierzu nachfolgend Rz. 13 ff.), al- 7 so die Wahl zwischen eigenhändigem gemeinschaftlichen Testament oder notariell beurkundetem gemeinschaftlichen Testament bzw. Erbvertrag, wird sich an der Größe des Vermögens und der Lebenssituation auszurichten haben. Junge Eheleute ohne größeres Vermögen können sich häufig mit der eigenhändigen gegenseitigen Erbeinsetzung begnügen. Ältere Eheleute mit größerem Vermögen werden entweder das unter anwaltlich bzw. notarieller Beratung errichtete gemeinschaftliche Testament oder den notariell beurkundeten Ehegattenerbvertrag wählen. 3. Bindung oder Freiheit? Die Frage nach Freiheit oder Bindung (s. nachfolgend Rz. 13 ff.) des über- 8 lebenden Ehegatten hängt häufig ebenfalls von Größe und Herkunft des Vermögens ab. Bei normalen Vermögensverhältnissen steht entsprechend dem vorrangigen Versorgungsinteresse des überlebenden Ehegatten die Einheitslösung des Berliner Testaments im Vordergrund, wobei dann auf der Stufe der Schlusserbeneinsetzung insbesondere Änderungsbefugnisse des Länstlebenden zu erörtern sind. Soll dagegen einseitiges Familienvermögen in der Blutslinie verbleiben, so kann die Trennungslösung in der Form der Beschränkung des überlebenden Ehegatten auf die Vorerbenstellung oder die Stellung eines Nießbrauchers gewünscht sein. 4. Bezeichnung der Schlusserben, Nacherben oder Ersatzerben Ein weiteres Gestaltungsproblem ist die Erzielung einer zweifelsfreien 9 Bezeichnung der Schlusserben oder Nacherben und der jeweiligen Ersatz(nach)erben (s. nachfolgend Rz. 88 ff.). Angesichts gesetzlicher Auslegungsregeln und widersprüchlicher Rechtsprechung muss hier auf besondere Präzision in der Formulierung geachtet werden. Zu regeln ist auch die Erbfolge bei gemeinsamem gleichzeitigen oder nahezu gleichzeitigem Versterben. 5. Änderungsvorbehalte, Selbstanfechtungsverzicht Hinsichtlich der Bindung des überlebenden Ehegatten an die Verfügungen 10 auf seinen Tod sind Änderungsvorbehalte in unterschiedlicher rechtlicher Konstruktion und mit variierendem Umfang zu bedenken. Weiterhin wird regelmäßig der Verzicht des überlebenden Ehegatten auf die Selbstanfechtung bei Wiederverheiratung oder Hinzutreten weiterer Abkömmlinge gewünscht sein (s. nachfolgend Rz. 96 ff. bzw. 122 ff.). 6. Pflichtteilsstrafklauseln Probleme bereiten die Pflichtteilsrechte von gemeinsamen Abkömmlin- 11 gen auf den Tod des erstversterbenden Elternteils bzw. von Abkömmlin437
5. Kap. Das Ehegattentestament
gen des erstversterbenden Ehegatten auf dessen Tod. Hier bieten sich Pflichtteilsstrafklauseln an (s. nachfolgend Rz. 129 ff.). 7. Ausnutzung der Erbschaftsteuerfreibeträge 12 Ein Nachteil des Berliner Testaments ist es, dass die steuerlichen Frei-
beträge der gemeinschaftlichen Kinder auf den Tod des erstversterbenden Elternteils verloren gehen. Hier gibt ein umfassendes Bestimmungsvermächtnis dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit, zur eigenen Altersversorgung nicht benötigtes Vermögen den Abkömmlingen steuerbegünstigt zukommen zu lassen (s. nachfolgend Rz. 189 ff.).
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? I. Wahlmöglichkeit 13 Wenn letztwillige Verfügungen eigenhändig errichtet werden sollen,
kommt ein Erbvertrag wegen der zwingend vorgeschriebenen notariellen Beurkundung nicht in Betracht. Die notarielle Beurkundung von letztwilligen Ehegattenverfügungen kann sowohl als gemeinschaftliches Testament wie als Erbvertrag erfolgen. Die Wahl ist teilweise durch regionale Notariatstraditionen bedingt, hat aber auch sachliche Hintergründe.
II. Das gemeinschaftliche Testament 1. Grundsätze 14 Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehegatten bzw. Lebens-
partnern iSd. LPartG errichtet werden, § 2265 BGB bzw. § 10 Abs. 4 LPartG. Es muss letztwillige Verfügungen beider Ehegatten bzw. Lebenspartner iSd. LPartG enthalten. Dies können jeweils einseitige, voneinander unabhängige und unabhängig voneinander wirksame Verfügungen sein. Kennzeichnend für das gemeinschaftliche Testament, aber nicht zwingend vorgeschrieben sind jedoch solche Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen, die in ihrem Bestand voneinander abhängig sind, also etwa die gegenseitige Erbeinsetzung oder die Einsetzung von Schlusserben auf den Tod des letztversterbenden Ehegatten. Bei diesen iSd. § 2270 Abs. 3 BGB wechselbezüglichen Verfügungen bewirkt die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen, § 2270 Abs. 1 BGB bzw. § 10 Abs. 4 LPartG. 2. Risiken bei Errichtung in zwei Einzelurkunden 15 Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollte das gemeinschaft-
liche Testament in einer äußerlich einheitlichen Urkunde errichtet wer438
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
den. Ergibt sich die gewollte Gemeinschaftlichkeit des Testamentes aus anderen Umständen, können auch zwei getrennte Testamentsurkunden als gemeinschaftliches Testament gewertet werden, wenn sich aus beiden Einzelurkunden der Wille für ein gemeinschaftliches Testieren bspw. durch Verwendung der „Wir“-Form bzw. der Formulierung „gemeinsam“ oder durch einen gemeinschaftlichen verbindenden Zusatz bzw. Nachtrag zu den Einzelurkunden zumindest andeutungsweise ergibt,1 wobei zusätzlich, nicht jedoch ausschließlich, auch Auslegungsumstände von außerhalb der jeweiligen Urkunde herangezogen werden können,2 umgekehrt aber eine bloße Übereinstimmung der Errichtungszeit, Papierverwendung und des in Ich-Form geschriebenen Textes alleine nicht ausreicht.3 Es ist jedoch davon abzuraten, auf derartige Auslegungsergebnisse zu vertrauen. 3. Umdeutung bei Unwirksamkeit in Einzeltestament Wenn ein gemeinschaftliches Testament bspw. wegen Nichtbestehens ei- 16 ner Ehe/Lebenspartnerschaft, Fehlens der Unterschrift bzw. wegen Testierunfähigkeit eines der beiden Ehegatten/Lebenspartner unwirksam ist, können darin enthaltene, auch wechselbezügliche Verfügungen des anderen testierfähigen bzw. unterschreibenden Partners wegen diesbezüglicher Dispositionsfreiheit in ein wirksames Einzeltestament umgedeutet werden, soweit dieser Erblasser seine Verfügungen auch in Kenntnis der unwirksamen Verfügungen des bspw. testierunfähigen anderen Partners getroffen hätte.4 Zur Vermeidung ungewollter Auslegungsergebnisse sollte daher in einem 17 notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich klargestellt werden, ob dieses, soweit kein anderer Wille festgestellt werden kann, (jeweils) in ein entsprechendes Einzeltestament umzudeuten ist, wenn es wider Erwarten aus anderen als den in §§ 2268, 2077 BGB genannten Gründen unwirksam sein sollte. Für ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament kommt hingegen lediglich eine zusätzliche Errich-
1 OLG München v. 23.7.2008 – 31 Wx 34/08, FamRZ 2008, 2234 = ZEV 2008, 485 = BWNotZ 2008, 154; Erman/Kappler, Vor § 2265 BGB Rz. 4; DNotI-Gutachten, DNotIReport 2014, 41 ff. 2 Palandt/Weidlich, Einf v § 2265 BGB Rz. 7. 3 OLG München v. 23.7.2008 – 31 Wx 34/08, FamRZ 2008, 2234 = ZEV 2008, 485 = BWNotZ 2008, 154; BayObLG v. 11.2.1991 – BReg 1a Z 66/90, MDR 1991, 645 = FamRZ 1991, 1485. 4 OLG München v. 23.7.2014 – 31 Wx 204/14, MDR 2014, 1268 = FGPrax 2014, 214 = BWNotZ 2014. 125 unter Hinweis auf BGH v. 12.1.2011 – IV ZR 230/09, MDR 2011, 304 = ZEV 2011, 251 zur Ausschlagung einer Vermächtnisanordnung aus gemeinschaftlichem Testament; OLG München v. 19.5.2010 – 31 Wx 38/10, MDR 2010, 1266 = ZEV 2010, 471; BayObLG v. 24.1.2003 – 1Z BR 14/02, FamRZ 2004, 224 = NJW-RR 2003, 659; jurisPK-BGB/Reymann, § 2265 Rz. 18 f.; Litzenburger, FD-ErbR 2014, 360860; Staudinger/Kanzleiter, § 2265 Rz. 12; aA OLG Düsseldorf v. 9.12.1996 – 3 Wx 335/96, FamRZ 1997, 165; OLG Hamm v. 25.4.1996 – 15 W 379/95, FamRZ 1997, 55 = ZEV 1996, 304.
439
5. Kap. Das Ehegattentestament
tung eines jeweiligen eigenhändigen Einzeltestaments in Betracht, da nur so das Erfordernis der eigenhändigen handschriftlichen Texterrichtung bei beiden Testierern und nicht nur bei demjenigen Erblasser gewahrt ist, der den Text des gemeinschaftlichen Testaments eigenhändig handschriftlich geschrieben hatte. 4. Sonstiges 18 Zur Unterscheidung von eigenhändigem und notariell beurkundetem Tes-
tament s. oben 1. Kap. Rz. 60 ff. Zur besonderen amtlichen Verwahrung von notariell beurkundeten Testamenten s. oben 1. Kap. Rz. 74 f. Zur elektronischen Übermittlung von Verwahrangaben erbfolgerelevanter Urkunden an das Zentrale Testamentsregister bei notariell beurkundeten Testamenten s. oben 1. Kap. Rz. 76 ff.
M 147
Eigenhndiges gemeinschaftliches Testament – Urkundenrahmen
(Form: ein Ehegatte schreibt den Text eigenhndig, beide Ehegatten unterschreiben ihn eigenhndig) Unser Testament1 Wir, die Eheleute . . . (Vor- und Nachname), geboren am . . . (Geburtstag) in . . . (Geburtsort) und . . . (Vor- und Nachname), geboren am . . . (Geburtstag) in . . . (Geburtsort), beide wohnhaft in . . . (Ort, Straße, Hausnummer), errichten hiermit unser Testament. Uns geht es jeweils gesundheitlich gut. Wir sind jeweils im vollen Besitz unserer geistigen Krfte. Wir kçnnen ber unseren Nachlass frei verfgen. Insbesondere ist keiner von uns durch einen Erbvertrag mit Dritten oder durch ein gemeinschaftliches Testament gebunden. Vorsorglich widerruft jeder von uns hiermit alle bisher von ihm getroffenen Verfgungen von Todes wegen. Unser letzter Wille bestimmt sich daher ausschließlich nach unserem hier niedergeschriebenen Testament. . . . (letztwillige Verfgungen unter Angabe, ob die jeweilige konkrete Verfgung wechselbezglich bindend oder frei aufhebbar ist) . . . (Ort, Datum) …………………………………… (eigenhndige Unterschrift)
…………………………………… (eigenhndige Unterschrift)
1 Der Text muss durch einen der beiden Testierer eigenhändig niedergeschrieben und durch jeden Testierer eigenhändig unterschrieben werden.
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B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
M 148
Notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament – Urkundenrahmen
(Form: notarielle Beurkundung) Heute, am . . . , sind vor mir, Notar . . . mit Amtssitz in . . . , im Amtszimmer des Notariats in . . . erschienen: 1. Herr/Frau . . . (alle Vornamen, Nachname und ggf. Geburtsname des Erblassers), geb. am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft . . . , zustzliche nicht registerpflichtige Angabe: Sohn/Tochter des . . . und der . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis) oder: dem Notar persçnlich bekannt. Zustzlich liegt jeweils zum Nachweis des Geburtsortes und der Geburtenregisternummer eine Geburtsurkunde vor oder: bei Beurkundung liegt keine Geburtsurkunde vor. Herr/Frau . . . erklrt, ausschließlich deutscher/deutsche Staatsangehçriger/Staatsangehçrige zu sein. 2. Herr/Frau . . . (alle Vornamen, Nachname und ggf. Geburtsname des Erblassers), geb. am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft . . . , zustzliche nicht registerpflichtige Angabe: Sohn/Tochter des . . . und der . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis) oder: dem Notar persçnlich bekannt. Zustzlich liegt jeweils zum Nachweis des Geburtsortes und der Geburtenregisternummer eine Geburtsurkunde vor oder: bei Beurkundung liegt keine Geburtsurkunde vor. Herr/Frau . . . erklrt, ausschließlich deutscher/deutsche Staatsangehçriger/Staatsangehçrige zu sein. Die Eheleute . . . wissen, dass das gemeinschaftliche Testament im Erbfall nur dann sicher aufgefunden werden kann, wenn jeder von ihnen seinen Geburtsort samt Geburtenregisternummer heute richtig angegeben hat. Bei Fehlen einer Geburtsurkunde: Gleichwohl verzichten sie trotz Belehrung auf eigene Vorlage und zudem auf sptere Einholung einer Geburtsurkunde, sondern bestehen stattdessen auf sofortige Beurkundung. Der Notar wird insoweit von jeder Haftung freigestellt. Trotz Belehrung wnschen die Eheleute . . . keine vorherige Testamentsregistereinsicht. Sie seien im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet/ auf Grund notariellen Ehevertrages im Gterstand der Gtertrennung verheiratet, htten zwei gemeinschaftliche Kinder und seien durch Verfgungen von Todes wegen, somit durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament, nicht gebunden. Aus der Unterhaltung und nach dem persçnlichen Eindruck gewinnt der Notar zweifelsfrei die berzeugung, dass die Eheleute . . . uneingeschrnkt geschfts- und testierfhig sind. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wurde verzichtet.
441
5. Kap. Das Ehegattentestament
Eventuelle weitere Angaben: bei leicht eingeschrnktem Hçrvermçgen: Herr/Frau . . . hçrt nach eigenen Angaben leicht eingeschrnkt und trgt ein Hçrgert. Eine Verstndigung ist jedoch durch hier praktiziertes langsames und lautes Sprechen uneingeschrnkt mçglich. Ergnzend wird Herrn/Frau . . . der Urkundentext vor Unterschrift zur Durchsicht vorgelegt. Er/sie ist uneingeschrnkt testierfhig. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars ist trotz Belehrung verzichtet. bei Hausbesuch: Herr/Frau . . . leidet nach eigenen Angaben an . . . (Ausfhrung zu bestehender Krankheit), hat deshalb um Hausbesuch gebeten, ist nach berzeugung des Notars, die dieser aufgrund der ausgiebigen Vorbesprechung vom . . . und dem bei Beurkundung gewonnenen hat, zweifelsfrei bei klarem Verstand, vollstndig orientiert . . . (ggf. anhand von Beispielen ausfhren) und kann seinen/ihren Willen deutlich und uneingeschrnkt zum Ausdruck bringen. Er/sie ist daher vollumfnglich testierfhig. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wird verzichtet. Der Beurkundungstext wurde durch den Notar aufgrund der o.g. Vorbesprechung vorbereitet und ausgedruckt zum hiesigen Auswrtstermin mitgebracht. Zur Beurkundung erklren die Eheleute . . . folgendes Gemeinschaftliches Testament Vorsorglich widerrufen wir hiermit jeweils alle von uns bisher etwa getroffenen Verfgungen von Todes wegen. Unser letzter Wille bestimmt sich daher ausschließlich nach dem hier beurkundeten gemeinschaftlichen Testament. . . . (letztwillige Verfgungen) Von den vorstehenden Verfgungen sind folgende Regelungen 1. unter gegenseitiger Annahme wechselbezglich getroffen und damit fr den lngstlebenden Ehegatten, soweit kein nderungsvorbehalt vereinbart ist, bindend: ... 2. einseitig getroffen und damit frei abnderbar: ... Trotz Belehrung verzichten wir auf einen vorherigen notariellen Entwurf und auf Rcksprache mit unserem Rechtsanwalt und Steuerberater. Oder: Abweichungen vom vorherigen Entwurf wurden vorab erçrtert. Wir verzichten auf Rcksprache mit unserem Rechtsanwalt und Steuerberater. Wir wurden vom Notar insbesondere ber das Wesen des gemeinschaftlichen Testamentes und die Bedeutung der hier getroffenen Verfgungen eingehend belehrt, u.a. ber das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht, einschließlich des Pflichtteilsergnzungs- und Zusatzpflichtteilsrechts, sowie die gesetzlichen Regelungen ber die erbrechtliche Ausgleichungspflicht im Falle einer Erbauseinandersetzung gem. §§ 2050 ff. BGB, die Anrechnungspflicht auf Pflichtteilsansprche gem. §§ 2315 f. BGB und eventuelle mittelbare Bindungswirkungen fr Verfgungen unter Lebenden analog §§ 2287 f. BGB. Wir wissen, dass wir eine Erçffnung der letztwilligen Verfgung des lngstlebenden Ehegatten bereits beim Tod des erstversterbenden Ehegatten nur durch eine sprachlich ge-
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B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
trennte Formulierung der jeweiligen Verfgungen erreichen kçnnen. Uns gehçren derzeit keine Beteiligungen an Gesellschaften. Sollten wir Beteiligungen an Gesellschaften erwerben, werden wir die hier getroffenen letztwilligen Verfgungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem jeweils zu Grunde liegenden Gesellschaftsvertrag berprfen lassen, um eventuelle Vermçgensnachteile zu vermeiden. Ferner ist uns bekannt, dass Ansprche aus Vertrgen zu Gunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere aus Lebensversicherungen oder bestimmten Sparkonten, nicht in den Nachlass fallen, sondern direkt dem ggf. im zu Grunde liegenden Vertrag benannten Bezugsberechtigten zukommen drften und daher berprft werden sollten. Sollte das hiesige gemeinschaftliche Testament wider Erwarten aus anderen als den in §§ 2268, 2077 BGB genannten Grnden unwirksam sein, ist es, soweit kein anderer Wille festgestellt werden kann, (jeweils) in ein entsprechendes Einzeltestament umzudeuten. Wir erbitten jeweils eine beglaubigte Kopie dieser Urkunde fr unsere Unterlagen, eine weitere beglaubigte Kopie soll der Notar offen zur Urkundensammlung nehmen. Die Kosten dieser Urkunde einschließlich der amtlichen Verwahrung tragen wir zu gleichen Teilen. ber die gesamtschuldnerische Außenhaftung ist belehrt. Zum Zwecke der Kostenberechnung geben wir den Wert unseres Gesamtbruttovermçgens mit . . . Euro und die Hçhe unserer derzeitigen Verbindlichkeiten mit . . . Euro an. Vom Notar vorgelesen, von den Erschienenen genehmigt und wie folgt eigenhndig unterschrieben: . . . (Unterschriften)
5. Widerruf a) Allgemeines Auch Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament können frei 19 widerrufbar sein. Hierbei ist jedoch danach zu unterscheiden, ob es sich um iSd. § 2270 Abs. 3 BGB wechselbezügliche oder einseitige Verfügungen handelt. b) Einseitige Verfügungen Einseitige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments kann jeder 20 Ehegatte entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für den Widerruf letztwilliger Verfügungen eines Einzeltestaments einseitig widerrufen, und zwar durch bloßes Widerrufstestament, §§ 2253, 2254 BGB, widersprechendes Testament, § 2258 BGB oder Vernichtung des eigenhändigen Testaments, § 2255 BGB (s. oben 1. Kap. Rz. 101 ff.), oder durch Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung, §§ 2256, 2272 BGB. Bei einer eigenmächtigen Vernichtung bzw. Veränderung einseitiger Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments können sich jedoch hinsichtlich der Rekonstruktion des Testamentstextes 443
5. Kap. Das Ehegattentestament
bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen Beweisschwierigkeiten ergeben. Eine einseitige Rücknahme eines öffentlich beurkundeten gemeinschaftlichen Testamentes ist gem. § 2272 BGB nicht möglich, somit auch nicht alleine hinsichtlich der einseitigen Verfügungen des Widerrufenden; vielmehr kommt insoweit nach §§ 2272, 2256 BGB nur eine gemeinschaftliche Rücknahme in Betracht.
M 149
Widerruf einer einseitigen Verfgung aus einem gemeinschaftlichen Testament durch Einzeltestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich habe gemeinsam mit meiner Ehefrau/meinem Ehemann . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), am . . . (Datum) vor dem Notar . . . (Name des Notars) in . . . (Ort) unter UR . . . (Urkundenrollennummer) ein gemeinschaftliches Testament beurkunden lassen. Das Testament enthlt unter anderem auf den Tod des lngstlebenden Ehegatten eine wechselbezglich angeordnete Erbeinsetzung unseres alleinigen gemeinschaftlichen Kindes. Daneben habe ich fr den Fall, dass ich lngstlebender Ehegatte bin, durch einseitige Verfgung angeordnet, dass mein Patenkind . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft . . . (Wohnanschrift), vermchtnisweise einen Geldbetrag von . . . (Betrag) erhlt. Ich hebe dieses einseitig von mir angeordnete Geldvermchtnis hiermit ersatzlos auf.
c) Wechselbezügliche Verfügungen aa) Gemeinsamer Widerruf 21 Auch wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testa-
ments sind, solange beide Ehegatten leben, frei widerruflich. Dies kann zunächst einvernehmlich gemeinsam geschehen.
M 150
Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments durch gemeinschaftliches Widerrufstestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hiermit widerrufen wir unser eigenhndiges gemeinschaftliches Testament vom . . . (Datum). Uns ist bekannt, dass dadurch gesetzliche Erbfolge, deren Folgen wir kennen, eintritt, soweit wir keine neue Verfgung von Todes wegen errichten. Derzeit mçchten wird gleichwohl keine neue Verfgung von Todes wegen errichten. oder: Wir verfgen daher ber unseren Nachlass wie folgt: . . . (neue Verfgung von Todes wegen)
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B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
bb) Gemeinsame Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung Zudem wird ein öffentlich beurkundetes gemeinschaftliches Testament 22 durch Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung widerrufen, die jedoch nach §§ 2272, 2256 BGB iVm. § 10 Abs. 4 Satz 2 LPartG nur von beiden testierfähigen Ehegatten/Lebenspartnern höchstpersönlich und gleichzeitig vor dem betroffenen Verwahrgericht bewirkt werden kann.1 Damit ist nicht nur eine Vertretung, sondern auch eine die Aushändigung ersetzende postalische Übersendung des gemeinschaftlichen Testaments ausgeschlossen.2 Dagegen löst die bloße Einsichtnahme in ein öffentliches Testament noch keine Widerrufsfolgen aus,3 die daher zweckmäßigerweise ausdrücklich als solche vermerkt bzw. aktenkundig gemacht werden sollte.4 Bei einem bloßen eigenhändigen gemeinschaftlichen Testament verkör- 23 pert das Rückgabeverlangen mangels Widerrufswirkung zwar im Gegensatz zu einem öffentlichen Testament keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung. Gleichwohl setzt die Rückgabe auch dort Geschäftsfähigkeit beider Ehegatten voraus.5 cc) Einseitiger Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung (1) Aufgrund Änderungsvorbehalts Enthält ein gemeinschaftliches Testament für bestimmte wechselbezüg- 24 lich bindende Verfügungen eines Ehegatten einen eingeschränkten Änderungsvorbehalt und sind dessen Voraussetzungen erfüllt, kann dieser Ehegatte die betroffene letztwillige Verfügung einseitig durch Verfügung von Todes wegen widerrufen.
M 151
Widerruf einer wechselbezglichen Verfgung aus einem gemeinschaftlichen Testament mit nderungsvorbehalt durch Einzeltestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich habe gemeinsam mit meiner Ehefrau/meinem Ehemann . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), am . . . (Datum) vor dem Notar . . . (Name des Notars) in . . . (Ort) unter UR . . . (Urkundenrollennummer) ein gemeinschaftliches Testament beurkunden lassen. In diesem Testament ist u.a. wechselbezglich bindend geregelt, dass auf den Tod des lngstlebenden Ehegatten unsere beiden gemeinschaftlichen 1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 165 f.; Erman/Kappler, § 2272 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2272 BGB Rz. 1. 2 Burandt/Rojahn/Braun, § 2271 BGB Rz. 1; Erman/Kappler, § 2272 BGB Rz. 1. 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 212. 4 BeckOK BGB/Litzenburger, § 2256 BGB Rz. 3; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 212; Erman/Kappler, § 2256 BGB Rz. 5. 5 OLG Hamm v. 1.8.2012 – I-15 W 266/12, FGPrax 2012, 261 = ZEV 2013, 453.
445
5. Kap. Das Ehegattentestament
Kinder . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), und . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), zu untereinander gleichen Teilen Schlusserben werden. Der lngstlebende Ehegatte ist jedoch auf Grund nderungsvorbehaltes dazu berechtigt, den Nachlass zwischen unseren beiden Kindern anderweitig zu verteilen. Mein Ehemann/meine Ehefrau ist zwischenzeitlich verstorben. Ich mache von dem vorstehend genannten nderungsvorbehalt hiermit Gebrauch und treffe auf meinen Tod folgende Verfgungen: . . . (Vernderung der Erbquoten/Zuwendung eines Vorausvermchtnisses an eines der Kinder).
(2) Trotz Fehlens eines Änderungsvorbehalts 25 Darüber hinaus kommt aber auch ein einseitiger nicht letztwillig vor-
behaltener Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen alleine durch einen Ehegatten in Betracht, etwa nach einer Trennung. 26 Dann ist jedoch die Widerrufsform nach §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB
zu beachten. Wirksamkeitsvoraussetzung ist insoweit, dass der einseitige Widerruf notariell beurkundet und dem anderen Ehegatten zu dessen Lebzeiten in Urschrift oder Ausfertigung, nicht jedoch lediglich in beglaubigter Abschrift1 als empfangsbedürftige Willenserklärung iSd. § 130 BGB zugeht oder ersatzweise nach § 132 BGB zugestellt wird. Erfolgt der Zugang iSd. § 130 BGB, ist eine Zustellung gem. § 132 BGB durch Gerichtsvollzieher nach ZPO nicht erforderlich, aber aus Beweisgründen empfehlenswert.2 27 Selbst wenn der andere Ehegatte bei Zugang des Widerrufs testier- bzw.
geschäftsunfähig ist und daher darauf nicht durch neue Verfügung von Todes wegen reagieren kann, kommt gleichwohl ein Widerruf in Betracht, da das Widerrufsrecht aufgrund § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB nur bei Tod des anderen Partners erlischt.3 28 Dann muss die Widerrufserklärung nach § 131 Abs. 1 BGB dem gesetzli-
chen Vertreter zugehen bzw. zugestellt werden. Ein Betreuer muss dazu für den entsprechenden Wirkungskreis, zumindest für die Vermögenssorge,4 1 BGH v. 28.9.1959 – III ZR 112/58, BGHZ 31, 5 (6 ff.) = MDR 1960, 33 = NJW 1960, 33; OLG Zweibrücken v. 18.4.2005 – 3 W 15/05, FamRZ 2006, 447 = MDR 2005, 1356 = Rpfleger 2005, 607 f. 2 Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 5. 3 OLG Hamm v. 5.11.2013 – FamRZ 2014, 1484 = FGPrax 2014, 85 = NotBZ 2014, 228; OLG Nürnberg v. 6.6.2013 – 15 W 764/13, MDR 2013, 1409 = DNotZ 2013, 868; BeckOK BGB/Litzenburger, § 2271 BGB Rz. 14a; Erman/Kappler, § 2271 BGB Rz. 4; MünchKomm.BGB/Musielak, § 2271 BGB Rz. 9 Fn. 14; Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 6; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 14; aA Damrau/Bittler, ZErb 2004, 77 (79). 4 So als ausreichend erachtet von OLG Hamm v. 5.11.2013 – FamRZ 2014, 1484 = FGPrax 2014, 85 = NotBZ 2014, 228; OLG Nürnberg v. 6.6.2013 – 15 W 764/13, MDR 2013, 1409 = DNotZ 2013, 868; LG Hamburg v. 17.2.2000 – 301 T 264/99, DNotI-Report 2000, 86; Zimmer, ZEV 2007, 159 (161).
446
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
möglichst auch ausdrücklich für den Empfang des Widerrufs bestellt sein. Ist der widerrufende Ehegatte Betreuer des anderen Ehegatten, verhindern §§ 1795 Abs. 2, 181 BGB einen wirksamen Zugang bei diesem für den Vertretenen, da ein Insichgeschäft vorliegt,1 das auch durch das Betreuungsgericht nicht wirksam genehmigt werden kann.2 In einem solchen Fall muss vorab ein Ergänzungsbetreuer gem. § 1899 Abs. 4 BGB bestellt werden, an den die Widerrufserklärung zuzustellen ist.3 Dabei ist ein gemeinschaftliches volljähriges Kind als Ergänzungsbetreuer 29 nicht nach §§ 1908i Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da diese Vorschrift ausschließlich durch den und nicht auch gegenüber dem gesetzlichen Vertreter erklärte Rechtsgeschäfte betrifft.4 Ist zweifelhaft, ob der andere Ehegatte geschäftsfähig ist – insbesondere 30 bei in Intervallen auftretenden Krankheitsbildern – sollte die Ausfertigung des notariell beurkundeten Widerrufs sowohl dem anderen Ehegatten als auch dessen gesetzlichem Vertreter zugestellt werden. Die Widerrufsentgegennahme bedarf im Gegensatz zu einem Erbvertrags- 31 aufhebungsvertrag, für den § 2290 Abs. 3 Satz 3 BGB gilt, keiner gerichtlichen Genehmigung.5 Alternativ ist eine Erklärung und ggf. Zustellung an einen (auch) insoweit 32 möglichst ausdrücklich zur Entgegennahme des Widerrufs Bevollmächtigten möglich.6, zumal mittels Neufassung der Regelungen der §§ 1896 Abs. 2 Satz 2, 1901a Abs. 5 BGB und § 51 Abs. 3 ZPO durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz (BGBl. I 2009, S. 2286) eine bewusste Stärkung und Angleichung der Rechtsstellung des Vorsorgebevollmächtigten an die des Betreuers erfolgte. Soweit der widerrufende Ehegatte Vollmachtnehmer ist, muss er jedoch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und möglichst ausdrücklich zur Entgegennahme des Widerrufs bevollmächtigt sein. Insoweit kann es dazu kommen, dass selbst ein entsprechend vertretener gesunder Ehegatte niemals von einem durch seinen Ehegatten einseitig erklärten Widerruf der wechselbezüglichen Verfügun-
1 Hausmann, notar 2014, 58 (60); Helms, DNotZ 2003, 104 (108). 2 BGH v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, BGHZ 21, 229 (234) = NJW 1956, 1433; RG v. 13.5.1909 – IV 248/08, RGZ 71, 162 (164); Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (109). 3 Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 6. 4 OLG Nürnberg v. 6.6.2013 – 15 W 764/13, MDR 2013, 1409 = DNotZ 2013, 868; BayObLG v. 17.5.1976 – 1 Z 37/76, FamRZ 1977, 141 = Rpfleger 1976, 304; LG Hamburg v. 17.2.2000 – 301 T 264/99, DNotI-Report 2000, 86; BeckOK BGB/Bettin, § 1795 BGB Rz. 2; MünchKomm.BGB/Wagenitz, § 1795 BGB Rz. 23; aA BeckOK BGB/Litzenburger, § 2271 BGB Rz. 14; Hausmann, notar 2014, 58 (60); Helms, DNotZ 2003, 104 (108 f.); Keim, ZEV 2010, 358. 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 97 (98). 6 LG Leipzig v. 1.10.2009 – 4 T 549/08, ZErb 2009, 360 ff. = FamRZ 2010, 403 ff.; Erman/ Kappler, § 2271 BGB Rz. 4; Gerono, MittBayNot 2014, 74 (76); Hausmann, notar 2014, 58 (61); Keim, ZEV 2010, 358 (359 ff.); Müller/Renner, Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, Rz. 28 Fn. 219; DNotI, DNotI-Report 2010, 49; aA Zimmer, ZEV 2007, 159 (162).
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5. Kap. Das Ehegattentestament
gen aus dem gemeinschaftlichen Testament Kenntnis erhält,1 wobei die Wirksamkeit des Widerrufs in derartigen Konstellationen oftmals wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht in Frage stehen dürfte. Bis zu einer diesbezüglichen höchstrichterlichen Klärung sollte auch bei Vorliegen einer Generalvollmacht mit Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sicherheitshalber zusätzlich eine förmliche Erklärung gegenüber einem neutralen Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis erfolgen. 33 Soweit der gesetzliche Vertreter des anderen Ehegatten/Lebenspartners an-
wesend ist, genügt die förmliche Erklärung des Widerrufs unmittelbar gegenüber diesem gesetzlichen Vertreter und die anschließende Aushändigung einer Ausfertigung der diesbezüglichen notariellen Urkunde an diesen gesetzlichen Vertreter unter dessen Entgegennahmebestätigung.2 34 Während der Widerruf nach § 130 Abs. 2 BGB auch bei Tod des widerru-
fenden Ehegatten vor Zugang beim Widerrufsempfänger – ausgenommenen bei einer von dem Widerrufenden bewusst erst nach seinem Tod geplanten Zustellung3 – wirksam wird,4 kann der Widerruf nach dem Tod des Widerrufsempfängers nicht mehr wirksam zugehen.5 Obwohl der einseitige Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen selbst letztwillige Verfügung ist, ist ein Widerruf des Widerrufs iSd. § 2257 BGB insoweit nicht möglich, dagegen jedoch eine Anfechtung analog § 2078 BGB.6 35 Durch den Widerruf wird die widerrufene wechselbezügliche Verfügung
und nach § 2270 Abs. 1 BGB zudem die damit im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehende Verfügung des Widerrufsempfängers unwirksam.7 36 Der Widerrufende muss den Widerruf nach §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296
Abs. 1 BGB höchstpersönlich zu notarieller Urkunde erklären und bei Ausübung des Widerrufs testierfähig sein, da die Regelung des § 2282 Abs. 2 BGB zur Anfechtung eines Erbvertrages nicht entsprechend abwendbar ist.8 Wird der Widerrufende nach Abgabe des Widerrufs testierunfähig, gilt jedoch § 130 Abs. 2 BGB analog.9 37 Wegen des Höchstpersönlichkeitsgebotes nach §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296
Abs. 1 BGB kommt ein Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen (bzw. ein Rücktritt von vertragsmäßigen Verfügungen beim Erbvertrag) durch einen geschäftsunfähigen Erblasser nicht Betracht. Soweit diesem – wie häufig – zugleich ein Anfechtungsrecht zusteht, kann die Verfügung nach § 2282 Abs. 2 BGB insoweit durch den gesetzlichen Vertreter angefochten 1 Kritisch dazu Zimmer, ZEV 2007, 159 (162). 2 OLG Hamm v. 5.11.2013 – FamRZ 2014, 1484 = FGPrax 2014, 85 = NotBZ 2014, 228; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 97 (98). 3 BGH v. 16.4.1953 – IV ZB 25/53, BGHZ 9, 233 (236) = NJW 1953, 938. 4 BGH v. 12.12.1975 – IV ZR 101/74, MDR 1976, 302 = JZ 1976, 243 (244) = NJW 1976, 1095. 5 RG v. 9.3.1907 – V 329/06, RGZ 65, 270 (272 ff.). 6 MünchKomm.BGB/Musielak, § 2271 BGB Rz. 11. 7 MünchKomm.BGB/Musielak, § 2271 BGB Rz. 14. 8 Erman/Kappler, § 2271 BGB Rz. 4; Schaal, notar 2010, 268 (279). 9 Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 6.
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B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
werden, der wiederum der Genehmigung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts bedarf. Gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB erlischt das Recht eines Ehegatten, seine 38 wechselbezüglichen Verfügungen zu widerrufen mit dem Tod des anderen Ehegatten. Soweit dem längstlebenden Ehegatten durch Verfügung von Todes wegen nicht das Recht zur einseitigen Änderung bzw. Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen in Form eines Änderungsvorbehaltes eingeräumt worden ist, nicht ausnahmsweise wegen einer nach Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments begangenen Verfehlung des Bedachten in Gestalt eines Pflichtteilsentziehungsgrundes gem. §§ 2271 Abs. 2 Satz 2, 2294, 2336 BGB eine Aufhebbarkeit in Betracht kommt, wobei § 2337 Satz 2 BGB1 und § 2336 Abs. 2 BGB mangels Verweisung keine Anwendung finden, aber die Angabe des Rücktrittsgrundes aus Beweisgründen wichtig erscheint,2 und der durch die wechselbezügliche Verfügung Bedachte nicht bspw. durch Vorversterben ohne Anwachsung bzw. Ersatzberufung wegfällt, bleibt dem längstlebenden Ehegatten lediglich die Möglichkeit, durch Ausschlagung des ihm testamentarisch Zugewandten gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB unter Annahme des gesetzlichen Erbteils nach § 1948 BGB ggf. seine eigene Verfügungsfreiheit wiederzuerlangen. Vor Erklärung einer derartigen Ausschlagung ist jedoch dringend zu emp- 39 fehlen, das gemeinschaftliche Testament genauestens darauf zu überprüfen, ob dadurch nicht eine – möglicherweise auch stillschweigende – Enterbung des Ausschlagenden bzw. Ersatzerbeneinsetzung Dritter mit der Folge ausgelöst wird, dass der Längstlebende selbst den gesetzlichen Erbteil verliert und damit eine ungewollt hohe Vermögenseinbuße erleidet. Im Falle einer derartigen Ausschlagung nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 40 BGB genügt wegen der Ausschlagungsrückwirkung aus § 1953 BGB sogar ein bereits zuvor errichtetes einseitiges Widerrufstestament iSd. § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB.3 Rechtsfolge der Ausschlagung ist neben der Beseitigung der Erbeinsetzung des ausschlagenden Längstlebenden durch den Erstversterbenden zudem nach § 2270 Abs. 1 BGB, dass auch ein zunächst dem gemeinschaftlichen Testament widersprechendes und daher unwirksames Einzeltestament des Erstversterbenden nunmehr wirksam wird.4 Durch Verfügung unter Lebenden kann der testamentarisch wechselbe- 41 züglich gebundene Erblasser zwar gem. § 2286 BGB grundsätzlich frei ver1 KG v. 19.10.2010 – 1 W 361/10, FamRZ 2011, 681 = ZEV 2011, 266. 2 Müller, ZEV 2011, 240 (241). 3 OLG Bremen v. 1.8.2012 – 5 W 18/12, FamRZ 2013, 661 = MittBayNot 2013, 55; MünchKomm.BGB/Musielak, § 2271 BGB Rz. 21; Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2271 BGB Rz. 47; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 47; aA Burandt/Rojahn/Braun, § 2271 BGB Rz. 54: auschließlich durch nach dem Tod des Erstversterbenden errichtetes Widerrufstestament möglich, da zu Lebzeiten beider nur Widerruf nach § 2271 Abs. 1 BGB eröffnet ist. 4 RG v. 11.11.1935 – IV 160/35, RGZ 149, 200; OLG Bremen v. 1.8.2012 – 5 W 18/12, FamRZ 2013, 661 = MittBayNot 2013, 55; Keim, ZEV 1999, 413 (415); a.A. OLG Karlsruhe v. 8.7.1998 – 6 U 138/96, NJWE-FER 1999, 14.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
fügen. Es sind jedoch die mittelbaren Bindungswirkungen der §§ 2287 f. BGB zu beachten.
M 152
Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments durch einseitige Erklrung zu Lebzeiten beider Ehegatten
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich habe gemeinsam mit meinem Ehemann/meiner Ehefrau . . . (Vor- Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), am . . . (Datum) vor dem Notar . . . (Name) in . . . (Ort) zu UR . . . (Urkundenrollennummer) ein gemeinschaftliches Testament beurkunden lassen. Mein Ehemann/ meine Ehefrau lebt und ist derzeit unter der vorstehenden Adresse wohnhaft. Ich widerrufe hiermit alle von mir in diesem gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfgungen ohne jede Einschrnkung. Ich bin darber belehrt, dass durch diesen Widerruf auch die wechselbezglichen Verfgungen meines Ehegatten unwirksam werden und damit insoweit das gemeinschaftliche Testament hinfllig ist. ber die gesetzliche Erbfolge bin ich informiert. Mir ist weiter bekannt, dass der Widerruf empfangsbedrftig ist, meinem Ehegatten in Ausfertigung zugehen muss und mein Ehegatte zum Zeitpunkt des Zugangs leben muss. Ich weiß weiter, dass der Widerruf nur dann wirksam zugehen kann, wenn mein Ehegatte zu diesem Zeitpunkt geschftsfhig ist. Fehlt ihm die Geschftsfhigkeit, muss die Ausfertigung der Widerrufsurkunde dem gesetzlichen Vertreter im Sinne des § 131 BGB zugehen. Da ich selbst der Betreuer bin, ist dies an meiner Stelle der zu diesem Zweck bereits bestellte Ergnzungsbetreuer . . . (Name und Anschrift). Ich beantrage die Erteilung von zwei Ausfertigungen. Eine Ausfertigung soll ber den beurkundenden Notar durch Vermittlung des Gerichtsvollziehers gem. § 132 Abs. 1 BGB meinem Ehegatten Oder: dessen Ergnzungsbetreuer Oder: dessen Empfangsbevollmchtigtem . . . (Name und Anschrift) zugestellt werden. Oder: Ich werde in unmittelbarem Anschluss an die hiesige Beurkundung eine Ausfertigung dieser Verhandlung als auch ausdrcklich hierzu von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreiter Empfangsbevollmchtigter meines Ehegatten entgegennehmen, hierbei eine Ausfertigung der notariell beurkundeten Vollmacht vorlegen und mir dies durch den Notar besttigen lassen. Ich beauftrage den Notar hiermit dazu, den Zugang des Widerrufs zu berwachen. Die andere Ausfertigung erbitte ich zu meinen Hnden.
III. Der Ehegattenerbvertrag 1. Grundsätze 42 Der Ehegattenerbvertrag ist regelmäßig ein zweiseitiger Erbvertrag, bei
dem beide Ehegatten bzw. Lebenspartner iSd. LPartG sowohl Erblasser als auch Vertragspartner sind, weiterhin ebenso regelmäßig ein gegenseitiger 450
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
Erbvertrag, wenn sich die Ehegatten bzw. Lebenspartner wechselseitig zu Erben oder Vermächtnisnehmern einsetzen. Erbrechtliche Wirkung äußert er erst mit dem jeweiligen Erbfall. Ein Erbvertrag kann von den Vertragsschließenden vertraglich geändert 43 oder aufgehoben werden. Nach dem Tod eines Vertragsschließenden kann die Änderung oder Aufhebung nicht mehr erfolgen, § 2290 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Rücktritt vom Erbvertrag ist möglich, wenn er vorbehalten wurde, oder wenn der Bedachte sich einer schweren Verfehlung schuldig macht oder wenn eine Gegenverpflichtung des Vertragspartners aufgehoben wird, §§ 2293 ff. BGB. Der Rücktritt erfolgt durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsschließenden oder nach dessen Tod durch Testament, §§ 2296 f. BGB. Beim zweiseitigen Erbvertrag hat nach § 2298 BGB die Unwirksamkeit einer vertragsmäßigen Verfügung oder der Rücktritt eines Erblassers die Unwirksamkeit bzw. Aufhebung des ganzen Vertrages zur Folge. Während das öffentliche gemeinschaftliche Testament vom Notar unver- 44 züglich in die besondere amtliche Verwahrung des Nachlassgerichts gebracht werden muss, können die Parteien des Erbvertrags verlangen, dass dieser in der einfachen Verwahrung des Notars verbleibt. 2. Ablieferungspflicht nach Erbfall Nach § 34a Abs. 3 BeurkG sind Notare bzw. nach § 10 Abs. 3 KonsG iVm. 45 § 34a Abs. 3 BeurkG Konsularbeamte zur Ablieferung von in ihrer einfachen Verwahrung befindlichen erbfolgerelevanter Urkunden verpflichtet. Davon wird nach Eintritt des Erbfalls gem. § 34a Abs. 3 Satz 1 BeurkG zunächst ein nicht in die besondere amtliche Verwahrung gegebener Erbvertrag erfasst, der zum grundsätzlichen Verbleib in der gerichtlichen Aktenverwahrung urschriftlich bei dem für den Nachlass des Erstversterbenden zuständigen Nachlassgericht abzuliefern ist, wobei der Längstlebende Erblasser später auch erstmals die gerichtliche besondere amtliche Verwahrung verlangen kann. Eine entsprechende Pflicht zur Ablieferung der Urschrift besteht trotz eventueller Geheimhaltungsinteressen der Beteiligten zudem für Erbverträge, die mit einem Rechtsgeschäft unter Lebenden (zB Vollmacht, Ehe-, Pflege-, Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag) verbunden sind,1 da die in § 2300 Abs. 2 BGB für Rücknahmen aus der amtlichen bzw. notariellen Verwahrung ausdrücklich genannte Beschränkung auf ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthaltende Erbverträge in der hier maßgeblichen auf die Ablieferungspflicht nach § 2259 BGB verweisenden Regelung des § 2300 Abs. 1 BGB fehlt und es sich damit nicht lediglich um sonstige erbfolgerelevante Urkunden handelt. Darüber hinaus sind nach Eintritt des Erbfalls gem. § 34a Abs. 3 1 Im Ergebnis ebenso Eylmann/Vaasen/Baumann, § 34a BeurkG Rz. 5; Bamberger/Roth/ Litzenburger, § 2300 BGB Rz. 2; Erman/Schmidt, § 2259 BGB Rz. 3; aA Winkler, § 34a BeurkG Rz. 34; Weingärtner/Ehrlich, § 20 DONot Rz. 306: nur auszugsweise beglaubigte Abschrift.
451
5. Kap. Das Ehegattentestament
Satz 2 BeurkG sonstige Urkunden, deren Erklärungen die Erbfolge ändern können, durch Übersendung einer beglaubigten Kopie unter Zurückbehalten der Urschrift als Mitteilung an das Nachlassgericht zu übersenden.1 46 Erbfolgerelevante registrierte Prozessvergleiche iSd. § 78b Abs. 4 BNotO
sind, soweit sie einen Erbvertrag enthalten, nach Eintritt des Erbfalls gem. §§ 2259 Abs. 2, 2300 Abs. 1 BGB in Urschrift abzuliefern bzw., wenn sie durch eine andere Abteilung desselben Amtsgerichts protokolliert wurden, durch die Nachlassabteilung dieses Amtsgerichts zu eröffnen.2 Für sonstige erbrechtsrelevante Urkunden ist nach Eintritt des Erbfalls lediglich eine beglaubigte Kopie an das Nachlassgericht zu übersenden. Für urschriftlich oder in (beglaubigter Abschrift) übersandte Urkunden hat das Zentrale Testamentsregister als Empfänger den Eingang zu bestätigen.3 47 Die besondere amtliche Verwahrung können nach § 34 Abs. 2 BeurkG nur
alle Beteiligten gemeinsam ausschließen. Zur elektronischen Übermittlung von Verwahrangaben erbfolgerelevanter Urkunden an das Zentrale Testamentsregister s. oben 1. Kap. Rz. 76 ff.
M 153
Erbvertrag – Urkundenrahmen
(Form: notarielle Beurkundung) Heute, am . . . , sind vor mir, Notar . . . mit Amtssitz in . . . , im Amtszimmer des Notariats in . . . erschienen: 1. Herr/Frau . . . (alle Vornamen, Nachname und ggf. Geburtsname des Erblassers), geb. am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft . . . , zustzliche nicht registerpflichtige Angabe: Sohn/Tochter des . . . und der . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis) oder: dem Notar persçnlich bekannt. Zustzlich liegt jeweils zum Nachweis des Geburtsortes und der Geburtenregisternummer eine Geburtsurkunde vor oder: bei Beurkundung liegt keine Geburtsurkunde vor. Herr/Frau . . . erklrt, ausschließlich deutscher/deutsche Staatsangehçriger/Staatsangehçrige zu sein. 2. Herr/Frau . . . (alle Vornamen, Nachname und ggf. Geburtsname des Erblassers), geb. am . . . in . . . , (bei Geburt im Inland:) Geburtsstandesamt . . . , Geburtenregisternummer . . . , (bei Geburt im Ausland:) Staat der Geburt . . . , wohnhaft . . . , zustzliche nicht registerpflichtige Angabe: Sohn/Tochter des . . . und der . . . , ausgewiesen durch . . . (amtlicher Lichtbildausweis) oder: dem Notar persçnlich bekannt. Zustzlich liegt jeweils zum Nachweis des Geburtsortes und der Geburtenregisternummer eine Geburtsurkunde vor oder: bei Beurkundung liegt keine Geburtsurkunde vor. Herr/Frau . . .
1 Prütting/Helms/Fröhler, § 347 FamFG Rz. 63. 2 Staudinger/Baumann, § 2259 BGB Rz. 5 u. 19; Palandt/Weidlich, § 2259 BGB Rz. 1; aA Diehn, NJW 2011, 481 (483). 3 Diehn, NJW 2011, 481 (483).
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B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
erklrt, ausschließlich deutscher/deutsche Staatsangehçriger/Staatsangehçrige zu sein. Die Eheleute . . . wissen, dass der Erbvertrag im Erbfall nur dann sicher aufgefunden werden kann, wenn jeder von ihnen seinen Geburtsort samt Geburtenregisternummer heute richtig angegeben hat. Bei Fehlen einer Geburtsurkunde: Gleichwohl verzichten sie trotz Belehrung auf eigene Vorlage und zudem auf sptere Einholung einer Geburtsurkunde, sondern bestehen stattdessen auf sofortige Beurkundung. Der Notar wird insoweit von jeder Haftung freigestellt. Trotz Belehrung wnschen die Eheleute . . . keine vorherige Testamentsregistereinsicht. Sie seien im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet/ auf Grund notariellen Ehevertrages im Gterstand der Gtertrennung verheiratet, htten zwei gemeinschaftliche Kinder und seien durch Verfgungen von Todes wegen, somit durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament, nicht gebunden. Aus der Unterhaltung und nach dem persçnlichen Eindruck gewinnt der Notar zweifelsfrei die berzeugung, dass die Eheleute . . . uneingeschrnkt geschfts- und testierfhig sind. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wurde verzichtet. Eventuelle weitere Angaben: Bei leicht eingeschrnktem Hçrvermçgen: Herr/Frau . . . hçrt nach eigenen Angaben leicht eingeschrnkt und trgt ein Hçrgert. Eine Verstndigung ist jedoch durch hier praktiziertes langsames und lautes Sprechen uneingeschrnkt mçglich. Ergnzend wird Herrn/Frau . . . der Urkundentext vor Unterschrift zur Durchsicht vorgelegt. Er/sie ist uneingeschrnkt testierfhig. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars ist trotz Belehrung verzichtet. Bei Hausbesuch: Herr/Frau . . . leidet nach eigenen Angaben an . . . (Ausfhrung zu bestehender Krankheit), hat deshalb um Hausbesuch gebeten, ist nach berzeugung des Notars, die dieser aufgrund der ausgiebigen Vorbesprechung vom . . . und dem bei Beurkundung gewonnenen hat, zweifelsfrei bei klarem Verstand, vollstndig orientiert . . . (ggf. anhand von Beispielen ausfhren) und kann seinen/ihren Willen deutlich und uneingeschrnkt zum Ausdruck bringen. Er/sie ist daher vollumfnglich testierfhig. Auf die Hinzuziehung eines Zeugen oder zweiten Notars wird verzichtet. Der Beurkundungstext wurde durch den Notar aufgrund der o.g. Vorbesprechung vorbereitet und ausgedruckt zum hiesigen Auswrtstermin mitgebracht. Zur Beurkundung erklren die Eheleute . . . folgenden Erbvertrag Vorsorglich widerrufen wir hiermit jeweils alle von uns bisher etwa getroffenen Verfgungen von Todes wegen. Unser letzter Wille bestimmt sich daher ausschließlich nach dem hier beurkundeten Erbvertrag. . . . (letztwillige Verfgungen) Von den vorstehenden Verfgungen sind folgende Regelungen
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5. Kap. Das Ehegattentestament
1. unter gegenseitiger Annahme vertragsmßig getroffen und damit fr den lngstlebenden Ehegatten, soweit kein nderungsvorbehalt vereinbart ist, bindend: ... 2. einseitig getroffen und damit frei abnderbar: ... Trotz Belehrung verzichten wir auf einen vorherigen notariellen Entwurf und auf Rcksprache mit unserem Rechtsanwalt und Steuerberater. Oder: Abweichungen vom vorherigen Entwurf wurden vorab erçrtert. Wir verzichten auf Rcksprache mit unserem Rechtsanwalt und Steuerberater. Wir wurden vom Notar insbesondere ber das Wesen des Erbvertrages und die Bedeutung der hier getroffenen Verfgungen eingehend belehrt, u.a. ber das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht, einschließlich des Pflichtteilsergnzungs- und Zusatzpflichtteilsrechts, sowie die gesetzlichen Regelungen ber die erbrechtliche Ausgleichungspflicht im Falle einer Erbauseinandersetzung gem. §§ 2050 ff. BGB, die Anrechnungspflicht auf Pflichtteilsansprche gem. §§ 2315 f. BGB und eventuelle mittelbare Bindungswirkungen fr Verfgungen unter Lebenden nach §§ 2287 f. BGB. Wir wissen, dass wir eine Erçffnung der letztwilligen Verfgung des lngstlebenden Ehegatten bereits beim Tod des erstversterbenden Ehegatten nur durch eine sprachlich getrennte Formulierung der jeweiligen Verfgungen erreichen kçnnen. Uns gehçren derzeit keine Beteiligungen an Gesellschaften. Sollten wir Beteiligungen an Gesellschaften erwerben, werden wir die hier getroffenen letztwilligen Verfgungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem jeweils zu Grunde liegenden Gesellschaftsvertrag berprfen lassen, um eventuelle Vermçgensnachteile zu vermeiden. Ferner ist uns bekannt, dass Ansprche aus Vertrgen zu Gunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere aus Lebensversicherungen oder bestimmten Sparkonten, nicht in den Nachlass fallen, sondern direkt dem ggf. im zu Grunde liegenden Vertrag benannten Bezugsberechtigten zukommen drften und daher berprft werden sollten. Sollte der hiesige Erbvertrag wider Erwarten aus anderen als den in §§ 2279, 2077 BGB genannten Grnden unwirksam sein, ist er, soweit kein anderer Wille festgestellt werden kann, (jeweils) in ein entsprechendes Einzeltestament umzudeuten. Wir erbitten jeweils eine beglaubigte Kopie dieser Urkunde fr unsere Unterlagen. Wir wnschen trotz Belehrung keine besondere amtliche Verwahrung. Der Notar soll die Urschrift offen zur Urkundensammlung nehmen. Die Kosten dieser Urkunde tragen wir zu gleichen Teilen. ber die gesamtschuldnerische Außenhaftung ist belehrt. Zum Zwecke der Kostenberechnung geben wir den Wert unseres Gesamtbruttovermçgens mit . . . Euro und die Hçhe unserer derzeitigen Verbindlichkeiten mit . . . Euro an. Vom Notar vorgelesen, von den Erschienenen genehmigt und wie folgt eigenhndig unterschrieben: . . . (Unterschriften)
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B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
3. Rücktritt kraft Vorbehalts Ähnlich dem dort gesetzlich vorgesehenen Widerruf eines gemeinschaftli- 48 chen Testaments ist gem. §§ 2296, 2298 BGB – hier insofern jedoch ausschließlich im Falle eines diesbezüglichen Vorbehalts nach § 2293 BGB – der Rücktritt von einem Erbvertrag hinsichtlich vertragsmäßiger Verfügungen und zwar auch gegenüber dem nach § 131 Abs. 1 BGB gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen Vertragspartners eröffnet, für den ebenfalls keine gerichtliche Genehmigung benötigt wird.1 Dabei ist die Angabe des Rücktrittsgrundes zwar nicht erforderlich, zur Ermöglichung einer eventuellen Überprüfung der Wirksamkeit des Rücktritts im Falle eines Rechtsstreits nach dem Tod des Erblassers jedoch empfehlenswert.2 4. Aufhebungsvertrag Alternativ kommt ein Aufhebungsvertrag nach § 2290 Abs. 1 BGB in Be- 49 tracht, an dem der alleinige Erblasser nach § 2290 Abs. 2 Satz 1 BGB nur persönlich, im Falle beschränkter Geschäftsfähigkeit ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters mitwirken, der nicht selbst letztwillig verfügende ausschließliche Vertragspartner jedoch vertreten werden kann, dann aber der gerichtlichen Genehmigung bedarf. Soweit jedoch bspw. beide Ehegatten sich gegenseitig ohne Rücktrittsvor- 50 behalt iSd. § 2293 BGB zu Alleinerben eingesetzt haben, die Ehefrau zwischenzeitlich nicht mehr testierfähig ist und der Ehemann ausschließlich die von ihm vorgenommene Alleinerbeneinsetzung seiner Ehefrau aufheben möchte, kann die Ehefrau gleichwohl nicht vertreten werden, da sie, wenn auch nicht bezüglich des Aufhebungsgegenstandes, am Erbvertrag, der ein gegenseitiges einheitliches Rechtsgeschäft darstellt, auch als Erblasser beteiligt war.3 Schließen der Erblasser und mehrere Vertragspartner einen gemeinsamen 51 Erbvertrag, kann dieser nur von allen Beteiligten, mithin vom Erblasser und allen Vertragspartnern, nicht jedoch hinsichtlich des alleine zwischen dem Erblasser und einem der Vertragspartner betroffenen Teils nur von diesen beiden wirksam aufgehoben werden, wobei letztere Vereinbarung ggf. in einen diesbezüglich Zuwendungsverzichtsvertrag umgedeutet werden kann.4 Nach § 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine frühere letztwillige Verfügung, 52 die den Erbvertrag beeinträchtigt, insoweit aufgehoben. Nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB ist in dem gleichen Umfang eine spätere Verfügung unbeschadet § 2297 BGB unwirksam. Hat eine vertragsmäßig bindende Ver-
1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 97 (98). 2 MünchKomm.BGB/Musielak, § 2296 BGB Rz. 6. 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 186 f.; Erman/Kappler, § 2290 BGB Rz. 3; Palandt/Weidlich, § 2290 BGB Rz. 2. 4 OLG Hamm v. 2.12.2011 – I-15 W 603/10, FamRZ 2012, 1171 = ZEV 2012, 266.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
fügung bspw. aufgrund Vorversterbens bzw. Erbausschlagung aller dadurch Begünstigten zum Zeitpunkt des Erbfalls keine praktische Bedeutung mehr, ist eine spätere abweichende Verfügung nicht unwirksam.1 5. Rücknahme aus der Verwahrung 53 Bis zur im Jahre 2002 erfolgten Einfügung des § 2300 Abs. 2 in das BGB
konnte ein Erbvertrag im Gegensatz zu einem entsprechenden gemeinschaftlichen Testament nicht nach § 2256 BGB mit Widerrufswirkung aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen und damit auch nicht zwecks Verhinderung seiner nachlassgerichtlichen Eröffnung gegenständlich vernichtet werden.2 Darin bestand ein erheblicher Nachteil des Erbvertrags gegenüber gemeinschaftlichen Testamenten. Widerrufene, geänderte und aufgehobene Erbverträge kamen so gleichwohl zur Kenntnis der Drittbegünstigten, auch wenn diese nicht mehr Erben wurden. Seit der Gesetzesänderung kann ein Erbvertrag, der nur Verfügungen von Todes wegen enthält, aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen und den Vertragsschließenden zurückgegeben werden. Die Rückgabe kann jedoch ausschließlich an alle Vertragsschließenden gemeinschaftlich erfolgen, beim Ehegattenerbvertrag also an beide Ehegatten gemeinschaftlich. Durch die Rückgabe gilt der Erbvertrag nach der gesetzlichen Fiktion der §§ 2300 Abs. 2 Satz 3, 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB als widerrufen. Die Rückgabe ist daher nicht möglich, wenn dieselbe notarielle Urkunde außer dem Erbvertrag noch andere Vereinbarungen enthält, wie bspw. zusätzlich ehe-, pflichtteilsverzichts-, erbverzichts- bzw. pflegevertragliche Verfügungen oder postmortale Vollmachten.3
IV. Vergleich beider Formen 1. Anwendung erbvertraglicher Vorschriften auf das gemeinschaftliche Testament 54 Trotz dogmatischer Unterschiede sind gemeinschaftliches Testament und
Ehegattenerbvertrag in den Wirkungen weitgehend vergleichbar, insbesondere was die Bindungswirkung betrifft. Die Rechtsprechung wendet deshalb die erbvertraglichen Vorschriften über die Anfechtung, §§ 2281 ff., 2078 ff. BGB, über beeinträchtigende Schenkungen unter Lebenden, §§ 2287, 2288 Abs. 2 Satz 2 BGB, und die Vermächtnisschutzvorschriften der § 2288 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament entsprechend an.
1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 124 f. 2 Staudinger/Kanzleiter, § 2300 BGB Rz. 5. 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 40 (41).
456
B. Gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag?
2. Unterschiede Der wichtigste praktische Unterschied besteht darin, dass ein gemein- 55 schaftliches Testament eigenhändig errichtet werden kann, während der Erbvertrag der notariellen Beurkundung bedarf. Soweit Ehegattentestamente mit anwaltlicher Hilfe errichtet werden, wird der Anwalt deshalb aus Kostengründen regelmäßig die privatschriftliche Errichtung anraten und überwachen. Dann ist jedoch zur Nachlassabwicklung zwingend ein Erbschein, Testamentsvollstreckerzeugnis bzw. Europäisches Nachlasszeugnis erforderlich, da die Formerleichterungen aus § 35 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Halbs. 2 GBO mangels notarieller Beurkundung nicht anwendbar sind (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 65 ff.). Weitere Unterschiede liegen im Detail. So kann beim gemeinschaftlichen 56 Testament der überlebende Ehegatte beim Tod des Erstversterbenden die Verfügungen auf seinen Tod widerrufen, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt, § 2271 Abs. 2 BGB. Diese Befugnis ist unverzichtbar. Sie besteht hingegen beim Erbvertrag nicht. Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehegatten und Lebens- 57 partnern nach LPartG errichtet werden, ein Erbvertrag hingegen von jedermann, also bspw. auch von Geschwistern bzw. von Verlobten schon vor der Heirat. Beim gemeinschaftlichen Testament müssen beide Ehegatten letztwillige Verfügungen treffen, beim Erbvertrag nur einer von ihnen. Begünstigter Vertragserbe oder Vertragsvermächtnisnehmer kann sowohl der Vertragspartner selbst als auch ein Dritter sein.1 Beim gemeinschaftlichen Testament tritt der Schutz der Schlusserben vor 58 beeinträchtigenden Schenkungen des Letztversterbenden nach §§ 2287, 2288 BGB erst mit dem Tod des Erstversterbenden ein, beim Erbvertrag mit Vertragsschluss.2 Der Erstversterbende ist beim gemeinschaftlichen Testament insoweit ungeschützt. Der Erbvertrag eignet sich daher besser für entgeltliche Gestaltungen zwischen Ehegatten.3 Wenn der Erbvertrag nicht in die besondere amtliche Verwahrung ge- 59 bracht wird, entfällt die Gebühr für die Hinterlegung. Diese Gebühr fällt beim beurkundeten gemeinschaftlichen Testament immer an, da dieses zwingend in die besondere amtliche Verwahrung gegeben werden muss. Nach früherem Kostenrecht war ein in derselben Urkunde vereinbarter 60 Ehe- und Erbvertrag besonders kostengünstig, da die Beurkundungsgebühr nach § 46 Abs. 3 KostO trotz zweier verschiedener Regelungsgegenstände nur einmal berechnet wurde. Dieses Kostenprivileg ist mit Inkrafttreten des GNotKG zum 1.8.2013 entfallen.
1 Lange, Erbrecht, Kap. 4 Rz. 151. 2 Speth, NJW 1985, 463. 3 Meincke, DStR 1981, 523 (528).
457
5. Kap. Das Ehegattentestament
C. Einheitslösung oder Trennungslösung? I. Einheitslösung – Trennungslösung 1. Übersicht 61 Die Gestaltungstypen des Ehegattentestaments kann man nach ihrer
Struktur und Funktion unterteilen in Gestaltungen der Einheitslösung und Gestaltungen der Trennungslösung.1 Haupttyp der Einheitslösung ist das Berliner Testament nach § 2269 BGB. Haupttyp der Trennungslösung ist das Vor- und Nacherbentestament nach §§ 2100 ff. BGB. 2. Einheitslösung a) Grundprinzip 62 Bei der Einheitslösung vereinigt sich beim Tod des erstversterbenden Ehe-
gatten dessen Nachlass mit dem Eigenvermögen des überlebenden Ehegatten. Dieser wird voller und unbeschränkter Eigentümer des Nachlasses mit voller Verfügungsbefugnis unter Lebenden. Er vererbt dasjenige, was von seinem Vermögen in diesem Sinne übrig bleibt, und zwar als sein eigenes Vermögen. b) Risiken aus Fehlen ausdrücklicher Alleinerbeneinsetzung 63 Soweit – insbesondere in einem eigenhändigen gemeinschaftlichen Testa-
ment – Ehegatten ausschließlich regeln, dass sie ihre gemeinsamen Kinder je zur Hälfte als Erben einsetzen, kann mangels formgültiger Äußerung keine vorherige gegenseitige Alleinerbeneinsetzung angenommen werden, wenn diese in dem Testament nicht wenigstens andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck kommt, wozu deren Verfügung in der 1. Person Plural, eine ausdrückliche Anordnung in einem Entwurf oder ein schlichtes diesbezügliches Vergessen nicht ausreicht.2 c) Risiken aus Fehlen ausdrücklicher Schlusserbeneinsetzung 64 Enthält eine gemeinschaftliche Verfügung von Todes wegen zwar keine
ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung, aber eine Pflichtteilsstrafklausel, durch die der seinen Pflichtteil beim Tod des Erstversterbenden gegenüber dem Überlebenden geltend machende Abkömmling auf den Schlusserbfall enterbt wird, kann mangels entsprechenden Erfahrungssatzes ohne anderweitige Anhaltspunkte für eine entsprechende Auslegung eine letztwillige
1 Langenfeld, Freiheit oder Bindung beim gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag von Ehegatten?, NJW 1987, 1577. 2 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 4/80, MDR 1981, 736 = DNotZ 1982, 321 = NJW 1980, 1592; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2011, 150 f.
458
C. Einheitslçsung oder Trennungslçsung?
und dann im Zweifel wechselbezüglich bzw. vertragsmäßig bindende1 Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen den Pflichtteil nicht geltend machenden Kinder durch den Überlebenden nicht vermutet werden.2 Bei der Trennungslösung bleibt beim Tod des erstversterbenden Ehegatten 65 dessen Nachlass vom Eigenvermögen des überlebenden Ehegatten getrennt. Regelmäßig hat der überlebende Ehegatte hinsichtlich dieses getrennt bleibenden ererbten Vermögens nur Nutzungsrechte und keine oder nur beschränkte Verfügungsrechte. Hieraus ergibt sich, dass die Einheitslösung die Interessen des überleben- 66 den Ehegatten in den Vordergrund stellt, während die Trennungslösung die Interessen der Nacherben (Nachvermächtnisnehmer, durch Nutzungsrechte des überlebenden Ehegatten beschwerte Erben), regelmäßig also der Abkömmlinge, in den Vordergrund stellt. Dem Strukturunterschied entspricht also der Wertungsunterschied, wessen Interessen den Vorzug erhalten sollen.
II. Standardtyp Berliner Testament Die notarielle Praxis gerade der letzten Jahre zeigt, dass das „gute alte“ Ber- 67 liner Testament aktueller ist als je zuvor. Im Normalfall ist die Versorgung des überlebenden Ehegatten das Primärziel der Eheleute, die Erhaltung des Vermögens für die Abkömmlinge lediglich das Sekundärziel. Die Abkömmlinge haben ihre Ausbildung und in vielen Fällen ihre Ausstattung erhalten. Nach der Kinder-Phase der Ehe folgt angesichts der gestiegenen Lebenserwartung eine lange Post-Kinder-Phase, in der sich die Eheleute wieder mehr sich selbst zuwenden. Die Unsicherheiten der sonstigen Altersversorgung, die Unsicherheiten im Gesundheitswesen etwa hinsichtlich erforderlich werdender teurer Operationen bzw. ärztlicher Behandlungen und die steigenden Heim-, Neben- und Pflegekosten führen dazu, dass dem überlebenden Ehegatten das Vermögen auch des Erstverstorbenen zu seiner Versorgung zur Verfügung stehen soll. Die Abkömmlinge sollen das erhalten, was übrig bleibt. Kennzeichnend für das Berliner Testament ist die zweistufige Erbfolge. 68 Auf der ersten Stufe soll nur der Ehegatte erben, auf der zweiten Stufe le1 OLG Karlsruhe v. 19.1.2006 – 14 Wx 28/05, FamRZ 2006, 1303 = ZEV 2006, 409; OLG Oldenburg v. 17.11.1998 – 5 U 120/98, MDR 1999, 232 = FamRZ 1999, 1537 = NJWE-FER 1999, 64 (Schlusserbeneinsetzung durch den Nacherben); OLG Köln v. 30.4.1993 – 2 Wx 58/92, FamRZ 1993, 1371 = NJW-RR 1994, 397. 2 OLG Düsseldorf v. 14.1.2014 – 3 Wx 64/13, MDR 2014, 728 = ZEV 2014, 303; OLG Karlsruhe v. 19.1.2006 – 14 Wx 28/05, FamRZ 2006, 1303 = ZEV 2006, 409; OLG Hamm v. 26.2.2004 – 15 W 486/03, FamRZ 2004, 1998 = NJW-RR 2004, 1520; Burandt/ Rojahn/Braun, § 2269 BGB Rz. 24; Palandt/Weidlich, § 2269 BGB Rz. 8; aA OLG Frankfurt v. 28.8.2001 – 20 W 432/00, FamRZ 2002, 352 = ZEV 2002, 109; OLG Köln v. 30.4.1993 – 2 Wx 58/92, FamRZ 1993, 1371 = NJW-RR 1994, 397; offengelassen OLG München v. 16.7.2012 – 31 Wx 290/11, FamRZ 2013, 405 = FGPrax 2012, 205 = BWNotZ 2012, 168 (Schlusserbeneinsetzung durch den Nacherben).
459
5. Kap. Das Ehegattentestament
diglich die als Schlusserben vorgesehenen Personen, regelmäßig die Abkömmlinge. Hieraus ergeben sich die folgenden Gestaltungsprobleme: – Während die Erbenbestimmung auf der ersten Stufe unproblematisch ist, muss bei der Schlusserbenberufung und in ihrem Rahmen insbesondere der Ersatzerbenbestimmung angesichts der gesetzlichen Auslegungsregeln und Vermutungen und der umfangreichen Rechtsprechung hierzu höchste Sorgfalt aufgewendet werden. – Ein regelungsbedürftiger Störfall ist das gemeinsame Versterben etwa infolge Unfalls (s. nachfolgend Rz. 88 ff.) – Der Umfang der Bindung des überlebenden Ehegatten an die Verfügungen auf seinen Tod muss zweifelsfrei klargestellt werden. Dies geschieht durch die ausdrückliche Bestimmung der Wechselbezüglichkeit und gegebenenfalls durch Änderungsvorbehalte (s. nachfolgend Rz. 96 ff.). Besondere Probleme ergeben sich aus der Möglichkeit wechselbezüglicher Schlusserbeneinsetzungen über die Scheidung hinaus (s. nachfolgend Rz. 162 ff.). – Der Selbstanfechtung durch den überlebenden Ehegatten etwa wegen Motivirrtums oder im Falle der Wiederverheiratung muss durch einen Selbstanfechtungsverzicht vorgebeugt werden (s. nachfolgend Rz. 122 ff.). – Auf der ersten Stufe des Berliner Testaments sind die Abkömmlinge durch die Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben enterbt. Hierdurch werden Pflichtteilsrechte ausgelöst, deren Geltendmachung durch Pflichtteilsstrafklausel vorzubeugen ist (s nachfolgend Rz. 129 ff.). Die Nichtberücksichtigung der Abkömmlinge auf der ersten Stufe ist steuerlich nachteilig, da die Erbschaftsteuerfreibeträge nach dem erstversterbenden Elternteil verloren gehen. Dem kann gestalterisch vorgebeugt werden (s. nachfolgend Rz. 189 ff.).
M 154
Eigenhndiges Berliner Testament mit Mindestinhalt
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir, die Eheleute . . . , setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. Erben des Letztversterbenden von uns und Erben von uns beiden im Falle des gemeinsamen Versterbens sollen unser Sohn . . . und unsere Tochter . . . zu gleichen Erbteilen sein. Ersatzerben beim Wegfall eines Erben gleich aus welchem Grund sollen dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge sein. Mangels Abkçmmlingen sind Ersatzerben in erster Linie der Miterbe, in zweiter Linie dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Verlangt ein Erbe beim Tod des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil, so werden er und seine Abkçmmlinge nicht Erben des Letztversterbenden von uns. Die Verfgungen dieses gemeinschaftlichen Testaments sind wechselbezglich, der Lngstlebende von uns darf jedoch innerhalb des Kreises unserer gemeinsamen Abkçmmlinge frei anderweitig verfgen. Der berlebende von
460
D. Probleme der Trennungslçsung
uns verzichtet hiermit auf die Anfechtung der Verfgungen auf seinen Tod bei Wiederverheiratung oder Hinzutreten weiterer Pflichtteilsberechtigter. (Unterschriften) Datum
D. Probleme der Trennungslösung I. Die Trennungslösung als Ausnahmefall Die Trennungslösung bedarf, wenn gemeinschaftliche Abkömmlinge vor- 69 handen sind, der besonderen Rechtfertigung. Die traditionelle Fallgruppe ist hier die „Erbhoflösung“. Im Bereich der Landwirtschaft war und ist es üblich, den Hof von Generation zu Generation in der Blutslinie zu vererben und Angeheiratete außen vor zu lassen. Dieses Denken herrscht auch im Bereich der Unternehmensnachfolge und der Nachfolge in städtischen Grundbesitz, der ebenfalls von Generation zu Generation in der Blutslinie vererbt wird, vor. Die Versorgung des Ehegatten erfolgt hier durch eingeschränkte Nutzungsrechte und allenfalls ergänzende Geldvermächtnisse. Die Trennungslösung wird in größter Konsequenz verwirklicht durch die 70 Einsetzung jeweils dritter Erben durch jeden Ehegatten bei gegenseitigem Erb- und Pflichtteilsverzicht. Fallgruppen sind hier die Wiederverheiratung älterer Eheleute (s. nachfolgend Rz. 218 ff.) mit „Meine Kinder – deine Kinder“ und „Mein Vermögen – dein Vermögen“ einerseits und die Heirat junger Eheleute mit ererbtem oder von den Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder der Ausstattung erworbenem Vermögen, das im Falle der alsbaldigen Auflösung der Ehe durch den Tod an die jeweilige Familie zurückgehen soll – „Rückflusslösung“ (s. nachfolgend Rz. 216). Die Trennungslösung kann auch angezeigt sein, wenn der überlebende 71 Ehegatte durch eigenes, gegebenenfalls ehebedingt unter Lebenden zugewendetes Vermögen hinreichend versorgt ist. Schließlich ist die Trennungslösung angezeigt, wenn Kinder erster Ehe 72 mit der möglicherweise gleich alten zweiten Ehefrau des Erbassers zusammentreffen. Hier sollen die Kinder erben, die zweite Ehefrau soll angemessen versorgt werden. Eine erwägenswerte Gestaltung ist die Verbindung von Einheitslösung 73 und Trennungslösung dadurch, dass dem zum Vorerben eingesetzten Ehegatten wesentliche Vermögensteile, etwa das Geldvermögen, als Vorausvermächtnis zugewendet werden (s. dazu nachfolgend M 192). Hierdurch wird im Ergebnis eine Beschränkung der Vor- und Nacherbschaft auf einzelne Vermögensgegenstände, etwa den Grundbesitz oder eine bestimmte Immobilie, erreicht. Das übrige Vermögen verschmilzt durch das Voraus461
5. Kap. Das Ehegattentestament
vermächtnis an den Alleinerben ohne weitere Erfüllungsakte mit dessen Vermögen und wird von ihm an seine eigenen Erben vererbt.
II. Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben 74 Ein in der Praxis nicht ganz seltener Fehler, der nicht nur dem Laien, son-
dern auch dem Juristen unterlaufen kann, besteht darin, die Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben zu vergessen. Man setzt den überlebenden Ehegatten zum Vorerben und die Abkömmlinge zu Nacherben ein und übersieht, dass damit nur die Nachfolge in den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten geregelt ist. Die Gerichte helfen hier mit der Anwendung des § 2102 Abs. 1 BGB.1 Nach dieser gesetzlichen Vermutung enthält die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe. Da die Nacherbeneinsetzung wegen der Ungewissheit, wer der Erstversterbende sein wird, von beiden Ehegatten erklärt wird, kann sie beim Letztversterbenden, bei dem sie sich nicht realisiert hat, als Ersatzerbeneinsetzung angesehen werden. 75 Es verbleibt aber die Unsicherheit, ob die Ehegatten dies im Einzelfall tat-
sächlich gewollt haben. Regelmäßig sollen die Abkömmlinge auch die eigenen Erben des Nacherben werden. Es kann aber durchaus auch so sein, dass der Überlebende in der Verfügung über den eigenen Nachlass frei sein soll. Der Testamentsgestalter sollte es deshalb nicht auf die Anwendung des § 2102 Abs. 1 BGB ankommen lassen, sondern die Frage ausdrücklich regeln.
M 155
Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben (1)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein. Nacherben auf den Tod des Vorerben und dessen eigene Erben sollen die gemeinsamen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge sein.
Oder:
M 156
Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben (2)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein. Nacherben auf den Tod des Vorerben sollen die gemeinsamen Abkçmmlinge nach Maßgabe der 1 BGH v. 28.10.1998 – ZEV 1999, 26 = NJWE-FER 1999, 37; OLG Karlsruhe v. 20.12.2002 – 11 Wx 91/01, NJW-RR 2003, 582; OLG Köln v. 5.11.1999 – 2 Wx 41/99, MDR 2000, 585 = ZEV 2000, 232 = BWNotZ 2000, 95; OLG Oldenburg v. 17.11.1998 – 5 U 120/98, MDR 1999, 232 = FamRZ 1999, 1537.
462
D. Probleme der Trennungslçsung
gesetzlichen Erbfolge sein. Der berlebende Ehegatte trifft heute auf seinen Tod keine Verfgung.
Oder:
M 157
Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben (3)
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein. Nacherben auf den Tod des Vorerben sollen die gemeinsamen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge sein. Der berlebende Ehegatte setzt zu seinen Erben die folgenden Personen ein:. . .
III. Herausgabevermächtnis statt Vor- und Nacherbfolge Statt mit der Vor- und Nacherbfolge kann die Trennungslösung über ein 76 Herausgabevermächtnis verwirklicht werden. Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu unbeschränkten Erben ein und beschweren den Letztversterbenden zugunsten der Endbedachten, regelmäßig der Abkömmlinge, mit einem auf den Tod des Letztversterbenden aufschiebend befristeten Vermächtnis hinsichtlich des Nachlassüberrestes des Erstverstorbenen (s. oben 3. Kap. Rz. 245 ff. und nachfolgend Rz. 77 ff.). Die Gestaltung führt zu einer schuldrechtlichen Trennung der beiden Nachlässe und ist insoweit eine Alternative zur Vor- und Nacherbschaft. Es darf nicht vergessen werden, dass sie zunächst nur den Nachlass des Erstversterbenden betrifft und hinsichtlich der Erbfolge nach dem Überlebenden Regelungsbedarf besteht. Die Gestaltung kommt dann in Betracht, wenn zwar eine Bindung auf den 77 Überrest hergestellt werden soll, der überlebende Ehegatte aber sonst so frei wie möglich sein soll. Es wird verhindert, dass der überlebende Ehegatte das Vermögen des Erstversterbenden als sein Vermögen weitervererben kann. Diese sonst nur mit der rechtlich komplizierten und für den überlebenden Ehegatten sehr einschränkenden Vor- und Nacherbfolge erreichbare Folge kann hier auf für den Überlebenden möglichst schonende Weise erreicht werden.
M 158
Herausgabevermchtnis beim Ehegattentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. Der berlebende von uns wird zugunsten der gemeinsamen ehelichen Abkçmmlinge, die bei seinem Tod vorhanden sind, und zwar im Anteilsverhltnis der
463
5. Kap. Das Ehegattentestament
gesetzlichen Erbfolge, mit einem Vermchtnis des Inhalts beschwert, dass den Vermchtnisnehmern auf den Tod des berlebenden alle Vermçgensgegenstnde, die aus dem Nachlass des Erstversterbenden stammen, zu bereignen sind. Herauszugeben sind jedoch nur die Vermçgensgegenstnde, die sich beim Tod des Letztversterbenden noch in seinem Vermçgen befinden, und zwar einschließlich der Vermçgensgegenstnde, die im Sinne von § 2111 BGB Surrogate sind. Die Nutzungen der vermachten Gegenstnde stehen dem berlebenden bis zu seinem Tod zu, Verwendungsersatzansprche gegen ihn sind ausgeschlossen. Das Vermchtnis fllt mit dem Tod des Letztversterbenden an. Die Anwartschaft des Vermchtnisbedachten zwischen dem Tod des Erstversterbenden und dem Vermchtnisanfall beim Tod des Letztversterbenden ist nicht vererblich und nicht verußerlich. Im brigen kann der berlebende letztwillig frei verfgen.
78 Die Gestaltung ist ein Anwendungsfall des Vielzweckinstruments Ver-
mächtnis.1 Die Zuwendung einer Vermögensmasse im Wege des Universalvermächtnisses ist zulässig, aus § 2087 BGB ergibt sich nicht etwa ein Zwang zur Erbeinsetzung,2 hier zur Anordnung von Vor- und Nacherbschaft. 79 Der aus § 2174 BGB folgende Anspruch auf Herausgabe und Übereignung
des Nachlasses des Erstversterbenden ist auf den Tod des Letztversterbenden hinausgeschoben, entsteht nach § 2176 BGB also erst zu diesem Zeitpunkt. Dieser Anfall des Vermächtnisses erst mit dem Tod des belasteten Erben wird allgemein als zulässig angesehen.3 Die 30-jährige Wirksamkeitsfrist des § 2162 BGB kommt nach § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht zur Anwendung. Es kann bestimmt werden, dass das Vermächtnis erst nach Ablauf einer weiteren Frist nach dem Anfall fällig wird. 80 Der Bedachte hat zwischen dem Tod des erstversterbenden Ehegatten und
dem Anfall des Vermächtnisses bei Tod des Letztversterbenden eine Anwartschaft, die vererblich, veräußerlich und verpfändbar ist.4 Das Testament hat deshalb hier Regelungen zu treffen, regelmäßig wie bei der Vorund Nacherbfolge im Sinne eines Ausschlusses dieser Befugnisse. 81 Das Herausgabevermächtnis geht den Pflichtteilsansprüchen der eigenen
Erben des mit dem Vermächtnis belasteten Erben vor, da es nach ganz hM eine nach § 2311 BGB zu berücksichtigende Erblasserschuld ist und als Nachlassverbindlichkeit des Erben iSd. §§ 1967 Abs. 1, 1922 BGB auf den Tod des Erblassers – somit insbesondere nicht etwa als Verbindlichkeit des Erbeserben aufgrund Anordnung des Erben als Erblasser iSd. § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO – zugunsten des Vermächtnisnehmers vorab vom Nachlass des 1 2 3 4
Bühler, BWNotZ 1967, 174. Allgemeine Ansicht, vgl. Palandt/Weidlich, § 2087 BGB Rz. 1. V. Olshausen, DNotZ 1979, 716 mwN. OLG Oldenburg v. 27.2.1990 – 5 U 130/89, MDR 1990, 633 = FamRZ 1990, 912 = NJWRR 1990, 650 mwN.
464
D. Probleme der Trennungslçsung
Erben in Abzug gebracht wird.1 Nur aus dem Nachlass des Erben abzüglich des Vermächtnisgegenstandes berechnen sich die Pflichtteile der eigenen Erben des Erben.2 Im Beispielsfall braucht der Erblasser also nicht zu befürchten, dass der Schwiegersohn beim Tod der Tochter Pflichtteilsansprüche aus dem dem Vermächtnis unterliegenden Vermögen ableiten kann. Da die Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses von einer Min- 82 dermeinung in der Literatur in Frage gestellt wird, sollte jedoch bis zum Vorliegen diesbezüglicher höchstrichterlicher Rspr. unter Hinweis auf Restrisiken zwischen den Beeinträchtigungen des Nacherben aus der absolut pflichtteilsfesten Nacherbfolgeanordnung einerseits und den pflichtteilsrechtlichen Restrisiken des Herausgabevermächtnisses andererseits sorgfältig abgewogen werden. Die Anwartschaft des mit einem aufschiebend befristeten oder bedingten 83 Vermächtnis Bedachten ist schwach.3 Er genießt nur den Schutz des § 160 BGB, der im Fall des Formulierungsvorschlags weitgehend leer läuft, da der überlebende Ehegatte den Nachlass des Erstverstorbenen nicht nur nutzen, sondern auch verbrauchen kann, und das Herausgabevermächtnis nur für den Überrest angeordnet ist. Bei Verteilungshandlungen wider Treu und Glauben kommt § 162 BGB zur Anwendung. Im Übrigen gilt § 2288 BGB. Die Rechtsstellung des Bedachten nach dem Tod des Erstversterbenden ist, verglichen mit der Position des Nacherben, also sehr unsicher. Sie kann durch weitere Vermächtnisse verbessert werden.4 So kann bei einem Grundstück der künftige Übereignungsanspruch durch Vormerkung gesichert werden, soweit diese mitvermacht ist:5
1 MünchKomm.BGB/Lange, § 2311 BGB Rz. 15; Schlitt/Müller/Blum, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 3 Rz. 57; Schlitt/Müller/G. Müller, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 11 Rz. 249 u. 258; Burandt/Rojahn/G. Müller, § 2311 BGB Rz. 28; Reimann, MittBayNot 2002, 4, 7 f.; Beck’sches Formularbuch Erbrecht/Keim, C II 2 Nr. 7; Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Nieder, ZEV 1994, 158; G. Müller, ZEV 1996, 181; Wagner, ZEV 1997, 370; Busse, MittRhNotK 1998, 239; Kanzleiter, DNotZ 2001, 152; Hölscher, ZEV 2009, 215; Hölscher, ZEV 2011, 569 ff.; Rohlfing, Erbrecht in der anwaltlichen Praxis, Rz. 133 f.; kritisch J. Mayer, ZEV 2000, 1 (9): Restzweifel an der Abzugsfähigkeit des Herausgabevermächtnisses wegen Unsicherheit aufgrund Vorhandenseins bereits beim Tod des Beschwerten; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rz. 531 mit Vorschlag eines auflösend bedingten Herausgabevermächtnisses; Schwarz ZEV 2011, 292 (294 f.): mit Vorschlag eines auflösend bedingten erst beim Tod der beschwerten Erben fälligen Herausgabevermächtnisses mit Zweckauflage; dagegen wiederum Hölscher, ZEV 2011, 569 ff. 2 Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Reimann, MittBayNot 2002, 4 (7 f.); Rohlfing, Erbrecht in der anwaltlichen Praxis, 1999, Rz. 133 ff.; Watzek, MittRhNotK 1999, 37 (41 f.); aA Reimann/Bengel/J. Mayer, A Rz. 431. 3 Bühler, BWNotZ 1967, 174; Zawar, DNotZ 1986, 524; Zawar, Das Vermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 1983, S. 37 ff. 4 Dazu Zawar, Das Vermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 1983, S. 83 ff. 5 Zawar, Das Vermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 1983, S. 83 (95) mwN; BayObLG v. 22.12.1980 – BReg. 2 Z 62/80, Rpfleger 1981, 190.
465
5. Kap. Das Ehegattentestament
M 159
Vormerkung beim Herausgabevermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vermchtnisnehmer kann beim Tod des Erstversterbenden die Sicherung seines knftigen bereignungsanspruchs hinsichtlich des Grundstcks (Beschrieb) durch Vormerkung verlangen.
84 Besseren Schutz gewährt das Verfügungsunterlassungsvermächtnis.
M 160
Verfgungsunterlassungsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Erstversterbende von uns beschwert den berlebenden mit einem weiteren Vermchtnis zugunsten des obigen Vermchtnisnehmers, ber das Familienheim zu Lebzeiten nicht zu verfgen. Verstçßt der berlebende gegen dieses schuldrechtliche Verfgungsverbot, so hat er das Familienheim auf seine Kosten auf die Vermchtnisnehmer unentgeltlich unter Lebenden zu bertragen, die zur Zeit der Zuwiderhandlung gesetzliche Erben des Erstversterbenden wren, wenn er erst in diesem Zeitpunkt verstorben wre, und zwar zu den ihren gesetzlichen Erbteilen entsprechenden Bruchteilen. Vermchtnisnehmer, die auf Ableben des Erstversterbenden gegen dessen Willen den noch nicht verjhrten Pflichtteil verlangt und erhalten haben und ihre Nachkommen sind von diesem bedingten Vermchtnis ausgeschlossen. Soweit der Erstversterbende bei diesen Vermchtnissen ber Gegenstnde verfgt, die nicht oder nicht ganz zu seinem Nachlass gehçren, gelten die Anordnungen als Verschaffungsvermchtnisse. Zur Sicherung dieses bedingten bereignungsanspruchs hat der berlebende nach dem Tod des Erstversterbenden auf dem Grundstck zugunsten der Vermchtnisnehmer, die in diesem Zeitpunkt vorhanden sind, eine Vormerkung an bereitester Stelle im Grundbuch eintragen zu lassen.
85 Bei beweglichen Gegenständen verschafft die Verpflichtung zur aufschie-
bend bedingten Übereignung dem Vermächtnisbedachten den Schutz des § 161 BGB, wobei allerdings die Möglichkeit gutgläubigen Dritterwerbs nach § 161 Abs. 3 BGB verbleibt:
M 161
Aufschiebend bedingte bereignung beim Herausgabevermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Vermchtnisnehmer kann beim Tod des Erstversterbenden verlangen, dass ihm Aktien und Wertpapiere des Erstversterbenden, die sich in einem
466
E. Gemeinsames Versterben
Bankdepot befinden, unbeschadet des Nutzungsrechts des berlebenden von diesem aufschiebend bedingt auf seinen Tod bertragen werden.
Der Vollzug dieser Sicherungsvermächtnisse kann durch Testamentsvoll- 86 streckung oder Vollmacht auf den Todesfall sichergestellt werden. Eine Wiederverheiratungsklausel kann so aussehen, dass bei Wiederver- 87 heiratung das Herausgabevermächtnis sofort anfällt:
M 162
Wiederverheiratungsklausel beim Herausgabevermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Verheiratet sich der berlebende Ehegatte wieder, so fllt das vorstehende Vermchtnis den Bedachten mit dem Zeitpunkt der Wiederverheiratung an.
E. Gemeinsames Versterben Sowohl bei der Einheitslösung wie bei der Trennungslösung ist der Fall des 88 gemeinsamen Versterbens der Ehegatten zu regeln.1 Dabei bedeutet gemeinsames Versterben im Sinne der Testamentsgestaltung nicht nur den gleichzeitigen Tod, sondern auch das nicht gleichzeitige Versterben auf Grund derselben Ursache, etwa in dem Fall, dass bei einem Verkehrsunfall der eine Ehegatte an der Unfallstelle, der andere erst später im Krankenhaus verstirbt. Im Fall des gleichzeitigen Versterbens beerbt kein Ehegatte den anderen, die 89 gegenseitige Erbeinsetzung wird gegenstandslos,2 und jeder Ehegatte wird von seinen gesetzlichen oder gewillkürten Erben beerbt. Gleichzeitiges Versterben bedeutet dabei Versterben im gleichen Augenblick. Gleichzeitiges Versterben wird nach § 11 des Verschollenheitsgesetzes auch vermutet, wenn Versterben infolge gleicher Ursache erfolgt und die Todeszeitpunkte nicht mehr feststellbar sind. Die Rechtsprechung wendet eine Testamentsbestimmung über gleichzei- 90 tiges Versterben im Wege der Auslegung auch dann an, wenn die Eheleute infolge des gleichen äußeren Ereignisses, etwa eines Unfalls, tödlich verletzt werden und der zunächst Überlebende bis zu seinem Tod nicht mehr in der Lage ist, ein neues Testament zu errichten.3 1 Keim, ZEV 2005, 10; zu Erbschaftsteuerfragen Feick, ZEV 2006, 16 und Bestelmeyer, ZEV 2006, 146. 2 RG v. 11.11.1935 – IV 160/35, RGZ 149, 201. 3 Vgl. BayObLG v. 30.9.1996 – 1Z BR 104/96, FamRZ 1997, 389 = NJW-RR 1997, 327 (329) = BayObLG v. 30.9.1996 – 1Z BR 42/96, FamRZ 1997, 249 = ZEV 1996, 470 (472);
467
5. Kap. Das Ehegattentestament
91 Bei der lediglich gegenseitigen Erbeinsetzung bedarf dann, wenn jeder Ehe-
gatte bei gleichzeitigem Versterben oder Versterben kurz hintereinander aufgrund gleicher Ursache hinsichtlich seines Vermögens von seinen gesetzlichen Erben beerbt werden will, der Fall des gleichzeitigen Versterbens im gleichen Augenblick oder i.S.v. § 11 des Verschollenheitsgesetzes keiner Regelung. Bei der Einsetzung derselben Schlusserben unabhängig davon, welcher Ehegatte der Letztversterbende ist, genügt es, den Fall des gleichzeitigen Versterbens in die Bestimmung der Schlusserben mit aufzunehmen.
M 163
Schlusserbenbestimmung einschließlich gleichzeitigen Versterbens
(Form: Verfgung von Todes wegen) Schlusserben des Letztversterbenden von uns und Erben von uns beiden im Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des Versterbens nacheinander aus gleicher Ursache sollen unsere gemeinsamen Abkçmmlinge seien, unter sich nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge.
92 Anders ist es, wenn ein Ehegatte nachweislich den anderen überlebt, kei-
ne gemeinsamen Schlusserben eingesetzt sind und die gesetzlichen Erben des einen Ehegatten andere Personen als die gesetzlichen Erben des anderen Ehegatten sind. Soweit hier nicht eine einschränkende Auslegung der lediglich gegenseitigen Erbeinsetzung möglich ist, beerbt der überlebende Ehegatte den Erstversterbenden und wird der Überlebende dann von seinen gesetzlichen Erben beerbt, während die gesetzlichen Erben des Erstverstorbenen leer ausgehen. Diesem Fall kann man durch ein Herausgabevermächtnis zugunsten der gesetzlichen Erben des Erstversterbenden vorbeugen:
M 164
Herausgabevermchtnis bei gleichzeitigem Versterben
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fr den Fall des Versterbens von uns beiden kurz hintereinander aufgrund gleicher Ursache, etwa eines Unfalls, bestimmen wir, dass die gesetzlichen Erben des letztversterbenden Ehegatten den gesetzlichen Erben des erstverstorbenen Ehegatten den gesamten Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten als Vermchtnis herausgeben mssen.
BayObLG v. 18.12.2003 – 1Z 130/02, FamRZ 2004, 1235 = ZEV 2004, 200 mit Anm. Kasper; OLG Düsseldorf v. 20.1.2004 – 3 Wx 367/03, FamRZ 2004, 1753 = ZErb 2004, 227.
468
E. Gemeinsames Versterben
Wollen es die Eheleute für den Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des 93 Versterbens hintereinander nicht bei der gesetzlichen Erbfolge belassen, sondern nur für diesen Fall jeweils personenverschiedene Erben bestimmen, so kann man anordnen:
M 165
Herausgabevermchtnis fr den Erben des Erstverstorbenen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fr den Fall des gleichzeitigen Versterbens ordnen wir an, dass der Ehemann von seinem Neffen . . . , die Ehefrau von ihrer Nichte . . . beerbt wird. Versterben wir nicht gleichzeitig, sondern hintereinander aus gleichem Anlass, etwa infolge Unfalls, so wird der Erstversterbende vom berlebenden, der berlebende von seinem vorbezeichneten Erben beerbt, wobei der Erbe des berlebenden dem vorbezeichneten Erben des Erstverstorbenen den gesamten Nachlass des Erstverstorbenen als Vermchtnis herauszugeben hat.
Man kann bei personenverschiedenen Erben sowohl für den Fall des gleich- 94 zeitigen Versterbens wie für den Fall des Versterbens hintereinander aus gleicher Ursache bestimmen, dass jeder Ehegatte von seinen Erben direkt beerbt wird, was jedem Erbenstamm die einschlägige Erbschaftsteuerklasse nach seinem Erblasser sichert. Dies setzt aber angesichts der Vererblichkeit des Pflichtteilsanspruchs voraus, dass der zunächst überlebende Ehegatte auf seinen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verzichtet, was nach §§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf. Diese Gestaltung ist also nur beim notariell beurkundeten Erbvertragmöglich. Sie verhindert, dass die Erben des Zweitversterbenden den von diesem ererbten Pflichtteilsanspruch auf den Tod des Erstversterbenden geltend machen und so mehr erhalten als die Erben des Erstversterbenden.
M 166
Gleichzeitigkeitsklausel mit Pflichtteilsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Im Falle des gleichzeitigen Versterbens wird die Ehefrau von . . . , der Ehemann von . . . beerbt. Dies gilt auch fr den Fall des Versterbens von uns beiden hintereinander aus gleicher Ursache. Der zunchst berlebende Ehegatte wird auch dann nicht Erbe des Erstverstorbenen. Jeder von uns verzichtet in vertraglicher bereinstimmung mit dem anderen auf Pflichtteilsrechte des berlebenden Ehegatten.
Beim privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament kann man die 95 Problematik ererbter Pflichtteilsansprüche durch ein Vermächtnis zugunsten der Erben des erstversterbenden Ehegatten in Höhe der durchgesetzten Pflichtteilsansprüche der Erben des Zweitversterbenden lösen. 469
5. Kap. Das Ehegattentestament
M 167
Gleichzeitigkeitsklausel mit Vermchtnis in Pflichtteilshçhe
(Form: Verfgung von Todes wegen) Machen die Erben des zweitversterbenden Ehegatten dessen Pflichtteilsansprche auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten geltend und setzen sie gegen dessen Nachlass durch, so erhaltenen die Erben des erstversterbenden Ehegatten einen Vermchtnisanspruch in Geld gegen die Erben des zweitversterbenden Ehegatten in Hçhe der durchgesetzten Pflichtteilsansprche.
F. Der Änderungsvorbehalt I. Änderungsvorbehalt beim Erbvertrag 96 Im Gesetz nicht vorgesehen, aber nach der Rechtsprechung1 und der ganz
überwiegenden Literatur2 zulässig ist es, erbvertragliche letztwillige Verfügungen mit einem Änderungsvorbehalt zu versehen. Hierdurch wird den Vertragschließenden oder einem von ihnen die Möglichkeit gegeben, die betreffenden erbvertraglich bindenden letztwilligen Verfügungen einseitig abzuändern. Der praktisch wichtigste Anwendungsfall ist der Erbvertrag von Ehegatten, in dem die Ehegatten sich zunächst zu Alleinerben einsetzen und auf den Tod des Letztversterbenden Schlusserben bestimmen. Dabei wird der überlebende Ehegatte ermächtigt, nach dem ersten Erbfall die letztwilligen Verfügungen auf seinen Tod testamentarisch im Umfang der Ermächtigung zu ändern. Diese Befugnis dient der Anpassung an veränderte Umstände. Beispiele sind Vorbehalte zur Änderung der Erbteile der als Schlusserben eingesetzten Abkömmlinge, zur Enterbung eines Abkömmlings, der gegen den Willen des überlebenden Ehegatten den Pflichtteil geltend macht, zur Anordnung von Vermächtnissen für Schlusserben oder Dritte, zur Anordnung von Testamentsvollstreckung oder zur Abspaltung des nach dem Erbfall erworbenen Vermögens im Wege des Vermächtnisses für andere Personen als die Schlusserben. 1 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (208) = MDR 1958, 223 = NJW 1958, 498; BGH v. 18.12.1969 – III ZR 51/67, DNotZ 1970, 356; BGH v. 29.10.1986 – IVb ZR 88/85, MDR 1987, 301 = FamRZ 1987, 151 = NJW 1987, 441; BGH v., = BGH v. 11.6.1986 – IVa ZR 248/84, WM 1986, 1221 = MittBayNot 1986, 265; BayObLG v. 18.1.1989 – BReg.1a Z 28/88, FamRZ 1989, 666 = DNotZ 1990, 54; BayObLG v. 19.11.1991 – BReg. 1Z 35/91, FamRZ 1992, 724 = Rpfleger 1992, 200 = BeckRS 1991, 30897602; BayObLG v. 9.11.1995 – 1Z BR 31/95, FamRZ 1996, 898 = DNotZ 1996, 316; BayObLG v. 4.11.1997 – 1Z BR 169/97, FamRZ 1998, 644 = NJWE-FER 1998, 59; OLG Koblenz v. 4.3.1997 – 3 W 86/97, FamRZ 1997, 1247 = DNotZ 1998, 218; OLG Stuttgart v. 29.7.1985 – 8 W 564/84, MDR 1985, 1030 = FamRZ 1986, 108 = DNotZ 1986, 551; OLG Köln v. 10.9.1993 – 2 Wx 34/93, MDR 1994, 71 = NJW-RR 1994, 651. 2 Nachweise bei AnwaltKomm/Kornexl, § 2278 BGB Rz. 18 ff.; ausführliche Darstellungen auch bei J. Mayer, DNotZ 1990, 755 und in Reimann/Bengel/J. Mayer, Testament, § 2378 BGB Rz. 10 ff.; weiter Keim, ZEV 2005, 365.
470
F. Der nderungsvorbehalt
II. Abgrenzung zum Rücktrittsvorbehalt Der Änderungsvorbehalt ist ein bewährtes Instrument der Testaments- 97 gestaltung. Seine Zulässigkeit ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit1 und daraus, dass es den Vertragsteilen freisteht zu entscheiden, ob sie eine letztwillige Verfügung als einseitig und frei widerruflich oder als erbvertraglich bindend vereinbaren. Der Änderungsvorbehalt ist von dem in §§ 2293 ff. BGB gesetzlich geregel- 98 ten Rücktrittsvorbehalt zu unterscheiden. Durch den nach § 2293 BGB im Vertrag vorbehaltenen Rücktritt werden der gesamte Erbvertrag oder einzelne vertragliche Bestimmungen einseitig, also ohne Zustimmung des Vertragspartners, außer Kraft gesetzt. Zu Lebzeiten des Vertragspartners erfolgt der Rücktritt nach § 2296 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden, die der notariellen Beurkundung und des Zugangs der Ausfertigung der notariellen Urkunde bedarf. Nach dem Tod des Vertragspartners erfolgt der Rücktritt nach § 2297 BGB durch Testament. Im Unterschied zum Rücktrittsvorbehalt wird beim Änderungsvorbehalt 99 nicht lediglich eine vertragliche Verfügung außer Kraft gesetzt, sondern durch eine neue, jetzt einseitig bestimmte Verfügung ersetzt. Der Rücktrittsvorbehalt wirkt destruktiv, der Änderungsvorbehalt konstruktiv. Insofern hat der Änderungsvorbehalt eine andere Qualität als der Rücktrittsvorbehalt und ist neben diesem als besonderes kautelarjuristisches Instrument unverzichtbar.2
III. Zulässigkeit Es besteht Einigkeit darüber, dass der Änderungsvorbehalt den Vertrags- 100 charakter der letztwilligen Verfügungen der Vertragschließenden nicht völlig beseitigen darf. Ein Totalvorbehalt, der alle erbvertraglich bindenden letztwilligen Verfügungen zur Disposition stellt, ist unzulässig.3 Trotz Ausübung des Änderungsvorbehalts muss eine – wenn auch gegenüber dem ursprünglichen Bindungsumfang verminderte – erbvertragliche Bindung fortbestehen. Hierdurch unterscheidet sich der Änderungsvorbehalt vom Rücktrittsvorbehalt, dessen Ausübung im Regelfall den gesamten Erbvertrag außer Kraft setzt. Hinsichtlich des Mindestumfangs der fortbestehenden Bindung beim Änderungsvorbehalt werden von der Rechtsprechung, einer im Vordringen begriffenen Literaturmeinung und einer Mindermeinung unterschiedliche Ansätze vertreten.
1 Motive, Mugdan V, S. 175; BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (208) = MDR 1958, 223 = NJW 1958, 498. 2 Die Einzelmeinung von Lehmann, BWNotZ 1999, 1 und NotBZ 2000, 85, nach der der Änderungsvorbehalt neben dem Rücktrittsvorbehalt keine eigene Funktion hat, ist deshalb nach allgemeiner Ansicht unzutreffend. 3 AnwaltKomm/Kornexl, § 2278 BGB Rz. 27.
471
5. Kap. Das Ehegattentestament
IV. BGH: Gesamtbetrachtung aller Vertragsklauseln 101
Die Rechtsprechung des BGH1 nimmt eine Gesamtbetrachtung des Erbvertrags vor. Danach darf sich der Änderungsvorbehalt nicht auf den gesamten Erbvertrag beziehen. Vielmehr muss im Erbvertrag wenigstens eine für den Erblasser bindende vertragsmäßige Verfügung iSv. § 2278 Abs. 2 BGB enthalten sein.2 Andernfalls würde der Erbvertrag seines eigentlichen Wesens entkleidet. Beim Ehegattenerbvertrag genügt es, wenn die gegenseitige Erbeneinsetzung der Ehegatten bindend ist. Die Vereinbarung über die Erbfolge nach dem letztversterbenden Ehegatten kann dann unter Änderungsvorbehalt gestellt werden.3 Dieser Änderungsvorbehalt kann insoweit umfassend sein, etwa wenn der überlebende Ehegatte ermächtigt wird, statt der gemeinsam eingesetzten Schlusserben völlig andere Schlusserben zu bestimmen. Das Verbot des Totalvorbehalts steht dem nicht entgegen, da die gegenseitige Erbeinsetzung vorbehaltlos bindend vereinbart ist. Ebenso wird § 2065 Abs. 2 BGB nicht berührt, da der überlebende Ehegatte seine eigene letztwillige Verfügung auf seinen Tod ändert. Vertragsmäßige Verfügungen können nach § 2278 Abs. 2 BGB lediglich Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen sein. Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung zur Angleichung an die EuErbVO erfreulicherweise u.a. eine Ergänzung des jeweiligen Wortlauts der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag vertragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit4 entschieden ist5 (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 96). Fällt ein zum Schlusserben eingesetzter Abkömmling weg, findet auf diesbezügliche Ersatzerben die zu einer Vertragsmäßigkeit führende Auslegungsregel analog § 2270 Abs. 2 BGB6 nur dann Anwendung, wenn deren Ersatzerbeneinsetzung nicht ausschließlich auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht und damit nicht zwei Auslegungsregeln kumuliert werden.7 Daher ist § 2069 BGB hinsichtlich der 1 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (208) = MDR 1958, 223 = NJW 1958, 498. 2 Ebenso die Erbrechtslehrbücher von Leipold, Rz. 375, Ebenroth, Rz. 258, Brox, Rz. 160 sowie die Kommentierungen Soergel/M. Wolf, § 2278 BGB Rz. 7 und Staudinger/Kanzleiter, § 2278 BGB Rz. 12. 3 BGH v. 11.6.1986 – IVa ZR 248/84, WM 1986, 1221 = MittBayNot 1986, 265. 4 S. dazu u.a. bejahend Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91). 5 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79. 6 BGH v. 18.12.1969 – III ZR 51/67, DNotZ 1970, 356; OLG Zweibrücken v. 5.12.1994 – 3 W 167/94, FamRZ 1995, 1021; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124 (125); Staudinger/Kanzleiter, § 2278 BGB Rz. 10. 7 OLG München v. 28.9.2011 – 31 Wx 216/11, MDR 2011, 1361 = NJW-RR 2012, 9 = RNotZ 2012, 61; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124 (125); Keim, ZEV 2004, 245 (256); a.A. OLG Celle v. 5.11.2012 – 6 W 197/12, FamRZ 2013, 1164 = MittBayNot 2013, 315.
472
F. Der nderungsvorbehalt
Ersatzerbenberufung sehr wohl anwendbar, wenn die Wechselbezüglichkeit individuell ausgelegt und nicht analog § 2270 Abs. 2 BGB abgeleitet wird.1
V. Literatur: Spezifizierung des Änderungsvorbehalts Nach einer im Vordringen begriffenen Literaturmeinung2 ist der Ände- 102 rungsvorbehalt immer dann zulässig, wenn seine Ausübung nur unter bestimmten, genau festgelegten Voraussetzungen möglich ist. Dieser Ansatz erlaubt im Gegensatz zum Standpunkt der Rechtsprechung auch, dass sich der Änderungsvorbehalt auf alle im Erbvertrag enthaltenen Verfügungen bezieht, wenn er nur spezifiziert genug ist. Die erbvertragliche Vorgabe der Voraussetzungen der Änderungsbefugnis enthält ein Element vertraglicher Bindung, das die Ausübung der Änderungsbefugnis steuert und zur Erhaltung des Erbvertragscharakters ausreichend ist.3
VI. Mindermeinung: Einzelbetrachtung nach dem Kriterium des erbvertraglichen Restes Eine Mindermeinung4 betrachtet im Gegensatz zur Auffassung des BGH 103 jede einzelne erbvertraglich bindende Verfügung gesondert. Nach ihr ist ein Vorbehalt nur dann zulässig, wenn der vom Änderungsvorbehalt nicht erfasste und damit bindende „erbvertragliche Rest“ der einzelnen Regelung zum Inhalt einer eigenen vertragsmäßigen Verfügung iSv. § 2278 Abs. 2 BGB gemacht werden könnte. Nur wenn die Frage: „Wäre es zulässig, durch vertragsmäßige Verfügung von vornherein das anzuordnen, was sich nach Ausübung des Änderungsvorbehalts ergibt?“ zu bejahen sei, handele es sich um einen zulässigen Vorbehalt.5 Die Bindung ist nach dieser Ansicht ein Kriterium, welches von den Schutzinteressen des Bedachten her zu betrachten sei. Aus diesem Ansatz folgt, dass die Ausübung eines Änderungsvorbehalts einer späteren Verfügung iSv. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB gleichzustellen ist mit der Folge, dass sie unwirksam ist, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt. Die berechtigte Kritik an dieser Mindermeinung6 betont vor allem, dass 104 die Zulässigkeit des Änderungsvorbehalts nicht vom Standpunkt des ver1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124; Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2270 BGB Rz. 36. 2 Bengel, DNotZ 1989, 156; Basty, MittBayNot 2000, 73 (77); Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2278 BGB Rz. 26; Herrlitz, MittRhNotK 1996, 153 (157); Weiler, DNotZ 1994, 427 (436); Palandt/Weidlich, § 2289 BGB Rz. 3; BeckOK BGB/Litzenburger, § 2278 BGB Rz. 7; Keim, ZEV 2005, 365; AnwaltKomm/Kornexl, § 2278 BGB Rz. 37. 3 AnwaltKomm/Kornexl, § 2278 BGB Rz. 37. 4 MünchKomm.BGB/Musielak, § 2278 BGB Rz. 18 ff.; Nolting, Der Änderungsvorbehalt beim Erbvertrag, 1994, S. 185 ff. u. 195 ff. 5 MünchKomm.BGB/Musielak, § 2278 BGB Rz. 20. 6 Insbesondere AnwaltKomm/Kornexl, § 2278 BGB Rz. 333 ff.; Keim, ZEV 2005, 365 (368).
473
5. Kap. Das Ehegattentestament
tragsmäßig Bedachten, sondern vom Standpunkt der Testierfreiheit der Erblasser her beurteilt werden müsse. Dies wird besonders deutlich beim Ehegattenerbvertrag mit Schlusserbeneinsetzung, bei dem die Schlusserben nicht Vertragschließende, sondern lediglich Vertragsbegünstigte sind. Ein vertraglicher Vertrauensschutz kann hier vor dem Schlusserbfall nur zwischen den Vertragschließenden bestehen. Diese, also die erbvertraglich letztwillig verfügenden Ehegatten, sind nicht nur mit dem Änderungsvorbehalt einverstanden, sondern setzen ihn bewusst als Gestaltungsmittel ein. Die insbesondere von Musielak vertretene Mindermeinung ist nicht nur dogmatisch willkürlich, sondern vor allem auch praxisfern. Dies gilt auch für den grundsätzlichen Ansatz, nicht von der Gesamtbetrachtung des Erbvertrags auszugehen, sondern lediglich die Einzelverfügungen zu betrachten und separat auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
VII. Praxisgrundsätze 105
Als Ergebnis lässt sich feststellen, dass die Kautelarpraxis mit der Rechtsprechung des BGH gut zurechtkommt. Danach gewährleistet beim Erbvertrag der Ehegatten die gegenseitige Erbeinsetzung auf der ersten Stufe, also auf den Tod des Erstversterbenden, die Wirksamkeit der Gestaltung, während die Erbeinsetzungen auf der zweiten Stufe, also auf den Tod des Zweitversterbenden, vorbehaltsfähig sind.
106
Der durch den Änderungsvorbehalt vorgegebene Rahmen für die Änderungsbefugnis ist Ausdruck eines erbvertraglichen Bindungswillens und genügt zur grundsätzlichen Qualifizierung der unter Änderungsvorbehalt stehenden Regelung als vertragsmäßig. So weit man den praktisch seltenen Fall der Ermächtigung zur Bestimmung völlig anderer Schlusserben nach Belieben des Überlebenden ausnehmen will, weil ihr kein spezifizierter Rahmen vorgegeben wird, wird dies dem nicht gerecht, dass im Unterschied zum Rücktrittsvorbehalt nicht lediglich eine Aufhebungsbefugnis erteilt wird, sondern eine Ersetzungsbefugnis. Selbst wenn man aber eine derartige Verfügung nicht mehr als vertragsmäßig, sondern als einseitig ansehen wollte, bleibt sie als Rücktrittsvorbehalt wirksam.
107
Hinsichtlich der Ausübung des Änderungsvorbehalts nach dem Tod des Erstversterbenden bestehen keine Unterschiede, da bei beiden Alternativen die Testamentsform genügt. Bei Ausübung noch zu Lebzeiten beider Ehegatten unterscheiden sich der Rücktrittsvorbehalt und der Änderungsvorbehalt allerdings dadurch, dass für den Rücktrittsvorbehalt die besondere Form des §§ 2296 Abs. 2 Satz 2 BGB gilt. Allerdings wird die grundsätzlich zulässige einseitige Änderungsbefugnis zu Lebzeiten beider Ehegatten selten gewünscht werden. Von praktischer Bedeutung ist sie allenfalls dann, wenn ein Ehegatte testierunfähig wird. Dieser Fall kann aber wohl praktisch vernachlässigt werden, der Änderungsvorbehalt sollte grundsätzlich erst ab dem Tod des erstversterbenden Ehegatten angeordnet werden.
474
F. Der nderungsvorbehalt
Außerdem wäre es ein praktisch gangbarer Ausweg, das Ehegattentesta- 108 ment bei Zweifeln über die Zulässigkeit eines Änderungsvorbehalts in der Form eines gemeinschaftlichen Testaments notariell beurkunden oder handschriftlich aufsetzen zu lassen. Damit entfallen dann alle Probleme und Scheinprobleme des Verhältnisses von erbvertraglicher Bindung und Änderungsvorbehalt.
VIII. Fallgruppen und Typen des Änderungsvorbehalts Der praktische Schwerpunkt von Änderungsvorbehalten liegt auf der 109 Schlusserbeneinsetzung beim Berliner Testament. Häufige Regelungstypen sind hier – die Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zur vermächtnisweisen Verfügung über das Vermögen, das er nach dem Tod des Erstversterbenden erwirbt, – die Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zur Umverteilung zwischen den Abkömmlingen als Schlusserben, sei es durch Änderung der Erbteile oder durch Anordnung von Vorausvermächtnissen, – die Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zur Anordnung von Testamentsvollstreckung, – die Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zur Enterbung des Schlusserben, der gegen seinen Willen den Pflichtteil geltend macht, – und die Ermächtigung des überlebenden Ehegatten zur Belastung der Schlusserben mit einem Wohnung- oder Nießbrauchsvermächtnis zugunsten eines neuen Ehegatten oder Partners. Die Problematik bei der Freistellung des überlebenden Ehegatten hin- 110 sichtlich des Vermögens, das er nach dem Tod des Erstversterbenden durch Erwerbstätigkeit oder Zuwendung von dritter Seite erwirbt, ist die beweiskräftige Feststellung des beim Tod des Erstversterbenden vorhandenen Vermögens. Die hierzu geeignete notarielle Vermögensverzeichnung verursacht Umstände und Kosten, die oft von der Anordnung oder der Ausübung dieser Regelung abgehalten werden. Die Befugnis zur Umverteilung des Vermögens zwischen den Schlusserben 111 wird häufig praktisch und gewünscht sein. Bei der Patchwork-Familie liegt die Problematik aber darin, dass außer den einseitigen Abkömmlingen des überlebenden Ehegatten und den mit dem Erstversterbenden gemeinsamen Abkömmlingen noch die einseitigen Abkömmlingen des Erstversterbenden vorhanden sind, die nicht in die Gefahr einer Benachteiligung gebracht werden dürfen. Will man hier komplizierte Konstruktionen vermeiden, sollte man von dieser Ermächtigung insgesamt absehen. Der Änderungsvorbehalt des Inhalts, dass die Abkömmlingen, die gegen 112 den Willen des überlebenden auf den Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil geltend machen, aus dem Kreis der Schlusserben eliminiert werden können und damit nicht von selbst ausscheiden, ist eine Alternati475
5. Kap. Das Ehegattentestament
ve zur automatischen wirkenden Pflichtteilsstrafklausel. Nicht selten ist es die bessere Alternative, gerade weil sie die automatische Enterbung vermeidet und dem überlebenden Elternteil eine Entscheidungsmöglichkeit gibt. Ein weiterer, soweit ersichtlich bisher nur selten erörterter diesbezüglicher Vorteil besteht darin, dass beim notariell beurkundeten Ehegattentestament Probleme mit dessen Eignung als Erbennachweis (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 66) bzw. bei der Erbscheinerteilung (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 46) vermieden werden. Enthält das notariell als Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament beurkundete Ehegattentestament eine automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel, so lehnen die Grundbuchämter teilweise die Anerkennung der mit Eröffnungsprotokoll versehenen nachlassgerichtlichen Ausfertigung als Erbennachweis ab, weil sich aus der Urkunde nicht ergibt, ob die Klausel tatsächlich ausgelöst wurde oder nicht.1 Da der entsprechende Änderungsvorbehalt zu seiner Wirksamkeit eines Testaments des überlebenden Ehegatten bedarf und dieses dem Nachlassgericht vorzulegen ist, dokumentiert sich der Wegfall des betreffenden Schlusserben zweifelsfrei dadurch, dass das Nachlassgericht das Änderungstestament der Ausfertigung der notariellen Urkunde ansiegeln oder einen entsprechenden Vermerk vornehmen muss.
M 168
nderungsvorbehalt beim Erbvertrag
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die vorstehenden Verfgungen nach Ziff. . . . sind, soweit gesetzlich zulssig, erbvertraglich bindend.2 Sie sollen auch dann bestehen bleiben, wenn der berlebende Ehegatte noch einmal heiratet oder sonst Pflichtteilsberechtigte hinzukommen. Der berlebende Ehegatte verzichtet deshalb hiermit auf sein Anfechtungsrecht wegen bergehung eines Pflichtteilsberechtigten. Die Schlusserbeneinsetzung der Abkçmmlinge steht jedoch unter nderungsvorbehalt. Der berlebende Ehegatte ist berechtigt, nach dem Tod des Erstversterbenden testamentarisch auf seinen Tod als Letztversterbender die folgenden nderungen anzuordnen: – Der berlebende kann Vermçgensgegenstnde, die er nach dem Tod des Erstversterbenden erwirbt und die nicht Surrogate oder Ertrge des beim Tod des Erstversterbenden vorhandenen Vermçgens sind, durch Vermchtnis anderen Personen als den Schlusserben zuwenden. Diese nderungsbefugnis steht unter der Bedingung, dass der berlebende innerhalb eines Jahres nach dem Tod des Erstversterbenden ein notarielles Verzeichnis des 1 OLG München v. 11.12.2012 – 34 Wx 433/12, RNotZ 2013, 172 (174); OLG München v. 31.5.2012 – 34 Wx 15/12, FGPrax 2012, 203 (204), wobei nach OLG Hamm v. 8.2.2011 – 15 W 27/11, MittBayNot 2012, 146 (147 f.) ergänzend Vorlage jeweils einer eidesstattlichen Versicherung aller auflösend bedingten Schlusserben ausreicht, a.A. Demharter, § 35 GBO Rz. 39: Erbschein erforderlich, während ggf. sogar ein Erlassvertrag erforderlich sein kann, vgl. Selbherr, MittBayNot 2007, 224. 2 Beim gemeinschaftlichen Testament: Die vorstehenden Verfügungen sind, soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich.
476
F. Der nderungsvorbehalt
beiderseitigen Vermçgens auf den Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden errichten lsst. – Der berlebende kann die Erbteile der Schlusserben bis zur Grenze des jeweiligen Pflichtteils verschieben. Er kann den Schlusserben oder Einzelnen von ihnen Vorausvermchtnisse zuwenden. Er kann Testamentsvollstreckung anordnen. – Der berlebende kann die Schlusserben, die auf den Tod des Erstversterbenden Pflichtteilsansprche oder Pflichtteilsergnzungsansprche in Verzug begrndender Weise geltend machen, enterben. – Der berlebende kann einem neuen Ehegatten oder Lebenspartner als Vermchtnis ein auf 10 Jahre nach seinem Tod befristetes Nutzungsrecht (Nießbrauch oder Wohnungsrecht) an dem beim Tod des Erstversterbenden vorhandenen Eigenheim oder einem Ersatzobjekt zuwenden.
IX. Der Änderungsvorbehalt beim gemeinschaftlichen Testament 1. Wechselbezüglichkeit a) Grundsatz Beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament nach §§ 2265 ff. BGB ver- 113 wirklicht sich die Bindungswirkung durch die Wechselbezüglichkeit des § 2270 BGB. Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind die Verfügungen wechselbezüglich, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des Einen nicht ohne die Verfügung des Anderen getroffen sein würde. Die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung hat dann die Unwirksamkeit der Verfügung des anderen zur Folge. b) Gegenstand Wechselbezüglich können sein Erbeinsetzungen, Vermächtnisse oder Auf- 114 lagen. Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung zur Angleichung an die EuErbVO erfreulicherweise u.a. eine Ergänzung des jeweiligen Wortlauts der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag vertragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit1 entschieden ist2 (s. dazu nachfolgend 9. Kap. Rz. 96).
1 S. dazu u.a. bejahend Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91). 2 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79.
477
5. Kap. Das Ehegattentestament
c) Auslegung aa) Grundprinzip 115
Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen nur dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die jeweils andere Verfügung getroffen worden ist und nach dem übereinstimmenden Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll.1 Fehlt eine ausdrückliche klare und eindeutige Aussage zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 2084 BGB und für jede Verfügung gesondert geprüft bzw. ermittelt werden.2 bb) Typische Konstellationen
116
Zu prüfen ist eine etwaige Wechselbezüglichkeit insbesondere zwischen der Alleinerbeneinsetzung des Längstlebenden durch den Erstversterbenden und der Schlusserbeneinsetzung durch den Längstlebenden sowie zwischen der tatsächlich ins Leere laufenden Schlusserbeneinsetzung durch den letztlich Erstversterbenden und der tatsächlich maßgebenden Schlusserbeneinsetzung durch den letztlich Längstlebenden. Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, kann die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB in Betracht kommen und möglicherweise Anwendung finden.3 Soweit § 2070 Abs. 2 BGB danach zur Anwendung kommen sollte, gelten insbesondere gegenseitige Erbeinsetzungen sowie die Einsetzung von Verwandten des Erstversterbenden oder sonstigen mit diesem in einer engen persönlichen Beziehung bzw. inneren Verbindung nahe stehenden Personen zu Schlusserben auf den Tod des Längstlebenden im Zweifel als wechselbezüglich bindend vereinbart. cc) Keine Kumulation zweier Auslegungsregeln
117
Fällt jedoch ein zum Schlusserben eingesetzter Abkömmling weg, findet auf diesbezügliche Ersatzerben die zu einer Wechselbezüglichkeit führende Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nur dann Anwendung, wenn deren Ersatzerbeneinsetzung nicht ausschließlich auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht und damit nicht zwei Auslegungsregeln kumuliert 1 OLG München v. 16.4.2007 – 31 Wx 108/06, FamRZ 2007, 2111 = NJW-RR 2008, 387 = MittBayNot 2008, 229 (230). 2 BGH v. 16.6.1987 – IVa ZR 74/86, NJW-RR 1987, 1410 = DNotZ 1988, 178; OLG München v. 16.4.2007 – 31 Wx 108/06, FamRZ 2007, 2111 = NJW-RR 2008, 387 = MittBayNot 2008, 229 (230). 3 OLG München v. 16.4.2007 – 31 Wx 108/06, FamRZ 2007, 2111 = NJW-RR 2008, 387 = MittBayNot 2008, 229 (230).
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F. Der nderungsvorbehalt
werden.1 Daher ist § 2069 BGB hinsichtlich der Ersatzerbenberufung sehr wohl anwendbar, wenn die Wechselbezüglichkeit individuell ausgelegt und nicht aus § 2270 Abs. 2 BGB abgeleitet wird.2 Die vorstehenden Grundsätze geltend aufgrund analoger Anwendung des § 2270 Abs. 2 BGB im Erbvertragsrecht3 entsprechend für die Feststellung vertragsmäßiger Verfügungen bei erbvertraglicher Ersatzerbeneinsetzung.4 dd) Kirche als Schlusserbe Wird bspw. „die Kirche“ als Schlusserbe eingesetzt und kann dies noch im 118 Rahmen des Höchstpersönlichkeitsprinzips nach § 2065 Abs. 2 BGB hinreichend zuverlässig mittels Auslegung konkretisiert werden, dürfte nur in Ausnahmefällen bspw. bei einem besonderen nahezu lebenswerkähnlichen diesbezüglichen Engagement5 bzw. bei Ehegatten mit unterschiedlicher Konfession und jeweils ausschließlich auf die eigene Konfession ausgerichteter anteiliger Zuwendungsabsicht im Schlusserbfall6 als wechselbezüglich bindend angesehen werden können. Aufgrund der Ungewissheit des Ergebnisses des vorgeschalteten Aus- 119 legungsverfahrens sollte daher im gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich klargestellt werden, welche letztwilligen Verfügungen der Wechselbezüglichkeit unterliegen und daher bindend sind. 2. Zulassung des Widerrufs Die einseitige Beseitigung wechselbezüglicher Verfügungen erfolgt nach 120 § 2271 BGB durch Widerruf. Dieser Widerruf richtet sich bei Lebzeiten der Ehegatten nach der für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB. Nach § 2271 Abs. 2 BGB erlischt das Recht zum Widerruf grundsätzlich mit dem Tod des anderen Ehegatten. Die Ehegatten können aber die Widerrufbarkeit wechselbezüglicher Verfügungen über den Tod des erstversterbenden Ehegatten hinaus mit der Maßgabe zulassen, dass der Widerruf durch einseitiges Testament des überlebenden 1 BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, MDR 2002, 456 = DNotZ 2002, 661; OLG München v. 20.4.2010 – 31 Wx 083/09, FamRZ 2010, 1846 = ZErb 2010, 300; BayObLG v. 28.9.2001 – 1Z BR 6/01, FGPrax 2001, 248 = MittBayNot 2002, 119; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124; Keim, ZEV 2002, 437 (439); Schmucker, DNotZ 2002, 665; OLG Hamm v. 15.7.2003 – 15 W 178/03, FamRZ 2004, 662 = ZEV 2004, 68. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124; Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2270 BGB Rz. 36. 3 BGH v. 18.12.1969 – III ZR 51/67, DNotZ 1970, 356; OLG Zweibrücken v. 5.12.1994 – 3 W 167/94, FamRZ 1995, 1021; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124 (125); Staudinger/Kanzleiter, § 2278 BGB Rz. 10. 4 OLG München v. 28.9.2011 – 31 Wx 216/11, MDR 2011, 1361 = NJW-RR 2012, 9 = RNotZ 2012, 61; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 124 (125); Keim, ZEV 2004, 245 (256); a.A. OLG Celle v. 5.11.2012 – 6 W 197/12, FamRZ 2013, 1164 = MittBayNot 2013, 315. 5 OLG München v. 1.10.1999 – 23 W 1996/99, ZEV 2000, 104 = BWNotZ 2002, 15 zu einer Stiftung; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 164 (165). 6 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 164 (165); Frisch, BWNotZ 2000, 63.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
Ehegatten erfolgt.1 Diese vereinbarte Widerruflichkeit ist die dogmatische Grundlage des Änderungsvorbehalts beim gemeinschaftlichen Testament.2 Die Probleme, die sich beim Erbvertrag aus dessen Vertragscharakter ergeben, bestehen hier nicht. Der Änderungsvorbehalt durch Vereinbarung der Widerruflichkeit wechselbezüglicher Verfügungen nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten unterliegt insofern keinen inhaltlichen Beschränkungen. Die Ausübung erfolgt wie beim Erbvertrag durch Testament. Die Fallgruppen und Typen des Änderungsvorbehalts beim Berliner Testament entsprechen denen beim Erbvertrag. Fehlt ein Änderungsvorbehalt, sind nicht nur Eingriffe in die Erbeinsetzung selbst, sondern auch anderweitige Beschwerungen unzulässig, beispielsweise die nachträgliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung – während umgekehrt die Beibehaltung einer angeordneten Testamentsvollstreckung wegen der abschließenden Regelung nach § 2270 Abs. 3 BGB bzw. § 2278 Abs. 2 BGB nicht bindend vereinbart werden kann –, soweit keine anderen Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der gemeinsame Wille der Erblasser derartige Abänderungen getragen hat3 und kein Sonderfall nach §§ 2271 Abs. 2 Satz 2, 2294, 2336 BGB vorliegt. Der Abänderungsvorbehalt kann personenbezogen, gegenstandsbezogen oder maßnahmenbezogen verschiedenartig gestaltet werden und sollte hinreichend konkretisiert werden, da insbesondere die Formulierung, der überlebende Partner solle „über den beiderseitigen Nachlass frei verfügen können“, mangels anderweitiger Anhaltspunkte nur als lebzeitige Verfügungsfreiheit auszulegen ist.4 3. Widerrufsfreiheit durch Ausschlagung 121
Schlägt der längstlebende Ehegatte das ihm Zugewendete nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten aus, erlangt er seine Widerrufsfreiheit gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB zurück,5 wobei dann eine dortige gemeinsam von beiden Partnern für jeden von ihnen angeordnete wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung derselben Person regelmäßig nicht als Ersatzerbenbestimmung ausgelegt werden kann,6 stattdessen gesetzliche Erbfolge nach dem Erstversterbenden eintritt und daher möglichst ausdrückliche einzelfallbezogene Ersatzerbfolgeregelungen zu erwägen sind.7 1 Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 23. 2 Vgl. hierzu und zu Inhalt und Modalitäten des Änderungsvorbehalts beim gemeinschaftlichen Testament Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 19 ff. 3 OLG Köln v. 22.8.1990 – 2 Wx 31/90, FamRZ 1990, 1402 = NJW-RR 1991, 525 (526); OLG Frankfurt v. 18.1.1993 – 4 U 173/91, WM 1993, 803 (804); BayObLG v. 20.7.1990 – 1 a Z 34/90, FamRZ 1991, 111 (113); Odersky, notar 2009, 296 (298). 4 OLG Schleswig v. 27.1.2014 – 3 Wx 75/13, FamRZ 2014, 1486 = NJW-RR 2014, 965 = MittBayNot 2015, 145; BayObLG v. 18.3.2002 – 1Z BR 46/01, FamRZ 2002, 1434 = DNotZ 2003, 58. 5 Vgl. dazu Keim, MittBayNot 2014, 303 (307). 6 OLG Hamm v. 14.3.2014 – I 15 W 136/13, = MDR 2014, 1033 = NJW-RR 2014, 781 = MittBayNot 2014, 537. 7 Soutier, MittBayNot 2014, 511.
480
G. Verzicht auf Selbstanfechtung
Auch nach Annahme der Zuwendung kann der Überlebende gem. § 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB nach Maßgabe der §§ 2294 bzw. 2336 BGB seine Verfügung aufheben.
G. Verzicht auf Selbstanfechtung I. Bindungswirkung 1. Grundprinzip Beim gemeinschaftlichen Testament ist der überlebende Ehegatte nach 122 dem Tod des Erstversterbenden an die wechselbezüglichen Verfügungen auf seinen Tod, also etwa an die Einsetzung der Abkömmlinge als Schlusserben gebunden, § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB. Eine abweichende letztwillige Verfügung ist unwirksam. 2. Widerrufsfreiheit durch Ausschlagung Der Überlebende kann jedoch seine Testierfreiheit wiedererlangen, wenn er 123 das ihm Zugewendete, also die Einsetzung als Alleinerbe, innerhalb der Ausschlagungsfrist ausschlägt.1 Dann lässt sich eine dortige gemeinsam von beiden Partnern für jeden von ihnen angeordnete wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung derselben Person regelmäßig nicht als Ersatzerbenbestimmung auslegen.2 Stattdessen tritt gesetzliche Erbfolge nach dem Erstversterbenden ein. Daher sind möglichst ausdrückliche einzelfallbezogene Ersatzerbfolgeregelungen zu erwägen.3 Auch nach Annahme der Zuwendung kann der Überlebende gem. § 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB nach Maßgabe der §§ 2294 bzw. 2336 BGB seine Verfügung aufheben. Nach Ablauf von regelmäßig sechs Wochen nach Kenntniserlangung vom Erbfall besteht diese Möglichkeit nicht mehr, § 1944 BGB. Sie kann testamentarisch nicht ausgeschlossen werden. Angesichts einer Mindermeinung,4 nach der der Ehegatte entgegen der von der h.M. vertretenen sogen. Druck- bzw. Opfertheorie5 iSd. § 1948 BGB je nach Auslegung des Testaments als eingesetzter 1 Vgl. dazu Keim, MittBayNot 2014, 303 (307). 2 OLG Hamm v. 14.3.2014 – I 15 W 136/13, = MDR 2014, 1033 = NJW-RR 2014, 781 = MittBayNot 2014, 537. 3 Soutier, MittBayNot 2014, 511. 4 Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 18; Soergel/Wolf, § 2271 BGB Rz. 19. 5 Zusätzlich zum testamentarischen muss auch gesetzliches Erbe ausgeschlagen werden, wenn dieses nicht zumindest wesentlich kleiner ist: KG v. 24.7.1990 – 1 W 949/89, MDR 1991, 155 = NJW-RR 1991, 330 (331); BeckOK BGB/Litzenburger, § 2271 BGB 27; Jauernig/Stürner, § 2271 BGB Rz. 7; MünchKomm.BGB/Musielak, § 2217 BGB Rz. 25; Musielak, FS Kegel, 1987, S. 433 (447); Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 43; aA mit oftmals ähnlichem Ergebnis (ergänzende Auslegung maßgebend) Auslegung Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 18; Soergel/Wolf, § 2271 BGB Rz. 19; offengelassen: BGH v. 12.1.2011 – IV ZR 230/09, MDR 2011, 304 = NJW 2011, 1353 (1354).
481
5. Kap. Das Ehegattentestament
Erbe ausschlagen, aber als gesetzlicher Erbe annehmen könne, empfiehlt sich die letztwillige Bestimmung, dass bei Ausschlagung die Berufung zum gesetzlichen Erben entfällt. 124
Beim Erbvertrag sind gem. § 2297 BGB abweichende einseitige Verfügungen nach dem Tod des Erstversterbenden nur möglich, wenn der Überlebende aufgrund Rücktrittsvorbehalts oder nach §§ 2294, 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt ist.
II. Selbstanfechtung 125
Beim Erbvertrag besteht jedoch in Anwendung der §§ 2281, 2078, 2079 BGB, beim gemeinschaftlichen Testament in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften, die Möglichkeit der Beseitigung der Bindung durch Selbstanfechtung. Sie ist mit den Ehegatten immer zu erörtern und bei der Testamentsgestaltung zu berücksichtigen. Die Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten erfolgt nach §§ 2281 Abs. 2, 2282 Abs. 3 BGB dadurch, dass der überlebende Ehegatte die Anfechtung dem Nachlassgericht gegenüber in notariell beurkundeter Form erklärt. Die Anfechtung kann sich auf das weite Feld des Motivirrtums berufen. Hier ist testamentarische Vorsorge kaum möglich. Praxiswichtig ist aber insbesondere der Anfechtungsgrund der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2079 BGB. Seine Voraussetzungen kann der überlebende Ehegatte selbst herbeiführen, indem er wieder heiratet oder ein Kind adoptiert oder leiblicher Vater wird. Die Selbstanfechtung nach § 2079 BGB führt beim Berliner Testament zur Unwirksamkeit aller erbvertraglichen bzw. wechselbezüglichen Verfügungen einschließlich der Einsetzung des Überlebenden zum Alleinerben des Erstverstorbenen. Damit tritt rückwirkend auf den Tod des Erstversterbenden die gesetzliche Erbfolge ein. Diese Folge wird den Überlebenden regelmäßig von der Selbstanfechtung abhalten.
III. Verzicht auf Selbstanfechtung 126
Will man die Selbstanfechtung nach § 2079 BGB aber vorsorgend ausschließen, so hat man in das Ehegattentestament einen Vorausverzicht aufzunehmen.
127
Der Vorausverzicht ist nach allgemeiner Ansicht1 zulässig, was aus §§ 2078 Abs. 1, 2079 Satz 2 BGB abgeleitet wird. Wird der Anfechtungsverzicht für den gesamten Bereich der §§ 2078, 2079 BGB erklärt, so ist er einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Anfechtung nur wegen solcher Tatsachen ausgeschlossen sein soll, mit denen der Testator vernünftigerweise rechnen konnte.2 1 Vgl. Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 24 Rz. 22 ff.; MünchKomm.BGB/Musielak, § 2281 BGB Rz. 16. 2 MünchKomm.BGB/Musielak, § 2281 BGB Rz. 16 m.w.N.
482
H. Pflichtteilsstrafklauseln
M 169
Umfassender Selbstanfechtungsverzicht
(Form: Verfgung von Todes wegen) An diese Bestimmungen soll der berlebende von uns gebunden sein. Er verzichtet deshalb ausdrcklich vertraglich auf sein Anfechtungsrecht wegen Irrtums und wegen bergehung eines Pflichtteilsberechtigten.
Regelmäßig genügt es jedoch, den Selbstanfechtungsverzicht auf die Fälle 128 des § 2079 BGB zu beschränken.
M 170
Eingeschrnkter Selbstanfechtungsverzicht
(Form: Verfgung von Todes wegen) An diese Bestimmungen soll der berlebende auch in dem Fall gebunden bleiben, dass er noch einmal heiratet oder sonst Pflichtteilsberechtigte hinzutreten. Der berlebende von uns verzichtet deshalb ausdrcklich vertraglich auf sein Anfechtungsrecht wegen bergehung eines Pflichtteilsberechtigten.
H. Pflichtteilsstrafklauseln I. Problematik Die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge, die zu Schlusserben eingesetzt 129 sind, können beim Tod des erstversterbenden Ehegatten ihren Pflichtteil verlangen und trotzdem Erben des Letztversterbenden bleiben. Tun dies nur einzelne von mehreren Schlusserben, so werden die Schlusserben, die den Pflichtteil nicht verlangen, noch zusätzlich dadurch benachteiligt, dass sie nur hinsichtlich des durch die ausgezahlten Pflichtteile geschmälerten Nachlasses erben. Die Testamentsgestaltung bedient sich der Pflichtteilsstrafklausel, um die Schlusserben von der Geltendmachung des Pflichtteils beim Tod des Erstversterbenden durch den Anreize für ein Zuwarten abzuhalten.
II. Einfache Pflichtteilsstrafklausel Die primäre Funktion von Pflichtteilsstrafklauseln ist die Abschreckung 130 der pflichtteilsberechtigten Schlusserben.1 Sie sollen durch die Bestimmung, dass bei Geltendmachung ihres Pflichtteils auf den Tod des erstver1 J. Mayer, ZEV 1995, 136; eingehend Reimann/Bengel/J. Mayer, E 88 ff.
483
5. Kap. Das Ehegattentestament
sterbenden Ehegatten ihre Einsetzung als Schlusserben entfällt, von dieser Geltendmachung abgehalten werden. Diese einfache Pflichtteilsstrafklausel ist immer ausreichend, wenn es sich bei den Schlusserben um einseitige Abkömmlinge handelt, die nur auf den Tod eines Ehegatten Pflichtteilsansprüche haben. Auch bei gemeinschaftlichen Abkömmlingen genügt die einfache Pflichtteilsstrafklausel anstelle der komplizierten Jastow’schen Klausel, wenn die Eheleute – der nachlassgerichtlichen Erfahrung entsprechend – die Gefahr der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen als gering erachten. 131
Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Strafklausel nicht wechselbezüglich oder erbvertraglich bindend, sondern einseitig testamentarisch zu gestalten, um dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit zu geben, den zunächst Ausgeschlossenen wieder in den Kreis der Schlusserben aufzunehmen.
132
Soweit sich Grundbesitz im Nachlass befindet, kann die Pflichtteilsstrafklausel die Tauglichkeit des öffentlichen Ehegattentestaments als Erbnachweis iSv. § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO beeinträchtigen. Es ist streitig, ob das Grundbuchamt bei Pflichtteilsstrafklauseln die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann. Die eine Auffassung1 geht davon aus, dass es in den Fällen der Pflichtteilsklausel genügt, dass eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt wird, die die Erklärung des Nichteintritts dieser Tatsache enthält.2 Demgegenüber vertritt eine im Vordringen befindliche Meinung die Auffassung, dass in den Fällen der Verwirkungsklausel in der Regel ein Erbschein zu verlangen sei und auch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung nicht genüge, da hier nicht die Erklärung eines unbeteiligten Dritten vorliege, sondern die des Erbprätendenten selbst.3
133
Enthält insbesondere eine automatische Verwirkungsklausel keine ausdrückliche Regelung zu den Rechtsfolgen ihrer Auslösung hinsichtlich des frei werdenden Erbteils, muss durch ergänzende Auslegung ermittelt werden, ob eine Ersatzerbenbestimmung nach § 2069 BGB oder stattdessen eine Anwachsung iSd. § 2094 BGB eintritt. Dabei dürfte im Regelfall von einer durch den Erblasser nicht gewollten Doppelbegünstigung desselben Stammes durch Pflichtteilsanspruch und Ersatzerbeneinsetzung mit der Folge auszugehen sein, dass grundsätzlich keine Ersatzerbenberufung 1 Vgl. OLG Hamm v. 8.2.2011 – 15 W 27/11, MittBayNot 2012, 146 (147 f.); LG Köln v. 1.10.1987 – 11 T 321/87, MittRhNotK 1988, 177; LG Bochum v. 3.12.1991 – 7 T 661/91, Rpfleger 1992, 194 f. mit zust. Anm. Meyer-Stolte; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 790. 2 Noch weitergehend: LG Stuttgart v. 15.6.1988 – 1 T 9/88, BWNotZ 1988, 163, das die Vorlage des notariellen Testaments mit Eröffnungsprotokoll genügen lässt. 3 So OLG München v. 11.12.2012 – 34 Wx 433/12, RNotZ 2013, 172 (174); OLG München v. 31.5.2012 – 34 Wx 15/12, FGPrax 2012, 203 (204); LG Kassel v. 1.3.1993 – 3 T 59-61/93, Rpfleger 1993, 397; OLG Frankfurt v. 18.11.1993 – 20 W 158/93, NJW-RR 1994, 203 = DNotZ 1995, 312Böhringer, BWNotZ 1988, 155 ff.; Demharter, § 35 GBO Rz. 39; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 15; ggf. kann sogar ein Erlassvertrag erforderlich sein kann, vgl. Selbherr, MittBayNot 2007, 224; kritisch Peißinger, Rpfleger 1992, 427 ff.
484
H. Pflichtteilsstrafklauseln
der Abkömmlinge des den Pflichtteil verlangenden Abkömmlings nach § 2069 BGB, sondern eine Anwachsung zugunsten der übrigen Abkömmlinge erfolgt.1 Da eine kumulative Anwendung der beiden Auslegungsvorschriften nach den §§ 2069, 2270 BGB nicht in Betracht kommt (s. dazu Rz. 117), könnte der längstlebende Ehegatte, falls entgegen den o.g. Grundsätzen ausnahmsweise doch eine Ersatzerbeneinsetzung statt einer Anwachsung vermutet werden sollte, diese gleichwohl ohne Bindung ändern.2 Dagegen dürfte der Überlebende jedoch an eine nach §§ 2270 Abs. 2, 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB eintretende Anwachsung trotz Kumulation einer Auslegungs- (§ 2270 Abs. 2 BGB) mit einer Ergänzungsregel (§ 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB) wegen diesbezüglicher ausdrücklicher Erblasseranordnung grundsätzlich gebunden sein,3 soweit nicht im konkreten Einzelfall insbesondere bei Eintritt besonderer Umstände wie bspw. der Rückzahlung des Pflichtteils ausnahmsweise doch eine Änderungsbefugnis ergibt.4 Zur Vermeidung ungewollter Auslegungsergebnisse sollte das gemeinschaftliche Testament bzw. der Erbvertrag bei Vorhandensein einer automatisch wirkenden Pflichtteilsstrafklausel ausdrückliche Regelungen dazu vorsehen, ob hinsichtlich des frei werdenden Erbteils Ersatzerben eingesetzt sind oder Anwachsung unter den anderen Pflichtteilsberechtigten eintritt bzw. derartige Rechtsfolgen für den Überlebenden bindend oder frei änderbar sind. Wird statt der Pflichtteilsstrafklausel ein bloßer Änderungsvorbehalt ge- 134 wählt,5 so tritt diese Problematik nicht auf. Der Änderungsvorbehalt wird durch Testament ausgeübt, das im Falle der Ausübung dem Nachlassgericht samt Eröffnungsprotokoll in der Form des § 29 GBO vorzulegen ist. Zweifel über den unmittelbaren Wegfall von Schlusserben durch bloßes Pflichtteilsverlangen können hier nicht entstehen.
M 171
Pflichtteilsstrafklausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Verlangt ein Schlusserbe beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so werden er und seine Abkçmmlinge nicht Erben des Letztversterbenden. Diese Anordnung ist nicht bindend bzw. wechselbezglich, sondern erfolgt durch den berlebenden von uns einseitig testamentarisch.
1 BayObLG v. 20.1.2004 – 1Z 134/02, FamRZ 2004, 1672 = DNotZ 2004, 804; BayObLG v. 3.2.1995 – 1Z BR 68/94, FamRZ 1995, 1447; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 192 (193); Reymann, MittBayNot 2011, 411 (412); Wacke, DNotZ 1990, 403 (410). 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 192 (193). 3 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 192 (193); Ivo, ZEV 2004, 205. 4 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2012, 192 (193 f.); Ivo, ZEV 2004, 205; Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2270 BGB Rz. 87. 5 Zum Änderungsvorbehalt Rz. 96 ff.
485
5. Kap. Das Ehegattentestament
135
Statt auf das bloße Verlangen des Pflichtteils kann man auch auf die Durchsetzung des Pflichtteilsverlangens abstellen.
M 172
Pflichtteilsstrafklausel bei Durchsetzung des Pflichtteilsverlangens
(Form: Verfgung von Todes wegen) Sollte ein Abkçmmling beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil durchsetzen, so werden smtliche hier zu seinen Gunsten getroffenen Verfgungen unwirksam, dies auch mit Wirkung fr seine Abkçmmlinge.
136
Ob man bei der Formulierung auf Verlangen, Erhalten oder Durchsetzen des Pflichtteils abstellen soll, wird neuerdings problematisiert, ohne dass sich eine für alle Fälle streitvermeidende Lösung abzeichnet.1 Pflichtteilsstrafklauseln schaffen ebenso viele Probleme wie sie vermeiden, werden aber in der Praxis von den Testierenden regelmäßig gewünscht. Dem kann sich der Berater nur schwer entziehen.
III. Erweiterte Pflichtteilsstrafklausel: Jastrow’sche Klausel 137
Handelt es sich bei den Schlusserben um gemeinsame Abkömmlinge beider Ehegatten, so können die Abkömmlinge, die beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt und erhalten haben, auf den Tod des Letztversterbenden wieder den Pflichtteil verlangen, wenn sie aufgrund einer einfachen Pflichtteilsstrafklausel nicht Erben werden. Hat der Letztversterbende den Nachlass des Erstversterbenden in seinem Bestand erhalten, so bekommen die illoyalen Abkömmlinge aus diesem Nachlass im Ergebnis zweimal den Pflichtteil. Hier setzt die von Jastrow entwickelte,2 nach ihm benannte Klausel an. Durch sie werden die den Pflichtteil nicht verlangenden Abkömmlinge mit Vermächtnissen aus dem Nachlass des Erstverstorbenen bedacht, die den überlebenden Ehegatten nicht beeinträchtigen, weil ihre Erfüllung auf seinen Tod hinausgeschoben ist, die aber als Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass des Erstverstorbenen Rang vor Pflichtteilsansprüchen auf den Tod des Letztversterbenden haben. Sie sichern den loyalen Abkömmlingen die Teilhabe am Nachlass des Erstverstorbenen ohne Belastung des überlebenden Ehegatten, aber zu Lasten der illoyalen Abkömmlinge.
138
In der von Jastrow vorgeschlagenen Form3 erhalten die den Pflichtteil nicht verlangenden Abkömmlinge aus dem Nachlass des Erstverstorbenen Geldvermächtnisse in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile, die beim Tod des Erstversterbenden anfallen, aber erst beim Tod des Letztversterbenden zu 1 Vgl. Radke, ZEV 2001, 136. 2 Jastrow, DNotV 1904, 424. 3 Abdruck bei J. Mayer, ZEV 1995, 137.
486
H. Pflichtteilsstrafklauseln
zahlen sind. In der Folge wurden Schwachpunkte dieser Lösung aufgedeckt und zu beheben versucht.1 Lässt man die Vermächtnisse beim Tod des Erstversterbenden anfallen 139 und stundet sie nur auf den Tod des Letztversterbenden, so können sie vom Vermächtnisnehmer an familienfremde Personen vererbt werden. Deshalb wird vorgeschlagen, die Vermächtnisse aufschiebend befristet auf den Tod des Letztversterbenden anfallen zu lassen und das Entstehen von Anwartschaften dadurch zu verhindern, dass die Vermächtnisse nur dann anfallen, wenn die Bedachten den Tod des Letztversterbenden erleben.2 Weiterhin können die Vermächtnisse in der von Jastrow vorgesehenen 140 Form den Überlebenden im Verbrauch des Nachlasses beeinträchtigen, weil ihre Höhe unabänderlich feststeht und die Vermächtnisnehmer zur Sicherung ihrer bedingten Ansprüche z.B. Arreste nach § 916 Abs. 2 ZPO veranlassen könnten. Deshalb wird vorgeschlagen, Vermächtnisse auf den Überrest auszuwerfen.3 Der Kreis der Vermächtnisnehmer kann sich zwischen den Erbfällen ver- 141 ändern, etwa wenn ein Kind nach dem Tod des Erstverstorbenen, aber vor dem Tod des Letztversterbenden seinerseits ohne Abkömmlinge verstirbt. Sein Vermächtnis würde damit entfallen, ohne dass sich die übrigen Vermächtnisse erhöhen. Hier wird vorgeschlagen, die Vermächtnisse nach Höhe und Berechtigten nicht nach den Verhältnissen zum ersten Erbfall, sondern nach den Verhältnissen zum zweiten Erbfall zu berechnen.4
M 173
Erweiterte Jastrow’sche Klausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Verlangt ein Schlusserbe beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so werden er und seine Abkçmmlinge nicht Erben des Letztversterbenden. Die anderen Schlusserben, die den Pflichtteil nicht verlangt haben, erhalten aus dem Nachlass des Erstversterbenden Geldvermchtnisse in Hçhe ihres gesetzlichen Erbteils auf Ableben des Erstversterbenden, wie wenn dieser beim Tod des Lngstlebenden verstorben wre. Sie berechnen sich aus dem beim Tod des Lngstlebenden noch vorhandenen Nachlass des Erstverstorbenen und fallen mit dem Tod des Lngstlebenden an, und zwar nur an zu diesem Zeitpunkt noch lebende Bedachte. Der berlebende kann diese Enterbung widerrufen, womit dann auch die Vermchtnisse fr die anderen Schlusserben entfallen.
1 Weiss, MDR 1979, 812; v. Olshausen, DNotZ 1979, 707; Strobel, MDR 1980, 363; Münchener Vertragshdb/Nieder, Bd. 4/2 Form XVI. 2 Weiss, MDR 1979, 812. 3 V. Olshausen, DNotZ 1979, 707 (714). 4 Strobel, MDR 1980, 363 (364).
487
5. Kap. Das Ehegattentestament
142
Auch in dieser verbesserten Form begegnet die Klausel grundsätzlichen Bedenken:1 Sie ist kompliziert und den Testierenden nur in „übersetzender“ Belehrung durch den Testamentsgestalter zu vermitteln.2
143
Die Vermächtnisse auf den Überrest sind erforderlich, da die Pflichtteilsminderung allenfalls bis zur Höhe des Nachlasses des Erstverstorbenen möglich ist.3 Diese Begrenzung macht aber eine gegenständliche Ermittlung des im Nachlass des Letztversterbenden noch vorhandenen Nachlasses des Erstverstorbenen erforderlich, die sich mit der Einheitslösung nicht verträgt und zu praktischen Schwierigkeiten führen kann.
144
Die Brauchbarkeit der Gestaltung steht und fällt damit, dass die Vermächtnisse zunächst vom Nachlass des überlebenden Ehegatten abgezogen werden und dann erst die Pflichtteile der illoyalen Abkömmlinge berechnet werden. Dies soll entgegen dem Regelfall der Nachrangigkeit von Vermächtnissen gegenüber Pflichtteilsansprüchen4 der Fall sein, da die Vermächtnisansprüche vom Erstversterbenden stammen.5 Bedenken bestehen aber deshalb, weil die Vermächtnisse erst mit den zweiten Erbfall entstehen und sich in ihrer Höhe und der Person der Berechtigten nach dem zweiten Erbfall bestimmen.6
145
Angesichts dieser Bedenken ist Vorsicht in der Verwendung des Klausel angebracht.7 Jedenfalls ist ihre Nichtverwendung kein Gestaltungsfehler.
IV. Abänderungsvorbehalt 146
Im Regelfall vertrauen die Eheleute – entsprechend der nachlassgerichtlichen Erfahrung zu Recht – darauf, dass ihre gegenseitigen Kinder beim Tod des Erstversterbenden den Willen der Eltern achten und den Pflichtteil nicht geltend machen werden. In diesem Regelfall genügt8 ein Abänderungsvorbehalt anstelle einer Pflichtteilsstrafklausel.
147
Die Pflichtteilsklausel in der Form des Abänderungsvorbehalts hat auch den Vorteil, dass kein Zweifel darüber entstehen kann, ob ein Abkömmling wegen Pflichtteilsverlangens enterbt ist oder nicht. Solange kein Abänderungstestament errichtet wird, bleibt der Abkömmling Erbe. Bei der automatisch wirkenden Pflichtteilsstrafklausel dagegen kann es im Nachhinein streitig werden, ob ein Abkömmling den Pflichtteil verlangt hat 1 J. Mayer, ZEV 1995, 136. 2 J. Mayer, ZEV, 1995, 138 Fn. 27; zur Übersetzerrolle des Vertragsjuristen vgl. Langenfeld, Vertragsgestaltung, Rz. 141. 3 V. Olshausen, DNotZ 1979, 707 (717). 4 Palandt/Weidlich, § 2317 BGB Rz. 1. 5 /R. Kössinger/W. Kössinger, § 14 Rz. 79; § 2313 Abs. 1 BGB ist nicht einschlägig, da es sich um befristete, nicht um bedingte Vermächtnisse handelt. 6 J. Mayer, ZEV 1995, 136 (137) bezeichnet diese „Belastung des Nachlasses ohne Belästigung des Erben“ als „juristisches Paradoxon“. 7 So auch J. Mayer, ZEV 1995, 136 (137). 8 Langenfeld, NJW 1987, 1577 (1581); J. Mayer, ZEV 1995, 136 (139); Hofstetter, ZEV 1995, 192; J. Mayer, MittBayNot 1996, 80.
488
I. Wiederverheiratungsklauseln
oder nicht, ob er also enterbt ist oder nicht. Diese Unsicherheit wird insbesondere teilweise von den Grundbuchämtern als Begründung angeführt, ein öffentliches Testament mit Eröffnungsprotokoll, das eine automatische Pflichtteilsstrafklausel enthält, nicht als Erbenachweis anzuerkennen. Beim Änderungsvorbehalt wird das Änderungstestament mit dem Ehegattentestament eröffnet, dies wird durch die Beifügung dieses Testaments und seine Erwähnung im Eröffnungsprotokoll dokumentiert. Fertigt das Nachlassgericht das Ehegattentestament ohne Änderungstestament aus, so ist dem Grundbuchamt nachgewiesen, dass eine Enterbung durch Änderungstestament nicht vorliegt.
M 174
Abnderungsvorbehalt bei Pflichtteilsverlangen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Verlangt ein Abkçmmling beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so ist der berlebende berechtigt, ihn allein oder ihn einschließlich seiner Abkçmmlinge auf seinen Tod zu enterben. Ein hierdurch wegfallender Erbteil wchst den brigen Schlusserben anteilig an. Verlangen alle Schlusserben ihren Pflichtteil, so ist der berlebende in der letztwilligen Verfgung auf seinen Tod frei.
I. Wiederverheiratungsklauseln I. Funktion von Wiederverheiratungsklauseln Verheiratet sich der überlebende Ehegatte wieder, so wird der ungeschmä- 148 lerte Übergang des bei seinem Tod vorhandenen Vermögens auf die Schlusserben durch Pflichtteilsrechte des neuen Ehegatten und etwaiger aus der neuen Ehe hervorgehender Kinder oder vom Überlebenden adoptierter Kinder des neuen Ehegatten gefährdet. Der überlebende Ehegatte kann zwar mit dem neuen Ehegatten einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließen, um die Schlusserben nicht zu benachteiligen, er kann aber auch die Pflichtteilsrechte des neuen Ehegatten und die durch die Wiederverheiratung erhöhten Lebenshaltungskosten als nicht unwillkommenen Anlass betrachten, den Erwerb der Schlusserben auf seinen Tod zu verringern. Die in der Literatur breit erörterten Wiederverheiratungsklauseln1 haben 149 einmal den Zweck, den Endbedachten, insbesondere den Abkömmlingen, auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung eine angemessene Nachlass1 Ripfel, Rpfleger 1951, 578; Hurst, MittRhNotK 1962, 435; Simshäuser, FamRZ 1972, 273; Haegele, Rpfleger 1976, 73; Dippel, AcP 177 (1977), 349; Buchholz, Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986, passim; Zawar, DNotZ 1976, 515; Zawar, NJW 1988, 16; Wilhelm, NJW 1990, 2857; Zawar, FS Schippel, 1996, S. 327.
489
5. Kap. Das Ehegattentestament
beteiligung zu sichern.1 Dies kann dadurch erreicht werden, dass auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung das Vermögen des Erstversterbenden vom Eigenvermögen des Überlebenden getrennt wird, indem insoweit jetzt Nacherbfolge eintritt, oder dass das Vermögen des Überlebenden, in dem sich seit dem Erbfall das Vermögen des Erstversterbenden befindet, mit Vermächtnisansprüchen zugunsten der Endbedachten belastet wird, die den neuen Pflichtteilsansprüchen vorgehen. 150
Zum Zweiten haben Wiederverheiratungsklauseln, was in der Literatur weitgehend übersehen wird, auch den Zweck, es dem überlebenden Ehegatten zu ermöglichen, durch die Abfindung der Endbedachten bei Wiederverheiratung die Testierfreiheit auf seinen Tod wiederzuerlangen. Das Entfallen der Bindung des Überlebenden an die gemeinsamen Verfügungen auf seinen Tod ist also nicht nur wegen der hier bestehenden Streitfragen2 klärungsbedürftig, sondern als gewünschte Rechtsfolge des Vermögensabflusses bei Wiederverheiratung zu regeln.
II. Gestaltung von Wiederverheiratungsklauseln 151
Eine zweckmäßige Wiederverheiratungsklausel muss beiden Teilen gerecht werden und sich in das Regelungsmodell der Einheitslösung einfügen. In Betracht kommen dabei die folgenden Modelle: 1. Bedingte Nacherbeneinsetzung
152
Wird bestimmt, dass bei Wiederverheiratung Nachlasstrennung in der Weise eintritt, dass der Überlebende hinsichtlich des ganzen Nachlasses des Erstverstorbenen oder eines Bruchteils desselben nur noch Vorerbe, die Abkömmlinge Nacherben sind, so wird dies von der herrschenden Meinung3 dogmatisch so gesehen, dass die Vollerbeneinsetzung des Überlebenden durch die Wiederverheiratung auflösend bedingt ist, und der Überlebende aufschiebend bedingter befreiter Vorerbe sowie die Abkömmlinge aufschiebend bedingte Nacherben sind.4 Eine Befreiung des Vorerben wird bei einer derartigen Wiederverheiratungsklausel im Zweifel vermutet, da dies der dort typischen Interessenlage, bis zum ungewissen Eintritt einer Wiederverheiratung dem Längstlebenden weitestgehende Verfügungsfreiheit zu gewähren, am ehesten entspricht.5 Dies bedeutet für 1 Zawar, NJW 1988, 16. 2 Dazu mwN Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 14 Rz. 124; OLG Hamm v. 23.6.1994 – 15 W 265/93, FamRZ 1995, 250 = ZEV 1994, 365 = MittBayNot 1994, 546 mit Anm. Hohmann. 3 RG v. 25.11.1937 – IV B 34/37, RGZ 156, 172; BGH v. 6.11.1985 – IVa ZB 5/85, BGHZ 96, 198 = MDR 1986, 295 = FamRZ 1986, 155; weitere Nachweise bei Zawar in FS Schippel, 1996, S. 332. 4 BGH v. 6.11.1985 – IVa ZB 5/85, MDR 1986, 295 = DNotZ 1986, 541; OLG Hamm v. 18.4.2011 – 15 W 518/10, ZEV 2011, 589; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 BGB Rz. 42. 5 OLG Hamm v. 9.7.1971 – 15a W 108/71, DNotZ 1972, 96 (97 ff.); offengelassen in BGH v. 6.11.1985 – IVa ZB 5/85, MDR 1986, 295 = DNotZ 1986, 541.
490
I. Wiederverheiratungsklauseln
den überlebenden Ehegatten, dass er ab dem Tod des Erstversterbenden den Beschränkungen des Vorerben unterliegt, auch wenn er sich nicht wieder verheiratet. Dies gilt unabhängig davon, ob mit der Wiederverheiratung sofort der Nacherbfall eintritt, der Nachlass des Erstversterbenden also ganz oder teilweise sofort den Nacherben herauszugeben ist oder ob der Nacherbfall erst mit dem Tod des Vorerben eintritt. Damit ist der Längstlebende bereits vor Eintritt dieser Bedingung faktisch in der Verfügungsmacht beeinträchtigt, da die Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB schon zu diesem früheren Zeitpunkt in den durch § 2136 BGB vorgegebenen Grenzen zwingend gelten und aufgrund des diesbezüglichen erbrechtlichen Typenzwangs nicht zur Disposition der Beteiligten stehen.1 Insbesondere wird bei betroffenem Grundbesitz sofort ein Nacherbenvermerk im Grundbuch eingetragen,2 so dass der Überlebende bis zum Eintritt der Bedingung nur im Rahmen eines befreiten Vorerben verfügen kann. Alternativ kommt im Rahmen einer Nachlasstrennung eine um die nicht 153 stattfindende erneute Heirat des Überlebenden auflösend bedingte Vorbzw. darum aufschiebend bedingte Vollerbschaft in Betracht.3 Daneben wird eine von vorneherein bloße Vorerbschaft unter Eintritt des Nacherbfalls ausschließlich mit einer erneuten Heirat4 bzw. alternativ mit erneuter Heirat oder mit Versterben des Überlebenden5 erwogen, die somit jeweils zu keinem Zeitpunkt weder auflösend noch aufschiebend bedingt eine Vollerbschaft vorsieht und daher den Überlebenden sehr stark beeinträchtigt.6 Eine Wiederverheiratungsklausel in dieser Form verwandelt also die Ein- 154 heitslösung in die Trennungslösung. Deshalb passt sie nicht zum Berliner Testament. Eine solche Wiederverheiratungsklausel ist beim Berliner Testament ein Gestaltungsfehler. Zu beachten ist, dass die Formulierung, der überlebende Ehegatte habe den Nachlass des Erstversterbenden bei Wiederverheiratung ganz oder zu Bruchteilen an die Schlusserben „herauszugeben“, im Sinne dieser Vor- und Nacherbenlösung ausgelegt wird.7 Derartige Formulierungen sind deshalb zu vermeiden. Es ist klarzustellen, ob die Vor- und Nacherbenlösung oder die folgende Vermächtnislösung gemeint ist. 2. Vermächtnislösung Zum Berliner Testament passt nur die Anordnung eines Herausgabever- 155 mächtnisses für die Schlusserben im Falle der Wiederverheiratung. Dabei 1 Braun, MittBayNot 2013, 253; Weidlich, ZEV 2013, 41 f. 2 OLG Hamm v. 18.4.2011 – 15 W 518/10, ZEV 2011, 589; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 BGB Rz. 43; Braun, MittBayNot 2013, 253. 3 MünchKomm. BGB/Musielak, § 2269 BGB Rz. 56; Völzmann, RNotZ 2012, 1 (10). 4 Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2269 BGB Rz. 63. 5 Wilhelm, NJW 1990, 2857. 6 Braun, MittBayNot 2013, 253. 7 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 14 Rz. 119.
491
5. Kap. Das Ehegattentestament
sind Anfallen, Fälligkeit und Gegenstand des Vermächtnisses zu unterscheiden. 156
Man wird das Vermächtnis zum Schutz des Vermächtnisnehmers mit Wiederverheiratung anfallen lassen, kann aber seine Fälligkeit hinausschieben, dies bis zum Tod des überlebenden Ehegatten. Wird das Vermächtnis nicht sofort mit dem Anfall fällig, so kann man an seine Sicherung etwa durch Grundpfandrechte denken.1 Vermächtnisgegenstand kann der bei Wiederverheiratung noch vorhandene Nachlass des Erstverstorbenen, eine Quote des Nachlasses des Erstversterbenden in Geld, ein bestimmter Geldbetrag oder ein bestimmter Gegenstand sein. Regelmäßig wird vorgesehen, dass den Schlusserben ihr gesetzlicher Erbteil auf den Tod des Erstversterbenden in Geld auszuzahlen ist. Dabei kann für die Berechnung bestimmt werden, dass entweder der Nachlassbestand zum Zeitpunkt des Erbfalls oder der Nachlassbestand zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung maßgeblich sein soll.
157
Für den überlebenden Ehegatten am wenigsten belastend ist die Bestimmung, dass sich das Vermächtnis nach dem bei Wiederverheiratung noch vorhandenen Nachlass des Erstversterbenden bemisst. Damit sind aber Streitigkeiten über den damaligen und jetzigen Nachlassbestand und Nachlasswert vorprogrammiert, weshalb sich diese Gestaltung nicht empfiehlt.
158
Als praktikable Gestaltungsmöglichkeit bleibt nur das Abstellen auf den Tod des Erstverstorbenen mit amtlicher Nachlassverzeichnung nach § 2003 BGB und Schätzung, die Aufwand und Kosten verursachen.
M 175
Wiederverheiratungsklausel – Vermchtnislçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Sollte sich der berlebende wieder verheiraten, so hat er unseren gemeinschaftlichen Abkçmmlingen nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, wie sie beim Tode des Erstversterbenden zum Zeitpunkt der Wiederverheiratung des berlebenden eingetreten wre, Geldvermchtnisse entsprechend ihren Erbteilen auszuzahlen. Maßgeblich fr die Berechnung ist der reine Nachlass des Erstversterbenden zum Zeitpunkt des Erbfalls, jedoch ohne den Hausrat im Sinne der Hausratsverordnung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Jeder Abkçmmling hat einen selbstndigen, von den brigen Abkçmmlingen unabhngigen Vermchtnisanspruch. Die Vermchtnisse sind innerhalb von drei Monaten nach Wiederverheiratung fllig und bis dahin unverzinslich. Der Anspruch eines Vermchtnisnehmers entfllt, wenn er oder einer seiner weggefallenen Vorfahren Pflichtteilsansprche auf Ableben des Erstversterbenden geltend gemacht und erhalten hat. Zwecks Feststellung des Wertes des reinen Nachlasses des Erstversterbenden ohne Hausrat hat der berleben-
1 Ripfel, Rpfleger 1951, 583; Haegele, Rpfleger 1976, 77.
492
I. Wiederverheiratungsklauseln
de den Nachlass des Erstversterbenden auf dessen Kosten unverzglich nach dem Tod des Erstversterbenden amtlich verzeichnen und schtzen zu lassen. Mit der Wiederverheiratung des berlebenden entfllt seine Bindung an die Einsetzung der Schlusserben. Er kann diese also ganz oder teilweise widerrufen.
III. Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten Der mit einer Wiederverheiratungsklausel belastete, als Alleinerbe einge- 159 setzte Ehegatte hat Pflichtteilsrechte nur, wenn er beim Tod des Erstversterbenden die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt, § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB. Tut er dies nicht, so hat er bei Wiederverheiratung auch dann keine Pflichtteilsrechte, wenn er aufgrund der Wiederverheiratungsklausel den gesamten Nachlass des Erstversterbenden verliert.1 Nach herrschender Lehre2 ist es als stillschweigender Inhalt jeder Wieder- 160 verheiratungsklausel anzusehen, dass die Bindung des Überlebenden an die Verfügung auf seinen Tod entfällt, wenn die Klausel zur Verwirklichung kommt. Streitig ist dabei, ob lediglich die Bindung entfällt, nicht aber die Einsetzung der Schlusserben, oder ob die Einsetzung der Schlusserben insgesamt entfällt und damit mangels neuer letztwilliger Verfügung des Überlebenden die gesetzliche Erbfolge eintritt. Die Testamentsgestaltung sollte hier nichts der Auslegung überlassen, sondern wie der Formulierungsvorschlag (M 175) eine ausdrückliche Regelung treffen.
IV. Wertung Der mit der Erörterung von Wiederverheiratungsklauseln getriebene litera- 161 rische Aufwand ist größer als ihre praktische Bedeutung. Zu Recht sind die Notare sehr zurückhaltend in der Empfehlung und Verwendung derartiger Klauseln. Haben sich die Eheleute für die Einheitslösung entschieden, so sollten sie dem Überlebenden, der im Alter auf die Unterstützung eines neuen Partners angewiesen sein kann, die Möglichkeit der Wiederverheiratung belassen, ohne dass den Schlusserben aus ihr besondere Rechte entstehen. Bei vernünftiger Sicht und Beratung wird der Überlebende mit dem neuen Partner einen sachgerechten Ehe- und Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließen. Eine derartige situationsbezogene Lösung ist besser als eine Wiederverheiratungsklausel, die streitträchtig ist und regelmäßig keine Seite voll zufrieden stellen wird.
1 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 14 Rz. 125. 2 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 14 Rz. 124.
493
5. Kap. Das Ehegattentestament
J. Ehegattentestament und Scheidung I. Auswirkungen der Ehescheidung auf das Ehegattentestament 1. Fortgeltung von Verfügungen von Todes wegen über die Scheidung hinaus 162
Nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers geschieden oder in anderer Weise aufgelöst worden ist.
163
Soweit eine stets vorrangig erforderliche Erforschung des Erblasserwillens zu keinem abweichenden Ergebnis führt,1 ist eine den Ehegatten des Erblassers bedenkende letztwillige Verfügung nach der dispositiven Auslegungsregel des § 2077 Abs. 1 BGB, die als selbständiger Tatbestand neben der Anfechtungsmöglichkeit aus § 2078 BGB2 besteht, unwirksam, – wenn die Ehe nach dem vor dem 1.7.1998 geltenden EheG für nichtig erklärt wurde,3 – wenn die Ehe bereits vor dem Tod des Erblassers unabhängig vom Auflösungsgrund rechtskräftig aufgelöst, insbesondere geschieden und damit der überlebende Partner beim Erbfall nicht mehr Ehegatte des Erblassers gewesen ist, – wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen der Ehescheidung – auch bei einem im Ausland dann nach dortigem Recht durchgeführten Scheidungsverfahren4 – gegeben waren, mithin nach deutschem Scheidungsrecht für die gem. § 1565 Abs. 1 BGB gescheiterte Ehe das Trennungsjahr nach § 1565 Abs. 2 BGB abgelaufen ist oder das Scheitern gem. § 1566 BGB unwiderleglich vermutet wird und die Härteklausel nach § 1568 BGB nicht erfüllt ist5 sowie der Erblasser die Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) beantragt oder einem Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten – da nach § 114 Abs. 4 Nr. 3 FamFG kein Anwaltszwang besteht, zulässigerweise auch durch eigenes Schreiben an das Familiengericht – zugestimmt hatte, wozu keine ausdrückliche Zustimmung erklärt werden muss, sondern sich die Zustimmung auch durch Auslegung aus einer Parteierklärung ergeben kann, jedoch gar keine Äußerung des Erblassers nicht ausreicht,6 oder
1 2 3 4
Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 1. MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 4. Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 2. OLG Stuttgart v. 4.10.2011 – 8 W 321/11, FamRZ 2012, 480 = BWNotZ 2011, 214 = ZEV 2012, 208 (liechtensteinisches Recht); Erman/Lieder, § 1933 BGB Rz. 3. 5 Erman/Lieder, § 1933 BGB Rz. 3. 6 OLG Düsseldorf v. 12.9.2011 – I-3 Wx 179/11, MDR 2011, 1363 = FamRZ 2012, 152 = DNotZ 2012, 221.
494
J. Ehegattentestament und Scheidung
– wenn der Erblasser die Aufhebungsklage (§ 1313 BGB) erhoben hatte und zumindest ein Aufhebungsgrund nach § 1314 BGB bestand. Der Scheidungsantrag bzw. die Aufhebungsklage muss iSd. § 262 Satz 2 ZPO rechtshängig und daher dem Gegner nach §§ 124 FamFG iVm. § 253, 261 Abs. 1 ZPO vor dem Tod des Erblassers zugestellt sein.1 „Bedacht“ iSv. § 2077 BGB ist der Ehegatte durch den Erblasser, wie die verallgemeinernde Wortwahl und die systematische Stellung der Norm im Titel „Allgemeine Vorschriften“ von Buch 5 zeigt, nicht nur durch Erbeinsetzung, sondern bspw. auch mittels Vermächtnisses. Für einen eventuellen vorrangigen trotz Eheauflösung maßgebenden Fort- 164 geltungswillen des Erblassers nach § 2077 Abs. 3 BGB, der bereits bei Testamentserrichtung2 tatsächlich oder, wenn der Erblasser sich keine diesbezüglichen Überlegungen gemacht hat, lediglich hypothetisch bestanden haben muss, ist derjenige beweis- bzw. feststellungsbelastet, der sich auf die Gültigkeit der betroffenen letztwilligen Verfügung beruft.3 Heiraten die nach Errichtung der betroffenen Verfügung von Todes wegen Geschiedenen einander erneut, bleibt diese Verfügung von Todes wegen wie in allen anderen Konstellationen auch hier nur dann wirksam, wenn konkret ein diesbezüglicher Erblasserwille festgestellt werden kann.4 Für eingetragene Lebenspartner gilt § 2077 BGB über § 10 Abs. 5 LPartG 165 entsprechend. Steht ein ernstlich gemeintes, gegenseitig abgegebenes und angenommenes Eheversprechen iSd. §§ 1297 ff. BGB fest, ist für dessen Aufhebung derjenige beweis- bzw. feststellungsbelastet, der sich nach § 2077 Abs. 2 BGB auf die Verlöbnisauflösung beruft.5 § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist dabei auch dann anwendbar, wenn Erblasser und Bedachter bei Testamentserrichtung verlobt und anschließend geheiratet haben.6
1 BGH v. 6.6.1990 – IV ZR 88/89, BGHZ 111, 329 = MDR 1990, 907 = NJW 1990, 2382. 2 BGH v. 6.5.1959 – V ZR 97/58, FamRZ 1960, 26 (28); OLG Stuttgart v. 4.10.2011 – 8 W 321/11, FamRZ 2012, 480 = ZEV 2012, 208 = BWNotZ 2011, 214; BayObLG v. 10.9.1992 – 1Z BR 68/92, FamRZ 1993, 362 = DNotZ 1993, 129 (130). 3 BGH v. 6.5.1959 – V ZR 97/58, FamRZ 1960, 26 (28); BayObLG v. 10.9.1992 – 1Z BR 68/92, FamRZ 1993, 362 = DNotZ 1993, 129 (130); OLG Bremen v. 23.5.1986 – 1 W 142/85, FamRZ 1986, 833 (835); Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 6; MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 4. 4 OLG Hamm v. 26.8.2010 – 15 Wx 317/09, NotBZ 2011, 183 = ZEV 2011, 265; BayObLG v. 23.5.1995 – 1 Z BR 128/94, FamRZ 1996, 123 = DNotZ 1996, 302 = ZEV 1995, 331; KG v. 5.2.1968 – 1 W 62 u. 63/68, FamRZ 1968, 217; MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 27; BeckOK BGB/Litzenburger, § 2077 BGB Rz. 12 aA (bereits die Wiederheirat kompensiere die Scheidung) Staudinger/Otte, § 2077 BGB Rz. 25; Soergel/Loritz, § 2077 BGB Rz. 17; Tappmeier, DNotZ 1987, 715 (717 u. 724). 5 OLG Stuttgart v. 7.4.1997 – 8 W 740/96, MDR 1998, 163 = Rpfleger 1997, 437 = BeckRS 1997, 30846546; MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 16; Palandt/ Weidlich, § 2077 BGB Rz. 5; Staudinger/Otte, § 2077 BGB Rz. 20; aA (immer der bedachte Verlobte für das Bestehen des Verlöbnisses) BayObLG v. 25.6.1987 – 1Z 40/87, FamRZ 1987, 1199 = Rpfleger 1987, 503; Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 4. 6 BayObLG v. 10.9.1992 – 1Z BR 68/92, FamRZ 1993, 362 = DNotZ 1993, 129 (130).
495
5. Kap. Das Ehegattentestament
166
Eine analoge Anwendung des § 2077 BGB ist sowohl bei letztwillig bedachten Schwiegerkindern1 trotz Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinsichtlich entsprechender lebzeitiger Zuwendungen2 als auch aufgrund vorrangiger Rechtssicherheit bzw. Interessen des Versicherers für Bezugsberechtigungsbenennungen in Lebensversicherungsverträgen3 und bei Aufhebung einer Adoption4 sowie Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft5 ausgeschlossen.
167
Im Falle des Ausschlusses des Erbrechts ist der Ehegatte nach §§ 1569 bis 1586b BGB unterhaltsberechtigt.6
168
In eine derartige Unwirksamkeit bezieht das Gesetz Verfügungen zugunsten Dritter, also insbesondere die Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge, ein, und zwar beim Ehegattenerbvertrag durch § 2279 Abs. 2 BGB, beim gemeinschaftlichen Testament durch § 2268 Abs. 1 BGB. Kraft dieser Auslegungsregeln wird also grundsätzlich ein Berliner Testament infolge der Ehescheidung seinem gesamten Inhalt nach unwirksam, egal ob es in der Form des gemeinschaftlichen Testaments oder des Erbvertrags errichtet wurde.
169
Abweichend hiervon bleiben die Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments oder Ehegattenerbvertrags nach §§ 2268 Abs. 2, 2077 Abs. 3, 2279 Abs. 2 BGB wirksam, wenn anzunehmen ist, dass sie auch für den Fall der Ehescheidung oder sonstigen Eheauflösung getroffen wurden. Hierzu muss ein Aufrechterhaltungswille der Ehegatten vorliegen. Dabei kommt es, wenn der wirkliche Wille nicht feststellbar ist, auf den hypothetischen Willen im Zeitpunkt der Errichtung des Ehegattentestaments an.7
170
Anlass zur Prüfung, ob angesichts dieser Rechtslage Regelungen im gemeinschaftlichen Testament oder Ehegattenerbvertrag erforderlich oder empfehlenswert sind, geben drei Fragenkreise. Einmal sind die Überlegungen zum hypothetischen Aufrechterhaltungswillen hochgradig spekulativ,8 die Rechtsprechung ist uneinheitlich, die Literatur unsicher. Zum Zweiten ist fraglich, ob dann, wenn ein Aufrechterhaltungswille etwa hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung besteht, dies auch bedeutet, dass 1 BGH v. 2.4.2003 – IV ZB 28/02, MDR 2003, 811 = ZEV 2003, 284; Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 7; aA OLG Saarbrücken v. 23.6.1993 – 5 W 147/92, FamRZ 1994, 1205 = NJW-RR 1994, 589; MünchKomm. BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 5. 2 BGH v. 21.7.2010 – XII ZR 180/09, MDR 2010, 1190 = DNotZ 2011, 301. 3 BGH v. 14.2.2007 – IV ZR 150/05, MDR 2007, 952 = DNotZ 2007, 762 = NJW-RR 2007, 976; Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 8; Palandt/Weidlich, § 2077 BGB Rz. 2; Staudinger/Otte, § 2077 BGB Rz. 31; aA MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 25. 4 MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 5. 5 OLG Celle v. 23.6.2003 – 6 W 45/03, FamRZ 2004, 310 = ZEV 2003, 328; Erman/M. Schmidt, § 2077 BGB Rz. 5; Palandt/Weidlich, § 2077 BGB Rz. 2; MünchKomm.BGB/ Leipold, § 2077 BGB Rz. 5. 6 MünchKomm.BGB/Leipold, § 2077 BGB Rz. 30 iVm. § 1933 BGB Rz. 25 f. 7 BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 187/03, MDR 2004, 1421 = FamRZ 2004, 1565 = FamRB 2004, 362 = NJW 2004, 3113 = DNotZ 2005, 51 = ZEV 2004, 423 mit Anm. Keim; BGH v. 6.5.1959 – V ZR 97/58, FamRZ 1960, 28. 8 So richtig Kanzleiter, ZEV 2005, 181 (183).
496
J. Ehegattentestament und Scheidung
die Eheleute über die Scheidung hinaus insoweit auch die fortbestehende Wechselbezüglichkeit oder vertragliche Bindung wollen, oder vielmehr die Verfügung nur als einseitige und damit jederzeit abänderbare Testamentsbestimmung fortgelten soll. Schließlich ist an die Vorverlagerung der Unwirksamkeit nach § 2077 BGB für den Fall zu denken, dass beim Tod des erstversterbenden Ehegatten zwar Scheidungsantrag gestellt wurde, die Voraussetzungen des § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch nicht vollständig vorliegen. 2. Wechselbezüglichkeit der aufrechterhaltenen Schlusserbenbestimmung Die Entscheidung des BGH vom 7.7.20041 zur Fortgeltung einer Schlus- 171 serbeneinsetzung nach Ehescheidung hat erhebliche Bedeutung für die Kautelarpraxis. Nach ihr behalten über § 2268 Abs. 2 BGB fortgeltende wechselbezügliche Verfügungen auch nach Scheidung der Ehe ihre Wechselbezüglichkeit und können nicht gem. § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB durch einseitige Verfügung von Todes wegen aufgehoben werden. Zunächst ist zu prüfen, ob die Verfügung nach § 2077 Abs. 3 BGB deshalb 172 nicht unwirksam ist, weil sie auch für den Fall der Ehescheidung getroffen wurde. Dies bedarf der Feststellung eines ausdrücklichen oder hypothetischen Aufrechterhaltungswillens. Liegt ein solcher vor, so bleibt eine wechselbezügliche Verfügung nicht nur erhalten, sondern behält auch den Charakter der Wechselbezüglichkeit. Mit dieser Statuierung der fortdauernden Wechselbezüglichkeit lehnt das 173 Urteil die bis dahin wohl herrschende Lehre in der Literatur2 ab, von der die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten als auf die Ehezeit beschränkt angesehen wird. Diese frühere Ansicht ging davon aus, dass nach § 2077 Abs. 3 BGB über die Scheidung hinaus fortbestehende Verfügungen den Charakter der Wechselbezüglichkeit verlieren und damit als einseitige Verfügungen der einseitigen Aufhebung oder Änderung durch jeden der geschiedenen Ehegatten für seinen Nachlass zugänglich sind. Konsequenz der Auffassung des BGH ist es dagegen, dass sich jeder der geschiedenen Ehegatten von der durch die Wechselbezüglichkeit hergestellten Bindung nur lösen kann, wenn er dem anderen in eine notariell beurkundete Widerrufserklärung zustellen lässt oder etwa im Falle der Wiederheirat und Geburt von Kindern zweiter Ehe die aufrechterhaltene Verfügung in notariell beurkundeter Form anficht. Im Fall des Urteils vom 7.7.2004 verweist der BGH die Sache an das In- 174 stanzgericht zur Prüfung des Aufrechterhaltungswillens zurück. Eine der1 BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 187/03, MDR 2004, 1421 = FamRZ 2004, 1565 = FamRB 2004, 362 = NJW 2004, 3113 = DNotZ 2005, 51 = ZEV 2004, 423 mit Anm. Keim; Erman/ Kappler, § 2268 BGB Rz. 4. 2 Muscheler, DNotZ 1994, 733; Kuchinke, DNotZ 1996, 306; Leipold, ErbR, Rz. 458; Reimann/Bengel/J. Mayer, § 2268 BGB Rz. 12; Erman/Schmidt, § 2268 BGB Rz. 5, 13. Aufl. 2011; Staudinger/Kanzleiter, § 2268 BGB Rz. 11.
497
5. Kap. Das Ehegattentestament
artige Prüfung wird bei allen gemeinschaftlichen Testamenten, bei denen fortgeltende wechselbezügliche Verfügungen in Betracht kommen, künftig erforderlich sein. Dies gilt insbesondere für Berliner Testamente. Hinsichtlich der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten wird regelmäßig von scheidungsbedingter Unwirksamkeit nach § 2077 Abs. 1 BGB auszugehen sein. Gleiches gilt grundsätzlich für die Schlusserbeneinsetzung, und zwar auch, wenn gemeinschaftliche Abkömmlinge eingesetzt wurden. Allerdings ist nach Meinung einiger1 eine Tendenz der Rechtsprechung, bei der Schlusserbeneinsetzung gemeinschaftlicher Abkömmlingen von einem Aufrechterhaltungswillen auszugehen, feststellbar. Vor allem hier besteht also für die Testamentspraxis eine Wertungsunsicherheit, die eine ausdrückliche Regelung angezeigt sein lässt.
M 176
Kein Aufrechterhaltungswille
(Form: Verfgung von Todes wegen) Bei Ehescheidung sollen die vorstehenden Verfgungen ihrem ganzen Inhalt nach unwirksam sein. Die Anwendung von § 2077 Abs. 3 BGB wird ausgeschlossen.
175
Für die Altfälle wird man mit Kanzleiter2 davon ausgehen müssen, dass den Eheleuten angesichts der vom BGH dekretierten Fortdauer der Wechselbezüglichkeit mit ihren gravierenden Folgen regelmäßig ein Aufrechterhaltungswille nicht unterstellt werden kann. 3. Geltung auch für den Ehegattenerbvertrag?
176
Die Frage, ob die Grundsätze des Urteils vom 7.7.2004 auch für den Ehegattenerbvertrag gelten, ist offen. Das Urteil erging zu § 2268 Abs. 2 BGB, der nur für das gemeinschaftliche Testament gilt und auf den im Erbvertragsrecht nicht verwiesen wird. Erbverträge mit der für sie kennzeichnenden erbvertraglichen Bindung stehen nicht nur Ehegatten, sondern allen Erblassern offen, während die Wechselbezüglichkeit eine Sonderregelung nur für Ehegatten darstellt. Wenn Ehegatten also im Erbvertragsrecht wie alle anderen Vertragschließenden behandelt werden, so ist nicht einzusehen, wieso die erbvertragliche Bindung hinsichtlich einer nach § 2077 Abs. 3 BGB über die Scheidung hinaus fortbestehenden Verfügung durch die Scheidung entfallen soll. Es dürfte davon auszugehen sein, dass das Urteil des BGH vom 7.7.2004 seinem Rechtsgedanken nach auf den Ehegattenerbvertrag zu übertragen ist. Das bedeutet, dass eine vertraglich bindende Verfügung 1 J. Mayer, ZEV 1997, 280; AnwaltKomm/Kornexl, § 2279 BGB Rz. 53; beide unter Berufung auf OLG Hamm v. 8.11.1993 – 15 W 267/91, FamRZ 1994, 994 = ZEV 1994, 367 und BayObLG v. 23.5.1995 – 1Z BR 128/94, FamRZ 1996, 123 = NJW 1996, 133 = ZEV 1995, 331 = DNotZ 1996, 302 mit krit. Anm. Kuchinke. 2 Kanzleiter, ZEV 2005, 181 (182).
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J. Ehegattentestament und Scheidung
über die Scheidung hinaus auch als solche bestehen bleibt. Geht man hiervon aus, so kommt eine Lösung von einer derartigen Verfügung nur auf Grund eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts nach § 2293 BGB oder auf Grund Anfechtung gem. §§ 2281 ff., 2078, 2079 BGB in Betracht. Auch beim Ehegattenerbvertrag besteht also Regelungsbedarf. 4. Empfehlenswerte Regelungen im Ehegattentestament Im Normalfall wird es sich empfehlen, die Fortgeltung der Verfügungen 177 des Ehegattentestaments über die Scheidung hinaus ausdrücklich auszuschließen. Das Problem der fortdauernden Wechselbezüglichkeit oder vertraglichen Bindung stellt sich dann nicht. Im Ausnahmefall der scheidungsbezogenen Verfügung von Todes wegen 178 von Ehegatten kann es Inhalt der Vereinbarungen sein, dass die Kinder bindend zu Erben eines oder beider geschiedenen Ehegatten eingesetzt werden sollen. Dies wird in der Praxis bisweilen von dem Ehegatten gewünscht, der sich mit der Übertragung des Familienheims auf den anderen Ehegatten einverstanden erklärt. Hier bietet sich die Form des Erbvertrags mit bindender scheidungsunabhängiger Erbeinsetzung der Kinder an. Der Fortgeltungswille sollte ausdrücklich erklärt werden. Wünschen die Ehegatten, was ebenfalls der Ausnahmefall sein wird, die 179 Fortgeltung der Schlusserbeneinsetzung über den Tod hinaus als einseitige Verfügungen unter Wegfall der Bindungswirkung, so ist dies im Ehegattenerbvertrag problemlos zu gestalten. Beim gemeinschaftlichen Testament stellt sich hier die Frage, ob eine 180 während der Ehezeit wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung nach Scheidung als einseitige Verfügungen jedes Ehegatten fortbestehen kann. Das Urteil des BGH vom 7.7.2004 wird teilweise so verstanden, dass mit der Fortgeltung zwingend die Wechselbezüglichkeit verbunden ist.1 Richtiger Ansicht2 nach ist dies ein Missverständnis. Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten können einseitig oder wechselbezüglich sein. Dies bestimmen die Ehegatten selbst. Deshalb können sie auch bestimmen, dass eine während der Ehezeit wechselbezügliche Verfügung nach der Ehezeit fortbesteht, aber den Charakter der Wechselbezüglichkeit verliert. Nur wenn man dies für zulässig hält, ist der notwendige Entscheidungsgleichlauf beim Erbvertrag einerseits und beim gemeinschaftlichen Testament andererseits sichergestellt.3 Dennoch dürfte sich angesichts der ungeklärten Rechtsfrage empfehlen, 181 den Wunsch der einseitigen Fortgeltung nicht in der Form des gemeinschaftlichen Testaments, sondern in der Form des Ehegattenerbvertrags zu verwirklichen.
1 Z.B. von Musielak, LMK 2004, 208 (209) und Schlitt, ZEV 2005, 96 (98). 2 Keim, ZEV 2004, 425; Kanzleiter, ZEV 2005, 181 (182). 3 Kanzleiter, ZEV 2005, 181 (182).
499
5. Kap. Das Ehegattentestament
M 177
Weitergeltung von Verfgungen nach Ehescheidung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Die Einsetzung der Abkçmmlinge als Schlusserben erfolgt mit erbvertraglicher Bindung. Mit Rechtskraft der Ehescheidung entfllt die erbvertragliche Bindung. Die Einsetzung der Schlusserben bleibt jedoch als einseitige, vom jeweiligen geschiedenen Ehegatten jederzeit frei widerrufliche Bestimmung aufrechterhalten.
II. Vorverlagerung der Unwirksamkeitsregel des § 2077 Abs. 1 BGB 1. Mängel der gesetzlichen Regelung 182
Nach § 2077 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB steht es der Auflösung der Ehe gleich mit der Folge der Unwirksamkeit der Verfügung, wenn beim Tod des Erblassers die Voraussetzungen für die Ehescheidung gegeben waren und der Erblassern die Scheidung beantragt wurde ihr zugestimmt hat oder der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Aufhebung der Ehe zu klagen berechtigt waren und die Klage erhoben hat. Die gesetzliche Regelung deckt den Fall nicht ab, dass der Erblasser die Scheidung nicht beantragt oder ihr nicht zugestimmt hat. Es wird auch auf die Zweifelsfragen hinsichtlich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen hingewiesen.1 Der Vorschlag,2 lediglich auf die Stellung des Scheidungsantrags abzustellen, befriedigt dennoch nicht, weil dann auch ein völlig unberechtigter Scheidungsantrag die Nichtigkeitsfolge auslösen könnte. Empfohlen wird deshalb die folgende Formulierung.
M 178
Entfallen der Verfgungen schon vor Scheidung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Smtliche vorstehenden Verfgungen, insbesondere auch die Einsetzung der Schlusserben, entfallen und sind unwirksam, wenn die Ehe der Erblasser vor dem Tod des Erstverstorbenen aufgelçst worden ist oder bei dessen Tod die Voraussetzungen fr die Scheidung den Ehe gegeben waren und einer der beiden Ehegatten die Scheidung beantragt hat.
2. Auswirkungen auf die Eignung als Erbnachweis? 183
Bei der gemeinschaftlich testierten Vorverlagerung der von Gesetzes wegen bei Eheauflösung eintretenden Unwirksamkeit auf den Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags stellen die Grundbuchämter bisweilen die 1 Etwa von Reimann/Bengel/J. Mayer, A 197. 2 Reimann/Bengel/J. Mayer, A 197.
500
K. Vermçgens- und Personensorge fr minderjhrige Erben
Eignung eines entsprechenden notariellen Testaments als Erbnachweis iSv. § 35 GBO in Frage und verlangen eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts, dass bis zum Erbfall kein Scheidungsantrag gestellt wurde. Das ist unberechtigt. Wird die Ehe durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, so ist davon auszugehen, dass kein anhängiger Scheidungsantrag vorliegt. Von diesem Normalfall hat das Grundbuchamt auszugehen. Eine eidesstattliche Versicherung kann es nur verlangen, wenn konkrete Anhaltspunkte für den außerordentlichen Verlauf ersichtlich sind.1
K. Vermögens- und Personensorge für minderjährige Erben I. Ausschluss der Eltern des Erben von der Verwaltung der Erbschaft Will der Erblasser einen Minderjährigen als Erben oder Vermächtnisneh- 184 mer einsetzen, das Erbe oder Vermächtnis jedoch der Vermögenssorge der Eltern als gesetzliche Vertreter entziehen, so kann er gem. § 1638 BGB letztwillig bestimmen, dass die Eltern das zugewendete Vermögen nicht verwalten dürfen. Bestimmt er, dass ein Elternteil, etwa das Schwiegerkind, das Vermögen des als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzten Enkels nicht verwalten soll, so verwaltet es der andere Elternteil nach § 1638 Abs. 3 BGB allein. Wird beiden Elternteilen das Verwaltungsrecht letztwillig entzogen, so ist vom Familiengericht gem. § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Pfleger zu bestellen. Hinsichtlich der Person dieses Pflegers hat der Erblasser nach § 1917 Abs. 1 BGB ein Benennungsrecht. Der Ausschluss eines oder beider Elternteile von der Verwaltung kann auch hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge, des Pflichtteilsanspruchs und des zu seiner Erfüllung Geleisteten erfolgen. Der Ausschluss kann auch unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung getroffen werden, etwa für den Fall der Wiederverheiratung des alleinigen Elternteils, wenn der Erblasser den Einfluss des neuen Ehegatten auf diesen Elternteil fürchtet.
M 179
Ausschluss von der Vermçgenssorge
(Form: Verfgung von Todes wegen) Soweit meine Tochter mich beerbt, soll ihre Mutter das erbte Vermçgen nicht verwalten. Als Pfleger benenne ich meine Schwester . . . , ersatzweise deren Ehemann . . .
1 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 788.
501
5. Kap. Das Ehegattentestament
II. Vorsorge für eigene minderjährige Kinder 185
Für den Fall des gemeinsamen Versterbens wollen jüngere Ehegatten mit minderjährigen Kindern regelmäßig bestimmen, wer nach ihrer beider Tod Vormund der minderjährigen Kinder sein soll. Nach § 1777 BGB können die Eltern für die Kinder, für die ihnen zur Zeit ihres Todes die volle elterliche Sorge zusteht,1 einen Vormund durch letztwillige Verfügung benennen.
186
Im Ehegattentestament oder Ehegattenerbvertrag kann die Bestimmung nicht für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen werden. Dieser ist nach § 1776 Abs. 2 BGB in jedem Fall berechtigt, eine andere Person als Vormund zu benennen.
187
Die Eltern können sich auch darauf beschränken, bestimmte Personen von der Vormundschaft auszuschließen, § 1782 BGB. Werden mehrere Vormünder bestimmt, so können die Eltern nach § 1797 Abs. 3 BGB Bestimmungen für die Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vormündern oder für die Verteilung der Geschäfte unter den Vormündern treffen. Sie können den Vormund auch im Sinne der §§ 1852 ff. BGB von sonst geltenden gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreien, § 1856 BGB. Dies ist häufig zweckmäßig, um die Bereitschaft des benannten Vormunds zur Übernahme seines Amtes zu fördern.
M 180
Benennung eines Vormunds
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fr den Fall unseres gemeinsamen Versterbens benennen wir als Vormund unserer minderjhrigen Kinder die Schwester der Ehefrau . . .
188
Im Übrigen kann das minderjährige Kind, das seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen hat, gegenüber den Miterben durch Vorausvermächtnisse zur Sicherung der Berufsausbildung bevorzugt werden. Hierzu empfiehlt sich regelmäßig die ergänzende Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, damit die sachgerechte Verwendung des Vorausvermächtnisses gewährleistet ist.2
1 Erman/Saar, § 1777 BGB Rz. 1; Ott, BWNotZ 2014, 138. 2 Vgl. auch Kirchner, MittBayNot 1997, 203.
502
L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslçsung
L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslösung I. Verlust der Kinderfreibeträge auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten beim Berliner Testament Die möglichen erbschaftsteuerlichen Nachteile des Berliner Testaments 189 sind Gegenstand der Diskussion.1 Wenn der überlebende Ehegatte wie häufig den Nachlass des Erstversterbenden nicht antastet, sondern im Wesentlichen unangetastet weiter vererbt, wird dieser Nachlass zweimal besteuert, einmal auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten vom überlebenden Ehegatten, zum Zweiten auf den Tod des letztversterbenden Ehegatten von den Schlusserben. Für große Vermögen, bei denen die erbschaftsteuerlichen Freibeträge auch bei voller Ausnutzung bei weitem nicht ausreichen, war deshalb das Berliner Testament noch nie eine empfehlenswerte Lösung, dies insbesondere dann, wenn der überlebende Ehegatte durch eigenes Vermögen ausreichend versorgt ist. Auch bei mittlerem Vermögen kann es unzweckmäßig sein, die Freibeträ- 190 ge der Abkömmlinge auf den Tod des erstversterbenden Elternteils nicht auszunutzen. Es besteht hier ein Konflikt zwischen dem Bestimmungsund Versorgungsinteresse des überlebenden Ehegatten und dem Bestreben nach Ausnutzung der Kinderfreibeträge. Hier kommt es jeweils auf den Einzelfall an.
II. Lösungen nach dem Erbfall Es kann beim traditionellen Berliner Testament verbleiben, wenn durch 191 Gestaltungen nach dem Erbfall die Steuerfreibeträge der Kinder erschlossen werden können. Hierzu werden diskutiert2 – die Geltendmachung der Pflichtteile der Kinder im Einverständnis mit dem überlebenden Elternteil, – die Erbausschlagung durch den überlebenden Ehegatten gegen Abfindung, etwa durch Nießbrauch. Diese Modelle haben, soweit sie steuerlich anerkennungsfähig sind, den 192 Vorteil, dass die Effekte im Hinblick auf den bereits eingetretenen Erbfall genau berechnet werden können. Etwaige Pflichtteilsstrafklauseln sind so zu gestalten, dass sie vom überlebenden Ehegatten außer Kraft gesetzt werden können.
1 Vgl. z.B. Bühler, BB 1997, 551; Brambring, FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 145; N. Mayer, ZEV 1997, 325; J. Mayer, ZEV 1998, 50; Stahl, KÖSDI 1998, 11751; Stahl, KÖSDI 1999, 11833; S. Schmidt, BWNotZ 1998, 97; Everts, NJW 2008, 557. 2 Vgl. nur Bühler, BB 1997, 551 (554 ff.).
503
5. Kap. Das Ehegattentestament
III. Lösungen im Rahmen der Testamentsgestaltung 1. Fallgruppen der Vermächtnislösung 193
Zur Ausnutzung der Freibeträge der Abkömmlinge auf den Tod des erstversterbenden Elternteils bietet es sich an, das Berliner Testament durch Vermächtnisse für die Abkömmlinge, ausgeworfen vom erstversterbenden Ehegatten auf seinen Tod, zu ergänzen. Erörtert werden – das sofort auflagenfrei zu erfüllende Geldvermächtnis, – das Geldvermächtnis, bei dem der vermachte Geldbetrag dem überlebenden Ehegatten lebenslang zur Nutzung verbleibt, und – das Geldvermächtnis, das erst beim Tod des längstlebenden Ehegatten zu erfüllen ist.1 2. Das sofort auflagenfrei zu erfüllende Geldvermächtnis
194
Zivilrechtlich und steuerlich unbedenklich ist zunächst, den Abkömmlingen auf den Tod des Erstversterbenden Geldvermächtnisse auszuwerfen, die sofort zu erfüllen sind und dazu führen, dass den Abkömmlingen auf den Tod des erstversterbenden Elternteils Erwerbe von Todes wegen i.S. von § 3 Nr. 1 ErbStG anfallen, für die die Freibeträge des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gelten.
195
Der Nachteil dieser Lösung ist, dass diese Vermächtnisse dem überlebenden Ehegatten abgehen und seine Versorgung schmälern oder ihn sogar in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen können. Hier setzen Vorschläge an, die teilweise problematisch sind. 3. Geldvermächtnisse mit Untervermächtnissen auf Nutzung durch den überlebenden Ehegatten
196
Erörtert werden hier – das Geldvermächtnis für den Abkömmling, belastet mit einem Untervermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten, diesem den Vermächtnisbetrag als Darlehen zu belassen, oder – das Geldvermächtnis für den Abkömmling, belastet mit einem Nießbrauchsvermächtnis auf Lebenszeit für den überlebenden Ehegatten als Untervermächtnis.
197
Hier liegt das Verdikt der Umgehung i.S. von § 42 AO nahe,2 da bei beiden Gestaltungen das Geld beim überlebenden Ehegatten verbleibt bzw. sogar wie beim Nießbrauch durch Einziehung der Vermächtnisforderung nach § 1074 BGB in sein Eigentum zurückfällt.3
1 Vgl. insbesondere die Übersicht bei J. Mayer, ZEV 1998, 61. 2 J. Mayer, ZEV 1998, 61. 3 S. Schmidt, BWNotZ 1998, 99.
504
L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslçsung
4. Geldvermächtnisse mit hinausgeschobener Erfüllung Ziel der hier diskutierten Gestaltungen ist es, durch die zeitlich hinaus- 198 geschobene Erfüllung des vom erstversterbenden Ehegatten den Abkömmlingen ausgesetzten Vermächtnisses den sofortigen Vermögensabfluss beim überlebenden Ehegatten zu vermeiden, also den gewünschten Steuereffekt zu erreichen, ohne dass der überlebende Ehegatte benachteiligt wird. Zivilrechtlich ist es möglich, das Vermächtnis erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Tod des erstversterbenden Ehegatten anfallen oder fällig werden zu lassen (s. dazu oben 3. Kap. Rz. 179). Zu unterscheiden ist zwischen dem Anfall und der Fälligkeit des Ver- 199 mächtnisses. Mit dem Anfall entsteht der Vermächtnisanspruch. Frühester Zeitpunkt für den Anfall ist der Erbfall, § 2176 BGB. Es kann bestimmt werden, dass das Vermächtnis erst zu einem späteren Zeitpunkt oder Ereignis anfällt, § 2177 BGB. Fälligkeit bedeutet den Zeitpunkt, zu dem das anfallende Vermächtnis zu erfüllen ist. Im Regelfall wird das Vermächtnis mit dem Anfall fällig, §§ 2716, 2181 BGB. Der Erblasser kann bestimmen, dass die Fälligkeit erst später eintritt. Zivilrechtlich zulässig ist es damit
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– das Geldvermächtnis für den Abkömmling mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten anfallen zu lassen, es aber erst beim Tod des letztversterbenden Ehegatten fällig zu stellen, oder – das Vermächtnis erst mit dem Tod des letztversterbenden Ehegatten anfallen zu lassen. Für die erbschaftsteuerlichen Folgen gilt § 6 ErbStG, der den Grundsatz 201 der Maßgeblichkeit des Zivilrechts insofern durchbricht, als nach § 6 Abs. 1 ErbStG der Vorerbe als Erbe gilt und nach § 6 Abs. 4 ErbStG Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse den Nacherbschaften gleichstehen. Vermächtnisse, die mit dem Tod des Beschwerten fällig werden, sind damit abweichend vom Zivilrecht als Erwerb vom Beschwerten zu behandeln.1 Angesichts dessen sind teilweise abweichende Literaturmeinungen2 nicht tragfähig. Dies gilt auch für den Vorschlag, das Vermächtnis dadurch vom Tod des 202 zweitversterbenden Ehegatten abzukoppeln, dass man es erst mehrere Jahre nach dem Tod des zweitversterbenden Ehegatten anfallen lässt oder fällig stellt. Hier wird § 6 Abs. 4 i.S. von § 42 AO umgangen.3 Der BFH hat mit Urteil vom 27.6.20074 den steuerlichen Abzug einer Ab- 203 findungsverpflichtung im Rahmen eines Berliner Testaments für einen Pflichtteilsverzicht verneint, wenn die Abfindungsforderung bis zum Tod
1 2 3 4
Vgl. ErbStR R 13. Z.B. Ebeling, NJW 1998, 358; Kapp/Ebeling, § 9 ErbStG Rz. 27 ff. So richtig J. Mayer, ZEV 1998, 58. BFH v. 27.6.2007 – II R 30/05, NJW-RR 2007, 1458.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
des Zweitversterbenden gestundet wird. Er beruft sich dabei auf die fehlende wirtschaftliche Belastung des überlebenden Ehegatten. Der Sache nach handelt es sich um eine Verlängerung der Vorschrift des § 6 Abs. 4 ErbStG in den Bereich der postmortalen Gestaltung.1 Nach diesem Urteil ist davon auszugehen, dass nur die Auszahlung zeitnah beim Tod des Erstversterbenden problemlos als abzugsfähig angesehen werden kann.2
IV. Das „Supervermächtnis“ 204
Den weitaus interessantesten Gestaltungsvorschlag hat Siegfried Schmidt gemacht.3 Er schlägt vor, den überlebenden Ehegatten mit einem Vermächtnis zugunsten der Abkömmlinge zu belasten und dieses zum Zweck der Abfindung und ganzen oder teilweisen Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge ausgesetzte Vermächtnis über die damit verbundenen Befugnisse des überlebenden Ehegatten zur Bestimmung von Gegenstand, Bedingungen und Zeitpunkt der Leistungen hinaus mit weiteren Bestimmungsbefugnissen hinsichtlich des Zeitpunktes der Erfüllung, der Auswahl der Vermächtnisnehmer aus dem Kreis der Abkömmlinge und der Anteile am Gesamtvermächtnis zu verbinden.
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Die zivilrechtlichen Grundlagen eines derartigen „Supervermächtnisses“4 sind gesichert. Nach § 2156 BGB kann sich der Erblasser damit begnügen, bei der Anordnung eines Vermächtnisses den Vermächtnisnehmer und den Zweck des Vermächtnisses zu bestimmen, hier die Versorgung der Abkömmlinge und die ganze oder teilweise Ausnutzung der Freibeträge. Der mit dem Vermächtnis Beschwerte, hier der überlebende Ehegatte, kann dann nach billigem Ermessen den Gegenstand, die Bedingungen und den Zeitpunkt der Leistungen bestimmen.
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Bei mehreren mit dem Vermächtnis bedachten Abkömmlingen kann der Beschwerte nach § 2151 BGB die Befugnis erhalten, zu bestimmen, wer von ihnen das Vermächtnis erhalten soll, nach § 2153 BGB die weitere Bestimmungsbefugnis über die Anteile mehrerer Vermächtnisnehmer. Schließlich kann nach § 2181 BGB die Zeit der Erfüllung eines Vermächtnisses dem freien Belieben des Beschwerten überlassen werden.5 1 2 3 4
Everts, NJW 2008, 557. Kesseler/Thouet, NJW 2008, 125. S. Schmidt, BWNotZ 1998, 98 im Anschluss an Keller, BWNotZ 1970, 49. Bezeichnung „Supervermächtnis“ von Langenfeld, ZEV-Jahrestagung 1999/2000, Vortrag: Das Ehegattentestament, Tz. 432; vgl. Ebeling, ZEV 2000, 87 Fn. 1; s.a. Langenfeld, JuS 2002, 351. 5 S. Schmidt formuliert wie folgt: „Der Zuerstversterbende wendet den auf seinen Tod von der Erbfolge ausgeschlossenen Kindern, A, B, C, D ein Vermächtnis zu, dessen Zweck es ist, ihnen als Ersatz eine Abfindung einzuräumen und ihre Erbschaftsteuerfreibeträge auf den Tod des Zuerstversterbenden ganz oder teilweise auszuschöpfen zu ermöglichen. Der überlebende Ehegatte als Beschwerter hat die Befugnis unter den Benannten den bzw. die Bedachten gem. § 2151 BGB und unter den Ausgewählten zu bestimmen, was jeder hieran gem. § 2153 BGB erhält. Er kann gem. § 2156 BGB die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen und die Zeit der Erfüllung nach frei-
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L. Vermeidung von Steuernachteilen der Einheitslçsung
Das Supervermächtnis gibt dem überlebenden Ehegatten die steuerlich 207 wirksame Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Rechtslage beim Tod des erstversterbenden Ehegatten die Nachlassteile, die er entbehren kann, den Abkömmlingen nach Maßgabe ihrer noch offenen Freibeträge zur ganzen oder teilweisen Ausnutzung dieser Freibeträge zu überlassen. Erbschaftsteuerliche Bedenken bestehen nicht.1 Sie ergeben sich auch 208 nicht aus § 42 AO. Das Supervermächtnis dient einmal der Abfindung der Abkömmlinge für ihre Enterbung durch die gegenseitige Erbeinsetzung der Eltern. Die Modalitäten dieser Abfindung bestimmt der überlebende Ehegatte unter Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses. Zum Zweiten dient das Supervermächtnis der Ausnutzung der Kinderfreibeträge des Erbschaftsteuergesetzes. Diese Freibeträge gewährt das Gesetz jedem Kind auf den Tod eines jeden Elternteils unabhängig davon, ob der Erwerb des Kindes auf gesetzlicher Erbfolge, Erbeinsetzung oder Vermächtnis beruht. Das Supervermächtnis führt auf dem Hintergrund der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eltern zu einem Vermögenserwerb der Kinder auf den Tod des erstversterbenden Elternteils. Dieser Erwerb ist erbschaftsteuerlich durch Freibeträge privilegiert. Es ist legitim und hat keinen Umgehungscharakter, wenn diese Freibeträge gezielt ausgenutzt werden. Hinsichtlich des nach § 2156 Satz 2 i.V.m. § 315 BGB gerichtlich nach- 209 prüfbaren billigen Ermessens des überlebenden Ehegatten bei der Leistungsbestimmung weist Jörg Mayer in seiner Anmerkung2 zu einem interessanten Urteil des BayObLG zum Zweckvermächtnis3 mit Recht darauf hin, dass der Bestimmungsberechtigte die Zweck-Mittel-Relation in der Weise zu beachten hat, dass er konkretisieren kann, was der Erblasser dem Beschwerten belassen bzw. dem Bedachten zukommen lassen wollte. Für unsere Fallgruppe bedeutet dies, dass der überlebende Ehegatte bei der Leistungsbestimmung auch sein eigenes Versorgungsinteresse berücksichtigen darf und soll. Teilweise wird empfohlen, für den Zeitpunkt der Leistung des Vermächt- 210 nisses von vornherein einen „Auffangtermin“ zu bestimmen, um den Erfüllungszeitpunkt vom Tod des überlebenden Ehegatten abzukoppeln.4 Denn sonst drohe über die Regelung des § 2181 BGB, nach der dann, wenn die Zeit der Erfüllung eines Vermächtnisses dem freien Belieben des Beschwerten überlassen ist, die Leistung im Zweifel mit dem Tod des Beschwerten fällig wird, doch wieder die Anwendung des § 6 Abs. 4 ErbStG. Weiterhin sei die Auffangfrist so zu bemessen, dass sie angesichts des Le-
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em Belieben gem. § 2181 BGB festlegen. Er kann nach billigem Ermessen den Bedachten einzelne Gegenstände zuweisen, diese bewerten und Ausgleichs- bzw. Gleichstellungszahlungen festlegen.“; zustimmend Ebeling, ZEV 2000, 87. Ebeling, ZEV 2000, 87. J. Mayer, MittBayNot 1999, 44. BayObLG Beschl. v. 2.2.1999 – 1 Z BR 143/98, MittBayNot 1999, 484. Everts, ZErb 2004, 373 (375).
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5. Kap. Das Ehegattentestament
bensalters des Beschwerten nicht unrealistisch sei.1 Es spricht Einiges dafür, nach der Entscheidung des BFH vom 27.6.20072 den Leistungszeitpunkt nicht mehr entsprechend den bisherigen Klauselvorschlägen offen zu lassen, sondern dem überlebenden Ehegatten eine Frist vorzugeben, die ihn zu einer alsbaldigen Entscheidung über die Realisierung des Vermächtnisses bei eigener wirtschaftlicher Belastung zwingt und damit Bedenken aus § 42 AO von vornherein ausschließt.
M 181
Supervermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Nimmt der berlebende Ehegatte die Erbschaft an und wird so Alleinerbe, so erhalten die gemeinsamen Kinder, ersatzweise deren Abkçmmlinge einschließlich adoptierter und nichtehelicher Abkçmmlinge, vom erstversterbenden Ehegatten ein Zweckvermchtnis gem. §§ 2151 ff., 2156 BGB. Zweck des Vermchtnisses i.S.v. § 2156 BGB ist es einmal, allen oder einzelnen Abkçmmlingen eine Abfindung dafr zu gewhren, dass sie beim ersten Erbfall durch die Einsetzung des berlebenden Elternteils enterbt sind, sowie zum Zweiten, ein Ausnutzen der erbschaftsteuerlichen Freibetrge zu ermçglichen. Dem berlebenden Ehegatten steht zur Vereinbarung dieser Zwecke mit einer ausgewogenen familiren Vermçgensverteilung sowie mit dem eigenen Interesse auf Sicherung seiner Altersversorgung ein umfassendes Bestimmungsrecht zu. Er kann bestimmen – den Gegenstand, die Bedingungen und den Zeitpunkt der Leistungen, § 2156 BGB, dies im Rahmen von §§ 2156 Satz 2, 315 BGB insbesondere auch unter Bercksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses, – die Zeit der Erfllung, § 2181 BGB, – diejenigen, die aus dem Kreis der oben Genannten das Vermchtnis erhalten sollen, § 2151 BGB, – sowie deren Anteile an dem Vermchtnis, § 2153 BGB. Der berlebende Ehegatte hat die Zeit der Erfllung des Vermchtnisses so zu bestimmen, dass die Erfllung innerhalb von fnf Jahren nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten erfolgt. Weiterhin kann der berlebende Ehegatte dann, wenn er Grundstcke zum Gegenstand des Vermchtnisses macht, – mit Untervermchtnissen Ausgleichszahlungen anordnen, – sich an den Grundstcken den Nießbrauch mit einem von ihm zu bestimmenden Inhalt vorbehalten, 1 Everts, NJW 2008, 558. 2 BFH v. 27.6.2007 – II R 30/05, FamRZ 2007, 1736 = NJW-RR 2007, 1458; kritisch Wälzholz, ZEV 2007, 503.
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
– sich hinsichtlich der Grundstcke Rckforderungsrechte fr die Flle der Verußerung oder Belastung durch den Vermchtnisnehmer, des Vorversterbens des Vermchtnisnehmers und des Vermçgensverfalls des Vermchtnisnehmers vorbehalten, – sowie die grundbuchmßigen Sicherheiten hierfr bestellen.1
M. Formulierungsbeispiele für Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen I. Überblick Nachfolgend werden die Typen von Ehegattentestamenten dargestellt und 211 erläutert, die sich in der Gestaltungspraxis entweder schon durchgesetzt haben oder auf dem Weg hierzu sind. Es ergibt sich eine differenzierte Palette von Standardlösungen, an denen sich der Testamentsgestalter in Anwendung des analogen, zuordnenden Denkens unter Berücksichtigung der Besonderheiten seines Falls orientieren kann. Entsprechend den Grundsätzen der Vertragsgestaltung nach Fallgruppen und Gestaltungstypen2 (s. auch 1. Kap. Rz. 426 ff.) wird zunächst die jeweilige Fallgruppe beschrieben und dann in einen Testamentstyp umgesetzt. Die einzelnen Bausteine (Regelungstypen) werden entweder direkt im Text oder durch Verweis erläutert.
II. Junge kinderlose Ehegatten 1. Fallgruppen Bei jungen kinderlosen Eheleuten bzw. Lebenspartnern iSd. LPartG ist 212 rechtlich davon auszugehen, dass im gesetzlichen Güterstand Eltern und ersatzweise Geschwister zu einem Viertel Miterben werden, bei Gütertrennung zur Hälfte.3 Bei Enterbung etwa durch gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute haben Eltern Pflichtteilsrechte, Geschwister nicht.4 Die Erbengemeinschaft zwischen Eltern und Schwiegerkind wird selten als sachgerecht empfunden, die zwischen dem überlebenden Ehegatten und seinen Schwägern regelmäßig nicht. Für die Testamentsgestaltung kommen zwei alternative Modelle in Be- 212a tracht, entweder die Ausschaltung der Eltern und Geschwister zugunsten des überlebenden Ehegatten oder die Ausschaltung des überlebenden Ehe1 Vgl. den Formulierungsvorschlag von Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 6 Rz. 209, der sich wiederum auf Wälzholz und Kornexl beruft (Fn. 275). 2 Hierzu Langenfeld, Vertragsgestaltung, passim. 3 §§ 1931, 1371 BGB. 4 § 2303 BGB.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
gatten zugunsten der Eltern und Geschwister. Vermittelnde Lösungen sind das Vor- und Nacherbentestament oder die Bedenkung jeweils der grundsätzlich ausgeschalteten Personen mit Vermächtnissen. Die Entscheidung, wer bedacht und wer ausgeschaltet werden soll, hängt typischerweise von der Herkunft des vorhandenen Vermögens ab. Haben die Eheleute lediglich gemeinsam erarbeitetes Vermögen, werden sie zur gegenseitigen Erbeinsetzung neigen (s. nachfolgend Rz. 213). Haben sie jeweils einseitiges Vermögen aus Schenkungen, vorweggenommenen oder echten Erbfolgen oder Ausstattung, so werden sie dazu neigen, dieses Vermögen entweder sofort (s. nachfolgend Rz. 216) oder zumindest im Wege der Nacherbfolge (s. nachfolgend Rz. 215), auf ihre Familie übergehen zu lassen. Auch etwaige künftige Kinder können berücksichtigt werden. Den Eheleuten ist zu verdeutlichen, dass die gewählte Lösung zu einem späteren Zeitpunkt der Ehe hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit zu überprüfen ist. 2. Lediglich gegenseitige Erbeinsetzung jüngerer Eheleute 213
Die lediglich gegenseitige Erbeinsetzung empfiehlt sich für Eheleute, die einander Vertrauen entgegenbringen und die den Letztversterbenden frei entscheiden lassen wollen, wie er die Erbfolge auf seinen Tod regelt.
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In der jungen Ehe ist, wenn noch keine Kinder vorhanden sind und vor allem die Eltern oder Geschwister als Miterben nach § 1931 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden sollen, die lediglich gegenseitige Erbeinsetzung eine Form des Ehegattentestaments, die sich zunächst anbietet und zu einem späteren Zeitpunkt der Ehe durch Verfügungen auf den Tod des Letztversterbenden ergänzt werden kann. Wegen des gleichzeitig mitaufgenommenen Pflichtteilsverzichts ist nach §§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB notarielle Beurkundung in Gestalt eines Erbvertrages erforderlich.
M 182
Erbvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag
(Form: notarielle Beurkundung) Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es sind anwesend, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und unbedenklich voll geschftsfhig, ergnzend lag jeweils eine Geburtsurkunde vor: Frau . . . , geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Herr . . . , geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . beide wohnhaft . . . Die Erschienenen sind deutsche Staatsangehçrige, sie haben am . . . in . . . in beiderseits erster Ehe geheiratet. Gemeinsame oder einseitige Abkçmmlinge sind nicht vorhanden. Verfgungen von Todes wegen wurden bisher nicht errichtet. Die Erschienenen erklren den folgenden
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
Erbvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag I. Gegenseitige Erbeinsetzung Wir setzen uns hiermit gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. Verfgungen auf den Tod des Letztversterbenden wnschen wir heute nicht zu treffen. II. Gleichzeitiges Versterben1 Im Falle des gleichzeitigen Versterbens wird die Ehefrau von . . . , der Ehemann von . . . beerbt. Dies gilt auch fr den Fall des Versterbens von beiden Eheleuten kurz hintereinander aus gleicher Ursache. Der zunchst berlebende Ehegatte wird auch dann nicht Erbe des Erstverstorbenen. Jeder von uns verzichtet hiermit in vertraglicher bereinstimmung mit dem dies annehmenden anderen auf Pflichtteilsrechte des berlebenden Ehegatten. III. Bindung, Rcktrittsvorbehalt2 Die vorstehenden Verfgungen erfolgen vertragsmßig bindend. Der Rcktritt von diesem Erbvertrag wird jedem Ehegatten vorbehalten. Mit Wirksamkeit des Rcktritts entfllt der Pflichtteilsverzicht im Wege der auflçsenden Bedingung. IV. Scheidung3 Durch Stellung des Scheidungsantrags werden alle Verfgungen dieser Urkunde unwirksam, wenn in der Folge des Scheidungsantrags die Ehe geschieden wird oder wenn ein Ehegatte vor Rechtskraft der Scheidung verstirbt und die Voraussetzungen fr die Scheidung gegeben waren. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
3. Gegenseitige Vorerbeneinsetzung jüngerer Eheleute Die Fallgruppe für den folgenden Testamentstyp ist dadurch gekennzeich- 215 net, dass die Ehegatten jeweils nicht unerhebliches Vermögen haben, das vor der Zeit des Zusammenlebens erworben wurde und für dessen vorbehaltlosen Übergang auf den überlebenden Ehegatten angesichts der noch kurzen Ehedauer noch keine Rechtfertigung besteht. Der überlebende Ehegatte soll das Vermögen des Erstversterbenden bis zur Wiederverheiratung oder bis zu seinem Tod nutzen können, dabei aber den Beschränkungen des nicht befreiten Vorerben unterliegen, s. dazu 3. Kap. Rz. 64 ff. Nacherben sollen in erster Linie die Verwandten sein, soweit noch keine gemeinsamen Kinder vorhanden sind. Es wird klargestellt, dass der überlebende Ehegatte auf seinen Tod keine letztwillige Verfügung trifft. Dies beugt der hier nicht gewollten ergänzenden Auslegung unter Anwendung
1 Dazu Rz. 88 ff. 2 Dazu Rz. 48 ff. 3 Dazu Rz. 162 ff.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
des § 2102 Abs. 1 BGB vor. Nach dieser Vorschrift sind die Nacherben im Zweifel auch die Ersatzerben. Die Vorschrift wird dann angewendet, wenn zu vermuten ist, dass die Ehegatten die Notwendigkeit der Bestimmung der eigenen Erben des überlebenden Ehegatten nicht erkannt haben.1
M 183
Gegenseitige Vorerbeneinsetzung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Gemeinschaftliches Testament I. Vorerbeneinsetzung Wir, die Eheleute . . . und . . . , setzen uns gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu Erben ein. Der berlebende soll jedoch nur von den gesetzlichen Beschrnkungen nicht befreiter Vorerbe sein. Die Nacherbenanwartschaft ist nicht verußerlich und nicht vererblich. II. Nacherbeneinsetzung Nacherben auf den Zeitpunkt der Wiederverheiratung oder des Todes des berlebenden werden in erster Linie die gemeinsamen Abkçmmlinge, mangels gemeinsamer Abkçmmlinge die Verwandten des Erstverstorbenen, beide jeweils nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. III. Eigene Erben des Nacherben Der berlebende von uns trifft auf seinen Tod heute keine letztwillige Verfgung. (Datum, Unterschriften)
4. Rückflusslösung bei jüngeren Eheleuten 216
Im Gegensatz zur obigen Vor- und Nacherbenlösung wird bei der Rückflusslösung der überlebende Ehegatte am Nachlass des Erstverstorbenen in keiner Weise beteiligt. Das Vermögen des Erstverstorbenen, das aus Zuwendungen der Eltern stammt, fließt an diese zurück, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind. Sind beim Tod des Erstversterbenden weder Abkömmlinge noch Eltern vorhanden, so wird der Ehegatte Erbe. Wegen des gleichzeitig mitaufgenommenen Pflichtteilsverzichts ist notarielle Beurkundung in Gestalt eines Erbvertrages erforderlich, §§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB.
1 Vgl. z.B. OLG Karlsruhe v. 20.12.2002 – 11 Wx 91/01, NJW-RR 2003, 582.
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
M 184
Rckflusslçsung
(Form: notarielle Beurkundung) Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es sind anwesend, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und unbedenklich voll geschftsfhig, ergnzend lag jeweils eine Geburtsurkunde vor: Frau . . . , geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Herr . . . , geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . beide wohnhaft . . . Die Eheleute sind deutsche Staatsangehçrige. Sie haben am . . . in . . . in beiderseits erster Ehe geheiratet. Gemeinsame oder einseitige Abkçmmlinge sind nicht vorhanden. Letztwillige Verfgungen wurden bisher nicht errichtet. Sie erklren den folgenden Erbvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag I. Erbeinsetzung Jeder von uns setzt, wenn er der Erstversterbende ist, zu seinen Erben in erster Linie seine Abkçmmlinge aus unserer Ehe nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, in zweiter Linie mangels Abkçmmlingen aus unserer Ehe seine Eltern zu gleichen Teilen bzw. den berlebenden Elternteil allein ein. II. Ersatzerbeinsetzung Hinterlsst der Erstversterbende weder Abkçmmlinge aus unserer Ehe noch Eltern, so wird der berlebende Ehegatte Erbe. III. Pflichtteilsverzicht Der berlebende Ehegatte verzichtet hiermit vertraglich auf den Tod des dies annehmenden Erstversterbenden auf smtliche Pflichtteilsrechte. IV. Keine Verfgung des berlebenden Der berlebende Ehegatte trifft heute auf seinen Tod keine Verfgung. V. Bindung, Rcktrittsvorbehalt Die Verfgungen nach §§ 1 und 2 erfolgen vertragsmßig bindend. Der Rcktritt hiervon bleibt jedem Ehegatten vorbehalten. Mit Wirksamkeit des Rcktritts entfllt der Pflichtteilsverzicht nach § 3 im Wege der auflçsenden Bedingung. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
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5. Kap. Das Ehegattentestament
III. Jüngere Eheleute mit minderjährigen Kindern 1. Fallgruppen 217
Die Geburt eines gemeinsamen Kindes lässt im Regelfall entsprechend den Wertungen der gesetzlichen Erbfolge die Eltern und Geschwister hinter den Abkömmling zurücktreten und führt regelmäßig auch zur Bevorzugung des Ehegatten, der jetzt auch ein Elternteil ist, vor den Verwandten aufsteigender Linie. Für ein den überlebenden Ehegatten voll bindendes Berliner Testament ist es aber noch zu früh. Angesichts einer möglichen Wiederverheiratung des überlebenden Ehegattens, die regelmäßig auch im Interesse der Kinder erster Ehe sein wird, sollte man den Überlebenden grundsätzlich nicht binden. Bei kleinen Vermögen genügt die gegenseitige Erbeinsetzung mit der Regelung des gemeinsamen Versterbens (s. oben Rz. 213 f.). Soll bereits vorhandenes Vermögen den Kindern erster Ehe als Schlusserben des Überrestes erhalten bleiben, kann das Berliner Testament mit Abänderungsklausel gewählt werden (s. nachfolgend Rz. 220). 2. Gegenseitige Erbeinsetzung M 185
Gegenseitige Erbeinsetzung
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig, Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Die Erschienenen erklren, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen. Sie verlangen die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars nicht. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben die gemeinsamen Kinder . . . (Namen, Geburtsdaten). Nach ihrer Erklrung sind sie nicht durch eine frhere bindende Verfgung von Todes wegen an dem hiesigen Erbvertrag gehindert. Sie erklren folgenden Erbvertrag I. Gegenseitige Erbeinsetzung Wir setzen uns hiermit gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. Verfgungen auf den Tod des Letztversterbenden wnschen wir heute nicht zu treffen.
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
II. Gemeinsames Versterben (s. dazu oben Rz. 88 ff.) Fr den Fall, dass wir gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlass versterben, bestimmen wir jeder zu seinen Erben die gemeinsamen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Fr den Fall des gemeinsamen Versterbens bestimmen wir als Vormund unserer minderjhrigen Kinder die Schwester der Ehefrau . . . III. Bindung, Rcktrittsvorbehalt Smtliche vorstehenden Verfgungen sind, soweit zulssig, erbvertraglich bindend. Der Rcktritt von diesem Erbvertrag bleibt jedem Ehegatten vorbehalten. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
3. Berliner Testament mit Befreiung für künftigen Vermögenserwerb M 186
Berliner Testament mit Befreiung fr knftigen Vermçgenserwerb
(Form: Verfgung von Todes wegen) Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig, Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen, wobei sie beide jeweils Erblasser und Vertragspartner sind. Sie verlangen die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars nicht. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben die gemeinsamen Kinder . . . Nach ihrer Erklrung sind sie durch eine frhere bindende Verfgung von Todes wegen an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde Erbvertrag I. Gegenseitige Erbeinsetzung Wir setzen uns gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein, und zwar gleichviel, ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden von uns vorhanden sind. Eine Nacherbfolge findet nicht statt. Schlgt der berlebende die Erbschaft aus, so ist er nicht als gesetzlicher Miterbe berufen.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
II. Schlusserben Schlusserben beim Tod des berlebenden von uns und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge, und zwar einschließlich adoptierter und nichtehelicher Abkçmmlinge, unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des zweiten Erbfalls. III. Pflichtteilsklausel Derjenige unserer Abkçmmlinge, der beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil gegen den Willen des berlebenden verlangt, wird samt seinen Abkçmmlingen vom berlebenden einseitig testamentarisch auf den Pflichtteil gesetzt. Den anderen Abkçmmlingen vermacht der Erstversterbende fr diesen Fall einen Geldanspruch in Hçhe des Wertes ihrer gesetzlichen Erbteile. Diese Vermchtnisse sind beim Tod des berlebenden fllig, werden aber ab dem Tod des Erstversterbenden mit 5 % jhrlich verzinst, wobei die Zinsen beim Tod des berlebenden fllig werden. Bei minderjhrigen Kindern ist der berlebende von der Inventarisierungspflicht befreit. IV. Freistellung des berlebenden Der berlebende von uns wird jedoch bezglich derjenigen Vermçgenswerte von der Bindung an seine eigenen Verfgungen freigestellt, die er erst nach dem Tode des Erstversterbenden erwirbt. Zur Feststellung des der Bindung unterliegenden Vermçgens hat der berlebende beim Tod des Erstversterbenden ein notarielles Vermçgensverzeichnis des beiderseitigen Vermçgens zu diesem Zeitpunkt errichten zu lassen. Zu den der Bindung unterliegenden Vermçgenswerten gehçrt auch alles, was der berlebende aufgrund eines zu diesem Vermçgen gehçrenden Rechts, als Ersatz fr die Zerstçrung, Beschdigung oder Entziehung eines Gegenstandes dieses Vermçgens oder durch Rechtsgeschft mit Mitteln dieses Vermçgens erwirbt. Der berlebende hat jeweils, wenn ein Austausch wesentlicher Vermçgensstcke stattgefunden hat, das Verzeichnis in notarieller Nachtragsurkunde ergnzen zu lassen. Der Anspruch auf Errichtung des Vermçgensverzeichnisses wird den Schlusserben vom Erstversterbenden als Vermchtnis zugewendet. Die Ersatzgegenstnde werden den Schlusserben vom Erstversterbenden im Wege des Verschaffungsvermchtnisses zugewendet. ber das nicht der Bindung unterliegende Vermçgen kann der Lngstlebende im Wege des Vermchtnisses frei verfgen. V. Bindung, Rcktrittsvorbehalt Smtliche vorstehenden Verfgungen werden, soweit gesetzlich zulssig, vertragsmßig bindend getroffen. Der Rcktritt bleibt bis zum Tod des Erstversterbenden vorbehalten. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
IV. Ältere Eheleute 1. Fallgruppen und Interessen Bestimmend für die Fallgruppen ist, dass sich die Verhältnisse der Ehegat- 218 ten auf einem Stand stabilisiert haben, der künftige grundsätzliche Änderungen unwahrscheinlich macht und eine endgültige letztwillige Verfügung erlaubt. Die Ehe hat gehalten, die Entwicklung der Kinder und ihrer Verhältnisse ist überschaubar, die Vermögensverhältnisse stehen fest. Welche letztwillige Verfügung jetzt sachgerecht ist, hängt ab von Größe und Zusammensetzung des Vermögens und der Altersversorgung und davon, ob keine Kinder vorhanden sind, lediglich gemeinsame Kinder, jeweils einseitige Kinder, nur auf einer Seite Kinder oder gar „meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder“. Im Bereich der Kinder können wegen Problemkindern besondere Lösungen erforderlich werden. Grundsätzlich geht regelmäßig der überlebende Ehegatte vor, nachdem die Kinder ausgebildet und ausgestattet sind. Bei kinderlosen Ehegatten ist dies ohnehin selbstverständlich. Ehegatten mit Kindern können sich bei gegenseitigem Vertrauen ebenfalls mit der lediglich gegenseitigen Erbeinsetzung begnügen. Sonst ist das Berliner Testament die grundsätzlich fallgruppengerechte Lösung. Das Berliner Testament ist die häufigste Form des Ehegattentestaments. 219 Es entspricht der heute weit überwiegenden Auffassung, dass nach einem gemeinsamen Eheleben und der Versorgung der Kinder durch Ausbildung und ggf. Ausstattung die Versorgung des überlebenden Ehegatten im Vordergrund steht, während die Kinder dann das Vermögen erhalten sollen, das beim Tod des überlebenden Ehegatten übrig bleibt.1 Obwohl das Berliner Testament durch § 2269 BGB im Rahmen des ge- 220 meinschaftlichen Testaments gesetzlich angesprochen wird, kann das Modell auch Gegenstand eines Ehegattenerbvertrags sein. Es wird verwirklicht durch eigenhändiges gemeinschaftliches Testament, durch notariell beurkundetes gemeinschaftliches Testament oder durch notariell beurkundeten Ehegattenerbvertrag. Im Folgenden wird ein Berliner Testament mit Änderungsvorbehalten (s. nachfolgend M 187), ein völlig bindendes Berliner Testament (s. nachfolgend M 188) und ein Berliner Testament nach Stämmen (s. nachfolgend M 189) ausformuliert.
1 Langenfeld, NJW 1996, 2601.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
2. Testamente von Ehegatten mit Kindern a) Berliner Testament mit teilweisem Änderungsvorbehalt M 187
Berliner Testament mit teilweisem nderungsvorbehalt
(Form: Verfgung von Todes wegen) Gemeinschaftliches Testament I. Gegenseitige Erbeinsetzung Wir setzen uns gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein, und zwar gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden von uns vorhanden sind. Eine Nacherbfolge findet nicht statt. Schlgt der berlebende die Erbschaft aus, so ist er nicht als gesetzlicher Miterbe berufen. II. Schlusserbeneinsetzung Schlusserben beim Tod des berlebenden von uns und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge, und zwar einschließlich adoptierter Abkçmmlinge, jedoch mit Ausnahme nichtehelicher Kinder mnnlicher Nachkommen und ihrer Abkçmmlinge, unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des zweiten Erbfalls. III. nderungsvorbehalt(s. dazu oben Rz. 96 ff.) Der berlebende hat folgende nderungsbefugnisse: Wenn ein Abkçmmling den Pflichtteil verlangt, kann er ihn enterben. Weiterhin ist er berechtigt, die Erbteile unserer Kinder anders festzulegen und Vermchtnisse zugunsten einzelner unserer Kinder hinsichtlich der ihm gehçrenden Gegenstnde des persçnlichen Gebrauchs, einschließlich Schmuck, anzuordnen. Der Lngstlebende von uns ist auch berechtigt, Testamentsvollstreckung anzuordnen, jedoch lngstens bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres unseres jngsten Kindes. Der berlebende von uns ist berechtigt, durch letztwillige Verfgungen einem etwa ihn berlebenden zuknftigen Ehegatten seinen Hausrat zu Alleineigentum und an einem etwaigen Familienheim ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht oder einen lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch zu vermachen. IV. Scheidung (s. dazu oben Rz. 162 ff.) Smtliche vorstehenden Verfgungen, insbesondere auch die Einsetzung der Schlusserben, entfallen und sind unwirksam, wenn die Ehe der Erblasser vor dem Tod des Erstverstorbenen aufgelçst worden ist oder bei dessen Tod die Voraussetzungen fr die Scheidung den Ehe gegeben waren und einer der beiden Ehegatten die Scheidung beantragt hat.
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
b) Berliner Testament mit völliger Bindung des Überlebenden M 188
Berliner Testament mit vçlliger Bindung des berlebenden
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig . . . Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar ein gemeinschaftliches Testament durch mndliche Erklrung errichten zu wollen. Sie verlangen die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars nicht. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben die folgenden gemeinsamen Abkçmmlinge . . . Einseitige Abkçmmlinge eines Ehegatten sind nicht vorhanden. Nach ihrer Erklrung sind die Erschienenen durch eine frhere bindende letztwillige Verfgung an dem heutigen Testament nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde. Gemeinschaftliches Testament I. Gegenseitige Erbeinsetzung Wir setzen uns gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein, und zwar gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden von uns vorhanden sind. Eine Nacherbfolge findet nicht statt. Schlgt der berlebende die Erbschaft aus, so ist er nicht als gesetzlicher Miterbe berufen. II. Schlusserbeneinsetzung Schlusserben beim Tod des berlebenden von uns und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge, und zwar einschließlich adoptierter und nichtehelicher Abkçmmlinge, unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des zweiten Erbfalls. III. Pflichtteilsklausel Derjenige unserer Abkçmmlinge, der beim Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des berlebenden seinen noch nicht verjhrten Pflichtteil verlangt, wird samt seinen Abkçmmlingen vom berlebenden einseitig testamentarisch auf den Pflichtteil gesetzt. Den anderen Abkçmmlingen vermacht der Erstversterbende fr diesen Fall einen Geldanspruch in Hçhe des Wertes ihrer gesetzlichen Erbteile. Diese Vermchtnisse sind beim Tod des berlebenden fllig, werden aber ab dem Tod des Erstversterbenden mit 10 % jhrlich verzinst, wobei die Zinsen beim Tod des berlebenden fllig werden. Bei min-
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5. Kap. Das Ehegattentestament
derjhrigen Kindern ist der berlebende von der Inventarisierungspflicht befreit. IV. Wechselbezglichkeit Smtliche von uns vorstehend getroffenen Verfgungen sind, soweit gesetzlich zulssig, wechselbezglich. V. Verzicht auf Selbstanfechtung An diese Bestimmungen soll der berlebende auch in dem Fall gebunden bleiben, dass er noch einmal heiratet oder sonst Pflichtteilsberechtigte hinzutreten. Der berlebende von uns verzichtet deshalb ausdrcklich vertraglich auf sein Anfechtungsrecht wegen bergehung eines Pflichtteilsberechtigten. VI. Vermchtnis Nimmt der berlebende Ehegatte die Erbschaft an und wird so Alleinerbe, so erhalten die gemeinsamen Kinder, ersatzweise deren Abkçmmlinge einschließlich adoptierter und nichtehelicher Abkçmmlinge, vom erstversterbenden Ehegatten ein Zweckvermchtnis gem. §§ 2151 ff., 2156 BGB. Zweck des Vermchtnisses iSv. § 2156 BGB ist es einmal, allen oder einzelnen Abkçmmlingen eine Abfindung dafr zu gewhren, dass sie beim ersten Erbfall durch die Einsetzung des berlebenden Elternteils enterbt sind, sowie zum Zweiten, ein Ausnutzen der erbschaftsteuerlichen Freibetrge zu ermçglichen. Dem berlebenden Ehegatten steht zur Vereinbarung dieser Zwecke mit einer ausgewogenen familiren Vermçgensverteilung sowie mit dem eigenen Interesse auf Sicherung seiner Altersversorgung ein umfassendes Bestimmungsrecht zu. Er kann bestimmen – den Gegenstand, die Bedingungen und den Zeitpunkt der Leistungen, § 2156 BGB, dies im Rahmen von §§ 2156 Satz 2, 315 BGB insbesondere auch unter Bercksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses, – die Zeit der Erfllung, § 2181 BGB, – diejenigen, die aus dem Kreis der oben Genannten das Vermchtnis erhalten sollen, § 2151 BGB, – sowie deren Anteile an dem Vermchtnis, § 2153 BGB. Der berlebende Ehegatte hat die Zeit der Erfllung des Vermchtnisses so zu bestimmen, dass die Erfllung innerhalb von fnf Jahren nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten erfolgt. Weiterhin kann der berlebende Ehegatte dann, wenn er Grundstcke zum Gegenstand des Vermchtnisses macht, – mit Untervermchtnissen Ausgleichszahlungen anordnen, – sich an den Grundstcken den Nießbrauch mit einem von ihm zu bestimmenden Inhalt vorbehalten, – sich hinsichtlich der Grundstcke Rckforderungsrechte fr die Flle der Verußerung oder Belastung durch den Vermchtnisnehmer, des Vorver-
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
sterbens des Vermchtnisnehmers und des Vermçgensverfalls des Vermchtnisnehmers vorbehalten, – sowie die grundbuchmßigen Sicherheiten hierfr bestellen. VII. Scheidung Smtliche vorstehenden Verfgungen, insbesondere auch die Einsetzung der Schlusserben, entfallen und sind unwirksam, wenn die Ehe der Erblasser vor dem Tod des Erstverstorbenen aufgelçst worden ist oder bei dessen Tod die Voraussetzungen fr die Scheidung der Ehe gegeben waren und einer der beiden Ehegatten die Scheidung beantragt hat. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
c) Erbvertrag mit Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen M 189
Erbvertrag mit Schlusserbeneinsetzung nach Stmmen
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig . . . Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen, wobei sie beide jeweils Erblasser und Vertragspartner sind. Sie verlangen die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars nicht. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben keine gemeinsamen Abkçmmlinge. Der Ehemann hat die einseitige Tochter . . . , die Ehefrau die einseitigen Kinder . . . Nach ihrer Erklrung sind die Eheleute durch eine frhere bindende letztwillige Verfgung an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde Erbvertrag I. Gegenseitige Erbeinsetzung Wir setzen uns hiermit gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. II. Schlusserbeneinsetzung Fr den Tod des Lngstlebenden von uns bestimmen wir, dass dann die Hlfte des vorhandenen Nachlasses an die Abkçmmlinge des Ehemannes und die andere Hlfte an die Abkçmmlinge der Ehefrau als Erben fallen soll, die jeweils unter sich einen Erbenstamm bilden sollen. Die einzelnen Erbenstmme sind unter sich nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge zur Erben eingesetzt. Der
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5. Kap. Das Ehegattentestament
berlebende Ehegatte kann diejenigen Abkçmmlinge des Erstversterbenden, die den Pflichtteil verlangen, samt deren Abkçmmlinge von der Erbfolge auf seinen Tod ausschließen. III. Ersatzschlusserbeneinsetzung Fllt ein Erbe vor oder nach dem Eintritt weg, so sind seine Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge Ersatzerben. Sind keine Abkçmmlinge vorhanden, so wchst der Erbteil den brigen Erben nach dem Verhltnis ihrer Erbteile an, bei gemeinschaftlichen Erbteilen zunchst innerhalb des gemeinschaftlichen Erbteils. Diese Bestimmungen haben Vorrang vor allen gesetzlichen oder sonstigen Auslegungs-, Vermutungs- oder Ergnzungsbestimmungen. Schlgt ein Erbe die Erbschaft aus, um den Pflichtteil zu verlangen, oder verzichtet er gegen Entgelt auf seine Zuwendung, so werden seine Abkçmmlinge nicht Ersatzerben. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
V. Vorerbentestamente bei Eheleuten 1. Fallgruppen 221
Die Vor- und Nacherbschaft dient bei Eheleuten der Trennung der Nachlässe. Diese Trennung kommt als „Erbhoflösung“ insbesondere dann in Betracht, wenn ein Ehegatte ererbtes Vermögen hat, das in der Blutslinie bleiben soll. In diesem Fall kann man den anderen Ehegatten, wenn er der Überlebende sein sollte, lediglich zum Vorerben einsetzen (s. nachfolgend M 190). Die Nachlasstrennung kann auch in den Fällen eingesetzt werden, in denen die Konstellation „meine Kinder – deine Kinder“ vorliegt und der Überlebende als nicht befreiter Vorerbe die Nutzung des Nachlasses des Erstverstorbenen haben soll (s. nachfolgend M 191). Weiterhin kann die Vor- und Nacherbschaft durch Kombination mit dem Vorausvermächtnis gegenständlich beschränkt werden. Damit kann etwa das Familienheim den gemeinsamen Abkömmlingen erhalten bleiben, während das sonstige Vermögen sich mit dem eigenen Vermögen des überlebenden Ehegatten vereinigt und diesem zur freien lebzeitigen und letztwilligen Verfügung steht (s. nachfolgend M 192). 2. Befreite Vorerbschaft M 190
Befreite Vorerbschaft
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig . . .
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen, wobei sie beide jeweils Erblasser und Vertragspartner sind. Sie verlangen die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars nicht. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben die folgenden gemeinsamen Kinder: . . . Der Ehemann hat den Sohn . . . Nach ihrer Erklrung sind sie durch eine frhere bindende lVerfgung von Todes wegen an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde Erbvertrag I. Erbeinsetzungen Wenn der Ehemann zuerst verstirbt, wird die Ehefrau seine alleinige und unbeschrnkte Erbin. Verstirbt die Ehefrau zuerst, wird der Ehemann Vorerbe. Der Nacherbe ist Ersatzerbe. Der Vorerbe ist von allen Beschrnkungen und Verpflichtungen befreit, von denen er nach dem Gesetz befreit werden kann. Ihm stehen alle Rechte zu, die ihm nach dem Gesetz zustehen kçnnen, einschließlich des Rechts auf Verzehr des Nachlasses. II. Nach- und Schlusserbeneinsetzung Nacherben auf den Tod des Ehemannes als Letztversterbenden und Erben des Letztversterbenden und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge, und zwar einschließlich adoptierter Abkçmmlinge, jedoch mit Ausnahme nicht-ehelicher Kinder mnnlicher Nachkommen und ihrer Abkçmmlinge, unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des zweiten Erbfalles. Es sind dies zur Zeit die Tçchter . . . . Hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung kann im Kreise der Abkçmmlinge frei abweichend verfgt werden. III. Sonstige Bestimmungen Derjenige unserer gemeinsamen Abkçmmlinge, der beim Tod des Erstversterbenden gegen den Willen des berlebenden seinen Pflichtteil verlangt, wird samt seinen Abkçmmlingen nicht Nacherbe und nicht Erbe des Letztversterbenden. Die Nacherbenanwartschaften sind nicht verußerlich und nicht vererblich. Beim Tod eines Nacherben zwischen dem Eintritt des Erbfalles und dem Eintritt des Nacherbfalles nach dem Erstversterbenden treten an seine Stelle seine Abkçmmlinge nach obiger Maßgabe. IV. Smtliche vorstehenden Verfgungen werden, soweit gesetzlich zulssig, vertragsmßig getroffen. Ein vertragliches Rcktrittsrecht wird nicht vorbehalten. Der Notar hat uns darber belehrt, dass wir diesen Erbvertrag mit Ausnahme des nderungsvorbehalts nur gemeinsam aufheben oder ndern kçnnen. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
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5. Kap. Das Ehegattentestament
3. Nicht befreite Vorerbschaft M 191
Nicht befreite Vorerbschaft
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Vorlage ihrer Bundespersonalausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig . . . Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen, wobei sie beide jeweils Erblasser und Vertragspartner sind. Sie verlangen die Hinzuziehung von Zeugen oder eines zweiten Notars nicht. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben keine gemeinsamen Abkçmmlinge. Der Ehemann hat den Sohn . . . , die Ehefrau die Tochter . . . Nach ihrer Erklrung sind sie durch eine frhere bindende Verfgung von Todes wegen an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde Erbvertrag I. Vorerben, Nacherben Wir berufen uns gegenseitig zu alleinigen, nicht befreiten Vorerben. Der Nacherbe ist Ersatzerbe. Nacherben sollen sein die Abkçmmlinge des Erstversterbenden nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Nacherbenanwartschaften sind nicht verußerlich und nicht vererblich. II. Erben des berlebenden Der berlebende bestimmt zu seinen Erben seine Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Er kann diese Verfgung ber seinen eigenen Nachlass jederzeit, auch nach dem Tod des Erstversterbenden, einseitig ndern oder ergnzen. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
4. Beschränkung der Nacherbfolge auf Immobilien M 192
Beschrnkung der Nacherbfolge auf Immobilien
(Form: Verfgung von Todes wegen) Gemeinschaftliches Testament I. Gegenseitige Vorerbeneinsetzung Wir berufen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben, gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigte beim Tode des Erstversterbenden vorhanden sind. Der Vorerbe ist von allen Beschrnkungen und Verpflichtungen befreit, von denen er nach dem Gesetz befreit werden kann. Ihm stehen alle Rechte zu, die ihm nach dem Gesetz zustehen kçnnen, einschließlich des Rechts auf Verzehr des Nachlasses. Der Nacherbe ist Ersatzerbe. II. Vorausvermchtnisse Der berlebende Ehegatte erhlt im Wege des nicht der Nacherbfolge unterliegenden Vorausvermchtnisses den gesamten Nachlass des Erstversterbenden mit Ausnahme smtlicher Grundstcke und grundstcksgleicher Rechte. Der Vorerbe ist berechtigt, vor Eintritt des Nacherbfalles den zur Vorerbschaft gehçrenden Grundbesitz an einen oder mehrere unserer gemeinschaftlichen Abkçmmlinge zu bertragen. Macht der Vorerbe von dieser Befugnis Gebrauch, so gilt ihm der berlassene Grundbesitz als durch Vorausvermchtnis auf Ableben des Erstversterbenden zugewendet. III. Nach- und Schlusserbeneinsetzung Nacherben auf den Tod des Erstversterbenden und Erben des Letztversterbenden von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge, und zwar einschließlich adoptierter Abkçmmlinge, jedoch mit Ausnahme nichtehelicher Kinder mnnlicher Nachkommen und ihrer Abkçmmlinge, unter sich nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des jeweiligen Erbfalles. Es sind dies zur Zeit die Tçchter . . . . Hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung kann im Kreise der Abkçmmlinge frei abweichend verfgt werden.
VI. Nutzungsvermächtnisse für den Ehegatten 1. Fallgruppen und Interessen Eine Form der Trennungslösung ist die beiderseitige Einsetzung der Ab- 222 kömmlinge zu Erben mit Nießbrauchsvermächtnis am Nachlass für den überlebenden Ehegatten. Die Stellung des Überlebenden kann dabei durch Einsetzung zum Testamentsvollstrecker verstärkt werden. Praxishäufiger als diese Gestaltung ist das einseitige Nießbrauchsvermächtnis an einem Vermögensgegenstand für den zweiten, selbst nicht vermögenden Ehegatten bei gleichzeitiger Einsetzung der erstehelichen Kinder zu Erben (s. nachfolgend M 194). 525
5. Kap. Das Ehegattentestament
2. Gegenseitiges Nießbrauchsvermächtnis M 193
Gegenseitiges Nießbrauchsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Jeder von uns setzt die gemeinschaftlichen, zum Zeitpunkt seines Todes vorhandenen Abkçmmlinge einschließlich adoptierter und nichtehelicher Nachkommen zu seinen Erben ein, unter sich jeweils nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Der Erstversterbende von uns setzt dem berlebenden den lebzeitigen Nießbrauch an seinem ganzen Nachlass als Vermchtnis aus. Die Auseinandersetzung des Nachlasses kann gegen den Willen des berlebenden nicht verlangt werden, auch dann nicht, wenn ein Erbe verstirbt. Der Erstversterbende von uns ernennt den berlebenden zum Testamentsvollstrecker mit den Aufgaben, sich selbst den Nießbrauch am Nachlass zu verschaffen und den Nachlass zu verwalten. Er ist in der Eingehung von Verbindlichkeiten fr den Nachlass nicht beschrnkt und von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit.
3. Nießbrauchsvermächtnis für den zweiten Ehegatten M 194
Nießbrauchsvermchtnis fr den zweiten Ehegatten und Pflichtteilsverzichtsvertrag
(Form: notarielle Beurkundung) Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es sind anwesend, durch Vorlage der Bundespersonalausweises ausgewiesen und unbedenklich voll geschftsfhig: Herr . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Frau . . . geb. am . . . in . . . , GeburtsregisterNr. . . . Herr . . . ist in zweiter Ehe mit Frau . . . ohne Ehevertrag im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Aus der ersten, durch den Tod der damaligen Ehefrau aufgelçsten Ehe hat er die Kinder . . . Er mçchte seiner jetzigen zweiten Ehefrau zu ihrer Versorgung den folgenden Nießbrauch aussetzen. Bei Scheidung der Ehe soll das Vermchtnis in Anbetracht der bisherigen Ehefhrung wirksam bleiben, die Eheleute haben Gtertrennung vereinbart. Heute verzichten die Eheleute gegenseitig auf Pflichtteilsrechte. Hinsichtlich der sonstigen Erbfolgen sollen heute keine Verfgungen getroffen werden.
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M. Formulierungsbeispiele fr Ehegattentestamente nach Gestaltungstypen
Die Erschienenen erklren zur çffentlichen Urkunde Erbvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag I. Pflichtteilsverzichtsvertrag Wir verzichten gegenseitig auf jegliche Pflichtteilsrechte auf den Tod des anderen Ehegatten und nehmen den Verzicht gegenseitig an. II. Nießbrauchsvermchtnis Auf den Tod des Ehemannes erhlt die Ehefrau vertragsmßig mit erbvertraglicher Bindung als Vermchtnis den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an der Eigentumswohnung . . . mit der Maßgabe, dass sie alle Lasten zu tragen hat, wie wenn sie Eigentmerin wre. Dieser Nießbrauch ist im Grundbuch einzutragen. Der Vermchtnisnehmerin wird hiermit unwiderruflich auf den Todesfall unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB Vollmacht erteilt, sich das vorbezeichnete Grundstck selbst aufzulassen und alle Erklrungen abzugeben, die zum Eigentumserwerb erforderlich sind. Die bevollmchtigte Vermchtnisnehmerin kann eine Ausfertigung dieses notariellen Testaments sowohl vom beurkundenden Notar wie vom Nachlassgericht verlangen. Der beurkundende Notar wird angewiesen, eine Ausfertigung der heutigen Urkunde vorzubereiten und zur Urkundensammlung zu nehmen und sie der Vermchtnisnehmerin beim Erbfall auf Verlangen auszuhndigen. Gleichzeitig wird die Vermchtnisnehmerin selbst zum Testamentsvollstrecker bestellt mit der einzigen Aufgabe, sich das vorbezeichnete Grundstck selbst zu Eigentum zu bertragen. Insofern ist sie von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit. Die Vermchtnisnehmerin kann frei entscheiden, ob sie zur Erfllung des Vermchtnisses von der unwiderruflichen Vollmacht auf den Todesfall Gebrauch macht oder ein auf die Vermchtniserfllung eingeschrnktes Testamentsvollstreckerzeugnis beantragt und die Vermchtniserfllung als Testamentsvollstrecker vornimmt. Die hiermit verbundenen Kosten trgt die Vermchtnisnehmerin. Lediglich in dem Fall, dass der Erbe die Vollmacht auf den Todesfall nicht anerkennt oder widerruft und die Vermchtnisnehmerin sich deshalb ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilen lsst, trgt der Erbe die beim Nachlassgericht hierfr entstehenden Kosten. Der Rcktritt vom Erbvertrag wird nicht vorbehalten. Das Nießbrauchsvermchtnis bleibt auch wirksam, wenn die Ehe geschieden wird oder beim Tod des Ehemannes die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen. (Belehrungs- und Schlussvermerke)
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5. Kap. Das Ehegattentestament
N. Zuwendungsverzichtsvertrag I. Vereinbarung eines Zuwendungsverzichts 1. Regelungszweck 223
Gem. § 2352 BGB können durch letztwillige Verfügungen als Erbe oder Vermächtnisnehmer Bedachte durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihre Zuwendung verzichten. Ist diese Zuwendung durch Erbvertrag angeordnet, sind Besonderheiten zu beachten.
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Ein Zuwendungsverzichtsvertrag ist in der Praxis insbesondere dann bedeutsam, wenn der Erblasser bei mehrseitigem Erbvertrag oder gemeinschaftlichem Testament seinerseits auf Grund vertragsmäßig bzw. wechselbezüglich bindend gewordener Verfügungen nicht mehr frei über seinen eigenen Nachlass verfügen kann oder testierunfähig und daher ausschließlich über den gesetzlichen Vertreter iSd. §§ 2352 Satz 3, 2347 Abs. 2 BGB handlungsfähig ist.
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Ist der Erblasser hingegen testierfähig und bspw. aufgrund Abänderungsvorbehalts dazu in der Lage, von ihm bereits getroffene letztwillige Verfügungen von Todes wegen durch Testament abzuändern, bedarf es keines Zuwendungsverzichtsvertrages.
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Soweit der Erblasser bspw. in einem gemeinschaftlichen Testament mit seinem erstverstorbenen Ehegatten vereinbarte Bindungen aus wechselbezüglich getroffenen Verfügungen aufheben möchte, kommt zumeist keine Anfechtung der eigenen bindenden Verfügung – sofern nicht ohnehin ein testamentarischer Anfechtungsausschluss vereinbart wurde – etwa im Falle der Wiederverheiratung nach §§ 2079, 2281 Abs. 1 BGB in Betracht, da entweder ein testamentarischer Anfechtungsausschluss vereinbart wurde oder eine derartige Anfechtung regelmäßig auch die Nichtigkeit der wechselbezüglichen Verfügung des erstverstorbenen Ehegatten und damit die Unwirksamkeit der für ihn wichtigen Erbeinsetzung durch den erstversterbenden Ehegatten bewirken würde.1
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Etwas anderes soll jedoch dann gelten, wenn der längstlebende Ehegatte mangels Verwirkungsklausel auch gegenüber denjenigen Kindern gebunden ist, die von ihm beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt haben.2
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Scheidet daher eine Anfechtung der den Überlebenden bindenden eigenen Verfügungen aus, kann ein Zuwendungsverzichtsvertrag mit den durch das gemeinschaftliche Testament wechselbezüglich bindend begünstigten Personen eine einvernehmliche Lösung ermöglichen.
1 Palandt/Weidlich, § 2271 BGB Rz. 33. 2 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 14 Rz. 83.
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N. Zuwendungsverzichtsvertrag
Die Regelungen eines relativen Erbverzichts aus § 2350 BGB sind wegen 229 ähnlicher Zielsetzung auf einen Zuwendungsverzichtsvertrag anwendbar.1 2. Erstreckungsproblematik Hierbei ist jedoch zu beachten, dass trotz einer derartigen vertraglichen 230 Vereinbarung der zunächst wechselbezüglich bzw. vertragsmäßig gebundene Erblasser gleichwohl nicht frei verfügen kann, wenn und soweit der Zuwendungsverzichtsvertrag Dritte nicht erfasst, die an die Stelle der verzichtenden Vertragspartner als durch die Bindung geschützte Berechtigte nachrücken. Aufgrund der zwischenzeitlich gem. Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 2 EGBGB 231 für Erbfälle seit dem 1.1.2010 in Kraft getretenen Erbrechtsreform verweist § 2352 Satz 3 nF BGB nunmehr auf die Erstreckungsregelung für Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsverträge nach § 2349 BGB. Dies gilt in derartigen Fällen somit auch dann, wenn der Zuwendungsverzichtsvertrag vor dem 1.1.2010 geschlossen wurde.2 Daraus folgt, dass ein Zuwendungsverzicht eines Abkömmlings oder Sei- 232 tenverwandten des Erblassers auch die Abkömmlinge dieses Verzichtenden erfasst, soweit der Zuwendungsverzichtsvertrag nicht ausdrücklich oder stillschweigend etwas anderes regelt bzw. der Erblasser aufgrund seiner Testierfreiheit in der betroffenen Verfügung von Todes wegen als andere Bestimmung iSd. § 2349 BGB die Erstreckungswirkung ausschließt.3 Hierbei handelt es sich um eine Dispositivnorm und nicht um eine Auslegungsregel.4 Damit werden ebenso wie beim Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichts- 233 vertrag keine anderen als die in § 2349 BGB genannten Ersatzerben, insbesondere keine ersatzweise berufenen Geschwister des Erblassers erfasst, sehr wohl jedoch deren Abkömmlinge, wenn Geschwister des Erblassers unmittelbar bedacht waren und verzichtet haben. Diesen gegenüber entfaltet ein Zuwendungsverzicht nur dann Wirkung, wenn die Ersatzberufung um den Abschluss einer Zuwendungsverzichtsvereinbarung auflösend bedingt vereinbart worden ist.
1 Palandt/Weidlich, § 2350 BGB Rz. 1; Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 18; aA MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2352 BGB Rz. 5. 2 Erman/Simon, § 2352 BGB Rz. 7. 3 OLG Schleswig v. 15.4.2014 – 3 Wx 93/13, ZEV 2014, 425; Keim, ZEV 2014, 428; Langenfeld, NJW 2009, 3121 (3122 f.); Mattes/Lutz, BWNotZ 2011, 178 (181 ff.); Weidlich, FamRZ 2010, 166; Palandt/Weidlich, § 2352 BGB Rz. 1. 4 Keim, RNotZ 2009, 574 (575); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2009, 173 (175); Muscheler, ZEV 1999, 49 (50); Odersky, notar 2009, 362 (365); Wälzholz, DStR 2009, 2104 (2108); a.A. Kanzleiter, DNotZ 2010, 520 (523 ff.); Mattes/Lutz, BWNotZ 2011, 178 (182); Palandt/Weidlich, § 2352 BGB Rz. 5.
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5. Kap. Das Ehegattentestament
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Die Erstreckungswirkung gilt unabhängig davon, ob der Zuwendungsverzicht entgeltlich oder unentgeltlich1 bzw. umfassend, eingeschränkt oder teilweise vereinbart wurde,2 und erfasst aufgrund des Wortlauts nicht nur insbes. über § 2069 BGB auslegungsbedingt berufene, sondern auch ausdrücklich eingesetzte Ersatzerben.3 Eine Beschränkung der Erstreckungswirkung des Zuwendungsverzichts auf einzelne von mehreren betroffenen Abkömmlingen dürfte unzulässig sein.4
235
Für Erbfälle bis einschließlich 31.12.2009 galt die Erstreckungsregelung des § 2349 BGB mangels früherer entsprechender Verweisung in § 2352 Satz 3 BGB weder direkt noch analog.5 Ausnahmsweise ergab sich durch Auslegung der in Rede stehenden bindenden Verfügung und Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens doch eine Erstreckung auf mangels ausdrücklicher Ersatzbestimmung erst durch Auslegung ersatzberufene Personen, wenn der Zuwendungsverzicht gegen eine vollentgeltliche Abfindungsleistung erklärt wurde und ohne die Verzichtserstreckung eine Doppelbegünstigung des Stammes des Verzichtenden durch Abfindungsleistung einerseits und die gleichwohl erfolgende letztwillige Zuwendung andererseits eingetreten wäre,6 es sei denn, es wäre lediglich ein einziges Kind als Erbe eingesetzt und dadurch eine Doppelbegünstigung eines von mehreren Stämmen ausgeschlossen.7 Da die Auslegungsregel zur Feststellung einer Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung iSd. § 2270 Abs. 2 BGB nicht mit der Auslegungsregel des § 2069 BGB zur Ersatzerbenberufung kumuliert werden kann und daher eine Wechselbezüglichkeit der Ersatzschlusserbeneinsetzung über § 2069 BGB hinausgehende Auslegungsanhaltspunkte voraussetzt,8 bedarf es oftmals mangels Wechselbezüglichkeit der Ersatzschlusserbeneinsetzung keiner Zuwendungsverzichtserstreckung auf Abkömmlinge verzichtender Abkömmlinge des Erblassers. Soweit in der Verfügung von Todes wegen jedoch eine ausdrückliche Ersatzberechtigung vorgesehen war, drohte eine Erstreckung der Zuwendungsverzichtswirkungen auf die Ersatzberufenen selbst bei einer vollentgeltlichen Abfindungsleistung zu scheitern.9 Diese Grundsätze können auch unter Geltung von § 2352 Satz 3 nF BGB iVm. § 2349 BGB für die vom Zuwendungsverzicht nicht erfassten Personengruppen bedeutsam sein. 1 Erman/Simon, § 2352 BGB Rz. 7; MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2352 BGB Rz. 13; Schaal/Grigas, BWNotZ 2008, 2 (24). 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2009, 173 (175). 3 Odersky, notar 2009, 362 (365); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2009, 173 (175); Keim, RNotZ 2009, 574 (575), zweifelnd Schaal/Grigas, BWNotZ 2008, 2 (24). 4 Keim, RNotZ 2009, 574 (575). 5 BayObLG v. 28.11.1983 – BReg.1 Z 38/83, FamRZ 1984, 422 = Rpfleger 1984, 65 f. 6 BGH v. 24.10.1973 – IV ZR 3/72, NJW 1974, 43 (44). 7 OLG Frankfurt 6.3.1997 – 20 W 574/95, ZEV 1997, 454 (457). 8 BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, MDR 2002, 456 = FamRZ 2002, 747 = FamRB 2002, 302 = NJW 2002, 1126 (1127). 9 Vgl. OLG Düsseldorf v. 20.10.1972 – 7 U 51/72, DNotZ 1974, 367 (368 ff.), großzügiger hingegen BayObLG v. 23.4.1997 – 1Z BR 140/96, FamRZ 1997, 1430 = ZEV 1997, 377 (381).
530
N. Zuwendungsverzichtsvertrag
Trotz des klaren Wortlauts des Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB muss für 236 Übergangsfälle, in denen die Beurkundung des Zuwendungsverzichtsvertrags noch vor dem 1.1.2010 erfolgt ist, entsprechend dem Willen der Parteien danach differenziert werden, ob bei Beurkundung eine Wirkungserstreckung etwa in Kenntnis der bevorstehenden Gesetzesänderung gewünscht war oder nicht.1 Für den Fall, dass ein Zuwendungsverzichtsvertrag wegen Wegfalls des Ver- 237 zichtenden vor Eintritt des Erbfalls und gleichzeitiger Ersatzerbenberufung ins Leere geht, sollten hilfsweise Ausgleichsregelungen mitbeurkundet werden. Hier empfiehlt sich insbesondere die Verpflichtung zur Rückerstattung bereits erbrachter Abfindungszahlungen an den Verzichtsbegünstigten und die Verpflichtung des Verzichtenden auf Abtretung des vom Zuwendungsverzichtsvertrag anvisierten Erbteils an den Verzichtsbegünstigten gegen Bezahlung einer neuen Abfindung.2 Diese Erbteilsabtretungsverpflichtung muss sich im Rahmen des § 311b Abs. 5 BGB bewegen. Sie ist nur dann zwingend zu vollziehen, wenn die Erben des Verzichtenden mit den Ersatzerben identisch sind und damit in diese Verpflichtung eintreten. 3. Verzichtsgegenstand Gegenstand des Zuwendungsverzichts sind nach § 2352 BGB Erbeinset- 238 zungen oder Vermächtnisse, die auf einer Verfügung von Todes wegen beruhen. Anderweitige Begünstigungen, insbesondere der Voraus des Ehegatten oder Auflagen sind hiervon nicht erfasst. Die vom Verzicht erbrachte Zuwendung muss exakt bezeichnet werden. 239 Es kommen ausschließlich zum Zeitpunkt des Abschluss des Verzichtsvertrags bereits angeordnete Zuwendungen in Betracht. Gegenständliche Beschränkungen des Zuwendungsverzichts sind möglich, 240 soweit sie sich auf einzelne Vermächtnisgegenstände oder ideelle Erbteile beziehen. Auch kann ein Zuwendungsverzicht auf die Berechtigung des Erblassers zur Anordnung von Auflagen, Vermächtnissen, Testamentsvollstreckungen bzw. Vor- und Nacherbschaftsregelungen beschränkt werden.3 Bezüglich einer Erbeinsetzung ist eine gegenständliche Beschränkung auf einzelne Nachlassgegenstände jedoch unzulässig, soweit diese dem Erben nicht vorausvermächtnisweise zugeteilt sind und sich der Verzicht gegenständlich auf das Vorausvermächtnis beschränkt. 4. Höchstpersönlichkeitsgrundsatz und Form Hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen gelten die Regelungen des 241 Erbverzichtsvertrags über § 2352 Satz 3 BGB entsprechend. Der nicht ge1 Kanzleiter, DNotZ 2009, 805 (813); Keim, RNotZ 2009, 574 (576); Weidlich, FamRZ 2010, 166 (171). 2 Reimann/Bengel/J. Mayer, Muster 84. 3 BGH v. 27.1.1982 – IVa ZR 240/80, FamRZ 1982, 370 = NJW 1982, 1100 (1101 f.).
531
5. Kap. Das Ehegattentestament
schäftsunfähige Erblasser kann den Zuwendungsverzichtsvertrag daher gem. §§ 2352 Satz 3, 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB nur höchstpersönlich abschließen. Sukzessive Beurkundung von Angebot und Annahme ist zulässig. Nach §§ 2352 Satz 3, 2348 BGB ist notarielle Beurkundung erforderlich. Das zugrunde liegende Kausalgeschäft – vor allem eine Abfindungsregelung – bedarf der notariellen Mitbeurkundung. 5. Besonderheiten bei Bindungen aus Erbverträgen 242
Für einen Verzicht auf erbvertragliche Zuwendungen sieht § 2352 Satz 2 BGB Besonderheiten vor. Danach kann wirksam nur auf solche durch Erbvertrag erfolgte Zuwendungen verzichtet werden, die einem Dritten zukommen. Dritter in diesem Sinne kann grundsätzlich nicht sein, wer Erblasser oder dessen Erbvertragspartner ist.1
243
Diese Einschränkung gilt zunächst nicht für einseitige letztwillige Verfügungen, die in Erbverträgen enthalten sind, da für diese nach § 2299 Abs. 2 Satz 1 BGB die testamentarischen Regelungen gelten.2
244
§ 2352 Satz 2 BGB meint lediglich vertragsmäßig bindende Verfügungen von Todes wegen. Sind derartige vertragsmäßige Verfügungen in einem Erbvertrag zwischen lediglich zwei Personen ausschließlich zu Gunsten eines dieser beiden Personen angeordnet worden, so kann ein Zuwendungsverzichtsvertrag nicht wirksam abgeschlossen werden, da diesbezüglich ausschließlich eine Erbvertragsaufhebung zwischen diesen beiden einzigen Vertragsparteien in Betracht kommt.3
245
Im Wege teleologischer Reduktion des § 2352 Satz 2 BGB ist jedoch ausnahmsweise auch bei einem zwischen lediglich zwei Personen ausschließlich zu Gunsten eines dieser beiden Personen abgeschlossenen Erbvertrag ein Zuwendungsverzichtsvertrag zwischen gebundenem Erblasser und Bedachtem möglich, wenn die an sich vorrangige Erbvertragsaufhebung wegen Geschäftsunfähigkeit einer der beiden Erbvertragsparteien nach § 2290 Abs. 2 BGB scheitert.4
246
Ist die Zuwendung durch einen Erbvertrag, an dem ausschließlich zwei Personen mitgewirkt haben, zu Gunsten einer dritten Person angeordnet worden, ist ein Zuwendungsverzichtsvertrag zwischen Erblasser und Drittpersonen unzweifelhaft möglich, ohne dass die Zustimmung des Vertragspartners erforderlich ist.5
247
Haben bei Beurkundung des Erbvertrags neben dem Notar drei Personen mitgewirkt, könnte unklar sein, ob eine Zuwendung an einen Dritten iSd. 1 Erman/Simon, § 2352 BGB Rz. 4; Groll/Muscheler, B XV Rz. 80. 2 Groll/Muscheler, B XV Rz. 79; Jackschath, MittRhNotK 1977, 117 (119). 3 OLG Stuttgart v. 9.11.1978 – 8 W 564/78, OLGZ 1979, 129 (130); OLG Hamm v. 14.2.1977 – 15 W 159/75, FamRZ 1979, 347 = DNotZ 1977, 751 (753 ff.); Erman/Simon, § 2352 BGB Rz. 3. 4 Palandt/Weidlich, § 2352 BGB Rz. 3; Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 25. 5 Palandt/Weidlich, § 2352 BGB Rz. 3; Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 24.
532
N. Zuwendungsverzichtsvertrag
§ 2352 Satz 2 BGB erfolgt ist, um einen wirksamen Zuwendungsverzichtsvertrag mit diesem abschließen zu können. So könnte erwogen werden, die Person des Dritten iSd. § 2352 Satz 2 BGB rein formell zu definieren und einen Zuwendungsverzichtsvertrag bereits dann auszuschließen, wenn die Drittperson den in Rede stehenden Erbvertrag lediglich mitunterschrieben hat, ohne Vertragspartner zu sein.1 Richtigerweise muss hingegen funktionell darauf abgestellt werden, ob der Dritte unabhängig von einer förmlichen Mitunterzeichnung des Erbvertrags Vertragspartner gewesen ist, so dass Zuwendungsverzichtsverträge mit Personen, die zwar den Erbvertrag formell zur Kenntnisnahme mitunterschrieben haben, aber nicht materiell Vertragspartner geworden sind, zulässig sind.2 Insoweit ist für den gestaltenden Berater größte Vorsicht geboten. Auf die Risiken der Auslegung des Begriffs des „Dritten“ iSd. § 2352 Satz 2 BGB ist ausdrücklich hinzuweisen. Mittels teleologischer Reduktion des § 2352 Satz 2 BGB ist bei einem Erb- 248 vertrag zwischen mehr als zwei Personen Dritter in diesem Sinne auch der bedachte Vertragspartner, da der Gesetzgeber eine derartige Konstellation trotz grundsätzlicher Absicht zur Regelung der Aufhebbarkeit bindender letztwilliger Verfügung im Einvernehmen zwischen Bedachtem und gebundenem Erblasser offensichtlich übersehen hat, diese aber auch dann möglich sein muss, wenn eine Erbvertragsaufhebung, die nach § 2290 BGB die Mitwirkung aller Vertragsbeteiligten erfordert, an der Verweigerung einer durch die in Rede stehende Verfügung gar nicht unmittelbar betroffenen Vertragspartei scheitern würde, so dass zur Aufhebung der diesbezüglichen Zuwendung ausnahmsweise keine Mitwirkung der insoweit nicht betroffenen anderen Erbvertragsparteien erforderlich ist.3 Entsprechendes gilt ausnahmsweise auch bei einem zwischen lediglich 249 zwei Personen ausschließlich zu Gunsten eines dieser beiden Personen abgeschlossenen Erbvertrages, wenn die an sich erforderliche vorrangige Erbvertragsaufhebung wegen Geschäftsunfähigkeit einer der beiden Erbvertragsparteien nach § 2290 Abs. 2 BGB scheitert.4 6. Rechtsfolgen Ein wirksam abgeschlossener Zuwendungsverzichtsvertrag verhindert 250 analog § 2346 BGB den Anfall der bindend vorgesehenen Zuwendung an 1 OLG Celle v. 8.7.1959 – 4 Wx 7/59, NJW 1959, 1923. 2 OLG Stuttgart v. 9.11.1978 – 8 W 564/78, OLGZ 1979, 129 (130); BayObLG v. 11.5.1965 – BReg. 1a Z 3/65, NJW. 1965, 1552 = BayObLGZ 1965, 188 (192 f.); Groll/ Muscheler, B XV Rz. 80. 3 OLG Hamm v. 2.12.2011 – I-15 W 603/10, FamRZ 2012, 1171 = ZEV 2012, 266; BayObLG v. 11.5.1965 – BReg. 1a Z 3/65, NJW. 1965, 1552 = BayObLGZ 1965, 188 (192 f.); BeckOK BGB/J. Mayer, § 2352 BGB Rz. 12; Erman/Simon, § 2352 BGB Rz. 4; MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2352 BGB Rz. 8; Palandt/Weidlich, § 2352 BGB Rz. 3; Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 25; aA OLG Celle v. 8.7.1959 – 4 Wx 7/59, NJW 1959, 1923. 4 Palandt/Weidlich, § 2352 BGB Rz. 3; Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 25.
533
5. Kap. Das Ehegattentestament
den Verzichtenden, der so behandelt wird, als hätte er den Erbfall nicht erlebt.1 Soweit infolge der Wirkungserstreckung nach §§ 2352 Satz 3, 2349 BGB aufgrund Wegfalls des Verzichtenden kein ausdrücklich berufener oder durch Auslegung zu ermittelnder Ersatzberufener nachrückt, wird die vom Zuwendungsverzicht betroffene bindende Verfügung gegenstandslos, jedoch anders als bspw. nach Anfechtung oder Widerruf nicht unwirksam. Folglich bleiben die Verfügungen, die mit der vom Zuwendungsverzicht betroffenen Verfügung korrespondieren, anders als nach Anfechtung oder Widerruf ebenfalls bestehen. 251
Dem Erblasser ist nunmehr die Möglichkeit eröffnet, abweichend von der bisherigen Bindung anderweitige letztwillige Verfügungen zu treffen. Er muss diese dann jedoch noch anordnen, um insbesondere das verbleibende gesetzliche Erbrecht des vom Verzicht Betroffenen auszuschalten. Es empfiehlt sich daher, dass der Erblasser parallel zu dem Zuwendungsverzicht eine neue Verfügung von Todes wegen errichtet und mit pflichtteilsberechtigten Verzichtenden einen Pflichtteilsverzichtsvertrag mit Wirkungserstreckung nach § 2349 BGB auf deren Abkömmlinge schließt. Von einem Erbverzichtsvertrag ist hingegen zur Vermeidung einer ungewünschten Erhöhung der Pflichtteilsquoten nicht mitwirkender anderer Pflichtteilsberechtigter nach § 2310 Satz 2 BGB abzuraten.
252
Wird ausschließlich ein Zuwendungsverzichtsvertrag ohne weitergehenden Pflichtteilsverzichts- und/oder Erbvertrag geschlossen, bleibt das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des Verzichtenden unberührt. Entsprechendes gilt bei im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheirateten Ehegatten hinsichtlich der Ansprüche aus § 1371 Abs. 3 BGB.
253
Sollen die auf die Zuwendung Verzichtenden ersatzweise anderweitig letztwillig bindend auf den Tod des überlebenden Ehegatten abgesichert werden, bietet sich die gleichzeitige Mitbeurkundung eines entsprechenden Erbvertrages zusammen mit dem Zuwendungsverzichtsvertrag an. 7. Besonderheit: §§ 2287 ff. BGB
254
Ein durch vertragsmäßig bindende Verfügung aus Erbvertrag bzw. durch wechselbezüglich bindende Verfügung aus gemeinschaftlichem Testament Begünstigter kann gegenüber dem gebundenen Erblasser, der einem Dritten eine Schenkung zuwendet, auf den Schutz der §§ 2287 f. BGB durch zuwendungsverzichtsähnlichen Vertrag wirksam verzichten, sofern die Beurkundungsform des § 2348 BGB und ein eventuelles aus dem Rechtsgedanken des § 2347 Abs. 1 BGB resultierendes gerichtliches Genehmigungserfordernis gewahrt bleiben.2 Wegen der durch die Rechtsprechung bejahten Nähe eines derartigen Verzichtsvertrags zum Zuwen1 KG v. 18.7.1896 – 1 Wx 18/37, JFG 15, 98 (99); MünchKomm.BGB/Wegerhoff, § 2352 BGB Rz. 12. 2 BGH v. 12.7.1989 – IVa ZR 174/88, MDR 1989, 1086 = FamRZ 1989, 1076 = FamRZ 1991, 552 = DNotZ 1990, 803 (804 f.).
534
N. Zuwendungsverzichtsvertrag
dungsverzichtsvertrag iSd. § 2352 BGB dürfte insoweit auch von einer analog §§ 2352 Satz 3, 2349 BGB eintretenden Wirkungserstreckung auf Abkömmlinge verzichtender Abkömmlinge bzw. Seitenverwandter des Erblassers auszugehen sein, zumal der Schutz der §§ 2287 f. BGB nicht weiter reichen kann als die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments bzw. Erbvertrags.1
M 195
Vertrag ber vollentgeltlichen Zuwendungsverzicht
(Form: notarielle Beurkundung) Zuwendungsverzichtsvertrag ... Die Eheleute . . . (Vor- und Nachname) und . . . (Vor- und Nachname) haben am . . . (Datum) vor dem Notar . . . (Name) in . . . (Ort) unter UR . . . (Urkundenrollennummer) ein gemeinschaftliches Testament beurkunden lassen. Danach hat der erstversterbende Ehegatte den lngstlebenden Ehegatten zum alleinigen Vollerben und der lngstlebende Ehegatte die volljhrige gemeinschaftliche Tochter . . . (Vor- und Nachname) zur alleinigen Schlusserbin, ersatzweise deren jeweilige Abkçmmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung eingesetzt. Die Ersatzerbenberufung ist um den Abschluss einer Zuwendungsverzichtsvereinbarung auflçsend bedingt vereinbart worden. Smtliche Verfgungen sind mit wechselbezglich bindender Wirkung angeordnet. . . . (Vor- und Nachname des erstversterbenden Ehemanns) ist zwischenzeitlich verstorben. Die Tochter . . . (Vor- und Nachname) hat derzeit keine Kinder. Das gemeinschaftliche Testament enthlt zu Gunsten des lngstlebenden Ehegatten keinen nderungsvorbehalt. Die Tochter . . . (Vor- und Nachname der Verzichtenden) verzichtet hiermit gegenber der . . . (Vor- und Nachname der Ehefrau als lngstlebendem Erblasser) auf das ihr im vorstehend genannten gemeinschaftlichen Testament wechselbezglich zugeteilte Erbrecht, ohne zugleich auf ihr gesetzliches Erboder Pflichtteilsrecht zu verzichten. Dieser Verzicht steht unter der auflçsenden Bedingung, dass die nachstehend vereinbarte Gegenleistung nicht bis sptestens . . . (Datum) vereinbarungsgemß erbracht sein wird. Der bedingte Zuwendungsverzicht wird hiermit von . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) angenommen.
1 Keim, RNotZ 2009, 574 (577); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2009, 173 (174 f.): wahlweise Zustimmungsvereinbarung zur konkreten Schenkung, Zuwendungsverzichtsvertrag auf Gestattung derartiger Schenkungen oder umfassender Zuwendungsverzichtsvertrag mit bindender Neueinsetzung des Verzichtenden auf den Rest durch den Erblasser jeweils unter ausdrücklicher Ablehnung der Begründung von Kanzleiter, ZEV 1997, 261 (266) über einen Erstrechtschluss aus dem Nichterfordernis der Zustimmung des Ersatznacherben bei Zustimmung eines Nacherben zu einer nach § 2113 BGB zustimmungspflichtigen Grundbesitzveräußerung.
535
5. Kap. Das Ehegattentestament
Als Gegenleistung verpflichtet sich . . . (Vor- und Nachname der Begnstigten) . . . (Vor- und Nachname des Verzichtenden) gegenber, dieser bis zum . . . (Datum) einen Geldbetrag von . . . (Hçhe) zu bezahlen. Die Beteiligten wurden vom beurkundenden Notar insbesondere ber das Wesen und die Bedeutung des Zuwendungsverzichtsvertrages eingehend belehrt.
II. Aufhebung eines Zuwendungsverzichtsvertrages 255
Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Verweisung in § 2352 Satz 3 BGB auf § 2351 BGB sind nicht nur Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsverträge, sondern analog § 2351 BGB auch Zuwendungsverzichtsverträge vertraglich aufhebbar.1 Auch insoweit dürfte eine Wirksamkeitserstreckung auf Abkömmlinge verzichtender Abkömmlinge bzw. auf Abkömmlinge verzichtender Seitenverwandter des Erblassers erfolgen.2 Nach wie vor ist unklar, ob angesichts der Verweisung des § 2351 BGB auf § 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Abschluss eines Vertrags über Zuwendungsverzichtsaufhebung, bei dem der gesetzliche Vertreter den zwischenzeitlich testierunfähigen Erblasser vertritt, das Höchstpersönlichkeitsgebot des § 2065 BGB entgegensteht3 und ob ein Aufhebungsvertrag zurückwirkt.4
256
Ein Aufhebungsvertrag iSd. § 2351 BGB kann nur dann wirksam abgeschlossen werden, wenn sowohl der Erblasser als auch der Verzichtende zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch leben.5 Auch hierbei handelt es sich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Folge, dass sich Willensmängel der Beteiligten nach den §§ 116 ff. BGB, eine teilweise Unwirksamkeit nach § 139 BGB statt nach § 2085 BGB und eine Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB statt nach § 2078 BGB richten. Sukzessive Beurkundung von Angebot und Annahme ist zulässig.
1 BGH v. 20.2.2008 – IV ZR 32/06, MDR 2008, 691 = FamRZ 2008, 982 = DNotZ 2008, 624 = MittBayNot 2008, 481 (482 ff.) m. Anm. G. Müller; LG Kempten v. 7.12.1977 – 4 T 147/77, MittBayNot 1978, 63; Erman/Simon, § 2352 BGB Rz. 10; aA Kornexl, Der Zuwendungsverzicht, 1998, Rz. 554 ff. 2 Keim, RNotZ 2009, 574 (577). 3 Vgl. dazu G. Müller, MittBayNot 2008, 484 (485); Keim, RNotZ 2009, 574 (577). 4 G. Müller, MittBayNot 2008, 484 (485). 5 BGH v. 24.6.1998 – IV ZR 159/97, MDR 1998, 1481 m. Anm. Steiner = FamRZ 1998, 1293 = MDR 1998, 1229 = NJW 1998, 3117 (3118 f.).
536
6. Kapitel Besondere Typen letztwilliger Verfügungen
Inhaltsübersicht Rz. A. Das Testament der PatchworkFamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fallgruppe und Gestaltungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einheitslösung oder Trennungslösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Regelung des gleichzeitigen Versterbens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Sicherung des Unterhalts der Stiefkinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bindung, Selbstanfechtungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Überschuldete Abkömmlinge . . . B. Das Geschiedenentestament . . . . I. Abgrenzung der Fallgruppe, Gestaltungsprobleme . . . . . . . . . . II. Gestaltungstypen . . . . . . . . . . . . . III. Die Nacherbenlösung . . . . . . . . . . 1. Die Dieterle-Klausel. . . . . . . . . 2. Zulässigkeit der Klausel . . . . . 3. Gesetzliche Vorgaben. . . . . . . . 4. Weitere Nacherbfolge. . . . . . . . 5. Verwaltungsausschluss und Pflegerbenennung für minderjährige Abkömmlinge . . . . . . . IV. Die Vermächtnislösung . . . . . . . . 1. Das aufschiebend befristete Herausgabevermächtnis auf den Überrest . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses . . . . . 3. Die Rechtsstellung des Erben . a) Verfügungsrechte des Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfügungen des Erben zugunsten ausgeschlossener Personen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nutzungen und Lasten . . . . d) Eigengläubiger des Erben . . e) Keine Publizität der Beschränkung. . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . .
1 1 3 6 13 15 18 19 20 21 21 23 24 24 27 34 37
38 39
39 43 46 46
48 49 50 51 52
Rz. a) Surrogation . . . . . . . . . . . . . . b) Vermächtnisanwartschaft, Vormerkung . . . . . . . . . . . . . 5. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . . a) Bestimmung durch den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch den Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestimmung nach der Dieterle-Klausel . . . . . . . . . . d) Kombination von Bestimmungsvarianten . . . . . . . . . . 6. Gestaltungsvorschlag mit Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . V. Die Kombinationslösung . . . . . . . C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament) . . . . . . . . . . . . . . I. Die Interessenlage . . . . . . . . . . . . . II. Das Sozialrecht . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundstruktur des Behindertentestaments . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Standardlösung . . . . . . . . . . . . V. Die Rechtsprechung des BGH zum Behindertentestament . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Urteil vom 21.3.1990. . . . . 3. Das Urteil vom 20.10.1993 . . . 4. Weitere BGH-Urteile . . . . . . . . 5. Das Urteil vom 19.1.2011. . . . . 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Probleme und Gestaltungsvorschläge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überleitung von Pflichtteilsansprüchen. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Überleitung des Ausschlagungsrechts . . . . . . . . . . . . 3. Keine Leistungskürzung nach § 26 SGB XII . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmung der Erbquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geldvermächtnis wegen Pflichtteilsergänzungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52 53 55 55
60 62 63 64 69
70 70 73 81 86 88 88 89 92 95 97 100 102 102 103 106 107
110
537
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen Rz.
VII. VIII.
IX. X.
6. Die Verwaltungsanordnung als zentrale Regelung des Behindertentestaments . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . b) Thesaurierung nicht verbrauchter Erträge? . . . . c) Teilungsanordnung zur Erleichterung der Ertragsverwendung . . . . . . . . 7. Probleme der Vor- und Nacherbschaft. . . . . . . . . . . . . a) Keine Befreiung des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . b) Zugriff auf die Nachlasssubstanz . . . . . . . . . . . . c) Nacherbenvollstreckung . 8. Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker und Betreuer bzw. längstlebendem Elternteil . . . . . . . . . . . . . 9. Anwendung der Heimgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Heilung des Behinderten als auflösende Bedingung?. . . . . . 11. Salvatorische Klausel . . . . . . . 12. Problematik Pflichtteilsstrafklausel und Enterbungslösung . . . . . . . . . . . . . . 13. Problematik Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . Variante: Das Trennungsmodell . Alternative: Die Vermächtnislösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Größere Elastizität . . . . . . . . . . 2. Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedenken der Literatur. . . . . . . 4. Gestaltungsvorschlag . . . . . . . . Variante: Das Leibrentenvermächtnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative: Die umgekehrte Vermächtnislösung . . . . . . . . . . . .
D. Letztwillige Verfügungen zugunsten überschuldeter bzw. Arbeitslosengeld II beziehender Abkömmlinge (Bedürftigentestament) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einsatz der Nacherbschaft . . . . . . III. Einsatz der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Spätere Aufhebung der schützenden Regelungen . . . . . . . V. Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht . . . . . . . . . . . . . . . . .
538
Rz. E. Testament zur Versorgung von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
111 111 113
114 115 115 117 118
119 124 130 131
132 135 136 140 140 142 143 147 148 149
151 151 153 155 158 160
F. Die letztwillige Stiftung . . . . . . . . I. Die Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundlagen und Struktur der Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Modernisierung des Stiftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Stiftungsgeschäft von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Stiftungssatzung . . . . . . . . . . . 1. Satzungsgestaltung . . . . . . . . . 2. Der Name der Stiftung . . . . . . 3. Der Sitz der Stiftung . . . . . . . . 4. Der Stiftungszweck . . . . . . . . 5. Das Stiftungsvermögen . . . . . 6. Der Stiftungsvorstand . . . . . . 7. Kontrollorgane . . . . . . . . . . . . 8. Die Destinatäre . . . . . . . . . . . . 9. Satzungsänderungen . . . . . . . . 10. Anerkennung der Stiftung, Stiftungsaufsicht . . . . . . . . . . . G. Das Testament des Apothekeninhabers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . II. Normative Vorgaben nach dem Apothekengesetz . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis einer Betriebserlaubnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichtvererblichkeit der Betriebserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . 3. Apothekenverwaltung nach dem Tod des Erlaubnisinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Apothekenverpachtung nach dem Tod des Erlaubnisinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Verpachtungsberechtigter Personenkreis . . . . . . . . . . . . aa) Anderer Erlaubnisinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nichterlaubnisinhaber . (1) Kinder des Erlaubnisinhabers. . . . . . . . (2) Ehegatte bzw. Lebenspartner des Erlaubnisinhabers . . . . (3) Erbberechtigung . . . (a) Konkrete Erbenstellung . . . . . . . . . . . (b) Unmittelbare Erbenstellung . . . . . .
166 166 168 170 172 174 174 175 176 177 178 181 182 184 185 186 188 188 189 189 190
191
192 192 195 195 196 196
201 204 204 206
A. Das Testament der Patchwork-Familie Rz. (c) Besonderheiten bei Erbengemeinschaft . (4) Nachlasszugehörigkeit der Apotheke . . (5) Betriebserlaubnis der Erblassers. . . . . . (6) Veränderungen in der Erbengemeinschaft nach Eintritt des Erbfalls . . . . . . . (a) Allgemeines . . . . . . (b) Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . (c) Erbteilsabtretung . . (d) Abschichtungsvereinbarung . . . . . . . . . (e) Ausschlagung . . . . . (f) Verpachtungsermächtigung . . . . . . . (g) Vorausvermächtnis. c) Vertretung . . . . . . . . . . . . . . III. Letztwillige Gestaltung . . . . . . . . 1. Verheirateter Apothekeninhaber mit Kindern . . . . . . . . . . a) Ehegatte und Kinder jeweils ohne Apothekerapprobation . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitestgehende lebzeitige Verfügungsfreiheit des Ehegatten . . . . (1) Grundüberlegungen . . . . . . . . . . . (2) Vor- und Nacherbenlösung . . . . . . . (a) Ausgangsüberlegung . . . . . . . . . . . . .
207 210 212
216 216 220 221 222 223 224 225 226 227 227
227 227
230 230 233
Rz. (b) Grundkonstruktion . . . . . . . . . (c) Ersatznacherbe bzw. Ersatzerbe . . . . (d) Auflösend bedingte Nacherbfolge . . . . . . (e) Testamentsvollstreckung und Verpachtungsrecht . . . . . . . . (f) Berechtigung des Ehegatten zur lebzeitigen Übertragung der Apotheke an einen der Nacherben . . . . . . . . . . . . . (g) Gegenständlich beschränkte Nacherbfolge . . . . . . . . . . . (3) Nießbrauchs- bzw. Rentenvermächtnislösung . . . . . . . . . (4) Erbengemeinschaftslösung . . . . . . cc) Weitestgehender Schutz der Kinder . . . . . b) Ehegatte mit Apothekerapprobation . . . . . . . . . . . . . . c) Kind mit Apothekerapprobation . . . . . . . . . . . . . . 2. Alleinstehender Apothekeninhaber mit Kindern . . . . . . . . . 3. Kinderloser Apothekeninhaber mit Ehegatte bzw. Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Apothekenkammeranfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
234 236 239
242
244
247
248 250 251 252 254 255
256 257
233
A. Das Testament der Patchwork-Familie I. Fallgruppe und Gestaltungsprobleme Die von der Ehevertragsgestaltung her bekannte Konstellation „Meine 1 Kinder – Deine Kinder – Unsere Kinder“ wird seit geraumer Zeit auch im Erbrecht unter dem Topos „Patchwork-Familie“ angesprochen.1 Ihre besondere vertragsgestalterische Problematik erhält die Patchwork-Familie
1 Z.B. von Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, 2006, Rz. 210.
539
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
durch die unterschiedliche Elternschaft und die aus ihr folgenden Unterschiede im gesetzlichen Erbrecht, Pflichtteilsrecht und Unterhaltsrecht, bei einseitigen Kindern durch das Vorhandensein eines externen Elternteils und dadurch, dass Problemkinder den Gesamtverband belasten. Hieraus entstehen Gestaltungsprobleme hinsichtlich der Fragen der Gleichstellung aller Kinder, der Regelung des gleichzeitigen Versterbens, der Sicherung des überlebenden Ehegatten auch gegen Ansprüche der Stiefkinder, der unterhaltsrechtlichen Sicherung der Stiefkinder gegenüber dem alleinverdienenden Stiefelelternteil, der Ausschaltung des externen Elternteils und der Behandlung von Problemkindern. Die folgenden Gestaltungsvorschläge betreffen verheiratete Paare, können aber, soweit insbesondere keine steuerlichen Gründe entgegenstehen, grundsätzlich auch auf nicht verheiratete Paare übertragen werden, die jedoch kein gemeinschaftliches Testament errichten können, sondern auf einen Erbvertrag bzw. Einzeltestamente angewiesen sind. 2
Für die Fallgruppe „Patchwork-Familie“ ist die folgende Fallgestaltung typisch: Die Eheleute sind jeweils in zweiter Ehe verheiratet. Der Ehemann hat aus seiner durch den Tod der Ehefrau aufgelösten ersten Ehe zwei Kinder im Alter von zwölf und zehn Jahren. Die Ehefrau hat aus ihrer geschiedenen ersten Ehe ein Kind von vier Jahren. Weiterhin ist ein gemeinsames Kind im Alter von einem Jahr vorhanden. Da der Ehemann gut verdient, ist die Ehefrau nicht berufstätig, um sich insbesondere der Betreuung der vier Kinder widmen zu können.
II. Einheitslösung oder Trennungslösung? 3
Bei der letztwilligen Verfügung von Eheleuten mit einseitigen Abkömmlingen stellt sich, wenn zunächst der überlebende Ehegatte abgesichert werden soll und erst dann die Abkömmlinge zum Zug kommen sollen, wie bei jedem Ehegattentestament die Frage, ob der Einheitslösung etwa in der Form des Berliner Testaments oder der Trennungslösung etwa in der Form der Vor- und Nacherbfolge der Vorzug zu geben ist. Die grundsätzliche Kompliziertheit der Trennungslösung wird in der Patchwork-Familie noch dadurch erhöht, dass neben den jeweils einseitigen Kindern noch gemeinsame Kinder vorhanden sind.
4
Von den Vorstellungen der Eheleute her wird es bei durchschnittlichen Vermögensverhältnissen häufig so sein, dass zunächst der Ehegatte zum Zug kommen soll und auf dessen Tod alle Kinder grundsätzlich gleich behandelt werden sollen. Dies ist der Fall des Berliner Testaments.
5
Insbesondere bei wesentlich unterschiedlichen Vermögen der Ehegatten kann aber auch gewünscht sein, dass jeder Ehegatte lediglich von seinen Abkömmlingen beerbt wird.
540
A. Das Testament der Patchwork-Familie
III. Die Regelung des gleichzeitigen Versterbens Die Regelung des gleichzeitigen Versterbens und des Versterbens kurz 6 hintereinander aus gleicher Ursache, etwa infolge eines Unfalls, ist beim Testament der Patchwork-Familie besonders wichtig, da hier unterschiedliche gesetzliche Erbrechte und Pflichtteilsrechte bestehen. Die Rechtsprechung ist gefestigt. Im Fall des gleichzeitigen Versterbens 7 beerbt kein Ehegatte den anderen, die gegenseitige Erbeinsetzung wird gegenstandslos,1 und jeder Ehegatte wird von seinen gesetzlichen oder gewillkürten Erben beerbt. Gleichzeitiges Versterben bedeutet dabei Versterben im gleichen Augenblick. Gleichzeitiges Versterben wird nach § 11 des Verschollenheitsgesetzes auch vermutet, wenn Versterben infolge gleicher Ursache erfolgt und die Todeszeitpunkte nicht mehr feststellbar sind. Die Rechtsprechung wendet eine Testamentsbestimmung über gleichzeitiges Versterben im Wege der Auslegung auch dann an, wenn die Eheleute infolge des gleichen äußeren Ereignisses, etwa eines Unfalls, tödlich verletzt werden und der zunächst Überlebende bis zu seinem Tod nicht mehr in der Lage ist, ein neues Testament zu errichten.2 Wenn die Ehegatten nicht im Rechtssinn gleichzeitig, sondern hinter- 8 einander versterben, so können in Anbetracht der Vererblichkeit von Pflichtteilsansprüchen nach § 2317 Abs. 2 BGB Probleme daraus entstehen, dass die Erben des letztversterbenden Ehegatten dessen Pflichtteilsanspruch auf den Tod des Erstversterbenden erben und dies den Vorstellungen der Ehegatten nicht entspricht. Haben die Ehegatten für den Fall des gleichzeitigen Versterbens die Erbfolge so geregelt, dass jeder Ehegatte von allen Abkömmlingen beerbt wird, so kann man den ererbten Pflichtteil vernachlässigen, da er den Personen anfällt, die auch Erben des Erstversterbenden sind. Erbschaftsteuerlich entstehen keinerlei Schäden, da der Kinderfreibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auch Stiefkinder3 („Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2“) erfasst. Sind die Partner nicht miteinander verheiratet, steht weder dem Längst- 9 lebenden der Ehegatten- noch den alleinigen Kindern des Erstverstorbenen nach dem Längstlebenden der Stiefkindererbschaftsteuerfreibetrag zu, vielmehr ist nach § 15 Abs. 1 ErbStG jeweils die ungünstige Steuerklasse III maßgebend.4 Zudem können die Partner nach § 2265 BGB kein gemeinschaftliches Testament errichten, sondern sind, soweit sie keine Einzeltestamente, sondern eine gegenseitige Abhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen wünschen, auf einen Erbvertrag angewiesen. Probleme des Ehegattenpflichtteils werden vermieden, wenn derartige 10 Pflichtteilsansprüche auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten aus-
1 2 3 4
RG v. 11.11.1935 – IV 160/35, RGZ 149, 201. BayObLG v. 30.9.1996 – 1Z BR 42/96, FamRZ 1997, 249 = ZEV 1996, 470 (472). Meincke, § 16 ErbStG Rz. 9; BeckFormB ErbR/Mutter, S. 78. Grziwotz, FamRB 2003, 232 (235).
541
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
geschlossen sind.1 Dies setzt voraus, dass der überlebende Ehegatte auf seinen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verzichtet, was nach §§ 2346 Abs. 2, 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf. Soweit eine gemeinsame Gestaltung der Verfügung von Todes wegen und des Pflichtteilsverzichtsvertrags in derselben Urkunde gewünscht wird, ist dies ausschließlich durch einen Pflichtteilsverzichts- und Erbvertrag möglich, da das notariell beurkundete Testament nicht mit anderen Vertragstypen in derselben Urkunde verbunden werden kann. 11 Beim privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament kann man die
Problematik ererbter Pflichtteilsansprüche durch ein Vermächtnis zugunsten der Erben des erstversterbenden Ehegatten in Höhe der durchgesetzten Pflichtteilsansprüche der Erben des Zweitversterbenden lösen. 12 Machen die Erben des zweitversterbenden Ehegatten dessen Pflichtteils-
ansprüche auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten geltend und setzen sie gegen dessen Nachlass durch, so erhaltenen die Erben des erstversterbenden Ehegatten zu Lasten des Nachlasses des Zweitversterbenden einen Vermächtnisanspruch auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der durchgesetzten Pflichtteilsansprüche.
IV. Die Sicherung des Unterhalts der Stiefkinder 13 Stiefkinder werden vom Gesetz stiefkinderlich behandelt, was Unterhalts-
ansprüche gegen den Stiefelternteil betrifft. Bei der Einverdienerehe hat das Kind der haushaltsführenden Ehefrau gegen den Stiefvater keinerlei Unterhaltsansprüche, insbesondere nicht auf Ausbildungsunterhalt. Die Mutter kann über den Familienunterhalt den Unterhalt ihres Kindes nicht geltend machen. Dieser gehört weder zu ihren eigenen persönlichen Bedürfnissen noch zu den Haushaltskosten. Die Mutter muss deshalb bei Eingehung der Ehe darauf dringen, dass über den Unterhalt ihres Kindes eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wird. Eine solche Vereinbarung bedarf keiner Form, Schriftform ist zweckmäßig. Um den Stiefelelternteil vor überzogenen Ansprüchen des Stiefkinder so schützen, kann die Vereinbarung zwischen den Eheleuten als unechter Vertrag zugunsten des Kindes geschlossen werden. Danach hat ein Stiefkind keinen eigenen Anspruch gegen den Stiefelelternteil, sondern es werden seine Rechte von seinem Elternteil geltend gemacht.
M 196
Verpflichtung zum Stiefkindunterhalt
Solange die Ehe besteht, kann jeder Ehegatte vom anderen Unterhalt fr seine leiblichen Kinder nach Maßgabe und dem Umfang der Unterhaltsansprche leiblicher Kinder verlangen. Die Stiefkinder haben gegen den Stiefelternteil keine eigenen Ansprche. Sie erhalten jedoch eigene Ansprche im obigen 1 Keim, notar 2013, 115 (118).
542
A. Das Testament der Patchwork-Familie
Umfang dann, wenn der leibliche Elternteil verstirbt und die Ehe durch seinen Tod aufgelçst wird. Die Unterhaltsansprche der Stiefkinder gegen den Stiefelternteil enden mit der Vollendung des 25. Lebensjahres des Stiefkindes.
Diese lebzeitige Unterhaltsverpflichtung kann ergänzt werden durch ein 14 Vermächtnis zugunsten des Kindes, dessen Elternteil vor dem anderen Ehegatten verstirbt. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil der gegen den Stiefelternteil gerichtete gesetzliche Ausbildungsanspruch auf den Tod des Elternteils nach § 1371 Abs. 4 BGB neben dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft eine ausschließlich gesetzliche Erbberechtigung voraussetzt.1
M 197
Ausbildungsvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hat beim Tod des erstversterbenden Ehegatten ein einseitiger Abkçmmling des Erstversterbenden seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen, so erhlt er aus dem Nachlass seines Elternteils ein Geldvermchtnis in Hçhe der voraussichtlichen Ausbildungskosten. Die Hçhe und die Zahlungsweise bestimmt ein Testamentsvollstrecker, der vom Nachlassgericht zu bestellen ist.
V. Bindung, Selbstanfechtungsverzicht Werden im Testament der Patchwork-Familie alle Kinder gleichberechtigt 15 zu Schlusserben bestellt, so wird diese Schlusserbeneinsetzung oftmals bindend gestaltet werden, um der Gefahr der Benachteiligung der einseitigen Kinder des Erstversterbenden durch den Zweitversterbenden vorzubeugen.2 Als Alternative kommt eine Schlusserbeneinsetzung nach gleichberechtigten Stämmen der alleinigen Kinder der Ehefrau, der alleinigen Kinder des Ehemanns und der gemeinsamen Kinder beider Ehegatten zu jeweils einem Drittel und innerhalb jedes Stammes zu gleichen Teilen in Betracht, wobei die gleiche Erbquote pro Stamm durch den überlebenden Ehegatten unabänderbar ist, innerhalb eines Stammes jedoch Änderungen zulässig sind. Die Ehegatten haben zunächst zu bestimmen, welche Verfügungen wech- 16 selbezüglich bzw. vertragsmäßig getroffen werden. Der Testamentsgestalter sollte hier gerade bei der Patchwork-Familie ausdrückliche Feststellungen treffen, um Streit über den Umfang der gewollten Bindung zu vermeiden. Beim gemeinschaftlichen Testament ist der überlebende Ehegatte nach 17 dem Tod des Erstversterbenden an die wechselbezüglichen Verfügungen 1 Erman/Budzikiewicz, § 1371 BGB Rz. 19; Hausmann, DNotZ 2011, 602 (607); Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rz. 7. 2 Keim, notar 2013, 115 (118); Zimmer, NotBZ 2014, 26 (32).
543
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
auf seinen Tod, also etwa an die Einsetzung der Abkömmlinge als Schlusserben gebunden, § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB. Eine abweichende letztwillige Verfügung ist unwirksam. Der Überlebende kann jedoch seine Testierfreiheit wiedererlangen, wenn er das ihm Zugewendete, also die Einsetzung als Alleinerbe innerhalb der Ausschlagungsfrist ausschlägt. Nach Ablauf von regelmäßig sechs Wochen nach Kenntniserlangung vom Erbfall und nachlassgerichtlicher Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen besteht diese Möglichkeit nicht mehr, § 1944 BGB. Sie kann testamentarisch nicht ausgeschlossen werden. 18 Beim Erbvertrag sind gem. § 2297 BGB abweichende einseitige Verfügun-
gen nach dem Tod des Erstversterbenden nur möglich, wenn der Überlebende aufgrund Rücktrittsvorbehalts oder nach §§ 2294, 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt ist. Beim Erbvertrag besteht in Anwendung der §§ 2281, 2078, 2079 BGB, beim gemeinschaftlichen Testament in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften, die Möglichkeit der Beseitigung der Bindung durch Selbstanfechtung. Praxiswichtig ist insbesondere der Anfechtungsgrund der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten nach § 2079 BGB. Seine Voraussetzungen kann der überlebende Ehegatte selbst herbeiführen, indem er wieder heiratet oder ein Kind adoptiert oder erhält. Die Selbstanfechtung nach § 2079 BGB führt beim Berliner Testament zur Unwirksamkeit aller erbvertraglichen bzw. wechselbezüglichen Verfügungen einschließlich der Einsetzung des Überlebenden zum Alleinerben des Erstverstorbenen. Will man die Selbstanfechtung nach § 2079 BGB aber vorsorgend ausschließen, so hat man in das Ehegattentestament einen Vorausverzicht aufzunehmen, wie dies in den folgenden Mustern geschieht.
VI. Muster M 198
Gemeinschaftliches Berliner Testament der Patchwork-Familie
(Form: Verfgung von Todes wegen) I. Erster Erbfall Wir setzen uns gegenseitig, also der Erstversterbende den berlebenden, zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. II. Zweiter Erbfall Schlusserben beim Tod des berlebenden von uns und Erben von uns beiden im Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des Versterbens kurz hintereinander aus gleicher Ursache sind unsere einseitigen und gemeinschaftlichen Kinder zu gleichen Teilen, derzeit also die erstehelichen Sçhne des Ehemannes . . . und . . . , die ersteheliche Tochter der Ehefrau . . . und die gemeinsame Tochter . . . zu Erbteilen von je einem Viertel. Jedes Kind erhlt also einen Kopfteil, unabhngig davon, ob es ein einseitiges Kind des Erstverstorbenen, ein einseitiges Kind des Zweitversterbenden oder ein gemeinsames Kind ist.
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A. Das Testament der Patchwork-Familie
Ersatzerben fr jedes Kind sind in den Fllen des Vorversterbens oder der Ausschlagung dessen Abkçmmlinge. Sie erben den betreffenden Kopfteil als gemeinschaftlichen Erbteil, unter sich nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Sind keine Abkçmmlinge vorhanden, so entfllt der betreffende Kopfteil. III. Vermchtnis Hat beim Tod des erstversterbenden Ehegatten ein einseitiger Abkçmmling des Erstversterbenden seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen, so erhlt er aus dem Nachlass seines Elternteils ein Geldvermchtnis in Hçhe der voraussichtlichen Ausbildungskosten. Die Hçhe und die Zahlungsweise bestimmt ein Testamentsvollstrecker, der vom Nachlassgericht zu bestellen ist. IV. Bindung, Selbstanfechtungsverzicht Smtliche von uns vorstehend getroffenen Verfgungen sind, soweit gesetzlich zulssig, wechselbezglich. Der Notar hat uns darber belehrt, dass wir gemeinsam dieses Testament insgesamt aufheben oder auch in einzelnen Punkten ndern kçnnen und ein jeder von uns berechtigt ist, zu Lebzeiten des anderen einseitig seine letztwilligen Verfgungen zu widerrufen. Der Widerruf bedarf der notariellen Beurkundung und fhrt zur Unwirksamkeit des Testaments insgesamt. Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des Erstversterbenden von uns. An diese Bestimmungen soll der berlebende auch in dem Fall gebunden bleiben, dass er noch einmal heiratet oder sonst Pflichtteilsberechtigte hinzutreten. Der berlebende von uns verzichtet deshalb ausdrcklich vertraglich auf sein Anfechtungsrecht wegen bergehung eines Pflichtteilsberechtigten.
M 199
Alternative: Schlusserbeneinsetzung nach Stmmen mit nderungsvorbehalt der Patchwork-Familie
(Form: Verfgung von Todes wegen) Schlusserben beim Tod des berlebenden von uns und Erben von uns beiden im Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des Versterbens kurz hintereinander aus gleicher Ursache sind der Stamm unserer gemeinschaftlichen Kinder, der Stamm der Kinder der Ehefrau und der Stamm der Kinder des Ehemannes zu gleichen Teilen, derzeit unsere gemeinsame Tochter . . . , der Sohn des Ehemanns . . . und der Sohn der Ehefrau . . . zu jeweils 1/3 Erbteil. Der lngstlebende Ehegatte darf die auf seinen Tod angeordneten letztwilligen Verfgungen nur beschrnkt abndern. Unverndert muss auf den Stamm der alleinigen Kinder der Ehefrau, den Stamm der alleinigen Kinder des Ehemanns und den Stamm der gemeinschaftlichen Kinder entsprechend der o.g. Schlusserbeneinsetzung jeweils 1/3 des Nachlasses entfallen. Diese Bindung entfllt fr einen dieser Stmme jedoch dann, wenn alle aus diesem Stamm berufenen Schlusserben gegen den Willen des Erstversterbenden ihren noch nicht verjhrten Pflichtteil verlangt und erhalten haben oder wenn alle Mitglieder eines Stammes weggefallen sind. Innerhalb eines jeden dieser drei Stmme darf
545
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
der lngstlebende Ehegatte die auf seinen Tod angeordneten letztwilligen Verfgungen jedoch bezglich des gesamten Vermçgens frei abndern. Der nderungsvorbehalt berechtigt dabei u.a. dazu, alle, einzelne oder einen einzelnen bzw. alleinigen Schlusserben aus diesem Stamm zugunsten anderer Abkçmmlinge aus demselben Stamm durch Anordnung von Vermchtnissen bzw. Auflagen etc. zu beschweren bzw. derartige Regelung zu ndern. Zulasten von Schlusserben darf bis zu deren jeweiliger Volljhrigkeit verwaltende und abwickelnde Testamentsvollstreckung, ansonsten darf nur fr alle Schlusserben gleichermaßen Abwicklungstestamentsvollstreckung angeordnet werden, wobei dann in beiden Fllen das Nachlassgericht um Ernennung eines neutralen Testamentsvollstreckers zu ersuchen ist.
M 200
Erbvertrag mit Trennungslçsung der Patchwork-Familie
(Form: notarielle Beurkundung) I. Tod des erstversterbenden Ehegatten Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen befreiten Vorerben ein. Der Nacherbe ist Ersatzerbe. II. Tod des letztversterbenden Ehegatten Jeder Ehegatte bestimmt zu seinen Nacherben und zu seinen Erben fr den Fall, dass er der Letztversterbende ist, seine Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge auf den Zeitpunkt seines Todes. Die Nacherbenanwartschaften sind nicht verußerlich und nicht vererblich. III. Gleichzeitiges Versterben Im Falle des gleichzeitigen Versterbens wird die Ehefrau von ihren Abkçmmlingen nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, der Ehemann von seinen Abkçmmlingen nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge beerbt. Dies gilt auch fr den Fall des Versterbens von beiden Eheleuten und kurz hintereinander aus gleicher Ursache. Eine Vor- und Nacherbfolge findet auch dann nicht statt. Jeder von uns verzichtet in vertraglicher bereinstimmung mit dem anderen auf Pflichtteilsrechte des berlebenden Ehegatten. IV. Bindung, Selbstanfechtungsverzicht Smtliche vorstehenden Verfgungen werden, soweit gesetzlich zulssig, vertragsmßig getroffen. Ein vertragliches Rcktrittsrecht wird nicht vorbehalten. Der Notar hat uns darber belehrt, dass wir diesen Erbvertrag nur gemeinsam aufheben oder ndern kçnnen. An diese Bestimmungen soll der berlebende auch in dem Fall gebunden bleiben, dass er noch einmal heiratet oder sonst Pflichtteilsberechtigte hinzutreten. Der berlebende von uns verzichtet deshalb ausdrcklich vertraglich auf sein Anfechtungsrecht wegen bergehung eines Pflichtteilsberechtigten.
546
B. Das Geschiedenentestament
VII. Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten Besondere rechtliche Probleme der Patchwork-Familie ergeben sich daraus, 19 dass die Partner einseitige Kinder in die Ehe einbringen. Wurde die Ehe, aus der diese Kinder stammen, nicht wie im Beispielsfall beim Ehemann durch den Tod aufgelöst, sondern wie im Beispielsfall bei der Ehefrau durch Scheidung, so gibt es noch den geschiedenen anderen Elternteil, der mit dem Kind verwandt bleibt und deshalb auch Erb- und Pflichtteilsrechte nach dem Kind hat. Im Beispielsfall hat die Mutter mit Unterstützung ihrer Eltern das Familienheim übernommen und den geschiedenen Ehemann ausgezahlt. Verstirbt sie jetzt etwa infolge eines Unfalls und verstirbt aus dieser Ursache nach ihr auch das Kind, so erwirbt der geschiedene Ehemann auf diesem Wege Erb- oder Pflichtteilsrechte an ihrem Vermögen. Die Ausschaltung dieser Ansprüche wird unter dem Topos Geschiedenentestament diskutiert. Hierzu wird auf die Darstellung Rz. 21 ff. verwiesen. Im Eingangsfall kann die Ehefrau eine Geschiedenenverfügung in der Form des Vermächtnisses (s. M 204) abgeben, die als nicht wechselbezüglicher Teil des gemeinschaftlichen Testaments oder nicht vertraglich bindender Teil des Erbvertrags den gemeinschaftlichen Verfügungen angefügt werden kann.
VIII. Überschuldete Abkömmlinge Eine weitere Problematik, die in der Patchwork-Familie möglicherweise 20 verstärkt auftreten kann, ist die Fehlentwicklung eines der Kinder mit der Folge, dass dieses Kind etwa infolge von Drogenabhängigkeit bedürftig wird und vor seinen Gläubigern wie auch vor sich selbst zu schützen ist. Im Anschluss an die Problematik des Behindertentestaments wird diese Problematik zunehmend unter dem Topos Bedürftigentestament diskutiert. Hierzu wird auf die Darstellung Rz. 151 ff. verwiesen. Eine der Gestaltungen kann in das gemeinschaftliche Testament oder den Erbvertrag eingefügt werden.
B. Das Geschiedenentestament I. Abgrenzung der Fallgruppe, Gestaltungsprobleme Beim Geschiedenentestament geht es um die erbrechtliche Neutralisierung 21 des ehemaligen Ehegatten, der als Elternteil eines gemeinschaftlichen Kindes nach diesem erb- und pflichtteilsberechtigt ist und über das Kind in gestufter Erbfolge das Vermögen des anderen Elternteils erwerben kann. Die Fallgruppe des Geschiedenentestaments ist durch den Hauptzweck der erbrechtlichen Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten und den Nebenzweck der geringstmöglichen Einschränkung der Verfügungs- und Testier-
547
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
freiheit des Kindes gekennzeichnet. Hinzu kommt die rechtliche Problematik des Verbots der Fremdbestimmung des Erben nach § 2065 Abs. 2 BGB. Hauptzweck des Geschiedenentestaments ist der Ausschluss des geschiedenen Ehegatten und seiner Verwandtschaft von der Teilhabe am Nachlass über die Erbfolge nach dem gemeinsamen Abkömmling. 22 So kann beispielsweise beim unfallbedingten, nicht gleichzeitigen Tod zu-
nächst der Erblasserin und dann des Kindes der Vater des Kindes und geschiedene Ehemann gesetzlicher Erbe des zweitversterbenden Kindes werden und so über das Kind, das zunächst Alleinerbe der Mutter geworden ist, den gesamten Nachlass der geschiedenen Ehefrau erwerben. Zur Verhinderung dieses Störfalles kommt ein Vor- und Nacherbentestament der Mutter in Betracht, mit dem sie das Kind zum alleinigen Vorerben und die Abkömmlinge des Kindes bzw. die sonstigen gesetzlichen Erben des Kindes mit Ausnahme des Vaters und seiner Familie zu Nacherben einsetzt.1 Hierdurch wird das Kind hinsichtlich des Nachlasses der Mutter in zweierlei Weise gebunden und eingeschränkt: Einmal hat es die lebzeitigen Beschränkungen des Vorerben zu beachten. Zum Zweiten kann es auf die Vererbung des von der Mutter stammenden Vermögens keinen Einfluss nehmen. Vielmehr kommt die angeordnete Nacherbfolge zur Geltung, dies ohne Rücksicht darauf, ob sie im Zeitpunkt des Todes des Kindes noch zweckmäßig ist oder nicht. Der typische Nebenzweck des Geschiedenentestaments, nämlich die Bindung und Einschränkung des Kindes nur insoweit eintreten zu lassen, als sie zum Eintreten des Hauptzwecks zwingend erforderlich ist, wird nicht erreicht. Das Kind hat hinsichtlich des von der Mutter ererbten Vermögens keinerlei letztwillige Gestaltungsfreiheit.
II. Gestaltungstypen 23 Gestaltungstypen des Geschiedenentestaments sind die Nacherbenlösung
und die Vermächtnislösung. Die Kautelarpraxis bedient sich traditionell der Nacherbenlösung unter Benutzung der nachfolgend erläuterten Dieterle-Klausel. In letzter Zeit wird zunehmend eine Vermächtnislösung erörtert, die das als Erbe eingesetzte Kind in der Zeit zwischen dem Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses weniger belastet. Die nachfolgenden Erörterungen und Formulierungsvorschläge gehen von dem Fall aus, dass bei Scheidung der Ehe ein gemeinsames Kind vorhanden ist, das die Mutter als Erblasserin zum Erben einsetzen will, wobei die Teilhabe des geschiedenen Ehemannes, seiner einseitigen Abkömmlinge und seiner sonstigen Verwandten an ihrem Nachlass ausgeschlossen sein soll. Die Interessenlage wird verdeutlicht durch den Beispielsfall, dass die Ehefrau und Mutter anlässlich der Scheidung das Familienheim unter Abfindung des Ehemannes erworben hat und jetzt verhindern will, dass der geschiedene Ehemann über seine Erb- und Pflichtteilsrechte nach dem Kind wieder an das Haus herankommt. 1 Vgl. den Formulierungsvorschlag Würzburger Notarhdb/Limmer, Teil 4 Kap. 1 Rz. 387.
548
B. Das Geschiedenentestament
III. Die Nacherbenlösung 1. Die Dieterle-Klausel Der von der Kautelarjurisprudenz für das Geschiedenentestament angebo- 24 tene und seit Jahrzehnten gebräuchliche Gestaltungstyp ist als DieterleKlausel bekannt geworden.1 Sie besteht darin, dass das Kind zum alleinigen Vorerben eingesetzt wird und als Nacherben diejenigen Personen bestimmt werden, die das Kind zu seinen eigenen Erben einsetzt, dies mit Ausnahme des Vaters und seiner Verwandten. Die herrschende Lehre hält diese Gestaltung auch angesichts des von § 2065 Abs. 2 BGB normierten Verbots der Fremderbenbestimmung für zulässig.2 Eine Stellungnahme des BGH steht noch aus. Eine in der – unzuläng- 25 lichen bzw. fehlenden – Begründung nicht diskutable Entscheidung des OLG Frankfurt,3 nach der der Erblasser gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstößt, wenn er denjenigen zu Nacherben einsetzt, den der Vorerbe zu seinem Erben einsetzen wird, hat die Diskussion über die Vereinbarkeit der Gestaltung mit den gesetzlichen Verbot der Fremderbenbestimmung wieder angefacht. Das Unbehagen hinsichtlich der Dieterle-Klausel, das im Anschluss an 26 die Entscheidung des OLG Frankfurt auch bei Kautelarjuristen laut wurde,4 rührt nach der richtigen Feststellung von Otte5 daher, dass das Ergebnis jeder Grenzziehung zwischen zulässigen und unzulässigen Anordnungen immer in irgendeiner Weise der Intention des § 2065 Abs. 2 BGB zuwiderläuft. 2. Zulässigkeit der Klausel Bei der Betrachtung der Dieterle-Klausel unter dem Gesichtspunkt des 27 Fremdbestimmungsverbots des § 2065 Abs. 2 BGB ist zunächst festzustellen, dass es sich um eine Einschränkung dieses Verbots handelt, und zum Zweiten, dass diese Einschränkung nur im Wege der Fallgruppenbildung möglich ist. Dies führt im zur Notwendigkeit der Abgrenzung der Fallgruppe mittels sachgerechter Kriterien. Die Argumente und Begründungen für die Zulässigkeit der Dieterle-Klau- 28 sel in Rechtsprechung und Literatur stellen sich wie folgt dar:
1 Dieterle, BWNotZ 1971, 15; zuvor bereits Schäfer, BWNotZ 1962, 203; Gaberdiel, Rpfleger 1966, 265. 2 Palandt/Weidlich, § 2065 BGB Rz. 7; Staudinger/Otte, § 2065 BGB Rz. 16; Nieder/ R. Kössinger/W. Kössinger, § 10 Rz. 75; Staudinger/Avenarius, § 2100 BGB Rz. 38; Ivo, DNotZ 2002, 260; Damrau/Hennicke, Praxiskomm. Erbrecht, § 2100 BGB Rz. 12; Frohnmayer, Geschiedenentestament, 2004, S. 44; kritisch insb. J. Mayer, ZEV 2000, 7. 3 OLG Frankfurt v. 10.12.1999, DNotZ 2001, 142 mit Anm. Kanzleiter = ZEV 2001, 316 mit Anm. Otte. 4 Kanzleiter, DNotZ 2001, 150; Ivo, DNotZ 2002, 266: „grenzwertige Gestaltung“. 5 Otte, ZEV 2001, 318.
549
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
29 – Nach einer vom Reichsgericht begründeten und vom Bundesgerichts-
hof fortgeführten Rechtsprechung ist eine auflösend bedingte Anordnung von Nacherbfolge in der Weise möglich, dass die Einsetzung eines Nacherben unter der Bedingung erfolgt, dass der Vorerbe nicht letztwillig anders über den Nachlass verfügt.1 Hierauf stützt sich das in der Literatur verbreitete Argument, dass ein Anknüpfen an den in der eigenen letztwilligen Verfügung zum Ausdruck gekommenen Willen des Vorerben hinsichtlich der Personen der Nacherben zulässig sein müsse, wenn der Erblasser sogar das Eintreten der Nacherbschaft insgesamt vom Willen des Vorerben abhängig machen könne.2 30 – Eine weitere Argumentationslinie unterscheidet zwischen der Unmittel-
barkeit und der Mittelbarkeit der Fremdbestimmung des Erben in der Weise, dass das Verbot des § 2065 Abs. 2 BGB nur die unmittelbare Fremdbestimmung, nicht aber die mittelbare Fremdbestimmung umfasse. So gesehen bestimmt der Erblasser bei der Dieterle-Klausel den Schlusserben selbst, er trifft eine autonome Auswahlentscheidung. Es ist sein Wille, das Schlusserbe derjenige sein soll, den der Vorerbe zu seinem eigenen Erben bestimmt. Nicht der Vorerbe bestimmt den Nacherben, sondern der Erblasser bestimmt den Nacherben unter Anknüpfung an die letztwillige Verfügung des Vorerben über dessen eigenes Vermögen. 31 – Eine Funktion des § 2065 Abs. 2 BGB besteht darin, Schwebelagen hin-
sichtlich der Person des Erben zu vermeiden.3 Bei der Dieterle-Klausel entsteht eine derartige Schwebelage nicht. Auch der weiteren Funktion des § 2065 Abs. 2 BGB, den Erblasser zur Selbstbestimmung zu zwingen,4 ist bei der Dieterle-Klausel genügt, weil der Erblasser eine eigene Entscheidung über den Nacherben trifft, indem er ihn nach Maßgabe der eigenen Erbenbestimmung des Vorerben bestimmt. 32 Für die Bildung von Fallgruppen und Vertragstypen sind die damit verfolg-
ten Zwecke konstituierend. Nach Reimann5 ist die Einsetzung derjenigen Personen zu Erben, die ein anderer als seine eigenen Erben beruft, nur zulässig, wenn hierfür sachliche Gründe gegeben sind. Die Gestaltung müsse bewusst und dürfe nicht aus Unentschlossenheit gewählt werden. Beim Ge-
1 BGH v. 14.7.1972 – V ZR 124/70, BGHZ 59, 220 = MDR 1972, 1022 = NJW 1972, 1987; BGH v. 18.11.1954 – IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199 = NJW 1955, 100; BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35 = NJW 1951, 959; RG v. 16.4.1919 – IV 58/19, RGZ 95, 278; OLG Hamm v. 24.8.1999 – 15 W 218/99, FamRZ 2000, 446. 2 So insb. Schäfer, BWNotZ 1962, 203; Dieterle, BWNotZ 1971, 15; Busse, MittRhNotK 1998, 232; Ivo, DNotZ 2002, 265; Wagner, Der Grundsatz der Selbstentscheidung bei Errichtung letztwilliger Verfügungen, 1997, S. 145; Frohnmayer, Geschiedenentestament, 2004, S. 49. 3 Frohnmayer, Geschiedenentestament, 2004, S. 52 m.w.N. 4 Vgl. Wagner, Der Grundsatz der Selbstentscheidung bei Errichtung letztwilliger Verfügungen, 1997. 5 Dittmann/Reimann/Bengel, 2. Aufl. 1986, Vorbem. zu §§ 2229 BGB Rz. 20; a.A. Reimann/Bengel/J. Mayer/Voit, 5. Aufl. 2006, Vorbem. zu § 2229 BGB Rz. 24.
550
B. Das Geschiedenentestament
schiedenentestament liege ein derartiger ausreichender sachlicher Grund vor. Schnabel1 rät ähnlich wie Reimann, die Beweggründe des Erblassers für die konkrete Verfügung in der Urkunde festzuhalten.2 Will man die Fallgruppe des Geschiedenentestaments vom Verbot des 33 § 2065 Abs. 2 BGB ausnehmen, so findet dies in den vorbezeichneten Kriterien eine dogmatisch ausreichende und praxistaugliche Grundlage. Typbegründende, legitime und anerkennenswerte Zwecke sind die Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten und seiner Verwandten vom Nachlass des Erblassers bei gleichzeitiger Erhaltung der testamentarischen Selbstbestimmung des Vorerben auch hinsichtlich des erbten Vermögens. Der Erblasser entscheidet selbst über seinen Nacherben, dies unter bewusster Instrumentalisierung der eigenen Erbenbestimmung des Vorerben. Rechtliche Unsicherheiten und Schwebezustände entstehen nicht. Die Fallgruppe ist damit bestimmt, abgrenzbar und in der Konsequenz der Ausnahme vom Verbot des § 2065 Abs. 2 BGB sachlich gerechtfertigt. Sie stellt das erbrechtliche Selbstbestimmungsprinzip nicht in Frage, sondern bestätigt es im Sinne der Anerkennung einer notwendigen Gestaltungsmöglichkeit. Diese Entscheidung muss trotz der ihr berechtigterweise aus dem Schrifttum vehement entgegengebrachten Kritik3 bei der Wahl der sichersten Gestaltung dahingehend berücksichtigt werden, dass derartige Klauseln bis zu einer höchstrichterlichen Klärung möglichst nicht verwendet werden.4 3. Gesetzliche Vorgaben Bei der Vor- und Nacherbfolge gibt das Gesetz ausführliche Regelungen vor. 34 Der Vorerbe ist Erbe auf Zeit, auf ihn geht das Vermögen des Erblassers mit allen Rechten und Pflichten über, bleibt aber ein von seinem eigenen Vermögen zu unterscheidendes Sondervermögen, dessen Erhalt für den Nacherben durch die dingliche Surrogation des § 2111 BGB und die Verfügungsbeschränkungen und Verwaltungspflichten der §§ 2113 ff. BGB geschützt wird. Beim Eintritt des Nacherbfalls wird der Erblasser zum zweiten Mal beerbt, diesmal vom Nacherben. Der Vorerbe vererbt das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen nicht als eigenes weiter, seine Erben haben an ihm keine Erb- oder Pflichtteilsrechte. Vor Vollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger des Vorerben ist der der Nacherbfolge unterliegende Nachlass durch § 2115 BGB und die ergänzenden Verfahrensvorschriften der §§ 773 ZPO, 83 InsO geschützt. Bei Grundstücken wird im Grundbuch zur Vermeidung gutgläubigen Erwerbs der Nacherbenvermerk eingetragen.
1 Schnabel, Das Geschiedenentestament, 2001, passim. 2 Formulierungsvorschlag in Schnabel, Das Geschiedenentestament, 2001, S. 128: „Ich möchte, dass die Erben meiner Vorerben auch Nacherben meines Vermögens werden, weil ich glaube, dass meine Vorerben würdige Personen bedenken werden“. 3 Ivo, DNotZ 2002, 266. 4 Kanzleiter, DNotZ 2001, 149 (154).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
35 Nach §§ 2113 ff. BGB unterliegt der Vorerbe Beschränkungen, von denen
ihn der Erblasser nach § 2136 BGB bis auf wenige Ausnahmen befreien kann. Es handelt sich um Verfügungsbeschränkungen, Mitverwaltungsrechte des Nacherben, Kontroll- und Sicherungsrechte des Nacherben und Verwaltungspflichten. Wird der Vorerbe vom Erblasser von allen gesetzlichen Beschränkungen befreit, so unterliegt er als befreiter Vorerbe noch lediglich dem Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB und der Verpflichtung zur Nachlassverzeichnung nach § 2121 BGB. 36 Die Absonderung der Vorerbschaft wirkt sich unabdingbar durch die ding-
liche Surrogation des § 2111 BGB und durch die Abschirmung vor Eigengläubigern nach § 2115 BGB aus. Der Vorerbe ist nicht nur zur Fruchtziehung, sondern auch zum Verbrauch der Nachlasssubstanz befugt. Diese Befreiung des Vorerben im weitesten möglichen Umfang kennzeichnet das Geschiedenentestament, bei dem der Erblasser den Vorerben nur insoweit einschränken will, wie es zur Erreichung des Gestaltungsziels der Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten erforderlich ist.
M 201
Nacherbenlçsung beim Geschiedenentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meine Tochter . . . zur alleinigen Erbin ein. Ersatzerben sind die Abkçmmlinge meiner Tochter, mangels Abkçmmlingen meine sonstigen Verwandten, jeweils nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Soweit meine Tochter oder ihre Abkçmmlinge Erben werden, sind sie nur von den gesetzlichen Beschrnkungen befreite Vorerben. Nacherben auf ihren Tod sind ihre gewillkrten eigenen Erben, ersatzweise ihre gesetzlichen Erben. Als Nacherben ausgenommen sind mein geschiedener Ehegatte, seine Abkçmmlinge aus anderen Verbindungen und seine Verwandten aufsteigender Linie. Die Nacherbenanwartschaften sind jeweils zwischen Erbfall und Nacherbfall nicht vererblich und nicht bertragbar. Verstirbt mein geschiedener Ehemann vor Eintritt des Nacherbfalls ohne Hinterlassung von Abkçmmlingen und Verwandten aufsteigender Linie, so entfllt die Nacherbfolge. Verstirbt er ohne Hinterlassung von Abkçmmlingen, jedoch unter Hinterlassung sonstiger Verwandten, so kann der Vorerbe die Nacherbfolge beseitigen, indem er eine eigene letztwillige Verfgung errichtet, in der er Erben einsetzt, die nicht zu dem ausgeschlossenen Personenkreis gehçren.
4. Weitere Nacherbfolge 37 Darüber hinaus kann erwogen werden, ggf. weitere Nacherbfolge anzuord-
nen (s. oben 3. Kap. Rz. 123 ff.), um bei einem Nachversterben der Abkömmlinge des Kindes etwa bei einem Verkehrsunfall Erb- bzw. Pflichtteilsrechte des geschiedenen Ehegatten auszuschließen.
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B. Das Geschiedenentestament
M 202
Anordnung weiterer Nacherbfolge
(Form: Verfgung von Todes wegen) Es wird jeweils weitere Nacherbfolge angeordnet. Die vorstehend genannten jeweiligen Nacherben bzw. Ersatznacherben haben in der Zeit vom ersten Nacherbfall bis zum jeweiligen weiteren Nacherbfall die Rechtsstellung eines gesetzlich beschrnkten Vorerben. Sie sind jedoch jeweils von allen Beschrnkungen befreit, von denen nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann. Die weitere Nacherbfolge tritt jeweils mit dem Tod des jeweiligen ersten Nacherben ein. Auf den Tod des jeweiligen weiteren Nacherben wird jedoch keine nochmalige weitere Nacherbfolge angeordnet. Jeweils weitere Nacherben auf den jeweiligen Tod des jeweiligen ersten Nacherben sind dessen jeweilige Abkçmmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung zum Zeitpunkt des Todes des jeweiligen ersten Nacherben, zu denen ohne Einschrnkung auch nichteheliche Kinder und deren Abkçmmlinge zhlen. Ersatzweise tritt jeweils Anwachsung ein. Diese Nachnacherbanwartschaften sind weder vererblich noch verußerlich, wobei eine Verußerung an den ersten Nacherben zulssig ist und dann auch jede ausdrckliche oder stillschweigende Ersatznachnacherbeinsetzung entfllt.
5. Verwaltungsausschluss und Pflegerbenennung für minderjährige Abkömmlinge Geschiedene Ehegatten mit gemeinschaftlichen Kindern möchten häufig 38 auch dafür Sorge tragen, dass auf ihren Tod der jeweils andere frühere Ehegatte nicht mittels Sorgerechts für die zu Erben eingesetzten gemeinsamen nicht volljährigen Kinder auf das Nachlassvermögen Zugriff nimmt. Entsprechendes gilt für andere Erblasser, die eine Verwaltung des von ihnen den minderjährigen Kinder letztwillig zugewendeten Vermögens durch deren sorgeberechtigten Eltern vermeiden möchten. Insoweit kann der Erblasser nach § 1638 Abs. 1 BGB durch Verfügung von Todes wegen einen entsprechenden Verwaltungsausschluss anordnen und diesbezüglich eine Vertrauensperson zum Ergänzungspfleger iSd. § 1917 BGB bestimmen. Hierbei können die für einen Vormund möglichen Befreiungen nach den §§ 1852–1855 BGB (Ausschluss der Bestellung eines Gegenvormundes sowie Befreiung bei der Anlegung von Geld, von Hinterlegung und von Sperrung sowie von der Rechnungslegungspflicht) erteilt werden. Ausnahmsweise können bei fehlender Eignung des längstlebenden früheren Ehegatten, dem nach § 1680 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge gesetzlich alleine zusteht, letztwillig Maßnahmen nach § 1666 BGB angeregt werden, insbesondere nach § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge unter Benennung eines Vormundes.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
M 203
Verwaltungsausschluss und Pflegerbenennung fr minderjhrige Abkçmmlinge
(Form: Verfgung von Todes wegen) Soweit meine Kinder bei meinem Tod noch nicht volljhrig sind, ordne ich hiermit an, dass mein von mir geschiedener Ehegatte . . . in der Vermçgenssorge fr unsere Kinder hinsichtlich desjenigen Nachlassvermçgens beschrnkt ist, das diese durch Erbfolge oder vermchtnisweise von mir erhalten. Als Pfleger benenne ich hierfr . . . , ersatzweise . . . . Beide sind jeweils iSd. §§ 1852–1855, 1909, 1917 BGB befreit.
IV. Die Vermächtnislösung 1. Das aufschiebend befristete Herausgabevermächtnis auf den Überrest 39 Statt der Verdinglichung der Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten
über die Vor- und Nacherbfolge kann man den Regelungszweck auch schuldrechtlich dadurch erreichen, dass beim Tod des Kindes das ererbte Vermögen auf Grund eines vom Erblasser angeordneten aufschiebend befristeten Herausgabevermächtnisses auf den Überrest anderen Personen als dem geschiedenen Ehegatten und seinen sonstigen Verwandten anfällt. Diese Gestaltung erspart dem Kind die auch den befreiten Vorerben treffenden Beschränkungen, etwa das Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB und die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch, und ermöglicht ihm bis zu seinem Tod die uneingeschränkte Disposition über das ererbte Vermögen. Die erbrechtliche Verfügungsfreiheit des Kindes allerdings ist wie bei der Vor- und Nacherbenlösung im Interesse des primären Regelungszwecks des Geschiedenentestaments eingeschränkt, wobei auch hier das Vermächtnisrecht elastischer ist als das Recht der Vor- und Nacherbfolge. 40 Rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit eines auf den Tod des Erben
aufschiebend befristeten Universalvermächtnisses auf den Überrest bestehen nicht. Das Herausgabevermächtnis betrifft als Universalvermächtnis den gesamten Nachlass, den der Erbe vom Erblasser ererbt hat. § 2087 BGB ist nicht einschlägig. Gegenständlich bezieht sich das Vermächtnis auf den Nachlassbestand beim Tod des Erben, ist also ein Vermächtnis auf den Überrest. Dem steht bei ausdrücklicher Anordnung die ergänzende Auslegungsregel des § 2103 BGB nicht entgegen. Anfall und Fälligkeit des Vermächtnisses treten nicht beim Tod des Erblassers, sondern aufschiebend befristet auf den Tod des Erben ein. Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 2162 BGB kommt nach § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht zur Anwendung, wenn die mit dem Vermächtnis beschwerte Person der Erbe ist. 41 Für die rechtliche Gestaltung macht die gegenüber der Vor- und Nacherben-
lösung wesentlich geringere gesetzliche Regelungsdichte eingehendere Regelungen erforderlich als bei jener. 554
B. Das Geschiedenentestament
Erbschaftsteuerlich werden beide Lösungen gleich behandelt. Das mit 42 dem Tod des Beschwerten anfallende Vermächtnis wird gem. § 6 Abs. 4 ErbStG wie eine Nacherbschaft behandelt. Damit sind die Vermächtnisgegenstände zunächst vom Erben und bei dessen Tod nochmals vom Vermächtnisnehmer zu versteuern, wie dies auch für die Erwerbe des Vorerben und des Nacherben gilt. 2. Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses Das auf den Tod des Erben aufschiebend befristete Herausgabevermächt- 43 nis auf den Überrest geht den Pflichtteilsansprüchen der eigenen Erben des mit dem Vermächtnis belasteten Erben vor. Es wurde vom ursprünglichen Erblasser angeordnet und ist deshalb nach § 2311 BGB als Erblasserschuld, also als Verbindlichkeit des Erben gegenüber dem Vermächtnisbedachten, vorweg vom Nachlass des Erben abzuziehen. Nur aus dem Nachlass des Erben abzüglich des Vermächtnisgegenstandes berechnen sich die Pflichtteile der eigenen Erben des Erben.1 Abweichend von dieser allgemeinen Ansicht und ohne überzeugende dog- 44 matische Begründung, sondern lediglich als sichersten Weg schlägt Jörg Mayer2 vor, das Vermächtnis sofort mit dem ersten Erbfall anfallen zu lassen und erst mit dem Tod des Erben fällig zu stellen oder es zunächst anfallen zu lassen und mit einer auflösenden Bedingung anzuordnen, wann es entfällt, etwa weil das Vermächtnisobjekt nicht Gegenstand der Pflichtteilsberechnung nach dem Tod des mit dem Vermächtnis Belasteten wurde. Der von Mayer vorgeschlagene Anfall des Vermächtnisses schon mit dem Tod des Erblassers ist aus Gründen der Pflichtteilsfestigkeit nicht erforderlich. Er ist auch von der Interessenlage her nicht gewollt und vergrößert die rechtlichen Probleme der Gestaltung. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers stehen weder der gegenständliche Bestand des mit dem Herausgabevermächtnisses auf den Überrest zugewendeten Nachlasses fest, noch die Person des Vermächtnisnehmers. Beides ist aber erforderlich,
1 MünchKomm.BGB/Lange, § 2311 BGB Rz. 15; Schlitt/Müller/Blum, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 3 Rz. 57; Schlitt/Müller/G.Müller, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 11 Rz. 249 u. 258; Burandt/Rojahn/G. Müller, § 2311 BGB Rz. 28; Reimann, MittBayNot 2002, 4, 7 f.; Beck’sches Formularbuch Erbrecht/Keim, C II 2 Nr. 7; Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Rohlfing, Erbrecht in der anwaltlichen Praxis, Rz. 133; Busse, MittRhNotK 1998, 225 (239); Nieder, ZEV 1994, 156 (158); Wagner, ZEV 1997, 369 (370); Watzek, MittRhNotK 1999, 37 (42); Reimann, MittBayNot 2002, 4 (7); Schnabel, Das Geschiedenentestament, 2001, S. 152; Frohnmayer, Das Geschiedenentestament, 2004, S. 109. 2 J. Mayer, ZEV 2000, 1 (9): Restzweifel an der Abzugsfähigkeit des Herausgabevermächtnisses wegen Unsicherheit aufgrund Vorhandenseins bereits beim Tod des Beschwerten; ähnlich Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rz. 531 mit Vorschlag eines auflösend bedingten Herausgabevermächtnisses; Schwarz, ZEV 2011, 292 (294 f.): mit Vorschlag eines auflösend bedingten erst beim Tod der beschwerten Erben fälligen Herausgabevermächtnisses mit Zweckauflage; dagegen wiederum Hölscher, ZEV 2011, 569 ff.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
wenn man den Anfall zu diesem Zeitpunkt anordnen und lediglich die Fälligkeit auf den Tod des Erben hinausschieben will. Anfallen soll das Vermächtnis nach Maßgabe des Nachlassbestandes zum Tod des Erben an den beim Tod des Erben vorhandenen Begünstigten. Ließe man demgegenüber den beim Tod des Erben vorhandenen Nachlass dem zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Begünstigten anfallen, so müsste man über den Aufschub der Fälligkeit hinaus besondere Regelungen für Veränderungen im Bestand des Nachlasses und den Personen der Vermächtnisnehmer treffen. Dies ist bei der Vor- und Nacherbschaft Inhalt der gesetzlichen Regelung und ließe sich beim Vermächtnis nur durch Anordnung eines hier nicht gewollten Vor- und Nachvermächtnisses darstellen. Angesichts dessen bleibt als sachgerechte Gestaltungsmöglichkeit der Vermächtnislösungen beim Geschiedenentestament nur die aufschiebende Befristung sowohl des Anfalls wie der Fälligkeit. Die Pflichtteilsfestigkeit ist daher zu bejahen.1 45 Da die Pflichtteilsfestigkeit des Herausgabevermächtnisses von einer Min-
dermeinung in der Literatur in Frage gestellt wird, sollte jedoch bis zum Vorliegen diesbezüglicher höchstrichterlicher Rspr. unter Hinweis auf Restrisiken zwischen den Beeinträchtigungen des Nacherben aus der absolut pflichtteilsfesten Nacherbfolgeanordnung einerseits und den pflichtteilsrechtlichen Restrisiken des Herausgabevermächtnisses andererseits sorgfältig abgewogen werden. 3. Die Rechtsstellung des Erben a) Verfügungsrechte des Erben 46 Der mit dem Herausgabevermächtnis Beschwerte wird mit dem Erbfall
Vollerbe. Er ist lediglich mit einem aufschiebend befristeten schuldrechtlichen Vermächtnisanspruch belastetet, §§ 2177, 2174 BGB. Nach § 2179 BGB finden für die Zeit zwischen dem Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses die Vorschriften Anwendung, die für den Fall gelten, dass eine Leistung unter einer aufschiebenden Bedingung geschuldet wird. Dies sind grundsätzlich die §§ 160 ff. BGB. Von ihnen ist § 161 BGB nicht an1 MünchKomm.BGB/Lange, § 2311 BGB Rz. 15; Schlitt/Müller/Blum, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 3 Rz. 57; Schlitt/Müller/G. Müller, Handbuch des Pflichtteilsrechts, § 11 Rz. 249 u. 258; Burandt/Rojahn/G. Müller, § 2311 BGB Rz. 28; Reimann, MittBayNot 2002, 4, 7 f.; Beck’sches Formularbuch Erbrecht/Keim, C II 2 Nr. 7; Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Nieder, ZEV 1994, 158; G. Müller, ZEV 1996, 181; Wagner, ZEV 1997, 370; Busse, MittRhNotK 1998, 239; Kanzleiter, DNotZ 2001, 152; Hölscher, ZEV 2009, 215; Hölscher, ZEV 2011, 569 ff.; Rohlfing, Erbrecht in der anwaltlichen Praxis, Rz. 133 f.; kritisch J. Mayer, ZEV 2000, 1 (9): Restzweifel an der Abzugsfähigkeit des Herausgabevermächtnisses wegen Unsicherheit aufgrund Vorhandenseins bereits beim Tod des Beschwerten; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rz. 531 mit Vorschlag eines auflösend bedingten Herausgabevermächtnisses; Schwarz, ZEV 2011, 292 (294 f.): mit Vorschlag eines auflösend bedingten erst beim Tod der beschwerten Erben fälligen Herausgabevermächtnisses mit Zweckauflage; dagegen wiederum Hölscher, ZEV 2011, 569 ff.
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B. Das Geschiedenentestament
wendbar, da die Anwendung dieser Vorschrift eine aufschiebend bedingte Verfügung voraussetzt, die bei der Zuwendung eines schuldrechtlichen Vermächtnisanspruchs nicht vorliegt.1 Nach dem über § 2179 BGB anwendbaren § 160 BGB kann der unter einer 47 aufschiebenden Bedingung Berechtigte im Falle des Eintritts der Bedingung Schadensersatz von dem anderen Teil verlangen, wenn dieser während der Schwebezeit das von der Bedingung abhängige Recht durch sein Verschulden vereitelt oder beeinträchtigt hat. Ein derartiger Schadensersatzanspruch scheidet von vornherein aus, wenn sich das Recht aus dem Vermächtnis nur auf die Gegenstände des Nachlasses des Erben bezieht, die beim Anfall des Vermächtnisses noch nachweislich im Vermögen des Beschwerten vorhanden sind und wenn der Beschwerte befugt ist, bis zum Anfall des Vermächtnisses in jeder Weise frei über den Nachlass des Erben zu verfügen. Bei einem derartigen Vermächtnis auf den Überrest ist jeder einzelne Nachlassgegenstand unter der aufschiebenden Bedingung vermacht, dass er beim Anfall des Vermächtnisses noch vorhanden ist.2 Verfügungen des Beschwerten vor diesem Zeitpunkt können deshalb den Vermächtnisanspruch nicht beeinträchtigen. b) Verfügungen des Erben zugunsten ausgeschlossener Personen Da der beschwerte Erbe keinen Verfügungsbeschränkungen unterliegt, 48 kann er auch Nachlassgegenstände unter Lebenden auf den geschiedenen Ehegatten des Erblassers oder sonstige ausgeschlossene Personen übertragen. Will der Erblasser ihn hiervon abhalten, so kann er im Sinne einer Strafklausel bestimmen, dass das Herausgabevermächtnis bereits bei einer derartigen Verfügung anfällt. Alternativ hierzu kann er seinen Nachlass ab dem Erbfall der Überwachung eines Testamentsvollstreckers unterstellen, wodurch der Erbe nach §§ 2205, 2211 BGB insofern seine Verwaltungs- und Verfügungsrechte verliert. Beide Maßnahmen sind im Regelfall übermäßig und scheiden praktisch aus. c) Nutzungen und Lasten Nach § 2184 BGB stehen dem Erben bis zum Anfall des Vermächtnisses, 49 also bis zu seinem Tod, die Früchte und Gebrauchsvorteilen des Nachlasses zu. Bis dahin trägt er nach § 2185 iVm. § 994 Abs. 1 Satz 2 BGB die gewöhnlichen Erhaltungskosten. Für sonstige Verwendungen können für ihn nach § 2185 BGB i.V.m. §§ 994 Abs. 2 BGB, 996 BGB Ersatzansprüche gegen den Vermächtnisnehmer entstehen. Derartige im Ergebnis den Erben des Erben über dessen Nachlass gegen den Vermächtnisnehmer zustehende Ansprüche sollten ausdrücklich ausgeschlossen werden, da der Erbe für seine Lebenszeit uneingeschränkter Eigentümer der aus dem Nachlass 1 Palandt/Weidlich, § 2179 BGB Rz. 2; MünchKomm.BGB/Rudy, § 2179 BGB Rz. 4; Bühler, BWNotZ 1967, 174; Bungeroth, NJW 1967, 1357). 2 OLG Oldenburg v. 12.10.1957 – 3 Wx 47/57, DNotZ 1958, 95; allg. Ansicht.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
des Erblassers stammenden Gegenstände ist und als solcher auch selbst und endgültig die Kosten notwendiger und nicht notwendiger Verwendungen tragen sollte. d) Eigengläubiger des Erben 50 Anders als bei Anordnung von Nacherbschaft, bei der der Nachlass des
Erblassers als Sondervermögen durch §§ 2215 Satz 1 BGB, 773, 771 ZPO, 83 Abs. 2 InsO zugunsten des Nacherben vor dem Zugriff der Eigengläubiger des Vorerben geschützt ist, fehlt beim Vermächtnis ein derartiger gesetzlicher Schutz. Eine Abschirmung gegen die Eigengläubiger des Erben ist nur über § 2214 BGB durch Anordnung eine Dauer-Testamentsvollstreckung ab dem Erbfall zu erreichen. Diese Gestaltung scheidet wegen der Umstände und Kosten der Testamentsvollstreckung und der mit ihr verbundenen Einschränkung des Erben praktisch aus. e) Keine Publizität der Beschränkung 51 Vom Standpunkt des belasteten Erben aus liegt ein wesentlicher Vorteil
der Vermächtnislösung gegenüber der Nacherbenlösung darin, dass die Beschränkungen durch das aufschiebend befristete Herausgabevermächtnis weder im Grundbuch noch im Erbschein verlautbart werden. 4. Die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers a) Surrogation 52 Die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers ergibt sich spiegelbildlich
aus der beschriebenen Rechtsstellung des Erben. Der Erhaltung des Nachlasses für den Vermächtnisnehmer unbeschadet der Verfügungs- und Verbrauchsrechte des Erben dient die Regelung der Surrogation entsprechend der für die Nacherbfolge geltenden Vorschrift des § 2111 BGB. Ihre Anordnung ist auch zweckmäßig, um die Abschirmung des Nachlasses gegenüber den ausgeschlossenen Personen wertmäßig zu erhalten, und sollte deshalb ausdrücklich in das Testament aufgenommen werden. b) Vermächtnisanwartschaft, Vormerkung 53 Zwischen dem Tod des Erblassers und dem Anfall des Vermächtnisses hat
der mit einem aufschiebend bedingten Vermächtnis Bedachte eine Anwartschaft, die vererblich und übertragbar ist, soweit der Erblasser nichts anderes bestimmt.1 Die Vererblichkeit und Übertragbarkeit ist im Testament auszuschließen. 54 Befinden sich im Nachlass des Erblassers Grundstücke, so ist zu regeln, ob
der Vermächtnisbedachte schon ab dem Erbfall und nicht erst ab dem Ver1 BGH v. 25.3.1963 – III ZB 2/63, MDR 1963, 824 = NJW 1963, 1918; RG v. 17.3.1908 – VII 179/07, RGZ 67, 425 (430); allg. Ansicht in der Literatur.
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B. Das Geschiedenentestament
mächtnisanfall die Eintragung von Auflassungsvormerkungen verlangen kann.1 Entsprechend dem Zweck der Gestaltung sind Ansprüche auf Sicherung des künftigen Vermächtnisanspruchs, insbesondere ein Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch, auszuschließen. Vor der Eintragung einer Vormerkung auf Grund einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung schützt den Erben bereits die Einschränkung der Rechte des Vermächtnisnehmers auf den Überrest des Nachlasses. 5. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers a) Bestimmung durch den Erblasser Wie bei der Vor- und Nacherbenlösung ist die Bestimmung des Vermächt- 55 nisnehmers eine entscheidende Gestaltungsfrage des Geschiedenentestaments. Probleme ergeben sich insbesondere einmal aus dem möglicherweise großen Zeitabstand zwischen dem Tod des Erblassers und dem Anfall des Vermächtnisses beim Tod des Erben, zum Zweiten aus dem mitbestimmenden Gestaltungsziel, dem Erben Einfluss auf die Auswahl des Vermächtnisnehmers zu geben. Beispielhaft denke man nur an den Fall des Geschiedenentestaments kurz nach Scheidung der Ehe, wenn das gemeinsame Kind noch klein ist. Die namentliche Benennung des Vermächtnisnehmers durch den Erblas- 56 ser wird nur in Ausnahmefällen möglich und gewünscht sein. Dann ist wie bei der Erbeinsetzung an die Bestimmung eines Ersatzvermächtnisnehmers i.S.v. § 2190 BGB zu denken. Dem Gestaltungsziel der Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten ent- 57 spricht die Bestimmung der beim Anfall des Vermächtnisses vorhandenen Abkömmlinge des Erben entsprechend den Regeln der ersten Erbfolgeordnung zu Vermächtnisnehmern. Auch hier ist insbesondere in dem Fall, dass bei Testamentserrichtung noch keine Enkel des Erblassers vorhanden sind, die Bestimmung von Ersatzvermächtnisnehmern erforderlich. Zweckdienlich kann auch die Bestimmung der gesetzlichen Erben des 58 zum Erben berufen Abkömmlings aus der geschiedenen Ehe zu Vermächtnisnehmern sein, dies mit ausdrücklicher Ausnahme des geschiedenen Ehegatten des Erblassers und seiner einseitigen Verwandten. Bei dieser Lösung ist auch der Ehegatte des Abkömmlings eingesetzt, der nach § 1931 BGB zu den gesetzlichen Erben gehört. Alle diese Lösungen haben den Nachteil, dass der zum Erben berufene Ab- 59 kömmling die Einsetzung des Vermächtnisnehmers nicht mehr ändern kann, das weitere Ziel der Erhaltung seiner letztwilligen Gestaltungsfreiheit also nicht erreicht wird.
1 Vgl. LG Stuttgart v. 14.11.1997 – 27 O 491/97, ZEV 1999, 144 = BWNotZ 1999, 22.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
b) Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch den Erben 60 Wie für die Erbeinsetzung gilt auch für die Zuwendung von Vermögen
durch Vermächtnis das Verbot der Drittbestimmung nach § 2065 Abs. 2 BGB. Die Auswahl des Vermächtnisnehmers kann nicht in das Belieben des beschwerten Erben gestellt werden. Beim Universalvermächtnis als Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben drängt sich die Parallelwertung zur Erbeinsetzung auf, sodass auch der in der Literatur gelegentlich zu findende Hinweis, beim Vermächtnis bilde § 2065 Abs. 2 BGB keine so starre Gestaltungsgrenze wie bei der Erbeinsetzung, nicht weiterhilft. 61 Eine auf das Vermächtnis beschränkte Lockerung des Drittbestimmungs-
verbots findet sich in § 2151 BGB. Danach kann der Erblasser mehrere mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den mehreren das Vermächtnis erhalten soll. Die Anwendung der Vorschrift setzt allerdings voraus, dass der Erblasser den Personenkreis, aus dem der Bedachte ausgewählt werden soll, hinreichend genau bestimmt. Nach der Literatur1 muss diese Bestimmung positiv sein, die rein negative Ausgrenzung des geschiedenen Ehegatten und seiner einseitigen Verwandten genügt nicht. Ob die Begrenzung der Auswahl auf die gesetzlichen Erben ausreichend ist, erscheint zweifelhaft. c) Bestimmung nach der Dieterle-Klausel 62 Für die Dieterle-Klausel in der vermächtnisbezogenen Variante, dass der
Erblasser diejenigen Personen als Vermächtnisnehmer einsetzt, die der beschwerte Erbe in seinem Testament als Erben seines Vermögens bestimmt, gelten zunächst die oben dargestellten Grundsätze (s. oben Rz. 39 ff.). Als Argument für die Zulässigkeit der Klausel gerade bei der Vermächtnislösung kann man die dargestellte gesetzliche Regelung des § 2151 BGB heranziehen. Sie ist Ausdruck einer beim Vermächtnis tendenziell größeren Gestaltungsfreiheit. Durch die vermächtnisbezogene Dieterle-Klausel wird dem Erben nicht eine völlige Beliebigkeit in der Bestimmung des Vermächtnisnehmers zugestanden. Vielmehr setzt die mittelbare Bestimmungsmöglichkeit voraus, dass sich der Erbe auch zur Einsetzung der Vermächtnisnehmer zu seinen eigenen Erben entschließt. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers geht also gewissermaßen durch den Filter der Entscheidung über die eigene Erbfolge. d) Kombination von Bestimmungsvarianten 63 Der schuldrechtliche Charakter des Vermächtnisses erlaubt es, in der letzt-
willigen Verfügung mehrere Bestimmungsvorgaben in der Weise zu machen, dass beim Ausfall der vorgehenden Bestimmung die nachfolgende Be-
1 Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (19); Frohnmayer, Das Geschiedenentestament, 2004, S. 118.
560
B. Das Geschiedenentestament
stimmung maßgeblich sein soll. Schwierigkeiten der Erbscheinserteilung wie bei einem entsprechenden Verfahren bei der Erbenbestimmung entstehen nicht. Will man diese Gestaltung wählen, so gibt man zunächst die im Hinblick auf den Grundsatz der Selbstbestimmung des Zuwendungsempfängers möglicherweise problematischen Klauseln vor, um schließlich hilfsweise mit einer allgemein anerkannten Bestimmungsklausel sicherzustellen, dass das Vermächtnis nicht insgesamt entfällt. 6. Gestaltungsvorschlag mit Erläuterungen Im nachfolgenden Gestaltungsvorschlag wird im Anschluss an die Erbein- 64 setzung des Kindes mit Ersatzerbenbestimmung zur Ausschaltung des geschiedenen Ehemannes und seiner Verwandtschaft ein hinsichtlich Anfalls und Fälligkeit auf den Tod des Erblassers aufschiebend befristetes Herausgabevermächtnis auf den Überrest ausgeworfen. Alternative zu diesem den gesamten Nachlass des Erblassers betreffenden Herausgabevermächtnis ist die problemlos mögliche Beschränkung der Herausgabepflichten auf einzelne Vermögensmassen oder Vermögensgegenstände, etwa auf den unbeweglichen Nachlass. Zweckmäßig ist in beiden Fällen zur Vermeidung der Aushöhlung des abgeschirmten Nachlassbestandes die Anordnung der Surrogation entsprechend der Regelung des § 2111 BGB bei der Nacherbfolge. Ergänzend wird angeordnet, dass objektbezogene Verbindlichkeiten beim Objekt verbleiben, während die Haftung für den Nachlass nicht betreffende Verbindlichkeiten, etwa infolge von seitens des Erben auf den Nachlassgrundstücken eingetragenen Grundpfanddarlehen, vom Erben bzw. Erbeserben zu beseitigen ist. Es wird klargestellt, dass der Vermächtnisnehmer lediglich die Herausgabe 65 des Nachlasses in seinem Bestand beim Anfall mit dem Tod des Erben verlangen kann, und dass der Erbe zu seinen Lebzeiten über alle Nachlassgegenstände völlig frei verfügen kann, ohne Ansprüchen des Vermächtnisnehmers auf Verzeichnung oder Erhaltung des Nachlasses ausgesetzt zu sein. Umgekehrt haben der Erbe bzw. die Erbeserben keinerlei Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen und Verwendungen. Der Vermächtnisnehmer kann vor dem Anfall des Vermächtnisses keinerlei Sicherheiten verlangen, insbesondere nicht die Eintragung einer Eigentumsvormerkung bei Grundstücken. Die Eintragung einer derartigen Vormerkung auf Grund einer gerichtlichen einstweiligen Verfügung scheidet aus, da den Erben hinsichtlich der Erhaltung des Nachlasses keinerlei Verpflichtungen gegenüber dem Vermächtnisnehmer treffen. Die Veräußerung oder Vererbung der Vermächtnisanwartschaft wird ausdrücklich ausgeschlossen. Das Vermächtnis kann entfallen, wenn beim Tod des Erben der geschiede- 66 ne Ehegatte des Erblassers bereits verstorben ist oder auf seinen Pflichtteil verzichtet hat und der Erbe andere Personen als dessen sonstige Verwandte durch letztwillige Verfügung zu seinen Erben eingesetzt hat. Dies wird zur auflösenden Bedingung für das Herausgabevermächtnis gemacht.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
67 Als Vermächtnisnehmer werden die Personen bestimmt, die der Erbe zu
seinen eigenen Erben eingesetzt hat, ersatzweise die gesetzlichen Erben. Zwischenschalten kann man noch die Auswahl des Vermächtnisnehmers durch den Erben aus dem Kreis seiner gesetzlichen Erben nach § 2170 BGB. Wird beim Erbfall eine vorgehende Vermächtnisnehmerbestimmung als unwirksam angesehen, so bleibt es bei der nachfolgenden Bestimmung, jedenfalls bei der abschließenden Bestimmung der gesetzlichen Erben zu Vermächtnisnehmern. 68 Die abschließende Anordnung von Testamentsvollstreckung zur Ver-
mächtniserfüllung ist zweckmäßig. Man kann den Testamentsvollstrecker auch zum Schiedsgutachter über den Bestand des herauszugebenden Nachlasses bestellen.
M 204
Vermchtnislçsung beim Geschiedenentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meiner alleinigen und unbeschrnkten Erbin setze ich meine Tochter . . . ein. Ersatzerben sind in erster Linie deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, in zweiter Linie meine Verwandten nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge im Zeitpunkt meines Todes. Zur Ausschaltung von sich auf Grund der Verwandtschaft mit meinen Abkçmmlingen mçglicherweise ergebenden Erb- und Pflichtteilsrechten meines geschiedenen Ehemannes, seiner nicht mit mir verwandten Abkçmmlinge und seiner Verwandten aufsteigender Linie hinsichtlich meines Nachlasses ordne ich auf den Tod meiner Tochter bzw. ihrer Abkçmmlinge als meiner Erben das folgende aufschiebend befristete und bedingte Herausgabevermchtnis auf den berrest an. Gegenstand des Vermchtnisses ist das Vermçgen, was von meinem Nachlass beim Tod des Erben noch vorhanden ist. Hierzu gehçren alle Surrogate iSv. § 2111 BGB. Die dieses Vermçgen betreffenden Verbindlichkeiten, etwa Grundpfanddarlehen bei Grundstcken, sind vom Vermchtnisnehmer mit befreiender Wirkung fr den Erben zu bernehmen. So weit Gegenstnde dieses Vermçgens fr Verbindlichkeiten, die das Vermçgen nicht betreffen, verpfndet sind, kann der Vermchtnisnehmer vom Erben Befreiung von den Pfandrechten verlangen. Sonstige Ansprche hat der Vermchtnisnehmer gegen den Erben nicht. Insbesondere kann der Erbe in jeder rechtlich mçglichen Weise, auch unentgeltlich, ber meinem Nachlass verfgen. Er hat gegenber dem Vermchtnisnehmer keine lebzeitigen Erhaltungs- und Abrechnungspflichten. Der Vermchtnisnehmer kann eine Nachlassverzeichnung nicht verlangen, ebenso wenig Sicherheiten, auch nicht durch Vormerkung bei Grundstcken. Umgekehrt hat der Erbe gegen den Vermchtnisnehmer keinen Anspruch auf Verwendungsersatz iSv. § 2185 BGB. Das Vermchtnis fllt dem Vermchtnisnehmer erst beim Tod des Erben an und wird gleichzeitig fllig. Das Vermchtnis entfllt unter der Bedingung, dass beim Tod des Erben mein geschiedener Ehemann infolge Versterbens oder Verzicht nicht mehr pflicht-
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B. Das Geschiedenentestament
teilsberechtigt ist und der Erbe eine letztwillige Verfgung hinterlassen hat, die einen erbrechtlichen Erwerb meines geschiedenen Ehemannes, seiner nicht mit mir verwandten Abkçmmlinge und seiner sonstigen Verwandten aufsteigender Linie ausschließt. Zu Vermchtnisnehmern bestimme ich die folgenden Personen: In erster Linie sind Vermchtnisnehmer die Personen, die der Erbe als seine eigenen Erben eingesetzt hat. Ersatzweise sind Vermchtnisnehmer die Personen, die der Testamentsvollstrecker aus dem Kreis der gewillkrten und/oder der gesetzlichen Erben des Erben bestimmt. Der Testamentsvollstrecker kann alle gewillkrten oder aller gesetzlichen Erben mit Ausnahme meines geschiedenen Ehegatten und dessen einseitiger Verwandten als Vermchtnisnehmer bestimmen. Er kann auch einzelne Vermchtnisnehmer und deren Anteile am Vermchtnis aus einem oder beiden dieser Personenkreis bestimmen. Bei seiner Entscheidung hat er sich insbesondere an dem Versorgungsbedrfnis oder dem Ausbildungsbedrfnis der zu Bestimmenden auszurichten. Wiederum ersatzweise sind Vermchtnisnehmer die gesetzlichen Erben meines Erben nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Zur Erfllung des Vermchtnisses ordne ich Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker hat gegebenenfalls auch obige Bestimmung des Vermchtnisnehmers vorzunehmen. Das Nachlassgericht wird versucht und ermchtigt, den Testamentsvollstrecker zu bestellen und seine Vergtung festzusetzen.
V. Die Kombinationslösung Primäres Ziel des Geschiedenentestaments ist die Verhinderung der Gel- 69 tendmachung von Erb- und Pflichtteilsrechten durch den geschiedenen Ehegatten selbst. Die Gefahr der Abwanderungsmöglichkeiten an Halbgeschwister und die Verwandten des geschiedenen Ehegatten aufsteigender Linie ist geringer einzuschätzen. In Anbetracht dessen kann man erwägen, iS einer Kombinationslösung die rechtlich riskantere und den Erben stärker belastende Nacherbfolgelösung auf die Lebenszeit des geschiedenen Ehegatten zu beschränken und für die Zeit danach die Vermächtnislösung anzuordnen.1
M 205
Kombinationslçsung beim Geschiedenentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze hiermit meine Abkçmmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu meinen Erben ein. Sofern bei meinem Tod mein geschiedener Ehegatte noch lebt, sind die Kinder aus meiner Ehe mit ihm nur von den gesetzlichen Beschrnkungen befreite Vor1 So Nieder, ZEV 1994, 159.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
erben. Nacherben auf den Tod des Vorerben sind die gesetzlichen und gewillkrten eigenen Erben der jeweiligen Vorerben entsprechend ihren Erbteilen nach ihnen. Davon ausgenommen sind jedoch mein geschiedener Ehegatte, seine Abkçmmlinge aus anderen Verbindungen und seine Verwandten aufsteigender Linie. Mit dem Tod meines geschiedenen Ehegatten entfallen die obigen Nacherbeinsetzungen. Das Nacherbenanwartschaftsrecht ist jeweils zwischen Erbfall und Nacherbfall nicht vererblich und nicht bertragbar. Sofern die angeordnete Nacherbschaft durch den Tod meines geschiedenen Ehegatten entfallen ist, aber Gegenstnde aus meinem Nachlass auf den Tod eines meiner Abkçmmlinge im Wege der gesetzlichen oder gewillkrten Erbfolge oder des Vermchtnisses auf Abkçmmlinge meines geschiedenen Ehegatten aus anderen Verbindungen oder an seine Verwandten aufsteigender Linie fallen, vermache ich alle diejenigen Vermçgensgegenstnde, die der verstorbene Abkçmmling aus meinem Nachlass erworben hat und die sich zum Zeitpunkt des Vermchtnisanfalls noch nachweislich in seinem Vermçgen befinden, an seine eigenen Erben, ausgenommen die Abkçmmlinge meines geschiedenen Ehegatten aus anderen Verbindungen und seine Verwandten aufsteigender Linie, und zwar zu den Miteigentumsbruchteilen, die ihren Erbteilen entsprechen. Diese Vermchtnisse fallen erst mit dem Tode der Beschwerten an und werden dann fllig. Ein vererbliches und bertragbares Anwartschaftsrecht besteht fr die Vermchtnisnehmer zwischen dem Erbfall und dem Vermchtnisanfall nicht.
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament) I. Die Interessenlage 70 Unter der Bezeichnung Behindertentestament werden die letztwilligen
Verfügungen von Eheleuten zur Versorgung behinderter Kinder diskutiert.1 Sachverhaltstypisch ist, dass der Behinderte wegen einer schweren geistigen und/oder körperlichen Behinderung auf Dauer nicht in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigener Erwerbsarbeit zu verdienen. In ganzer Schärfe wird sich dies nach dem Tod der Eltern auswirken. Spätestens dann wird er völlig auf staatliche Hilfe angewiesen sein, die dann häufig in einer stationären Einrichtung, etwa einer behindertengerechten Wohn- und Werkstätte, erbracht wird. Die monatlichen Kosten sind dabei so hoch, dass sie die vorhandenen Eigenmittel, auch die aus einem Erb- oder Pflichtteil nach den Eltern, regelmäßig übersteigen. 71 Eine zentrale Fallgruppe ist die, dass die Eltern neben dem in einem Heim
untergebrachten behinderten Kind noch weitere nicht behinderte Kinder haben, denen das Familienvermögen, insbesondere das Familieneigen1 Praxiskonforme Fallgruppenbildung insbesondere bei Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 614 ff.
564
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
heim, erhalten bleiben soll. Vor allem liegt es den Eltern am Herzen, dass dem behinderten Kind zur Verbesserung seiner Lebensqualität auch über ihren Tod hinaus besondere Geldmittel zufließen, die nicht im allgemeinen Topf der Sozialhilfe verschwinden, sondern dem Behinderten entsprechend seinen eingeschränkten geistigen und körperlichen Möglichkeiten einen über den allgemeinen Sozialhilfestandard hinausgehenden Lebenszuschnitt etwa im Bereich von Freizeit und Hobby ermöglichen. Diese beiden besonderen Zwecke sollen angesichts der gesetzlichen Regelung der Sozialhilfe durch geeignete letztwillige Gestaltungen erreicht werden. Sind keine weiteren Kinder vorhanden, so kann auch angestrebt sein, das Vermögen gezielt Behindertenorganisationen zuzuwenden, statt es in die allgemeine Sozialhilfe fließen zu lassen. Für die Motivation der Eltern primär kennzeichnend ist regelmäßig nicht 72 das Streben nach einer Verlagerung der finanziellen Belastungen auf die Allgemeinheit, sondern das Bestreben, einmal die Lebensführung des Kindes über den allgemeinen Sozialhilfestandard hinaus zu verbessern, und zum Zweiten den Kern des Privatvermögens, das durch laufende Zuwendungen an das behinderte Kind ohnehin schon zu Lasten der Geschwister geschmälert wurde, diesen zu erhalten.1
II. Das Sozialrecht Die gesetzlichen Vorschriften über die Sozialhilfe, an denen sich die testa- 73 mentarischen Gestaltungen des Behindertentestaments zu bewähren haben, finden sich im zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs vom 27.12.23.2 Der Sozialhilfeträger gewährt dem Behinderten Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII, Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII sowie ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff. SGB XII. Auszugehen ist vom Nachrang der Sozialhilfe nach §§ 2 Abs. 1, 90 Abs. 1 74 SGB XII, § 1 SGB II (Subsidiaritätsprinzip). Der Behinderte erhält keine Sozialhilfe, soweit er sich durch Einsatz seines Vermögens selbst helfen kann oder die erforderlichen Leistungen von Angehörigen erhält. Einzusetzen ist nach § 90 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen, soweit es nicht Schonvermögen i.S.v. § 90 Abs. 2 SGB XII ist. Derartiges Schonvermögen sind insbesondere das angemessene Hausgrundstück und kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte. Die Verwertbarkeit kann auch aus Rechtsgründen ausgeschlossen sein, etwa durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Nach § 91 SGB XII kann Sozialhilfe in Form eines Darlehens gewährt wer- 75 den, falls der sofortige Verbrauch oder die Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für den Betroffenen eine Härte darstellen würde. 1 Siehe im Übrigen die Fallgruppen bei Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 626. 2 SGB XII; Kommentierung der nachfolgend aufgeführten Vorschriften u.a. bei Grube/ Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
Der Träger der Sozialhilfe kann im Rahmen des Nachrangprinzips seine Leistungen verweigern und den Behinderten auf seine Vermögenseinsatzpflicht oder seine Ansprüche gegen Dritte verweisen.1 Wegen des verwaltungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird aber diese völlige Verweigerung regelmäßig hinter der Möglichkeit, die Sozialhilfe als Darlehen zu gewähren, zurückzutreten haben. 76 Leistungsansprüche des Behinderten gegen Dritte, insbesondere Unter-
haltsansprüche und Pflichtteilsansprüche, kann der Träger der Sozialhilfe nach § 93 SGB XII auf sich überleiten. 77 Von der Einsatzpflicht umfasst ist auch das Vermögen, das der Hilfeempfän-
ger von Todes wegen erwirbt. Insbesondere kann der Sozialhilfeträger einen Erbteil des Hilfeempfängers pfänden und verwerten. Ferner kann der Sozialhilfeträger einen Pflichtteilsanspruch gem. § 93 Abs. 1 Satz 1, 4 SGB XII auf sich überleiten, auch wenn dieser noch nicht geltend gemacht ist; auf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten kommt es dabei nicht an.2 Unterhaltsansprüche des Behinderten, etwa gegen den überlebenden Elternteil, gehen nach § 94 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger über. 78 Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche stellen Vermögenswerte
dar, die bis zur Schonvermögensgrenze des § 90 Abs. 2 SGB XII für den Lebensunterhalt aufzubrauchen sind. Im Hinblick auf den Nachranggrundsatz besteht so lange kein Sozialhilfeanspruch. Im Fall der Leistungserbringung kann der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch gem. § 93 SGB XII auf sich überleiten. Die Überleitung ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Pflichtteilsanspruch nach § 852 Abs. 1 ZPO nur pfändbar wäre, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist. § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB XII enthält insoweit eine spezielle Regelung. 79 Dagegen kann der Sozialhilfeträger nach herrschender Meinung das Recht
des pflichtteilsberechtigten Hilfeempfängers zur Ausschlagung gem. §§ 2306 Abs. 1 Satz 2, 2307 Abs. 1 nicht überleiten, da es sich um ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht, nicht um einen Anspruch handelt.3 Eine eventuelle Ausschlagung erfolgt durch den gesetzlichen Vertreter, der bei Volljährigkeit des behinderten Kindes oder im Falle einer Ergänzungspflegschaft stets gem. (§§ 1908i bzw. 1915 BGB iVm.) § 1822 Nr. 2 BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung (s. nachfolgend 8. Kap. Rz. 42 ff.) bzw. für sein behindertes minderjähriges Kind grundsätzlich nach § 1643
1 VGH Mannheim v. 15.4.1999 – 7 S 909/98, NJW 2000, 376 = NVwZ 2000, 217 = VBlBW 1999, 471. 2 BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03, FamRZ 2006, 194 = ZEV 2006, 76 = MittBayNot 2006, 340. 3 BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, BGHZ 188, 96 = MDR 2011, 303 = FamRZ 2011, 472 = DNotZ 2011, 381 = BWNotZ 2011, 158 mit Anm. Kleensang; OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 = ZEV 2002, 367 mit Anm. J. Mayer; OLG Frankfurt v. 7.10.2003 – 14 U 233/02, ZEV 2004, 24 mit Anm. Spall = ZErb 2004, 201; Ivo, ZErb 2004, 174; noch offengelassen von BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, MDR 2005, 692 = FamRZ 2005, 448 = DNotZ 2005, 120 = MittBayNot 2005, 314.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
Abs. 2 Satz 1 BGB der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn keine Ausnahme aufgrund Anfalls infolge Ausschlagung durch ihn als alleine oder mitsorgeberechtigter und nicht neben dem Kind berufener Elternteils erfolgte (s. nachfolgend 8. Kap. Rz. 30 ff.).1 Die diesbezügliche Genehmigungsentscheidung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts hat sich ausschließlich an den Interessen des Behinderten zu orientieren. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn der Behinderte durch die Ausschlagung und Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs schlechter gestellt würde als durch die ihm in der letztwilligen Verfügung zugewandten Leistungen. Die Interessen des Sozialhilfeträgers sind ohne Belang. Gleiches gilt für die vorgelagerte Entscheidung über die zumeist wegen Interessenkollision des durch ein Behindertentestament begünstigten gesetzlichen Vertreters in Rede stehende Bestellung eines Ergänzungspflegers bzw. Ergänzungsbetreuers zwecks Prüfung und eventueller Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.2 Die Erben des Behinderten sind nach § 102 SGB XII zum Ersatz der Kosten 80 der Sozialhilfe verpflichtet, die innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und einen geringen Freibetrag übersteigen. Die Haftung erfasst den Nachlass, § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII. Mit dem Tod des Hilfeempfängers verliert bisheriges Schonvermögen diese Eigenschaft.3
III. Grundstruktur des Behindertentestaments Die Grundstruktur des Behindertentestaments wird dadurch bestimmt, 81 dass der erbrechtliche Erwerb vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers als Eigengläubiger des Behinderten geschützt werden soll.4 Deshalb kommen nur Gestaltungsmittel in Betracht, die den Eigengläubigern gegenüber Vollstreckungsschutz gewähren. Das sind im deutschen Recht die Vorund Nacherbschaft und die Testamentsvollstreckung. Bei der Vor- und Nacherbschaft wird der Nachlass durch die §§ 2115 BGB, 82 773 ZPO, 83 Abs. 2 InsO vor der Verwertung durch die Eigengläubiger des Vorerben geschützt. Diese können die Nachlassgegenstände zwar pfänden oder beschlagnahmen lassen, dies aber nur durch den Eintritt der Nacherbfolge auflösend bedingt. Alle Verwertungsakte sind während der Dauer der Vorerbschaft unzulässig. Bei der Testamentsvollstreckung haben die Eigengläubiger eines Erben 83 nach § 2214 BGB keinen Zugriff auf die der Verwaltung des Testaments-
1 Eltern § 1643 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB; Vormund § 1822 Nr. 2 BGB; Betreuer iVm. § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB; Pfleger iVm. § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB; dazu OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 =, ZEV 2002, 367 mit Anm. J. Mayer, S. 369. 2 BayObLG v. 18.9.2003 – 3Z BR 167/03, FamRZ 2004, 906 = FGPrax 2003, 268. 3 VGH Mannheim v. 7.10.1992 – 6 S 2567/90, NJW 1993, 2955 (2956). 4 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 21 Rz. 69.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
vollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände. Demgemäß stellt der einer Dauerverwaltungsvollstreckung unterliegende Nachlass kein verwertbares Vermögen im Sinne des Sozialrechts dar.1 84 Weiterhin gehört zur Grundstruktur des Behindertentestaments die An-
weisung an den Testamentsvollstrecker gem. § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB, dem Behinderten zur Hebung seines Lebensstandards aus den Nachlass Leistungen über die Sozialhilfe hinaus zukommen zu lassen. 85 Aus diesen Komponenten ergibt sich als Grundstruktur des Behinderten-
testaments die Verbindung von Nacherbfolge bzw. Nachvermächtnis, Testamentsvollstreckung und Verwaltungsanordnung für den Testamentsvollstrecker.
IV. Die Standardlösung 86 Die kautelarjuristische Standardlösung für das Testament von Eheleuten
mit behinderten und nicht behinderten Kindern2 besteht darin, die nicht behinderten Kinder erst auf den Tod des letztversterbenden Ehegatten zu Schlusserben einzusetzen, während das behinderte Kind schon auf den Tod des Erstversterbenden neben dem überlebenden Elternteil mit einem über der Pflichtteilsquote liegenden Erbteil zum nicht befreiten Vorerben eingesetzt wird. Auch beim Tod des Letztversterbenden wird das behinderte Kind neben den nicht behinderten Kindern mit einem über der Pflichtteilsquote liegenden Erbteil lediglich nicht befreiter Vorerbe. Nacherben sind jeweils die Geschwister oder deren Abkömmlinge. Für beide Erbfälle wird Dauertestamentsvollstreckung nach § 2209 BGB angeordnet und der Testamentsvollstrecker nach § 2216 Abs. 2 BGB angewiesen, dem Behinderten aus den Erträgnissen des Erbteils zu bestimmten Anlässen oder für bestimmte Zwecke Zuwendungen zu machen, die seine Lebensqualität verbessern. 87 Durch die Anordnung der Nacherbfolge wird der dem behinderten Kind zu-
gewendeten Nachlass zu seinen Lebzeiten vor der Verwertung durch seine Eigengläubiger, zu denen auch der Sozialhilfeträger zählt, geschützt (§ 2115 BGB, § 773 ZPO, § 83 Abs. 2 InsO). Gleichzeitig wird verhindert, dass der ererbte Nachlass mit dem Tod des Behinderten auf dessen Erben übergeht 1 OVG Saarland v. 17.3.2006 – 3 R 2/05, ZErb 2006, 275 = MittBayNot 2007, 65; Sächsisches OVG v. 2.5.1997 – 2 S 682/96, ZEV 1997, 344 = MittBayNot 1998, 127; LSG Baden-Württemberg v. 9.10.2007 – L 7 AS 3528/07 ER-B, FamRZ 2008, 923 = ZEV 2008, 147 = RNotZ 2008, 115; zurückhaltend VGH Baden-Württemberg v. 8.6.1993 – 6 S 1068/92, FamRZ 1994, 788 = NJW 1993, 2953. 2 Zusammenfassende Darstellungen u.a. bei Bengel, ZEV 1994, 29 und Münchener Anwaltshdb/Scherer, § 13; Spall, FS 200 Jahre Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121; Würzburger Notarhdb/G. Müller, Teil 4 Kap. 1 Rz. 396 ff.; J.Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, Rz. 583 ff.; Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 612 ff.; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, 2006, Rz. 223 ff.; Beck’sches Formularbuch Erbrecht/Tersteegen, S. 317 ff.; Ruby/Schindler/Wirich, Das Behindertentestament, 2008, passim.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
und damit dem Kostenersatz nach § 102 SGB XII unterliegt. Durch die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung wird nach § 2214 BGB der Zugriff auf die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Gegenstände ausgeschlossen und sozialhilferechtlich nicht verwertbares Vermögen i.S.v. § 90 Abs. 1 SGB XII geschaffen. Der durch diese Kombination von Nacherbfolge und Dauertestamentsvollstreckung erzielte Vollstreckungsschutz hinsichtlich der Substanz der Vorerbschaft wird hinsichtlich der Erträge dadurch erreicht, dass der Testamentsvollstrecker im Wege der Verwaltungsanordnung nach § 2216 Abs. 2 BGB angewiesen wird, die jährlichen reinen Erträge an den Behinderten lediglich so auszukehren, dass der Sozialhilfeträger auf sie nach den Bestimmungen des Sozialhilferechts nicht zugreifen kann.
M 206
Behindertentestament Nacherbenlçsung
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . Vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Lichtbildausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig: Eheleute . . . (Geburtsdaten, Adressen). Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und seit . . . im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben den gemeinsamen Sohn . . . und die gemeinsame Tochter . . . Die Tochter . . . ist geistig behindert. Einseitige Abkçmmlinge eines Ehegatten sind nicht vorhanden. Nach ihrer Erklrung sind die Erschienenen durch eine frhere bindende Verfgung von Todes wegen an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde folgenden Erbvertrag § 1 Erster Erbfall Der zuerst Versterbende von uns beiden setzt mit erbvertraglicher Bindung hiermit unsere behinderte Tochter zu einem Erbteil von zwei Dritteln ihres gesetzlichen Erbteils beim Tod des erstversterbenden Ehegatten und den berlebenden Ehegatten im brigen zu Miterben ein. Die als Miterbin eingesetzte Tochter wird jedoch nur nicht befreite Vorerbin. Ersatzerbe der Vorerbin ist deren Nacherbe. Nacherbe auf den Tod der Vorerbin wird der berlebende von uns beiden. Ersatznacherben werden eventuelle Abkçmmlinge der Vorerbin untereinander nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, ersatzweise unser Sohn, wiederum ersatzweise dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch bertragbar.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
§ 2 Zweiter Erbfall Schlusserben, also Erben des Letztversterbenden von uns beiden, und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens, werden unsere behinderte Tochter zu einem Erbteil von zwei Dritteln ihres gesetzlichen Erbteils beim Tod des zweitversterbenden Ehegatten und unser Sohn im brigen. Ersatzerben unseres Sohnes sind dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge Unsere vorstehend als Mitschlusserbin eingesetzte Tochter wird auch beim Schlusserbfall nur nicht befreite Vorerbin. Nacherbe auf ihren Tod werden eventuelle Abkçmmlinge der Vorerbin untereinander nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, ersatzweise unser Sohn, wiederum ersatzweise dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Ersatzerben unseres Sohnes sind dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch bertragbar. § 3 Bindung Die vorstehenden Verfgungen sind, so weit zulssig, erbvertraglich bindend. Weitere erbvertragliche Verfgungen wollen wir heute nicht treffen. Wir bestimmen ausdrcklich, dass unsere vorstehenden Verfgungen auch dann noch Bestand haben sollen, wenn bei unserem Tode nicht bedachte Pflichtteilsberechtigte vorhanden sein sollten. Wir verzichten demgemß auf das Anfechtungsrecht gem. § 2079 BGB. Der berlebende Ehegatte kann auf seinen Tod die Erbteile der Schlusserben ndern und einzelne Schlusserben enterben. § 4 Testamentsvollstreckung Mit Rcksicht darauf, dass unsere Tochter wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sein wird, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, insbesondere ihren Erbteil selbst zu verwalten, wird sowohl fr den Erbfall nach dem Erstversterbenden von uns beiden als auch fr den Erbfall nach dem Zweitversterbenden von uns beiden jeweils hinsichtlich ihres Erbteils Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung angeordnet. Aufgabe des jeweiligen Testamentsvollstreckers ist die Verwaltung der Erbteile unserer Tochter. Der jeweilige Testamentsvollstrecker hat alle Verwaltungsrechte auszuben, die der Vorerbin zustehen. ber den Erbteil selbst darf der jeweilige Testamentsvollstrecker nicht verfgen. Nach einer etwaigen Teilung des Nachlasses setzt sich die Testamentsvollstreckung an den der Vorerbin zugefallenen Vermçgenswerten fort. Wir mçchten beide, dass unsere behinderte Tochter auch nach unserem Tod die Versorgungsleistungen erhlt, die ihr die Erhaltung der bisherigen Lebensqualitt ermçglichen. Sowohl der Erstversterbende als auch der berlebende von uns beiden trifft deshalb folgende, fr den jeweiligen Testamentsvollstrecker verbindliche Verwaltungsanordnung: Der jeweilige Testamentsvollstrecker hat unserer Tochter die ihr gebhrenden anteiligen jhrlichen Nutzungen des Nachlasses, wie beispielsweise etwaige anteilige Miet- und Pachtzinsen, Nutzungsentschdigungen, Zinsertrge, Divi-
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
denden- und Gewinnanteile und etwaige sonstige Gebrauchsvorteile und Frchte von Nachlassgegenstnden, so zuzuwenden, dass ihre Lebensqualitt verbessert wird, aber der Trger der Sozialhilfe nach den sozialrechtlichen Vorschriften auf sie nicht zugreifen kann und auch eine Anrechnung auf die gewhrten Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen ist. Hierunter fallen insbesondere: berlassung von Geldbetrgen in Hçhe des jeweiligen Rahmens, der nach den jeweiligen einschlgigen Gesetzen einem Behinderten maximal zur freien Verfgung stehen kann; Geschenke zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zum Geburtstag, wobei bei der Auswahl der Geschenke auf die Bedrfnisse und Wnsche unserer Tochter ausdrcklich einzugehen ist; Zuschsse zur Finanzierung eines Urlaubes und zur Urlaubsgestaltung; Zuwendungen zur Befriedigung geistiger und knstlerischer Bedrfnisse sowie zur Befriedigung der individuellen Bedrfnisse unserer Tochter in Bezug auf Freizeit, wozu insbesondere auch Hobbys und Liebhabereien zhlen; Spenden und Zuwendungen in dem den Ertrgen der Erbteile angemessenen Umfang an das Haus, in dem die Tochter untergebracht ist bzw. dessen Trger. Fr welche der genannten Leistungen die jhrlichen Reinertrgnisse verwendet werden sollen, ob diese also auf smtliche Leistungen gleichmßig oder nach einem bestimmten Schlssel verteilt werden oder ob diese in einem Jahr nur fr eine oder mehrere der genannten Leistungen verwendet werden, entscheidet der jeweilige Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen, wobei er allerdings immer auf das Wohl unserer Tochter bedacht sein muss. Werden die jhrlichen Reinertrgnisse in einem Jahr nicht in voller Hçhe in Form der bezeichneten Leistungen verwendet, kann der Testamentsvollstrecker nach seinem Ermessen Rckstellungen fr besondere Anlsse bilden oder die Ertrge auskehren. Zum Testamentsvollstrecker ber den Erbteil unserer Tochter beim Erbfall nach dem Erstversterbenden von uns beiden wird der berlebende ernannt. Testamentsvollstrecker fr den Fall, dass der berlebende vor oder nach Annahme des Amtes wegfllt – auch durch eigene Kndigung –, soll unser Sohn werden. Testamentsvollstrecker ber den Erbteil unserer Tochter beim Schlusserbfall soll unser Sohn sein. Hilfsweise soll das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker bestimmen. Das Nachlassgericht setzt auch die Vergtung des Testamentsvollstreckers fest, soweit eine solche verlangt wird.
Zum Geldvermächtnis zur Eindämmung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen s. nachfolgend Rz. 110 bzw. M 207. Zur Teilungsanordnung s. nachfolgend Rz. 114 bzw. M 208. Zur salvatorischen Klausel s. nachfolgend Rz. 131 bzw. M 209.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
V. Die Rechtsprechung des BGH zum Behindertentestament 1. Überblick 88 Der BGH hat in zwei Entscheidungen aus den Jahren 1990 und 1993 die
Zulässigkeit der Standardlösung begründet. Auf ihrer Grundlage hat er sich in zwei weiteren Entscheidungen aus den Jahren 2004 und 2005 zu Einzelfragen geäußert. Schließlich hat der BGH in einer Entscheidung zur Wirksamkeit eines Pflichtteilsverzichtsvertrags aus dem Jahr 2011 nochmals die Zulässigkeit der Standardlösung bejaht. Die grundlegenden Entscheidungen werden hier über das bloße Zitat hinaus ausführlicher wiedergegeben, um zu verdeutlichen, dass der jeweilige Einzelfall auch unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit angesichts der Lebens- und Vermögensverhältnisse der Erblasser zu gestalten ist und nur von einer grundsätzlichen, nicht von einer generellen Zulässigkeit des Behindertentestaments ausgegangen werden kann. 2. Das Urteil vom 21.3.1990 89 Im grundlegenden Urteil vom 21.3.19901 ging es um eine typische Fallgrup-
pe und eine der Standardlösung entsprechende Gestaltung. Der in vorgerücktem Alter verstorbene Erblasser hatte seine spastisch gelähmte und geistig schwer behinderte Tochter bis kurz vor seinem Tod in seiner Wohnung gepflegt. Als er sein Ende herannahen fühlte, brachte er die Tochter in einem Wohnheim unter, das von einem Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder getragen wurde. Einen Tag vor seinem Tod errichtete er im Krankenhaus ein notarielles Testament, in dem er seine Tochter als befreite Vorerbin und den Heimträger als Nacherben einsetzte. Zugleich bestimmte er den Heimträger zum Dauer-Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Nachlass möglichst erhalten bleibe und die Tochter in den Genuss der Früchte des Nachlasses komme, ohne dass ihr öffentlich-rechtliche Zuwendungen verloren gingen. Der Nachlasswert betrug im Zeitpunkt der Klage sechs Jahre nach dem Tod des Erblassers noch etwa 31 000 DM. Die klagende Stadt hatte die sich auf monatlich über 4000 DM belaufenden Kosten der Unterbringung auf Grund des Bundessozialhilfegesetzes zu tragen und leitete den angeblichen Anspruch der Behinderten gegen den beklagten Heimträger auf Herausgabe des durch das Testament Erlangten nach § 90 Abs. 1 BSHG auf sich über. Zur Begründung führte sie aus, die Behinderte sei kraft Gesetzes unbeschränkte Alleinerbin ihres Vaters geworden, während das Testament wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam sei. 90 Der BGH verneint die Voraussetzungen des § 138 BGB, insbesondere die
Sittenwidrigkeit des Behindertentestaments im Verhältnis zur Sozialbehörde. Der sich aus § 2 BSHG ergebende Nachrang der Sozialhilfe als Aus-
1 BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, BGHZ 111, 36 = MDR 1990, 906 = FamRZ 1990, 730 = NJW 1990, 2055 = DNotZ 1992, 241 mit Anm. Reimann.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
fluss des Subsidiaritätsprinzips sei hier nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise unterlaufen. Es sei zu beurteilen, ob es im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzips anstößig erscheine, wenn Eltern eines behinderten Kindes ihr Vermögen im Interesse des Kindes von Todes wegen so weiterleiteten, dass die Sozialbehörde keine Möglichkeit habe, ihre Aufwendungen für das Kind daraus ganz oder teilweise zu decken. In den Fällen der vorliegenden Art wäre es zu viel verlangt, von den Eltern eines behinderten Kindes zu erwarten, dass sie die zuvörderst ihnen zukommende sittliche Verantwortung für das Wohl des Kindes dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Deckung ihrer Kosten hintanzusetzen. Selbst das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung liege für die Eltern eines behinderten Kindes zu fern, als dass ihnen aus sittlichen Gründen abverlangt werden könne, nicht noch mehr für ihr Kind zu tun, als die öffentliche Hand leiste. Wenn Eltern, die ihre Verantwortung für ihr behindertes Kind und dessen Wohl voll auf sich genommen hätten und dieser Aufgabe gerecht zu werden suchten, in diesem Zusammenhang die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung vor Augen gehalten würden, dann müssen sie sich vielmehr umgekehrt fragen, ob sie nicht sittlich gehalten seien, auch für den Fall vorzusorgen, dass die öffentliche Hand ihre Leistungen für Behinderte nicht mehr auf dem erreichten hohen Stand halten könne. Eltern, die hier nach Auswegen suchten und den im Schrifttum erörterten Vorschlägen folgten, könne man deswegen regelmäßig keinen Sittenverstoß vorwerfen. Eine bis heute bestehende Unsicherheit für den Rechtsanwender begrün- 91 det dann allerdings die Bemerkung des BGH, es sei nicht zu entscheiden, ob die Beurteilung anders ausfallen könnte, wenn der Erblasser ein beträchtliches Vermögen hinterlassen hätte und der Pflichtteil des Behinderten so hoch wäre, dass daraus – oder sogar nur aus den Früchten – seine Versorgung sichergestellt wäre. 3. Das Urteil vom 20.10.1993 Im Fall des weiteren grundlegenden Urteils des BGH vom 20.10.19931 hat- 92 te die Klägerin Sozialhilfe für eine in einem Pflegeheim untergebrachte unheilbar psychisch kranke Frau geleistet, für deren Unterhalt ihre Mutter bis zu deren Tod im Jahre 1987 aufgekommen war. Die Sozialhilfe wurden ihr gem. § 89 BSHG als Darlehen gewährt, zu dessen Sicherung sie der Sozialbehörde eventuelle Ansprüche auf ihren Anteil am Nachlass ihrer Mutter abtreten musste, die ihr zustehen würden, wenn der zwischen der Mutter und dem Bruder der Behinderten 1984 geschlossene Erbvertrag nichtig wäre. Mit der Klage begehrt die Sozialbehörde die Feststellung der Nichtigkeit des Erbvertrages wegen Sittenwidrigkeit nach § 138
1 BGH v. 20.10.1993 – IV ZR 231/92, BGHZ 123, 368 = MDR 1994, 591 = FamRZ 1994, 162 = NJW 1994, 248 = DNotZ 1994, 380 = MittBayNot 1994, 49 mit Anm. Reimann.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
BGB. In dem Erbvertrag wurde der Sohn der Erblasserin mit einer Quote von 72 % zum Erben eingesetzt, für die restlichen 28 % die behinderte Tochter als nicht befreite Vorerbin. Nacherbe beim Tod der Vorerbin ist der Sohn. Weiter hat die Erblasserin angeordnet, dass die Tochter ihren Erbteil in Gestalt von Wertpapieren und Bargeld erhält. Für die Verwaltung des Erbteils der Tochter hat die Erblasserin Testamentsvollstreckung bis zum Tod der Tochter angeordnet. Der Testamentsvollstrecker hat der Behinderten ein monatliches Taschengeld zu gewähren, mindestens vier Wochen Urlaub im Jahr in einem Erholungsheim zu ermöglichen, Anschaffungskosten für Kleidung, Einrichtungsgegenstände und andere Güter des persönlichen Bedarfs zu bestreiten und, soweit es der Gesundheitszustand der Tochter erfordert, für ihre Unterbringung in einem Einzelzimmer zu sorgen. Diese Zahlungsverpflichtungen entfallen, wenn sie auf Sozialhilfeleistungen angerechnet werden. Zum Testamentsvollstrecker ist der Beklagte bestimmt. Nach dem Tod der Mutter haben die Tochter, vertreten durch ihren Ergänzungspfleger, der Sohn und der Testamentsvollstrecker den mit weniger als 460 000 DM zu bewertenden Nachlass mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts auseinander gesetzt. Dabei erhielt die Tochter Wertpapiere und Bankguthaben im Wert von rund 114 000 DM. Der Ergänzungspfleger hat mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts davon abgesehen, die Erbschaft ausgeschlagen und Pflichtteilsansprüche geltend zu machen. 93 Wie im Urteil vom 21.3.1990 sieht der BGH das Behindertentestament
nicht als sittenwidrig an. Er beruft sich auf die allgemeine Zustimmung, die der Gedanke in der Literatur gefunden hat, dass Eltern durch die Sicherung von zusätzlichen Vorteilen und Annehmlichkeiten für das behinderte Kind gerade der zuvörderst ihnen zukommenden sittlichen Verantwortung für das Wohl des Kindes Rechnung tragen und nicht verpflichtet sind, diese Verantwortung dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintanzusetzen. Dem Sozialhilferecht könne weder ein gesetzliches Verbot einer solchen Gestaltung der Erbfolge noch auch nur ein Schutzzweck des Inhalts entnommen werden, dem Träger der Sozialhilfe müsse der Zugriff auf das Vermögen der Eltern eines Hilfeempfängers spätestens bei dessen Tod gesichert werden. Das BSHG berücksichtige vielmehr bei Behinderten ein dem Subsidiaritätsgrundsatz gegenläufiges Prinzip, nämlich das des Familienlastenausgleichs. Eltern behinderter Kinder seien mit den Eltern nicht behinderter Kinder wirtschaftlich gleichzustellen, damit sie nicht in ihrer unentbehrlichen aktiven Mitwirkung an der Eingliederung ihrer Kinder in die Gesellschaft erlahmten. Es gehe um eine gerechte Verteilung der schwerwiegenden Belastungen durch behinderte Kinder auch im Verhältnis zu Eltern mit nicht behinderten Kindern. Im Bereich des Behindertentestaments fehle es an einer die Sittenwidrigkeit begründenden allgemeinen Rechtsüberzeugung, dass Eltern ihrem behinderten Kind jedenfalls von einer gewissen Größe ihres Vermögens an einen über den Pflichtteil hinausgehenden Erbteil hinterlassen müssten, damit es nicht ausschließlich der Allgemeinheit zur Last fällt.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
Dieser Wertung hat sich die Verwaltungsgerichtsbarkeit angeschlossen. 94 Das OVG Saarland führt in einer Entscheidung vom 17.3.20061 aus, dass die durch die Konstruktion eines Behindertentestaments bewirkte Durchbrechung des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes keine sittenwidrige Testamentsgestaltung darstelle. Es gebe keinerlei gesetzgeberische Wertung, nach der die Angehörigen gehalten seien, dem Nachranggrundsatz Geltung zu verschaffen. Von Eltern behinderter Kinder können nicht verlangt werden, dem öffentlichen Interesse an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung Vorrang vor der Versorgung ihrer Kinder einzuräumen. 4. Weitere BGH-Urteile Mit Urteil vom 8.12.20042 entschied der BGH, dass der Pflichtteils- 95 anspruch dann, wenn er auf den Sozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem auch geltend gemacht werden kann, ohne dass es insoweit auf eine Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme. Die Geltendmachung ist eine Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers, bei der dieser auch die sozialen Rechte des Pflichtteilsberechtigten i.S. der §§ 3 bis 10 SGB I zu beachten hat.3 Auch angesichts des Nachranggrundsatzes muss deshalb auf die Belange des Hilfeempfängers Rücksicht genommen werden. Nicht zu entscheiden hatte der BGH im Urteil vom 8.12.2004, ob der Sozi- 96 alhilfeträger in den Fällen des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. das Recht zur Ausschlagung einer durch Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung beschränkten Erbschaft des Sozialhilfeempfängers auf sich überleiten und ausüben kann. Er zitiert aber die dies ablehnenden Literaturstimmen, die er als herrschende Meinung bezeichnet,4 während er die Gegenmeinung nicht erwähnt und auch keinen Hinweis auf eine etwaige eigene abweichende Meinung gibt. Mit Urteil vom 19.10.20055 bestätigte der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall die Grundsätze des Urteils vom 8.12.2004.
1 OVG Saarland, v. 17.3.2006 – 3 R 2/05, ZErb 2006, 275 = MittBayNot 2007, 65 = DNotI-Report 2006, 99 = ZErb 2006, 275. 2 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, MDR 2005, 692 = FamRB 2005, 175 = FamRZ 2005, 448 = NJW-RR 2005, 3619 = ZEV 2005, 117 mit Anm. Muscheler = DNotZ 2005, 296 mit Anm. Spall = MittBayNot 2005, 314 mit Anm. J. Mayer; Ivo, ZErb 2004, 174 (177). 3 Wendt, ZNotP 2008, 2 (9). 4 MünchKomm.BGB/Leipold, § 1942 BGB Rz. 14; Bamberger/Roth/Seidl, § 1942 BGB Rz. 12; AnwaltKomm/Ivo, § 1942 BGB Rz. 20; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002, S. 231; OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 = ZEV 2002, 367 (369) mit Anm. J. Mayer; OLG Frankfurt v. 7.10.2003 – 14 U 233/02, ZEV 2004, 24 (25) mit Anm. Spall. 5 BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03 = FamRZ 2006, 194 = ZEV 2006, 76.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
5. Das Urteil vom 19.1.2011 97 In dem einem wiederum wichtigen Urteil zugrunde liegenden am
19.1.20111 entschiedenen Fall hatten sich die Erblasserin und deren Ehemann am 6.11.2006 in einem gemeinschaftlichen notariell beurkundeten Testament gegenseitig zu Alleinerben und als Schlusserben die drei gemeinsamen Kinder eingesetzt. Alle drei Kinder waren volljährig und unbeschränkt geschäftsfähig, wobei eine Tochter an Lernbehinderung litt und seit 1992 Eingliederungshilfe bezog. Diese lernbehinderte ebenfalls geschäftsfähige Tochter wurde im Rahmen der Schlusserbeneinsetzung mit einer Erbquote von 34/200 als nicht befreite Vorerbin, die beiden Geschwister wurden zu jeweils 83/200 Erbteil als Vollerben und hinsichtlich des Erbteils der lernbehinderten Schwester als Nacherben eingesetzt. Weiter wurde über den Vorerbteil Dauertestamentsvollstreckung angeordnet und diesbezüglich einer der beiden Geschwister zum Testamentsvollstrecker mit der Weisung ernannt, seiner lernbehinderten Schwester zur Verbesserung ihrer Lebensqualität aus den ihr gebührenden Reinerträgen des Nachlasses nach billigem Ermessen solche Geld- und Sachleistungen zuzuwenden, auf die der Sozialhilfeträger keinen Zugriff nehmen kann und die zudem nicht auf die gewährten Sozialleistungen anrechenbar sind. Im Anschluss an diese Testamentsbeurkundung verzichteten alle drei Kinder durch notariell beurkundeten Vertrag mit ihren Eltern hinsichtlich des erstversterbenden Elternteils auf ihr Pflichtteilsrecht. Noch am selben Beurkundungstag verstarb die Ehefrau. Der Sozialhilfeträger leitete den vermeintlichen Pflichtteilsanspruch der lernbehinderten Tochter gegenüber der Erblasserin nach § 93 SGB XII auf sich über und machte geltend, der Pflichtteilsverzichtsvertrag sei wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, da dieser entgegen dem sozialrechtlichen Nachranggebot ausschließlich der Verhinderung des Zugriffs auf den Pflichtteilsanspruch gedient habe. 98 Der BGH sieht den Pflichtteilsverzichtsvertrag der geschäftsfähigen lernbe-
hinderten Tochter nicht als sittenwidrig, sondern vielmehr als wirksam an und leitet dies erfreulicherweise aus der Zulässigkeit entsprechender Behindertentestamente und dabei insbesondere aus der die Testierfreiheit gewährleistenden Erbrechtsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 GG sowie ergänzend der Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG ab, aus denen auch eine negative Erbfreiheit resultiere. Dies gelte für die Bewertung des Behindertentestaments unabhängig davon, ob die lernbehinderte Tochter geschäftsfähig ist. Maßgebend sei insoweit alleine die sittlich anzuerkennende Sorge für das Wohl des behinderten Kindes. Dazu könne ein Erblasser alle gesetzlich bereitgestellten Gestaltungsmittel samt Kombinationsvarianten verwenden. Dabei sei selbst eine Erbausschlagung eines Sozialhilfebeziehers nicht sittenwidrig. Zudem könne der Sozialhilfeträger das Ausschlagungsrecht nicht auf sich überleiten, da er andernfalls unzulässigerweise auf die Erbfolge Einfluss nehmen würde. Aus dem dieser Ableitung innewohnenden auch erbrechtlichen Grundsatz des Familienlastenausgleichs folge, dass 1 BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, BGHZ 188, 96 = MDR 2011, 303 = FamRZ 2011, 472 = DNotZ 2011, 381 = BWNotZ 2011, 158 mit Anm. Kleensang.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
der Schutz des Familienvermögens ein legitimer Zweck erbrechtlicher Gestaltung sein könne. Aus der grundsätzlichen Verneinung der Sittenwidrigkeit des Behinder- 99 tentestaments folgt jedoch zugleich, dass in Ausnahmefällen sehr wohl die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten sein kann.1 Insoweit wird wohl dann besondere Vorsicht geboten sein, wenn die Betreuungsaufwendungen für das behinderte Kind das Familienvermögen nicht gefährden,2 mithin aus dessen Erträgen geleistet werden können.3 6. Fazit Insgesamt erkennt die Rechtsprechung des BGH zu Recht die kautelarju- 100 ristischen Ziele und Instrumente der Standardlösung an und unterwirft sie nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit. Die Gedanken der Verbesserung der Lebensqualität des behinderten Kindes durch Zuwendung besonderer Vorteile und des Familienlastenausgleichs haben sich gegenüber dem sozialrechtlichen Nachrangprinzip als tragfähig erwiesen. Die im Urteil vom 21.3.1990 angesprochene bzw. im Urteil vom 19.1.2011 101 angedeutete abweichende Beurteilung der Fälle, dass ein beträchtliches Vermögen hinterlassen wird und der Pflichtteil des Behinderten so hoch wäre, dass aus ihm oder sogar nur aus seinen Früchten seiner Versorgung sichergestellt wäre, wird man als mögliche Ausnahme ansehen können. Hier kommt es auf den Einzelfall an, insbesondere auf den Grad der Betreuungsbedürftigkeit und die Lebenserwartung des Behinderten. Die Vorgabe von Wertgrenzen des Nachlasses4 bringt insofern keine hinreichenden Erkenntnisse. Sittenwidrigkeit wird hier wohl nur in Betracht kommen, wenn die Ausschaltung der Sozialhilfe über die Mechanismen des Behindertentestaments angesichts des Nachlasswertes und der Vermögensverhältnisse der betroffenen Familie als grob missbräuchlich erscheint.
VI. Probleme und Gestaltungsvorschläge 1. Überleitung von Pflichtteilsansprüchen Nach dem Urteil des BGH vom 8.12.20045 kann der Pflichtteilsanspruch 102 dann, wenn er auf den Sozialhilfeträger übergeleitet worden ist, von diesem auch geltend gemacht werden, ohne dass es insoweit auf eine Ent1 2 3 4
V. Proff, RNotZ 2012, 272 (281). Wendt, ZNotP 2008, 2 (7); Kleensang, BWNotZ 2011, 162 (164). Kleensang, BWNotZ 2011, 162 (164). Z.B. Würzburger Notarhdb/G. Müller, Teil 4 Kap. 1 Rz. 396: „… deutlich über 250 000 Euro“; Groll/Hieke, Praxishdb. Erbrechtsberatung, B VIII Rz. 16: „… über eine Million Euro“. 5 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, MDR 2005, 692 = FamRB 2005, 175 = FamRZ 2005, 448 = NJW-RR 2005, 3619 = ZEV 2005, 117 mit Anm. Muscheler = DNotZ 2005, 296 mit Anm. Spall = MittBayNot 2005, 314 mit Anm. J. Mayer; Ivo, ZErb 2004, 174 (177).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
scheidung des Pflichtteilsberechtigten selbst ankäme. Der BGH lehnt es ausdrücklich ab, im Rahmen des § 93 SGB XII zwischen der Inhaberschaft an einem Pflichtteilsanspruch einerseits und der Befugnis zu seiner Geltendmachung andererseits zu unterscheiden, wie dies im Rahmen des § 852 Abs. 1 ZPO zu geschehen hat. Er beruft sich auf den Gesetzeswortlaut (§ 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG, jetzt § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB XII), nach dem der Übergang nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Die Vorschrift würde ihres Sinnes beraubt, wenn man sie einschränkend dahin verstehen wollte, dass der Pflichtteilsanspruch nur vorbehaltlich einer persönlichen Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten zur Geltendmachung übergeleitet werden könne. Hier werde der Sozialhilfeträger als Helfer des Sozialhilfeempfängers gerade anders behandelt als andere Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten. Als Konsequenz für die Gestaltung des Behindertentestaments folgt hieraus, dass bei beiden Erbfällen durch eine Erbeinsetzung über der Pflichtteilsquote das Entstehen eines Pflichtteilsanspruchs verhindert werden muss. 2. Keine Überleitung des Ausschlagungsrechts 103
Nach § 2306 Abs. 1 BGB kann ein mit Beschränkungen und Beschwerungen zum Erben berufener Pflichtteilsberechtigter den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt. Es handelt sich hier nicht um einen überleitbaren Anspruch, sondern um ein der Überleitung entzogenes höchstpersönliches Gestaltungsrecht.1 Während der BGH im Urteil vom 8.12.2004 noch lediglich die eine Überleitbarkeit ablehnende herrschende Meinung, nicht aber die Gegenmeinung. Hier ist Jörg Mayer2 zuzustimmen, der davon ausgeht, der BGH hätte angesichts der besonderen Brisanz des Problems sicherlich eine vorsichtige Andeutung gemacht, wenn er die Überleitung des Ausschlagungsrechts für möglich halten würde. In seinem Urteil vom 19.1.2011 hat der BGH für diesbezügliche Klarheit gesorgt und entschieden, dass ein Sozialhilfeträger das Ausschlagungsrecht des Behinderten nicht auf sich überleiten kann, da er andernfalls unzulässigerweise auf die Erbfolge Einfluss nehmen würde.3 Mayer weist auch mit Recht daraufhin, dass die Streitfrage im Rahmen der Standardlösung keine Rolle spielen wird, weil meist die Ausschlagungsfrist bereits abgelaufen sein wird, bevor der Sozialhilfeträger eine Überleitungsentscheidung treffen kann. Dies gilt auch für die Gefahr, dass der Sozialhilfeträger wegen des Nachrangprinzips die Sozialhilfe nur als Darlehen gewährt oder sogar unter Ablehnung jeglicher Leistung den Behinderten darauf verweist, das Ausschlagungsrecht auszuüben. Beides ist nicht mehr möglich, wenn die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist. 1 Ivo, ZErb 2004, 174; AnwaltKomm/Ivo, § 1942 BGB Rz. 26, jeweils mwN; OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 = ZEV 2002, 367 mit Anm. J. Mayer. 2 J. Mayer, MittBayNot 2005, 289. 3 BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, BGHZ 188, 96 = MDR 2011, 303 = FamRZ 2011, 472 = DNotZ 2011, 381 = BWNotZ 2011, 158 mit Anm. Kleensang.
578
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
Die Rechtsprechung schließt die Überleitung des Ausschlagungsrechts 104 wegen dessen höchstpersönlicher Natur aus.1 Neuerdings wird erwogen, weniger auf die Höchstpersönlichkeit als auf die Bestandskraft der vom Erblasser angeordneten Erbfolge abzustellen, die nicht zur Disposition eines außenstehenden Dritten wie des Sozialhilfeträgers stehen dürfe.2 Nachdem die Neufassung des § 2306 BGB durch das Erbrechtsänderungsgesetz 20093 die Ausschlagung eines beschränkten oder beschwerten Erbteils wesentlich erleichtert, kommt der Frage der Überleitbarkeit dieses Ausschlagungsrechts gesteigerte Bedeutung zu. Es sollte dabei verbleiben, dass es sich hier um eine höchstpersönliche Entscheidung des Erben handelt, die nicht von einem außenstehenden Dritten getroffen werden kann. Für den gesetzlichen Vertreter des geschäftsunfähigen Behinderten und 105 das über die Genehmigung einer etwaigen Ausschlagung entscheidende Gericht gilt, dass die Ausschlagung nach § 2306 BGB nur in Betracht kommt, wenn sie die Situation des Behinderten verbessert. Eine derartige Verbesserung tritt nicht ein, wenn der aus der Ausschlagung resultierende Pflichtteil dann von der Sozialbehörde in Anspruch genommen wird. Deshalb hat es regelmäßig bei der durch die Regelungen des Behindertentestaments bewirkten Begünstigung des Behinderten durch seine Lebensführung verbessernde Extraleistungen zu verbleiben und scheidet eine Ausschlagung nach § 2306 neuer Fassung aus. 3. Keine Leistungskürzung nach § 26 SGB XII Es wird immer wieder die Befürchtung geäußert, die Sozialhilfeträger 106 könnten die Weigerung des Behinderten oder seines Betreuers, durch Ausschlagung nach § 2306 den Pflichtteil zu realisieren, als Vermögensminderung i.S.v. § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII ansehen und deshalb mit der Einschränkung ihrer Leistungen drohen, um den Behinderten oder den Betreuer unter Druck zu setzen und zur Ausschlagung zu bewegen.4 Abgesehen davon, dass sich ein behinderter Hilfeempfänger im Rahmen des § 26 Abs. 1 SGB XII das Verhalten seines gesetzlichen Vertreters nicht zurechnen lassen muss,5 würde ein solches Verlangen des Sozialhilfeträgers faktisch auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen wie eine Überleitung des höchstpersönlichen Ausschlagungsrechts.6 Es ist deshalb unzulässig. 4. Bestimmung der Erbquote Nach § 2306 Abs. 1 BGB a.F. waren bei einer Erbeinsetzung unter oder 107 gleich der Pflichtteilsquote die Beschwerungen des Erbteils, hier also die 1 OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 = ZEV 2002, 367 mit Anm. J. Mayer; OLG Frankfurt v. 7.10.2003 – 14 U 233/02, ZEV 2004, 24. 2 Wendt, ZNotP 2008, 2 (11). 3 Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 24.9.2009, BGBl. I, S. 3142. 4 Ruby/Schindler/Wirich, Das Behindertentestament, 2008, Rz. 38 f. mwN. 5 Ivo, ZErb 2004, 174 (176). 6 Litzenburger, RNotZ 2004, 138 (142).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
Nacherbfolge und die Testamentsvollstreckung, automatisch unwirksam. Es bestand deshalb beim Behindertentestament von Ehegatten Einigkeit darüber, dass die Erbquote des behinderten Kindes bei den Erbfällen nach beiden Elternteilen zumindest etwas über der Pflichtteilsquote anzusetzen ist. Diese Empfehlung gilt nach der Neufassung des § 2306 BGB auch weiterhin, um die Ausschlagung unattraktiv zu machen. Wird der Erbteil als Bruchteil ausgedrückt, so besteht die einfachste Verfahrensweise darin, die Nennerzahl des Pflichtteilsbruchteils um mindestens 1 zu erniedrigen, also z.B. bei einem Pflichtteil von 1/8 einen Erbteil von 1/ 7 zuzuweisen.1 108
Beim Behindertentestament sollte man sich aber mit der Zuweisung eines derartigen Mindesterbteils nicht ungeprüft begnügen. Die zentrale Regelung des Behindertentestaments ist die Anweisung an den Testamentsvollstrecker, dem Behinderten zur Steigerung seiner Lebensqualität sozialrechtsfeste Extras zukommen zu lassen. Der Erbteil muss deshalb so hoch angesetzt werden, dass aus seinen Erträgen diese Aufwendungen bestritten werden können. Eine Rolle spielt auch die Zusammensetzung des Nachlasses. Besteht dieser z.B. im Wesentlichen aus dem Familienheim, das den nicht behinderten Kindern erhalten bleiben soll, so sollte der Erbteil des Behinderten so bestimmt werden, dass das anteilige Nutzungsentgelt, das ihm die das Haus nutzenden Miterben zu Händen des Testamentsvollstreckers zu zahlen haben, dessen Aufwendungen für Extras deckt.
109
Die Festlegungserbquote etwa auf den gesetzlichen Erbteil dokumentiert auch die Ernsthaftigkeit des Bestrebens der Eltern, vorrangig die Versorgung des Behinderten zu sichernden und nicht lediglich die Vermögenserhaltung in der Familie. Dies trägt zur Anerkennungsfähigkeit der Gestaltung bei. 5. Geldvermächtnis wegen Pflichtteilsergänzungsanspruchs
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Lebzeitige Schenkungen an die nicht behinderten Kinder können zur Entstehung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen des behinderten Kindes nach den §§ 2325 ff. BGB führen, die durch den Sozialhilfeträger übergeleitet werden können.2 Hier hilft die zusätzliche Anordnung eines Geldvorausvermächtnisses zugunsten des behinderten Kindes, das ebenfalls der Testamentsvollstreckung zu unterwerfen ist. Auch hier sollte als Anreiz dafür, eine Ausschlagung zu unterlassen, ein geringfügig über dem Wert des Pflichtteilsergänzungsanspruchs liegender Betrag ausgesetzt werden.3 Das Vorausvermächtnis ist aufschiebend bedingt um das Entstehen und auflösend bedingt um das Verlangen und den Erhalt, den Untergang
1 Würzburger Notarhdb/G. Müller, Teil 4 Rz. 375. 2 Weidlich, ZEV 2001, 94 (95). 3 BeckFormB ErbR/Tersteegen, F. I. 2 Anm. 9; Schindler, ZErb 2006, 186 (192 f.); Weidlich, ZEV 2001, 94 (96).
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
oder die Verjährung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs des behinderten Kindes aus lebzeitigen Zuwendungen des jeweiligen Erblassers an andere als das behinderte Kind sowie durch die Ausschlagung des jeweiligen Miterbenanteils.
M 207
Anordnung eines Geldvermchtnisses beim Behindertentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Jeder Ehegatte beschwert auf seinen Tod die jeweiligen Miterben des behinderten Kindes mit dem folgenden bedingten Vorausvermchtnis: Soweit dem behinderten Kind beim jeweiligen Erbfall wegen lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers an andere Personen Pflichtteilsergnzungsansprchen gegen den Nachlass oder den Beschenkten zustehen, haben die Miterben dem behinderten Kind als Vermchtnis – aufschiebend bedingt um das Entstehen und auflçsend bedingt um das Verlangen und den Erhalt, den Untergang oder die Verjhrung eines Pflichtteilsergnzungsanspruchs des Berechtigten aus lebzeitigen Zuwendungen des jeweiligen Erblassers an andere als den Berechtigten sowie durch die Ausschlagung des jeweiligen Miterbenanteils – auf den jeweiligen Erbfall jeweils einen Geldbetrag zu zahlen, der sich nach 105 % der Hçhe des Pflichtteilsergnzungsanspruchs bestimmt. Das behinderte Kind ist fr dieses Geldvermchtnis nur Vorvermchtnisnehmer. Nachvermchtnisnehmer sind die in diesem Testament durch einen jeden von uns als Nacherben benannten Personen gemß den dort bestimmten Anteilen. Die Anwartschaften der Nachvermchtnisnehmer sind weder vererblich noch bertragbar. Das Nachvermchtnis fllt mit dem Tod des behinderten Kindes an. Die bis dahin zuziehenden Nutzungen stehen dem Vorausvermchtnisnehmer zu. Sie drfen jedoch nur in derselben Weise verwendet werden wie die Ertrge seines Miterbenanteils. Zur Sicherung der vorstehend angeordneten Verwendung der Nutzungen ordnet jeder von uns Testamentsvollstreckung fr das vorbezeichnete Vermchtnis an, fr welche die vorstehend getroffenen Bestimmungen ber die Testamentsvollstreckung am Miterbenanteil des behinderten Kindes gelten.
6. Die Verwaltungsanordnung als zentrale Regelung des Behindertentestaments a) Grundsätze Wenn vom Erblasser keine abweichende Verwaltungsanordnung nach 111 § 2216 Abs. 2 BGB getroffen wurde, ist der Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung nach § 2216 Abs. 1 BGB gehalten, für einen angemessenen Unterhalt des Erben zu sorgen und diesem deshalb die Früchte des Nachlasses für den er-
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
forderlichen Unterhalt zur Verfügung zu stellen.1 Der Anspruch des Erben auf Auskehrung der für seinen Unterhalt erforderlichen Erträge kann von der Sozialbehörde nach § 93 SGB XII übergeleitet werden. Deshalb werden im Behindertentestament dem Testamentsvollstrecker Verwaltungsanordnungen nach § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgegeben, wonach die Zuwendungen an den Behinderten in der Form von Schonvermögen nach § 90 SGB XII erfolgen müssen und deshalb überleitbare Ansprüche des Vorerben nicht entstehen. Diese Verwaltungsanordnungen sind die zentralen Regelungen des Behindertentestaments, da sie die besonderen Zuwendungen an den Behinderten zur Verbesserung seiner Lebensqualität absichern. Sie haben Vorrang vor der allgemeinen Pflicht des Testamentsvollstreckers zur ordnungsgemäßen Verwaltung. 112
Was die Formulierung betrifft, so wurde nach Ergehen des Grundsicherungsgesetzes 2004 vorgeschlagen, in der Verwaltungsanordnung nicht nur auf Sozialhilfeleistungen abzustellen, sondern auch auf Leistungen nach diesem Gesetz in der Weise, dass durch die Zuwendungen auch die Inanspruchnahme der Grundsicherung nicht verhindert werden dürfe.2 Zwischenzeitlich wurde das Grundsicherungsgesetz in das SGB XII eingegliedert,3 die entsprechenden Leistungen sind nunmehr Teil der Sozialhilfe im weiteren Sinn. Man sollte sich in der Anordnung nach § 2216 Abs. 2 BGB trotzdem weiterhin der Bezeichnung „Sozialleistungen“ statt des engeren Begriffs „Sozialhilfe“ bedienen. b) Thesaurierung nicht verbrauchter Erträge?
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Durch die Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, inwieweit kraft Anordnung des Erblassers eine Thesaurierung der Erträge zulässig ist, oder ob diese trotz abweichender Erblasseranordnung an den Erben zur Sicherung seines Unterhalts ausgekehrt werden müssen.4 Es wird teilweise5 die Auffassung vertreten, eine Thesaurierung sei nicht möglich. Hier kann es sich aus Gründen der Vorsicht empfehlen,6 den Behinderten jeweils auf seine gesetzliche Erbquote zum Vor-Miterben einzusetzen und den Testamentsvollstrecker zur Auskehr aller dem Behinderten anfallender Nachlassfrüchte in der Weise anzuweisen, dass zunächst die sozialhilfefesten Extras zu finanzieren sind und ein verbleibender Rest an den Behinderten oder den Heimträger auszukehren ist.
1 2 3 4
Staudinger/Reimann, § 2216 BGB Rz. 23. Ivo, Erbrecht Effektiv 2004, 42 (44). §§ 41 ff. SGB XII: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. DNotI Gutachten, DNotIReport 1996, 48 (49); Engelmann, MittBayNot 1999, 509 (511). 5 Engelmann, MittBayNot 1999, 509 (511) mwN. 6 So schon 4. Aufl., Rz. 425.
582
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
c) Teilungsanordnung zur Erleichterung der Ertragsverwendung Besteht der Nachlasses aus verschiedenen Vermögensgegenständen oder 114 Vermögensmassen, so kann eine Teilungsanordnung erwogen werden.1 Mit ihr kann zum Beispiel bewirkt werden, dass für den überlebenden Ehegatten oder die nicht behinderten Kindern etwa das Familienheim erhalten wird, während dem Behinderten Geldvermögen zugeteilt wird, aus dessen Erträgen und notfalls auch aus dessen Substanz die ihm zugedachte Extras finanziert werden können. Nach § 2048 Satz 2 BGB kann es dem billigen Ermessen des Testamentsvollstreckers überlassen werden, wann die Teilungsanordnung vollzogen werden soll. Es ist zu bestimmen, dass sich die angeordnete Testamentsvollstreckung an den zugeteilten Nachlassgegenständen fortsetzt.
M 208
Teilungsanordnung beim Behindertentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Fr den Nachlass des letztversterbenden Ehegatten wird angeordnet, dass nach dem billigen Ermessen des Testamentsvollstreckers eine Auseinandersetzung oder Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der Weise erfolgen soll, dass dem behinderten Kind Geld- oder Wertpapiervermçgen, nicht aber der Grundbesitz zugeteilt wird. Die Testamentsvollstreckung setzt sich an diesem dem behinderten Kind zugeteilten Vermçgen fort.
7. Probleme der Vor- und Nacherbschaft a) Keine Befreiung des Vorerben Allgemein wird vorgeschlagen, das durch die Anordnung von Nacherb- 115 schaft beschränkte behinderte Kind lediglich zum nicht befreiten Vorerben einzusetzen. Zur Begründung der Empfehlung,2 den behinderten Vorerben generell nicht zu befreien, wird angeführt, dass der befreite Vorerbe nach § 2133 BGB Übermaßfrüchte ziehen und Nachlassgegenstände für sich verwenden darf, ohne nach § 2134 BGB dem Nacherben Ersatz leisten zu müssen. Deshalb könne die Sozialbehörde sich ungeachtet des durch die Testamentsvollstreckung nach § 2115 BGB bestehenden Vollstreckungsschutzes dem Behinderten gegenüber auf das Nachrangprinzip berufen und insoweit die Gewährung von Sozialhilfe verweigern.3 Um dem Testamentsvollstrecker die Möglichkeit zu geben, Geldbeträge 116 z.B. auch in Aktien anzulegen, wird die Befreiung von § 2119 BGB emp-
1 Vgl. Spall, MittBayNot 2001, 249 (251). 2 So zB DNotI-Gutachten, DNotI-Report 1996, 48 unter Berufung auf van de Loo, NJW 1990, 2852 und Nieder, NJW 1994, 1265. 3 Otte, JZ 1990, 1027.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
fohlen.1 Überhaupt sei eine Befreiung des Vorerben von solchen Beschränkungen und Verpflichtungen möglich und unschädlich, die mit der Substanzverwertung und Übermaßfrüchten nichts zu tun haben.2 b) Zugriff auf die Nachlasssubstanz 117
Auch wenn die Notwendigkeit des Zugriffs auf die Nachlasssubstanz nicht ausgeschlossen werden kann, ist richtiger Ansicht nach eine Befreiung des Vorerben angesichts der durch die Verwaltungsanordnung konkretisierten Befugnisse des Testamentsvollstreckers nicht erforderlich.3 In der gegenüber den Beschränkungen der Vor- und Nacherbfolge vorrangigen4 Verwaltungsanordnung kann dem Testamentsvollstrecker die Befugnis gegeben werden, zur Erfüllung seiner Aufgaben auch auf die Substanz des Nachlasses zuzugreifen. Diese Regelung erlaubt es, auch bei ertragsschwachen Nachlässen angesichts einer eventuell notwendig werdenden Substanzverwertung von einer Befreiung des Vorerben abzusehen. Eine derartige Verwaltungsanordnung ist richtiger Ansicht nach sozialhilfefest.5 c) Nacherbenvollstreckung
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Der Nacherbenvollstrecker gem. § 2222 BGB hat die Rechte und Pflichten des Nacherben bis zum Eintritt des Nacherbfalls wahrzunehmen. Seine Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus den Rechten und Pflichten des Nacherben gegenüber dem Vorerben. Dieselbe Person kann zum Testamentsvollstrecker hinsichtlich des Vorerben und zum Nacherbenvollstrecker bestellt werden. In dieser Doppelfunktion unterliegt der Testamentsvollstrecker nicht den für den Vorerben in §§ 2113 bis 2115 BGB angeordneten Beschränkungen.6 Beim Behindertentestament, bei dem die weitestgehende Verstärkung der Rechte des Testamentsvollstreckers zweckmäßig ist, sollte die Einsetzung des Testamentsvollstreckers auch für den Nacherben die Regel sein, soweit der Testamentsvollstrecker nicht zugleich der Nacherbe ist.7 Nach allgemeiner Auffassung kann in letzterem Fall der einzige Nacherbe bzw. einer von mehreren Nacherben zulässigerweise als Testamentsvollstrecker für den Vorerben eingesetzt werden.8
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Reimann/Bengel/J. Mayer, A 534. Wegmann, Zeitschrift Fachanwalt für Erbrecht 2005, 32. Spall, FS Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121 f. (143). BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (119) = MDR 1963, 994 = NJW 1963, 2320; BayObLG v. BReg 2 Z 76/83, MDR 1984, 145 = MittBayNot 1983, 229 (230). Spall, FS Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121 (144). BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (119); = MDR 1963, 994 = NJW 1963, 2320; BayObLG v. BReg 2 Z 76/83, MDR 1984, 145 = MittBayNot 1983 (229). Spall, FS Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121, 143 Fn. 57. Staudinger/Reimann, § 2197 BGB Rz. 54.
584
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
8. Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker und Betreuer bzw. längstlebendem Elternteil Nach allgemeiner Meinung kann zum Testamentsvollstrecker auch der ge- 119 setzliche Vertreter, insbesondere der Betreuer bzw. der längstlebende Elternteil, bestellt werden.1 Verschiedentlich hat die Rechtsprechung dies aber wegen möglicher Interessenkollision als problematisch angesehen.2 Ist der alleinige gesetzliche Vertreter (z.B. Vater) des Erben (z.B. minderjährige Tochter) zugleich Verwaltungsvollstrecker, kann zur Wahrnehmung der Rechte des Vertretenen gegenüber dem gesetzlichen Vertreter in dessen Eigenschaft als Testamentsvollstrecker – nicht jedoch zur Wahrnehmung der Rechte des Vertretenen aus dem Nachlassvermögen – je nach Einzelfall eine Ergänzungspflegschaft erforderlich sein.3 So unterliegt zwar bspw. der längstlebende Elternteil als Testamentsvollstrecker mangels Ableitung seiner diesbezüglichen Rechtsmacht aus der elterlichen gesetzlichen Vertretungsmacht im Gegensatz zu seiner Rolle als gesetzlich vertretender Elternteil unabhängig vom jeweiligen Gegenstand des betroffenen Rechtsgeschäfts keiner familiengerichtlichen Genehmigungspflicht.4 Aufgrund der Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker und al- 120 leinigem Elternteil, dessen diesbezügliche elterliche Vertretungsmacht insoweit nach § 2211 BGB verdrängt wird, droht bspw. bei einer Vermächtnisvollstreckung jedoch die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft,5 die die im Übrigen verbleibende elterliche Vertretungsmacht hinsichtlich der Wahrnehmung der Rechte des minderjährigen Kindes als Vermächtnisnehmer aus §§ 2216, 2219 Abs. 1, 2205 Satz 3 BGB6 auf ordnungsgemäße Verwaltung, Befolgung der Erblasseranordnungen, Haftung aus Pflichtverletzung und Unterlassung anderer als einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechender unentgeltlicher Verfügungen gegenüber dem Testamentsvollstrecker ausschließen dürfte. Dies gilt auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker durch den Erblasser 121 von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde, da hier die Rolle 1 Staudinger/Reimann, § 2197 BGB Rz. 55. 2 BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, MDR 2008, 805 = DNotZ 2008, 782 = MittBayNot 2008, 297; OLG Nürnberg v. 29.6.2001 – 11 UF 1441/01, MDR 2001, 1117 = ZEV 2002, 158 mit Anm. Schlüter; OLG Hamm v. 13.1.1993 – 15 W 216/92, MittBayNot 1994, 53 mit Anm. Reimann. 3 BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, MDR 2008, 805 = DNotZ 2008, 782 = MittBayNot 2008, 297. 4 RG v. 8.10.1917 – IV 124/17, RGZ 91, 69 (70 ff.); Erman/Saar, vor §§ 1821, 1822 BGB Rz. 4; Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 19 f. 5 So für den Erben OLG Nürnberg v. 29.6.2001 – 11 UF 1441/01, MDR 2001, 1117 f. = FamRZ 2002, 272 = ZEV 2002, 158 = MittBayNot 2002, 403 f.; BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft); Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 20; aA LG Mannheim v. 31.1.1977 – 4 T 229/76, MDR 1977, 579 = Die Justiz 1977, 135 f.: mangels Einschlägigkeit einer gesetzlichen Ausschließung nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB gerichtliche Entziehung nach §§ 1629 Abs. 2, 1796 BGB nur bei konkreter Gefährdung des Kindesinteresses. 6 BGH v. 24.9.1971 – V ZB 6/71, NJW 1971, 2264 (2266 f.) = MittBayNot 1972, 25; Erman/M. Schmidt, § 2216 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2216 BGB Rz. 1.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
des längstlebenden Ehegatten als den Vermächtnisnehmer gesetzlich vertretender kontrollierender Elternteil, für die selbst das Familiengericht nicht wirksam von den zwingenden Beschränkungen der §§ 1795, 1796, 181 BGB befreien könnte,1 und nicht dessen Testamentsvollstreckereigenschaft betroffen ist. 122
Dabei ist zudem durch Auslegung zu prüfen, ob der Erblasser auch Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzansprüche eines Ergänzungsbetreuers des behinderten Kindes ausschließen wollte und ggf. insoweit als mittelos gilt.2
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Eine Möglichkeit zur Vermeidung von Interessenkonflikten könnte also darin bestehen, den Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers vom Aufgabenbereich des Betreuers bzw. längstlebenden Elternteils ausdrücklich auszunehmen. Möglich ist es auch, vorsorglich eine Nebenvollstreckung für die Angelegenheiten anordnen, an deren Wahrnehmung der Testamentsvollstrecker aus Rechtsgründen gehindert ist.3 Störend ist für die Praxis, dass auf diesem Weg Familienfremde Einfluss erhalten können. 9. Anwendung der Heimgesetze
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Wird der Behinderte nach dem Ableben beider Elternteile ohne nähere Familienangehörige oder sonstige Verwandte sein, die sich um ihn kümmern, so ist es ein verständliches Anliegen der Eltern, das Restvermögen der Ehegatten letztwillig dem Heim, in dem der Behinderten wohnt oder später wohnen soll, oder dem Träger dieses Heims zu zuwenden. Hier entstehen Schwierigkeiten nach § 14 Heimgesetz4 bzw. nach den entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze; zur Änderung der Gesetzgebungszuständigkeit s. 1. Kap. Rz. 30. Entsprechendes kann je nach landesrechtlicher Ausgestaltung (so bspw. nach Art. 2 PfleWoqG in Bayern) auch für Anlagen betreuten Wohnens gelten, ohne dass das Zuwendungsverbot auf dort eingesetzte ambulante Pflegedienste anwendbar ist.5
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§ 14 Abs. 1 Heimgesetz6 bzw. die entsprechende Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz untersagt es dem Heimträger, sich von oder zugunsten von Bewohnern oder Bewerbern um einen Heimplatz Geld oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen; s. dazu schon oben 1. Kap. Rz. 28 ff. Das Verbot gilt nach § 14 Abs. 5 1 So für Erben BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft). 2 BGH v. 27.3.2013 – XII ZB 679/11, MDR 2013, 657 = DNotZ 2013, 860. 3 Reimann, MittBayNot 1994, 53; zu weiteren Gestaltungsmöglichkeiten siehe Bonefeld, ZErb 2007, 2 (3); Ruby, ZEV 2006, 66 (69); Scherer/Lehmann, ZEV 2007, 318 (320). 4 Vgl. G. Müller, Zur Anwendung des § 14 Heimgesetz auf Verfügungen von Todes wegen, insbesondere im Rahmen des so genannten Behindertentestaments, in Zehn Jahre deutsches Notarinstitut, 2003, S. 153; M. Rastätter, Der Einfluss des § 14 HeimG auf Verfügungen von Todes wegen, 2004; Tersteegen, ZErb 2007, 414 (415). 5 Ludyga, ZEV 2014, 177. 6 I.d.F. der Bekanntmachung v. 5.11.2001, BGBl. I, S. 2970.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
Heimgesetz bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz auch für die Leitung, die Beschäftigten oder sonstige Mitarbeiter des Heims. Es handelt sich um ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB, das bei Vorliegen seiner Voraussetzungen das betreffende Rechtsgeschäft, bei letztwilligen Verfügungen von Eltern zugunsten ihrer behinderten Kinder sowohl einen Erbvertrag wie ein Testament, unwirksam macht. Schutzzweck der Norm ist es, eine unterschiedliche, sachlich nicht gerechtfertigte Behandlung der Heimbewohner zu verhindern, also den Heimfrieden sicherzustellen, die Heimbewohner vor finanzieller Ausnutzung oder Benachteiligung zu schützen sowie die Testierfreiheit der Bewohner zu sichern.1 Die Anwendung der Norm setzt voraus, dass das Heimgesetz bzw. die ent- 126 sprechende Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz, das wiederum idR (wie bspw. das Landesheimgesetz Baden-Württemberg) das bundesrechtliche Heimgesetz nicht ersetzt hat,2 zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bzw. des Abschlusses des Erbvertrages bereits in Kraft getreten war (dies geschah bspw. für das Bundesheimgesetz am 1.1.1975 und das Landesheimgesetz Baden-Württemberg am 10.8.2008).3 Eine Ausnahme gilt ausschließlich für Vermächtniseinsetzungen, für die nach § 2171 Abs. 1 BGB alleine maßgebend ist, dass die heimrechtliche Regelung im Zeitpunkt des Erbfalls in Kraft getreten ist.4 Weitere Voraussetzung ist, dass der Bedachte zu Lebzeiten des Erblassers 127 Kenntnis von der letztwilligen Verfügung erhält und ein Einvernehmen zwischen Erblasser und Heimträger herbeigeführt wurde, andernfalls ist das dann sog. „stille Testament“ gleichwohl wirksam.5 Letztwillige Verfügungen, von denen der bedachte Heimträger oder Heimmitarbeiter zu Lebzeiten des Erblassers keine Kenntnis hat, erfüllen nicht das Tatbestandsmerkmal „sich gewähren lassen“ und fallen damit aus dem Tatbestand des § 14 HeimG bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz heraus.6
1 BVerfG v. 3.7.1998 – 1 BvR 434/98, FamRZ 1998, 1498 = NJW 1998, 2964 = DNotI-Report 1998, 176. 2 OLG Stuttgart v. 24.6.2010 – 8 W 241/10, MDR 2010, 1330 = FamRZ 2011, 408 = ZEV 2011, 78. 3 OLG Stuttgart v. 24.6.2010 – 8 W 241/10, MDR 2010, 1330 = FamRZ 2011, 408 = ZEV 2011, 78. 4 OLG Stuttgart v. 24.6.2010 – 8 W 241/10, MDR 2010, 1330 = FamRZ 2011, 408 = ZEV 2011, 78; BeckOK BGB/Wendtland, § 134 Rz. 3. 5 BGH v. 26.10.2011 – IV ZB 33/10, MDR 2011, 1479 = FamRZ 2011, 2012, 124 = DNotZ 2012, 210; BayObLG v. 28.6.1991 – BReg.1a Z 3/90, FamRZ 1991, 1354 = BayObLGZ 1991, 251 (256); 1992, 344 (349); G. Müller, MittBayNot 2012, 298; Tersteegen, RNotZ 2012, 376 (378 f.); a.A. (Kenntnis des Heimträgers sei nicht erforderlich bei Zuwendungen von Angehörigen eines Heimbewohners, wenn letzterer zu diesem Zeitpunkt weiter im betroffenen Heim lebe) OLG München v. 20.6.2006 – 33 Wx 119/06, FamRZ 2007, 212 = DNotZ 2006, 2642; Sagmeister, ZEV 2012, 99. 6 Zu den auch hier bestehenden Zweifelsfragen M. Rastätter, Der Einfluss des § 14 HeimG auf Verfügungen von Todes wegen, 2004, S. 60 ff.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
128
Die Einholung einer Ausnahmegenehmigung nach § 14 Abs. 6 Heimgesetz bzw. der entsprechenden Vorschrift im jeweiligen Landesgesetz, soweit dies dort überhaupt vorgesehen ist, ist problematisch, insbesondere weil sie nach herrschender Ansicht vor Testamentserrichtung zu erfolgen hat und die beabsichtigte letztwillige Verfügung über die Rückfrage der Aufsichtsbehörde dem Bedachten bekannt wird, was bei Nichtgenehmigung die Verbotsnorm in Kraft setzt.1 In der Praxis scheinen die Heimaufsichtsbehörden letztwillige Verfügungen wegen der mit ihnen verbundenen Bevorzugung eines einzelnen Heimbewohners nicht zu genehmigen.2
129
Alle Gefahren vermeidet die Befolgung des Rats,3 weder den Heimträger noch den Heimleiter oder sonstige Mitarbeiter des Heims als Nacherben oder Testamentsvollstrecker einzusetzen. Folgt man dem nicht, so ist jedenfalls zu vermeiden, dass der Verbotsadressat zu Lebzeiten des Erblassers vom Inhalt der letztwilligen Verfügung Kenntnis erhält.4 Von der Beantragung einer Ausnahmegenehmigung sollte abgesehen werden. 10. Heilung des Behinderten als auflösende Bedingung?
130
Soweit bei der Behinderung des Kindes die Möglichkeit der späteren Heilung besteht, wird mitunter erwogen, diese zu auflösenden Bedingung des Behindertentestaments zu machen, also das Kind bedingt zum Vollerben einzusetzen.5 Diese Gestaltung bringt die Gefahr mit sich, dass das hierdurch begründete Anwartschaftsrecht den Sozialhilfeträger dazu bewegt, die Sozialhilfe nur als Darlehen zu gewähren und zur Sicherung der Rückzahlung die Verpfändung des Anwartschaftsrechts zu verlangen.6 11. Salvatorische Klausel
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In der einschlägigen Literatur7 wird empfohlen, für den Fall der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügungen zugunsten des behinderten Kindes sicherzustellen, das nicht das Ehegattentestament insgesamt unwirksam wird und die gesetzliche Erbfolge eintritt, sondern das Testament zuguns1 Vgl. G. Müller, Zehn Jahre deutsches Notarinstitut, 2003, S. 169 ff. 2 So M. Rastätter, Der Einfluss des § 14 HeimG auf Verfügungen von Todes wegen, 2004, S. 72 Fn. 184 auf Grund einer Umfrage bei badischen Heimaufsichtsbehörden. 3 Von J. Mayer, Testamentsvollstreckung, Rz. 586, 587. 4 Die auch dann noch bestehenden Risiken illustriert eine – dogmatisch falsche (Tersteegen, ZErb 2007, 414 [415]) – Entscheidung des OLG München v. 20.6.2006 – 33 Wx 119/06, FamRZ 2007, 212 = NJW 2006, 2642, wo ein zugunsten eines Heimes ausgesetztes Vermächtnis für unwirksam erachtet wurde, obwohl der Heimträger von den Vermächtnis erst nach dem Tod der Erblasserin Kenntnis erhielt; Sagmeister, ZEV 2012, 99; a.A. BGH v. 26.10.2011 – IV ZB 33/10, MDR 2011, 1479 = FamRZ 2011, 2012, 124 = DNotZ 2012, 210; BayObLG v. 28.6.1991 – BReg.1a Z 3/90, FamRZ 1991, 1354 = BayObLGZ 1991, 251 (256); 1992, 344 (349); G. Müller, MittBayNot 2012, 298; Tersteegen, RNotZ 2012, 376 (378 f.). 5 J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, Rz. 592. 6 DNotI-Gutachten v. 22.1.2004 zu § 2074 BGB. 7 Z.B. von Ruby, ZEV 2006, 71.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
ten des Ehegatten und der nicht behinderten Kinder wirksam bleibt. Hat das Behindertentestament von Ehegatten wie bei obiger Musterformulierung grundsätzlich die Struktur des Berliner Testaments nach § 2269 BGB, so ist es nicht erforderlich, dem teilweise gegebenen Rat zur Abfassung eines kompletten Hilfstestaments zu folgen. Es genügt dann die folgende salvatorische Klausel.
M 209
Salvatorische Klausel beim Behindertentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Wenn einzelne oder alle das behinderte Kind betreffenden Regelungen dieses Testaments unwirksam oder undurchfhrbar sein oder werden sollten, so verbleibt es bei den brigen Regelungen. Insbesondere wird der berlebende Ehegatte Alleinerbe des Erstversterbenden, die nicht behinderten Abkçmmlinge werden nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge Schlusserben.
12. Problematik Pflichtteilsstrafklausel und Enterbungslösung Im Wege einer sog. Enterbungslösung wird auch in der o.g. Ausgangskon- 132 stellation bei Vorhandensein eines behinderten Kindes vereinzelt vorgeschlagen, ein Berliner Testament nach § 2269 BGB zu gestalten. Danach soll der längstlebende Ehegatte auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten alleiniger Vollerbe sein. Das behinderte Kind ist damit abweichend von der vorstehenden Erbschaftslösung auf den Tod des erstversterbenden Elternteils ebenso wie die Geschwisterkinder enterbt. Auf den Tod des längstlebenden Elternteils findet sodann eine der Erbschaftslösung entsprechende Erbeinsetzung statt. Danach ist das behinderte Kind mit einer über seinem Pflichtteil liegenden Quote nicht befreiter Vorerbe. Die Geschwisterkinder sind hinsichtlich des verbleibenden Erbteils zu untereinander gleichen Teilen Mitvollerben und zugleich Nacherben auf den Tod des behinderten Kindes. Hinsichtlich der Vorerbschaft des behinderten Kindes wird wiederum Dauertestamentsvollstreckung mit entsprechender Verwaltungsanordnung bestimmt. Zugleich wird eine Pflichtteilsstrafklausel dergestalt angeordnet, dass derjenige, der auf den Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteil verlangt, auch auf den Tod des längstlebenden Elternteils als Erbe ausgeschlossen sein soll. Dabei wird das behinderte Kind von der Anwendbarkeit der Pflichtteilsstrafklausel nicht ausgenommen. Ziel dieser Enterbungslösung war es, mit Hilfe der Pflichtteilsstrafklausel zu erreichen, dass der gesetzliche Vertreter des behinderten Kindes bzw. Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch auf den Tod des erstversterbenden Elternteils nicht geltend macht. Argumentiert wird dabei insbesondere damit, dass eine derartige Geltendmachung die Pflichtteilsstrafklausel auslöse und so zu einer entsprechenden Enterbung auf den zweiten Erbfall führen würde, die den Wirkungen der Geltendmachung des Ausschlagungsrechts des behinderten Kindes auf den 589
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
zweiten Erbfall zur Erlangung des dortigen Pflichtteilsrechts entsprechen würde. Da die Ausübung eines derartigen Ausschlagungsrechts jedoch auf einen Sozialhilfeträger nicht überleitbar sei, dürfe bereits die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen auf den Tod des erstversterbenden Elternteils nicht erfolgen.1 133
Dieses frühere Modell dürfte seit einem diesbezüglichen Urteil des BGH vom 8.12.20042 gescheitert sein. Der BGH bejaht in dieser Entscheidung das Recht des Sozialhilfeträgers aus dem damals geltenden § 90 Abs. 1 Satz 4 BSHG (seit 1.1.2005: § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB XII), in Durchbrechung des § 852 Abs. 1 ZPO Pflichtteilsansprüche unabhängig von einer entsprechenden Geltendmachung durch den Pflichtteilsberechtigten bzw. dessen Betreuer auf sich überzuleiten und sodann selbst geltend zu machen, da ein Sozialhilfeträger als Helfer des Sozialhilfeempfängers gegenüber gewöhnlichen Gläubigern privilegiert und ein Sozialhilfeempfänger – strikter als etwa eine unterhaltsbedürftige Person – zur Einsetzung eigener Pflichtteilsansprüche verpflichtet sei.3 Anders als bei § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB aF (seit 1.1.2010 nunmehr § 2306 Abs. 1 BGB) sei hier der originäre Pflichtteilsanspruch beim ersten Erbfall maßgeblich, für den gesetzlich keine Ausschlagung vorausgesetzt ist. Sodann korrigiert der BGH die Pflichtteilsstrafklausel im Hinblick auf den zweiten Erbfall im Wege ergänzender Testamentsauslegung dahin, dass die Eltern, hätten sie die Umstände richtig erkannt, eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem erstverstorbenen Elternteil durch den Sozialhilfeträger vom Anwendungsbereich dieser Klausel ausgenommen hätten. Wäre die Pflichtteilsstrafklausel wörtlich anzuwenden gewesen, hätte die (hier durch den BGH für zulässig erachtete) Geltendmachung der übergeleiteten Pflichtteilsrechte durch den Sozialhilfeträger auf den ersten Erbfall zwangsläufig die testamentarische Enterbung des behinderten Kindes auf den zweiten Erbfall mit der Folge ausgelöst, dass auch insoweit wieder ein auf den Sozialhilfeträger überleitbarer und durch diesen verwertbarer Pflichtteilsanspruch entstanden wäre. Genau dies könne jedoch nicht das Ziel der Eltern gewesen sein. Vielmehr sei davon auszugehen, dass an Stelle einer völligen Gleichbehandlung aller Kinder der Schutz des Vermögens des Erbteils des behinderten Kindes vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers im Vordergrund gestanden habe. Dabei habe unabhängig von der Frage, ob das aus § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB aF (seit 1.1.2010 § 2306 Abs. 1 BGB) resultierende Ausschlagungsrecht nicht auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden könne, jedenfalls über die Anordnung der Dauertestamentsvoll1 Van de Loo, NJW 1990, 2852 (2856). 2 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, MDR 2005, 692 = FamRB 2005, 175 = FamRZ 2005, 448 = NJW-RR 2005, 3619 = ZEV 2005, 117 mit Anm. Muscheler = DNotZ 2005, 296 mit Anm. Spall = MittBayNot 2005, 314 mit Anm. J. Mayer. 3 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, MDR 2005, 692 = FamRB 2005, 175 = FamRZ 2005, 448 = NJW-RR 2005, 3619 = ZEV 2005, 117 mit Anm. Muscheler = DNotZ 2005, 296 mit Anm. Spall = MittBayNot 2005, 314 mit Anm. J. Mayer; a.A. OLG Frankfurt v. 7.10.2003 – 14 U 233/02, ZEV 2004, 24 RNotZ 2004, 164; BayOblG v. 18.9.2003 – 3Z BR 167/03, FamRZ 2004, 1750 = FGPrax 2003, 268 (270).
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
streckung nach § 2214 BGB ein Zugriffsschutz zugunsten des behinderten Kindes bestanden. Für diese einschränkende Testamentsauslegung spreche zudem der Umstand, dass ein Sozialhilfeträger anders als die anderen Kinder der Erblasser durch die Geltendmachung des Pflichtteilsrechts beim ersten Erbfall im zweiten Erbfall keinerlei Ansprüche verlieren, sondern umgekehrt nur hinzugewinnen konnte.1 Aufgrund der verbleibenden Restrisiken aus der jeweils am konkreten 134 Einzelfall vorzunehmenden Testamentsauslegung wird man insoweit eine derartige Pflichtteilsstrafklausel nicht empfehlen können.2 13. Problematik Erbauseinandersetzung Mit größter Sorgfalt ist zudem darauf zu achten, dass die Schutzmechanis- 135 men des Behindertentestaments in Gestalt der angeordneten Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung nicht im Wege der Nachlassabwicklung ungewollt wegfallen. Während sich bei einer gewöhnlichen Teil- oder vollständigen Erbauseinandersetzung Nacherbfolgeanordnung und Dauertestamentsvollstreckung an den dem behinderten Kind zugeordneten Nachlassgegenständen fortsetzen, ist dies, worauf Keim3 zurecht hinweist, mangels Surrogation jedenfalls ohne Gegenleistung aus dem Nachlass bei einer diesbezüglichen Erbteilsübertragung nicht der Fall, sondern dürfte analog §§ 2041, 2111 BGB auch bei Abschichtung den Wegfall der Nacherbfolgeanordnung und Dauertestamentsvollstreckung auslösen.4
VII. Variante: Das Trennungsmodell Litzenburger5 hat vorgeschlagen, dass sich die Eltern des behinderten Kin- 136 des zunächst gegenseitig zu Vorerben einsetzen, und auf den Tod des Vorerben die Kinder entsprechend ihren gesetzlichen Anteilen als Nacherben bestimmen, wobei das behinderte Kind wiederum nur Vorerbe sein soll, und bei seinem Tod die nicht behinderten Kinder Nacherben werden. Diese Lösung verhindert die Erbengemeinschaft des behinderten Kindes 137 mit dem überlebenden Elternteil, verlängert jedoch gegenüber der Standardlösung die Frist, innerhalb derer der Behinderte beim Tod des Erstversterbenden ausschlagen und den Pflichtteil verlangen kann. Dieses Recht ergibt sich hier nicht aus § 2306 Abs. 1 BGB, sondern aus § 2306 Abs. 2 1 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, MDR 2005, 692 = FamRB 2005, 175 = FamRZ 2005, 448 = NJW-RR 2005, 3619 = ZEV 2005, 117 mit Anm. Muscheler = DNotZ 2005, 296 mit Anm. Spall = MittBayNot 2005, 314 mit Anm. J. Mayer; OLG Hamm v. 28.2.2013 – 10 U 71/12, RNotZ 2013, 307 = DNotZ 2014, 60. 2 Kanzleiter, DNotZ 2014, 5 (11). 3 Keim, DNotZ 2014, 895 ff. 4 LG Kassel v. 17.10.2013 – 3 T 342/13, FamRZ 2014, 1056 = ZEV 2014, 104; Keim, DNotZ 2014, 895 (897 ff.); Wirich, ZEV 2014, 107 f.; a.A. Springmann, ZEV 2014, 293. 5 Litzenburger, RNotZ 2004, 138 (144 ff.).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
BGB. Die Ausschlagung kann bereits vor dem Nacherbfall erfolgen. Die Ausschlagungsfrist beginnt jedoch bei der Einsetzung zum Nacherben erst mit dem Nacherbfall zu laufen, während bei der Einsetzung zum Mit-Vorerben das Recht sechs Wochen ab Kenntnis des Behinderten von Erbanfall endet. Eine Fristverkürzung wiederum ergibt sich aus der drohenden Verjährung des Pflichtteilsanspruchs. Da dieser nach § 2332 Abs. 1 und 3 BGB drei Jahre ab Kenntnis vom Erbfall verjährt, ist der im Rahmen des Modells zum Nacherben eingesetzte Behinderte gezwungen, bis dahin auszuschlagen, wenn er an den Pflichtteil nach dem zur Erstverstorbenen Elternteil gelangen will. Beim zweiten Erbfall ergeben sich keinerlei Unterschiede des Trennungsmodells zur Standardlösung. 138
Die Nachteile, die sich für den überlebenden Ehegatten aus seiner Stellung lediglich als Vorerbe ergeben, will Litzenburger im Bereich des Verbots unentgeltlicher Verfügungen gem. §§ 2113 Abs. 2, 2136 BGB dadurch abmildern, dass dem Vorerben als Vorausvermächtnis diejenigen Gegenstände vermacht werden, die er zu Lebzeiten unentgeltlich an die nicht behinderten Kinder überträgt.
139
Gegen die Praktikabilität der Lösung von Litzenburger wird weiterhin eingewendet,1 dass durch sie der Druck für den Betreuer bzw. Ergänzungspfleger noch größer werde, die Erbschaft des Behinderten auszuschlagen und den Pflichtteil zu verlangen. Da der Nacherbfall gegebenenfalls erst nach vielen Jahrzehnten eintrete, bestehe für den Behinderten u.U. nur wenig Hoffnung, nach Eintritt des Nacherbfalls einen werthaltigen Nachlass zu erhalten. Schlage daher der Betreuer bzw. Ergänzungspfleger des Behinderten nicht aus und verlange er nicht den Pflichtteil, setze er sich einem ganz erheblichen Haftungsrisiko aus.
VIII. Alternative: Die Vermächtnislösung 1. Größere Elastizität 140
Die Standardlösung hat hinsichtlich der praktischen Handhabbarkeit die Nachteile jeder Vor- und Nacherbschaftslösung. Das behinderte Kind wird auf den Tod beider Elternteile Miterbe und ist damit an beiden Nachlässen gesamthänderisch beteiligt. Einzelzuweisungen aus der Erbmasse bedürfen der förmlichen Erbauseinandersetzung. Durch die Testamentsvollstreckung wird die hiermit verbundene Unbeweglichkeit nur teilweise gemildert. Besteht, was infolge der Familienbindung grundsätzlich wünschenswert ist, zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Inhaber der elterlichen Sorge oder dem Betreuer Personenidentität, so kann es zur grundsätzlich unerwünschten zeitweisen oder dauernden Bestellung Familienfremder als Ergänzungspfleger oder Zusatzbetreuer kommen.
141
Die Kautelarpraxis hat sich deshalb in vermutlich nicht seltenen Fällen der aufgrund ihrer schuldrechtlichen Struktur leichter handhabbaren Ver1 J. Mayer, ZEV 2004, 299.
592
C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
mächtnislösung zugewendet.1 Die Gestaltung2 besteht darin, dass dem behinderten Kind als Vorvermächtnisnehmer ein Bruchteil des Nachlasses als Quotenvermächtnis zugewendet wird, wobei die Quote mindestens dem Pflichtteil entspricht. Nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 steht dem Behinderten ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht; bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen i.S.v. § 2306 BGB, hier also die Testamentsvollstreckung, außer Betracht. Diese Testamentsvollstreckung wird zum Vollzug des Vermächtnisses, als Dauervollstreckung für die Verwaltung des Vermächtnisses und als Auseinandersetzungsvollstreckung hinsichtlich des Übergangs des Vermächtnisses auf den Nachvermächtnisnehmer angeordnet. Der Testamentsvollstrecker wird im Wege der Verwaltungsanordnung angewiesen, mit den Mitteln des Vermächtnisses dem Behinderten Zuwendungen zu machen, die seine Lebensqualität verbessern und auf Leistungen i.S. des SGB XII nicht anrechenbar sind. Der beim Tod des Behindernden verbleibende Rest des Vermächtnisses wird gem. § 2191 BGB einem oder mehreren Nachvermächtnisnehmern zugewendet. 2. Prämissen Im Hinblick auf dem Zugriff der Sozialbehörde auf den Vermächtnisgegen- 142 stand hat die Vermächtnislösung die folgenden beiden Prämissen. Einmal soll durch die Anordnung der lebenslangen Vermächtnisvollstreckung, die inhaltlich derjenigen der Standardlösung entspricht, über die in gleicher Weise anwendbaren §§ 2211, 2214 BGB während der Lebenszeit des behinderten Kindes der Vermächtnisgegenstand dem Zugriff von Gläubigern, insbesondere der Sozialbehörde, entzogen werden. Zum Zweiten soll durch die Anordnung des Nachvermächtnisses für den Rest des Vermächtnisses wie bei der Nacherbschaft ein Zugriff der Sozialbehörde nach § 102 SGB XII verhindert werden. 3. Bedenken der Literatur Diese beiden Prämissen wurden durch eine Kritik von Damrau3 in Frage 143 gestellt, was mangels höchstrichterlicher Klärung bis heute die praktische Verwendbarkeit der Vermächtnislösung beeinträchtigt. Die Kritik setzt am schuldrechtlichen Charakter des Nachvermächtnisses an. Während der Nacherbe dann, wenn der Nacherbfall mit den Tod des Vorerben eintreten soll, die Erbschaft unmittelbar vom Erblasser ohne Durchgangserwerb des Nachlasses des Vorerben erwirbt, kommt es dann, wenn das Nachvermächtnis mit den Tod des Vorvermächtnisnehmers erworben 1 Eingehende Darstellung mit Nachweisen von Rechtsprechung und Literatur und Gestaltungs- und Formulierungsvorschlägen bei Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, S. 161–182. 2 Vgl. neben Baltzer insbesondere Spall, MittBayNot 2001, 249 (253 ff.); Spall, FS 200 Jahre Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121; Ruby/Schindler/Wirich, Das Behindertentestament, Rz. 125 ff. 3 Damrau, ZEV 1998, 1.
593
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
wird, zu einem Erwerb des Vermächtnisgegenstandes aus dem Nachlass des Vorvermächtnisnehmers. Der Nachvermächtnisnehmer erwirbt den Vermächtnisgegenstand nicht unmittelbar vom Erblasser, sondern erhält lediglich einen dinglich nicht geschützten schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben des Vorvermächtnisnehmers auf Auskehrung des Gegenstandes des Nachvermächtnisses. 144
Hiervon ausgehend sieht Damrau1 zwei Schwachpunkte der Vermächtnislösung. Einmal hält er es für unausweichlich, dass die vom Erblasser angeordnete Vermächtnisvollstreckung mit den Tod des behinderten Kindes entfällt und mit ihr die gegen die Gläubiger abschirmende Wirkung des § 2214 BGB. Hier handelt es sich aber nur um ein Scheinproblem, das dadurch zu lösen ist, dass die Befugnisse und Aufgaben des Testamentsvollstreckers ausdrücklich über den Tod des Behinderten hinaus auf die Erfüllung des Nachvermächtnisses erstreckt werden.2
145
Hinsichtlich der Kostenersatzhaftung der Erben des Vorvermächtnisnehmers gegenüber dem Sozialhilfeträger nach § 102 SGB XII geht Damrau davon aus, dass dieser Anspruch mit dem Anspruch des Nachvermächtnisnehmers auf Übereignung des Gegenstandes des Nachvermächtnisses gleichrangig konkurriert. Demgegenüber sieht die überwiegende Meinung im Schrifttum den Anspruch auf Erfüllung des Nachvermächtnisses als echte Erblasserschuld an, die bei der Berechnung des Wertes des Nachlasses i.S. des § 2311 BGB und des § 102 SGB XII vorweg in Abzug zu bringen ist.3 Nur diese letztere Auffassung ist haltbar, da der Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 102 Abs. 2 SGB XII auf den Wert des Nachlasses beschränkt ist und diese Norm entsprechend § 2311 BGB so auszulegen ist, dass der Erbe des Vorvermächtnisnehmers nur mit dem ihm angefallenen Aktivvermögen zu haften hat.
146
Eine weitere Zweifelsfrage betrifft die im Schrifttum teilweise befürwortete4 analoge Anwendung der §§ 2385 Abs. 1, 2382 BGB auf das Nachvermächtnis. Der Nachvermächtnisnehmer erhalte sämtliches Vermögen des Behinderten und müsse deshalb nach den Regeln des Universalvermächtnisses für die Nachlassverbindlichkeiten und mithin ebenfalls für die Kosten der erbrachten Sozialhilfe haften. Hartmann5 hat demgegenüber überzeugend nachgewiesen, dass schon die Voraussetzungen einer analogen 1 Damrau, ZEV 1998, 1. 2 J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, S. 332, anders noch Damrau/J. Mayer, ZEV 2001, 293; ausführlich Baltzer, Das Vor- und Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 459 ff. mwN. 3 DNotI, DNotI-Report 1999, 149 mwN; Hartmann, ZEV 2001, 89 (92); Weidlich, ZEV 2001, 94 (96); Spall, MittBayNot 2001, 249; Spall, FS 200 Jahre Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121, 134; Joussen, NJW 2003, 1851 (1852); Würzburger Notarhdb/G. Müller, Teil 4 Rz. 386 mit Hinweis auf BayVGH v. 15.7.2003 – 12 B 99.1700; Baltzer, Das Vorund Nachvermächtnis in der Kautelarjurisprudenz, 2007, Rz. 326 ff.; Ruby/Schindler/ Wirich, Das Behindertentestament, Rz. 131 ff. 4 Van der Loo, MittRhNotK 1989, 233 (243); referierend zuletzt Golpayegani/Boger, ZEV 2005, 377 (378). 5 Hartmann, ZEV 2001, 89 (93).
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
Anwendung dieser Gläubigerschutzvorschriften nicht vorliegen. Ordnet ein Erblasser ein Universalvermächtnis an, so ist es sachgerecht, dass seine Gläubiger nicht deswegen leer ausgehen, weil die Haftungsmasse vom haftenden Erben auf einen nicht haftenden Vermächtnisnehmer übergeht. Die Position der Gläubiger soll nicht verschlechtert werden. Im Fall des Behindertentestaments unter Anwendung des Vor- und Nachvermächtnisses ist der Vermächtnisgegenstand zu Lebzeiten des Vorvermächtnisnehmers wegen der angeordneten Testamentsvollstreckung ein vom Erblasser herrührendes Sondervermögen und den Gläubigern des Vorvermächtnisnehmers als Haftungsmasse entzogen. Durch den Erbfall hat sich daran, eine entsprechend verlängerte Testamentsvollstreckung i.S. des § 2223 BGB vorausgesetzt, nichts geändert. Durch die analoge Anwendung der §§ 2385 Abs. 1, 2382 BGB auf das Nachvermächtnis würde die Position der Gläubiger nicht lediglich erhalten, sondern entscheidend verbessert. Da die Vorschriften im Bereich ihrer direkten Anwendung lediglich eine Verschlechterung der Zugriffsituation durch Verschiebung einer an sich zur Verfügung stehenden Haftungsmasse verhindern sollen, liegt die für einen Analogieschluss erforderliche wertungsmäßige Vergleichbarkeit nicht vor. 4. Gestaltungsvorschlag Richtiger Auffassung nach ist also die Vermächtnislösung insgesamt ge- 147 eignet, das Vermögen des Erblassers gegen den Zugriff der Sozialbehörde abzuschirmen, soweit sich der Vermächtnisgegenstand wertmäßig in dem Rahmen bewegt, innerhalb dessen auch bei der Standardlösung auf Grund der Gedanken der elterlichen Fürsorge und des Familienlastenausgleichs Anerkennungsfähigkeit besteht.
M 210
Vermchtnislçsung beim Behindertentestament als Einzeltestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Verhandelt zu . . . am . . . Vor dem Notar . . . ist erschienen Frau . . . Die Erblasserin ist verwitwet. Sie hat das behinderte Kind . . . (persçnliche Daten), das sie bisher in ihrem Haushalt betreut hat, und die nicht behinderten Kinder . . . und . . . (persçnliche Daten). Erbvertraglich oder durch gemeinschaftliches Testament ist die nicht gebunden. Sie erklrt das folgende Testament I.
Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen meine Kinder . . . und . . . ein. Ersatzerben sind in erster Linie deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, in zweiter Linie der Miterbe oder dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge.
595
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
II. Meinem behinderten Kind . . . setze ich als Vorvermchtnis einen Geldbetrag in Hçhe seines gesetzlichen Erbteils auf meinen Tod aus. Nachvermchtnisnehmer fr dasjenige, was beim Tod dieses Kindes als Vorvermchtnisnehmers von dem vermachten Geldbetrag einschließlich seiner Surrogate und Ertrge noch vorhanden ist, sind meine Kinder . . . und . . . zu gleichen Teilen, ersatzweise in erster Linie deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, in zweiter Linie der Miterbe oder dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. III. Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, auf meinen Tod das Vorvermchtnis und auf den Tod des Vorvermchtnisnehmers das Nachvermchtnis zu erfllen. Er hat weiterhin die Aufgabe, den Gegenstand des Vermchtnisses auf die Lebzeiten des Vorvermchtnisnehmers und darber hinaus bis zum bergang auf den oder die Nachvermchtnisnehmer zu verwalten. Er ist befugt, mit Einverstndnis der Erben den vermachten Geldbetrag ganz oder teilweise durch die bereignung sonstiger Nachlassgegenstnde zu ersetzen. Fr diese Verwaltung treffe ich die folgende verbindliche Anordnung. Der Testamentsvollstrecker hat meiner Tochter die Ertrge und erforderlichenfalls auch die Substanz des Vorvermchtnisses so zuzuwenden, dass ihre Lebensqualitt verbessert wird, aber der Trger der Sozialhilfe nach den sozialrechtlichen Vorschriften auf die Zuwendungen nicht zugreifen kann und auch eine Anrechnung auf die gewhrten Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen ist. Diese Verpflichtung umfasst insbesondere: – berlassung von Geldbetrgen in Hçhe des jeweiligen Rahmens, der nach den jeweiligen einschlgigen Gesetzen einem Behinderten maximal zur freien Verfgung stehen kann; – Geschenke zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zum Geburtstag, wobei bei der Auswahl der Geschenke auf die Bedrfnisse und Wnsche meiner Tochter ausdrcklich einzugehen ist; – Zuschsse zur Finanzierung eines Urlaubes und zur Urlaubsgestaltung; – Zuwendungen zur Befriedigung geistiger und knstlerischer Bedrfnisse sowie zur Befriedigung der individuellen Bedrfnisse meiner Tochter in Bezug auf Freizeit, wozu insbesondere auch Hobbys und Liebhabereien zhlen; – Spenden und Zuwendungen in dem den Ertrgen des Vermchtnisses angemessenen Umfang an das Haus, in dem die Tochter untergebracht ist bzw. dessen Trger. Fr welche der genannten Leistungen die jhrlichen Reinertrgnisse verwendet werden sollen, ob diese also auf smtliche Leistungen gleichmßig oder nach einem bestimmten Schlssel verteilt werden oder ob diese in einem Jahr nur fr eine oder mehrere der genannten Leistungen verwendet werden, entscheidet der Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen, wobei er allerdings immer auf das Wohl meiner Tochter bedacht sein muss. Werden die jhrlichen Reinertrgnisse in einem Jahr nicht in voller Hçhe in Form der bezeichneten Leistungen verwendet, sind Rckstellungen zu bilden.
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
IV. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich den Freund der Familie, Herrn . . . Er kann einen Ersatztestamentsvollstrecker bestimmen. Hilfsweise wird das Nachlassgericht gebeten, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Das Nachlassgericht bestimmt auch die Hçhe der Vergtung des Testamentsvollstreckers. (Schlussbestimmungen, Unterschriften)
M 211
Vermchtnislçsung beim Ehegattenerbvertrag
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . Vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Lichtbildausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig: Eheleute . . . (Geburtsdaten, Adressen). Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und miteinander verheiratet. Sie haben die gemeinsamen Sçhne . . . und . . . und die gemeinsame Tochter . . . Die Tochter . . . ist geistig behindert. Einseitige Abkçmmlinge eines Ehegatten sind nicht vorhanden. Nach ihrer Erklrung sind die Erschienenen durch eine frhere bindende letztwillige Verfgung an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert. Sie erklren zur çffentlichen Urkunde folgenden Erbvertrag I. Wir erklren in erbvertraglich bindender Weise: 1. Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschrnkten Erben ein. Erben des Letztversterbenden von uns und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens sind unsere Sçhne . . . und . . . zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge entsprechend den Regeln ber die gesetzliche Erbfolge. 2. Unsere Tochter . . . erhlt vom Erstversterbenden auf seinen Tod und vom Letztversterbenden auf seinen Tod jeweils ein Vermchtnis als Geldvermchtnis in Hçhe des Wertes von 3/4 des jeweiligen gesetzlichen Erbteils. Sie wird in beiden Fllen jedoch nur Vorvermchtnisnehmer. Nachvermchtnisnehmer auf ihren Tod sind ihre Brder . . . und . . . zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge entsprechend den Regeln ber die gesetzliche Erbfolge. II. Jeder von uns erklrt einseitig: 1. Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, auf meinen Tod das Vorvermchtnis und auf den Tod des Vorvermchtnisnehmers das Nachvermchtnis zu erfllen. Er hat weiterhin die Aufgabe, den Gegenstand des Vermchtnisses auf die Lebzeiten des Vorvermchtnisnehmers und darber hinaus bis zum bergang auf den oder
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
die Nachvermchtnisnehmer zu verwalten. Er ist befugt, mit Einverstndnis der Erben den vermachten Geldbetrag ganz oder teilweise durch die bereignung sonstiger Nachlassgegenstnde zu ersetzen. 2. Fr diese Verwaltung treffe ich die folgende verbindliche Anordnung. Der Testamentsvollstrecker hat meiner Tochter die Ertrge und erforderlichenfalls auch die Substanz des Vorvermchtnisses so zuzuwenden, dass ihre Lebensqualitt verbessert wird, aber der Trger der Sozialhilfe nach den sozialrechtlichen Vorschriften auf die Zuwendungen nicht zugreifen kann und auch eine Anrechnung auf die gewhrten Sozialhilfeleistungen ausgeschlossen ist. Diese Verpflichtung umfasst insbesondere: berlassung von Geldbetrgen in Hçhe des jeweiligen Rahmens, der nach den jeweiligen einschlgigen Gesetzen einem Behinderten maximal zur freien Verfgung stehen kann; Geschenke zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zum Geburtstag, wobei bei der Auswahl der Geschenke auf die Bedrfnisse und Wnsche unserer Tochter ausdrcklich einzugehen ist; Zuschsse zur Finanzierung eines Urlaubes und zur Urlaubsgestaltung; Zuwendungen zur Befriedigung geistiger und knstlerischer Bedrfnisse sowie zur Befriedigung der individuellen Bedrfnisse unserer Tochter in Bezug auf Freizeit, wozu insbesondere auch Hobbys und Liebhabereien zhlen; Spenden und Zuwendungen in dem den Ertrgen des Vermchtnisses angemessenen Umfang an das Haus, in dem die Tochter untergebracht ist bzw. dessen Trger. Fr welche der genannten Leistungen die jhrlichen Reinertrgnisse verwendet werden sollen, ob diese also auf smtliche Leistungen gleichmßig oder nach einem bestimmten Schlssel verteilt werden oder ob diese in einem Jahr nur fr eine oder mehrere der genannten Leistungen verwendet werden, entscheidet der Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen, wobei er allerdings immer auf das Wohl meiner Tochter bedacht sein muss. Werden die jhrlichen Reinertrgnisse in einem Jahr nicht in voller Hçhe in Form der bezeichneten Leistungen verwendet, sind Rckstellungen zu bilden. 3. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich in erster Linie den berlebenden Ehegatten, ersatzweise den lteren Sohn, wiederum ersatzweise den jngeren Sohn. Hilfsweise wird das Nachlassgericht gebeten, einen Testamentsvollstrecker zu bestimmen. (Schlussbestimmungen, Unterschriften)
IX. Variante: Das Leibrentenvermächtnis 148
Statt mit einem Geldvermächtnis kann man die Versorgung des Behinderten auch mit einem Leibrentenvermächtnis sicherstellen.1 Dabei wird ein den Erbteil oder den Pflichtteil überschreitender Betrag verrentet. Da die 1 Spall, MittBayNot 2001, 249 (255).
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C. Das Testament von Eltern behinderter Kinder (Behindertentestament)
Rente beim Tod des Behinderten erlischt, fällt kein Vermögen in seinen Nachlass, auf das der Sozialhilfeträger zugreifen könnte.
M 212
Leibrentenvermchtnis beim Behindertentestament
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meiner behinderten Tochter . . . vermache ich auf Lebenszeit eine Leibrente in Form von monatlich im Voraus zu zahlenden Geldbetrgen. Schuldner der Leibrente sind die Erben. Der fr die Berechnung der Rente maßgebliche Kapitalbetrag ist der reine Wert des gesetzlichen Erbteils meiner Tochter im Zeitpunkt meines Todes. Der so ermittelte Betrag ist unter Bercksichtigung eines Kapitalisierungszinssatzes von fnf Prozent jhrlich nach versicherungsmathematischen Grundstzen auf der Grundlage der amtlichen Sterbetafel auf Lebenszeit des Vermchtnisnehmers zu ermitteln. Bei Unklarheiten steht dem Testamentsvollstrecker ein Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 315 ff. BGB zu. Der Testamentsvollstrecker bestimmt auch nach billigem Ermessen, ob und welche Sicherheiten, etwa durch Zwangsvollstreckungsunterwerfung oder Rentenreallast, zu stellen sind. Eine Wertsicherung wird nicht geschuldet. Das Leibrentenstammrecht erlischt mit dem Tod meiner Tochter. Hinsichtlich dieses Vermchtnisses ordne ich Testamentsvollstreckung wie folgt an1.
X. Alternative: Die umgekehrte Vermächtnislösung Nach einem Vorschlag von Grziwotz2 sollen die Probleme des Vermächt- 149 nisses zugunsten des behinderten Kindes dadurch vermieden werden, dass das behinderte Kind in Umkehrung der Vermächtnislösung zum alleinigen Vorerben eingesetzt wird und den nicht behinderten Kindern die ihnen zugedachten Vermögensgegenstände als Vermächtnis ausgesetzt werden. Unverzichtbar ist auch hier die Verwaltungsvollstreckung auf Lebenszeit des zum Vorerben eingesetzten Behinderten mit den ausführlichen Verwaltungsanordnungen. Die Kritiker dieses Vorschlags3 weisen mit Recht daraufhin, dass den Eltern 150 die Einsetzung des behinderten Kindes als Alleinerben nicht zu vermitteln sein wird, da die juristische Konstruktion hier dem Rechtsempfinden widerspricht. Weiterhin wäre für den Fall der Unwirksamkeit der den behinderten belastenden Anordnungen etwa wegen §§ 138, 2306 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB eine völlig abweichende salvatorische Regelung zu treffen, da1 Vgl. das vorige Muster M 211. 2 Grziwotz, ZEV 2002, 409. 3 Spall, FS 200 Jahre Notarkammer Pfalz, 2003, S. 121 (135 f.); Litzenburger, RNotZ 2004, 138 (143); J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, Rz. 609; Wurm/Wagner/Zartmann/Fröhler, Rechtsformularbuch, Kap. 88 Rz. 29.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
mit nicht „alles verloren“1 sein kann. Schließlich entstehen durch die Erfüllung der Vermächtnisse etwa im Grundstücksbereich erhebliche Kosten. Insgesamt erweist sich die umgekehrte Vermächtnislösung als kaum vermittelbar.
D. Letztwillige Verfügungen zugunsten überschuldeter bzw. Arbeitslosengeld II beziehender Abkömmlinge (Bedürftigentestament) I. Ausgangslage 151
Bei überschuldeten Abkömmlingen droht die Gefahr, dass sich die Gläubiger aus dem Erb- oder Pflichtteil des Abkömmlings befriedigen und für diesen und seine Abkömmlinge nichts mehr übrig bleibt. Soll der Abkömmling nicht völlig enterbt oder lediglich mit einem Vermächtnis bedacht, sondern zum Allein- oder Miterben eingesetzt werden, so bietet sich zur Absicherung der Erbschaft gegenüber Gläubigern die Anordnung von Nacherbschaft und von Testamentsvollstreckung an.
152
Entsprechendes gilt für Hartz IV bzw. ALG II nach §§ 7 ff. SGB II beziehende Abkömmlinge,2 hinsichtlich derer insbesondere noch nicht geklärt ist, ob hierauf die ein Vor- und Nacherbenmodell mit Dauertestamentsvollstreckung,3 eine (bspw. mangels Existenz eines Behindertentestaments erfolgende) Erbausschlagung (s. dazu nachfolgend 8. Kap. Rz. 5) oder einen (bspw. zwecks Vorbereitung eines Behindertentestaments vereinbarten) Pflichtteilsverzicht (s. dazu oben 2. Kap. Rz. 186 ff.) des (insbesondere geschäftsfähigen) behinderten Kindes nicht für sittenwidrig erachtende Rechtsprechung des BGH4 übertragbar ist. Dabei kann ein Pflichtteilsverzichtsvertrag trotz eines dann regelmäßig nicht relevanten Familienlastenausgleichs wegen der aber ebenfalls maßgebenden negativen Erbfreiheit des nicht behinderten Erben grundsätzlich je nach Gewichtung und Abwägung aller Einzelfallumstände rechtmäßig sein.5 Selbst dann führt aber möglicherweise auch ein nicht sittenwidriger Pflichtteilsverzicht des Sozialleistungsempfängers als Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zu sozialrechtlichen Nachteilen.6 Im Gegensatz dazu kann jedoch ein erst nach
1 J. Mayer/Bonefeld/Wälzholz/Weidlich, Testamentsvollstreckung, Rz. 609. 2 Würzburger Notarhdb/Limmer, Teil 4 Kap. 1 Rz. 436. 3 Bejahend Würzburger Notarhdb/Limmer, Teil 4 Kap. 1 Rz. 436; a.A. offenbar VG Mannheim in einem nicht veröffentlichten Urteil v. 20.12.2006 mit unbekanntem Az., zitiert bei Würzburger Notarhdb/Limmer, Teil 4 Kap. 1 Rz. 436. 4 BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, BGHZ 188, 96 = MDR 2011, 303 = FamRZ 2011, 472 = DNotZ 2011, 381 = BWNotZ 2011, 158 mit Anm. Kleensang. 5 DNotI, Abruf-Gutachten Nr. 125189 v. 12.7.2013, S. 2; v. Proff, ZErb 2010, 206 (210); Kleensang, BWNotZ 2011, 162 (163). 6 Klühs, ZEV 2011, 15 (18).
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D. Bedrftigentestament
dem Tod des Erblassers zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und den Erben des Erblassers vereinbarter unentgeltlicher Pflichtteilserlassvertrag bezüglich dann erstmals nach § 2317 Abs. 1 BGB konkret entstandener Pflichtteilsansprüche sittenwidrig sein.1
II. Einsatz der Nacherbschaft Das erste Gestaltungsmittel zur Abschirmung der Erbschaft vor den Gläu- 153 bigern ist die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft. Wird z.B. der drogensüchtige Sohn lediglich Vorerbe und werden seine Abkömmlinge oder seine Geschwister zu Nacherben eingesetzt, so wird damit erreicht, dass die der Nacherbenbindung unterliegende Erbschaft gem. § 2115 BGB, §§ 773 ZPO, 83 Abs. 2 InsO zugunsten der Nacherben vor der Verwertung durch die Eigengläubiger des Vorerben geschützt ist. Zwangsverfügungen gegen den Vorerben sind nach diesen Vorschriften relativ insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würden. Etwa im Wege der Einzelzwangsvollstreckung begründete Pfandrechte, die Grundstücksbeschlagnahme durch Anordnung der Zwangsversteigerung und die Beschlagnahmewirkung der Insolvenzeröffnung sind zwar für die Dauer der Vorerbschaft wirksam, jedoch durch den Eintritt des Erbfalls auflösend bedingt. Nach dem Grundsatz der Halbvollstreckung sind Verwertungsakte aufgrund der Vorwirkung der § 773 ZPO, § 83 Abs. 2 InsO schon vor Eintritt des Nacherbfalls unzulässig. Eine Einschränkung gegenüber dem alleinigen Vorerben besteht bei dem 154 der Nacherbfolge unterliegenden Miterben. Hier erfasst das an die Gläubiger des Vorerben gerichtete Verwertungsverbot des § 2115 BGB nur die einzelnen zu der Erbschaft gehörenden Sachen und Rechte, nicht aber den Miterbenanteil selbst. Über ihn könnte der Miterbe verfügen mit der Folge, dass die Gläubiger diesen nach § 859 Abs. 2 ZPO bis zur Auseinandersetzung pfänden können. Die angeordnete Pfändung des Vorerbenanteils erlischt dann aber mit Eintritt des Nacherbfalls, da der Nacherbe nicht Schuldner des Pfändungsgläubigers ist.
III. Einsatz der Testamentsvollstreckung Das weitere den Schutz des Nachlasses komplettierende Gestaltungsmit- 155 tel ist die Anordnung von Testamentsvollstreckung, die mit der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft verbunden werden kann und im praktischen Regelfall auch verbunden werden sollte. Hier verhindert § 2214 BGB den Zugriff der Eigengläubiger des Erben auf die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände. Dies gilt auch in der Insolvenz des Alleinerben. Der Testamentsvollstrecker kann auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen seiner Befugnis1 VGH Mannheim v. 8.6.1993 – 6 S 1068/92, FamRZ 1994, 788 = NJW 1993, 2953 (2954 f.); v. Proff, ZErb 2010, 206 (210).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
se weiter über die Nachlassgegenstände verfügen; diese sind für den Zeitraum der Testamentsvollstreckung dem Zugriff des Insolvenzverwalters entzogen.1 Sie verkörpern bis zu einer Beendigung der Testamentsvollstreckung innerhalb der Insolvenzmasse eine Sondermasse, die ausschließlich dem Zugriff der Nachlassgläubiger und nicht dem der Erbengläubiger unterliegt.2 Es gilt hier, die Befugnisse des Testamentsvollstreckers weitmöglichst auszudehnen, damit dem Erben kein pfändbarer und verwertbarer Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker nach § 2217 Abs. 1 BGB auf Überlassung von Nachlassgegenständen, derer der Testamentsvollstrecker zur Erfüllung der Vollstreckungsobliegenheit nicht bedarf, zusteht. Insbesondere ist die Testamentsvollstreckung auch hinsichtlich der Erträge der Erbschaft anzuordnen. 156
Beim Miterben ist allerdings zu berücksichtigen, dass dessen Eigengläubiger trotz Testamentsvollstreckung den Miterbenanteil zusammen mit dem Anspruch auf Auseinandersetzung pfänden können. Diese Pfändung kann sogar ohne Zustimmung des Testamentsvollstreckers im Grundbuch von Nachlassgrundstücken als Verfügungsbeschränkung eingetragen werden.3 Das mit der Anordnung von Dauervollstreckung zwangsläufig verbundene befristete Erbteilungsverbot wirkt aber auch gegen den Pfändungsgläubiger.4
M 213
berschuldeten- bzw. Bedrftigentestament Nacherbenlçsung
(Form: notarielle Beurkundung) Geschehen zu . . . am . . . Vor dem Notar . . . sind erschienen, durch Lichtbildausweise ausgewiesen und voll geschftsfhig: Eheleute . . . (Geburtsdaten, Adressen). Die Erschienenen erklrten, vor dem Notar einen Erbvertrag errichten zu wollen. Sie sind deutsche Staatsangehçrige und seit . . . im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft miteinander verheiratet. Sie haben den gemeinsamen Sohn . . . und die gemeinsame Tochter . . . Der Sohn . . . ist berschuldet/bezieht ALG II bzw. ist Hartz IV-Empfnger. Einseitige Abkçmmlinge eines Ehegatten sind nicht vorhanden. Nach ihrer Erklrung sind die Erschienenen durch eine frhere bindende Verfgung von Todes wegen an dem heutigen Erbvertrag nicht gehindert.
1 Limmer, ZEV 2004, 137. 2 BGH v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, MDR 2006, 1412 = FamRZ 2006, 1111 = DNotZ 2006, 865 = NJW 2006, 2698; Würzburger Notarhdb/Limmer, Teil 4 Kap. 1 Rz. 427. 3 Staudinger/Reimann, § 2215 BGB Rz. 8. 4 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 15 Rz. 87.
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D. Bedrftigentestament
Sie erklren zur çffentlichen Urkunde folgenden Erbvertrag § 1 Erster Erbfall Der zuerst Versterbende von uns beiden setzt mit erbvertraglicher Bindung hiermit unseren berschuldeten/ALG II beziehenden Sohn zu einem Erbteil von zwei Dritteln seines gesetzlichen Erbteils beim Tod des erstversterbenden Ehegatten und den berlebenden Ehegatten im brigen zu Miterben ein. Der als Miterbe eingesetzte Sohn wird jedoch nur nicht befreiter Vorerbe. Ersatzerbe des Vorerben ist dessen Nacherbe. Nacherbe auf den Tod des Vorerben wird der berlebende von uns beiden. Ersatznacherben werden eventuelle Abkçmmlinge des Vorerben untereinander nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, ersatzweise unsere Tochter, wiederum ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch bertragbar. § 2 Zweiter Erbfall Schlusserben, also Erben des Letztversterbenden von uns beiden, und Erben von uns beiden im Falle unseres gleichzeitigen Versterbens, werden unser berschuldeter/ALG II beziehender Sohn zu einem Erbteil von zwei Dritteln seines gesetzlichen Erbteils beim Tod des zweitversterbenden Ehegatten und unsere Tochter im brigen. Ersatzerben unserer Tochter sind deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Unser vorstehend als Mitschlusserbe eingesetzter Sohn wird auch beim Schlusserbfall nur nicht befreiter Vorerbe. Nacherbe auf seinen Tod werden eventuelle Abkçmmlinge des Vorerben untereinander nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge, ersatzweise unsere Tochter, wiederum ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Ersatzerben unserer Tochter sind deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch bertragbar. § 3 Bindung Die vorstehenden Verfgungen sind, soweit zulssig, erbvertraglich bindend. Weitere erbvertragliche Verfgungen wollen wir heute nicht treffen. Wir bestimmen ausdrcklich, dass unsere vorstehenden Verfgungen auch dann noch Bestand haben sollen, wenn bei unserem Tode nicht bedachte Pflichtteilsberechtigte vorhanden sein sollten. Wir verzichten demgemß auf das Anfechtungsrecht gem. § 2079 BGB. Der berlebende Ehegatte kann auf seinen Tod die Erbteile der Schlusserben ndern und einzelne Schlusserben enterben. § 4 Testamentsvollstreckung Mit Rcksicht darauf, dass unser Sohn berschuldet ist/ALG II bezieht, wird sowohl fr den Erbfall nach dem Erstversterbenden von uns beiden als auch fr den Erbfall nach dem Zweitversterbenden von uns beiden jeweils hinsichtlich seines Erbteils Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung angeordnet.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
Aufgabe des jeweiligen Testamentsvollstreckers ist die Verwaltung der Erbteile unseres Sohnes. Der jeweilige Testamentsvollstrecker hat alle Verwaltungsrechte auszuben, die dem Vorerben zustehen. ber den Erbteil selbst darf der jeweilige Testamentsvollstrecker nicht verfgen. Nach einer etwaigen Teilung des Nachlasses setzt sich die Testamentsvollstreckung an den dem Vorerben zugefallenen Vermçgenswerten fort. Wir mçchten beide, dass unser berschuldeter/ALG II beziehender Sohn auch nach unserem Tod bis zur Pfndungsfreigrenze/Absenkungsgrenze Versorgungsleistungen erhlt, die ihm die Erhaltung der bisherigen Lebensqualitt ermçglichen. Sowohl der Erstversterbende als auch der berlebende von uns beiden trifft deshalb folgende, fr den jeweiligen Testamentsvollstrecker verbindliche Verwaltungsanordnung: Der jeweilige Testamentsvollstrecker hat unserem Sohn die ihm gebhrenden anteiligen jhrlichen Nutzungen des Nachlasses, wie beispielsweise etwaige anteilige Miet- und Pachtzinsen, Nutzungsentschdigungen, Zinsertrge, Dividenden- und Gewinnanteile und etwaige sonstige Gebrauchsvorteile und Frchte von Nachlassgegenstnden, so zuzuwenden, dass seine Lebensqualitt verbessert wird, aber ein Glubiger/der Trger der Sozialleistungen nach den Pfndungsvorschriften/sozialrechtlichen Vorschriften auf sie nicht zugreifen kann und auch eine Befriedigung der Verbindlichkeiten/Anrechnung auf die gewhrten Sozialleistungen ausgeschlossen ist. Fr welche Leistungen die jhrlichen Reinertrgnisse verwendet werden sollen, ob diese also auf smtliche Leistungen gleichmßig oder nach einem bestimmten Schlssel verteilt werden oder ob diese in einem Jahr nur fr eine oder mehrere Leistungen verwendet werden, entscheidet der jeweilige Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen, wobei er allerdings immer auf das Wohl unseres Sohnes bedacht sein muss. Werden die jhrlichen Reinertrgnisse in einem Jahr nicht in voller Hçhe in Form der bezeichneten Leistungen verwendet, kann der Testamentsvollstrecker nach seinem Ermessen Rckstellungen fr besondere Anlsse bilden oder die Ertrge auskehren. Zum Testamentsvollstrecker ber den Erbteil unseres Sohnes beim Erbfall nach dem Erstversterbenden von uns beiden wird der berlebende ernannt. Testamentsvollstrecker fr den Fall, dass der berlebende vor oder nach Annahme des Amtes wegfllt – auch durch eigene Kndigung –, soll unsere Tochter werden. Testamentsvollstrecker ber den Erbteil unseres Sohnes beim Schlusserbfall soll unsere Tochter sein. Hilfsweise soll das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker bestimmen. Das Nachlassgericht setzt auch die Vergtung des Testamentsvollstreckers fest, soweit eine solche verlangt wird.
Zum Geldvermächtnis zur Eindämmung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen s. oben Rz. 110 bzw. M 207. Zur Teilungsanordnung s. oben Rz. 114 bzw. M 208. Zur salvatorischen Klausel s. oben Rz. 131 bzw. M 209. 157
Soweit das überschuldete bzw. Sozialleistungen beziehende Kind nicht bereits auf den Tod des erstversterbenden Elternteils als Mitvorerbe einge604
D. Bedrftigentestament
setzt sein soll, kann, wenn von diesem Kind nicht eine eigene Ausschlagung zu erwarten ist, erwogen werden, den längstlebenden Elternteil zum befreiten Vorerben, alle Kinder zu Nacherben und hinsichtlich des Erbteils des überschuldeten/ALG II beziehenden Kindes weitere Nacherbfolge unter der Maßgabe anzuordnen, dass dieses Kind im Verhältnis zum Nachnacherben nicht befreiter Vorerbe ist, auch insoweit der Dauertestamentsvollstreckung untersteht und die anderen Kinder Nachnacherben sind.1
IV. Spätere Aufhebung der schützenden Regelungen Beim Wegfall der Umstände, die zur Anordnung der Beschränkungen 158 durch Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung geführt haben, ist an die Aufhebung dieser Beschränkungen zu denken. Lebt der Erblasser noch und ist er weiterhin testierfähig und erbvertraglich nicht gebunden, so kann er die Beschränkungen selbst aufheben. Für den Fall, dass der Erblasser nicht mehr selbst die Anpassungen vorneh- 159 men kann, etwa weil er vorverstorben oder testierunfähig ist, kann man daran denken, in der letztwilligen Verfügung das Motiv für die Verfügungsbeschränkungen zu Lasten des überschuldeten Erben anzugeben, um diesem innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schuldenfreiheit die Möglichkeit einer Anfechtung gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht zu geben, §§ 2080 Abs. 1, 2081 Abs. 1, 2078 Abs. 2 BGB. Man kann weiter daran denken, die belastenden testamentarischen Anordnungen auflösend bedingt durch die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung oder durch ein Gutachten über die endgültige Schuldenfreiheit vorzunehmen, muss dabei jedoch bedenken, dass dadurch möglicherweise ein zum Zeitpunkt des Erbfalls pfändbares und bei Bedingungseintritt verwertbares2 bzw. im Insolvenzfall der Nachtragsverteilung unterliegendes3 Anwartschaftsrecht des Vorerben auf Vollerbteilsberechtigung begründet wird.
V. Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht Eine für den Testamentsgestalter schwierig zu handhabende, in ihrem Be- 160 reich aber segensreiche Sondervorschrift ist die Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht nach § 2338 BGB. Nach ihr kann der Erblasser einen Abkömmling im Falle der Verschwendung oder Überschuldung hinsichtlich seines Pflichtteilsrechts durch die Anordnung beschränken, dass nach dem Tode des Abkömmlings dessen gesetzliche Erben das ihm Hinterlassene oder den ihm gebührenden Pflichtteil als Nacherben oder als Nachvermächtnisnehmer erhalten sollen. Durch die Verschwendung oder Überschuldung muss der spätere Erwerb erheblich gefährdet sein. Nach § 2338 1 BeckFormB ErbR/Kleensang, F. II. 3 Anm. 2. 2 Hartmann, ZNotP 2005, 82 (88); BeckFormB ErbR/Kleensang, F. II. 4 Anm. 1; Limmer, ZEV 2004, 133 (140). 3 BGH v. 2.12.2010 – IX ZB 184/09, MDR 2011, 131 = FamRZ 2011, 212 = ZEV 2011, 87 m. Anm. Reul; BeckFormB ErbR/Kleensang, F. II. 4 Anm. 1; J. Mayer, MittBayNot 2012, 18 (22).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2336 Abs. 1 bis 3 erfolgt die Anordnung durch letztwillige Verfügung. Der Grund der Anordnung muss zur Zeit der Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. Der Beweis des Grundes obliegt demjenigen, welcher die Beschränkungen geltend macht. Die Anordnung ist nach § 2338 Abs. 2 Satz 2 unwirksam, wenn sich der Abkömmling zur Zeit des Erbfalls dauernd von dem verschwenderischen Leben abgewendet hat oder die den Grund der Anordnung bildende Überschuldung nicht mehr besteht. Zusätzlich kann der Erblasser unter diesen Voraussetzungen für die Lebenszeit des Abkömmlings Verwaltungstestamentsvollstreckung anordnen; in diesem Fall hat der Abkömmling Anspruch auf den jährlichen Reinertrag. 161
Die Ausnahmevorschrift gegenüber dem gesetzlichen Pflichtteilsrecht, insbesondere gegenüber § 2306 BGB, ist eng auszulegen und nicht analogiefähig.1 Der Testamentsgestalter hat deshalb peinlich genau darauf zu achten, dass die Vorschrift vollständig und ohne teleologische Erweiterungen in die letztwillige Verfügung umgesetzt wird.
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Adressat der wohlmeinenden Regelung kann nur ein Abkömmling sein. Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer können nur die vollständigen gesetzlichen Erben des Abkömmlings sein. Man sollte es deshalb beim Terminus „gesetzliche Erben“ belassen und nicht etwa die Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer namentlich benennen. Anordnungsgründe sind nur die Verschwendung oder die Überschuldung, auf andere Gründe wie Drogensucht oder geistige Behinderung kann die Pflichtteilsbeschränkung nicht gestützt werden. Verschwendung setzt eine Lebensweise mit einem Hang zur zweck- und nutzlosen Vermögensverwendung2 ungeachtet einer etwaigen Notlage3 voraus. Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten des Abkömmlings sein Aktivvermögen übersteigen, wobei dies insbesondere unabhängig von einer etwaigen Notlage, Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenzeröffnung gilt, die ihrerseits weder ausreichend noch notwendig sind.4 Eine erhebliche Gefährdung späteren Erwerbs liegt dann vor, wenn nach objektiven Gesichtspunkten zu erwarten ist, dass der Erwerb wieder verloren geht, weil entweder die Gläubiger des Abkömmlings ihn pfänden und verwerten werden oder weil der Abkömmling ihn selbst vergeuden wird. Weiter muss speziell durch die Verschwendung bzw. Überschuldung eine erhebliche Gefährdung des durch § 2338 BGB geschützten Erb- oder Pflichtteils, nicht aber des sonstigen Vermögens des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings hervorgerufen werden.5 Der Beschränkungsgrund muss in der letztwilligen Verfügung aussagekräftig angegeben werden. Dazu hat sich der Erblasser zwecks Eingrenzung der im Raum 1 J. Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Pflichtteilsrecht, S. 378 ff. mwN. 2 OLG Düsseldorf v. 2.3.2011 – 3 Wx 214/08, RNotZ 2011, 353 (355); BeckOK BGB/ J. Mayer, § 2338 BGB Rz. 2. 3 MünchKomm.BGB/Lange, § 2338 BGB Rz. 7. 4 OLG Düsseldorf v. 2.3.2011 – 3 Wx 214/08, FamRZ 2011, 1824 = RNotZ 2011, 353 (355 f.). 5 OLG Düsseldorf v. 2.3.2011 – 3 Wx 214/08, FamRZ 2011, 1824 = RNotZ 2011, 353 (356).
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D. Bedrftigentestament
stehenden Vorfälle unverwechselbar auf bestimmte konkrete Vorgänge ohne Notwendigkeit der Schilderung von Einzelheiten festzulegen, dabei in der letztwilligen Verfügung den genauen Beschränkungsgrund anzugeben, um so für den Erblasser nicht relevante Gründe auszuschließen, und insbesondere im Rahmen von Verschwendungssucht den jeweiligen Verwendungszweck darzulegen, der zur Bewertung der Ausgaben nach Zweck und Nutzen erforderlich ist.1 Die Angaben näherer Einzelheiten empfehlen sich. Der Beschränkungsgrund muss sowohl bei Errichtung der letztwilligen Verfügung wie auch beim Eintritt des Erbfalls immer noch oder wiederum vorliegen. Hieraus können sich erhebliche Beweisschwierigkeiten ergeben. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung kann sich die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO empfehlen. Ist der Beschränkungsgrund zum Errichtungszeitpunkt nachgewiesen, so muss der davon betroffene Abkömmling zur Außerkraftsetzung der Anordnungen den Beweis erbringen, dass er sich im Zeitpunkt des Erbfalls dauernd von dem verschwenderischen Leben abgewendet hat oder dass eine Überschuldung jetzt nicht mehr besteht.
M 214
Pflichtteilsbeschrnkung in guter Absicht
(Form: Verfgung von Todes wegen) Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es ist anwesend, persçnlich bekannt und unbedenklich voll geschftsfhig: Herr . . . , geb. am . . . , wohnhaft . . . Herr . . . ist verwitwet, erbvertraglich oder durch gemeinschaftliches Testament nicht gebunden und hat die Kinder . . . , . . . und . . . Der Sohn . . . ist suchtkrank und deshalb berschuldet. Der Erschienene erklrt Testament Zu meinen Erben setze ich meine Tçchter . . . und . . . ein, ersatzweise jeweils deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Mein Sohn . . . erhlt ein Geldvermchtnis in Hçhe von einem Drittel meines Nachlasses nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten. Den genauen Betrag setzt der Testamentsvollstrecker fest. Gem. § 2338 BGB beschrnke ich die Rechte des Sohnes . . . , der infolge seiner Drogensucht berschuldet ist und sein Vermçgen und die bisherigen Zuwendungen an ihn verschwendet hat und weiter verschwendet, in guter Absicht dadurch, dass fr das ihm zufallende Vermchtnis auf seinen Tod seine gesetzlichen Erben Nachvermchtnisnehmer nach dem Verhltnis ihrer gesetzlichen Erbteile werden sollen. Weiterhin ordne ich fr das ihm anfallende Ver1 OLG Düsseldorf v. 2.3.2011 – 3 Wx 214/08, FamRZ 2011, 1824 = RNotZ 2011, 353 (356 f.).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
mchtnis auf seine Lebenszeit Verwaltungstestamentsvollstreckung mit der Maßgabe an, dass ihm der Anspruch auf den jhrlichen Reinertrag des Vermchtnisses verbleibt. Sollte der Sohn . . . das Vermchtnis ausschlagen und den Pflichtteil verlangen, so soll dieser Pflichtteil den gleichen Beschrnkungen unterliegen, wie sie vorstehend fr das Vermchtnis angeordnet sind. Zum Verwaltungstestamentsvollstrecker bestimme ich meine Tochter . . . , ersatzweise meine Tochter . . . (Belehrungs- und Schlussvermerke)
E. Testament zur Versorgung von Tieren 163
Tiere sind nicht rechtsfähig, sondern zivilrechtlich nach § 90a BGB Sachen gleichgestellt und können mangels der von § 1922 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Personeneigenschaft nicht Erbe sein. Sie können deshalb weder Erbe werden noch kann ihnen vermächtnisweise der Anspruch auf Versorgung zugewendet werden. Die einzige Möglichkeit zur letztwilligen Regelung der Versorgung von Tieren ist die Auflage des § 1940 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser durch Testament den Erben oder einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden. Problematisch ist, die Vollziehung der Auflage sicherzustellen. Einen Anspruch auf Vollziehung haben nach § 2194 BGB der Erbe, der Miterbe und derjenige, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommen würde. Nur wenn die Vollziehung im öffentlichen Interesse liegt, kann auch die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen. Das beste Mittel zur Sicherung der tatsächlichen Vollziehung der Auflage ist die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, bei der Sicherstellung der Versorgung etwa eines Haustieres regelmäßig eine nicht zu realisierende, weil unverhältnismäßige Vorkehrung.
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Der praktische Weg zur Versorgung eines Haustieres bleibt die Zuwendung von Geldbeträgen an ein Tierheim mit der Auflage, das Geld für das Haustier zu verwenden. Die Erfüllung der Auflage kann zur auflösenden Bedingung für das Geldvermächtnis gemacht werden. Empfehlenswert ist dies jedoch regelmäßig nicht, da niemand den Bedingungseintritt überwachen wird und das mit der Bedingung zum Ausdruck gebrachte Misstrauen auch psychologisch ungeschickt ist. Es bleibt beim Ergebnis, dass sich der häufige und berechtigte Wunsch alleinstehender Erblasser nach der Versorgung ihres Haustieres erbrechtlich nur unvollkommen erfüllen lässt.1
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Tierpflegekosten sind dabei nur dann erbschaftsteuerliche Abzugsposten iSd. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, wenn die diesbezügliche Auflage eine ent1 Vgl. auch Klebs, BWNotZ 1996, 3.
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F. Die letztwillige Stiftung
sprechende rechtliche und nicht lediglich moralische Verpflichtung enthält1 oder gar nur eine Erwartung des Erblassers besteht.2 Im Falle einer rechtlich verpflichtenden Auflage existiert trotz Verwirklichung desselben Lebenssachverhalts neben dem Erwerb von Todes wegen aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Gestalt der Zweckzuwendung ein selbständiger weiterer steuerbarer Vorgang in Höhe der entreichernden Auflage nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 iVm. § 8 ErbStG.3 Daher ist zur Vermeidung einer eventuellen steuerlich nachteiligen Überkompensation der Vorteile aus der Abzugsfähigkeit dieser eine Nachlassverbindlichkeit verkörpernden Auflage durch die Steuerlast der Zweckzuwendung im Einzelfall genau abzuwägen, ob nicht ausnahmsweise auf eine rechtlich verpflichtende Auflage verzichtet wird.4
M 215
Testament fr Haustiere
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Erben setze ich die Stadt . . . ein. Sie erhlt die Auflage, das Geld fr den stdtischen Zoo zu verwenden und meinen Papagei . . . in den Zoo aufzunehmen und lebenslang zu versorgen. Zum Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe, meinen Nachlass zu regeln und die Erfllung der Auflagen zu berwachen, bestimme ich Frau . . . Sie erhlt hierfr eine einmalige Vergtung von . . . Euro.
F. Die letztwillige Stiftung I. Die Fallgruppe Die letztwillige Stiftung ist fast immer eine Notlösung. Ist der Stifter wil- 166 lens, sein Vermögen oder Teile desselben in Form einer Stiftung zweckgebunden zu perpetuieren, so kann ihm nur das lebzeitige Stiftungsgeschäft empfohlen werden, durch das die Stiftung noch zu seinen Lebzeiten in Gang gesetzt wird. Will sich der Stifter noch nicht zu sehr entäußern, kann er eine Stufengründung in der Weise vornehmen, dass er die Stiftung mit einem Mindestkapital zu Lebzeiten gründet und die dann schon bestehende Stiftung zur Alleinerbin einsetzt oder mit einem Vermächtnis bedenkt.
1 BFH v. 29.6.2009 – II B 149/08, ZEV 2010, 107 unter zusätzlichem Hinweis auf das Fehlen einer diesbezüglichen staatlichen Steuererstattungspflicht aufgrund Tierschutzes aus Art. 20a GG; FG München v. 3.9.2003 – 4 K 5029/01, BeckRS 2003, 26015207. 2 FG München v. 3.9.2003 – 4 K 5029/01, BeckRS 2003, 26015207. 3 BFH v. 16.1.2002 – II R 82/99, NJW 2002, 3047. 4 Götz, ZEV 2012, 649 f. – berichtigt in ZEV 2013, 29 – am Bsp. nicht selbst genutzter Reitpferde.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
167
Die Fallgruppenbildung bei der letztwilligen Stiftung geht von dem in der Praxis immer wieder vorkommenden Fall aus, dass ein unentschlossener Erblasser ohne Abkömmlinge oder sonst ihm besonders nahe stehende Personen sich angesichts des nahen Todes endlich entscheiden muss, sich aber immer noch nicht für eine bestimmte gemeinnützige Organisation als Erben entscheiden kann. Ihm kann man das Stiftungsgeschäft von Todes wegen empfehlen, bei dem er den Zweck der Stiftung festzulegen hat, nicht aber den Destinatär. Entsprechend ist die Ausgangslage, wenn der Erblasser aus persönlichen Gründen nicht als Stifter in Erscheinung treten will und bis zu seinem Tod im uneingeschränkten Genuss seines Vermögens verbleiben will, aber auf seinen Tod eine Stiftung in Gang gesetzt werden soll.
II. Grundlagen und Struktur der Stiftung 168
Vereine haben Mitglieder, Gesellschaften haben Gesellschafter. Diese Anteilseigner bestimmen über Mitglieder- und Gesellschafterversammlungen die Geschicke des Verbandes und haben Satzungsautonomie. Je nach Rechtsform ist diese Bestimmungsbefugnis überwiegend unmittelbar wie etwa bei der GmbH oder überwiegend mittelbar wie etwa bei der AG, jedenfalls aber die Grundlage und Quelle von Grundsatzentscheidungen. Ganz anders ist dies bei der Stiftung. Die rechtsfähige Stiftung ist eine mitgliederlose Organisation, die den Stiftungszweck mit Hilfe des Stiftungsvermögens durch ihre Organe verfolgt. Anteilseigner gibt es nicht. Als verselbständigte Vermögensmasse gehört die Stiftung sich selbst. Richtlinie ihres Tuns ist der vom Stifter vorgegebene Stiftungszweck. Er wird mit dem Stiftungsvermögen verwirklicht. Dies zu sichern ist Aufgabe der Stiftungsorganisation.
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Die Anschauung der Stiftung ist traditionell vom Begriff des Wohltätigen bestimmt, davon, dass ein hochherziger Stifter über seine Lebensspanne hinaus die Förderung eines ihm wichtigen Zweckes perpetuiert. Neben der Zweckförderung liegt sein Lohn in dem Gedenken an seine Person, weshalb viele Stiftungen den Namen ihres Stifters tragen. Gerade starke und erfolgreiche Persönlichkeiten finden Gefallen an der Perpetuierung ihres Willens über das Grab hinaus. Die Achtung vor dem Stifterwillen ist deshalb oberste Richtschnur bei der Handhabung der Stiftung.
III. Modernisierung des Stiftungsrechts 170
Das Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts vom 15.7.20021 hat nach allgemeiner Ansicht keine Reform des Stiftungsrechts, wohl aber eine zweckmäßige Neuregelung mit sich gebracht.2 Es regelt bundeseinheitlich und abschließend die materiell-rechtlichen Voraussetzungen, unter denen 1 BGBl. I, S. 2634. 2 Vgl. Schwarz, DStR 2002, 1718; Andrick/Suerbaum, NJW 2002, 2905.
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F. Die letztwillige Stiftung
eine Stiftung Rechtsfähigkeit erlangt, den Rechtsanspruch des Stifters auf Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Stiftung sowie die Möglichkeit der Stiftungserrichtung zu jedem das Gemeinwohl nicht gefährdenden Zweck. Dem Landesrecht1 vorbehalten bleiben die Regelung insbesondere des formalen Anerkennungsverfahrens und der Stiftungsaufsicht. Ein wichtiger Ertrag der Reform ist, dass jetzt unstreitig neben der gemeinnützigen Stiftung die privatnützige Stiftung zulässig ist. Neu gefasst wurden durch das Modernisierungsgesetz insbesondere die 171 §§ 80 und 81 BGB. Nach § 80 BGB entsteht die rechtsfähige Stiftung durch das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. Ein Anspruch auf Anerkennung besteht, wenn das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 BGB genügt, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet. Nach § 81 Abs. 1 BGB bedarf das Stiftungsgeschäft unter Lebenden der Schriftform und muss die verbindliche Erklärung des Stifters enthalten, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zweckes zu widmen. Durch das Stiftungsgeschäft muss die Stiftung eine Satzung erhalten mit Regelungen über den Namen, den Sitz, den Zweck, das Vermögen und die Bildung des Vorstandes der Stiftung.
IV. Das Stiftungsgeschäft von Todes wegen Das Stiftungsgeschäft kann auch in einer Verfügung von Todes wegen, al- 172 so einem Erbvertrag oder Testament, enthalten sein, § 83 BGB. Dann hat das Nachlassgericht die behördliche Anerkennung einzuholen, sofern sie nicht von dem Erben oder Testamentsvollstrecker nachgesucht wird. Die zu errichtende Stiftung kann als Erbin, Miterbin, Nacherbin,2 Vermächtnisnehmerin oder Auflagenbegünstigte eingesetzt werden. Zur Betreibung des Anerkennungsverfahrens und zur vermögensmäßigen und personellen Konstituierung der Stiftung ist Testamentsvollstreckung möglich und regelmäßig unerlässlich.3 Der Erblasser hat in der Verfügung von Todes wegen das Stiftungsgeschäft selbst und vollständig vorzunehmen. Dazu gehört auch die Erklärung einer anerkennungsfähigen Stiftungssatzung. Die Formulierung der Satzung kann der Erblasser nicht völlig dem Testamentsvollstrecker überlassen. Wohl aber kann er den Testamentsvollstrecker ermächtigen, etwaige Mängel des Stiftungsgeschäfts und der Stiftungssatzung durch Änderungen oder Ergänzungen zu beheben. Hilfreich ist auch die durch das Reformgesetz in § 83 Satz 2 BGB eingefügte Befugnis der Stiftungsbehörde, Mängel in den Erfordernissen des § 81 Abs. 1 Satz 3 BGB durch Ergänzung der Satzung zu beheben oder der Stiftung vor Anerkennung eine Satzung zu geben. 1 Fundquellen bei Palandt/Ellenberger, vor § 80 BGB Rz. 13. 2 Die Einsetzung als Vorerbin ist wegen der hierin liegenden zeitlichen Begrenzung des Vermögenserwerbs nicht möglich. 3 Schmidt, ZEV 2000, 438.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
173
Soll das gesamte oder wesentliche Vermögen des Stifters auf die Stiftung übergehen, so steht deren Einsetzung zur Alleinerbin nicht entgegen, dass die Stiftung beim Erbfall noch nicht existiert. Hier hilft die Fiktion des § 84 BGB,1 wonach die noch zu gründende Stiftung bereits als vor dem Erbfall entstanden und damit als erbfähig gilt. Soweit diese nach deren Heimatrecht – wie bspw. gemäß Art. 81 ZGB (Schweiz) eine schweizerische Stiftung – rechtsfähig ist, kommt sogar eine ausländische Stiftung als Erbe in Betracht.2
V. Die Stiftungssatzung 1. Satzungsgestaltung 174
Im Gegensatz zur Vereinssatzung und zu den Satzungen von Gesellschaften sind bei der mitgliederlosen Stiftung korporative Bestimmungen weder erforderlich noch möglich. Als Mindestinhalt muss die Stiftungssatzung nach § 81 BGB den Namen, den Sitz, den Zweck, das Vermögen und die Bildung des Vorstandes der Stiftung bestimmen. Fakultative Bestimmungen über Zahl, Berufung, Amtsdauer und Abberufung der Mitglieder der Stiftungsorgane, Geschäftsbereich und Vertretungsberechtigung der Stiftungsorgane, Einberufung, Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung der Stiftungsorgane, Satzungsänderungen, etwaige Rechte der durch die Stiftung Begünstigten, Aufhebung und Vermögensanfall empfehlen sich aus vertragsgestalterischen Grundsätzen. Auch das Steuerrecht wirkt sich auf die Satzungsgestaltung aus. Die Stiftungssatzung muss von der Genehmigungsbehörde als anerkennungsfähig und bei angestrebter steuerlicher Gemeinnützigkeit von der Finanzbehörde als den steuerlichen Vorschriften entsprechend angesehen werden. 2. Der Name der Stiftung
175
Der Stifter kann den Namen der Stiftung grundsätzlich frei bestimmen. Regelmäßig wird der Name des Stifters oder der Zweck der Stiftung oder eine Kombination beider gewählt. Der Zusatz „Stiftung“ ist nicht vorgeschrieben, aber üblich und zweckmäßig. 3. Der Sitz der Stiftung
176
Nach dem Sitz bestimmt sich die zuständige Anerkennungsbehörde, § 80 Abs. 1 BGB. Regelmäßig, aber nicht notwendig, ist der Sitz der Ort der Verwaltung, vgl. § 83 Satz 3 BGB. Bei der Stiftung von Todes wegen gilt im Zweifel der letzte Wohnsitz des Stifters im Inland als Sitz, § 83 Satz 4 BGB.
1 Sog. „Städel-Paragraph“, benannt nach dem Frankfurter Mäzen Johann Friedrich Städel, 1728–1816. 2 OLG München v. 8.4.2009 – 31 Wx 121/08, FGPrax 2009, 171 (172 f.).
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F. Die letztwillige Stiftung
4. Der Stiftungszweck Der Stiftungszweck konstituiert mangels Mitgliedern die Stiftung, er ist 177 ihr oberstes und grundsätzlich unabänderliches Prinzip. Gesetzliches Leitbild ist die gemeinwohlkonforme Allzweckstiftung. Die Gemeinwohlförderung ist nicht geboten, wohl aber ist die Gemeinwohlgefährdung verboten, §§ 80 Abs. 2, 87 BGB. Da es keine satzungsautonomen Mitglieder gibt, ist der vom Stifter festgelegte Zweck späterer Disposition grundsätzlich entzogen. Bei der Satzungsgestaltung ist damit besonderer Wert auf präzise, aber zukunftssichere Formulierung des Zwecks zu legen. Spätere Zweckerklärungen sind nur unter den engen Voraussetzungen der Satzungsänderung möglich. Der BGH1 hat für den Stiftungszweck zutreffend vorgegeben, dass seine Bestimmung den Stiftungsorganen einen eindeutig und klar abgegrenzten Auftrag geben soll, um Rechtsunsicherheit, Willkür der Stiftungsverwaltung und ein Verzetteln der Stiftungsleistungen zu verhüten. 5. Das Stiftungsvermögen Das Vermögen, das der Stiftung zugewendet wird, um aus seinen Erträgen 178 den Stiftungszweck zu erfüllen, bildet die Grundlage der Stiftung. Es hat in angemessener Relation zum Stiftungszweck zu stehen. Das Zuwendungsversprechen ist ein Rechtsgeschäft eigener Art, dem auf der Rechtsfolgenseite das Schenkungsrecht zuzuordnen ist. Dies gilt insbesondere für drittschützende Vorschriften wie die Anfechtungsrechte des Vertragserben nach §§ 2287 ff. BGB, Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB und Gläubigeranfechtungsrechte nach §§ 1 ff. AnfG, §§ 129 ff. InsO. Nach den Stiftungsgesetzen der Länder werden Stiftungen in der Regel 179 nur dann genehmigt, wenn die Verwirklichung des Stiftungszweckes als aus den Erträgen des Stiftungsvermögens gesichert erscheint. Dabei bildet das Mindeststammkapital einer GmbH, also 25 000 Euro, eine selten ausreichende Untergrenze.2 Die Grenze, unterhalb derer allenfalls eine unselbständige Stiftung zweckmäßig ist, dürfte eher bei 250 000 Euro liegen.3 Die Satzung sollte die Möglichkeit der Annahme von Zustiftungen ausdrücklich vorsehen, um Dritte hierzu zu ermutigen und ihnen die mit der Zustiftung verbundenen Steuervorteile zu sichern. Grundsatz des Stiftungsrechts ist, dass das Stiftungsvermögen in seinem 180 Bestand ungeschmälert zu erhalten ist. Die Erträge des Stiftungsvermögens sind grundsätzlich laufend für den Stiftungszweck zu verwenden, sie dürfen nicht zur Aufstockung des Stiftungsvermögens verwendet werden. Andererseits wurde die steuerwirksame Rücklagenbildung ab 1.1.2000 von einem Viertel auf ein Drittel erhöht.4 Angesichts dessen dürfte es zulässig 1 2 3 4
BGH v. 3.3.1977 – III ZR 10/74, BGHZ 68, 142 = MDR 1977, 650 = NJW 1977, 1148. Vgl. den Überblick bei Damrau/Wehringer, ZEV 1998, 178. So richtig Wachter, Stiftungen, 2001, Rz. B 55. § 58 Nr. 7 Buchst. a Halbs. 1 AO idF des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen v. 14.7.2000, BGBl. I, S. 1034.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
sein, der Stiftung in der Satzung die Aufstockung ihres Vermögens in Höhe der steuerlich zulässigen Rücklagenbildung zu gestatten. 6. Der Stiftungsvorstand 181
Nach §§ 86, 26 BGB hat die Stiftung einen aus einer oder mehreren Personen bestehenden Vorstand, der sie organschaftlich vertritt. Die Bestellung erfolgt durch den Stifter, soweit sie ihm vorbehalten wurde, sonst insbesondere durch den Beirat oder im Wege der Kooptation, nach den Landesgesetzen in Konfliktfällen durch die Stiftungsbehörde, letztlich in dringenden Fällen durch das Amtsgericht, das nach §§ 86, 29 BGB einen Notvorstand bestellen kann. Bei mehreren Vorständen kann die Satzung zur Vermeidung der Gesamtvertretung durch alle Vorstandsmitglieder gemeinsam Einzelvertretungsbefugnis oder Vertretung durch je zwei Vorstandsmitglieder vorsehen. Die Satzung sollte bestimmen, ob die Vorstände ehrenamtlich oder gegen Vergütung tätig werden und wer die Höhe einer etwaigen Vergütung bestimmt. 7. Kontrollorgane
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Praxishäufig sind von der Stiftungssatzung angeordnete Beratungs- und Kontrollorgane, die als Kuratorium, Stiftungsrat, Aufsichtsrat, Beirat u.ä. bezeichnet werden. Einem solchen Gremium kann z.B. die Bestellung des Vorstandes, die Regelung seiner Vergütung und seine Überwachung übertragen werden. Die Bestellung der Mitglieder kann im Wege der Kooptation oder durch Dritte wie den Präsidenten des OLG oder den Oberbürgermeister der Stadt des Sitzes erfolgen.
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Bei ehrenamtlich tätigen Organen kann und sollte die Satzung deren Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzen. 8. Die Destinatäre
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Der Stiftungszweck ergibt, wem die Erträge der Stiftung zugute kommen. Die Satzung kann die Destinatäre ausdrücklich bestimmen, z.B. die Familienmitglieder bei der Familienstiftung. Sie kann, wovon in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht wird, den Destinatären Ansprüche auf Stiftungsleistungen oder Mitwirkungs-, Verwaltungs- und Informationsrechte einräumen. 9. Satzungsänderungen
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Da die Stiftung keine satzungsautonomen Mitglieder hat, sind Satzungsänderungen wie bei den Verbänden nicht möglich. Damit steht die Satzung grundsätzlich zu niemandes Disposition. Ihre Änderung von außen, etwa durch den Vorstand oder die Aufsichtsbehörde, muss sich auf existentielle Störfälle beschränken und vom wirklichen oder mutmaßlichen
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F. Die letztwillige Stiftung
Willen des Stifters gedeckt sein.1 Dies gilt insbesondere für den Stiftungszweck. Die Änderung des Stiftungszweckes durch Stiftungsorgane ist nur zulässig wenn dies in der Satzung vorgesehen ist. Die Befugnis zur Satzungsänderung sollte in der Satzung dem Kuratorium mit der Maßgabe erteilt werden, dass die Änderung zur Anpassung an veränderte Verhältnisse geboten ist. 10. Anerkennung der Stiftung, Stiftungsaufsicht Die Stiftung entsteht nach § 80 BGB mit der Anerkennung durch die nach 186 Landesrecht zuständige Genehmigungsbehörde.2 Vor Anerkennung ist die Stiftung nicht existent, eine Vor-Stiftung gibt es nicht. Auch nach der Betonung eines Rechts auf Anerkennung bleiben Probleme der Definition des Stiftungszwecks und der angemessenen Vermögensausstattung der Stiftung, die in der Praxis im Verhandlungsweg mit der Anerkennungsbehörde und dem Finanzamt für Körperschaften abgeklärt werden, bevor der Anerkennungsantrag gestellt wird. Bei privaten Stiftungen sehen die Länder zunehmend von einer Stiftungs- 187 aufsicht ab.3 Auch teilweise bestehende Genehmigungs- oder Anzeigepflichten für grundlegende Rechtsgeschäfte der Stiftung werden abgebaut. Die Satzung hat durch Besetzung und Aufgabenverteilung von Vorstand und Kuratorium das Funktionieren der Stiftung zu sichern.
M 216
Errichtung einer Stiftung durch Stiftungsgeschft von Todes wegen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Beurkundet am . . . in . . . vor dem Notar . . . Es ist anwesend, persçnlich bekannt und voll geschftsfhig: Herr . . . , geb. am . . . in . . . , wohnhaft . . . und erklrt Testament I.
Zu meiner Alleinerbin setze ich die durch das folgende Grndungsgeschft und die Anerkennung nach meinem Tod entstehende . . . Stiftung in . . . ein.
II. Ich errichte hiermit durch Grndungsgeschft von Todes wegen die . . . Stiftung unter diesem Namen. Dem von dieser zu verfolgenden Zweck widme ich mein gesamtes bei meinem Tod nach Abzug der Verbindlichkei1 Vgl. BGH v. 26.4.1976 – III ZR 21/74, BGHZ 76, 293 = MDR 1976, 1001 = WM 1976, 869 = JZ 1976, 714 = LM Nr. 2 zu § 96 BGB. 2 Vgl. die Aufstellung bei Palandt/Ellenberger, vor § 80 BGB Rz. 13. 3 Vgl. z.B. § 13 Abs. 2 Stiftungsgesetz BW.
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ten vorhandenes Vermçgen, derzeit im Wert von etwa einer Million Euro. Sitz der Stiftung ist . . . Zweck der Stiftung ist die Fçrderung der Jugendhilfe, der Altenhilfe und des Wohlfahrtswesens. Die Stiftung hat einen Vorstand und einen Beirat. Die Einzelheiten regelt die Satzung, die eine verlesene Anlage der heutigen Urkunde bildet. III. Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich Herrn Wirtschaftsprfer und Steuerberater . . . , ersatzweise seinen Sozius . . . Ersatzweise soll das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker bestimmen. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, die Stiftung zur Entstehung zu bringen, ihr das Stiftungsvermçgen nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten zu bertragen und den ersten Vorstand sowie den ersten Beirat zu bestimmen. Der Testamentsvollstrecker ist befugt, etwaige Mngel des Stiftungsgeschfts und der Stiftungssatzung zu beheben. (Schlussvermerke) Anlage Satzung der . . . Stiftung § 1 Name, Sitz, Rechtsform (1) Die Stiftung fhrt den Namen . . . Stiftung. (2) Die Stiftung ist eine rechtsfhige Stiftung brgerlichen Rechts. (3) Sitz der Stiftung ist . . . § 2 Stiftungszweck (1) Die Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinntzige Zwecke im Sinne der steuerlichen Vorschriften, derzeit §§ 51 ff. AO. (2) Zweck der Stiftung ist die Fçrderung der Jugendhilfe, der Altenhilfe und des Wohlfahrtswesens. (3) Dieser Zweck wird verfolgt durch die Fçrderung der entsprechenden Einrichtungen der Gemeinde . . . und sonstiger Trger. (4) Auf Leistungen der Stiftung besteht kein Anspruch. § 3 Stiftungsvermçgen (1) Stiftungsvermçgen ist der Nachlass . . . Die Stiftung hat dieses Vermçgen zu erhalten. (2) Zustiftungen sind mçglich. § 4 Stiftungsmittel (1) Die Stiftung erfllt ihre Aufgaben aus den Ertrgen des Stiftungsvermçgens. (2) Smtliche Mittel drfen nur fr die satzungsmßigen Zwecke verwendet werden.
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F. Die letztwillige Stiftung
§ 5 Stiftungsorgane (1) Organe der Stiftung sind der Stiftungsvorstand und das Kuratorium. (2) Die Ttigkeit in den Stiftungsorganen ist ehrenamtlich. Nachgewiesene Auslagen werden in angemessenem Umfang ersetzt. (3) Die Mitglieder der Stiftungsorgane haften nur fr Vorsatz und grobe Fahrlssigkeit. § 6 Stiftungsvorstand (1) Die Stiftung wird von einem Vorstand verwaltet, der aus einer Person besteht. (2) Die Bestellung des ersten Vorstandes erfolgt durch den Testamentsvollstrecker. (3) Die Amtszeit des Vorstands betrgt fnf Jahre. (4) Der Vorstand wird vom Kuratorium bestellt und abberufen. § 7 Aufgaben des Vorstands (1) Der Vorstand fhrt die Geschfte der Stiftung. (2) Der Vorstand hat insbesondere das Stiftungsvermçgen zu verwalten und innerhalb 3 Monaten nach Ende des Rechnungsjahrs einen Rechnungsabschluss fr das vergangene Rechnungsjahr, einen Ttigkeitsbericht und einen Ttigkeitsplan aufzustellen und dem Kuratorium zuzuleiten. (3) ber grundlegende Entscheidungen und wichtige Maßnahmen hat der Vorstand das Kuratorium im Voraus zu unterrichten. Das Kuratorium kann einen Katalog von Maßnahmen aufstellen, zu deren Vornahme der Vorstand der vorherigen Zustimmung des Kuratoriums bedarf. § 8 Vertretung der Stiftung Die Stiftung wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. § 9 Kuratorium (1) Neben dem Stiftungsvorstand besteht ein Kuratorium. Es besteht aus drei Personen, die jeweils auf die Dauer von fnf Jahren bestellt werden. Wiederbestellung ist mçglich. (2) Die ersten Mitglieder des Kuratoriums bestellt der Testamentsvollstrecker. (3) Nach der Erstbestellung ergnzt sich das Kuratorium selbst durch Zuwahl. Das Kuratorium kann bis zu zwei Ersatzmitglieder fr jeweils drei Jahre whlen. Diese sind zur Teilnahme an Kuratoriumssitzungen ohne eigenes Stimmrecht befugt und rcken fr die verbleibende Amtszeit nach, wenn ein Kuratoriumsmitglied vor deren Ablauf ausscheidet. Sind zwei Ersatzmitglieder vorhanden, so rcken sie in der Reihenfolge ihrer Wahl nach. (4) Das Kuratorium kann Mitglieder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen. Die Abberufung und Neubestellung bedarf der einfachen Mehrheit aller verbliebenen Kuratoriumsmitglieder.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
(5) Die Mitglieder des Kuratoriums drfen nicht Mitglieder des Stiftungsvorstands sein. § 10 Aufgaben des Kuratoriums (1) Das Kuratorium berwacht die Ttigkeit des Vorstands. Es tritt mindestens einmal im Jahr zusammen. (2) Jedes Mitglied des Kuratoriums hat ein umfassendes Recht auf Auskunft und Prfung. (3) Der Plan ber die Verwendung der Ertrge der Stiftung bedarf der Zustimmung des Kuratoriums. (4) Das Kuratorium beschließt mit einfacher Mehrheit. Es ist beschlussfhig, wenn mehr als die Hlfte der Mitglieder selbst oder durch Bevollmchtigte an einer Beschlussfassung teilnimmt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Abwesende Kuratoriumsmitglieder kçnnen anwesende Mitglieder oder Ersatzmitglieder durch schriftlich nachzuweisende Vollmacht zur Ausbung des Stimmrechts bevollmchtigen. Jedes Kuratoriumsmitglied und jedes Ersatzmitglied drfen jedoch nur eine Stimme als Bevollmchtigter abgeben. Das Kuratorium gibt sich eine Geschftsordnung. § 11 nderung der Satzung (1) Satzungsnderungen sind zulssig, soweit sie zur Anpassung an vernderte Verhltnisse geboten erscheinen. Soweit sie sich auf die Steuerbegnstigung der Stiftung auswirken kçnnen, sind sie der zustndigen Finanzbehçrde zur Stellungnahme vorzulegen. (2) nderungen des Stiftungszwecks sind nur zulssig, wenn seine Erfllung unmçglich wird oder sich die Verhltnisse derart ndern, dass sie in der satzungsgemßen Form nicht mehr sinnvoll erscheint. (3) Satzungsnderungen werden vom Kuratorium einstimmig beschlossen. Der Vorstand ist anzuhçren. § 12 Aufhebung, Auflçsung Bei Aufhebung oder Auflçsung dieser Stiftung fllt das Restvermçgen an die Stadt A-Stadt. Diese hat es unter Beachtung des Stiftungszwecks unmittelbar und ausschließlich fr steuerbegnstigte Zwecke zu verwenden.
G. Das Testament des Apothekeninhabers I. Problemstellung 188
Gehört eine Apotheke zum Nachlass eines Erblassers, unterliegt ihre Verwertbarkeit verschiedenen schwerwiegenden apothekenrechtlichen Beschränkungen, die bei der Gestaltung von letztwilligen Verfügungen zu berücksichtigen sind. Dies gilt insbesondere für die Erteilung einer Be618
G. Das Testament des Apothekeninhabers
triebserlaubnis und die Zulässigkeit einer Verpachtung durch einen am Eigenbetrieb gehinderten Inhaber einer Apotheke. Insoweit kann es auch in letztwilligen Verfügungen eines verheirateten Apothekers mit Kindern erforderlich sein, eine im Grundsatz vollumfänglich gewünschte Verfügungsfreiheit der Erben einzuschränken. Dabei sind insbesondere die diesbezüglichen gesetzlichen Rahmenvorgaben und eine Skizzierung möglicher letztwilliger Gestaltungsansätze unter besonderer Berücksichtigung des Interessenausgleichs zwischen Verfügungsfreiheit und Schutz der Erben praxisrelevant. Im Vordergrund steht dabei die Ermöglichung der Verpachtung einer im Nachlass des Erblassers befindlichen Apotheke bis zur Klärung deren eventueller Übernahme durch einen Erben, der beim Erbfall seine Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen hat.
II. Normative Vorgaben nach dem Apothekengesetz 1. Erfordernis einer Betriebserlaubnis Der Betrieb einer Apotheke setzt gem. § 1 Abs. 2 ApoG1 eine entsprechen- 189 de behördliche Erlaubnis voraus. Sie kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ApoG ausschließlich einem nach deutschem Recht approbierten Apotheker erteilt werden. Die weiteren Erlaubnisvoraussetzungen ergeben sich aus den übrigen Regelungen des § 2 ApoG. Hierzu gehört insbesondere die gesundheitliche Eignung des Apothekers zur Leitung einer Apotheke. Nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 5 ApoG darf ein Apotheker höchstens eine (von ihm persönlich zu leitende) Hauptapotheke und (jeweils über einen anderen verantwortlichen Apotheker) drei Filialapotheken betreiben. Eine apothekenrechtliche Betriebserlaubnis hat zudem nach § 1 Abs. 3 ApoG höchstpersönlichen Charakter und ist auf die in der Erlaubnisurkunde benannten Räume beschränkt. 2. Nichtvererblichkeit der Betriebserlaubnis Aus dem vorstehend beschriebenen Höchstpersönlichkeitsgrundsatz folgt 190 zugleich die Nichtvererblichkeit der Apothekenbetriebserlaubnis, die gem. § 3 Nr. 1 ApoG mit dem Tod des Erlaubnisinhabers erlischt, während der Gewerbe- und Handelsbetrieb der Apotheke gleichwohl vererbt werden kann. Ein Erbe des bisherigen Betriebserlaubnisinhabers bedarf vielmehr seinerseits einer eigenen Betriebserlaubnis, um die geerbte Apotheke leiten zu dürfen. Hierzu muss er die diesbezüglichen Voraussetzungen selbst in seiner Person erfüllen. Ist dies der Fall, kann er die Apotheke unabhängig davon betreiben, ob er sie als Erbe, Vermächtnisnehmer oder durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat2. 1 Gesetz über das Apothekenwesen in Deutschland, neu gefasst durch Bek. v. 15.10.1980, BGBl. 1980 I, S. 1993; zuletzt geändert durch Artikel 1 Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I, S. 2420. 2 Eine diesbezügliche Differenzierung ist ausschließlich für die strengen Voraussetzungen einer Verpachtungsberechtigung eines am Eigenbetrieb gehinderten Inhabers relevant.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
3. Apothekenverwaltung nach dem Tod des Erlaubnisinhabers 191
Solange der Erbe (noch) keine Betriebserlaubnis besitzt, eröffnet ihm § 13 Abs. 1 ApoG die Möglichkeit, die Apotheke für höchstens zwölf Monate durch einen approbierten Apotheker in seinem (des Erben) Namen verwalten zu lassen. Dieses Verwaltungsrecht ist ausdrücklich nur Erben eröffnet. Ein Vermächtnisnehmer hat dieses Privileg somit nicht. 4. Apothekenverpachtung nach dem Tod des Erlaubnisinhabers a) Allgemeines
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Kommt eine derartige vorübergehende Verwaltung nicht in Betracht oder wurde dem Erben auch nach Ablauf einer übergangsweisen Verwaltung keine Betriebserlaubnis erteilt und soll die Apotheke gleichwohl wirtschaftlich genutzt werden, bleibt regelmäßig – zumal ein Verkauf zumindest dann, wenn ein erbendes Kind die spätere Approbation als Apotheker anstrebt, häufig aus wirtschaftlichen Gründen zumeist nicht gewünscht sein wird1 – ausschließlich deren Verpachtung. Das gesetzliche Leitbild geht hingegen vom Prinzip des „Apothekers in seiner Apotheke“2 aus und verbietet daher grundsätzlich eine Verpachtung mit der Folge der Nichtigkeit entsprechender Rechtsgeschäfte nach § 12 ApoG.
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Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 3 ApoG kann eine Apothekenverpachtung jedoch ausnahmsweise durch einen aus besonderen persönlichen Gründen am Weiterbetreiben der Apotheke gehinderten (anderen) Erlaubnisinhaber, die erbberechtigten Kinder und/oder den erbberechtigen Ehegatten bzw. Lebensgefährten des verstorbenen Apothekers zulässig sein. In diesen Fällen gebietet der durch das verfassungsrechtlich in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip gesicherte Versorgungscharakter einer Apothekenverpachtung zugunsten dieser betroffenen Personen eine Durchbrechung des grundsätzlichen Verpachtungsverbotes.3 Der Pächter bedarf nach § 9 Abs. 2 Satz 1 ApoG seinerseits einer Betriebserlaubnis iSd. § 1 ApoG. Stirbt der Verpächter vor Ablauf der vereinbarten Pachtzeit, ohne dass der Erbe verpachtungsberechtigt ist, kann das Pachtverhältnis nach § 9 Abs. 1a ApoG zugunsten des Pächters zur Vermeidung unbilliger Härten aus der Nichtigkeitsfolge des § 12 ApoG zwischen dem Pächter und dem Erben für die Dauer von höchstens zwölf Monaten fortgesetzt werden.
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Ein bloßer Gesellschaftsanteil an einer Apotheke iSd. § 8 Satz 1 ApoG ist hingegen nicht verpachtbar.4 Umgekehrt begründet aber regelmäßig das Vorliegen eines wichtigen Grundes in der Person bereits eines Gesell1 2 3 4
Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 50. BVerfG v. 13.2.1964 – 1 BvL 17/61, NJW 1964, 1067 (1070). Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 37. Berberich/Köster, Pachten und Verpachten von Apotheken, 3. Aufl. 1994, S. 34; Holland, DNotI-Report 1998, 151; Schiedermair/Pieck, § 8 ApoG Rz. 62 bzw. § 9 ApoG Rz. 77.
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schafters iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG ein Verpachtungsrecht an der durch die Gesellschaft geführten Apotheke.1 b) Verpachtungsberechtigter Personenkreis aa) Anderer Erlaubnisinhaber Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG iVm § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BApO darf 195 derjenige, der seinerseits Erlaubnisinhaber ist, eine Apotheke nur dann verpachten, wenn und solange er seine Apotheke aus einem in seiner Person liegenden wichtigen Grund nicht weiter betreiben kann oder mangels gesundheitlicher Eignung seine Erlaubnis widerrufen bzw. durch Widerruf der Approbation erloschen ist. Als in der Person des Erlaubnisinhabers liegender wichtiger Grund gelten ausschließlich zeitlich beschränkte und solche Verhinderungen, die erst nach einem bereits aufgenommenen Betreiben der Apotheke eintreten,2 insbesondere ein längerer Forschungsoder Lehrauftrag3, ein nach den Ruhestandsaltersgrenzen des Beamtenrechts hohes Alter des Apothekers4 bzw. die vorübergehende Wahl in ein Amt der Berufsorganisation der Apotheker.5 Wird beispielsweise ein approbierter Apotheker als Alleinerbe, Vermächtnisnehmer6 oder durch rechtsgeschäftlichen Erwerb von einem Erben bzw. Vermächtnisnehmer Eigentümer einer Apotheke eines verstorbenen Erlaubnisinhabers, kann er diese, soweit er nicht bereits eine andere Apotheke besitzt und beibehält,7 auch ohne Kind oder Ehegatte bzw. Lebenspartner des verstorbenen Erlaubnisinhabers zu sein, verpachten, sobald er nach Aufnahme des Betriebes das Ruhestandsalter eines Beamten erreicht hat. Kann der Erwerber den Apothekenbetrieb etwa aus gesundheitlichen Gründen von vorneherein nicht aufnehmen, kommt ihm das Privileg des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG hingegen nicht zu Gute.8 bb) Nichterlaubnisinhaber (1) Kinder des Erlaubnisinhabers Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG sind erbberechtigte Kinder eines Er- 196 laubnisinhabers hinsichtlich einer zum Nachlass gehörenden Apotheke bis zu dem Zeitpunkt verpachtungsberechtigt, in dem das jüngste Kind 1 Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 36; aA Berberich/Köster, S. 34: Der wichtige Grund müsse bei allen Gesellschaftern vorliegen. 2 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 38 bzw. 44. 3 Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 37. 4 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 39. 5 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 44. 6 Das Verpachtungsprivileg folgt hier alleine aus der eigenen Betriebserlaubnis des Erwerbers nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG, so dass eine konkrete Erbberechtigung iSd § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG nicht erforderlich ist. 7 Zum Verbot des Apothekenmehrbesitzes BVerfG v. 13.2.1964 – 1 BvL 17/61, NJW 1964, 1067 (1069 ff.). 8 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 38.
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das 23. Lebensjahr vollendet. Trotz des primären Gesetzeszwecks der Erhaltung der Apotheke innerhalb der Familie aus Versorgungsgründen bis zum durchschnittlich zu erwartenden Berufsausbildungsabschluss des jüngsten Kindes verkürzt sich die Verpachtungsberechtigungsdauer auch dann nicht, wenn alle erbenden Kinder noch vor Vollendung des 23. Lebensjahr des jüngsten von ihnen einen anderen als den Apothekerberuf ergriffen haben.1 197
Darüber hinaus kann diese Frist auf Antrag zugunsten aller Kinder bis zu dem Zeitpunkt verlängert werden, in dem dasjenige Kind, das vor Vollendung des 23. Lebensjahres den Apothekerberuf ergreift, in seiner Person die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis erfüllen kann. Diese Regelung verfolgt das am Sozialstaatsprinzip2 aus Art. 20 Abs. 1 GG und am Grundrecht auf Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG ausgerichtete gesetzgeberische Ziel, die Kinder eines verstorbenen Apothekeninhabers durch gesetzliche Einschränkung der Verpachtbarkeit einer geerbten Apotheke nicht unverhältnismäßig zu beschränken, sondern diesen daraus vielmehr eine hinreichende Versorgung zuteilwerden zu lassen und zugleich eine Erhaltung des Apothekenbetriebes in der Familie zu ermöglichen. Für diese zusätzliche Fristverlängerungsoption gilt der Apothekerberuf dabei im Sinne des o.g. Gesetzes als ergriffen, wenn das Kind die Berufsausbildung zum Apotheker beginnt. Insofern wird einerseits teilweise auf den Zeitpunkt, in dem die Zuteilung eines Studienplatzes für das diesbezügliche Hochschulstudium beantragt und dadurch die Berufswahl dokumentiert wird,3 andererseits teilweise auf den tatsächlichen Studienbeginn4 abgestellt. Angesichts des Schutzzwecks, die Versorgung und den Apothekenerhalt in der Familie möglichst bis zum Abschluss der Berufsausbildung der Kinder zu gewährleisten, erscheint die erstgenannte Ansicht vorzugswürdig.
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Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor und wurde ein entsprechender Antrag, zu dem nicht nur das den Apothekerberuf ergreifende, sondern jedes verpachtungsberechtigte Kind berechtigt ist,5 gestellt, dürfte im Hinblick auf die diesbezügliche Sozialstaatsprinzips- und Grundrechtsbindung eine behördliche Ermessensreduzierung dergestalt anzunehmen sein, dass die Fristverlängerung regelmäßig zu gewähren ist.6
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Im Rahmen dieses Ausnahmetatbestandes nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ApoG ist von ganz entscheidender Bedeutung, dass die Verpachtung insoweit ausschließlich Kindern, – aufgrund Ablehnung einer entsprechend beantragten Aufnahme in den hiesigen Tatbestand während des Gesetzgebungsver1 2 3 4
Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 57. Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 37. Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 58. Holland, DNotI-Report 1997, 222; Berberich/Köster, Pachten und Verpachten von Apotheken, 3. Aufl. 1994, S. 29. 5 Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 44. 6 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 59 unter Hinweis auf BVerwG v. 18.8.1960 – I C 42/59, BVerwGE 11, 95 = NJW 1961, 793.
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fahrens zum ApoG1 – nicht jedoch Enkeln des Erlaubnisinhabers eröffnet ist und unter dem Begriff „Kinder“ damit insoweit nicht auch weitere Abkömmlinge zu verstehen sind.2 Dies dürfte auch dann gelten, wenn beispielsweise Enkel anstelle von – insbesondere durch Vorversterben bzw. Ausschlagung – weggefallenen Kindern als (Ersatz-)Erben berufen sind. Insoweit sind ggf. im Rahmen der Gestaltung letztwilliger Verfügungen eines Apothekenerlaubnisinhabers entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, damit das Verpachtungsrecht weder bei Vorversterben eines Kindes und damit verbundener Ersatzerbenberufung noch bei dessen Nachversterben durch den Eintritt der Erben des Kindes in die Erbengemeinschaft erlischt. Aus dem Umkehrschluss zur gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 200 Nr. 3 ApoG und aus dem Versorgungszweck des § 9 Abs. 1 ApoG ergibt sich, dass die erbberechtigten Kinder iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG anders als der längstlebende Ehegatte bzw. Lebenspartner des verstorbenen Erlaubnisinhabers das Verpachtungsrecht mangels entsprechender ausdrücklicher Anordnung im Gesetzestext nicht durch das Erhalten einer eigenen konkreten Betriebserlaubnis iSv. § 1 ApoG auf Seiten eines oder mehrerer von ihnen verlieren, aufgrund derer sie nur unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG verpachtungsberechtigt wären. Durch die Altersgrenze des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG ist faktisch zugleich der gesetzgeberisch ungewollte3 dauerhafte Mehrbesitz von Apotheken ausgeschlossen.4 (2) Ehegatte bzw. Lebenspartner des Erlaubnisinhabers Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG ist der erbberechtigte Ehegatte bzw. Le- 201 benspartner bis zum Zeitpunkt seiner erneuten Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft verpachtungsberechtigt, sofern bzw. bis er nicht selbst konkret eine Erlaubnis gemäß § 1 ApoG erhält, kraft derer er dann jedoch nur bei Vorliegen eines in seiner Person liegenden wichtigen Grundes nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG verpachtungsberechtigt ist. Dabei ist der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG bereits dann nicht erfüllt, wenn der erbberechtigte Ehegatte bzw. Lebenspartner eine Betriebserlaubnis für eine andere – sei es eigene oder gepachtete – Apotheke besitzt bzw. seit Eintritt des Erbfalls wenigstens zwischenzeitlich besessen hat.5 Auch ein späterer Verzicht auf eine erteilte Betriebserlaubnis lässt das Verpachtungsprivileg aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG mangels erbfallbedingter sozialer Notlage selbst dann nicht wieder aufleben, wenn der erbberechtigte Ehegatte oder Lebenspartner durch den Verzicht zusätzlich auch das Verpachtungsprivileg nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG verliert.6 1 2 3 4 5 6
Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 51. Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 43, Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 51. BVerfG v. 13.2.1964 – 1 BvL 17/61, NJW 1964, 1067 (1069 ff.). Berberich/Köster, Pachten und Verpachten von Apotheken, 3. Aufl. 1994, S. 32. Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 45. Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 73 iVm. Rz. 74.
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Damit das Verpachtungsprivileg in Anspruch genommen werden kann, muss die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft iSd. LPartG zum Zeitpunkt des Erbfalls noch bestehen. Dabei ist insoweit zwar ein rein formeller Bestand ausreichend. Die Regelungen der §§ 1933, 2077, 2268, 2279 Abs. 2 BGB iVm. § 10 LPartG über den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts bzw. (die Auslegungsregel) zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen insbesondere ab Rechtshängigkeit eines Scheidungs- bzw. Aufhebungsverfahrens sind darüber hinaus jedoch im Hinblick auf die zusätzliche Verpachtungsvoraussetzung der Erbberechtigung mittelbar anzuwenden.
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Ist die Berechtigung zur Apothekenverpachtung durch erneute Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft weggefallen, vermag eine spätere Beendigung dieser neuen Ehe bzw. Lebenspartnerschaft das Verpachtungsrecht nicht wieder aufleben zu lassen, es bleibt vielmehr endgültig erloschen. (3) Erbberechtigung (a) Konkrete Erbenstellung
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Trotz des insoweit scheinbar weiten und dadurch missverständlichen Wortlauts setzt der in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ApoG verwendete Begriff der „Erbberechtigung“ für beide vorstehenden Tatbestandsvarianten eine konkrete tatsächliche Erbenstellung des Kindes, längstlebenden Ehegatten bzw. Lebenspartners voraus, die ihrerseits auf gesetzlicher Erbfolge, Einzeltestament, gemeinschaftlichem Testament oder Erbvertrag beruhen kann. Dagegen begründet insbesondere eine bloße vermächtnisweise Zuteilung der Apotheke an einen Nichterben keine Verpachtungsbefugnis1 und kommt daher nur dann als sinnvolles Gestaltungsmittel in Betracht, wenn der nicht erbende Vermächtnisnehmer die Apotheke aufgrund eigener Erlaubnis iSv. § 1 ApoG selbst betreiben kann, ausnahmsweise wegen eines wichtigen Grundes nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG verpachten darf oder sofort gezielt veräußern können soll.
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Im Rahmen der konkreten Erbenstellung des Ehegatten bzw. Lebenspartners nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG sind insbesondere die Regelungen der §§ 1933, 2077, 2268, 2279 Abs. 2 BGB iVm. § 10 LPartG über den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts bzw. (die Auslegungsregel) zur Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen zu berücksichtigen. Obschon für das Tatbestandsmerkmal der „Ehe“ bzw. „Lebenspartnerschaft“ deren formeller Bestand zum Zeitpunkt des Erbfalls ausreicht, steht hingegen der erforderlichen konkreten Erbberechtigung – bei letztwilligen Verfügungen je nach Auslegungsergebnis – insbesondere die Rechtshängigkeit eines Scheidungs- bzw. Aufhebungsverfahrens entgegen. 1 Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 42; Maier/Maier, Erben und Vererben einer Apotheke, 2000, S. 102; Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 64; Holland, DNotI-Report 1997, 222; Holland, DNotI-Report 1998, 151;aA Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (108).
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(b) Unmittelbare Erbenstellung Die Ausnahmetatbestände nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ApoG set- 206 zen weiter voraus, dass die dort genannten verpachtungsberechtigten Personen jeweils unmittelbar Erben des Erlaubnisinhabers sind. Danach ist es insbesondere zur Begründung eines späteren Apothekenverpachtungsrechts der Kinder nicht ausreichend, wenn aufgrund gemeinschaftlichen Testaments bzw. Erbvertrages nach dem Tod des Erlaubnisinhabers zunächst dessen Ehegatte Vollerbe und nach dessen Tod die Kinder Schlusserben würden, da diese dann Erben des Ehegatten und nicht – was jedoch erforderlich ist – Erben des Erlaubnisinhabers wären.1 (c) Besonderheiten bei Erbengemeinschaft Sind mehrere Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft auf Ableben des Er- 207 laubnisinhabers als Eigentümer an der Apotheke berechtigt, steht unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG auch das Verpachtungsrecht nach §§ 2038, 741 ff. BGB allen Miterben gemeinschaftlich zu. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Verpachtung in Erbengemeinschaft ergibt sich ausdrücklich bereits aus der Verwendung des Plurals auf der Berechtigtenseite im Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG, der die Verpachtung durch die „erbberechtigten Kinder“ vorsieht. Aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG folgt jedoch, dass das Apothekenverpachtungsrecht während Bestehens einer Erbengemeinschaft zu Lasten aller Miterben entfällt, sobald auch nur einer der Miterben keinen der dort genannten Ausnahmetatbestände erfüllt.2 Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine (Vollerben-)Erbengemeinschaft zwar ausschließlich aus privilegierten Personen wie dem erbberechtigten längstlebenden Ehegatten und den erbberechtigten Kindern besteht, der Ehegatte jedoch entgegen § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG wieder heiratet und dadurch neben dem Ehegatten auch die Kinder ihr Verpachtungsrecht verlieren. Letzteres kann insbesondere dadurch verhindert werden, dass der längstlebende Ehegatte hinsichtlich seines Erbteils lediglich als Vorerbe eingesetzt wird und der Nacherbfall mit dessen Wiederverheiratung eintritt. Entsprechende Risiken bestehen für den Fall, dass eines der erbberechtigten Kinder vorverstirbt und an dessen Stelle dessen Kinder als Ersatzerben in die Erbengemeinschaft eintreten bzw. ein solches Kind nach dem Erbfall nachverstirbt, von seinen Kindern beerbt wird und diese damit auch in die Erbengemeinschaft auf den Tod des Apothekenerlaubnisinhabers eintreten. Hier verlieren neben den nicht verpachtungsberechtigten Enkeln zusätzlich sowohl die übrigen Kinder als auch der längstlebende Ehegatte insgesamt jegliche Verpachtungsmöglichkeit. Dem könnte der Erlaubnisinhaber letztwillig nach Abwägung sonstiger diesbezüglicher Vor- und 1 Holland, DNotI-Report 1997, 222 (223); Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 52. 2 Berberich/Köster, Pachten und Verpachten von Apotheken, 3. Aufl. 1994, S. 33; Holland, DNotI-Report 1997, 222; Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 64; Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 14.
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Nachteile ggf. dadurch vorbeugen, dass seine Kinder untereinander jeweils als Ersatz- und Nacherben bzw. Ersatznach- und Nachnacherben eingesetzt sind. Besteht die Erbengemeinschaft aus einem Erlaubnisinhaber, der nicht zugleich nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG privilegiert ist, und aus nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG privilegierten Miterben, kann die Apotheke nur dann verpachtet werden, wenn und solange für den Erlaubnisinhaber die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG erfüllt sind. 208
Ist eine Erbengemeinschaft danach insgesamt an der Apothekenverpachtung gehindert, weil nicht alle Erben die Voraussetzungen aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 bzw. 3 ApoG erfüllen und nicht ausreichend letztwillig vorgesorgt wurde, kann das Verpachtungsrecht durch Zuteilung der Apotheke bzw. des Gesamtnachlasses ausschließlich an die privilegierten Miterben im Wege der (Teil-)Erbauseinandersetzung, Erbteilsübertragung an Miterben oder Abschichtung bzw. durch Ausschlagung ermöglicht werden.
209
§ 8 Satz 1 und 2 ApoG sieht zwar ein gemeinsames Betreiben einer Apotheke durch mehrere Personen ausschließlich in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft vor und schließt darüber hinaus gehende Vereinbarungen, die eine Beteiligung am Gewinn oder am Umsatz der Apotheke beinhalten, insbesondere eine Beteiligung mittels stiller Gesellschaft, aus. Abweichend davon ist die bloße Verpachtung einer Apotheke durch mehrere Personen jedoch auch aufgrund anderer Erwerbsverhältnisse, insbesondere durch eine Erbengemeinschaft zulässig. Nach § 8 Satz 3 ApoG sind derartige Pachtverträge ausdrücklich zudem selbst dann zulässig, wenn die Pacht von Umsatz oder Gewinn der Apotheke abhängt. (4) Nachlasszugehörigkeit der Apotheke
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Die Apotheke darf durch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG privilegierte Erben des Erlaubnisinhabers nur dann verpachtet werden, wenn und solange sie zum Nachlass des Erlaubnisinhabers gehört. Sobald die Apotheke insbesondere im Wege der Vermächtniserfüllung oder durch sonstige Veräußerung an nichtprivilegierte Dritte1 übertragen wird, erlischt dieses Verpachtungsrecht.
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Verstirbt ein Apothekenpächter, kommt eine Verpachtung durch dessen erbberechtigte Kinder bzw. erbberechtigten Ehegatten bzw. Lebenspartner nicht in Betracht, da die Apotheke nicht im Eigentum des Pächters stand und daher nicht in dessen Nachlass fällt.2 Derartigen Erben steht auch
1 Etwas anderes gilt jedoch für die Erfüllung eines Vorausvermächtnisses zugunsten eines nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG privilegierten Miterben, der bereits aufgrund seiner Miterbenstellung im Wege eines erbrechtlichen Vorgangs erworben hat. Erwirbt ein anderer Erlaubnisinhaber, kann er unter den strengen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG privilegiert sein. 2 OVG Lüneburg v. 13.10.1965 – IV OVG A 64/63, NJW 1966, 419 (421).
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kein Unterverpachtungsrecht zu, da die abschließenden Ausnahmetatbestände des § 9 Abs. 1 Satz 1 ApoG ein derartiges Institut nicht zulassen.1 Mit dem Tod des Apothekenpächters erlischt zudem nach § 3 Nr. 1 ApoG dessen nichtvererbliche Betriebserlaubnis mit der Folge, dass ein Erbe nur dann Pächter sein kann, wenn er selbst eine eigene Betriebserlaubnis iSd. § 9 Abs. 2 Satz 1 ApoG für die betroffene Apotheke hat. (5) Betriebserlaubnis der Erblassers Das Verpachtungsprivileg nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 ApoG 212 setzt zudem voraus, dass der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls eine Betriebserlaubnis für die betroffene Apotheke hatte. Dies ergibt sich für § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG ausdrücklich aus dem 213 Gesetzeswortlaut. Daher besteht für die Kinder beispielsweise dann kein Verpachtungsprivileg als Erben auf den Tod des längstlebenden Elternteils, wenn dieser als Erblasser ohne eigene Approbation und Betriebserlaubnis verpachtungsberechtigter Alleinerbe seines vorverstorbenen approbierten Ehegatten geworden ist.2 Ebenso setzt das Verpachtungsrecht auch für den längstlebenden Ehegat- 214 ten bzw. Lebenspartner voraus, dass der erstversterbende Apothekeninhaber zur Zeit seines Todes eine Betriebserlaubnis für die Apotheke hatte. Zwar beinhaltet der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG keine ausdrückliche entsprechende Anordnung. Indem aber auch die Person des Erstverstorbenen gänzlich unerwähnt bleibt, wird deutlich, dass die Formulierung „nach dem Tode eines Erlaubnisinhabers“ aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG zusätzlich für den Tatbestand nach Nr. 3 gilt. Daher besteht für Ehegatten bzw. Lebenspartner beispielsweise dann kein Verpachtungsrecht, wenn die ursprüngliche Betriebserlaubnis nach § 3 Nr. 4 ApoG dadurch erloschen ist, dass der Erblasser von ihr ohne behördliche Fristverlängerung mindestens ein Jahr lang keinen Gebrauch gemacht hat. Soweit dem Erblasser in der Vergangenheit eine Betriebserlaubnis erteilt 215 worden war, sind insoweit vor allem die Tatbestände für deren Erlöschen, Zurücknahme bzw. Widerruf nach den §§ 3 und 4 ApoG zu beachten. (6) Veränderungen in der Erbengemeinschaft nach Eintritt des Erbfalls (a) Allgemeines In der Erbengemeinschaft können nach Eintritt des Erbfalls diverse Ver- 216 änderungen eintreten. Hierzu gehören insbesondere ein Ausscheiden nicht verpachtungsberechtigten Miterben aus der Erbengemeinschaft und eine
1 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 28. 2 Insoweit wäre eine letztwillige Gestaltung durch Vor- und Nacherbfolge erforderlich gewesen, um sowohl dem längstlebenden Ehegatten als auch den Kindern als jeweilige Erben des Erlaubnisinhabers ein Verpachtungsrecht zuteilwerden zu lassen.
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gegenständlich auf die Apotheke beschränkte Erbauseinandersetzung. Fraglich sind dabei die Auswirkungen derartiger Veränderungen auf die o.g. Verpachtungsprivilegien nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG. In der Literaturmeinung ist man sich zwar ganz überwiegend darüber einig, dass ein Verpachtungsrecht nur dann bestehen kann, wenn trotz entsprechender nachträglicher Veränderung an die Rechtsstellung des Privilegierten als Erbe angeknüpft wird.1 Im Einzelnen ist jedoch Vieles unklar und umstritten. 217
Nach hier vertretener Ansicht ist für ein Verpachtungsprivileg iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG im Falle des Ausscheidens von nicht verpachtungsberechtigten Miterben aus der Erbengemeinschaft nach dem Erbfall erforderlich und zugleich ausreichend, dass die Apotheke unverändert zum Nachlass des Erlaubnisinhabers gehört, alle Mitglieder der nunmehr bestehenden Erbengemeinschaft kraft gesetzlichen Erbrechts oder letztwilliger Verfügung bereits seit dem Erbfall originäre Erben des Erlaubnisinhabers sind und sie zudem alle weiteren Voraussetzungen für ein Privileg nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG erfüllen. Da Wortlaut und Regelungszweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG alleine auf eine konkrete originäre Erbenposition des Privilegierten abstellen, ist es insbesondere unschädlich, wenn andere Miterben aus der Erbengemeinschaft ausscheiden und sich dadurch die Erbquote der verbliebenen originären privilegierten Erben erhöht.2
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Weiter ist nach hier vertretener Ansicht für ein Verpachtungsprivileg iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG im Falle einer Erbauseinandersetzung erforderlich und zugleich ausreichend, dass das Eigentum an der Apotheke bis zum Vollzug der Erbauseinandersetzung unverändert zum Nachlass gehörte, alle durch den Vollzug der Erbauseinandersetzung zu gesamthandsfreien Eigentümern der Apotheke gewordenen Personen kraft gesetzlichen Erbrechts oder letztwilliger Verfügung bereits seit dem Erbfall originäre Erben des Erlaubnisinhabers sind und sie zudem alle weiteren Voraussetzungen für ein Privileg nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG erfüllen. Da Wortlaut und Regelungszweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG alleine auf eine konkrete originäre Erbenposition des Privilegierten abstellen, ist es insbesondere unschädlich, wenn die Erbauseinandersetzung nicht letztwillig durch den Erblasser angeordnet war, sondern auf freier Vereinbarung der Miterben beruht, der Wert der Apotheke nicht dem Erbteil des Apothekenübernehmers entspricht bzw. ausglei-
1 Berberich/Köster, Pachten und Verpachten von Apotheken, 3. Aufl. 1994, S. 34; Dittrich, NJW 1964, 1049 (1052); Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 42; Holland, DNotI-Report 1997, 222 f.; Maier/Maier, Erben und Vererben einer Apotheke, 2000, S. 102; Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 64; Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 64; aA Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (108) und Rohner, ZEV 2003, 15 (16), die einen Erwerb durch bloßes Vermächtnis ohne Miterbenstellung genügen lassen. 2 Im Ergebnis ebenso Berberich/Köster, Pachten und Verpachten von Apotheken, 3. Aufl. 1994, S. 34; Dittrich, NJW 1964, 1049 (1052); Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 42; Rohner, ZEV 2003, 15 (16); Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (109); aA Holland, DNotI-Report 1997, 222 (223).
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
chende Gegenleistungen außerhalb des Nachlasses aus dem sonstigen Vermögen des die Apotheke übernehmenden Erben geleistet werden.1 Mangels diesbezüglicher höchstrichterlicher Rechtsprechung sollten der- 219 artige nachträgliche Maßnahmen unter den Erben jedoch möglichst durch vorbeugende letztwillige Gestaltung seitens des Erblassers vermieden werden. (b) Erbauseinandersetzung Wird eine zum Nachlass gehörende Apotheke – sei es in Vollzug einer 220 letztwillig verfügten Teilungsanordnung2 oder ohne eine solche aufgrund freier rechtsgeschäftlicher Vereinbarung3 – im Wege einer (Teil-)Erbauseinandersetzung an einen Miterben übertragen, ist dieser Erwerber unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG alleine verpachtungsberechtigt, da die (Teil-)Erbauseinandersetzung insoweit einen erbrechtlichen Vorgang verkörpert, als sie sich aus einer originären, bereits zuvor vorhandenen Erbenstellung des Erwerbers ableitet.4 Gleiches gilt, wenn mehrere oder gar alle Miterben die Apotheke im Weg der (Teil-)Erbauseinandersetzung zu Bruchteilseigentum erwerben. Aus o.g. Gründen ist die Beschränkung der Betriebsberechtigung bei einer Mehrzahl von Betreibern auf die Rechtsformen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft aus § 8 Satz 1 ApoG nicht für die Apothekenverpachtung anwendbar. (c) Erbteilsabtretung Wird ein Erbteil von einem Miterben an einen anderen Miterben ver- 221 äußert und vollzugsweise abgetreten, ist der Abtretungsempfänger hinsichtlich der zum Nachlass gehörenden Apotheke, soweit er die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG erfüllt, gemeinsam mit den übrigen verpachtungsberechtigten Miterben verpachtungsberech1 Im Ergebnis ebenso Dittrich, NJW 1964, 1049 (1052); Rohner, ZEV 2003, 15 (16); Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 64; Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 65; Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (109); aA Holland, DNotI-Report 1997, 222 (nur bei Teilungsanordnung); Mair/Mair, S. 103 f. (aufgrund freier Vereinbarung nur bei ausschließlicher Verteilung von Nachlass ohne Leistung aus Eigenvermögen des übernehmenden Miterben, aufgrund letztwilliger Teilungsanordnung auch bei Leistung aus Eigenvermögen der übernehmenden Miterben). 2 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 64; Holland, DNotI-Report 1997, 222 f.; Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (109); Rohner, ZEV 2003, 15 f.; Dittrich, NJW 1964, 1049 (1052); Maier/Maier, Erben und Vererben einer Apotheke, 2000, S. 104; Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 64. 3 Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 42; Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 64; Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (109); Dittrich, NJW 1964, 1049 (1052); aA Maier/Maier, Erben und Vererben einer Apotheke, 2000, S. 103, wonach ein erbrechtlicher Vorgang und damit ein Verpachtungsprivileg ausschließlich bei einer Realteilung ohne Ausgleich aus dem eigenen Vermögen des Erwerbers vorliege. 4 Fröhler, BWNotZ 2010, 12 (16).
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
tigt, da auch die Erbteilsabtretung insoweit einen erbrechtlichen Vorgang darstellt, als sie sich aus einer originären, bereits zuvor vorhandenen Erbenstellung des Erwerbers ableitet.1 Im Gegensatz dazu kann der Vollzug einer Erbteilsabtretung jedoch dann keine Verpachtungsberechtigung begründen, wenn diese Abtretung an eine andere Person als einen Miterben erfolgt,2 da hierdurch auf Seiten des Abtretungsempfängers keine von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG vorausgesetzte Erbenstellung, sondern ausschließlich die vermögensrechtliche gesamthänderische Berechtigung an den Nachlassgegenständen begründet wird.3 (d) Abschichtungsvereinbarung 222
Durch formlos wirksame Abschichtungsvereinbarung können einzelne Miterben hinsichtlich des gesamten Nachlasses aus der Erbengemeinschaft mit der Folge ausscheiden, dass deren Erbteile allen in der Erbengemeinschaft verbleibenden Miterben analog § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichmäßig anwachsen.4 Trotz diesbezüglicher grundsätzlicher Formfreiheit ist zu berücksichtigen, dass eine Abschichtung bei Nachlasszugehörigkeit von Grundbesitz zum Zwecke der Grundbuchberichtigung gegenüber dem Grundbuchamt bzw. von GmbH-Anteilen zum Nachweis des Gesellschafterbestandes gegenüber dem Registergericht in öffentlich beglaubigter Form nachgewiesen werden muss. Hierzu ist eine Unterschriftsbeglaubigung ausreichend. Da auch die Abschichtungsvereinbarung – ähnlich einer Erbteilsabtretung – insoweit einen erbrechtlichen Vorgang darstellt, als sie sich aus einer originären, bereits zuvor vorhandenen Erbenstellung des Erwerbers ableitet, sind die verbleibenden Miterben, soweit sie iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG privilegiert sind, verpachtungsberechtigt. (e) Ausschlagung
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Schlägt einer der Erben die Erbschaft form- und fristgerecht aus, gilt der Anfall der Erbschaft nach § 1953 Abs. 1 BGB mit der Konsequenz als nicht erfolgt, dass der Ausschlagende niemals Erbe war, sondern nach § 1953 Abs. 2 BGB als beim Erbfall nicht lebend betrachtet und von Anfang an durch diejenigen Personen als Erbe ersetzt wird, die berufen wären, wenn der Ausschlagende tatsächlich beim Erbfall nicht gelebt hätte. Hierdurch wird das Tatbestandsmerkmal der konkreten Erbberechtigung als Verpachtungsvoraussetzung für den anstelle des Ausschlagenden berufenen Erben uneingeschränkt erfüllt. 1 Hoffmann, § 9 ApoG Rz. 42; Schiedermair/Pieck“ § 9 ApoG Rz. 65; Rohner, ZEV 2003, 15 (16); Schreiber, MittBayNot 1983, 107 (109); a.A. Holland, DNotI-Report 1997, 222 (223); unklar Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 64, und Maier/ Maier, Erben und Vererben einer Apotheke, 2000, S. 102, die insoweit von „Miteigentumsanteilen“ der Erben sprechen. 2 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 66. 3 Palandt/Weidlich, § 2033 BGB Rz. 6. 4 BGH v. 21.1.1998 – IV ZR 346/96, FamRZ 1998, 673 = ZEV 1998, 141 = DNotZ 1999, 60.
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
(f) Verpachtungsermächtigung Eine bloße Verpachtungsermächtigung zugunsten der nach § 9 Abs. 1 Satz 1 224 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG privilegierten Miterben durch einen nichtverpachtungsberechtigten Miterben, der seine Miterbenstellung seinerseits beibehält, kann hingegen keine Verpachtungsberechtigung begründen.1 Im Gegensatz zu einer (Teil-)Erbauseinandersetzung behält der ermächtigende nichtprivilegierte Miterbe mit seinem Erbteil auch die gesamthänderisch gebundenen Eigentümerrechte an der Apotheke bei sich, unterstellt die Apotheke somit nicht vollständig der zivilrechtlichen Verfügungsgewalt der privilegierten Miterben und löst daher keinen dem Erbrecht eigenen Vorgang aus. Ähnlich der Gewinnbeteiligung an einer Apotheke durch Nießbrauch dürfte nach § 8 Satz 2 ApoG auch eine Verpachtungsermächtigung unzulässig sein. (g) Vorausvermächtnis Wird die Apotheke vorausvermächtnisweise an einen oder mehrere privi- 225 legierte(n) Miterben übertragen, entsteht auf Vorausvermächtnisnehmerseite eine Verpachtungsberechtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG bei gleichzeitigem Wegfall des Apothekeneigentümerrechts der übrigen Miterben.2 Anders als bei einem Vermächtnis an nichtprivilegierte Dritte ist der Vorausvermächtnisnehmer privilegierter Erbe und ununterbrochen seit dem Erbfall – wenn auch zunächst gesamthänderisch gebundener – Eigentümer der Apotheke. c) Vertretung Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 3 ApoG zugunsten des aus besonde- 226 ren persönlichen Gründen am Weiterbetreiben der Apotheke gehinderten Erlaubnisinhabers, der erbberechtigten Kinder bzw. des erbberechtigen Ehegatten oder Lebenspartners des verstorbenen Apothekeninhabers vorgesehenen Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot einer Apothekenverpachtung sind ausschließlich durch ihren jeweiligen Versorgungscharakter gerechtfertigt, der seinerseits über das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip verfassungsrechtlich legitimiert wird. Das Gesetz beschränkt dieses Verpachtungsrecht dabei nicht auf solche Rechtsnachfolger, die den Pachtvertrag persönlich abschließen. Insbesondere muss auch ein gesetzlich oder durch Vollmacht vertretener Privilegierter in den wirtschaftlichen Genuss des Verpachtungsrechts gelangen können.3 Andern-
1 Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 64; a.A. Rohner, ZEV 2003, 15 (16). 2 Fröhler, BWNotZ 2010, 12 (17); Holland, DNotI-Report 1998, 151; missverständlich hingegen Holland, DNotI-Report 1997, 222. 3 Fröhler, BWNotZ 2010, 12 (17); missverständlich insoweit Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 37, wonach das Verpachtungsrecht höchstpersönlicher Natur sei, dort darunter jedoch offenbar ausschließlich ein Verbot der Übertragbarkeit verstanden wird.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
falls bliebe insbesondere geschäftsunfähigen bzw. beschränkt geschäftsfähigen Privilegierten eine Verpachtung vorenthalten, obschon gerade dieser Personenkreis nach dem Gesetzeszweck in ganz besonderem Maß versorgungsbedürftig ist. Vielmehr ist alleine maßgebend, dass ein Pachtvertrag über eine Apotheke ausschließlich im Namen eines nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 3 ApoG privilegierten Berechtigten abgeschlossen wird.
III. Letztwillige Gestaltung 1. Verheirateter Apothekeninhaber mit Kindern a) Ehegatte und Kinder jeweils ohne Apothekerapprobation aa) Allgemeine Erwägungen 227
Ein Apothekeninhaber, der eine entsprechende Betriebserlaubnis besitzt, wird aufgrund der o.g. fachgesetzlichen Vorgaben bei der Gestaltung letztwilliger Verfügungen regelmäßig darauf zu achten haben, dass seinen Erben, solange keiner von ihnen eine Apothekerapprobation besitzt, die Möglichkeit eröffnet ist, die Apotheke sofort durch Verpachtung wirtschaftlich zu nutzen, wenn keine unmittelbare Veräußerung gewünscht ist. Dies gilt vor allem für eine Übergangszeit zwischen Erbfall und Erlangung einer eventuell angestrebten Betriebserlaubnis durch eines der Kinder. Äußerst praxisrelevant erscheint dabei die Konstellation, in der der Betriebserlaubnisinhaber verheiratet ist, mehrere Kinder hat und der längstlebende Ehegatte dauerhaft bzw. die Kinderseite vorerst insbesondere bei einem frühen Eintritt des Erbfalls keine Erlaubnis zur Leitung einer Apotheke besitzen wird. Hier besteht jedoch oftmals die Erwartung bzw. der Wunsch, dass zumindest eines der Kinder den Beruf des Apothekers ergreifen wird, die Apotheke bis dahin in der Familie erhalten bleibt und sie gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG zunächst dem Ehegatten bzw. nach dessen Tod oder erneuter Eheschließung bis zur Erlangung der Apothekerapprobation durch eines der Kinder ggf. noch vorübergehend allen Kindern durch Verpachtung als Einkommensquelle dient.
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Je nach Zielsetzung des Erblassers sind verschiedenartige Lösungsansätze denkbar, in denen die Verfügungsfreiheit des längstlebenden Ehegatten einerseits und der Schutz der Kinder andererseits miteinander konkurrieren und gegenseitig abzuwägen sind.
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Da die letztwilligen Verfügungen beider Ehegatten im Regelfall miteinander korrespondieren sollen, bietet sich eine Gestaltung durch gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag an. Nachstehend wird daher von einer Gestaltung durch gemeinschaftliches Testament bzw. Erbvertrag ausgegangen. Wird ein Erbvertrag jedoch in dieser Weise mit anderen Vertragsregelungen in derselben Urkunde verbunden, kann er gemäß § 2300 Abs. 2 BGB selbst nach seiner Aufhebung nicht mehr aus der besonderen amtlichen oder einfachen notariellen (sondern nur aus einer etwaigen bis632
G. Das Testament des Apothekeninhabers
herigen besonderen amtlichen in die einfache notarielle) Verwahrung zurückgenommen werden und muss daher nach § 348 FamFG trotz Unwirksamkeit nachlassgerichtlich eröffnet und bekanntgegeben werden.1 bb) Weitestgehende lebzeitige Verfügungsfreiheit des Ehegatten (1) Grundüberlegungen Beabsichtigt der Apothekeninhaber, seinen Ehegatten als Nichterlaubnis- 230 inhaber unter Sicherstellung der ausschließlichen Erbberechtigung der Kinder nach dessen Tod einerseits und Wahrung der o.g. Verpachtungsprivilegien andererseits lebzeitig möglichst weitgehend frei über den ihm vererbten Nachlass verfügen zu lassen, ohne die gemeinsamen Kinder vor eventuellen Pflichtteilsansprüchen Dritter (insbesondere späterer nicht gemeinsamer Kinder bzw. eines weiteren Ehegatten im Falle einer erneuten Eheschließung des längstlebenden Ehegatten) oder lebzeitigen Verfügungen (insbesondere Schenkungen) an derartige Dritte schützen zu wollen, müssen verschiedene Gestaltungsinstrumentarien miteinander verbunden werden. Dabei kommt jedoch eine zunächst naheliegende Einheitslösung durch 231 Vollerbeneinsetzung des längstlebenden Ehegatten und Schlusserbenberufung der gemeinsamen Kinder, eventuell ergänzt durch Vermächtniszuwendungen zugunsten der Kinder bereits beim Tod des erstversterbenden Ehegatten nicht in Betracht, da § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG aus o.g. Gründen für eine Verpachtungsberechtigung voraussetzt, dass alle zu schützenden Verpächter, hier somit sowohl der längstlebende Ehegatte als auch jedes Kind, unmittelbare Erben des Erlaubnisinhabers sind. Danach entfiele das Verpachtungsprivileg für die Kinder, wenn sie als Schlusserben lediglich Erben des die Apotheke mit dem sonstigen Nachlass des Erlaubnisinhabers erbenden und daher verpachtungsberechtigten längstlebenden Ehegatten wären, der seinerseits keine Betriebserlaubnis besitzt. Darüber hinaus wären weder der längstlebende Ehegatte noch die Kinder verpachtungsberechtigt, wenn zwar der längstlebende Ehegatte Alleinerbe des Erlaubnisinhabers würde, die Apotheke jedoch vermächtnisweise sofort auf die Kinder zu übertragen wäre, da die Apotheke dann weder nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG vom Erbrecht des Ehegatten erfasst noch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG den verfügungsberechtigten Kindern als Erben zugefallen ist. Der längstlebende Ehegatte und die Kinder können daher nur dann ver- 232 pachtungsberechtigt sein, wenn sie jeweils Erbe des Erlaubnisinhabers werden und die Apotheke Nachlassbestandteil ist. Durch Berufung des längstlebenden Ehegatten zum Vorerben und der Kinder zu Nacherben ergibt sich ein sukzessives Verpachtungsrecht. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis alternativ auch durch Nießbrauchs- bzw. Rentenvermächtnis zuguns-
1 Dazu Prütting/Helms/Fröhler, § 348 FamFG Rz. 12 ff.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
ten des längstlebenden Ehegatten bei sofortiger Erbeinsetzung der Kinder erreicht werden kann. Eine kumulative Verpachtungsberechtigung wäre gewährleistet, wenn der längstlebende Ehegatte und die Kinder nebeneinander Erben würden. (2) Vor- und Nacherbenlösung (a) Ausgangsüberlegung 233
Indem sich die Eheleute die Besonderheiten einer Trennungslösung zu eigen machen und sowohl der längstlebende Ehegatte als Vorerbe als auch die Kinder als Nacherben (bzw. bei Vorversterben des Vorerben ersatzweise als Vollerben) unmittelbar Erbe des Erlaubnisinhabers werden, kann das Verpachtungsrecht sukzessive durch alle Privilegierten wahrgenommen werden. Umgekehrt würde die insoweit nicht in Betracht kommende Einheitslösung durch Berufung des längstlebenden Ehegatten zum Vollerben des Erlaubnisinhabers und der Kinder zu Schlusserben (bzw. bei Vorversterben des Ehegatten zu Ersatzerben) – gäbe es die Problematik der eingeschränkten Verpachtbarkeit nach Apothekenrecht nicht – der o.g. Vorgabe einer weitestgehenden Verfügungsfreiheit des längstlebenden Ehegatten am besten gerecht. Fraglich erscheint es daher, wie diese beiden gegensätzlichen Gestaltungsanforderungen – Vor- und Nacherbfolge bezüglich der apothekenrechtlichen Verpachtbarkeitsvorgaben einerseits und Vollerbeneinsetzung des längstlebenden Ehegatten mit Schlusserbenberufung der Kinder zur Erzielung möglichst weitreichender Freiheiten des Ehegatten andererseits – miteinander vereinbart werden können. (b) Grundkonstruktion
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Im Rahmen der hier in Rede stehenden Interessenlage (Ermöglichung einer Apothekenverpachtung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bzw. 3 ApoG zunächst durch den Ehegatten und anschließend nach dessen Tod oder erneuter Eheschließung durch die gemeinsamen Kinder jeweils bei gleichzeitiger Wahrung größtmöglicher Verfügungsfreiheit des Ehegatten) wird mittels üblicher Gestaltung einer Vor- und Nacherbfolge der Ehegatte zum befreiten alleinigen Vorerben und werden die Kinder zu untereinander gleichen Teilen zu Nacherben bzw. bei Vorversterben des Ehegatten zu Ersatzerben des Erlaubnisinhabers eingesetzt. Der Eintritt des Nacherbfalls darf im Hinblick auf die Verpachtungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG nicht auf den Tod des Vorerben beschränkt sein, sondern muss auch im Falle dessen erneuter Eheschließung ausgelöst werden.
235
Umgekehrt setzt der Ehegatte den Erlaubnisinhaber als alleinigen Vollerben und die Kinder zu untereinander gleichen Teilen als Ersatzerben ein.
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
(c) Ersatznacherbe bzw. Ersatzerbe Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 236 ApoG, wonach ausschließlich Kinder des Erlaubnisinhabers, nicht jedoch Enkel oder Erben der Kinder privilegiert sind, muss bei Gestaltung der letztwilligen Verfügungen weiter berücksichtigt werden, dass bei einem Wegfall eines Kindes als Nacherbe der Eintritt dessen Kinder (nichtprivilegierte Enkel des Erlaubnisinhabers) als Ersatznacherben sowie bei einem Versterben eines Kindes als Nacherbe nach dem Nacherbfall der Eintritt dessen Erben (nichtprivilegierte Enkel des Erlaubnisinhabers oder Dritte) in die bestehende (Nach-)Erbengemeinschaft ein Verpachtungsrecht nicht nur für diese nichtprivilegierten Personen, sondern auch für alle übrigen eigentlich privilegierten Nacherben verhindert. Daher sollte auch insoweit dringend Vorsorge getroffen werden. Dies kann hinsichtlich der Ersatznacherben dadurch geschehen, dass diese 237 alternativ benannt werden, und zwar danach differenziert, ob zum Zeitpunkt des Eintritts des Ersatznacherbfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verpachtung vorliegen oder nicht: Für den Fall, dass sich zum Zeitpunkt des Nacherbfalls eine Apotheke im Nachlass befindet, der Erblasser bei seinem Tod dafür eine Betriebserlaubnis besaß und eine Verpachtung auch im Übrigen nach den gesetzlichen Regelungen möglich ist (die Altersmindestgrenze iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG wird nicht überschritten), werden als Ersatznacherben zur Aufrechterhaltung der Verpachtbarkeit der Apotheke ausschließlich die übrigen Kinder des verstorbenen Erlaubnisinhabers und nur hilfsweise die eigenen Abkömmlinge eines wegfallenden Nacherben als Ersatznacherben bestimmt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die somit ausgeschlossenen Ersatznacherben pflichtteilsberechtigt sind. Es ist daher sorgfältig abzuwägen, ob entweder die zeitlich ohnehin begrenzte Verpachtbarkeit der Apotheke oder die Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen Vorrang haben soll. Für den Fall jedoch, dass eine Verpachtbarkeit der Apotheke durch die Nacherben ausgeschlossen ist, weil entweder gar keine Apotheke in den Nachlass fällt, der Erblasser zur Zeit seines Todes dafür keine Betriebserlaubnis besaß oder die gesetzlichen Ausnahmetatbestände – insbesondere wegen Überschreitens der Altersgrenze der Kinder – nicht (mehr) erfüllt werden können, sind als Ersatznacherben die Abkömmlinge eines wegfallenden Nacherben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung und nur noch hilfsweise die übrigen Nacherben bestimmt. Zur Vermeidung von Risiken im Falle eines Nachversterbens eines zum 238 Nacherben eingesetzten Kindes sollte zur Ausschließung der Erben der Kinder aus der Erbengemeinschaft weitere Nacherbfolge (Nachnacherbfolge) dergestalt vorgesehen werden, dass die übrigen Kinder (Nacherben) Nachnacherben sind. Dabei ist zugleich klarzustellen, ob die eingesetzten Nacherben befreite oder nichtbefreite Vorerben gegenüber den weiteren Nacherben (Nachnacherben) sein sollen. Weiter ist in derartigen Fällen eine etwaige Testamentsvollstreckung auf die angeordnete weitere Nacherbfolge (Nachnacherbfolge) auszudehnen. Die Nachnacherbfolge ist jedoch da635
6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
durch auflösend bedingt zu gestalten, dass die Voraussetzungen für eine Verpachtbarkeit der Apotheke durch die Nacherben nicht mehr vorliegen, insbesondere wenn sich keine Apotheke (mehr) im Nachlass befindet, der Erblasser zur Zeit seines Todes dafür keine Betriebserlaubnis besaß bzw. die Altersgrenze bei allen Kindern überschritten ist. (d) Auflösend bedingte Nacherbfolge 239
Zur Erzielung des hier angestrebten Kompromisses zwischen einer möglichst freien und unbeschränkten Erbeinsetzung des Ehegatten durch den Erlaubnisinhaber einerseits und der Ermöglichung einer Verpachtung der Apotheke durch die Kinder nach dem Tod des Ehegatten andererseits kann die angeordnete Nacherbfolge, die ausschließlich eine Verpachtung durch die Kinder ermöglichen soll, entfallen, sobald nach der aktuellen jeweils geltenden Gesetzeslage aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten eine Verpachtung durch die Kinder nicht (mehr) möglich ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Erblasser bei seinem Tod keine Betriebserlaubnis für die Apotheke besitzt, sich keine Apotheke (mehr) im Nachlass befindet bzw. (nach dem aktuellen Gesetzesstand) das jüngste Kind das 23. Lebensjahr vollendet und keines der Kinder mit der Berufsausbildung zum Apotheker begonnen hat. Die Nacherbfolge kann daher um den Eintritt der vorstehenden Umstände nach § 159 BGB mit Wirkung für die Zukunft auflösend bedingt angeordnet werden.1 Hierbei ist klarzustellen, ob die auflösende Bedingung ausschließlich für den Fall, dass die Verpachtungsvoraussetzungen vor Eintritt des Nacherbfalls wegfallen, oder darüber hinaus auch dann gelten soll, wenn eine Verpachtung erstmals nach Eintritt des Nacherbfalls unzulässig wird. Eine derartige auflösende Bedingung verstößt insbesondere nicht gegen das Verbot einer fremden Gültigkeitsbestimmung iSd. § 2065 Abs. 1 BGB, da die Wirksamkeit der Nacherbfolgeanordnung primär von dem Eintritt eines äußeren Ereignisses (hier dem Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze bzw. Nichterreichen einer spezifischen Berufsqualifikation bzw. eines sonstigen nach Änderung des maßgebenden Fachgesetzes erforderlichen objektiven Kriteriums), nicht jedoch von einer Vertretung im Willen durch den begünstigten Nacherben oder Dritten abhängt.2
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Eine derartige auflösende Bedingung erfasst darüber hinaus auch die o.g. Varianten der Ersatznacherben- bzw. Nachnacherbeneinsetzung. Fällt die Nacherbfolgeanordnung mit Bedingungseintritt weg, erlöschen zugleich die entsprechenden Ersatznacherben- bzw. Nachnacherbeneinsetzungen, die bis dahin jedoch wirksam bleiben.
1 Fröhler, BWNotZ 2010, 12 (19 f.); Rohner, ZEV 2003, 15 (16). 2 Palandt/Weidlich, § 2065 BGB Rz. 5 und 6: dort wird als zulässige Bedingung ausdrücklich der Abschluss einer Ausbildung anerkannt; Staudinger/Behrends/Avenarius, § 2100 BGB, Rz. 28, wonach ein zu erbringendes Verhalten des Nacherben, insbesondere das Ablegen einer Prüfung zulässige Bedingung sein kann.
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
Für diesen Fall setzt der Erlaubnisinhaber seinen Ehegatten ebenso wie 241 umgekehrt der Ehegatte den Erlaubnisinhaber zu seinem alleinigen Vollerben und die Kinder zu gleichen Teilen zu Ersatzerben, wiederum ersatzweise die Abkömmlinge eines wegfallenden Kindes nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung ein, so dass letztlich die Vorteile einer Einheitslösung aufleben können. (e) Testamentsvollstreckung und Verpachtungsrecht Ergänzend sollte Testamentsvollstreckung zum einen bis zum Eintritt des 242 Nacherbfalls als Nacherbenvollstreckung gemäß § 2222 BGB zur Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten der Nacherben, zum anderen ab Eintritt des Nacherbfalls zur Abwicklung und je nach Alter der Nacherben zur vorübergehenden Verwaltung des Nachlasses angeordnet werden. Hinsichtlich der Nachlassabwicklung nach Eintritt des Nacherbfalls könnte der Testamentsvollstrecker beauftragt werden, im Rahmen einer Teilungsanordnung nach § 2048 Satz 2 BGB dasjenige Kind auszuwählen, das zur Übernahme der Apotheke nach seinem billigen Ermessen am besten geeignet ist. Da der Ehegatte alleiniger Vorerbe ist, kommt er nicht als alleiniger Nacherbenvollstrecker in Betracht.1 Daher ist eine andere fachlich geeignete Vertrauensperson zum Testamentsvollstrecker zu ernennen. Da eine Apothekenverpachtung nur in den von § 9 Abs. 1 Satz 1 ApoG er- 243 fassten Ausnahmefällen zulässig ist, könnte fraglich sein, ob ein Testamentsvollstrecker anstelle der privilegierten Nacherben die in den Nachlass fallende Apotheke verpachten darf. Diese Frage stellt sich umso mehr, als den Nacherben gemäß § 2211 Abs. 1 BGB bereits aufgrund bloßer Anordnung der Testamentsvollstreckung unabhängig von einer Testamentsvollstreckerernennung bzw. Amtsannahme anders als bei einer Vollmacht ab dem (Nach-)Erbfall das Verfügungsrecht an der zum Nachlass gehörenden Apotheke entzogen ist2 und der Testamentsvollstrecker im eigenen Namen als Partei kraft Amtes auftritt.3 Soweit ersichtlich, ist diese Problematik in der veröffentlichen Literatur bzw. Rechtsprechung noch nicht behandelt worden. Da der Testamentsvollstrecker ungeachtet seiner formalen Amtsstellung letztlich ausschließlich auf Rechnung der betroffenen Nacherben handelt, Verpachtungseinnahmen daher alleine den nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG verpachtungsberechtigten Nacherben zugutekommen und damit gerade keine nach § 8 Satz 2 ApoG unzu-
1 OLG Zweibrücken v. 30.6.1999 – 3 W 124/99, FamRZ 2000, 323 f. = ZEV 2001, 27. Etwas anderes könnte nach BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f. = ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam nur dann gelten, wenn sich – anders als hier – die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverstößen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann. 2 Vgl. dazu Palandt/Weidlich, § 2211 BGB Rz. 2. 3 BGH v. 29.4.1954 – IV ZR 152/53, BGHZ 13, 203 (205) = NJW 1954, 1036.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
lässige Gewinnbeteiligung einer nichtverpachtungsberechtigten Person an der Apotheke erfolgt, dürfte eine Verpachtung durch den Testamentsvollstrecker zulässig sein.1 Um jedoch eventuelle Restrisiken aus einer derartigen Anordnung zu vermeiden, könnte hilfsweise zusätzlich eine postmortale, durch die Nacherben unwiderrufliche Vollmacht an die als Testamentsvollstrecker ernannte Person zum alleinigen Zweck der Verpachtung der Apotheke erteilt werden. (f) Berechtigung des Ehegatten zur lebzeitigen Übertragung der Apotheke an einen der Nacherben 244
Häufig besteht ein Bedürfnis dafür, dass der Ehegatte als Vorerbe die ihm überlassene Apotheke noch zu seinen Lebzeiten vor Eintritt des Nacherbfalls einem der Nacherben, der zwischenzeitlich approbierter Apotheker geworden ist und eine Betriebserlaubnis für die in Rede stehende Apotheke erhalten kann, gegen Einräumung entsprechender Gegenrechte insbesondere gegen Rentenzahlung überträgt, deren Höhe jedoch im Hinblick auf § 8 Satz 2 ApoG sicherheitshalber nicht an den Umsatz der Apotheke gekoppelt werden sollte. Grundsätzlich könnte eine derartige Übertragung durch vertragliche Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen Vorerbe und allen Nacherben einschließlich eventueller Nachnacherben, jedoch ohne Mitwirkungserfordernis seitens der Ersatznacherben2 realisiert werden.3
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Scheitert eine derartige Übertragung mangels Einvernehmens aller Beteiligten oder Nichtrealisierbarkeit einer ggf. erforderlichen familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung, kann dem Vorerben gleichwohl aufgrund letztwilliger Verfügung die Möglichkeit eröffnet sein, die Apotheke bereits vor Eintritt des Nacherbfalls zu Lebzeiten einem der Nacherben zukommen zu lassen. Dies könnte durch ein aufschiebend bedingtes Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben nach § 2110 Abs. 2 BGB dergestalt erfolgen, dass der Vorerbe dazu berechtigt wird, die Apotheke vor Eintritt des Nacherbfalls an einen der gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu übertragen und aufgrund dieser Berechtigung auf dem Weg dorthin durchgangsweise für eine logische Sekunde mit sofortiger dinglicher Wirkung frei von der Nacherbfolge vorab in sein ungebundenes Vermögen zwischenzuerwerben.4 Hierdurch würde der übernehmende Nacherbe zwar sein Verpach1 Fröhler, BWNotZ 2010, 12 (20). 2 BayObLG v. 1.3.2005 – 2Z BR 231/04, FamRZ 2005, 1862 = RNotZ 2005, 366 f. = DNotZ 2005, 790: kein Erfordernis einer Ersatznacherbenzustimmung zur Übertragung von Grundbesitz in das freie Vermögen des Vorerben ohne Nacherbenbindung durch Ausscheidungsvereinbarung zwischen Vor- und Nacherben. 3 Reimann, DNotZ 2007, 579 ff., dort auch zur Problematik der Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers bei nicht vollentgeltlicher Übertragung. Zur Zulässigkeit einer Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen Vor- und Nacherben analog § 2042 BGB BGH v. 13.10.2000 – V ZR 451/98, MDR 2001, 157 = DNotZ 2001, 392 (394); Palandt/ Weidlich, § 2100 BGB Rz. 18. 4 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 10 Rz. 43 mit Formulierungsvorschlag.
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
tungsrecht an der Apotheke verlieren, da er die Apotheke nicht von dem Erlaubnisinhaber (Erblasser), sondern dem zwischenzeitlich insoweit zum Vollerben erstarkten Vorerben erhält. Dies wäre jedoch unschädlich, da die Übertragung nur und erst dann erfolgen wird, wenn der übernehmende Nacherbe seinerseits approbierter Apotheker ist, eine entsprechende Betriebserlaubnis zur Führung der Apotheke erhalten wird und daher auf eine Verpachtung derselben nicht mehr angewiesen ist. Anders als der Ehegatte des Erlaubnisinhabers verlieren dessen Kinder als 246 Nacherben ihr Recht auf Verpachtung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG nicht alleine dadurch, dass eines von ihnen eine Apothekenbetriebserlaubnis erlangt. Daher würde durch eine derartige Betriebserlaubnis auch keine für den Fall der Nichtverpachtbarkeit der Apotheke vorgesehene auflösende Bedingung der Nacherbeneinsetzung ausgelöst werden. Da es für die Altersgrenze iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG primär auf das jüngste Kind ankommt, ist durchaus vorstellbar, dass insbesondere das älteste Kind bereits eine Apothekerapprobation besitzt, bevor das jüngste Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat. In derartigen Fällen dürfte daher (mangels Eintritts einer auflösenden Bedingung für die Nacherbfolge) das o.g. lebzeitige Übertragungsrecht in Gestalt eines aufschiebend bedingten Vorausvermächtnisses äußerst praxisrelevant sein. (g) Gegenständlich beschränkte Nacherbfolge Zur Verwirklichung einer der Vollerbeneinsetzung des Ehegatten mög- 247 lichst nahe kommenden Gestaltung bei gleichzeitiger Verpachtbarkeit der Apotheke durch die gemeinschaftlichen Kinder nach dem Tod des Ehegatten könnte zudem erwogen werden, die Nacherbfolge gegenständlich auf die Apotheke zu beschränken. Dies könnte im Ergebnis dadurch erreicht werden, dass alle über die Apotheke hinausgehenden weiteren Nachlassgegenstände dem Vorerben gemäß § 2110 Abs. 2 BGB im Wege des Vorausvermächtnisses kraft unmittelbarer dinglicher Wirkung frei von Nacherbenrechten in dessen Eigenvermögen übertragen werden.1 Soweit jedoch mehrere Nacherben vorhanden sind, wäre bei einer Übertragung der Apotheke als dem dann einzigen Nachlassbestandteil der Nacherbengemeinschaft auf einen der Nacherben mangels anderweitiger Ausgleichsmasse keine Realteilung möglich, sondern müsste statt dessen eine Abfindungszahlung aus Eigenmitteln des übernehmenden Nacherben geleistet werden, die ggf. eine vermeidbare steuerliche Zusatzbelastung auslösen könnte. Je nach steuerrechtlicher Vorgabe und Zusammensetzung des Vermögens des vorsorgenden Erlaubnisinhabers könnten im Wege einer Kompromisslösung neben der Apotheke bestimmte einzelne weitere Nachlassgegenstände von der vorausvermächtnisweisen Zuteilung an den Vorerben ausgenommen werden und als Ausgleichsmasse für eine Apothekenübernahme im Nacherbennachlass verbleiben.
1 Zum Vorausvermächtnis an den Vorerben Fröhler, BWNotZ 2005, 1 ff.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
(3) Nießbrauchs- bzw. Rentenvermächtnislösung 248
Zur Vermeidung der Beschränkungen aus einer Nacherbfolge könnte erwogen werden, dass der Erlaubnisinhaber die Kinder sofort zu gleichen Teilen zu seinen Erben einsetzt, die durch ein Vermächtnis zugunsten des Ehegatten auf Eigentumsübertragung am gesamten Nachlass mit Ausnahme der Apotheke samt etwaigen weiteren Nachlassgegenständen als Ausgleichsmasse für eine spätere Apothekenzuteilung, ein Nießbrauchsvermächtnis an der Apotheke und die Einsetzung des Ehegatten als dauerhaft verwaltenden Testamentsvollstrecker beschwert sind, wobei der Ehegatte seinerseits die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen zu seinen Erben einsetzen würde. Die Erbeinsetzungen und Vermächtnisanordnungen würden wechselbezüglich bzw. vertragsmäßig bindend vereinbart. Durch diese Gestaltung wäre zunächst gewährleistet, dass der Ehegatte (Nichterlaubnisinhaber) bezüglich aller Nachlassgegenstände mit Ausnahme der Apotheke samt Ausgleichsmasse als Vermächtnisnehmer zu seinen Lebzeiten ohne Beschränkungen aus einer Nacherbfolgeanordnung, jedoch in den Grenzen der Schlusserbenbindung frei verfügen könnte. Zugleich würden die Kinder die Apotheke unmittelbar vom Erlaubnisinhaber erben und wären – zumindest später nach Wegfall des Nießbrauchsvermächtnisses – diesbezüglich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG verpachtungsberechtigt.
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Fraglich ist jedoch, ob der Ehegatte aufgrund des Nießbrauchsvermächtnisses an der Apotheke verpachtungsberechtigt wird. Letzteres ergibt sich zunächst scheinbar unproblematisch aus dem Wesen des Nießbrauchs, der auch an einem Gewerbebetrieb bestellt werden kann. Aus der o.g. Regelung des § 8 Satz 2 ApoG, wonach jegliche Vereinbarung über eine Gewinnbeteiligung an einer Apotheke unzulässig ist, wird jedoch auch eine Unzulässigkeit eines Nießbrauchs an einer Apotheke abgeleitet.1 Aus demselben Grund erscheint an Stelle des Nießbrauchs an der Apotheke auch ein zugunsten des Ehegatten angeordnetes Rentenvermächtnis als unzulässig, soweit es sich an den tatsächlich erzielbaren bzw. durchschnittlichen Pachteinnahmen der betroffenen Apotheke orientiert.2 Sicherheitshalber sollte
1 Holland, DNotI-Report 1997, 222 (223); ähnlich Maier/Maier, S. 104 f. und Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 66, nach denen das Verbot des § 8 ApoG hingegen ausschließlich für erbvertragliche Vereinbarungen, nicht jedoch für testamentarische Anordnungen gelten soll; nach Schiedermair/Pieck, § 9 ApoG Rz. 32 kommt ein Nießbrauch zwecks Verpachtung zugunsten eines Verpachtungsberechtigten in Betracht, womit möglicherweise ein entsprechendes Vorausvermächtnis an einen Miterben gemeint ist; ein ähnlicher Fall dürfte dem nichtveröffentlichten Beschluss des BFH v. 26.7.2006 – X R 10/05 zugrundeliegen, wonach eine Apothekenverpachtung durch denjenigen, der an der Apotheke vermächtnisweise einen Nießbrauch erworben hat, alleine noch nicht zur Betriebsaufgabe führe – in dieser Entscheidung hatte sich der BFH jedoch nicht mit der Zulässigkeit eines Nießbrauchsvermächtnisses auseinander zu setzen. 2 Maier/Maier, Erben und Vererben einer Apotheke, 2000, S. 104 f. und Maier, Das Testament des Apothekers, 1983, S. 66, nach denen das Verbot des § 8 ApoG hingegen ausschließlich für erbvertragliche Vereinbarungen, nicht jedoch für testamentarische Anordnungen gelten soll.
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
daher von einer Gestaltung durch Nießbrauchs- oder an den konkreten Apothekenumsätzen orientiertes Rentenvermächtnis abgesehen werden. Soweit der Ehegatte seinerseits zumindest mittelbar auf Lebzeit von den Pachteinnahmen der Apotheke profitieren möchte und die Kinder keine umsatzunabhängigen Rentenzahlungen an den längstlebenden Elternteil (Nichterlaubnisinhaber) leisten müssen sollen, kommt letztlich doch nur eine Vor- und Nacherbenlösung in Betracht. (4) Erbengemeinschaftslösung Alternativ könnte erwogen werden, die Kinder sofort neben dem Ehegatten 250 als Miterben des Erlaubnisinhabers einzusetzen und den Ehegatten hinsichtlich der Erbteile der Kinder zum Testamentsvollstrecker zu ernennen. Zur Sicherstellung der Verpachtungsberechtigung der Kinder nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG wäre dann jedoch bezüglich des Erbteils des Ehegatten wiederum eine Nacherbfolge zugunsten der Kinder einschließlich entsprechender Regelungen zur Ersatznacherb- bzw. Nachnacherbfolge erforderlich, wobei der Ehegatte wiederum nicht Nacherbenvollstrecker sein könnte. Zudem wäre bezüglich der (Voll-)Erbteile der Kinder zur Vermeidung eines Verlustes ihres Verpachtungsrechts durch entsprechende Ersatzerbenbenennung bzw. Nacherbfolgeanordnung sicherzustellen, dass das Verpachtungsrecht auch insoweit nicht durch Eintritt anderer Personen als der Kinder oder des nicht erneut verheirateten Ehegatten des Erlaubnisinhabers entfällt. Auch eine sofortige Beteiligung der Kinder als Miterben könnte daher die Beeinträchtigung des Ehegatten durch eine zur Wahrung des Apothekenverpachtungsrechts der Kinder erforderliche Nacherbfolge nicht vermeiden. Vielmehr wird der Ehegatte selbst bei vorausvermächtnisweiser Zuwendung sonstigen Nachlassvermögens dadurch schlechter gestellt, dass er aufgrund seiner reduzierten Erbrechtsquote nur einen Teil der Einnahmen aus der Apothekenverpachtung erhält. cc) Weitestgehender Schutz der Kinder Beabsichtigt der Apothekeninhaber, seinem Ehegatten die Verpachtung 251 der Apotheke zu ermöglichen, aber seine Kinder nicht nur durch Sicherstellung ihrer Erbberechtigung auf den Tod seines längstlebenden Ehegatten einerseits und Wahrung ihrer Verpachtungsrechte andererseits, sondern auch vor eventuellen Pflichtteilsansprüchen Dritter (insbesondere späterer nicht gemeinsamer Kinder bzw. eines weiteren Ehegatten im Falle einer erneuten Eheschließung seines längstlebenden Ehegatten) oder lebzeitigen Verfügungen (insbesondere Schenkungen) an derartige Dritte zu schützen, kommt insbesondere eine Trennungslösung durch Nacherbeneinsetzung der Kinder ohne Befreiung des zum Vorerben bestimmten längstlebenden Ehegatten, ohne Vorausvermächtnisse zu dessen Gunsten und ohne auflösende Bedingung für die Nacherbfolge in Betracht.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
b) Ehegatte mit Apothekerapprobation 252
Besitzt der Ehegatte des erstversterbenden Erlaubnisinhabers eine Apothekerapprobation, verliert er nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG sein Verpachtungsprivileg an der geerbten Apotheke, wenn er für diese oder eine andere eigene oder gepachtete Apotheke eine Betriebserlaubnis erhält.1 In derartigen Fällen ist daher vorab zu klären, ob und in welcher Weise der approbierte längstlebende Ehegatte die Apotheke des Erlaubnisinhabers wirtschaftlich selbst nutzen können soll.
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Soll sich die Nutzung auf einen Eigenbetrieb der Apotheke des Erblassers durch den Ehegatten beschränken, könnte zunächst eine Einheitslösung durch Vollerbeneinsetzung des längstlebenden Ehegatten und Schlusserbenberufung der gemeinsamen Kinder in Betracht gezogen werden. Der längstlebende Ehegatte würde die Apotheke dann nach Eintritt des Erbfalls selbst betreiben und im Falle späterer gesundheitlicher Verhinderung unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ApoG ggf. auch verpachten können, während die Kinder als seine Erben ihrerseits unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG verpachtungsberechtigt wären, wenn er Betriebserlaubnisinhaber geworden und bis zu seinem Tod geblieben ist. Alternativ könnten die Ehegatten jeweils sofort die Kinder zu Erben einsetzen und diese mit weitreichenden Vermächtnissen samt Testamentsvollstreckung zugunsten des längstlebenden Ehegatten beschweren, zu denen auch ein Übernahmerecht an der Apotheke gehören würde. Als weitere Alternative kommt auch insoweit die o.g. Trennungslösung unter Vor- und Nacherbfolge in Betracht, die ein künftiges Verpachtungsrecht der Kinder am sichersten gewährleisten würde. c) Kind mit Apothekerapprobation
254
Ist eines der Kinder approbierter Apotheker, muss abgewogen werden, ob dieses Kind eine zum Nachlass des Erlaubnisinhabers gehörende Apotheke, soweit diese nicht bereits zu Lebzeiten des Erlaubnisinhabers übergeben wird, schnellst möglich nach dem Tod des Erlaubnisinhabers noch zu Lebzeiten des längstlebenden Ehegatten vermächtnisweise oder im Wege der lebzeitigen Übertragung durch den Ehegatten – beispielsweise gegen Bezahlung einer bestimmten nicht am Umsatz der Apotheke ausgerichteten Rente, bei angeordneter Nacherbfolge im Rahmen einer Trennungslösung aufgrund vorausvermächtnisweiser Berechtigung des Ehegatten – zum Zwecke des Eigenbetriebes zu Eigentum erhalten oder zunächst der längstlebende Ehegatte die Apotheke als (Vor-)Erbe des Erlaubnisinhabers unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG durch Verpachtung wirtschaftlich nutzen können soll. Soweit das Eigentum an der Apotheke an das approbierte Kind erst nach dem Tod des Ehegatten aus der Erbengemeinschaft der Kinder vorausvermächtnisweise oder aufgrund
1 Schiedermaier/Pieck, § 9 ApoG Rz. 74.
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
Teilungsanordnung übergehen soll, könnte der Ehegatte die Apotheke zu Lebzeiten vorab an das approbierte Kind verpachten. 2. Alleinstehender Apothekeninhaber mit Kindern Hat der Erlaubnisinhaber zwar Kinder, aber keinen Ehegatten oder Lebens- 255 partner, sind bei der Gestaltung letztwilliger Verfügungen aus apothekenrechtlicher Sicht ausschließlich die Verpachtungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ApoG zu berücksichtigen. Danach wäre zur Vermeidung eines Verlustes des Verpachtungsrechts aller Kinder, die zu Erben eingesetzt werden, durch entsprechende Ersatzerbenbenennung bzw. Nacherbfolgeanordnung sicherzustellen, dass keine anderen Personen als Kinder Erben des Erlaubnisinhabers werden. 3. Kinderloser Apothekeninhaber mit Ehegatte bzw. Lebenspartner Hat der Erlaubnisinhaber keine Kinder, ist der Ehegatte oder Lebenspart- 256 ner nur unter den o.g. Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ApoG verpachtungsberechtigt und daher als Alleinerbe einzusetzen. 4. Apothekenkammeranfrage Allgemein gilt, dass bei verbleibenden Zweifeln an der Vereinbarkeit von 257 letztwilligen Gestaltungsvarianten mit den spezifischen apothekenrechtlichen Vorgaben vorab eine diesbezügliche verbindliche Stellungnahme der zuständigen Apothekenkammer eingeholt werden sollte.
M 217
Verfgung von Todes wegen des Apothekeninhabers – sog. Apothekeninhabertestament (Ehemann als Apothekeninhaber, Ehefrau ohne Approbation)
(Form: Verfgung von Todes wegen) §1 Wir sind beide deutsche Staatsangehçrige, sind im gesetzlichen Gterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und haben vier gemeinschaftliche minderjhrige Kinder, unsere Tochter . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), unsere Tochter . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), unseren Sohn . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum) und unseren Sohn . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum). Vorsorglich heben wir frhere letztwillige Verfgungen auf. I. Regelungen auf das Ableben der Ehefrau §2 Ist die Ehefrau Erstversterbende, setzt sie den Ehemann als Lngstlebenden zu ihrem alleinigen Vollerben ein. Es ist keine Nacherbfolge angeordnet.
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
§3 Ist die Ehefrau Lngstlebende, fllt der Ehemann als Erbe anders als durch Tod weg bzw. versterben wir gleichzeitig, sind Erben der Ehefrau hinsichtlich des nicht von der u.g. Nacherbfolge erfassten Vermçgens zu untereinander gleichen Teilen unsere gemeinsamen Kinder, derzeit unsere Tochter . . . , unsere Tochter . . . , unser Sohn . . . und unser Sohn . . . , ersatzweise die Abkçmmlinge eines wegfallenden Erben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung, wiederum ersatzweise tritt Anwachsung ein. Die Ehefrau darf diese im hiesigen § 3 von ihr auf ihren Tod angeordneten letztwilligen Verfgungen bezglich ihres gesamten Nachlasses grundstzlich frei abndern. Dieser nderungsvorbehalt berechtigt jedoch lediglich dazu, nderungen zu Gunsten von Personen vorzunehmen, die unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge iSd. § 1589 Satz 1 BGB sind. Diese Beschrnkung entfllt wiederum, wenn alle gemeinschaftlichen Abkçmmlinge nach dem Tod des Ehemanns gegen den Willen der Ehefrau bzw. deren Erben den noch nicht verjhrten Pflichtteil gefordert und erhalten haben, wobei ein derartiges Verhalten eines gemeinschaftlichen Abkçmmlings dessen gesamtem Stamm zugerechnet wird, so dass gegenber diesem Stamm keine Bindung mehr besteht. Die Ehefrau ist insoweit auch ermchtigt, durch Verfgung unter Lebenden Vermçgensbertragungen zu Gunsten anderer Personen aus diesem Kreis vorzunehmen, ohne Ansprche analog §§ 2287 f. BGB auszulçsen. Der nderungsvorbehalt berechtigt dabei u.a. dazu, alle, einzelne oder einen einzelnen bzw. alleinigen Erben durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung, von Vermchtnissen bzw. Auflagen etc. zu beschweren bzw. derartige Regelung zu ndern. Zu Abkçmmlingen im Sinne dieses nderungsvorbehaltes zhlen auch nichteheliche Kinder und deren Abkçmmlinge. II. Regelungen auf das Ableben des Ehemanns §4 Ist der Ehemann Erstversterbender, setzt er die Ehefrau als Lngstlebende zu seiner alleinigen Vorerbin ein. Diese ist von allen Beschrnkungen befreit, von denen nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann. Der Nacherbfall tritt mit einer Wiederverheiratung bzw. mit dem Tode der Vorerbin ein. §5 Ist der Ehemann Erstversterbender, sind dessen Nacherben zu untereinander gleichen Teilen unsere gemeinsamen Kinder, derzeit unsere Tochter . . . , unsere Tochter . . . , unser Sohn . . . und unser Sohn . . . . Ersatznacherben sind im Wege der Anwachsung die jeweils anderen Kinder, soweit sie Mitnacherben sind. Die Nacherbanwartschaften sind weder vererblich noch verußerlich, wobei eine Verußerung an den Vorerben zulssig ist und dann jede ausdrckliche oder stillschweigende Ersatznacherbeneinsetzung entfllt. §6 Es wird jeweils weitere Nacherbfolge angeordnet. Die vorstehend genannten jeweiligen Nacherben bzw. Ersatznacherben haben in der Zeit vom ersten Nacherbfall bis zum weiteren Nacherbfall die Rechtsstellung eines Vorerben, sind jedoch jeweils von allen Beschrnkungen befreit, von denen nach dem
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
Gesetz Befreiung erteilt werden kann. Die weitere Nacherbfolge tritt jeweils mit dem Tod des jeweiligen ersten Nacherben ein. Auf den Tod des jeweiligen weiteren Nacherben wird jedoch keine nochmalige weitere Nacherbfolge angeordnet. Jeweils weitere Nacherben auf den jeweiligen Tod des jeweiligen ersten Nacherben sind dessen Mitnacherben zu untereinander gleichen Teilen. Diese Nachnacherbanwartschaften sind weder vererblich noch verußerlich, wobei eine Verußerung an den ersten Nacherben zulssig ist und dann auch jede ausdrckliche oder stillschweigende Ersatznachnacherbeinsetzung entfllt. §7 Die Ehefrau erhlt im Wege des Vorausvermchtnisses frei von der Nacherbfolge . . . (Nachlassgegenstnde mit Ausnahme von Apotheken und diesbezglichem Ausgleichungsvermçgen), soweit diese Gegenstnde in den Nachlass des Ehemanns fallen. Die Ehefrau hat als Vorerbin zudem das Recht, ber Nachlassgegenstnde jeglicher Art, insbesondere die Apotheke samt Ausgleichungsvermçgen, vor Eintritt des Nacherbfalls durch bertragung an einen oder mehrere gemeinschaftliche Abkçmmlinge von uns beiden zu verfgen. Wird in dieser Weise ber Nachlassgegenstnde verfgt, gelten diese der Ehefrau durch den Ehemann ebenfalls als vorausvermchtnisweise frei von der Nacherbfolge zugewendet. Uns ist bekannt, dass bei entsprechender Verfgung ber in den Nachlass fallende Apotheken deren Verpachtbarkeit erlischt und, soweit dadurch keine Apotheke mehr im Nachlass des Ehemanns verbleibt, die gesamte Nacherbfolgeanordnung wegfllt. §8 Die Anordnung der Nacherbfolge und der weiteren Nacherbfolge ist ungeachtet spter eintretender gesetzlicher oder faktischer Vernderungen auflçsend bedingt um das Nichtbestehen (zB nach derzeitigem Gesetzesstand: es fllt keine Apotheke in den Nachlass bzw. der Erblasser besaß bei seinem Tod fr keine in den Nachlass fallende Apotheke eine Betriebserlaubnis) bzw. den Wegfall (zB nach derzeitigem Gesetzesstand: smtliche zunchst in den Nachlass gefallenen Apotheken scheiden aus dem Nachlass aus, alle Kinder fallen als Nacherben weg bzw. das jngste Kind berschreitet die maßgebliche Altersgrenze) der gesetzlichen Voraussetzungen fr eine Verpachtbarkeit aller in den Nachlass fallenden Apotheken durch die Nacherben. Die Ehefrau ist somit auflçsend bedingte Vorerbin bzw. aufschiebend bedingte Vollerbin. Zusatz, wenn auf Ersatznacherbeinsetzung der anderen Nacherben und auf weitere Nacherbfolge verzichtet wird: Ist der Nacherbfall zum Zeitpunkt des Wegfalls der Verpachtungsvoraussetzungen bereits eingetreten und kann das Verpachtungshindernis durch Rechtsgeschft unter Lebenden (zB Erbauseinandersetzung, Abschichtungsvereinbarung, Erbteilsbertragung etc.) beseitigt werden, tritt die auflçsende Bedingung jedoch nur dann ein, wenn innerhalb von drei Monaten nach dem o.g. Wegfallzeitpunkt durch ein derartiges Rechtsgeschft keine Verpachtungsberechtigung ausgelçst wurde. §9 Tritt die auflçsende Bedingung iSd. § 8 ein, ist die Ehefrau Vollerbin und sind unsere o.g. Kinder, hilfsweise die Abkçmmlinge eines wegfallenden Kindes
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6. Kap. Besondere Typen letztwilliger Verfgungen
nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung Ersatzerben. Fr die Ehefrau gilt dann § 3. § 10 Ist der Ehemann Lngstlebender, fllt die Ehefrau als Erbe anders als durch Tod weg bzw. versterben wir gleichzeitig, sind Erben des Ehemanns zu untereinander gleichen Teilen unsere gemeinsamen Kinder als Vorerben, derzeit unsere Tochter . . . , unsere Tochter . . . , unser Sohn . . . und unser Sohn . . . . Diese sind als Vorerben jeweils von allen Beschrnkungen befreit, von denen nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann. Ersatzerben jedes Vorerben sind im Wege der Anwachsung die anderen Mitvorerben ebenfalls als befreite Vorerben. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des jeweiligen Vorerben ein. Nacherben sind zu untereinander gleichen Teilen die jeweils anderen og. Kinder, soweit sie Mitvorerben bzw. Mitnacherben sind. Ersatznacherben sind im Wege der Anwachsung unsere jeweils anderen Kinder, soweit sie Mitvorerben bzw. Mitnacherben sind. Die Nacherbanwartschaften sind weder vererblich noch verußerlich, wobei eine Verußerung an den Vorerben zulssig ist und dann jede ausdrckliche oder stillschweigende Ersatznacherbeneinsetzung entfllt. Es wird jeweils analog § 6 weitere Nacherbfolge angeordnet. Die Anordnung der Nacherbfolge und der weiteren Nacherbfolge ist analog § 8 auflçsend bedingt. Die Kinder sind somit auflçsend bedingte Vorerben bzw. aufschiebend bedingte Vollerben. § 11 Ist der Ehemann Lngstlebender, fllt die Ehefrau als Erbe anders als durch Tod weg oder versterben wir gleichzeitig und tritt die auflçsende Bedingung iSd. § 10 ein, sind Erben des Ehemanns zu untereinander gleichen Teilen unsere gemeinsamen Kinder als Vollerben, derzeit unsere Tochter . . . , unsere Tochter . . . , unser Sohn . . . und unser Sohn . . . , ersatzweise die Abkçmmlinge eines wegfallenden Kindes nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung, wiederum ersatzweise tritt Anwachsung ein. § 12 Der Ehemann darf diese in §§ 5, 6, 10 und 11 von ihm auf seinen Tod angeordneten letztwilligen Verfgungen bezglich seines gesamten Nachlasses grundstzlich frei abndern und dabei die Nacherbfolgeanordnung auch unbedingt aufheben. Dieser nderungsvorbehalt berechtigt jedoch lediglich dazu, nderungen zu Gunsten der Ehefrau und von Personen vorzunehmen, die unsere gemeinschaftlichen Abkçmmlinge iSd. § 1589 Satz 1 BGB sind. Diese Beschrnkung entfllt wiederum, wenn alle gemeinschaftlichen Abkçmmlinge nach dem Tod der Ehefrau gegen den Willen des Ehemanns bzw. dessen Erben den noch nicht verjhrten Pflichtteil gefordert und erhalten haben, wobei ein derartiges Verhalten eines gemeinschaftlichen Abkçmmlings dessen gesamtem Stamm zugerechnet wird, so dass gegenber diesem Stamm keine Bindung mehr besteht. Der Ehemann ist insoweit auch ermchtigt, durch Verfgung unter Lebenden Vermçgensbertragungen zu Gunsten anderer Personen aus diesem Kreis vorzunehmen, ohne Ansprche analog
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G. Das Testament des Apothekeninhabers
§§ 2287 f. BGB auszulçsen. Der nderungsvorbehalt berechtigt dabei u.a. dazu, alle, einzelne oder einen einzelnen bzw. alleinigen Erben durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung, von Vermchtnissen bzw. Auflagen etc. zu beschweren bzw. derartige Regelung zu ndern. Zu Abkçmmlingen im Sinne dieses nderungsvorbehaltes zhlen auch nichteheliche Kinder und deren Abkçmmlinge. § 13 Soweit gesetzlich mçglich, sind die vorstehenden Regelungen wechselbezglich bindend vereinbart. Der jeweilige Abnderungsvorbehalt ist jedoch beachtlich. III. Regelungen auf den Tod beider Ehegatten (Testaments- und Nacherbenvollstreckung)
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7. Kapitel Das Testament des Unternehmers
Inhaltsübersicht Rz. A. Fallgruppen und Zwecke des Unternehmertestaments . . . . . . . I. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Determinanten . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Verhältnisse . . . . . . 3. Persönliche Verhältnisse . . . . . 4. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fallgruppe – Gestaltungszweck – Gestaltungstyp . . . . . . II. Vorerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelung des vorzeitigen Versterbens . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Billigkeitserwägungen . . . . . . . III. Zwecke des Unternehmertestaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veräußerung oder Fortführung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modalitäten der Fortführung. . 3. Überbrückung von Vakanzzeiten in der Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragsteuerfolgen des Erbfalls . . III. Beispielhafter Gestaltungsfall . . . IV. Störfall Abfindungszahlungen . . . 1. Abfindungszahlungen führen zu Veräußerungsgewinnen . . . 2. Vermeidung von Veräußerungsgewinnen durch das „Frankfurter Testament“ . . . . . V. Änderung der Rechtsprechung zur erbschaftsteuerlichen Bewertung von Sachvermächtnissen? . . VI. Nachfolge in eine Beteiligung an einer Personengesellschaft . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefahren bei Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung von Entnahmen beim Sonderbetriebsvermögen a) Vermächtnis oder Teilungsanordnung helfen nicht . . . . . .
1 1 1 3 4 7 8 9 10 10 12 13 13 16
17
19 19 20 21 23 23
24
27 29 29 30 35 35
Rz. b) Gesellschaftsrechtliche Sondernachfolge auch für das Sonderbetriebsvermögen . . . . . 36 c) Der sichere Weg. . . . . . . . . . . . . 41 C. Die Vererbung eines Einzelunternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vererblichkeit, handelsrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewerbe- und handwerksrechtliche Beschränkungen . . . . . . . . . . III. Fortführung des Einzelunternehmens durch die Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ertragsteuerliche Folgen . . . . . . . . D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Vererbung der Mitgliedschaft des persönlich haftenden Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die gesetzliche Ausgangslage . 2. Die Fortsetzung der Gesellschaft unter Ausscheiden der Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vererbung der Mitgliedschaft auf den Alleinerben . . . . 4. Die Vererbung der Mitgliedschaft auf mehrere Erben . . . . . a) Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Erbrecht . . . b) Die Rechtsprechung zur erbrechtlichen Sondernachfolge in die Mitgliedschaft . 5. Entscheidungskonforme Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine erbrechtliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . . b) Qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . . 6. Vorausvermächtnis des Beteiligungswertes . . . . . . . . . . 7. Auswahl aus mehreren Nachfolgeberechtigten . . . . . . . 8. Beschränkung der Sondererbfolge auf einzelne von mehreren nachfolgeberechtigten Erben? . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 46
47 49 51
51 51
55 58 60 60
61 66 67 68 69 70
71
649
7. Kap. Das Testament des Unternehmers Rz. 9. Verhältnis zu den übrigen Nachlassbeteiligten . . . . . . . . 75 10. Die gescheiterte erbrechtliche Nachfolgeklausel . . . . . 76 11. Zuwendung der Mitgliedschaft durch Vermächtnis . . . 78 12. Das Wahlrecht nach § 139 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 13. Nießbrauch an der Gesellschaftsbeteiligung, Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . 84 14. Sondererbfolge und Sonderbetriebsvermögen . . . . . . . 86 II. Nachfolge in die Mitgliedschaft aufgrund lebzeitiger Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Eintrittsrecht. . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Nachfolgerecht . . . . . . . . . . . . . 91 3. Rechtsfolgen der lebzeitigen Nachfolgeregelungen . . . . . . . . 92 a) Eintrittsklauseln . . . . . . . . . 92 b) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklauseln . . . . . . . . . . . . 94 III. Die Vererbung des Kommanditanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Die Vererbung des GmbHAnteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte . . . 104 I. Die materielle Höchstpersönlichkeit der Erbenbestimmung. . . . . . 104 II. Notwendige Einschränkungen der materiellen Höchstpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104a III. Die Rechtsprechung: Fremdbezeichnung statt Fremdbestimmung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 IV. Die Kautelarpraxis: Eigenbestimmung unter Instrumentalisierung der Vertrauensperson . . . . . . 108 1. Ausgangspunkt Vor- und Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Die Bedingungslösung . . . . . . . 110 3. Die Maßgabelösung . . . . . . . . . 112 4. Die Kombinationslösung . . . . . 115 5. Vermächtnislösungen . . . . . . . 116 V. Praktische Empfehlung . . . . . . . . 118 F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Grundstücksnießbrauch. . . . . . . . 121
650
Rz. III. Nießbrauch am Unternehmen . . . IV. Ertragsnießbrauch . . . . . . . . . . . . . V. Schuldrechtliches Ertragsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Nießbrauch an Personengesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Nießbrauch am GmbH-Anteil . . . VIII. Rentenvermächtnis . . . . . . . . . . . . IX. Stille Beteiligung oder Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Beteiligung statt Abfindung . . . . . G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich. . . . . . . . . . I. Eignung der Testamentsvollstreckung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen . . . . . . . . 1. Unzulässigkeit der Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen . . . . . . . . . 2. Kautelarjuristische Ersatzlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Treuhandlösung . . . . . . . . . . b) Vollmachtlösung . . . . . . . . . c) Weisungsgeberlösung, beaufsichtigende Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . d) Umwandlungsanordnung . . 3. Wertung und Empfehlungen . . 4. Formulierungsbeispiel . . . . . . . III. Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustimmung der Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre als weitere Beschränkung der Testamentsvollstreckung? . . . . . . . . . . . . . . 4. Ist die Testamentsvollstreckung an der Außenseite der Beteiligung praxistauglich? . . . 5. Die Ersatzlösungen: Vollmachtlösung, Treuhandlösung, Weisungsgeberlösung . 6. Umwandlungsanordnung an den Testamentsvollstrecker . . . 7. Ein gangbarer Weg: Die Testamentsvollstreckung an der Kommanditbeteiligung. . . . . . .
122 123 125 126 127 128 131 142 143 143 146
146 149 150 155
158 161 162 167
168 168
173
177
181
182 184
188
A. Fallgruppen und Zwecke des Unternehmertestaments Rz. IV. Testamentsvollstreckung an GmbH-Geschäftsanteilen . . . . . . 192 V. Testamentsvollstreckung an Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 H. Die letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel . . . . . . . . . . . . . I. Fallgruppe und Interessenlage . . . II. Fallgruppe Beteiligung statt Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Urteil des BGH vom 19.3.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit einer Hinauskündigungsklausel . . . . . . . . . . . . .
198 198 199 199 202
I. Typen von Unternehmertestamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Das Unternehmertestament als Teil der Nachfolgeplanung . . . . . . 208
Rz. II. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zentrale Fallgruppen. . . . . . . . . 2. Fallgruppe jüngerer Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallgruppe älterer Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unternehmertyp . . . . . . . . . . . . III. Testament des jungen Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Testament des Mitgesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Testament des Alleingesellschafters einer GmbH . . . . . . . . . . VI. Das Testament des Einzelunternehmers mit noch minderjährigen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . .
210 210 211 212 213 213
214 215
216
A. Fallgruppen und Zwecke des Unternehmertestaments I. Fallgruppen 1. Determinanten Im Unternehmertestament bestimmt der Unternehmer letztwillig über 1 das Schicksal seines Unternehmens. Dieser Unternehmensbezug definiert die Fallgruppen und Typen, die der Zweckverwirklichung dienen. Auszugehen ist von der jeweiligen Fallgestaltung, die nach den Grundsätzen der Fallgruppenbildung zu qualifizieren ist. Für die Fallgruppenbildung maßgeblich sind die rechtlichen und tatsäch- 2 lichen Verhältnisse des Unternehmens, die Stellung des Unternehmers in diesem Unternehmen, die persönlichen Verhältnisse des Unternehmers, insbesondere seine familiäre Situation und sein Vermögen außerhalb des Betriebsvermögens, sowie die zivil- und steuerrechtlichen Determinanten, insbesondere die Vorgaben des Erbrechts, des Erbschaftsteuerrechts und des Ertragsteuerrechts. 2. Rechtliche Verhältnisse Was die rechtlichen Verhältnisse des Unternehmens betrifft, so ist zu- 3 nächst maßgeblich, ob es sich um ein Einzelunternehmen, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt. Hiernach bestimmen sich die Grundsätze der Vererbung und insbesondere der Nachfolgegünstigkeit der Rechtsform. Tatsächlich ist vor allem für die Zukunftsprognose von Interesse, wie groß und wie ertragsstark das Unternehmen ist. 651
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
3. Persönliche Verhältnisse 4
Hinsichtlich der Stellung des Unternehmers im Unternehmen ist im Hinblick auf die letztwilligen Verfügungsbefugnisse zu unterscheiden, ob es sich um einen Einzelunternehmer, den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft oder lediglich um einen Mitgesellschafter handelt. Die typischen Möglichkeiten und Probleme des Unternehmertestaments ergeben sich nur, wenn der Unternehmer allein das weitere Schicksal des Unternehmens bestimmen kann.
5
Bei den familiären Bezügen des Unternehmers ist maßgeblich, ob der Unternehmer pflichtteilsberechtigte Erben hat, also Ehegatten und Abkömmlinge bzw. Eltern. Diese Personen sind einmal Empfänger der Fürsorge des Unternehmers, so etwa der Ehegatte hinsichtlich seiner Versorgung nach dem Tod des Unternehmers oder die Abkömmlingen hinsichtlich der Sicherstellung ihrer Berufsausbildung. Andererseits können diese Personen im Hinblick auf ihre Pflichtteilsrechte auch Störfaktoren für die Unternehmensfortführung bilden.
6
Bei den sonstigen Verhältnissen des Unternehmers ist für die Unternehmensfortführung relevant, ob der Unternehmer außerhalb des Betriebsvermögens noch über wesentliches Privatvermögen verfügt, aus dem weichende Pflichtteilsberechtigte abgefunden und versorgt werden können. 4. Erbrecht
7
Zu den rechtlichen Determinanten der Fallgruppenbildung gehören einmal die erbrechtlichen Grundsätze. Hier ist vor allem im Regelfall davon auszugehen, dass die gesetzliche Erbfolge mit der Vergemeinschaftung des Nachlasses im gesamthänderischen Verband einer Erbengemeinschaft für die Unternehmensnachfolge nicht geeignet ist. Abstimmungsprobleme ergeben sich weiterhin aus den dogmatischen Konflikten zwischen Erbrecht einerseits und Handels- und Gesellschaftsrecht andererseits. Im Bereich der Vererbung von Personengesellschaftsanteilen ist insofern die Rechtsprechung zur erbrechtlichen Sondernachfolge zu beachten. Hier sind die Probleme weitgehend gelöst, während sich im Bereich der Testamentsvollstreckung über Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen noch offene Fragen finden. Weitere offene Probleme bestehen angesichts des Höchstpersönlichkeitsgebotes aus § 2065 BGB im Bereich der Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte. Bei allen Gestaltungen sind die Beschränkungen zu beachten, die das Pflichtteilsrecht mit sich bringt. 5. Steuerrecht
8
Eine weitere Determinante der Fallgruppenbildung ist das Steuerrecht. Hier kommt es im Bereich der Ertragsteuern vor allem darauf an, steuerschädliche Entnahmewirkungen zu vermeiden. Im Bereich der Erbschaftsteuer sind die Bewertungs- und Behaltensvorschriften des neuen Rechts
652
A. Fallgruppen und Zwecke des Unternehmertestaments
zu beachten. Zur Erbschaftsteuerentscheidung des BVerfG v. 17.12.2014 s. oben 1. Kap. Rz. 417 ff. 6. Fallgruppe – Gestaltungszweck – Gestaltungstyp Aus der zusammenfassenden Analyse dieser Faktoren der Fallgruppenbil- 9 dung ermittelt der Testamentsgestalter die für die Zweckverwirklichung und Gestaltung maßgebliche Fallgruppe, von der auszugehen ist. Aus der maßgeblichen Fallgruppe ergibt sich der Gestaltungszweck, aus dem Zusammenspiel beider der Gestaltungstyp.
II. Vorerwägungen 1. Regelung des vorzeitigen Versterbens Soweit es die konkrete Fallgestaltung zulässt, sollten die folgenden Vor- 10 erwägungen vom Unternehmer angestellt und vom Testamentsgestalter angesprochen werden. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Unternehmertestament immer 11 nur die zweitbeste Lösung der Frage der Unternehmensnachfolge darstellt. Vorrang hat immer die lebzeitige Lösung durch Übertragung des Unternehmens im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf den Unternehmensnachfolger. Auf sie sollte die Lebensplanung des Unternehmers ausgerichtet sein. Das Unternehmertestament trifft Vorsorge für den Fall des vorzeitigen Versterbens des Unternehmers. Diese Vorsorge ist aber nicht nur wünschenswert, sondern unerlässlich. Insofern werden derartige Testamente derzeit noch viel zu selten errichtet. 2. Billigkeitserwägungen Bei der Gestaltung des Unternehmertestaments sollte man bei Vorhan- 12 densein mehrerer pflichtteilsberechtigter Erben auf die Transparenz und die Ausgewogenheit der Gestaltung insgesamt achten. Den weichenden Erben sollte die Motivation des Erblassers nachvollziehbar sein. Beim Unternehmertestament unterliegt das Streben nach Gleichbehandlung im Familienverband Modifikationen durch das Ziel der Unternehmenserhaltung und dadurch, dass dem Unternehmensnachfolger mit dem Unternehmen auch das unternehmerische Risiko vererbt wird. Dies rechtfertigt es, dem Unternehmensnachfolger nach absoluten Werten mehr zuzuteilen als den anderen Familienmitgliedern.
III. Zwecke des Unternehmertestaments 1. Veräußerung oder Fortführung? Wie immer bei der Vertrags- und Rechtsgeschäftsgestaltung gibt es auch 13 beim Unternehmertestament Haupt- und Nebenzwecke, konkurrierende Zwecke und antagonistische Zwecke. 653
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
14 Die Vorstellungen des Unternehmers sind zunächst auf den Zeitpunkt der
Errichtung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln und auf ihre Zweckmäßigkeit und die Möglichkeiten ihrer rechtlichen Verwirklichung zu untersuchen. Dabei ist von der gegenwärtigen Eignung der letztwilligen Verfügung für die Unternehmensnachfolge auszugehen, also hypothetisch davon, dass der Unternehmer im Anschluss an die Errichtung des Testaments verstirbt. Zunächst ist zu fragen, ob das Unternehmen fortgeführt oder veräußert werden soll. 15 Ist nach gegenwärtiger Einschätzung die Fortführung des Unternehmens
nicht möglich, so kann sich das Testament darin erschöpfen, die Modalitäten der Veräußerung zu bestimmen und eine streitvermeidende Veräußerung etwa durch den Testamentsvollstrecker zu ermöglichen. In diesem Fall stellen sich die typischen Probleme des Unternehmertestaments nicht. 2. Modalitäten der Fortführung 16 Soll das Unternehmen über den Tod des Unternehmers hinaus fortgeführt
werden, so stellt sich die Frage nach der künftigen unternehmerischen Verantwortlichkeit. Der einfachste Fall ist hier der, dass ein geeigneter Unternehmensnachfolger, etwa ein Abkömmling, bereits vorhanden ist. Er kann Alleinerbe werden oder das Unternehmen im Wege des Vermächtnisses erhalten. Hinterlässt der Erblasser noch den Ehegatten und andere Kinder, so ist deren Versorgung und Abfindung zu regeln. Insbesondere die Versorgung des überlebenden Ehegatten bildet häufig einen konkurrierenden Zweck neben dem der Unternehmensfortführung. Der einfachere Fall ist hier der, dass die Versorgung und Abfindung aus sonstigem Vermögen des Erblassers außerhalb des Betriebsvermögens möglich ist. Kann die Versorgung nur über das Betriebsvermögen erfolgen, so bieten sich beschränkte Rechte wie der Zuwendungsnießbrauch, die Rentenreallast oder die stille Beteiligung an. Ist eine Abfindung der weichenden Erben bei gleichzeitiger Erhaltung der Liquidität des Unternehmens nicht möglich, so können diese als Gesellschafter minderen Rechts, etwa als Kommanditisten, am Unternehmen beteiligt werden. 3. Überbrückung von Vakanzzeiten in der Unternehmensführung 17 Ist derzeit ein geeigneter Unternehmensnachfolger noch nicht vorhanden,
kann er sich aber künftig etwa aus den Reihen der derzeit noch in Ausbildung befindlichen Kinder ergeben, so geht es um die Überbrückung der Zwischenzeit und die schließliche Bestimmung des geeigneten Unternehmensnachfolgers. Das rechtliche Instrument hierzu ist die Testamentsvollstreckung. Der zu bestimmende Testamentsvollstrecker sollte einmal das Vertrauen des Unternehmers haben, zum Zweiten das Unternehmen so gut kennen, dass er sofort handlungsfähig ist, und zum Dritten über die nötige unternehmerische Sachkunde verfügen. Hier bieten sich der rechtliche oder steuerliche Berater des Unternehmens als Testamentsvollstrecker an, weiterhin der langjährige leitende Angestellte, diese Personen ge654
B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermchtnisnehmer
gebenenfalls auch nebeneinander und einander ergänzend, in Ausnahmefällen auch der Ehegatte bzw. Lebenspartner des Unternehmers. Soll das Unternehmen nach dem Willen des Unternehmers erhalten blei- 18 ben, bietet sich aber derzeit und auf längere Sicht kein geeigneter familiärer Unternehmensnachfolger an, so kann an die letztwillige Stiftung gedacht werden, die dann als Unternehmensträger fungiert; vgl. 6. Kap. Rz. 166 ff.
B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermächtnisnehmer I. Fragestellung Sind im Unternehmertestament neben dem Abkömmling, der Unterneh- 19 mensnachfolger sein soll, noch weitere Personen wie etwa der überlebende Ehegatte und sonstige Abkömmlinge zu bedenken, so ist zu entscheiden, ob der Unternehmensnachfolger das Unternehmen als Alleinerbe, Miterbe oder Vermächtnisnehmer erwerben soll. Hier spielen ertragsteuerliche Gesichtspunkte eine wichtige, häufig entscheidende Rolle. Sie führen regelmäßig dazu, dass entgegen der allgemeinen Empfehlung der Abkömmling als Unternehmensnachfolger dem Ehegatten insofern vorgezogen wird, als er und nicht der Ehegatte die Stellung des Erben erhält.
II. Ertragsteuerfolgen des Erbfalls Der Bundesfinanzminister hat mit Schreiben vom 11.1.19931 und 20 14.3.20062 in Umsetzung der Rechtsprechung des BFH3 zur ertragsteuerlichen Behandlung der Erbengemeinschaft und ihrer Auseinandersetzung in einer Weise Stellung genommen, die eine auch den steuerlichen Notwendigkeiten gerecht werdende Testamentsgestaltung erlaubt. Es gelten die folgenden Grundsätze (Tz. = Textzahl des BMF-Schreibens vom 14.3.2006): 1. Erbfall und Erbauseinandersetzung bilden für die Einkommenbesteuerung keine rechtliche Einheit (Tz. 2). 2. Die Erben erzielen keine vom Erblasser abgeleiteten, sondern eigene Einkünfte. Bei Gewinneinkünften sind sie Mitunternehmer, auch wenn sie sich alsbald auseinander setzen (Tz. 1, 3). 3. Hinsichtlich der laufenden Einkünfte wird eine auf den Zeitpunkt des Erbfalls rückwirkende Zurechnung für Auseinandersetzungsvereinbarungen innerhalb 6 Monaten nach dem Erbfall anerkannt (Tz. 7, 8).
1 BStBl. I 1993, S. 62 = FR 1993, 96 = NJW 1993, 977 = DB-Beilage Nr. 2/93. 2 BStBl. I 2006, S. 253 = ZEV 2006, 154. 3 BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, S. 837 = FamRZ 1991, 64 = NJW 1991, 249.
655
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
4. Die Realteilung des Nachlasses ohne Abfindungszahlung ist bei Betriebs- wie bei Privatvermögen ein unentgeltlicher Vorgang, bei dem keine Veräußerungsgewinne und Anschaffungskosten entstehen (Tz. 10). 5. Dadurch, dass die Realteilung auf einer Teilungsanordnung des Erblassers beruht, ergeben sich keine Besonderheiten (Tz. 67, 68). 6. Das Vermächtnis hinsichtlich eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens führt zu einem von den Erben zu versteuernden Entnahmegewinn. Dies gilt auch dann, wenn das Wirtschaftsgut beim Vermächtnisnehmer Betriebsvermögen wird (Tz. 60). 7. Betrifft das Sachvermächtnis dagegen einen ganzen Betrieb, so erzielt der Alleinerbe oder die Erbengemeinschaft keinen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn. Der Vermächtnisnehmer führt nach § 7 Abs. 1 EStDV die Buchwerte der Erbengemeinschaft fort (Tz. 61). 8. Die Grundsätze Ziffer 6 und 7 gelten auch für das Vorausvermächtnis (Tz. 64, 65).
III. Beispielhafter Gestaltungsfall 21 Die Steuerfolge nach den Grundsätzen der BMF-Schreiben sollen an dem
Fall erläutert werden, dass der Unternehmer den Betrieb seinem Sohn, sein Privatvermögen – Familienheim und Gelder – seiner Frau letztwillig zuwenden will und keine Entnahme entstehen soll. Zivilrechtlich kommen die folgenden Gestaltungen in Betracht: Gestaltung 1: Ehefrau wird Alleinerbin, der Betrieb geht als Vermächtnis an den Sohn. Gestaltung 2: Der Sohn wird Alleinerbe, das Privatvermögen geht als Vermächtnis an die Ehefrau, diese wird eventuell Testamentsvollstrecker. Gestaltung 3: Ehefrau und Sohn werden Miterben zu Erbteilen, die dem Wertverhältnis des Betriebsvermögens zum Privatvermögen entsprechen, Teilungsanordnung. Gestaltung 4: Ehefrau und Sohn werden Miterben je zur Hälfte, Teilungsanordnung, etwaige Mehrzuteilung Vorausvermächtnis. Gestaltung 5: Ehefrau und Sohn werden Miterben je zur Hälfte, die Ehefrau erhält das Privatvermögen als Vorausvermächtnis, der Sohn erhält den Betrieb als Vorausvermächtnis. 22 Aus der Anwendung des BMF-Schreibens vom 14.3.2006 auf diese mögli-
chen Gestaltungen ergibt sich, dass bei keiner Gestaltung ein steuerpflichtiger Entnahmegewinn entsteht.1
1 Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 22 Rz. 22.
656
B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermchtnisnehmer
IV. Störfall Abfindungszahlungen 1. Abfindungszahlungen führen zu Veräußerungsgewinnen Die Realteilung des Nachlasses zwischen den Miterben mit Abfindungs- 23 zahlungen führt beim Leistenden zu Anschaffungskosten, beim Empfänger der Abfindungszahlung zu einem Veräußerungserlös. Dies gilt auch, wenn die Auseinandersetzung auf einer Teilungsanordnung des Erblassers beruht, da die Teilungsanordnung nicht zu einem Erwerb der zugewiesenen Vermögensgegenstände vom Erblasser, sondern von der Erbengemeinschaft führt. Ordnet der Erblasser letztwillig an, dass eine Teilungsanordnung nicht zu Abfindungszahlungen führen soll, auch wenn sie dazu führt, dass ein Miterbe wertmäßig mehr erhält als seiner Erbquote entspricht (Vorausvermächtnis der Wertdifferenz), so entstehen keine Entnahmeprobleme. 2. Vermeidung von Veräußerungsgewinnen durch das „Frankfurter Testament“ Der praktische Regelfall ist, dass der Erblasser bei Teilungsanordnungen 24 die Abfindungszahlung ausschließt und dabei in Kauf nimmt, dass die Miterben wertmäßig ungleich bedacht werden. Ein Mehrempfang des Unternehmensnachfolgers rechtfertigt sich dabei angesichts der Erwägung, dass der Unternehmensnachfolger das Unternehmensrisiko zu tragen hat, mit der latenten Aufgabegewinnbesteuerung belastet ist und sich regelmäßig persönlich voll im Unternehmen einzusetzen hat, während die Miterben das risikofreie, leichter zu verwaltende und zu erhaltende Privatvermögen bekommen. Für den Sonderfall, dass der Erblasser die völlige wertmäßige Gleichstellung 25 von Unternehmensnachfolger und sonstigen Erben wünscht, hat Felix1 sein „Frankfurter Testament“ zur Vermeidung von Veräußerungsgewinnen vorgeschlagen. Da die rechtliche Verpflichtung zu Abfindungszahlungen nur aus einer Wertdifferenz zwischen den Erbteilen und der Nachlassverteilung nach Vollzug der Teilungsanordnung entstehen kann, stellt Felix die Übereinstimmung zwischen Teilungsanordnung und Erbteilen dadurch her, dass im Testament die Teilung angeordnet wird, aber keine Erbquoten ausgeworfen werden, vielmehr bestimmt wird, dass sich die Erbquote nach dem Wertverhältnis der gegenständlichen Zuteilungen zum Zeitpunkt des Erbfalls bestimmen. Die Gleichstellung erfolgt dann dadurch, dass der wertmäßig benachteiligte Miterbe ein Vorausvermächtnis auf eine Geldsumme in Höhe der halben Wertdifferenz der Zuwendungen erhält. Leidtragender ist das Nachlassgericht, das im Erbscheinsverfahren zwecks 26 Festsetzung der Erbteile genaue Wertermittlungen anzustellen hat. Ihm kann man die Arbeit dadurch erleichtern, dass man die Miterben zu glei-
1 Felix, KÖSDI 1990, 8265, verbessert Felix, GmbHR 1990, 566; ähnlich Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 22 Rz. 32.
657
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
chen Erbquoten einsetzt und nicht nur den Wertausgleich, sondern die gesamte Nachlassverteilung durch Vorausvermächtnisse regelt.
V. Änderung der Rechtsprechung zur erbschaftsteuerlichen Bewertung von Sachvermächtnissen? 27 Nach einem obiter dictum des II. Senats des BFH in einem Urteil vom
2.7.2004,1 das in der Literatur als Ankündigung einer Rechtsprechungsänderung zur Bewertung von Sachvermächtnissen verstanden wird,2 soll für die Bewertung von Grundstücksvermächtnissen künftig nicht mehr der Steuerwert des Grundstücks, sondern der gemeine Wert der Forderung des Vermächtnisnehmers maßgebend sein. Begründet wird dies damit, dass Vermächtnisgegenstand nicht die Sache, sondern der Übereignungsanspruch gegen den Erben sei. Sollte diese Änderung eintreten, so dürfte sie sich auch auf Vermächtnisse einschließlich der Vorausvermächtnisse im Bereich von Betriebsvermögen beziehen. 28 Nachdem allerdings durch die Erbschaftsteuerreform die Bewertungsprivi-
legien für Grundeigentum und Betriebsvermögen entfallen sind, hat sich das Problem entschärft. Grundsätzlich führt jetzt die Bewertung der Vermächtnisforderung zum selben Ergebnis wie die Bewertung des Vermächtnisgegenstandes.
VI. Nachfolge in eine Beteiligung an einer Personengesellschaft 1. Grundsätze 29 In den Tz. 69 ff. zieht das BMF-Schreiben vom 14.3.2006 die ertragsteuerli-
chen Konsequenzen aus den zivilrechtlichen Folgen der einzelnen Nachfolgeklauseln. – Bei der Fortsetzungsklausel realisiert der Erblasser durch Aufgabe seines Mitunternehmeranteils unter Anwachsung bei den verbleibenden Gesellschaften einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe des Unterschieds zwischen dem Abfindungsanspruch und dem Buchwert seines Kapitalkontos im Todeszeitpunkt (Tz. 69). – Für die innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall vollzogene Eintrittsklausel gelten die Grundsätze der erbrechtlichen Nachfolgeklauseln (Tz. 70). – Bei der einfachen (allgemeinen) Nachfolgeklausel ist die Erbauseinandersetzung in der Weise, dass einzelne Miterben den Gesellschaftsanteil erwerben, dann gewinnneutral, wenn der Nachlass ohne Ausgleichszah-
1 BFH v. 2.7.2004 – II R 9/02, BStBl. II 2004, S. 1039 = FamRZ 2005, 1247 = ZEV 2004, 474 mit Anm. Crezelius = DStR 2004, 1868 = FR 2004, 1335 mit Anm. Viskorf; dazu Daragan, ZErb 2005, 40; Streck, NJW 2005, 8105; Rohde/Neu, GmbH-StB 2005, 106. 2 So Wachter, DNotZ 2005, 533 mwN.
658
B. Der Unternehmensnachfolger als Erbe oder Vermchtnisnehmer
lungen real geteilt wird. Ausgleichszahlungen führen dagegen zu Entnahmegewinnen. Dies gilt auch für Sonderbetriebsvermögen (Tz. 71). – Bei der qualifizierten Nachfolgeklausel werden nur die den Gesellschaftsanteil erbenden qualifizierten Miterben Mitunternehmer. Leisten sie den nicht qualifizierten Miterben Abfindungen, so entstehen weder Veräußerungsgewinne noch Anschaffungskosten (Tz. 72). 2. Gefahren bei Sonderbetriebsvermögen Sonderbetriebsvermögen bei Personengesellschaften sind die Vermögens- 30 gegenstände, die nicht im Gesamthandseigentum der Gesellschaft, sondern im Alleineigentum eines Gesellschafters oder Miteigentum mehrerer Gesellschafter stehen, der Gesellschaft zur Nutzung überlassen sind und steuerlich Betriebsvermögen bilden, wie dies bei Betriebsgrundstücken häufig ist. Im Erbgang können hier einkommensteuerliche Probleme dadurch entstehen, dass die Inhaberschaft am Gesellschaftsanteil und am Sonderbetriebsvermögen auseinander fallen, sodass von einer Entnahme des Sonderbetriebsvermögens ins Privatvermögen mit der Folge auszugehen ist, dass die stillen Reserven versteuert werden müssen. Zu diesem Auseinanderfallen kann es vor allem dadurch kommen, dass die Sondernachfolge in Personengesellschaftsbeteiligungen zu anderen personellen Zuordnungen führt als die etwa für Grundstücke als Sonderbetriebsvermögen maßgebliche allgemeine Erbfolge. Bei der allgemeinen Nachfolgeklausel geht der Gesellschaftsanteil auf alle 31 Erben entsprechend ihren Erbteilen über, nur nicht in Erbengemeinschaft, sondern unmittelbar geteilt. Durch den Erbgang selbst kann hier noch kein Auseinanderlaufen der Inhaberschaft und damit keine Entnahmeproblematik entstehen. Bei der Fortsetzungsklausel geht der Gesellschaftsanteil nicht auf einen 32 Nachfolger über, sondern wächst den verbleibenden Gesellschaftern zu. Das Sonderbetriebsvermögen geht dagegen auf den oder die Erben kraft Erbrechts über, die gerade nicht Gesellschaftsnachfolger werden. Damit erzielen die Miterben, nicht die Gesellschafter, einen nicht tarifbegünstigten Entnahmegewinn. Sie müssen die Differenz zwischen dem Ergänzungsbilanz-Buchwert und dem Teilwert des Sonderbetriebsvermögens versteuern. Bei der qualifizierten Nachfolgeklausel erwirbt der qualifiziert eingesetzte 33 Gesellschafternachfolger den Gesellschaftsanteil allein, während er für den sonstigen Nachlass, in den das Sonderbetriebsvermögen fällt, nur Miterbe ist. Deshalb bleibt nur der seiner Erbquote entsprechende Teil des Sonderbetriebsvermögens Betriebsvermögen, während die auf die Miterben entfallenden Teile in deren Privatvermögen fallen und deshalb mit dem Erbfall steuerlich entnommen sind.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
34 Bei der Eintrittsklausel ergibt sich dasselbe Problem wie bei der qualifi-
zierten Nachfolgeklausel, wenn nicht alle Miterben eintrittsberechtigt sind oder von ihrem Eintrittsrecht Gebrauch machen. 3. Vermeidung von Entnahmen beim Sonderbetriebsvermögen a) Vermächtnis oder Teilungsanordnung helfen nicht 35 Teilungsanordnung oder Vermächtnis helfen nicht, da sie zu spät kom-
men, wenn durch eine qualifizierte Nachfolgeklausel die Beteiligungen auseinander gelaufen sind. Denn dann hat die Erbengemeinschaft bereits das Sonderbetriebsvermögen erworben und allein dadurch ist schon der Entnahmetatbestand bei den nicht nachfolgeberechtigten Erben verwirklicht. b) Gesellschaftsrechtliche Sondernachfolge auch für das Sonderbetriebsvermögen 36 Keine Auseinandersetzungsprobleme entstehen, wenn sich sowohl das
Sonderbetriebsvermögen wie der Gesellschaftsanteil kraft qualifizierter Nachfolgeklausel vererben. 37 Einbringung des Sonderbetriebsvermögens in die Personengesellschaft löst
die Entnahmeprobleme,1 hebt aber die Haftungsvorteile der Trennung der Vermögensmassen auf. 38 Es wird vorgeschlagen,2 für das Halten des Sonderbetriebsvermögens eine
Gepräge-GmbH & Co. KG nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zu gründen, in deren Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Nachfolgeklausel mit demselben Inhalt wie bei der Unternehmensgesellschaft aufgenommen wird. 39 Wenn mehrere Personen Eigentümer des Sonderbetriebsvermögens sind,
etwa des Betriebsgrundstücks, so sollten sie dies nicht zu Miteigentumsbruchteilen, sondern in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit qualifizierter Nachfolgeklausel sein. Dann vererben sich die Beteiligungen parallel. 40 Der Alleineigentümer kann zu Lebzeiten dem Unternehmensnachfolger
einen geringen Miteigentumsbruchteil am Sonderbetriebsvermögen übertragen (bei Grundstücken durch Auflassung, die hierin liegende geringfügige Entnahme ist zu versteuern). Beide bringen dann ihre Miteigentumsanteile in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit qualifizierter Nachfolgeklausel ein. c) Der sichere Weg 41 Problemlos ist die Gestaltung, den durch die qualifizierte Nachfolgeklau-
sel begünstigten Unternehmensnachfolger auch im Übrigen zum Allein1 Hörger, DStR 1993, 37 (47). 2 Groh, DB 1992, 1312.
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C. Die Vererbung eines Einzelunternehmens
erben zu machen und die übrigen Beteiligten lediglich als Vermächtnisnehmer einzusetzen. Die Parallelität der Vermögensnachfolge ist ebenfalls gesichert, wenn die 42 Beteiligten Miterben und Mitnachfolger in den Gesellschaftsanteil aufgrund allgemeiner erbrechtlicher Nachfolgeklausel werden. Das Betriebsvermögen und Sonderbetriebsvermögen kann dann dem Nachfolger durch Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnis zugewendet werden. Durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers kann sichergestellt werden, dass die Zuteilung innerhalb der Sechsmonatsfrist erfolgt. Dennoch entsteht ein dem Unternehmen nicht zuträglicher Übergangszeitraum. Es ergibt sich, dass die qualifizierte Nachfolgeklausel vermieden werden 43 sollte, wenn Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist.
C. Die Vererbung eines Einzelunternehmens I. Vererblichkeit, handelsrechtliche Haftung Ein einzelkaufmännisches Handelsgeschäft wird als Teil des Nachlasses 44 nach § 1922 HGB vererbt und damit eigenes Vermögen des Alleinerben oder Bestandteil des Gesamthandsvermögens der Erbengemeinschaft. Nach § 22 Abs. 1 HGB kann die Firma mit und oder ohne Beifügung eines Nachfolgezusatzes fortgeführt werden. Diese Fortführung hat nach § 27 Abs. 1 HGB die unbeschränkte persönliche Haftung aller Erben für Geschäftsverbindlichkeiten zur Folge, führt also zu einer erweiterten handelsrechtlichen Haftung über die allgemeine Erbenhaftung hinaus. Nach § 27 Abs. 1 HGB finden auf die Haftung des Erben für die Geschäfts- 45 verbindlichkeiten des Einzelunternehmens die Regelungen des § 25 HGB entsprechende Anwendung. Streitig ist, ob diese Verweisung auch für § 25 Abs. 2 HGB gilt. Die noch herrschende Ansicht1 bejaht dies mit der Folge, dass der Erbe, der das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortführt, gleichwohl eine beschränkte handelsrechtliche Haftung für Altverbindlichkeiten durch Eintragung der Nichtübernahme der Geschäftsverbindlichkeiten in das Handelsregister und Bekanntmachung erreichen kann. Dies setzt eine analoge Anwendung der Vorschrift, die nach ihrem Wortlaut eine Ausschlussvereinbarung erfordert, auf die einseitige Ausschlusserklärung des Erben voraus. Eine im Vordringen begriffene Meinung2 lehnt diese Analogie mit der Folge ab, dass der Erbe bei Firmenfortführung seine persönliche Haftung für Altverbindlichkeiten nicht beschränken kann. Die Frage ist weit-
1 Heymann/Emmerich, § 27 HGB Rz. 18; Staub/Hüffer, § 27 HGB Rz. 22; Baumbach/ Hopt, § 27 HGB Rz. 8. 2 K. Schmidt, HandelsR, § 8 IV 3a; MünchKomm.HGB/Lieb, § 27 HGB Rz. 50; Röhricht/Graf von Westphalen/Ammon, § 27 HGB Rz. 42.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
gehend akademisch, da auch bei Bejahung der Möglichkeit der Haftungsbegrenzung diese unverzüglich im Handelsregister einzutragen und binnen weniger Tage nach Kenntnis des Erbfalls bekannt zu machen wäre.1 In der Praxis werden sich diese Voraussetzungen regelmäßig nicht verwirklichen lassen, da der Erbe den notwendigen Nachweis über sein Erbrecht, also den Erbschein oder das notarielle Testament bzw. den Erbvertrag mit Eröffnungsprotokoll, nicht kurzfristig beibringen kann.
II. Gewerbe- und handwerksrechtliche Beschränkungen 46 Personengebundene Gewerbeerlaubnisse erlöschen mit dem Tod des Ge-
werbetreibenden. Der Erbe muss die gewerberechtlichen Voraussetzungen in seiner Person erfüllen. Die §§ 45, 46 GewO enthalten Übergangsvorschriften. Bei Fortführung eines Handwerksbetriebes besteht nach § 4 Abs. 1 HandwO ein Erbenprivileg. Der Betrieb darf zunächst fortgeführt werden. Nach Ablauf eines Jahres seit dem Tod des selbstständigen Handwerkers muss ein befähigter Betriebsleiter eingestellt werden, wenn der Erbe bis dahin die erforderliche Qualifikation nicht selbst erworben hat.
III. Fortführung des Einzelunternehmens durch die Erbengemeinschaft 47 Fällt das Handelsgeschäft im Erbgang einer Erbengemeinschaft an, so be-
darf es nicht notwendigerweise eines gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses der Erben. Vielmehr kann das Handelsgeschäft des Einzelkaufmanns in ungeteilter Erbengemeinschaft zeitlich unbegrenzt fortgeführt werden.2 Es handelt sich dann um ein Einzelunternehmen mit mehreren Inhabern. Die Erbengemeinschaft ist nach § 31 HGB als neuer Geschäftsinhaber zum Handelsregister anzumelden und dort einzutragen. Ob bei der Firma ein entsprechender Zusatz einzutragen ist,3 ist noch ungeklärt. Auf das Verhältnis der Erben untereinander können die Regelungen des OHG-Rechts analog anzuwenden sein, wenn die Miterben das Unternehmen weiterbetreiben und ihm ihre ganze Arbeitskraft widmen, um damit ihren Lebensunterhalt für sich und ihre jeweilige Familie zu verdienen.4 Minderjährige Erben können nach § 1629a BGB nach Eintritt der Volljährigkeit ihre Haftung auf das dann vorhandene Vermögen begrenzen. 48 In der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass der Betrieb eines Handels-
geschäfts in Erbengemeinschaft keine empfehlenswerte Lösung ist. Der Erblasser sollte deshalb verhindern, dass das Einzelunternehmen einer Er-
1 Grote, BB 2001, 2595 (2596). 2 BGH v. 8.10.1984 – II ZR 223/83, BGHZ 92, 259 = MDR 1985, 208 = FamRZ 1985, 173 = NJW 1985, 136 = MittBayNot 1984, 267. 3 So z.B. Röhricht/Graf von Westphalen/Ammon, § 27 HGB Rz. 40. 4 BGH v. 21.5.1955 – IV ZR 7/55, BGHZ 17, 299 = FamRZ 1955, 327 = MDR 1955, 537 = NJW 1955, 1227.
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D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
bengemeinschaft anfällt oder von ihr fortgeführt wird. Er kann dies tun durch Einsetzung lediglich eines Erben, durch lebzeitige Umwandlung des Einzelunternehmens in eine geeignete Handelsgesellschaft oder durch letztwillige Gesellschaftsgründungs- bzw. Umwandlungsklausel.
IV. Ertragsteuerliche Folgen Die Vererbung eines Einzelunternehmens stellt keine Betriebsveräußerung 49 oder Betriebsaufgabe durch den Erblasser dar, sondern eine unentgeltliche Betriebsübertragung i.S.v. § 6 Abs. 3 EStG mit notwendiger Fortführung der Buchwerte. Der Übergang von unternehmensbezogenen Schulden des Erblassers auf den Erben führt nicht zu zusätzlichen Anschaffungskosten für das im Erbweg erlangte Betriebsvermögen. Der Gewinn oder Verlust des Unternehmens ist bis zum Todestag den Erblasser und ab diesem Zeitpunkt dem Erben zuzurechnen. Die Abgrenzung erfolgt bei bilanzierenden Betrieben durch Erstellen einer Zwischenbilanz. Auch wenn der Erbe selbst nicht unternehmerisch tätig wird, ist der Betrieb steuerlich mit der Folge auf ihn übergegangen, dass er zwangsläufig Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Der Betrieb erlischt einkommensteuerlich erst durch ein dem Erben zuzurechnendes Verhalten. Veräußert der Erbe den Betrieb oder gibt er ihn auf, so ist ihm allein der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn zuzurechnen. Für einen eventuellen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG sind die persönlichen Verhältnisse des Erben maßgeblich. Zwischen dem Erbfall bis zur Veräußerung oder Aufgabe angefallene Gewinne oder Verluste sind den Erben als laufende Einkünfte i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen. Geht das Einzelunternehmen im Erbgang auf eine Erbengemeinschaft über 50 und setzt sich diese auseinander, so gelten für die ertragsteuerliche Behandlung der Erbauseinandersetzung die Grundsätze des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 5.7.1990.1 Die Verwaltung hat sie mit Schreiben des Bundesfinanzministers vom 14.3.20062 umgesetzt.
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen I. Die Vererbung der Mitgliedschaft des persönlich haftenden Gesellschafters 1. Die gesetzliche Ausgangslage Seit dem Handelsrechtsreformgesetz 1998 gelten für die Vererbung der Mit- 51 gliedschaft des BGB-Gesellschafters einerseits und des persönlich haftenden Gesellschafters einer OHG/KG andererseits unterschiedliche gesetzli1 BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BStBl. II 1990, S. 837 = MDR 1991, 285 = FamRZ 1991, 64 = NJW 1991, 447. 2 BStBl. I 2006, S: 253 = ZEV 2006, 154.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
che Regelungen. Die GbR wird nach § 727 Abs. 1 BGB durch den Tod eines Gesellschafters weiterhin aufgelöst, sofern nicht aus dem Gesellschaftsvertrag sich ein anderes ergibt. Diese nach § 131 Nr. 4 HGB alter Fassung auch für die OHG/KG geltende Regelung wurde ab 1.7.19981 durch § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB ersetzt. Der Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters führt bei der OHG/KG nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft, sondern mangels abweichender vertraglicher Bestimmung zum Ausscheiden dieses Gesellschafters.2 52 Soll die Gesellschaft nicht unter Ausscheiden des verstorbenen persönlich
haftenden Gesellschafters und seiner Erben zwischen den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt, sondern die Vererblichkeit der Beteiligung begründet werden, so bedarf es sowohl bei der GbR wie bei der OHG/KG der Aufnahme einer entsprechenden erbrechtlichen Nachfolgeklausel in den Gesellschaftsvertrag. Insofern gelten für diese Gesellschaftsformen weiterhin einheitliche Grundsätze, die Formulierungen entsprechen sich grundsätzlich. 53 Zu unterscheiden sind die allgemeine erbrechtliche Nachfolgeklausel und
die qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel. Erstere eröffnet die Vererblichkeit der Mitgliedschaft zugunsten jedes denkbaren gesetzlichen oder gewillkürten Erben, letztere beschränkt die Vererblichkeit auf einen bestimmten Kreis von gesetzlichen oder gewillkürten Erben mit besonderer Qualifikation unter Ausschluss der übrigen denkbaren Erben. Bei beiden Klauseltypen ist die Einschränkung möglich, dass nur durch letztwillige Verfügung bestimmte Erben nachfolgeberechtigt sind, nicht aber lediglich kraft Gesetzes berufene Erben. 54 Daneben gibt es nach wie vor die Eintrittsklausel und die rechtsgeschäftli-
che Nachfolgeklausel, die zu einem Erwerb der Mitgliedschaft am Erbrecht vorbei auf Grund einer unter Lebenden begründeten Berechtigung führen. 2. Die Fortsetzung der Gesellschaft unter Ausscheiden der Erben 55 Die bis zum Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes sowohl bei
der GbR wie bei der OHG/KG zur Vermeidung der Auflösung durch den Tod eines persönlich haftenden Gesellschafters erforderliche reine Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag ist bei der GbR noch erforderlich, während sie sich bei der OHG/KG nunmehr erübrigt.
1 Die frühere Übergangsregelung für Altgesellschaften nach Art. 41 EGHGB wurde durch G. v. 19.4.2006 (BGBl. I 2006, S. 866) mWv. 25.4.2006 aufgehoben. 2 Für den Kommanditisten der KG gilt die besondere gesetzliche Regelung des § 177 HGB. Bei seinem Tod wird mangels abweichender vertraglicher Bestimmung die Gesellschaft mit den Erben fortgesetzt.
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D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
M 218
Fortsetzungsklausel bei der GbR
(Form: Gesellschaftsvertrag) Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft zwischen den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Den Erben des verstorbenen Gesellschafters stehen keinerlei Abfindungsansprche gegen die Gesellschaft zu.
Bei der Fortsetzung der Gesellschaft zwischen den verbleibenden Gesell- 56 schaftern wächst der Anteil des verstorbenen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den verbleibenden Gesellschaftern an. Den Erben des verstorbenen Gesellschafters steht gesetzlich anstelle der Gesellschaftsbeteiligung ein schuldrechtlicher Anspruch auf Abfindung in Höhe des wirklichen Wertes der Beteiligung nach dem Stand vom Todestag zu, § 738 BGB. Dieser Abfindungsanspruch kann durch den Gesellschaftsvertrag gekürzt, pauschaliert oder ausgeschlossen werden. Dies dient dem Bestandsschutz der Gesellschaft und ist unbedenklich, soweit alle Gesellschafter gleich behandelt werden, grundsätzlich aber auch bei sachlich gerechtfertigter Ungleichbehandlung.1 Der Form des § 2301 Abs. 1 BGB bedarf die gesellschaftsvertragliche Bestimmung nicht, weil bei allseitigem Ausschluss keine Schenkung vorliegt2 und im Übrigen lebzeitiger Vollzug anzunehmen ist.3 Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB gegen die verbleiben- 57 den Gesellschafter scheiden bei allseitigem Ausschluss von Abfindungsansprüchen aus, da es sich nicht um ein unentgeltliches Geschäft handelt.4 3. Die Vererbung der Mitgliedschaft auf den Alleinerben Geht die durch eine Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag vererblich 58 gestellte Mitgliedschaft auf einen Alleinerben über, so ergeben sich keine Probleme hinsichtlich der Abstimmung der erbrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Nachfolge. Der Alleinerbe erwirbt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB als Teil des Nachlasses die Mitgliedschaft des Erblassers mit ihren personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen. Gesellschaftsvertragliche Sonderrechte gehen auf ihn über, soweit sie nicht auf die Person des Erblassers beschränkt waren und deshalb mit seinem Tod untergegangen sind.
1 BGH v. 9.5.1974 – II ZR 84/72, DB 1974, 1519 = MDR 1974, 997 = NJW 1974, 1555. 2 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 (194) = DB 1956, 1227 = NJW 1957, 180; BGH v. 20.12.1965 – II ZR 145/64, DNotZ 1966, 620 (622). 3 Flume, FS Schilling, 1973, S. 23 (65). 4 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 (194) = DB 1956, 1227 = NJW 1957, 180.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
59 Für die Testamentsgestaltung gilt, dass die Einsetzung eines Alleinerben
die Probleme der Sondererbfolge vermeidet. 4. Die Vererbung der Mitgliedschaft auf mehrere Erben a) Vorrang des Gesellschaftsrechts vor dem Erbrecht 60 Wenn mehrere Erben die Beteiligung eines persönlich haftenden Gesell-
schafters erwerben, entstehen Kollisionen zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der unmittelbaren persönlichen Haftung jedes Gesellschafters und der gesamthänderischen, auf den Nachlass beschränkbaren Haftung des Mitglieds einer Erbengemeinschaft. Hier besteht ein Vorrang des Gesellschaftsrechts in dem Sinne, dass die Erbengemeinschaft als solche nicht Gesellschafter werden kann,1 sondern vielmehr eine sofortige Teilung der Mitgliedschaft unter den mehreren Erben stattfinden muss. Dieses Postulat der unmittelbaren anteiligen erbrechtlichen Sondernachfolge hatte mangels gesetzlicher Regelung die Rechtsprechung durch Dekret zu verwirklichen. b) Die Rechtsprechung zur erbrechtlichen Sondernachfolge in die Mitgliedschaft 61 Die Leitentscheidung des BGH stammt vom 12.11.1956.2 In ihr stellt der
BGH den Grundsatz auf, dass hinsichtlich der Gesellschaftsbeteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters im Erbfall von vornherein eine Sonderrechtsnachfolge in der Weise eintritt, dass die Miterben die Gesellschaftsbeteiligung nicht gesamthänderisch in Erbengemeinschaft erwerben, sondern entsprechend ihrer Beteiligung am Nachlass unmittelbar in Teilen. Die Mitgliedschaft ist Teil des Nachlasses, fällt aber den Erben direkt anteilig an.3 Eine Sondererbfolge im eigentlichen Sinn, die etwa im Erbschein gesondert festzustellen wäre, erfolgt nicht, sondern lediglich der Erwerb eines besonderen Nachlassgegenstandes auf besondere Weise. Insofern ist der überwiegend verwendete Terminus „Sondererbfolge“ unscharf, präziser ist der Terminus „Erbrechtliche Sondernachfolge“. 62 In dieser Leitentscheidung hat der BGH noch angenommen, dass die Teile,
in denen die Miterben den Gesellschaftsanteil erwerben, zwingend durch die jeweiligen Erbquoten definiert würden. Der anteilige Direkterwerb der
1 Nachdem der BGH der Außen-GbR Teilrechtsfähigkeit zuerkannt hat, wird in der Literatur teilweise gefordert, dies auf die Erbengemeinschaft zu übertragen mit der Folge, dass diese als solche Gesellschafter einer Personengesellschaft sein könne, Weipert, ZEV 2002, 300. Der BGH hat unter Würdigung der neuen Rechtsprechung zur GbR deren Erstreckung auf die Erbengemeinschaft abgelehnt, BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = FamRZ 2002, 1621 = ZEV 2002, 504 mit Anm. Marotzke; vgl. auch Ivo, ZEV 2004, 499. 2 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186 = DB 1956, 1227 = NJW 1957, 180. 3 Nachfolgende Erbteilsverfügungen erstrecken sich allerdings nicht auf den übergegangenen Gesellschaftsanteil, Ivo, ZEV 2004, 499.
666
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
Mitgliedschaft könne nur in Höhe der Erbquoten erfolgen. Enthalte der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Nachfolgeklausel und führe diese im Einzelfall dazu, dass nur einzelne von mehreren Miterben den Gesellschaftsanteilen erwürben, so erwürben sie den Gesellschaftsanteil nicht insgesamt, sondern nur die ihren Erbquoten entsprechenden Teile, während die übrigen Teile den nicht nachfolgeberechtigten Erben als Treuhändern anwüchsen. Diese seien dann verpflichtet, die ihnen angewachsenen Teile unter Lebenden auf die nachfolgeberechtigten Erben zu übertragen. Diese komplizierte Konstruktion gab der BGH in der zweiten Leitentschei- 63 dung vom 10.2.19771 auf. Er koppelte nunmehr den erbrechtlichen Erwerb der Mitgliedschaft in Teilen von den Erbquoten ab. Zudem dekretierte er, dass dann, wenn bei qualifizierter Nachfolgeklausel sowohl nachfolgeberechtigte wie nicht nachfolgeberechtigte Personen Miterben werden, die nachfolgeberechtigten Miterben die Gesellschaftsbeteiligung insgesamt und unmittelbar ohne teilweisen treuhänderischen Anfall an die Altgesellschafter erwerben, und zwar ein alleiniger Nachfolgeberechtigter die gesamte Beteiligung ungeteilt, mehrere Nachfolgeberechtigte die gesamte Beteiligung in Teilen. Damit tritt eine unmittelbare Vollnachfolge in die Gesellschaftsbeteiligung lediglich durch die nachfolgeberechtigten Miterben ein. Diese unmittelbare anteilige Vollnachfolge lediglich durch die nachfolgebe- 64 rechtigten Erben unter Ausschluss der nicht nachfolgeberechtigten Erben lässt sich, was im Schrifttum immer mehr Anhänger findet,2 zwanglos als mit dem Erbfall vollzogene, unmittelbar dingliche wirkende Teilungsanordnung begreifen. Andere3 sprechen von einer Art gesetzlich unmittelbar vollzogener Teilerbauseinandersetzung. Die dogmatische Erklärung der Sondernachfolge in den Gesellschafts- 65 anteil als sich kraft Gesetzes vollziehende Teilauseinandersetzung bzw. dinglich wirkende Teilungsanordnung vermeidet die Qualifizierung als Sondernachfolge, die diese pragmatische Notlösung der Rechtsprechung überbewerten würde. Der Gesellschaftsanteil wird nicht – wie etwa bei einer Nachlassspaltung – nach einem anderen Erbrecht vererbt,4 sondern geht als Teil des Nachlasses auf alle oder einzelne Erben auf einem besonderen, die Erbauseinandersetzung erübrigenden Weg über. 5. Entscheidungskonforme Gestaltungen Aus der dargestellten Rechtsprechung des BGH ergeben sich die folgenden 66 gesicherten Gestaltungsmöglichkeiten:
1 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 = NJW 1977, 1339. 2 MünchKomm.BGB/Leipold, § 1922 BGB Rz. 38; K. Schmidt, GesellschaftsR, § 45 V 4b; AnwaltKomm/Kroiß, § 1922 BGB Rz. 26. 3 Priester, DNotZ 1977, 558; Reimann, ZEV 2002, 488. 4 Deshalb ist auch kein eigener Erbschein zu erteilen.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
a) Allgemeine erbrechtliche Nachfolgeklausel 67 Bei der allgemeinen erbrechtlichen Nachfolgeklausel ergeben sich keine
Probleme, wenn nur ein Erbe bestimmt wird, der auch alleiniger Nachfolger in die Mitgliedschaft werden soll, oder wenn alle Miterben entsprechend ihren Erbteilen anteilig auch die Mitgliedschaft erwerben sollen. In diesen Fällen braucht die Sondernachfolge in die Mitgliedschaft nicht besonders testiert zu werden. Klarstellend kann sie erwähnt werden.
M 219
Allgemeine Nachfolgeklausel
(Form: Gesellschaftsvertrag) Verstirbt ein Gesellschafter, so wird die Gesellschaft mit den gesetzlichen oder gewillkrten Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt.
M 220
Erbeinsetzung bei allgemeiner Nachfolgeklausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Alleinerben setze ich meinen Sohn . . . ein. Er erwirbt auch meine Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter an der . . .-OHG. Oder: Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Erbteilen meine Sçhne . . . und . . . ein. Sie erwerben im Wege der erbrechtlichen Sondernachfolge auch jeder eine Beteiligung an der . . .-OHG, jeweils in Hçhe der Hlfte meiner Beteiligung.
b) Qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel 68 Bei der qualifizierten erbrechtlichen Nachfolgeklausel ist es möglich, meh-
rere Erben einzusetzen, von denen nur einzelne nach dem Gesellschaftsvertrag nachfolgeberechtigt sind. Die Nachfolge in die Mitgliedschaft vollzieht sich auch dann unmittelbar und bei mehreren Nachfolgern getrennt, ohne dass noch Vollzugsakte notwendig sind. Die Nachfolge ist persönlich und der Quote nach von der Erbengemeinschaft und den Erbteilen abgekoppelt. Es ist lediglich erforderlich, dass der Nachfolger Miterbe ist.
M 221
Qualifizierte Nachfolgeklausel
(Form: Gesellschaftsvertrag) Verstirbt ein Gesellschafter, so wird die Gesellschaft mit den direkten Abkçmmlingen des verstorbenen Gesellschafters unter Ausschluss von Enkeln oder entfernteren Abkçmmlingen fortgesetzt, soweit diese gesetzliche oder gewillkrte Erben werden.
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D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
M 222
Erbeinsetzung bei qualifizierter Nachfolgeklausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen meine Ehefrau . . . und meinen Sohn . . . ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag der . . .-OHG kann nur mein Sohn Nachfolger in meine Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter werden. Deshalb erhlt mein Sohn diese Beteiligung allein. Oder: Zu meinen Erben setze ich meine Sçhne . . . und . . . sowie an Stelle meiner vorverstorbenen Tochter . . . deren Sohn . . . zu gleichen Erbteilen von je einem Drittel ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag der . . .-OHG kçnnen nur direkte Abkçmmlinge, nicht aber Enkel, Nachfolger werden. Meine Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter an dieser Gesellschaft erhalten deshalb meine Sçhne . . . und . . . in der Weise, dass jeder von ihnen unmittelbar und getrennt Gesellschafter mit jeweils der Hlfte meiner Beteiligung wird.
6. Vorausvermächtnis des Beteiligungswertes Nach den Grundsätzen des BGH1 schulden die Nachfolger-Miterben den 69 anderen Miterben für die gesondert erhaltene Beteiligung einen Wertausgleich. Will der Erblasser dies nicht, so kann er dem Nachfolger-Erben den Mehrwert als Vorausvermächtnis zuwenden, dies allerdings nur in den Grenzen des Pflichtteilsrechts.
M 223
Vorausvermchtnis des Beteiligungswertes
(Form: Verfgung von Todes wegen) Der Wert der Beteiligung wird dem als Nachfolger bestimmten Erben als Vorausvermchtnis zugewendet, ist also nicht auszugleichen.
7. Auswahl aus mehreren Nachfolgeberechtigten Nach den Festlegungen des BGH erwirbt auch dann, wenn der Gesell- 70 schafter-Erblasser nach dem Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit hat, seinen Anteil auf erbrechtlichem Wege an mehrere bestimmte Personen zu übertragen, er aber davon nicht hinsichtlich aller dieser Personen Gebrauch macht, der testamentarisch bestimmte Nachfolger den Anteil in vollem Umfang. Der Erblasser kann also den Kreis der in der qualifizierten Nachfolgeklausel vorgesehenen Erben verkleinern, wobei es trotzdem bei der unmittelbaren vollen erbrechtlichen Sondernachfolge in die Gesellschaftsbeteiligung verbleibt. Dies setzt aber nach dem vom BGH entschie1 BGH v. 9.3.1977 – IV ZR 166/75, BGHZ 68, 169 = MDR 1977, 564 = FamRZ 1977, 386 = NJW 1977, 949.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
denen Fall voraus, dass alle testamentarisch aus dem Kreis der gesellschaftsvertraglich Nachfolgeberechtigten zu Erben bestimmten Personen auch Nachfolger in den Gesellschaftsanteil werden.
M 224
Erbeinsetzung nur eines Nachfolgers
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen meine Ehefrau . . . und meinen Sohn . . . ein. Nach dem Gesellschaftsvertrag der . . .-OHG kçnnen meinen Gesellschaftsanteil als persçnlich haftender Gesellschafter der OHG meine direkten Abkçmmlinge erben. Ich habe derzeit den Sohn . . . und die Tochter . . . Letztere setze ich nicht zur Erbin ein. Mein Sohn . . . erhlt im Wege der erbrechtlichen Sondernachfolge den Gesellschaftsanteil.
8. Beschränkung der Sondererbfolge auf einzelne von mehreren nachfolgeberechtigten Erben? 71 Noch nicht vom BGH abgeklärt ist die Gestaltung, dass mehrere nach
dem Gesellschaftsvertrag nachfolgeberechtigte Personen Miterben werden, aber nur einzelne von ihnen den Gesellschaftsanteil erwerben sollen. Ist z.B. im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass erbrechtliche Nachfolger die Abkömmlinge eines Gesellschafters sein können, oder enthält der Gesellschaftsvertrag eine allgemeine erbrechtliche Nachfolgeklausel und möchte der Erblasser seine drei Kinder zu Miterben einsetzen, wobei nur der älteste Sohn den Gesellschaftsanteil erhalten soll, so ist fraglich, ob er dies mit unmittelbarer Wirkung verfügen kann. 72 Hält man dies nicht für möglich, so teilt sich der Anteil zunächst im Erb-
gang zwischen den nachfolgeberechtigten Erben auf. Die nachfolgeberechtigten, aber nicht zu Nachfolgern bestimmten Erben haben dann im Wege der Erfüllung einer Teilungsanordnung oder eines Vermächtnisses ihre Teilanteile auf den durch diese Teilungsanordnung oder dieses Vermächtnis begünstigten Miterben zu übertragen, der ihre Teil-Anteile hierdurch rechtsgeschäftlich zu seinem im Wege der Sondernachfolge unmittelbar erworbenen Teil-Anteil hinzuerwirbt und so insgesamt Anteilsnachfolger wird. Die Konstruktion ist umständlich. Sie setzt auch voraus, dass der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich oder schlüssig den rechtsgeschäftlichen Erwerb der Beteiligung durch Vermächtnis oder Teilungsanordnung zulässt. 73 Die Frage ist, ob man die Grundsätze der zweiten diesbezüglichen Leitent-
scheidung des BGH,1 mit der der BGH die Sondernachfolge von der Erbfolge und den Erbteilen abgekoppelt und zugelassen hat, dass einzelne Miterben den Gesellschaftsanteil zu anderen Quoten als den Erbteilen erwerben, auch auf die Fälle anwenden kann, dass von mehreren nachfol1 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 = MDR 1978, 353 = NJW 1977, 1339.
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D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
geberechtigten Miterben nur einzelne unmittelbar Anteilsnachfolger werden sollen. Die Gegner dieser Auffassung1 berufen sich darauf, dass eine Teilungsanordnung nach § 2048 BGB lediglich schuldrechtliche Wirkung habe. Sie übersehen dabei, dass innerhalb der erbrechtlichen Sondernachfolge in die Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters besondere Grundsätze gelten. Die vorbeschriebene dogmatische Auffassung der erbrechtlichen Sonder- 74 nachfolge in die Beteiligung erlaubt es problemlos, dem Erblasser durch dinglich wirkende Teilungsanordnung zu gestatten, die Beteiligung nur einem von mehreren nachfolgeberechtigten Erben zuzuwenden. Diese Konsequenz wird aber von der herrschenden Lehre in der Literatur2 – noch – nicht gezogen, die Gestaltung ist deshalb noch nicht praxistauglich. Formuliert man sie, so sollte man sie hilfsweise durch allgemeine Teilungsanordnung, Vermächtnis oder Vorausvermächtnis absichern.
M 225
Beschrnkung der Nachfolge
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meine Gesellschaftsbeteiligung als persçnlich haftender Gesellschaft an der . . .-OHG erhlt im Wege der erbrechtlichen Sondernachfolge, hilfsweise im Wege der Teilungsanordnung (des Vorausvermchtnisses/Vermchtnisses) der Miterbe . . . .
9. Verhältnis zu den übrigen Nachlassbeteiligten Es fragt sich, wie sich die Sondernachfolge nur eines oder einzelner von 75 mehreren Miterben in den Gesellschaftsanteil im Verhältnis zu den übrigen Nachlassbeteiligten, insbesondere den Miterben, den Pflichtteilsberechtigten und den Nachlassgläubigern auswirkt. Hier hat der BGH3 den Grundsatz aufgestellt, dass der Wert des Anteils ungeachtet der Sondererbfolge zum Nachlass gehört. Dinglich geht der Gesellschaftsanteil unmittelbar auf den Nachfolger über. Die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter machen keinen Gewinn, der sie zu gesellschaftsrechtlichem Ausgleich etwa infolge Anwachsung verpflichten könnte. Lediglich im Verhältnis des oder der den Anteil erwerbenden Miterben zu den übrigen Miterben und Pflichtteilsberechtigten können Ausgleichsansprüche bestehen. Hier behält die Erbquote die volle ihr nach Erbrecht zukommende Bedeutung für 1 BFH v. 4.11.1998 – IV B 136/98, DStR 1999, 58 = ZEV 1999, 75 = MittBayNot 1999, 212; Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger, § 20 Rz. 33; Schmidt, BWNotZ 1983, 102 (104); wohl ebenfalls ablehnend MünchKomm.BGB/Schäfer, § 727 BGB Rz. 42. 2 MünchHdb GesRI/Klein/Lindemeier, § 79 Rz. 33 sieht die Frage als offen an; befürwortet wird die Möglichkeitvon Soergel/Wolf § 2032 BGB Rz. 16. 3 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 = MDR 1978, 353 = NJW 1977, 1339; bestätigend BayObLG v. 27.6.1980 – BReg.1 Z 47/80, DNotZ 1981, 702; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, MDR 1986, 829 = FamRZ 1986, 799 = NJW 1986, 2431.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
die Ansprüche der Miterben untereinander auf Wertausgleich.1 Ob ein voller Wertausgleich zwischen den Miterben entsprechend den Erbquoten stattzufinden hat, ist Frage der Gestaltung der letztwilligen Verfügung. Der Erblasser kann hier bestimmen, dass die Mitgliedschaft ohne Ausgleichspflichten auf den begünstigten Miterben übergeht. Der Wert der Zuwendung über den Erbteil hinaus ist in diesem Fall diesem Miterben als Vorausvermächtnis zugewendet. Die Grenzen der Verfügungsbefugnis des Erblassers bilden hier die Pflichtteilsansprüche der weichenden Erben.2 Im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern ist der Wert der Erbmasse unter Hinzurechnung des Wertes der Gesellschaftsbeteiligung zu ermitteln. Hier stellen sich dann die bekannten Bewertungsprobleme.3 10. Die gescheiterte erbrechtliche Nachfolgeklausel 76 Die qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel birgt die Gefahr, dass sie
dann leer läuft, wenn keiner der nachfolgeberechtigten Personen Erbe wird.4 Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Erblasser andere Personen testamentarisch zu Erben einsetzt. Für die Kautelarpraxis empfiehlt es sich deshalb, den Fall des Fehlschlagens der qualifizierten erbrechtlichen Nachfolgeklausel gesellschaftsvertraglich zu regeln. Dies kann in Form einer hilfsweisen rechtsgeschäftlichen Eintrittsklausel geschehen. 77 Nach Rspr. des BGH5 kann der qualifizierten erbrechtlichen Nachfolge-
klausel in dem Fall, dass die gesellschaftsvertraglich festgelegte Nachfolgeregelung daran scheitert, dass die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Person nicht Erbe geworden ist, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Eintrittsklausel zuerkannt werden. 11. Zuwendung der Mitgliedschaft durch Vermächtnis 78 Die unmittelbare erbrechtliche Sondernachfolge in die Mitgliedschaft
lässt sich nur durch Erbeinsetzung verwirklichen. Wird die Mitgliedschaft durch Vermächtnis zugewendet, so fällt sie zunächst dem oder den Erben an, soweit diese sie auf Grund gesellschaftsvertraglicher Zulassung geerbt haben, und ist von diesen rechtsgeschäftlich auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen. Diese Übertragung bedarf der Zulassung im Gesellschaftsvertrag. 79 Diese Zulassung ist nur dann sinnvoll, wenn sie eine erbrechtliche Fort-
setzungsklausel ergänzt. Den Gesellschaftern wird dann freigestellt, ob sie die Mitgliedschaft im Erbgang oder durch Vermächtnis letztwillig 1 2 3 4
BayObLG v. 27.6.1980 – BReg.1 Z 47/80, DNotZ 1981, 702. So auch BayObLG v. 27.6.1980 – BReg.1 Z 47/80, DNotZ 1981, 702 (706). Vgl. Priester, DNotZ 1977, 561. Vgl. die Fälle BGH v. 25.5.1987 – II ZR 195/86, MDR 1987, 1001 = FamRZ 1987, 936 = WM 1987, 981 = EWiR 1987, 893 mit Anm. Reimann; BGH, ZEV 2002, 322 mit Anm. Limmer. 5 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 = MDR 1978, 353 = NJW 1977, 1339.
672
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
transferieren wollen. Bei der qualifizierten erbrechtlichen Nachfolgeklausel ist der Fall zu regeln, dass die Mitgliedschaft durch Vermächtnis auf einen zugelassenen Nachfolger übergehen soll, aber nicht zugelassene Personen Erben werden. Für diesen Fall und nur für ihn ist eine allgemeine erbrechtlichen Nachfolge vorzusehen. Denn sonst würde die Sondererbfolge ins Leere laufen und die Mitgliedschaft den übrigen Gesellschaftern anwachsen. Es ist dann noch der Fall zu regeln, dass es nicht zur Vermächtniserfüllung und damit zur Nachfolge durch den qualifizierten Erben kommt. Hier bietet es sich an, die Erben zur Übertragung der Mitgliedschaft auf die verbleibenden Gesellschafter zu verpflichten.
M 226
Qualifizierte Fortsetzungsklausel und Vermchtnisklausel
(Form: Gesellschaftsvertrag) Verstirbt ein Gesellschafter, so wird die Gesellschaft mit den direkten Abkçmmlingen des verstorbenen Gesellschafters unter Ausschluss von Enkeln oder entfernteren Abkçmmlingen fortgesetzt, soweit diese Erben werden. Die Zuwendung der Mitgliedschaft durch Vermchtnis ist mçglich. Der Vermchtnisnehmer muss zu den direkten Abkçmmlingen des verstorbenen Gesellschafters gehçren. In diesem Fall geht die Mitgliedschaft zunchst auf alle Erben entsprechend ihren Erbteilen ber, auch wenn diese nicht zu den direkten Abkçmmlingen gehçren. Die Erben haben in dem weiteren Fall, dass es nicht zur Erfllung des Vermchtnisses kommt, die Mitgliedschaft auf die verbleibenden Gesellschafter im Verhltnis von deren Beteiligung zu bertragen.
Auch diese Gestaltungsprobleme bestätigen die allgemeine Empfehlung, 80 die Mitgliedschaft nicht durch Vermächtnis, sondern durch Erbeinsetzung zu transferieren. 12. Das Wahlrecht nach § 139 HGB Nach § 139 HGB kann der Erbe eines persönlich haftenden Gesellschafters, 81 der auf Grund einer Fortsetzungsklausel in die Gesellschaft eingetreten ist, sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig machen, dass ihm unter Belassung des bisherigen Gewinnanteils die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt und der auf ihn entfallende Teil der Einlage des Erblassers als seine Kommanditeinlage anerkannt wird. Nehmen die übrigen Gesellschafter einen dahingehenden Antrag des Erben nicht an, so ist dieser befugt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist sein Ausscheiden aus der Gesellschaft zu erklären. Geht die Mitgliedschaft im Erbgang auf mehrere Miterben über, so kann jeder von ihnen für seine Person von der Möglichkeit des § 139 HGB Gebrauch machen. Diese Rechte können nach § 139 Abs. 5 HGB mit Ausnahme der Bestimmung des Gewinnanteils nicht ausgeschlossen werden. 673
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
82 Der Gesellschaftsvertrag kann aber Umwandlungsklauseln hinsichtlich
der automatischen oder der erleichterten Umwandlung der Gesellschafterstellung des Erben in eine Kommanditistenstellung enthalten.1 So kann eine automatische Umwandlung mit der Folge des Entfallens des Austrittsrechts nach § 139 Abs. 2 HGB vorgesehen werden. Der Erblasser kann ermächtigt werden, in der letztwilligen Verfügung die Umwandlung anzuordnen.
M 227
Gesellschaftsvertragliche Umwandlungsermchtigung fr den Erblasser
(Form: Gesellschaftsvertrag) Im Wege der letztwilligen Anordnung der erbrechtlichen Nachfolge in die Mitgliedschaft kann verfgt werden, dass der Erbe entsprechend § 139 HGB lediglich die Rechtsstellung eines Kommanditisten erhlt.
M 228
Letztwillige Anordnung der Umwandlung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein Erbe erhlt auch meine Mitgliedschaft an der . . . OHG mit dem Sitz in . . . . Er wird aber nicht persçnlich haftender Gesellschafter, sondern lediglich Kommanditist, wobei die von mir geleistete Einlage die Kommanditeinlage darstellt.
83 Mit erbrechtlichen Mitteln kann der Erblasser dem Nachfolgererben eine
Eintrittspflicht als persönlich haftender Gesellschafter auferlegen.2 In Betracht kommen hier die Auflage, das Vermächtnis und die bedingte Erbeinsetzung. Zur Durchsetzung ist in erster Linie ein etwa bestellter Testamentsvollstrecker berufen. 13. Nießbrauch an der Gesellschaftsbeteiligung, Unterbeteiligung 84 Die letztwillige Zuwendung eines Nießbrauchs an der Gesellschaftsbetei-
ligung bedarf der Zulassung im Gesellschaftsvertrag. Besteht eine solche Zulassung, so kann der Nießbrauch durch Vermächtnis zugewendet werden.
1 Vgl. K. Schmidt, BB 1989, 1702. 2 Reimann, DNotZ 1999, 197.
674
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
M 229
Zulassung der Nießbrauchsbestellung im Gesellschaftsvertrag
(Form: Gesellschaftsvertrag) Die Bestellung eines Nießbrauchs an der Beteiligung zugunsten des Ehegatten ist ohne weitere Genehmigung der brigen Gesellschafter zulssig.
M 230
Nießbrauchsvermchtnis an der Beteiligung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein als Alleinerbe eingesetzter Sohn . . . erwirbt insbesondere meine Beteiligung an der . . . OHG mit dem Sitz in . . . Meiner Ehefrau . . . setze ich als Vermchtnis einen Quotennießbrauch von 20 % an dieser Beteiligung aus.
Entsprechendes gilt für die gesellschaftsvertragliche Zulassung und die 85 testamentarische Zuwendung einer Unterbeteiligung an Pflichtteilsberechtigte zu deren Abfindung. 14. Sondererbfolge und Sonderbetriebsvermögen1 Der Alleinerbe erwirbt die Gesellschaftsbeteiligung und das Sonder- 86 betriebsvermögen. Ertragsteuerliche Entnahmeprobleme entstehen nicht. Dies gilt auch dann, wenn alle Miterben die Gesellschaftsbeteiligung in Teilen entsprechend ihren Erbquoten und das Sonderbetriebsvermögen in Erbengemeinschaft erwerben. Anders ist dies, wenn auf Grund einer qualifizierten Nachfolgeklausel nur 87 einzelne von mehreren Miterben die Gesellschaftsbeteiligung erwerben. Dann kommt es zu einer anteiligen Entnahme des Sonderbetriebsvermögens des Erblassers in Höhe der Erbquoten der nicht qualifizierten Miterben.2 Diese kann nicht durch Gestaltungsmaßnahmen rückwirkend wieder aufgehoben werden.3 Auch und vor allem unter steuerlichen Gesichtspunkten empfiehlt sich 88 das Alleinerbenmodell.4
1 Dazu Tiedtke/Hils, ZEV 2004, 441. 2 BFH v. 15.3.2000 – VIII R 51/98, BStBl. II 2000, 316; BMF-Schr. v. 14.3.2006, BStBl. I 2006, 253, Tz. 73. 3 AnwaltKomm/Pohl/Hartl, Anh. zu § 2064 BGB Rz. 20; es wird die Frage gestellt, ob in diesem Fall nicht die steuerneutrale Übertragung des Mitunternehmeranteils insgesamt scheitert, vgl. Storg, DStR 2002, 1384; zu Vermeidungslösungen Reimann, ZEV 2002, 487 (492). 4 Reimann, ZEV 2002, 487 (492).
675
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
II. Nachfolge in die Mitgliedschaft aufgrund lebzeitiger Vereinbarung 1. Eintrittsrecht 89 Die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag vereinbaren, dass die
Erben eines Gesellschafters beim Tod des Gesellschafters das Recht haben sollen, mit den dem verstorbenen Gesellschafter zugestandenen Rechten und Pflichten in die Gesellschaft einzutreten. Dies kann für alle Erben vereinbart werden:
M 231
Eintrittsklausel
(Form: Gesellschaftsvertrag) Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft zwischen den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Abfindungsansprche der Erben werden allseits und vçllig ausgeschlossen. Die Erben jedes Gesellschafters haben das Recht, in die Gesellschaft zu den Bedingungen der Mitgliedschaft des verstorbenen Gesellschafters einzutreten. Das Recht kann von allen oder einzelnen Erben jeweils zum Eintritt zu gleichen Teilen ausgebt werden. Der Eintritt erfolgt durch Vereinbarung mit den brigen Gesellschaftern. Das Verlangen muss den brigen Gesellschaftern innerhalb 2 Monaten nach dem Tod des Gesellschafters zugehen.
90 Das Eintrittsrecht kann auch nur für bestimmte Erben vereinbart werden:
M 232
Qualifizierte Eintrittsklausel
(Form: Gesellschaftsvertrag) (Satz 1 und 2 wie bei der einfachen Eintrittsklausel, M 231, dann:) Der Sohn . . . des Gesellschafters . . . hat das Recht, innerhalb von 2 Monaten nach dem Tod seines Vaters von dem oder den verbleibenden Gesellschafters zu verlangen, zu den Bedingungen der Mitgliedschaft seines Vaters in die Gesellschaft aufgenommen zu werden.
2. Nachfolgerecht 91 Unter Mitwirkung des Nachfolgers kann gesellschaftsvertraglich verein-
bart werden, dass dieser die Beteiligung eines Gesellschafters bei dessen Tod unmittelbar erwirbt.
676
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
M 233
Rechtsgeschftliche Nachfolgeklausel
(Form: Gesellschaftsvertrag) Beim Tod des Gesellschafters . . . geht dessen Mitgliedschaft auf seinen Sohn . . . , der diesen Vertrag als zuknftiger Gesellschafter neben den brigen Gesellschaftern zur Begrndung seines unmittelbaren Eintritts kraft Rechtsgeschft unter Lebenden mitunterzeichnet, ber.
3. Rechtsfolgen der lebzeitigen Nachfolgeregelungen a) Eintrittsklauseln Bei der Eintrittsklausel handelt es sich nicht um eine Verfügung von To- 92 des wegen. Vielmehr begründet die Eintrittsklausel einen schuldrechtlichen Anspruch des Begünstigten auf Aufnahme in die Gesellschaft, also ein unter Lebenden auf den Todesfall begründetes Recht außerhalb des Erbrechts. Der Eintritt in die Gesellschaft erfolgt nicht automatisch, sondern durch Aufnahme des neuen Gesellschafters zu den Bedingungen der Mitgliedschaft des Verstorbenen. Die Mitgliedschaft wächst also vorübergehend den übrigen Gesellschaftern zu. Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft sind denkbar, wenn der Eintrittsberechtigte von seinem Eintrittsrecht keinen Gebrauch macht. Der Vertrag sollte deshalb zusätzlich Abfindungsausschlüsse und eine Frist zur Ausübung des Eintrittsrechts vorsehen. Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Erben oder eintretenden Ge- 93 sellschafter nach §§ 2325, 2329 BGB sind möglich, wenn das Eintrittsrecht unentgeltlich erworben wurde. Für den Beginn der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB ist vom Todestag auszugehen.1 b) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklauseln Bei ihnen handelt es sich um gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen, al- 94 so Rechtsgeschäfte unter Lebenden außerhalb der erbrechtlichen Nachfolge. Wegen des Verbots von Verfügungen zugunsten Dritter und Verträgen zu Lasten Dritter2 muss der Nachfolger an der Vereinbarung beteiligt werden. Für den so seine Nachfolge regelnden Gesellschafter und die Gesellschaft tritt damit eine rechtsgeschäftliche Bindung zugunsten des Nachfolgers ein, die zu bedenken ist. Bei der rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel wird der Wert der Mitgliedschaft durch Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall, das nicht der Form des § 2301 BGB unterliegt, am Nachlass vorbeigesteuert. Abfindungsansprüche weichender Erben gegen die Gesell1 H.L., vgl. Staudinger/Olshausen, § 2325 BGB Rz. 56; Soergel/Dieckmann, § 2325 BGB Rz. 55. 2 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 (231) = MDR 1978, 353 = NJW 1977, 1339.
677
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
schaft sind deshalb ausgeschlossen. Ist der Nachfolger gleichzeitig gesetzlicher Erbe, so kann er gem. § 2050 BGB zur Ausgleichung verpflichtet sein. Sonst verbleiben den weichenden Pflichtteilsberechtigten nur Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Erben nach § 2325 BGB oder subsidiär gegen den Nachfolger gem. § 2329 BGB. Sofern sich alle Gesellschafter gegenseitig zur Übertragung verpflichtet haben, entfällt bereits die Unentgeltlichkeit.
III. Die Vererbung des Kommanditanteils1 95 Nach § 177 HGB wird in die KG beim Tod eines Kommanditisten mangels
abweichender vertraglicher Regelung mit dessen Erben fortgesetzt. Die Mitgliedschaft des Kommanditisten ist also frei vererblich. Nach h.M.2 geht der Kommanditanteil bei mehreren Miterben entsprechend der Rechtslage bei der Nachfolge in die Mitgliedschaft eines persönlich haftenden Gesellschafters auf die mehreren Miterben nicht in Erbengemeinschaft, sondern nach den Grundsätzen der erbrechtlichen Sonderrechtsnachfolge unmittelbar geteilt über. 96 Der Gesellschaftsvertrag kann die Vererblichkeit des Kommanditanteils
ausschließen oder einschränken. Unter Beachtung des unterschiedlichen dogmatischen Ausgangspunktes können alle Nachfolgerregelungen verwirklicht werden, die auch bei der Regelung der Vererbung oder lebzeitig geregelten Nachfolge hinsichtlich der Beteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters möglich sind. Wie bei der Beteiligung des Komplementärs sind auch bei der Beteiligung des Kommanditisten qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklauseln, rechtsgeschäftliche Nachfolgeklauseln und Eintrittsrechte im Sinne von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall möglich. 97 So kann bestimmt werden, dass die Gesellschaft allein unter den verblei-
benden Gesellschaftern fortgesetzt werden soll. Auch die Zulassung lediglich einzelner Erben oder einzelner Gruppen von Erben im Sinne der qualifizierten Nachfolge ist möglich. Die Regelung besteht hier nicht wie beim persönlich haftenden Gesellschafter in der beschränkten Zulassung, sondern im Ausschluss der Vererblichkeit für nicht nachfolgeberechtigte Erben. 98 Da der Gesellschaftsvertrag auch die Vererblichkeit der Komplementär-
Beteiligung vorsehen kann, gleichzeitig aber die Vererblichkeit der Kommanditisten-Beteiligung ausschließen kann, ist hier auf eine präzise Klauselformulierung zu achten. Im Regelfall wird man hier eine parallele Vererbungsregelung vorsehen.
1 Ivo, ZEV 2006, 302. 2 BGH v. 20.4.1972 – II ZR 143/69, BGHZ 58, 316 (317) = NJW 1972, 1755 = MIttBayNot 1972, 174; Baumbach/Hopt, § 177 HGB Rz. 3; Röhricht/Graf von Westphalen/v. Gerkan, § 177 HGB Rz. 6.
678
D. Die Vererbung von Gesellschaftsbeteiligungen
M 234
Qualifizierte Nachfolgeklausel bei der KG
(Form: Gesellschaftsvertrag) Beim Tod eines persçnlich haftenden Gesellschafters wird die Gesellschaft mit den Abkçmmlingen des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt, die dieser durch letztwillige Verfgung bestimmt. Beim Tod eines Kommanditisten sind ebenfalls nur die Erben nachfolgeberechtigt, die Abkçmmlinge des verstorbenen Kommanditisten sind und von diesem durch letztwillige Verfgung als Nachfolger in den Kommanditanteil bestimmt wurden. Es gelten im brigen die Rechtsprechungsgrundstze ber die erbrechtliche Sondernachfolge in Personengesellschaftsanteile.
In der Praxis anzutreffen sind weiter Vertreterklauseln des Inhalts, dass 99 mehrere Nachfolger eines Kommanditisten ihre Rechte nur gemeinschaftlich durch einen von ihnen zu bestimmenden Vertreter ausüben dürfen. Weiterhin kann vorgesehen werden, dass Kommanditisten, deren Beteiligung einen bestimmten Kapitalbetrag nicht mehr erreicht, aus der Gesellschaft gegen Entgelt ausscheiden oder ihre Splitteranteile an andere Gesellschafter abtreten müssen.
IV. Die Vererbung des GmbH-Anteils1 Die Geschäftsanteile der Gesellschafter einer GmbH sind nach der gesetzli- 100 chen Regel des § 15 Abs. 1 GmbHG frei vererblich. Anders als beim Kommanditanteil kann die Vererblichkeit durch die Satzung jedoch nicht ausgeschlossen werden.2 Mehrere Erben erwerben einen Geschäftsanteil in Erbengemeinschaft. Eine Sondererbfolge in den GmbH-Anteil findet nicht statt. Mehrere Miterben können ihre Gesellschafterrechte nach § 18 Abs. 1 GmbHG nur gemeinschaftlich ausüben. Sie müssen also entweder alle gemeinsam auftreten oder sich durch einen oder mehrere gemeinsam bestellte Vertreter vertreten lassen. Ein solcher gemeinsamer Vertreter ist auch der Testamentsvollstrecker. Bei satzungsmäßigen Sonderrechten einzelner Gesellschafter wie etwa 101 Mehrstimmrechten, erhöhten Gewinnanteilen, persönlichen Kündigungsrechten oder persönliche Geschäftsführungsbefugnissen, hat der Gesellschaftsvertrag die Vererblichkeit ausdrücklich zu bestimmen. Mangels solcher Bestimmung sind derartige Sonderrechte als höchstpersönliche Rechte im Zweifel unvererblich. Die Satzung kann die freie Vererblichkeit der Geschäftsanteile der GmbH 102 gem. § 15 Abs. 1 GmbHG auch nicht einschränken. Insbesondere kann die Vererbung nicht an eine Genehmigung der Gesellschaft oder der Gesell1 Ivo, ZEV 2006, 252. 2 Allgemeine Meinung, vgl. nur Scholz/Winter/Seibt, § 15 GmbHG Rz. 27 mwN.
679
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
schafter geknüpft werden. Jedoch können gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen darüber getroffen werden, ob und unter welchen Bedingungen die Erben nach dem erbrechtlichen Erwerb den Geschäftsanteil behalten dürfen. Es kann also nicht verhindert werden, dass der Geschäftsanteil den Erben anfällt. Nach dem Anfall können die Erben jedoch Beschränkungen unterworfen werden. Die Satzung kann durch Abtretungsverpflichtungen und Einziehungsbefugnisse erreichen, dass im Ergebnis nur bestimmte Personen, etwa nur Abkömmlinge, den Anteil behalten dürfen.1 103
Soll nur einer von mehreren Miterben Gesellschafter der GmbH werden, so hat dies der Erblasser testamentarisch durch Vermächtnis oder Teilungsanordnung zu regeln. Der Erwerb des GmbH-Anteils durch den als Nachfolger vorgesehenen Erben bedarf dann der in notarieller Form zu erklärenden rechtsgeschäftlichen Abtretung des Geschäftsanteils von der Erbengemeinschaft auf den vorgesehenen Nachfolger, § 15 GmbHG. Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass die Veräußerung von Geschäftsanteilen der Genehmigung der Gesellschaft oder der Gesellschafter bedarf, so gilt dies auch für diesen Fall. Ist bei einem Vermächtnis die Genehmigung ohne Schuld des verpflichteten Erben nicht zu erreichen, so wird der Erbe von seiner Verpflichtung nach § 275 BGB frei. Will also der Erblasser sicherstellen, dass der Geschäftsanteil auch tatsächlich an den von ihm vorgesehenen Nachfolger anfallen kann, so hat er schon zu Lebzeiten die Zustimmung der Gesellschafter zu der von ihm beabsichtigten Zuweisung zu erwirken. Auch die Satzung kann die Fälle der Vermächtniserfüllung oder Erbauseinandersetzung von der Genehmigungspflicht ausnehmen.
M 235
Vererbungsklausel in der GmbH-Satzung
(Form: Gesellschaftsvertrag) Beim Tod eines Gesellschafters kçnnen nur die Erben in der Gesellschaft verbleiben, die Abkçmmlinge des verstorbenen Gesellschafters sind. Werden Personen, die nicht Abkçmmlinge des verstorbenen Gesellschafters sind, Erben oder Miterben, so kann der Geschftsanteil insgesamt eingezogen werden. Statt der Einziehung kann die Gesellschaft verlangen, dass der Anteil ganz oder geteilt an die Gesellschaft selbst, an einen oder mehrere Gesellschafter oder an einen Dritten abgetreten wird. Die Zuwendung eines Geschftsanteils an Abkçmmlinge im Wege des Vermchtnisses bedarf nicht der Zustimmung der Gesellschafter oder der Gesellschaft.
1 Dazu Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, Rz. 211 ff.
680
E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte
E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte I. Die materielle Höchstpersönlichkeit der Erbenbestimmung Nach § 2064 BGB kann der Erblasser ein Testament nur persönlich errich- 104 ten. Diese förmliche Höchstpersönlichkeit ergänzt § 2065 BGB durch den Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit.1 Danach kann der Erblasser die Bestimmung über die Geltung seiner letztwilligen Verfügung nicht einem anderen überlassen, § 2065 Abs. 1 BGB. Weiterhin kann er nach § 2065 Abs. 2 BGB die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstands der Zuwendung ebenfalls nicht einem anderen überlassen. Die Testierfreiheit in Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge soll nur dann zuerkannt und geschützt werden, wenn der Erblasser sowohl in der Form wie im Inhalt Urheber der letztwilligen Verfügung ist. Das grundsätzliche Fremdbestimmungsverbot des § 2065 Abs. 2 BGB gilt sowohl für die Erbenbestimmung wie für die Bestimmung des Vermächtnisnehmers.2 Aus der Entstehungsgeschichte lässt sich nachweisen, dass dieses Fremdbestimmungsverbot eher den Charakter einer Kompromisslösung denn den eines ehernen Verbots hat.3 Dies ist für die Beurteilung der nachfolgend dargestellten kautelarjuristischen Lösungen wichtig.4
II. Notwendige Einschränkungen der materiellen Höchstpersönlichkeit Bei besonders gelagerten Fallgruppen im Bereich der letztwilligen Unter- 104a nehmensnachfolge, des Geschiedenentestaments und der belohnenden letztwilligen Verfügung besteht ein legitimes Bedürfnis für die Drittbestimmung des Zuwendungsempfängers.5 Der Erblasser verfolgt hier anerkennenswerte Ziele, eine verwerfliche Umgehung des Höchstpersönlichkeitsgrundsatzes liegt ihm fern. Er will nicht infolge von Unentschlossenheit eine ihm selbst mögliche Entscheidung auf einen anderen verlagern,6 sondern ist im Gegenteil zu einer Regelung entschlossen, die er aber nur unter Einbeziehung eines anderen treffen kann. Der § 2065 Abs. 2 BGB verhindert oder erschwert in diesen Fällen eine wünschenswerte Lösung. Neben der 1 Zu den rechtstheoretischen und dogmatischen Grundlagen des Prinzips der materiellen Höchstpersönlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Drittbestimmung des Unternehmensnachfolge-Erben vgl. Goebel, DNotZ 2004, 101. 2 Zu gesetzlichen Fremdbestimmungsmöglichkeiten beim Vermächtnis siehe 3. Kap. Rz. 278 ff. 3 Helms, ZEV 2007, 1. 4 Vgl. Prot. V S. 20 und 28 zum praktischen Bedürfnis als Rechtfertigung der Ausnahmeregelung des § 2151 Abs. 1 BGB. 5 Keim, FamRZ 2003, 137; Helms, ZEV 2007, 1. 6 Zur Unentschlossenheit als Kriterium für eine unzulässige Fremdbestimmung BGH v. 18.11.1954_ IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199, 201 = NJW 1955, 100 = DNotZ 1955, 402.
681
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch eine Vertrauensperson sind dies die Belohnungsfälle, in denen der Erblasser die ihm noch nicht bekannte Pflegeperson bedenken will und die Falle des Geschiedenentestaments, bei denen der geschiedene Ehegatte als Erbe oder Pflichtteilsberechtigter am Nachlass des gemeinsamen Kindes ausgeschaltet werden soll, ohne dass dadurch die Testierfreiheit des Kindes eingeschränkt wird. 105
Bei der Bestimmung des Unternehmensnachfolgers geht es in der zentralen Fallgruppe des frühzeitigen Unternehmertestaments darum, dass der Unternehmer einen wesentlich jüngeren Ehegatten und junge Kinder hat, und dem Ehegatten als Vorerben die Möglichkeit gegeben werden soll, den Unternehmensnachfolger-Erben aus dem Kreis der Kinder zu bestimmen. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Kautelarpraxis hier gangbare Lösungen anbieten muss.
III. Die Rechtsprechung: Fremdbezeichnung statt Fremdbestimmung? 106
Bei der Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch eine Vertrauenspersonen hat das Reichsgericht es für zulässig erachtet, dass der Erbe aus einem begrenzten Kreis von Personen nach bestimmten sachlichen Gesichtspunkten von einem Dritten ausgewählt werden kann, sofern nur der Personenkreis so eng begrenzt ist und die Gesichtspunkte für die Auswahl so genau festgelegt sind, dass für eine Willkür des Dritten kein Raum bleibt. Dabei muss die Entscheidung lediglich auf dessen Urteil über das Vorliegen der Voraussetzungen abgestellt sein, selbst wenn dieses ein Werturteil darstellt oder ein solches einschließt.1 Nach der engeren Auffassung des BGH2 soll der Erblasser dem Dritten nicht die Bestimmung, sondern nur die Bezeichnung der Person des Bedachten überlassen können. Dies setzt voraus, dass der Erblasser Angaben gemacht hat, die es jeder mit genügender Sachkunde ausgestatteten Person ermöglichen, den Bedachten zu bezeichnen, ohne dass das eigene Ermessen des Dritten dabei bestimmend oder mitbestimmend ist. Die Auffassung des BGH erlaubt im Ergebnis die Drittbestimmung des Unternehmensnachfolgers, die immer mit Wertungen verbunden sein muss, nicht.3
107
Es wird deshalb zunehmend4 empfohlen, der Auffassung des Reichsgerichts zu folgen. Bis sich diese Meinung möglicherweise auch beim 1 RG v. 6.2.1939 – IV 188/38, RGZ 159, 296 (299) „Rittergut“. 2 BGH v. 18.11.1954_ IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199 (202) = NJW 1955, 100 = DNotZ 1955, 402; Zweifel daran, ob der BGH in diesem Urteil gegenüber der Rittergut-Entscheidung des Reichsgerichts eine radikale Kurswendung vollzog, bei Helms, ZEV 2007, 1 (2). 3 Vgl. BayObLG v. 18.3.2004 – 1Z BR 44/03, FamRZ 2005, 65 = MittBayNot 2004, 450 zur Unwirksamkeit der Klausel: „Der Vorerbe ist berechtigt, aus unseren Abkömmlingen gegen diejenigen auszuwählen als Nacherben, der am geeignetsten für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Grundbesitzes ist“. 4 So von Keim, FamRZ 2003, 138 und Goebel, DNotZ 2004, 117.
682
E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte
BGH durchsetzt, hat sich die Kautelarpraxis mit Lösungen zu behelfen, die dogmatisch auf einer Unterscheidung zwischen der unmittelbaren Bestimmung des Erblassers und der lediglich mittelbaren Bestimmung des Dritten beruhen.1
IV. Die Kautelarpraxis: Eigenbestimmung unter Instrumentalisierung der Vertrauensperson 1. Ausgangspunkt Vor- und Nacherbfolge Die Kautelarpraxis ist bemüht, dem Erblasser die grundlegende Entschei- 108 dung hinsichtlich der Erbenbestimmung vorzubehalten und doch im Ergebnis eine eingeschränkte Auswahlbefugnis der Vertrauensperson im Sinne einer Einschränkung der vorgegebenen Erbenmehrheit auf einen einzelnen Erben als Unternehmensnachfolger zu ermöglichen. Instrumente hierzu sind einerseits die bei der Anordnung von Nacherbschaft grundsätzlich zulässige auflösende Bedingung, sowie andererseits die Nacherbenbestimmung nach Maßgabe der eigenen Verfügung des Vorerben über sein nicht der Nacherbfolge unterliegendes Vermögen. In beiden Fällen wird dem Vorerben nicht die Befugnis zur Bestimmung des Nacherben übertragen, sondern der Erblasser bestimmt den Inhalt seiner letztwilligen Verfügung selbst unter gezielter Instrumentalisierung des Verhaltens des Vorerben. Ausgangspunkt der in der Literatur erörterten Lösungen ist ein Vor- und 109 Nacherbentestament des Erblassers, bei dem die Ehefrau zur Vorerbin und die Abkömmlinge zur Nacherben eingesetzt werden. Der Ehegatte als Vorerbe erhält im Ergebnis die Möglichkeit, den Unternehmensnachfolger aus dem Kreis der Abkömmlinge auszuwählen. Entsprechend der Anordnung des Erblassers erreicht der Ehegatte als Vertrauensperson dieses Ergebnis entweder durch Beseitigung der Nacherbfolge mittelseigener letztwilliger Verfügung und Vererbung des Unternehmens als Gegenstand ihres eigenen Vermögens oder durch Einschränkung des Kreises der Nacherben auf den Abkömmling, den er selbst zu seinem eigenen Erben einsetzt. 2. Die Bedingungslösung Bei der Bedingungslösung ordnet der Unternehmer-Erblasser Vorerbfolge 110 zugunsten des Ehegatten und Nacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge an, stellt aber die Anordnung der Nacherbfolge unter die auflösende Bedingung, dass der Vorerbe einen der Abkömmlinge zu seinem Alleinerben einsetzt. Hierdurch erbt dieser Abkömmling das Unternehmen nicht vom Unternehmer, sondern von dessen Ehegatten, der seinerseits durch die Errichtung der entsprechenden letztwilligen Verfügung rückwirkend alleiniger Vollerbe des Unternehmers wird. 1 Zu dieser Unterscheidung Ivo, DNotZ 1992, 261.
683
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
111
Die Gestaltung wird allgemein als zulässig angesehen.1 Die für letztwillige Verfügungen in §§ 2074 und 2075 ausdrücklich vorgesehene aufschiebende oder auflösende Bedingung ist nach allgemeiner Ansicht auch als Potestativ-Bedingung in der Form zulässig, dass der Eintritt der Bedingung allein von dem Willen des Bedachten oder eines Dritten abhängt.2
M 236
Testament des Unternehmers, Bedingungslçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meine Ehefrau zu meiner alleinigen Erben ein. Sie ist befreite Vorerbin. Nacherben auf den Tod der Vorerbin sind meine dann lebenden Abkçmmlinge, mehrere Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Derzeit sind dies meine Sçhne . . . und . . . und meine Tochter . . . Die Anordnung von Nacherbfolge ist auflçsend bedingt. Sie entfllt mit der Wirkung, dass meine Ehefrau unbeschrnkte Alleinerbin ist, dadurch, dass meine Ehefrau in einer eigenen letztwilligen Verfgung einen meiner Abkçmmlinge zu ihrem Alleinerben einsetzt oder dadurch, dass meine Ehefrau mein derzeit unter der Firma . . . betriebenes Unternehmen auf einen Abkçmmling bertrgt oder liquidiert oder verußert.
M 237
Testament des Unternehmer-Ehegatten, Bedingungslçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Mein verstorbener Ehemann hat mich testamentarisch zur alleinigen Vorerbin und seine Abkçmmlinge zu Nacherben auf meinen Tod eingesetzt. Die Anordnung von Nacherbfolge ist dadurch auflçsend bedingt, dass ich einen der Abkçmmlinge zu meinem eigenen Alleinerben einsetzte. Dementsprechend setze ich hiermit den gemeinsamen Sohn . . . zu meinem Alleinerben ein. Dem Sohn . . . und der Tochter . . . setze ich die folgenden Vermchtnisse aus: (Bezeichnung der Vermchtnisse).
3. Die Maßgabelösung 112
Bei der Maßgabelösung setzt der Unternehmer-Erblasser die Personen zu Nacherben ein, die der Vorerbe zu seinem eigenen Erben bestimmt.
1 BGH v. 18.11.1954_ IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199 (202) = NJW 1955, 100 = DNotZ 1955, 402; BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35 = NJW 1951, 959; RG v. 16.4.1919 – IV 58/19, RGZ 95, 278; OLG Hamm v. 24.8.1999 – 15 W 218/99, FamRZ 2000, 446 = ZEV 2000, 197 = MittBayNot 2000, 47; Staudinger/Otte, § 2065 BGB Rz. 19; Palandt/Weidlich, § 2065 BGB Rz. 6. 2 Motive V S. 30, allg. Meinung.
684
E. Die Bestimmung des Unternehmensnachfolgers durch Dritte
Die auch als „Dieterle-Klausel“1 bezeichnete Gestaltung ist in ihrer Zu- 113 lässigkeit umstritten. Die überwiegende Literatur2 hält sie für zulässig. Zur Begründung wird angeführt, dass bei ihr der Erblasser selbst den Nacherben hinreichend genau bestimmt hat, indem er das eigene Testament des Vorerben für maßgeblich erklärt hat. Dieses Testament des Vorerben seinerseits regelt nicht unmittelbar die Nacherbfolge nach dem Erblasser, sondern die eigene Erbfolge. Die Konkretisierung der Nacherbfolge nach dem Erblasser erfolgt nicht unmittelbar durch den Vorerben unter Ausschaltung des Erblasserwillens, sondern lediglich mittelbar.3 Die Maßgabelösung wurde zuletzt durch eine Entscheidung des OLG 114 Frankfurt/Main in Frage gestellt.4 Der Entscheidung wird zu Recht oberflächliche Argumentation, fehlende Begründung und unvollständige bzw. falsche Literaturauswertung vorgeworfen.5 Gleichwohl wird sie bei der Auswahl des sichersten Weges berücksichtigt werden müssen.
M 238
Testament des Unternehmers, Maßgabelçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meinen Ehegatten zu meinem alleinigen Erben ein. Er ist befreiter Vorerbe. Nacherben auf den Tod des Vorerben sind die Personen, die mein Ehegatte durch letztwillige Verfgung zu seinen eigenen Erben einsetzt.
M 239
Testament des Ehegatten des Unternehmers, Maßgabelçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Alleinerben setze ich meinen Sohn . . . ein. Meinem Sohn . . . und meiner Tochter . . . setze ich die folgenden Vermchtnisse aus: (Beschreibung der Vermchtnisse).
4. Die Kombinationslösung Frank6 schlägt eine Verbindung der Bedingungslösung mit der Maßgabelö- 115 sung vor,7 die von der Akzeptanz der Bedingungslösung getragen sein soll. 1 Dieterle, BWNotZ 1971, 14 (17); ausführlich zur Dieterle-Klausel 6. Kap. Rz. 24 ff. 2 Nieder, ZEV 1994, 156 (158); Lange/Kuchinke, § 27 I 6b; v. Lübtow, Band I, S. 143; Staudinger/Otte, § 2065 BGB Rz. 16; Palandt/Weidlich, § 2065 BGB Rz. 7; Busse, MittRhNotK 1998, 225 (232); aA Reimann/Bengel/J. Mayer/Voit, vor § 2229 BGB Rz. 24; kritisch Wagner, ZEV 1997, 369 (370). 3 Ivo, DNotZ 2002, 250. 4 OLG Frankfurt/Main v. 10.12.1999 – 20 W 224/97, ZEV 2001, 316 mit Anm. Otte = FamRZ 2000, 1667 = DNotZ 2001, 145 mit Anm. Kanzleiter. 5 Ivo, DNotZ 2002, 250. 6 Frank, MittBayNo. 1987, 231 (235). 7 Zustimmend Keim, FamRZ 2003, 140.
685
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
M 240
Testament des Unternehmers, Kombinationslçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meinen Ehegatten zu meinem alleinigen Erben ein. Er ist befreiter Vorerbe. Nacherben auf den Tod des Vorerben sind meine dann lebenden Abkçmmlinge, mehrere Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Derzeit sind dies meine Sçhne . . . und . . . und meine Tochter . . . Die Einsetzung zu Nacherben ist auflçsend bedingt. Sie entfllt fr den Abkçmmling, den mein Ehegatte nicht letztwillig zu seinem eigenen Erben bestimmt hat.
5. Vermächtnislösungen 116
Das Verbot der Drittbestimmung des Zuwendungsempfängers nach § 2065 Abs. 2 BGB gilt sowohl für Erbeinsetzungen wie für Vermächtnisse. Im Bereich der Vermächtnisse gibt das Gesetz selbst Ausnahmeregelungen vor. Nach § 2151 Abs. 1 BGB kann der Erblasser mehrere Personen mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von ihnen das Vermächtnis erhalten soll. Entsprechendes regelt § 2152 das Wahlvermächtnis. Nach § 2153 BGB kann der Erblasser die Verteilung des Vermächtnisgegenstandes unter mehreren Bedachten einem anderen überlassen. Nach § 2154 BGB kann dem Beschwerten oder einem Dritten die Auswahl unter mehreren vom Erblasser angegebenen Gegenständen übertragen werden. Schließlich kann bei Vermächtnissen, deren Zweck vom Erblasser bestimmt ist, die Bestimmung der Leistung dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen werden, § 2156 BGB.
117
In Verbindung mit den Möglichkeiten der Regelung des Anfalls und der Fälligkeit ergibt sich so, dass der Unternehmer seinem Ehegatten als der mit dem Vermächtnis beschwerten Person die Möglichkeit geben kann, das Unternehmen im Wege der Vermächtniserfüllung dem von seinem Ehegatten aus dem Kreis der Abkömmlinge ausgesuchten Unternehmensnachfolger zukommen zu lassen.1
M 241
Testament des Unternehmers, Vermchtnislçsung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meiner alleinigen und unbeschrnkten Erbin setze ich meine Ehefrau . . . ein. Einem der bei meinem Tod lebenden Kinder – es sind dies derzeit die Sçhne . . . und . . . und die Tochter . . . – setze ich mein derzeit unter der Firma . . . betriebenes Einzelunternehmen mit allem zum Unternehmen gehçrenden Betriebsvermçgen, insbesondere dem Sonderbetriebsvermçgen, als Ver-
1 MünchKomm.BGB/Rudy, § 2151 BGB Rz. 12; Staudinger/Otte, § 2151 BGB Rz. 2; N. Mayer, ZEV 1995, 247 (248); Helms, ZEV 2007, 1 (5).
686
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben
mchtnis aus. Meine Ehefrau ist berechtigt, die zum Unternehmen gehçrenden Gegenstnde genau zu bezeichnen. Ich bitte sie, diese Bezeichnung so vorzunehmen, dass steuerliche Nachteile, insbesondere Verußerungsgewinne, nicht entstehen. Weiterhin bitte ich meine Ehefrau, unter den Abkçmmlingen denjenigen als Vermchtnisnehmer zu bestimmen, der zur Fortfhrung des Unternehmens nach ihrer Einschtzung geeignet ist. Das Vermchtnis fllt zu dem Zeitpunkt an, zu dem meine Ehefrau diese Bestimmung vornimmt. Hat meine Ehefrau die Bestimmung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des jngsten der vorbezeichneten Kinder nicht vorgenommen, so entfllt das Vermchtnis. Das Vermchtnis entfllt ebenfalls, wenn meine Ehefrau das Einzelunternehmen bis zum vorbezeichneten Zeitpunkt liquidiert oder an Dritte verußert.
V. Praktische Empfehlung Jede der vorbezeichneten Gestaltungen hat ihre Vor- und Nachteile. Zu den 118 allen Lösungen gemeinsamen Nachteilen gehört, dass sie Vertrauen zum Ehegatten voraussetzen. Insbesondere bei großem Altersunterschied der Ehegatten kann die weitere Lebensplanung etwa der wesentlich jüngeren Ehefrau mit dem Wunsch des Erblassers kollidieren, dass die rechtlich relevanten Verhaltensweisen des überlebenden Ehegatten sich lediglich am Wohl des Unternehmens und der Kinder ausrichten. Zu den Nachteilen der Erbenbestimmungslösungen gehören die starren Strukturen der Vor- und Nacherbschaft und das Erfordernis gezielter letztwilliger Verfügungen des überlebenden Ehegatten. Hier ist die Vermächtnislösung wesentlich elastischer. Ihr dürfte im Regelfall gegenüber den anderen Lösungen der Vorzug zu geben sein. Vor allem erspart sie dem überlebenden Ehegatten die Errichtung eines eigenen inhaltlich vorbestimmten Testaments und ermöglicht ihm über die Bestimmung des Anfalls des Vermächtnisses die Wahl des geeigneten Zeitpunktes für den Übergang des Unternehmens.
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben I. Grundsätze Neben der vorrangigen Gestaltung der letztwilligen Unternehmensnach- 119 folge ist zu regeln, wie die Familienangehörigen, die nicht Unternehmensnachfolger werden sollen, versorgt oder abgefunden werden. Der Versorgungsgedanke steht beim Unternehmer-Ehegatten im Vordergrund, während die weichenden Abkömmlinge nur dann zu versorgen sind, wenn sie noch keine Berufsausbildung haben oder sich wegen Krankheit oder Behinderung nicht selbst versorgen können. Die anderen Abkömmlinge sind gleichzustellen oder zumindest in Höhe der Pflichtteile abzufinden. 687
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
120
Ideal ist es, wenn für die Versorgung und Abfindung genügend Vermögen außerhalb des Betriebsvermögens zur Verfügung steht. Eine Verwendung von Betriebsvermögen führt zur Gefahr von steuerpflichtigen Entnahmen und zur Schwächung des Betriebes. Zur Versorgung geeignet sind Renten. Sie sind die praxishäufigste Gestaltung. Seltener sind Nießbrauchslösungen, etwa in der Form des Ertragsnießbrauchs. Weiter sind möglich die Beteiligung am Unternehmen oder der Mitgliedschaften in der Form der Unterbeteiligung oder der stillen Gesellschaft.
II. Grundstücksnießbrauch 121
Das Nießbrauchsvermächtnis für den Ehegatten ist dann eine erwägenswerte Möglichkeit, wenn der Nießbrauch zu Lasten eines Grundstücks des Privatvermögens bestellt werden kann. Sobald der Nießbrauch an einem Grundstück des Betriebsvermögens bestellt wird, ergeben sich steuerliche Probleme. Stellt der Nießbrauchsberechtigte das mit dem Nießbrauch belastete Wirtschaftsgut dem Betrieb wieder gegen Entgelt zur Verfügung, so liegt hierin ertragsteuerlich eine missbräuchliche, nicht anzuerkennende Gestaltung.1 Nutzt der Nießbrauchsberechtigte das Wirtschaftsgut anderweitig, so liegt eine Nutzungsentnahme vor. Der Zuwendungsnießbrauch an Gegenständen des Betriebsvermögens ist daher nicht empfehlenswert.
III. Nießbrauch am Unternehmen 122
Der Nießbrauch am gesamten Unternehmen wirft, obwohl ihn § 22 Abs. 2 HGB für die Firmenfortführung ohne Erwerb des Handelsgeschäft voraussetzt, erhebliche zivilrechtliche und steuerliche Probleme auf. Der Nießbraucher wird Inhaber des Handelsgeschäfts und steuerlich Unternehmer. Er betreibt das Unternehmen auf eigene Rechnung und eigenes Risiko. Dies ist in den Versorgungsfällen nicht gewünscht. Der Unternehmensnießbrauch ist in einfach gelagerten Fällen eine Gestaltungsmöglichkeit für die zeitweilige Fortführung des Unternehmens durch den Ehegatten, nicht jedoch für die Versorgung des Ehegatten, der nicht Unternehmer sein soll.
IV. Ertragsnießbrauch 123
Zur Versorgung des Ehegatten grundsätzlich geeignet ist der Ertragsnießbrauch, der zwar dinglich an den einzelnen Unternehmensgegenständen bestellt wird, aber nur auf den Ertrag gerichtet ist. Der Nießbraucher ist von der Leitung des Unternehmens ausgeschlossen, trägt kein Haftungsrisiko und ist steuerlich nicht Mitunternehmer. Er hat gegen den Unternehmer einen schuldrechtlichen Anspruch auf den ihm zugewandten bestimmten Teil des Reingewinns des Unternehmens. Die Eignung zur 1 BFH v. 18.10.1990 – IV R 36/90, BStBl. II 1991, 205 = FamRZ 1991, 568.
688
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben
Versorgung wird durch die Abhängigkeit vom Unternehmen beeinträchtigt, dies einmal dadurch, dass der Berechtigte bei schlechter Ertragslage des Unternehmens keine oder nicht ausreichende Bezüge erhält, zum Zweiten auch dadurch, dass der Unternehmer den Gewinn zu Lasten des Nießbrauchs verschleiern oder manipulieren kann. Es empfiehlt sich deshalb, einen Testamentsvollstrecker als Schiedsgutachter vorzusehen.
M 242
Ertragsnießbrauch am Unternehmen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Ehegatten setze ich zur Aufstockung seiner Altersversorgung als Vermchtnis den lebenslangen Nießbrauch an meiner Einzelfirma . . . als Ertragsnießbrauch in der Weise aus, dass er zwanzig vom Hundert des dem Erben vor Steuern verbleibenden Gewinns des Unternehmens erhlt, und zwar jeweils monatlich im Voraus nach Maßgabe der letzten Jahresbilanz. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Unternehmer und Nießbraucher ist auf Antrag eines Beteiligten von der Industrie- und Handelskammer ein Testamentsvollstrecker zu bestimmen, der dann als Schiedsgutachter verbindlich entscheidet.
Dem Ehegatten kann auch ein Rentenwahlrecht gegeben werden. Die Hö- 124 he der Rente kann, da der Versorgungszweck bestimmend ist, nach § 2156 BGB dem billigen Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten überlassen werden. Die Rentenhöhe bleibt so elastisch, ohne dass eine Wertsicherung nötig wäre.
M 243
Rentenwahlrecht bei Ertragsnießbrauch am Unternehmen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meine Ehefrau kann jederzeit durch schriftliche Erklrung gegenber dem Unternehmer auf den Nießbrauch verzichten und stattdessen eine monatlich im Voraus zahlbare, lebtgliche Rente verlangen, die es ihr ermçglicht, ihren Unterhalt im angemessenen Umfang zu bestreiten. Die Rente ist vom Unternehmer nach billigem Ermessen festzusetzen und im Bedarfsfall jeweils anzupassen. Bei Meinungsverschiedenheiten ist auf Antrag eines Beteiligten von der Industrie- und Handelskammer ein Testamentsvollstrecker zu bestimmen, der dann als Schiedsgutachter verbindlich entscheidet.
V. Schuldrechtliches Ertragsvermächtnis Die beim Ertragsnießbrauch notwendige Bestellung des Nießbrauchs an 125 den einzelnen Unternehmensgegenständen erspart das Vermächtnis eines rein schuldrechtlichen Anspruchs gegen den Unternehmer auf den teilweisen Reinertrag des Unternehmens. 689
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
M 244
Schuldrechtliches Ertragsvermchtnis am Unternehmen
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Ehegatten setze ich als Vermchtnis den lebenslangen schuldrechtlichen Anspruch auf zwanzig von Hundert der Ertrge meines Einzelunternehmens . . . aus. Die Auszahlung hat monatlich im Voraus nach Maßgabe der letzten Jahresbilanz zu erfolgen.
VI. Nießbrauch an Personengesellschaftsanteilen 126
Seit einem grundlegenden Urteil des BGH aus dem Jahre 19981 ist auch angesichts des Abspaltungsverbots die Zulässigkeit des vollen Nießbrauchs an Personengesellschaftsanteilen dann, wenn entweder alle Gesellschafter zustimmen oder wenn der Gesellschaftsvertrag die Nießbrauchsbestellung zulässt, grundsätzlich geklärt. Es bleiben aber die Probleme der Abgrenzung der Befugnisse von Gesellschafter und Nießbraucher, etwa hinsichtlich des Stimmrechts. Ertragsteuerlich wird der Nießbraucher neben dem Gesellschafter als Mitunternehmer angesehen. Zur reinen Versorgung ist deshalb wie beim Unternehmensnießbrauch der Vollnießbrauch ungeeignet. Es bleibt die Möglichkeit der Bestellung des Nießbrauchs als Ertragsnießbrauch an den vermögensrechtlichen Bezügen, den Gewinnansprüchen.
M 245
Nießbrauchsvermchtnis an den Ertrgen der Mitgliedschaft
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Ehegatten vermache ich an meiner Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter der . . . den lebtglichen Nießbrauch folgenden Inhalts: Der Nießbrauch besteht nur an den jhrlichen Gewinnansprchen und dem Auseinandersetzungsguthaben in Hçhe von jeweils zwanzig vom Hundert. Diese Gewinnanteile kçnnen vom Nießbraucher verbraucht werden, ohne dass er bei Beendigung des Nießbrauchs zum Wertersatz verpflichtet ist. Der Nießbraucher hat keinerlei Stimm- und Verwaltungsrecht in der Gesellschaft. Der Gesellschafter darf beeintrchtigende Verfgungen ber seine Beteiligung nur mit Zustimmung des Nießbrauchers vornehmen. Er ist gegenber dem Nießbraucher verpflichtet, seine Mitwirkung an Gesellschafterbeschlssen zu versagen, durch die nicht erforderliche Reserven gebildet werden.
1 BGH v. 9.11.1998 – II ZR 213/97, MDR 1999, 240 = NJW 1999, 571 = ZEV 1999, 71 mit Anm. Lieber.
690
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben
VII. Nießbrauch am GmbH-Anteil Zur Versorgung des Ehegatten grundsätzlich geeignet ist das Vermächtnis 127 eines Nießbrauchs oder Quotennießbrauchs an einem GmbH-Anteil. Es handelt sich um einen Rechtsnießbrauch, bei dem dem Nießbraucher nur die Vermögensrechte zustehen, während dem Gesellschafter die Herrschafts- und Mitverwaltungsrechte des Geschäftsanteils verbleiben. Seine Bestellung erfolgt in der Form des § 15 GmbHG. Steuerlich werden die ausgeschütteten Gewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen demjenigen zugerechnet, bei dem sie anfallen.
M 246
Nießbrauchsvermchtnis am GmbH-Anteil
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich bin seit der Grndung Inhaber des voll einbezahlten Geschftsanteils Nr. von Euro . . . an der . . . GmbH (Amtgericht . . . , HRB . . .). Ich vermache meinem Ehegatten den lebenslangen Nießbrauch an diesem Geschftsanteil. Die Gesellschafterrechte, insbesondere das Stimmrecht, verbleiben beim Gesellschafter. Er hat sich aller den Nießbrauch beeintrchtigenden Handlungen zu enthalten und ist dem Nießbraucher zur Auskunft ber die Angelegenheiten der Gesellschaft verpflichtet. Der ausgeschttete Gewinn steht anteilig dem Nießbraucher zu. Der Nießbrauch ist an einem etwa an die Stelle des Geschftsanteils tretenden Abfindungsguthaben ebenfalls zu bestellen.
VIII. Rentenvermächtnis Zur Versorgung von Angehörigen, insbesondere des Ehegatten, kommt 128 auch das Vermächtnis einer Geldrente in Betracht. Hierdurch erhält der Berechtigte ein Rentenstammrecht nach § 759 BGB. Ihm entfließen die einzelnen Rentenansprüche als Rechtsfrüchte iSv. § 99 Abs. 2 BGB. Dingliche Sicherstellung durch die Eintragung einer Reallast iSv. § 1105 BGB auf einem geeigneten Grundstück kann zusätzlich erfolgen. Üblich ist die Wertsicherung der Rentenansprüche durch eine Anpassung an die Veränderung des Verbraucherpreisindex für Deutschland. Das Rentenvermächtnis sichert dem Berechtigten für die Dauer der Be- 129 rechtigung wertgesicherte Geldansprüche. Diesen Vorteil steht auf der Seite des Verpflichteten das Risiko entgegen, diese Rente aus dem übergebenen Unternehmen nicht mehr erwirtschafteten zu können. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist der steuerliche Anwendungsbereich der 130 Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen erheblich eingeschränkt. Als Sonderausgaben abzugsfähig – und vom Empfänger zu versteuern – sind nur noch Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer wirtschaftlich tätigen Personengesellschaft, Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung 691
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
eines Betriebes oder Betriebsteils und Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt. Die bisherige Unterscheidung zwischen Renten und dauernden Lasten wurde aufgegeben. Deshalb sind die bezeichneten Versorgungsrenten in voller Höhe abzugsfähig, aber auch in voller Höhe zu versteuern. Im Bereich der Versorgungsvermächtnisse ist damit auch die noch in der Vorauflage dieses Buches formulierte Unterscheidung zwischen Rentenvermächtnis und Vermächtnis einer dauernden Last entfallen.
M 247
Leibrentenvermchtnis
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Ehegatten vermache ich zur Aufstockung seiner Altersversorgung eine lebenslange Leibrente. Es sind ihm monatlich im Voraus . . . Euro zu zahlen. Sollte sich der vom statistischen Bundesamt verçffentlichte Verbraucherpreisindex fr Deutschland (. . . = 100) ab heute verndern, so verndert sich der zu zahlende Betrag im gleichen Verhltnis. Die Anpassung erfolgt erstmals beim Erbfall. Jede weitere Anpassung erfolgt in dem Monat, der dem Monat folgt, in dem sich die Rente gegenber dem letzten Betrag um mehr als 10 % verndert hat. Rckwirkend kçnnen nderungen nicht geltend gemacht werden. Der Erbe ist verpflichtet, sich auf Verlangen wegen der Zahlung der Rente der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermçgen zu unterwerfen. Weitere Sicherheiten, insbesondere Reallast, kçnnen nicht verlangt werden.
IX. Stille Beteiligung oder Unterbeteiligung1 131
Steht für die Abfindung und Versorgung des Ehegatten, der Kinder oder anderer Verwandter neben dem Nachfolger nicht genügend Privatvermögen zur Verfügung, so bleibt, wenn betriebliche Versorgungsrechte nicht gewünscht sind, die Beteiligung dieser weichenden Erben am Firmenvermögen.
132
In Betracht kommt hier einmal die Zuteilung von GmbH- und KG-Anteilen. Dadurch werden diese Verwandten auch nach außen hin Gesellschafter. Sie erhalten die vollen mit der Mitgliedschaft verbundenen Gesellschafterrechte, insbesondere das Stimmrecht. Die Firma spaltet sich insofern auf, wobei die Gefahr der weiteren Aufspaltung durch Erbgang besteht.
133
Zur Vermeidung der vollen Gesellschafterstellung und Beteiligung der weichenden Erben bietet sich an, diese als stille Gesellschafter an der Gesellschaft selbst oder als Unterbeteiligte an einer Mitgliedschaft zu betei1 Vgl. Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 7. Aufl. 2010.
692
F. Abfindung und Versorgung des Ehegatten und sonstiger weichender Erben
ligen. Stille Gesellschaft und Unterbeteiligung sind Innengesellschaften ohne Gesamthandsvermögen, die nach außen hin nicht in Erscheinung treten. Sie werden in der Praxis oft geheim gehalten. Stille Gesellschaft und Unterbeteiligung unterscheiden sich hinsichtlich 134 des Gegenstandes der Beteiligung. Die stille Gesellschaft, §§ 230 ff. HGB, ist die Beteiligung am Handelsgeschäft eines anderen mit einer Einlage. Handelsgeschäft in diesem Sinne ist das Einzelhandelsgeschäft oder die Handelsgesellschaft insgesamt. Bei der Handelsgesellschaft muss der Vertrag über die stille Gesellschaft mit deren vertretungsberechtigten Organen, also mit der Handelsgesellschaft selbst geschlossen werden. Der stille Gesellschafter tritt hier in ein Gesellschaftsverhältnis zur Gesellschaft insgesamt ein. Im Unterschied zur stillen Gesellschaft wird bei der Unterbeteiligung das 135 Gesellschaftsverhältnis nicht mit der Gesellschaft selbst, sondern lediglich mit einem Gesellschafter geschlossen. Der Unterbeteiligte tritt hier nicht in ein Gesellschaftsverhältnis zur Gesellschaft, sondern lediglich zum einzelnen Gesellschafter ein. Gegenstand der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung ist nicht die Gesellschaft selbst, sondern lediglich der Gesellschaftsanteil des einzelnen Gesellschafters. Besteht Unterbeteiligung gegenüber mehreren Gesellschaftern, so liegen ebenso viele Unterbeteiligungsverhältnisse vor. Die Unterbeteiligung kann gegenüber der Gesellschaft selbst geheim gehalten werden. Hinsichtlich der rechtlichen Regeln und der Ausgestaltung bestehen kei- 136 ne weiteren Unterschiede zwischen stiller Gesellschaft und Unterbeteiligung. Für die Unterbeteiligung gelten die Regeln der stillen Gesellschaft. Deshalb werden im Folgenden diese Regeln der Einfachheit halber nur für die stille Gesellschaft dargestellt. Bei der typischen stillen Gesellschaft und Unterbeteiligung ist der stille 137 Gesellschafter nur am Gewinn des Handelsgeschäftes beteiligt, nicht jedoch am Geschäftsvermögen, den stillen Reserven, dem Firmenwert und dem Veräußerungsgewinn von Anlagegütern. Bei der atypischen stillen Gesellschaft und Unterbeteiligung wird der stille 138 Gesellschafter auch an letzteren Vermögenswerten beteiligt, jedoch nur rechnerisch mit schuldrechtlicher Wirkung, nicht aber dinglich. Auch bei der atypischen stillen Gesellschaft oder Unterbeteiligung besteht also kein Gesamthandsvermögen. Es wird nur rechnerisch fingiert. Die Folge dieser unterschiedlichen Gestaltungen ist, dass der typische stille Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft eine Forderung nur in Höhe seines buchmäßigen Guthabens aus Gewinn hat, der atypische stille Gesellschafter jedoch den Anspruch auf das volle Auseinandersetzungsguthaben wie ein Gesellschafter auch, das durch Auseinandersetzungsbilanz zu ermitteln ist. Ob der Erblasser die Form der typischen oder atypischen stillen Gesell- 139 schaft oder Unterbeteiligung wählt, hängt davon ab, wie stark er die Stellung des stillen Gesellschafters ausgestalten will. Die Stellung des typi693
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
schen stillen Gesellschafters ähnelt in vielem der des Nießbrauchers. Insbesondere ist er an der Substanz des Unternehmens oder des Gesellschaftsanteils nicht beteiligt. Der atypische stille Gesellschafter dagegen ist an der Substanz rechnerisch beteiligt. Die Auseinandersetzung der atypischen stillen Gesellschaft ist wegen der erforderlichen Auseinandersetzungsbilanz mit allen Möglichkeiten von Streitpunkten hierin natürlich komplizierter und langwieriger als die Auseinandersetzung bei der typischen stillen Gesellschaft. Es wird hier für die Testamentsgestaltung auch darauf ankommen, wie lange die stille Gesellschaft bestehen soll und ob sie mit den Erben des stillen Gesellschafters fortgeführt werden soll. 140
Da die Abfindung des atypischen stillen Gesellschafters für den Nachfolger eine erhebliche geldliche Belastung und damit unter Umständen eine Gefahr für das Unternehmen insgesamt bedeuten kann, wird im Regelfall der Erblasser die typische stille Gesellschaft vorsehen wollen.
141
Der typische stille Gesellschafter erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen, sein Gewinnanteil ist beim Außengesellschafter Betriebsausgabe. Dagegen sind der Außengesellschafter und der atypische stille Gesellschafter Mitunternehmer.
M 248
Vermchtnis einer stillen Beteiligung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meinem Ehegatten vermache ich die stille Beteiligung in Hçhe eines Drittels des Stammkapitals der . . .-GmbH, die auf meinen Alleinerben bergeht. Die stille Gesellschaft endet mit der Wiederverheiratung oder dem Tod meines Ehegatten. Vorher ist sie unkndbar. Der stille Gesellschafter nimmt am Gewinn der Gesellschaft mit einem Drittel teil. Am Verlust ist er nicht beteiligt. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft durch Wiederverheiratung erhlt er den Nominalwert seiner Beteiligung zuzglich eines Aufschlages von 50 % und den anteiligen Gewinn. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft durch den Tod fllt die Beteiligung an die Gesellschaft zurck, ohne dass den Erben hierfr eine Abfindung geschuldet wird. Mein Ehegatte ist berechtigt, auf den Jahresgewinn monatlich Vorschsse in Hçhe von 1/12 des auf ihn fallenden letzten Jahresgewinnanteils zu verlangen. Sollte der Jahresgewinn der Gesellschaft im laufenden Jahr die Vorschsse nicht decken, ist der stille Gesellschafter nicht zur Rckzahlung verpflichtet.
M 249
Vermchtnis einer Unterbeteiligung
(Form: Verfgung von Todes wegen) Meiner Tochter vermache ich einen Betrag in Hçhe der Hlfte meines Kommanditanteils an der . . .-GmbH & Co. Mit diesem Betrag hat sie mein Sohn, der mein Alleinerbe ist, als Unterbeteiligte in diesen Kommanditanteil auf-
694
G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
zunehmen. Die Unterbeteiligung endet mit dem Tod des Kommanditisten nicht, wohl jedoch mit dem Tod der Unterbeteiligten. Sie besteht lngstens bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres meiner Tochter und ist bis dahin unkndbar. Die Unterbeteiligte ist am vollen Wert des Kommanditanteils einschließlich der anteiligen stillen Reserven beteiligt. Bei Beendigung der Unterbeteiligung erhlt die Unterbeteiligte den anteiligen Wert der Kommanditbeteiligung nach Maßgabe einer Auseinandersetzungsbilanz, die aufgrund der wirklichen Werte, jedoch ohne Firmenwert, aufzustellen ist. Die Abfindung ist innerhalb eines Jahres zinslos zu zahlen.
X. Beteiligung statt Abfindung Ein Modell der Beteiligung der weichenden Geschwister an der Unterneh- 142 mensgesellschaft in den Fällen, in denen eine Abfindung aus Privatvermögen nicht möglich ist, wird bei der letztwilligen Gesellschaftsgründungsklausel dargestellt. Hierauf wird verwiesen; vgl. Rz. 198 ff.
G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich I. Eignung der Testamentsvollstreckung Darüber, ob die Anordnung von Testamentsvollstreckung zur Erhaltung 143 eines Unternehmens sinnvoll ist, besteht keine Einigkeit. Betriebswirtschaftlich ausgerichtete Autoren sind eher skeptisch bis hin zu der Empfehlung, die Liquidation des Unternehmens anzuordnen, wenn kein Familienangehöriger oder bewährter Mitarbeiter als vollverantwortlicher Nachfolger zur Verfügung steht. Juristen halten teilweise sogar die Dauervollstreckung durch ein Bankinstitut für empfehlenswert. Angesichts des für einen Unternehmer im heutigen Wirtschaftsleben un- 144 erlässlichen vollen Einsatzes der Person ist wohl eher Skepsis am Platz, wenn ein Unternehmen durch eine anderweitig beruflich beanspruchte Person oder gar die Angestellten einer Bank oder sonstigen Institution auf Dauer geführt werden soll. Die Anordnung von Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich kann deshalb regelmäßig nur eine Maßnahme im Vorfeld einer Nachfolgeregelung, etwa beim Testament des noch jungen Unternehmers, oder im Notfall, etwa beim Testament des plötzlich erkrankten Unternehmers, sein. Geplant und gezielt eingesetzt werden kann sie bei der Überbrückung von Zwischenzeiten, etwa bis zum Abschluss der Ausbildung eines bereits vorhandenen Nachfolgers. Dann sind aber auch sonstige vorbereitende Maßnahmen zu treffen, so die Herstellung einer die Testamentsvollstreckung ermöglichenden Unternehmensform und die Ausschaltung von Störfaktoren wie etwa von Pflichtteilsrechten weichender Erben. Die in der Literatur immer wieder erörterte
695
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
Anordnung von Testamentsvollstreckung zur Erhaltung des Unternehmens gegen den Willen des oder der Erben ist jedenfalls keine erwägenswerte Gestaltung. 145
Zu dieser wirtschaftlichen und persönlichen Problematik tritt die rechtliche Problematik der Testamentsvollstreckung am Einzelunternehmen oder der Beteiligung an einer Personengesellschaft hinzu, die im Folgenden dargestellt wird.
II. Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen 1. Unzulässigkeit der Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen 146
Allein auf der Grundlage seines Amtes kann ein Testamentsvollstrecker ein Einzelunternehmen nicht betreiben. Dies ergibt sich aus der Unvereinbarkeit der Haftungsgrundsätze des Handelsrechts mit denen des Erbrechts. Der Inhaber eines Einzelunternehmens haftet für die im Rahmen des Unternehmens begründeten Verbindlichkeiten handelsrechtlich unbeschränkt und unbeschränkbar. Der Testamentsvollstrecker hingegen kann nach §§ 2206, 2207 BGB nur den Nachlass verpflichten. Er haftet für die kraft Amtes begründeten Verbindlichkeiten nicht persönlich. Durch die Zulassung der Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen würde also ein beschränkt haftendes Unternehmen geschaffen. Dies verbietet sich wegen des Vorrangs des Handelsrechts vor dem Erbrecht.1
147
In der Literatur wird weitergehend nicht gesehen oder nicht deutlich genug herausgearbeitet, dass der Grundsatz der Unzulässigkeit der Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen von seinem Zweck her der Einschränkung bedarf. Die Testamentsvollstreckung ist nur insoweit unzulässig, als sie zur dauerhaft beschränkten Haftung des Erben für die Geschäftsverbindlichkeiten führen würde. Geschäftsverbindlichkeiten entstehen durch den Betrieb des Handelsgeschäfts. Unzulässig ist damit der Betrieb des Handelsgeschäfts durch den Testamentsvollstrecker im Sinne einer Verwaltungsvollstreckung und nur dieser. Im Übrigen kann sich die Testamentsvollstreckung durchaus auch auf das Einzelunternehmen beziehen. Insbesondere unterliegt das Geschäftsvermögen als solches der Testamentsvollstreckung. Es geht beim Erbfall nicht etwa ohne die Beschränkungen der Testamentsvollstreckung als freies Vermögen auf den
1 BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106 (113) = NJW 1957, 1026; BGH v. 18.1.1954 – IV ZR 130/53, BGHZ 12, 100 (102) = NJW 1954, 636; RG v. 26.3.1931 – IIb 5/31, RGZ 132, 138 (144); BeckOK BGB/J. Mayer, § 2205 BGB Rz. 27; Soergel/Damrau, § 2205 BGB Rz. 16; Staudinger/Reimann, § 2205 BGB Rz. 91; aA Weidlich, NJW 2011, 641 unter Hinweis auf Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere durch die Zulassung der UG (haftungsbeschränkt) nach §§ 5 Abs. 2, 5a GmbHG mit einem Stammkapital von mindesens 1,00 Euro. Es wird in der Literatur immer wieder versucht, entgegen die Möglichkeit einer echten Testamentsvollstrecker-Lösung zu begründen, vgl. Groll, C IX Rz. 163 f. mwN.
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
Erben über. Deshalb kann der Testamentsvollstrecker kraft Amtes im Sinne einer Abwicklungsvollstreckung1 – das Einzelunternehmen liquidieren, – das Einzelunternehmen veräußern, – das Einzelunternehmen in Erfüllung der Treuhandauflage des Erblassers auf sich selbst als Treuhänder übertragen, – das Einzelunternehmen dem als Vermächtnisnehmer eingesetzten Unternehmensnachfolger in Erfüllung des Vermächtnisses übertragen, – und das Einzelunternehmen in Erfüllung einer Formwechselauflage des Erblassers in eine andere Rechtsform überführen. Wenn zur Erfüllung dieser Aufgaben eine vorübergehende Weiterführung 148 des Einzelunternehmens durch den Testamentsvollstrecker zur Vermeidung eines Wertverlustes oder zur Existenzsicherung erforderlich ist, ist diese als zulässig anzusehen, soweit sie sich auf eine kurze Übergangszeit beschränkt.2 2. Kautelarjuristische Ersatzlösungen Die kautelarjuristische Verbindung der Testamentsvollstreckung mit der 149 Fortführung des Einzelunternehmens kann nur so erfolgen, dass entweder der Testamentsvollstrecker oder der Erbe persönlich haftet. Soll der Testamentsvollstrecker als Inhaber des Unternehmens persönlich haften, so ist ihm das Unternehmen zu treuen Händen zu übertragen (Treuhandlösung). Soll der Erbe als Inhaber des Unternehmens persönlich haften, während der Testamentsvollstrecker das Unternehmen führt, so hat der Erbe dem Testamentsvollstrecker eine entsprechende Vollmacht zu erteilen (Vollmachtlösung). a) Treuhandlösung Bei der Treuhandlösung führt der Testamentsvollstrecker das Einzelunter- 150 nehmen im eigenen Namen, aber für Rechnung und als Treuhänder der Erben fort. Er wird persönlich als Alleininhaber des Handelsgeschäfts im Handelsregister eingetragen. Für die Geschäftsschulden haftet er unmittelbar mit seinem Privatvermögen. Die Unternehmensfortführung führt nicht zu einer Haftung der Erben aus § 27 HGB.3 Die Treuhandlösung ist in Form der Vollrechtstreuhand oder der Verwal- 151 tungstreuhand denkbar.4 Bei der Vollrechtstreuhand wird der Testaments1 Für die Zulässigkeit der Abwicklungsvollstreckung, die nicht auf Unternehmensfortführung ausgerichtet ist, vgl. BeckOK BGB/J. Mayer, § 2005 BGB Rz. 27; Staudinger/ Reimann, § 2205 BGB Rz. 91; Lange/Kuchinke, § 31 V Fn. 174. 2 Soergel/Damrau, § 2205 BGB Rz. 16. 3 Einzelheiten bei John, BB 1980, 757. 4 Allg. Ansicht, vgl. nur AnwaltKomm/Weidlich, § 2205 BGB Rz. 38; PraxisKomm/Bonefeld, § 2205 BGB Rz. 24; BeckOK BGB/J. Mayer, § 2205 BGB Rz. 30 u. Rz. 31.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
vollstrecker Eigentümer des Geschäftsvermögens, dieses ist auf ihn zu übertragen. Diese Übertragung kann durch Insichgeschäft des Testamentsvollstreckers nach § 181 BGB erfolgen. Soweit Eigengläubiger des Testamentsvollstreckers auf das Geschäftsvermögen zugreifen, kann der Erbe Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO erheben. Bei der Verwaltungsbzw. Ermächtigungstreuhand bleibt der Erbe Inhaber des Geschäftsvermögens. Die Stellung des Testamentsvollstreckers ist der eines Pächters vergleichbar. Die Überlassung des Handelsgeschäfts an den Testamentsvollstrecker stellt sowohl bei der Verwaltungs- wie bei der Vollrechtstreuhand für die Erben eine Geschäftseinstellung dar, sodass sie für Altschulden die Haftungsbeschränkungen der §§ 25 Abs. 2, 27 HGB herbeiführen können. Im Handelsregister wird der Testamentsvollstrecker als Firmeninhaber eingetragen. 152
Im Innenverhältnis zu den Erben kann der Testamentsvollstrecker nach §§ 2218, 670 BGB Freistellung und Aufwendungsersatz verlangen, soweit die Eingehung der Verbindlichkeit für die ordnungsgemäße Verwaltung erforderlich war.1
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Streitig ist die Frage, ob die Erben hinsichtlich der Freistellung des Testamentsvollstreckers von den Verbindlichkeiten des Unternehmens ihre eigene Haftung auf den Nachlass beschränken können. Lehnt man diese Befugnis ab, so ergibt sich eine unbeschränkte persönliche Haftung der Erben mit ihrem Privatvermögen hinsichtlich aller vom Testamentsvollstrecker bei der Führung des Unternehmens eingegangenen Verbindlichkeiten. Dies ist für die Erben ebenso gefährlich wie es die Übernahme der vollen persönlichen Haftung für den Testamentsvollstrecker selbst ist, wenn man den Erben zugesteht, ihre Haftung auf den Nachlass zu beschränken.
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Ein minderjähriger Erbe ist durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach § 1629a BGB ausreichend geschützt, einer familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB bedarf es nicht.2 b) Vollmachtlösung
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Bei der Vollmachtlösung führt der Testamentsvollstrecker das Unternehmen im Namen der Erben als deren Bevollmächtigter fort mit der Folge, dass die Erben für Altschulden nach §§ 25, 27 HGB und für Neuschulden unbeschränkt persönlich haften. Die Erben werden als Inhaber des Unternehmens im Handelsregister eingetragen. Die Eintragung eines erläuternden Testamentsvollstreckervermerks im Handelsregister wird überwiegend für unzulässig gehalten.3
1 BGH v. 11.4.1957 – II ZR 182/55, BGHZ 24, 106 (113) = NJW 1957, 1026. 2 BeckOK BGB/J. Mayer, § 2205 BGB Rz. 29. 3 Z.B. von BeckOK BGB/J. Mayer, § 2205 BGB Rz. 28.
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
Die Vollmacht, die auch in der Form der handelsrechtlichen Prokura er- 156 teilt werden kann, muss unwiderruflich erteilt werden, um praxistauglich zu sein. Dies kann den Erben durch Auflage oder Bedingung auferlegt werden. Der Erblasser kann auch selbst eine derartige Vollmacht auf den Todesfall erteilen. Im Schrifttum werden Bedenken gegen die Vollmachtlösung erhoben. Sie 157 beruhen auf der rechtlichen Unzulässigkeit der verdrängenden Vollmacht1 und auf der aus § 2206 BGB folgenden mangelnden Befugnis des Testamentsvollstreckers, den Erben persönlich zu verpflichten.2 Infolge der Unzulässigkeit der verdrängenden Vollmacht kann der Erbe neben dem Testamentsvollstrecker oder gegen den Testamentsvollstrecker tätig werden, was der Erblasser aber sanktionieren kann. Die aus § 2206 BGB folgende Beschränkung der gesetzlichen Befugnisse des Testamentsvollstreckers auf den Nachlass wird dagegen durch die dem Testamentsvollstrecker erteilte Vollmacht auch zur persönlichen Verpflichtung des Erben rechtsgeschäftlich erweitert. c) Weisungsgeberlösung, beaufsichtigende Testamentsvollstreckung In der Literatur werden mit Weisungsgeberlösung und der beaufsichtigen- 158 den Testamentsvollstreckung weitere Gestaltungen diskutiert, die eine Testamentsvollstreckung trotz der Unzulässigkeit der Verwaltungsvollstreckung am Einzelunternehmen möglich machen sollen. Bei der Weisungsgeberlösung gibt der Testamentsvollstrecker im Außen- 159 verhältnis das Handelsgeschäft für den Erben frei, während er sich im Innenverhältnis zum Erben die Entscheidungsbefugnis vorbehält.3 Inhaber des Geschäfts ist der Erbe, er wird im Handelsregister eingetragen. Der Testamentsvollstrecker haftet nach außen nicht. Die Gestaltung setzt einen oder mehrere volljährige, grundsätzlich zur Geschäftsführung taugliche Erben voraus. Bei minderjährigen Erben ist sie ungeeignet. Da der Testamentsvollstrecker durch seine Weisungen eine persönliche 160 Haftung des Erben über den Nachlass hinaus begründet, ist der Bereich der Amtsbefugnisse des Testamentsvollstreckers nach § 2206 BGB überschritten und bedarf die Gestaltung der Zustimmung des Erben, zu der ihn der Erblasser durch Auflage oder Sanktionen verpflichten oder anhalten kann. Nachdem der BGH4 eine beaufsichtigende Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsanteilen für zulässig erachtet hat, wird es in der Literatur für möglich gehalten, dass der Erbe das Handelsgeschäft unter der Auf-
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Argument § 137 BGB, vgl. BeckOK BGB/J. Mayer, § 2205 BGB Rz. 28. Argument § 2205 BGB, so AnwaltKomm/Weidlich, § 2205 BGB Rz. 36. Vgl. Weidlich, ZEV 1998, 339. BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 = MDR 1986, 829 = FamRZ 1986, 799 = NJW 1986, 2431.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
sicht des Testamentsvollstreckers fortführt.1 Im Handelsregister eingetragener Geschäftsinhaber ist der Erbe. Die Verwaltungsvollstreckung bezieht sich nur auf die Außenseite des Handelsgeschäfts in der Weise, dass eine Verfügung über das Anlagevermögen und das Unternehmen im Ganzen nur mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers möglich ist. Diese Bindung kann auf einzelne Gegenstände des Geschäftsvermögens beschränkt werden. Die laufende Geschäftstätigkeit obliegt dem Erben in eigener Verantwortung ohne Überwachung durch den Testamentsvollstrecker. Im Handelsregister wird der Testamentsvollstreckervermerk eingetragen. Das Geschäftsvermögen wird gegenüber beim Erbfall vorhandenen Eigengläubigern des Erben durch § 2214 BGB abgeschirmt. Wegen der zwingenden handelsrechtlichen Vollhaftung zu verneinen ist die Streitfrage, ob auch die Neugläubiger vom Zugriff auf das Geschäftsvermögen ausgeschlossen sind.2 Die Gestaltung setzt das Vorhandensein voll geschäftsführungstauglicher Erben voraus und ist deshalb zur Lösung von Nachfolgerproblemen nicht geeignet. d) Umwandlungsanordnung 161
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit besteht darin, dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker zur Umwandlung der Einzelfirma in eine haftungsbeschränkende Gesellschaftsform, also eine GmbH, KG oder GmbH & Co. KG, anweist und den Erben die Auflage macht, dies zu dulden. Die Beteiligung an der hierdurch entstehenden Gesellschaft unterliegt dann der Verwaltungsvollstreckung. Erfolgt der Formwechsel nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes, so steht dem Tätigwerden des Testamentsvollstreckers § 2206 BGB nicht entgegen, da der Erbe persönlich nicht neu verpflichtet wird. 3. Wertung und Empfehlungen
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In der Gestaltungspraxis ist von der Unzulässigkeit der Verwaltungstestamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen auszugehen. Die einfachste Lösung zu ihrer Vermeidung ist die Anweisung an den Testamentsvollstrecker, das Unternehmen in eine haftungsbeschränkende Rechtsform umzuwandeln. Neben der hierdurch entstehenden grundsätzlichen Möglichkeit von Verwaltungstestamentsvollstreckung hat dies den Vorteil, dass Fremdgeschäftsführung möglich wird.
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Von den Ersatzlösungen scheiden die Weisungsgeberlösung und die beaufsichtigende Testamentsvollstreckung in den Fällen aus, in denen eine vorübergehende Vakanz hinsichtlich der Person eines als Unternehmensnachfolger geeigneten Erben überbrückt werden soll.
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Im Übrigen ist die allgemein für zulässig gehaltene Treuhandlösung der komplizierteren und teilweise angezweifelten Vollmachtlösung vorzuzie1 So z.B. Staudinger/Reimann, § 2205 BGB Rz. 104. 2 So richtig PraxisKomm/Bonefeld, § 2205 BGB Rz. 30.
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
hen. Innerhalb der Treuhandlösung ist die von der Rechtsprechung anerkannte Verwaltungstreuhand der Vollrechtstreuhand regelmäßig vorzuziehen, da sie die Übereignung und Rückübereignung des Geschäftsvermögens erspart. Wegen der vollen persönlichen Haftung des Testamentsvollstreckers nach außen wird sie allenfalls dann realisierbar sein, wenn sie sich auf ein ertragsstarkes Unternehmen bezieht, zeitlich begrenzt ist und mit einer Testamentsvollstreckervergütung verbunden ist, die dem Unternehmerrisiko des Testamentsvollstreckers Rechnung trägt. Bei der Testamentsgestaltung kann sich eine Klausel empfehlen, die dem 165 Testamentsvollstrecker die verschiedenen Möglichkeiten zur Wahl stellt. Weiterhin empfiehlt es sich regelmäßig, die letztwillige Verfügung durch 166 eine separate unternehmerische Vorsorgevollmacht zugunsten des Testamentsvollstreckers zu ergänzen, mit der der Testamentsvollstrecker durch unwiderrufliche Vollmacht auf den Todesfall und detaillierte Handlungsanweisung beauftragt und ermächtigt wird, sofort anfallende Maßnahmen im Unternehmensbereich vorzunehmen (s. 10. Kap. Rz. 21 ff.). Denn bis zur Eröffnung der letztwilligen Verfügung durch das Nachlassgericht und Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses kann auch dann wertvolle Zeit ungenutzt verstreichen, wenn die letztwillige Verfügung vom Erben widerspruchslos akzeptiert wird. 4. Formulierungsbeispiel Das folgende Formulierungsbeispiel stellt dem Testamentsvollstrecker die 167 erörterten Lösungen zur Wahl. Hierdurch wird dem Testamentsvollstrecker eine variable Reaktion auf die beim künftigen Erbfall gegebene Situation ermöglicht und die Chance erhöht, dass sich der benannte oder ein sonstiger geeigneter Testamentsvollstrecker tatsächlich der vom Erblasser verfolgten Ziele annimmt. Weiterhin wird künftigen Änderungen der Rechtsprechung oder herrschenden Lehre in dem Sinne vorgebeugt, dass trotz ihrer mindestens eine zulässige Lösung verbleibt.
M 250
Testamentsvollstreckung ber ein Einzelunternehmen mit Wahlrecht des Testamentsvollstreckers
(Form: Verfgung von Todes wegen) Hinsichtlich des unter der Firma . . . betriebenen Einzelunternehmens wird Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Testamentsvollstreckung umfasst auch etwaiges Sonderbetriebsvermçgen. Zum Testamentsvollstrecker wird bestimmt . . . Er kann einen Ersatzvollstrecker oder einen Nachfolger bestimmen. Das Nachlassgericht wird hilfsweise ermchtigt und ersucht, einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, das Unternehmen solange fortzufhren, bis er es einem geeigneten Unternehmensnachfolger in Ausfh-
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
rung der obigen Bestimmungen bergeben kann. Er ist auch befugt, das Unternehmen zu verußern oder zu liquidieren, wenn die Fortfhrung nicht mçglich oder wirtschaftlich nicht zweckmßig ist. Der Testamentsvollstrecker kann das Unternehmen nach seiner Wahl in jeder rechtlich zulssigen Weise fortfhren, insbesondere, soweit die Fortfhrung kraft Amtes weiterhin von der Rechtsprechung als unzulssig angesehen werden sollte, als Treuhnder fr den oder die Erben oder als Bevollmchtigter des oder der Erben. Er kann das Unternehmen in eine haftungsbeschrnkende Rechtsform umwandeln. Weiterhin kann er das Unternehmen verpachten. Soweit der Testamentsvollstrecker als Treuhnder des oder der Erben ttig wird, fhrt er das Einzelunternehmen im eigenen Namen, aber fr Rechnung des oder der Erben fort. Er kann bestimmen, ob er lediglich im Rahmen einer Verwaltungstreuhand ttig wird, der oder die Erben also Inhaber des Unternehmens bleiben, oder ob ihm das Unternehmen im Rahmen einer Vollrechtstreuhand zu bereignen ist. Diese bereignung kann er durch Insichgeschft unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB vornehmen. Im Verhltnis zu dem oder den Erben kann der Testamentsvollstrecker Freistellung und Aufwendungsersatz verlangen, soweit die Eingehung von Verbindlichkeiten fr die ordnungsgemße Verwaltung des Unternehmens erforderlich war. Insoweit drfen der oder die Erben ihre Haftung nicht auf den Nachlass beschrnken. Die bezeichneten Verhaltenspflichten werden dem oder den Erben zur Auflage gemacht, Vollziehungsberechtigter ist insoweit der Testamentsvollstrecker. Soweit der Testamentsvollstrecker als Bevollmchtigter des oder der Erben ttig wird, handelt er in deren Namen und bei deren persçnlicher Haftung. Hierzu bevollmchtige ich den Testamentsvollstrecker hiermit auf den Todesfall. Den oder die Erben belaste ich mit der vom Testamentsvollstrecker zu vollziehenden Auflage, dem Testamentsvollstrecker Vollmacht zur Fortfhrung des Unternehmens mit persçnlicher Haftung des oder der Erben zu erteilen. Soweit der Testamentsvollstrecker sich fr die Umwandlung des Einzelunternehmens in eine haftungsbeschrnkende Gesellschaft entscheidet, kann er die Rechtsform der GmbH, der AG oder der GmbH & Co. KG whlen. Er soll nach Mçglichkeit den Rechtsformwechsel so gestalten, dass eine persçnliche Haftung des oder der Erben whrend des Umwandlungsvorgangs nicht entsteht. Die Testamentsvollstreckung setzt sich als Verwaltungsvollstreckung an dem umgewandelten Unternehmen fort. Das Nachlassgericht wird ersucht, die Vergtung des Testamentsvollstreckers zu bestimmen. Sie soll etwa 40 % des jhrlichen Unternehmensgewinns betragen, mindestens jedoch der Vergtung entsprechen, die eine GmbH gleicher Grçße ihrem alleinigen Geschftsfhrer jhrlich als steuerlich abzugsfhiges Gehalt ohne Gewinnbeteiligung und Sonderleistungen zahlen kçnnte.
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
III. Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftsbeteiligungen 1. Grundsätze Bei der GbR und der OHG/KG geht die Beteiligung, soweit sie das Gesetz 168 wie beim Kommanditisten oder der Gesellschaftsvertrag wie beim persönlich haftenden Gesellschafter vererblich stellt, auf einen oder mehrere Erben im Wege der erbrechtlichen Sondernachfolge über. Dennoch gehört die Beteiligung zum Nachlass, wenn auch nicht zum Gesamthandsvermögen.1 Als Nachlassgegenstand unterliegt sie deshalb grundsätzlich der Testamentsvollstreckung. Keine grundsätzlichen Probleme der Kollision zwischen gesellschafts- 169 rechtlichen und erbrechtlichen Grundsätzen entstehen bei der Abwicklungsvollstreckung.2 Die Auseinandersetzungsproblematik jedenfalls ist hier schon durch den Mechanismus der Sondernachfolge in Teile der Mitgliedschaft gelöst. Bei der Verwaltungsvollstreckung hingegen kollidieren die Haftungsnor- 170 men. Nach der sowohl für die GbR3 wie für die OHG/KG geltenden Regelung des § 128 HGB haftet der Gesellschafter einer GbR oder einer OHG und über § 161 Abs. 2 HGB auch der Komplementär einer KG mit Ausnahme des § 139 HGB unbeschränkbar persönlich für alle Gesellschaftsschulden. Dagegen bezieht sich nach § 2206 Abs. 1 Satz 1 BGB die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nur auf den Nachlass, persönlich kann der Testamentsvollstrecker den Erben nicht verpflichten. Diese erbrechtlichen Schranken passen nicht zur gesellschaftsrechtlichen Haftungsordnung. Sie schränken den Bereich der Testamentsvollstreckung über Personengesellschaftsbeteiligungen ein. Meinungen,4 die § 2206 Abs. 1 Satz 1 BGB den Vorrang vor dem Gesellschaftsrecht einräumen wollten mit der Folge, dass es im Extremfall durch die Testamentsvollstreckung zu einer Personengesellschaft ohne persönlich haftenden Gesellschafter kommen kann, haben sich nicht durchgesetzt. Infolge des Vorrangs des Gesellschaftsrechts wird die Testamentsvollstre- 171 ckung an der Gesellschaftsbeteiligung nicht insgesamt unzulässig, wohl aber ist der Umfang der erbrechtlichen Befugnisse des Testamentsvollstre-
1 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, MDR 1986, 829 = FamRZ 1986, 799 = NJW 1986, 2431; BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, MDR 1989, 1080 = FamRZ 1989, 1168 = NJW 1989, 3152; BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, FamRZ 1996, 409 = MDR 1996, 385 = NJW 1996, 1284; Faust, DB 2002, 189 (191). 2 AnwaltKomm/Weidlich, § 2205 BGB Rz. 48. 3 Nach BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, MDR 2001, 459 = NJW 2001, 1056 findet die Akzessorietät nach § 128 HGB auf die Haftungsverfassung der GbR entsprechende Anwendung. 4 Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, 1994, S. 549 ff.; Brandner, FS Kellermann, 1991 S. 37 (44).
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
ckers einzuschränken.1 Grundsätze hierzu haben sowohl der Gesellschaftsrechtssenat des BGH wie der diesbezügliche Erbrechtssenat entwickelt. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II Zivilsenat2 geht davon aus, dass der Testamentsvollstrecker zwar über die mit der Beteiligung verbundenen Vermögensrechte, insbesondere den Anspruch auf das künftige Auseinandersetzungsguthaben, verfügen darf, jedoch nicht über Befugnisse, die unmittelbar die Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafter-Erben berühren. Der für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat3 beschränkt den Testamentsvollstrecker auf die Wahrnehmung und Erhaltung der mit der Beteiligung verbundenen, übertragbaren Vermögensrechte, während er ihn von der Geschäftsführung oder anderen, möglicherweise zu einer Haftung der Gesellschaft führenden Handlungen ausschließt. Er bedient sich dabei der anschaulichen Unterscheidung der „Außenseite“ der Beteiligung von deren „Innenseite“.4 172
Die Verwaltungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers beziehen sich auf die Außenseite des Gesellschaftsanteils, also die vermögensrechtlichen Ansprüche, bestehend aus dem Auseinandersetzungs- oder Abfindungsanspruch sowie den laufenden Gewinnansprüchen. Der Testamentsvollstrecker kann verhindern, dass der Erbe über den ererbten Gesellschaftsanteil verfügt. Dem Zugriff der Eigengläubiger des Erben ist der Gesellschaftsanteil nach § 2214 BGB entzogen. Der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers unterliegt nicht die Innenseite der Beteiligung, also die gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte wie die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen, das Informations- und Kontrollrecht und das Stimmrecht. Der BGH5 spricht hier von einer „Arbeits- und Haftungsgemeinschaft“ der Gesellschafter. Die Einzelheiten der Abgrenzung zwischen Außenseite und Innenseite sind teilweise ungeklärt. 2. Zustimmung der Gesellschafter zur Testamentsvollstreckung?
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Die Frage, ob die Testamentsvollstreckung an der Mitgliedschaft oder die kautelarjuristischen Ersatzlösungen der Zustimmung der übrigen Gesellschafter entweder ad hoc oder durch eine Zulassung im Gesellschaftsvertrag bedarf, kann nicht allgemein beantwortet werden. Vielmehr sind die verschiedenen Typen zu unterscheiden.
1 Vgl. BGH v. 12.1.1998 – II ZR 23/97, FamRZ 1998, 544 = MDR 1998, 423 = NJW 1998, 1313. 2 BGH v. 12.1.1998 – II ZR 23/97, FamRZ 1998, 544 = MDR 1998, 423 = NJW 1998, 1313; BGH v. 25.2.1985 – II ZR 130/84, MDR 1985, 648 = NJW 1985, 1953. 3 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, MDR 1986, 829 = FamRZ 1986, 799 = NJW 1986, 2431; BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, FamRZ 1996, 409 = MDR 1996, 385 = NJW 1996, 1284. 4 A.A. MünchKomm.BGB/Zimmermann, § 2205 BGB Rz. 36. 5 BGH v. 12.1.1998 – II ZR 23/97, FamRZ 1998, 544 = MDR 1998, 423 = NJW 1998, 1313 (1314).
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
Zur beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung an der Außenseite der 174 Mitgliedschaft bedarf es der Zustimmung der übrigen Gesellschafter nicht.1 Bei der Testamentsvollstreckung an der Innenseite der Mitgliedschaft 175 spielt die Frage keine Rolle, weil diese unabhängig vom Vorliegend oder Nichtvorliegen der Zustimmung unzulässig ist. Die Zustimmung der Gesellschafter ändert nichts an dieser Unzulässigkeit. Bei den kautelarjuristischen Ersatzlösungen ist die Zustimmung erforder- 176 lich, wenn die Interessen der übrigen Gesellschafter berührt werden. Dies ist der Fall sowohl bei der Treuhandlösung wie bei der Vollmachtlösung, da hier der Testamentsvollstrecker als Treuhänder oder Vollmachtnehmer unmittelbar mit den übrigen Gesellschaftern verkehrt. Soweit dieser unmittelbare Kontakt etwa im Rahmen der Weisungsgeberlösung oder einer internen Beaufsichtigung nicht erfolgt, ist die Zustimmung nicht erforderlich. 3. Die gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre als weitere Beschränkung der Testamentsvollstreckung? Nach einer Literaturmeinung,2 die vom BGH bisher nicht definitiv bestä- 177 tigt wurde, soll die gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre eine weitere Beschränkung der Testamentsvollstreckung über die Mitgliedschaft bilden. Die Kernbereichslehre wurde vom BGH als Schranke des Umfangs eines zulässigen Stimmrechtsausschlusses entwickelt.3 Sie dient in diesem Bereich dem Schutz eines Gesellschafters gegenüber den anderen Gesellschaftern dadurch, dass ihm ein unverzichtbarer Mindestbestand von Gesellschafterrechten zustehen muss, der gesellschaftsvertraglich nicht eingeschränkt werden kann. Wenn der Gesellschafter zwar mitstimmen darf, aber als Minderheitsgesellschafter überstimmt werden kann, so hat er im Kernbereich seiner Mitgliedschaft ein Zustimmungsrecht mit der Folge, dass der an sich zulässige Mehrheitsbeschluss seiner Zustimmung bedarf. Im Einzelnen ist vieles streitig.4 Zum Kernbereich gehören jedenfalls ein Mindestmaß von Kontroll- und Informationsrechten des Gesellschafters. Die Übertragung der Grundsätze der Kernbereichslehre auf das Verhältnis 178 zwischen Gesellschafter-Erbe und Testamentsvollstrecker ist problematisch und wird zunehmend abgelehnt.5 Die Heranziehung der Kern1 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, MDR 1986, 829 = FamRZ 1986, 799 = NJW 1986, 2431 (2433). 2 Weidlich, Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften, 1993, S. 46, 69, 119; AnwaltKomm/Weidlich, § 2205 BGB Rz. 54; Lange/Kuchinke, S. 696, 698; Quack, BB 1989, 2271 (2273); D. Mayer, ZIP 1990, 976; MünchHdb GesRI/Klein, § 80 Rz. 43. 3 BGH v. 14.5.1956 – II ZR 229/54, BGHZ 20, 363 = NJW 1956, 1198. 4 Vgl. Schlegelberger/Martens, 5. Aufl. 1992, § 119 HGB Rz. 25 und § 109 HGB Rz. 161. 5 LG Mannheim v. 10.11.1998 – 2 O 193/98, NZG 1999, 824 = ZEV 1999, 443 = MittBayNot 2000, 570; K. Schmidt, GesellschaftsR, S. 1353; Lorz, FS Boujong, 1996, S. 319; Faust, DB 2002, 189 (191); Dörrie, ZEV 1996, 370; Everts, MittBayNot 2003, 427 (429); Wenninger; ZEV 1999, 445 f.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
bereichslehre ist hier richtiger Ansicht nach nicht erforderlich. Denn die Sicherungsrechte der Testamentsvollstreckung, etwa § 2205 Satz 3 BGB, § 2218 iVm. § 666 BGB, §§ 2216, 2219, 2227 BGB, bieten dem Gesellschafter-Erben ausreichenden Schutz. 179
Beschränkt man den Schutz des Gesellschafter-Erben auf Maßnahmen des Testamentsvollstreckers, die, wie insbesondere eine Gesellschaftsvertragsänderung, nach Art und Inhalt geeignet sind, die dem Erben verbliebenen oder ihm bei Beendigung der Testamentsvollstreckung zukommenden persönlichen Mitgliedschaftsrechte nachteilig zu verändern,1 so kann sich die Kautelarjurisprudenz bis zu einer endgültigen Klärung durch den BGH mit der möglichen Anwendung der Kernbereichslehre abfinden. Dennoch ist nicht zu leugnen, dass die ungeklärte Problematik weitere Unsicherheiten insbesondere im Bereich der Ersatzlösungen mit sich bringt.
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Weitere Probleme entstehen daraus, dass die Anwendung der Kernbereichslehre sich auch auf die Testamentsvollstreckung an der Kommanditistenbeteiligung auswirken würde. 4. Ist die Testamentsvollstreckung an der Außenseite der Beteiligung praxistauglich?
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Die undifferenzierte Anordnung von Testamentsvollstreckung im Bereich der Mitgliedschaft des persönlich haftenden Gesellschafters führt nach der dargestellten Rechtsprechung zu einer Beschränkung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers auf den Außenbereich. Hierdurch wird immerhin die Wahrnehmung der Vermögensrechte durch den Erben-Gesellschafter durch die Aufsicht des Testamentsvollstreckers beschränkt und verhindert, dass der Gesellschafter-Erbe über den Gesellschaftsanteil und die daraus erwachsenden Vermögensrechte verfügen kann, § 2211 BGB. Der Gesellschaftsanteil wird dem Zugriff der eigenen Gläubiger des Erben entzogen, § 2214 BGB. Hierdurch wird schon einiges erreicht,2 nicht aber der regelmäßig verfolgte Zweck, den – noch – unerfahrenen oder ungeeigneten Erben vom Betrieb der Gesellschaft und den damit für ihn und die Mitgesellschafter verbundenen Gefahren fernzuhalten. Die beaufsichtigende Testamentsvollstreckung an der Außenseite ist damit grundsätzlich keine Lösung, mit der sich die Praxis abfinden kann. 5. Die Ersatzlösungen: Vollmachtlösung, Treuhandlösung, Weisungsgeberlösung
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Die bei der Testamentsvollstreckung über das Einzelunternehmen dargestellten Ersatzlösungen (s. oben Rz. 149), nämlich die Vollmachtlösung, die Treuhandlösung und die Weisungsgeberlösung sind auch bei der Testamentsvollstreckung über die Mitgliedschaft erwägenswert. Ihre grundsätzliche Problematik wird aber dadurch verschärft, dass an der Vollmacht1 So MünchHdb GesRI/Klein, § 80 Rz. 43. 2 So richtig Everts, MittBayNot 2003, 427 (430).
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
lösung und der Treuhandlösung nicht nur der Erbe und der Testamentsvollstrecker, sondern in existenzieller Weise auch die Mitgesellschafter beteiligt sind. Sie müssen deshalb diesen Lösungen zustimmen, wobei eine generelle vorsorgende Zustimmung im Gesellschaftsvertrag auf Grund der nicht vorhersehbaren Konstellation des künftigen Einsatzfalles mit erheblichen Gefahren verbunden ist. Im Regelfall wird man zu einer derartigen gesellschaftsvertraglichen Zustimmung kaum raten können. Die für die Gesellschafter weniger einschneidende Lösung besteht darin, dass der Erblasser anlässlich der Errichtung der einschlägigen letztwilligen Verfügung einen der erbrechtlichen Regelung zustimmenden Gesellschafterbeschluss herbeiführt. Die damit verbundene Offenlegung zumindest des die Gesellschaft betreffenden Teils seiner letztwilligen Verfügung ist ihm angesichts der vitalen Interessen der Mitgesellschafter zuzumuten. Bei den Ersatzlösungen treten im Bereich der Mitgliedschaft über die an- 183 lässlich der Testamentsvollstreckung über das Einzelunternehmen dargestellten rechtlichen Probleme hinaus weitere Probleme auf.1 So verstößt bei der Vollmachtlösung die unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht gegen das Abspaltungsverbot des § 717 Satz 1 BGB. Bei der Treuhandlösung wird sich noch schwerer als beim Einzelunternehmen ein zur Übernahme der vollen persönlichen Haftung bereiter Testamentsvollstrecker finden, da er nicht allein entscheidungsbefugt ist, sondern auf den Konsens mit den übrigen Gesellschaftern angewiesen ist. Bei beiden Lösungen besteht auch hier das Problem der Durchsetzbarkeit der erforderlichen Mitwirkungsakte beim unwilligen Erben. 6. Umwandlungsanordnung an den Testamentsvollstrecker Wie bei der Testamentsvollstreckung über ein Einzelunternehmen (vgl. 184 Rz. 146) besteht auch bei der Testamentsvollstreckung über eine Personengesellschaftsbeteiligung grundsätzlich die Möglichkeit, den Testamentsvollstrecker zur Umwandlung der Gesellschaft in eine haftungsbeschränkende Gesellschaftsformen, also eine GmbH, KG oder GmbH & Co. KG anzuweisen und dem Erben die Auflage zu machen, dies zu dulden. Grundsätzlich kann der Testamentsvollstrecker bei Umwandlungen ins- 185 besondere nach dem Umwandlungsgesetz mitwirken.2 Gegenüber der Umwandlung einer Einzelfirma ergeben sich dabei weitere juristische und tatsächliche Probleme daraus, dass weitere Gesellschafter vorhanden sind, die bei der Umwandlung mitwirken müssen. Im Regelfall kann es den Mitgesellschaftern nicht zugemutet werden, sich 186 aus Anlass des Versterbens eines Gesellschafters mit einer grundlegenden Änderung der Rechtsform des Unternehmens einverstanden zu erklären. Schon gar nicht werden die Gesellschafter bereit sein, diesen Fall vorsor1 Vgl. Everts, MittBayNot 2003, 427 (431). 2 Argument aus § 202 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Satz 1 UmwG.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
gend in der Satzung zu regeln. Wendet man mit der noch herrschenden Meinung die gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre auf das Verhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Erben an (s. oben Rz. 177), so wird bei einem Formwechsel dieser Kernbereich tangiert und ist die Zustimmung des Erben erforderlich. 187
Die Umwandlungsanordnung stellt also im Bereich der Testamentsvollstreckung über Personengesellschaftsanteile keine praxistaugliche Gestaltungsmöglichkeit dar. 7. Ein gangbarer Weg: Die Testamentsvollstreckung an der Kommanditbeteiligung
188
Für die Mitgliedschaft des Kommanditisten hat der BGH in seiner Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 19891 entschieden, dass der für die Verwaltung eines Kommanditanteils bestellte Testamentsvollstrecker generell auch die mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte ausüben darf. Er übt das Stimmrecht aus, nimmt unter Wahrnehmung der entsprechenden Antrags- und Rederechte an der Gesellschafterversammlung teil und kann fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse klagweise angreifen. Ihm stehen die Informations- und Kontrollrechte des Kommanditisten zu, er kann gegen die Mitgesellschafter im Wege der actio pro socio vorgehen. Die Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil beschränkt sich damit nicht nur auf die Außenseite der Beteiligung, sondern erstreckt sich auch auf ihre Innenseite. Einschränkungen ergeben sich nach den Feststellungen des BGH nur in den Fällen, in denen es durch das Handeln des Testamentsvollstreckers zu einer persönlichen Haftung des Kommanditisten kommen kann. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass die Verwaltungsbefugnisse des Testamentsvollstreckers an der Innenseite der Kommanditbeteiligung der Zustimmung der Mitgesellschafter entweder im Gesellschaftsvertrag oder ad hoc im Gefolge des Erbfalls bedürfen. Eine noch ungeklärte Frage ist, ob und inwieweit die Kernbereichslehre auf das Verhältnis zwischen Gesellschafter-Erbe und Testamentsvollstrecker anzuwenden ist (s. oben Rz. 177).
189
Insgesamt ergibt sich, dass nach derzeitiger Rechtslage eine Testamentsvollstreckung am ehesten bei einer Kommanditbeteiligung darstellbar ist. Wegen der eingeschränkten Gesellschafterrechte des Kommanditisten ist es den Mitgesellschaftern eher als bei den Ersatzlösungen für die Vollhafter-Nachfolge zuzumuten, schon im Gesellschaftsvertrag eine vorsorgende Regelung zu treffen. Sie kann darin bestehen, dass sich beim Tod eines Gesellschafters die Mitgliedschaft eines persönlich haftenden Gesellschafters vererbt, wobei sie sich aber automatisch in eine KommanditistenMitgliedschaft verwandelt, für die Testamentsvollstreckung im vollen Umfang angeordnet werden kann. Dem Erben-Gesellschafter kann weiterhin das Recht eingeräumt werden, nach Ablauf der Testamentsvollstre1 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, BGHZ 108, 187 = MDR 1989, 1080 = FamRZ 1989, 1168 = NJW 1989, 3152 = BWNotZ 1990, 20 = DNotZ 1990, 183.
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G. Testamentsvollstreckung im Unternehmensbereich
ckung die Rückumwandlung der Kommanditistenstellung in die eines persönlich haftenden Gesellschafters zu verlangen. Weiterhin ist zu regeln, wie die Pflichteinlage und die Hafteinlage des Kommanditisten zu bestimmen ist.
M 251
Gesellschaftsvertragliche Zulassung der Testamentsvollstreckung an einer Beteiligung mit automatischer Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung
(Form: Gesellschaftsvertrag) Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit dem Abkçmmling fortgesetzt, den der verstorbene Gesellschafter letztwillig durch Verfgung von Todes wegen zu seinem Nachfolger in die Mitgliedschaft bestimmt hat. Der Gesellschafter kann nur einen Abkçmmling zum Nachfolger bestimmen. Er kann fr dessen Beteiligung Testamentsvollstreckung durch eine einzige natrliche Person anordnen. Tut er dies, so wandelt sich seine Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter mit seinem Tod in eine Kommanditbeteiligung um, ohne dass es eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses bedarf. Bei Beendigung der Testamentsvollstreckung kann der Nachfolger von den brigen Gesellschaftern die Rckumwandlung seiner Kommanditistenbeteiligung in eine Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter verlangen. Der Betrag des Kapitalkontos des verstorbenen Gesellschafters ist als Hafteinlage des Nachfolgers im Handelsregister einzutragen.
Soweit ein Kommanditist unter Dauertestamentsvollstreckung steht, ist 190 im Handelsregister ein Testamentsvollstreckervermerk einzutragen, da diesbezüglich ein Informationsbedürfnis des Rechtsverkehrs besteht.1 Selbst wenn der Testamentsvollstrecker bei einer Beschlussfassung wegen 191 Stimmverbots ausgeschlossen sein sollte, verbleibt ihm gleichwohl noch als Testamentsvollstrecker für den Nachlass des Kommanditisten das Gesellschafterrecht, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zwecks Beschlussfassung über diesen Gegenstand zu verlangen bzw. als gleichzeitiger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die diesbezügliche Ausübungskompetenz zur Einberufung.2
IV. Testamentsvollstreckung an GmbH-Geschäftsanteilen Der GmbH-Geschäftsanteil ist nach der zwingenden Vorschrift des § 15 192 Abs. 1 GmbHG vererblich und gehört zum Nachlass, eine Sondererbfolge wie bei der Personengesellschaftsbeteiligung findet nicht statt. Mehrere 1 BGH v. 14.2.2012 – II ZB 15/11, FGPrax 2012, 121 = DNotI-Report 2012, 64 f.; Kilian, notar 2012, 205. 2 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = MDR 2014, 1036 = NZG 2014, 945 = ZEV 2014, 481.
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
Erben erwerben den Geschäftsanteil in Erbengemeinschaft. Nach allgemeiner Meinung ist die Anordnung einer Verwaltungsvollstreckung nach § 2209 Satz 1 Alt. 1 BGB am Geschäftsanteil zulässig und bedarf nicht der Zustimmung der Mitgesellschafter.1 Nicht erforderlich ist deshalb eine Satzungsklausel über die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung. 193
Der Testamentsvollstrecker nimmt die personen- wie vermögensbezogenen Rechte des Erben kraft Amtes in vollem Umfang wahr.2 Eine Ausnahme gilt lediglich für höchstpersönliche Rechte des Erben, also zum Beispiel ein an die Person des Erben und nicht bloß an den Geschäftsanteil gebundenes Recht zur Geschäftsführung.3
194
Wie im Personengesellschaftsrecht (s. oben Rz. 177) ist es streitig, ob die Kernbereichslehre die Befugnisse des Testamentsvollstreckers einschränkt.4 Bei Kapitalerhöhungen werden die Befugnisse des Testamentsvollstreckers dadurch eingeschränkt, dass er den Erben nach § 2206 BGB nicht persönlich verpflichten kann.5 Wegen des Verbots unentgeltlicher Verfügungen gem. § 2205 Satz 3 BGB ist der Testamentsvollstrecker von der Stimmabgabe bei Satzungsänderungen ausgeschlossen, wenn durch diese die Rechte des Gesellschafter-Erben ohne Gegenleistung verkürzt werden.6 Die Satzung kann die Rechte des Testamentsvollstreckers, etwa das Stimmrecht, ausschließen oder einschränken.7
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Die Aufnahme eines Testamentsvollstreckervermerkes in eine Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 GmbHG ist mangels diesbezüglichen Vertrauenstatbestandes hinsichtlich der Vertretungsmacht des darin genannten Gesellschafters aus Gründen der Registerklarheit unzulässig.8
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Trotz Ausschlusses des Testamentsvollstreckers bei einer Beschlussfassung wegen Stimmverbots aus § 47 Abs. 4 GmbHG verbleibt ihm gleichwohl noch als Testamentsvollstrecker für den Nachlass des GmbHGesellschafters das Gesellschafterrecht, die Einberufung einer Gesellschafterversammlung zwecks Beschlussfassung über diesen Gegenstand zu verlangen.9
1 Vgl. J. Mayer, Die Testamentsvollstreckung über GmbH-Anteile, ZEV 2002, 209. 2 BayObLG v. 18.3.1991 – BReg.3 Z 69/90, GmbHR 1991, 572 (574); Michalski/Ebbing, 2002, § 15 GmbHG Rz. 49; Scholz/Winter/Seibt, § 15 GmbHG Rz. 250; Bengel/Reimann/D. Mayer, Hdb. der Testamentsvollstreckung, Kap. 5 Rz. 230. 3 Michalski/Ebbing, 2002, § 15 GmbHG Rz. 50. 4 Ablehnend Scholz/Winter/Seibt, § 15 GmbHG Rz. 251, bejahend AnwaltKomm/Weidlich, § 2205 BGB Rz. 71. 5 Zu den Einzelheiten J. Mayer, ZEV 2002, 209 (211). 6 Bengel/Reimann/D. Mayer, Hdb. der Testamentsvollstreckung, Kap. 5 Rz. 236. 7 BGH v. 10.6.1959 – V ZR 25/58, MDR 1959, 921 = NJW 1959, 1820; AnwaltKomm/ Weidlich, § 2205 BGB Rz. 71 mwN. 8 OLG Köln v. 21.7.2014 – 2 Wx 191/14, MittBayNot 2014, 549 (550 f.); OLG München v. 15.11.2011 – 31 Wx 274/11, MDR 2012, 108 f. = FGPrax 2012, 37. 9 BGH v. 13.5.2014 – II ZR 250/12, BGHZ 201, 216 = MDR 2014, 1036 = NZG 2014, 945 = ZEV 2014, 481.
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H. Die letztwillige Gesellschaftsgrndungsklausel
V. Testamentsvollstreckung an Aktien Hier gelten dieselben Grundsätze wie bei der Testamentsvollstreckung 197 über GmbH-Anteile.1
H. Die letztwillige Gesellschaftsgründungsklausel I. Fallgruppe und Interessenlage Wenn der Erblasser als Inhaber eines Einzelunternehmens noch nicht oder 198 nicht mehr in der Lage ist, dem Unternehmen zu Lebzeiten selbst eine nachfolgegünstige Gesellschaftsstruktur zu geben, kommt als Übergangsoder Notlösung die letztwillige Anordnung der Überführung des Unternehmens in eine Gesellschaft in Betracht, um die immer nachteilige Unternehmensfortführung durch die Erbengemeinschaft zu vermeiden. Die Gesellschaftsgründung kann den Erben zur Auflage gemacht werden. Noch mehr Nachdruck verleiht der Gründungsverpflichtung die Erbeinsetzung unter der Bedingung, bei der Gründung mitzuwirken. Im Testament sollten die wesentlichen Vertragsbestimmungen wie das Beteiligungsverhältnis, die Stimmrechte, Sonderrechte auf Geschäftsführung und Abtretungs- und Vererbungsbeschränkungen vorgegeben werden, ohne dass der Gesellschaftsvertrag in allen Einzelheiten ausformuliert wird. Dies und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Umwandlung bzw. Einbringung der Einzelfirma in die Gesellschaft sollte zur Aufgabe eines Testamentsvollstreckers gemacht werden. Die erforderlichen streitträchtigen Maßnahmen und vor allem die hierzu in einer kritischen Phase des Unternehmens erforderliche Zeit lassen die letztwillige Gesellschaftsgründung regelmäßig nur als Notlösung gegenüber der lebzeitigen nachfolgebezogenen Gesellschaftsgründung erscheinen.
M 252
Letztwillige Gesellschaftsgrndungsklausel
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinen Erben setze ich meine Kinder . . . , . . . und . . . zu gleichen Erbteilen ein. Ersatzerben sind deren Abkçmmlinge, mangels Abkçmmlingen die Miterben oder deren Abkçmmlinge, jeweils nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Erben erhalten die Auflage, mein Einzelunternehmen . . . (Firma) in eine Handelsgesellschaft umzuwandeln. Dies kann nach dem Umwandlungsgesetz oder im Wege der Sachgrndung geschehen. Das Stammkapital soll dem Kapital der Einzelfirma nach Abzug der betrieblichen Verbindlichkeiten entsprechen. Die Rechtsform ist nach der Steuergnstigkeit im Zeitpunkt des Erbfalls 1 Vgl. Frank, ZEV 2002, 389.
711
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
zu whlen. Meine Erben sollen lediglich auf das Gesellschaftsvermçgen beschrnkt haften. Zu beteiligen sind . . . zu 48 Prozent und . . . und . . . zu je 26 Prozent. Die Beteiligung von . . . soll . . . immer die einfache Mehrheit der Stimmen verschaffen. . . . erhlt ein Sonderrecht auf Geschftsfhrung. Die Abtretung und Belastung der Gesellschaftsbeteiligung soll der Zustimmung aller anderen Gesellschafter bedrfen. Erbberechtigt oder berechtigt, die ererbte Gesellschaftsbeteiligung zu behalten, sollen nur Mitgesellschafter oder Abkçmmlinge von Gesellschaftern sein. Die Gewinnverteilung soll im Verhltnis der Gesellschaftsanteile erfolgen. Im brigen soll der Gesellschaftsvertrag die Bestimmungen enthalten, die bei einer Familiengesellschaft dieses Typs blich sind. Zum Vollzug dieser Auflage ordne ich Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker ist befugt, nach Maßgabe obiger Vorgaben den Inhalt des Gesellschaftsvertrags und seinem Wortlaut zu bestimmen. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich Herrn Rechtsanwalt . . . Beim Ausfall dieses Testamentsvollstreckers hat das Nachlassgericht einen anderen geeigneten Testamentsvollstrecker zu bestimmen. Das Nachlassgericht bestimmt auch die Hçhe der Vergtung des Testamentsvollstreckers.
II. Fallgruppe Beteiligung statt Abfindung 1. Das Urteil des BGH vom 19.3.2007 199
Eine besondere Fallgruppe der letztwilligen Gesellschaftsgründungsklausel ist durch die Notwendigkeit gekennzeichnet, die weichenden Geschwister direkt am Unternehmen zu beteiligen, weil sie aus Privatvermögen nicht abgefunden werden können.
200
Ein derartiger Fall lag der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.3.20071 über die Zulässigkeit einer familiären Hinauskündigungsklausel zu Grunde.
201
Der Erblasser betrieb mehrere Pfandleihhäuser als Einzelkaufmann. Er setzte testamentarisch seine Ehefrau als Vorerbin und auf deren Tod die beiden Kinder als Nacherben ein. Weiterhin ordnete er an, auf seinen Tod eine KG zu gründen, deren Komplementäre die Ehefrau und der als Unternehmensnachfolger vorgesehene Sohn sein sollten, während die Tochter die Stellung einer Kommanditisten erhielt. Er schloss die Kündigung der KG bis zum Tod der Ehefrau und dann noch für weitere zehn Jahre aus. Danach konnte die Gesellschaft mit einer Frist von einem Jahr auf den Schluss eines Kalenderjahres gekündigt werden. Der Sohn als Unternehmensnachfolger sollte auch dann, wenn er selbst gekündigt hat, den Betrieb und die Firma fortführen dürfen. Die Tochter verstarb nach der Mutter, aber vor dem Ablauf der Zehnjahresfrist. Ihren Kommanditanteil erbten ihre Kinder. Der Unternehmensnachfolger kündigte nach Ablauf der Zehnjahresfrist das Gesellschaftsverhältnis fristgemäß. Die so hinaus1 BGH v. 19.3.2007 – II ZR 300/05, FamRZ 2007, 1162 = MDR 2007, 846 = ZEV 2007, 340 mit Anm. Langenfeld.
712
H. Die letztwillige Gesellschaftsgrndungsklausel
gekündigten Kommanditisten wenden sich mit der Klage gegen die Kündigung und hilfsweise gegen die Abfindung zu Buchwerten. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen sieht der BGH das mit dem Recht zur Eigenkündigung und Übernahme des Geschäftsbetriebs verbundene freie Hinauskündigungsrecht des Unternehmensnachfolgers als sachlich gerechtfertigt an, weil es auf der Testierfreiheit des Erblassers beruhe, der durch diese Gestaltung dem anderen Kind eine bereits mit dem Kündigungsrecht belastete Beteiligung vermacht habe. 2. Zulässigkeit einer Hinauskündigungsklausel Das Urteil ist für die Gestaltung der Unternehmensnachfolge von höchs- 202 ter Bedeutung. Es geht um die praxiswichtige Frage, zu welchen Bedingungen weichende Familienmitglieder an der Betriebsgesellschaft beteiligt werden können. Dem Unternehmensnachfolger muss ein Auflösemechanismus zur Verfügung stehen, wenn die Mitgesellschafter minderen Rechts zum Störfaktor für den Unternehmensbestand werden. Hier bietet sich die sog. „Hinauskündigungsklausel“, also das vertragliche Recht zur einseitigen Aufkündigung der Mitgliedschaft, an. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sind in den Personengesellschaften1 203 und der GmbH2 Regelungen, die einem Gesellschafter das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig. Der von dieser Regelung betroffene Gesellschafter ist in einem Maße schutzwürdig, das die Annahme der Sittenwidrigkeit rechtfertigt. Denn das über ihm hängende Damoklesschwert der jederzeitigen freien Ausschließungsmöglichkeit kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten zu erfüllen. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. Eine an keine Voraussetzung geknüpfte Hinauskündigungsklausel ist vielmehr wirksam, wenn sie wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt ist. Solche besonderen Umstände hat der BGH in der Eignungsprüfung für einen neu aufgenommenen Partner der Freiberufler-Gesellschaft gesehen,3 weiterhin in der Beendigung einer Kooperation,4 und zuletzt in der als Ansporn gedachten Beteiligung von Managern und Mitarbeitern für die Zeit ihrer Unternehmenszugehörigkeit.5 Zur Rechtfertigung der Hinauskündigungsklausel bedarf es zunächst ei- 204 nes grundlegenden Zweckes. Bei den bisher entschiedenen Fallgruppen findet er sich in den Gedanken der kollegialen Eignungsprüfung, der ange1 Grundlegend BGH v. 20.1.1977 – II ZR 217/75, BGHZ 68, 212 = MDR 1977, 732 = NJW 1977, 1292. 2 Grundlegend BGH v. 9.7.1990 – II ZR 194/89, BGHZ 112, 103 = MDR 1991, 127 = DNotZ 1991, 917. 3 BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, MDR 2004, 847 = NJW 2004, 2013. 4 BGH v. 14.3.2005 – II ZR 153/03, MDR 2005, 935 = NZG 2005, 479. 5 BGH v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, MDR 2006, 99 = NJW 2005, 3641 (3644).
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7. Kap. Das Testament des Unternehmers
messenen Beendigung einer Kooperation und der Bindung von Führungskräften und Mitarbeitern an das Unternehmen. Bei der vorliegenden Fallgruppe ist der grundlegende Zweck die Ermöglichung der Abfindung weichender Familienmitglieder durch Unternehmensbeteiligung. Der Unternehmensnachfolger soll die Leitung des Unternehmens erhalten, das weichende Familienmitglieder eine ertragbringende Beteiligung. Die verfolgten Ziele des Erblassers konnte der BGH im vorliegenden Fall dessen Testament entnehmen, wo sie ausdrücklich angesprochen wurden. Der Erblasser wollte das Unternehmen im Interesse seiner Familie und seiner Nachkommen erhalten und die Entscheidung über die künftige Unternehmensstruktur in die Hände des Unternehmensnachfolgers legen. Für die Gestaltungspraxis ist aus den diesbezüglichen Ausführungen des BGH die Empfehlung abzuleiten, in den Fällen möglicher Inhaltskontrolle nach § 138 BGB die rechtfertigenden Ziele und Motive des oder der Beteiligten ausdrücklich in die Urkunde aufzunehmen. 205
Weiterhin muss es angezeigt sein, diese Ziele gerade unter Einsatz einer Hinauskündigungsklausel zu verfolgen. Ihre Verwendung muss sich aufdrängen und auch angesichts der Interessen des von ihr betroffenen Gesellschafters minderen Rechts gerechtfertigt sein. Dies begründet der BGH mit dem Vergleich zu anderen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Verbindung einer Mindestlaufzeit der Beteiligung verbunden mit der anschließenden Hinauskündigungsmöglichkeit ist auch für den Betroffenen besser als die rechtlich problemlos zulässige Befristung der Beteiligung, die erste alternative Gestaltungsmöglichkeit. Die aufgeschobene Hinauskündigungsklausel gibt dem Unternehmensnachfolger die einseitige Möglichkeit der Beendigung der Mitgliedschaft mit der Folge der Abfindung, zwingt ihn aber nicht dazu. Die zweite Alternative des Inhalts, das weichende Familienmitglied überhaupt nicht am Unternehmen zu beteiligen, tendiert dann, wenn zur Abfindung kein ausreichendes Privatvermögen vorhanden ist, zur völligen Benachteiligung des Ausscheidenden und zum Zwang, Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend zu machen.
206
Die Lösung über die befristete Beteiligung mit anschließendem Hinauskündigungsrecht wird damit sowohl den Vorstellungen des Erblassers als auch den wohlverstandenen Interessen des Unternehmensnachfolgers und des weichenden Familienmitglieds gerecht. Diese Gestaltung muss deshalb dem testierenden Erblasser erlaubt sein, sie beruht auf dem angemessenen Gebrauch seiner Testierfreiheit. Das nicht als Unternehmensnachfolger vorgesehene Familienmitglied erhält durch die letztwillige Zuwendung des Erblassers eine aus sachlich gerechtfertigten Gründen eingeschränkte, bereits mit dem Kündigungsrecht des Unternehmensnachfolgers belastete Beteiligung. Durch die gezielte Ausübung der so inhaltlich beschriebenen Testierfreiheit unterscheidet sich, wie der BGH in Auseinandersetzung mit der Vorinstanz richtig feststellt, der vorliegende Fall von dem erbrechtlichen Erwerb der Beteiligung an einer Gesellschaft, deren bereits bestehender Gesellschaftsvertrag eine unzulässige Hinauskündigungsklausel enthält. In 714
I. Typen von Unternehmertestamenten
diesem Fall muss der Erbe die Hinauskündigungsmöglichkeit nicht etwa lediglich deshalb akzeptieren, weil er die Beteiligung geerbt hat. Für die kautelarjuristische Praxis folgt hieraus, dass die erbrechtlich zuge- 207 wandte Mitgliedschaft minderen Rechts belastet mit einer Hinauskündigungsklausel grundsätzlich zulässig ist, aber auch den Interessen des Zuwendungsempfängers Rechnung zu tragen hat. Dies kann durch unkündbare Zuwendung auf eine bestimmte, nicht unerhebliche Zeitdauer mit anschließender Möglichkeit des Unternehmensnachfolgers geschehen, das Gesellschaftsverhältnis mit den weichenden Erben einseitig zu beenden. Der BGH betont im vorliegenden Fall ausdrücklich, den Interessen der Tochter sei durch die mehr als 35 Jahre dauernde ertragbringende Unternehmensbeteiligung hinreichend Rechnung getragen. Im Hintergrund steht ja auch die Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters. Nachdem der BGH im vorliegenden Fall die Frage der Wirksamkeit der Hinauskündigungsklausel unabhängig davon für entscheidungsreif gehalten hat, ob der Ausschluss des Geschäftswerts aus der Abfindung rechtmäßig ist, steht zu vermuten, dass er von der Wirksamkeit dieses Ausschlusses ausgeht. Im vorliegenden Fall ist zudem, was billigerweise zu berücksichtigen ist, der heutige Geschäftswert nicht mehr dem Erblasser, sondern dem Unternehmensnachfolger zuzurechnen, der das Unternehmen 35 Jahre lang geführt hat.
I. Typen von Unternehmertestamenten I. Das Unternehmertestament als Teil der Nachfolgeplanung Im Idealfall begleitet eine maßgeschneiderte letztwillige Verfügung den 208 Unternehmer auf allen Stationen seines beruflichen und privaten Lebens und bildet erforderlichenfalls den Schlusspunkt der Nachfolgeplanung. Die Wirklichkeit ist hiervon weit entfernt. Gerade der erfolgreiche Unternehmer verdrängt die Möglichkeit seines Ablebens und den Gedanken an die Unternehmensnachfolge. Auch wenn er schließlich etwa ein Kind als möglichen Nachfolger hat, stellen sich häufig Generationenprobleme ein, die eine sachgerechte Nachfolgeplanung verhindern. Die Erfahrungen der Praxis zeigen, dass Unternehmen nicht nur an den Gegebenheiten des Marktes scheitern können, sondern auch an den Problemen der Unternehmensnachfolge. Es ist Aufgabe der Berater, hier zu jedem Zeitpunkt auf Vorsorge zu dringen. Dazu gehört schon beim jungen Unternehmer eine letztwillige Verfügung, die in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen ist. Im besten Fall erübrigt sich schließlich ein spezifisches Unternehmertestament, weil der Unternehmer seine Nachfolge unter Lebenden geregelt hat. Es besteht in Fachkreisen Einigkeit darüber, dass es „das“ Unternehmer- 209 testament nicht gibt, sondern lediglich einige technische und gestalteri715
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
sche Vorgaben. Andererseits ist eine alle Abschnitte und Stationen des Unternehmerlebens begleitende letztwillige Verfügung von besonderer Wichtigkeit. Die nachfolgenden Einzeltestamente eines Unternehmers haben Beispielscharakter und sollen die Grundstrukturen verdeutlichen.
II. Fallgruppen 1. Zentrale Fallgruppen 210
Beim Unternehmertestament sind die folgenden Fallgruppen grundsätzlich zu unterscheiden. 2. Fallgruppe jüngerer Unternehmer
211
Einmal handelt es sich um den Fall des jüngeren Unternehmers, der bestimmungsbefugter Unternehmensinhaber ist, verheiratet ist und ein Kind oder mehrere Kinder hat, die sich noch in der Schule oder der Ausbildung befinden und aus deren Kreis noch kein Unternehmensnachfolger zur Verfügung steht. Hier geht es darum, den Bestand des Unternehmens und möglichst auch seine Erhaltung in der Familie des Unternehmers für den Fall eines vorzeitigen Ablebens des Unternehmers zu sichern. Diese Fallgruppe stellt, da es zum Testament noch nicht die Alternative der lebzeitigen Transferierung des Unternehmens gibt, wohl den wichtigsten Anlass zu einem Unternehmertestament dar. 3. Fallgruppe älterer Unternehmer
212
Die zweite Fallgruppe betrifft den älteren Unternehmer, der bereits einen familiären oder sonstigen Unternehmensnachfolger hat, sich aber nicht oder noch nicht zur lebzeitigen Unternehmensnachfolgeregelung entschließen kann. Hier können die Regelungen des Testaments wesentlich konkreter sein. Hier besteht die Alternative der lebzeitigen Unternehmensnachfolge, die sich immer mehr aufdrängt, je älter der Unternehmer wird. In der Praxis ist es nicht selten so, dass mit zunehmender Dringlichkeit der lebzeitigen Unternehmensnachfolge die Bereitschaft des Unternehmers zu ihr altersbedingt nachlässt. Hier wird das Unternehmertestament zunehmend zur zweitbesten Lösung. Es sollte soviel lebzeitige Umstrukturierung erfolgen, wie sich beim Unternehmer durchsetzen lässt. 4. Unternehmertyp
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Bei beiden Fallgruppen steht der Unternehmensinhaber im Vordergrund, der im Unternehmen rechtlich alleinbestimmend oder überwiegend bestimmend ist, insbesondere also der Alleinunternehmer oder der Alleingesellschafter der unternehmenstragenden Gesellschaft. In den Fällen, in denen ein Unternehmen zwischen mehreren Partnern partnerschaftlich 716
I. Typen von Unternehmertestamenten
etwa in der Rechtsform der GmbH gegründet und geführt wird, wie dies nach der praktischen Erfahrung immer häufiger wird, scheitert ein Unternehmertestament im eigentlichen Sinne an der mangelnden Verfügungsbefugnis über das Unternehmen. Hier spielen die Fortführungsbestimmungen des Gesellschaftsvertrages eine entscheidende Rolle.1
III. Testament des jungen Unternehmers M 253
Testament des jungen Unternehmers
(Form: Verfgung von Todes wegen) I. Erbeinsetzungen Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen meine Kinder . . . und . . . ein. Ersatzerben fr jeden Fall des Wegfalls eines dieser beiden Erben vor oder nach dem Erbfall sind fr jedes Kind in erster Linie dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge einschließlich adoptierter und nicht aus einer Ehe stammender Kinder, in zweiter Linie der andere Geschwisterteil oder dessen Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge einschließlich adoptierter und nicht aus einer Ehe stammender Kinder. Sind keine Kinder oder Abkçmmlinge vorhanden oder werden sie nicht Erben, so ist ersatzweise mein Ehegatte . . . mein Alleinerbe, sofern die Ehe durch meinen Tod aufgelçst wird. Werden weder meine Abkçmmlinge noch mein Ehegatte Erben, so ist Ersatzerbe in letzter Linie . . . II. Vermchtnis Wenn mein Ehegatte . . . nicht Erbe wird, so erhlt er, sofern die Ehe durch meinen Tod aufgelçst wird, zum Zwecke ihrer Versorgung als Vermchtnis mein gesamtes Privatvermçgen, also das Vermçgen, das nicht zu dem derzeit unter der . . .-GmbH betriebenen Unternehmen gehçrt, insbesondere das Familienheim. Den genauen Gegenstand des Vermchtnisses bestimmen nach § 2156 BGB die Testamentsvollstrecker. III. Testamentsvollstreckung Es ist mein Anliegen, den Fortbestand des derzeit unter der Firma . . .-GmbH betriebenen Unternehmens – nachfolgend als „Unternehmen“ bezeichnet – zu sichern, dies insbesondere im Interesse der leitenden Mitarbeiter und der Arbeitnehmer. Deshalb treffe ich die folgenden Anordnungen und ordne Testamentsvollstreckung an. Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Die Testamentsvollstrecker haben alle gesetzlich mçglichen Befugnisse und sind insbesondere auch zur Dauervollstreckung befugt, bis der Fortbestand des Unternehmens gesichert ist.
1 Vgl. nur Reichert, GmbHR 1998, 257 (260 ff.).
717
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
Zu Testamentsvollstreckern ernenne ich Herrn Rechtsanwalt . . . und Herrn Steuerberater . . . , und zwar zur gemeinsamen einverstndlichen Amtsausbung. Jeder der beiden Testamentsvollstrecker hat die Befugnis, einen Nachfolger aus dem Kreis der jeweiligen Sozien seiner Anwalts- oder Steuerberaterkanzlei zu benennen. In zweiter Linie kann beim Wegfall eines Testamentsvollstreckers der andere Testamentsvollstrecker den zweiten Testamentsvollstrecker ernennen. IV. Aufgaben der Testamentsvollstrecker Die Testamentsvollstrecker haben zunchst die Aufgabe, das Vermchtnis fr meinen Ehegatten . . . zu bestimmen und zu erfllen. Weiter haben die Testamentsvollstrecker die Aufgabe, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Dies geschieht in erster Linie dadurch, dass einer oder mehrere geeignete Abkçmmlinge das Unternehmen bernehmen kçnnen. Sind diese Voraussetzungen bei meinem Tod noch nicht gegeben, aber voraussehbar, so verwalten die Testamentsvollstrecker das Unternehmen bis zu dem Zeitpunkt der bergabe an einen oder mehrere Abkçmmlinge. Als Zweckvermchtnis und Vorausvermchtnis im Sinne von §§ 2156, 2150 BGB setze ich dem oder den zur Fortfhrung des Unternehmens geeigneten Erben das Unternehmen aus. Die Testamentsvollstrecker bestimmen nach §§ 2151, 2153 BGB, wer von mehreren Erben geeignet ist und zu welchen Anteilen mehrere Vermchtnisnehmer das Vermchtnis erhalten sollen. Als Zweckvermchtnis und Vorausvermchtnis im Sinne von §§ 2156, 2150 BGB setze ich den Erben, die im Falle der Erfllung des Vermchtnisses gemß vorstehendem Absatz VI. 2. nicht am Unternehmen beteiligt werden, zu ihrer Versorgung geeignete stimmrechtslose Beteiligungen, Nutzungsrechte oder Rentenbezugsrechte zu Lasten des Unternehmens aus. Die Testamentsvollstrecker bestimmen nach ihrem billigen Ermessen den Inhalt des Zweckvermchtnisses und nach §§ 2151, 2153 BGB die Personen und Anteile der Vermchtnisnehmer. Ist keiner der Erben aus dem Kreis der Abkçmmlinge zur Fortfhrung des Unternehmens geeignet oder wird kein geeigneter Abkçmmling Erbe, so haben die Testamentsvollstrecker den Fortbestand des Unternehmens durch dessen Verußerung sicherzustellen. Hierbei haben sie die Vorstellungen und Wnsche der leitenden Angestellten des Unternehmens zu bercksichtigen. In erster Linie ist anzustreben, das Unternehmen den Mitarbeitern zur Fortfhrung zu verußern. In zweiter Linie ist das Unternehmen an einen Kufer zu verußern, der das Unternehmen in seinem Fortbestand erhalten wird. Der Fortbestand des Unternehmens und der Erhalt der Arbeitspltze hat auch dann Vorrang, wenn bei der Verußerung an einen Kufer, der sich hierzu verpflichtet, ein geringerer Kaufpreis erzielt wird als bei Verußerung an einen Kufer, der das Unternehmen nicht erhalten wird. Die Vergtung der Testamentsvollstrecker bestimmt das Nachlassgericht.
718
I. Typen von Unternehmertestamenten
IV. Das Testament des Mitgesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft Der Erblasser ist als persönlich haftender Gesellschafter an der Familien- 214 OHG beteiligt. Nachfolger soll sein Kind werden. Der an der Gesellschaft nicht beteiligte Ehegatte des Unternehmers soll durch einen Nießbrauch am Gewinnanspruch versorgt werden. Der Gesellschaftsvertrag enthält eine erbrechtliche Nachfolgeklausel, die das Kind als Nachfolger zulässt.
M 254
Testament des Mitgesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft
(Form: Verfgung von Todes wegen) Zu meinem Alleinerben setze ich mein Kind . . . ein. Es erwirbt auch meine Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter an der . . .-OHG. Meinem Ehegatten . . . vermache ich an meiner Beteiligung als persçnlich haftender Gesellschafter der . . .-OHG den lebtglichen Nießbrauch folgenden Inhalts: Der Nießbrauch besteht nur an den jhrlichen Gewinnansprchen und dem Auseinandersetzungsguthaben in Hçhe von jeweils zwanzig vom Hundert. Diese Gewinnanteile kçnnen von dem Nießbraucher verbraucht werden, ohne dass dieser bei Beendigung des Nießbrauchs zum Wertersatz verpflichtet ist. Der Nießbraucher hat keinerlei Stimm- und Verwaltungsrecht in der Gesellschaft. Der Gesellschafter darf beeintrchtigende Verfgungen ber seine Beteiligung nur mit Zustimmung des Nießbrauchers vornehmen. Er ist gegenber dem Nießbraucher verpflichtet, seine Mitwirkung an Gesellschafterbeschlssen zu versagen, durch die nicht erforderliche Reserven gebildet werden.
V. Das Testament des Alleingesellschafters einer GmbH Der Erblasser ist Alleingesellschafter der GmbH. Diese soll das Kind wei- 215 terführen, während der Ehegatte das Privatvermögen erhalten soll.
M 255
Testament des Alleingesellschafters einer GmbH
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze fr den Fall, dass ich vor meinem Ehegatten versterbe, meinen Ehegatten . . . und mein Kind . . . als je hlftige Miterben ein. Mein Kind erhlt als Vorausvermchtnis meinen Gewerbebetrieb in seiner dereinstigen Rechtsform, derzeit die . . .-GmbH. Mein Ehegatte erhlt als Vorausvermchtnis meinen gesamten sonstigen Nachlass. Verstirbt mein Kind vor mir, so wird mein Ehegatte mein Alleinerbe.
719
7. Kap. Das Testament des Unternehmers
Verstirbt mein Ehegatte vor mir, so wird mein Kind mein Alleinerbe. Ersatzerben nur fr diesen Fall sind seine Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge.
VI. Das Testament des Einzelunternehmers mit noch minderjährigen Kindern 216
Der Einzelunternehmer hat einen zur vorübergehenden Unternehmensfortführung fähigen Ehegatten und noch minderjährige Kinder. Er errichtet vorsorglich das folgende Testament.
M 256
Testament des Einzelunternehmers mit noch minderjhrigen Kindern
(Form: Verfgung von Todes wegen) Ich setze meinen Ehegatten zum befreiten Vorerben ein. Nacherben auf dessen Tod werden unsere gemeinschaftlichen Kinder zu gleichen Teilen, ersatzweise deren Abkçmmlinge nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge. Die Nacherbenanwartschaften sind nicht verußerlich und nicht vererblich. Die Nacherbfolge ist dadurch auflçsend bedingt, dass mein Ehegatte durch Verfgung von Todes wegen einen Abkçmmling zu ihrem Erben einsetzt und dieser auch ihr Erbe wird. Mein Ehegatte kann diesen Schlusserben nach eigenem freien Ermessen auswhlen. Mein Ehegatte erhlt bei meinem Tod mein Privatvermçgen als Vorausvermchtnis. Mein Ehegatte kann sein Privatvermçgen auf seinen Tod anderen Personen als dem von ihm eingesetzten Erben als Vermchtnis zuwenden.
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8. Kapitel Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermächtnisausschlagung
Inhaltsübersicht Rz. A. Erbschaftsausschlagung . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vonselbsterwerb . . . . . . . . . . . 2. Erklärung und Form . . . . . . . . 3. Ortsform . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sozialhilfebedürftigkeit bzw. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nachlassgericht . . . . . . . . . . . 7. Wohnsitzgericht . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . b) Wohnsitzbegriff . . . . . . . . . aa) Systematik . . . . . . . . . bb) Geschäftsfähige . . . . . cc) Nicht voll Geschäftsfähige . . . . . . . . . . . . . . c) Versicherung zuständigkeitsbegründender Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Entgegennahme trotz örtlicher Unzuständigkeit. . . e) EuErbVO und deren nationale Umsetzung . . . . 8. Ausschlagungsfrist . . . . . . . . . 9. Nasciturus. . . . . . . . . . . . . . . . 10. Keine isolierte Wirksamkeitsfeststellung . . . . . . . . . . . II. Gesetzliche Vertretung . . . . . . . . . 1. Grad der Geschäftsfähigkeit . . 2. Fristbeginn. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtlicher Genehmigungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertretungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vaterschaftsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Volljährigkeitseintritt nach Ausschlagungsabgabe . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausschluss von Nachlassverwaltung . . . . . . . ee) Hoheitliche Überwachung . . . . . . . . . . . .
Rz.
1 1 1 2 3 4 5 6 7 7 8 8 9 11
17 18 19 20 25 27 28 28 29 30 30 30 31
32 33 34
III. IV. V. VI.
ff) Genehmigungserfordernis, Ausnahme und Gegenausnahme . . . . . . gg) Anfall durch Erbausschlagung eines nicht vertretungsberechtigten Elternteils . . . . . . . . hh) Werthaltiger Nachlass . ii) Selektive Erbausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Elternteil wird durch Erbausschlagung für das eingesetzte Kind selbst gesetzlicher Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Erbausschlagung durch längstlebenden Eltenteil für sich und das Kind . . . . . . . . . . . . . (1) Regelfall . . . . . . . . . . (2) Besonderheiten bei Wohnsitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige gesetzliche Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Genehmigungserteilung . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . b) Fristhemmung . . . . . . . . . . . c) Problematik Kontrollvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beerdigungskosten, Sterbegeld und Überführungskosten . Aus ererbtem Ausschlagungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrere Berufungsgründe. . . . . . . Nachlassspaltung. . . . . . . . . . . . . . Vertrag über Ausschlagungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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36 37 38
39
40 40
41 42 46 46 47 48 49 53 55 59 61
B. Anfechtung der Annahme, Fristversäumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . 62 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Anfechtung der Fristversäumnis . 69
721
8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
III. Anfechtung der Ausschlagung . . . 1. Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsch-deutsche Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anfechtung der Annahme . . . . . . V. Anfechtung der Annahmeanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Rz.
70 70
VI. Abgrenzung zur Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
71 72
C. Vermächtnisausschlagung und deren Anfechtung . . . . . . . . . . . . . 75
73
A. Erbschaftsausschlagung I. Allgemeines 1. Vonselbsterwerb 1
Gem. § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von selbst auf den Erben über. Dies geschieht auch dann, wenn der Erbe vom Erbfall keinerlei Kenntnis hat. Einer Annahmeerklärung oder eines behördlichen bzw. gerichtlichen Aktes bedarf es nicht. Insbesondere ist eine Annahmeerklärung durch den gesetzlichen Vertreter ohne gerichtliche Genehmigung wirksam – Gleiches gilt für eine durch Ablaufen der Ausschlagungsfrist, die je nach Kenntnisstand der gesetzlichen Vertreter beginnt, eintretende Annahme1 – und unterliegt, da sie weder empfangsbedürftige Willenserklärung ist noch die anderen Miterben Erklärungsadressat sind, nicht den Beschränkungen der §§ 181, 1795 BGB.2 2. Erklärung und Form
2
Der Anfall der Erbschaft kann jedoch durch Ausschlagung, Erbunwürdigkeitserklärung oder Anfechtung einer zu Grunde liegenden Verfügung von Todes wegen rückwirkend beseitigt werden. Ist die Erbschaft durch schlüssiges Verhalten angenommen worden, das Dritten gegenüber objektiv eindeutig als Beibehaltung der Erbenstellung zum Ausdruck gebracht wird und bereits in dem Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages mit den Miterben, Anbieten eines Nachlassgrundstücks oder der Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände liegen kann,3 vermag sich der betroffene Erbe ausschließlich noch durch wirksame Anfechtung der Annahme unter den Voraussetzungen des § 1954 BGB, jedoch nicht mehr durch bloße Ausschlagung zu lösen.4 Häufigster Anlass einer Erbausschlagung ist die Über1 OLG Koblenz v. 16.7.2007 – 5 W 535/07, FamRZ 2008, 1031. 2 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 47 f. 3 OLG Köln v. 19.8.2014 – 2 Wx 213/14, BWNotZ 2014, 180 (181 f.) = RNotZ 2014, 607 (608 f.); OLG Oldenburg v. 20.9.1994 – 5 U 72/94, NJW-RR 1995, 141. 4 OLG Köln v. 19.8.2014 – 2 Wx 213/14, BWNotZ 2014, 180 (181 f.) = RNotZ 2014, 607 (608 f.).
722
A. Erbschaftsausschlagung
schuldung des Nachlasses. Der Fiskus (Staat) kann die ihm als gesetzlichem Erben angefallene Erbschaft anders als seine letztwillige Einsetzung gem. § 1942 Abs. 2 BGB nicht ausschlagen. Eine Ausschlagung der Erbschaft ist nach § 1946 BGB erst nach dem Erbfall möglich, erfolgt sie vorher, muss die daher wirkungslose Ausschlagung erneut form- und fristgerecht erklärt werden.1 Sie erfolgt gem. § 1945 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form iSd. § 129 BGB. Gleiches gilt nach § 1945 Abs. 3 Satz 1 BGB für eine eventuelle Vollmacht. Gem. § 1947 BGB kann die Ausschlagung nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen. Nach Ansicht des OLG Köln soll die Ausschlagungsfrist nur dann gewahrt sein, wenn bei einem in ausländischer Sprache verfassten Ausschlagungstext vor Fristablauf zumindest auch eine Übersetzung in die deutsche Sprache beim Nachlassgericht eingeht, da eine Erbausschlagung eine prozessuale amtsempfangsbedürftige Willenserklärung sei, für die Art. 184 GVG gelte, und die von § 1944 Abs. 3 BGB vorgesehene Fristverlängerung auf sechs Monate die mit der Fertigung und Einreichung einer Übersetzung verbundenen Zeitverzögerungen abdecke.2 Hierbei wird jedoch übersehen, dass Erbausschlagungen keine prozessualen Verfahrenshandlungen, sondern Willenserklärungen materiellen Rechts sind, deren Wirksamkeitsvoraussetzungen sich nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften statt nach Verfahrensrecht bestimmen,3 § 184 GVG der hier nicht relevanten Wahrung der Öffentlichkeit des Verfahrens nach § 169 GVG dient4 und dort nach Art. 19 IV und Art. 103 Abs. 1 GG Wiedereinsetzung zu gewähren ist, wenn Sprachschwierigkeiten zur Fristversäumung führen, die nicht auf schuldhafter Gleichgültigkeit beruhen.5 Gleichwohl sollte ein in ausländischer Sprache verfasster Ausschlagungstext sicherheitshalber innerhalb der Ausschlagungsfrist gemeinsam mit einer formgerechten Übersetzung in die deutsche Sprache und nur dann, wenn und solange eine Übersetzung in die deutsche Sprache vor Fristablauf nicht möglich ist, zunächst alleine in ausländischer Sprache vorgelegt werden. 3. Ortsform Befindet sich der Ausschlagende im Ausland, ist nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB 3 die am Ort der Ausübung der Ausschlagung maßgebende Form (Ortsform) für die Frage ausreichend.6 Das Formstatut entscheidet insbesondere darüber, ob die Erbausschlagungserklärung mündlich bzw. schriftlich erklärt
1 2 3 4 5
Palandt/Weidlich, § 1946 BGB Rz. 1. OLG Köln v. 12.2.2014 – 2 Wx 25/14, NJW-RR 2014, 1037 (1038). MünchKomm.BGB/Leipold, § 1945 BGB Rz. 2; Beller, BWNotZ 2014, 161 (162 f.). Beller, BWNotZ 2014, 161 (162 f.). BVerfG v. 7.4.1976 – 2 BvR 728/75, NJW 1976, 1021 f.; Zöller/Lückemann, § 169 GVG Rz. 3. 6 BayObLG v. 11.3.1994 – IZ BR 109/93, NJW-RR 1994, 967 (969); MünchKomm.BGB/ Spellenberg, Art. 11 EGBGB Rz. 22; Palandt/Weidlich, § 1945 BGB Rz. 3; Palandt/ Thorn, Art. 11 EGBGB Rz. 1; Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rz. 116.
723
8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
werden kann oder stattdessen eine Erklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts bzw. in öffentlich beglaubigter Form erforderlich ist.1 4. Vollmacht 4
Bei Bevollmächtigung bedarf die Vollmacht nach § 1945 Abs. 3 Satz 1 BGB der öffentlich beglaubigten Form iSd. 129 BGB. Wird die Ausschlagung durch einen Bevollmächtigten erklärt, vermag sie für die eigenen letztwilligen Verfügungen des Ausschlagenden wegen des Höchstpersönlichkeitsgebotes aus § 2065 BGB keine Wirkung nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BGB auszulösen, so dass insoweit ein erbrechtlich gebundener längstlebender Ehegatte seine Testierfreiheit nur dann wiedererlangen kann, wenn er seine Erbeinsetzung durch den Erstverstorbenen persönlich ausschlägt.2 Tut er dies und trifft er zudem eine neue abweichende Verfügung von Todes wegen, wodurch nach § 2270 Abs. 1 BGB die letztwillige Verfügung des erstversterbenden Ehegatten unwirksam wird, bleibt diese auch dann unwirksam, wenn der längstlebende Ehegatte seine neue Verfügung wieder ändert.3 5. Sozialhilfebedürftigkeit bzw. Insolvenz
5
Die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft, die zu einem Fortbestehen der Sozialhilfebedürftigkeit des vorläufigen Erben führt, ist entgegen früherer obergerichtlicher Rechtsprechung4 nach Ansicht des BGH grundsätzlich wegen der aus Art. 14 Abs. 1 GG resultierenden negativen Erbfreiheit des Erben samt damit verbundener Ablehnungsmöglichkeit gegenüber erbrechtlichen Zuwendungen nicht iSd. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.5 Bei einem Behindertentestament kommt eine gerichtliche Genehmigung zu einer Ausschlagung der Vorerbenstellung dann nicht in Betracht, wenn die darin vorgesehenen Zuwendungen den Behinderten besser stellen als bei einem Sozialhilfezugriff auf den durch die Ausschlagung ausgelösten Pflichtteil.6 Eine Erbausschlagung ist ebenso wie der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils auch in der Wohlverhaltensphase keine zum Verlust der Restschuldbefreiung führende Obliegenheitsverletzung des Schuldners iSd. Regelung des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, da andernfalls deren Zweck zur Schaffung eines Annahmeanreizes verfehlt würde.7 1 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rz. 116. 2 Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 44; ähnlich, aber missverständlich OLG Zweibrücken v. 13.11.2007 – 3 W 198/07, FamRZ 2008, 646 = DNotZ 2008, 384 (385) mit Anm. Müller. 3 BGH v. 12.1.2011 – IV ZR 230/09, NJW 2011, 1353 (1354 f.). 4 OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 ff.; OLG Hamm v. 16.7.2009 – 15 Wx 85/09, ZEV 2009, 471 ff. mit krit. Anm. Leipold. 5 BGH v. 19.1.2011 – IV ZR 7/10, ZEV 2011, 258 (259 ff.); LG Aachen v. 4.11.2004 – 7 T 99/04, ZEV 2005, 120 (121). 6 OLG Köln v. 29.6.2007 – 16 Wx 112/07, ZEV 2008, 207 = FamRZ 2008, 1113. 7 BGH v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, MDR 2009, 1191 = FamRZ 2009, 1486 = DNotZ 2009, 862.
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A. Erbschaftsausschlagung
6. Nachlassgericht Soweit die Ausschlagung nicht nach § 1945 Abs. 1 Halbs. 2 iVm. § 129 BGB 6 in öffentlich beglaubigter Form, sondern zur Niederschrift des Nachlassgerichts erklärt wird, muss zur Vermeidung etwaiger Wirksamkeitsrisiken darauf geachtet werden, dass die Niederschrift ausschließlich durch das allgemein nach § 343 FamFG örtlich zuständige Nachlassgericht oder das seit 1.9.2009 nach § 344 Abs. 7 FamFG speziell für Erbausschlagungen zuständige Gericht am Wohnsitz des Ausschlagenden, über dessen Zuständigkeit bisherige Unsicherheiten im Verfahren vor einem ersuchten Gericht beseitigt werden sollen, erklärt wird. 7. Wohnsitzgericht a) Anwendungsbereich § 344 Abs. 7 FamFG begründet aufgrund seines Regelungszwecks trotz des 7 unpräzisen und unvollständigen Wortlauts neben ausdrücklich benannten Erbausschlagungen und deren Anfechtung auch eine örtliche Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts für die Anfechtung der Erbschaftsannahme, der Fristversäumnis und der Ausschlagung des Pflichtteilsberechtigten sowie neben der ausdrücklich erwähnten Entgegennahme auch für die Protokollierung derartiger Erklärungen1 Die in öffentlich beglaubigter Form durch den Erben am Ort seines Wohnsitzes vor einem Notar erklärte Ausschlagung sollte daher zumindest bei unmittelbar bevorstehendem Fristablauf zur Vermeidung von postalischen Verzögerungs- bzw. Verlustgefahren persönlich vor Ort beim Wohnsitzgericht iSd. § 344 Abs. 7 FamFG gegen Eingangsbestätigung fristwahrend2 abgegeben werden. Dabei sind mit größter Vorsicht die Voraussetzungen eines Wohnsitzes nach den §§ 7 ff. BGB zu prüfen. b) Wohnsitzbegriff aa) Systematik Der diesbezügliche Wohnsitz bestimmt sich nach den Regelungen der 8 §§ 7, 8, 9 und 11 BGB.3 Maßgebend ist dabei grundsätzlich der räumliche Schwerpunkt (Mittelpunkt) der gesamten Lebensverhältnisse des Erblassers.4 Dabei wird zwischen dem selbständig gewählten Wohnsitz nach §§ 7 bzw. 8 BGB einerseits und dem abgeleiteten gesetzlichen Wohnsitz i.S.d. §§ 9 bzw. 11 BGB andererseits unterschieden.
1 Heinemann, ZErb 2008, 293 (295); Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 67 bis 69. 2 Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 68. 3 BayObLG v. 17.12.1984 – 1 ZS AllgReg 94/84, Rpfleger 1985, 66. 4 BGH v. 14.2.1962 – IV ZR 192/61, LM Nr. 3 zu § 7 BGB; BayObLG v. 17.12.1984 – Allg.Reg.94/84, FamRZ 1985, 533 = BayObLGZ 1984, 289 (290); Palandt/Ellenberger, § 7 BGB Rz. 1; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 11.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
bb) Geschäftsfähige 9
Der gewählte Wohnsitz eines Geschäftsfähigen wird durch dessen Niederlassung an einem Ort, der nach dem Willen des Erblassers dem ständigen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse dienen soll,1begründet.2 Dies gilt uneingeschränkt auch für Ordensangehörige. Kirchenrechtliche Besonderheiten, wie bspw. eine Wohnsitzfiktion für Ordensschwestern am Sitz des Mutterhauses, sind unbeachtlich.3 Bei dauernder Anstaltsunterbringung i.S.v. § 1906 BGB wird der Wohnsitz am Ort der Anstalt begründet.4 Der erforderliche Domizilwille setzt voraus, dass am Ort der Niederlassung der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse dauerhaft beibehalten werden soll.5 Indizien für den Willen zur dauerhaften Beibehaltung des Lebensmittelpunktes ergeben sich regelmäßig aus einer bereits fortgeschrittenen Dauer des tatsächlichen Aufenthaltes bzw. aus dem Bemühen, an dem Wohnort bessere Wohnbedingungen zu finden, bspw. an Stelle einer bisher gemeinsam mit Dritten genutzten Unterkunft eine eigene Wohnung zu beziehen.6 Grundsätzlich ist der unter Aufgabe der bisherigen Wohnung erfolgende Umzug in ein Hospiz als Sterbeort auf Dauer ausgerichtet.7 Entsprechendes gilt für den Einzug in ein Pflegewohnzentrum, wenn der Gesundheitszustand eine auf unbegrenzte Dauer angelegte medizinische und pflegerische Betreuung erfordert und keine Möglichkeit einer Veränderung ersichtlich ist.8 Der erforderliche Domizilwille fehlt jedoch, wenn die Niederlassung lediglich mit dem Ziel einer vorübergehenden Wohnungsnahme erfolgt. So begründet insbesondere ein Student am Universitätsort nur unter besonderen Umständen seinen Wohnsitz,9 da sich die für den Willen zu einem ständigen Aufenthalt maßgebende berufliche Entwicklung regelmäßig erst nach Abschluss des Studiums absehen lässt. Entsprechendes gilt für den regelmäßig nicht auf Dauer, sondern lediglich zur vorübergehenden medizinischen Versorgung ausgerichteten Krankenhausaufenthalt eines Patienten.10 Die polizeiliche Anmeldung am neuen Wohnort und Abmeldung am früheren Wohnort kann nur gemeinsam mit 1 2 3 4 5 6 7 8
9 10
BayObLG v. 14.2.1962 – IV ZR 192/61, BayObLGZ 1985, 158 (161). BVerwG v. 9.11.1967 – VIII C 141/67, NJW 1968, 1059. BayObLG v. 25.11.1960 – Allg. Reg. 71/60, BayObLGZ 1960, 455 (456). OLG Rostock v. 16.6.1915 – Az. ist n.v., OLGR 33, 19; OLG Oldenburg v. 1.3.1899 – Az. ist n.v., SeuffA 55 Nr. 64; MünchKomm.BGB/Schmitt, § 7 BGB Rz. 49. BVerwG v. 21.5.1985 – 1 C 52/82, NJW 1986, 674. BGH v. 30.11.1983 – IVb ARZ 50/83, MDR 1984, 473 = FamRZ 1984, 162 = NJW 1984, 971; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 23. OLG Düsseldorf v. 7.1.2002 – 3 Sa 3/01, FamRZ 2002, 1128 = Rpfleger 2002, 314; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 23. OLG Düsseldorf v. 27.8.2009 – I-3 Sa 1/09, FGPrax 2009, 271; OLG Düsseldorf v. 29.10.2012 – I-3 Sa 5/12, FamRZ 2013, 807 = FGPrax 2013, 27; Keidel/Zimmermann, § 343 FamFG Rz. 41. BVerfG v. 22.6.1990 – 2 BvR 116/90, NJW 1990, 2193 (2194); OLG Düsseldorf v. 6.11.1990 – 6 UF 195/90, FamRZ 1992, 103. OLG Düsseldorf v. 7.1.2002 – 3 Sa 3/01, FamRZ 2002, 1128 = Rpfleger 2002, 314; OLG Düsseldorf v. 29.10.2012 – I-3 Sa 5/12, FamRZ 2013, 807 = FGPrax 2013, 27; Keidel/Zimmermann, § 343 FamFG Rz. 41; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 24.
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A. Erbschaftsausschlagung
weiteren Faktoren einen Domizilwillen manifestieren.1 Ausreichend ist insoweit etwa bei Umzug in ein Frauenhaus, jedenfalls bei größerer Entfernung vom bisherigen Wohnort, ein dort unbefristet angelegter Aufenthalt,2 im Rahmen des Möglichen im Hinblick auf das Alter mitumziehender Kinder deren dortige Schulanmeldung,3 während eine kurzzeitige, bspw. auf drei Wochen beschränkte Befristung nicht genügt.4 Hierbei ist jeweils ohne Bedeutung, dass ein Frauenhaus üblicherweise nur dem vorübergehenden Aufenthalt dient, da bereits ein beabsichtigter anschließender Umzug in eine andere Unterkunft im gleichen Ort, bspw. eine Sozialwohnung, ausreicht.5 Nach § 7 Abs. 3 BGB wird der Wohnsitz analog zu seiner Begründung ku- 10 mulativ durch objektive tatsächliche Wohnsitzaufgabe und subjektiven Domizilaufgabewillen aufgehoben. Wird der bisherige Wohnsitz ohne Begründung eines neuen Wohnsitzes aufgehoben, entsteht ein Status der Wohnungslosigkeit.6 cc) Nicht voll Geschäftsfähige Der Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger wird entweder durch alleinige 11 Bestimmung des gesetzlichen Vertreters nach § 7 BGB oder durch eigene Handlung des nicht voll Geschäftsfähigen begründet bzw. aufgehoben,7 die dann jedoch nach § 8 Abs. 1 BGB grundsätzlich der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf, der dazu aber als Betreuer bzw. Vormund seinerseits hinsichtlich des gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises die Berechtigung zur Aufenthalts- bzw. Wohnungsbestimmung benötigt.8 Von diesem Erfordernis ist ein verheirateter oder verheiratet gewesener nicht geschäftsunfähiger Minderjähriger nach § 8 Abs. 2 BGB befreit, wenn dieser, der das 16. Lebensjahr vollendet haben und dessen künftiger Ehegatte volljährig sein muss, auf seinen Antrag durch das Familiengericht nach § 1303 Abs. 2 BGB von der Notwendigkeit der eigenen Volljährigkeit befreit worden ist,9 und dessen Wohnsitz der gesetzliche Vertreter dann weder begründen noch aufheben kann.10 Der Wohnsitz anderer nicht voll ge1 BayObLG v. 14.11.1988 – AR 1 Z 75/88, FamRZ 1989, 526 = NJW-RR 1989, 262 (263); OLG Düsseldorf v. 29.10.2012 – I-3 Sa 5/12, FamRZ 2013, 807 = FGPrax 2013, 27. 2 OLG Karlsruhe v. 10.2.1995 – 2 UF 290/94, FamRZ 1995, 1210 = NJW-RR 1995, 1220 bei Entfernung von 100 km; OLG Karlsruhe v. 7.5.2009 – 16 WF 61/09, MDR 2009, 931 = FamRZ 2009, 1768 = NJW-RR 2009, 1598. 3 OLG Nürnberg v. 8.9.1993 – 11 WF 1097/03, FamRZ 1994, 1104 (1105). 4 BGH v. 14.12.1994 – XII ARZ 33/94, FamRZ 1995, 728 = NJW 1995, 1224 (1225). 5 OLG Karlsruhe v. 10.2.1995 – 2 UF 290/94, FamRZ 1995, 1210 = NJW-RR 1995, 1220; OLG Nürnberg v. 8.9.1993 – 11 WF 1097/03, FamRZ 1994, 1104 (1105); Prütting/ Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 25. 6 MünchKomm.BGB/Schmitt, § 9 BGB Rz. 44. 7 MünchKomm.BGB/Schmitt, § 8 BGB Rz. 1; Staudinger/Weick, § 8 BGB Rz. 1. 8 BayObLG v. 12.5.1992 – 1Z AR 22/92, FamRZ 1992, 1222 = NJW-RR 1993, 460 (461); OLG Düsseldorf v. 29.10.2012 – I-3 Sa 5/12, FamRZ 2013, 807 = FGPrax 2013, 27. 9 MünchKomm.BGB/Schmitt, § 8 BGB Rz. 11; Staudinger/Weick, § 8 BGB Rz. 5. 10 MünchKomm.BGB/Schmitt, § 8 BGB Rz. 11.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
schäftsfähiger, mithin auch niemals verheiratet gewesener minderjähriger Kinder richtet sich gem. § 11 BGB nach dem Wohnsitz ihres Personensorgeberechtigten, mithin regelmäßig der Eltern, hilfsweise eines Vormunds bzw. Pflegers, soweit nicht nach § 7 i.V.m. § 8 Abs. 1 BGB ein anderer Wohnsitz begründet wird. 12 Ein Betreuter bedarf nur dann einer Zustimmung nach § 8 Abs. 1 BGB,
wenn er geschäftsunfähig ist oder einem Einwilligungsvorbehalt iSd. § 1903 BGB untersteht, und bestimmt im Übrigen seinen Wohnsitz allein, wobei dann der Betreuer seinerseits bei entsprechend bestimmtem Aufgabenkreis kraft eigener Vertretungsmacht aus § 1902 BGB den Wohnsitz des Betreuten nach § 7 BGB bestimmen kann. Soweit § 8 Abs. 1 BGB einschlägig ist, muss über dessen Wortlaut hinaus anstelle der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Willensausübung durch denjenigen genügen, der durch den Geschäftsunfähigen bzw. beschränkt Geschäftsfähigen, als dieser noch geschäftsfähig war, rechtsgeschäftlich bevollmächtigt worden ist. Dies ergibt sich aus einem Erst-Recht-Schluss zu § 1906 Abs. 5 BGB, nach dem eine Vollmacht einer gesetzlichen Vertretung sogar bei freiheitsentziehender Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt gleichsteht. Ist das Vorhandensein der Geschäftsfähigkeit ungewiss, wird sie insoweit unterstellt.1 13 Gem. § 11 BGB ist für ein minderjähriges Kind kraft Gesetzes der Wohnsitz
seines Personensorgeberechtigten gesetzlicher Wohnsitz. Sind beide Elternteile personensorgeberechtigt – dies ist bei verheirateten Eltern regelmäßig nach § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. § 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB, bei nicht verheirateten Eltern lediglich ausnahmsweise aufgrund einer Sorgeerklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB bzw. nach einer gerichtlichen Sorgerechtsübertragung iSv. § 1672 Abs. 2 BGB der Fall –, begründen sie mit ihrem gemeinsamen Wohnsitz zugleich den gesetzlichen Wohnsitz ihres minderjährigen Kindes. Haben gemeinsam personensorgeberechtigte Eltern unterschiedliche Wohnsitze, erhält das Kind – auch wenn es nach der Begründung getrennter Wohnsitze geboren ist2 – bis zu einer eventuellen gerichtlichen Sorgerechtsübertragung i.S.v. § 1671 BGB einen entsprechenden gesetzlichen Doppelwohnsitz.3 Es ist jedoch auch dann von einem gemeinsamen Wohnsitz der Eltern auszugehen, wenn ein davon abweichender Aufenthalt eines Elternteils im Ausland ohne dauerhafte Trennung der Eltern lediglich zwecks Verhinderung der Schulpflicht erfolgt.4 Die Eltern können dann jedoch gemeinschaftlich nach § 7 i.V.m. § 8 BGB einen davon abweichenden alleinigen Wohnsitz am Wohnort eines von ihnen5 bzw. ne-
1 BayObLG v. 24.8.1989 – AR 1 Z 90/89, FamRZ 1990, 301 = Rpfleger 1990, 73 (Wohnsitzaufhebung); Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 26. 2 KG v. 16.4.1964 – 2 W 564/64, NJW 1964, 1577 (1578). 3 BGH v. 30.11.1983 – IVb ARZ 50/83, MDR 1984, 473 = FamRZ 1984, 162 = NJW 1984, 971; OLG Brandenburg v. 21.3.2003 – 9 AR 9/02, FamRZ 2003, 1559 = FGPrax 2003, 129; OLG Karlsruhe v. 7.5.2009 – 16 WF 61/09, NJW-RR 2009, 1598. 4 VG Aachen v. 15.4.2011 – 9 K 1917/10, n.v. (vorübergehender Aufenthalt in Belgien). 5 BGH v. 3.11.1993 – XII ARZ 27/93, NJW-RR 1994, 322.
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A. Erbschaftsausschlagung
ben oder zusätzlich zu dem bisherigen einen neuen Wohnsitz, bspw. in einer Pflegefamilie,1 begründen. Ist – nach § 1626a Abs. 3 BGB (nicht verheiratete Mutter ohne Sorgeerklä- 14 rung und ohne gemeinsame Sorgerechtsübertragung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB), § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB (alleinige Ausübung der elterlichen Sorge bzw. iVm. § 1628 BGB nach gerichtlicher Entscheidungsübertragung), § 1666 BGB (Entziehung des Sorgerechts), §§ 1671, 1672 BGB (Übertragung des Sorgerechts) bzw. §§ 1680, 1681 BGB (Tod bzw. Todeserklärung eines Elternteils; Entziehung des Sorgerechts) – nur ein Elternteil personensorgeberechtigt, wird nach § 11 Satz 1 Halbs. 2 BGB allein dessen Wohn- bzw. Doppelwohnsitz gesetzlicher Wohnsitz des Kindes. Der alleinsorgeberechtigte Elternteil kann nach § 7 i.V.m. § 8 BGB neben oder zusätzlich zu dem bisherigen einen neuen Wohnsitz wählen, bspw. am Ort des durch das Kind ständig besuchten Internats.2 Steht das Personensorgerecht – nach § 1773 BGB (Vormund) bzw. nach § 1909 BGB (Pfleger) – einem Dritten zu, ist nach § 11 S. 2 BGB dessen Wohnsitz in diesem Sinne maßgebend. Wird der den gesetzlichen Wohnsitz begründende Vertreter des minderjäh- 15 rigen Kindes wohnsitzlos, ist auch das Kind wohnsitzlos,3 wenn nicht daneben nach § 7 i.V.m. § 8 BGB ein gewählter Doppelwohnsitz besteht, der nunmehr zum alleinigen Wohnsitz wird. Nach § 11 Satz 3 BGB verliert ein minderjähriges Kind seinen gesetzlichen Wohnsitz, soweit nicht ein anderer gesetzlicher Wohnsitz begründet wird, erst durch gewählte Aufhebung i.S.d. § 7 Abs. 3 BGB, die während der Minderjährigkeit durch den gesetzlichen Vertreter nach § 8 BGB bzw. nach Erreichen der Volljährigkeit durch das Kind selbst, dessen Bevollmächtigten oder den gesetzlichen Vertreter nach § 8 BGB ausgeübt wird. Insbesondere hebt die Anmeldung eines Kindes durch seine Eltern zu einem mehrjährigen auswärtigen Internatsaufenthalt dessen abgeleiteten Wohnsitz aus § 11 S. 1 BGB nicht auf.4 Entsprechendes gilt für einen auswärtigen Aufenthalt des minderjährigen Kindes bis zum dortigen Ausbildungsabschluss.5 Wird das minderjährige Kind volljährig, verwandelt sich der gesetzliche in einen gewählten Wohnsitz und besteht bis zu dessen Aufgabe fort.6 Nach § 7 Abs. 2 BGB kann der gewählte Wohnsitz gleichzeitig an mehre- 16 ren Orten bestehen. Dies setzt voraus, dass der jeweilige Wohnort beim je1 OLG Köln v. 30.10.1995 – 16 Wx 186/95, FamRZ 1996, 859 (860); OLG Brandenburg v. 18.12.2008 – 9 UF 64/08, FamRZ 2009, 1499; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 42. 2 BayObLG v. 14.11.1988 – AR 1 Z 75/88, FamRZ 1989, 526 = NJW-RR 1989, 262 (263). 3 Erman/Westermann, § 11 BGB Rz. 2; MünchKomm.BGB/Schmitt, § 11 BGB Rz. 13; Palandt/Ellenberger, § 11 BGB Rz. 6; a.A. Staudinger/Weick, § 11 BGB Rz. 12. 4 BayObLG v. 14.11.1988 – AR 1 Z 75/88, FamRZ 1989, 526 = NJW-RR 1989, 262 (263); Staudinger/Weick, § 11 BGB Rz. 11. 5 OVG Saarbrücken v. 29.10.2012 – 3 A 238/12, n.v. 6 MünchKomm.BGB/Schmitt, § 11 BGB Rz. 11; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 46.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
weiligen Aufenthaltswechsel Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ist.1 Eine bloße Ausrichtung auf längere Besuche ist nicht ausreichend.2 Ein Doppelwohnsitz kann zudem insbesondere aus gesetzlichem Wohnsitz für das minderjährige Kind bei Trennung seiner gemeinsam personensorgeberechtigten Eltern seinerseits als gesetzlicher Wohnsitz oder durch Wahl eines zusätzlichen gewillkürten Wohnsitzes begründet werden. Trotz Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot eines Wohnsitzwechsels wird der neue Wohnsitz gleichwohl begründet. Zugleich bleibt jedoch der bisherige Wohnsitz als Doppelwohnsitz bestehen.3 Derartige gesetzliche Verbote sind ihrerseits nur dann wirksam, wenn sie mit höherrangigem Recht, insbesondere dem europarechtlichen Anspruch auf Freizügigkeit nach Art. 8a EGV und dem Grundrecht auf freie Wahl des Wohnsitzes nach Art. 11 Abs. 1 GG vereinbar sind.4 c) Versicherung zuständigkeitsbegründender Umstände 17 In einer mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung versehenen Erbaus-
schlagung, die eine Einreichung am örtlichen Wohnsitznachlassgericht vorsieht, bzw. in einem gerichtlichen Ausschlagungsprotokoll sollte insoweit neben den Angaben zum eigenen Wohnsitz eine ausdrückliche Versicherung des Ausschlagenden bezüglich der notwendigen Anknüpfungspunkte zur Begründung der örtlichen allgemeinen Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts als Empfängergericht iSd. § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG bzw. zur Bestimmung des maßgebenden Sachrechts mit Belehrungshinweisen enthalten (vgl. dazu M 257).5 d) Entgegennahme trotz örtlicher Unzuständigkeit 18 Wird eine Ausschlagungs- bzw. Anfechtungserklärung von einem örtlich
unzuständigen Gericht entgegengenommen, gilt sie jedoch regelmäßig gleichwohl analog § 2 Abs. 3 FamFG als wirksam und fristgerecht beim zuständigen Gericht eingegangen,6 es sei denn, das Gericht gibt die erst dadurch unwirksam werdende Erklärung wegen Unzuständigkeit an den Erklärenden zurück.7 Entsprechendes gilt analog § 2 Abs. 3 FamFG, wenn die Entgegennahme durch ein international unzuständiges Gericht erfolgt.8 Trotz des unvollständigen Hinweises auf die Tatbestände der §§ 1945 1 2 3 4 5 6 7 8
PreußOVG v. 8.2.1916 – Az. ist n.v., OLGR 35, 26. BVerwG v. 21.5.1985 – 1 C 52/82, NJW 1986, 674. Palandt/Ellenberger, § 7 BGB Rz. 9. MünchKomm.BGB/Schmitt, § 7 BGB Rz. 33; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 49. Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 77. BayObLG v. 22.12.1997 – 1 Z BR 138/97, MittBayNot 1998, 192 (193); Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 288; Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 81. Palandt/Edenhofer, 68. Aufl., § 1945 BGB Rz. 7 zu § 7 FGG; Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 289. BayObLG v. 11.3.1994 – 1 Z BR 109/93, NJW-RR 1994, 505 (507); Prütting/Helms/ Fröhler, § 344 FamFG Rz. 82.
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A. Erbschaftsausschlagung
Abs. 1, 1955 BGB ist das Wohnsitzgericht insbesondere aufgrund des Gesetzeszweckes und der Entstehungsgeschichte dieser Norm nach § 105 FamFG auch international zuständig, wenn das allgemeine international zuständige Nachlassgericht als Übersendungsempfänger iSd. § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG ein deutsches Gericht ist.1 e) EuErbVO und deren nationale Umsetzung Nach Art. 13 der am 16.8.2012 in Kraft getretenen EuErbVO2 sind gemäß 19 Art. 83 Abs. 1 EuErbVO beschränkt auf den Tod am 17.8.2015 oder danach verstorbener Personen neben den für die Rechtsnachfolge von Todes wegen (allgemein) zuständigen Gerichten die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats, in dem ein Erbe bzw. Vermächtnisnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, für die Entgegennahme von dessen nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht möglichen Erklärungen über die Annahme- bzw. Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses international zuständig, wenn diese Erklärungen nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vor einem Gericht abgegeben werden können. Zur diesbezüglich von der Bundesregierung geplanten Regelung der örtlichen Zuständigkeit nach § 31 IntErbRVG-E, die voraussetzt, dass vor einem deutschen Nachlassgericht ausgeschlagen bzw. angenommen wird, obschon ein ausländisches Nachlassgericht für das eigentliche Nachlassverfahren international zuständig ist, und zur davon streng abzugrenzenden Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 344 Abs. 7 FamFG bei örtlicher Zuständigkeit eines anderen deutschen Nachlassgerichts für das eigentliche Nachlassverfahren3 s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 86 bzw. Rz. 91; zur geplanten Änderung (gewöhnlicher Aufenthalt des Ausschlagenden statt dessen Wohnsitz als maßgebendes örtliches Zuständigkeitskriterium) und Klarstellung des § 344 Abs. 7 FamFG s. nachfolgend 9. Kap. Rz. 91. Nach Art. 28 EuErbVO ist für die Formwirksamkeit die Einhaltung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach Art. 21 oder Art. 22 EuErbVO anzuwendenden Rechts oder des Rechts des Staates (somit nicht zwingend eines Mitgliedstaats) maßgeblich, in dem der Erklärende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Erwägungsgrund 23 der EuErbVO ist der gewöhnliche Aufenthalt durch „eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes“ zu bestimmen, wobei „insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthaltes des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe, die eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen sollte, zu berücksichtigen sind.4 Nach Erwägungsgrund 24 kann „in familiärer und sozialer Hinsicht“ der gewöhn1 Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 75 bis 78 mwN; Keidel/Zimmermann, § 344 FamFG Rz. 47; aA Heinemann, ZErb 2008, 293 (299). 2 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4.7.2012, ABl. EU 2012, Nr. L 201, S. 107. 3 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 31 IntErbRVG-E, BR-Drucks. 644/14, S. 52; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (48 f.). 4 Verordnung (EU) Nr. 650/2012, ABl. EU 2012, Nr. L 201, S. 107 (109).
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
liche Aufenthalt ggf. auch im Herkunftsstaat liegen, wenn sich der Erblasser unter Aufrechterhaltung seiner dortigen engen und festen Bindung „aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten“ bzw. wenn er „abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen“, der Herkunftsstaat oder der Ort, an dem sich Vermögensgegenstände des Erblassers befinden, dessen gewöhnlicher Aufenthalt sein.1 8. Ausschlagungsfrist 20 Nach § 1944 Abs. 1 BGB beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Wochen,
dann, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält, jedoch sechs Monate. Hinsichtlich des Beginns der Ausschlagungsfrist ist zu differenzieren: Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist gem. § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vor der nach § 348 Abs. 2 FamFG mündlich gegenüber dem im Eröffnungstermin anwesenden Erben bzw. nach § 348 Abs. 3 FamFG schriftlich erfolgenden Bekanntgabe der Verfügung, bei erst späterer Kenntniserlangung (bspw. durch verloren gegangene Post) ist dieser spätere Zeitpunkt maßgebend, während eine frühere Kenntnis nicht schadet.2 21 Im Fall der Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen in Abwesenheit
von Beteiligten setzt der Fristbeginn jedoch die Bekanntgabe an den betroffenen Erben als Beteiligten voraus.3 Daher verkörpert ein nachlassgerichtliches Schreiben an einen Nacherben als gesetzlichen Vertreter des Nach-Nacherben keine diesbezügliche Bekanntgabe gegenüber dem Nacherben.4 22 Bei gesetzlicher Erbfolge – auch bei Vorliegen einer Verfügung von Todes
wegen, die den gesetzlichen Erben lediglich beschränkt bzw. beschwert, nicht jedoch bei einer solchen, die eine gewillkürte Erbeinsetzung entsprechend der gesetzlichen Erbfolge vorsieht – beginnt die Ausschlagungsfrist bereits mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Hierzu ist Kenntnis der das Erbrecht begründenden Familienverhältnisse und des Nichtvorhandenseins einer die gesetzliche Erbfolge ausschließenden Verfügung erforderlich. Die Ausschlagungsfrist beginnt daher beispielsweise dann nicht zu laufen, wenn der Erbe irrtümlich annimmt, auf Grund eines Testamentes berufen zu sein, obschon er tatsächlich gesetzlicher Erbe ist. Dabei steht selbst grob fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis nicht gleich. 23 Vor Ablauf der Ausschlagungsfrist verliert der Erbe sein Ausschlagungs-
recht dann, wenn er durch ausdrückliche Erklärung oder durch sein Ver1 2 3 4
Verordnung (EU) Nr. 650/2012, ABl. EU 2012, Nr. L 201, S. 107 (109). Palandt/Weidlich, § 1944 BGB Rz. 4. BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, NJW 1991, 169 (170). OLG München v. 2.12.2010 – 31 Wx 67/10, ZEV 2011, 318 (319).
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A. Erbschaftsausschlagung
halten konkludent zu erkennen gibt, dass er die Erbschaft behalten will und sie somit gem. § 1943 BGB angenommen hat. In den Fällen des § 2306 Abs. 1 BGB beginnt die Ausschlagungsfrist, die über den Wortlaut („Erbteil“) hinaus auch für den Alleinerben gilt,1 erst, wenn der Erbe Kenntnis von den Belastungen hat und zusätzlich die allgemeinen Voraussetzungen nach § 1944 BGB vorliegen.2 § 2306 Abs. 1 BGB ist neben § 1371 Abs. 3 BGB die einzige Regelung, die dem Ausschlagenden ein Pflichtteilsrecht eröffnet.
M 257
Ausschlagung einer Erbschaft mittels notarieller Unterschriftsbeglaubigung
An das Amtsgericht – Nachlassgericht – . . . (Ort) Nachlass des/der . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), verstorben am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort), geb. am . . . (Geburtsdatum), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzte Wohnanschrift) Ihr Zeichen: . . . (Aktenzeichen) Am . . . (Sterbedatum) ist . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) in . . . (Sterbeort) verstorben. Er/Sie war zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzter Wohnsitz). Ob er eine Verfgung von Todes wegen hinterlassen hat, ist mir nicht bekannt. Ich komme als sein/ihr . . . (Verwandtschaftsverhltnis)/nach zwischenzeitlicher Erbausschlagung vorrangig berufener Erben/als gesetzlicher Erbe in Betracht. Der Nachlass ist berschuldet. Ich schlage die Erbschaft nach . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne Bedingung aus. Von dem Anfall und dem Grunde der Berufung habe ich erst durch Schreiben des Amtsgerichts/Notariats – Nachlassgericht – . . . (Ort) vom . . . (Datum des Schreibens) Kenntnis erlangt. Ich habe und erwarte derzeit keine Abkçmmlinge. Ich versichere hiermit, unter meiner Anschrift . . . (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Ort) den rumlichen Schwerpunkt als Mittelpunkt meiner gesamten Lebensverhltnisse mit dem Willen dauerhafter Beibehaltung und damit meinen Wohnsitz iSv. § 344 Abs. 7 FamFG iVm. §§ 7 ff. BGB zu haben. ber die diesbezglichen Voraussetzungen wurde aufgeklrt. Ich versichert zudem, dass der Erblasser die . . . (Nationalitt des Erblassers) Staatsangehçrigkeit hatte, zum Zeitpunkt seines Todes am . . . (Sterbedatum) 1 OLG Hamm v. 20.9.2005 – 15 W 188/05, ZEV 2006, 168 (170); OLG Karlsruhe v. 10.10.2007 – 7 U 114/07, ZEV 2008, 39 f. = NJW-RR 2008, 316 f. = MittBayNot 2008, 137; Erman/Röthel, § 2306 BGB Rz. 3. 2 BayObLG v. 29.10.1997 – IZ BR 62/97, FamRZ 1998, 642 (643).
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
in . . . (Wohnort) den rumlichen Schwerpunkt als Mittelpunkt seiner gesamten Lebensverhltnisse mit dem Willen dauerhafter Beibehaltung und damit seinen Wohnsitz iSd. §§ 7 ff. BGB hatte, in . . . (Sterbeort) verstorben ist und sich im Inland in . . . (Belegenheitsort) derzeit noch . . . (Benennung von Nachlassgegenstnden) des Erblassers befinden. Im Ausland befinden sich an folgenden Orten folgende Nachlassgegenstnde: in . . . (auslndischer Belegenheitsort): . . . (Benennung von Nachlassgegenstnden) und in . . . (auslndischer Belegenheitsort): . . . (Benennung von Nachlassgegenstnden). ber die Voraussetzungen eines Wohnsitzes in diesem Sinne wurde aufgeklrt. Ich weiß, dass die internationale Zustndigkeit des hiesigen Wohnsitzgerichts die internationale Zustndigkeit des deutschen Empfngergerichts nach § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG als allgemein zustndiges deutsches Nachlassgericht im Zeitpunkt des dortigen Eingangs dieser Erklrung voraussetzt. Dies ist dann der Fall, wenn der Erblasser im Bezirk des Empfngergerichts verstorben ist, dort im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz hatte oder bei Eingang dieser Erklrung dort mindestens ein Nachlassgegenstand belegen sein wird. ber die Bedeutung der heutigen Ausschlagungserklrung bin ich eingehend informiert. Mir ist bekannt, dass diese Erklrung von mir unverzglich in Urschrift an das zustndige Nachlassgericht zu bersenden oder bei dem fr meinen Wohnsitz zustndigen Wohnsitznachlassgericht abzugeben ist und der dortige rechtzeitige Eingang der Unterlagen von mir berprft werden sollte1. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschrift) (Unterschriftsbeglaubigung) ...
24 Für Nacherben läuft die Ausschlagungsfrist erst bei Kenntnis des Eintritts
der Nacherbfolge und des Berufungsgrundes. Dazu ist die bloße Kenntniserlangung vom Testamentsinhalt im Erbscheinsverfahren des Vorerben nicht ausreichend.2 Ein Nacherbe kann jedoch gem. § 2142 BGB die Nacherbschaft bereits nach Eintritt des Erbfalls ausschlagen. Schlägt einer von mehreren Vorerben die Erbschaft aus und verlangt den Pflichtteil, dann kann dessen als Nacherbe letztwillig eingesetztes Kind gem. § 2102 Abs. 1 BGB Ersatzerbe sein, soweit nicht ein anderer Erblasserwille – so bspw. bei diesbezüglicher Bevorzugung des betroffenen Stamms – festgestellt wird.3
1 Das Muster sieht zur Vermeidung von Haftungsrisiken und Überwachungspflichten des Notars eine eigenverantwortliche Übermittlung durch den Ausschlagenden vor, die, um einen Nachweis über den Eingangszeitpunkt zu erhalten, mit fristwahrender Wirkung entweder durch postalische Übersendung per Einschreiben gegen Rückschein an das allgemein zuständige Nachlassgericht oder durch unmittelbare Abgabe vor Ort beim Wohnsitznachlassgericht iSd. § 344 Abs. 7 FamFG gegen Eingangsbestätigung (s. Rz. 7) erfolgen sollte. 2 OLG München v. 2.12.2010 – 31 Wx 67/10, ZEV 2011, 318 (319). 3 OLG München v. 26.10.2011 – 31 Wx 30/11, FGPrax 2012, 24 (25).
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A. Erbschaftsausschlagung
9. Nasciturus Gegenüber einer gezeugten Leibesfrucht (nasciturus) kann die Ausschla- 25 gungsfrist nicht vor der Lebendgeburt beginnen.1 Gleichwohl ist eine Ausschlagung gem. § 1946 BGB bereits vor Fristbeginn möglich.2 Um hinsichtlich der Wirksamkeit der Ausschlagungserklärung für den 26 nasciturus jegliches Risiko zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Ausschlagung sowohl fristgerecht vor als auch zusätzlich sechs Wochen nach der Geburt – somit doppelt – zu erklären. Weiter sollte der Gestalter einer Erbausschlagung im Rahmen der Angaben des Ausschlagenden über nachrückende Kinder eine Erklärung dazu vorsehen, ob die Geburt eines Kindes erwartet wird, und bejahendenfalls einen Belehrungsvermerk über die Empfehlung einer Doppelausschlagung aufnehmen.3 10. Keine isolierte Wirksamkeitsfeststellung Soweit keine Feststellung des Fiskuserbrechts iSd. § 1964 BGB erfolgt, ist 27 das Nachlassgericht selbst unter Geltung landesrechtlicher Erbenermittlungspflichten grundsätzlich nicht befugt, förmlich feststellend über die Wirksamkeit einer Erbausschlagung außerhalb eines Erbscheinsverfahrens zu entscheiden.4
II. Gesetzliche Vertretung 1. Grad der Geschäftsfähigkeit Für eine Ausschlagungserklärung gelten die allgemeinen Regeln über die 28 Geschäftsfähigkeit. Danach kann ein beschränkt geschäftsfähiger Erbe gem. §§ 107, 111 BGB entweder vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter oder selbst mit Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters die Erbschaft ausschlagen,5 während eine Erbausschlagung für den geschäftsunfähigen Erben ausschließlich durch dessen gesetzlichen Vertreter möglich ist.
1 MünchKomm.BGB/Leipold, § 1923 BGB Rz. 21. 2 OLG Oldenburg v. 26.1.1994 – 5 W 9/94, NJW-RR 1994, 651 = MittBayNot 1994, 449 f.; OLG Stuttgart v. 5.11.1992 – 8 W 484/12, NJW 1993, 2250 f. = Rpfleger 1993, 157; LG Osnabrück v. 15.2.1993 – 2 T 5/93, Rpfleger 1993, 342; Erman/J. Schmidt, § 1946 BGB Rz. 2; MünchKomm.BGB/Leipold, § 1923 BGB Rz. 21; Staudinger/Otte, § 1946 BGB Rz. 5; Linde, BWNotZ 1988, 54 (56); aA LG Berlin v. 15.5.1990 – 83 T 121/90, Rpfleger 1990, 362 f.; AG Recklinghausen v. 14.1.1987 – 9 VI 523/86, Rpfleger 1988, 106 f. 3 Linde, BWNotZ 1988, 54 (57). 4 OLG München v. 25.2.2010 – 31 Wx 20/10, NJW-RR 2010, 1663 f. = MittBayNot 2010, 486 f.; BayObLG v. 25.6.1985 – BReg 1 Z 14/85, FamRZ 1985, 1290 ff. = Rpfleger 1985, 363 f.; MünchKomm.BGB/Leipold, § 1945 BGB Rz. 22; Palandt/Weidlich, § 1945 BGB Rz. 7; aA Kroiß, MittBayNot 2010, 487 f. 5 MünchKomm.BGB/Leipold, § 1945 BGB Rz. 12.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
2. Fristbeginn 29 Ergänzend zu den allgemeinen Grundsätzen beginnt die Ausschlagungs-
frist nach § 1944 BGB bei minderjährigen Kindern erst mit demjenigen Zeitpunkt, in dem der letzte von mehreren gemeinsam Vertretungsberechtigten erstmals Kenntnis von dem Anfall und dem Grunde der Berufung erlangt.1 3. Gerichtlicher Genehmigungsbedarf a) Eltern aa) Vertretungsberechtigung 30 Gem. § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB vertreten grundsätzlich beide El-
tern ihr Kind aufgrund elterlicher Sorge gemeinschaftlich. Davon abweichend vertritt jedoch nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB ausnahmsweise ein Elternteil allein, soweit er die elterliche Sorge alleine ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist. Sind die Eltern bei Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, vertritt die Mutter das Kind gem. § 1626a Abs. 3 BGB grundsätzlich alleine, soweit beide Elternteile keine Sorgeerklärung iSd. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben haben, sie einander nicht geheiratet haben und das Familiengericht ihnen die elterliche Sorge nicht gemäß der zum 19.5.2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB iVm. Abs. 22 auf Antrag eines Elternteils gemeinsam übertragen hat.3 Nach § 1673 Abs. 2 Halbs. 2 BGB sind minderjährige Eltern nicht vertretungsberechtigt. bb) Vaterschaftsanfechtung 31 Ist bei einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind verheirateter El-
tern die Vaterschaft des Ehemanns angefochten, gilt der Ehemann nach § 1600c Abs. 1 iVm. § 1592 Nr. 1 BGB während des Anfechtungsverfahrens gleichwohl als Vater. Daher sollte dieser neben der Mutter fürsorglich die Erbschaft für das Kind unter ausdrücklichem Hinweis auf die Aufrechterhaltung seiner Vaterschaftsanfechtung ausschlagen. Wird anschließend rechtskräftig gerichtlich festgestellt, dass der Ehemann nicht der Vater ist, sollte die Mutter sicherheitshalber nochmals aufgrund ihres dann alleinigen Sorgerechts bzw. im Falle einer förmlichen Sorgeerklärung zu1 OLG Frankfurt v. 3.7.2012 – 21 W 22/12, ZEV 2013, 196 ff. = RNotZ 2012, 579; LG Freiburg v. 15.8.1991 – 4 T 61/91, BWNotZ 1993, 44; AnwK-BGB/Ivo, § 1944 Rz. 11; Beck-OGK/Siegmann/Höger, § 1944 BGB Rz. 12; JurisPK-BGB/Weidmann, § 1944 BGB Rz. 9; Palandt/Weidlich, § 1944 BGB Rz. 6; Lange, Erbrecht Rz. § 38 Rz. 27; Kölmel, MittBayNot 2013, 153 ff.; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 17 (18); aA MünchKomm.BGB/Leipold, § 1944 BGB Rz. 14; Muscheler, Erbrecht Band II, 2010, Rz. 2965. 2 § 1626a BGB neu gefasst und § 1672 BGB aufgehoben mit Wirkung vom 19.5.2013 durch Gesetz vom 16.4.2013, BGBl. 2013 I, S. 795. 3 Fröhler, BWNotZ 2013, 88.
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A. Erbschaftsausschlagung
sätzlich mit dem leiblichen Vater die Erbschaft unverzüglich förmlich ausschlagen. cc) Volljährigkeitseintritt nach Ausschlagungsabgabe Wird ein gesetzlich vertretenes minderjähriges Kind zwischen Abgabe und 32 Zugang der Erbausschlagungserklärung beim Nachlassgericht volljährig, ist diese Erklärung der Eltern analog § 130 Abs. 2 BGB gleichwohl ausreichend, wenn im Übrigen alle weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen eingetreten sind, insbesondere dort die bereits vorab erteilte rechtskräftig gewordene familiengerichtliche Genehmigung vorliegt.1 Ist die Erbausschlagung zum Zeitpunkt ihres Eingangs beim Nachlassgericht nach zwischenzeitlichem Eintritt der Volljährigkeit des vertretenen Kindes während des Laufs der Ausschlagungsfrist jedoch – insbesondere mangels rechtswirksamer Erteilung einer erforderlichen familiengerichtlichen Genehmigung – noch nicht rechtswirksam geworden, geht die Genehmigungsbefugnis vom Familiengericht auf das nun volljährige Kind über, das die Erbausschlagung sodann noch selbst gegenüber dem Nachlassgericht genehmigen muss.2 Insoweit ist eine form- und fristgerechte Genehmigungserklärung erforderlich. Entsprechend § 1945 Abs. 3 Satz 1 BGB bedarf die Genehmigung wie eine Vollmacht der öffentlichen Beglaubigung iSd. § 129 BGB. Analog § 1945 Abs. 3 Satz 2 BGB muss die Genehmigung zudem innerhalb der Ausschlagungsfrist beim Nachlassgericht eingehen,3 deren Ablauf während eines zunächst eingeleiteten familiengerichtlichen Genehmigungsverfahrens (s. dazu Rz. 35) und nach dem Rechtsgedanken des § 1944 Abs. 2 BGB bis zu dem Zeitpunkt gehemmt ist, in dem das volljährig gewordene Kind von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Wird das Kind während des Laufs der Ausschlagungsfrist, nachdem erst ein von zwei nur gemeinsam vertretungsberechtigten Elternteilen für das Kind ausgeschlagen hat, volljährig, muss und kann ausschließlich das nun volljährige Kind fristgerecht selbst ausschlagen. dd) Ausschluss von Nachlassverwaltung Die Eltern sind auch dann als gesetzliche Vertreter zur Erbausschlagung 33 für ihre minderjährigen Kinder vertretungsberechtigt, wenn der Erblasser die Eltern dieser durch ihn bedachten Kinder nach § 1638 BGB letztwillig von der Verwaltung des Nachlasses ausgeschlossen hat.4
1 OLG Karlsruhe v. 22.7.1965 – 5 W 134/64, OLGZ 1965, 260 (261 ff.); Fröhler, BWNotZ 2012, 160 (166); Fröhler, BWNotZ 2013, 88; MünchKomm.BGB/Leipold, § 1945 BGB Rz. 19. 2 OLG Hamm v. 13.12.2013 – I-15 W 374/13, ZEV 2014, 248 f. = MittBayNot 2014, 350 (351). 3 Ähnlich MünchKomm.BGB/Leipold, § 1945 BGB Rz. 17. 4 OLG Karlsruhe v. 22.7.1965 – 5 W 134/64, OLGZ 1965, 260 (261); MünchKomm.BGB/ Leipold, § 1945 BGB Rz. 19.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
ee) Hoheitliche Überwachung 34 Unterlassen Eltern bei überschuldetem Nachlass die Ausschlagung der
Erbschaft für ihr minderjähriges Kind aufgrund irrtümlicher Erwartung, das Jugendamt sei insoweit ausschließlich vertretungsberechtigt, ist hoheitliches Eingreifen bspw. durch Entzug der elterlichen Sorge unzulässig, wenn zu erwarten ist, dass die Eltern durch unterstützende Aufklärung die Ausschlagung selbst erklären und daher das Kindesvermögen nicht gefährdet ist.1 ff) Genehmigungserfordernis, Ausnahme und Gegenausnahme 35 Die Ausschlagungserklärung der Eltern bzw. des alleine sorge- und damit
vertretungsberechtigten Elternteils bedarf zu ihrer Wirksamkeit gem. § 1643 Abs. 2 Satz 1 iVm. Abs. 1 BGB grundsätzlich der Genehmigung des Familiengerichts. Mangels entsprechenden Verweises durch § 1643 Abs. 1 BGB folgt dies jedoch nicht bereits aus der vormundschaftsrechtlichen Regelung des § 1822 Nr. 2 BGB, die über § § 1915 Abs. 1 BGB. Die Notwendigkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung besteht jedoch nur dann, wenn kein Ausnahmetatbestand iSd. § 1643 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB eröffnet oder stattdessen eine Gegenausnahme nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BGB einschlägig ist. Eine familiengerichtliche Genehmigung ist dabei nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich, wenn das Kind ausschließlich dadurch Erbe geworden ist, dass der allein oder mitvertretende Elternteil seinerseits zuvor die Erbschaft mit Wirkung nach § 1953 Abs. 2 BGB ausgeschlagen hat, ohne neben dem Kind berufen gewesen zu sein. Ein Elternteil ist jedoch nicht dadurch iSd. § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB neben seinem Kind berufen, dass er letztwillig als Vorerbe und das Kind als Nacherbe eingesetzt ist, da das Kind ähnlich einem Ersatzerben dadurch lediglich nach und nicht neben dem Elternteil als Erbe vorgesehen wird.2 gg) Anfall durch Erbausschlagung eines nicht vertretungsberechtigten Elternteils 36 Bspw. bedarf die mangels Sorgeerklärung oder familiengerichtlicher ge-
meinsamer Übertragung der elterlichen Sorge alleinsorgeberechtige Mutter eines minderjährigen nichtehelichen Kindes bezüglich der von ihr für das Kind erklärten Ausschlagung nach dessen Großeltern väterlicherseits dann nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB mangels Ausnahmetatbestands iSd. § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB der familiengerichtlichen Genehmigung, wenn diesem Kind die Erbschaft aufgrund der Ausschlagung des nichtsorgebe1 OLG Brandenburg v. 11.4.2014 – 13 UF 48/14, FamRB 2014, 291 (292) mit Beraterhinweis von Stößer. 2 OLG Frankfurt v. 13.4.2011 – 20 W 374/09, ZEV 2011, 597 (599); Ivo, ZEV 2002, 310; Mensch, BWNotZ 2013, 144; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 17 (18); a.A. Sagmeister, ZEV 2012, 121 (122), der insoweit das Nacherbenanwartschaftsrecht genügen lässt.
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A. Erbschaftsausschlagung
rechtigten Vaters angefallen ist.1 Darüber hinaus besteht ein Genehmigungserfordernis mangels gesetzlich vermuteten generell-abstrakten Interessengleichlaufs auch dann, wenn die ein gemeinsames Sorgerecht begründende Sorgeerklärung bzw. familiengerichtliche Sorgerechtsübertragung zwar vor der gemeinsamen elterlichen Erbausschlagung für das Kind, aber erst nach der Ausschlagungserklärung des bislang nicht vertretungsberechtigten Vaters für sich selbst erfolgt.2 hh) Werthaltiger Nachlass Schlägt jedoch der mitvertretungsberechtigte Vater die Erbschaft nach sei- 37 ner vermögenden verwitweten Mutter zunächst für sich selbst und sodann gemeinsam mit seiner Ehefrau für das gemeinsame minderjährige und zugleich für ihn einzige Kind aus, ist selbst dann keine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn der Nachlass einen hohen Wert hat und die Ausschlagung wirtschaftlich unvernünftig erscheint bzw. Abfindungsvereinbarungen getroffen wurden, da die Regelung des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB das konkrete Ausschlagungsmotiv unbeachtlich lässt, generell abstrakt ausgerichtet ist, der Entlastung der Gerichte dient und deren Neigung zur Versagung von Genehmigungen in Zweifelsfällen unterbinden soll.3 ii) Selektive Erbausschlagung Schlägt hingegen die mitvertretungsberechtigte Mutter die Erbschaft nach 38 ihrem Vater zunächst für sich selbst und sodann gemeinsam mit ihrem Ehemann selektiv für lediglich eines von zwei gemeinsamen minderjährigen Kindern aus, um sie für das andere Kind alleine anzunehmen, ist entgegen dem Wortlaut des insoweit teleologisch zu reduzierenden Tatbestands des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB sehr wohl eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich, da durch die mittelbare Weiterleitung der Erbschaft an das andere nicht von der Ausschlagung erfasste Kind die generell-abstrakte Vermutung aus § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB ihrerseits generell-abstrakt widerlegt ist.4 1 OLG Naumburg v. 19.10.2006 – 3 WF 194/06, FamRZ 2007, 1047; BeckOK/Veit, § 1643 BGB Rz. 5.1; Fröhler, BWNotZ 2013, 88; Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 86; DNotI, DNotI-Report 2002, 139; Ivo, ZEV 2002, 309 (311). 2 Ivo, ZEV 2002, 309 (311); BeckOK/Veit, § 1643 BGB Rz. 5.1. 3 OLG Köln v. 22.4.2012 – II-12 UF 21/12, NJW-RR 2013, 11 f.; Baumann, DNotZ 2012, 803 (805); Erman/J. Schmidt, § 1945 BGB Rz. 8; Staudinger/Engler, § 1643 BGB Rz. 37; MünchKomm.BGB/Huber, § 1643 BGB Rz. 19; Ivo, ZEV 2002, 309 (310); Fröhler, BWNotZ 2013, 88 (89); Lauck/Schmalenberger, FamFR 2012, 502. 4 OLG Hamm v. 13.12.2013 – I-15 W 374/13, MittBayNot 2014, 350 f. = DNotZ 2014, 858 ff.; KG v. 13.3.2012 – 1 W 747/11, ZEV 2012, 332 f.; Engler, FamRZ 1972, 7 (8); Staudinger/Engler, § 1643 BGB Rz. 38; BeckOK/Veit, § 1643 BGB Rz. 5.1; Erman/Döll, § 1643 BGB Rz. 22; Erman/J. Schmidt, § 1945 BGB Rz. 8; Fröhler, BWNotZ 2013, 88 (89); MünchKomm.BGB/Huber, § 1643 BGB Rz. 25; Palandt/Götz, § 1643 BGB Rz. 2; aA (unter Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers) Sagmeister, ZEV 2012, 121 (123 ff.); Sagmeister, MittBayNot 2014, 352 f.; Baumann, DNotZ 2012, 803 (807); Bau-
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
jj) Elternteil wird durch Erbausschlagung für das eingesetzte Kind selbst gesetzlicher Erbe 39 Gleiches gilt, wenn ein durch Verfügung von Todes wegen als Alleinerbe
berufener Elternteil für sich und sodann für sein ebenfalls durch Verfügung von Todes wegen zum Ersatzerben berufenes Kind ausschlägt, aber die Erbschaft als gesetzlicher Erbe selbst anzunehmen. Verstirbt ein Ehemann, der neben seiner Ehefrau einen Sohn, eine verwitwete Tochter und von dieser einen minderjährigen Enkel hinterlässt sowie testamentarisch die Tochter zur Alleinerbin und den minderjährigen Enkel zum alleinigen Ersatzerben einsetzt, dann bedarf diese Tochter, die ihre testamentarische Alleinerbeneinsetzung mit dem Ziel der Herbeiführung der mit ihrer Mutter und ihrem Bruder gemeinsamen gesetzlichen Erbfolge nach § 1948 BGB ausschlägt, zur Ausschlagung der testamentarischen Ersatzerbeneinsetzung ihres von ihr kraft alleinigen Sorgerechts vertretenen minderjährigen Sohnes entgegen dem Wortlaut des insoweit teleologisch zu reduzierenden Tatbestands des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenfalls einer familiengerichtlichen Genehmigung. Dies folgt in derartigen Konstellationen im Wege des Erst-Recht-Schlusses aus der Gegenausnahmeregelung des § 1643 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB, die sogar bei einer ursprünglichen Berufung des erstausschlagenden Elternteils neben dem Kind ein generell-abstraktes familiengerichtliches Genehmigungserfordernis begründet.1 Trotz dieses Genehmigungserfordernisses besteht kein Vertretungsverbot iSd. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB, da § 181 BGB aufgrund der materiellen Empfangszuständigkeit des Nachlassgerichts auf derartige amtsempfangsbedürftige Erklärungen nicht anwendbar ist und der Genehmigungstatbestand des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB typischerweise auch derartige Interessenkonflikte betrifft.2 kk) Erbausschlagung durch längstlebenden Eltenteil für sich und das Kind (1) Regelfall 40 Verstirbt bspw. der überschuldete Ehemann ohne Hinterlassung einer Ver-
fügung von Todes wegen, sind die Ehefrau sowie das minderjährige einzige Kind nebeneinander gesetzliche Erben und schlägt dann die Ehefrau ihren Erbteil aus, bedarf die Ausschlagung durch die Ehefrau für das Kind nach
mann, DNotZ 2014, 860 f.; Litzenburger, ZEV 2012, 333; Mensch, BWNotZ 2013, 144 (145 f.). 1 OLG Frankfurt v. 2.6.1954 – 1 Wx 18/54, NJW 1955, 466; Engler, FamRZ 1972, 7 (8); Staudinger/Engler, § 1643 BGB Rz. 39; BeckOK/Veit, § 1643 BGB Rz. 5.1; Erman/Döll, § 1643 BGB Rz. 22; MünchKomm.BGB/Huber, § 1643 BGB Rz. 25; Fröhler, BWNotZ 2013, 88 (89); Palandt/Götz, § 1643 BGB Rz. 2. 2 BayObLG v. 5.8.1983 – 1 Z 25/83, Rpfleger 1983, 482 f. unter Hinweis auf die Möglichkeit einer punktuellen Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB; Ivo, ZEV 2002, 309 (313); Fröhler, BWNotZ 2013, 88 (89); Coing, NJW 1985, 6 (10); Palandt/Ellenberger, § 181 BGB Rz. 13; aA Buchholz, NJW 1993, 1161 (1166); Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rz. 32.
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A. Erbschaftsausschlagung
§ 1643 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB insgesamt der Genehmigung,1 da die Ehefrau zunächst neben dem Kind berufen war, das Kind zudem einen originären nicht erst durch Ausschlagung seiner Mutter (der Ehefrau) angefallenen Erbteil hat und die aufgrund der eigenen Ausschlagung der Ehefrau durch den Anfall beim Kind nach § 1953 Abs. 2 BGB rückwirkend auf den Erbfall ausgelöste Erbteilserhöhung gemeinsam mit dessen originärem Erbteil insoweit – anders als in Ansehung hier nicht relevanter Vermächtnisse bzw. Auflagen nach § 1935 BGB – einheitlich behandelt wird,2 obwohl die durch die Ausschlagung der Ehefrau dem Kind angefallene Erbteilserhöhung ein für sich isoliert betrachtet genehmigungsfreier Tatbestand wäre und die Ausschlagung der Mutter ein wirtschaftliches Ausschlagungserfordernis indiziert.3 Diese Konstellation ist streng von einer zulässigen Teilausschlagung mehrerer Erbteile iSd. § 1951 BGB zu unterscheiden, da durch Erhöhung iSd. § 1935 BGB oder Anwachsung iSd. §§ 2094, 2095 bzw. 2279 Abs. 1 BGB gerade keine Mehrheit von Erbteilen iSd. § 1951 BGB entstehen kann.4 (2) Besonderheiten bei Wohnsitz im Ausland Unabhängig von der Staatsangehörigkeit des im Rahmen einer Erbausschla- 41 gung vertretenen minderjährigen Kindes richtet sich das Vertretungsrecht nach dem Recht desjenigen Staates, in dem dieses Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Lebt eine deutsche Familie im Ausland, gilt danach für die Frage der Vertretung der minderjährigen Kinder das ausländische Ortsrecht. Dies folgt für diesbezügliche Vertragsstaaten aus Art. 5 Abs. 1 iVm. Art. 15 Abs. 1 KSÜ,5 für Italien aus Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO6 iVm. Art. 21 EGBGB sowie für Macau und die Türkei aus Art. 1 iVm. Art. 2 MSA7.8 In derartigen Konstellationen sollte ein Notar bzw. Nachlassrichter bei Vornahme der Erbausschlagung auf die eventuelle Anwendbarkeit ausländischen Vertretungsrechts und die Möglichkeit der Einholung eines Fachgutachtens hinsichtlich des anzuwendenden Vertretungsrechts hinweisen sowie jegliche diesbezügliche Beratung und Haftung ausschließen. b) Sonstige gesetzliche Vertreter Ein Vormund, ein Betreuer bzw. ein Pfleger bedarf zur Erbausschlagung 42 gem. (§§ 1908i bzw. 1915 BGB iVm.) § 1822 Nr. 2 BGB der betreuungsgerichtlichen Genehmigung.9
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MünchKomm.BGB/Huber, § 1643 BGB Rz. 21; Staudinger/Engler, § 1643 BGB Rz. 40. BeckOK/Müller-Christmann, § 1935 BGB Rz. 6. Fröhler, BWNotZ 2012, 160 (165 f.), Fröhler, BWNotZ 2013, 88 (89). Erman/J. Schmidt, § 1951 BGB Rz. 3. Text s. Prütting/Helms/Hau, 3. Aufl. § 97 FamFG Anhang 3. Text s. Prütting/Helms/Hau, 3. Aufl. § 97 FamFG Anhang 2. Text s. Prütting/Helms/Hau, 1. Aufl. § 97 FamFG Anhang 3. S. dazu jeweils Palandt/Thorn, Anh Art. 24 EGBGB Rz. 12. Zum diesbezüglichen Gerichtsverfahren Sorg, BWNotZ 2010, 107(113).
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
43 Erfolgt die Ausschlagung durch das Jugendamt als Amtsvormund, genügt
für die Form eine öffentliche Urkunde iSd. § 415 ZPO, ohne dass öffentliche Beglaubigung erforderlich ist.1 Nach § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII kann Landesrecht für das Jugendamt als Amtsvormund oder Amtspfleger Ausnahmen von den Regelungen der §§ 1773 bis 1895 BGB zulassen.2 Insoweit wird bspw. gem. § 24 Abs. 1 bad.-württ. LKJHG vom gerichtlichen Genehmigungserfordernis des § 1822 Nr. 2 BGB befreit. 44 Verstirbt der Betreute bzw. das Mündel vor Erlass der gerichtlichen Ge-
nehmigung oder danach, aber vor dessen Rechtskraft, kann die Ausschlagung nicht mehr durch gerichtliche, sondern ausschließlich durch formund fristgerechte (s. dazu Rz. 20) Genehmigung seines Erben wirksam werden.3 45 Fällt der gesetzliche Vertreter während des Genehmigungsverfahrens
bspw. durch Tod oder Entlassung weg, wird das Verfahren nach § 21 FamFG wegen wichtigen Grundes aus- und nach Bestellung eines neuen gesetzlichen Vertreters mit diesem fortgesetzt.4 4. Genehmigungserteilung a) Grundsatz 46 Die rechtskräftige einseitige amtsempfangsbedürftige familien- bzw. be-
treuungsgerichtliche Genehmigung für die Ausschlagung muss in derartigen Fällen fristgerecht gegenüber dem gesetzlichen Vertreter nach §§ 41, 15 FamFG bekanntgegeben und samt dieser Bekanntgabe ebenfalls vor Ablauf der Ausschlagungsfrist dem Nachlassgericht nachgewiesen sein.5 Über das diesbezügliche Gebrauchmachen von der Genehmigung entscheidet der gesetzliche Vertreter eigenverantwortlich.6 Dies geschieht jedenfalls durch fristgerechte Vorlage einer Beschlussausfertigung mit Rechtskraftvermerk durch den gesetzlichen Vertreter gemeinsam mit einem von diesem unterzeichneten Begleitschreiben beim Nachlassgericht.7 Von einer bloßen diesbezüglichen Anzeige der Genehmigungserteilung sollte sicherheitshalber abgesehen werden, da dies möglicherweise nicht ausreichend ist.8 Nicht endgültig gesichert ist, ob eine wie häufig bereits vor 1 BGH v. 20.6.1966 – IV ZB 60/66, NJW 1966, 1808 (1809 f.) zu § 1706 Abs. 2 BGB aF; Palandt/Weidlich, § 1945 BGB Rz. 3. 2 MünchKomm.BGB/Wagenitz, § 1821 BGB Rz. 4. 3 Schaal, notar 2010, 268 (276 f.). 4 Schaal, notar 2010, 268 (277); MünchKomm.BGB/Wagenitz, § 1829 BGB Rz. 21 unter Verweis auf BayObLGZ 21, 375 jeweils für den Parallelfall der alleinigen Zuständigkeit des aktuellen neuen gesetzlichen Vertreters bei einem Vertrag für die Mitteilung der erteilten Genehmigung an die andere Vertragspartei. 5 OLG Brandenburg v. 22.4.2014 – 3 W 13/14, ZEV 2014, 540 (541). 6 OLG Koblenz v. 17.1.2014 – 13 WF 1135/13, ZEV 2014, 249 (250). 7 OLG Brandenburg v. 22.4.2014 – 3 W 13/14, ZEV 2014, 540 (541); Fröhler, BWNotZ 2012, 160 (166). 8 Ob dies ausreichend wäre, wurde durch OLG Brandenburg v. 22.4.2014 – 3 W 13/14, ZEV 2014, 540 (541) ausdrücklich offengelassen.
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A. Erbschaftsausschlagung
Genehmigungserteilung erklärte Erbausschlagung als einseitiges Rechtsgeschäft trotz der Regelung aus § 1643 Abs. 3 bzw. § 1908i Abs. 1 iVm. § 1831 Satz 1 BGB durch erst anschließende Genehmigung noch wirksam wird. Zutreffenderweise ist dies im Wege teleologischer Reduktion zu bejahen, da § 1831 Satz 1 BGB ebenso wie § 111 Satz 1 BGB den Schutz der durch das einseitige Rechtsgeschäft berührten Rechtsverhältnisse Dritter vor einer unbestimmt langen Ungewissheit über die Wirksamkeit des Geschäfts bezweckt, dieser Schutzzweck aber bereits durch das gesetzliche Erfordernis eines fristgerechten Nachweises der Genehmigung samt deren Bekanntgabe gegenüber dem Nachlassgericht unabhängig davon erfüllt wird, ob die Genehmigung vor oder nach der Ausschlagung erteilt wurde.1 Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung dieser Frage durch den BGH sollte sicherheitshalber eine vor der Genehmigungserteilung erklärte Ausschlagung nach Genehmigungserteilung förmlich wiederholt werden.2 Je nach Länge der voraussichtlich nach Ablauf der Ausschlagungsfristhemmung noch verbleibenden Restfristdauer sollte entschieden werden, ob die Ausschlagung erst nach Genehmigungserteilung erklärt wird. b) Fristhemmung Wird die Erteilung der Genehmigung innerhalb dieser Frist beantragt und 47 verzögert sich daher die Erteilung der gerichtlichen Genehmigung aufgrund des dortigen Verfahrens, kann ein Fall höherer Gewalt iSd. §§ 206, 1944 Abs. 2 Satz 3 BGB vorliegen, der den Lauf der Ausschlagungsfrist hemmt, wobei jedoch die nach Zugang der rechtskräftigen Genehmigung beim gesetzlichen Vertreter für deren Übermittlung an das Nachlassgericht noch benötigte Zeit nicht in den Hemmungszeitraum einbezogen wird und daher der Antrag auf Genehmigungserteilung rechtzeitig vor Fristablauf gestellt bzw. die bekanntgegebene Genehmigung schnellst möglich mittels Vorlage der Beschlussausfertigung samt Rechtskraftvermerk beim Nachlassgericht angezeigt werden sollte.3 Der Tag, in dessen Verlauf der Hemmungsgrund entsteht, fällt bereits in die Hemmungszeit.4 Die Ausschlagungsfrist läuft nach Ablauf der Hemmung ab Beginn des
1 RG v. 29.9.1927 – IV B 52/27, RGZ 118, 145 (147 F:); im Ergebnis wohl ebenso OLG Brandenburg v. 22.4.2014 – 3 W 13/14, ZEV 2014, 540 (541), wonach die Heilung durch die dortige konkrete nachträgliche Genehmigung am verspäteten Eingang beim Nachlassgericht scheiterte; Erman/J. Schmidt, § 1945 BGB Rz. 8; aA Erman/Döll, § 1643 BGB Rz. 26; offengelassen in OLG Koblenz v. 17.1.2014 – 13 WF 1135/13, ZEV 2014, 249 (250); ebenfalls offengelassen im Falle einer Ehelichkeitsanfechtung eines Kindes durch den gesetzlichen Vertreter des geschäftsunfähigen Vaters nach § 1594 Abs. 4 aF BGB in BGH v. 3.6.1966 – IV ZR 90/65, BeckRS 1966, 31385860 = FamRZ 1966, 504. 2 So ausdrücklich empfohlen in OLG Koblenz v. 17.1.2014 – 13 WF 1135/13, ZEV 2014, 249 (250). 3 OLG Frankfurt v. 22.11.1965 – 6 W 153/65, OLGZ 1966, 337 (338 ff.); Fröhler, BWNotZ 2012, 160 (166); Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 87. 4 BGH v. 20.11.1997 – IX ZR 136-97, NJW 1998, 1058 (1059); OLG Brandenburg v. 22.4.2014 – 3 W 13/14, ZEV 2014, 540 (541).
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
Folgetages um 00:00 Uhr weiter.1 Für das Fristende ist zudem die Sonn-, Feiertags- bzw. Sonnabendsregelung nach § 193 BGB zu beachten. c) Problematik Kontrollvertreter 48 Die zunächst zwischen den Obergerichten heftig umstrittene Frage, ob und
ggfs. wann im Verfahren auf Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss,2 ist durch Beschluss des BGH vom 12.2.2014 entschieden worden: Danach ist zur Entgegennahme des Beschlusses über die beantragte familiengerichtliche Genehmigung und für die Entscheidung über die diesbezügliche Erteilung eines Rechtsmittelverzichts bzw. die Einlegung von Rechtsmitteln nach § 9 Abs. 2 FamFG iVm § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB innerhalb des Genehmigungsverfahrens für ein vertretenes geschäftsunfähiges bzw. noch nicht vierzehnjähriges beschränkt geschäftsfähiges minderjähriges Kind nur dann ein Ergänzungspfleger erforderlich, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB festgestellt sind.3 Dies folgt dann daraus, dass diesem Kind der Beschluss mangels eigener Verfahrensfähigkeit iSd. § 9 Abs. 1 FamFG nach § 41 Abs. 3 FamFG nicht persönlich, wegen dortiger erheblicher generell-abstrakter Interessengegensätze aus den grundrechtsgleichen Rechten auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG und faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip)4 auch nicht dem die Genehmigung namens des Vertretenen beantragenden gesetzlichen Vertreter5 – unabhängig davon, ob dies ein Elternteil oder als Vormund das Jugendamt ist – und schließlich nicht einem Verfahrensbeistand iSd. § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG bekannt gegeben werden kann, da dieser kein gesetzlicher Vertreter des Kindes ist und hier das Vermögen statt – wie jedoch für eine Kindschaftssache erforderlich – die Person des Kindes betroffen ist.6 Die Bekanntgabe erfolgt nach § 164 FamFG iVm § 151 Nr. 1 FamFG jedoch gegenüber dem Kind selbst, wenn es
1 OLG Brandenburg v. 22.4.2014 – 3 W 13/14, ZEV 2014, 540 (541). 2 Grds. bejahend: OLG Celle v. 4.5.2011 – 10 UF 78/11, ZErb 2011, 198; OLG Celle v. 11.9.2012 – 10 UF 56/12, FamRB 2012, 336 mit Beraterhinweis von Stößer; KG v. 4.3.2010 – 17 UF 5/10, MittBayNot 2010, 482; OLG Köln v. 10.8.2010 – 4 UF 127/10, FamRZ 2011, 231; OLG Karlsruhe v. 5.9.2012 – 20 WF 135/12, n.v.; Prütting/Helms/ Fröhler § 344 FamFG Rz. 88; aA OLG Brandenburg v. 6.12.2010 – 9 UF 61/10, MittBayNot 2011, 240. 3 BGH v. 12.2.2014 – XII ZB 592/12, MDR 2014, 420 = FamRZ 2014, 640 m. Anm. Zorn = FamRB 2014, 169 f. (Stößer) = DNotI-Report 2014, 70 f. 4 BVerfG v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, NJW 2000, 1709, wobei in durch Rechtspfleger geführten Verfahren mangels diesbezüglicher Richtereigenschaft iSd. Art. 92 GG kein Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG eröffnet ist. 5 BVerfG v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, NJW 2000, 1709 (1710). 6 OLG Celle v. 4.5.2011 – 10 UF 78/11, ZErb 2011, 198; OLG Celle v. 11.9.2012 – 10 UF 56/12, FamRB 2012, 336 mit Beraterhinweis von Stößer; KG v. 4.3.2010 – 17 UF 5/10, MittBayNot 2010, 482; OLG Köln v. 10.8.2010 – 4 UF 127/10, FamRZ 2011, 231; OLG Karlsruhe v. 5.9.2012 – 20 WF 135/12, n.v.
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A. Erbschaftsausschlagung
das 14. Lebensjahr vollendet hat und nicht gem. § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig ist,1 da es dann nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig ist und gem. § 60 Abs. 1 FamFG ein eigenes selbständiges Beschwerderecht hat. 5. Beerdigungskosten, Sterbegeld und Überführungskosten Eine Erbausschlagung schließt eine Haftung des ausschlagenden Angehö- 49 rigen für die Kosten der Beerdigung des Erblassers nur insoweit aus, als diese Erbfallschulden und damit eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1968 BGB verkörpern. Letztere sind zudem bei der Ermittlung des Nachlasswertes für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen relevant.2 Im Gegensatz dazu bleibt eine Haftung des Ausschlagenden aufgrund eventueller anderer diesbezüglicher zivilrechtlicher Ansprüche aus § 1615 Abs. 2 BGB wegen Unterhaltsverpflichtungen bzw. öffentlich-rechtlicher durch Landesrecht oder kommunale Satzung begründeten Bestattungspflichten3 unberührt.4 Dabei erfasst § 1968 BGB die durch Erbausschlagung wegfallende Erben- 50 pflicht zur Tragung der nach der Lebensstellung des Erblassers angemessenen Kosten der Beerdigung, zu denen die Kosten der Bestattung, des Leichnamtransports zum Ort der Bestattung, des Blumenschmucks, der Traueranzeigen und Danksagung, Trauerfeierlichkeiten samt Leichenmahl, Aufstellung eines Grabdenkmals sowie Herstellung einer dauerhaft ausgerichteten Grabstätte gehören.5 Im Gegensatz dazu besteht trotz erbschaftsteuerlicher Absetzbarkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG mangels dort vorausgesetzter rechtlicher Kostentragungspflicht des Erben und mangels Vergleichbarkeit bzw. Gleichlaufs von Steuer- und bürgerlichem Recht6 keine zivilrechtliche Verpflichtung des Erben aus § 1968 BGB zur Tragung von Pflege- und Unterhaltungskosten für die Grabstätte.7 Soweit Angehörige nach öffentlichem Recht zur Erhaltung der Grabstätte in einem ordentlichen Zustand verpflichtet sind, kann zu deren Gunsten ggf. 1 2 3 4 5 6
KG v. 4.3.2010 – 17 UF 5/10, MittBayNot 2010, 482. OLG Schleswig v. 6.10.2009 – 3 U 98/08, ZEV 2010, 196 (197 f.) = FamRZ 2010, 1194. OVG Lüneburg v. 27.7.2000 – 4 L 2110/00, NJW 2000, 3513. Ausführlich dazu Grziwotz, MittBayNot 2012, 333 f.; Grziwotz, FamRB 2012, 226 ff. MünchKomm.BGB/Küpper, § 1968 BGB Rz. 4. OLG Schleswig v. 6.10.2009 – 3 U 98/08, ZEV 2010, 196 (197 f.) = FamRZ 2010, 1194; MünchKomm.BGB/Küpper, § 1968 BGB Rz. 4; Schreiber, ZEV 2010, 199; aA AG Neuruppin v. 17.11.2006 – 42 C 32405, ZEV 2007, 597 f.; Damrau, ZEV 2004, 456. 7 BGH v. 20.9.1973 – III ZR 148/71, BGHZ 61, 238 (239) = NJW 1973, 2103; BGH v. 22.4.1998 – IV ZR 162/97, BeckRS 1998, 30392597; RG v. 13.5.1939 – IV 256/38, RGZ 160, 255 (256); OLG Schleswig v. 6.10.2009 – 3 U 98/08, ZEV 2010, 196 (197 f.) = FamRZ 2010, 1194; OLG München v. 27.2.2008 – 3 U 2427/07, BeckRS 2008, 04991; OLG Oldenburg v. 28.1.1992 – 5 U 96/91, DNotZ 1993, 135 f.; MünchKomm.BGB/ Küpper, § 1968 BGB Rz. 4; Schreiber, ZEV 2010, 199; aA (auch insoweit vollständig als Nachlassverbindlichkeit) AG Neuruppin v. 17.11.2006 – 42 C 32405, ZEV 2007, 597 f.; Damrau, ZEV 2004, 456; aA (nur für die Dauer eines Jahres als Nachlassverbindlichkeit) Lange/Kuchinke, § 47 III 2 Fn. 48.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
ein Ausgleichs- bzw. Freistellungsanspruch gegenüber dem Erben bestehen.1 Ein Pflichtteilsberechtigter muss sich dabei Inseratkosten für die Todesanzeige und Kosten des Blumenkranzes selbst dann als Nachlassverbindlichkeit bei der Berechnung des Nachlassvermögens entgegenhalten lassen, wenn er dort jeweils nicht namentlich benannt wurde, da insoweit alleine die Benennung des Erblassers und die Eignung des Blumenschmuckes zur Verleihung eines würdigen Rahmens der Trauerfeier maßgebend sind.2 51 Nach § 1968 BGB müssen der Vor- und der Nacherbe demjenigen Nicht-
erben, der die Beerdigungskosten bezahlt hat, den diesbezüglichen Aufwand erstatten. Dabei haftet der Vorerbe gem. §§ 2144, 2145 BGB nach außen bis zum Anfall der Nacherbschaft alleine, kann jedoch nach §§ 2126, 2124 Abs. 2 Satz 2 BGB vom Nacherben diejenigen Kosten, die er aus seinem eigenen Vermögen statt aus dem Nachlass bestritten hat, bei Eintritt des Nacherbfalls, soweit er dann noch lebt, selbst, andernfalls kann diese sein Erbe ersetzt verlangen.3 52 Der sozialhilferechtliche Anspruch auf Auszahlung von Sterbegeld in Hö-
he eines Siebtels der im Zeitpunkt des Todes geltenden Bezugsgröße und ggf. Überführungskosten steht den in § 64 Abs. 1 SGB VII benannten Angehörigen (Witwe, Witwer, Kinder, Stiefkinder, Pflegekinder, Enkel, Geschwister, frühere Ehegatten bzw. Verwandte der aufsteigenden Linie des Versicherten) ausschließlich unter der Voraussetzung des § 64 Abs. 3 SGB VII zu, dass sie alle anfallenden Bestattungs- bzw. Überführungskosten tragen.4 Andernfalls ist, falls Bestattungs- bzw. Überführungskosten anfallen, nach § 64 Abs. 4 SGB VII derjenigen anspruchsberechtigt, der diese Kosten trägt, beispielsweise der nach § 1968 BGB verpflichtete, zum Alleinerben eingesetzte, dadurch die o.g. Angehörigen verdrängende nichteheliche Lebensgefährte, wenn er die Erbschaft nicht ausschlägt.5 Fallen lediglich unter dem Sterbegeldsatz liegende Kosten für die Bestattung an, besteht gleichwohl Anspruch auf Sterbegeld in voller o.g. Höhe.6 Entstehen tatsächlich keine Kosten für die Bestattung, ist nach § 64 Abs. 4 SGB VII gleichwohl derjenige anspruchsberechtigt, der eventuelle Kosten zu tragen hätte, beispielsweise der nach § 1968 BGB verpflichtete, zum Alleinerben eingesetzte nichteheliche Lebensgefährte, der dann Angehörige iSd. § 64 Abs. 1 SGB VII verdrängt, wenn er die Erbschaft nicht ausschlägt.7
1 LG Heidelberg v. 31.5.2011 – 5 O 306/09, ZEV 2011, 583 (584); a.A. MünchKomm.BGB/Küpper, § 1968 BGB Rz. 4. 2 OLG München v. 25.5.2011 – 20 U 2853/08, BeckRS 2011, 14622. 3 Woitkewitsch, MDR 2010, 57 ff. 4 OLG Saarbrücken v. 20.3.2014 – 4 U 64/13, NJW-RR 2014, 810 (811). 5 OLG Saarbrücken v. 20.3.2014 – 4 U 64/13, NJW-RR 2014, 810 (811). 6 Grziwotz, FamRB 2014, 342. 7 Grziwotz, FamRB 2014, 342.
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A. Erbschaftsausschlagung
M 258
Ausschlagung einer Erbschaft durch den gesetzlichen Vertreter
An das Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Ort) Nachlass des . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), verstorben am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort), geb. am . . . (Geburtsdatum), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzte Wohnanschrift) Ihr Zeichen: . . . (Aktenzeichen) Am . . . (Sterbedatum) ist mein Ehemann . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzte Wohnanschrift) in . . . (Sterbeort) verstorben. Ein Testament hat er nicht hinterlassen. Als gesetzliche Erben kommen meine beiden minderjhrigen Kinder . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum) und . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum) sowie ich, . . . (Vor- und Nachname), als Witwe in Betracht. Der Nachlass ist berschuldet. Ich schlage hiermit fr mich selbst und gleichzeitig als alleiniger Inhaber des elterlichen Sorgerechts fr meine beiden vorstehend genannten minderjhrigen Kinder die Erbschaft nach meinem Ehemann . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne jede Bedingung aus, somit sowohl hinsichtlich des ihnen durch meine Ausschlagung angefallenen Erbteils als auch bezglich des ihnen direkt mit dem Erbfall angefallenen Erbteils. Die erforderliche familiengerichtliche Genehmigung werde ich sofort in Ausfertigung mit Rechtskraftvermerk beim zustndigen Familiengericht1 beantragen und sodann nach Erhalt unverzglich gemeinsam mit einem Nachweis ber deren mir gegenber erfolgte Bekanntgabe an das Nachlassgericht weiterleiten. ber die Bedeutung der heutigen Ausschlagung bin ich belehrt. Mir ist bekannt, dass diese Erbausschlagungserklrungen von mir unverzglich gesondert vorab und nach spterem Eingang die mir berlassene Ausfertigung der familiengerichtlichen Genehmigung samt Rechtskraftvermerk gemeinsam mit einem Nachweis ber deren mir gegenber erfolgte Bekanntgabe an das zustndige Nachlassgericht zu bersenden sind und der jeweilige dortige rechtzeitige Eingang der Unterlagen von mir berprft werden sollte. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschrift) (Unterschriftsbeglaubigung) ...
1 Handelt ein Vormund bzw. Betreuer, ist beim Betreuungsgericht die betreuungsgerichtliche Genehmigung einzuholen.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
M 259
Antrag auf familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung
An das Amtsgericht – Familiengericht1 – . . . (Ort) Meine beiden minderjhrigen Kinder . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), und . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), sind kraft gesetzlicher Erbfolge Erben zu jeweils 1/4 Erbteil ihres am . . . (Sterbedatum) verstorbenen Vaters . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzte Wohnanschrift), geworden. Von dem Anfall der Erbschaft habe ich am . . . (Datum) Kenntnis erlangt. Da der Nachlass berschuldet ist, habe ich im Interesse meiner Kinder die Erbschaft durch notariell beglaubigte Erklrung vom . . . (Errichtungsdatum) ausgeschlagen. Durch dieselbe Erklrung habe ich zudem den mir zunchst selbst zugefallenen Erbteil von 1/2 ausgeschlagen und diesen sodann nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB insoweit genehmigungsfrei namens meiner Kinder ausgeschlagen. Die Erklrung ist in beglaubigter Abschrift beigefgt. Ich beantrage, die Ausschlagungserklrung familiengerichtlich zu genehmigen und mir die Genehmigung rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlagungsfrist bekannt zu geben. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschrift)
III. Aus ererbtem Ausschlagungsrecht 53 Gem. § 1952 Abs. 1 BGB ist das Erbausschlagungsrecht vererblich. Dabei
endigt die Ausschlagungsfrist nach § 1952 Abs. 2 BGB nicht vor dem Ablauf der für die Erbschaft des Erben vorgeschriebenen Ausschlagungsfrist, wenn der Erbe vor Ablauf der Ausschlagungsfrist verstorben ist. Soweit die Voraussetzungen des § 1956 BGB in der Person des Erben vorlagen, ist dem Erbeserben eine Anfechtung der Fristversäumnis des Erben eröffnet.2 Der Erbeserbe kann dadurch die Erblassererbschaft aus dem Nachlass des Erben ausscheiden und darüber entscheiden, ob er die so verbleibende Erbschaft des Erben ohne Erblassererbschaft annehmen oder insgesamt ausschlagen möchte. Umgekehrt ist es jedoch nicht möglich, die zuletzt angefallene Erbschaft des Erben auszuschlagen und die zuerst angefallene Erblassererbschaft anzunehmen, da die Erblassererbschaft nur als Bestandteil der Erbschaft des Erben auf den Erbeserben übergehen kann. 1 Handelt ein Vormund bzw. Betreuer, ist beim Familien- bzw. Betreuungsgericht die familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung einzuholen. 2 Kroiß/Ann/Maier/Ivo, § 1952 BGB Rz. 12.
748
A. Erbschaftsausschlagung
In derartigen Fällen sollte klargestellt werden, ob neben der Erblassererb- 54 schaft auch die restliche Erbschaft des Erben ausgeschlagen wird. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass bei unterschiedlichen letzten Wohnsitzen des Ausgangserblassers und des verstorbenen Erben verschiedene Nachlassgerichte zuständig sind und die jeweilige Erbausschlagung dem jeweils zuständigen Nachlassgericht fristgerecht zugehen muss, damit sie wirksam ist. Dieses Problem kann seit dem 1.9.2009 durch Ausschlagungserklärung zu Protokoll oder durch Abgabe der in öffentlich beglaubigter Form erstellten Ausschlagung mit jeweils sofortiger fristwahrender Wirkung zu Händen des Gerichts am Wohnsitz des Ausschlagenden gem. § 344 Abs. 7 FamFG (s. Rz. 7) entschärft werden.
M 260
Ausschlagung einer Erbschaft aus ererbtem Ausschlagungsrecht
An das Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Ort) Nachlass des . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), verstorben am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort), geb. am . . . (Geburtsdatum), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzte Wohnanschrift) Ihr Zeichen: . . . (Aktenzeichen) Am . . . (Sterbedatum) ist mein Bruder . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), geb. am . . . (Geburtsdatum des Erblassers), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzte Wohnanschrift des Erblassers), in . . . (Sterbeort des Erblassers) verstorben. Ein Testament hat er nicht hinterlassen. Er war ledig und hatte keine Abkçmmlinge. Auf Grund Erbausschlagung unserer Eltern vom . . . (Ausschlagungsdatum) komme ich . . . (Vor- und Nachname der Ausschlagenden) als Schwester des Erblassers als Erbin in Betracht. Ich schlage hiermit die Erbschaft nach meinem Bruder aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne jede Bedingung aus. Mein nicht aus einer Ehe stammender Sohn . . . (Vor- und Nachname) ist in der Universittsklinik in . . . (Ort) am . . . (Geburtsdatum) lebend zur Welt gekommen, jedoch wenige Minuten nach der Geburt am gleichen Tag verstorben. Wir, . . . (Vor- und Nachname beider leiblichen Eltern), sind die alleinigen Erben unseres verstorbenen Sohnes . . . (Vor- und Nachname des verstorbenen Kindes). Durch den Tod unseres Sohnes ist im Erbgang auch dessen Ausschlagungsrecht auf Ableben des Erblassers (Vor- und Nachname) auf uns vererbt worden. Wir schlagen daher hiermit kraft des aus dem Nachlass unseres Sohnes hervorgehenden, gem. § 1952 BGB an uns vererbten Ausschlagungsrechts die Erbschaft nach . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne jede Bedingung aus. In Kenntnis der damit verbundenen Folgen nehmen wir die Erbschaft nach unserem Sohn hiermit ausdrcklich an. Des Weiteren sind wir ber die Folgen der heutigen Erbschaftsausschlagung belehrt worden.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
Uns ist bekannt, dass diese Erklrung von uns unverzglich an das zustndige Nachlassgericht zu bersenden ist und der dortige rechtzeitige Eingang der Unterlagen von uns berprft werden sollte. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) (Unterschriftsbeglaubigung) ...
IV. Mehrere Berufungsgründe 55 § 1948 BGB eröffnet die Möglichkeit, bei mehreren Berufungsgründen die
Erbschaft als eingesetzter Erbe auszuschlagen und als gesetzlicher Erbe anzunehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Ausschlagung wegen Berufung auf Grund letztwilliger Verfügung die gesetzliche Erbfolge zu Gunsten des Ausschlagenden eröffnet. 56 § 1948 BGB kommt insbesondere dann nicht zur Anwendung, wenn eine
ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung – was häufig der Fall ist – durch die letztwillige Verfügung angeordnet ist, gesetzlich insbesondere gem. § 2069 BGB als angeordnet gilt bzw. im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung unterstellt wird oder nach § 2094 BGB Anwachsung eintritt. Eine Erbausschlagung nach § 1948 BGB ist daher nur nach besonders sorgfältiger Überprüfung der zugrunde liegenden letztwilligen Verfügung auf eine eventuelle Ersatzerbeneinsetzung oder Anwachsung zu empfehlen. 57 Wird die letztwillige Erbeinsetzung ausgeschlagen, beginnt für die Beru-
fung als gesetzlicher Erbe ab Kenntnis dieses Berufungsgrundes eine neue Ausschlagungsfrist. 58 Gem. § 1948 Abs. 2 BGB kann bei Berufung durch Testament einerseits und
Erbvertrag andererseits ebenfalls die Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund angenommen und aus dem anderen ausgeschlagen werden. Diese Regelung ist nicht analog auf Konstellationen anwendbar, in denen die Berufung auf zwei Testamenten oder zwei Erbverträgen beruht, da insoweit § 1951 Abs. 2 BGB entgegensteht. § 1948 Abs. 2 BGB hat in der Praxis nur eine geringe Bedeutung.1 § 1948 Abs. 1 BGB verbietet im Umkehrschluss, die Erbschaft als gesetzlicher Erbe auszuschlagen und als eingesetzter Erbe anzunehmen. Hier greift vielmehr die Regelung des § 1949 Abs. 2 BGB, wonach die Ausschlagung im Zweifel als auf alle Berufungsgründe erstreckt gilt. Wird die Erbschaft „aus allen Berufungsgründen“ ausgeschlagen, erfasst die Ausschlagung nicht nur die dem Ausschlagenden bekannten, sondern auch die diesem unbekannten Berufungsgründe mit der Folge, dass eine Anfechtung wegen Irrtums nicht mehr möglich ist.2 1 DNotI, DNotI-Report 2013, 124 (125). 2 OLG Hamm v. 17.2.2011 – I-15 W 176/10, FGPrax 2011, 184 f.
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A. Erbschaftsausschlagung
M 261
Ausschlagung einer Erbschaft als eingesetzter Erbe unter Annahme einer Erbschaft als gesetzlicher Erbe (Auszug)
. . . (wie M 258) Ich schlage hiermit die Erbschaft nach meinem verstorbenen Ehemann insoweit aus, als ich durch Verfgung von Todes wegen als Erbe berufen bin, nehme sie jedoch als gesetzlich berufener Erbe an. In unserem gemeinschaftlichen Testament vom . . . (Errichtungsdatum) ist ausdrcklich vorgesehen, dass im Falle der Ausschlagung durch den lngstlebenden Ehegatten hinsichtlich des testamentarischen Berufungsgrundes eine Ersatzerbeneinsetzung Dritter ausscheidet und eine Annahme der Erbschaft des lngstlebenden Ehegatten hinsichtlich des gesetzlichen Berufungsgrundes mçglich ist. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) (Unterschriftsbeglaubigung) ...
V. Nachlassspaltung Auf Grund einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB, einer teilweisen 59 Rück- oder Weiterverweisung nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB, die auf eine Nachlassspaltung in einem ausländischen Kollisionsrecht beruht (etwa bei einem französischen Erblasser mit in Deutschland belegenem Grundbesitz bzw. mit letztem Wohnsitz in Deutschland), oder eines Vorrangs des Einzelstatuts nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB kann es für vor dem 17.8.2015 eintretende Erbfälle abweichend von dem in Art. 25 Abs. 1 EGBGB niedergelegten Grundsatz der Nachlasseinheit zu Nachlassspaltungen kommen. Im Hinblick auf eine Ausschlagung oder Anfechtung der Annahme der Erbschaft hat dies zur Folge, dass der jeweilige Nachlass, der dem deutschen Recht bzw. einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt, für sich gesondert ausgeschlagen bzw. angenommen werden kann. Am 16.8.2012 ist die EuErbVO1 idF vom 4.7.2012 in Kraft getreten. Sie findet nach ihrem Art. 83 Abs. 1, soweit nicht gem. Art. 83 Abs. 2 bis 4 EuErbVO sofort wirksam Verfügungen von Todes wegen errichtet bzw. Rechtswahl getroffen werden kann, erst auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind, und ist als unmittelbar geltendes Recht nach Art. 3 Nr. 1 EGBGB gegenüber nationalen Regelungen und damit auch gegenüber Art. 25 EGBGB innerhalb ihres Anwendungsbereichs 1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Aufnahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses idF vom 4.7.2012, ABl. EU 2012, Nr. L 201, S. 107.
751
8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
vorrangig.1 Die Anwendbarkeit der EuErbVO setzt weder die Maßgeblichkeit des Rechts eines (teilnehmenden oder nichtteilnehmenden) Mitgliedsstaates2 noch voraus, dass der Erblasser Staatsangehöriger eines (teilnehmenden oder nichtteilnehmenden) Mitgliedsstaates ist,3 sondern knüpft allein an die Betroffenheit eines Mitgliedsstaates von einer Rechtsnachfolge von Todes wegen, insbesondere durch den dortigen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an. Von besonderer Bedeutung für nachlassgerichtliche Verfahren sind dabei neben den Bestimmungen der Artt. 4 bis 19 EuErbVO über die Begründung der internationalen Zuständigkeit insbesondere die Vorschriften der Artt. 20 bis 38 EuErbVO über das Erbstatut.4 Abweichend von Art. 25 EGBGB knüpft Art. 21 Abs. 1 EuErbVO hinsichtlich des Erbstatuts nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den gewöhnlichen Aufenthalt (wobei dieser gem. Art. 20 EuErbVO im Gegensatz zur Begründung der internationalen Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO nicht in einem Mitgliedstaat liegen muss) des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an, soweit nicht nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO ausnahmsweise wegen offensichtlich engerer Verbindung zu einem anderen Staat dessen Recht anzuwenden ist. Nach Art. 22 EuErbVO kann der Erblasser jedoch das Recht seiner bei Rechtswahl oder Tod bestehenden Staatsangehörigkeit bzw. einer von mehreren eigenen Staatsangehörigkeiten durch Verfügung von Todes wegen wählen. Eine Nachlassspaltung (insbesondere nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB) ist dann wegen des Prinzips der Einheit des Erbstatuts grundsätzlich ausgeschlossen, kann jedoch ausnahmsweise aufgrund gemäß Art. 75 Abs. 1 und 2 EuErbVO weiterhin anwendbarer internationaler Übereinkommen zwischen Mitgliedund Drittstaaten (vgl. insbesondere die Maßgeblichkeit der Staatsangehörigkeit des Erblassers bzw. Belegenheit von Nachlass im deutsch-türkischen Nachlassabkommen, deutsch-persischen Niederlassungsabkommen und deutsch-sowjetischen Konsularvertrag),5 Rück- oder Weiterverweisung nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO6 bzw. besonderer nationaler, unabhängig vom Erbstatut anwendbarer Regelungen iSd. Art. 30 EuErbVO eintreten.7 Zugleich lässt Art. 34 EuErbVO Rück- bzw. Weiterverweisungen durch Internationales Privatrecht von Drittstaaten, zu denen auch Dänemark, Großbritannien und Irland zählen,8 lediglich in eingeschränktem Umfang, insbesondere auf das Recht eines Mitgliedstaates zu. Nach Art. 20 EuErb1 Fröhler, BWNotZ 2012, 160 (165); Bachmayer, BWNotZ 2010, 146 (157); Prütting/ Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 78a. 2 So ausdrücklich Art. 20 EuErbVO; Remde, RNotZ 2012, 65 (75). 3 So ausdrücklich Art. 10 Abs. 1 EuErbVO; Wagner, DNotZ 2010, 506 f., der zurecht ganz allgemein von „Regelungen für internationale Erbfälle“ bzw. „Sonderregelungen für Erbfälle mit Auslandsbezug“ spricht; Schaal, BWNotZ 2013, 29; Remde, RNotZ 2012, 65 (75). 4 Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 100. 5 Dörner, ZEV 2012, 505 (510) Fn. 29. 6 Schaal, BWNotZ 2013, 29 (30): bspw. deutscher Erblasser mit beim Erbfall gewöhnlichem Aufenthalt und Vermögen überwiegend in Texas, aber Grundbesitz in Deutschland und Frankreich. 7 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2396). 8 Dörner, ZEV 2012, 505 (511) Fn. 41.
752
A. Erbschaftsausschlagung
VO bleibt es bei der Anwendung des maßgebenden Rechts auch dann, wenn es sich dabei ggf. um das Recht eines Nichtmitgliedstaates handelt.1 Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung zur Angleichung an die EuErbVO eine kollisionsrechtliche Ergänzung des Art. 3 EGBGB, eine Änderung der Artt. 25 und 26 EGBGB sowie eine Ergänzung des jeweiligen Wortlauts der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag vertragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit2 entschieden ist.3 (s. dazu oben 9. Kap. Rz. 96).
M 262
Ausschlagung einer Erbschaft bei Nachlassspaltung (Auszug)
. . . (wie M 258) Am . . . (Sterbedatum) ist mein Vater, Herr . . . (Vor- und Nachname des Erblassers), geb. am . . . (Geburtsdatum des Erblassers) in . . . (Geburtsort des Erblassers), franzçsischer Staatsangehçriger, zuletzt wohnhaft gewesen in Deutschland in . . . (letzte Wohnanschrift), in . . . (Sterbeort) verstorben. Er war verwitwet. Ein Testament hat er nicht hinterlassen. Als gesetzlicher Erbe komme ich, . . . (Vor- und Nachname des Ausschlagenden), in Frage. Der Nachlass ist berschuldet. Ich schlage hiermit, soweit das franzçsische Erbrecht fr den in Deutschland belegenen Grundbesitz des Erblassers und dessen bewegliches Vermçgen auf deutsches Recht im Wege der Nachlassspaltung zurckverweist, die Erbschaft nach meinem Vater aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne jede Bedingung aus. Von dem Anfall und dem Grunde der Berufung habe ich erst vor zwei Wochen Kenntnis erlangt. Ich habe und erwarte derzeit keine Abkçmmlinge. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) (Unterschriftsbeglaubigung) ...
Im Rahmen der international-privatrechtlichen Betrachtung ist dabei ins- 60 besondere zu berücksichtigen, dass sich eventuelle Vorfragen der Erbaus1 Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 101. 2 S. dazu u.a. bejahend Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91). 3 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79.
753
8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
schlagung abweichend vom Recht der Ausschlagung nach dem Recht anderer Staaten richten können. Dies gilt insbesondere bei Erbausschlagungen durch gesetzliche Vertreter und damit verbundene Genehmigungserfordernisse nach familienrechtlichen Grundsätzen. Fällt bspw. der nach deutschem Recht zu beurteilende Nachlass des Erblassers, der deutscher Staatsangehöriger war, seinen letzten Wohnsitz in Deutschland hatte und ausschließlich Nachlassvermögen in Deutschland zurück lässt, nach Erbausschlagung seiner Tochter, die deutsche Staatsangehörige ist, der minderjährigen Enkeltochter mit französischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Frankreich zu, beurteilt sich die Frage der Wirksamkeit der gesetzlichen Vertretung im Rahmen der nach deutschem Recht zu beurteilenden Erbausschlagung als Vorfrage nach französischem Recht.
VI. Vertrag über Ausschlagungsverpflichtung 61 Durch schuldrechtlichen Vertrag kann sich ein ausschlagungsberechtigter
Erbe zur Erbausschlagung verpflichten. Ein derartiger Vertrag unterliegt nicht dem für die eigentliche Ausschlagung als diesbezüglichem Vollzugsakt geltenden Formzwang des § 1944 BGB und ist dann formfrei wirksam, wenn er nach dem Erbfall abgeschlossen wird.1 Ein vor dem Erbfall vereinbarter Ausschlagungsverpflichtungsvertrag bedarf jedoch der notariellen Beurkundung. Dies folgt für entsprechende Verträge zwischen Ausschlagungsberechtigtem und Drittem aus § 311b Abs. 4 und 5 BGB bzw. für entsprechende Verträge zwischen Ausschlagungsberechtigtem und Erblasser aus §§ 311b Abs. 5 bzw. 2346 BGB analog, wobei regelmäßig ein unmittelbar wirkender Verzichtsvertrag nach §§ 2346 bzw. 2352 BGB vorzugswürdig erscheint, wenn der Erblasser nicht über den Fall des § 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus vertreten werden können soll.2
B. Anfechtung der Annahme, Fristversäumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung I. Allgemeines 62 Gem. § 1943 BGB kann der Erbe die Erbschaft nicht mehr ausschlagen,
wenn er sie angenommen hat oder wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist verstrichen ist. Mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen. 63 Die Annahme gilt gem. § 1949 BGB jedoch dann als nicht erfolgt, wenn
der Erbe über den Berufungsgrund im Irrtum war. Insoweit bedarf es keiner Anfechtung mehr. Die Ausschlagungsfrist beginnt in einem derartigen Falle erst mit Kenntnis des wahren Grundes. Ist dem Erben jedoch gleich1 Groll/Muscheler, C II Rz. 131 mwN. 2 Groll/Muscheler, C II Rz. 133 f. mwN.
754
B. Anfechtung der Annahme, Fristversumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung
gültig gewesen, aus welchem Grund die Berufung erfolgte, liegt kein Irrtum über den Berufungsgrund vor. Die Annahme wird dann nach den allgemeinen Grundsätzen fingiert. Berufungsgrund iSd. § 1949 Abs. 1 BGB meint die Art und Weise der konkreten Berufung durch ein bestimmtes Verwandtschaftsverhältnis, Ehe oder eine bestimmte Verfügung von Todes wegen. Sie ist damit von der Kenntnis des Grundes der Berufung iSd. § 1944 Abs. 2 BGB zu unterscheiden, durch die die Ausschlagungsfrist ausgelöst wird. Da der Berufungsgrund in den meisten Erbfällen unerheblich ist, hat § 1949 Abs. 1 BGB nur geringe praktische Bedeutung. Von erheblicher praktischer Relevanz ist hingegen die Anfechtbarkeit der 64 Versäumnis der Ausschlagungsfrist, der Annahme der Erbschaft oder deren Ausschlagung gem. §§ 1954, 1956 BGB. Eine derartige Anfechtung setzt das Vorhandensein eines relevanten Anfechtungsgrundes voraus. Hier sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 119 f., 123 BGB – somit nicht die Regelung des § 2078 BGB – anwendbar. Der jeweilige Anfechtungsgrund muss für das angefochtene Verhalten ursächlich gewesen sein.1 Die Anfechtung erfolgt auch ohne deren ausdrückliche Bezeichnung als solche bereits dann formgerecht, wenn der Anfechtungswille hinreichend erkennbar ist.2 Zwar ist auch eine erst nach Fristablauf beim Nachlassgericht eingereichte genauere Darlegung insbesondere zur Kausalität noch zu berücksichtigen.3 Es muss jedoch der eigentliche Grund der Anfechtung fristgerecht in der Anfechtungserklärung angegeben sein.4 Werden mehrere Anfechtungsgründe geltend gemacht, kann dadurch möglicherweise der Kausaliätsnachweis erschwert bzw. ausgeschlossen werden.5 Ein nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB relevanter Irrtum über den Erklärungsinhalt liegt bspw. vor, wenn sich der Erbe der objektiv aufzufassenden Wirkung seines Verhaltens nach außen nicht bewusst war (zB Befriedigung eines Nachlassgläubigers), ihm dabei die rechtliche Möglichkeit der Ausschlagung nicht bekannt war6 oder eine Ausschlagung in der irrigen Erwartung, dadurch einen Pflichtteilsanspruch zu erlangen, erklärt wurde7 bzw. eine Annahme in der irrigen Vorstellung des unter Beschwerungen als Alleinerbe eingesetzten Pflichtteilsberechtigten erfolgte, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren.8 Ein relevanter Irrtum über die Erklärungshandlung gem. § 119 Abs. 1 65 Alt. 2 BGB ist bspw. anerkannt, wenn der Erbe von der Existenz, dem Lauf bzw. den Rechtsfolgen des Ablaufs einer Ausschlagungsfrist nichts wuss1 OLG Düsseldorf v. 10.1.2013 – I-3 Wx 155/12, NJW-RR 2013, 842 ff. = MittBayNot 2013, 491 (492). 2 Odersky, MittbayNot 2013, 493. 3 Odersky, MittbayNot 2013, 493. 4 Palandt/Weidlich, § 1955 BGB Rz. 2; Odersky, MittbayNot 2013, 493. 5 OLG Düsseldorf v. 10.1.2013 – I-3 Wx 155/12, NJW-RR 2013, 842 ff. = MittBayNot 2013, 491 (492). 6 BayObLG v. 24.6.1983 – BReg 1 Z 124/82, FamRZ 1983, 1061 ff. = BayObLGZ 1983, 153. 7 OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, MDR 1981, 1017 f. = Rpfleger 1981, 402. 8 BGH v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, NJW 2006, 3353 ff. = DNotI-Report 2006, 170.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
te1 oder über die Dauer der Ausschlagungsfrist irrte2 und deshalb jeweils die Ausschlagung unterließ. 66 Insbesondere im Hinblick auf eine eventuelle Überschuldung des Nachlas-
ses ist ein Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB dann relevant, wenn der Erbe falsche Vorstellungen über wertbildende Faktoren des Nachlasses hatte, insbesondere über die Zusammensetzung des Nachlasses, bspw. die Zugehörigkeit bestimmter Aktiva zum Nachlass oder das Vorhandensein einzelner Nachlassverbindlichkeiten. Im Gegensatz dazu ist es unbeachtlich, wenn dem Erben die einzelnen Aktiv- bzw. Passivposten des Nachlasses bekannt sind, er sie jedoch lediglich irrtümlich unzutreffend bewertet. 67 Gem. § 1954 BGB beträgt die Anfechtungsfrist sechs Wochen ab Kenntnis
derjenigen Tatsachen, die die Anfechtungsmöglichkeit begründen bzw. ab Beendigung der Zwangslage. Im Gegensatz zu der ausdrücklich in § 1956 BGB geregelten Anfechtbarkeit der Versäumung der Ausschlagungsfrist fehlt eine ausdrückliche Regelung zu einer etwaigen Anfechtung der Versäumnis der Anfechtungsfrist. Ob auch die Versäumnis der Anfechtungsfrist anfechtbar ist, ist umstritten. Das BayObLG bejaht dies,3 in der Literatur wird eine Anfechtung der Versäumnis der Anfechtungsfrist teilweise abgelehnt.4 Die Form der Anfechtung richtet sich nach den Regelungen über die Form der Ausschlagung gem. § 1945 BGB. Die Anfechtung bewirkt gem. § 142 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts und gilt darüber hinaus gem. § 1957 Abs. 1 BGB bei Anfechtung der Annahme als Ausschlagung bzw. bei Anfechtung der Ausschlagung als Annahme. 68 In Nachlassverfahren auf Bestimmung einer Inventarfrist nach § 1994
Abs. 1 Satz 1 BGB wird im Rahmen inzidenter Prüfung der Erbenstellung des Schuldners angenommen, dass die Anfechtungsfrist iSd. § 1954 BGB als nicht gewahrt gilt, wenn der Anfechtende die Tatsachen für die Erlangung seiner Kenntnis vom Anfechtungsgrund, die das Nachlassgericht nicht anderweitig ermitteln kann, nicht innerhalb dieser Frist darlegt und dadurch seine Mitwirkungspflicht aus § 27 FamFG verletzt.5 Dieser Grundsatz lässt sich jedoch nicht über das Inventarfristverfahren hinaus beliebig auf andere Verfahrensarten, insbesondere nicht auf Erbscheinsverfahren übertragen, da dort das Nachlassgericht von der in Rede stehenden Erbenstellung überzeugt sein muss und diese Überzeugung nicht durch Sanktionen wegen Verletzung von etwaigen Mitwirkungspflichten ersetzt werden darf.6
1 2 3 4 5
OLG Hamm v. 10.6.1985 – 15 W 131/85, MDR 1985, 937 f. = Rpfleger 1985, 364 f. RGZ 19.2.1934 – IV 394/33, RGZ 143, 419 (423). BayObLG v. 13.1.1983 – 1 Z 27/82, FamRZ 1983, 834 ff. = BayObLGZ 1983, 9 (13). Leipold, Erbrecht Rz. 449. OLG Düsseldorf v. 10.1.2013 – I-3 Wx 155/12, NJW-RR 2013, 842 ff. = MittBayNot 2013, 491 (492). 6 Odersky, MittbayNot 2013, 493.
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B. Anfechtung der Annahme, Fristversumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung
II. Anfechtung der Fristversäumnis Der praktisch häufigste Fall ist die Anfechtung der Fristversäumnis.
M 263
69
Anfechtung der Versumnis der Ausschlagungsfrist unter Nachholung der Ausschlagung (Auszug)
. . . (wie M 257) Ich habe die Erbschaft nach . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) niemals annehmen wollen. Ich war irrtmlich der Meinung, zur Annahme bedrfe es einer ausdrcklichen Erklrung. Weiterhin war mir nicht bekannt, dass die Erbschaft dem Erben mangels Ausschlagung von selbst anfllt bzw. dann, wenn eine Annahme nicht gewnscht wird, innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausgeschlagen werden muss. Ferner hatte ich bislang keine Kenntnis davon, dass der Nachlass berschuldet ist, da mir die Darlehensverbindlichkeiten bei . . . (Glubigername) nicht bekannt waren. Ich fechte hiermit den Ablauf der Ausschlagungsfrist und eine eventuelle konkludente Annahme der Erbschaft an. Zugleich schlage ich die Erbschaft hiermit aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne jede Bedingung aus. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) (Unterschriftsbeglaubigung) ...
III. Anfechtung der Ausschlagung 1. Grundfall Eine Anfechtung der Erbausschlagung erfolgt zumeist nach irrtümlicher 70 Annahme wertreduzierender Faktoren des Nachlasses, die zu einer Überschuldung des Nachlasses geführt hätten. Auch insoweit ist erforderlich, dass der Irrtum auf unrichtigen Vorstellungen über den Bestand der Aktiva und Passiva beruht. Dies ist bspw. nicht der Fall, wenn der Ausschlagende davon ausgegangen war, der Nachlass sei „wohl eher überschuldet“, und damit zumindest eine Nichtüberschuldung in Kauf nahm.1 Ein bloßer Motivirrtum wie beispielsweise über die Wirksamkeit der Ausschlagung eines anderen Miterben2 oder den aufgrund der eigenen Ausschlagung nun
1 OLG Düsseldorf v. 5.9.2008 – I-3 Wx 123/08, RNotZ 2009, 52 (54). 2 OLG München v. 4.8.2009 – 31 Wx 60/09, NJW 2010, 687; Palandt/Weidlich, § 1954 BGB Rz. 5.
757
8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
nächstberufenen Erben1 ist unbeachtlich und begründet keine Anfechtungsberechtigung.
M 264
Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft (Auszug)
. . . (wie M 257) Durch çffentlich beglaubigte Erklrung vom . . . (Errichtungsdatum) habe ich die mir durch das Testament meines am . . . (Sterbedatum) verstorbenen Onkels . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) angefallene Erbschaft ausgeschlagen. Zu dieser Ausschlagung bin ich durch arglistige Tuschung bestimmt worden. Der Miterbe . . . (Vor- und Nachname) hat mir gegenber behauptet, er habe festgestellt, der Nachlass sei berschuldet. Dies habe sich daraus ergeben, dass die zu Lasten des zum Nachlass gehçrigen Grundbesitzes (genauer Grundbuchbeschrieb) eingetragenen Grundschulden iHv . . . (Betrag) mit offenen Darlehensverbindlichkeiten des Erblassers valutiert gewesen seien. Daher habe auch dieser Miterbe die Erbschaft bereits ausgeschlagen. Beides trifft jedoch nicht zu. Die eingetragenen Grundschulden sind nicht mehr valutiert, entsprechende Darlehensverbindlichkeiten sind nicht vorhanden und der Miterbe hat die Erbschaft zu keinem Zeitpunkt gegenber dem Nachlassgericht ausgeschlagen. Erst unter Zugrundelegung des behaupteten offenen Darlehensbetrages entstand bei mir die berzeugung, dass der Nachlass insgesamt berschuldet ist. In meiner Ausschlagungserklrung hatte ich auf die berschuldung des Nachlasses als Grund fr meine Ausschlagung hingewiesen. Von dieser arglistigen Tuschung habe ich erst heute Kenntnis erlangt. Ich habe heute bereits bei der Staatsanwaltschaft in . . . (Ort) Strafanzeige erstattet. Ich fechte daher meine gegenber dem Nachlassgericht am . . . (Errichtungsdatum) abgegebene Erbausschlagungserklrung UR . . . (Urkundenrollennummer) des Notars . . . (Name) in . . . (Ort) an und erklre, dass ich die Erbschaft nach meinem Onkel . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) annehme. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) (Unterschriftsbeglaubigung)
2. Deutsch-deutsche Nachlassspaltung 71 Problematisch ist die Anfechtung einer Erbausschlagung wegen vermeint-
licher Überschuldung des Nachlasses bei Nachlassspaltung, insbesondere in deutsch – deutschen Erbfällen, bei denen der westdeutsche Erblasser 1 OLG Hamm v. 31.5.2011 – I-15 W 176/11, FGPrax 2011, 236 f.; Palandt/Weidlich, § 1954 BGB Rz. 5.
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B. Anfechtung der Annahme, Fristversumnis, Ausschlagung bzw. Anfechtung
mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nach dem 31.12.1975, jedoch vor dem 3.10.1990 verstarb und Eigentum sowie andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich zu diesem Zeitpunkt in der früheren DDR befanden, hinterlässt. Gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB iVm. § 25 Abs. 2 DDR-RAG tritt Nachlassspaltung ein und ist für das vorstehend genannte in der früheren DDR belegene Vermögen auch für die Erbausschlagung und deren Anfechtung das damals geltende DDR-ZGB, insbesondere die §§ 402 ff. DDR-ZGB, anwendbar. Es sind daher zwei eigenständige Nachlässe zu beurteilen, der aus dem Grundbesitz in der früheren DDR bestehende Nachlass nach den Regeln des DDR-ZGB einerseits und der übrige Nachlass nach den Regeln des BGB andererseits. Trotz Nachlassspaltung haftet jeder eigenständige Nachlass den Gläubigern gegenüber jeweils bis zu seiner Erschöpfung uneingeschränkt in voller Höhe und nicht lediglich pro rata im Verhältnis des jeweiligen Nachlassteils zum Gesamtnachlass, soweit nicht ausnahmsweise eine eindeutige alleinige Zuordnung zu einer der beiden Nachlassmassen, wie zB bei dinglichen Schulden, möglich ist.1 Insbesondere haften alle vorhandenen Nachlassmassen ungeachtet eines eventuellen späteren Ausgleichsanspruches untereinander uneingeschränkt für Geldschulden des Erblassers. Dies gilt auch für den gem. § 25 Abs. 2 DDR-RAG nach DDR-Recht zu beurteilenden Nachlass. Bei Berechnung der Überschuldung ist sodann getrennt nach jeder eigenständigen Nachlassmasse wie folgt zu bewerten: Für den nach DDR-Recht zu beurteilenden Grundbesitz in der früheren DDR ist dessen Wert im Verhältnis zum Wert sämtlicher Verbindlichkeiten, die nicht ausschließlich dem anderen Nachlass zugeordnet werden können, maßgebend, wodurch als Nachlassverbindlichkeiten insbesondere allgemeine Geldschulden zu berücksichtigen sind, selbst wenn sie nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland begründet und vererbt wurden; für den nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zu behandelnden Nachlass ist das gesamte übrige Aktivermögen maßgebend, dem sämtliche Verbindlichkeiten gegenüberzustellen sind, soweit sie nicht ausnahmsweise ausschließlich dem DDR-Recht unterliegenden Nachlass zuzuordnen sind.2
IV. Anfechtung der Annahme Eine Anfechtung der Erbannahme erfolgt meist nach irrtümlicher Annah- 72 me wertbildender Faktoren des Nachlasses, die zu einem positiven Nachlasssaldo geführt hätten.
1 Ivo, NJW 2003, 185, (186) mwN. 2 BayObLG v. 5.7.2002 – 1Z BR 45/01, NJW 2003, 216 (221).
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
M 265
Anfechtung der Annahme einer Erbschaft (Auszug)
. . . (wie M 257) Durch Erbscheinsantrag vom . . . (Datum) habe ich gegenber dem Nachlassgericht die Erbschaft nach meinem Vater . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) angenommen. Bei Annahme der Erbschaft bin ich irrtmlich davon ausgegangen, dass die zu Lasten des Grundbesitzes in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) eingetragenen Grundschulden keine Kredite des Erblassers mehr sichern, sondern unvalutiert sind. Nunmehr hat sich herausgestellt, dass diese Grundschulden noch Restdarlehensverbindlichkeiten des Erblassers iHv. . . . (Hçhe des noch offenen Darlehensbetrages) sichern. Unter Bercksichtigung dieses betrchtlichen notleidenden Darlehensbetrages ist fr mich nun erstmals erkennbar geworden, dass der Nachlass insgesamt berschuldet ist. Von dem offenen Restdarlehensbetrag habe ich erst durch heutiges Schreiben der Glubigerbank Kenntnis erlangt. Das Schreiben fge ich meiner heutigen Erklrung zum Nachweis bei. Ich fechte daher meine von mir erklrte Annahme hiermit an und schlage zugleich die Erbschaft nach meinem Vater aus allen mçglichen Berufungsgrnden und ohne jede Bedingung aus. Ich habe und erwarte keine Abkçmmlinge. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) (Unterschriftsbeglaubigung)
V. Anfechtung der Annahmeanfechtung 73 Die Anfechtung der Erbschaftsannahme kann nicht widerrufen, jedoch
wegen Irrtums angefochten werden, sofern sie selbst auf einem beachtlichen Irrtum beruht.1 Die Anfechtung bedarf analog §§ 1945, 1955 BGB der Form der Ausschlagung.2
1 OLG Hamm v. 29.1.2009 – I-15 Wx 213/08, FGPrax 2009, 119 ff. = Rpfleger 2009, 384 (385 f.). 2 OLG Hamm v. 29.1.2009 – I-15 Wx 213/08, FGPrax 2009, 119 ff. = Rpfleger 2009, 384 (385 f.); MünchKomm.BGB/Leipold § 1955 BGB Rz. 4.
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C. Vermchtnisausschlagung und deren Anfechtung
VI. Abgrenzung zur Haftungsbeschränkung Von der Frage der Erbausschlagung bzw. deren Anfechtung, die insbeson- 74 dere nicht auf die den Wert des Aktivvermögens übersteigenden Verbindlichkeiten beschränkt werden kann, ist eine eventuelle Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, insbesondere durch Nachlassverwaltung, Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahren, Aufgebot der Nachlassgläubiger bzw. Inventarerrichtung zu unterscheiden.
C. Vermächtnisausschlagung und deren Anfechtung Gem. § 2176 BGB fällt dem Vermächtnisnehmer das ihm zugewandte Ver- 75 mächtnis mit dem Erbfall dergestalt an, dass der Vermächtnisanspruch sofort entsteht. Nach § 2180 BGB kann der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis – soweit er es noch nicht angenommen hat – durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten nach Eintritt des Erbfalls ausschlagen. Die Ausschlagungserklärung darf weder unter einer Bedingung noch unter einer Zeitbestimmung abgegeben werden. Die Ausschlagung ist an keine Form gebunden. Sie ist zudem selbst bei wechselbezüglichen Verfügungen nicht fristgebunden, da § 2180 Abs. 3 BGB gerade nicht auf § 1944 BGB verweist.1 Es ist jedoch empfehlenswert, aus Nachweisgründen schriftlich auszuschlagen und das Schriftstück per Einschreiben gegen Rückschein an den Beschwerten zu übersenden. Es besteht keine Ausschlagungsfrist. Die Erklärungen sind nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB gegenüber dem Beschwerten anfechtbar. Die Annahme des Vermächtnisses schließt gem. § 2180 Abs. 1 BGB dessen Ausschlagung aus. Die Ausschlagung des Vermächtnisses bewirkt gem. §§ 2180 Abs. 3, 1953 BGB, dass das Vermächtnis dem Ausschlagenden als nicht angefallen gilt. Nach § 2180 Abs. 3 BGB findet zudem die Regelung aus § 1952 Abs. 1 und 3 BGB Anwendung, so dass auch ein dem Erblasser angefallenes Vermächtnis aus nach diesem ererbtem Ausschlagungsrecht ausgeschlagen werden kann.2
1 BGH v. 12.1.2012 – IV ZR 230/09, NJW 2011, 1353 (1354). 2 Von Oertzen/Reich, ZEV 2010, 281.
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8. Kap. Gestaltung durch Erbschafts- bzw. Vermchtnisausschlagung
M 266
Ausschlagung eines Vermchtnisses
An . . . (Vor- und Nachname des Erben) . . . (Wohnanschrift des Erben) Vermchtnis nach Ziff. . . . des Testaments des Erblassers . . . (Vor- und Nachname des Erblassers) vom . . . (Errichtungsdatum, bei notariellem Testament zustzlich Name des Notars und Urkundenrollennummer) Sehr geehrter/geehrte Herr/Frau . . . (Vor- und Nachname des Erben) Auf Grund des o.g. Testaments ist mir der dort genannte Geldbetrag unter der Auflage vermacht worden, hieraus die Pflege der Katze des Erblassers im Tierheim in . . . (Ort) zu bezahlen. Ich schlage hiermit das vorstehend genannte Vermchtnis ohne jede Bedingung oder Zeitbestimmung aus. Mit freundlichen Grßen . . . (Unterschrift)
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9. Kapitel Erbnachweis und diesbezügliches Verfahren
Inhaltsübersicht Rz. A. Erbscheinsverfahren und Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wesen und Bedeutung des Erbscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legitimationsfunktion. . . . . . . 2. Fehlen materieller Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Alternative Erbnachweise in der Übersicht. . . . . . . . . . . . . . . II. Erbscheinsverfahren . . . . . . . . . . . 1. FamFG ersetzt FGG . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . b) Örtlich . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktionell . . . . . . . . . . . . . d) International . . . . . . . . . . . . e) Geschäftsverteilung . . . . . . 3. Erbscheinsantrag. . . . . . . . . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . b) Antragsberechtigung . . . . . . c) Antragsform . . . . . . . . . . . . . d) Antragsinhalt . . . . . . . . . . . . aa) Übersicht . . . . . . . . . . . . (1) Systematik. . . . . . . . (2) Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . (3) Gewillkürte Erbfolge . . . . . . . . . . (4) Gemeinschaftlicher Erbschein . . . . . . . . . bb) Einzelheiten . . . . . . . . . cc) Im Ausland belegene Nachlassgegenstände . . e) Nachweise . . . . . . . . . . . . . . f) Haupt- und Hilfsantrag . . . . g) Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis. . . . . . . . . . . . . . . . h) Keine Bindung an ausländische Erbfolgezeugnisse . . 4. Bei angeordneter Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . 5. Gemeinschaftlicher Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorläufiger Erbschein . . . . . . . . 7. Teilerbschein. . . . . . . . . . . . . . . 8. Erbschein bei angeordneter Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
1 1 1 2 4 5 5 6 6 7 8 9 10 11 11 12 13 16 16 16
9.
10.
11.
12.
13. 17 14. 18 19 20 21 22 23 24 26 27 28 29 30 31
a) Vor Eintritt des Nacherbfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorausvermächtnis an den Alleinvorerben . . . . . . c) Nach Eintritt des Nacherbfalls . . . . . . . . . . . . . . . . Erbschein bei aufschiebend bedingter Nacherbfolge (Wiederverheiratungsklausel) . . . . Erbschein bei Vorausvermächtnis an Vorerben ab Eintritt des Nacherbfalls . . . . Erbschein und Pflichtteilsstrafklausel (Verwirkungsklausel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbschein bei Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenrechtserbschein . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . bb) Deutscher Erblasser . . cc) Ausländischer Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Doppelerbschein . . . . . . . . c) Fremdrechtserbschein . . . . Innerdeutsche Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststellungs- bzw. Auslegungsvertrag und Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Testamentsvollstreckerzeugnis und sonstige Erklärungen . . . . . . . I. Nachfolgertestamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Annahme bzw. Ablehnung des Testamentsvollstreckeramts . . . . III. Testamentsvollstrecker- bzw. Nacherbenvollstreckerzeugnis. . .
31 33 35
37
40
46 47 47 47 50 51 54 55 56
57 59 59 60 61
C. Vermächtnisvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 D. Weitere Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweise. . . . . . . . . . I. Gegenüber Grundbuchämtern . . . II. Gegenüber Banken und Sparkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenüber Registergerichten . . . .
65 65 70 72
763
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren Rz. IV. Die notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen als Testamentsvollstreckernachweis . . .
73
E. Europäisches Nachlasszeugnis für Erbfälle ab dem 17.8.2015. . . .
74
F. Änderungen des nationalen Rechts für Erbfälle ab dem 17.8.2015 zwecks Durchführung der EuErbVO . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
Rz. I. Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG-E) . . 3. Änderung des FamFG . . . . . . . . 4. Änderung des EGBGB . . . . . . . . 5. Änderung des BGB . . . . . . . . . . 6. Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . .
84 85 85 86 88 92 96 97
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein I. Wesen und Bedeutung des Erbscheins 1. Legitimationsfunktion 1
Der Erbschein ist eine öffentliche Urkunde, durch die die Gesamtrechtsnachfolge des Erben, die jeweilige Erbteilsquote und das Bestehen bzw. Nichtbestehen eventueller Beschränkungen des Erben bezeugt wird. Die Richtigkeit des bezeugten Erbrechts wird nach § 2365 BGB vermutet, soweit nicht mehrere einander widersprechende Erbscheine vorliegen. Gem. §§ 2366, 2367 BGB genießt der erteilte und in Kraft befindliche Erbschein öffentlichen Glauben. Geschützt ist jedoch ausschließlich der rechtsgeschäftliche Einzelerwerb und dieser lediglich insoweit, als der in Rede stehende Gegenstand tatsächlich zum Nachlass gehört. Diese Richtigkeitsfunktion des Erbscheins gilt entsprechend auch dann, wenn ein Erbscheinserbe hinsichtlich eines Geschäftsanteils einer GmbH, der zum Nachlass gehört, an Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der GmbH mitwirkt.1 Ungeachtet hiervon bleibt die tatsächliche Erbfolge von einem abweichenden Erbschein unberührt. 2. Fehlen materieller Rechtskraft
2
Mangels materieller Rechtskraft vermag daher ein Erbschein ein Prozessgericht nicht inhaltlich zu binden. Umgekehrt ist das Nachlassgericht, wenn ausschließlich die Prozessparteien Beteiligte des Erbscheinsverfahrens sind, trotz der Unterschiede im jeweiligen Verfahren an rechtskräftige Zivilprozessurteile gebunden, die das Erbrecht als solches feststellen, nicht jedoch bei einer ausschließlichen Behandlung des Erbrechts als Vorfrage oder vorgreifliches Rechtsverhältnis.2 Umstritten ist, ob insoweit
1 Däubler, GmbHR 1963, 181. 2 MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2359 BGB Rz. 41 ff.
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
auch bloße Anerkenntnis-, Verzichts- bzw. Versäumnisurteile Bindungswirkung entfalten.1 Ausnahmsweise entfällt eine Bindung jedoch, wenn sich der im Zivilpro- 3 zess Unterlegene gegenüber der Ausnutzung des rechtskräftigen Urteils auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung wegen sittenwidriger Herbeiführung der Rechtskraft berufen kann.2 3. Alternative Erbnachweise in der Übersicht Alternativ kann die Erbfolge, soweit sie auf einer Verfügung von Todes 4 wegen beruht, nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO im Falle einer in öffentlicher Urkunde enthaltenen Verfügung gegenüber dem Grundbuchamt (s. dazu Rz. 65 ff.) bzw. nach Rechtsprechung des BGH grundsätzlich bei einer Verfügung auch im Verhältnis zu Banken und Sparkassen (s. dazu Rz. 70 f.) durch Vorlage eben dieser Verfügung samt Niederschrift über deren Eröffnung nachgewiesen werden, soweit nicht die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen erscheint. Während ein Erbschein stets in Ausfertigung vorzulegen ist, genügt für einen Nachweis gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO die Vorlage einer beglaubigten Abschrift, es genügt sogar eine beglaubigte Abschrift von einer beglaubigten Abschrift statt von der Urschrift,3 hilfsweise kann auf die die Urkunde enthaltenden Nachlassakten verwiesen werden, wenn diese bei demselben Amtsgericht bzw. (in BadenWürttemberg bis zum Vollzug der dortigen Notariatsreform mit Ablauf des 31.12.2017) Amtsnotariat geführt werden,4 die dann analog den Regelungen über die Bezugnahme auf Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Vereins- bzw. Güterrechtsregister nach §§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 2 GBO beizuziehen sind.5 Für Nachlassfälle, die ab einschließlich 17.8.2015 verstorbene Personen betreffen, kommt alternativ als Erbnachweis ein Europäisches Nachlasszeugnis in Betracht (s. dazu Rz. 74 ff.). Entsprechendes gilt nach § 35 Abs. 2 Halbs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 GBO, § 62 EuErbVO bzw. nach Rechtsprechung des BGH grundsätzlich bei einer Verfügung auch im Verhältnis zu Banken und Sparkassen jeweils für das Amt des Testamentsvollstreckers alternativ zu einem Testamentsvollstreckerzeugnis.
1 Bejahend Lange/Kuchinke, § 39 III; Erman/Schlüter, 13. Aufl. 2011 § 2359 BGB Rz. 5; ohne ausdrückliche Erwähnung von Anerkenntnis- bzw. Versäumnisurteilen allgemein für rechtkräftige Urteile bejahend Erman/Simon, § 2359 BGB Rz. 5; verneinend MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2359 BGB Rz. 43; Zimmermann, Erbschein, Rz. 168. 2 BGH v. 24.9.1987 – III ZR 187/86, NJW 1987, 3256 (3257 ff.); BGH v. 21.6.1951 – III ZR 210/50, NJW 1951, 759; RGZ v. 3.5.1937 – VI 333/36, RGZ 155, 55 (60 f.); Prütting/ Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 14; Erman/Schlüter, 13. Aufl. 2011 § 2359 BGB Rz. 5. 3 KG v. 16.9.1997 – 1 W 4156/97, FGPrax 1998, 7. 4 BGH v. 20.5.1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170 (172). 5 BeckOK GBO/Wilsch, § 35 GBO Rz. 89.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
II. Erbscheinsverfahren 1. FamFG ersetzt FGG 5
Aufgrund des am 1.9.2009 in Kraft getretenen FGG-RG sind auch in Nachlassverfahren die zuvor maßgebenden Regelungen des FGG durch das neue FamFG ersetzt worden. Im Vordergrund stehen dabei insbes. eine Erweiterung der Beteiligtenrechte durch die §§ 7, 345 FamFG, die Ausdehnung der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte nach § 105 FamFG und die Ersetzung der bisherigen Vorbescheids- durch eine Suspensivlösung im streitigen Zeugniserteilungsverfahren gem. § 352 FamFG.1 Nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG gilt übergangsweise das alte Recht insbesondere für bis dahin – bspw. durch vor dem 1.9.2009 eingereichten Erbscheinsantrag – bereits eingeleitete Verfahren. Altverfahren in diesem Sinne sind solche, die durch Endentscheidung gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG abgeschlossen werden. Dabei gilt im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels erst ab dem 1.9.2009 gegen eine Entscheidung über ein bis zum 31.8.2009 eingeleitetes Verfahren für Rechtsmittelzug, Verfahren und anzuwendendes Recht mangels diesbezüglicher Einschlägigkeit des FGG-RG nach wie vor altes Recht, so dass über eine Beschwerde nach § 19 Abs. 1 FGG zwecks einheitlicher Handhabung für den gesamten Instanzenzug2 das Landgericht als Beschwerdegericht iSd. § 19 Abs. 2 FGG entscheidet.3 2. Zuständigkeit a) Sachlich
6
Für die Erteilung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen ist sachlich nach § 23a Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 GVG das Amtsgericht als Nachlassgericht zuständig, in Baden-Württemberg nach Art. 147 EGBGB iVm. §§ 1 Abs. 1 und 2, 38 LFGG BW das staatliche Notariat.4 1 Vgl. dazu jeweils Fröhler, BWNotZ 2008, 183 ff. 2 Begr. zum GesetzE der BReg. zu Art. 111 FGG-RG, BT-Drucks. 16/6308, S. 359; BGH v. 1.3.2010 – II ZB 1/10, FGPrax 2010, 102 (103); OLG Köln v. 2.11.2009 – 2 Wx 88/09, FGPrax 2009, 287 (288). 3 BGH v. 1.3.2010 – II ZB 1/10, FGPrax 2010, 102 (103); OLG Köln FGPrax v. 2.11.2009 – 2 Wx 88/09, 2009, 287 (288); OLG Stuttgart v. 6.2.2012 – 18 UF 67/2010, Die Justiz 2012, 443; MünchKomm.FamFG/Pabst, Art. 111 FGG-RG Rz. 16; Sternal, FGPrax 2009, 143; Thomas/Putzo/Hüßtege, vor § 606 ZPO Rz. 3; Prütting/Helms, Art. 111 FGG-RG Rz. 6; Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 195; aA Zöller/Geimer, FamFG Einl Rz. 54: Behandlung jeder Instanz als ein selbständiges Verfahren mit der Folge, dass sich der Rechtsmittelzug samt Verfahren und anzuwendendem Recht für ein vor dem 1.9.2009 eingeleitetes, durch Entscheidung nach altem Recht abgeschlossenes Verfahren nunmehr gleichwohl nach dem FGG-RG richten würde und daher nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG das Oberlandesgericht anstelle des Landgerichts Beschwerdegericht wäre. 4 Insges. zur sachlichen Zuständigkeit Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 129 bis 141.
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
b) Örtlich Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 343 FamFG, dabei primär 7 nach dem Wohnsitz des Erblassers iSd. §§ 7 ff. BGB zur Zeit des Erbfalls (s. dazu oben 8. Kap. Rz. 7 ff.), in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes nach dem Aufenthalt des Erblassers zur Zeit des Erbfalls. Hatte der Erblasser zur Zeit des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt, ist bei einem deutschen Erblasser nach § 343 Abs. 2 FamFG das Amtsgericht Schöneberg in Berlin mit der Möglichkeit einer Verweisung an ein anderes Gericht aus wichtigen Gründen, bei einem ausländischen Erblasser nach § 343 Abs. 3 FamFG jedes Gericht, in dessen Bezirk sich mindestens ein Nachlassgegenstand befindet, für alle Nachlassgegenstände allgemein örtlich zuständig.1 Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregierung zur Angleichung an die EuErbVO eine Gesetzesänderung dahingehend, dass maßgebendes Zuständigkeitskriterium primär der gewöhnliche inländische Aufenthalt (s. dazu nachfolgend Rz. 90) des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes, hilfsweise der letzte gewöhnliche inländische Aufenthalt des Erblassers ist. Wiederum ersatzweise soll dann für einen deutschen Erblasser oder unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Erblassers bei Belegenheit von Nachlassgegenständen im Inland das Amtsgericht Schöneberg in Berlin mit Verweisungsmöglichkeit bei wichtigem Grund örtlich zuständig sein (s. dazu nachfolgend Rz. 90).2 c) Funktionell Funktionell ist nach § 3 Nr. 2 Buchst. c RPflG grundsätzlich der Rechts- 8 pfleger zuständig, soweit nicht ausnahmsweise nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG für die Erteilung von Erbscheinen bei Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen oder bei möglicher Anwendbarkeit ausländischen Rechts und für die Erteilung von Testamentsvollstreckerzeugnissen ein Richtervorbehalt besteht. Im badischen Rechtsgebiet Baden-Württembergs bleibt im Falle der Zuweisung eines Rechtspflegers daneben der (Richter-)Notar nach § 35 Abs. 3 RPflG zuständig.3 d) International Die internationale Zuständigkeit folgt für bis einschließlich 16.8.2015 9 verstorbene Personen unzweifelhaft gem. § 105 FamFG der örtlichen Zuständigkeit. Damit ist für seit dem 1.9.2009 eingeleitete Nachlassverfahren der frühere, kraft Richterrechts praktizierte, ungeschriebene Gleichlaufgrundsatz nicht mehr maßgebend, nach dem deutsche Gerichte für Nachlasssachen nur bei Anwendung deutschen Erbrechts (Sachrecht) zuständig seien4 und der lediglich durch auf inländischen Nachlass be1 Insges. zur örtlichen Zuständigkeit Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 1 bis 128. 2 GesetzE der BReg. zu § 343 FamFG, BR-Drucks. 644/14, S. 68. 3 Insges. zur funktionellen Zuständigkeit Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 142 bis 147. 4 BayObLG v. 13.11.1986 – BReg. 1 Z 4/86, NJW 1987, 1148 (1149).
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
schränkte Fremdrechtszeugnisse nach §§ 2369 Abs. 1 aF, 2368 Abs. 3 Halbs. 1 BGB durchbrochen wurde. Zwar sind für erbrechtliche Entscheidungen hinsichtlich am 17.8.2015 oder danach verstorbener Personen gem. Art. 4 iVm. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO1 – als nach Art. 3 Nr. 1 EGBGB gegenüber nationalen Regelungen und damit auch gegenüber §§ 105, 343 FamFG unmittelbar geltendes vorrangiges Recht2 – die Gerichte desjenigen Mitgliedstaats international zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes den gewöhnlichen Aufenthalt hatte, soweit nicht ausnahmsweise wegen abweichender Sonderregelungen nach Artt. 5 bis 11 EuErbVO aufgrund Rechtswahl, Gerichtsstandsvereinbarung, subsidiärer Belegenheit von Nachlassgegenständen bzw. Notzuständigkeit etwas anderes gilt.3 Die Erteilung, Einziehung bzw. Kraftloserklärung von Erbscheinen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und sonstigen vom Nachlassgericht nach § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG zu erteilenden Zeugnissen gehören jedoch ebenso wie die besondere amtliche Verwahrung nach § 342 Abs. 1 Nr. 1 FamFG zu den nicht von der internationalen Zuständigkeit der EuErbVO erfassten Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.4 Für sie richtet sich die internationale Zuständigkeit daher auch für Erbfälle ab dem 17.8.2015 unverändert nach §§ 105, 343 FamFG. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umkehrschluss zur Regelung des Art. 64 EuErbVO, die nur für das Europäische Nachlasszeugnis ausdrücklich auf die internationale Zuständigkeit aus den Artt. 4, 7, 10 oder 11 EuErbVO verweist, und dem weiteren Umstand, dass ein nationaler deutscher Erbschein ebenso wie beispielsweise ein acte de notoriete nach französischem Recht keine grenzüberschreitend anzuerkennende Entscheidung darstellt und daher keiner Bindung durch Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO unterliegt (s. dazu nachfolgend Rz. 87).5 e) Geschäftsverteilung 10 Von der sachlichen, örtlichen, funktionellen bzw. internationalen Zustän-
digkeit eines Gerichts ist die durch das jeweilige Gerichtspräsidium nach § 21e GVG vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer zu bestimmende Geschäftsverteilung innerhalb des zuständigen Gerichts streng zu unterscheiden.6 Der Geschäftsverteilungsplan konkretisiert als Akt gerichtlicher Selbstverwaltung sui generis den jeweiligen gesetzlichen Rich1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 idF v. 4.7.2012, ABl. EU 2012, Nr. L 201, S. 107. 2 Bachmayer, BWNotZ 2010, 146 (157); Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 152. 3 Insges. zur internationalen Zuständigkeit Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 148 bis 169. 4 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 47 IntErbRVG-E bzw. § 343 FamFG, BR-Drucks. 644/14, S. 64 iVm. S. 68 bzw. BT-Drucks. 18/4201, S. 59 iVm. S. 62 f. 5 Erman/Simon, § 2353 BGB Rz. 3; Dörner, ZEV 2012, 505 (512); Dorsel, DNotZ 2014, 396 (397 f.); Fröhler, BWNotZ 2015, 47 f.; Hertel, ZEV 2013, 539 (541); Lechner, ZErb 2014, 188 (192); Zöller/Geimer, Anh. II J: Art. 4 EuErbVO Rz. 10 f.; aA Erman/Hohloch, Art. 13 EuErbVO Rz. 1; MünchKomm.BGB/Dutta, Vorbemerk. zu Art. 4 EuErbVO Rz. 4; Palandt/Weidlich, Anh. zu §§ 2353 ff. BGB Rz. 10; Volmer 2014, 129 (130). 6 Prütting/Helms, § 2 FamFG Rz. 17.
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
ter für jeden Einzelfall.1 Nach der dem grundrechtsgleichen Recht des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechenden Regelung des § 16 Satz 2 GVG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Rechtspfleger sind keine Richter iSv. § 16 Satz 2 GVG bzw. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG,2 da sie keine rechtsprechende Gewalt iSd. Art. 92 GG ausüben.3 Entscheidet aufgrund fehlerhafter Anwendung des Geschäftsverteilungsplans ein nicht ordnungsgemäß besetztes Gericht iSd. Art. 92 GG,4 ist dessen Entscheidung – dies gilt allgemein, die ausdrückliche Regelung für Amtsgerichte nach § 22d GVG ist nicht abschließend5 – nicht nichtig6 und kann lediglich dann mit den allgemeinen Rechtsbehelfen bzw. der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG erfolgreich angefochten werden, wenn sie über eine bloße falsche Anwendung der Zuständigkeitsnormen hinaus wegen offensichtlicher Unhaltbarkeit bzw. Unverständlichkeit auf Willkür beruht.7 3. Erbscheinsantrag a) Übersicht Ein Erbschein wird auf entsprechenden Antrag, der Antragsberechtigung vo- 11 raussetzt und förmlich (s. dazu Rz. 13 ff.) gegenüber dem zuständigen (s. dazu Rz. 6 bis 9) Nachlassgericht zu stellen ist, durch das Nachlassgericht erteilt. b) Antragsberechtigung Der Antragsteller muss antragsberechtigt sein. Dies sind insbesondere – 12 unabhängig von einer Testamentsvollstreckungsanordnung8 – jeder Erbe,9 daneben zudem der das Gesamtgut verwaltende in Gütergemeinschaft verheiratete Ehegatte des Erben, soweit der Nachlass nicht nach § 1418 Abs. 2 BGB Vorbehaltsgut ist,10 jeder Miterbe, dabei auch11 oder sogar aus1 OVG Lüneburg v. 28.10.1983 – 8 C 2/83, NJW 1984, 627; Zöller/Lückemann, § 21e GVG Rz. 34. 2 BGH v. 10.12.2009 – V ZB 111/09, NJW-RR 2010, 1366 (1367 f.); Zöller/Lückemann, § 16 GVG Rz. 2. 3 BVerfG v. 20.1.1981 – 2 BvL 2/80, NJW 1981, 1033 (1034); BVerfG v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, NJW 2000, 1709; BGH v. 10.12.2009 – V ZB 111/09, NJW-RR 2010, 1366 (1367 f.); Zöller/Lückemann, § 16 GVG Rz. 2. 4 Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 192b. 5 Zöller/Lückemann, § 22d GVG Rz. 1. 6 Zöller/Lückemann, § 16 GVG Rz. 3. 7 BVerfG v. 19.7.1967 – 2 BvR 489/66, NJW 1967, 2151 (2152); Zöller/Lückemann, § 16 GVG Rz. 2. 8 KG v. 18.10.1906 – Az. n.v., RJA 8, 32 (33 f.); Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9. 9 Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 10. 10 BayObLG v. 9.12.1958 – BReg. 1 Z 84/58, BayObLGZ 1958, 365 (366); MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2353 BGB Rz. 90; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 27; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20; Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12. 11 KG v. 23.5.1935 – 1 Wx 180/35, JFG 13, 40 (41 f.); OLG München v. 8.7.1942 – 8 Wx 211 bis 213/42, JFG 23, 334 (335); Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 11.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
schließlich1 für den Erbteil eines anderen Miterben, jeder Erbeserbe auf den Namen des von ihm beerbten Erben,2 dingliche Erbteilserwerber iSd. § 2033 BGB nach dinglichem Vollzug der Erbteilsübertragung (auf den Namen des Erben),3 Vorerben vor Eintritt des Nacherbfalls,4 Nacherben nach Eintritt des Nacherbfalls,5 der Fiskus als gesetzlicher Erbe nach Feststellung des Fiskuserbrechts iSd. § 1964 BGB,6 Nachlassgläubiger mit vollstreckbarem Titel,7 Testamentsvollstrecker (jedoch weder der Nacherbenvollstrecker iSd. § 2222 BGB noch der Vermächtnisvollstrecker nach § 2223 BGB),8 Abwesenheits- und Auseinandersetzungspfleger,9 Nachlassverwalter,10 Nachlassinsolvenzverwalter,11 Eltern für ihre minderjährigen Kinder sowie Bevollmächtigte, die jedoch (ausgenommen für zwischenzeitlich geschäftsunfähig gewordene Antragsteller Bevollmächtigte) keine eidesstattliche Versicherung abgeben können,12 nicht jedoch Vermächtnisnehmer,13 Pflichtteilsberechtigte,14 bloße schuldrechtlich am Nachlass berechtigte Erbschaftskäufer iSd. § 2371 BGB, die nicht zugleich Erbteilserwerber iSd. § 2033 BGB sind,15 Erwerber einzelner Nachlassgegenstän1 OLG München v. 8.7.1942 – 8 Wx 211 bis 213/42, JFG 23, 334 (335); Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20; aA Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 11. 2 BayObLG v. 21.12.1951 – 2 Z 239/51, BayObLGZ 1951, 690 (692 f.); Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 15; Horndasch/Viefhues/ Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9. 3 KG v. 26.10.1922 – X 299, OLGR 44, 106 Fn. 1; Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 31; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 17; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9. 4 Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 14. 5 Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 10. 6 Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 16; Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12. 7 BayObLG v. 3.5.2001 – 1Z BR 18/00, NJW-RR 2002, 440; Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 19; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9. 8 BGH v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, NJW 2006, 3353 (3354); OLG Hamm v. 7.1.1993 – 15 W 341/92, FamRZ 1993, 825 (826); Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 24; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9. 9 LG München I v. 28.10.1949 – 1 T 831/49, DNotZ 1950, 33 (34); Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 26. 10 Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 24; Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12. 11 Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 24. 12 Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20. 13 BayObLG v. 10.2.2000 – 1 Z BR 3/2000, FamRZ 2000, 1231 (1232); OLG München v. 24.3.1937 – Wx 20/37, JFG 15, 246 (248 f.); MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 91; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 23; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9; Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 34. 14 OLG Köln v. 8.6.1994 – 2 Wx 16/94, NJW-RR 1994, 1421 (1422); OLG Hamm v. 21.11.1983 – 15 W 329/83, Rpfleger 1984, 273 f.; MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 91; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 18; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20; aA Keidel/ Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 32. 15 MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 84; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 18; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 20; aA Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 32.
770
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
de,1 Nachlasspfleger2 (aber doch als gesetzlicher Vertreter unbekannter Erbeserben3) oder Nachlassgläubiger ohne vollstreckbaren Titel.4 c) Antragsform Der Erbscheinsantrag ist als solcher formfrei zulässig. Insbesondere pro- 13 pagiert § 25 keine Zulässigkeitsvoraussetzung in Form eines Schriftformerfordernisses iSd. § 126 BGB, sondern zeigt lediglich Möglichkeiten der Antragstellungsform auf.5 Gleichwohl soll der Erbschein schriftlich oder durch Niederschrift zur Geschäftsstelle beantragt werden.6 Letztlich wird der Erbscheinsantrag jedoch im Hinblick auf das grundsätz- 14 liche Erfordernis einer eidesstattlichen Versicherung aller Erben – für den Vorerbschein jedoch nicht der Nacherben – iSd. §§ 2356 Abs. 2 Satz 1, 2357 Abs. 4 BGB (dass dem Antragsteller „nichts bekannt sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht“), die auch nachgereicht werden kann7 und grundsätzlich höchstpersönlich ohne Möglichkeit einer Bevollmächtigung (anders aber die Ausnahme für Geschäftsunfähige, s. sogleich Rz. 15) abzugeben ist,8 regelmäßig gerichtlich protokolliert bzw. notariell beurkundet werden,9 soweit das Nachlassgericht die eidesstattliche Versicherung nicht ausnahmsweise einzelnen Miterben oder insgesamt gem. §§ 2356 Abs. 2 Satz 2, 2357 Abs. 4 BGB erlässt. Die Notwendigkeit einer höchstpersönlichen Abgabe der eidesstattlichen 15 Versicherung obliegt geschäftsfähigen Erben,10 Parteien kraft Amtes (zB Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter bzw. Nachlassverwalter),11 gesetzlichen Vertretern für Geschäftsunfähige (zB Eltern, Vormund bzw. Be-
1 LG München I v. 28.10.1949 – 1 T 831/49, DNotZ 1950, 33 (34); MünchKomm.BGB/ J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 84; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 9; Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 32. 2 OLG Brandenburg v. 29.3.2001 – 10 Wx 3/00, FamRZ 2002, 1663 (1664); Prütting/ Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 18; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 26. 3 OLG Brandenburg v. 29.3.2001 – 10 Wx 3/00, FamRZ 2002, 1663 (1664); Staudinger/ Herzog, § 2353 BGB Rz. 26. 4 Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 12; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 10; Wurm/ Wagner/Zartmann/Fröhler, Kap. 92 Rz. 4. 5 Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 30; MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 63; Prütting/Helms/Ahn-Roth § 25 FamFG Rz. 7 ff. 6 Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 6; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 18. 7 Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 31. 8 KG v. 3.5.1967 – 1 W 791/67, OLGZ 1967, 247 (249); BayObLG v. 13.1.1961 – BReg. 1 ZS 143/58, BayObLGZ 1961, 4 (10); OLG München v. 4.4.1936 – 8 III 32/36, DNotZ 1937, 702 (703); Zimmermann, Erbschein Rz. 113 f. 9 OLG Köln v. 2.11.2009 – I-2 Wx 88/09, 2 Wx 88/09, FGPrax 2009, 287 (289). 10 BayObLG v. 13.1.1961 – BReg. 1 ZS 143/58, BayObLGZ 1961, 4 (10); Prütting/Helms/ Fröhler, § 352 FamFG Rz. 19; Zimmermann, Erbschein Rz. 113 f. 11 KG v. 3.5.1967 – 1 W 791/67, OLGZ 1967, 247 (249); Staudinger/Herzog, § 2356 BGB Rz. 58; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 19; Litzenburger, ZEV 204, 450 (451); Zimmermann, Rz. 113 f.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
treuer),1 wobei der Vertretungsausschluss nach § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB mangels diesbezüglichen Rechtsstreits nicht einschlägig ist, aber das Nachlassgericht im Falle eines Interessenkonfliktes dem zuständigen Betreuungs- bzw. Familiengericht die Nachlassakte unter Hinweis auf die diesbezügliche Problematik zwecks Prüfung etwaiger Maßnahmen nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 1796 BGB vorzulegen hat,2 Vorsorgebevollmächtigten für zwischenzeitlich geschäftsunfähig gewordene (nicht aber für geschäftsfähig gebliebene) Personen3 sowie analog § 455 Abs. 2 ZPO eidesfähigen minderjährigen Erben nach Vollendung des 16. Lebensjahres (insoweit ggf. gem. § 2358 Abs. 1 BGB zusätzlich gesetzlichen Vertretern).4 d) Antragsinhalt aa) Übersicht (1) Systematik 16 Die für den Erbscheinsantrag erforderlichen Angaben ergeben sich ins-
besondere aus den gesetzlichen Regelungen nach § 2354 BGB für gesetzliche Erbfolge, § 2355 BGB bei gewillkürter Erbfolge und § 2357 BGB hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Erbscheins. (2) Gesetzliche Erbfolge 17 Dies sind bei gesetzlicher Erbfolge nach § 2354 BGB die Zeit des Todes des
Erblassers, das Verhältnis, auf dem das Erbrecht beruht, ob und welche Personen vorhanden sind oder waren, durch die ein Erbe von der Erbfolge 1 LG Berlin v. 18.11.1975 – 83 T 460/75, Rpfleger 1976, 60; Zimmermann, Erbschein Rz. 114. 2 BayObLG v. 25.9.1961 – BReg. 1 Z 141, 149/61, NJW 1961, 2309. 3 Eine diesbezügliche Vertretung durch Vollmacht ausschließlich bei zwischenzeitlicher Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers bejahend: Litzenburger, ZEV 2004, 450 (452); Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 19; Staudinger/Herzog, § 2356 BGB Rz. 58 unter Hinweis auf die bewusste Stärkung und Angleichung der Rechtsstellung des Vorsorgebevollmächtigten an die des Betreuers nach der Neufassung der §§ 1896 Abs. 2 Satz 2, 1901a Abs. 5 BGB und 51 Abs. 3 ZPO durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz BGBl. I 2009, S. 2286 sowie auf die Entscheidung LG Leipzig v. 1.10.2009 – 4 T 549/08, ZErb 2009, 360 ff. = FamRZ 2010, 403 ff. zur Wirksamkeit und Gleichwertigkeit einer Zustellung der Ausfertigung eines notariell beurkundeten Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments durch einen Ehegatten an den Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten mit der von § 131 Abs. 1 BGB vorgesehenen Zustellung an den gesetzlichen Vertreter; auch insoweit verneinend: Erman/Simon, § 2356 BGB Rz. 7; ohne Differenzierung nach Geschäftsfähigkeit einerseits und zwischenzeitlicher Geschäftsunfähigkeit des Antragstellers andererseits verneinend: KG v. 3.5.1967 – 1 W 791/67, OLGZ 1967, 247 (249); Palandt/Weidlich, § 2356 BGB Rz. 12. 4 Zimmermann, Erbschein Rz. 114; Lange/Kuchinke, § 39 II 4; Staudinger/Herzog, § 2356 BGB Rz. 58; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 19; MünchKomm.BGB/ J.Mayer, § 2356 BGB Rz. 49; Bamberger/Roth/Siegmann/Höger, § 2356 BGB Rz. 7; Erman/Simon, § 2356 BGB Rz. 7; aA OLG Colmar v. 3.7.1907 – Az. n.v., OLGR 16, 64 (65).
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
ausgeschlossen oder dessen Erbteil gemindert werden würde bzw. in welcher Weise derartige Personen weggefallen sind, ob und welche Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind, sowie ob ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist. (3) Gewillkürte Erbfolge Bei gewillkürter Erbfolge sind gemäß § 2355 BGB folgende Angaben erfor- 18 derlich: die Bezeichnung der Verfügung, auf der das Erbrecht beruht; ob und welche sonstigen Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind; die Zeit des Todes des Erblassers; ob ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist; ob und welche Personen vorhanden sind oder waren, durch die ein Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen oder dessen Erbteil gemindert werden würde bzw. in welcher Weise derartige Personen weggefallen sind, bspw. die Auflösung der ersten Ehe, wenn der Erblasser in zweiter Ehe verheiratet war. (4) Gemeinschaftlicher Erbschein Wird ein gemeinschaftlicher Erbschein nicht von allen Erben beantragt, so 19 muss der Erbscheinsantrag nach § 2357 Abs. 3 Satz 1 BGB die Angabe enthalten, dass die übrigen Erben, die den Erbschein nicht beantragen, die Erbschaft angenommen haben. bb) Einzelheiten Der Antrag muss nach den §§ 2354, 2355 und 2357 BGB sowie auf Grund 20 des Umstandes, dass das Nachlassgericht wegen der diesbezüglichen Bindung davon weder inhaltlich abweichen noch teilweise dahinter zurückbleiben darf,1 zudem insbesondere folgende Gesichtspunkte genau und hinreichend bestimmt bezeichnen: – den Erben,2 – den Erblasser,3 – das zu bezeugende Erbrecht,4 – bei mehreren Erben die jeweilige Erbquote,5 wobei ausnahmsweise von deren zahlenmäßig bestimmter Angabe abgesehen, diese auch noch im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden kann und stattdessen zunächst die Mitteilung der zu deren Berechnung für maßgeblich gehaltenen Grundlagen ausreichend ist, wenn die genaue Erbquotenbeziffe1 2 3 4
KG v. 21.6.1954 – 1 W 1948/54, DNotZ 1955, 408 (410). Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 33. Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 33. Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 337; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 24; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 33. 5 OLG Frankfurt v. 20.3.1998 – 20 W 489/95, FamRZ 1998, 1394; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 36.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
rung den Antragsteller der Natur der Sache nach praktisch überfordert, bspw. bei unvermeidlichen Spielräumen im Rahmen der Ermittlung des Wertes einzelner Nachlassgegenstände (insbesondere Grundbesitz, Gewerbebetriebe und Wertpapiere), die entgegen § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung begründen,1 und darüber hinaus durch die geplante Einführung des § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG-E nun erstmals vorgesehen ist, dass die Angabe der Erbteile in einem gemeinschaftlichen Erbschein allgemein dann nicht erforderlich ist, wenn alle Antragsteller in dem Erbscheinsantrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten (s. dazu nachfolgend Rz. 89),2 – den beanspruchten Berufungsgrund der gesetzlichen oder auf Verfügung von Todes wegen beruhenden Erbfolge,3 obwohl dessen Erwähnung im Erbschein selbst „zwar zulässig, aber von den Ausnahmefällen der §§ 1951 und 2088 BGB abgesehen, entbehrlich“4 ist (ausnahmsweise aber doch bei verschiedenen Berufungsgründen und gleichzeitiger Notwendigkeit der Bezeichnung des Umfangs des Erbrechts5), – eventuelle Verfügungsbeschränkungen (bspw. Testamentsvollstreckung, Nacherbfolge, Ersatznacherbfolge, weitere Nacherbfolge, Nacherbenvollstreckung),6 – ggf. Namen der Nacherben, Ersatznacherben bzw. weiteren Nacherben,7 – ggf. gegenständliche Beschränkung (bspw. auf den im Inland belegenen Nachlass), Beschränkung auf ein bestimmtes Verfahren bzw. Gebrauchsbeschränkung (bspw. nur für Grundbuchzwecke),8 – bei Anwendung ausländischen Sachrechts die Maßgeblichkeit des ausländischen Erbstatuts,9 – bei vollständiger Rückverweisung auf deutsches Recht die Maßgeblichkeit des deutschen Erbstatuts und den Umstand dieser Rückverweisung.10 1 OLG Düsseldorf v. 9.11.1977 – 3 W 178/77, DNotZ 1978, 683 (684 f.); Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 14. 2 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 352a FamFG, BR-Drucks. 644/14, S. 70 f. 3 OLG Hamm v. 10.5.1968 – 15 W 532/67, NJW 1968, 1682; BayObLG v. 25.1.1973 – BReg. 1 Z 83/72, DNotZ 1973, 633 f.; Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 337; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 24; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 33. 4 BayObLG v. 25.1.1973 – BReg. 1 Z 83/72, DNotZ 1973, 633 (634); MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 25. 5 BayObLG v. 25.1.1973 – BReg. 1 Z 83/72, DNotZ 1973, 633 (634); Prütting/Helms/ Fröhler, § 352 FamFG Rz. 24; MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 25. 6 Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 337; Staudinger/Herzog, § 2353 BGB Rz. 33. 7 Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 24. 8 Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 24. 9 Palandt/Weidlich, § 2369 BGB Rz. 4; Wittkowski, RNotZ 2010, 102 (110); weitergehend (stets bei Maßgeblichkeit auch Angabe des deutschen Erbstatuts) Bachmayer, BWNotZ 2010, 142 (171). 10 Schotten, Rpfleger 1991, 181 (189); Wittkowski, RNotZ 2010, 102 (110); weitergehend (stets bei Maßgeblichkeit auch Angabe des deutschen Erbstatuts) Bachmayer, BWNotZ 2010, 142 (171); Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 24.
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
cc) Im Ausland belegene Nachlassgegenstände Zudem ist der Antragsteller zumindest auf nachlassgerichtliche Aufforde- 21 rung dazu verpflichtet, angesichts der aus § 105 FamFG resultierenden erweiterten internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte, die auch ausländischem Sachrecht unterliegenden Nachlass erfasst, im Erbscheinsantrag bzw. nachträglich ergänzend ausdrücklich anzugeben, ob sich Nachlassgegenstände im Ausland befinden oder nicht, bejahendenfalls, in welchem Staat welche Nachlassgegenstände, insbesondere Grundbesitz, vorhanden sind.1 e) Nachweise Der Antragsteller hat zudem die nach § 2356 BGB erforderlichen Nachwei- 22 se für die Richtigkeit seiner Angaben zu erbringen. Das Nachlassgericht kann Übersetzungen ausländischer Personenstandsurkunden, deren Sprache es nicht hinreichend kundig ist, durch nach Landesrecht ermächtigten oder bestellten Übersetzer verlangen, zusätzlich dessen Unterschrift jedoch nur dann in notariell beglaubigter Form, wenn sich konkrete und anders nicht aufklärbare Anhaltspunkte für eine Fälschung der Unterschrift ergeben.2 Neben der dort in Abs. 1 genannten Urkundenvorlage ist insbesondere die eidesstattliche Versicherung für entscheidungsrelevante negative Tatsachen gem. § 2356 Abs. 2 BGB bedeutsam, bspw. das Nichtvorhandensein (sonstiger) Verfügungen von Todes wegen, von Umständen, die das Ehegattenerbrecht iSd. § 1933 BGB bzw. das auflösend bedingte Schlusserbenrecht eines Abkömmlings durch Auslösung einer Pflichtteilsstrafklausel3 (s. dazu und zur Notwendigkeit eines diesbezüglichen Erlassvertrags Rz. 46) ausschließen würden, bzw. wirksamer Vereinbarungen oder Zuerkennung von Erbausgleich iSd. §§ 1934a ff. aF BGB durch rechtskräftiges Urteil bzw. des Todeseintritts beim Erblasser jeweils bis zum 31.3.1998 nach Art. 227 EGBGB, wodurch das gesetzliche Erbrecht zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern bzw. väterlichen Verwandten nach § 1934e aF BGB ausgeschlossen wäre, bzw. die Erbschaftsannahme durch die nicht antragstellenden Miterben beim gemeinschaftlichen Erbschein nach § 2357 Abs. 2 Satz 1 BGB (zB über die ausdrückliche Annahme gegenüber dem Antragsteller oder das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist in Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung sowie Ausschlagungsrecht).
1 Bachmayer, BWNotZ 2010, 146 (172); Schaal, notar 2010, 393 (399); Prütting/Helms/ Fröhler, § 352 FamFG Rz. 26. 2 OLG Karlsruhe v. 5.3.2013 – 11 Wx 16/13, Die Justiz 2013, 177 ff.; Prütting/Helms/ Fröhler, § 352 FamFG Rz. 28. 3 OLG Frankfurt v. 10.2.2011 – 20 W 453/10, MittBayNot 2012, 229 (230) mit Anm. von Zimmermann; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 28.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
f) Haupt- und Hilfsantrag 23 Mehrere verschiedene Anträge dürfen als Haupt- und Hilfsantrag mit-
einander verbunden werden, wenn jeder Antrag für sich das mit ihm beanspruchte Erbrecht bestimmt bezeichnet und die Reihenfolge, in der die Anträge zu prüfen und zu bescheiden sind, vorgegeben ist.1 Dagegen ist ein lediglich – bspw. um eine spätere Erbschaftsannahmeanfechtung auflösend bzw. Erbausschlagungsanfechtung aufschiebend – bedingter Antrag unzulässig.2 Ein Hilfsantrag kann beim Nachlassgericht auch nach Erlass des angefochtenen ablehnenden Beschlusses über den bisherigen einzigen Erbscheinsantrag (künftig Hauptantrag) uneingeschränkt gestellt werden, solange über eine Abhilfe noch nicht entschieden worden ist,3 darüber hinaus anders als noch unter Geltung des FGG ausnahmsweise sogar erstmals im Beschwerdeverfahren, wenn der Hilfsantrag „auf einen Lebenssachverhalt gestützt wird, der bereits Gegenstand des Verfahrens erster Instanz war und in der Sache der Anpassung des Antrags an Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens, insbesondere der Berücksichtigung eines gerichtlichen Hinweises, dient“.4 g) Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis 24 Ist ein Erbscheinsantrag zurückgewiesen worden, steht die diesbezügliche
formelle Rechtskraft einem neuen gleich lautenden Antrag in einem dadurch eingeleiteten neuen Verfahren selbst dann nicht entgegen, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt unverändert fortbesteht, da dem Zurückweisungsbeschluss andernfalls eine hier gerade nicht vorhandene materielle Rechtskraftwirkung (s. dazu Rz. 2 f.) zukäme, während die formelle Rechtskraft lediglich die Fortsetzung des vorherigen Verfahrens samt einer förmlichen Abänderung der dort getroffenen Entscheidung verhindert und das vorherige Verfahren abschließt.5 Es kann dann jedoch das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.6 25 Die Erteilung eines Erbscheins setzt nicht voraus, dass ein dem beantrag-
ten Erbscheinsinhalt widersprechender anderweitiger Erbschein zuvor eingezogen oder für kraftlos erklärt wird, da ein entsprechender ursprüng1 RG v. 25.11.1937 – IV B 34/37, RGZ 156, 172 (180). 2 Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 43; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 7. 3 OLG Celle v. 13.10.2011 – 6 W 206/11, FGPrax 2011, 321; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 27; MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 72. 4 OLG Hamm v. 9.11.2011 – I-15- W 635/10; FGPrax 2012, 23; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 27; aA OLG Dresden v. 31.1.2011 – 17 W 84/11, ZErb 2011, 249 (Hilfserwägung); MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2353 BGB Rz. 72. 5 KG v. 1.7.1999 – 1 W 6784/97, Rpfleger 1999, 227 (228); Staudinger/Herzog, § 2359 BGB Rz. 74; Horndasch/Viefhues/Heinemann, § 352 FamFG Rz. 47; Prütting/Helms/ Fröhler § 352 FamFG Rz. 21; aA Zimmermann, Das neue FamFG, Rz. 700; Keidel/ Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 47; Bahrenfuss/Schaal, § 352 FamFG Rz. 24. 6 Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 7 und § 2359 BGB Rz. 1; Prütting/Helms/Abramenko, § 45 FamFG Rz. 11.
776
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
licher Gesetzentwurf nicht in den Gesetzestext übernommen wurde.1 Gleichwohl empfiehlt sich im Hinblick auf die Rechtsscheinwirkungen aus den §§ 2365 ff. BGB eine vorherige Einziehung.2 h) Keine Bindung an ausländische Erbfolgezeugnisse Ein ausländisches Erbfolgezeugnis bzw. Feststellungen in ausländischen 26 Verfahren entfalten in einem Erbscheinsverfahren gegenüber einem deutschen Nachlassgericht keine Bindungswirkung.3 Für die Rechtsnachfolge von am 17.8.2015 oder danach verstorbenen Personen innerhalb des Anwendungsbereichs der EuErbVO könnte sich ggf. aus Art. 59 Abs. 3 EuErbVO ergeben, dass die dort geregelte Annahme öffentlicher Urkunden weder die Rechtswirksamkeit und Wirkungen von letztwilligen Verfügungen noch die unmittelbare Anerkennung des Inhalts von nationalen Erbnachweisen betrifft.4
M 267
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins – Alleinerbe, gesetzliche Erbfolge, kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll) Erbscheinsantrag
. . . (Urkundeneingang) I. Ich beantrage die Erteilung eines Erbscheins auf Ableben meiner Schwester . . . (Vor- und Nachname, ggf. Geburtsname), geb. am . . . (Geburtsdatum) in . . . (Geburtsort), verstorben am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort), deutsche Staatsangehçrige, zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzter Wohnsitz). Sie war ledig und hatte keine Abkçmmlinge. Die Erblasserin hat keine Verfgung von Todes wegen hinterlassen. Es ist gesetzliche Erbfolge eingetreten. Da die Erblasserin nicht verheiratet und nicht verpartnert war, keine Abkçmmlinge hinterlassen hat und unsere Eltern vorverstorben sind, bin ich . . . (Vor- und Nachname des Antragstellers) als deren
1 Staudinger/Herzog, § 2361 BGB Rz. 3; Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 100; aA noch unter Geltung des FGG BayObLG v. 17.12.1990 – BReg. 1a Z 52/89, FamRZ 1991, 986 (988): Erteilung eines Erbscheins ohne Angabe einer Testamentsvollstreckungsanordnung setze die Einziehung eines diesbezüglichen Testamentsvollstreckerzeugnisses, das Verfügungsbeschränkungen des Erben ausweise, voraus. 2 BayObLG v. 6.7.1990 – BReg. 1a Z 30/90, NJW-RR 1990, 1481; Staudinger/Herzog, § 2361 BGB Rz. 3. 3 BayObLG v. 27.3.1991 – BReg. 1a Z 80/88, NJW-RR 1991, 1099: schweizerische Erbbescheinigung und Feststellungen im Zusammenhang mit der Testamentseröffnung; Keidel/Zimmermann, § 352 FamFG Rz. 99; Prütting/Helms/Fröhler § 352 FamFG Rz. 23. 4 So Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397); a.A. Dutta, FamRZ 2013, 4 (14).
777
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
Bruder zum Alleinerben berufen. Die Namen unserer Eltern lauten . . . (Vorund Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum) in . . . (Geburtsort), verstorben am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort), zuletzt wohnhaft gewesen in . . . (letzter Wohnort), und . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum) in . . . (Geburtsort), verstorben am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort), zuletzt wohnhaft in . . . (letzter Wohnort). Aus deren Ehe ging außer der Erblasserin und mir noch ein weiteres Kind hervor, . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum) in . . . (Geburtsort), das am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort) mit letztem Wohnsitz in . . . (letzter Wohnsitz) vor der Erblasserin verstorben ist und keine Abkçmmlinge hinterlassen hat. Weitere Personen außer den Vorgenannten, durch die das Erbrecht gemindert oder wegfallen wrde, sind oder waren nicht vorhanden, auch keine nicht aus einer Ehe stammenden adoptierten oder fr ehelich erklrten Kinder. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin war keine Ehesache (§ 1933 BGB) anhngig. Ein Rechtsstreit ber das Erbrecht ist nicht anhngig. Im Ausland befindet sich kein Nachlass, insbesondere kein Grundbesitz. II. Die Erblasserin ist daher kraft Gesetzes von mir . . . (Vor- und Nachname des Antragstellers) alleine beerbt worden. Ich habe die Erbschaft in Kenntnis der damit verbundenen Folgen angenommen. Dies ergibt sich aus der heutigen Antragstellung sowie aus dem zwischenzeitlichen Ablauf der Ausschlagungsfrist. Angeschlossen sind dem heutigen Antrag folgende Urkunden: . . . (regelmßig werden bençtigt: Sterbeurkunde des Erblassers, beglaubigter Auszug aus dem Familienbuch, Sterbeurkunde vorrangig berufener gesetzlicher Erben, Geburtsurkunden als Abstammungsnachweis fr die Kinder bzw. Geschwister etc.). Hilfsweise beziehe ich mich auf meine Eidesstattliche Versicherung. III. Der Notar hat mich vorab ber die Strafbarkeit einer vorstzlichen bzw. fahrlssigen falschen Eidesstattlichen Versicherung belehrt. Ich versichere nunmehr an Eides statt: Es ist mir nichts bekannt, was der Vollstndigkeit und Richtigkeit meiner vorstehenden Angaben entgegensteht. IV. Ich beantrage die Erteilung eines Erbscheins dahin, dass ich, . . . (Vor- und Nachname des Antragstellers), alleine Erbe meiner verstorbenen Schwester . . . (Vor- und Nachname) bin. V. Gegenber dem beurkundenden Notar beantrage ich die Erteilung einer Ausfertigung dieses Erbscheinsantrages fr das Amtsgericht/Notariat – Nachlass-
778
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
gericht – . . . (Gericht des letzten Wohnsitzortes des Erblassers) zu Az. . . . (Aktenzeichen) sowie einer einfachen Fotokopie dieses Erbscheinsantrages fr meine Unterlagen. Gegenber dem Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Nachlassgericht am letzten Wohnsitzort des Erblassers) beantrage ich hiermit die Erteilung einer Ausfertigung und drei beglaubigte Fotokopien des Erbscheins fr mich. Zum Zwecke der Kostenberechnung gebe ich den Wert des reinen Nachlasses mit . . . (Wert des reinen Nachlasses) an. . . . (Schlussformel)
4. Bei angeordneter Testamentsvollstreckung Sieht eine Verfügung von Todes wegen Testamentsvollstreckung vor, ist 27 im Erbschein lediglich der Umstand anzugeben, dass Testamentsvollstreckung angeordnet ist, die Person des Testamentsvollstreckers und dessen Aufgabenbereiche werden im Erbschein jedoch nicht vermerkt. Eine Vermächtnisvollstreckung ist im Erbschein im Gegensatz zur Testamentsvollstreckung nicht zu erwähnen. Dem Vermächtnisvollstrecker kann jedoch nach § 2368 BGB auf dessen Antrag ein Vermächtnisvollstreckerzeugnis erteilt werden.1 5. Gemeinschaftlicher Erbschein Gem. § 2357 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Antrag auf Erteilung eines ge- 28 meinschaftlichen Erbscheins von jedem der Erben allein gestellt werden. Es ist daher nicht erforderlich, dass die Erbscheinserteilung von allen Erben beantragt wird. Das Nachlassgericht hat jedoch zu überprüfen, ob die Erbschaft auch durch die übrigen Miterben, die den Antrag nicht gestellt haben, angenommen worden ist. Es wird dabei nach freiem Ermessen entscheiden, ob hierzu eine eidesstattliche Versicherung erforderlich ist. Richtet sich die Erbfolge nach deutschem Sachrecht oder nach ausländischem Recht, das eine den §§ 1943, 1944 BGB entsprechende gesetzliche Annahmefiktion vorsieht, und ist dem Nachlassgericht nach Ablauf der Ausschlagungsfrist und einem zeitlichen Sicherheitszuschlag für eine eventuelle Übersendung von einem ersuchten oder nach § 344 Abs. 7 FamFG zuständigen auswärtigen Gericht am Wohnsitz des Ausschlagenden keine Ausschlagung zugegangen, bedarf es keines Annahmenachweises.2
1 Staudinger/Reimann, § 2368 BGB Rz. 19. 2 Ebenso für das Verfahren nach FGG Zimmermann, Erbschein Rz. 210; Firsching/Graf Rz. 4.144.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
M 268
Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins – gewillkrte Erbfolge, kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 267) Die Erblasserin hat folgende Verfgungen von Todes wegen hinterlassen: . . . (Aufzhlung smtlicher Testamente bzw. Erbvertrge der Erblasserin unter Nennung des Errichtungs- sowie des Erçffnungsdatums). Durch das gemeinschaftliche Testament unserer Eltern vom . . . (Errichtungsdatum) sind wir durch den lngstlebenden Elternteil, hier somit durch die Erblasserin, zu untereinander gleichen Teilen als Schlusserben eingesetzt worden. Nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB unterliegt die Schlusserbeneinsetzung durch den lngstlebenden Elternteil der Wechselbezglichkeit. Das gemeinschaftliche nderungstestament vom . . . (Errichtungsdatum) beinhaltet ausschließlich eine Teilungsanordnung und die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, sieht jedoch ebenso wenig wie das Ausgangstestament einen ausdrcklichen nderungsvorbehalt vor. Die im Einzeltestament unserer Mutter vom . . . (Errichtungsdatum) enthaltene Alleinerbeneinsetzung ihres Lebensgefhrten stellt einen Widerruf dieser wechselbezglichen Verfgung auf den Tod des lngstlebenden Elternteils dar, der gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB unwirksam ist. Maßgebend ist daher alleine das gemeinschaftliche Ausgangstestament unserer Eltern vom . . . (Errichtungsdatum). Auf Grund des vorstehend genannten gemeinschaftlichen Testaments unserer Eltern vom . . . (Errichtungsdatum) ist die Erblasserin durch uns, . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnort), und . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnort), zu jeweils 1/2 Erbteil beerbt worden. Testamentsvollstreckung ist angeordnet. Eine Nacherbfolge ist nicht angeordnet. Personen, durch die das Erbrecht gemindert oder wegfallen wrde, sind oder waren nicht vorhanden. Weitere Verfgungen von Todes wegen sind nicht vorhanden, auch keine nicht aus einer Ehe stammenden adoptierten oder fr ehelich erklrten Kinder. Ein Rechtsstreit ber das Erbrecht ist nicht anhngig. Im Ausland befindet sich kein Nachlass, insbesondere kein Grundbesitz. Wir haben die Erbschaft nach unserer Mutter in Kenntnis der damit verbundenen Folgen angenommen. Dies ergibt sich aus der heutigen Antragstellung bzw. aus dem Ablauf der jeweiligen Ausschlagungsfrist. Die Kosten tragen wir zu gleichen Teilen. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
780
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
6. Vorläufiger Erbschein Steht der Kreis der Miterben fest, ist jedoch deren quotale Beteiligung un- 29 tereinander noch ungeklärt, besteht gleichwohl häufig ein Bedarf für einen Erbnachweis, um etwa gemeinsam über den Nachlass verfügen zu können. Derartige Konstellationen können etwa dann eintreten, wenn gesetzliche Erbfolge gilt, aber der Güterstand des längstlebenden Ehegatten, der die gesetzliche Erbfolge maßgebend bestimmt, noch nicht endgültig ermittelt worden ist. In derartigen Fällen kann ein vorläufiger gemeinschaftlicher Erbschein beantragt werden, in dem der Kreis der Miterben ohne Benennung der einzelnen Erbquoten abschließend festgestellt wird.1
M 269
Antrag auf Erteilung eines vorlufigen gemeinschaftlichen Erbscheins – gesetzliche Erbfolge, kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 267) Danach sind die Witwe . . . (Vor- und Nachname) sowie die drei Kinder . . . (jeweils Vor- und Nachname) die ausschließlichen Erben des Erblassers. Die quotale Beteiligung kann noch nicht festgestellt werden, da der gesetzliche Gterstand der Eheleute . . . (jeweils Vor- und Nachname) noch nicht ermittelt ist. Umgekehrt besteht jedoch ein erheblicher Bedarf fr einen gemeinschaftlichen Erbnachweis, da andernfalls die Zwangsversteigerung des Familiengrundbesitzes droht. Es wird daher die Erteilung eines vorlufigen gemeinschaftlichen Erbscheins ohne Angaben der Erbquoten beantragt. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
7. Teilerbschein Gem. § 2353 Alt. 2 BGB kann die Erteilung eines Teilerbscheins beantragt 30 werden, der lediglich den Erbteil eines von mehreren Miterben bezeugt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass Antragsteller und derjenige Miterbe, dessen Erbrecht bezeugt wird, personengleich sind. Vielmehr kann auch der eine Miterbe hinsichtlich des anderen Miterben die Erteilung eines Teilerbscheins beantragen.2 Teilerbscheine können als Alleinteilerbschein, gemeinschaftlicher Teilerbschein, Mindestteilerbschein oder vorläufiger Teilerbschein erteilt und beantragt werden. Insbesondere im Falle eines eventuellen gesetzlichen Erbrechts des nasciturus – dieses setzt nach § 1923 Abs. 2 BGB neben der vor dem Erbfall erfolgten Zeugung zusätzlich die spätere lebende Geburt voraus – kann bereits vor dessen Ge1 KG v. 22.12.1932 – 1b X 812/32, JFG 10, 75 (76 f.); MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2357 BGB Rz. 16; Firsching/Graf Rz. 4.144. 2 Firsching/Graf Rz. 4.145.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
burt ein Bedürfnis dafür bestehen, dass für die anderen feststehenden Miterben ein vorläufiger Teilerbschein erteilt wird.
M 270
Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 267) Ich beantrage daher die Erteilung eines Teilerbscheins, wonach ich . . . (Vorund Nachname) zu 1/4 Erbteil Erbe des Erblasser geworden bin. Oder: Ich beantrage daher die Erteilung eines Teilerbscheins, wonach mein Bruder . . . (Vor- und Nachname) zu 1/4 Erbteil Erbe des Erblassers geworden ist. Oder: Ich beantrage daher die Erteilung eines gemeinschaftlichen Teilerbscheins, wonach mein Bruder . . . (Vor- und Nachname) und ich . . . (Vor- und Nachname) zu jeweils 1/4 Erbteil Erbe des Erblassers geworden sind. Oder: Ich beantrage die Erteilung eines Mindestteilerbscheins, wonach ich . . . (Vorund Nachname) zu mindestens 1/4 Erbteil Erbe des Erblassers geworden bin. Oder: Ich beantrage die Erteilung eines vorlufigen Teilerbscheins, wonach ich . . . (Vor- und Nachname) Miterbe des Erblassers geworden bin. Die genaue Erbquote steht noch nicht fest, da das zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits gezeugte, aber bislang noch nicht geborene Kind des Erblassers mçglicherweise gem. § 1923 Abs. 2 BGB als Miterbe hinzukommt, wenn es lebend geboren wird. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
8. Erbschein bei angeordneter Nacherbfolge a) Vor Eintritt des Nacherbfalls 31 Ist durch Verfügung von Todes wegen Nacherbfolge angeordnet worden,
sind diverse Besonderheiten zu beachten. Zunächst ist im Erbscheinsantrag anzugeben, dass und mit welcher Erbquote der Erbe bzw. bei mehreren Erben welcher Erbe als Vorerbe durch Anordnung der Nacherbschaft beschränkt ist und auf Grund welchen Umstandes – ggf. differenziert nach einzelnen Vorerben bzw. nach Quoten bezüglich desselben Vorerben – Nacherbfolge eintritt und wer als Nacherbe eingesetzt ist, wobei die Erbquoten der Nacherben mangels entsprechender Ausweisung im Erbschein auch im Erbscheinsantrag nicht anzugeben sind. Weiter sind im Erbscheinsantrag im Falle einer entsprechenden Anordnung durch Verfügung von To782
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
des wegen Befreiungen des Vorerben von Verfügungsbeschränkungen, – unter Zuordnung zu dem jeweils betroffenen Nacherben – eine Anordnung von Ersatznacherbschaft samt Benennung der Ersatznacherben wiederum ohne Bezeichnung der jeweiligen Erbquoten, die Nichtvererblichkeit des Nacherbenrechts – diese ist insbesondere mangels anderweitiger Anhaltspunkte bei aufschiebend bedingter Nacherbeneinsetzung iSd. § 2108 Abs. 2 Satz 2 BGB in Wiederverheiratungsklauseln im Zweifel anzunehmen –,1 eine Nichtveräußerlichkeit des Nacherbenrechts, die Einsetzung weiterer Nacherben – sog. Nachnacherben – und dann etwa angeordnete Befreiung der Nacherben gegenüber den Nachnacherben von Verfügungsbeschränkungen, Anordnung allgemeiner Testamentsvollstreckung und Anordnung von Nacherbenvollstreckung gem. § 2222 BGB anzuführen. Besondere Sorgfalt sollte auf die Auslegung des Testaments hinsichtlich 32 einer eventuellen Ersatznacherbeneinsetzung verwendet werden. Hier kommt neben einer ausdrücklichen Anordnung auch eine Ersatznacherbenbestimmung im Wege ergänzender Testamentsauslegung nach dem Rechtsgedanken – nicht jedoch in analoger Anwendung – des § 2069 BGB in Betracht. Hierbei können die Grundsätze über die ergänzende Testamentsauslegung zur Bestimmung von Ersatzerben zugrundegelegt werden. Danach gelten bei Wegfall eingesetzter Erben, die dem Erblasser vergleichbar einem eigenen Abkömmling nahe standen, deren Abkömmlinge als ersatzweise eingesetzt, beispielsweise, wenn die Abkömmlinge des anderen Ehegatten eingesetzt waren.2 Desweiteren besteht bei angeordneter Nachnacherbfolge mangels ausdrücklicher Gestaltung häufig Auslegungsbedarf dafür, ob der Nacherbe gegenüber dem Nachnacherben die Position eines befreiten oder nichtbefreiten Vorerben einnimmt. Auch hier sind im Rahmen des Erbscheinsantrags entsprechende Auslegungskriterien vorzutragen.
M 271
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei angeordneter Nacherbfolge – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Erbscheines mit dem Inhalt, dass ich . . . (Vor- und Nachname) alleiniger Erbe des Erblassers geworden bin. Nacherbfolge ist hinsichtlich des gesamten Nachlasses angeordnet. Sie tritt mit meinem Tod als Vorerbe ein. Ich bin als Vorerbe von allen Beschrnkungen befreit, fr die nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann. Nacherben sind meine beiden Kinder . . . (Vor- und Nachname) und . . . (Vor- und Nachname). Es ist jeweils Ersatznacherbfolge angeordnet. Ersatznacherben sind die jeweiligen Abkçmmlinge eines wegfallenden Nacherben nach den Regeln 1 BayObLG v. 22.6.1966 – BReg 1b Z 12/66, BayObLGZ 1966, 227. 2 Vgl. diesbezügliche Aufstellung bei Nieder/R. Kössinger/W. Kössinger Rz. 488.
783
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung. Die jeweiligen Nacherbanwartschaften sind jeweils weder vererblich noch verußerlich, wobei eine Verußerung an den jeweiligen Vorerben zulssig ist. Im Falle einer Verußerung an den Vorerben entfllt zudem jede Ersatznacherbeneinsetzung. Fr jeden Nacherben ist Testamentsvollstreckung gem. § 2222 BGB angeordnet. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
b) Vorausvermächtnis an den Alleinvorerben 33 Ein durch Vorausvermächtnis bedachter Alleinvorerbe wird unter Anwen-
dung des § 2110 Abs. 2 BGB mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes sofort und ohne Zutun der Nacherben frei von der Nacherbfolge Eigentümer des ihm durch Vorausvermächtnis zugewendeten Gegenstands. Das dem Alleinvorerben zugewendete Vorausvermächtnis entfaltet damit entgegen der nach § 2174 BGB zu Gunsten des Damnationslegates getroffenen gesetzlichen Grundentscheidung ausnahmsweise nicht lediglich schuldrechtliche, sondern unmittelbar dingliche Wirkung eines Vindikationsvermächtnisses. Der Vorausvermächtnisgegenstand tritt damit von selbst aus dem gebundenen Nachlass heraus und zugleich in das freie Vermögen des Vorerben ein, ohne dem in § 2139 BGB geregelten Anfallsrecht des Nacherben oder der Herausgabenpflicht des Vorerben zu unterliegen. Es ist allgemein anerkannt, dass ein dem Vorerben zugewendetes Vorausvermächtnis im Erbschein als von der Nacherbfolge nicht erfasst anzugeben ist, obwohl der Wortlaut des § 2363 BGB dies nicht ausdrücklich vorsieht. Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss daraus, dass bereits die weniger einschneidende Befreiung von Verfügungsbeschränkungen nach § 2136 BGB im Vorerbschein anzugeben sind, und aus dem Erbscheinszweck, die Erben im Rechtsverkehr zutreffend auszuweisen.1
M 272
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei angeordneter Nacherbfolge und dem Vorerben zugewendetem Vorausvermchtnis vor Eintritt des Nacherbfalls – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 271) Das Recht der Nacherben erstreckt sich nicht auf den Grundbesitz in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb), das dem . . . (Vor- und Nachname des Vorerben) gem. § 2110 Abs. 2 BGB als Vorausvermchtnis zugewendet worden ist. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss) 1 KG v. 25.1.1940 – 1 Wx 867/39, JFG 21, 122 (126).
784
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
Auch nach Eintritt des Vorerbfalles ist bei angeordneter Nacherbfolge 34 anerkannt, dass auf einen Erbschein verzichtet werden kann, wenn die notariell beurkundete letztwillige Verfügung alle Nacherben namentlich benennt1 oder eine derartige Benennung vor Eintritt des Nacherbfalls auf Grund nachlassgerichtlicher Ermittlungen in einem Erbschein – wie etwa bei einer Einsetzung der im Zeitpunkt des Todes des Vorerben vorhandenen Abkömmlinge des Vorerben zu Nacherben – nicht möglich wäre,2 andernfalls ist jedoch ein Erbschein erforderlich.3 Betrifft die Grundbuchberichtigung durch Vorausvermächtnis an den Vorerben zugewendeten Grundbesitz, besteht kein Bedürfnis zur Benennung von Nacherben, da der Vorausvermächtnisgegenstand gem. § 2110 Abs. 2 BGB mit dem Erbfall von selbst in das ungebundene Vermögen des Vorerben frei von Nacherbenrechten übergeht, die Nacherben diesbezüglich nicht schutzbedürftig sind und daher im Grundbuch insoweit kein Nacherbenvermerk eingetragen werden darf.4 Vielmehr ist § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO bei namentlicher Benennung des Vorerben in der öffentlichen Urkunde für eine Grundbuchberichtigung hinsichtlich eines Vorausvermächtnisgegenstandes nach § 2110 Abs. 2 BGB sowohl vor als auch ab Eintritt des Nacherbfalls ausreichend. c) Nach Eintritt des Nacherbfalls Mit Eintritt der Nacherbfolge wird der dem Vorerben erteilte Erbschein 35 unrichtig und ist vom Nachlassgericht gem. § 2361 Abs. 1 BGB von Amts wegen einzuziehen. Kann der Erbschein nicht sofort erlangt werden, hat ihn das Nachlassgericht gem. § 2361 Abs. 2 BGB durch Beschluss für kraftlos zu erklären. Gleichzeitig können die Nacherben nunmehr einen Erbschein auf Ableben des ursprünglichen Erblassers beantragen. Daneben besteht häufig Bedarf für einen zusätzlichen Erbschein auf Able- 36 ben des verstorbenen Vorerben. Beide Erbfolgen werden in der Praxis insbesondere bei Vor- und Nacherbfolge zwischen Ehegatten miteinander verwechselt. Dabei sind die Erbfälle auf Ableben des erstversterbenden Ehegatten, auf dessen Tod zunächst der Vorerbschein zu Gunsten des längstlebenden Ehegatten und nach Eintritt des Nacherbfalles der Erbschein zu Gunsten der Nacherben zu beantragen sind, einerseits und der Erbschein auf den Tod des längstlebenden Ehegatten andererseits zu unterscheiden. Letztlich werden in derartigen Konstellationen somit insgesamt drei Erbscheine benötigt.
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OLG Dresden v. 11.3.1930 – 6 Reg. 42/30, JFG 7, 267 (269). BayObLG v. 22.12.1982 – 2 Z 88/82, Rpfleger 1983, 104. Demharter, § 35 GBO Rz. 42. Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (7).
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
M 273
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Erbscheins, nach dem ich auf Grund des durch den Tod des Vorerben . . . (Vor- und Nachname des Vorerben) eingetretenen Nacherbfalls alleiniger Erbe der Erblasserin geworden bin. Zugleich rege ich an, den dem Vorerben erteilten Erbschein vom . . . (Erstellungsdatum) als unrichtig einzuziehen. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
9. Erbschein bei aufschiebend bedingter Nacherbfolge (Wiederverheiratungsklausel) 37 Soweit Ehegatten, die sich durch letztwillige Verfügung von Todes wegen
gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, zugleich anordnen, dass der längstlebende Ehegatte bei einer Wiederverheiratung lediglich Vorerbe ist und die gemeinschaftlichen zu Schlusserben eingesetzten Kinder in einem derartigen Fall Nacherben des erstversterbenden Ehegatten werden, sind bei der Formulierung des Erbscheinsantrags mehrere Aspekte zu beachten. Soweit das gemeinschaftliche Testament bzw. der Erbvertrag der Ehegatten keine weiter gehende Regelung enthält, ist zunächst durch Auslegung zu klären, ob die Nacherbfolge aufschiebend (dann ist das Nacherbanwartschaftsrecht nicht vererblich) oder auflösend (dann kommt eine Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts in Betracht) bedingt angeordnet ist. 38 Nach der Auslegungsregelung des § 2074 BGB wird in derartigen Fällen
im Zweifel von einer aufschiebenden und damit nichtvererblichen Position auszugehen sein.1 39 Weiter ist zu klären, ob sich aus der letztwilligen Verfügung, wenn auch
nur andeutungsweise oder versteckt, Hinweise auf eine Befreiung des Vorerben ergeben. Die Einsetzung des anderen Ehegatten zum Alleinerben verkörpert für sich genommen noch keine Befreiungstendenz. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn der zum alleinigen Vollerben eingesetzte längstlebende Ehegatte für den Fall der Wiederverheiratung mit einer Nacherbfolge der Kinder belastet ist. Hier ist im Zweifel eine befreite Vorerbschaft zu unterstellen, da der längstlebende Ehegatte bis zur ungewissen Wiederverheiratung möglichst umfangreich entsprechend einem un-
1 BayObLG v. 22.6.1966 – BReg 1b Z 12/66, BayObLGZ 1966, 227.
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
beschränkten Erben verfügungsberechtigt bleiben soll.1 Als weitere Auslegungsregel ist § 2137 BGB zu beachten, wonach im Zweifel jeweils von befreiter Vorerbschaft auszugehen ist, wenn der Nacherbe auf dasjenige eingesetzt ist, was von der Erbschaft bei dem Eintritt der Nacherbfolge übrig sein wird, bzw. der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll.
M 274
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei durch Wiederverheiratung bedingter Nacherbfolge – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Erbscheines, nach dem ich . . . (Vorund Nachname des lngstlebenden Ehegatten) alleiniger Erbe der Erblasserin geworden bin. Nacherbfolge ist angeordnet. Sie tritt im Falle meiner Wiederverheiratung oder meines Todes ein. Ich bin als Vorerbe von allen gesetzlichen Beschrnkungen befreit, von denen Befreiung erteilt werden kann. Nacherben sind unsere Tochter . . . (Vor- und Nachname) und unser Sohn . . . (Vor- und Nachname). Es ist jeweils Ersatznacherbfolge angeordnet. Ersatznacherben sind die jeweiligen Abkçmmlinge eines wegfallenden Nacherben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung. Die Nacherbenrechte sind weder vererblich noch verußerlich. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
10. Erbschein bei Vorausvermächtnis an Vorerben ab Eintritt des Nacherbfalls Soweit dem Vorerben ein Vorausvermächtnis zugewendet ist, können hin- 40 sichtlich des Erbnachweises ab Eintritt des Nacherbfalls erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Dabei sind in der Praxis am häufigsten diejenigen Fälle, in denen Ehegatten, die aus ihrer jeweiligen ersten Ehe jeweils eigene Kinder, aus der gemeinsamen Ehe jedoch keine Abkömmlinge hinterlassen, sich gegenseitig durch eigenhändiges gemeinschaftliches Testament zu befreiten Vorerben, der Erstversterbende zudem seine eigenen Kinder aus erster Ehe zu Nacherben, der Längstlebende seine eigenen Kinder aus erster Ehe zu seinen Erben einsetzen und dabei der erstversterbende Ehegatte dem längstlebenden Ehegatten frei von Nacherbenrechten vorausvermächtnisweise Grundbesitz zuwendet. Ein Erbnachweis ist bis zum Eintritt des Nacherbfalls zu Gunsten des Vorerben unproblematisch (s. 1 BGH v. 18.1.1961 – V ZR 83/59, FamRZ 1961, 275; BayObLG v. 22.6.1966 – BReg 1b Z 12/66, BayObLGZ 66, 227; OLG Hamm v. 9.7.1971 – 15a W 108/71, DNotZ 1972, 96.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
Rz. 31). Hat der längstlebende Ehegatte zu Lebzeiten keinen Vorerbschein erwirkt und das Grundbuch dadurch nicht berichtigen lassen, gestaltet sich der Erbnachweis für den vorausvermächtnisweise zugewendeten, in das von Nacherbenrechten unbelastete Vermögen gelangten Vorausvermächtnisgegenstand aus Sicht der Erben nunmehr als problematisch. Dies ergibt sich daraus, dass ein Vorerbschein, wäre er durch den Vorerben zu Lebzeiten vor Eintritt des Nacherbfalls noch beantragt worden, mit Eintritt des Nacherbfalls nach § 2363 Abs. 1 BGB als unrichtig eingezogen werden müsste. Folgerichtig darf ein derartiger Vorerbschein grundsätzlich in derselben Form nach Eintritt des Nacherbfalls auch nicht erstmals erteilt werden.1 Umgekehrt ist zwingend, dass auch in derartigen Konstellationen eine Grundbuchberichtigung möglich sein und dazu ein Erbschein – mit welchem Inhalt auch immer – erteilt werden können muss. 41 Hierzu bieten sich sowohl ein gegenständlich auf das dem früheren Vor-
erben zugewendete Vorausvermächtnisvermögen beschränkter Vollerbenerbschein als auch ein Vorerbenerbschein analog § 2363 BGB mit Hinweis auf bereits eingetretene Nacherbfolge an.2 42 Da § 2110 Abs. 2 BGB neben dem kraft Gesetzes eintretenden Eigentums-
erwerb am Vorausvermächtnisgegenstand frei von Nacherbenrechten eine zweigeteilte Erbfolge dergestalt auslöst, dass der Vorerbe hinsichtlich des ihm vorausvermachten Gegenstandes in Durchbrechung der bewussten Abkehr des Gesetzgebers von der gemeinrechtlichen „institutio ex re certa“ Vollerbe ist und im Übrigen Vorerbe bleibt3 und Nachlassspaltungen sowie deren ausdrückliche Benennung im Erbschein in verschiedenen speziellen Konstellationen – etwa bei einer Hoffolge im Anwendungsbereich der HöfeO oder des früheren Reichserbhofrechts bzw. landesrechtlicher Anerbenbestimmungen in Form eines Erbscheins, der zusätzlich auch die Hoffolge bescheinigt, eines ausschließlichen Hoffolgezeugnisses oder eines auf das hoffreie Vermögen beschränkten Erbscheins, wenn Nachlassteile im Ausland belegen sind und Art. 3a Abs. 2 EGBGB Anwendung findet, wenn durch Rückverweisung nach Art. 4 EGBGB bzw. auf Grund Rechtswahl deutsches Recht für Nachlassteile anwendbar ist und ausdrücklich kraft Gesetzes nach § 2369 BGB bei territorial auf die im Inland befindlichen Nachlassgegenstände beschränkten Erbscheinen – anerkannt sind, muss ein gegenständlich auf das dem früheren Vorerben zugewendete Vorausvermächtnisvermögen beschränkter Vollerbenschein zulässig
1 OLG Hamm v. 8.7.1974 – 15 Wx 42/74, NJW 1974, 1827 (1828). 2 Einzelheiten bei Fröhler BWNotZ 2005, 1 (4 ff.). 3 KG v. 25.1.1940 – 1 Wx 867/39, JFG 21, 122 (125 f.) „insoweit Vollerbe“; OLG München v. 10.6.1942 – 8 Wx. 162/42, JFG 23, 300 (302) „insoweit Vollerbe“; BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60 (62, Fn. 1) „kraft Erbrechts“; Staudinger/Otte, § 2150 Rz. 4; aA Staudinger/Behrends/Avenarius, § 2110 BGB Rz. 7, wonach § 2110 Abs. 2 BGB nach wie vor ein Vermächtnis auslöse, das ausnahmsweise in Durchbrechung des Grundsatzes des Damnationslegats in der Form des römisch-rechtlichen Vindikationslegats auftrete.
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A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
sein.1 Daneben ist anerkannt, dass auch noch nach Eintritt des Nacherbfalls ein Vorerbschein analog § 2363 BGB zulässig ist, wenn darin durch einen ausdrücklichen Zusatz klargestellt wird, dass der Vorerbe mit zwischenzeitlichem Eintritt des Nacherbfalls hinsichtlich des nicht von Vorausvermächtniszuwendungen erfassten Vermögens kein Erbe mehr ist.2 In dieser dogmatisch sehr schwierigen Konstellation darf das Nachlass- 43 gericht die Erteilung eines gegenständlich auf die Vorausvermächtniszuwendung nach § 2110 Abs. 2 BGB beschränkten Vollerbscheins nicht von der gleichzeitigen Mitbescheinigung der Nacherbfolge in demselben Erbschein abhängig machen. Da gem. § 2353 Alt. 2 BGB einem Miterben die Möglichkeit eröffnet ist, die alleinige Erteilung eines Erbscheins über seinen bruchteilsmäßigen Erbteil zu beantragen, muss erst recht der kraft Gesetzes gem. § 2110 Abs. 2 BGB gegenständlich beschränkte Vollerbe ohne Mitwirkung der Nacherben die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragen können.3 Häufig bestehen in derartigen Konstellationen zwischen Stiefelternteilen (bzw. nach deren Tod deren Abkömmlingen) einerseits und Stiefkindern andererseits erhebliche Interessengegensätze und Spannungen, auf Grund derer die Nacherben den Erben des Vorerben bei der Grundbuchberichtigung für den ihnen vorenthaltenen Grundbesitz nicht behilflich sein werden, insbesondere dann nicht, wenn die Vorausvermächtnisgegenstände – wie häufig – nahezu das gesamte Vermögen darstellen und an den Nacherben vorbei in das Eigentum der Vorerben gelangt sind. Ohne Erbscheinsantrag zumindest eines der Nacherben kann wegen des Antragserfordernisses nach § 2353 BGB das Erbrecht der Nacherben, das einen anderen Erblasser betrifft, im Erbschein auf den Tod des Vorerben nicht mitbescheinigt werden. Liegt hingegen ein derartiger Antrag eines Nacherben vor, ist ein gemeinsamer Erbschein als Doppelerbschein möglich. Bis zur Herausbildung einer gefestigten Rechtsprechung für die Erbschei- 44 nerteilung ab Eintritt des Nacherbfalls bei durch Vorausvermächtnis angeordneten Zuwendungen an den Vorerben erscheint es prozesstaktisch geboten, beide hier vorgeschlagenen Lösungswege gemeinsam in Form eines Haupt- (gegenständlich beschränkte Vollerbenstellung des früheren Vorerben) und Hilfsantrags (Erbschein analog § 2363 BGB mit Vermerk nach § 2110 Abs. 2 BGB und Vermerk über den zwischenzeitlichen Eintritt des Nacherbfalls) zu nutzen.
1 Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (4 ff.) mwN insbesondere auch dazu, dass die Rechtsprechung gegenständlich beschränkte Erbscheine ausnahmslos in Fällen ausschließt, die lediglich einen Teil eines einheitlich vererbten Vermögens betreffen, und daher auf die Fälle des § 2110 Abs. 2 BGB, der für das gesamte dem Vorerben vorausvermächtnisweise zugewendete Vermögen eine von der Vorerbfolge abweichende Erbfolge vorsieht, nicht anwendbar ist. 2 LG Bonn v. 5.10.1983 – 5 T 158/83, MittRhNotK 1984, 123 (124); MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2353 BGB Rz. 25. 3 Fröhler, BWNotZ 2005, 1 (6).
789
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
M 275
Antrag auf Erteilung eines gegenstndlich beschrnkten Vollerbscheins (Hauptantrag) bzw. eines Vorerbscheins mit Vermerk ber Eintritt der Nacherbfolge (Hilfsantrag) bei angeordneter Nacherbfolge und dem Alleinvorerben zugewendetem Vorausvermchtnis ab Eintritt des Nacherbfalls – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Wir beantragen als Erbeserben daher die Erteilung eines Erbscheins, nach dem die Erblasserin . . . (Vor- und Nachname der erstverstorbenen Ehefrau) von ihrem nachverstorbenen Ehemann . . . (Vor- und Nachname des Vorerben) alleine gegenstndlich beschrnkt auf den Grundbesitz in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb), der dem nachverstorbenen Ehemann gem. § 2110 Abs. 2 BGB als Vorausvermchtnis zugewendet worden ist, beerbt worden ist (Hauptantrag). Hilfsweise beantragen wir als Erbeserben die Erteilung eines Erbscheins, nach dem die Erblasserin . . . (Vor- und Nachname der erstverstorbenen Ehefrau) von ihrem nachverstorbenen Ehemann . . . (Vor- und Nachname des Vorerben) alleine beerbt worden ist. Nacherbfolge ist angeordnet. Sie tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Nacherben sind die Kinder der Erblasserin aus deren erster Ehe, nmlich der Sohn . . . (Vor- und Nachname) und die Tochter . . . (Vor- und Nachname). Ersatznacherbfolge ist jeweils angeordnet. Ersatznacherben sind jeweils die Abkçmmlinge eines wegfallenden Nacherben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge erster Ordnung. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nicht auf den Grundbesitz in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb), der dem nachverstorbenen lngstlebenden Ehemann . . . (Vor- und Nachname) gem. § 2110 Abs. 2 BGB als Vorausvermchtnis zugewendet worden ist. Das Nacherbenanwartschaftsrecht ist jeweils weder vererblich noch verußerlich, ausgenommen Verußerungen an den Vorerben. Die Nacherbfolge ist mit dem Tod des Vorerben am . . . (Datum) eingetreten. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
45 Nacherben haben in derartigen Konstellationen in ihrem Erbscheinsantrag
klarzustellen, dass sich das Erbrecht der Nacherben nicht auf die dem Vorerben gem. § 2110 Abs. 2 BGB zugewendeten Vorausvermächtnisgegenstände erstreckt.
790
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
M 276
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins bei eingetretener Nacherbfolge, wenn dem Alleinvorerben ein Vorausvermchtnis zugewendet wurde – kein Auslandsbezug (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Das Erbrecht erstreckt sich nicht auf den Grundbesitz in . . . (genauer Grundbuchbeschrieb), der durch Vorausvermchtniszuwendung gem. § 2110 Abs. 2 BGB aus dem Nachlass ausgeschieden ist. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
11. Erbschein und Pflichtteilsstrafklausel (Verwirkungsklausel) Sehen Eheleute in einem Berliner Testament eine Pflichtteilsstrafklausel 46 in Form einer automatischen Verwirkungsklausel als Anreiz dafür vor, dass die Abkömmlinge auf den Tod des Erstversterbenden möglichst keine Pflichtteilsansprüche geltend machen, dann ist die Schlusserbeneinsetzung eines Abkömmlings um dessen Pflichtteilsverlangen auf den Tod des Erstversterbenden auflösend bedingt. Dabei kann die diesbezügliche auflösende Bedingung auch durch eine erst nach dem Tod des Längstlebenden erfolgende Geltendmachung des Pflichtteils und/oder sogar noch nach Verjährung des Pflichtteilsanspruchs eintreten.1 Hieraus folgt zugleich, dass die auflösende Bedingung für die Schlusserbeneinsetzung nur durch einen Erlassvertrag aller Schlusserben untereinander oder noch mit dem Längstlebenden endgültig ausgeschaltet wird bzw. im Falle eines Alleinschlusserben durch Konfusion mit Eintritt des Schlusserbfalls entfällt.2 Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Schlusserben – ähnlich einem längstlebenden Ehegatten unter Wiederverheiratungsklausel – lediglich (auflösend bedingte Schlussvollerben und damit aufschiebend bedingte) Vorerben.3 In einer derartigen Konstellation kann daher im Schlusserbfall nur dann ein die unbeschränkte Vollerbenstellung ausweisender Erbschein erteilt werden, wenn im Erbscheinsantrag ein entsprechender Erlassvertrag nachgewiesen bzw. enthalten ist. Andernfalls kann lediglich analog zur Konstellation bei einer Wiederverheiratungsklausel (s. Rz. 37 ff.) ein Erbschein beantragt und erteilt werden, der jeweils eine auflösend bedingte Schlussvollerbenstellung unter aufschiebend bedingter Nacherbfolge ausweist.
1 BGH v. 5.10.1983 – 5 T 158/83, MittBayNot 2007, 223 f. mit krit. Anm. Selbherr. 2 Selbherr, MittBayNot 2007, 224. 3 Erman/M. Schmidt, § 2075 BGB Rz. 2; Firsching/Graf, Rz. 1.160 und 4.302.
791
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
12. Erbschein bei Auslandsbezug a) Eigenrechtserbschein aa) Allgemeines 47 Nach § 105 FamFG folgt die internationale Zuständigkeit der örtlichen
Zuständigkeit (s. Rz. 9). Damit ist der zuvor kraft Richterrechts praktizierte ungeschriebene Gleichlaufgrundsatz nicht mehr maßgebend, nach dem deutsche Gerichte für Nachlasssachen nur bei Anwendung deutschen Erbrechts (Sachrecht) zuständig seien1 und der lediglich durch auf inländischen Nachlass beschränkte Fremdrechtszeugnisse nach §§ 2369 Abs. 1 aF, 2368 Abs. 3 Halbs. 1 BGB durchbrochen wurde. Verstirbt ein ausländischer Erblasser mit Wohnsitz bzw. Aufenthalt in Deutschland oder hinterlässt er zumindest einen Nachlassgegenstand in Deutschland, besteht eine internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach den §§ 105, 343 Abs. 1 bzw. 3 FamFG für den gesamten Nachlass unabhängig davon, ob und inwieweit dieser einem ausländischen Erbstatut unterliegt und das Nachlassgericht daher ausländisches Recht anzuwenden hat. Entsprechendes gilt nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB bei einem deutschen Erblasser mit Grundbesitz im Ausland, wenn die dortige Rechtsordnung dafür die Geltung des eigenen Erbrechts beansprucht.2 Zur Regelung für Sterbefälle, die nach dem 16.8.2015 eintreten und dann der EuErbVO unterliegen, s. Rz. 9. 48 Das für das jeweilige Nachlassverfahren einschlägige Recht richtet sich
stets nach der lex fori.3 Ein deutsches Nachlassgericht hat daher im Erbscheinsverfahren die Regelungen der §§ 2353 ff. BGB selbst dann anzuwenden, wenn für die Erbfolge ausländisches Sachrecht maßgeblich ist.4 Eine ausländische Rechtsfigur kann nur dann in einen deutschen Erbschein aufgenommen werden, wenn sie einem deutschen Rechtsinstitut entspricht und daher zuvor in ein solches übersetzbar ist.5 Dieser allgemeine Grundsatz gilt auch nach der durch § 105 FamFG bewirkten Ausdehnung der internationalen Zuständigkeit in Nachlasssachen trotz Aufgabe des Gleichlaufprinzips unverändert fort.6 Ob die für das materielle Erbrecht berufene ausländische Rechtsordnung ihrerseits überhaupt einen Erbschein bzw. eine entsprechende Zeugniserteilung kennt, ist dabei unerheblich.7 Danach dürfen in einen durch ein deutsches Nachlassgericht
1 2 3 4
BayObLG v. 13.11.1986 – BReg. 1 Z 4/86, NJW 1987, 1148 (1149). Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 153. Staudinger/Herzog, § 2369 BGB Rz. 25; Schotten/Schmellenkamp, Rz. 344 Fn. 512. OLG Köln v. 14.7.1982 – 2 Wx 10/82, NJW 1983, 525; BayObLG v. 26.10.1995 – 1 Z BR 163/94, Rpfleger 1996, 199 (202). 5 Pinckernelle/Spreen, DNotZ 1967, 195 (204). 6 Schaal, BWNotZ 2007, 154 (160); dies deutet auch die Begründung zum GesetzE der BReg. zu § 105, BT-Drucks. 16/6308, 222 an, in der ausdrücklich auf eine möglicherweise abweichend erfolgende Beurteilung der Erbfolge durch den ausländischen Belegenheitsstaat eines Nachlassgegenstands verwiesen wird. 7 Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rz. 878; Firsching/Graf, Rz. 2.98.
792
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
ausgestellten Erbschein ausschließlich die nach den §§ 2353 ff.BGB vorgesehenen Angaben aufgenommen werden, die das Erbrecht einer Person bezeugen oder auf die sich die Vermutung des § 2365 BGB bzw. der Gutglaubensschutz der §§ 2366, 2367 BGB erstreckt.1 Dabei ggf. im Erbscheins- bzw. Testamentsvollstreckerzeugnisverfahren 49 auftretende Schwierigkeiten lassen sich durch eine Zeugnisbeschränkung auf den inländischen Nachlass nach §§ 2369 Abs. 1, 2368 Abs. 3 Halbs. 1 BGB kompensieren. Erforderlich ist dazu eine entsprechende Beschränkung des Antrags. § 2369 Abs. 1 BGB ermöglicht bei Nachlassspaltung nunmehr anders als noch für vor dem 1.9.2009 eingeleitete Verfahren nicht mehr lediglich ein Fremdrechts-, sondern auch ein entsprechendes Eigenrechtszeugnis, das jeweils auf den in Deutschland belegenen Nachlass beschränkt ist.2 Dies kompensiert insoweit teilweise die Folgen des Wegfalls des vor Inkrafttreten des § 105 FamFG maßgebend gewesenen Gleichlaufprinzips, aufgrund dessen in derartigen Fällen mangels früherer internationaler Zuständigkeit die Erbfolge durch ein deutsches Nachlassgericht nur insoweit bescheinigt werden durfte, als deutsches Sachrecht anwendbar war bzw. in dessen Durchbrechung durch § 2369 Abs. 1 aF BGB sich bei Maßgeblichkeit ausländischen Sachrechts Nachlassgegenstände im Inland befanden. Daraus wurde abgeleitet, dass ein Eigenrechtserbschein nach deutschem Recht im Ausland belegene Nachlassgegenstände von der Bescheinigung des Erbrechts ausdrücklich auszuschließen hatte, wenn die „lex rei sitae“ für die nach deutschem internationalen Privatrecht eigentlich dem deutschen Sachrecht unterliegende Erbfolge insoweit die Anwendung des eigenen Sachrechts beanspruchte.3 Dies gilt auch nach neuem Recht, wobei das deutsche Nachlassgericht nunmehr auch für den im Ausland belegenen Nachlass, der ausländischem Sachrecht unterliegt, international zuständig ist und insoweit ein Doppelerbschein erteilt werden kann. bb) Deutscher Erblasser Bei einem deutschen Erblasser, der vor dem Stichtag gemäß Art. 83 Abs. 1 50 EuErbVO für die Anwendbarkeit der EuErbVO am 17.8.2015 verstirbt und bspw. Grundbesitz in Frankreich hinterlässt, untersteht dieser in Frankreich belegene Grundbesitz nach Art. 3a Abs. 2 EGBGB wegen des diesbezüglichen Vorrangs des französischen Einzelstatuts französischem Erbrecht,4 der übrige Nachlass nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB deutschem
1 OLG Köln v. 14.7.1982 – 2 Wx 10/82, NJW 1983, 525 (526); BayObLG v. 26.10.1995 – 1 Z BR 163/94, Rpfleger 1996, 199 (202) – vertiefend dazu und zur Behandlung ausländischer Noterbrechte Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 164. 2 Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 189. 3 BayObLG v. 27.10.1959 – BReg. 1 Z 41/59, NJW 1960, 775 (776 f.); KG v. 22.5.1984 – 1 W 5196/83, Rpfleger 1984, 358 = OLGZ 1984, 428; a.A. Palandt/Weidlich, § 2353 BGB Rz. 1; Weithase, Rpfleger 1985, 267 (271). 4 Schotten/Schmellenkamp Rz. 20.
793
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
Erbrecht. Nach §§ 105 iVm. 343 Abs. 1 bzw. Abs. 2 FamFG ist das deutsche Nachlassgericht auf Grund seiner örtlichen Zuständigkeit auch international uneingeschränkt zuständig und könnte daher – gäbe es keine gesetzliche Ausnahme – die Erbfolge bzw. das Testamentsvollstreckeramt nur vollständig und damit auch bezüglich des in Frankreich belegenen Grundbesitzes unter Berücksichtigung französischen Rechts ausweisen. Hierfür wären zwei verschiedene Erbfolgen zu bescheinigen: zum einen nach deutschem Recht mit ausdrücklichem Geltungsausschluss hinsichtlich des in Frankreich belegenen Grundbesitzes, zum anderen nach französischem Recht mit ausdrücklicher Geltungsbeschränkung auf den in Frankreich belegenen Grundbesitz, wobei beide Erbfolgen zweckmäßigerweise in derselben Urkunde zu bezeugen wären.1 Um dadurch eintretende ungewollte zeitliche Verzögerungen und Kosten zu vermeiden, kann nunmehr nach § 2369 Abs. 1 BGB an Stelle einer derartigen vollumfänglichen Bescheinigung ein auf die im Inland belegenen Nachlassgegenstände beschränktes Zeugnis beantragt werden.2
M 277
Antrag auf Erteilung eines gegenstndlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschrnkten Eigenrechtserbscheins nach einem deutschen Erblasser mit Grundbesitz im Ausland (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Eigenrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) gegenstndlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschrnkt alleine Erbe des Erblassers geworden bin. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
cc) Ausländischer Erblasser 51 Entsprechendes kann für einen ausländischen Erblasser gelten, bspw. für
einen schweizerischen Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, der Grundbesitz in Deutschland, für den nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB abweichend von dem hier ansonsten maßgebenden schweizerischen Erbrecht3 gegenständlich beschränkt deutsches Recht gewählt wurde, und den restlichen Nachlass in der Schweiz hinterlässt. Auch hier ist ein deutsches Nachlassgericht nach §§ 105 iVm. 343 Abs. 1 FamFG (wenn der schweize-
1 Schotten, Rpfleger 1991, 181 (189). 2 Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 189. 3 Dazu und zu den sonstigen deutsch-schweizerischen Nachlasskonstellationen ausführlich Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (42 ff.).
794
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
rische Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, aber letztem Aufenthalt in Deutschland verstirbt) bzw. § 343 Abs. 3 FamFG (wenn der schweizerische Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und letztem Aufenthalt außerhalb Deutschlands verstirbt) international uneingeschränkt zuständig. Nach § 2369 Abs. 1 BGB kann eine Zeugniserteilung nunmehr für ab dem 1.9.2009 eingeleitete Verfahren auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkt werden, im Beispielsfall damit auf den in Deutschland befindlichen und durch Rechtswahl deutschem Erbrecht unterstellten Grundbesitz. Hinterlässt der schweizerische Erblasser daneben noch bewegliches Vermögen in Deutschland, gilt für dieses, da insoweit keine Rechtswahl möglich ist, schweizerisches Erbrecht. Dies steht der Erteilung eines auf den inländischen Grundbesitz beschränkten Zeugnisses nach § 2369 Abs. 1 BGB gleichwohl nicht entgegen. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 2369 Abs. 1 BGB, dass eine Beschränkung lediglich für die (somit für sämtliche) im Inland befindlichen und damit anders als nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB bzw. nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB nicht in offenerer Weise für (somit auch einzelne) im Inland befindliche Gegenstände möglich ist. Im Falle einer Inlandsnachlassspaltung1 in jeweils einen dem deutschen Erbrecht und einen dem ausländischen Erbrecht unterstehenden Nachlassteil ist jedoch zur Ermöglichung einer raschen Zeugniserteilung (nach der Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 2369 Abs. 1 BGB, BT-Drucks. 16/6308, 349, soll insbesondere eine zügige Erteilung eines Erbscheins für den auf Grund Nachlassspaltung deutschem Erbrecht unterliegenden Nachlassteil ermöglicht werden) eine Beschränkung auf alle demselben inländischen Spaltnachlass unterliegenden Nachlassgegenstände zulässig.2 Im abgewandelten Beispiel kann daher nach § 2369 Abs. 1 BGB ein auf das in Deutschland belegene, durch Rechtswahl dem deutschen Erbrecht unterstellte unbewegliche Vermögen beschränkter Erbschein erteilt werden. Entsprechendes gilt nach § 2368 Abs. 3 Halbs. 1 BGB für ein Testamentsvollstreckerzeugnis.3 Weitere Varianten der Nachlassspaltung können insbesondere durch Beschränkung der Rechtswahl des Erbstatuts auf Teile des inländischen Grundbesitzes oder durch Rechtswahl des Güterrechtsstatuts nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB eintreten, soweit sich hierdurch Auswirkungen auf die Erbfolge bezüglich einzelner Nachlassgegenstände ergeben.4
1 Zum Begriff der Nachlassspaltung Schotten/Schmellenkamp, Rz. 269. 2 Schaal, BWNotZ 2007, 154 (156 f.); Fröhler, BWNotZ 2008, 183 (187); ebenso zur früheren Rechtslage nach § 2369 Abs. 1 BGB aF für die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2369 BGB Rz. 23. 3 BayObLG v. 13.11.1986 – BReg. 1 Z 4/86, BayObLGZ 1986, 466 (470); Palandt/Weidlich, § 2368 BGB Rz. 4. 4 Fröhler, BWNotZ 2008, 183 (187); zu den erbrechtlichen Auswirkungen einer derartigen Güterrechtswahl im Allgemeinen und zur Frage einer Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB bei einem im gesetzlichen Güterstand nach deutschem Recht verheirateten Erblasser mit schweizerischer Staatsangehörigkeit im Besonderen Fröhler, BWNotZ 2008, 38 (45 ff.).
795
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
M 278
Antrag auf Erteilung eines gegenstndlich auf den im inlndischen Spaltnachlass fr unbewegliches Vermçgen befindlichen Nachlass beschrnkten Eigenrechtserbscheins nach einem auslndischen Erblasser (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Eigenrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) gegenstndlich auf den inlndischen Spaltnachlass fr das im Inland befindliche unbewegliche Vermçgen beschrnkt alleine Erbe des Erblassers geworden bin. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
52 Beansprucht hingegen das ausländische Belegenheitsrecht für die Erbfolge
hinsichtlich des gesamten Nachlasses und nicht nur für den bei sich belegenen Nachlassteil die Anwendung eigenen Rechts, ist Art. 3a Abs. 2 EGBGB nicht anwendbar und tritt keine Nachlassspaltung ein. Vielmehr liegt dann ein sog. hinkendes Rechtsverhältnis1 mit der Folge zugrunde, dass ein deutsches Nachlassgericht gem. deutschem internationalen Privatrecht nur einen unbeschränkten Eigenrechtserbschein nach deutschem Sachrecht erteilen kann, der im ausländischen Belegenheitsland aufgrund dort maßgebenden eigenen abweichenden internationalen Privatrechts nicht anerkannt werden dürfte. Um auch insoweit einen verwertbaren Erbnachweis zu erhalten, muss im Belegenheitsland ein aus Kostengründen möglichst auf das dort befindliche Nachlassvermögen beschränkter Erbschein nach dortigem Recht beantragt werden. Zur Kostenreduzierung sollte zudem gegenüber dem deutschen Nachlassgericht lediglich ein auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkter Eigenrechtserbschein iSd. § 2369 Abs. 1 BGB beantragt werden. 53 Verstirbt ein ausländischer Staatsangehöriger vor dem 17.8.2015 mit letz-
tem Wohnsitz in Deutschland und sieht dessen Heimatrecht die Anwendung deutschen Rechts vor, gilt insoweit deutsches Sachrecht und tritt Nachlassspaltung ein. Dies kann nicht nur Folge einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB sein. Praktisch häufig sind Fälle einer teilweisen Rück- oder Weiterverweisung nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB auf Grund einer Nachlassspaltung in einem zunächst berufenen ausländischen Kollisionsrecht. Hierzu zählen insbesondere die Anknüpfungen an den letzten
1 Dazu ausführlich Schotten/Schmellenkamp, Rz. 52.
796
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
Wohnsitz hinsichtlich des beweglichen Vermögens und an den Belegenheitsort der Sache für Immobilien sowohl nach französischem als auch nach britischem Recht. Eine Nachlassspaltung kann darüber hinaus auch auf dem Vorrang eines Einzelstatuts gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB beruhen, bspw. bei nach deutschem Internationalen Privatrecht berufenen niederländischen Recht, das die aus Art. 25 Abs. 1 EGBGB resultierende Gesamtverweisung zwar grundsätzlich annimmt, jedoch durch die Regelung des Art. 3a Abs. 2 EGBGB beschränkt werden kann, etwa für in Deutschland belegene Hofgüter, die den Regelungen der deutschen Höfeordnung und damit gegenstandsbezogen deutschem Recht unterstehen. b) Doppelerbschein Soweit im vorstehenden Beispielsfall (s. Rz. 53) kein gegenständlich auf 54 den inländischen Spaltnachlass für unbewegliches Vermögen beschränkter Eigenrechtserbschein beantragt wird, kommt ein Doppelerbscheinsantrag entweder nach § 2369 Abs. 1 BGB auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkt (einmal auf den inländischen Spaltnachlass des unbeweglichen Vermögens nach gewähltem deutschen Recht, zum anderen auf den inländischen Spaltnachlass des Restvermögens nach schweizerischem Recht) oder unbeschränkt nach § 2353 BGB1 in Betracht. Entsprechendes gilt nach § 2368 Abs. 3 Halbs. 1 BGB für ein Testamentsvollstreckerzeugnis.2
M 279
Antrag auf Erteilung eines gegenstndlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschrnkten Doppelerbscheins nach einem vor dem 17.8.2015 verstorbenen auslndischen Erblasser (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Eigenrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) gegenstndlich auf den inlndischen Spaltnachlass fr das im Inland befindliche unbewegliche Nachlassvermçgen beschrnkt alleine Erbe des Erblassers geworden bin, und die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) nach schweizerischem Recht gegenstndlich auf den mit Ausnahme
1 Vgl. Wittkowski, RNotZ 2010, 102 (124 ff.). 2 BayObLG v. 13.11.1986 – BReg. 1 Z 4/86, BayObLGZ 1986, 466 (470); Palandt/Weidlich § 2368 BGB Rz. 4.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
des inlndischen unbeweglichen Nachlassvermçgens gesamten sonstigen im Inland befindlichen Nachlasses alleine Erbe des Erblassers geworden bin. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
M 280
Antrag auf Erteilung eines unbeschrnkten Doppelerbscheins nach einem auslndischen Erblasser (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Eigenrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) gegenstndlich auf den inlndischen Spaltnachlass fr das im Inland befindliche unbewegliche Nachlassvermçgen beschrnkt alleine Erbe des Erblassers geworden bin, und die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) nach schweizerischem Recht fr den mit Ausnahme des im Inland befindlichen unbeweglichen Nachlassvermçgens gesamten Nachlass alleine Erbe des Erblassers geworden bin. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
c) Fremdrechtserbschein 55 Gem. § 2369 Abs. 1 BGB kann auf den Tod eines ausländischen Erblassers
mit bspw. italienischer Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt in Italien, dessen auch im Inland belegener Nachlass ausländischem Sachrecht untersteht, insbesondere zum Zwecke der Grundbuchberichtigung ein gegenständlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschränkter Fremdrechtserbschein beantragt werden. Hinterlässt der ausländische Erblasser im Inland neben Grundbesitz noch anderes bewegliches Vermögen, kommt eine nochmalige Beschränkung auf das unbewegliche Vermögen nur dann in Betracht, wenn dieses einen eigenständigen Inlandsspaltnachlass bildet (s. dazu Rz. 53). Trotz Anwendung ausländischen Rechts beurteilt sich das Nachlassverfahren bei Erteilung eines Fremdrechtserbscheins gem. der lex fori nach deutschem Recht (s. Rz. 48).1
1 Vertiefend dazu Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 163 ff.
798
A. Erbscheinsverfahren und Erbschein
M 281
Antrag auf Erteilung eines gegenstndlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschrnkten Fremdrechtserbscheins nach einem auslndischen Erblasser mit Grundbesitz im Inland (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Ich beantrage daher die Erteilung eines Fremdrechtserbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) gemß italienischem Recht gegenstndlich auf den im Inland befindlichen Nachlass beschrnkt alleine Erbe des Erblassers geworden bin. ...
13. Innerdeutsche Nachlassspaltung Eine besondere Art der Nachlassspaltung tritt in innerdeutschen Erbfällen 56 zwischen dem 1.1.1976 und dem 2.10.1990 auf, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im alten Bundesgebiet hatte und zu seinem Nachlass ein in der früheren DDR belegenes Grundstück gehört.1 Solche Konstellationen können jederzeit auch noch heute insoweit aktuell werden, wenn erst jetzt ein Erbnachweis erforderlich wird. In derartigen Konstellationen ist hinsichtlich des Eigentums und anderer Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der früheren DDR befinden, gem. Art. 3a Abs. 2 EGBGB iVm. § 25 Abs. 2 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR (DDR-RAG), das in der vorstehenden Zeitspanne geltende ZGB der DDR, für den übrigen Nachlass des Erblassers jedoch das BGB anwendbar.2 Als Erbnachweis ist hierzu ein auf derartigen Grundbesitz gegenständlich beschränkter Erbschein unter Anwendung des in dieser maßgebenden Zeitspanne geltenden ZGB der früheren DDR statthaft.3 Örtlich ist das Nachlassgericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers zuständig. Soweit hinsichtlich des restlichen Vermögens des Erblassers (auf das das Erbrecht des BGB anzuwenden ist) noch kein Erbschein erteilt worden ist, kann auch die Erteilung eines Doppelerbscheins für beide Erbfolgen beantragt werden. Erfasst der Nachlass jedoch weder das Eigentum noch andere Rechte an Grundstücken oder Gebäuden iSd. § 25 Abs. 2 DDR-RAG, sondern lediglich Rückübertragungs- bzw. Entschädigungsansprüche nach den §§ 3 ff. VermG, wird hierdurch keine Nachlassspaltung herbeigeführt, sondern die Geltung eines einheitlichen Erbstatuts für das gesamte Vermögen des Erblassers unberührt belassen.4 1 Zur Problematik interlokaler deutsch-deutscher Nachlassverfahren vertiefend Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 120 ff. 2 BGH v. 4.10.1995 – IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22 (26 f.). 3 BGH v. 24.1.2001 – IV ZB 24/00, BGHZ 146, 310 ff. 4 BGH v. 4.10.1995 – IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22 (27 ff.).
799
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
M 282
Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der gegenstndlich auf im Gebiet der frheren DDR belegenen Grundbesitz beschrnkt ist (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Erbscheinsantrag
. . . (wie M 268) Die Erblasserin verstarb am 1.1.1985 mit letztem Wohnsitz in Bonn. Sie war deutsche Staatsangehçrige (Bundesrepublik Deutschland) und hatte zuvor ihre frhere DDR-Staatsangehçrigkeit verloren. Zu ihrem Nachlass gehçrt ein Gebudeeigentum in Dresden (genauer Grundbuchbeschrieb). Weiterer Grundbesitz ist auf dem Gebiet der frheren DDR nicht vorhanden. Mir liegt bereits ein Eigenrechtserbschein des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Bonn, Az. . . . (Aktenzeichen) vom . . . (Erstellungsdatum) vor. Ich beantrage daher die Erteilung eines Erbscheins, nach dem ich . . . (Vor- und Nachname) gegenstndlich beschrnkt auf in der frheren DDR belegenen Grundbesitz samt Gebuden und Rechten daran unter Anwendung des Erbrechtes der frheren DDR alleine Erbe der Erblasserin geworden bin. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
14. Feststellungs- bzw. Auslegungsvertrag und Vergleich 57 Beteiligte können hinsichtlich einer unklar formulierten und daher aus-
legungsbedürftigen Verfügung von Todes wegen eine einvernehmliche schuldrechtliche Vereinbarung durch Vergleich iSd. § 779 BGB oder Feststellungs- bzw. Auslegungsvertrag iSd. § 311 BGB treffen.1 Eine derartige schuldrechtliche Vereinbarung ist hinsichtlich Vermächtnissen und Auflagen grundsätzlich formfrei wirksam, soweit sich nicht aus speziellen Formvorschriften, insbesondere aus § 311b Abs. 1 BGB bei betroffenem Grundbesitz, § 518 Abs. 1 BGB bzw. § 15 Abs. 3 bzw. 4 GmbHG etwas anderes ergibt.2 Umgekehrt beinhalten die Erbfolge betreffende Regelungen zumeist die Verpflichtung zur vollständigen oder anteiligen Übertragung von Erbteilen und sind daher nach §§ 2371, 2385 Abs. 1 BGB ebenso wie der spätere Vollzug durch Erbteilsabtretung nach § 2033 Abs. 1 BGB beurkundungspflichtig.3 Insoweit kann bereits für die in einem einvernehmlichen Erbscheinsantrag enthaltene Einigung über die Erbfolge eine notarielle Beurkundung erforderlich machen.4 1 BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); OLG München v. 8.6.2010 – 31 Wx 48/10, NJW-RR 2011, 13 f.; Baumann, RNotZ 2011, 33; DNotI, DNotI-Report 2010, 169. 2 RG v. 16.9.1943 – II 151/42, RGZ 171 358 (365 f.); Groll/Esser, B II Rz. 374; Nieder/ R. Kössinger/W. Kössinger, § 23 Rz. 59; Damrau, JR 1986, 375; v. Proff, ZEV 2010, 348 f. 3 RG v. 19.10.1905 – 144/05 IV, JW 1905, 721; v. Proff, ZEV 2010, 348 (349); Zimmermann, Erbschein Rz. 250. 4 Dressel, ZEV 1999, 289 (292).
800
B. Testamentsvollstreckerzeugnis und sonstige Erklrungen
Das Nachlassgericht ist an einen Feststellungs- bzw. Auslegungsvertrag 58 bzw. Vergleich der Beteiligten angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes aus § 2358 BGB iVm. § 26 FamFG grundsätzlich nicht gebunden. Umgekehrt besteht jedoch eine Bindung an rechtskräftige Feststellungsurteile aus Zivilprozessverfahren, in denen der zur Disposition der Parteien stehende Verhandlungsgrundsatz maßgebend ist, ohne dass der zugrundeliegende Sachverhalt von Amts wegen aufgeklärt werden müsste. Soweit nicht der eindeutige Wortlaut der betroffenen letztwilligen Verfügung oder Interessen Dritter entgegenstehen, kommt daher einer Einigung aller Beteiligten eine erhebliche indizielle Bedeutung zu, von der das Nachlassgericht regelmäßig nicht abweichen wird.1 Zudem ist derjenige Auslegungsvertrags- bzw. Vergleichsbeteiligte, der das materielle Erbrecht vereinbarungswidrig gerichtlich durchsetzt, schadensersatzpflichtig.2 Erbschaftsteuerlich wird das so gefundene Resultat, soweit es dem Willen des Erblassers entsprach, selbst dann akzeptiert, wenn dieses einem formunwirksamen Testament entspricht.3 Anders verhält es sich jedoch in Fällen, in denen die Beteiligten die Vereinbarung gänzlich entgegen dem Willen des Erblassers ausschließlich am eigenen Interesse ausgerichtet treffen.4 Entsprechendes gilt für die einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen.5
B. Testamentsvollstreckerzeugnis und sonstige Erklärungen I. Nachfolgertestamentsvollstrecker Der Erblasser kann die Bestimmung der Person des Testamentsvollstre- 59 ckers bei Wegfall eines von ihm selbst ernannten Testamentsvollstreckers, aber auch von vornherein – soweit er selbst durch Verfügung von Todes wegen Testamentsvollstreckung angeordnet hat – einem Dritten übertragen. Dieser hat die Bestimmung gem. § 2198 BGB sodann durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vorzunehmen. Das Bestimmungsrecht des Dritten erlischt, wenn das Nachlassgericht auf Antrag eines Beteiligten für die Ausübung des Bestimmungsrechts gem. § 2198 Abs. 2 BGB eine Frist gesetzt hat und diese ergebnislos abläuft. Entsprechendes gilt nach § 2199 BGB für die Ermächtigung zur Ernennung eines Mitvollstreckers bzw. Nachfolgertestamentsvollstreckers. Sind mehrere Personen gemeinsam ermächtigt und fehlen Vorgaben zur Entscheidungs1 BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); Zimmermann, Erbschein Rz. 248. 2 Hübner, ErbStB 2003, 231 (233); v. Proff, ZEV 2010, 348 (349). 3 BFH v. 1.7.2008 – II R 71/06, BStBl II 2008, 874 = ZEV 2008, 549 in Anknüpfung an RFH v. 23.4.1919, II A 38/19, RStBl 1919, 228; v. Proff, ZEV 2010, 348 (350). 4 BFH v. 15.3.2000 – II R 15/98, BStBl II 2000, 588 = ZEV 2000, 335 f.; v. Proff, ZEV 2010, 348 (350). 5 BFH v. 13.2.1997 – IV R 15/96, BStBl II 1997, 306 = NJW-RR 1997, 1225 (1226 f.); v. Proff, ZEV 2010, 348 (350 f.).
801
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
findung, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob durch Mehrheit oder einstimmig beschlossen werden soll.1 Gem. § 2200 BGB kann das durch den Erblasser mittels Verfügung von Todes wegen entsprechend ersuchte Nachlassgericht seinerseits einen Testamentsvollstrecker ernennen, soll vor der Ernennung jedoch möglichst die Beteiligten anhören.
M 283
Ernennung eines Nachfolgertestamentsvollstreckers durch die brigen Mitvollstrecker
An das Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Ort) Nachlass des . . . (Daten des Erblassers) Ihr Zeichen: . . . (Aktenzeichen) Der am . . . (Sterbedatum) in . . . (Sterbeort) mit letztem Wohnsitz in . . . (letzter Wohnsitz) verstorbene Erblasser hat in dem am . . . (Erçffnungsdatum) durch das Nachlassgericht erçffneten Testament vom . . . (Errichtungsdatum) uns, die unterzeichnenden . . . (Vor- und Nachname) und . . . (Vor- und Nachname), sowie Herrn . . . (Vor- und Nachname) zu seinen gemeinschaftlichen Testamentsvollstreckern ernannt. Gleichzeitig ist geregelt, dass nach Ausscheiden eines der drei Testamentsvollstrecker die verbliebenen beiden Testamentsvollstrecker einen Ersatztestamentsvollstrecker zu bestimmen haben. Herr . . . (Vor- und Nachname) hat gegenber dem Nachlassgericht sein Amt als Testamentsvollstrecker durch Schreiben vom . . . (Datum), das sich bei den Nachlassakten befindet, gekndigt. Dadurch ist sein Amt beendet. Wir, die Unterzeichnenden, . . . (Vor- und Nachname) und . . . (Vor- und Nachname), ernennen hiermit an Stelle von Herrn . . . (Vor- und Nachname des ausgeschiedenen Testamentsvollstreckers) Herrn . . . (Vor- und Nachname) zum weiteren Testamentsvollstrecker. Herr . . . (neu ernannter Testamentsvollstrecker) wird die Annahmeerklrung gem. § 2202 BGB innerhalb der nchsten Tage beim Nachlassgericht einreichen. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschriften) Unterschriftsbeglaubigung ...
II. Annahme bzw. Ablehnung des Testamentsvollstreckeramts 60 Gem. § 2202 Abs. 1 BGB beginnt das Amt des Testamentsvollstreckers
mit dem Zeitpunkt der Annahme des Amtes durch den Ernannten, wobei 1 Staudinger/Reimann, § 2199 BGB Rz. 4.
802
B. Testamentsvollstreckerzeugnis und sonstige Erklrungen
die Verfügungsbeschränkung der Erben iSd. § 2211 Abs. 1 BGB unabhängig davon bereits mit dem Erbfall eintritt.1 Die Annahmeerklärung bedarf keiner Form. Eine Annahme unter Bedingung, Zeitbestimmung oder Widerrufsvorbehalt ist nach § 2202 Abs. 2 Satz 2 BGB jedoch unzulässig. Das Nachlassgericht kann dem Ernannten auf Antrag eines der Beteiligten eine Frist zur Erklärung über die Annahme setzen. Mit ergebnislosem Ablauf der Frist gilt das Amt als abgelehnt.
M 284
Annahme/Ablehnung des Testamentsvollstreckeramts
An das Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Ort) Nachlass des/der . . . (Daten des Erblassers) Ihr Zeichen: . . . (Aktenzeichen) Am . . . (Sterbedatum) ist in . . . (Sterbeort) der Erblasser . . . (Vor- und Nachname) mit letztem Wohnsitz in . . . (letzter Wohnsitz) verstorben. Er hat mich auf Grund seines Testamentes vom . . . (Errichtungsdatum), erçffnet durch das Nachlassgericht am . . . (Erçffnungsdatum) zu seinem Testamentsvollstrecker ernannt. Ich nehme hiermit das Amt des Testamentsvollstreckers an/ich lehne hiermit das Amt des Testamentsvollstreckers endgltig ab. . . . (Ort, Datum) . . . (Unterschrift)
III. Testamentsvollstrecker- bzw. Nacherbenvollstreckerzeugnis Ein Testamentsvollstreckerzeugnis wird gem. § 2368 BGB ausschließlich 61 auf Antrag erteilt. Hinsichtlich der erforderlichen Angaben und der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verweist § 2368 Abs. 3 BGB auf die Regelungen über den Erbschein gem. den §§ 2354, 2355 BGB. Nach Landes- oder Bundesrecht angeordnete Genehmigungspflichten sind vom Nachlassgericht nicht zu überprüfen.2 Ähnlich einem streitigen Erbscheinsverfahren ist auch bei einem streitigen Testamentsvollstreckerzeugnisverfahren für ab dem 1.9.2009 eingeleitete Verfahren die frühere ungeschriebene Vorbescheids- durch eine Suspensivlösung nach §§ 354 iVm. 352 FamFG ersetzt worden.3 Zur Vermeidung eines gutgläubigen Erwerbs Dritter bei Grundstücken ist gemäß § 52 GBO im Grundbuch ein Testamentsvollstreckervermerk einzutragen.
1 BGH v. 2.10.1957 – IV ZR 217/57, BGHZ 25, 275 (282). 2 Firsching/Graf, Rz. 4.456. 3 Vgl. dazu Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 11 ff.
803
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
62 Im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers sind
sämtliche Beschränkungen oder Erweiterungen der gesetzlichen Regelung im Antrag anzugeben. Hierzu gehören insbesondere die Freistellung bei der Eingehung von Verbindlichkeiten und entgegen der hM1 die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB2 einerseits sowie das Verbot zu bestimmten Verfügungen andererseits.3
M 285
Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Testamentsvollstreckerzeugnisantrag
... Der Erblasser hat folgende Verfgungen von Todes wegen hinterlassen: . . . (Aufzhlung smtlicher Testamente bzw. Erbvertrge des Erblassers unter Nennung des Errichtungs- sowie des Erçffnungsdatums). Auf Grund des maßgebenden Testaments vom . . . (Errichtungsdatum), erçffnet durch das Nachlassgericht am . . . (Erçffnungsdatum) bin ich zum alleinigen Testamentsvollstrecker des Erblassers ernannt. Ich habe das Amt des Testamentsvollstreckers bereits durch Schreiben vom . . . (Datum) gegenber dem Nachlassgericht angenommen. Das Annahmeschreiben befindet sich bei den Nachlassakten. Ich besttige dies hiermit nochmals. Auf Grund des vorstehenden Testaments bin ich als Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten fr den Nachlass nicht beschrnkt und von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit. Ich beantrage, mir ein Zeugnis ber meine Ernennung zum Testamentsvollstrecker zu erteilen. Weitere als die vorstehend genannten letztwilligen Verfgungen von Todes wegen hat der Erblasser nicht hinterlassen. Ein Rechtsstreit ber meine Ernennung zum Testamentsvollstrecker ist nicht anhngig. Der Notar hat mich vorab ber die Strafbarkeit einer vorstzlichen bzw. fahrlssigen falschen eidesstattlichen Versicherung belehrt. Ich versichere nunmehr an Eides Statt: Es ist mir nichts bekannt, was der Vollstndigkeit und Richtigkeit meiner vorstehenden Angaben entgegensteht. Ich beantrage gegenber dem beurkundenden Notar die Erteilung einer Ausfertigung dieses Testamentsvollstreckerantrages fr das Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Nachlassgericht des letzten Wohnsitzorts des Erblassers) zu Az . . . (Aktenzeichen) sowie einer einfachen Fotokopie dieses Testamentsvollstreckerzeugnisantrages fr meine Unterlagen. 1 OLG Köln v. 21.11.2012 – 2 Wx 214/12, RNotZ 2013, 103 ff.; OLG Hamm v. 23.3.2004 – 15 W 75/04, DNotZ 2004, 808 (810); MünchKomm.BGB/J.Mayer, § 2368 BGB Rz. 37; Palandt/Weidlich, § 2368 BGB Rz. 2. 2 Letzel, ZEV 2004, 289 (290); Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (101); Prütting/Helms/Fröhler, § 354 FamFG Rz. 12. 3 Prütting/Helms/Fröhler, § 354 FamFG Rz. 12.
804
C. Vermchtnisvollstreckerzeugnis
Gegenber dem Amtsgericht/Notariat – Nachlassgericht – . . . (Nachlassgericht am letzten Wohnsitzort des Erblassers) beantrage ich hiermit die Erteilung einer Ausfertigung und drei beglaubigter Fotokopien des Testamentsvollstreckerzeugnisses fr mich. ber meine Pflichten wurde ich belehrt. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
M 286
Antrag auf Erteilung eines Nacherbenvollstreckerzeugnisses (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Nacherbenvollstreckerzeugnisantrag
. . . (wie M 285) Meine Befugnis ist auf eine Nacherbenvollstreckung gem. § 2222 BGB beschrnkt. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
C. Vermächtnisvollstreckerzeugnis In der Praxis werden zur Vermeidung von Erbschaftsteuerbelastungen ins- 63 besondere im unternehmerischen Bereich häufig beim Tod des erstversterbenden Ehegatten neben der Alleinerbeinsetzung des längstlebenden Ehegatten Miteigentumsanteile an gewerblichem Grundbesitz vermächtnisweise auf die gemeinschaftlichen Kinder übertragen. Um die Verfügungsbefugnis gleichwohl beim längstlebenden Ehegatten zu belassen, empfiehlt sich die Anordnung einer Vermächtnisvollstreckung nach § 2223 BGB. Vermächtnisvollstrecker kann hier anders als bei einer Testamentsvollstreckung insbesondere der längstlebende Ehegatte als Alleinerbe sein. Auf Antrag des Vermächtnisvollstreckers kann aufgrund eines dem betroffenen Vermächtnisnehmer vermachten Grundbesitzes bzw. Grundpfandrechts analog § 52 GBO ein Vermächtnisvollstreckervermerk im Grundbuch eingetragen werden.1 Im Gegensatz zur Testamentsvollstreckung wird die Vermächtnisvollstreckung jedoch nicht im Erbschein vermerkt.2 Die Anordnung der Vermächtnisvollstreckung ist im Erbschein nicht zu erwähnen. Dem Vermächtnisvollstrecker ist jedoch auf Antrag ein Vermächtnisvollstreckerzeugnis analog § 2368 BGB zu erteilen.3 1 BayObLG v. 22.3.1990 – BReg. 2 Z 112/89, DNotZ 1991, 548 = BayObLGZ 1990, 82; Staudinger/Reimann, § 2223 BGB Rz. 22. 2 Staudinger/Reimann, § 2223 BGB Rz. 21. 3 Staudinger/Reimann, § 2368 BGB Rz. 19.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
M 287
Antrag auf Erteilung eines Vermchtnisvollstreckerzeugnisses (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) Vermchtnisvollstreckerzeugnisantrag
. . . (wie M 285) Meine Aufgabe als Vermchtnisvollstrecker ist darauf beschrnkt, das den Sçhnen . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift) und . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft in . . . (Wohnanschrift), vermachte Vermçgen von jeweils . . . Miteigentum (Miteigentumsanteil) an dem Hotelanwesen . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) zu verwalten. Ich bin von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit. . . . (Eidesstattliche Versicherung; Schluss)
64 Ebenso wie ein Erbschein können auch Testamentsvollstrecker- bzw. Ver-
mächtnisvollstreckerzeugnisse gegenständlich beschränkt erteilt werden. Dies gilt insbesondere für Fremdrechtstestaments- bzw. Fremdrechtsvermächtnisvollstreckerzeugnisse analog § 2369 BGB.
D. Weitere Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweise I. Gegenüber Grundbuchämtern 65 Gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO wird die Erbfolge gegenüber dem Grundbuch-
amt grundsätzlich durch einen inländischen Erbschein nachgewiesen, ausländische Erbscheine sind für die Rechtsnachfolge von am 16.8.2015 oder davor verstorbenen Personen mangels Anerkennung nach § 108 Abs. 1 FamFG nicht ausreichend,1 soweit sich aus staatsvertraglichen Regelungen nichts anderes ergibt,2 während für die Rechtsnachfolge von am 17.8.2015 oder danach verstorbenen Personen nach Artt. 69 Abs. 2, 62 und 63 Abs. 1 EuErbVO ein Europäisches Nachlasszeugnis zur Verwendung in 1 OLG Bremen v. 19.5.2011 – 3 W 6/11, DNotZ 2012, 687 mit Anm. Hertel; KG v. 25.9.2012 – 1 W 270–271/12, DNotZ 2013, 135 (138); KG v. 16.6.1938 – 1 Wx 236/38, JFG 17, 342 (343 f.); KG v. 25.3.1997 – 1 W 6538/96, DNotZ 1998, 303 (304); OLG Zweibrücken v. 19.12.1989 – 7 U 134/89, MDR 1990, 341; Hügel/Wilsch, § 35 GBO Rz. 155; Demharter, § 35 GBO Rz. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rz. 800; Bestelmeyer, notar 2013, 147; Prütting/Helms/Hau, § 108 FamFG Rz. 16; aA Kaufhold, ZEV 1997, 399 (401 ff.); MünchKomm.BGB/Birk, Art. 25 EGBGB Rz. 362: teilweise materiell-rechtliche Substitution möglich. 2 So für beweglichen Nachlass gem. § 17 des deutsch-türkischen Staatsvertrags v. 28.5.1929. RGBl. II 1930, S. 748, Fortgeltung gem. Bek. v. 26.2.1952, BGBl. II 1952, S. 608; Hertel, DNotZ 2012, 688 (691).
806
D. Weitere Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweise
einem anderen Mitgliedstaat genügt.1 Das Grundbuchamt ist an den erteilten vorgelegten Erbschein im Umfang dessen Vermutungswirkung iSd. § 2365 BGB gebunden.2 Beruht die Erbfolge jedoch auf einer öffentlich beurkundeten Verfügung 66 von Todes wegen, die trotz abstrakter Möglichkeit eines gesetzlichen Rücktrittsrechts nach § 2295 BGB auch eine Leistungsverpflichtung des Bedachten enthalten darf,3 genügt die Vorlage der Verfügung samt Niederschrift über deren Eröffnung, soweit nicht das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden trotz eigener Verpflichtung zu deren Auslegung4 nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO nicht für nachgewiesen hält, bspw. im Fall einer iSd. § 158 Abs. 2 BGB lediglich auflösend bedingten Erbeinsetzung, wie etwa bei Pflichtteilsstrafklauseln mit automatischer Verwirkungsfolge5 bzw. bei nicht eindeutiger Auslegbarkeit einer Verfügung als bloße Vor- oder doch als Vollerbeneinsetzung6. Unschädlich dürfte ein erbvertraglicher Rücktrittsvorbehalt sein, da § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO auch kraft Gesetzes widerrufbare gemeinschaftliche oder Einzeltestamente erfasst.7 Zur Personifizierung von Nacherben nach Eintritt des Nacherbfalls können trotz der vorgelegten öffentlich beurkundeten Verfügung von Todes bestehende Nachweislücken – anders als bei Vorliegen lediglich eines eigenhändigen Testaments mit dann ohnehin einzuziehendem Vorerbschein bzw. eines eingetragenen Nacherbenvermerks8 bzw. eines Testamentsvollstreckerzeugnisses9 – durch Personenstandsurkunden bzw. für das Nichtvorhandensein weiterer Nacherben durch eidesstattliche Versicherung geschlossen werden.10 Während ein Erbschein stets in Ausfertigung vorzulegen ist, genügt für ei- 67 nen Nachweis nach § 35 Abs. 2 Satz 2 GBO die Vorlage einer beglaubigten Abschrift, es genügt sogar eine beglaubigte Abschrift von einer beglaubig1 2 3 4 5
6 7
8 9 10
Prütting/Helms/Fröhler, § 354 FamFG Rz. 22. OLG München v. 27.2.2012 – 34 Wx 548/11, RNotZ 2012, 286 (288). OLG München v. 31.5.2012 – 34 Wx 15/12, FGPrax 2012, 203 (204). OLG Zweibrücken v. 14.3.2011 – 3 W 150/10, FGPrax 2011, 176 (Bsp. Wiederverheiratungsklausel). OLG München v. 11.12.2012 – 34 Wx 433/12, RNotZ 2013, 172 (174); OLG München v. 31.5.2012 – 34 Wx 15/12, FGPrax 2012, 203 (204), wobei nach OLG Hamm v. 8.2.2011 – 15 W 27/11, MittBayNot 2012, 146 (147 f.) ergänzend die Vorlage jeweils einer eidesstattlichen Versicherung aller auflösend bedingten Schlusserben ausreicht, a.A. Demharter, § 35 GBO Rz. 39: Erbschein erforderlich, während ggf. sogar ein Erlassvertrag erforderlich sein kann, vgl. Selbherr, MittBayNot 2007, 224. OLG Düsseldorf v. 1.6.2012 – I-3 Wx 113/12, FGPrax 2012, 240. Braun, MittBayNot 2012, 294; Tönnies, RNotZ 2012, 326 f.; LG Kleve v. 4.9.1989 – 4 T 150/89, MittRhNotK 1989, 273 f.; aA OLG München v. 3.11.2011 – 34 Wx 272/11, MittBayNot 2012, 293: im Gegensatz zu gesetzlichen bei vertraglichen Rücktrittsrechten zusätzlich eidesstattliche Versicherung erforderlich; a.A. Litzenburger, FD-ErbR 2012, 334607: sowohl bei gesetzlichen als auch bei vertraglichen Rücktrittsrechten immer zusätzlich eidesstattliche Versicherung erforderlich. OLG München v. 11.4.2011 – 34 Wx 160/11, FGPrax 2011, 173; OLG München v. 10.8.2012 – 34 Wx 207/12, DNotZ 2013, 153 (154). OLG München v. 27.5.2011 – 34 Wx 93/11, FGPrax 2011, 228 (229). OLG Hamm v. 5.4.2011 – 15 W 34/11, FGPrax 2011, 223 (224).
807
9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
ten Abschrift statt von der Urschrift,1 hilfsweise kann auf die die Urkunde enthaltenden Nachlassakten desselben Amtsgerichts verwiesen werden.2 68 Dieses Privileg kann auch für ausländische Urkunden, bspw. vor auslän-
dischen Notaren errichtete Verfügungen von Todes wegen, gelten.3 Jedoch kann das Grundbuchamt insoweit je nach Lage des Einzelfalls wegen des diesbezüglich erhöhten Schwierigkeitsgrades eher als bei deutschen Verfügungen von Todes wegen die Vorlage eines Erbscheins verlangen.4 69 Das deutsche Recht kennt jedoch ausschließlich zwei in Gestalt des
öffentlichen oder des eigenhändigen Testaments ordentliche Testamentsformen und als außerordentliche Testamentsformen für Notlagen das Bürgermeister-, Dreizeugen bzw. Seetestament. Daneben sind keine Zwischenformen möglich. Insbesondere dürfte dem Notar die Erstellung einer Unterschriftsbeglaubigung unter einem eigenhändigen Testament wegen der abschließenden Regelung aus § 2232 BGB beurkundungsrechtlich und materiell-rechtlich untersagt sein.5 Dabei wäre ohnehin alleine der Beglaubigungsvermerk öffentliche Urkunde iSd. § 415 ZPO. Eine derartige Unterschriftbeglaubigung würde zudem lediglich die Echtheit6 sowie die Zeit und den Ort7 der Unterschrift, nicht jedoch die eigenhändige Errichtung des Textes bezeugen und damit insbesondere das eigenhändige nicht zum öffentlichen Testament machen, sondern dessen Eigenschaft als Privaturkunde unverändert lassen.8 Daher kann auch eine vor einem englischen bzw. US-amerikanischen notary public durch bloße Unterschriftsbeglaubigung errichtete Verfügung von Todes wegen kein Erbnachweis iSd. § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO sein.9
II. Gegenüber Banken und Sparkassen 70 Auch gegenüber Banken bzw. Sparkassen kann der Erbe den Nachweis sei-
nes Erbrechts statt durch Erbschein idR durch eröffnete notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen (öffentliches Testament bzw. Erbvertrag) samt Eröffnungsnachweis erbringen.10 So kann nach Ziff. 5 der AGB-Banken die Bank auf die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvoll1 KG v. 16.9.1997 – 1 W 4156/97, FGPrax 1998, 7 (8). 2 BayObLG v. 23.10.1986 – 2 Z 107/86, Rpfleger 1987, 59 (60). 3 KG v. 16.6.1938 – 1 Wx 236/38, JFG 17, 342 (345); Böhringer, ZEV 2001, 387; Hügel/ Wilsch, § 35 GBO Rz. 85; Kaufhold, ZEV 1997, 399 (401 ff.); Demharter, § 35 GBO Rz. 32; Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 15. 4 Hahn/Mugdan, Materialien, Bd. V, Denkschrift zur GBO, 160; Hügel/Wilsch, § 35 GBO Rz. 85 f. 5 Baumann, RNotZ 2010, 310 (315). 6 Baumann, RNotZ 2010, 310 (315); Staudinger/Hertel, § 129 BGB Rz. 112. 7 Staudinger/Hertel, § 129 BGB Rz. 112. 8 BGH v. 16.11.1979 – V ZR 93/77, NJW 1980, 1047 (1048) = DNotZ 1980, 354; Baumann, RNotZ 2010, 310 (315); Staudinger/Hertel, § 129 BGB Rz. 112. 9 Hügel/Wilsch, § 35 GBO Rz. 86; Süß, Rpfleger 2003, 66. 10 BGH v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779 (2780) = ZEV 2005, 388 = DNotZ 2006, 300.
808
D. Weitere Erb- bzw. Testamentsvollstreckernachweise
streckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird. Nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des BGH vom 7.6.20051 stellt ein eröffnetes öffentliches Testament in der Regel einen ausreichenden Nachweis der Erbfolge dar. Dies trägt dem berechtigten Interesse des Erben an einer möglichst raschen und kostengünstigen Abwicklung des Nachlasses Rechnung. Im vorstehend entschiedenen Fall des Erbnachweises gegenüber einer Bank waren allerdings die AGB-Banken bzw. AGB-Sparkassen noch nicht Vertragsbestandteil. Nach der diesbezüglichen neuen Rechtsprechung des BGH vom 8.10.2013 71 verstoßen die AGB-Sparkassen mit dem o.g. Regelungsgehalt, nach eigenem Belieben auf Vorlage eines Erbscheins bzw. Testamentsvollstreckerzeugnisses bestehen zu können, gegen wesentliche Grundgedanken der Rechtsordnung, wie sie gesetzlich insbesondere von § 35 Abs. 1 GBO vorgegeben werden, und sind daher wegen unangemessener Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 u. 2 Nr. 1 BGB im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.2 Die Bank darf daher, obwohl ihr keine Beiziehung der Nachlassakten eröffnet ist, nur dann auf der Vorlage eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses bestehen, wenn auch unter Berücksichtigung eines öffentlichen Testaments bzw. Erbvertrages samt Eröffnungsnachweis Zweifel an der Eindeutigkeit der Erbfolge bestehen.3 Dabei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere an kleinere Bankinstitute mangels mit dem Nachlassgericht vergleichbarer spezifischer erbrechtlicher Fachausbildung andere Maßstäbe für die Bestimmung der Eindeutigkeit der Erbfolge angelegt werden müssen. Umgekehrt kann die fehlende Möglichkeit zur Beiziehung der Nachlassakten4 zumindest durch die einer Bank insoweit eröffnete Berechtigung zur Akteneinsicht teilkompensiert werden. Eindeutigkeit der Erbfolge und damit zugleich ein Ausschluss des Ermessens bei Banken und Grundbuchamt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn in einem Einzeltestament die Erben namentlich bestimmt werden und die Erbfolge dementsprechend eintritt, weiterhin auf der ersten Stufe des Berliner Testaments, also der Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Erben des Erstverstorbenen. Das Risiko der Existenz eines abweichenden weiteren später errichteten Testaments ist mit Hilfe des Zentralen Testamentsregisters deutlich reduziert.5 Soweit der Nachlass zusätzlich aus Grundbesitz besteht und Zweifel an der Erbenstellung geäußert werden, könnte zunächst nach § 35 GBO das betroffene Grundbuch berichtigt und, obwohl insoweit ohne Gutglaubensschutz aus § 892 BGB, eine beglaubigte Grundbuchabschrift zur weiteren Untermauerung des Inhalts des eröffneten öffentlichen Testaments bzw. Erbver-
1 BGH v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, NJW 2005, 2779 (2780) = ZEV 2005, 388 = DNotZ 2006, 300. 2 BGH v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, DNotZ 2014, 53 ff.; Tersteegen, RNotZ 2014, 98 ff. 3 Werkmüller, ZEV 2005, 390. 4 Keim, ZEV 2014, 277 (279). 5 Keim, ZEV 2014, 277 (280).
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
trages vorgelegt werden.1 Soweit eine AGB-Klausel das Kreditinstitut von dessen Leistungspflicht befreit, wenn bei Geldauszahlung ohne Fahrlässigkeit auf die Vorlage eines Erbscheins verzichtet wird, dürfte § 307 BGB nicht verletzt sein, während der Sparkasse/Bank umgekehrt bei der Vorlage lediglich eigenhändiger Testamente ein größerer Beurteilungsspielraum eröffnet sein muss.2
III. Gegenüber Registergerichten 72 Entsprechendes gilt für die Erbenlegitimation gegenüber dem Handels-
register, soweit auch nach von dort durchzuführender Auslegung keine Zweifel verbleiben.3
IV. Die notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen als Testamentsvollstreckernachweis 73 Die obigen Grundsätze gelten auch für notariell beurkundete Verfügungen
von Todes wegen nebst Eröffnungsprotokoll und, soweit dort nicht bereits ersichtlich, Annahmezeugnis in der Form des § 29 GBO4 als Nachweis der Testamentsvollstreckerbestellung anstelle eines nachlassgerichtlichen Testamentsvollstreckerzeugnisses. Dies folgt für den Grundbuchvollzug ausdrücklich aus § 35 Abs. 2 Halbs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 GBO und für Rechtsgeschäfte mit Banken und Sparkassen aus der vorstehenden BGHRechtsprechung.
E. Europäisches Nachlasszeugnis für Erbfälle ab dem 17.8.2015 74 Im Anwendungsbereich der EuErbVO führt Art. 62 EuErbVO für die
Rechtsnachfolge von am 17.8.2015 oder danach verstorbenen Personen ein Europäisches Nachlasszeugnis zur nicht verpflichtenden Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat ein, das nicht an die Stelle innerstaatlicher Schriftstücke tritt, jedoch iSd. Art. 69 EuErbVO auch in dem Ausstellungsstaat Wirkung entfaltet.5 Dieses Zeugnis bezweckt dabei nach Art. 63 EuErbVO die Verwendung als Nachweis durch Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter.
1 Keim, ZEV 2014, 277 (280). 2 Keim, ZEV 2014, 277 (279 bzw. 282). 3 OLG Stuttgart v. 17.5.2011 – 8 W 169/11, ZEV 2012, 338 f.; KG v. 5.10.2006 – 1 W 146/06, ZEV 2007, 497 f. 4 BeckOK GBO/Wilsch, § 35 GBO Rz. 131. 5 J. Schmidt, ZEV 2014, 389 (390).
810
E. Europisches Nachlasszeugnis
Antragsberechtigt sind nach Art. 65 Abs. 1 iVm. Art. 63 Abs. 1 EuErbVO 75 Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Der Antrag muss dabei die in Art. 65 Abs. 2 EuErbVO genannten Angaben zu Erblasser, Antragsteller, dessen etwaigem Vertreter, Ehegatte oder Partner des Erblassers, sonstigen Berechtigten, dem beabsichtigten Zweck, Kontaktangaben des Gerichts oder sonstiger zuständiger Behörden, dem zugrundeliegenden Sachverhalt, etwaigen Verfügungen von Todes wegen, Eheverträgen, Annahmen, Ausschlagungen bzw. Rechtsstreitigkeiten abgeben. Zwingende Voraussetzung ist im Rahmen der Zweckangabe die beabsichtigte Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat, da eine beabsichtigte ausschließliche Verwendung im Staat der Ausstellungsbehörde den Antrag unzulässig macht.1 Nach Art. 64 EuErbVO ist zuständige Ausstellungsbehörde in dem nach 76 Art. 4, 7, 10 oder 11 EuErbVO international zuständigen Mitgliedstaat ein Gericht iSd. Art. 3 Abs. 2 EuErbVO oder eine nach innerstaatlichem Recht für Erbsachen zuständige Behörde, zu denen in den meisten Mitgliedstaaten Notare zählen,2 gem. Erwägungsgrund 70 können zudem nach innerstaatlichem Recht andere zuständige Stellen beteiligt werden, wie bspw. in Deutschland Notare zur eidesstattlichen Versicherung.3 Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Europäischen Nachlasszeugnisses hat die Ausstellungsbehörde nach Art. 66 EuErbVO ein eigenes Ermessen für die Art der Nachweisführung. Ein deutsches Nachlassgericht wird iSd. Art. 66 Abs. 1 EuErbVO regelmäßig die Vorlage öffentlicher Urkunden verlangen.4 Nach Art. 67 EuErbVO wird das Europäische Nachlasszeugnis unter Ver- 77 wendung des nach dem Beratungsverfahren gem. Art. 81 Abs. 2 EuErbVO noch zu erstellenden Formblatts mit den inhaltlichen Angaben nach Art. 68 EuErbVO ausgestellt, wenn keine Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind und keine Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung zu demselben Sachverhalt besteht. Nach Art. 68 Buchst. i EuErbVO ist u.a. das anzuwendende Recht samt den Grundlagen für seine Anwendbarkeit auszuweisen. Im Gegensatz zur Handhabung bei Erstellung eines deutschen Fremdrechtserbscheins gibt das Europäische Nachlasszeugnis das anzuwendende ausländische Recht bspw. bei dinglichen Vermächtnissen oder Teilungsanordnungen ohne Rechtsinstitutsanpassung an, da bei der späteren Verwendung des Zeugnisses der Vorbehalt sachenrechtlicher Anerkennung in dem vom Ausstellungstaat verschiedenen Mitgliedstaat nach Art. 69 Abs. 5 iVm. Art. 1 Abs. 2 Buchst. k und Buchst. l EuErbVO gilt.5 und bspw. bei dinglichen Vermächtnissen oder 1 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525. 2 S. dazu die diesbezügliche Länderliste bei Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (526 Fn. 7). 3 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397 Fn. 54). 4 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 f. 5 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (527).
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
Teilungsanordnungen nach ausländischem Erbrecht gem. deutscher lex rei sitae zum Grundbuchvollzug noch eine Auflassung erforderlich ist.1 Zudem bezeugt das Europäische Nachlasszeugnis selbst bei Ausweisung derartiger Einzelgegenstandszuordnungen keine diesbezügliche Zugehörigkeit zum Nachlass.2 78 Im Gegensatz zum deutschen Erbscheinsverfahren händigt die Ausstel-
lungsbehörde nach Art. 70 Abs: 1 EuErbVO dem Antragsteller bzw. anderen Personen mit nachgewiesenem berechtigten Interesse keine Ausfertigung, sondern gem. Art. 70 Abs. 3 EuErbVO lediglich eine auf sechs Monate begrenzt gültige beglaubigte Abschrift aus, auf der das Ablaufdatum angegeben wird. 79 Abweichend von der Regelung für einen deutschen Erbschein nach § 2366
BGB entfällt der Gutglaubensschutz in die Richtigkeit eines Europäischen Nachlasszeugnisses nach Art. 64 Abs. 4 EuErbVO nicht erst bei Kenntnis der Unrichtigkeit des Zeugnisses oder des Rückgabeverlangens der Ausstellungsbehörde wegen Unrichtigkeit, sondern bereits bei Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit. Dieser Umstand kann dazu führen, dass insbesondere Banken und Sparkassen, soweit nicht eine beglaubigte Abschrift einer hinreichenden Verfügung von Todes wegen und des zugehörigen Eröffnungsprotokolls vorliegen, als Erbnachweis statt eines Europäischen Nachlasszeugnisses einen deutschen Erbschein voraussetzen.3 80 Die Erteilung eines nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 EuErbVO neben nationalen
Erbnachweisen statthaften Europäischen Nachlasszeugnisses lässt das Rechtsschutzbedürfnis für einen deutschen Eigen- bzw. Fremdrechtserbschein nicht entfallen.4 81 Im Gegensatz zum Einziehungs- bzw. Kraftloserklärungsprinzip iSd. § 2361
BGB nach deutschem Recht sieht Art. 71 EuErbVO Berichtigungs-, Änderungs- oder Widerrufsmaßnahmen vor und verpflichtet die Ausstellungsbehörde nach Art. 70 Abs. 2 EuErbVO zur Führung eines Verzeichnisses der Empfänger ausgestellter beglaubigter Abschriften des Zeugnisses. Soweit deutsches Erbrecht anwendbar ist, besteht nach § 2362 BGB zusätzlich ein Anspruch des Erben auf Herausgabe eines unrichtigen Zeugnisses an die Ausstellungsbehörde.5 82 Nach Art. 72 EuErbVO kann die Zeugniserteilung bzw. -ablehnung iSd.
Art. 67 Abs. 1 EuErbVO durch jede zeugnisantragsberechtigte Person bzw. eine Berichtigung, eine Änderung oder ein Widerruf eines Europäischen Nachlasszeugnisses durch jede Person mit nachgewiesenem berechtigten Interesse durch Klage angefochten werden. Auf Verlangen bzw. Antrag einer berechtigten Person kann die Ausstellungsbehörde bzw. das Rechts1 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397), Wilsch, ZEV 2012, 530 (531); Buschbaum/ Simon, ZEV 2012, 525 (529); Hertel, DNotZ 2012, 688 (691). 2 Hertel, DNotZ 2012, 688 (690). 3 Simon/Buschbaum, NJW 2012, 2393 (2397). 4 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (528). 5 Buschbaum/Simon, ZEV 2012, 525 (526).
812
F. nderungen des nationalen Rechts
mittelgericht nach Art. 73 EuErbVO die Wirkungen des Zeugnisses aussetzen. Für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle plant die Bundesregie- 83 rung zur Angleichung an die EuErbVO neue gesetzliche Vorschriften dahingehend, dass sich das Verfahren, die örtliche und die sachliche Zuständigkeit im Zusammenhang mit einem Europäischen Nachlasszeugnis nach den Regelungen der §§ 33 bis 44 IntErbRVG-E richten (s. dazu nachfolgend Rz. 84 ff.).1
F. Änderungen des nationalen Rechts für Erbfälle ab dem 17.8.2015 zwecks Durchführung der EuErbVO I. Regelungsziel Im Hinblick auf die für ab einschließlich 17.8.2015 eintretende Erbfälle in 84 ihrem Anwendungsbereich anzuwendende EuErbVO plant die Bundesregierung im Rahmen der Schaffung der für das dann neu eingeführte Europäische Nachlasszeugnis erforderlichen Verfahrensregelungen insbesondere eine entsprechende Anpassung der Vorschriften zum Verfahren für Erbscheine und Testamentsvollstreckerzeugnisse unter gleichzeitiger systematischer Verlagerung diesbezüglicher ausschließlich verfahrensrechtlicher Vorschriften aus dem BGB in das FamFG. Sie hat dazu am 29.12.2014 gem. Art. 76 Abs. 2 GG beim Bundesrat den „Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften“ eingebracht.2 Hierzu haben der Normenkontrollrat3 und der Bundesrat durch Beschluss vom 6.2.2015 Stellung genommen,4 wozu sich die Bundesregierung wiederum geäußert5 und den Gesetzentwurf beim Bundestag zur Herbeiführung der dortigen Beschlussfassung vorgelegt hat.6
II. Regelungsinhalt 1. Übersicht Dieser „Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur 85 Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften“ besteht aus 21 Artikeln, von denen im hiesigen Zusammenhang neben anderen Änderungen insbesondere Art. 1 Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG), Art. 11 Änderung des FamFG, Art. 15 1 2 3 4 5 6
GesetzE der BReg. zu §§ 33 ff. IntErbRVG-E, BR-Drucks. 644/14, S. 55 ff. BR-Drucks. 644/14. BT-Drucks. 18/4201 Anl. 2, S. 74 ff. BT-Drucks. 18/4201 Anl. 3, S. 77 ff. BT-Drucks. 18/4201 Anl. 4, S. 89 ff. BT-Drucks. 18/4201, S. 4.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
Änderung des EGBGB, Art. 16 Änderung des BGB und Art. 21 Inkrafttreten von besonderem Interesse sind. 2. Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG-E) 86 Der Entwurf für das neue Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (Int-
ErbRVG-E) regelt die örtliche Zuständigkeit und das Verfahren aller derjenigen erbrechtsbezogenen Angelegenheiten, die wie bspw. die Entgegennahme der Ausschlagung bzw. Annahme einer Erbschaft zwingend dem Regime der EuErbVO für die internationale Zuständigkeit unterstehen. Dazu gehören nach Ansicht der Bundesregierung die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit nach – § 2 IntErbRVG-E in bürgerlichen Streitigkeiten, – § 31 IntErbRVG-E bei Entgegennahme der Ausschlagung oder Annahme einer Erbschaft, soweit eine internationale Zuständigkeit nach Art. 13 EuErbVO betroffen ist und daher vor einem deutschen Nachlassgericht ausgeschlagen bzw. angenommen wird, obschon ein ausländisches Nachlassgericht für das eigentliche Nachlassverfahren international zuständig ist;1 zur davon streng abzugrenzenden Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 344 Abs. 7 FamFG bei örtlicher Zuständigkeit eines anderen deutschen Nachlassgerichts für das eigentliche Nachlassverfahren s. nachfolgend Rz. 91, – § 34 IntErbRVG-E für Verfahren im Zusammenhang mit einem Europäischen Nachlasszeugnis und – § 47 IntErbRVG-E als Auffangtatbestand für alle sonstigen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ohne eine andere örtliche Zuständigkeit im IntErbRVG-E entweder mit internationaler Zuständigkeit aus den in § 2 Abs. 1 bis 3 IntErbRVG-E genannten Regelungen der EuErbVO (§ 47 Nr. 1 IntErbRVG-E) oder mit internationaler Zuständigkeit aus anderen Vorschriften der EuErbVO (§ 47 Nr. 2 IntErbRVG-E). 87 Im Gegensatz dazu bestimmt sich jedoch für alle sonstigen Angelegenhei-
ten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, deren internationale Zuständigkeit die EuErbVO gerade nicht vorgibt, die örtliche Zuständigkeit unmittelbar aus den §§ 343, 344 FamFG und definiert damit zugleich im Wege der Doppelfunktionalität über § 105 FamFG unverändert selbst die internationale Zuständigkeit.2 Nach Ansicht der Bundesregierung gehören zu den diesbezüglichen nicht von der internationalen Zuständigkeit der EuErbVO erfassten Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit neben der besonderen amtlichen Verwahrung nach § 342 Abs. 1 Nr. 1 FamFG die Erteilung, Einziehung bzw. Kraftloserklärung von Erbscheinen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und sonstigen vom Nachlassgericht nach § 342 Abs. 1 Nr. 6
1 Fröhler, BWNotZ 2015, 47. 2 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 47 IntErbRVG-E, BR-Drucks. 644/14, S. 64 bzw. BTDrucks. 18/4201, S. 59.
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F. nderungen des nationalen Rechts
FamFG zu erteilenden Zeugnissen.1 Dies trifft insbesondere aufgrund des Umkehrschlusses aus der Regelung des Art. 64 EuErbVO, die nur für das Europäische Nachlasszeugnis ausdrücklich auf die internationale Zuständigkeit aus den Artt. 4, 7, 10 oder 11 EuErbVO verweist, und des weiteren Umstandes zu, dass ein nationaler deutscher Erbschein ebenso wie beispielsweise ein acte de notoriete nach französischem Recht keine grenzüberschreitend anzuerkennende Entscheidung darstellt und daher keiner Bindung durch Zuständigkeitsregelungen der EuErbVO unterliegt.2 3. Änderung des FamFG Im Rahmen der systematischen Verlagerung der ausschließlich verfahrens- 88 rechtlichen Vorschriften aus dem BGB in das FamFG wird unter Aufhebung der bisherigen Erbscheins- bzw. Testamentsvollstreckerzeugnisvorschriften §§ 2354 bis 2359, 2361 Abs. 2 u. 3, 2363 Abs. 1, 2364, 2368 Abs. 1 Satz 2 u. 2369 BGB die Regelung des § 352 FamFG (Angaben im Antrag auf Erteilung eines Erbscheins) vollständig neu gefasst. Dies geschieht dabei erstmals ausdrücklich mit dem Erfordernis von Angaben nach über den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers (§ 352 Abs. 1 Nr. 2 FamFG), über den Umstand der Erbschaftsannahme (§ 352 Abs. 1 Nr. 7 FamFG) und über die Größe des Erbteils (§ 352 Abs. 1 Nr. 8 FamFG). Zudem sind die Tatbestände § 352a FamFG (Gemeinschaftlicher Erbschein), § 352b FamFG (Inhalt des Erbscheins für den Vorerben; Angabe des Testamentsvollstreckers), § 352c FamFG (Gegenständlich beschränkter Erbschein) und § 352d FamFG (Öffentliche Aufforderung) neu eingefügt. Schließlich wird die bisherige Vorschrift des § 352 FamFG in § 352e FamFG (Entscheidung über Erbscheinsanträge) umbenannt. Für den gemeinschaftlichen Erbschein sieht § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG 89 nun erfreulicherweise erstmals vor, dass die nicht selten problematische Angabe der Erbteile im Erbschein dann nicht erforderlich ist, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. § 343 FamFG wird dahingehend geändert, dass maßgebendes Zuständig- 90 keitskriterium primär der gewöhnliche inländische Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes, hilfsweise der letzte gewöhnliche inländische Aufenthalt des Erblassers ist. Wiederum ersatzweise ist für einen deutschen Erblasser oder unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Erblassers bei Belegenheit von Nachlassgegenständen im Inland das Amts-
1 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 47 IntErbRVG-E bzw. § 343 FamFG, BR-Drucks. 644/14, S. 64 iVm. S. 68 bzw. BT-Drucks. 18/4201, S. 59 iVm. S. 62 f. 2 Erman/Simon, § 2353 BGB Rz. 3; Dörner, ZEV 2012, 505 (512); Dorsel, DNotZ 2014, 396 (397 f.); Fröhler, BWNotZ 2015, 47 f.; Hertel, ZEV 2013, 539 (541); Lechner, ZErb 2014, 188 (192); Zöller/Geimer, Anh. II J: Art. 4 EuErbVO Rz. 10 f.; aA Erman/Hohloch, Art. 13 EuErbVO Rz. 1; MünchKomm.BGB/Dutta, Vorbemerk. zu Art. 4 EuErbVO Rz. 4; Palandt/Weidlich, Anh. zu §§ 2353 ff. BGB Rz. 10; Volmer 2014, 129 (130).
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
gericht Schöneberg in Berlin mit Verweisungsmöglichkeit bei wichtigem Grund örtlich zuständig. Über § 105 FamFG resultiert daraus für die besondere amtliche Verwahrung nach § 342 Abs. 1 Nr. 1 FamFG und die Erteilung, Einziehung bzw. Kraftloserklärung von Erbscheinen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und sonstigen vom Nachlassgericht nach § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG zu erteilenden Zeugnissen zudem die internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte (s. dazu oben Rz. 87). 91 § 344 Abs. 7 FamFG wird dahingehend umformuliert, dass nunmehr an-
knüpfend an die Neufassung des § 343 FamFG der gewöhnliche Aufenthalt des Ausschlagenden statt dessen Wohnsitz maßgebendes örtliches Zuständigkeitskriterium ist. Klarstellend sind alle erbschaftsrelevanten Ausschlagungs- und Anfechtungserklärungen sowohl für Entgegennahme als auch Übersendung an das Nachlassgericht unabhängig davon erfasst, ob sie zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegeben oder in öffentlich beglaubigter Form erstellt sind.1 Weiter ist nunmehr die bisherige dortige exemplarische Zitierung des BGB entfallen und damit endgültig klargestellt, dass dieser Zuständigkeit wie bereits zuvor auch Erklärungen unterfallen, auf die ausländisches Sachrecht anzuwenden ist,2 wenngleich dies wegen des künftigen grundsätzlichen Gleichlaufs von internationaler Zuständigkeit und Erbstatut nur noch selten vorkommen dürfte.3 Im Gegensatz zu § 344 Abs. 7 FamFG, der ausschließlich Erbfälle betrifft, für deren eigentliches Nachlassverfahren ein anderes deutsches Nachlassgericht örtlich zuständig ist, regelt § 31 IntErbRVG-E die örtliche Zuständigkeit eines deutschen nach Art. 13 EuErbVO zur Entgegennahme der Ausschlagung oder Annahme einer Erbschaft international zuständigen Gerichts lediglich, soweit ein ausländisches Nachlassgericht für das eigentliche Nachlassverfahren international zuständig ist (s. dazu oben Rz. 86).4 Daher sieht § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG die Weiterleitung an ein (deutsches) Nachlassgericht vor, während nach § 31 IntErbRVG-E die betroffene Erklärung wegen internationaler Zuständigkeit eines in einem anderen Staat befindlichen ausländischen Nachlassgerichts an den Ausschlagenden bzw. Annehmenden auszuhändigen ist.5 Nicht gelungen ist dabei jedoch die Gesetzessystematik. Denn nach § 47 Nr. 1 bzw. Nr. 2 IntErbRVG-E ergibt sich die örtliche Zuständigkeit für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die im Gegensatz zu Konstellationen nach § 31 IntErbRVG-E iVm. Art. 13 EuErbVO keiner vorrangigen Sonderregelung des IntErbRVG-E unterfallen, aber gleichwohl wie hier der internationalen Zuständigkeit der EuErbVO unterstehen, je nach konkretem Tatbestand dieser internationalen Zuständigkeit aus einer analogen Anwendung vorrangig des § 2 Abs. 1 bis 3 IntErbRVG-E bei Verein-
1 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 344 Abs. 7 FamFG, BR-Drucks. 644/14, S. 69. 2 S. zum bisherigen diesbezüglichen Meinungsstand Prütting/Helms/Fröhler, § 344 FamFG Rz. 75 ff. 3 MünchKomm.BGB/J. Mayer, § 2353 BGB Rz. 55b. 4 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 31 IntErbRVG-E, BR-Drucks. 644/14, S. 52; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (48 f.). 5 Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (48).
816
F. nderungen des nationalen Rechts
barung, Anerkennung oder rügeloser Einlassung hinsichtlich des Gerichtsstands bzw. ersatzweise der Regelungen des FamFG. Hier steht aber außer Frage, dass § 344 Abs. 7 FamFG im Gegensatz zu § 343 FamFG stets unmittelbar und vorrangig als lex specialis anzuwenden ist, wenn eine Erbschaft vor dem Gericht ausgeschlagen bzw. angenommen wird, in dessen Bezirk sich der gewöhnliche Aufenthalt des Erklärenden befindet. Dies deckt sich zudem mit dem Regelungszweck des Art. 13 EuErbVO zur zusätzlichen internationalen Entgegennahmezuständigkeit am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erklärenden.1 4. Änderung des EGBGB Die Vorschriften der EuErbVO werden künftig ausdrücklich nach Art. 3 92 Nr. 1 Buchst. d EGBGB als unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Gemeinschaft bezeichnet. Art. 25 EGBGB erklärt für die Rechtsnachfolge von Todes wegen nunmehr 93 die Regelungen des Kapitels III der EuErbVO für entsprechend anwendbar, soweit die EuErbVO nicht unmittelbar gilt. Art. 26 EGBGB verweist hinsichtlich der Form von Verfügungen von To- 94 des wegen auf Art. 3 Haager Übereinkommen vom 5.10.1961 über das insoweit anzuwendende Recht (BGBl. 1965 II S. 1144, 1145) bzw. auf Art. 27 EuErbVO. Als Überleitungsvorschrift sieht Art. 229 EGBGB vor, dass auf die eine Erb- 95 scheinserteilung betreffenden Verfahren nach einem vor dem 17.8.2015 verstorbenen Erblasser die bisherigen Regelungen nach BGB und FamFG weiter anzuwenden sind. Richtigerweise hätte hier statt auf das FamFG auf das FGG-RG2 verwiesen werden müssen, aus dem sich erst ergibt, welche von den dortigen Änderungen erfassten Regelungen gelten, beispielsweise das FGG statt dem FamFG für vor dem 1.9.2009 eingeleitete Verfahren.3 5. Änderung des BGB Neben den in das FamFG verlagerten ausschließlich verfahrensrechtlichen 96 Vorschriften und redaktionellen Änderungen der §§ 2361 Abs. 1, 2363 Abs. 2, 2368 BGB wird erfreulicherweise der jeweilige Wortlaut der Tatbestände aus § 2270 Abs. 3 bzw. § 2278 Abs. 2 BGB ausdrücklich dahingehend ergänzt, dass künftig auch die Wahl des anzuwendenden Rechts im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich bzw. im Erbvertrag ver-
1 Begr. zum GesetzE der BReg. zu § 31 IntErbRVG-E, BR-Drucks. 644/14, S. 52; Fröhler, BWNotZ 2015, 47 (49). 2 BGBl. I 2008, S. 2586. 3 Zum diesbezüglichen Übergangsrecht s. Prütting/Helms/Fröhler, § 343 FamFG Rz. 193 ff.
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9. Kap. Erbnachweis und diesbezgliches Verfahren
tragsmäßig bindend vereinbart werden kann und damit der diesbezügliche bisherige Meinungsstreit1 entschieden ist.2 6. Inkrafttreten 97 Der „Entwurf eines Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Ände-
rung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften“ tritt nach Art. 21 vorbehaltlich einer abweichenden Regelung für einzelne kostenrechtliche Vorschriften am 17.8.2015 in Kraft.
1 S. dazu u.a. bejahend Döbereiner, DNotZ 2014, 323 (332 f.) bzw. verneinend Dörner, DNotZ 1988, 67 (91). 2 Begr. zum GesetzE der BReg. zu §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB, BR-Drucks. 644/14, S. 79.
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10. Kapitel Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschäfte
Inhaltsübersicht Rz. A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Stand der Praxis . II. Vorsorgepaket und freie Widerrufbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Vollmacht in Vermögensangelegenheiten. . . . . . . . . . . . . . . 1. Umfang und Reichweite . . . . . 2. Gerichtliche Anordnung einer Kontrollbetreuung . . . . . . . . . . 3. Rangbestimmung bei mehreren einzelvertretungsberechtigten Bevollmächtigten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vollmachterteilung . . . . . . . . . 5. Einzel- oder Gesamtvertretungsberechtigung . . . . . . . . . . 6. Vollmachtswiderruf . . . . . . . . . V. Die Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Betreuungsverfügung . . . . . . . VII. Die Patientenverfügung . . . . . . . . VIII. Formulierungsbeispiel Vorsorgevollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . II. Vollmacht und Handlungsanweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Betroffene Unternehmertypen. . . IV. Mögliche Bevollmächtigte . . . . . . V. Instrumente der Vorsorgeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handlungsanweisung . . . . . . . . 2. Prokura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsformwechsel . . . . . . . . . 4. Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . 5. Stimmrechtsvollmacht . . . . . . VI. Formulierungsbeispiel Handlungsanweisung und Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 4 7
8 9 10 11 12 14 15 20 21 21 22 23 25 26 26 27 28 30 31
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Rz. C. Der Ehevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionen des Ehevertrags . . . . . II. Eheverträge als Scheidungsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privilegierter Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . 2. Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . III. Beendigung des gesetzlichen Güterstandes zwecks schenkungsteuerfreien Zugewinnausgleichs nach § 5 Abs. 2 ErbStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Versorgung des neuen Ehegatten durch Vereinbarung von Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Motive und Vertragstypen . . . . . . II. Vorweggenommene Erbfolge . . . . 1. Grundfall: Übertragung an volljährige Kinder . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei minderjährigen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsunfähige Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkt geschäftsfähige Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lediglich rechtlicher Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . bb) Nießbrauchsvorbehalt . cc) Vermieteter bzw. verpachteter Grundbesitz . dd) Rücktrittsvorbehalt . . . ee) Wohnungs- und Teileigentum . . . . . . . . . . . . ff) Anordnung der Pflichtteilsanrechnung . . . . . . . gg) Anordnung der Erbausgleichung, sonstige Vorbehalte und Erbbaurechtserwerb . . . . . .
32 32 34 34 37
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40 40 42 42 45 45 54 58 58 59 60 61 62 63
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte Rz. hh) Übertragung eines Kommanditanteils . . . . ii) Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils. . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. d) Sonderfall: Vermächtniserfüllung durch Auflassung 71 III. Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Ehegattenzuwendungen . . . . . . . . 77
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung I. Bedeutung und Stand der Praxis 1
Seit den ersten Formulierungsvorschlägen1 sind erhebliche Änderungen im Bereich der Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung eingetreten. Zu nennen sind hier vor allem das am 1.1.1999 in Kraft getretene Betreuungsrechtsänderungsgesetz mit der Einführung der §§ 1904 Abs. 2 und 1906 Abs. 5 BGB, die Entscheidung des BGH vom 17.3.20032 zur Betreuungsverfügung,3 das Dritte Gesetz zur Änderung des Bertreuungsrechts vom 29.7.2009 mit der Einführung bzw. Änderung der §§ 1901a bis 1901c bzw. 1904 BGB zur Patientenverfügung,4 die Entscheidungen des BVerfG vom 23.3.2011 bzw. 12.10.2011 zur ärztlichen Zwangsbehandlung5 und das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18.2.2013.6 Bewahrheitet hat sich die Prognose, dass die Möglichkeit der Vollmacht in Gesundheitsangelegenheiten und der Vorsorge für ein menschenwürdiges Sterben auf vitales Interesse beim Bürger stoßen werde und die entsprechenden Erklärungen weite Verbreitung finden werden. Heute vergeht kaum ein notarieller Amtstag und sicher keine Beurkundungswoche ohne die Beurkundung einer Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung. Presseveröffentlichungen, Vorträge von Juristen, Ärzten und Sozialarbeitern im weitesten Sinne zum
1 A. Langenfeld/G. Langenfeld, Die Vorsorgevollmacht in der notariellen Praxis, ZEV 1996, 339. 2 BGH v. 17.3.2003 – XII ZB 2/03, MDR 2003, 691 = FamRZ 2003, 748 = FamRB 2003, 219 = NJW 2003, 1588. 3 S. dazu Coeppicus, Sterbehilfe, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, 2006; Jülicher/Klinger, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, 2. Aufl. 2005; Müller/Renner, Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis, 2005; Rudolf/Bittler/ Roth, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung, 2. Aufl. 2006; Winkler, Vorsorgeverfügungen, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Organverfügung, 2. Aufl. 2006. 4 BGBl. I 2009, S. 2286. Dazu Ihrig, notar 2009, 380 ff. 5 BVerfG v. 23.3.2011 – 2 BvR 882/09, NJW 2011, 2113 ff.; v. 12.10.2011 – 2 BvR 633/11, NJW 2011, 3571 ff. 6 BGBl. I 2013, S. 266. Dazu Dieckmann, BWNotZ 2013, 34 ff.; Milzer, DNotZ 2014, 95 ff.
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
Thema Patientenverfügung sind an der Tagesordnung, die Formulierungsvorschläge insbesondere zur Patientenverfügung sind zahlreich.1
II. Vorsorgepaket und freie Widerrufbarkeit Die im Jahre 1996 vorgeschlagene2 Kombination von Vollmacht in Ver- 2 mögensangelegenheiten, Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten und Patientenverfügung hat sich in der Praxis weitgehend durchgesetzt.3 Sie bietet dem Bürger ein „Vorsorgepaket“, zu dem allenfalls noch die letztwillige Verfügung komplettierend hinzutreten kann. Für eine Generalvollmacht,4 isolierte Vollmacht ohne Grundverhältnis5 oder ausschließlich im Interesse des Vollmachtgebers erteilte Vollmacht6 ist ein nach § 168 Satz 2 BGB grundsätzlich zulässiger Ausschluss des Vollmachtswiderrufs ausnahmsweise unwirksam. Da sich die diesbezügliche Unwirksamkeit auf den Widerrufsausschluss reduziert, bleibt dann im Regelfall die Vollmacht als solche entgegen § 139 BGB bestehen.7 Derartige Vollmachten können daher stets frei widerrufen werden. Die Vollmacht in Vermögensangelegenheiten (Allgemeine Vollmacht, Generalvollmacht) ermöglicht die rechtlich umfassende Vertretung des Vollmachtgebers auch bei Gebrechlichkeit bis hin zur Geschäftsunfähigkeit und insbesondere über den Tod hinaus, sichert also dem Vermögen und den Vermögensinteressen des Vollmachtsgebers und seiner Erben die jederzeitige Disponibilität. Die Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten umfasst das Recht zur Vertretung des Vollmachtgebers in Gesundheitsangelegenheiten samt ärztlichen Zwangsmaßnahmen und bei der Aufenthaltsbestimmung. Die Kombination beider Vollmachten dient der Vermeidung einer Betreuung, § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Patientenverfügung schließlich verhindert die In-
1 Alberts, FPR 2007, 73 spricht von mehr als 180 Mustertexten zu Patientenverfügung, darunter die Broschüre „Patientenverfügung“ des Bundesjustizministeriums, ausgearbeitet in Form von Textbausteinen von der Kutzer-Kommission, www.bmj.bund.de/ Ratgeber. Zu Formulierungsvorschlägen seit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29.7.2009 mit der Einführung bzw. Änderung der §§ 1901a bis 1901c bzw. 1904 BGB Ihrig, notar 2009, 380 (385 ff.). 2 A. Langenfeld/G. Langenfeld, ZEV 1996, 339. 3 Nach Görk, FPR 2007, 84 enthalten rund 75 % der beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer angemeldeten Vorsorgevollmachten zugleich eine Patientenverfügung. 4 BGH v. 1.6.2010 – XI ZR 389/09, NJW 2011, 66 (67); Erman/Maier-Reimer, § 168 BGB Rz. 16; MünchKomm.BGB/Schramm, § 168 BGB Rz. 26; Palandt/Ellenberger, § 168 BGB Rz. 6; Soergel/Leptien, § 168 BGB Rz. 25. 5 BGH v. 26.2.1988 – V ZR 231/86, NJW 1988, 2603 f.; Erman/Maier-Reimer, § 168 BGB Rz. 16; MünchKomm.BGB/Schramm, § 168 BGB Rz. 21; Palandt/Ellenberger, § 168 BGB Rz. 6. 6 MünchKomm.BGB/Schramm, § 168 BGB Rz. 21; Palandt/Ellenberger, § 168 BGB Rz. 6. 7 Erman/Maier-Reimer § 168 BGB Rz. 17; MünchKomm.BGB/Schramm, § 168 BGB Rz. 27; Palandt/Ellenberger, § 168 BGB Rz. 6; Sieghörter, ZEV 1999, 461; Soergel/Leptien, § 168 BGB Rz. 27.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
tensivtherapie in den Fällen, in denen keine Aussicht auf Umkehr eines finalen Zustandes mehr besteht.
III. Form 3
Mit Recht wird mittlerweile die notarielle Beurkundung im Sinne von §§ 8 ff. BeurkG als die adäquate Form der Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung angesehen.1 Nur sie sichert die umfassende notarielle Beratung, wie sie das Gesetz in den §§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB verlangt und wie sie allein der vom BGH dekretierten komplexen Rechtslage gerecht wird. Ein Notar, der keine Beurkundung empfiehlt und nicht davon abrät, lediglich die Unterschrift des Vollmachtgebers unter einem von diesem mitgebrachten Vollmachtstext zu beglaubigen, um zumindest den Anforderungen aus § 29 GBO und § 2 Abs. 2 GmbHG zu entsprechen, wird deshalb unter Umständen seinen Amtspflichten nicht gerecht. Er darf umgekehrt jedoch die Unterschriftsbeglaubigung nicht verweigern, wenn der Vollmachtgeber auf dieses Verfahren besteht. Die Beurkundungsform gestattet die Aufnahme der wichtigen Belehrungsvermerke, die auch für den Bevollmächtigten erhellend sind, weiterhin aber auch die Erteilung mehrerer Ausfertigungen bei mehreren Bevollmächtigten und die Erteilung weiterer Ausfertigungen insbesondere nach Verlust einer vorherigen Ausfertigung. Ist der Vollmachtgeber zwischenzeitlich geschäftsunfähig geworden und verliert ein Bevollmächtigter hingegen die einzige Urschrift einer lediglich mit Unterschriftsbeglaubigung versehenen nicht beurkundeten Vollmacht, dann kann er seine Bevollmächtigung nicht mehr nach außen nachweisen und ist auf eine durch die Vollmacht gerade zu vermeiden gewesene gerichtliche Betreuung angewiesen, die anders als die Vollmacht u.a. keine mitunter steuerlich gebotenen unentgeltlichen Verfügungen im Wege vorweggenommener Erbfolge zulässt. Soweit vereinzelt in Informationsbroschüren darauf hingeweisen wird, eine Notwendigkeit zur Beurkundung ergebe sich im Hinblick auf von der Vollmacht erfasste beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte bereits daraus, dass die Vollmacht im Falle des späteren Wegfalls der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers unwiderruflich sei, dürfte dies nicht zutreffen, da ein Wideruf dann sowohl rechtlich als auch tatsächlich durch einen (Kontroll-)Betreuer bzw. bei Fortgeltung über den Tod des Vollmachtgebers hinaus durch den Erben vorgenommen werden kann. Andernfalls wäre jede Vollmacht für beurkundungspflichtige Vorgänge wegen des faktischen Risikos eines späteren Wegfalls der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers ihrerseits beurkundungspflichtig. Die praktische Handhabbarkeit der Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung wird wesentlich verbessert durch die dem Notar zur Verfügung stehende Möglichkeit, die Errichtung der Vollmacht dem Zen-
1 Perau, MittRhNotK 1996, 291; Zimmermann, BWNotZ 1998, 101; Milzer, FPR 2007, 69 (73); nach Görk, FPR 2007, 84 sind über 90 % der bisher etwa 500 000 beim Zentralen Vorsorgeregister angemeldeten Vorsorgevollmachten notariell beurkundet.
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
tralen elektronischen Register der Bundesnotarkammer für Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen mitzuteilen.1
IV. Die Vollmacht in Vermögensangelegenheiten 1. Umfang und Reichweite Entgegen der rechtlichen Notwendigkeit und der dogmatischen Stringenz 4 wurde bei der Vollmacht in Vermögensangelegenheiten von Anfang an empfohlen, einen Katalog der einzelnen Kompetenzen des Bevollmächtigten beispielhaft in die Urkunde aufzunehmen.2 Der Katalog verdeutlicht dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten die Bedeutung der Generalvollmacht und macht sie so vom Laienhorizont her plastisch. Zudem wird somit nach außen deutlich, dass sich der Vollmachtgeber der Reichweite und Dimmension der Vollmacht gerade auch im Hinblick auf das Risiko eines eventuellen Vollmachtsmissbrauchs bewusst ist. Bei der Vollmacht in Vermögensangelegenheiten sollten die Möglichkeit der Erteilung von Untervollmachten – diesbezüglich jedoch zur Reduzierung von Missbrauchsrisiken (dies gilt jedoch wiederum nicht für in notariellen Urkunden unterbevollmächtigte Notare bzw. deren Personal) ausschließlich unter der Voraussetzung, dass der Unterbevollmächtigte bei der jeweiligen Ausübung der Untervollmacht neben einer auf seinen Namen ausgestellten Ausfertigung der Untervollmacht auch eine auf den Namen des Hauptbevollmächtigen ausgestellte Ausfertigung3 der Hauptvollmacht vorlegt und im Text der Untervollmacht durch den dortigen beurkundenden Notar vermerkt ist, dass die Hauptvollmacht in auf den Namen des auftretenden Bevollmächtigten ausgestellter Ausfertigung vorlag –, die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – insoweit ggfs. differenziert nach Bevollmächtigten oder Unterbevollmächtigten bzw. Ehegatte oder Kindern – und die Fortgeltung über den Tod des Vollmachtgebers hinaus (andernfalls wird dies durch Auslegung des Auftragsverhältnisses iSd. § 662 BGB ermittelt und bspw. bei einer an dem Umfang der Vertretungsmacht eines Betreuers ausgerichteten Altersvollmacht regelmäßig verneint werden4) ausdrücklich aufgenommen werden (s. nachfolgend jeweils Formulierungsbeispiel M 289). Unterbleibt eine ausdrückliche Anordnung der Fortgeltung über den Tod des Vollmachtgebers hinaus, gilt die Bevollmächtigung zumindest dann im Wege der Auslegung auch im Bereich der Vermögenssorge mit dem Tod des Vollmachtgebers als erloschen, wenn die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten dem Umfang nach auf diejenige eines Betreu-
1 Vgl. dazu Görk, FPR 2007, 82; Anmeldeformulare über www.zentrales-vorsorgeregister. de. 2 Vgl. schon A. Langenfeld, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patiententestament nach dem neuen Betreuungsrecht, 1994, Anhang. 3 Schüller, RNotZ 2014, 585 (590), jedoch mit Einschränkungen dieser Voraussetzungen für eine Vollmachtsverwendung auch gegenüber Gerichten und Behörden; Helms, RNotZ 2002, 235 (238). 4 OLG München v. 7.7.2014 – 34 Wx 265/14, DNotZ 2014, 677 (678 f.).
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
ers beschränkt wurde.1 Soll die Löschung von anlässlich einer Grundbesitzübergabe eingeräumten dinglich gesicherten Rechten im Grundbuch durch den diesbezüglich belasteten Übernehmer als Bevollmächtigten ausgeschlossen werden, empfiehlt sich eine ausdrückliche diesbezügliche Vollmachtsbeschränkung (s. nachfolgend Formulierungsbeispiel M 289). Gleiches gilt für eventuelle Rangrücktritte hinter nachträglich bestellte Grundpfandrechte des Übernehmers, soweit dafür nicht ein entsprechender Rangvorbehalt eingeräumt wurde (s. nachfolgend Formulierungsbeispiel M 289). Bei einer postmortalen Vollmacht – insbesondere an den mit Vermächtnissen und Testamentsvollstreckung zur Vermächtniserfüllung belasteten Alleinerben zur Löschung einer Rückerwerbsvormerkung an dem ihm durch den Erblasser zu Lebzeiten übergebenen Grundbesitz – ist im Wege der Auslegung regelmäßig von dem Willen des vollmachtgebenden Erblassers für deren eigenständigen Bestand neben den Befugnissen des Testamentsvollstreckers auszugehen, ohne dass sie durch Konfusion erlischt, da u.a. die Erbenposition unklar sein kann.2 Dagegen kann eine bereits vor dem Erbfall über den Tod des Erblassers hinaus geltende transmortale Vollmacht nur dann „selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen“, wenn sich durch Auslegung nach § 133 BGB aus der Perspektive des Vollmachtgebers keine Kollision mit den Aufgaben des Testamentsvollstreckers ergibt,3 wobei im Falle alleiniger Beerbung des Erblassers durch den transmortal Bevollmächtigten die transmortale Vollmacht ggf. durch Konfusion erlöschen kann,4 während sie jedenfalls bei bloßer Miterbenstellung des Bevollmächtigten fortgilt.5 Sicherheitshalber kann das Verhältnis zwischen Vollmacht und Testamentsvollstreckung im Vollmachtstext klargestellt werden (s. nachfolgend Formulierungsbeispiel M 289). 5
In der Praxis ist gelegentlich ein gewisses Zögern des Vollmachtgebers angesichts des Umfangs der Generalvollmacht festzustellen. Auf den Hinweis, dass jede Vollmacht Vertrauenscharakter hat, und dass demjenigen, dem man die Entscheidung über die Gesundheit und die Lebensverlängerung überträgt, auch die Vermögensinteressen anvertraut werden können, werden diese Bedenken regelmäßig hintangestellt. Auch das persönliche Gewicht des Bevollmächtigten gegenüber Ärzten und dem Betreuungsgericht wird sicherlich dadurch gefördert, dass eine umfassende Vollmacht in Kenntnis ihres Vertrauenscharakters erteilt wurde. 1 OLG München v. 7.7.2014 – 34 Wx 265/14, DNotZ 2014, 677(678 f.) = ZEV 2014, 615; FamRZ 2014, 1942 = NotBZ 2015, 62. 2 OLG München v. 26.7.2012 – 34 Wx 248/12, FamRZ 2013, 402 f. = MittBayNot 2013, 230 f. = DNotI-Report 2012, 161; Weidlich, MittBayNot 2013, 196 (199). 3 OLG München v. 15.11.2011 – 34 Wx 388/11, FamRZ 2012, 1004 f. = ZEV 2012, 376 f. = DNotZ 2012, 303 ff.; Odersky, notar 2012, 60 f.; Reimann, MittBayNot 2012, 228 f. 4 OLG Hamm v. 10.1.2013 – 15 W 79/12, FamRZ 2013, 1513 f. = DNotZ 2013, 689 ff.; kritisch dazu Amann, MittBayNot 2013, 367 ff. 5 OLG Schleswig v. 15.7.2014 – 2 W 48/14, FGPrax 2014, 206 ff. = DNotI-Report 2014, 182 f.
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
Zur Vermeidung pflichtteilsrechtlicher bzw. erbschaftsteuerlicher Nach- 6 teile ist zu erwägen, unentgeltliche Verfügungen in trans- bzw. postmortalen Vollmachten alleine im Außenverhältnis und damit nicht im Innenverhältnis zuzulassen.1 2. Gerichtliche Anordnung einer Kontrollbetreuung Bei Bestehen einer wirksamen Generalvollmacht ist eine betreuungs- 7 gerichtliche Kontrollbetreuung iSd. § 1896 Abs. 3 BGB nur dann zulässig, wenn über das gesundheitliche Unvermögen des Vollmachtgebers zu einer Überwachung des Bevollmächtigten hinaus weitere konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betreuungsbedarf bzw. der Auftrag des Vollmachtgebers nicht ausreichend erfüllt wird.2 Insbesondere genügt dazu nicht das bloße Bestehen von einander abweichender Ansichten mehrerer Bevollmächtigter.3 Umgekehrt kann jedoch für die Anordnung einer betreuungsgerichtlichen Kontrollbetreuung ausreichend sein, dass der Bevollmächtigte eine sinnvolle Verwertung von Grundbesitz des Vollmachtgebers durch Veräußerung unterlässt, an dessen Verwaltung ihm gegenüber dem Vollmachtgeber erhebliche diesen zudem stark benachteiligende Vergütungsansprüche zustehen.4 Der Vollmachtgeber kann die Bestellung eines Kontrollbetreuers nicht vollumfänglich ausschließen, da die staatliche Fürsorgeverantwortung gegenüber einem später geschäftsunfähig gewordenen Vollmachtgeber indispensabel ist.5 Aus dem gleichem Grund dürfte auch eine Modifizierung der Anforderungen für die Bestellung eines Kontrollbetreuers unwirksam sein.6 3. Rangbestimmung bei mehreren einzelvertretungsberechtigten Bevollmächtigten Werden mehrere einzelvertretungsberechtigte Vertrauenspersonen bevoll- 8 mächtigt, um zu vermeiden, dass im Fall von urlaubs- bzw. krankheitsbedingter Verhinderung eines Bevollmächtigten mangels Ersatzbevollmächtigter eine Betreuung angeordnet werden müsste, bietet sich eine Rangbestimmung für den Fall an, dass mehrere Bevollmächtigte gleichzeitig oder hintereinander auftreten. Da insbesondere gegenüber Grundbuchämtern der Grund für den Ausfall eines vorrangig Bevollmächtigten nicht 1 Sagmeister, MittBayNot, 2013, 107 (111 ff.). 2 BGH v. 21.3.2012 – XII ZB 666/11, FGPrax 2012, 112 f.; BGH v. 30.3.2011 – XII ZB 537/10, FGPrax 2011, 178 f.; BayObLG v. 11.5.2005 – 3Z BR 260/04, FGPrax 2005, 151 f. 3 Grziwotz, FamRB 2012, 352 (357). 4 BGH v. 16.7.2014 – XII ZB 142/14, NJW 2014, 3237 f. = MDR 2014, 1148 = FamRZ 2014, 1693 f. = ZEV 2014, 612 f. 5 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 3. 6 BeckOK BGB/Müller, § 1896 BGB Rz. 42; Schwab, FamRZ 2007, 584; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2014, 3 (4); aA OLG München v. 27.10.2006 – 33 Wx 159/06, DNotZ 2007, 390 ff.: zulässig sei eine Beschränkung der Anordnung auf den Fall der Offenlegung konkreter Tatsachen über den Missbrauch der Vollmacht.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
iSd. § 29 Abs. 1 GBO formgerecht nachweisbar sein dürfte, empfiehlt sich eine Rangbestimmung lediglich für den Fall, dass überhaupt gleichzeitig oder sukzessive mehrere konkurrierende Vertreter auftreten. Handelt hingegen alleine der in der Rangfolge zuletzt genannte Bevollmächtigte, sind dessen Erklärungen maßgebend, solange sie nicht durch einen vorrangigen Bevollmächtigten abgeändert werden. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, den jeweiligen Zeitpunkt der Auslösung der jeweiligen Vertretungsberechtigung dadurch zu steuern, wann jeweils die zur Vertretung legitimierende Ausfertigung zugänglich gemacht wird. Insbesondere werden zumeist Ehegatten, die sich selbst gegenseitig zu einzelvertretungsberechtigten Bevollmächtigten einsetzen, ihren ebenfalls einzelbevollmächtigten volljährigen Kindern deren Vollmachtsausfertigungen erst dann aushändigen bzw. zugänglich machen, wenn sowohl der bevollmächtigende als auch der bevollmächtigte Ehegatte nicht mehr geschäftsfähig oder aus anderen Gründen bereits handlungsunfähig ist. Formulierungsbeispiel: M 288
Rangbestimmung unter mehreren Bevollmchtigten
... Ich bevollmchtige hiermit jeweils einzeln 1. . . . 2. . . . 3. . . . mich zu vertreten in allen meinen Angelegenheiten, und zwar sowohl im Bereich der Vermçgens- als auch auf dem Gebiet der Personensorge. Geben mehrere Bevollmchtigte einander widersprechende Erklrungen ab, ist die Erklrung desjenigen Bevollmchtigten maßgebend, der in der vorstehenden Aufzhlung vor dem jeweils Anderen benannt ist. Der Erklrungsempfnger ist jedoch weder berechtigt noch verpflichtet, bei Vorliegen einer Erklrung eines Bevollmchtigten von demjenigen Bevollmchtigten eine Stellungnahme einzuholen, der keine Erklrung abgegeben hat. . . . (zu weiteren Regelungen s. Formulierungsbeispiel M 289)
4. Vollmachterteilung 9
Die Bevollmächtigung wird nach §§ 167 Abs. 1, 171 Abs. 1 BGB erst durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem jeweiligen Bevollmächtigten, dem Geschäftsgegner oder durch öffentliche Bekanntmachung begründet, bei der der Vollmachtgeber geschäftsfähig sein muss. Nach außen kann der jeweilige Bevollmächtigte den Bestand der Vollmacht ausschließlich durch jeweilige Vorlage einer Ausfertigung (bei nach § 128 BGB notariell beurkundeter Vollmacht) bzw. der Urschrift (bei rein
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
schriftlicher oder iSd. § 129 Abs. 1 BGB öffentlich beglaubigter Vollmacht) nachweisen. 5. Einzel- oder Gesamtvertretungsberechtigung Werden mehrere Vertrauenspersonen, insbesondere Kinder als Bevollmäch- 10 tigte eingesetzt, stellt sich die Frage, ob jeder einzeln oder nur mindestens zwei Bevollmächtigte gemeinsam vertreten können sollen. Obwohl das Vieraugenprinzip für größere Sicherheit vor Vollmachtsmissbrauch zu sprechen scheint, dürfte eine jeweilige Einzelvertretungsberechtigung vorzugswürdig sein, da andernfalls auch krankheits- bzw. urlaubsbedingte Verhinderungen einzelner Vertretungsberechtigter, die insbesondere gegenüber Grundbuchämtern nicht in der dort maßgebenden Form des § 29 Abs. 1 GBO nachgewiesen werden können, eine Betreuungsanordnung nach sich ziehen würde, aufgrund derer dann bestimmte insbesondere unentgeltliche, steuerlich bzw. sozialhilfsrechtlich jedoch zwingende Rechtsgeschäfte (wie beispielsweise Betriebsübergaben, Ausstattungen etc.) nicht mehr realisierbar wären. 6. Vollmachtswiderruf Die nach § 168 Satz 2 BGB grundsätzlich widerrufliche Vollmacht wird 11 nach § 168 Satz 3 BGB iVm. § 167 BGB analog zur Erteilung widerrufen. Nach § 171 Abs. 1 BGB muss die Kundgabe in derselben Weise widerrufen werden, wie sie zuvor erteilt wurde. Nach § 172 Abs. 2 BGB bleibt die Vertretungsmacht nach Vorlage der dem Vertreter ausgehändigten Vollmachtsurkunde so lange bestehen, bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird. Im Widerrufsfall muss sich der Vollmachtgeber daher alle Vollmachtsausfertigungen bzw. Urschriften schnellst möglich zurückgeben lassen, um einen ungewollten Fortbestand der Vollmacht zu unterbinden. Wird die Herausgabe der Urkunden verweigert oder wegen behaupteten Verlusts bzw. unter Hinweis auf deren Zerstörung unterlassen und hilft auch eine erwirkte gerichtliche Eilmaßnahme nicht weiter, muss sofort eine Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde durch öffentliche Bekanntmachung nach § 176 BGB eingeleitet werden. Zugleich ist bei beurkundeten Vollmachten gegenüber dem Urkundsnotar zu veranlassen, dass keine weiteren Ausfertigungen mehr herausgegeben werden dürfen.
V. Die Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten Vor dem Betreuungsänderungsgesetz 1999 wurde verschiedentlich die 12 Meinung vertreten, der Bevollmächtigte unterliege bei der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen und bei der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung nicht den Beschränkungen, die §§ 1904, 1906 BGB für den Betreuer gelten. Dieser Standpunkt gründet sich darauf, dass der Bevoll-
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
mächtigte seine Befugnisse direkt vom Vollmachtgeber ableitet, also aufgrund der Entscheidung des Vollmachtgebers für diesen handelt, während der Betreuer seine Befugnisse lediglich von der gerichtlichen Bestellung ableitet. Der Gesetzgeber hat anders entschieden und in §§ 1904 Abs. 2, 1906 Abs. 5 BGB bestimmt, dass für den Bevollmächtigten dieselben Beschränkungen gelten wie für den Betreuer. Zudem muss die Vollmacht schriftlich vorliegen und die besonderen in den Vorschriften genannten Maßnahmen ausdrücklich umfassen. Entsprechendes gilt samt gerichtlichem Genehmigungserfordernis für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach § 1906 Abs. 3 bis 5 BGB,1 die auch für Patientenverfügungen relevant werden kann.2 13 Fraglich ist insoweit, wie mit Vollmachten zu verfahren ist, die vor Inkraft-
treten dieser neuen Beschränkungen errichtet wurden. Während die Literatur unter Verweis auf den Vertrauensschutz einerseits und das Fehlen einer diesbezüglichen gesetzlichen Ungültigkeitsregelung andererseits zu Recht davon ausgeht, dass derartige Altvollmachten diese Maßnahmen auch ohne ausdrückliche Benennung erfassen,3 stellt die Rechtsprechung hinsichtlich den Änderungen aus dem Betreuungsänderungsgesetz von 1999 vereinzelt ausschließlich auf die Gesetzeslage zu dem Zeitpunkt ab, in dem jeweils von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird, so dass für von der Vollmacht nicht erfasste Maßnahmen ein Betreuungsbedarf entsteht.4 Sicherheitshalber ist daher, soweit der Vollmachtgeber noch geschäftsfähig ist, zu einer Ergänzung bzw. Neufassung der Vollmacht zu raten.5 Diese Einschränkungen der Vorsorgevollmacht werden vom Bürger nach den Erfahrungen der notariellen Praxis als unangemessene staatliche Bevormundung empfunden. Insbesondere erreichen den beurkundenden Notar immer wieder Beschwerden der Bevollmächtigten des Inhalts, dass man von umfassenden Befugnissen des Bevollmächtigten ausgegangen sei, während sich jetzt im Ernstfall die nicht vorhergesehene und unwillkommene Notwendigkeit der Einbeziehung des Betreuungsgerichts ergebe. Der Notar kann hieran nichts ändern. Gegenüber dem Wortlaut der Vorsorgevollmacht von 1996 sind jetzt die genehmigungsbedürftigen Maßnahmen ausdrücklich zu bezeichnen, wobei man sich zweckmäßigerweise des gesetzlichen Wortlauts bedient, und ist die entsprechende Belehrung aufzunehmen. Zweckmäßig ist auch die ausdrückliche Erklärung des Vollmachtgebers, dass er die Vollmacht mit diesem Inhalt in Kenntnis der Tragweite erteilen will. Vollmachtsübertragung und Untervollmacht sind bei dieser persönlichen Vollmacht nicht angemessen und deshalb auszuschließen.
1 Dieckmann, BWNotZ 2013, 34 (44); Milzer, DNotZ 2014, 95 (98 ff.). 2 Milzer, DNotZ 2014, 95 (99); Müller, ZEV 2013, 304 (306). 3 Dieckmann, BWNotZ 2013, 34 (44); Milzer, DNotZ 2014, 95 (100); Müller, ZEV 2013, 304 (306); MünchKomm.BGB/Schwab, § 1904 BGB Rz. 79. 4 OLG Zweibrücken v. 29.4.2002 – 3 W 59/02, NJW-RR 2002, 1156 (1157). 5 Dieckmann, BWNotZ 2013, 34 (45); Milzer, DNotZ 2014, 95 (100).
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
VI. Die Betreuungsverfügung Durch eine Betreuungsverfügung können Wünsche zur Person eines Be- 14 treuers, zum Betreuungsverfahren und zur Führung der Betreuung geäußert werden. An sie müssen sich Gericht und Betreuer halten, soweit sie nicht dem Wohl des Betreuten widersprechen, § 1901 BGB. Soweit eine Vollmacht erteilt ist, ist eine Betreuung nicht erforderlich und darf ein Betreuer nicht bestellt werden, § 1896 Abs. 2 BGB. Trotzdem kann im Ausnahmefall Bedarf für eine Betreuung bei bestimmten höchstpersönlichen Geschäften eintreten, etwa aufgrund der insoweit bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Rechtsfrage der Zulässigkeit einer Leistung der eidesstattlichen Versicherung durch den Bevollmächtigten für den zwischenzeitlich geschäftsunfähig gewordenen Vollmachtgeber im Rahmen eines Erbscheinsantrags.1 Deshalb ist es zweckmäßig, den Bevollmächtigten ergänzend (hilfsweise) auch zum Betreuer vorzuschlagen.
VII. Die Patientenverfügung Der Beschluss des BGH vom 17.3.20032 hatte für die damals gesetzlich 15 noch nicht vorgesehene Patientenverfügung Grundsätze aufgestellt. Dem Beschluss lag ein typischer Sachverhalt zugrunde, bei dem es außerhalb des direkten Sterbevorgangs um die Frage der Lebensverlängerung ohne Aussicht auf Umkehr ging. Der Patient war unheilbar krank und geh- und stehunfähig. Er wurde über eine Magensonde ernährt. Sein Zustand war ansonsten stabil. Es lag eine Patientenverfügung vor. Der Betreuer wünschte den Behandlungsabbruch und beantragte beim Amtsgericht die Genehmigung hierzu. Das OLG Schleswig war der Ansicht, dass die Einwilligung des Betreuers in den Abbruch der künstlichen Ernährung nicht genehmigungsbedürftig sei. Da einige Oberlandesgerichte abweichend in dem Sinn entschieden hatten, der Abbruch bedürfe analog § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, legte das OLG Schleswig die 1 Eine diesbezügliche Vertretung durch Vollmacht ausschließlich bei zwischenzeitlicher Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers bejahend: Litzenburger, ZEV 2004, 450 (452); Prütting/Helms/Fröhler, § 352 FamFG Rz. 19; Staudinger/Herzog, § 2356 BGB Rz. 58 unter Hinweis auf die bewusste Stärkung und Angleichung der Rechtsstellung des Vorsorgebevollmächtigten an die des Betreuers nach der Neufassung der §§ 1896 Abs. 2 Satz 2, 1901a Abs. 5 BGB und 51 Abs. 3 ZPO durch das Betreuungsrechtsänderungsgesetz BGBl. I 2009, S. 2286 sowie auf die Entscheidung LG Leipzig v. 1.10.2009 – 4 T 549/08, ZErb 2009, 360 ff. = FamRZ 2010, 403 ff. zur Wirksamkeit und Gleichwertigkeit einer Zustellung der Ausfertigung eines notariell beurkundeten Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments durch einen Ehegatten an den Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten mit der von § 131 Abs. 1 BGB vorgesehenen Zustellung an den gesetzlichen Vertreter; auch insoweit verneinend: Erman/Simon, § 2356 BGB Rz. 7; ohne Differenzierung nach Geschäftsfähigkeit einerseits und zwischenzeitlicher Geschäftsunfähigkeit des Antragstellers andererseits verneinend: KG v. 3.5.1967 – 1 W 791/67, OLGZ 1967, 247 (249); Palandt/Weidlich, § 2356 BGB Rz. 12. 2 BGH v. 17.3.2003 – XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205 = MDR 2003, 691 = FamRZ 2003, 748 = FamRB 2003, 219 = NJW 2003, 1588.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Sache dem BGH zur Entscheidung vor. Der BGH dekretierte eine Entscheidungszuständigkeit des Vormundschaftsgerichts, allerdings nicht aus einer analogen Anwendung des § 1904 BGB, sondern in richterlicher Rechtsfortbildung aus einem unabweisbaren Bedürfnis des Betreuungsrechts. 16 Für die Entscheidung des Gerichts gab der BGH die folgenden Grundsätze
vor: – Das Verlangen des Betreuers, die künstliche Ernährung einzustellen, ist nur zulässig, wenn das Grundleiden des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat. – Eine mindestens schriftliche Patientenverfügung bindet als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen den Betreuer und im Ergebnis auch den kontrollierenden Vormundschaftsrichter. Die den Abbruch genehmigende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts stellt für alle Beteiligten verbindlich fest, dass die vom Betreuer gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht. – Für eine Einwilligung des Betreuers in eine lebensverlängernde Behandlung und eine Vorlage an das Vormundschaftsgericht ist von vornherein kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung nicht angeboten wird, sei es, dass sie nach Auffassung der behandelnden Ärzte von vornherein nicht indiziert ist, sinnlos geworden ist oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist. – Nur wenn der Arzt eine lebensverlängernde Behandlung anbietet, ist eine Einwilligung des Betreuers als des gesetzlichen Vertreters des einwilligungsunfähigen Patienten überhaupt erforderlich. Die Verweigerung der Einwilligung unter Berufung auf die Patientenverfügung wird in diesem Fall jedoch nur mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts wirksam. Bis dahin ist die lebensverlängernde Behandlung fortzusetzen. – Das Vormundschaftsgericht muss der Entscheidung des Betreuers gegen eine lebensverlängernde Behandlung zustimmen, wenn feststeht, dass die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf genommen hat und die ärztlicherseits angebotene Behandlung dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gekommenen Willen des Betroffenen widerspricht. 17 Eine gesetzliche Regelung des Rechts der Patientenverfügung scheiterte
zunächst an der Meinungsvielfalt. Ein Gesetzentwurf des Justizministeriums vom 5.11.20041 wurde wieder zurückgenommen. Der 66. Deutsche Jutistentag 2006 in Stuttgart fasste Beschlüsse zur Patientenautonomie.2
1 FamRZ 2004, 1941. 2 Dazu Renner, FPR 2007, 85; Abdruck der Beschlüsse in FPR 2007, 90.
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
Streitig waren insbesondere1 die Fragen, ob die Wirksamkeit von Patientenverfügungen auf die Fälle beschränkt werden muss, in denen das Grundleiden irreversibel ist, ob Patientenverfügungen schriftlich abgefasst werden müssen und wie alt sie sein dürfen, ob das Vormundschaftsgericht häufig oder möglichst selten eingeschaltet werden soll und wie viele Personen an der Entscheidung über einen Behandlungsabbruch beteiligt werden sollen. Zur Überraschung vieler beschloss der Bundestag nach längerer Auseinandersetzung auf der Grundlage verschiedener Entwürfe doch noch zum Ende der 16. Legislaturperiode ein Patientenverfügungsgesetz2 in der Form eines liberalen, wiederholt geänderten Entwurfs, der nach dem Abgeordneten Stünker bekannt ist.3 Dabei entscheidet ein einwilligungs- und einsichtsfähiger Patient unverändertmaßen im konkreten Einzelfall selbst und alleine ohne Erfordernis einer gesetzlichen Vertretung, Betreuerzustimmung oder betreuungsgerichtlichen Genehmigung über den Widerruf der Einwilligung bzw. die Nichteinwilligung in lebenserhaltende ärztliche Maßnahmen.4 Das Artikelgesetz ändert jedoch im Übrigen zunächst in Art. 1 das BGB, indem es das Institut der Patientenverfügung in einem neuen § 1901a Abs. 1 BGB ausdrücklich regelt. Danach sind Patientenverfügungen schriftliche Willensbekundungen eines Einwilligungsfähigen darüber, ob er für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt. Liegt eine derartige Patientenverfügung vor, so hat der Betreuer bzw. der ihm gleichgestellte Bevollmächtigte (§ 1901a Abs. 3 BGB) zu prüfen, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Soweit dies der Fall ist, hat der Betreuer/Bevollmächtigte dem Willen des Betreuten/Vollmachtgebers Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Nach § 1901b BGB erörtert der behandelnde Arzt die indizierte ärztliche Maßnahme mit dem Betreuer/Bevollmächtigten unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901a BGB zu treffende Entscheidung. Den Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen soll Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist. Sind sich Arzt und Betreuer/Bevollmächtigter aufgrund der Patientenver- 18 fügung bzw. in Ermangelung einer solchen nach dem anderweitig ermittelten oder mutmaßlichen Willen über die Kongruenz zwischen dem darin durch Einwilligung bzw. Untersagung geäußerten Patientenwillen einerseits und der in Rede stehenden ärztlichen Maßnahme andererseits5 einig, so ist nach § 1904 Abs. 4 BGB die grundsätzlich gemäß § 1904 Abs. 2 BGB notwendige betreuungsgerichtliche Genehmigung des Widerrufs der Ein-
1 2 3 4 5
Vgl. Schäfer/Sommer gegen Mertin in „pro & contra“, ZRP 2007, 135. Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2286. BT-Drucks. 16/8442 v. 6.3.2008 mit Änderungen. Erman/Roth, § 1904 BGB Rz. 2; Palandt/Götz, § 1904 BGB Rz. 4 und 8. Erman/Roth, § 1901a BGB Rz. 7; Palandt/Götz, § 1901a BGB Rz. 17.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
willigung bzw. der Nichteinwilligung in lebenserhaltende ärztliche Maßnahmen wie beispielsweise eine künstliche Ernährung durch PEG-Magensonde ausnahmsweise nicht erforderlich.1 Dabei ist das Vorliegen einer Grunderkrankung mit irreversiblem tödlichen Verlauf keine Voraussetzung für einen zulässigen Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen, da nach § 1901a Abs. 3 BGB Art und Stadium der Erkrankung insoweit ohne Bedeutung sind.2 Die durch einen Bevollmächtigten erteilte Einwilligung, Nichteinwilligung bzw. dessen Einwilligungswiderruf ist jedoch nach § 1904 Abs. 5 BGB nur dann wirksam, wenn die Vollmacht mindestens schriftlich erteilt wurde und diese Maßnahme ausdrücklich umfasst, wobei zwar keine wörtliche Gesetzeswiedergabe erforderlich sein soll,3 diese aber gleichwohl empfehlenswert sein kann. Damit ist nur bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arzt und Vertreter sowie gleichzeitiger Einwilligungsunfähigkeit des Patienten eine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich, die dann jedoch nicht nur bei einem Fehlen, sondern auch im Falle des Vorhandenseins einer Patientenverfügung benötigt wird.4 Die Änderungen des FamFG durch Art. 2 des Gesetzes dienen dem Schutz vor übereilten Entscheidungen. Nach einem neuen Absatz 3 des § 287 FamFG wird ein Beschluss über die Genehmigung des Behandlungsabbruchs gem. § 1904 Abs. 2 BGB erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer/Bevollmächtigten wirksam. Nach § 298 Abs. 4 FamFG ist vor der Genehmigung eines Behandlungsabbruchs ein Sachverständigengutachten einzuholen. Eine „für die Praxis kaum zu überschätzende Bedeutung“5 kommt dem Tatbestandsmerkmal „Entscheidung über eine bestimmte ärztliche Maßnahme“ zu. Soll die Patientenverfügung unmittelbare Bindungswirkung haben, so sind die nicht erwünschten ärztlichen Maßnahmen genau zu bezeichnen, also z.B. „künstliche Ernährung, künstliche Beatmung, Organübertragungen“. Allgemeine Formulierungen und Richtlinien genügen insofern nicht.6 19 Eine Patientenverfügung kann ggfs. einer Organspende entgegenstehen,
soweit für eine Organentnahme bestimmte durch den Patienten abgelehnte intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich sind.7 20 Für die Registrierung von Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen
führt die Bundesnotarkammer nach § 78a Abs. 1 BNotO ein zentrales Vorsorgeregister. Beurkundet der Notar eine Vorsorgevollmacht bzw. Patientenverfügung, so soll er auf die Möglichkeit der dortigen Registrierung hinweisen, § 20a BeurkG.8 Die Registrierung erfolgt über den Notar und empfiehlt sich in jedem Fall. Die entstehenden Kosten sind gering. 1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 202/13, NJW 2014, 3572 (3574). BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 202/13, NJW 2014, 3572 (3575). Erman/Roth, § 1904 BGB Rz. 33; Palandt/Götz, § 1904 BGB Rz. 26. Erman/Roth, § 1904 BGB Rz. 22. Höfling, NJW 2009, 2849 (2850). BT-Drucks. 16/8442, S. 14. DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 14 (15) mit Formulierungsvorschlag. Dazu Winkler, 17. Aufl. 2013, § 20a BeurkG Rz. 9 f.
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
VIII. Formulierungsbeispiel Vorsorgevollmacht M 289
Generalvorsorgevollmacht mit hilfsweiser Betreuungsverfgung und Patientenverfgung
Geschehen zu . . . am . . . vor dem Notar . . . Es ist erschienen, durch amtlichen Lichtbildausweis ausgewiesen und unbedenklich geschftsfhig: Frau . . ./Herr . . . Die/Der Erschienene erklrt zur çffentlichen Urkunde Generalvorsorgevollmacht mit hilfsweiserBetreuungsverfgung und Patientenverfgung 1. Bevollmchtigung Ich bevollmchtige hiermit meine Tochter . . ./meinen Sohn . . ./meinen Ehegatten . . ./meinen Lebenspartner . . . mich in allen meinen Angelegenheiten in jeder rechtlich zulssigen Weise zu vertreten, also in Vermçgensangelegenheiten (nachfolgend Ziffer 2), in persçnlichen Angelegenheiten (nachfolgend Ziffer 3) und bei der Durchsetzung meiner Patientenverfgung (nachfolgend Ziffer 4). Die Vollmacht dient auch der Vermeidung einer Betreuung und geht der Anordnung einer Betreuung vor. 2. Insbesondere Vermçgensangelegenheiten Die Vollmacht berechtigt zur Vornahme aller Rechtshandlungen und Rechtsgeschfte im Namen des Vollmachtgebers, soweit eine Vertretung rechtlich zulssig ist, insbesondere, ohne dass durch die folgende beispielhafte Aufzhlung die umfassende Vollmacht eingeschrnkt wird, – zur Verfgung ber Vermçgensgegenstnde jeder Art, zum Erwerb und zur Verwaltung von Vermçgensgegenstnden, auch von Grundbesitz, – zur Verfgung ber Bankkonten, Depots und sonstiges Geldvermçgen, zum Abschluss von Verbraucherdarlehensvertrgen und zur Regelung aller Bankgeschfte, – zur Vertretung gegenber Versicherungsgesellschaften und gegenber den Ausgebern von Renten, Versorgungsbezgen oder Sozialhilfe, – zur Regelung smtlicher Steuerangelegenheiten und zu smtlichen Erklrungen gegenber Finanzbehçrden, – zum Abschluss und zur Auflçsung von Heimvertrgen und zur Vertretung gegenber der jeweiligen Heimleitung, – zu smtlichen Prozesshandlungen, – zu geschftshnlichen Handlungen wie Mahnung oder Fristsetzung.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Soweit Grundbesitz, Wohnungs- und Teileigentum bzw. ein Erbbaurecht eines Bevollmchtigten mit Rechten fr mich belastet sind bzw. werden, berechtigt die Vollmacht diesen Bevollmchtigten jedoch nicht dazu, Erklrungen und Antrge abzugeben, durch die auf derartige Rechte verzichtet wird oder durch die derartige Rechte im Grundbuch gelçscht oder im Rang zurckgesetzt werden, solange fr mich keine Sterbeurkunde vorgelegt wird. Der Bevollmchtigte kann im Einzelfall in Vermçgensangelegenheiten Untervollmacht erteilen, die jedoch jeweils nur dann (dies gilt jedoch wiederum nicht fr in notariellen Urkunden unterbevollmchtigte Notare bzw. deren Personal) zur Vertretung berechtigt, wenn der Unterbevollmchtigte bei der jeweiligen Ausbung der Untervollmacht neben einer auf seinen Namen ausgestellten Ausfertigung der Untervollmacht auch eine auf den Namen des Hauptbevollmchtigen ausgestellte Ausfertigung der Hauptvollmacht vorlegt und im Text der Untervollmacht durch den dortigen beurkundenden Notar vermerkt ist, dass die Hauptvollmacht in auf den Namen des auftretenden Bevollmchtigten ausgestellter Ausfertigung vorlag. Der Bevollmchtigte ist in Vermçgensangelegenheiten von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit, kann also als Vertreter auch mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Vertrge bzw. sonstige Rechtsgeschfte abschließen und darf Unterbevollmchtigte in gleicher Weise befreien. Die Vollmacht bleibt ber den Tod hinaus wirksam. Der Bevollmchtigte ist auch dann vertretungsberechtigt, wenn ein Testamentsvollstrecker ernannt sein sollte. 3. Persçnliche Angelegenheiten Die Vollmacht umfasst auch das Recht zur Vertretung des Vollmachtgebers in Gesundheitsangelegenheiten und bei der Aufenthaltsbestimmung. Der Bevollmchtigte ist insbesondere im Rahmen der Aufenthaltsbestimmung zur Entscheidung ber die Unterbringung des Vollmachtgebers in einem Pflegeheim, einer geschlossenen Anstalt oder einem Krankenhaus befugt. Er kann fr den Vollmachtgeber alle Erklrungen in Gesundheitsangelegenheiten abgeben, insbesondere in Operationen und sonstige rztliche Maßnahmen einwilligen. Er ist befugt, Krankenunterlagen einzusehen und alle Informationen durch die behandelnden rzte, die insoweit im weitest mçglichen Umfang von ihrer Schweigepflicht befreit werden, einzuholen. Insbesondere kann der Bevollmchtigte in rztliche Maßnahmen nach § 1904 BGB und die Unterbringung nach § 1906 BGB einwilligen. Dies gilt auch, wenn die hierfr erforderlichen Rechtsgeschfte und Einwilligungen der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedrfen, also nach § 1904 Abs. 1 BGB die Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen rztlichen Eingriff deshalb der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf, weil die begrndete Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt, einen schweren oder lnger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, nach § 1906 Abs. 1 BGB die Unterbringung mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nach § 1906 Abs. 3 BGB eine rztliche Zwangsmaßnahme erforderlich ist oder nach § 1906 Abs. 4 BGB dem Vollmachtgeber, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhlt, ohne untergebracht zu sein, durch mecha-
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A. Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfgung, Patientenverfgung
nische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise ber einen lngeren Zeitraum oder regelmßig die Freiheit entzogen werden soll. Der Bevollmchtigte wird dazu ermchtigt, wenn dies zum Wohl des Vollmachtgebers erforderlich ist, in eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung des Vollmachtgebers einzuwilligen, wenn dieser aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung gefhrdet ist, sich selbst zu tçten oder sich erheblichen gesundheitlichen Schaden beizufgen, oder zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung seines Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein rztlicher Eingriff notwendig ist, ohne seine Unterbringung nicht durchgefhrt werden kann und er aufgrund psychischer Krankheit oder geistiger oder seelischer Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann. Der Bevollmchtigte ist verpflichtet, die Unterbringung oder sonstigen freiheitsentziehenden Maßnahmen zu beenden, sobald die vorgenannten Voraussetzungen entfallen, und die Beendigung dem Betreuungsgericht anzuzeigen. Widerspricht eine rztliche Maßnahme dem natrlichen Willen des Vollmachtgebers (rztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Bevollmchtigte in sie nur einwilligen, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der rztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann, zuvor versucht wurde, ihn von der Notwendigkeit der rztlichen Maßnahme zu berzeugen, die rztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung zu seinem Wohl erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden, der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere ihm zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und der zu erwartende Nutzen der rztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeintrchtigungen deutlich berwiegt. § 1846 BGB ist nur anwendbar, wenn der Bevollmchtigte an der Erfllung seiner Pflichten verhindert ist. Der Notar hat den Vollmachtgeber insbesondere auf den Umfang der Vollmacht belehrend hingewiesen, insbesondere im Bereich der Unterbringung auch mit freiheitsentziehenden Maßnahmen und bei der Einwilligung in Operationen und sonstige Behandlungen auch mit Gefahr fr Leben oder Gesundheit. Der Vollmachtgeber erklrt hierzu, dass er diesen Umfang der Vollmacht berblickt und die Vollmacht dem Bevollmchtigten mit diesem Umfang erteilen will. Die Vollmacht in persçnlichen Angelegenheiten ist nicht bertragbar. Untervollmacht darf in persçnlichen Angelegenheiten nicht erteilt werden. 4. Hilfsweise Betreuungsverfgung Fr den Fall, dass die vorstehende Vollmacht nicht zur Erledigung aller Aufgaben ausreichen sollte, schlage ich dem zustndigen Betreuungsgericht nach § 1897 Abs. 4 BGB den Bevollmchtigten als Betreuer vor. Die Vollmacht bleibt daneben bestehen. Mein Betreuer hat sich bei seinen Entscheidungen ausschließlich an meinem Wohl zu orientieren. Er erhlt die gesetzliche Regelvergtung fr die tatschlich geleisteten Stunden, mindestens aber die gesetzliche Pauschalierung.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
5. Patientenverfgung Die Bevollmchtigte soll dafr sorgen, dass mir im Rahmen der rechtlichen Zulssigkeit Hilfe beim Sterben und Hilfe zum Sterben einschließlich des Behandlungsabbruchs geleistet wird. Fr den Fall, dass ich meine Urteils- und Entscheidungsfhigkeit unwiderruflich verloren habe und meine Krankheit einen nicht umkehrbaren tçdlichen Verlauf genommen hat, verfge ich hiermit, von allen Wiederbelebungsmaßnahmen und lebensverlngernden Maßnahmen abzusehen. Ich wnsche dann insbesondere keine knstliche Ernhrung, keine knstliche Beatmung und keine Organbertragungen. Dies verfge ich sowohl fr den Fall, dass der Tod ohnehin in kurzer Zeit eintritt, wie fr den Fall, dass ich dauerhaft in einem Koma liege. In letzterem Fall wnsche ich ausdrcklich auch den Behandlungsabbruch. Der Bevollmchtigte hat eine in diesem Fall ggf. erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen und den behandelnden rzten mitzuteilen. Alle mein Leiden lindernden Maßnahmen, insbesondere eine umfassende Schmerztherapie, sollen durchgefhrt werden, auch wenn sie lebensverkrzend wirken. Diese Patientenverfgung soll so lange weiter gelten, bis ich sie schriftlich widerrufe. Sie gilt auch, wenn mir nach Wegfall der Bevollmchtigten ein Betreuer bestellt werden sollte. Die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung durch den Bevollmchtigten in eine Untersuchung meines Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in einen rztlichen Eingriff gestatte ich auch dann, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begrndete Gefahr besteht, dass ich aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme sterbe oder einen schweren und lnger dauernden gesundheitlichen Schaden erleide. 6. Schlussvermerke Die Vollmacht ist frei widerruflich. Der Notar hat u.a. ber den nach außen unbeschrnkten Umfang der Vollmacht und ihren Vertrauenscharakter eingehend belehrt. Er hat weiter u.a. darauf hingewiesen, dass die Vollmacht im Rechtsverkehr durch Vorlage der Ausfertigung dieser Urkunde nachzuweisen ist und dass beim Widerruf der Vollmacht auf die Rckgabe der Ausfertigung geachtet werden muss. Ich wnsche die Eintragung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. An das Betreuungsgericht drfen jederzeit, etwa auf dortige Anfrage, Kopien dieser Urkunde bersandt werden. Sollten einzelne Bestimmungen der heutigen Urkunde unwirksam sein oder werden, bleibt der brige Teil der Urkunde gleichwohl wirksam. Erbeten wird jeweils eine Ausfertigung dieser Urkunde fr den Bevollmchtigten zu meinen Hnden und eine beglaubigte Kopie fr mich. Soweit ich keine abweichende Weisung erteile, kçnnen dem Bevollmchtigten jederzeit weitere Ausfertigungen erteilt und direkt zugesandt werden, sobald der Notar an mich darber durch eingeschriebenen Brief an meine ihm zuletzt bekanntgegebene Adresse eine Nachricht abgesandt hat (den Notar treffen keine Nachforschungspflichten, wenn sich die Anschrift als nicht mehr zutreffend er-
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B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers
weist) und bei diesem nicht innerhalb von drei Wochen nach Absendung dieser Benachrichtigung ein Widerspruch eingeht oder ich verstorben bin. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben: (Unterschriften des Vollmachtgebers und des Notars)
B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers I. Regelungsbedarf Kleinunternehmer und mittelständische Unternehmer bilden immer 21 noch das Rückgrat der Wirtschaft. Sie werden im eigenen Unternehmerinteresse tätig, haben aber auch Verantwortung für ihre Mitarbeiter und das Unternehmen als Wirtschaftsfaktor. In gewisser Diskrepanz hierzu steht die häufig mangelnde Vorsorge für den Ausfall des Unternehmers. Dies gilt einmal für den Todesfall. Das Unternehmertestament bildet den Gegenstand zunehmender literarischer Bemühungen und Fachtagungen, wird aber in der Praxis viel zu selten verwirklicht. Auch wenn der Unternehmer den Rat des Juristen und Steuerberaters einholt, kann er sich häufig nicht zur Umsetzung entschließen. Noch krasser ist dies bei der Vorsorgevollmacht im privaten und unternehmerischen Bereich. Der voll im Leben stehende Unternehmer bezieht deren Notwendigkeit nicht auf sich selbst, sondern ist der Ansicht, dass es sich um eine Sache handelt, die Altenheimbewohner und Besucher von Vorträgen über Sterbehilfe und Patientenverfügung betrifft. Er will nicht zur Kenntnis nehmen, dass gerade bei einem Unternehmer erhöhter Bedarf nicht nur für die letztwillige Vorsorge, sondern auch für die Vorsorge für den Fall des längerfristigen Ausfalls des Unternehmers durch Krankheit oder Unfall besteht, vor allem wenn dieser Ausfall mit Einschränkungen nicht nur der Tatkraft, sondern auch der Geschäftsfähigkeit verbunden ist.
II. Vollmacht und Handlungsanweisung Der Unternehmer braucht nicht nur wie jeder andere Vollmachtgeber ei- 22 ne allgemeine Vorsorgevollmacht (s. oben Rz. 1 ff.), sondern auch eine spezifische Vorsorge für das Unternehmen.1 Regelmäßig enthält die Vorsorgevollmacht eine Generalvollmacht. Diese verleiht grundsätzlich uneingeschränkte Vertretungsmacht nach außen, und zwar auch im Unternehmensbereich. Dort reicht dies aber regelmäßig nicht aus. Die Vollmacht ist um eine Handlungsanweisung zu ergänzen. Der Unterneh-
1 Jocher, notar 2014, 3 ff.; Reymann, ZEV 2005, 514 ff.; Reymann, ZEV 2006, 12 ff. Zur demographischen Entwicklung Heckschen, NZG 2012, 10 ff.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
mer muss zumindest in groben Zügen festlegen, was aus dem Unternehmen wird, wenn er etwa durch Unfall oder plötzliche Krankheit für längere Zeit nicht mehr einsatzfähig ist. So wie die allgemeine Vorsorgevollmacht in persönlichen Angelegenheiten ergänzt werden kann durch eine Verfügung, die den Grundsätzen der Betreuungsverfügung folgt, aber zunächst die Ausübung der Vollmacht steuert, so ist im Unternehmensbereich die Vorsorgevollmacht durch eine Vorsorgeverfügung in Form einer Handlungsanweisung zu unterlegen. Mangels einer derartigen Handlungsanweisung wird man zumindest nur schwer einen externen Bevollmächtigten finden. Denn für denjenigen, der in welcher Form auch immer für die Unternehmensleitung Verantwortung übernehmen soll, handelt es sich um ein weites Feld mit Haftungsgefahren nicht nur im Außenverhältnis, sondern auch von Seiten des wieder genesenen Unternehmers oder seiner Erben. Ihm muss die Handlungsanweisung einen Tätigkeitsrahmen vorgeben, ergänzt um die allgemeine Vollmacht oder erforderlichenfalls um spezielle handelsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Vollmachten.
III. Betroffene Unternehmertypen 23 Regelungsbedürftig sind die Fälle, in denen infolge des Ausfalls des Unter-
nehmers das Unternehmen führungslos ist. Dies gilt für den Inhaber der Einzelfirma und den Gesellschafter-Geschäftsführer der EinpersonenGmbH oder Einpersonen-GmbH & Co. KG. Beim Alleinvorstand etwa der kleinen AG gibt es einen nach dem Gesetz mindestens aus drei Personen bestehenden Aufsichtsrat, der einen neuen Vorstand bestellen kann. Beim Mitgesellschafter und gegebenenfalls Mitgeschäftsführer einer Gesellschaft von Partnern oder einer Familiengesellschaft können die verbleibenden Gesellschafter regelmäßig die Vakanz überbrücken. 24 Besonders regelungsbedürftig sind also die Fälle, in denen der Unterneh-
mer als alleiniger Firmeninhaber oder alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ausfällt und keine Personen oder keine Organe vorhanden sind, die einen Ersatz bestellen können. Für diese Fälle sollte der allgemeinen Vorsorgevollmacht eine ergänzende Bevollmächtigung für den Unternehmensbereich angefügt werden. Auch wenn grundsätzlich gilt, dass eine Generalvollmacht den Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts mitumfasst, sollte die Unternehmervollmacht einen besonderen Abschnitt der im Idealfall aus den drei Teilen allgemeine Vollmacht, Vollmacht im Gesundheitsangelegenheiten und Patientenverfügung bestehenden Vorsorgevollmacht bilden. Dies ist schon deshalb zweckmäßig, weil die Unternehmervollmacht anders als regelmäßig die Generalvollmacht mit einer Handlungsanweisung verbunden werden sollte.
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B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers
IV. Mögliche Bevollmächtigte In erster Linie kommen Familienangehörige wie die Ehefrau, bereits im 25 Berufsleben stehende Kinder und Mitgesellschafter von Familienunternehmen als Bevollmächtigte in der Weise in Betracht, dass sie entweder selbst die Aufgaben im Unternehmen übernehmen, oder dritte Personen heranziehen, die unter ihrer Aufsicht das Unternehmen leiten. Solche externen Bezugspersonen können auch direkt Bevollmächtigte werden. Es sind dies insbesondere leitende Mitarbeiter im Unternehmen, der Anwalt des Unternehmens und der Steuerberater des Unternehmens. Soweit Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Notare zur Übernahme einer Testamentsvollstreckung auch für das Unternehmen bereit und in der Lage sind, kommen sie auch als Bevollmächtigte beim vorübergehenden Ausfall des Unternehmers in Betracht.
V. Instrumente der Vorsorgeregelung 1. Handlungsanweisung Die Handlungsanweisung gibt die Vorstellungen des Unternehmers über 26 das Schicksal des Unternehmens bei seinem zeitweiligen oder völligen Ausfall wieder und damit den Rahmen der möglichen Maßnahmen vor. Die grundlegende Entscheidung ist die, ob das Unternehmen bei längerem Ausfall des Unternehmers fortgeführt werden soll oder möglichst bald veräußert oder liquidiert werden soll. Dies hängt von der Größe des Unternehmens und davon ab, ob und inwieweit sich die Unternehmensführung zumindest zeitweise von der Person des Unternehmers lösen lässt. Bei stark personenbezogenen Unternehmen, deren Geschäftswert von der persönlichen Tätigkeit des Unternehmers entscheidend abhängt, sind die Möglichkeiten einer Interimslösung beschränkt. Soweit es sich bei dem bestimmten Bevollmächtigten um eine Vertrauensperson handelt, sollte diesem auch die Entscheidung darüber überlassen bleiben, ab welchem Zeitpunkt eine Veräußerung oder Liquidation des Unternehmens betrieben werden muss. 2. Prokura Soll die im Handelsregister eingetragene Einzelfirma fortgeführt werden, 27 so bietet sich die Bestellung eines Prokuristen an. Als besondere handelsrechtliche Vollmacht ermächtigt die Prokura nach § 49 HGB zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Auch die Generalvollmacht verleiht diese Befugnisse. Dennoch empfiehlt es sich, dem Generalbevollmächtigten dann, wenn er die Aufgaben eines Prokuristen wahrnehmen soll, zusätzlich Prokura zu erteilen. Denn die Prokura wird im Handelsregister eingetragen, die Namenszeichnung des Prokuristen wird mit der sie als echt bescheinigenden notariellen Beglaubigung beim Handelsregister aufbewahrt. Der Prokurist hat damit keine 839
10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Probleme mit dem Nachweis seiner Vollmacht, er hat eine im Handelsverkehr übliche und allgemein akzeptierte Legitimation und Funktion. Die Prokura wird vom Inhaber des Handelsgeschäfts erteilt und zum Handelsregister angemeldet. Der Prokurist kann sich in dieser Eigenschaft nicht selbst zum Handelsregister anmelden. Wohl aber kann ein und dieselbe Person, etwa die Ehefrau des Unternehmers, sich mit allgemeiner oder spezieller Vollmacht des Unternehmers selbst zum Prokuristen bestellen und für den Unternehmer die Prokura zum Handelsregister anmelden. 3. Rechtsformwechsel 28 Es ist immer auch in Betracht zu ziehen, dass ein Rechtsformwechsel die
Fortführung des Unternehmens erleichtern kann. Dies bezieht sich einmal auf die Möglichkeit der Fremdgeschäftsführung, zum anderen auf die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bei Separierung des Privatvermögens vom Betriebsvermögen. Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Einzelfirma, so kann diese grundsätzlich auch auf längere Zeit durch einen Prokuristen weitergeführt werden. Der entscheidende Nachteil dieser Lösung ist aber, dass der Prokurist über die Verpflichtung des von ihm kraft Prokura vertretenen Unternehmers auch dessen gesamtes Privatvermögen verpflichtet. Dies ist nicht nur für den Unternehmer und seine Familie gefährlich, sondern auf Dauer auch dem Prokuristen nicht zuzumuten. Besser ist es hier, das Firmenvermögen in eine haftungsbeschränkende Rechtsform, regelmäßig die GmbH, zu überführen und die zunächst als Prokurist in Aussicht genommene oder bestellte Person zum Geschäftsführer dieser GmbH zu machen. Als solcher unterliegt sie dann den Weisungen des Gesellschafters, der wiederum durch den Vorsorgebevollmächtigten vertreten wird. 29 Außerhalb der Vorsorgevollmacht kann auch im Hinblick auf einen etwai-
gen Ausfall des Unternehmers vorsorglich sofort Prokura erteilt werden. Dabei ist aber zu bedenken, dass eine bedingte Prokura nicht möglich ist, der Prokurist also sofort Befugnisse erhält, von denen er jetzt noch keinen Gebrauch machen soll, aber Gebrauch machen kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Erteilung von Prokura an einen Mitarbeiter auch mit entsprechenden Gehaltsvorstellungen auf dessen Seite verbunden ist. 4. Ausgliederung 30 Ein elegantes Instrument der Separierung des von einem Einzelkaufmann
betriebenen Unternehmens von seinem Privatvermögen ist die Ausgliederung nach §§ 152 bis 160 UmwG.1 Ausgegliedert wird das von dem Unternehmer als Einzelkaufmann betriebene Unternehmen zur Aufnahme
1 Erläuterungen und Formulierungsmuster bei Langenfeld/Miras, GmbH-Vertragspraxis, 7. Aufl. 2015, passim.
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B. Die Vorsorgevollmacht des Unternehmers
durch eine neugegründete GmbH, deren Alleingesellschafter der Unternehmer ist. Er kann bei allen erforderlichen Akten mit notariell beglaubigter Vollmacht vertreten werden. Der Gesamtvorgang wird notariell beurkundet und zu den Handelsregistern angemeldet. Außer der Erstellung einer Bilanz sind keine weiteren Formalitäten erforderlich. 5. Stimmrechtsvollmacht In den Fällen, in denen der Unternehmer Mitgesellschafter etwa einer 31 GmbH ist, kann sich die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht empfehlen. Nach § 47 Abs. 3 GmbHG bedarf die Vollmacht der Schriftform. Sonst macht das GmbHG keine Vorgaben. Die Satzung kann jedoch abweichende Regelungen treffen, so z.B. den Ausschluss der Vertretung, die Vertretung nur durch Gesellschafter, die Vertretung nur durch den Ehegatten usw. Daher ist in jedem Fall die Satzung darauf zu überprüfen, welche Möglichkeiten der Vertretung und welche besonderen Formvorschriften sie vorsieht. Gegebenenfalls ist auf eine entsprechende Änderung der Satzung hinzuwirken, um Stimmrechtsvollmachten als Vorsorgevollmacht zu ermöglichen.
VI. Formulierungsbeispiel Handlungsanweisung und Vollmacht M 290
Handlungsanweisung und Vollmacht des Einzelunternehmers
Sollte ich infolge von Unfall oder Krankheit nicht in der Lage sein, mein unter der Firma . . . betriebenes Einzelunternehmen selbst zu leiten, so hat der Bevollmchtigte fr die Fortfhrung des Unternehmens zu sorgen. Dies kann er selbst kraft der erteilten Vollmacht besorgen. Er kann auch sich selbst oder anderen Personen Prokura erteilen. Er kann auch, wenn meine Verhinderung lnger dauert, dem Unternehmen eine haftungsbeschrnkende Form geben, insbesondere die Einzelfirma aus meinem Vermçgen in eine neu zu grndende GmbH abspalten. Bin ich auf Dauer nicht in der Lage, das Unternehmen selbst weiterzufhren, so kann auch eine Verußerung oder Liquidation erfolgen. Dabei ist zunchst die Verußerung anzustreben, ehe eine Liquidation erfolgt. Der Bevollmchtigte hat zuvor den Anwalt und den Steuerberater des Unternehmens zu konsultieren, entscheidet aber schließlich selbst nach seinem billigen Ermessen. Ich bevollmchtige hiermit den eingangs bezeichneten Vollmachtnehmer, mich auch in allen Angelegenheiten meines Einzelunternehmens zu vertreten, insbesondere sich selbst oder/alternativ: jedoch nicht selbst, aber andere Personen zu Prokuristen von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit/ alternativ: nicht befreit zu bestellen und zum Handelsregister anzumelden. Weiterhin erhlt er Vollmacht zur bertragung des Betriebsvermçgens des Einzelunternehmens auf eine haftungsbeschrnkende Gesellschaft, deren Alleingesellschafter ich bin oder werde. Zum Betrieb dieser Gesellschaft und zur Ausbung aller meiner Gesellschafterrechte einschließlich der Bestellung und Abberufung von Geschftsfhrern und Prokuristen, insofern auch seiner eige-
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
nen Person/alternativ: insofern jedoch nicht seiner eigenen Person, dabei nach eigenem Ermessen wahlweise auch jeweils unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB/alternativ: jedoch ohne Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB, samt Handelsregisteranmeldung ist der Vollmachtnehmer ebenfalls bevollmchtigt. Sollte das Unternehmen verußert werden mssen, so erstreckt sich die Vollmacht auch auf diese Verußerung. Im Rahmen der Verußerung ist der Vollmachtnehmer von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit/ alternativ: nicht befreit.
M 291
Handlungsanweisung und Vollmacht des AlleingesellschafterGeschftsfhrers
Sollte ich infolge von Unfall oder Krankheit nicht in der Lage sein, meine Aufgaben als Gesellschafter-Geschftsfhrer der . . . selbst wahrzunehmen, so hat der eingangs bezeichnete Bevollmchtigte fr die Fortfhrung des Unternehmens zu sorgen. Dies kann er selbst kraft der erteilten Vollmacht besorgen. Er kann sich selbst/jedoch nicht sich selbst oder andere Personen zum Geschftsfhrer bestellen oder sich selbst/jedoch nicht sich selbst oder anderen Personen Prokura erteilen, dabei nach eigenem Ermessen wahlweise auch jeweils unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB/alternativ: jedoch ohne Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB, und dies zum Handelsregister anmelden. Bin ich auf Dauer nicht in der Lage, das Unternehmen selbst weiterzufhren, so kann auch eine Verußerung oder Liquidation erfolgen. Dabei ist zunchst die Verußerung anzustreben, ehe eine Liquidation erfolgt. Der Bevollmchtigte hat zuvor den Anwalt und den Steuerberater des Unternehmens zu konsultieren, entscheidet aber schließlich selbst nach seinem billigen Ermessen. Die vorstehenden Voraussetzungen dieses Absatzes gelten jedoch lediglich im Innenverhltnis ohne einschrnkende Außenwirkung. ber den Vertrauenscharakter samt den diesbezglichen Risiken bin ich mir bewusst. Deshalb bevollmchtige ich den eingangs bezeichneten Vollmachtnehmer auch, meine Gesellschafterrechte in der unter der Firma . . . betriebenen GmbH (GmbH & Co. KG) wahrzunehmen, insbesondere Geschftsfhrer und Prokuristen zu bestellen und abzuberufen. Sollte das Unternehmen in eine andere Rechtsform transferiert, verußert oder liquidiert werden, so bezieht sich die Vollmacht auch hierauf. Weiterhin ermchtigt die Vollmacht auch zur Verußerung und Liquidation des Unternehmens.
M 292
Handlungsanweisung und Vollmacht des Mitgesellschafters
Sollte ich infolge von Unfall oder Krankheit nicht in der Lage sein, meine Gesellschafterrechte in der . . . GmbH selbst auszuben, so ist die Wahrnehmung dieser Rechte Aufgabe des eingangs bezeichneten Bevollmchtigten. Die vorstehende Beschrnkung gilt ausschließlich im Innenverhltnis.
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C. Der Ehevertrag
Dieser wird deshalb auch bevollmchtigt, meine Gesellschafterrechte bei der . . . GmbH wahrzunehmen. Er kann mich insbesondere in Gesellschafterversammlungen vertreten und ber alle Angelegenheiten mitbeschließen, ber die die anderen Gesellschafter Beschlsse fassen. Er ist von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit/ alternativ: nicht befreit.
C. Der Ehevertrag I. Funktionen des Ehevertrags Als Vorbereitungs- oder Begleitmaßnahme zu letztwilligen Verfügungen 32 bietet sich häufig der Abschluss eines Ehevertrages an, und zwar sowohl auf der Seite des Erblassers als auch auf der Seite des Erben. Dabei kann der Ehevertrag als Scheidungsvorsorge oder für den Fall der Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten indiziert sein. Anwendungsfälle sind insbesondere – der Schutz des Familienvermögens vor scheidungsbedingten Zugewinnausgleichsansprüchen des Ehegatten des Vermögensinhabers oder Vermögensaspiranten (s. nachfolgend Rz. 34 ff.), – die Erzielung von Steuervorteilen durch Ausnutzung der Erbschaftsteuerfreiheit des schuldrechtlichen Zugewinnausgleichs (s. nachfolgend Rz. 38), – die Versorgung des Ehegatten durch Vereinbarung von Gütergemeinschaft, ohne dass Pflichtteilsergänzungsansprüche oder Vertragserbenansprüche der nicht von diesem Ehegatten stammenden Abkömmlinge entstehen (s. nachfolgend Rz. 39). Diese Gestaltungen werden im Folgenden dogmatisch skizziert und zur 33 Verdeutlichung der Struktur beispielhaft in Formulierungsmuster umgesetzt. Für die Einzelheiten, die Gestaltungsalternativen und ausführliche Muster wird auf die Darstellung im Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen verwiesen.1
II. Eheverträge als Scheidungsvorsorge 1. Privilegierter Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB Vermögen, das ein Ehegatte bei Eingehung der Ehe bereits besitzt oder das 34 er nach Eheschließung durch vorweggenommene Erbfolge, Schenkung, Ausstattung oder von Todes wegen erwirbt, ist vom gesetzlichen Zugewinnausgleich nicht ausgenommen, sondern wird lediglich mit seinem
1 Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, 7. Aufl. 2015, passim.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Wert zum Zeitpunkt der Eheschließung oder des späteren Erwerbs dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, § 1374 Abs. 2 BGB. Dadurch wird der Zugewinn des betreffenden Ehegatten und werden damit mögliche Zugewinnausgleichsansprüche des anderen Ehegatten zwar um den Wert dieses privilegierten Vermögens bei Eheschließung oder späteren Erwerb vermindert. Ausgleichspflichtig bleiben aber Wertsteigerungen dieses Vermögens in der Ehezeit. Weiterhin ist der Streit um die Bewertung dieses Vermögens zu den beiden maßgeblichen Zeitpunkten vorprogrammiert. 35 Zur Ausschaltung dieser Störfaktoren kann entweder der Zugewinnaus-
gleich ganz ausgeschlossen werden, indem mittels notariellen Ehevertrages Gütertrennung vereinbart wird, oder der Zugewinnausgleich nur für den Fall der Beendigung der Ehe anders als durch Tod, insbesondere aufgrund Scheidung iSd. § 1564 BGB bzw. Eheaufhebung gem. §§ 1313, 1318 Abs. 3 BGB, ggf. zusätzlich auch für den Todesfall hinsichtlich des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 bzw. Abs. 3 iVm. §§ 1373 ff. BGB durch eine entsprechende Modifizierung des gesetzlichen Güterstands ausgeschlossen werden, während zumindest der schematische Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB für den Fall der Auflösung der Ehe durch den Tod beibehalten wird.1 Diese beiden Lösungen schließen den Ehegatten von jeder Beteiligung an ehelichem Zugewinn im Scheidungsfall aus und sind deshalb regelmäßig nicht sachgerecht. Eine vereinbarte Gütertrennung führt zudem wegen Wegfalls der Erbteilserhöhung aus § 1371 Abs. 1 BGB bei Vorhandensein von mehr als einem Kind nach § 1931 Abs. 4 BGB, von jeweils einem oder mehreren Abkömmlingen mehrerer weggefallener Kinder nach § 1931 Abs. 4 letzter Halbs. iVm. § 1924 Abs. 3 BGB2 bzw. von einem Kind und jeweils einem oder mehreren Abkömmlingen eines weiteren weggefallenen Kindes oder bei Vorhandensein mindestens eines Elternteils und Fehlen von Abkömmlingen des erstversterbenden Ehegatten nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB zu einer für den längstlebenden Ehegatten nachteiligen Verringerung des gesetzlichen Erbrechts unter gleichzeitiger Erhöhung des Pflichtteilsrechts von Abkömmlingen bzw. Elternteilen. 36 Eine Lösung, den Zugewinnausgleich für den normalen ehelichen Zuge-
winn beizubehalten, ihn aber für das Anfangsvermögen und den privilegierten Erwerb iSv. § 1374 Abs. 2 BGB auszuschalten, besteht darin, letztere Vermögensmassen gegenständlich beschränkt aus dem Zugewinnausgleich auszunehmen.
1 Erman/Budzikiewicz, § 1371 BGB Rz. 17; MünchKomm.BGB/Kanzleiter, § 1408 BGB Rz. 14; Soergel/Lange, § 1371 BGB Rz. 7; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 124; Cypionka, MittRhNotK 1986, 157 (165). 2 Staudinger/Werner, § 1931 BGB Rz. 43.
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C. Der Ehevertrag
M 293
Ehevertrag ber gegenstndliche Herausnahme des Anfangsvermçgens
Hinsichtlich des ehelichen Gterrechts soll es grundstzlich beim gesetzlichen Gterstand verbleiben. Jedoch sollen die im anliegenden Verzeichnis (Anlage) – das mitverlesen wurde und auf das bezugnehmend verwiesen wird – aufgefhrten Gegenstnde des Anfangsvermçgens jedes Ehegatten beim Zugewinnausgleich bei Beendigung der Ehe aus anderen Grnden als dem Tod eines Ehegatten sowie fr den Todesfall hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB/alternativ: anders als hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB in keiner Weise bercksichtigt werden. Sie sollen deshalb weder zur Berechnung des Anfangsvermçgens noch des Endvermçgens dieses Ehegatten hinzugezogen werden. Dasselbe gilt fr zuknftigen privilegierten Erwerb jedes Ehegatten iSv. § 1374 Abs. 2 BGB, also fr Erwerb von Todes wegen oder mit Rcksicht auf ein knftiges Erbrecht, durch Schenkung oder Ausstattung. Auch die diese Gegenstnde betreffenden Verbindlichkeiten, etwa Grundpfanddarlehen bei Grundstcken, sollen im o.g. Zugewinnausgleich keine Bercksichtigung finden.
2. Betriebsvermögen Von diesem Gestaltungsmodell kann man auch Gebrauch machen, um 37 das Betriebsvermögen eines Ehegatten vor scheidungsbedingten Zugewinnausgleichsansprüchen des anderen Ehegatten zu schützen, im Übrigen aber für das Privatvermögen den Zugewinnausgleich beizubehalten.
M 294
Ehevertrag ber gegenstndliche Herausnahme des Betriebsvermçgens
Hinsichtlich des ehelichen Gterrechts soll es grundstzlich beim gesetzlichen Gterstand verbleiben. Jedoch soll der Handwerksbetrieb des Ehemannes mit allen betrieblich genutzten Gegenstnden aus dem Zugewinnausgleich bei Beendigung der Ehe aus anderen Grnden als dem Tod eines Ehegatten sowie fr den Todesfall hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB/alternativ: anders als hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB gegenstndlich ausgenommen sein. Derzeit sind dies die . . .-GmbH mit dem Sitz in . . . , also die Geschftsanteile des Ehemannes an dieser Gesellschaft und alles bilanzierte Vermçgen dieser Gesellschaft, insbesondere die bei der Gesellschaft fr den Gesellschafter gefhrten Konten, weiterhin das im Privateigentum des Mannes stehende, aber an die . . .-GmbH verpachtete Betriebsgrundstck (Beschrieb nach dem Grundbuch) einschließlich seiner Belastungen. Diese Gegenstnde sollen beim Zugewinnausgleich bei Beendigung der Ehe aus anderen Grnden als den Tod eines Ehegatten sowie fr den Todesfall hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB/alternativ: anders als hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB in keiner
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Weise bercksichtigt werden, und zwar auch dann nicht, wenn ihr Wert negativ ist. Sie sollen weder zur Berechnung des Anfangsvermçgens noch das Endvermçgens hinzugezogen werden. Auch die diese Gegenstnde betreffenden Verbindlichkeiten sollen im Zugewinnausgleich keine Bercksichtigung finden. Bei knftigen Vernderungen in der Rechtsform und im Bestand des Unternehmens sollen immer alle zu dem Unternehmen gehçrenden oder ihm dienenden Gegenstnde vom Zugewinnausgleich bei Beendigung der Ehe aus anderen Grnden als dem Tod eines Ehegatten sowie fr den Todesfall hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB/alternativ: anders als hinsichtlich des gterrechtlichen Zugewinnausgleichs nach § 1371 Abs. 2 BGB ausgenommenen sein, insbesondere auch Gegenstnde, die steuerlich Sonderbetriebsvermçgen sind. Im Streitfall bestimmt ein von der çrtlich zustndigen Handwerkskammer zu bestimmender Sachverstndiger als Schiedsgutachter verbindlich, welche Gegenstnde dieser Regelung unterliegen. Ertrge des Unternehmens, die den Rcklagen zugefhrt werden, und Gesellschafterdarlehen sind insoweit ebenfalls vom Zugewinnausgleich ausgenommenen, soweit dies den Grundstzen einer ordnungsgemßen Unternehmensfinanzierung entspricht. Im Streitfall entscheidet der Schiedsgutachter. Werden jedoch bereits endgltig entnommene Gewinnen wieder in das Unternehmen transferiert, so unterliegen sie dem Zugewinnausgleich, soweit nicht die Einlage betriebswirtschaftlich notwendig oder geboten ist. Im Streitfall entscheidet auch hier der Schiedsgutachter. Dies gilt auch fr die Bildung von gewillkrtem Betriebsvermçgen.
III. Beendigung des gesetzlichen Güterstandes zwecks schenkungsteuerfreien Zugewinnausgleichs nach § 5 Abs. 2 ErbStG 38 Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag, etwa
durch Vereinbarung der Gütertrennung, beendet, so bleibt die dann nach § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB entstehende gesetzliche Zugewinnausgleichsforderung als familienrechtlicher Akt im Rahmen der grundgesetzlich garantierten Ehevertragsfreiheit mangels rechtsgeschäftlicher Zuwendung schenkungsteuerfrei, selbst wenn anschließend wieder zum Güterstand der Zugewinngemeinschaft zurückgekehrt werden sollte.1 § 5 Abs. 2 ErbStG kommt insoweit eine lediglich klarstellende Funktion zu.2 Deshalb ist die ehezeitliche Beendigung der Zugewinngemeinschaft mit Zugewinnausgleich und mit der Folge der Schenkungsteuerfreiheit nach § 5 Abs. 2 ErbStG eine erwägenswerte Möglichkeit der steuerfreien Transferierungen von Vermögen auf den Ehegatten. Der Güterstandswechsel löst zudem grundsätzlich keine Pflichtteilsergänzungsansprüche etwaiger Abkömmlinge nach § 2325 BGB aus, soweit kein grober Missbrauch der Ehevertrags-
1 BFH v. 12.7.2005 – II R 29/02, ZEV 2005, 490 f. m. Anm. Münch. 2 Meincke, § 5 ErbStG Rz. 38; Münch, ZEV 2005, 491.
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C. Der Ehevertrag
freiheit durch Verfolgung ehefremder Ziele insbesondere durch einen bereits geplanten, wenn auch erst später vollzogenen anderweitigen Güterstandswechsel1 oder eine krasse Überlagerung des Zugewinns durch den Wert der Vermögensübertragung zugrunde liegt.2 Insoweit kann eine grob missbräuchliche bzw. von ehefremden Zielen geleitete nochmalige ehevertragliche Güterstandsveränderung trotz schenkungsteuerrechtlicher Unbedenklichkeit iSd. § 5 Abs. 2 ErbStG sehr wohl pflichtteilsrechtliche Zugriffe auslösen. Jenseits derartiger Missbrauchsfälle leitet sich die Pflichtteilsfestigkeit des Güterstandswechsels im Übrigen daraus ab, dass es bereits an der ansonsten erforderlichen Einigung über dessen Unentgeltlichkeit fehlt3 und der Zugewinnausgleich selbst im Falle einer güterrechtlichen Abwicklung auf den Tod gegenüber Pflichtteilsansprüchen Vorrang hätte.4 In Betracht kommt die Gestaltung insbesondere bei älteren Eheleuten, wenn die Versorgung des nicht am ehezeitlichen Zugewinn beteiligten Ehegatten bezweckt wird und den Abkömmlingen keine Pflichtteilsergänzungsansprüche zustehen sollen.5
M 295
Ehevertrag ber die Beendigung des gesetzlichen Gterstandes durch Vereinbarung von Gtertrennung
Wir beenden den seit Eheschließung bestehenden gesetzlichen Gterstand dadurch, dass wir hiermit Gtertrennung vereinbaren. Der Zugewinnausgleich berechnet sich wie folgt: (konkrete Berechnung entsprechend der gesetzlichen Regelung). Die sich hieraus ergebende Zugewinnausgleichsforderung der Ehefrau in Hçhe von . . . Euro ist fllig. Der Betrag ist innerhalb von zwei Monaten ab heute auf das Konto der Ehefrau zu zahlen. Mit dieser Zahlung ist der Zugewinnausgleich durchgefhrt, weitere Ansprche auf Zugewinnausgleich bestehen nicht.
IV. Versorgung des neuen Ehegatten durch Vereinbarung von Gütergemeinschaft Hat der vermögende Ehegatte Kinder erster Ehe, an deren Einsetzung als 39 Schlusserben auf seinen Tod er gebunden ist, so lösen Schenkungen und der Schenkung gleichgestellte Zuwendungen an den Ehegatten zweiter Ehe auf Seite der Kinder sowohl Pflichtteilsergänzungsansprüche nach 1 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 = MDR 1992, 263 = FamRZ 1992, 304 = NJW 1992, 558. 2 Münch, ZEV 2005, 491 (492). 3 Staudinger/Olshausen, § 2325 BGB Rz. 22; Morhard, NJW 1987, 1734 (1735 f.); Münch, ZEV 2005, 491 (492); Werthmann, Die unbenannte Zuwendung im Privatrechtssystem, 1990, S. 118 ff.; aA Sandweg, NJW 1989, 1969 (1972 f.). 4 Bamberger/Roth/J. Mayer, § 1371 BGB Rz. 25; MünchKomm.BGB/Koch, § 1371 BGB Rz. 33; Münch, ZEV 2005, 491 (492). 5 Zu den diesbezüglichen Einzelheiten Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 244, 364, 440, 443 f., 456 ff.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
§ 2325 BGB als auch Vertragserbenansprüche nach (bei Vertragsmäßigkeit aus Erbvertrag) bzw. analog (bei Wechselbezüglichkeit aus gemeinschaftlichem Testament) § 2287 f. BGB aus. Nach einer grundlegenden Entscheidung des BGH1 ist aber die Änderung des Güterstandes keine Schenkung in diesem Sinne, sondern ein den Ehegatten freistehender Akt der Gestaltung ihrer Ehe. Soweit im Einzelfall kein Missbrauch vorliegt (vgl. dazu vorstehend Rz. 38), kann also der zweite Ehegatte durch Vereinbarung von Gütergemeinschaft im Ergebnis die Hälfte des Vermögens des anderen Ehegatten erwerben, ohne dass die erstehelichen Kinder hieraus Ansprüche ableiten können. Dies ist damit ein Weg zur effektiven Versorgung des zweiten Ehegatten.
M 296
Ehevertrag ber die Versorgung der zweiten Ehefrau durch Gtergemeinschaft
I. Gtergemeinschaft Wir heben den gesetzlichen Gterstand auf und vereinbaren fr unsere Ehe den Gterstand der Gtergemeinschaft. II. Vorbehaltsgut Die jetzt oder knftig im Eigentum jedes Ehegatten stehenden beweglichen Gegenstnde, Forderungen und Rechte bilden sein Vorbehaltsgut. Gesamtgut entsteht nur hinsichtlich von Grundstcken und grundstcksgleichen Rechten, soweit diese nicht zum Sondergut gehçren. III. Verwaltung des Gesamtgutes Das Gesamtgut wird vom Ehemann/von der Ehefrau verwaltet. (Oder: Das Gesamtgut verwalten wir gemeinschaftlich. Jeder Ehegatte erteilt dem anderen hiermit die widerrufliche Vollmacht, ihn bei der Verwaltung des Gesamtgutes zu vertreten und dabei bezglich des Gesamtgutes auch Verpflichtungen einzugehen und Verfgungen zu treffen. Jeder Ehegatte befreit den anderen hiermit insoweit von den Beschrnkungen des § 181 BGB. Zur Eingehung von Grundstcksgeschften und unentgeltlichen Verußerungsgeschften ist keiner der Ehegatten allein berechtigt. Widerruft einer der Ehegatten diese Vollmacht, wird auch die ihm erteilte hiesige Vollmacht unwirksam. IV. Grundbuchberichtigung Wir beantragen Grundbuchberichtigung im Grundbuch von . . . und beauftragen den Notar, dem Grundbuchamt eine Ausfertigung dieser Urkunde mit dem Antrag auf Vollzug zuzuleiten.
1 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 266/90, BGHZ 116, 178 = MDR 1992, 263 = FamRZ 1992, 304 = NJW 1992, 558.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
V. Sonstige Scheidungsfolgen Es verbleibt bei der gesetzlichen Regelung des nachehelichen Unterhalts und bei der gesetzlichen Regelung des Versorgungsausgleichs. VI. Schlussvermerke Der Notar hat u.a. ber die Rechtsfolgen dieser Vereinbarungen belehrt, insbesondere ber die Entstehung von Gesamtgut nach § 1416 BGB, die gemeinschaftliche Verwaltung nach § 1421 BGB, die Haftung des Gesamtguts nach §§ 1459 ff. BGB, die bernahme- und Wertersatzansprche nach §§ 1477, 1478 BGB, die nderung des Erb- und Pflichtteilsrechts und – insoweit jedoch mangels Belehrungspflicht unter Befreiung von jeder Haftung – die nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG grundstzlich entstehende Schenkungsteuer.
D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen I. Motive und Vertragstypen Vermögen, das der Erblasser schon zu Lebzeiten in Vorwegnahme der Erbfol- 40 ge seinem Ehegatten, seinen Abkömmlingen oder anderen Personen zugewendet hat, bedarf der letztwilligen Regelung nicht mehr. Im Bereich der Unternehmensnachfolge ist die lebzeitige Regelung der letztwilligen regelmäßig vorzuziehen. Ob sich im Übrigen lebzeitige Zuwendungen empfehlen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend sind hier zunächst der Wille und die Vorstellungen des Erblassers. Bei Grundbesitz ist es nicht selten, dass den Eigentümer die administrativen und finanziellen Lasten zunehmend überfordern, weshalb er an die Übergabe unter Vorbehalt der ganzen oder teilweisen Weiternutzung oder einer Rente denkt. Auch die Absicht der Vermeidung von Streit unter den künftigen Erben, Risiken aus eventuellen Pflichtteilsergänzungsansprüchen bzw. Sozialhilferegress kann den Erblasser dazu bewegen, die Verteilung des Nachlasses schon unter Lebenden vorzunehmen. Bei komfortablen Vermögensverhältnissen ist es nicht selten, dass die Abkömmlinge aus Anlass ihrer Heirat und/oder beruflichen Verselbstständigung mit Vermögen ausgestattet werden, das der Übergeber zu seiner Altersversorgung nicht benötigt. Zuwendungen an den Ehegatten können aus verschiedenen Motiven erfolgen. Ihr Zweck kann einmal sein, das beruflich oder betrieblich haftende Vermögen des zuwendenden Ehegatten zu verringern. Weiterhin können die Zuwendungen zum vorzeitigen oder freiwilligen Zugewinnausgleich erfolgen. Schließlich können sie auch die Versorgung des empfangenden Ehegatten bezwecken. Die sich aus diesen Zwecken ergebenden Vertragstypen sind die vorweg- 41 genommene Erbfolge, die Ausstattung und die ehebedingte Zuwendung. Diese Gestaltungen werden im Folgenden dogmatisch skizziert und zur 849
10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Verdeutlichung der Struktur beispielhaft in Formulierungsmuster umgesetzt. Für die Einzelheiten, die Gestaltungsalternativen und ausführliche Muster wird auf die Darstellung im Handbuch zur lebzeitigen Vermögensnachfolge verwiesen.1
II. Vorweggenommene Erbfolge 1. Grundfall: Übertragung an volljährige Kinder 42 Die vorweggenommene Erbfolge ist ein eigener kautelarjuristischer Ver-
tragstyp. Typenbestimmender Zweck ist die Vermögensnachfolge unter Lebenden. Dies unterscheidet die vorweggenommene Erbfolge als Generationennachfolgevertrag von der Schenkung nach §§ 516 ff. BGB, deren Zweck die reine Freigebigkeit ist. Die vorweggenommene Erbfolge ist aber den unentgeltlichen Verträgen zuzuordnen, weshalb auf der Rechtsfolgenseite grundsätzlich das Schenkungsrecht und die sonstigen gesetzlichen Bestimmungen für unentgeltliche Rechtsgeschäfte zur Anwendung kommen. 43 Schwerpunkte dieses Generationennachfolgevertrags sind die Übergabe
von Grundstücken und die Unternehmensnachfolge. Bei letzterer geht es vor allem um die Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens durch rechtzeitige Berufung des Nachfolgers in die volle unternehmerische Verantwortung. Damit verbunden können sein die Altersversorgung des Übergebers und seines Ehegatten und die Abfindung oder Beteiligung der weichenden Geschwister.
M 297
bergabe eines Handwerksbetriebes
Verhandelt in . . . am . . . Vor dem Notar . . . sind erschienen: 1. Herr/Frau . . . – bergeber – 2. Frau/Herr . . . – bergeber-Ehegatte – 3. deren gemeinsamer Sohn/gemeinsame Tochter, Herr/Frau . . . – bernehmer – und erklren zur Urkunde Betriebsbergabe in vorweggenommener Erbfolge I. Bestand Herr/Frau . . . (bergeber) ist der alleinige Gesellschafter-Geschftsfhrer der im Handelsregister des Amtsgerichts . . . B 801 eingetragenen . . .-GmbH mit einem Stammkapital von 100 000 Euro. 1 Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge, 6. Aufl. 2010, passim.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
Herr/Frau . . . (bergeber) ist weiterhin Alleineigentmer des lastenfreien Grundstcks Flst.Nr. . . . der Gemarkung . . . , Grundbuch des Amtsgerichts . . . von . . . Blatt 400, auf dem das Betriebsgebude der . . .-GmbH steht. II. bertragung Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bergibt Herr/Frau. . . (bergeber) seinem/ihrem Sohn Herrn . . ./seiner/ihrer Tochter Frau . . . (bernehmer) den Betrieb einschließlich Grundstck bei Vorbehalt einer dauernden Last zur Ergnzung der Altersversorgung des bergebers und dessen Ehepartners wie folgt: 1. Geschftsanteilsabtretung Herr/Frau. . . (bergeber) tritt hiermit seinen/ihren alleinigen Geschftsanteil Nr. 1 von 100 000 Euro an der vorbezeichneten . . .-GmbH an Herrn/Frau . . . (bernehmer) ab, der/die die Abtretung annimmt. Satzungsgemße Zustimmungen werden hiermit erteilt. Der beurkundende Notar hat unverzglich eine qualifizierte Gesellschafterliste elektronisch an das Registergericht zur sofortigen elektronischen Einstellung in das dortige Handelsregister zu bermitteln sowie eine beglaubigte Abschrift derselben an die betroffene GmbH zu bersenden. Der neue Alleingesellschafter . . . (bernehmer) tritt hiermit in eine Gesellschafterversammlung der . . .-GmbH ein und beruft Herrn/Frau. . . (bergeber) mit seinem Einverstndnis als Geschftsfhrer ab. Er bestellt sich selbst hiermit zum einzelvertretungsberechtigten und von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreiten Geschftsfhrer. Weiterhin erteilt er Herrn/Frau . . . (bergeber) hiermit Einzelprokura fr die . . .-GmbH. 2. Auflassung Einig ber den Eigentumsbergang an dem vorbezeichneten Grundstck von Herrn/Frau . . . (bergeber) auf Herrn/Frau . . . (bernehmer) bewilligen und beantragen die Beteiligten den Vollzug des Eigentumswechsels im Grundbuch. 3. Besitzbergnge, Gewhrleistung Die Besitzbergnge an der GmbH und dem Grundstck erfolgen sofort. Jegliche Gewhrleistung fr Sach- und Rechtsmngel aller Art ist ausgeschlossen, es sei denn, es lge Vorsatz oder Arglist vor. 4. bernahme einer Brgschaft Herr/Frau . . . (bergeber) hat sich bei der Sparkasse . . ./. . . Bank selbstschuldnerisch fr den Kontokorrentkredit der . . .-GmbH alleine verbrgt. Aus dieser Brgschaft ist Herr/Frau . . . (bergeber) zu entlassen, Herr/Frau . . . (bernehmer) bernimmt eine entsprechende Brgschaft. Die Sparkasse . . ./. . . Bank hat dies bereits schriftlich zugesagt.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
III. bergebervorbehalte 1. Rckforderungsrecht Herr/Frau . . . (bergeber) behlt sich das Recht vor, den o.g. Geschftsanteil Nr. 1 an der . . .-GmbH und das vorbezeichnete Betriebsgrundstck zurckzufordern, wenn Herr/Frau . . . (bernehmer) vor ihm/ihr verstirbt. Dieses Rckforderungsrecht bezieht sich auf den Betrieb insgesamt in seiner jeweiligen Rechtsform. Es kann immer nur fr den Gesamtbetrieb einheitlich und nur innerhalb von sechs Monaten nach dem Tod von Herrn/Frau . . . (bernehmer) ausgebt werden. Nach dem Tode von Herrn/Frau . . . (bergeber) steht das Rckforderungsrecht dessen Ehefrau/Ehemann . . . zu, der/dem es hiermit auf den Tod von Herrn/Frau. . . (bergeber) abgetreten wird. Es kann ausgebt werden, wenn Herr/Frau . . . vor Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers) verstirbt. Es erlischt mit dem Tod des Lngstlebenden der Eheleute . . . Der jeweilige Rckforderungsberechtigte erhlt fr den Fall der Rckforderung beim Vorversterben des bernehmers unter Vorlage dessen Sterbeurkunde hiermit unwiderruflich auf den Todesfall Vollmacht zur Vornahme aller zur Rckbertragung erforderlichen Rechtshandlungen unter Befreiung von § 181 BGB. Bewilligt und beantragt wird zur Sicherung des Rckforderungsrechts fr den bergeber am o.g. Grundbesitz die Eintragung einer Rckauflassungsvormerkung und mit Rang danach zur Sicherung des Rckforderungsrechts fr den Ehegatten des bergebers am o.g. Grundbesitz die Eintragung einer Rckauflassungsvormerkung jeweils auf dem in Ziffer I. Abs. 2 bezeichneten Grundstck, beide Rckauflassungsvormerkungen erhalten jeweils (im brigen) Rang nach der u.g. Briefgrundschuld aus Ziff. 6, nach den beiden Reallasten aus Ziff. 4 und nach der Buchgrundschuld aus Ziff. 5. Fr die Rckforderung am o.g. Geschftsanteil Nr. 1 der GmbH soll keine Sicherheit bestellt werden, auch wird keine auflçsend bedingte Abtretung gewnscht. 2. Versorgungsrente Herr/Frau . . . (bernehmer) verpflichtet sich, an Herrn/Frau . . . (bergeber) auf dessen/deren Lebensdauer monatlich einen Betrag iHv. . . . Euro im Voraus je bis zum Dritten eines jeden Monats, erstmals zum . . . zu zahlen. Sofern durch eine nderung der wirtschaftlichen Verhltnisse der standesgemße Unterhalt des bergebers nicht mehr gewhrleistet ist, kann dieser eine Anpassung der Zahlungen in analoger Anwendung des § 238 FamFG verlangen. Der jeweils zu zahlende Betrag erhçht oder vermindert sich in demselben prozentualen Verhltnis, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte und verçffentlichte Verbraucherpreisindex fr Deutschland auf der Basis 2010 = 100 gegenber dem fr den ersten Flligkeitsmonat festzustellenden Index erhçht oder vermindert. Eine Erhçhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages tritt erst dann ein, wenn die Indexvernderung zu einer Erhçhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages um mindestens zehn vom Hundert fhrt.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
Verstirbt Herr/Frau . . . (bergeber) vor Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers), so ist die Rente an Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers) bis zu ihrem/seinem Tod weiter zu zahlen, und zwar in Hçhe von siebzig vom Hundert des zuletzt an Herrn/Frau . . . (bergeber) gezahlten monatlichen Betrages. Insoweit werden Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers) die Ansprche aus der Rente hiermit aufschiebend bedingt unter entsprechender Annahme abgetreten. Die obigen Vereinbarungen ber Anpassung und Wertsicherung gelten fr die Zahlung an Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers) weiter. Diese dingliche Regelung der jeweiligen vorstehenden Rente einschließlich der Wertsicherung ist im Grundbuch auf dem bergebenen o.g. Grundstck jeweils durch Reallast mit Lçschungszusatz zu sichern (vgl. Ziff. 4). Schuldrechtlich ist vereinbart: Bei einer wesentlichen Vernderung der heute bestehenden persçnlichen standesgemßen Unterhaltsbedrfnisse der Berechtigten, ist jeder Vertragsbeteiligte analog § 238 FamFG berechtigt, eine entsprechende Anpassung der monatlichen Zahlungen zu verlangen, wobei nur die Unterhaltsbedrfnisse der Berechtigten, ein Wegfall oder eine nderung der Geschftsgrundlage und die vorstehend vereinbarte Wertsicherungsklausel, nicht jedoch andere Umstnde bercksichtigt werden drfen. Nicht zu bercksichtigen ist insbesondere ein Mehrbedarf der Berechtigten, der sich infolge einer dauernden Pflegebedrftigkeit oder durch Aufnahme in ein Alters- oder Pflegeheim ergibt. 3. Zwangsvollstreckungsunterwerfung Wegen der Zahlung eines monatlichen Betrages von . . . Euro unterwirft sich der bernehmer hiermit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermçgen. Er ist verpflichtet, sich auf Verlangen auch wegen etwaiger Erhçhungsbetrge der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gengt die Darlegung der Flligkeit durch den jeweiligen Glubiger. Die Beweislast in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren wird hierdurch nicht berhrt. Der jeweilige Glubiger ist berechtigt, sich jederzeit auf Kosten des bernehmers eine vollstreckbare Ausfertigung erteilen zu lassen. 4. Reallast Bewilligt und beantragt wird, auf dem bergebenen, vorbezeichneten Grundstck Flst.Nr. . . . der Gemarkung . . . die Eintragung einer Reallast auf Zahlung der obigen vernderlichen Rente mit der Leistungsverweigerungseinrede der erfllten persçnlichen Verpflichtung nach Ziff. 5 samt Lçschungszusatz fr den bergeber und im Rang danach einer Reallast auf Zahlung der obigen vernderlichen Rente mit der Leistungsverweigerungseinrede der erfllten persçnlichen Verpflichtung nach Ziff. 5 samt Lçschungszusatz fr den Ehegatten des bergebers, beide Reallasten erhalten jeweils (im brigen) Rang nach der u.g. Briefgrundschuld aus Ziff. 6, vor den beiden Rckauflassungsvormerkungen aus Ziff. 1 und vor der Buchgrundschuld aus Ziff. 5. 5. Ablçsebetrag, Grundschuld Wird ein Zwangsvollstreckungsverfahren in das Grundstck betrieben oder besteht ein Zahlungsrckstand von mehr als 6 Monaten, so kann der jeweils Zahlungsberechtigte statt der Reallast einen Ablçsebetrag in einer Summe
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
verlangen. Dieser Ablçsebetrag wird fr Herrn/Frau . . . (bergeber) mit . . . Euro festgesetzt, fr Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers) nach dem Tod von Herrn/Frau . . . (bergeber) mit . . . Euro. Er verringert sich ab dem der heutigen Beurkundung folgenden 31.12. alle fnf Jahre um . . . Euro. Zur Sicherung dieses Ablçsebetrags wird die Eintragung einer zinslosen Grundschuld ohne Brief ber . . . Euro fr den bergeber und den Ehegatten des bergebers als Gesamtglubiger nach § 428 BGB bewilligt und beantragt, die Rang vor den Rckauflassungsvormerkungen aus Ziff. 1 und nach den Reallasten aus Ziff. 4 erhlt. Der jeweilige Grundstckseigentmer ist wegen des Grundschuldbetrags der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen, was zur Eintragung bewilligt und beantragt wird. Die Reallasten aus Ziff. 4 sind dadurch auflçsend bedingt, dass der Glubiger den Ablçsebetrag aus der Grundschuld erhlt. Dies wird zur Eintragung bei der Reallast bewilligt und beantragt. 6. Eigentmerbriefgrundschuld Um dem bernehmer die Mçglichkeit der dinglichen Sicherung betrieblicher Kredite zu geben, erhlt er eine erstrangige Eigentmergrundschuld mit Brief in Hçhe von . . . Euro mit 18 % Jahreszins ab Eintragung der Grundschuld. Der jeweilige Grundstckseigentmer ist wegen Kapital und Zinsen der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Bewilligt und beantragt wird die Eintragung dieser Grundschuld mit Vollstreckungsklausel auf dem bergebenen o.g. Grundstck im Rang vor den Rckauflassungsvormerkungen nach Ziff. 1, vor den Reallasten mit Lçschungszusatz nach Ziff. 4 und vor der Buchgrundschuld nach Ziff. 5. IV. Zustimmung und Pflichtteilsergnzungsverzicht von Frau/Herrn . . . (Ehegatte des bergebers) Frau/Herr . . . (Ehegatte des bergebers) stimmt der vorstehenden jeweiligen bergabe vorsorglich gem. § 1365 BGB zu. Sie/Er erklrt hiermit fr sich gegenber Herrn/Frau . . . (bergeber) einen auf das jeweilige bergabeobjekt gemß Ziffer I. dieser Urkunde gegenstndlich beschrnkten Vverzicht auf eventuelle Pflichtteilsergnzungsansprche, den Herr/Frau . . . (bergeber) hiermit annimmt. V. Pflichtteilsverzicht von Herrn/Frau . . . (bernehmer) Herr/Frau . . . (bernehmer) erklrt hiermit fr sich und seine/ihre Abkçmmlinge sowohl gegenber Herrn/Frau . . . (bergeber) wie gegenber Frau/ Herrn . . . (Ehegatte des bergebers), mithin gegenber beiden Elternteilen einen Pflichtteilsverzicht gemß § 2346 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs, des Ausgleichspflichtteils und des Pflichtteilsergnzungsanspruchs dadurch auflçsend bedingt, dass ein Elternteil durch andere Personen als durch den anderen Elternteil und/oder als durch einen oder mehrere gemeinschaftliche Abkçmmlinge beerbt wird oder an andere Personen als solche aus diesem Personenkreis Zuwendungen ttigt bzw. gettigt hat. Trotz Belehrung erfolgt dieser Verzichtsvertrag nicht gegenstndlich beschrnkt. Herr/Frau . . . (bergeber) und Frau/Herr. . . (Ehegatte des bergebers) nehmen diesen Pflichtteilsverzicht jeweils an.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
VI. Kosten, Steuern Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzugs und etwaige Schenkungsteuer, auf die der Notar hingewiesen hat, trgt der bernehmer. ber die gesamtschuldnerische Haftung aller Beteiligten ist belehrt. (Schlussvermerke, Unterschriften)
Motive zur Übergabe von Grundstücken können insbesondere bevorste- 44 hende Investitionen des Übernehmers zur Sanierung oder zum Ausbau sein, die Freistellung des Übergebers hinsichtlich der Grundstückslasten, die Sicherung der Betreuung und Pflege des Übergebers, weiterhin die Zuteilung des Grundstücks an den bevorzugten von mehreren Abkömmlingen unter Abfindung der Übrigen und schließlich die Ausnutzung der gegenwärtigen Rechtslage bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Schwerpunkte der Vertragsgestaltung liegen auf den vorbehaltenen Nutzungsrechten des Übergebers und dessen Ehegatten sowie auf einem Rückforderungsrecht des Übergebers und dessen Ehegatten beim Eintreten unerwünschter Störfälle, etwa bei Vorversterben bzw. Überschuldung des Übernehmers.
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Hausbergabe mit Nießbrauchsvorbehalt
Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es sind erschienen: 1. Eheleute . . . – bergeber – 2. deren Sohn/Tochter, Herr/Frau . . . – bernehmer – und erklren zur çffentlichen Urkunde Vertrag der vorweggenommenen Erbfolge § 1 Vertragsobjekt, Belastungen Die bergeber sind zu je 1/2 Anteil im Grundbuch von . . . als Eigentmer des folgenden Vertragsobjekts eingetragen: (Beschrieb des Hausgrundstcks nach dem Grundbuch). Das Vertragsobjekt ist nach dem Grundbuch belastet mit einer Buchgrundschuld ber Euro . . . fr die Bank . . . , die noch mit Euro . . . valutiert. § 2 Vorweggenommene Erbfolge Die bergeber bergeben dem dies annehmenden bernehmer das bezeichnete Vertragsobjekt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. § 3 Auflassung Einig ber den bezeichneten Eigentumsbergang bewilligen und beantragen die Beteiligten den Vollzug im Grundbuch. Grundbuchvollzug darf nur gleichzeitig mit Eintragung der Rckauflassungsvormerkung nach § 8 erfolgen.
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§ 4 Besitzbergang, Gewhrleistung Der Besitzbergang mit Nutzen, Lasten und Gefahr erfolgt vorbehaltlich etwaiger im Folgenden vereinbarter Rechte des Zuwendenden an dem dieser Beurkundung folgenden Monatsersten. Jegliche Gewhrleistung fr Sach- und Rechtsmngel aller Art ist ausgeschlossen. § 5 Kosten, Steuern Die Kosten dieses Vertrages und seines Vollzugs und etwaige Schenkungsteuer trgt der bernehmer. § 6 Sptere Schuldbernahme Zur Tilgung und Verzinsung des in § 1 bezeichneten Darlehens bleiben die bergeber bis zum Erlçschen des Nießbrauchs oder der Rentenreallast nach § 7 weiterhin allein verpflichtet. Der bernehmer hat jedoch eine etwa noch bei Erlçschen des Nießbrauchs oder der Rentenreallast bestehende Restschuld zur weiteren Verzinsung und Rckzahlung zu bernehmen, dies hilfsweise im Wege der Erfllungsbernahme. § 7 Nießbrauchsvorbehalt Die bergeber behalten sich als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB, der berlebende ungeschmlert, an dem Vertragsobjekt den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vor, dessen Eintragung im Grundbuch mit der Maßgabe beantragt wird, dass zu seiner Lçschung der Todesnachweis des jeweiligen Berechtigten gengen soll. In Abweichung von der gesetzlichen Lastenverteilung wird vereinbart, dass der Nießbraucher whrend der Dauer des Nießbrauchs alle Lasten des Vertragsobjekts trgt, die sonst der Eigentmer tragen msste, insbesondere auch die Kosten außerordentlicher Ausbesserungen und Erneuerungen. Die Eintragung des Nießbrauchs mit diesem Inhalt wird beantragt. Der Eigentmer hat die Nutzung durch beide Gesamtglubiger, auch wenn sie gleichzeitig und nebeneinander erfolgt, sowie durch den Lngstlebenden von ihnen allein in vollem Umfang zu dulden. Kein Gesamtglubiger kann den Nießbrauch ohne Mitwirkung des anderen aufheben, abndern oder sonst ber ihn verfgen. Die bergeber sind verpflichtet, mit dem Nießbrauch hinter vom bernehmer bestellte Grundpfandrechte zurckzutreten, wenn die Darlehensvaluta auf das Grundstck verwendet wird, die Zweckerklrung auf die Rckzahlung nur dieses Darlehen eingeschrnkt wird, die Rckgewhransprche an den bergeber abgetreten werden und fr die bergeber eine Lçschungsvormerkung im Grundbuch eingetragen wird. Die bergeber bevollmchtigen den bernehmer hiermit zum Rangrcktritt mit dem Nießbrauch hinter Grundpfandrechte bis zu Euro . . . mit bis zu 25 % jhrlichen oder einmaligen Zinsen und Nebenleistungen ab einem vom Bevollmchtigten zu bestimmenden Anfangstermin. Von der Vollmacht darf nur Gebrauch gemacht werden, wenn fr die bergeber gleichzeitig eine Lçschungsvormerkung im Grundbuch zur Eintragung beantragt und in Vollzug
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eingetragen wird. Die brigen obigen Einschrnkungen der Rangrcktrittsverpflichtung hat das Grundbuchamt nicht zu beachten. Die bergeber als Gesamtberechtigte gem. § 428 BGB, der berlebende von ihnen ungeschmlert allein, kçnnen verlangen, dass ihnen anstelle des Nießbrauchs eine Rente als Leibrente oder dauernde Last mit dinglicher Sicherung durch Eintragung einer Reallast an derselben Rangstelle, an der dann der Nießbrauch eingetragen ist, gezahlt wird, wobei zur Lçschung der Reallast im Grundbuch der Nachweis des Todes des jeweiligen Berechtigten ausreicht. Der Jahresbetrag der Rente bestimmt sich nach den Jahresnettoertrgen des Grundstcks in dem der ersten Festsetzung vorangehenden Jahr. Dabei ist von der ortsblich erzielbaren Jahresmiete auszugehen. Die Rente ist in zwçlf monatlich im Voraus zu zahlenden Teilbetrgen zu entrichten. Knftige Anpassung an den Jahresnettoertrag oder sonstige Wertsicherung kann verlangt werden. Der Grundstckseigentmer kann notwendige Renovierungen und Sanierungen des Hausgrundstcks vornehmen und die Zinsen, nicht aber die Tilgung, der hierzu aufgenommenen Darlehen von den Ertrgen des Grundstcks abziehen. Bei Geltendmachung des Rentenwahlrechts ist Zug um Zug gegen Lçschung des Nießbrauchs eine Reallast mit Lçschungszusatz an der bisherigen Rangstelle des Nießbrauchs im Grundbuch einzutragen. § 8 Rckforderungsrecht Die bergeber behalten sich als Gesamtglubiger nach § 428 BGB das Recht vor, die Rckbereignung des bergabeobjekts zu verlangen, wenn a) der bernehmer das Vertragsobjekt ohne ihre Zustimmung ganz oder teilweise verußert oder belastet, oder b) in das Vertragsobjekt Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet und nicht innerhalb von vier Wochen wieder aufgehoben werden, wobei den Beteiligten bekannt ist, dass dieser Tatbestand Zwangsversteigerungen aus vorrangig im Grundbuch eingetragenen Rechten nicht verhindern kann, oder c) der bernehmer zu Lebzeiten beider oder eines bergebers verstirbt, oder d) in der Person des bernehmers ein Grund entsteht, der die Pflichtteilsentziehung rechtfertigt, oder e) ber das Vermçgen des bernehmers oder seiner Gesamtrechtsnachfolger (Erben) das Insolvenzverfahren erçffnet oder die Erçffnung mangels Masse abgelehnt wird und diese Maßnahme nicht binnen drei Monaten aufgehoben wird. Fr die Ausbung des Rckforderungsrechts wird vereinbart, dass das Rckforderungsrecht zu Lebzeiten der bergeber nur von ihnen gemeinsam ausgebt werden kann, wobei es im Belieben der bergeber steht, ob sie zur gesamten Hand, zu beliebigen Miteigentumsquoten oder zum Alleineigentum eines bergebers erwerben. Nach dem Tod des Erstversterbenden der bergeber steht das Rckforderungsrecht dem berlebenden allein zu. Beantragt wird die Eintragung einer Rckauflassungsvormerkung zur Sicherung des Rckforderungsrechts auf dem bergabeobjekt fr die bergeber als Gesamtberechtigte nach § 428 BGB, den berlebenden von ihnen allein.
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Die Rckforderungserklrung bedarf der notariellen Beurkundung und muss dem Rckbereignungsverpflichteten innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis des Rckforderungsberechtigten vom Eintritt des Rckforderungsgrunds in Form einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift der notariellen Urkunde zugehen. Fr den Fall der Rckforderung des Vertragsobjekts bei Vorversterben des bernehmers erhlt jeder bergeber je einzeln hiermit unter Befreiung von den Beschrnkungen des § 181 BGB und unwiderruflich auf den Tod des bernehmers Vollmacht zur Abgabe und zum Empfang aller Erklrungen, die zur Rckbertragung des Eigentums erforderlich sind. Bei Rckforderung nach Vorversterben des bernehmers hat der bergeber Zug um Zug gegen Rckerwerb den Erben des bernehmers nachgewiesene wertsteigende Verwendungen zu erstatten, soweit die Wertsteigerung noch besteht. Der bergeber hat in Anrechnung auf den Erstattungsbetrag Darlehen und zu ihrer Sicherung bestellte Grundpfandrechte zu bernehmen, die der bernehmer zur Finanzierung der zu erstattenden Aufwendungen aufgenommen hat, und zwar in der noch bestehenden Hçhe. Im Streitfall wird der Erstattungsbetrag von einem von der zustndigen Industrie- und Handelskammer zu bestellenden Schiedsgutachter bestimmt, dessen Kosten die Parteien je hlftig tragen. § 9 Erbrechtliche Folgen (Schlussvermerke, Unterschriften)
Regelungen zur Pflichteilsanrechnung bzw. Erbausgleichung vgl. Kap. 2 Rz. 258 ff. 2. Besonderheiten bei minderjährigen Kindern a) Geschäftsunfähige Kinder 45 Kinder sind nach § 104 Nr. 1 BGB bis zur Vollendung ihres siebten Lebens-
jahres, mithin gem. § 188 Abs. 2 Alt. 2 iVm. § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB bis zum Ablauf desjenigen Tages ihres siebten Lebensjahres, der dem Tag vorangeht, der nach seiner Zahl dem Tag der Geburt als Anfangstag entspricht – bspw. ein am 28.5.2008 geborenes Kind bis unmittelbar vor Ablauf des 27.5.20151 –, geschäftsunfähig. Sie bedürfen unabhängig davon, ob ein in Rede stehendes Rechtsgeschäft für sie lediglich rechtlich vorteilhaft ist, stets einer gesetzlichen Vertretung, ohne die das Rechtsgeschäft nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig ist. Die insoweit missverständlich formulierte Regelung des § 107 BGB gilt nicht für alle, sondern ausschließlich für nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähige Minderjährige (s. nachfolgend Rz. 54). 46 Nach § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB vertreten die Eltern ihr Kind grundsätzlich
gemeinschaftlich. Davon abweichend vertritt jedoch nach § 1629 Abs. 1 1 Staudinger/Kannowski, § 2 BGB Rz. 2; Staudinger/Knothe, § 104 BGB Rz. 2.
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Satz 3 BGB ausnahmsweise ein Elternteil allein, soweit er die elterliche Sorge alleine ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 BGB übertragen ist. Entsprechendes gilt im Falle der Alleinsorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 1 BGB. Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, vertritt die Mutter das Kind aufgrund alleinigen elterlichen Sorgerechts gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 1626a Abs. 3 BGB allein, soweit beide Elternteile keine Sorgeerklärung iSd. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben haben, sie einander nicht geheiratet haben oder das Familiengericht ihnen die elterliche Sorge nicht gemäß der zum 19.5.2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Neuregelung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3 iVm. Abs. 2 BGB1 auf Antrag eines Elternteils gemeinsam bzw. nach § 1671 Abs. 1 BGB einem von ihnen allein oder dem Vater auf dessen Antrag nach § 1671 Abs. 2 BGB allein übertragen hat.2 Die Eltern können insoweit jedoch nach den Regelungen der §§ 1629 47 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 181 BGB insbesondere dann von der Vertretung ausgeschlossen sein, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Kind und einem der beiden verheirateten Elternteile (hier Ausschluss desjenigen Elternteils, der selbst Vertragspartei ist und zusätzlich das Kind vertritt, nach §§ 1795 Abs. 2 iVm. § 181 BGB, und desjenigen mit diesem verheirateten Elternteils, der nicht Vertragspartei ist, sondern ausschließlich das Kind vertritt, nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder zwischen dem Kind und einem Verwandten eines Elternteils in gerader Linie wie beispielsweise den Großeltern des Kindes (hier Ausschluss desjenigen Elternteils, dessen Eltern als Großeltern des Kindes Vertragspartei sind, nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB) geschlossen wird. In derartigen Konstellationen entfällt die Vertretungsmacht nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur für den tatbestandlich ausgeschlossenen Elternteil, sondern aufgrund des diesbezüglichen typischen Risikos aus einem zumeist guten Einvernehmen beider Ehegatten zusätzlich stets auch für den anderen mitsorgerechtsberechtigten Elternteil (im zuletzt genannten Beispiel das Schwiegerkind der Großeltern des Kindes), der daher insoweit niemals alleinvertretungsberechtigt wird, und zwar auch dann nicht, wenn die Ausschlussvoraussetzungen nach den §§ 1795, 181 BGB in dessen Person gar nicht vorliegen.3 Stattdessen muss für beide Eltern gemeinsam ein Ergänzungspfleger iSd. § 1909 BGB bestellt werden, der anstelle beider Elternteile deren betroffenes minderjähriges geschäftsunfähiges Kind vertritt. Zudem haben die Eltern das Erfordernis der Ergänzungspflegschaft dem Familiengericht nach § 1909 Abs. 2 BGB unverzüglich anzuzeigen.4 1 §§ 1626a, 1671 BGB neu gefasst und § 1672 BGB aufgehoben mit Wirkung vom 19.5.2013 durch Gesetz vom 16.4.2013, BGBl. 2013 I, S. 795. 2 Fröhler, BWNotZ 2013, 88. 3 BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137 = MDR 2005, 562 = FamRZ 2005, 1738 = ZEV 2005, 209 (210) = DNotZ 2005, 625 (626 f.); BGH v. 14.6.1972 – IV ZR 53/71, NJW 1972, 1708 f. = FamRZ 1972, 498; OLG Zweibrücken v. 6.3.1980 – 6 U 45/79, FamRZ 1980, 911 f.; OLG Frankfurt v. 2.4.2012 – 20 W 57/11, NotBZ 2012, 303 (304); Erman/Döll, § 1629 BGB Rz. 17; Palandt/Götz, § 1629 BGB Rz. 14. 4 Erman/Döll, § 1629 BGB Rz. 17; Palandt/Götz, § 1629 BGB Rz. 13.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
48 Wird erst im notariellen Beurkundungstermin festgestellt, dass ein Ergän-
zungspfleger bestellt werden muss, wurde aber der Vertragsinhalt mit dem nach §§ 23a Abs. 1 Nr. 1, 23b Abs. 1 Satz 1 GVG iVm. § 151 Nr. 5 FamFG sachlich zuständigen Familiengericht1 inhaltlich bereits besprochen, ist gleichwohl im Hinblick auf die Insichgeschäftsbeschränkungen nach § 181 BGB2 zwingend darauf zu achten, dass die für den noch zu bestellenden Ergänzungspfleger auftretende Person nicht zugleich anderweitig Partei (Selbstkontrahieren) bzw. Vertreter einer Partei des Vertrages (Mehrvertretung) wird, da auch ein Gericht nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien und damit keine wirksame Genehmigung zu einem Insichgeschäft erteilen kann.3 49 Soweit das Rechtsgeschäft für das Kind jedoch lediglich rechtlich vorteil-
haft (s. nachfolgend Rz. 58 ff.) ist, findet der Rechtsgedanke des § 181 BGB und damit auch das Vertretungsverbot aus den §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 181 BGB bei geschäftsunfähigen minderjährigen Kindern keine Anwendung.4 Beschränkt geschäftsfähige minderjährige Kindern sind dann ohnehin ohne Einwilligungserfordernis alleine handlungsfähig und unterliegen daher schon mangels Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters keinem o.g. Vertretungsverbot (s. nachfolgend Rz. 54). Ein Vertretungsausschluss entfällt zudem nach § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB ungeachtet einer eventuellen rechtlichen Nachteiligkeit, wenn das in Frage stehende Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht (zur Problematik einer eventuellen teleologischen Reduktion des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB s. beispielhaft nachfolgend Rz. 71).5 1 Palandt/Götz, Einf. v. § 1909 BGB Rz. 5; Prütting/Helms/Hammer, § 151 FamFG Rz. 19. 2 Zur Anwendbarkeit des § 181 BGB bei Vertretung ohne Vertretungsmacht Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (102 f.). 3 BGH v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, BGHZ 21, 229 (234); RG v. 13.5.1909 – IV 248/08, RGZ 71, 162 (164); OLG Frankfurt v. 2.4.2012 – 20 W 57/11, NotBZ 2012, 303 (304); Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (104). 4 BGH v. 16.4.1975 – V ZB 17/74, FamRZ 1975, 480 f.; BayObLG v. 29.5.1998 – 2Z BR 85/98, NJW 1998, 3574 f. = DNotZ 1999, 589 = ZNotP 1998, 381; Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (104). 5 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, FamRZ 2013, 494 f. = DNotZ 2013, 205 ff. = ZEV 2013, 202 f.; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 311/11, FamRZ 2012, 740 ff. = ZEV 2011, 658 ff. = DNotZ 2012, 193 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegengesetzten früheren Rspr. OLG München v. 8.2.2011 – 34 Wx 18/11, ZEV 2011, 264 f.; BayObLG v. 8.4.2004 – 2Z BR 68/04, DNotZ 2004, 925 (926 f.) = NotBZ 2004, 280; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132 f.); Böttcher, NJW 2013, 2805 (2807); G. Müller, DNotZ 2013, 202 (208 ff.); Röhl, MittBayNot 2012, 111(113); Röhl, MittBayNot 2013, 189 (190); Sonnenfeld, Rpfleger 2011, 475 (477); Zorn, FamRZ 2011, 776 (778); kritisch Keim, ZEV 2011, 660 f.; Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513 (517 ff.); a.A. Staudinger/Schilken, § 181 BGB Rz. 62a; MünchKom.BGB/Schramm, § 181 BGB Rz. 56; BeckOK BGB/Valenthin, § 181 BGB Rz. 40; Jänicke/Braun, NJW 2013, 2474 (2476 ff.); Lamberz, ZEV 2014, 187 (188 ff.): teleologische Reduktion des § 181 Halbs. 2 BGB bzw. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 BGB im Falle einer gegenüber dem minderjährigen Kind zu erfüllenden und für dieses nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Verbindlichkeit.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
Ungeachtet eines etwaigen o.g. Vertretungsausschlusses bedürfen je nach 50 Regelungsgegenstand sowohl Eltern für ihre geschäftsunfähigen minderjährigen Kinder (nach § 1643 Abs. 1 iVm. §§ 1821, 1822 Nrn. 1, 3, 5, 8 bis 11, § 1643 Abs. 2 Satz 1 und § 2347 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB) als auch an deren Stelle gesetzlich vertretende Ergänzungspfleger (nach § 1915 Abs. 1 iVm. §§ 1821, 1822 bzw. § 2347 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB) der familiengerichtlichen Genehmigung. Dies gilt insbesondere nach § 2347 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB (Eltern oder Ergänzungspfleger) für Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsverträge iSd. § 2346 BGB und gemäß § 1915 Abs. 1 (Ergänzungspfleger) bzw. § 1643 Abs. 1 Satz 1 (Eltern) iVm. § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB für Grundbesitzübertragungen unter Rückübertragungsvorbehalt bzw. nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB bei vereinbarter (teil-)entgeltlicher Gegenleistung beispielsweise durch Darlehensübernahme mittels gemischter Schenkung. Im Gegensatz zum Tatbestand des § 2347 Abs. 1 BGB, der Erbverzichtsverträge und noch nicht konkret entstandene, sondern auf abtrakte künftige Pflichtteilsrechte bezogene Pflichtteilsverzichtsverträge iSd. § 2346 BGB erfasst, betreffen die Regelungen nach § 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB1 (Eltern) bzw. §§ 1915 Abs. 1, 1822 Nr. 2 BGB2 (Ergänzungspfleger) insoweit ausschließlich einen Verzicht auf bereits entstandene konkrete Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303, 397 BGB. Die Notwendigkeit einer eventuellen familiengerichtlichen Genehmigung 51 des durch die Eltern bzw. den Ergänzungspfleger schwebend unwirksam abgeschlossenen Rechtsgeschäfts richtet sich ausschließlich nach den Vorgaben der einschlägigen gesetzlichen Genehmigungstatbestände (s. oben Rz. 50) und ist dabei von einer lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit oder Nachteiligkeit (s. nachfolgend Rz. 58 ff.) für das betroffene minderjährige Kind unabhängig.3 Diese Differenzierung entscheidet ihrerseits ausschließlich darüber, ob ein minderjähriges geschäftsunfähiges Kind wegen Einschlägigkeit eines Ausschlusstatbestandes nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 181 BGB von einem Ergänzungspfleger iSd. § 1909 BGB (so bei Nachteiligkeit) oder doch durch die Eltern (so bei lediglich rechtlicher Vorteilhaftigkeit) vertreten werden muss (s. oben Rz. 49) und wirkt sich zudem auf das Ergebnis der Entscheidung über den Genehmigungsantrag aus. Die gerichtliche Ermessensentscheidung über den Antrag auf eine nach dem Gesetz erforderliche Genehmigung ergeht aufgrund einer Gesamtabwägung aller Vorteile, Nachteile, Risiken, Erträge, Aufwendungen und Folgen.4 Dabei löst für ein minderjähriges Kind als Übernehmer weder die lediglich 52 rechtlich vorteilhafte und damit trotz Erfüllung von Vertretungsausschlusstatbeständen keinen Ergänzungspfleger (so für geschäftsunfähige Kinder) bzw. keine Einwilligung der Eltern (so für beschränkt geschäftsfähige Kinder) voraussetzende Grundbesitzübertragung unter Nießbrauchsvor1 2 3 4
Palandt/Götz, § 1643 BGB Rz. 2. Erman/Saar, § 1822 BGB Rz. 3a; Palandt/Götz, § 1822 BGB Rz. 3. Erman/Saar, § 1821 BGB Rz. 12; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (193). BayObLG v. 9.8.2002 – 3Z BR 151/02, FamRZ 2003, 631 f. = Rpfleger 2003, 27 f.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
behalt noch die vollständige Übertragung von Alleineigentum an einer Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit, die aufgrund damit verbundener Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft samt daraus gesetzlich entstehenden persönlichen Verpflichtungen rechtlich nachteilig ist1 und daher bei Erfüllung von Vertretungsausschlusstatbeständen einen Ergänzungspfleger (so für geschäftsunfähige bzw. beschränkt geschäftsfähige Kinder) bzw. eine Einwilligung des Ergänzungspflegers (so für beschränkt geschäftsfähige Kinder) erfordert, eine familiengerichtliche Genehmigungspflicht aus. Dies folgt daraus, dass jeweils kein gesetzlicher Tatbestand eines Genehmigungserfordernisses verwirklicht wird, vor allem weder eine Vermögensverfügung iSd. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB2 noch eine Verfügung über einen Übereignungsanspruch nach § 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB3 oder eine Entgeltlichkeit iSd. § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB zugrunde liegt, sondern selbst die aus dem Wohnungseigentum resultierende persönliche Haftung gesetzlich bedingt und nicht vereinbart ist.4 Im Gegensatz dazu ist jedoch ausnahmsweise nach § 1822 Nr. 10 BGB dann eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn das minderjährige Kind eine Wohnungs- und Teileigentumseinheit nicht zu Alleineigentum, sondern lediglich in Bruchteilseigentum beispielsweise zu 1/2 Miteigentum erwirbt, da es dann nach § 16 Abs. 2 WEG gesamtschuldnerisch5 mit dem anderen anteiligen Bruchteilseigentümer dieser selben Wohnungs- und Teileigentumseinheit und damit im Wege der Übernahme einer fremden Schuld gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft haftet.6 53 Eine Grundstücksveräußerung durch ein minderjähriges Kind bedarf je-
doch selbst dann der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1643 Abs. 1 bzw. § 1915 Abs. 1 BGB iVm. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn diese durch eine GbR erfolgt, an der auch der gesetzlich Vertretene beteiligt ist und deren Satzung nicht nach dem Gesellschaftszweck den Erwerb samt eine Veräußerung von Grundbesitz vorsieht und dadurch nicht ausnahmsweise die Genehmigung zum Gesellschaftsbeitritt iSd. § 1822 Nr. 3 BGB bereits die Grundbesitzveräußerung nach § 1821 Abs. 1 Nr. 3 BGB miterfasst, da die Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit einer GbR den Schutz des gesetzlich Vertretenen nicht einschränkt.7
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BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, NJW 2010, 3643 f. = MDR 2011, 25 = ZEV 2011, 40. BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, NJW 2010, 3643 f. = MDR 2011, 25 = ZEV 2011, 40. BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, NJW 2010, 3643 f. = MDR 2011, 25 = ZEV 2011, 40. Fembacher/Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (82). OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, MittBayNot 2013, 247 ff. = ZEV 2013, 202 = FamRZ 2013, 494 = NotBZ 2012, 464; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (193 ff.); Erman/Grziwotz, § 16 WEG Rz. 4; Palandt/Bassenge, § 16 WEG Rz. 45. 6 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, MittBayNot 2013, 247 ff. = ZEV 2013, 202 = FamRZ 2013, 494 = NotBZ 2012, 464 für die Auflassung im Wege der Vermächtniserfüllung; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (193 ff.). 7 OLG Nürnberg v. 4.10.2012 – 15 W 1623/12, NJW 2013, 82 f. = MDR 2012, 1344 = FamRZ 2013, 1055; Michael, notar 2013, 367 (369).
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
b) Beschränkt geschäftsfähige Kinder Minderjährige Kinder zwischen sieben und 17 Jahren sind im Gegensatz zu 54 Kindern bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres nicht geschäftsunfähig, sondern nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig, bedürfen jedoch gem. § 107 BGB zu einer wirksamen Willenserklärung grundsätzlich der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters. Eine derartige Einwilligung ist nur unter der Voraussetzung entbehrlich, dass das beschränkt geschäftsfähige Kind durch das betroffene Rechtsgeschäft einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt. Dabei ist eine Einwilligung auch dann erforderlich, wenn ein nachteiliges Rechtsgeschäft unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Volljährigkeit des Beschenkten vereinbart wird, da der diesbezügliche Schutzzweck nicht ausschließlich auf die Verhinderung von Nachteilen noch während der Minderjährigkeit des beschenkten Kindes beschränkt ist, sondern auch solche nach Erreichen der Volljährigkeit erfasst, wenn diese noch während der Minderjährigkeit des Beschenkten angelegt werden.1 Die Erforderlichkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung des durch 55 die Eltern bzw. den Ergänzungspfleger schwebend unwirksam abgeschlossenen Rechtsgeschäfts richtet sich auch für beschränkt geschäftsfähige Kinder ausschließlich nach den Vorgaben der einschlägigen gesetzlichen Genehmigungstatbestände (s. oben Rz. 50) und ist dabei von einer lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit oder Nachteiligkeit (s. nachfolgend Rz. 58 ff.) gegenüber dem Kind unmittelbar unabhängig.2 Diese Differenzierung entscheidet ihrerseits ausschließlich darüber, ob ein minderjähriges beschränkt geschäftsfähiges Kind der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters (so bei Nachteiligkeit) bedarf oder (so bei lediglich rechtlicher Vorteilhaftigkeit) nicht bedarf (s. oben Rz. 49) bzw. bei Erfordernis einer Einwilligung aufgrund Nachteiligkeit zugleich wegen eines einschlägigen Ausschlusstatbestandes nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 181 BGB von einem Ergänzungspfleger iSd. § 1909 BGB statt durch die Eltern vertreten werden muss (s. nachfolgend Rz. 57), soweit dasVertretungsverbot nicht ausnahmsweise ungeachtet einer eventuellen rechtlichen Nachteiligkeit wegen ausschließlicher Erfüllung einer Verbindlichkeit entfällt (zur Problematik einer eventuellen teleologischen Reduktion des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB s. beispielhaft nachfolgend Rz. 71)3. Sie wirkt sich zudem auf das Ergebnis der 1 KG v. 31.8.2010 – 1 W 167/10, FGPrax 2011, 79 (80) = FamRZ 2011, 736. 2 Erman/Saar, § 1821 BGB Rz. 12; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (193). 3 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, FamRZ 2013, 494 f. = DNotZ 2013, 205 ff. = ZEV 2013, 202 f.; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 311/11, FamRZ 2012, 740 ff. = ZEV 2011, 658 ff. = DNotZ 2012, 193 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegengesetzten früheren Rspr. OLG München v. 8.2.2011 – 34 Wx 18/11, ZEV 2011, 264 f.; BayObLG v. 8.4.2004 – 2Z BR 68/04, DNotZ 2004, 925 (926 f.) = NotBZ 2004, 280; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132 f.); Böttcher, NJW 2013, 2805 (2807); G. Müller, DNotZ 2013, 202 (208 ff.); Röhl, MittBayNot 2012, 111(113); Röhl, MittBayNot 2013, 189 (190); Sonnenfeld, Rpfleger 2011, 475 (477); Zorn, FamRZ 2011, 776 (778); kritisch Keim, ZEV 2011, 660 f.; Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Entscheidung über den Genehmigungsantrag aus. Die gerichtliche Ermessensentscheidung über den Antrag auf eine nach dem Gesetz erforderliche Genehmigung ergeht auch insoweit aufgrund einer Gesamtabwägung aller Vorteile, Nachteile, Risiken, Erträge, Aufwendungen und Folgen.1 56 Mittelbar bewirkt eine lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit eines Rechts-
geschäfts jedoch bei beschränkt geschäftsfähigen im Gegensatz zu geschäftsunfähigen minderjährigen Kindern dann ausnahmsweise eine Genehmigungsfreiheit, wenn minderjährige beschränkt geschäftsfähige Kinder ausschließlich selbst alleine ohne jede Beteiligung der Eltern oder eines Ergänzungspflegers handeln können, da sie dann nach § 107 BGB keiner Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters und damit auch keiner familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen.2 Die Regelungen der Genehmigungstatbestände nach §§ 1643, 1821 und 1822 BGB beschränken das Genehmigungserfordernis zum Schutze des gesetzlich Vertretenen auf ein Handeln des gesetzlichen Vertreters. Agieren die Eltern trotz lediglich rechtlichen Vorteils als gesetzliche Vertreter für ihr minderjähriges beschränkt geschäftsfähiges Kind, sind sie gleichwohl mangels auch insofern aus § 107 BGB resultierender partieller Geschäftsfähigkeit des Kindes gesetzlich vertretungsberechtigt.3 Dann dürfte im Falle der Einschlägigkeit eines etwaigen gesetzlichen Genehmigungstatbestandes (s. oben Rz. 50) auch eine familiengerichtliche Genehmigung notwendig sein, was aber umgekehrt dann nicht gilt, wenn das vertretene Kind seinerseits das Rechtsgeschäft genehmigt, da es dieses ja selbst ohne familiengerichtliche Genehmigung hätte abschließen können. 57 Ist das in Rede stehende Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteil-
haft und daher eine Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters erforderlich, können ggf. die Regelungen für einen Vertretungsausschluss im Rahmen der notwendigen Einwilligungserteilung oder bei vollständiger Vertretung, die in Ermangelung einer auch insofern aus § 107 BGB resultierenden partiellen Geschäftsfähigkeit des Kindes aufgrund fortbestehender Vertretungsberechtigung der Eltern zulässig ist,4 nach den §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 iVm. § 181 BGB einschlägig sein. Bejahendenfalls führt dies dazu, dass das betroffene beschränkt geschäftsfähige minderjährige Kind nach § 1909 BGB durch einen Ergänzungspfleger iSd. § 1909 BGB vertreten werden muss (s. oben Rz. 47).5 Eine derartige Pflegschaft
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(517 ff.); a.A. Staudinger/Schilken, § 181 BGB Rz. 62a; MünchKom.BGB/Schramm, § 181 BGB Rz. 56; BeckOK BGB/Valenthin, § 181 BGB Rz. 40; Jänicke/Braun, NJW 2013, 2474 (2476 ff.); Lamberz, ZEV 2014, 187 (188 ff.): teleologische Reduktion des § 181 Halbs. 2 BGB bzw. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 BGB im Falle einer gegenüber dem minderjährigen Kind zu erfüllenden und für dieses nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Verbindlichkeit. BayObLG v. 9.8.2002 – 3Z BR 151/02, FamRZ 2003, 631 f. = Rpfleger 2003, 27 f. Ellenbeck, MittRhNotK 1997, 41 (52); Erman/Müller, § 107 BGB Rz. 1; Fembacher/ Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (82); Stutz, MittRhNotk 1993, 205 (207). Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 1; Staudinger/Knothe, § 107 BGB Rz. 43. Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 1; Staudinger/Knothe, § 107 BGB Rz. 43. Erman/Döll, § 1629 Rz. 17.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
untersteht dann nach §§ 23a Abs. 1 Nr. 1, 23b Abs. 1 Satz 1 GVG iVm. § 151 Nr. 5 FamFG ebenso wie die dadurch verdrängte gesetzliche Vertretung durch die Eltern der sachlichen Zuständigkeit des Familiengerichts.1 Ungeachtet eines etwaigen Vertretungsausschlusses bedürfen je nach Regelungsgegenstand die Eltern (nach § 1643 Abs. 1 iVm. §§ 1821, 1822 Nrn. 1, 3, 5, 8 bis 11, § 1643 Abs. 2 Satz 1 und § 2347 Abs. 1 BGB) bzw. an deren Stelle gesetzlich vertretende Ergänzungspfleger (nach § 1915 Abs. 1 iVm. §§ 1821, 1822 bzw. § 2347 Abs. 1 BGB) für minderjährige beschränkt geschäftsfähige Kinder der familiengerichtlichen Genehmigung. Diese ist dann im gleichen Maß, wie sie gegenüber geschäftsunfähigen Kindern hinsichtlich der dort vollumfänglichen Vertretung erforderlich wäre, für die hiesige bloße Einwilligung notwendig.2 c) Lediglich rechtlicher Vorteil aa) Allgemeines Ein lediglich rechtlicher Vorteil kommt insbesondere bei Schenkungen in 58 Betracht. Maßgebend ist zum Schutz des Kindes dabei grundsätzlich entgegen der früheren Durchbrechung des Abstraktionsprinzips durch Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und dinglichen Vertrags3 nunmehr jeweils eine isolierte Prüfung, insbesondere alleine des dinglichen Erwerbsgeschäfts.4 Eine Auflassung kann dabei selbst bei rechtlichem Nachteil gerichtlich genehmigungsfrei sein und – ggf. auch ohne Rechtsgrund – im Grundbuch vollzogen werden.5 Der Notar sollte im Falle einer eventuellen isolierten Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages jedoch unbedingt auf die Risiken einer drohenden Kondiktion hinweisen und eine Gestaltung erwägen, nach der der Grundbuchvollzug gem. § 53 BeurkG einvernehmlich auch von der Wirksamkeit des Grundgeschäfts abhängig gemacht wird.6 bb) Nießbrauchsvorbehalt Eine der praktisch häufigsten Gestaltungen in diesem Zusammenhang ist 59 die unentgeltliche Übertragung von Grundbesitz durch Eltern an ihre Kinder bzw. von Großeltern an ihre Enkel unter Nießbrauchsvorbehalt, über den meist auch die außergewöhnlichen Lasten durch den Nießbrauchsberechtigten getragen werden. Dabei gelten derartige Übertragungen nur unter der Voraussetzung als für den Übernehmer lediglich rechtlich vorteilhaft, dass der Nießbrauchsberechtigte auch sämtliche Kosten für außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die außerge1 Palandt/Götz, Einf v § 1909 BGB Rz. 5; Prütting/Helms/Hammer, § 151 FamFG Rz. 19. 2 Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 10. 3 BGH v. 9.7.1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28 ff. = NJW 1981, 109 ff. = MDR 1981, 37. 4 BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, BGHZ 187, 119 = NJW 2010, 3643. 5 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (416 ff.) = MDR 2005, 323 ff. 6 Fröhler, BWNotZ 2006, 97 (104).
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wöhnlichen Grundstückslasten trägt,1 wobei es keinen Unterschied macht, ob der Nießbrauch bereits auf dem übertragenen Grundbesitz lastet oder erst anlässlich der Übertragung vorbehalten wird. Selbst wenn die laufenden öffentlichen Lasten durch den Übernehmer zu tragen sind, handelt es sich um unschädliche, typischerweise ungefährliche Rechtsnachteile, die die lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit nicht in Frage stellen.2 cc) Vermieteter bzw. verpachteter Grundbesitz 60 Die dingliche Übertragung ist jedoch dann nicht mehr lediglich rechtlich
vorteilhaft, wenn der Grundbesitz bei Übergabe bereits vermietet oder verpachtet war.3 Dies folgt daraus, dass den Erwerber insbesondere nach §§ 536a, 581 Abs. 2, 586 Abs. 2 BGB Schadens- und Aufwendungsersatzpflichten sowie die Pflicht zur Rückgewähr einer durch den Mieter oder Pächter geleisteten Sicherheit in erheblichem Umfang persönlich treffen können., die im Gegensatz zu mit dem Grundbesitzerwerb verbundenen Verpflichtungen zur Tragung laufender öffentlicher Lasten nach ihrem Umfang nicht begrenzt sind4 An dieser Nachteiligkeit ändert auch ein Nießbrauchsvorbehalt des Übergebers nichts, da sich diese Risiken spätestens mit Beendigung des Nießbrauchs durch Tod des Nießbrauchsberechtigten zum unmittelbaren Nachteil des den Grundbesitz übernehmenden Kindes realisieren.5 Umgekehrt verhält es sich hingegen bei einer isolierten ausschließlich schuldrechtlichen Schenkungsvereinbarung, durch die noch kein gesetzlicher Eintritt in einen Mietvertrag ausgelöst wird und deren dinglicher Vollzug erst in einem gesonderten späteren Vertrag, der daher nicht mittels Gesamtbetrachtung in die Bewertung des schuldrechtlichen Vertrages einbezogen werden kann, nach Eintritt der Volljährigkeit des Beschenkten geregelt werden soll, soweit dort keine für den Beschenkten doch nachteilige schuldrechtliche interne Haftungsfreistellungsverpflichtung zugunsten des Schenkers mitvereinbart ist.6 Im Gegensatz zu einer dinglichen Übertragung bereits vermieteten bzw. verpachteten Grundbesitzes soll hingegen die bloße Möglichkeit einer späteren Vermietung bzw. Ver1 OLG Celle v. 7.11.2003 – 4 W 186/13, RNotZ 2014, 317 (318 f.) = FamRZ 2014, 673 unter Aufgabe seiner entgegengesetzten früheren Rspr. BeckRS 2001, 30162324; Stößer, FamRB 2014, 94. 2 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (416 ff.) = MDR 2005, 323 ff. H NJW 2005, 415 (416 f.); BayObLG v. 30.7.1979 – BReg 2 Z 1/79, NJW 1981, 144 = BayObLGZ 1979, 244 ff. = MittBayNot 1979, 150 ff. 3 BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137 = MDR 2005, 562 = FamRZ 2005, 1738 = ZEV 2005, 209 (210) = DNotZ 2005, 625 (626 f.); OLG Karlsruhe v. 3.12.1999 – 11 Wx 134/99, Die Justiz 2000, 274 f. = FamRZ 2001, 181; kritisch dazu Fembacher, DNotZ 2005, 627 (629 f.). 4 BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44, BGHZ 162, 137 = MDR 2005, 562 = FamRZ 2005, 1738 = ZEV 2005, 209 (210) = DNotZ 2005, 625 (626 f.); kritisch dazu Fembacher, DNotZ 2005, 627 (629 f.). 5 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (416 ff.) = MDR 2005, 323 ff.; OLG Karlsruhe v. 3.12.1999 – 11 Wx 134/99, Die Justiz 2000, 274 f. = FamRZ 2001, 181. 6 KG v. 31.8.2010 – 1 W 167/10, FGPrax 2011, 79 (80) = FamRZ 2011, 736.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
pachtung durch den Nießbrauchsberechtigten unproblematischsein.1 Daher wird vereinzelt darauf verwiesen, der Übergeber und zunächst zugleich künftige Nießbrauchsberechtigte könne mit dem Mieter bzw. Pächter unmittelbar vor Beurkundung des Übergabevertrags das bestehende Mietverhältnis zur Ermöglichung einer lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit der Grundbesitzübertragung aufheben, um es nach Grundbuchvollzug als dann Nießbrauchsberechtigter und nunmehr zugleich früherer Übergeber mit dem früheren und zugleich künftigen Mieter bzw. Pächter sofort erneut abzuschließen.2 Hiervon ist jedoch abzuraten, da auf diese Weise die Vorgaben der vorstehenden BGH-Rechtsprechung unzulässig umgangen würden und daher die Notwendigkeit einer Ergänzungspflegerbestellung nicht entfallen dürften.3 Ungeachtet einer etwaigen rechtlichen Nachteiligkeit besteht bei einem bloßen vertraglichen Hinweis darauf, dass das den betroffenen Grundbesitz übernehmende minderjährige Kind kraft Gesetzes in ein daran bereits bestehendes Mietvertragsverhältnis eintreten wird, mangels entgeltlicher vertraglicher Vereinbarung einer nicht bereits gesetzlich von selbst eintretenden Mietvertragsübernahme kein familiengerichtliches Genehmigungserfordernis aus den Regelungen der §§ 1821 Abs. 2 Nr. 5, 1822 Nr. 5 bzw. 1822 Nr. 10 BGB.4 dd) Rücktrittsvorbehalt Erfolgt die Schenkung unter einem Rücktrittsvorbehalt bspw. für den Fall 61 von Verfügungen der bedachten minderjährigen Kinder ohne Zustimmung ihrer übertragenden Eltern, ist eine entsprechende schuldrechtliche Rückforderungsklausel nur dann mit der Folge der Entbehrlichkeit der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers iSd. § 1909 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn sich die Haftung des Übernehmers auf den Zustand des Zugewendeten im Zeitpunkt der Geltendmachung der Rückübertragung beschränkt, keine Wert- oder Schadensersatzpflicht insbesondere wegen zwischenzeitlicher Verschlechterung der Sache aus § 346 Abs. 2 bis 4 BGB droht5 und der Übernehmer Ersatz für seine zwischenzeitlichen Verwendungen verlangen kann. Dabei ist insbesondere ausdrücklich zu regeln, dass das Haftungsrisiko nicht über die gesetzlichen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsrechte wegen Verarmung des Schenkers nach § 528 BGB oder erfolgten Widerrufs bei grobem Undank nach § 530 BGB hinausgeht. Damit sind bei Ausübung des Rücktrittsrechts vor allem Ansprüche des Berechtigten auf Wert- bzw. Schadensersatz, insbesondere wegen zwi-
1 BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137 = MDR 2005, 562 = FamRZ 2005, 1738 = ZEV 2005, 209 (210 f.) = DNotZ 2005, 625 (626 f.); kritisch dazu Fembacher, DNotZ 2005, 627 (629 f.). 2 So kritisch Everts, ZEV 2005, 211. 3 Ebenfalls kritisch Everts, ZEV 2005, 211. 4 OLG Hamm v. 6.8.2014 – I-15 W 94/14, FamRZ 2015, 337 f. = ZEV 2014, 556 ff. = MittBayNot 2014, 534 f. 5 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (416 ff.) = MDR 2005, 323 ff.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
schenzeitlicher Verschlechterung der Sache auszuschließen.1 Ungeachtet einer eventuellen lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit bedarf ein entsprechender schuldrechtlicher Rückübertragungsvorbehalt nach § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB einer familiengerichtlichen Genehmigung, damit im dortigen Verfahren geprüft werden kann, ob das minderjährige Kind ein vertretbares Risiko eingeht.2 Ist die schuldrechtliche Rückübertragungsklausel rechtlich nachteilig, bleibt die Auflassung mangels anderweitiger rechtlicher Nachteile gleichwohl lediglich rechtlich vorteilhaft, da insoweit in Abkehr der früheren Gesamtbetrachtung eine isolierte Bewertung des dinglichen Erwerbsgeschäfts erfolgen muss.3 Die Eintragung einer sichernden Erwerbsvormerkung schadet der lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit des dinglichen Erwerbsgeschäfts ebenso wenig4 wie die Einräumung derartiger Rückübertragungsansprüche zu Gunsten Dritter.5 Formulierungsbeispiel: M 299
Lediglich rechtlich vorteilhafter Rckbertragungsvorbehalt
... (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) (Eingang; bertragung; Rckbertragungsvorbehalt) ... Die vorstehend vorbehaltene Rckbertragung richtet sich ausschließlich nach den Grundstzen des Bereicherungsrechts und kann nur Zug-um-Zug gegen Ersatz der Verwendungen des bernehmers bzw. dessen Gesamtrechtsnachfolgern (Erben) verlangt werden. ... (Schluss)
1 BayObLG DNotZ 1975, 219 (220); OLG Köln v. 10.11.1997 – 14 Wx 10/97, NJW-RR 1998, 363 = FamRZ 1998, 1326 f. = Rpfleger 1998, 159; OLG Dresden v. 2.4.1996 – 3 W 336/96, MittBayNot 1996, 288 (290) = MittRhNotK 1997, 184 ff.; Fembacher/Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (82 f.). 2 OLG Köln v. 10.11.1997 – 14 Wx 10/97, NJW-RR 1998, 363 = FamRZ 1998, 1326 f. = Rpfleger 1998, 159. 3 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (417) = MDR 2005, 323 ff.; OLG Brandenburg v. 24.3.2014 – 9 WF 48/14, FamRZ 2014, 1719 = NJWRR 2014, 1045 ff.; Mensch, notar 2014, 382. 4 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (417) = MDR 2005, 323 ff.; OLG Dresden v. 2.4.1996 – 3 W 336/96, MittBayNot 1996, 288 (290) = MittRhNotK 1997, 184 ff. 5 OLG Köln v. 10.11.1997 – 14 Wx 10/97, NJW-RR 1998, 363 = FamRZ 1998, 1326 f. = Rpfleger 1998, 159.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
ee) Wohnungs- und Teileigentum Der schenkweise Erwerb von Wohnungs- bzw. Teileigentum ist seit Inkraft- 62 treten der WEG-Novelle zum 1.7.2007 aufgrund der persönlichen, unbeschränkten und einer Handelsgesellschaft iSd. §§ 128, 129 HGB ähnlichen Haftung jedes Wohnungseigentümers nach § 10 Abs. 8 WEG bzw. § 16 Abs. 2 WEG stets rechtlich nachteilig, ohne dass es auf eine nach früherem Gesetzesstand noch maßgebende konkrete Prüfung einer nicht unerheblichen Verschärfung der gesetzlichen Regelungen durch die Gemeinschaftsordnung1 oder eines Eintritts in einen Zahlungspflichten auslösenden Verwaltervertrag2 ankommt.3 Das Rechtsgeschäft wird in derartigen Fällen selbst dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn ein Nießbrauch bestellt ist und der Nießbrauchsberechtigte auch die außergewöhnlichen Lasten trägt, da sich eine solche Regelung nicht auf das Verhältnis zwischen Übernehmer und übrigen Wohnungseigentümern auswirkt.4 Zwar ist dann ein Ergänzungspfleger iSd. § 1909 BGB erforderlich, jedoch mangels Einschlägigkeit des § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB gleichwohl eine familiengerichtliche Genehmigung entbehrlich.5 Soweit einem Kind Wohnungs- bzw. Teileigentum jedoch vermächtnisweise zugeteilt ist, erfolgt die Übereignung im Wege einer insofern ausreichenden Erfüllung einer testamentarischen Verbindlichkeit sogar ohne Erfordernis eines Ergänzungspflegers,6 jedoch 1 BGH v. 9.7.1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28 ff. = NJW 1981, 109 ff. = MDR 1981, 37 = BWNotZ 1981, 20 f.: über die gesetzliche Regelung hinausgehende Wiederaufbaupflicht nach Gebäudezerstörung bzw. Einschränkung der Befugnisse gegenüber dem Verwalter aus Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht und Abtretung. 2 BayObLG v. 30.7.1979 – BReg 2 Z 1/79, NJW 1981, 144 = BayObLGZ 1979, 244 ff. = MittBayNot 1979, 150 ff.; OLG Celle v. 29.7.1976 – 4 Wx 9/76, NJW 1976, 2214 (2215) = MittBayNot 1976, 211: Zahlungspflichten für Verwalterhonorar. Dagegen nach zwischenzeitlicher Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft als alleinigem Verwaltervertragspartner DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132). 3 BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, BGHZ 187, 119 ff. = NJW 2010, 3643 f.; = MDR 2011, 25 = FamRZ 2010, 2065 ff.; BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 ff. = MDR 2005, 323 ff. = FamRZ 2005, 359 ff.; OLG München v. 6.3.2008 – 34 Wx 14/08, FGPrax 2008, 99 ff. = RNotZ 2008, 346 (348); DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132). 4 BayObLG v. 18.9.1997 – 2Z BR 85/97, Rpfleger 1998, 70 (71) = FGPrax 1998, 21 f. = MittBayNot 1998, 38 ff. 5 Fembacher/Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (82). 6 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, FamRZ 2013, 494 f. = DNotZ 2013, 205 ff. = ZEV 2013, 202 f.; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 311/11, FamRZ 2012, 740 ff. = ZEV 2011, 658 ff. = DNotZ 2012, 193 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegengesetzten früheren Rspr. OLG München v. 8.2.2011 – 34 Wx 18/11, ZEV 2011, 264 f.; BayObLG v. 8.4.2004 – 2Z BR 68/04, DNotZ 2004, 925 (926 f.) = NotBZ 2004, 280; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132 f.); Erman/Nobis, § 2174 BGB Rz. 3b; Böttcher, NJW 2013, 2805 (2807); G. Müller, DNotZ 2013, 202 (208 ff.); Röhl, MittBayNot 2012, 111(113); Röhl, MittBayNot 2013, 189 (190); Sonnenfeld, Rpfleger 2011, 475 (477); Zorn, FamRZ 2011, 776 (778); kritisch Keim, ZEV 2011, 660 f.; Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513 (517 ff.); aA Staudinger/Schilken, § 181 BGB Rz. 62a; MünchKom.BGB/Schramm, § 181 BGB Rz. 56; BeckOK BGB/Valenthin, § 181 BGB Rz. 40; Palandt/Weidlich, § 2174 BGB Rz. 4; Jänicke/Braun, NJW 2013, 2474 (2476 ff.); Lamberz, ZEV 2014, 187 (188 ff.): teleologische Reduktion des § 181 Halbs. 2
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
bedarf die diesbezügliche Auflassung dann ausnahmsweise nach § 1643 Abs. 1 iVm. § 1822 Nr. 10 BGB der familiengerichtlichen Genehmigung wegen Übernahme einer fremden Verbindlichkeit durch gesamtschuldnerische persönliche Haftung aller Bruchteilseigentümer für Lasten und Kosten des Wohnungs- und Teileigentums aus § 16 Abs. 2 WEG, wenn dasselbe Wohnungs- und Teileigentum lediglich in Bruchteilen statt zu Alleineigentum übertragen wird (s. nachfolgend Rz. 71).1 ff) Anordnung der Pflichtteilsanrechnung 63 Eine Pflichtteilsanrechnungsbestimmung iSd. § 2315 BGB ist im Gegen-
satz zur Anordnung einer Ausgleichungspflicht nach § 2050 BGB nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da der Anrechnungspflichtige nach § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB das Risiko ggf. erheblicher Wertminderungen am Zuwendungsgegenstand zwischen Zuwendung und Erbfall (zB bei Aktien) trägt.2 Die empfangsbedürftige Anrechnungserklärung kann daher weder persönlich durch ein minderjähriges Kind noch durch die nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 181 BGB von der Vertretung ausgeschlossenen Eltern für ein geschäftsunfähiges Kind wirksam entgegengenommen werden. Hierzu bedarf es vielmehr eines Ergänzungspflegers iSd. § 1909 BGB, der seinerseits analog §§ 1822 Nr. 2, 2347 Abs. 1 BGB eine familiengerichtliche Genehmigung benötigt.3 Dabei dürfte eine Analogie zu § 2347 Abs. 1 BGB näherliegend sein, da diese Regelung Erbverzichtsverträge und noch nicht konkret entstandene, sondern auf abstrakte künftige Pflichtteilsrechte bezogene Pflichtteilsverzichtsverträge BGB bzw. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 BGB im Falle einer gegenüber dem minderjährigen Kind zu erfüllenden und für dieses nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Verbindlichkeit. 1 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, DNotZ 2013, 205 (206 ff.) mit zust. Anm. Müller; KG v. 15.7.2010 – 1 W 312/10, NZM 2011, 78 f. 2 MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 17; PWW/Deppenkämper, § 2315 BGB Rz. 1 Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 26 u. 32; HK-PflichtteilsR/Herrler/SchmiedKovarik, Rz. 25 ff.; Lange/Kuchinke, § 37 VII 9 a; Lange, Erbrecht, Kap. 20 Rz. 111; Muscheler, Erbrecht Band II, Rz. 4194; Keim, MittBayNot 2008, 8 (12); offen gelassen insoweit, als für den Gesamtvertrag (Pflichtteilsanrechnung, dingliche Grundschuldübernahme, Nießbrauchs- und Rückübertragungsvorbehalt) ohne Differenzierung nach der jeweiligen Einzelteilregelung ein Ausschluss lediglich rechtlicher Vorteilhaftigkeit, ein Vertretungsausschluss, die gerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit „allein schon wegen“ des Rückübertragungsvorbehalts nach § 1821 Abs. 1 Nr. 4 BGB und die Genehmigungserteilung im Rahmen einer Gesamtabwägung ohne Erörterung des Risikos eines ggf. erheblichen Zuwendungswertverlustes jenseits des Pflichtteilsanrechnungsbetrags auch konkret für die Pflichtteilsanrechnung bejaht werden OLG München v. 17.7.2007 – 31 Wx 18/07, DNotZ 2008, 199 ff. = FamRZ 2008, 820 ff. = BWNotZ 2007, 168 ff.; aA OLG Dresden v. 2.4.1996 – 3 W 336/96, MittBayNot 1996, 288 (291) = MittRhNotK 1997, 184 ff.; aA Pentz, MDR 1998, 1266 (1267 f.). 3 MünchKomm.BGB/Lange, § 2315 BGB Rz. 17; Staudinger/Haas, § 2315 BGB Rz. 32; Bamberger/Roth/J. Mayer, § 2315 BGB Rz. 8; NK-BGB/Bock, § 2315 BGB Rz. 11; Lange, Erbrecht, Kap. 20 Rz. 111; Fröhler, BWNotZ 2010, 94 (102); differenzierend Keim, ZEV 2006, 363 (364); Fembacher, MittBayNot 2004, 24 (25); aA Weigl, MittBayNot 2008, 275; Winkler, ZEV 2005, 89 (92).
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
iSd. § 2346 BGB erfasst, während § 1822 Nr. 2 BGB insoweit ausschließlich einen Verzicht auf bereits entstandene konkrete Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303, 397 BGB betrifft.1 Im diesbezüglichen Genehmigungsverfahren ist nach Inkrafttreten des 64 FamFG zum 1.9.2009 die bisher bereits verfassungsrechtlich gebotene Vorbescheids-2 durch eine Suspensivlösung ersetzt worden. Dabei wird die gerichtliche Genehmigung entgegen der früheren nach FGG bestimmten Rechtslage noch nicht mit ihrer Bekanntgabe an den gesetzlichen Vertreter, sondern gem. § 40 Abs. 2 Satz 1 FamFG erst mit Rechtskraft wirksam. Diese tritt in Ermangelung eines umfassenden Rechtsmittelverzichts nach § 45 FamFG durch Ablauf der Rechtsmittelfrist ohne fristgerechte Einlegung entsprechender Rechtsbehelfe ein, die wiederum gegenüber dem Kind, dem der Genehmigungsbeschluss nach §§ 40 Abs. 3, 41 Abs. 3 FamFG bekannt zu geben ist, nur dann zu laufen beginnt, wenn die Genehmigungsentscheidung zumindest dem Verfahrensbeistand des Kindes analog § 158 FamFG3 und bei einem über 14-jährigen Kind nach § 164 Satz 1 iVm. § 41 Abs. 3 FamFG zusätzlich4 dem Kind selbst bekannt gegeben wird. Die Beschwerdefrist beträgt nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 iVm. Abs. 3 Satz 1 FamFG bezüglich der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts jeweils zwei Wochen ab schriftlicher Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses an den jeweiligen Beteiligten. Nach Rspr. des BGH in Kindschaftssachen erfasst die Regelung des § 158 Abs. 4 FamFG unmittelbar nicht nur auf die Personensorge beschränkte, sondern auch alle nicht ausschließlich Vermögensangelegenheiten betreffende Verfahren mit der Folge, dass diesbezüglich den Eltern die Vertretungsbefugnis dann nicht nach § 1796 BGB durch Bestellung eines Ergänzungspflegers entzogen werden darf, wenn mittels Einsetzung eines Verfahrensbeistands eine wirksame Interessenvertretung des Kindes gewährleistet ist.5 Gleichwohl dürfte für die daher von einer unmittelbaren Anwendung des § 158 Abs. 4 FamFG nicht erfass1 Erman/Saar, § 1822 BGB Rz. 3a; Palandt/Götz, § 1822 BGB Rz. 3. 2 BVerfG v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397 ff. = NJW 2000, 1709 ff. = MDR 2000, 655. 3 MünchKomm.FamFG/Ulrici, § 41 FamFG Rz. 16; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2009, 145 (148 f.); Bolkart, MittBayNot 2009, 268 (271); Harders, DNotZ 2009, 725 (730); Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 158; Heinemann, DNotZ 2009, 6 (17); Kölmel, MittBayNot 2012, 108 (110); Kölmel, NotBZ 2010, 2 (5); Litzenburger, RNotZ 2009, 380 (381); Stößer, FamRB 2010, 38 (39); Vossius, NJW 2009, 3355 (3356); entsprechend bei Nachlasspflegschaft für einen Verfahrenspfleger OLG Hamm v. 7.9.2010 – 15 W 111/10, FamRZ 2011, 396 = ZEV 2011, 191 = DNotI-Report 2010, 214; ebenso Schaal, notar 2010, 393 (404); Fröhler, BWNotZ 2014, 70 (88 f.); aA Bork/Jacoby/ Schwab/Elzer, § 41 FamFG Rz. 20; Keidel/Engelhardt, § 158 FamFG Rz. 6; Prütting/ Helms/Hammer, § 151 FamFG Rz. 60 bzw. § 164 FamFG Rz. 8; Sonnenfeld, NotBZ 2009, 295 (299); Zorn, Rpfleger 2009, 421 (426): Bekanntgabe an einen zweiten Ergänzungspfleger mit der alleinigen Aufgabe der Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses erforderlich. 4 MünchKomm.FamFG/Ulrici, § 41 FamFG Rz. 14 iVm. Rz. 5. 5 BGH v. 18.1.2012 – XII ZB 489/11, MDR 2012, 287 f. = FamRZ 2012, 436 f = NJW 2012, 1150; BGH v. 7.9.2011 – XII ZB 12/11, MDR 2011, 1293 ff. = FamRZ 2011, 1788 f. = NJW 2011, 2454 ff.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
ten ausschließlich die Vermögenssorge betreffenden Genehmigungsverfahren nach § 1643 BGB iVm. §§ 1821, 1822, 1825, 1828 BGB1 stattdessen in Analogie zu § 158 Abs. 4 FamFG die Bestellung eines Verfahrensbeistandes zulässig und ausreichend sein.2 Dass der Verfahrensbeistand nach § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG im Gegensatz zu einem (weiteren) Ergänzungspfleger kein gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, schadet nicht, da der vorhandene gesetzliche Vertreter lediglich hinsichtlich der Vermittlung rechtlichen Gehörs und der Entscheidung über die Einlegung von Rechtsmitteln ersetzt werden muss.3 Bis zu einer endgültigen höchstrichterlichen oder gesetzlichen Klärung dieser Problematik kann jedoch erwogen werden, als zusätzliche Absicherung nach § 1796 BGB einen (weiteren) Ergänzungspfleger gem. § 1909 BGB zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses und Entscheidung über die diesbezügliche Einlegung von Rechtsmitteln bzw. Erklärung eines Rechtsmittelverzichts zu bestellen.4 Ein gesetzlicher Vertretungsausschluss nach § 1795 BGB kommt insoweit nicht in Betracht, da keine der dortigen Tatbestandsvarianten erfüllt ist, die betroffene Verfahrensvertretung insbesondere weder einen Rechtsstreit noch ein Rechtsgeschäft verkörpert.5 Zwar hat der BGH nunmehr entgegen der bis dahin ganz überwiegend ergangenen obergerichtlichen Rspr.6 zur Entgegennahme eines Beschlusses über die beantragte familiengerichtliche Genehmigung einer Erbausschlagung entschieden, dass diesbezüglich nur dann ein Ergänzungspfleger für betroffene minderjährige Kinder zu bestellen sei, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungs-
1 Keidel/Engelhardt, § 158 FamFG Rz. 6 iVm. § 151 FamFG Rz. 7. 2 MünchKomm.FamFG/Ulrici, § 41 FamFG Rz. 16; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2009, 145 (148 f.); Bolkart, MittBayNot 2009, 268 (271); Harders, DNotZ 2009, 725 (730); Heinemann, FamFG für Notare, Rz. 158; Heinemann, DNotZ 2009, 6 (17); Kölmel, MittBayNot 2012, 108 (110); Kölmel, NotBZ 2010, 2 (5); Litzenburger, RNotZ 2009, 380 (381); Stößer, FamRB 2010, 38 (39); Vossius, NJW 2009, 3355 (3356); entsprechend bei Nachlasspflegschaft für einen Verfahrenspfleger OLG Hamm v. 7.9.2010 – 15 W 111/10, FamRZ 2011, 396 = ZEV 2011, 191 = DNotI-Report 2010, 214; ebenso Schaal, notar 2010, 393 (404); Fröhler, BWNotZ 2014, 70 (88 f.); aA Bork/Jacoby/ Schwab/Elzer, § 41 FamFG Rz. 20; Keidel/Engelhardt, § 158 FamFG Rz. 6; Prütting/ Helms/Hammer, § 151 FamFG Rz. 60 bzw. § 164 FamFG Rz. 8; Sonnenfeld, NotBZ 2009, 295 (299); Zorn, Rpfleger 2009, 421 (426): Bekanntgabe zwingend an einen zweiten Ergänzungspfleger (statt einen Verfahrensbeistand) mit der alleinigen Aufgabe der Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses erforderlich. 3 MünchKomm.FamFG/Ulrici, § 41 FamFG Rz. 16. 4 Erman/Saar, § 1795 BGB Rz. 13b; ebenso für den entsprechenden Fall der Bestellung eines Ergänzungsnachlasspflegers im Rahmen einer angeordneten Nachlasspflegschaft Schaal, notar 2010, 393 (405); Fröhler, BWNotZ 2014, 70 (88 f.). 5 Staudinger/Veit, § 1795 BGB Rz. 66 u. § 1796 BGB Rz. 14; Palandt/Götz, § 1795 BGB Rz. 6; Bork/Jacoby/Schwab/Zorn, § 158 FamFG Rz. 18; aA Erman/Saar, § 1796 BGB Rz. 3. 6 OLG Celle v. 4.5.2011 – 10 UF 78/11, ZErb 2011, 198; OLG Celle v. 11.9.2012 – 10 UF 56/12, FamRB 2012, 336 mit Beraterhinweis von Stößer; KG v. 4.3.2010 – 17 UF 5/10, MittBayNot 2010, 482; OLG Köln v. 10.8.2010 – 4 UF 127/10, FamRZ 2011, 231; OLG Karlsruhe v. 5.9.2012 – 20 WF 135/12, n.v.; a.A. OLG Brandenburg v. 6.12.2010 – 9 UF 61/10, MittBayNot 2011, 240.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
macht nach § 1796 BGB festgestellt sind (s. oben 8. Kap. Rz. 48).1 Diese Rspr. findet jedoch nach ihrem Wortlaut auf die hier relevante Genehmigung eines Vertrages keine Anwendung, da die dort in Rede stehende Genehmigung in ausdrücklicher Abgrenzung zu einer vertraglichen Gestaltung lediglich eine einseitige gegenüber dem Nachlassgericht abzugebende Ausschlagungserklärung betraf und daher mit der hiesigen vertraglichen Konstellation nicht vergleichbar ist.2 Wird für ein noch nicht 14-jähriges minderjähriges Kind versehentlich we- 65 der ein Verfahrensbeistand noch ein Ergänzungspfleger zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses bestellt, ist fraglich, ob die Rechtsmittelfrist für dieses Kind als „vergessenem Beteiligten“ mit Ablauf der Rechtsmittelfrist für den letzten tatsächlich Beteiligten, hier die übertragenden Eltern bzw. den gesetzlichen Vertreter des Kindes, wie durch den Gesetzgeber angedeutet3, nach wohl hM, der aus Gründen der Rechtssicherheit und entsprechender gesetzgeberischer Absicht zu folgen sein dürfte, endet,4 aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des fairen Verfahrens5 gar nicht in Lauf gesetzt wird,6 oder nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG fünf Monate und zwei Wochen nach Beschlusserlass endet.7 Der bekanntgabeunabhängige Fristablauf fünf Monate und zwei Wochen nach Beschlusserlass ist restriktiv zu handhaben und setzt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG voraus, dass eine schriftliche Bekanntgabe objekt unmöglich ist.8 Weiter ist zu beachten, dass nach § 75 FamFG – unter den dort genannten 66 Voraussetzungen – alternativ unter Übergehung der Beschwerdeinstanz auf Antrag unmittelbar die Rechtsbeschwerde (Sprungrechtsbeschwerde) zulässig ist, für die nach § 75 Abs. 2 Satz 1 FamFG im Gegensatz zur früheren Regelung iVm. §§ 566 Abs. 2 Satz 2, 548 ZPO nicht mehr starr eine einmonatige, sondern zur Vermeidung einer Rechtsmittelfristverlängerung gegenüber der Beschwerde nunmehr die jeweilige Antragsfrist aus
1 BGH v. 12.2.2014 – XII ZB 592/12, MDR 2014, 420 = FamRZ 2014, 640 m. Anm. Zorn = FamRB 2014, 169 f. (Stößer) = DNotI-Report 2014, 70 f. = ZEV 2014, 279 f. 2 So ausdrücklich BGH v. 12.2.2014 – XII ZB 592/12, MDR 2014, 420 = FamRZ 2014, 640 m. Anm. Zorn = FamRB 2014, 169 f. (Stößer) = DNotI-Report 2014, 70 f. = ZEV 2014, 279 f. 3 BT-Drucks. 16/9733, S. 289. 4 OLG Celle v. 4.10.2011 – 17 W 16/2011, FamRZ 2012, 321 = ErbBstG 2012, 40; OLG Hamm v. 7.9.2010 – 15 W 111/10, FamRZ 2011, 396 = ZEV 2011, 191 = DNotI-Report 2010, 214; Keidel/Sternal, § 63 FamFG Rz. 45c; Bumiller/Harders, § 63 FamFG Rz. 6; aA OLG Dresden v. 22.11.2013 – 19 UF 686/13, FamRZ 2014, 681; OLG Köln v. 29.1.2013 – 26 UF 109/12, FamRZ 2013, 1913 ff. = FGPrax 2013, 91 f. 5 BVerfG v. 18.1.2000 – 1 BvR 321/96, BVerfGE 101, 397 ff. = NJW 2000, 1709 ff. = MDR 2000, 655. 6 Prütting/Helms/Abramenko, § 63 FamFG Rz. 7; Bolkart, MittBayNot 2009, 268 (272). 7 Harders, DNotZ 2009, 725 (730 f.); Litzenburger, RNotZ 2009, 380 (381); Litzenburger, RNotZ 2010, 32 (36). 8 Prütting/Helms/Abramenko, § 63 FamFG Rz. 11; Keidel/Sternal, § 63 FamFG Rz. 44.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
§ 63 FamFG gilt. Für die Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses iSd. § 46 Satz 1 FamFG soll selbst hinsichtlich eines Antrages auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde, der im Gegensatz zu der nach § 64 FamFG beim Gericht des ersten Rechtszuges einzulegenden Beschwerde beim Rechtsbeschwerdegericht zu stellen ist, kein Notfristzeugnis iSd. § 706 Abs. 2 ZPO iVm. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG erforderlich sein, da nach einer Verwaltungsanweisung der Geschäftsleiterin beim BGH bei dortigem Eingang eines entsprechenden Sprungrechtsbeschwerdeantrages die Verfahrensakten per Telefax binnen 24 Stunden anzufordern sind.1 67 Die Frist läuft auch dann nicht, wenn die nach § 39 FamFG vorgeschrie-
bene Rechtsbehelfsbelehrung fehlt oder hinsichtlich des geforderten Mindestinhalts unrichtig ist, wobei nach dem seit 19.5.2013 neu hinzugefügten Satz 2 des § 39 Abs. 1 FamFG2 ausdrücklich nicht auf die Möglichkeit der Sprungrechtsbeschwerde hingewiesen werden muss. Das Familiengericht prüft dabei im Genehmigungsverfahren unter Gesamtabwägung aller Umstände, ob das Gesamtgeschäft im Ganzen für das minderjährige Kind vorteilhaft ist, ohne jede Einzelregelung isoliert auf ihre Wirkung zu untersuchen, so dass eine Pflichtteilsanrechnung je nach Inhalt der sonstigen Regelungen ggf. auch dann genehmigungsfähig sein kann, wenn der Anrechnungswert nicht auf den beim Erbfall noch vorhandenen Zuwendungswert begrenzt wird.3 Um trotz eventueller Wertverluste des Übergabeobjektes nach der Übertragung die Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung des Zuwendungsvertrags nicht alleine wegen des Inhalts der Anrechnungsbestimmung zu gefährden, sollte sicherheitshalber gleichwohl ausdrücklich vorgesehen werden, dass die Höhe des Anrechnungsbetrags auf den Wert des Zuwendungsobjekts im Zeitpunkt des Todes des Übergebers begrenzt4 und die Anrechnungspflicht im Falle eines Rückübertragungsvorbehalts durch eine seitens des Zuwendenden veranlasste Rückübertragung auflösend bedingt ist. Formulierungsbeispiel: M 300
Lediglich rechtlich vorteilhafte Anordnung der Pflichtteilsanrechnung
... (Notarielles Beurkundungsprotokoll – Auszug) (Eingang; bertragung; Rckbertragungsvorbehalt) ...
1 BGH v. 9.12.2009 – XII ZB 215/09, FamRZ 2010, 284 f. = DNotZ 2011, 53 ff. = DNotIReport 2010, 41 (42). 2 BGBl. 2012 I, S. 2418. 3 OLG München v. 17.7.2007 – 31 Wx 18/07, DNotZ 2008, 199 ff. = FamRZ 2008, 820 ff. = BWNotZ 2007, 168 ff. 4 Vgl. dazu Fembacher/Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (85).
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
Der Zuwendungsempfnger . . . (Name) hat sich den Zuwendungswert iSd. § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB, der klarstellend mit . . . Euro vorbehaltlich eines zustzlich zu bercksichtigenden Kaufkraftschwunds zwischen Zuwendung und Erbfall festgestellt wird, auf den Tod des Zuwendenden, . . . (Name), auf Pflichtteilsansprche anrechnen zu lassen, hçchstens jedoch in Hçhe des Wertes zum Zeitpunkt des Todes des Zuwendenden. Zusatz bei Rckbertragungsvorbehalt: Die vorstehende Anrechnungspflicht ist durch eine seitens des Zuwendenden veranlasste Rckbertragung des Zuwendungsobjektes auflçsend bedingt. ... (Schluss)
gg) Anordnung der Erbausgleichung, sonstige Vorbehalte und Erbbaurechtserwerb Eine Grundbesitzschenkung unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts,1 ding- 68 licher Übernahme eines Grundpfandrechts,2 Erbausgleichungsanordnung nach § 2050 Abs. 3 BGB im Gegensatz zu einer schuldrechtlich verpflichtenden Auflage iSd. § 525 BGB,3 Ausschlusses der Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft4 bzw. Vorbehalt oder Übernahme eines dinglichen Vorkaufsrechts5 ist ebenso wie der Erwerb unter Nießbrauchsvorbehalt6 lediglich rechtlich vorteilhaft. Umgekehrt verkörpert die Übernahme einer Reallast wegen der aus § 1108 Abs. 1 BGB resultierenden persönlichen Haftung des Eigentümers einen rechtlichen Nachteil, soweit diese nicht durch abweichende Vereinbarung und deren Grundbucheintragung7 ausgeschlossen ist. Folgerichtig ist auch ein Erbbaurechtserwerb zumindest dann, wenn für die Erbbaurechtsbestellung wie zumeist ein Erbauzins als Entgelt in wiederkehrenden Leistungen ausbedungen ist, aufgrund der diesbezüglichen persönlichen Haftung des Erbbauberechtigten aus § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG iVm. § 1108 Abs. 1 BGB analog nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.8
1 BayObLG v. 15.2.1979 – BReg 2 Z 29/78, MDR 1979, 669 ff. = DNotZ 1979, 543 ff. = Rpfleger 1979, 197 unter Hinweis auf BayObLGZ 1967, 245 (247). 2 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (417) = MDR 2005, 323 ff. BGH v. 9.7.1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28 ff. = NJW 1981, 109 (110) = MDR 1981, 37. 3 BGH v. 10.11.1954 – II ZR 165/53, BGHZ 15, 168 ff. = NJW 1955, 1353. 4 LG Münster v. 30.9.1998 – 5 T 757/98, FamRZ 1999, 739 = Rpfleger 1999, 73 f. 5 BayObLG v. 29.5.1998 – 2Z BR 85/98, DNotZ 1999, 589 (592 f.) = NJW 1998, 431 = ZNotP 1998, 381. 6 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170 ff. = NJW 2005, 415 (417) = MDR 2005, 323 ff.; BayObLG v. 15.2.1979 – BReg 2 Z 29/78, MDR 1979, 669 ff. = DNotZ 1979, 543 ff. = Rpfleger 1979, 197. 7 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht Rz. 1310. 8 BGH v. 20.9.1978 – VIII ZR 142/77, NJW 1979, 102 (10) ; Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513 (516).
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
hh) Übertragung eines Kommanditanteils 69 Die schenkweise Übertragung eines bereits vollständig eingezahlten Kom-
manditanteils an ein minderjähriges Kind ist dann lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn eine persönliche Haftung des beschenkten minderjährigen Kindes auf die bereits erbrachte Kommanditeinlage beschränkt wird, das Haftungsrisiko iSd. § 176 Abs. 2 HGB zwischen Eintritt und Handelsregistereintragung ausgeschlossen ist, indem die Wirksamkeit der Abtretung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung des Anteilsübergangs gestaltet wird, und eine ausschließlich vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft ohne Ausrichtung auf Erwerbsgeschäfte betroffen ist.1 Zudem besteht in dieser Konstellation kein Erfordernis für eine familiengerichtliche Genehmigung, da das minderjährige Kind keine iSd. § 1822 Nr. 3 BGB persönliche Verpflichtungen eingeht. Im Gegensatz dazu ist jedoch die Übertragung eines Kommanditanteils an einer auf Erwerbsgeschäfte gerichteten Personengesellschaft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft und dann wegen Erfüllung des Tatbestandes aus § 1822 Nr. 3 BGB auch der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB.2 ii) Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils 70 Die unentgeltliche Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils ist aufgrund
der insoweit maßgebenden stets möglichen Ausfall- bzw. Solidarhaftung des diesbezüglichen Erwerbers aus §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG selbst dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn der betroffene Geschäftsanteil bereits vollständig eingezahlt worden ist.3 Unabhängig davon besteht jedoch weder mangels entgeltlichen Erwerbs nach § 1822 Nr. 3 BGB noch dann, wenn keine tatsächliche Verbindlichkeit aus rückständigen Leistungen des Veräußerers, Ausfallhaftung oder Unterbilanzhaftung besteht, gem. § 1822 Nr. 10 BGB ein gerichtliches Genehmigungserfordernis.4
1 OLG Jena v. 22.3.2013 – 2 WF 26/13, FamRZ 2014, 140 ff. = NotBZ 2013, 268 ff. = ZEV 2013, 521 ff. = RNotZ 2013, 636 ff.; OLG Bremen v. 16.6.2008 – 2 W 38/08, FamRZ 2009, 621 ff. = ZEV 2008, 608 f. = NZG 2008, 750 f.; Menzel/Wolf, MittBayNot 2011, 186 (187 ff.); Gerono, MittBayNot 2013, 389 f. 2 OLG Frankfurt v. 27.5.2008 – 20 W 123/08, FamRZ 2009, 620 f. = FGPrax 2008, 242 f. = DNotZ 2009, 142 ff. = ZEV 2008, 607 f.; MünchKomm.BGB/Wagenitz, § 1822 BGB Rz. 22. 3 MünchKomm.GmbHG/Mayer, 2010, § 2 GmbHG Rz. 87; DNotI-Gutachten, DNotIReport 2013, 195; Fachanwaltshandbuch Handels- und Gesellschaftsrecht/Ivo, 2. Aufl. 2010, Teil 2, 11. Kap. Rz. 61; Bürger, RNotZ 2006, 156 (162); Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025 (3026); Binz/Sorg, BB 1989, 1521 (1524); aA Staudinger/Knothe, § 107 BGB Rz. 29: mangels Unmittelbarkeit des ggfs. später realisierten Risikos lediglich rechtlich vorteilhaft. 4 BGH v. 20.2.1989 – II ZR 148/88, BGHZ 107, 23 = MDR 1989, 610 = FamRZ 1989, 605 = DNotZ 1990, 303 = MittBayNot 1989, 217; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2013, 195; Bürger, RNotZ 2006, 156 (164); kritisch Rust, DStR 2005, 1942 (1948).
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
d) Sonderfall: Vermächtniserfüllung durch Auflassung Ist einem minderjährigen Kind Grundbesitz vermacht und ein Elternteil 71 Mit- oder Alleinerbe des betroffenen Nachlasses, sind die Eltern im Rahmen der Vermächtniserfüllung anders als bei lebzeitiger schenkungsweiser Übertragung (s. oben Rz. 58 ff.) unabhängig von einer eventuellen lediglich rechtlichen Vorteilhaftigkeit dieses Rechtsgeschäfts nicht nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 iVm. § 181 BGB von der Vertretung ihres Kindes ausgeschlossen. Dies folgt zunächst daraus, dass die diesbezügliche Auflassung iSd. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB ausschließlich zur Erfüllung des Anspruchs dieses Kindes aufgrund Vermächtniseinsetzung durch einen Dritten aus § 2174 BGB beurkundet wird und dieser Ausnahmetatbetsand aus § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB auch für Verbindlichkeiten des Vertreters gegenüber dem Vertretenen gilt.1 Zudem ist selbst bei rechtlicher Nachteiligkeit der Auflassung beispielsweise im Falle vermachten Wohnungseigentums (s. oben Rz. 62) bzw. bereits vermieteten Grundbesitzes (s. oben Rz. 60) die neue BGH-Rspr. zum Vertretungsausschluss bei Schenkungen an minderjährige Kinder, die nach Aufgabe der früheren Gesamtbetrachtung bei Fehlen lediglich rechtlicher Vorteilhaftigkeit des dinglichen Erwerbsgeschäfts die Ausnahmeregelung des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB trotz lediglich rechtlich vorteilhaften Grundgeschäfts nicht berücksichtigt,2 auf die Erfüllung des durch einen Dritten angeordneten Vermächtnisses nicht anwendbar.3 Auch darüber hinaus tritt keine teleolgische Reduktion des § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 bzw. § 181 Halbs. 2 BGB ein.4 1 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132 f.); Erman/Maier-Reimer, § 181 BGB Rz. 31; MünchKom.BGB/Schramm, § 181 BGB Rz. 56; Palandt/Ellenberger, § 181 BGB Rz. 22; Soergel/Leptien, § 181 BGB Rz. 43; aA Krüger, ZNotP 2006, 202 (203). 2 BGH v. 30.9.2010 – V ZB 206/10, BGHZ 187, 119 ff. = NJW 2010, 3643 f.; = MDR 2011, 25 = FamRZ 2010, 2065 ff.; dazu Keim, ZEV 2011, 660 f. 3 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, FamRZ 2013, 494 f. = DNotZ 2013, 205 ff. = ZEV 2013, 202 f.; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 311/11, FamRZ 2012, 740 ff. = ZEV 2011, 658 ff. = DNotZ 2012, 193 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegengesetzten früheren Rspr. OLG München v. 8.2.2011 – 34 Wx 18/11, ZEV 2011, 264 f. Keim, ZEV 2011, 660 f.; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (190). 4 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, FamRZ 2013, 494 f. = DNotZ 2013, 205 ff. = ZEV 2013, 202 f.; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 311/11, FamRZ 2012, 740 ff. = ZEV 2011, 658 ff. = DNotZ 2012, 193 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner entgegengesetzten früheren Rspr. OLG München v. 8.2.2011 – 34 Wx 18/11, ZEV 2011, 264 f.; BayObLG v. 8.4.2004 – 2Z BR 68/04, DNotZ 2004, 925 (926 f.) = NotBZ 2004, 280; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (132 f.); Erman/Nobis, § 2174 BGB Rz. 3b; Böttcher, NJW 2013, 2805 (2807); G. Müller, DNotZ 2013, 202 (208 ff.); Röhl, MittBayNot 2012, 111(113); Röhl, MittBayNot 2013, 189 (190); Sonnenfeld, Rpfleger 2011, 475 (477); Zorn, FamRZ 2011, 776 (778); kritisch Keim, ZEV 2011, 660 f.; Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513 (517 ff.); aA Staudinger/Schilken, § 181 BGB Rz. 62a; MünchKom.BGB/Schramm, § 181 BGB Rz. 56; BeckOK BGB/Valenthin, § 181 BGB Rz. 40; Palandt/Weidlich, § 2174 BGB Rz. 4; Jänicke/Braun, NJW 2013, 2474 (2476 ff.); Lamberz, ZEV 2014, 187 (188 ff.): teleologische Reduktion des § 181 Halbs. 2 BGB bzw. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 BGB im Falle einer gegenüber dem minderjäh-
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
72 Da insoweit jedoch noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen
ist, sollte derjenige Erblasser, der einen diesbezüglichen Vertretungsausschluss samt Bestellung eines Ergänzungspflegers und unabhängig davon eine eventuell erforderliche familiengerichtliche Genehmigung (s. nachfolgend Rz. 74) sicher und endgültig vermeiden möchte, zur Vermächtniserfüllung eine Erbentestamentsvollstreckung1 und für eine sich ggf. zusätzlich anschließende bis zu einem bestimmten Alter des derzeit noch minderjährigen Kindes befristete Verwaltung des Vermächtnisgegenstandes eine Vermächtnisvollstreckung erwägen.2 Soweit der längstlebende Ehegatte als zugleich alleine für das vermächtnisweise bedachte minderjährige Kind verbliebener sorgeberechtigter Elternteil zugleich Erbentestaments- bzw. Vermächtnisvollstrecker sein soll, ergeben sich jedoch Folgeprobleme: So unterliegt zwar der längstlebende Elternteil als Testamentsvollstrecker mangels Ableitung seiner Rechtsmacht aus der elterlichen gesetzlichen Vertretungsmacht im Gegensatz zu seiner Rolle als gesetzlich vertretender Elternteil unabhängig vom jeweiligen Gegenstand des betroffenen Rechtsgeschäfts keiner familiengerichtlichen Genehmigungspflicht.3 Aufgrund der Personenidentität zwischen Testamentsvollstrecker und alleinigem Elternteil, dessen diesbezügliche elterliche Vertretungsmacht insoweit nach § 2211 BGB verdrängt wird, droht jedoch die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft,4 die die im Übrigen verbleibende elterliche Vertretungsmacht hinsichtlich der Wahrnehmung der Rechte des minderjährigen Kindes als Vermächtnisnehmer aus §§ 2216, 2219 Abs. 1, 2205 Satz 3 BGB5 auf ordnungsgemäße Verwaltung, Befolgung der Erblasseranordnungen, Haftung aus Pflichtverletzung und Unterlassung anderer als einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechender unentgeltlicher Verfügungen gegenüber dem Testamentsvollstrecker ausschließen dürfte. Dies gilt auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker durch den Erblasser von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde, da hier die Rolle des längstlebenden Ehegatten als den Vermächtnisnehmer gesetzlich vertretender kontrollierender Elternteil, für die selbst das Familiengericht nicht wirksam von den zwingenden Beschränkungen der §§ 1795, 1796, 181 BGB befreien könn-
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rigen Kind zu erfüllenden und für dieses nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Verbindlichkeit. So die Terminologie laut BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f.; ZEV 2005, 204 (205). So auch Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513 (520). RG v. 8.10.1917 – IV 124/17, RGZ 91, 69 (70 ff.); Erman/Saar, vor §§ 1821, 1822 BGB Rz. 4; Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 19 f. So für den Erben OLG Nürnberg v. 29.6.2001 – 11 UF 1441/01, MDR 2001, 1117 f. = FamRZ 2002, 272 = ZEV 2002, 158 = MittBayNot 2002, 403 f.; BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft); Staudinger/Veit, Vorbemerkungen zu §§ 1821, 1822 BGB Rz. 20; aA LG Mannheim v. 31.1.1977 – 4 T 229/76, MDR 1977, 579 = Die Justiz 1977, 135 f.: mangels Einschlägigkeit einer gesetzlichen Ausschließung nach §§ 1629 Abs. 2, 1795 BGB gerichtliche Entziehung nach §§ 1629 Abs. 2, 1796 BGB nur bei konkreter Gefährdung des Kindesinteresses. BGH v. 24.9.1971 – V ZB 6/71, NJW 1971, 2264 (2266 f.) = MittBayNot 1972, 25; Erman/M. Schmidt, § 2216 BGB Rz. 1; Palandt/Weidlich, § 2216 BGB Rz. 1.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
te,1 und nicht dessen Testamentsvollstreckereigenschaft betroffen ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu einer bei Erbenmehrheit zulässigerweise durch alle Miterben gemeinschaftlich geführten Testamentsvollstreckung2 grundsätzlich weder der Alleinvollerbe3 noch der alleinige Vorerbe4 alleiniger Erbentestamentvollstrecker sein kann. Dies folgt daraus, dass ein Alleinerbe ohnehin ebenso wie ein an seiner Stelle eingesetzter Erbentestamentsvollstrecker verfügen kann und eine zusätzliche Anordnung der Testamentsvollstreckung wegen vollständiger Übereinstimmung der jeweiligen Rechtsmacht des Erbentestamentsvollstreckers einerseits und des Erben andererseits gleichsam in „Personalunion“5 überflüssig bzw. eine Beschränkung der Erbenrechte durch dieselbe mit dem Alleinerben identische Person als Erbentestamentsvollstrecker sinnlos6 wäre. Ausnahmsweise kann jedoch der Alleinerbe dann Testamentsvollstrecker sein, wenn sich die Testamentsvollstreckung auf die sofortige Erfüllung eines Vermächtnisses beschränkt und das Nachlassgericht bei groben Pflichtverstößen einen anderen Testamentsvollstrecker bestimmen kann (s. oben 3. Kap. Rz. 353).7 Auf diese Weise könnte der längstlebende Ehegatte, obwohl er Alleinerbe ist, gleichwohl als Erbentestamentsvollstrecker iSd. § 2197 BGB das Vermächtnis des gemeinsamen noch minderjährigen Kindes erfüllen. Dagegen kann ein Alleinerbe sogar ohne jede Einschränkung Vermächtnisvollstrecker sein, wobei die Vermächtnisvollstreckung eine vorherige anderweitige beispielsweise durch den Alleinerben als Erbentestamentsvollstrecker in den vorstehend genannten engen Grenzen bewirkte Vermächtniserfüllung voraussetzt.8 Zweckmäßigerweise wird dabei dann sowohl die Erbentestamentsvollstreckung zur sofortigen Vermächtniserfüllung als auch die Vermächtnisvollstreckung zwecks sich anschließender befristeter Verwaltung des Vermächtnisgegenstandes bis zur Vollendung eines bestimmten Alters des zunächst noch minderjährigen Kindes durch den längstlebenden Ehegatten, ersatzweise durch eine andere Vertrauensperson ausgeführt.
1 So für Erben BayObLG v. 13.7.1977 – BReg 3 Z 40/76, Rpfleger 1977, 440 (Vormundschaft). 2 RG v. 15.2.1940 – IV 111/39, RGZ 163, 57 (58). 3 RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 ff.; BayObLG NJW-RR 2005, 232 (233). 4 RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 ff.; OLG Zweibrücken v. 30.6.1999 – 3 W 124/99, FamRZ 2000, 323 f. = ZEV 2001, 27. 5 Lange, Erbrecht, 2011, Kap. 15, Rz. 30. 6 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f.; ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam; RG v. 15.2.1940 – IV 111/39, RGZ 163, 57 (58); RG v. 26.10.1911 – IV 34/11, RGZ 77, 177 (178). 7 BGH v. 26.1.2005 – IV ZR 296/03, MDR 2005, 690 f. = FamRZ 2005, 614 ff. = DNotZ 2005, 700 f.; ZEV 2005, 204 (205) mit zust. Anm. Adam. 8 Palandt/Weidlich, § 2223 BGB Rz. 2.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Formulierungsbeispiel: M 301
Erbentestaments- und Vermchtnisvollstreckung zur Erfllung und Verwaltung eines nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Vermchtnisses
... (Verfgung von Todes wegen – Auszug) ... Wir ordnen Erbentestaments- und Vermchtnisvollstreckung auf den Tod des Erstversterbenden von uns nach folgender Maßgabe an: Zum Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker ernennt jeder von uns, wenn er Erstversterbender ist, den Lngstlebenden, ersatzweise Herrn/Frau . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft . . . (Wohnanschrift). Der Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker hat jeweils das Recht, einen Nachfolger zu ernennen. Wird der jeweils ernannte Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker nicht Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker, steht vorrangig dem erstgenannten, nachranging dem ersatzweise genannten Erbentestamentsund Vermchtnisvollstrecker das Bestimmungsrecht als Drittem nach § 2198 BGB zu, der diese Erklrung danach in çffentlich beglaubigter Form gegenber dem Nachlassgericht abzugeben hat. Ersatzweise ist das Nachlassgericht ersucht, einen geeigneten Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker zu ernennen. Alternativ: Ein Ersatzerbentestaments- bzw. Ersatzvermchtnisvollstrecker ist ausgeschlossen. Die Erbentestaments- und Vermchtnisvollstreckung ist durch dieselbe Person zu fhren, gegenstndlich auf die o.g. sofortige Vermchniserfllung und die anschließende Verwaltung der unserer Tochter/unserem Sohn . . . (Vor- und Nachname), geb. am . . . (Geburtsdatum), wohnhaft . . . (Wohnanschrift) vermachten o.g. Eigentumswohnung . . . (genauer Grundbuchbeschrieb) beschrnkt, wobei diese Verwaltung wiederum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des o.g. Vermchtnisnehmers befristet ist. Insoweit ist der Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker jeweils von den Beschrnkungen des § 181 BGB befreit und unterliegt in der Eingehung von Verbindlichkeiten fr den Nachlass keinen Beschrnkungen. Der Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker hat Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen. Er kann daneben fr seine Ttigkeiten nur dann ein Honorar geltend machen, wenn Testamentsvollstrecker eine andere Person als der Lngstlebende von uns ist. Dem Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker steht in diesem Fall eine angemessene Vergtung zu, wobei diese an den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins (Neue Rheinische Tabelle mit eventuellen Fortschreibungen) ausgerichtet sein soll und der Erbentestaments- und Vermchtnisvollstrecker die Vergtung nach billigem Ermessen festsetzen darf1. Der Lngst-
1 Odersky, notar 2010, 23.
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
lebende von uns bestimmt hiermit, dass der Vergtungsanspruch erst dreißig Jahre nach dem Tod des Lngstlebenden von uns verjhrt. ... (Schluss)
Da Rechtsgrund der Vermächtniserfüllung ausschließlich das seitens des 73 Erblassers ausgesetzte Vermächtnis ist, kommt es insoweit zudem weder auf die Annahme des Vermächtnisses noch deren Wirksamkeit an.1 Eine Vermächnisannahme ist angesichts der Gefahr des Verlusts einer eventuellen Sicherung des vollständigen Pflichtteils mittels Ausschlagung nach § 2307 Abs. 1 BGB für den minderjährigen Vermächtnisnehmer nur dann rechtlich nachteilig, wenn er im konkreten Fall pflichtteilsberechtigt ist bzw. verneinendenfalls das Vermächtnis aufgrund einer Beschwerung etwa durch Auflage, Nach- oder Untervermächtnis belastet ist.2 Ungeachtet einer rechtlichen Nachteiligkeit des dinglichen Erwerbsge- 74 schäfts bei Übertragung von Wohnungs- bzw. Teileigentum (s. oben Rz. 62) ist grundsätzlich mangels Einschlägigkeit des Tabestandes § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB eine familiengerichtliche Genehmigung entbehrlich.3 Ausnahmsweise bedarf die diesbezügliche Auflassung gleichwohl nach § 1822 Nr. 10 BGB dann der familiengerichtlichen Genehmigung, wenn dasselbe Wohnungs- und Teileigentum lediglich in Bruchteilen statt zu Alleineigentum übertragen, dadurch eine gesamtschuldnerische4 persönliche Haftung aller Bruchteilseigentümer für Lasten und Kosten des Wohnungs- und Teileigentums nach § 16 Abs. 2 WEG ausgelöst und somit eine fremde Verbindlichkeit übernommen wird.5 Der Nachweis der Anordnung des zu erfüllenden Vermächtnisses dürfte 75 mangels Ausweisung von Vermächtnissen in einem Erbschein, soweit kein öffentliches, sondern lediglich ein eigenhändiges Testament zugrunde liegt, wegen offenkundiger Beweisnot durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift des eigenhändigen Testaments und des nachlassgerichtlichen Eröffnungsprotokolls geführt werden.6 Für ab einschließlich dem 17.8.2015 eintretende Erbfälle kann im Anwendungsbereich der EuErbVO ein Europäisches 1 MünchKomm.BGB/Rudy, § 2180 BGB Rz. 1; Friedrich-Büttner/Wiese, ZEV 2014, 513 (517); Keim, ZEV 2011, 563 (565); Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002, S. 192 ff.; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (191 f.); aA van Venrooy, Annahme und Ausschlagung von Vermächtnissen, 1990, S. 12 ff.: Vermächtnisannahme als Abschluss einer Rechtsgrundvereinbarung. 2 Röhl, MittBayNot 2013, 189 (191 f.). 3 Fembacher/Franzmann, MittBayNot 2002, 78 (82). 4 Erman/Grziwotz, § 16 WEG Rz. 4; Palandt/Bassenge, § 16 WEG Rz. 45. 5 OLG München v. 22.8.2012 – 34 Wx 200/12, FamRZ 2013, 494 f. = DNotZ 2013, 205 ff. = ZEV 2013, 202 f.; OLG München v. 23.9.2011 – 34 Wx 311/11, FamRZ 2012, 740 ff. = ZEV 2011, 658 ff. = DNotZ 2012, 193 ff. mit zust. Anm. G. Müller; KG v. 15.7.2010 – 1 W 312/10, NZM 2011, 78 f.; Röhl, MittBayNot 2013, 189 (193 ff.). 6 DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2008, 131 (133).
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
Nachlasszeugnis vorgelegt werden, das nach Art. 63 iVm. Art. 68 Buchst. m EuErbVO auch einen Vermächtnisnehmer samt den ihm zugewiesenen Vermögensrechten ausweist (s. oben 9. Kap. Rz. 74).
III. Ausstattung 76 Ein angesichts komfortabler Vermögenslage vieler Übergeber immer häu-
figer vorkommender Vertragstyp ist die Ausstattung eines Kindes nach § 1624 BGB. Hier werden Bauplätze, Eigentumswohnungen oder Häuser übertragen, die die Übergeber nicht selbst bewohnen, die nicht zum Kern ihres Vermögens gehören und auch von ihnen nicht zur eigenen Altersversorgung benötigt werden. Für die Vertragsgestaltung interessant ist der Vertragstyp deshalb, weil bei ihm von Gesetzes wegen das Recht der Schenkung weitgehend ausgeschaltet ist, insbesondere was Pflichtteilsergänzungsansprüche anderer Abkömmlinge betrifft (s. oben 2. Kap. Rz. 208 ff.).
M 302
Ausstattung eines Kindes
Verhandelt in . . . am . . . vor dem Notar . . . Es sind erschienen 1. Eheleute . . . als bergeber 2. deren Tochter/Sohn, Frau/Herr . . . als bernehmerin/bernehmer und erklren Ausstattungsvertrag Die bergeber sind zu je 1/2 Miteigentum im Grundbuch von . . . als Eigentmer des lastenfreien Bauplatzes (Beschrieb nach dem Grundbuch) eingetragen. Sie bergeben der bernehmerin/dem bernehmer mit Rcksicht auf deren/ dessen Eheschließung diesen Bauplatz im Wege der Ausstattung. Die bernehmerin/der bernehmer nimmt die Ausstattung an. Einig ber diesen Eigentumsbergang bewilligen und beantragen die Beteiligten den Vollzug im Grundbuch. Der Besitzbergang erfolgt sofort und ohne jede Gewhrleistung. Die Kosten dieses Vertrags und seines Vollzugs und etwaige Schenkungsteuer trgt die bernehmerin. (Schlussvermerke, Unterschriften)
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D. Vorweggenommene Erbfolge, sonstige lebzeitige Zuwendungen
IV. Ehegattenzuwendungen Einen eigenen kautelarjuristischer Vertragstyp bilden weiter Ehegatten- 77 zuwendungen, die von der Rspr. des BGH zunächst als unbenannte Zuwendungen bezeichnet wurden. Sie sind keine Schenkung, sondern eigene familienrechtlich bestimmte Rechtsgeschäfte im Bereich des Familieneigenheims. Als Untertypen sind zu unterscheiden die Ehegattenzuwendung zum vorweggenommenen Zugewinnausgleich im gesetzlichen Güterstand, die Ehegattenzuwendung zum freiwilligen Zugewinnausgleich bei Gütertrennung, die Ehegattenzuwendung zur Vermeidung des Gläubigerzugriffs auf das Familieneigenheim und die Ehegattenzuwendung zur Versorgung des anderen Ehegatten.1 Eine wichtige Rolle spielen bei Ehegattenzuwendungen Rückforderungsrechte für den Scheidungsfall, sog. Scheidungsklauseln.
M 303
Ehegattenzuwendung zur Haftungsvermeidung
Verhandelt zu . . . am . . . Vor dem Notar . . . erschienen: Eheleute . . . und erklren Ehebedingte unbenannte Zuwendung § 1 Vertragsobjekt (1) Die Eheleute sind je hlftige Miteigentmer des Familienheims (Beschrieb nach dem Grundbuch). Sie haben ehevertraglich den Zugewinnausgleich im Scheidungsfall ausgeschlossen. Der Ehemann ist selbstndiger Kaufmann, die Ehefrau Hausfrau. (2) Das Vertragsobjekt ist unbelastet. § 2 Ehebedingte Zuwendung (1) Der Ehemann wendet der Ehefrau hiermit seine Miteigentumshlfte an dem Vertragsobjekt im Wege der ehebedingten Zuwendung zur Herstellung einer zweckmßigen ehelichen Vermçgensordnung zu. Einig ber den Eigentumsbergang bewilligen und beantragen die Beteiligten den Vollzug im Grundbuch, der nur gemeinsam mit Eintragung der u.g. Rckerwerbsvormerkung vollzogen werden darf. (2) Der Ehemann kann im Falle der Scheidung oder bei Auflçsung der Ehe durch den Tod der Ehefrau den heute zugewendeten Miteigentumsanteil zurckfordern. Hat die Ehefrau auf den Miteigentumsanteil aus ihrem Vermçgen Verwendungen gemacht, so sind ihr oder ihren Erben diese zu erstatten. Die Kosten der Rckforderung trgt der Ehemann.
1 Eingehend hierzu Langenfeld/Milzer, Hdb. Eheverträge, Rz. 1147 ff.
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10. Kap. Lebzeitige Vorsorgemaßnahmen, sonstige begleitende Rechtsgeschfte
(3) Zur Sicherung des Rckforderungsrecht ist eine Eigentumsvormerkung zum Rckerwerb des hlftigen Miteigentums fr den Ehemann einzutragen, deren Eintragung hiermit bewilligt und beantragt wird. § 3 Sonstige Bestimmungen (1) Der Besitzbergang erfolgt sofort. (2) Jegliche Gewhrleistung fr Rechts- und Sachmngel aller Art ist ausgeschlossen. Die Kosten und etwaige Steuern trgt der Ehemann. (Schlussvermerke, Unterschriften)
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Stichwortverzeichnis Bearbeiterin: RAin Petra-Andrea Block-Funken Die halbfetten Zahlen bezeichnen die Kapitel, die mageren die Randzahlen. Abfindung – Abfindungsausschluss 2 218 – Beteiligung statt Abfindung 7 142 – Ehegattenversorgung 7 119 ff. – Ertragsnießbrauch 7 123 f. – Ertragsvermächtnis, schuldrechtliches 7 125 – GmbH-Anteil, Nießbrauch 7 126 – Grundstücksnießbrauch 7 121 – hinausgeschobene 2 154 – Personengesellschaftsanteile, Nießbrauch 7 126 – Pflichtteilsergänzungsanspruch 2 172 – Rentenvermächtnis 7 128 ff. – stille Beteiligung 7 131 ff. – Unterbeteiligung 7 131 ff. – Unternehmertestament 7 23 – Veräußerungsgewinn 7 23 ff. – weichende Erben 7 119 ff. – Zuwendungsverzicht 3 55 f. Abkömmlinge – angenommene 2 279 f. – Arbeitslosengeld II beziehender 151 ff.; s.a. dort – besondere Leistungen an Erblasser 2 281 ff. – besondere Leistungen von Abkömmlingen 2 292 ff. – entfernte 2 279 f. – Erbausgleichungspflicht 2 261 ff. – pflegende 2 281 f – überschuldeter 6 20, 151 ff.; s.a. Überschuldeter Abkömmling Adoption – Familienerbfolge 2 9 ff. – Leihmutterschaft 2 18 – Volladoption Volljähriger 2 10 Aktiengesellschaft – Mitgliedschaft, Vererblichkeit 2 6 – Testamentsvollstreckung 7 197 Alleinerbe – als Testamentsvollstrecker 3 353 ff. – Nachlassgegenstand, Zuweisung 3 16 Ältere Ehegatten – Ehegattentestament 5 218 ff. – mit Kindern 5 220 – völlige Bindung des Überlebenden 5 220 Änderungsvorbehalt – Berliner Testament 5 109, 113 ff., 220 – Ehegattenerbvertrag 5 96 ff. – Einzelbetrachtung 5 103 f
– – – –
Fallgruppen 5 109 ff. Gesamtbetrachtung 5 101 Praxisgrundsätze 5 105 ff. Rücktrittsvorbehalt, Abgrenzung 5 97 ff. – Spezifizierung 5 102 – wechselbezügliche Verfügungen 5 24 ff. – Zulässigkeit 5 100 Anfechtung – Erbschaftsannahme 8 62 ff., 73 – Erbschaftsausschlagung 8 70 – Erbverzichtsvertrag 2 186 – Fristversäumnis 8 69 – Wohnsitzgericht 8 7 ff. Anrechnung – Ausstattung 2 261 ff. – Schenkung 2 262 – Übermaßzuschüsse/-ausbildungsaufwendungen 2 261 Apothekernachlass – Abschichtungsvereinbarung 6 222 – alleinstehender Apothekeninhaber mit Kindern 6 255 – Apothekenkammeranfrage 6 257 – Apothekenverwaltung 6 191 – Betriebserlaubnis, Erblasser 6 212 ff. – Betriebserlaubnis, Erforderlichkeit 6 189 – Betriebserlaubnis, Nichtvererblichkeit 6 190 – Ehegatte mit Apothekerapprobation 6 252 f. – Ehegatte und Kinder ohne Apothekerapprobation 6 227 ff. – Ehegatte, Verfügungsfreiheit 6 230 ff. – Erbauseinandersetzung 6 220 – Erbausschlagung 6 223 – Erbberechtigung 6 204 ff. – Erbengemeinschaft 6 207 ff., 216 – Erbengemeinschaftslösung 6 250 – Erbteilsabtretung 6 221 – Kinder 6 196 ff., 251 – Kinder mit Apothekerapprobation 6 254 – kinderloser Apothekeninhaber mit Ehefrau/Lebenspartner 6 256 – Lebenspartner 6 201 ff. – lebzeitige Übertragung an Nacherben 6 244 ff. – Nacherbfolge, auflösend bedingte 6 239 ff.
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Stichwortverzeichnis – Nacherbfolge, gegenständlich beschränkte 6 247 – Nachlasszugehörigkeit 6 210 – Nichterlaubnisinhaber 6 196 ff. – Nießbrauchsvermächtnislösung 6 248 f. – Problemstellung 6 188 ff. – Rentenvermächtnislösung 6 248 f. – Testamentsvollstreckung 6 242 ff. – Verpachtung 6 192 ff. – Verpachtung, Vertretung 6 226 – verpachtungsberechtigter Personenkreis 6 195 – Verpachtungsermächtigung 6 224 – Verpachtungsrecht 6 242 ff. – Vor- und Nacherbschaft 6 233 ff. – Vorausvermächtnis 6 225 Arbeitslosengeld II-beziehender Abkömmling – letztwillige Verfügung zugunsten 6 151 ff. – Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht 6 160 – Pflichtteilsrecht 2 193 f. – spätere Aufhebung der schützenden Regelungen 6 158 f. – Testamentsvollstreckung 6 155 ff. – Vor- und Nacherbschaft 6 153 f. Ärztliche Zwangsbehandlung 10 1 – Genehmigung 10 12 – gesetzliche Beschränkungen 10 12 Aufhebungsvertrag – Ehegattenerbvertrag 5 49 ff. Auflage – Gestaltungshinweise 3 290 f. – Grabpflege 3 291 – im Urheberrecht 3 294 – rechtlicher Inhalt 3 287 ff. – Stiftungserrichtung 3 293 – Tierheimaufnahme 3 291 f. – Tierversorgung 6 163 ff. – Verwendung 3 289 Auslandsbezug – Anerkennung deutscher Testamentsgestaltung 1 161 ff. – Auslandsvermögen, Ermittlung 1 345 – deutscher Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland 1 174 – Deutsches Kollisionsrecht 1 125 f. – Ehegattenerbrecht 2 24 – Erb- und Pflichtteilsverzicht 2 134 – Erbfälle bis 16.8.2015 1 171 ff. – Erbschaftsausschlagung 8 3, 41, 59 f. – Erbschein 9 47 – Erbscheinsverfahren 9 21, 26, 50 – Erbvertrag, Verbot 1 163 f. – Ferienhaus im Ausland 1 344 – gemeinschaftliches Testament 1 163 f.
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– – – – – – –
Gütertrennung 1 158 Nachlassermittlung 1 344 Nachlassgegenstände im Ausland 9 21 Nachlassspaltung 1 136 ff.; 8 59 f. Pflichtteilsverzicht 1 163 f. Rechtswahl 1 159 f. Rechtswahl nach ausländischem IPR 1 179 ff. – Rechtswahl nach EuErbVO 1 181 ff. – Schiedsklausel 3 395 Ausschlagung – Apothekennachlass 6 223 – ausländischer Ausschlagungstext 8 2 – Ausschlagungsfrist 8 2 – Behindertentestament, Weigerung 6 106 – Erbschaftsausschlagung s. dort – Überleitung auf Sozialhilfeträger 6 96, 103 ff. – Vermächtnisausschlagung 8 75 Ausstattung – Ausgleichungspflicht 2 208 ff. – lebzeitige Zuwendung 2 270 – Minderjähriger 10 76 – Pflichtteilsergänzung 2 102, 207 ff. – Pflichtteilsquoten, Auswirkungen 2 307 – Schenkung, Abgrenzung 2 261 ff. Aussteuer – lebzeitige Zuwendung 2 270 Bedingung – aufschiebende, Übereignungsverpflichtung 4 16 f. – Nacherbeneinsetzung 3 386; 5 152 ff. – Potestativbedingungen 1 6 ff. – Sicherung lebzeitiger Gegenleistung 3 385 – Sicherung von Vermächtnissen und Auflagen 3 384 – Störfallvorsorge 3 383 – Strafklausel 3 387 – Verwirkungsklausel 3 387 – Vor- und Nacherbschaft 3 388 f. Beerdigungskosten – Erbschaftsausschlagung 8 49 – Überführungskosten 8 49 Behindertentestament – auflösende Bedingung 6 130 – Ausschlagung 6 96, 103 ff., 106; 8 5 – Enterbungslösung 6 132 ff. – Erbquote, Bestimmung 6 107 ff. – Geldvermächtnis 6 110 – Grundstruktur 6 81 ff. – Heilung des Behinderten 6 130 – Heimgesetze 6 124 ff. – Interessen 6 70, 119 ff. – Leibrentenvermächtnis 6 148
Stichwortverzeichnis – Nacherbenvollstreckung 6 118 – Pflichtteilsergänzungsanspruch 6 110 – Pflichtteilsstrafklausel 6 132 ff. – Rechtsprechung des BGH 6 88 ff. – salvatorische Klausel 6 131 – Sittenwidrigkeit 6 88 ff. – Sozialrecht 6 73 ff., 89 ff. – Standardlösung 6 86 f., 89 ff. – Teilungsanordnung, Erleichterung der Ertragsverwendung 6 114 – Testamentsvollstrecker, längstlebender Elternteil 6 119 ff. – Testamentsvollstrecker und Betreuer, Personenidentität 6 119 ff. – Testamentsvollstreckung 6 83 ff. – Thesaurierung nicht verbrauchter Erträge 6 113 – Trennungslösung 6 136 ff. – Vermächtnislösung 6 140 ff. – Vermächtnislösung, umgekehrte 6 149 f. – Verwaltungsanordnung 6 111 ff. – Vor- und Nacherbschaft 6 82, 86 f. – Vorerbe, nicht befreiter 6 115 ff. Behinderter Erblasser – Erben des behinderten Bedachten 6 80 – Testamentserrichtung 1 91 ff. – Verständigungsperson, Anwesenheit 1 93 – Verzicht auf Mündlichkeit 1 91 ff. – Zeuge, Hinzuziehung 1 93 Belgien – Erbausschlagung 1 224 f. – Erbstatut 1 218 – Erbvertrag 1 226 – Erbverzicht 1 224 f. – Errungenschaftsgemeinschaft 1 220 – gemeinschaftliches Testament 1 226 – gesetzliches Erbrecht 1 221 – gleichgeschlechtliche Ehegatten 1 222 – Pflichtteilsrecht 1 223 – Pflichtteilsverzicht 1 224 f. – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 219 f. Beratung – Beratungsgespräch 1 435 f. Bereicherungsprinzip 1 349 Berliner Testament – Änderungsvorbehalt 5 109 ff. – Geldvermächtnis 5 194 ff. – Grundeigentum 1 342 – Jastrow’sche Klausel 5 137 ff., 144, 151 ff. – Kennzeichen 5 67 f. – Kinderfreibeträge, Lösungen nach dem Erbfall 5 191 f.
– Kinderfreibeträge, Verlust 5 189 f. – mit teilweisem Änderungsvorbehalt 5 220 – mit völliger Bindung des Überlebenden 5 220 – Pflichtteilsstrafklauseln 5 129 ff. – Selbstanfechtungsverzicht 6 18 – Steuerfreibeträge 5 12 – Steuernachteile 5 189 f., 191 f. – Supervermächtnis 5 204 ff. – Vermächtnislösungen 5 192 ff. – Wiederverheiratungsklausel 5 148 ff. Betreutes Wohnen – Zuwendungsverbot 1 35 Betreuung – Betreuungsverfügung 10 1 ff. – höchstpersönliche Geschäfte 10 14 – Testamentsvollstrecker als Betreuer 6 119 ff. Betreuungsrechtsänderungsgesetz 10 1 ff. Betriebsvermögen – Betriebsübertragung, Vergünstigungen 1 417 ff. – Bewertung 1 372 – Ehevertrag 10 37 – Einkommensteuer 1 343 – Nachlassermittlung 1 343 – Steuersätze 1 410 f. – unentgeltlicher Erwerb 1 420 – Verschonung s. Betriebsvermögen – Verschonung Betriebsvermögen – Verschonung – Behaltensfrist 1 396 – bewertungsbedingte Gestaltungen, Wegfall 1 416 – Erhöhungsoption 1 397 – Kapitalgesellschaften, Beteiligungsquote 1 406 – Lohnsummenerfordernis 1 394 f. – Lohnsummenkontrolle 1 402 ff., 421 ff. – Umfang 1 392 ff. – Unternehmenswerte, überhöhte 1 407 – Verfassungsmäßigkeit 1 417 ff. – vermieteter Grundbesitz 1 398 BGB-Gesellschaft – Fortsetzungsklausel 7 55 – Mitgliedschaft, Vererbung 7 51 ff. – Testamentsvollstreckung 7 168 ff. – Tod eines Gesellschafters, Rechtsfolgen 7 51 ff. Bruchteilsnießbrauch 3 200 f. – Quotennießbrauch 3 201, 207 Bürgermeister – Nottestament 1 54 ff.
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Stichwortverzeichnis Dänemark – Erbstatut 1 201 – Erbvertrag 1 208 – Erbverzicht 1 207 – gemeinschaftliches Testament 1 208 – gesetzliches Erbrecht 1 204 – Gütergemeinschaft 1 203 – nicht eheliche Lebenspartner 1 205 – Pflichtteilsrecht 1 206 – Pflichtteilsverzicht 1 207 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 202 f. Dauertestamentsvollstreckung – Kommanditist 7 190 Deutsch-deutsche Erbfälle 2 44 ff. Deutsches Internationales Erbrecht – Erbfälle bis 16.8.2015 1 126 f. – Formvorschriften 1 165 ff. Dieterle-Klausel 3 130; 7 112 ff. – Fremdbestimmungsverbot 6 27 ff. – Geschiedenentestament 6 24 ff. – Nacherbenlösung 6 24 ff. – Vermächtnisnehmer, Bestimmung 6 62 – Zulässigkeit 6 27 ff. Doppelbesteuerungsabkommen 1 354 Dreißigster – enterbter Ehegatte 2 38 Dreizeugentestament 1 54, 57 ff. Ebenbürtigkeitsklausel – Beurteilungszeitraum 1 11 ff. – Hohenzollern-Entscheidung 1 4 ff. – Prüfungsstufen 1 8 ff. EGBGB – Änderung 9 92 ff. Ehebedingte Zuwendungen – Entgeltlichkeit 2 101 – Familieneigenheim 10 77 – Pflichtteilsergänzungsfestigkeit 2 213 – Verschonungsregelungen 1 386 Ehegatten – Ehegattenerbvertrag 5 42 ff.; s.a. dort – gemeinschaftliches Testament 5 14 ff.; s.a. dort Ehegattenerbrecht – Auslandsbezug 2 24 – Ausschlussgründe 2 23 ff. – deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 2 30 – deutsch-türkischer Konsularvertrag 2 24 – Dreißigster 2 38 – Erbausgleichung, Besonderheiten 2 348 ff. – fortgesetzte Gütergemeinschaft 2 32 – geschiedener Ehegatte 2 23 – Grundsätze 2 22 ff.
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Gütergemeinschaft 2 29 Gütertrennung 2 31 nach Güterständen 2 26 ff. neben Abkömmlingen 2 27 f. neben weiteren Verwandten 2 33 ff. Pflichtteilsanrechnung 2 337 ff. Pflichtteilsverzicht, vorsorglich gegenständlich beschränkter 2 180 – Unterhaltsberechtigung nach Ausschluss 2 25 – Voraus 2 38 – Zugewinngemeinschaft 2 27, 33 ff. Ehegattenerbvertrag – Ablieferungspflicht nach Erbfall 5 45 – Änderungsvorbehalt 5 96 ff. – Aufhebungsvertrag 5 49 ff. – Grundsätze 5 42 ff. – Rücknahme aus amtlicher Verwahrung 5 53 – Rücktritt 5 43, 48 – Unterschied zum gemeinschaftlichen Testament 5 55 ff. – Verwahrung 5 44 Ehegattengesellschaft – Grundstückseinbringung 1 144 Ehegattentestament – ältere Ehegatten 5 5, 218 ff. – ältere Ehegatten mit Kindern 5 220 ff. – Änderungsvorbehalte 5 10 – Apothekennachlass 6 201 ff. – Befreiung für künftigen Vermögenserwerb 5 219 – Berliner Testament 5 67 f. – Bestimmung der eigenen Erben des Nacherben 5 74 f. – Ehegatte ohne Apothekenapprobation 6 227 ff. – Einheitslösung 5 62 ff. – Form 5 7 – Formulierungsbeispiele 5 211 ff. – Fortgeltung nach Scheidung 5 162 ff., 177 ff. – gemeinsames Versterben 5 88 ff. – gemeinschaftliches Testament 5 14 ff.; s.a. dort – genaue Erbenbezeichnung 5 9 – geschiedener Ehegatte, Ausschaltung 6 19 – Herausgabevermächtnis 5 76 ff. – Jastrow’sche Klausel 5 130, 137 ff. – junge Ehegatten 5 3 f. – junge Ehegatten mit minderjährigen Kindern 5 217 ff. – junge kinderlose Ehegatten 5 211 ff. – junge kinderlose Ehegatten, lediglich gegenseitige Erbeinsetzung 5 213 f.
Stichwortverzeichnis – junge kinderlose Ehegatten, Rückflusslösung 5 216 – junge kinderlose Ehegatten, Vorerbeneinsetzung 5 215 – Nießbrauchsvermächtnis für den zweiten Ehegatten 5 222 – Nutzungsvermächtnisse für den Ehegatten 5 222 – Patchwork-Familie 6 1 ff.; s.a. dort – Pflichtteilsstrafklauseln 5 11, 129 ff. – Pflichtteilsverzicht 5 214 – Scheidung 5 162 ff. – Selbstanfechtungsverzicht 5 10, 122 ff.; 6 18 – teilweiser Änderungsvorbehalt 5 220 – Trennungslösung 5 65, 69 ff. – völlige Bindung des Überlebenden 5 220 – Vor- und Nacherbschaft 3 122 – Vorerbentestament 5 221 – Wahlmöglichkeit 5 13 – wechselbezügliche Verfügungen 5 113 ff. – Widerruf 5 120 f. – Wiederverheiratungsklausel 5 148 ff. – Zuwendungsverzicht 5 223 ff. Eheschließungsfreiheit 1 3 Ehevertrag – Betriebsvermögen 10 37 – Funktionen 10 32 ff. – Gütergemeinschaft zwecks Versorgung des neuen Ehegatten 10 39 – Güterstandswechsel 2 103, 214 ff.; 10 35 ff. – Zugewinnausgleich 10 38 Eidesstattliche Versicherung – Erbscheinsverfahren 9 15 Eigenhändiges Testament – Anerkennung im Ausland 1 161 – besondere amtliche Verwahrung 1 67 ff. – eigenhändige Änderungen 1 65 – Eigenhändigkeit, Begriff 1 60 – Gleichwertigkeit mit öffentlichem 1 94 ff. – Leseunfähige 1 66, 117 – mehrere nicht untrennbar verbundene Blätter 1 64 – Minderjährige 1 66 – Rücknahme aus öffentlicher Verwahrung 1 109 – Unterschrift 1 63 – wirksame Errichtung 1 60 ff. Eigentumsgarantie 1 1 Eingetragene Lebenspartner – Erbrecht 2 48 ff. – Erbvertrag 5 42 ff.; s.a. Ehegattenerbvertrag
– französisches Erbrecht 1 241 – gemeinsame letztwillige Verfügung s. Ehegattentestament – gemeinschaftliches Testament 5 14 ff.; s.a. dort – Lebenspartnerschaft, Aufhebung 2 53 – Pflichtteilsberechtigung 2 51, 54 – Polen 1 278 – Tschechische Republik 1 269 Einkommensteuer – Betriebsvermögen 1 343 – Erbschaftsteuer 1 399 Einzeltestament – Gestaltungshinweise 4 6 ff. – Struktur 4 4 f. – Testamentsvollstrecker 4 9 – Vor- und Nacherbschaft 3 120 f. Einzelunternehmen – Einzelunternehmer mit minderjährigen Kindern 7 216 – Erbengemeinschaft 7 47 f., 50 – Erbenhaftung 7 45 – ertragssteuerrechtliche Folgen 7 49 f. – Gesellschaftsgründungsklausel, letztwillige 7 198 ff. – Haftungsbeschränkung 7 45 – handelsrechtliche Haftung 7 44 – handwerksrechtliche Beschränkung 7 46 – minderjährige Erben 7 47 – personengebundene Gewerbeerlaubnis 7 46 – Testamentsvollstreckung, Ersatzlösungen 7 149 ff. – Vererblichkeit 7 44 – Verwaltungstestamentsvollstreckung, Unzulässigkeit 7 146 ff. Einzelunternehmen – Testamentsvollstreckung – beaufsichtigende Testamentsvollstreckung 7 158 ff. – Treuhandlösung 7 150 ff. – Umwandlungsanordnung 7 161 ff. – Verwaltungstestamentsvollstreckung, Unzulässigkeit 7 146 ff. – Vollmachtlösung 7 149, 155 ff. – Weisungsgeberlösung 7 158 ff. Elternpflichtteil – Pflichtteilsverzicht, Auswirkungen 2 158 England – Erbausschlagung 1 332 – Erbstatut 1 324 – Erbvertrag 1 333 – Erbverzicht 1 331 – gemeinschaftliches Testament 1 333 – gesetzliches Erbrecht 1 327 f. – Gütertrennung 1 326
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Stichwortverzeichnis – Pflichtteilsrecht 1 329 f. – Pflichtteilsverzicht 1 331 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 325 Enterbungslösung 6 132 ff. Erbauseinandersetzung – Ertragsteuer 7 20 Erbausgleichung – Abkömmlinge 2 267 f., 279 ff. – Abkömmlinge, angenommene 2 279 f. – Abkömmlinge, entferntere 2 279 f. – aufschiebende Bedingung 2 299 – Ausgleichungsanordnung 2 274 ff. – Ausgleichungspflicht 2 265 ff. – Berechnung, besondere Leistungen von Abkömmlingen 2 292 ff. – Berechnung, Zuwendung an Abkömmlinge 2 289 ff. – Ehegatte, Besonderheiten 2 348 ff. – Erbteilserwerber 2 267 – Ersatzerbe 2 278 – Kumulation mit Pflichtteilsanrechnung 2 339 ff. – lebzeitige besondere Leistungen 2 281 ff. – lebzeitige Zuwendungen 2 257 ff.; 10 68 – nachträgliche Ausgleichungsanordnungen 2 269, 295 ff. – Nichtausgleichungsanordnung 2 274 ff. – Pflegeausgleich 2 281 ff. – Pflegeausgleich, Ausschluss 2 288 – Pflichtteilsquoten, Auswirkungen 2 303 ff. – Verfügung von Todes wegen 2 269 – Zuwendungsarten, Differenzierung 2 260 Erbausgleichungsanordnung – auf gesetzliche Erbfolge beschränkte 2 311 – auflösende Bedingung 2 296 f. – nachträgliche 2 295 ff. – Nichtausgleichungsanordnung 2 295 – Pflichtteilsquoten, Auswirkungen 2 303 ff. – rechtzeitige aufgrund Vorbehalts 2 295 ff. – verspätet mangels Vorbehalt 2 300 ff. – vorausvermächtnisweise aufgrund Vorbehalts 2 295 Erbberechtigung – Erbordnungen 2 17 ff. – Leihmutterschaft 2 18 – Stiefkinder 2 18 Erbeinsetzung – Alleinerbe 3 25 ff.
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– auflösend bedingte, Schwiegerkind 3 60 – Auslegung 3 40 ff. – Drittbestimmung 3 32 ff. – Erbenbestimmung 3 19 ff., 30 f. – Erbengemeinschaft 3 28 – Erbenhaftung 3 24 – Ersatzerbe, Bestimmung 3 35 ff. – Fiskus 3 23 – Formulierungsbeispiele 3 58 ff. – Gesamtrechtsnachfolge 2 3 ff. – juristische Person 3 22 – mehrfach gestaltete 3 59 – Pflichtteilslast 2 85 ff. – Socinische Klausel 2 235 – Stiftung 3 20 – Tiere 3 21 – unter der Pflichtteilquote 2 73 – Vonselbstanfall 2 2 f. – Vor- und Nacherbschaft 3 61 ff. Erbengemeinschaft – Abschichtungsvereinbarung 6 222 – Apothekennachlass 6 207 ff., 216 ff., 250 – Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters 7 60 ff. – Einzelunternehmen, Fortführung 7 47 f., 50 – Erbeinsetzung 3 5 ff. – Ertragsteuer, Grundsätze 7 20 – gesamthänderisch gebundenes Sondervermögen 2 4 – Nachfolger-Miterben, Wertausgleich 7 69 – Personengesellschaften, Mitgliedschaft 39 – Vorkaufsrecht der Miterben 2 4 Erbfolge – gesetzliche s. Gesetzliche Erbfolge Erblasser – ausländischer bis 16.8.2015 1 137 ff. – eingeschränkter 1 52 ff. – Geschäftsfähigkeit 1 1 ff. – Mehrfachbehinderter 1 91 – Testierfähigkeit 1 1 ff., 113 ff. – Vermerke bei Einschränkungen 1 93 – Vollmacht, post-/transmortale 3 143 Erbnachweis – Banken/Sparkassen 9 70 ff. – Erbschein 1 97 ff. – Europäisches Nachlasszeugnis 9 74 ff. – Grundbuchamt 9 65 ff. – Nacherbenvollstreckerzeugnis 9 61 f. – Nachfolgertestamentsvollstreckerzeugnis 9 59 – öffentliches Testament 1 97 ff. – Registergerichte 9 72
Stichwortverzeichnis – Testamentsvollstreckernachweis 9 73 – Testamentsvollstreckerzeugnis 9 59 ff. Erbordnungen – Erben erster Ordnung 18 – Erben zweiter Ordnung 2 19 – Familienerbfolge 2 8 ff. – mehrfache Verwandtschaft 2 40 – Verwandtschaftsgrad 2 20 Erbrecht – Belgien 1 218 ff. – Dänemark 1 201 ff. – England 1 324 ff. – Frankreich 1 236 ff. – Griechenland 1 307 ff. – Italien 1 283 ff. – Kroatien 1 315 ff. – Luxemburg 1 227 ff. – Niederlande 1 209 ff. – Österreich 1 258 ff. – Polen 1 274 ff. – Russland 1 299 ff. – Schottland 1 324 ff. – Schweiz 1 246 ff. – Tschechische Republik 1 265 ff. – Türkei 1 291 ff. – USA 1 334 ff. – vereintes Deutschland 1 200 – Wales 1 324 ff. Erbschaft – Ausschlagung 8 1 ff.; s.a. Erbschaftsausschlagung Erbschaftsannahme – Anfechtung 8 63 ff. – Anfechtung der Anfechtung 8 73 – schlüssige 8 2 Erbschaftsausschlagung – Anfechtung 8 70 – Anfechtung der Annahme 8 62 ff., 72 – Anfechtung der Annahmeanfechtung 8 73 – Anfechtung der Fristversäumnis 8 69 – ausländischer Ausschlagungstext 8 2 – Auslandsbezug 8 3 – Ausschlagungsfrist 8 20 ff.; s.a. Ausschlagungsfrist – Ausschlagungsrecht, ererbtes 8 53 ff. – Ausschlagungsverpflichtungsvertrag 8 61 – Ausschlagungswirkung, Erstreckung auf Ersatzerben 2 236 – Ausschluss 2 184 – Beerdigungskosten 8 49 – Belgien 1 224 f. – deutsch-deutsche Nachlassspaltung 8 71 – England 1 332 – Erklärung 8 2 – EuErbVO 8 19
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Fiskus 8 27 Form 8 2 f. Frankreich 1 243 f. Fristbeginn 8 29 Genehmigungsbedarf, gerichtlicher 8 30 ff. – Geschäftsfähigkeit 8 28 – gesetzliche Vertretung 8 28 ff.; s.a. Erbschaftsausschlagung – gesetzliche Vertretung – Griechenland 1 313 – Haftungsbeschränkung, Abgrenzung 8 74 – Höchstpersönlichkeitsgebot 8 4 – Insolvenz 8 5 – Italien 1 289 – Kroatien 1 322 – Luxemburg 1 233 f. – mehrere Berufungsgründe 8 55 ff. – mittels notarieller Unterschriftsbeglaubigung 8 17 – Nacherbfolge 8 24 – Nachholung 8 69 – Nachlassgericht 8 6 – Nachlassspaltung 8 59 ff. – Nasciturus 8 25 f. – Niederlande 1 215, 217 – örtliche Unzuständigkeit 8 18 – Ortsform 8 3 – Österreich 1 263 – Polen 1 281 – Restschuldbefreiung, Obliegenheitsverletzung 2 195 – Russland 1 305 – schlüssige Annahme, vorherige 8 2 – Schottland 1 332 – Schweiz 1 255 f. – Sozialhilfebedürftigkeit 8 5 – Tschechische Republik 1 271 – Türkei 1 297 – Vollmacht 8 4 – Vonselbsterwerb 8 1 – Wales 1 332 – Wirksamkeitsfeststellung, isolierte 8 27 – Wohnsitzgericht 8 7 ff. – Zuständigkeit 8 7 ff. Erbschaftsausschlagung – gesetzliche Vertretung – Auslandsbezug 8 41 – Ausschluss von Nachlassverwaltung 8 33 – Beerdigungskosten 8 49 – durch längstlebenden Elternteil 8 40 – Eltern 8 30 ff. – Elternteil, nicht vertretungsberechtigter 8 36 – Genehmigung, Ausnahme 8 35
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Stichwortverzeichnis – Genehmigung, betreuungsgerichtliche 8 42 ff. – Genehmigung, familiengerichtliche 8 30 ff., 35 – Genehmigung, Gegenausnahme 8 35 – Genehmigungserteilung 8 46 ff. – Geschäftsfähigkeit 8 28 – hoheitliche Überwachung 8 34 – Jugendamt 8 43 – Kontrollvertreter 8 48 – selektive 8 38 – Unterlassen 8 34 – Vaterschaftsanfechtung 8 31 – Vertreter, gesetzlicher Erbe 8 39 – Vertretungsberechtigung 8 30 – Volljährigkeit nach Ausschlagungsabgabe 8 32 – Vormund 8 42 – werthaltiger Nachlass 8 37 – Wohnsitz im Ausland 8 41 Erbschaftsteuer – Berechnung 1 409 ff. – Bereicherungsprinzip 1 349 – Berliner Testament 5 189 ff. – Beschluss des BVerfG vom 10.11.2006 1 357 ff. – bewertungsbedingte Gestaltungen, Wegfall 1 416 – Doppelbelastung 1 399 – Doppelbesteuerungsabkommen 1 354 – Einkommensteuer 1 399 – Erbschaftsteuerreform 2009 1 367 ff. – Erwerb von Todes wegen 1 355 – Freibeträge 1 411 ff. – frühere Erwerbe, Berücksichtigung 1 409 – Gestaltungsmöglichkeiten nach der Reform 1 400 f. – gleichzeitiges Versterben 6 8 – Grundlagen 1 348 ff. – Inlandsbezug 1 352 ff. – Maßgeblichkeitsprinzip 1 351 – Nießbrauchvermächtnis 3 194 – persönliche Steuerpflicht 1 352 ff. – Sachvermächtnisse, Bewertung 7 27 f. – Steuerbefreiungen 1 356 – Steuerfreibeträge, Berliner Testament 5 12 – Steuerklassen 1 410 – Steuersätze 1 414 f. – Stichtagsprinzip 1 350 – Tierpflegekosten als Abzugsposten 6 165 – Verfassungsmäßigkeit 1 357 – Vermächtnis 3 285 f. – Verschonungsregelungen 1 362 ff., 382 ff.; s.a. Erbschaftsteuer – Verschonungsregelungen
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Erbschaftsteuer – Verschonungsregelungen 1 362 ff. – Betriebsvermögen 1 389 ff.; s.a. Betriebsvermögen – Verschonung – Familienheim 1 382 ff. – Kapitalgesellschaften, Beteiligungsquote 1 406 Erbschaftsteuerreform 2009 – Betriebsvermögen, Lohnsummenkontrolle 1 402 ff. – Betriebsvermögen, Verschonung 1 389 ff.; s.a. dort – bewertungsbedingte Gestaltungen, Wegfall 1 416 – Bewertungsebene, Maßnahmen 1 368 ff. – Bewertungsvorschriften 1 370 ff. – Familieneigenheim, Selbstnutzung 1 400 f. – Familieneigenheim, Verschonung 1 382 ff. – gemeiner Wert als Bewertungsziel 1 368 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten 1 400 f. – Kapitalgesellschaften, Beteiligungsquote 1 406 – Nulloption 1 405 – Zielsetzung 1 367 Erbschaftsverwaltung – Ausschluss der Eltern 5 184 Erbschein – Amtsermittlungsgrundsatz 9 58 – Änderung des FamFG 9 88 ff. – ausländischer Erblasser 9 51 – Auslandsimmobilien 9 50 – Auslegungsvertrag 9 57 f. – Bindungswirkung 9 2 f. – deutscher Erblasser 9 50 – Doppelerbschein 9 54 – Eigenrechtserbschein 9 47 ff. – Erbscheinsverfahren 9 5 ff. – Feststellungsvertrag 9 57 f. – Fremdrechtserbschein 9 55 – gemeinschaftlicher 9 19, 28, 89 – gesetzliche Erbfolge 9 17 – gewillkürte Erbfolge 9 18 – Grundbuchamt, Vorlage 9 65 – innerdeutsche Nachlassspaltung 9 56 – Kraftloserklärung 9 25 – Legitimationsfunktion 9 1 – Nacherbfolge, angeordnete 9 31 ff. – Nacherbfolge, aufschiebend bedingte 9 37 ff. – Nachlassgegenstände im Ausland 9 21 – Pflichtteilsstrafklauseln 9 46 ff. – Teilerbschein 9 30 – Testamentsvollstreckung 9 27 – Vergleich 9 57 f.
Stichwortverzeichnis – Verwirkungsklausel 9 46 ff. – Vorausvermächtnis an Vorerben 9 33, 40 ff. – vorläufiger 9 29 – widersprechende 9 25 – Wiederverheiratungsklausel 9 37 ff. Erbscheinsverfahren – Antragsberechtigung 9 12 – Antragsform 9 13 ff. – Antragsinhalt 9 16 ff. – ausländische Erbfolgezeugnisse 9 26 – eidesstattliche Versicherung 9 15 – Erbscheinsantrag 9 11 ff. – FamFG 9 5 – Geschäftsverteilung 9 10 – Haupt- und Hilfsantrag 9 23 – internationale Zuständigkeit 9 47 ff. – Nachweise 9 22 – Rechtsschutzbedürfnis 9 24 f. – Zuständigkeit 9 6 ff. Erbstatut 1 126 ff. – Belgien 1 218 – Dänemark 1 201 – Deutsches Internationales Privatrecht 1 126 ff. – England 1 324 – Erbfälle ab 17.8.2015 1 173 – Erbfälle bis 16.8.2015 1 171 ff. – EuErbVO 1 128 ff., 181 ff. – Frankreich 1 236 – gesetzlich vorgesehenes 1 126 ff. – gewöhnlicher Aufenthalt 1 131 – Griechenland 1 307 – Handeln unter falschem Recht 1 134 – hinkendes Rechtsverhältnis 1 149 ff. – Italien 1 283 – kraft Rechtswahl 1 171 ff. – Kroatien 1 315 – Luxemburg 1 227 – Nachlassspaltung 1 136 ff.; s.a. dort – Niederlande 1 209 – Österreich 1 258 – Polen 1 274 – Russland 1 299 – Schottland 1 324 – Schweiz 1 246 ff. – Tschechische Republik 1 265 – Türkei 1 291 – USA 1 334 – Wales 1 324 Erbteil – Apothekennachlass, Erbteilsabtretung 6 221 – Nießbrauchvermächtnis 3 198 Erbteilserhöhung – güterrechtliche s. Güterrechtliche Erbteilserhöhung
Erbteilskauf – Erbausgleichung 2 267 – Miterbe 2 4 – Miterbe, Vorkaufsrecht 2 4 Erbteilsverzicht – Anerkennung im Ausland 1 163 f. Erbvertrag – Änderung des BGB 9 96 – Änderungsvorbehalt 5 96 ff. – Anerkennung im Ausland 1 163 f. – aufschiebend bedingte Übereignungsverpflichtung 4 16 f. – Belgien 1 226 – Betreuungs- und Pflegeleistungen 4 14 – Dänemark 1 208 – Ehegatten, Zuwendungsverzichtsvertrag 5 223 ff. – England 1 333 – entgeltlicher 4 3, 13 ff. – EuErbVO 1 168, 196 ff. – Formvorschriften 1 52 ff. – Fortgeltung nach Scheidung 5 176 – Frankreich 1 245 – Griechenland 1 314 – Italien 1 290 – Kroatien 1 323 – Luxemburg 1 235 – Niederlande 1 216 – nur eines Erblassers 4 12 ff. – Österreich 1 264 – Patchwork-Familie 6 18 – Pflichtteilsverzicht 5 214 – Polen 1 282 – Rechtswahl 1 175 ff. – Rücktritt 4 14 – Russland 1 306 – Schottland 1 333 – schuldrechtliche Gleichstellungserklärung 2 202 – Schweiz 1 257 – Sicherung 4 16 – Stiftungsgeschäft von Todes wegen 6 172 f. – Testierfähigkeit 1 114 – Tschechische Republik 1 273 – Türkei 1 298 – über das Eigenheim 4 15 – USA 1 340 – Verfügungsunterlassungsvereinbarung 4 16, 18 – Wales 1 333 – Zuwendungsverzichtsvertrag 5 242 ff. Erbverzicht – Abfindung 2 172 – Abschlusszeitpunkt 2 117 – Anfechtung 2 186 – Aufhebung 2 196 ff. – auflösender Bedingung 2 157
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Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – –
ausschließlicher 2 135 ff. Bedingung 2 124 ff. Befristung 2 124 ff. Belgien 1 224 f. Beurkundungspflicht 2 148 ff. Dänemark 1 207 England 1 331 entgeltlicher 2 147 ff. Frankreich 1 243 f. gegen Abfindung 2 147 ff.; s.a. Abfindung – Genehmigung, familiengerichtliche 2 155, 169 – Geschäftsfähigkeit 2 169 ff. – gesetzliche Erbfolge 2 135 – gesetzlicher Vertreter 2 169 ff. – gewillkürte Erbfolge, Umdeutung 2 136 ff. – Griechenland 1 312 – Grundgeschäft 2 147 ff. – hinausgeschobene Abfindung 154 – Höchstpersönlichkeitsprinzip 2 118 ff. – Italien 1 288 f. – Kollisionsrecht 2 134 – Kroatien 1 321 – Luxemburg 1 233 f. – Niederlande 1 215 – Österreich 1 263 – Pflichtteilsverzicht, Unterscheidung 2 146 – Polen 1 280 – Rechtsgeschäft unter Lebenden 2 123 – relativer Erbverzicht 2 139 ff. – Russland 1 304 – Schenkungskriterium 2 132 – Schottland 1 331 – Schweiz 1 255 f. – Sittenwidrigkeit 2 187 – stillschweigender 2 161 ff. – Tschechische Republik 1 271 – Türkei 1 296 – Unterhalt, Auswirkungen 2 159 – Unwirksamkeitskriterium 2 133 – USA 1 339 – Verzichtsumfang 2 114 – Wales 1 331 – Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle 2 185 – Wirkungserstreckung 2 130 f. Errungenschaftsgemeinschaft – Belgien 1 220 – Italien 1 285 – Kroatien 1 317 – Luxemburg 1 229 – Polen 1 276 – Russland 1 301 – Türkei 1 293
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Ersatzerbe – auflösend bedingt 3 60 – Auslegung 3 41 ff. – Ausschlagungswirkung, Erstreckung 2 236 – Bestimmung 3 35 ff., 158 ff., 308 – Erbausgleichungspflicht 2 278 – Ersatzerbenbelehrung 3 163 – Ersatzerbenkette 3 57 – Pflichtteilsverlangen des Erstberufenen 3 54 – Schwiegerkind 3 60 – tatsächliche Vermutung 3 41 ff. Ertragsnießbrauch – Rentenwahlrecht 7 124 – Unternehmerehegatte 7 123 f. Ertragsteuer – Einzelunternehmen 7 49 f. – Erbengemeinschaft, Auseinandersetzung 7 20 – Frankfurter Testament 7 24 ff. Ertragswertanordnung – landwirtschaftliche Übergaben 2 204 ff., 231 ff. – Pflichtteilsberechnung 2 231 ff. Ertragswertverfahren – Grundstücksbewertung 1 380 Erwerb von Todes wegen – Definition 1 355 Estate Planning – Nachlassplanung 1 346 EuErbVO 1 128 ff. – Änderung des EGBGB 9 92 ff. – Anwendungsbereich 1 132 – Erbfälle ab dem 17.8.2015 1 142, 167 ff.; 9 84 ff. – Erbfälle bis 16.8.2015 1 137 ff. – Erbstatut 1 128, 131 – Erbvertrag 1 196 ff. – Europäisches Nachlasszeugnis 1 129 – Formvorschriften 1 165 ff. – gemeinschaftliches Testament 1 193 f. – gewöhnlicher Aufenthalt 1 182 – güterrechtliche Erbteilserhöhung 1 152 ff. – internationale Zuständigkeit 1 128 – materielle Wirksamkeit 1 167 ff., 192 – Nachlassspaltung 1 133 – Nichtanwendbarkeit 1 246, 291, 299 – Prinzip der Einheit des Erbstatuts 2 223 – Rechtswahl 1 181 ff. – Schweizer Wohnsitz 1 134 f. Europäisches Nachlasszeugnis – Erbfälle ab dem 17.8.2015 9 74 ff. – Erbfälle ab dem 17.8.2015, Änderungen 9 84 ff. Europäisches Testamentsregister 1 128
Stichwortverzeichnis FamFG – Änderung 9 88 ff. Familieneigenheim – bewertungsbedingte Gestaltungen, Wegfall 1 416 – Erbvertragsgegenstand 4 15 – Fortdauer der Begünstigung ehebedingter Zuwendungen 1 386 – Kinder oder Kinder vorverstorbener Kinder 1 387 – Schottland, Prior Rights 1 328 – Selbstnutzung 1 400 f. – überlebender Ehe- oder Lebenspartner 1 382 ff. – Verschonungsregelungen 1 382 ff. Familienerbfolge – minderjährig Adoptierte 2 9 – nichteheliche Kinder 2 11 ff. – volljährig Adoptierte 2 10 Familienrechtliche Genehmigung – Erbausschlagung, Eltern 8 30 ff., 35 ff. – Erbschaftsausschlagung, sonstige gesetzliche Vertreter 8 42 ff. – minderjähriger Erbe 8 35 ff. Fiskus – Erbe 3 23 – Erbschaftsausschlagung 8 27 – Erbscheinsantragsberechtigter 9 12 – Haftungsbeschränkung 2 42 Formvorschriften – Deutsches Internationales Erbrecht 1 165 ff. – eigenhändiges Testament 1 60 ff. – gemeinschaftliches Testament 1 195 – HTestformÜ 1 188 – Nottestament 1 54 ff. – Überblick 1 48 ff. Frankfurter Testament – Unternehmensnachfolge 7 24 ff. Frankreich – deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 2 30 – eingetragene Lebenspartnerschaft 1 241 – Erbausschlagung 1 243 f. – Erbstatut 1 236 – Erbvertrag 1 245 – Erbverzicht 1 243 f. – gemeinschaftliches Testament 1 245 – gesetzliches Erbrecht 1 239 ff. – Pflichtteilsrecht 1 242 – Pflichtteilsverzicht 1 243 f. – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 237 f. – Zugewinngemeinschaft 1 238 Freibeträge – Erbschaftsteuer 1 411 ff.
Geldvermächtnis – auflagenfrei 5 194 f. – Behinderter 6 110, 140 ff. – hinausgeschobene Erfüllung 5 198 ff. – Untervermächtnis auf Nutzung durch überlebenden Ehegatten 5 196 Gemeinsames Versterben – Ehegattentestament 5 88 ff. – Gleichzeitigkeitsklausel mit Pflichtteilsverzicht 5 93 f. – Herausgabevermächtnis 5 92 f. – Vorsorge für minderjährige Kinder 5 185 ff. Gemeinschaftliches Testament – Änderung des BGB 9 96 – Änderungsvorbehalt 5 113 ff. – Anerkennung im Ausland 1 163 f. – Anwendung erbvertraglicher Vorschriften 5 54 – Ausschlagung 5 39 ff. – äußerlich einheitliche Urkunde 5 15 – Belgien 1 226 – Berliner Testament 5 67 f. – Dänemark 1 208 – eigenhändiges 1 53 – einseitige Verfügungen, Widerruf 5 20 – England 1 333 – EuErbVO 1 167 ff., 193 ff. – Formvorschriften 1 53, 195 – Frankreich 1 245 – gemeinsame Rücknahme aus amtlicher Verwahrung 5 22 f. – getrennte Urkunden 5 15 – Griechenland 1 314 – Italien 1 290 – Jastrow’sche Klausel 2 237; 5 130, 137 ff. – Kroatien 1 323 – Lebenspartner 5 14 – Luxemburg 1 235 – materielle Wirksamkeit 1 193 f. – Niederlande 1 216 – Österreich 1 264 – Patchwork-Familie 6 17 – Pflichtteilsstrafklauseln 5 129 ff. – Polen 1 282 – Rechtswahl 1 175 f. – Rechtswahl nach EuErbVO 1 193 f. – Russland 1 306 – Schottland 1 333 – Schweiz 1 257 – Selbstanfechtung, Vorausverzicht 5 126 – Selbstanfechtungsverzicht 5 122 ff.; 6 18 – Tschechische Republik 1 273 – Türkei 1 298
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Stichwortverzeichnis – Unterschied zum Ehegattenerbvertrag 5 55 ff. – USA 1 340 – Verfügungen, Widerruf 5 19 ff. – Wales 1 333 – wechselbezügliche Verfügungen 5 14, 21 ff., 113 ff.; s.a. dort – Widerruf 5 19 ff., 120 f.; s.a. Wechselbezügliche Verfügung – Widerruf – Widerrufstestament 5 20 – Wiederverheiratungsklausel 5 148 ff. – Zuwendungsverzicht 5 223 ff., 254 Genehmigung – familienrechtliche s. Familienrechtliche Genehmigung Gepräge-GmbH & Co KG – Sonderbetriebsvermögen 7 38 Gesamtrechtsnachfolge – Alleinerbe 3 3 f. – Erbeinsetzung 3 1 ff. – Erbenbestimmung 3 19 ff. – Erbengemeinschaft 3 5 ff. – Zuweisung einzelner Gegenstände 3 10 ff. Geschiedenentestament 3 167 – Dieterle-Klausel 6 24 ff.; 3 130; 7 112 ff. – geschiedener Ehegatte, Ausschaltung 6 21 f. – Gestaltungstypen 6 23 ff., 64 ff. – Herausgabevermächtnis auf den Überrest, aufschiebend befristetes 6 39 ff. – Herausgabevermächtnis, Pflichtteilsfestigkeit 6 43 ff. – Herausgabevermächtnis, Rechtsstellung des Erben 6 46 ff. – Herausgabevermächtnis, Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers 6 52 – Kombinationslösung 6 69 – minderjährige Abkömmlinge 6 38 – Nacherbenlösung 6 24 ff. – Nacherbfolge, weitere 6 37 – Pflegerbenennung 6 38 – Vermächtnisnehmerbestimmung 6 55 ff. – Verwaltungsausschluss 6 38 Gesellschaft – GmbH-Anteil, Übertragung 10 70 – Kommanditanteil, Übertragung 10 69 – Vorsorgevollmacht 10 21 ff. Gesellschaftsbeteiligung – Eintrittsklausel 7 89 f. – lebzeitige Nachfolgeregelungen 7 89 ff., 92 ff. – Mitgliedschaft des persönlich haftenden Gesellschafters 7 51 ff.; s.a. Persönlich haftender Gesellschafter – Mitgliedschaft – Nachfolgerecht 7 91
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– Personengesellschaft 7 29 ff., 51 ff. – persönlich haftender Gesellschafter 7 51 ff. Gesellschaftsgründungsklausel – letztwillige – Beteiligung statt Abfindung 7 199 ff. – Hinauskündigungsklausel 7 202 ff. – Interessenlage 7 198 ff. Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen – Abfindungsausschluss 2 218 – Fallgruppen 2 217 ff. – Gesellschaftsgründung ohne Einlageverpflichtung 2 219 – vermögensverwaltende Gesellschaften 2 219 Gesetzliche Erbfolge 2 1 ff. – deutsch-deutsche Erbfälle 2 44 ff. – Ehegatte 2 22 ff. – Erbberechtigung, Reihenfolge 2 16 – Erbeinsetzung, unwirksame 2 2 – Erbordnungen 2 8 ff. – Erbschein 9 17 – Familienerbfolge 2 8 ff.; s.a. dort – Fiskuserbrecht 2 42 – mehrfache Verwandtschaft 2 40 – Partner eingetragener Lebenspartnerschaft 2 48 ff. – Testierfreiheit 2 2 – verwandter Ehegatte/Lebenspartner 2 41 – Wegfall gesetzlicher Erben 2 43 Gesetzliche Vertretung – Erbausschlagung 8 28 ff. – Genehmigung, familiengerichtliche 8 30 ff., 35 ff. – Kontrollvertreter 8 48 – Vormund/Betreuer/Pfleger 8 42 – Wohnsitzbegriff 8 11 ff. Gleichgeschlechtliche Ehegatten – belgisches Erbrecht 1 222 – luxemburgisches Erbrecht 1 231 Gleichzeitiges Versterben – Auslegung 6 7 – Ehegattenpflichtteil 6 10 – Erbschaftssteuer 6 8 – Patchwork-Familie 6 6 ff. – unverheiratete Paare 6 9 – Vermutung 6 7 GmbH – Alleingesellschafter-Testament 7 215 – Geschäftsanteil, Nießbrauch 7 126 – Geschäftsanteil, Übertragung 10 70 – Geschäftsanteil, Vererbung 2 6; 7 100 ff. – Testamentsvollstreckung 7 192 ff. GmbH – Testamentsvollstreckung – gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre 7 194
Stichwortverzeichnis – Testamentsvollstreckervermerk 7 195 – Verwaltungsvollstreckung 7 192 ff. Griechenland – Erbausschlagung 1 313 – Erbstatut 1 307 – Erbvertrag 1 314 – Erbverzicht 1 312 – gemeinschaftliches Testament 1 314 – gesetzliches Erbrecht 1 310 – Pflichtteilsrecht 1 311 – Pflichtteilsverzicht 1 312 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 308 f. – Zugewinngemeinschaft 1 309 Grundbuch – Erbschein, Vorlage 9 65 – Nacherbenvermerk 3 67 – Nacherbenvermerk, Löschung 3 70 ff. – Nacherbenvermerk, Surrogatgrundstück 3 68 – Testamentsvollstreckervermerk 3 346 Grundeigentum – Berliner Testament 1 342 – Bewertung 1 375 ff. – bewertungsbedingte Gestaltungen, Wegfall 1 416 – dingliche Belastung 2 109 – Einbringung in Gesellschaft 1 144 – Gestaltungsmöglichkeiten nach der Reform 1 400 f. – in Frankreich belegenes 1 144 – Nachlassermittlung 1 342 – Nachvermächtnis 3 271 – Verschonungsregelungen 1 382 ff. Grundschuld – Bestellung, Vorerbe 3 81 Grundstücksbewertung – bebaute Grundstücke 1 377 – Ertragswertverfahren 1 380 – Sachwertverfahren 1 381 – unbebaute Grundstücke 1 376 – Vergleichswertverfahren 1 379 Grundstücksnießbrauch 3 199 – Grundbesitzübertragung durch Eltern 10 59 – Unternehmerehegatte, Versorgung 7 121 Grundstücksübertragung – an Minderjährige 10 53 – Nacherbenvermerk, Eintragung 3 68 – Nacherbenvermerk, Surrogatgrundstück 3 68 – Nießbrauchsvorbehalt 10 59 – Vermächtniserfüllung durch Auflassung 10 71 ff. – vermieteter/verpachteter Grundbesitz 10 60
Grundstücksvermächtnis – Bewertung 7 27 f. Gütergemeinschaft – Dänemark 1 203 – Ehegattenerbrecht 2 29 – fortgesetzte Gütergemeinschaft 2 32 – Niederlande 1 211 – Pflichtteilsanspruch 2 76 Güterrechtliche Erbteilserhöhung – aufgrund Zugewinngemeinschaft 1 152 ff. – Gütertrennung 1 157 ff. Güterstand – deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 2 30 – deutsch-französisches Abkommen 1 238 – Ehegattenerbrecht 2 26 ff. – fortgesetzte Gütergemeinschaft 2 32 – Gütergemeinschaft 2 29 – Güterstandswechsel durch Ehevertrag 2 103 – Güterstatut Belgien 1 219 f. – Güterstatut Dänemark 1 202 f. – Güterstatut England 1 325 – Güterstatut Frankreich 1 237 f. – Güterstatut Griechenland 1 308 f. – Güterstatut Italien 1 284 – Güterstatut Kroatien 1 316 f. – Güterstatut Luxemburg 1 228 f. – Güterstatut Niederlande 1 210 f. – Güterstatut Österreich 1 259 f. – Güterstatut Polen 1 275 – Güterstatut Russland 1 300 f. – Güterstatut Schottland 1 325 – Güterstatut Schweiz 1 250 ff. – Güterstatut Tschechische Republik 1 266 f. – Güterstatut Türkei 1 292 f. – Güterstatut USA 1 335 f. – Güterstatut Wales 1 325 – Gütertrennung 2 31 – Zugewinngemeinschaft 2 27, 33 ff. Güterstandswechsel – Ehevertrag 2 103, 214 ff. Gütertrennung – Auslandsberührung 1 158 – Ehegattenerbrecht 2 31 – England 1 326 – Pflichtteilsanspruch 2 76 – Schottland 1 326 – Wales 1 326 Handelsregister – Testamentsvollstreckervermerk 3 347 Hartz IV s. Arbeitslosengeld II-beziehender Abkömmling
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Stichwortverzeichnis Heimgesetze – Adressaten 1 38 ff. – Anwendungsbereich 1 31 ff. – Ausnahmegenehmigung 1 41 ff. – Betroffene 1 35 f. – Definitionen 1 35 ff. – Haftungsrisiken 1 44 ff. – Heimmitarbeiter 1 38 ff. – maßgebender Zeitpunkt 1 37 – Schutzzweck 1 29 – Verbotsgesetz 1 28 ff. Herausgabevermächtnis – auf den Überrest 6 39 ff. – Dieterle-Klausel 6 62 – Eigengläubiger des Erben 6 50 – keine Publizität der Beschränkung 6 51 – Nutzungen und Lasten 6 49 – Pflichtteilsfestigkeit 3 252 ff.; 6 43 ff. – Rechtsverhältnis 3 248 ff. – statt Vor- und Nacherbfolge 5 76 ff. – Surrogation 6 52 – Tod des Erben 3 245 ff. – Verfügungen des Erben zugunsten ausgeschlossener Personen 6 48 – Verfügungsrechte des Erben 6 46 f. – Vermächtnisanwartschaft 3 247; 6 53 – Vermächtnisnehmer, Bestimmung 6 55 ff., 62 – Vermächtnisnehmer, Rechtsstellung 6 52 – Vormerkung 6 54 Hinauskündigungsklausel – Unternehmensnachfolge 7 202 ff. Hinkendes Rechtsverhältnis 1 149 ff. Hohenzollern-Entscheidung – Ebenbürtigkeitsklausel 1 4 ff. Hörbehinderung – Vermerke beim notariellen Testament 1 93 HTestformÜ 1 188 Insolvenz – Erbausschlagung 8 5 Internationale Pflichtteilsstrafklausel 1 147 f. Internationale Zuständigkeit – Erbausschlagung 8 19 – Erbscheinsverfahren 9 9 – EuErbVO 1 128 Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz 9 86 ff. Italien – Erbausschlagung 1 289 – Erbstatut 1 283 – Erbvertrag 1 290 – Erbverzicht 1 288 f. – Errungenschaftsgemeinschaft 1 285
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– – – – –
gemeinschaftliches Testament 1 290 gesetzliches Erbrecht 1 286 Pflichtteilsrecht 1 287 Pflichtteilsverzicht 1 288 f. Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 284
Jastrow’sche Klausel – Ehegattentestament 5 130, 137 ff. – Pflichtteilsstrafklauseln 2 237 Jüngere Ehegatten – Berliner Testament mit Befreiung für künftigen Vermögenserwerb 5 219 – Ehegattentestament 5 213 ff. – gegenseitige Erbeinsetzung 5 218 – kinderlose 5 213 ff. – lediglich gegenseitige Erbeinsetzung 5 213 f. – mit minderjährigen Kindern 5 217 ff. – Rückflusslösung 5 216 – Vorerbeneinsetzung, gegenseitige 5 215 Kapitalgesellschaften – Aktiengesellschaft s. dort – Beteiligungen, Schonvermögen 1 406 – GmbH s. dort – nicht börsennotierte Anteile, Bewertung 1 371 – Steuersätze 1 410 f. – Unternehmenswerte, überhöhte 1 407 Kapitalvermächtnis – wertgesichtertes 3 237 Kinderfreibetrag – Berliner Testament 5 189 ff. – Supervermächtnis 5 204 ff. – Vermächtnislösungen 5 192 ff.; s.a. Geldvermächtnis Kirche – als Schlusserbe 5 118 Kommanditgesellschaft – Fortsetzung mit den Erben 7 95 ff. – Kommanditanteil, Testamentsvollstreckung 7 188 f. – Kommanditanteil, Übertragung 10 69 – Kommanditanteil, Vererbung 7 95 ff. – Mitgliedschaft persönlich haftenden Gesellschafters, Vererbung 7 51 ff. – qualifizierte Nachfolgeklausel 7 98 f. – Tod eines Gesellschafters, Rechtsfolgen 7 51 ff. – Wahlrecht des Erben 7 81 f. Körperliche Beeinträchtigung – Testamentserrichtung 1 93 Kroatien – Erbausschlagung 1 322 – Erbstatut 1 315 f. – Erbvertrag 1 323
Stichwortverzeichnis – Erbverzicht 1 321 – Errungenschaftsgemeinschaft 1 317 – gemeinschaftliches Testament 1 323 – gesetzliches Erbrecht 1 318 f. – nichteheliche Lebensgefährten 1 319 – Pflichtteilsrecht 1 320 – Pflichtteilsverzicht 1 321 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 316 f. Land- und fortwirtschaftliches Vermögen – Bewertung 1 373 f. Landwirtschaftliche Übergaben – Ertragswertanordnung 2 204 ff. – Pflichtteilsberechnung zum Ertragswert 2 231 ff. Lebenspartner – eingetragener s. Eingetragener Lebenspartner Lebensversicherung – Nachlassermittlung 1 344 – Pflichtteilsergänzung 2 105 ff. – testamentarischer Widerruf eines Bezugsrechts 1 112 Lebzeitige Zuwendungen – Ausgleichung, Berechnung 2 289 ff. – Ausgleichungsvorbehalte 2 295 ff. – Ausstattung 2 270; 10 76 – Aussteuer 2 270 – beschränkt geschäftsfähiges minderjähriges Kind 10 54 ff. – Ehegattenzuwendung 10 77 – Erbausgleichung 2 257 ff., 348 ff.; 10 68; s.a. dort – Ermächtigung des Vorerben 3 114 f. – geschäftsunfähiges minderjähriges Kind 10 45 ff. – GmbH-Anteil, Übertragung 10 70 – Grundbesitzübertragung durch Eltern 10 59 – lediglich rechtlicher Vorteil 10 58 – Nießbrauchsvorbehalt 10 59 – Pflichtteilsanrechnung 2 257 ff.; 10 63 – Pflichtteilsanrechnung bei Ehegatten 2 352 ff. – Rücktrittsvorbehalt 10 61 – Schenkung 2 271 ff. – Übermaßzuschüsse/-ausbildungsaufwendungen 2 270 – vermieteter/verpachteter Grundbesitz 10 60 – Wohnungs- und Teileigentum 10 62 – Zuwendungsarten, Differenzierung 2 270 ff. Leihmutterschaft – Erbberechtigung des Kindes 2 18 Leseunkundigkeit – Testierfähigkeit 1 117
– Vermerke beim notariellen Testament 1 93 Letztwillige Stiftung – Anerkennung 6 186 – Destinäre 6 184 – Grundlagen 6 168 – Kontrollorgane 6 182 f. – Name 6 175 – private 6 187 – Satzung 6 174 – Satzung, Änderungen 6 185 – Sitz 6 176 – Stiftungsaufsicht 6 186 f. – Stiftungsgeschäft von Todes wegen 6 172 f. – Stiftungsrecht, Modernisierung 6 170 f. – Unternehmertestament 7 18 – Vermögen 6 178 ff. – Vorstand 6 181 – Zweck 6 177 Letztwillige Verfügung – Apothekeninhaber 6 188 ff. – Behindertentestament 6 70 ff. – Einzeltestament 4 1 ff. – Formfragen 1 48 ff. – Geschiedenentestament 6 21 ff. – Heimgesetze 1 28 ff. – Patchwork-Familie 6 1 ff. – Sorgerechtsausschluss 3 400 – überschuldeter Abkömmling 6 151 ff. – Unternehmertestament 7 1 ff. – Versorgung von Tieren 6 163 ff. – Vormundsbenennung 3 400 Luxemburg – Erbausschlagung 1 233 f. – Erbstatut 1 227 – Erbvertrag 1 235 – Erbverzicht 1 233 f. – Errungenschaftsgemeinschaft 1 229 – gemeinschaftliches Testament 1 235 – gesetzliches Erbrecht 1 230 f. – gleichgeschlechtliche Ehegatten 1 231 – Pflichtteilsrecht 1 232 – Pflichtteilsverzicht 1 233 f. – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 228 f. Maßgeblichkeitsprinzip 1 351 Mätressentestament 1 11 Mehrfachbegünstigung – pflichtteilsrechtliche, Ausschluss 2 64 ff. Mehrfachbehinderung – Vermerke beim notariellen Testament 1 93
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Stichwortverzeichnis Minderjähriger – Ausstattung 10 76 – GmbH-Anteil, Übertragung 10 70 – Grundstücksveräußerung 10 53 – Kommanditanteil, Übertragung 10 69 – lediglich rechtlicher Vorteil 10 58 ff. – Pflichtteilsanrechnung 2 317; 10 63 ff. – Sorgerechtsausschluss 3 400 – Testierfähigkeit 1 115 ff. – Vermächtniserfüllung durch Auflassung 10 71 ff. – vermieteter/verpachteter Grundbesitz 10 60 – Vormundsbenennung 3 400 – vorweggenommene Erbfolge 10 45 ff. Minderjähriger Erbe – Einzelunternehmen, Fortführung 7 47 – Erbausschlagung 8 29 – Erbausschlagung, gesetzliche Vertretung 8 30 ff.; s.a. dort – Erbschaftsverwaltung, Ausschluss der Eltern 5 184 – Genehmigung, familiengerichtliche 8 30 ff. – Herausgabevermächtnis auf den Überrest, aufschiebend befristetes 6 39 ff. – Herausgabevermächtnis, Rechtsstellung 6 46 ff. – Pflegerbenennung 6 38 – Vaterschaftsanfechtung 8 31 – Vermögens- und Personensorge 5 184 ff. – Verwaltungsausschluss, geschiedenes Elternteil 6 38 – Vormundbestellung 5 185 ff. – Vorsorge bei gemeinsamem Versterben 5 185 ff. – Wohnsitzbegriff 8 11 ff. Nacherbe – auflösende Bedingung 3 128 f. – bedingte Nacherbeneinsetzung 3 386; 5 152 ff. – beschränkt auf Immobilien 5 221 – eigene Erben des Vorerben 3 130 – Erbausschlagung 8 24 – Kontroll- und Sicherungsrechte 3 89 f. – lebzeitige Übertragung einer Apotheke 6 244 ff. – Mitverwaltungsrechte 3 88 – Nacherbenanwartschaft, Veräußerung 3 145 ff. – Nacherbenanwartschaft, Vererbung 3 156 ff. – Nacherbenvermerk, Grundbucheintragung 3 67 ff. – Nacherbenvollstreckerzeugnis 9 61 f. – Nacherbenvollstreckung 3 333 ff.
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– unbekannte 3 127 – Verwaltungspflichten, Lastenverteilung 3 91 – weitere 3 123 ff. – Zustimmungserfordernisse 3 82 f. Nacherbenanwartschaft – Veräußerung 3 145 ff. – Vererbung 3 156 ff. Nachfolgeklauseln – Eintrittsklausel 7 34 – erbrechtliche 7 67 f. – erbrechtliche, gescheiterte 7 76 – erbrechtliche qualifizierte 7 53 – Fortsetzungsklausel 7 32 – Kommanditgesellschaft 7 95 ff. – lebzeitige, Eintrittsklausel 7 89 f., 92 f. – Nachfolgeklausel, qualifizierte 7 33 – Personengesellschaft, Beteiligung 7 29 ff. – rechtsgeschäftliche 7 94 Nachlass – Apotheke 6 188 ff. – Ermittlung 1 341 – gesamthänderische Bindung 2 4 – Grundsatz der Nachlasseinheit 1 136 – Nachlassspaltung 1 136 ff. – Nießbrauchvermächtnis 3 195 ff. – Teilungsanordnung 3 295 ff. – Zuweisung 3 10 ff. – Zuweisung, überquotale 3 298 – Zuweisung, Vermächtnis 3 173 ff. Nachlassermittlung – Auslandsvermögen 1 345 – Betriebsvermögen 1 343 – Erbbaurecht 1 342 – Frageliste mit Problemansätzen 1 342 ff. – Grundstücke 1 342 – Lebensversicherung 1 344 – Nachlassplanung 1 346 – Verträge auf den Todesfall 1 344 Nachlassgericht – Erbausschlagung 8 6 Nachlassplanung – Estate Planning 1 346 – nach Reimann 1 346 f. – Nachlassspaltung 1 145 – Pflichtteilsrechte 1 145 Nachlassspaltung 1 136 ff. – ausländischer Erblasser 1 137 ff. – ausländisches Kollisionsrecht 8 59 f. – deutsch-deutsche Nachlassspaltung 8 71; 9 56 – deutscher Erblasser 1 141 – Erbfälle ab 17.8.2015 1 142 – Erbfälle bis 16.8.2015 1 137 – Erbschaftsausschlagung 8 59 f., 71
Stichwortverzeichnis – gesonderte Verfügungen 1 143 – internationale Pflichtteilsstrafklausel 1 147 f. – Pflichtteilsansprüche 1 143, 145 – Rechtsfolgen 1 143 ff. – Rechtswahl 1 171 ff. – Vermeidung 1 144 Nasciturus – Erbschaftsausschlagung 8 25 f. Nichteheliche Kinder – Erbausgleich 2 11 – Familienerbfolge 2 11 ff. – Pflichtteilsergänzungsanspruch 2 15 Nichteheliche Lebenspartner – Dänemark 1 205 – Kroatien 1 319 – Tschechische Republik 1 269 Nichterbe – Nachlassgegenstand, Zuweisung 3 18 Niederlande – Erbausschlagung 1 215, 217 – Erbstatut 1 209 – Erbvertrag 1 216 – Erbverzicht 1 215 – gemeinschaftliches Testament 1 216 – gesetzliches Erbrecht 1 212 f. – Gütergemeinschaft 1 211 – Pflichtteilsrecht 1 214 – Pflichtteilsverzicht 1 215 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 210 f. Nießbrauch – am Unternehmen 7 122 – entgeltlicher 3 207 – Ertragsnießbrauch 7 123 f. – gesellschaftliche Beteiligung 7 84 – GmbH-Anteil 7 126 – Grundstücksnießbrauch, 7 121 – Inhalt 3 188 ff. – Nießbrauchsgegenstände 3 193 – Personengesellschaftsanteile, Nießbrauch 7 126 Nießbrauchsvermächtnis – am Erbteil 3 198 – am Nachlass 3 195 ff. – Bruchteilsnießbrauch 3 200 f., 207 – Bruttonießbrauch 3 205 – Eigentümer, Erhaltungspflichten 3 206 – Einzelunternehmen 3 211 – erbschaftsteuerliche Behandlung 3 194 – für den zweiten Ehegatten 5 222 – Gestaltungsformen 3 203 – Grundpfanddarlehn bei Renovierung/ Sanierung 3 209 f. – Grundstücksnießbrauch 3 199 – Nießbrauchsvermächtnis 7 121
– – – –
Rechtsverhältnis 3 202 f. Rentenwahlrecht 3 208 Unternehmensbeteiligungen 3 211 Unternehmerehegatte, Versorgung 7 121 – Vor- und Nacherbschaft 3 171 f. – wirtschaftlicher Eigentümer 3 204 Notar – Ablieferungspflicht nach Erbfall 5 45 ff. – mit Amtssitz im Ausland 3 365 f. – Testamentsvollstrecker 3 358 ff. Notariell beurkundetes Testament – Anerkennung deutscher Gestaltungsmöglichkeiten im Ausland 1 161 – Vermerke bei Einschränkungen des Erblassers 1 93 Nottestament – Bürgermeister 1 55 ff. – Rücknahme aus öffentlicher Verwahrung 1 109 – Widerruf 1 109 Nutzungsvermächtnis – für den Ehegatten 5 222
Offene Handelsgesellschaft – Mitgliedschaft persönlich haftenden Gesellschafters, Vererbung 7 51 ff. – Testamentsvollstreckung 7 168 ff. – Tod eines Gesellschafters, Rechtsfolgen 7 51 ff. Öffentliches Testament – besondere amtliche Verwahrung 1 74 ff. – beurkundete Errichtung 1 70 ff. – elektronische Übermittlung 1 76 ff. – Erbnachweis 1 97 ff. – Erklärung zur Niederschrift eines Notars 1 70 ff. – Gleichwertigkeit mit eigenhändigem 1 94 ff. – Rücknahme 1 75 – Testamentsvollstreckernachweis 1 97 ff. – unzutreffender Vorname 1 73 – zentrales Testamentsregister 1 76 ff. – Zeugen 1 73a Österreich – Erbausschlagung 1 263 – Erbstatut 1 258 – Erbvertrag 1 264 – Erbverzicht 1 263 – gemeinschaftliches Testament 1 264 – gesetzliches Erbrecht 1 261 – Pflichtteilsrecht 1 262 – Pflichtteilsverzicht 1 263 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 259 f.
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Stichwortverzeichnis Patchwork-Familie – Einheitslösung 6 3 – Erbvertrag, Rücktrittsvorbehalt 6 18 – gemeinschaftliches Testament 6 17 – geschiedener Ehegatte, Ausschaltung 6 19 – gleichzeitiges Versterben 6 6 ff. – Schlusserbeneinsetzung, bindende 6 15 ff. – Selbstanfechtungsverzicht 6 18 – Stiefkinder, Unterhaltssicherung 6 13 f. – Testament 6 1 ff. – Trennungslösung 6 3 – überschuldete Abkömmlinge 6 20 – wechselbezügliche Verfügungen 6 16 Patientenverfügung 10 1 ff. – Grundsätze des BGH 10 15 f. – Organspende 10 19 – Patientenverfügungsgesetz 10 17 – Registrierung 10 20 Personengesellschaft – Alleinerbschaft 7 41 ff. – Eintrittsklausel 7 34, 92 f. – Eintrittsrecht aufgrund lebzeitiger Vereinbarung 7 89 f. – Fortsetzungsklausel 7 32 – lebzeitige Nachfolgeregelungen 7 89 ff. – lebzeitige Nachfolgeregelungen, Rechtsfolgen 7 92 ff. – Mitgesellschafter, Testament 7 214 – Mitgliedschaft, Erlöschen 2 6 – Mitgliedschaft, Vererblichkeit 2 6 – Nachfolgeklausel, qualifizierte 7 33 – Nachfolgeklauseln 7 29, 31 ff., 91 – Nachfolgeklauseln, rechtsgeschäftliche 7 94 – Nießbrauch 7 126 – persönlich haftender Gesellschafter 7 51 ff. – Sonderbetriebsvermögen 7 30 ff., 35 ff.; s.a. dort – Sondernachfolge, gesellschaftsrechtliche 7 36 ff. – Testamentsvollstreckung 7 168 ff. – Tod eines Gesellschafters, Rechtsfolgen 51 ff. – Umwandlungsanordnung 7 184 ff. Personengesellschaft – Testamentsvollstreckung – Beschränkung 7 177 – BGB-Gesellschaft 7 168 ff. – Ersatzlösungen 7 182 f. – Gesellschafter, Zustimmung 7 173 ff. – gesellschaftsrechtliche Kernbereichslehre 7 177 – Kommanditbeteiligung 7 188 f.
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– Offene Handelsgesellschaft 7 168 ff. – Tauglichkeit 7 181 – Treuhandlösung 7 182 f. – Umwandlungsanordnung 7 184 ff. – Vollmachtlösung 7 182 f. – Weisungsgeberlösung 7 182 f. Persönlich haftender Gesellschafter – Alleinerbe 7 58 – Anteilsanwachsung 7 56 – Beteiligungswert, Vorausvermächtnis 7 69 – durch Vermächtnis 7 78 ff. – Eintrittsklausel 7 54 – Erbe, Ausscheiden 7 55 ff. – Erbengemeinschaft 7 60 ff. – erbrechtliche Nachfolgeklauseln 7 53 – Gesellschaftsrecht, Vorrang 7 60 – lebzeitige Nachfolgeregelungen 7 89 ff. – Mitgliedschaft, Vererbung 7 51 ff. – Nachfolgeberechtigte, Auswahl 7 70 – Nachfolgeklausel 7 29 ff., 91 – Nachfolgeklausel, erbrechtliche 7 67 f. – Nachfolgeklausel, erbrechtliche, gescheiterte 7 76 – Nachfolgeklausel, rechtsgeschäftliche 7 54 – Nachfolger-Miterben, Wertausgleich 7 69 – Nießbrauch 7 84 – Sondererbfolge, Beschränkung 7 71 ff. – Sondererbfolge und Sonderbetriebsvermögen 7 86 ff. – Sondererbfolge, Verhältnis zu übrigen Nachlassbeteiligten 7 75 – Sondernachfolge, erbrechtliche 7 61 ff. – Umwandlungsermächtigung 7 81 f. – Unterbeteiligung 7 84 – Wahlrecht 7 81 f. Pflegeausgleich – Ausgleichungsanspruch 2 281 ff. – Ausschluss 2 288 Pflichtteil – Ehegatte, Wahlrecht 2 78 ff. – großer Pflichtteil 2 79 – internationale Pflichtteilsstrafklausel 1 147 f. – kleiner Pflichtteil 2 81 ff. – Zusatzpflichtteil 2 79 Pflichtteilsanrechnung – Anrechnungsbestimmung 2 315 ff. – Anrechnungsbestimmung ggü. Ehegatten 2 337 ff. – Anrechnungsbestimmung, nachträgliche 2 328 – Anrechnungsbestimmung, unterlassene 2 331 ff.
Stichwortverzeichnis – – – –
Aufhebung, nachträgliche 2 327 f. Ausstattung 2 261 ff. Berechnung 2 334 ff. Darlegungs- und Beweislast 2 322 – Ehegatte, Besonderheiten 2 352 ff. – Eigengeschenke, Berücksichtigung 2 331 ff. – Form 2 323 – Kumulation mit Erbausgleichung 2 339 ff. – lebzeitige Zuwendung 2 257 ff.; 10 63 ff. – lediglich rechtlicher Vorteil 10 63 ff. – minderjähriger Pflichtteilsberechtigter 2 317 – nachträgliche 2 324 – Pflichtteilshöhe, Gesamtvergleich 2 343 ff. – Schenkung 2 262 – Übermaßzuschüsse/-ausbildungsaufwendungen 2 261 – Wegfall anrechnungspflichtigen Abkömmlings 2 325 f. – Wesen 2 314 – Zuwendungen an Gesellschaft 2 316 Pflichtteilsanspruch – ausländische Immobilien 2 221 ff. – Definition 2 62 – deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 2 76 – Einsetzung lediglich als Vermächtnisnehmer 2 74 – Enterbung des Berechtigten 2 69 – Erbeinsetzung mit Beschränkungen/Beschwerungen 2 70 – Erbeinsetzung unter der Pflichtteilsquote 2 73 – Gütergemeinschaft 2 76 – Gütertrennung 2 76 – Nachlassspaltung 1 143 – Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht 6 160 ff. – Pflichtteilsverzichtsvertrag 2 78 ff. – Sozialhilfeträger, Überleitung 6 76 ff., 95, 102 – Sozialleistungsempfänger 2 192 ff. – Stundung 2 183 – Wahlrecht 2 71 f., 78 ff. Pflichtteilsberechtigter – Ehegatte 2 78 ff. – Einsetzung lediglich als Vermächtnisnehmer 2 74 – Enterbung 2 69 – Erbeinsetzung mit Beschränkungen/Beschwerungen 2 70
– Erbeinsetzung und zusätzliches Vermächtnis 2 75 – Erbeinsetzung unter der Pflichtteilsquote 2 73 – Zeitpunkt 2 113 Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht – überschuldeter Abkömmling 6 160 ff. Pflichtteilsentziehung – bedingte 2 240 – Beschränkung in guter Absicht 2 256 – böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht 2 250 – Entziehungsgründe 2 244 ff. – Freiheitsentzug wegen vorsätzlicher Straftat 2 251 – Grundsätze 2 238 ff. – Hinterlegung 2 253 – nach dem Leben trachten 2 248 – praktische Bedeutung 2 254 ff. – Streitverkündung 2 253 – Verbrechen, vorsätzliches schweres Vergehen 2 249 – Verzeihung 2 241 f. – Wirkungsbeschränkung 2 252 – Zuwendungsarten, Differenzierung 2 260 Pflichtteilsergänzungsanspruch – Abfindung für Erb-/Pflichtteilsverzicht 2 172 – abschmelzender Zuwendungswert 2 90 – Ausstattung 2 102 – Behindertentestament 6 110 – Bereichseinschränkung 2 111 ff. – Definition 2 63 – ehebedingte „unbenannte“ Zuwendung 2 213 – Eigengeschenke 2 331 ff. – gesellschaftsrechtliche Vorgänge 2 104 – ggü. Zweitbeschenktem 2 89 – Grundstücksschenkung 2 92 – Güterstandswechsel, Ehevertrag 2 103 – Lebensversicherung auf den Todesfall 2 105 ff. – nichteheliche Kinder 2 15 – Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls 2 113 – Pflichtteilsverzicht, Auswirkungen 2 160 – Schenkung aus Pflicht und Anstand 2 96 – Schenkung, gemischte 2 97 – Schenkung, Grundsätze 2 96 ff. – Spenden 2 108 – Übergabeverträge 2 98 ff. – Übertragbarkeit 2 95 – Vererblichkeit 2 95
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Stichwortverzeichnis – vorbehaltene Gegenleistung 2 91 – Zustiftungen 2 108 – Zuwendungen, ehebedingte 2 101 – Zweck 2 89 ff. Pflichtteilslast – abweichende Anordnungen 2 229 f. – Pflichtteilsberechnung zum Ertragswert landwirtschaftlicher Betriebe 2 231 ff. – Verteilung 2 85 ff., 226 ff. Pflichtteilsquote – Ausstattung 2 307 – Erbausgleichungen, Auswirkungen 2 303 ff. – Schenkungen 2 308 – Übermaßzuschüsse/-ausbildungsaufwendungen 2 307 Pflichtteilsrecht – ausländische Privatstiftungen 2 225 – Belgien 1 223 – Dänemark 1 206 – DDR 2 47 – Definition 2 61 – England 1 329 f. – Erblasserverfügungen, beeinträchtigende 2 68 ff. – Frankreich 1 242 – Griechenland 1 311 – Italien 1 287 – Kroatien 1 320 – Luxemburg 1 232 – Mehrfachbegünstigung, Ausschluss 2 64 ff. – nach dem Kind, Patchwork-Familie 6 19 – Nachlassspaltung 1 145 – Niederlande 1 214 – Österreich 1 262 – Pflichtteilsanrechnung 2 314 ff.; s.a. dort – Pflichtteilsentziehung 2 238 ff. – Pflichtteilsflucht in ausländische Rechtsordnungen 2 221 ff. – Pflichtteilslast, Anordnungen 2 226 ff. – Pflichtteilsstrafklauseln 1 21; 2 237 – Pflichtteilsverzichtsvertrag 2 310 – Polen 1 279 – Reform 2009 1 26 ff. – Russland 1 303 – Schottland 1 329 f. – Schweiz 1 254 – Testierfreiheit, Schranke 2 56 ff. – Testierfreiheit, Verhältnis 1 25 – Tschechische Republik 1 270 – Türkei 1 295 – USA 1 338 – Verfassungsrang 1 23 ff. – Wales 1 329 f. – Wertermittlung 2 66
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Pflichtteilsstrafklauseln 1 21 – Abänderungsvorbehalt 5 146 f. – Ehegattentestament 5 11, 129 ff. – einfache 5 130 ff. – Erbschein 9 46 ff. – erweiterte 5 137 ff. – internationale 1 147 f. – Jastrow’sche Klausel 5 130 – Verwirkungsklausel 3 389; 5 133 Pflichtteilsverzicht – Abfindung 2 172 – Abschlusszeitpunkt 2 117 – Anerkennung im Ausland 1 163 f. – Aufhebung 2 196 ff. – auflösende Bedingung 2 182 – ausschließlicher 2 143 ff. – Bedingung 2 124 ff. – Befristung 2 124 ff. – Belgien 1 224 f. – beschränkter 2 173 ff.; s.a. Pflichtteilsverzicht – beschränkter – Beurkundungspflicht 2 148 ff. – Dänemark 1 207 – Ehegatte, Einbeziehung 2 179 – Ehegattenerbvertrag 5 214 – Elternpflichtteil, Auswirkungen 2 158 – England 1 331 – entgeltlicher 2 147 ff. – Erbverzicht, Unterscheidung 2 146 – Erlassvertrag, unentgeltlicher 2 191 – formunwirksamer 2 168 – Frankreich 1 243 f. – gegen Abfindung 2 147 ff.; s.a. Abfindung – Genehmigung, familiengerichtliche 2 169 – Geschäftsfähigkeit 2 169 ff. – gesetzlicher Vertreter 2 169 ff. – Griechenland 1 312 – Grundgeschäft 2 147 ff. – hinausgeschobene Abfindung 154 – Höchstpersönlichkeitsprinzip 2 118 ff. – Italien 1 288 f. – Kollisionsrecht 2 134 – Kroatien 1 321 – Luxemburg 1 233 f. – Niederlande 1 215 – Österreich 1 263 – Pflichtteilsergänzungsanspruch, Auswirkungen 2 160 – Pflichtteilserlassvertrag, unentgeltlicher 2 191 – Polen 1 280 – Rechtsgeschäft unter Lebenden 2 123 – Restschuldbefreiung, Obliegenheitsverletzung 2 195 – Rücktrittsvorbehalt 2 129, 156 – Russland 1 304
Stichwortverzeichnis – – – –
Schottland 1 331 Schweiz 1 255 f. Sozialleistungsempfänger 2 188 f. steuerpflichtige Gegenleistung 2 166 ff. – stillschweigender 2 161 ff. – Tschechische Republik 1 271 – Türkei 1 296 – Übergabevertrag 2 127 f. – Unterhalt, Auswirkungen 2 159 – Unwirksamkeitskriterium 2 133 – USA 1 339 – Vertrag, mit behindertem Kind 6 97 – Verzichtsumfang 2 114 – Wales 1 331 – wiederkehrende Leistungen 2 166 ff. – Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle 2 185 – Wirkungserstreckung 2 130 f. Pflichtteilsverzicht – beschränkter – Ausschlagungsausschluss 2 184 – Betriebsvermögen, Bewertung 2 175 – Bruchteil 2 175 – gegenständlich beschränkter 2 174 – Herausnahme ausgleichungspflichtiger Zuwendungen 2 175 – Höchstbetrag 2 175 – persönliche Beschränkung 2 175 – Pflichtteilsrestanspruch 2 175 – Stundung 2 175 – Stundung des Pflichtteilsanspruchs 2 183 – vorsorglich gegenständlich beschränkter des Ehegatten 2 180 – zugunsten bestimmter Personen 2 181 – Zuwendungsgegenstand 2 177 ff. Polen – Erbausschlagung 1 281 – Erbstatut 1 274 – Erbvertrag 1 282 – Erbverzicht 1 280 – Errungenschaftsgemeinschaft 1 276 – gemeinschaftliches Testament 1 282 – gesetzliches Erbrecht 1 277 f. – gleichgeschlechtliche Lebenspartner 1 278 – Pflichtteilsrecht 1 279 – Pflichtteilsverzicht 1 280 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 275 Postmortale Vollmacht – neben Testamentsvollstreckung 3 379 Potestativbedingungen – Beurteilungszeitraum 1 11 ff. – Ebenbürtigkeitsbestimmungen 1 4 ff. – Pflichtteilsstrafklauseln 1 21 – Prüfungsstufen 1 8 ff. – richterliche Inhaltskontrolle 1 6 ff.
– sittenwidrige 1 6 ff. – unzulässiger Druck 1 15 ff. – Wiederverheiratungsklausel 1 7, 12 ff. Rechtswahl – ausländischer Erblasser 1 171 ff. – ausländisches Internationales Privatrecht 1 179 ff. – deutscher Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland 1 174 – elektronische Übermittlung 1 156 – Erbfälle ab 17.8.2015 1 173 – Erbfälle bis 16.8.2015 1 171 ff. – Erbvertrag 1 175 ff. – EuErbVO 1 182 ff. – gemeinschaftliches Testament 1 175 f. – Nachlassspaltung 1 171 ff. – Scheitern 1 191 – unbewegliches Vermögen 1 171 ff. – Zentrales Testamentsregister 1 156 Rentenvermächtnis – Einsatz 3 223 ff. – Kapitalwahlrecht 3 234 – Leibrentenberechtigter, Sicherheiten 3 229 ff. – Rente, Zivilrecht 3 225 ff. – Sicherheiten, dingliche 3 235 f. – Unternehmerehegatte, Versorgung 7 128 ff. – Zwangsvollstreckungsunterwerfung 3 233 Rentenwahlrecht – Unternehmerehegatte, Versorgung 7 124 Restschuldbefreiung – Pflichtteilsverzicht 2 195 Richterliche Inhaltskontrolle – Bedeutung 1 22 – Hohenzollern-Entscheidung 1 4 ff. – Potestativbedingungen 1 6 ff. Rücktritt – Ehegattenerbvertrag 5 48 – Rücktrittsvorbehalt 5 97 ff.; 6 18 Rücktrittsvorbehalt – Änderungsvorbehalt, Abgrenzung 5 97 ff. – Erbvertrag 6 18 – Patchwork-Familie 6 18 Rumänien – Errungenschaftsgemeinschaft 1 158 Russland – Erbausschlagung 1 305 – Erbstatut 1 299 – Erbvertrag 1 306 – Erbverzicht 1 304 – Errungenschaftsgemeinschaft 1 301 – EuErbVO, Nichtanwendbarkeit 1 299
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Stichwortverzeichnis – – – – – –
gemeinschaftliches Testament 1 306 gesetzliches Erbrecht 1 302 Pflichtteilsrecht 1 303 Pflichtteilsverzicht 1 304 russisches IPR 1 299 Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 300 f.
Sachwertverfahren – Grundstücksbewertung 1 381 Scheidung – Ehegattentestament, Auswirkungen 5 162 ff. – geschiedener Ehegatte, Ausschaltung 6 19 – Schlusserbeneinsetzung, Fortgeltung 5 150 ff. – Verfügungen von Todes wegen, Fortgeltung 5 162 ff. – Vorstadien 5 182 Schenkung s.a. Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen – Abfindungsausschluss 2 218 – abschmelzender Zuwendungswert 2 111, 201 – Ausgleichungsvorbehalte 2 295 ff. – Ausstattung 2 102; 10 76 – Ausstattung, Abgrenzung 2 261 ff. – Bereichseinschränkung 2 111 ff. – beschränkt geschäftsfähiges minderjähriges Kind 10 54 ff. – dinglich belasteter Grundbesitz 2 109 – ehebedingte „unbenannte“ Zuwendung 2 213 – Ehegatte 2 112 – Erbausgleichung 2 257 ff.; 10 68; s.a. dort – Erbausgleichung, Berechnung 2 289 ff. – Ermächtigung des Vorerben 3 98 ff. – formnichtige, Umdeutung 2 110 – Fristen 2 111 f. – Gegenleistungen 203 ff. – gemischte 2 97, 203 – geschäftsunfähiges minderjähriges Kind 10 45 ff. – Gesellschaftsgründung ohne Einlageverpflichtung 2 219 – gesellschaftsrechtliche Gestaltungen 2 217 ff. – gesellschaftsrechtliche Vorgänge 2 104 – GmbH-Anteil, Übertragung 10 70 – Grundsätze 2 96 ff. – Güterstandswechsel, Ehevertrag 2 103 – Kommanditanteil, Übertragung 10 69 – landwirtschaftliche Übergaben 2 204 ff. – Lebensversicherung auf den Todesfall 2 105 ff.
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– – – – –
lediglich rechtlicher Vorteil 10 58 Mitwirkungspflicht 2 202 Pflicht und Anstand 2 96 Pflicht- und Anstandsschenkung 2 96 Pflichtteilsanrechnung 2 257 ff.; s.a. dort – Pflichtteilsberechtigung 2 113 – Pflichtteilsquoten, Auswirkungen 2 308 – Reduzierung 2 203 ff. – Rücktrittsvorbehalt 10 61 – schuldrechtliche Gleichstellungserklärung 2 202 – Spenden 2 108 – Übergabeverträge 2 98 ff. – unter Auflage 2 96 – vermieteter/verpachteter Grundbesitz 10 60 – Wohnungs- und Teileigentum 10 62 – Zustiftungen 2 108 – Zuwendungen, ehebedingte 2 101 Schiedsklausel – Auslandsbezug 3 395 – Pflichtteilsrechte, Ausschluss 3 394 – Schiedsgerichtsklausel 3 392, 397 ff. – Schiedsgutachterklausel 3 392 Schiedsrichter – Testamentsvollstecker 3 371 Schottland – Erbausschlagung 1 332 – Erbstatut 1 324 – Erbvertrag 1 333 – Erbverzicht 1 331 – gemeinschaftliches Testament 1 333 – gesetzliches Erbrecht 1 327 f. – Gütertrennung 1 326 – Pflichtteilsrecht 1 329 f. – Pflichtteilsverzicht 1 331 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 325 Schreibunfähigkeit – Vermerke beim notariellen Testament 1 93 Schweiz – Erbausschlagung 1 255 f. – Erbfälle ab 17.8.2015 1 248 – Erbstatut 1 246 ff. – Erbvertrag 1 257 – Erbverzicht 1 255 f. – Errungenschaftsbeteiligung 1 251 – EuErbVO, Nichtanwendbarkeit 1 246 ff. – gemeinschaftliches Testament 1 257 – gesetzliches Erbrecht 1 253 – hinkendes Rechtsverhältnis 1 149 ff. – Pflichtteilsrecht 1 254 – Pflichtteilsverzicht 1 255 f. – schweizerische IPR 1 246 ff.
Stichwortverzeichnis – schweizerisches Erbstatut 1 155 – Testamentsvollstreckung 3 319 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 250 ff. Schwiegerkind – auflösend bedingte (Ersatz-)Erbeinsetzung 3 60 Sehbehinderung – Vermerke beim notariellen Testament 1 90 Selbstanfechtungsverzicht – Bindungswirkung 5 122 – eingeschränkter 5 128 – überlebender Ehegatte 5 10 – Vorausverzicht 5 126 – Widerrufsfreiheit durch Ausschlagung 5 123 Sittenwidrigkeit – Behindertentestament 6 88 ff. – Potestativbedingungen 1 6 ff. – unzulässiger Druck 1 15 ff. – Wiederverheiratungsklausel 1 12 ff., 19 Société civile immobilière – Grundstückseinbringung 1 144 Socinische Klausel 2 235 Sonderbetriebsvermögen – Eintrittsklausel 7 34 – Entnahmen, Vermeidung 7 35 ff. – Fortsetzungsklausel 7 32 – GbR mit qualifizierter Nachfolgeklausel 7 39 f. – Gefahren 7 30 ff. – Gepräge-GmbH & Co. KG 7 38 – Nachfolgeklausel, qualifizierte 7 33 – Sondererbfolge 7 86 ff. – Sondernachfolge, gesellschaftsrechtliche 7 36 ff. – Teilungsanordnung 7 35 – Vermächtnis 7 35 Sorgerecht – Ausschluss 3 400 Sozialhilfe – Ausschlagung 8 5 – Ausschlagungsrecht, Überleitung 6 96 – Behindertentestament 6 73 ff., 89 ff. – BGH-Urteile 6 88 ff. – Erben des Behinderten 6 80 – Leistungskürzung bei verweigerter Ausschlagung 6 106 – Pflichtteilsanspruch, Geltendmachung 2 192 ff.; 6 95 – Pflichtteilsanspruch, Überleitung 6 102 – Vermächtnislösung, behindertes Kind 6 140 ff.
Sprachbehinderung – Vermerke beim notariellen Testament 1 93 Sterbegeld 8 49 Steuerfragen – Vor- und Nacherbschaft 3 76 f. Steuerklassen – Erbschaftsteuer 1 410 Stichtagsprinzip 1 350 Stiefkinder – Ausbildungsvermächtnis 6 14 – Erbberechtigung 2 18 – Unterhaltssicherung 6 13 f. Stiftung – als Erbe 3 20 – Anerkennung 6 186 – ausländische Privatstiftungen 2 225 – Destinäre 6 184 – Errichtung als Auflage 3 293 – Kontrollorgane 6 182 f. – letztwillige 6 166 ff.; s.a. dort – Name 6 175 – private 6 187 – Satzung 6 174 – Satzung, Änderungen 6 185 – Sitz 6 176 – Stiftungsaufsicht 6 186 f. – Stiftungsrecht, Modernisierung 6 170 f. – Vermögen 6 178 ff. – Vorstand 6 181 – Zweck 6 177 Stille Gesellschaft – Unternehmerehegatte, Versorgung 7 131 ff. Strafklauseln 3 387 – Pflichtteilsstrafklauseln 2 237 – Socinische Klausel 2 235 Stundungsvereinbarung – Pflichtteilsverzicht 2 183 Teilungsanordnung – Behindertentestament 6 114 – Grundsätze 3 295 – Teilungsverbot, Abgrenzung 3 304 ff. – Übernahmerecht, Abgrenzung 3 303 – Vorausvermächtnis, Abgrenzung 3 296 f. – Zuweisung von Nachlassgegenständen, überquotale 3 298 ff. Teilungsverbot – Auflage 3 316 f. – gesetzliche Regelung 3 304 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten 3 311 ff. – Teilungsanordnung 3 314 – Testamentsvollstreckung 3 318 – Vermächtnis 3 315
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Stichwortverzeichnis Testament – Apothekeninhaber 6 188 ff. – Behindertentestament 6 70 ff.; s.a. dort – eigenhändiges s. Eigenhändiges Testament – Einzeltestament 4 1 ff. – Formvorschriften 1 48 ff. – gemeinschaftliches s. Gemeinschaftliches Testament – Geschiedenentestament 6 21 ff.; s.a. dort – materielle Wirksamkeit 1 192 – öffentliches s. Öffentliches Testament – Patchwork-Familie 6 1 ff. – Rechtswahl nach EuErbVO 1 192 – Stiftungsgeschäft von Todes wegen 6 172 f. – Testamentsformen 1 48 ff. – Testamentsformen, außerordentliche 1 54 – Testamentswiderruf 1 101 ff.; s.a. dort – Testierfähigkeit 1 1 ff., 115 – Testierfreiheit 1 1 ff. – Unternehmertestament 7 1 ff. Testamentsgestaltung – Anerkennung im Ausland 1 161 ff. – Auslandsberührung 1 128 – Bedingung 3 383 ff. – Beratungsgespräch 1 435 f. – Betriebsvermögen, Verschonung 1 389 ff. – bewertungsbedingte Gestaltungen, Wegfall 1 416 – Eigenheimverschonung 1 382 ff. – Erbschaftsteuerreform 2009 1 367 ff. – Grundlagen 1 1 ff. – Methode der Orientierung an Fallgruppen und Gestaltungstypen 1 426 ff. – Nachlassplanung 1 346 f. – Pflichtteilslast, Verteilung 2 226 ff. – Schiedsklausel 3 392 ff. – Strafklauseln 2 235 – Verschonungsregelungen 1 382 ff. – Wertsicherungsklausel 3 390 Testamentsvollstrecker – Alleinerbe 3 353 ff. – Amtsbeendigung 3 350 – Bedingung 3 337 – Befugnisse 3 339 ff. – beschränkter Aufgabenbereich 3 336 – Entgeltlichkeitsnachweis 3 344 – Ernennung 3 351 ff. – Ernennung, Unwirksamkeitstatbestände 3 355 – Ersatztestamentsvollstrecker 3 356 – Geschäftsunfähigkeit 3 345
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– – – – – –
Nacherbenvollstrecker 3 334 ff. Notar 3 358 ff. Personbestimmung 3 352 Pflichten 3 338 Schiedsrichter 3 265, 371 Testamentsvollstreckervermerk 3 346 ff. – und Betreuer, Personenidentität 6 119 ff. – Verfügungsmacht, Beschränkung 3 349 – Verfügungsmacht, Erweiterung 3 348 – Vergütung 3 367 ff. – Vollmacht auf den Todesfall 3 266 Testamentsvollstreckernachweis – öffentliches Testament 1 97 ff. Testamentsvollstreckervermerk – Gesellschafterliste 3 347 – GmbH-Gesellschafterliste 7 195 – Grundbuch 3 346 – Handelsregister 3 347 Testamentsvollstreckerzeugnis – Nacherbenvollstreckerzeugnis 9 61 f. – Nachfolgertestamentsvollstreckerzeugnis 9 59 – Vermächtnisvollstreckerzeugnis 9 63 Testamentsvollstreckung – Abwicklungsvollstreckung 3 326 ff. – Aktien 7 197 – Amtsablehnung 9 60 – Amtsannahme 9 60 – Änderung des FamFG 9 88 ff. – Anordnung 3 352 – Arbeitslosengeld II beziehender Abkömmling 6 155 ff. – Aufgaben 3 324 – Behindertentestament 6 83 ff., 111 – beurkundende 3 362 – BGB-Gesellschaft 7 168 ff. – Einzelunternehmen, Unzulässigkeit 7 146 ff.; s.a. Einzelunternehmen – Testamentsvollstreckung – Fallgruppen 3 322 f. – Formulierungsbeispiele 3 264 – GmbH-Geschäftsanteile 7 192 ff.; s.a. GmbH – Testamentsvollstreckung – Nacherbenvollstreckung 3 333 ff.; 6 118 – Offene Handelsgesellschaft 7 168 ff. – Personengesellschaftsanteile 7 168 ff.; s.a. Personengesellschaft – Testamentsvollstreckung – postmortale Vollmacht 3 379 – Teilungsverbot 3 318 – Testamentsvollstrecker 3 338 ff. – Testamentsvollstreckernachweise 9 63 – Testamentsvollstreckerzeugnis 9 59 ff.
Stichwortverzeichnis – – – –
Typen 3 325 ff. Unternehmensveräußerung 7 15 Unternehmertestament 7 143 ff. Vakanzzeiten in der Unternehmensführung 7 17 f. – Verfügungsbeschränkung des Erben 3 357 – Vollmacht auf den Todesfall, Abgrenzung 3 375 ff. – Vor- und Nacherbschaft 3 116 ff., 134 ff. – Vor- und Nachvermächtnis 3 273 ff. – Willensvollstreckung 3 319 ff. Testierfähigkeit – behinderter Erblasser 1 93 – Bewusstseinsstörung 1 119 – Entmündigung 1 121 – Erbvertrag 1 114 – Geistesschwäche, -störung 1 119 – Geschäftsfähigkeit 1 1 ff. – Leseunfähiger 1 117 – lucida intervalla 1 120 – Minderjährige 1 115 ff. – Screening-Verfahren 1 124 – Testament 1 115 – Testamentswiderruf 1 102 – Vermerk 1 113 Testierfreiheit – Bedeutung 1 1 ff. – Drittbestimmung 3 32 ff. – Ebenbürtigkeitsklausel 1 4 ff. – Pflichtteilsrecht 1 23 ff. – Pflichtteilsstrafklauseln 1 21 – Potestativbedingungen 1 6 ff. – Wiederverheiratungsklausel 1 12 ff. Testierfreiheit – Schranken – Eheschließungsfreiheit 1 3 – Heimgesetze 1 3, 28 ff. – Pflichtteilsrecht 1 23 ff.; s.a. dort – richterliche Inhaltskontrolle 1 4 ff. – Sittenwidrigkeit 1 3, 6 ff. – Treu und Glauben 1 3 – unzulässiger Druck 1 15 ff. – Verbotsgesetze 1 28 ff. – Zuwendungen an öffentliche Bedienstete 1 47 ff. Tiere – Auflagenregelung 6 163 ff. – Erbeinsetzung 3 21 Transmortale Vollmacht 3 380 Tschechische Republik – Erbausschlagung 1 271 – Erbstatut 1 265 – Erbvertrag 1 273 – Erbverzicht 1 271 – gemeinschaftliches Testament 1 273 – gesetzliches Erbrecht 1 268 f.
– gleichgeschlechtliche Lebenspartner 1 269 – nichteheliche Lebensgefährten 1 269 – Pflichtteilsrecht 1 270 – Pflichtteilsverzicht 1 271 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 266 f. Türkei – Ehegattenerbrecht 2 24 – Erbausschlagung 1 297 – Erbstatut 1 291 – Erbvertrag 1 298 – Erbverzicht 1 296 – Errungenschaftsgemeinschaft 1 293 – EuErbVO, Nichtanwendbarkeit 1 291 – gemeinschaftliches Testament 1 298 – gesetzliches Erbrecht 1 294 – Pflichtteilsrecht 1 295 – Pflichtteilsverzicht 1 296 – türkisches IPR 1 291 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 292 f. Übergabeverträge – bedingter Pflichtteilsverzicht 2 127 f. – Pflichtteilsergänzung 2 98 ff. Übermaßzuschuss – lebzeitige Zuwendung 2 261, 270 – Pflichtteilsquoten, Auswirkungen 2 307 Umwandlungsanordnung – Einzelunternehmen 7 161 ff. – Personengesellschaft 7 184 ff. Unterbeteiligung – Unternehmerehegatte, Versorgung 7 135 ff. Unterhalt – Ausbildungsvermächtnis 6 14 – Pflichtteilsentziehung 2 250 – Pflichtteilsverzicht, Auswirkungen 2 159 – Sozialhilfeträger, Überleitung 6 76 – Stiefkinder, Unterhaltssicherung 6 13 f. – Unterhaltspflichtverletzung 2 250 Unternehmen – Betriebsvermögen 1 372 – Betriebsvermögen, Verschonung 1 389 ff. – Nießbrauchsvermächtnis 3 211 Unternehmensnachfolge – Abfindungszahlungen 7 23 – Drittbestimmung 7 103 ff. – durch Erben/Vermächtnisnehmer 7 19 – Einzelunternehmen 7 44 ff.; s.a. Einzelunternehmen – Ertragsteuerfolgen 7 20 – Frankfurter Testament 7 24 ff.
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Stichwortverzeichnis – – – –
GmbH-Anteil 7 100 ff. Hinauskündigungsklausel 7 202 ff. Kommanditanteil, Vererbung 7 95 ff. lebzeitige Nachfolgeregelungen 7 89 ff. – Personengesellschaft, Beteiligung 7 29 ff.; s.a. Personengesellschaft – Sachvermächtnisse, Bewertung 7 27 f. – Sonderbetriebsvermögen 7 30 ff. – Veräußerungsgewinne 7 23 ff. Unternehmensnachfolge – Drittbestimmung – Dieterle-Klausel 7 112 ff. – Fremdbezeichnung 7 106 – Höchstpersönlichkeit, Bestimmung des Erben 7 103 – Höchstpersönlichkeit, Einschränkungen 7 104 ff. – Kombinationslösung 7 115 – Vermächtnislösung 7 116 f. – Vor- und Nacherbfolge 7 108 f. – Vor- und Nacherbfolge, Bedingungslösung 7 110 f. – Vor- und Nacherbfolge, Maßgabelösung 112 ff. Unternehmer – Handlungsanweisung 10 22 – Kommanditanteil, Übertragung 10 69 – Unternehmertestament 7 1 ff.; s.a. dort – Vorsorgevollmacht 10 21 ff.; s.a. Unternehmer – Vorsorgevollmacht Unternehmer – Ehegattenversorgung – Beteiligung statt Abfindung 7 142 – Ertragsnießbrauch 7 123 f. – Ertragsvermächtnis, schuldrechtliches 7 125 – GmbH-Anteil, Nießbrauch 7 126 – Grundstücksnießbrauch 7 121 – Personengesellschaftsanteile, Nießbrauch 7 126 – Rentenvermächtnis 7 128 ff. – Rentenwahlrecht 7 124 – stille Beteiligung 7 131 ff. – Unterbeteiligung 7 131 ff. – Unternehmen, Nießbrauch 7 122 – Versorgung und Abfindung 7 119 ff. Unternehmer – Vorsorgevollmacht – Ausgliederung 10 30 – Bevollmächtigte 10 25 – Handlungsanweisung 10 22, 26 – Prokura 10 27 – Rechtsformwechsel 10 28 f. – Stimmrechtsvollmacht 10 31 – Unternehmertypen 10 23 f. Unternehmertestament – Abfindungszahlungen 7 23
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– Alleingesellschafter einer GmbH 7 215 – älterer Unternehmer 7 212 – Billigkeitserwägungen 7 12 – Determinanten 7 1 f. – Ehegattenversorgung und -abfindung 7 119 ff. – Einzelunternehmen 7 44 ff. – Einzelunternehmer mit minderjährigen Kindern 7 216 – Erbrecht 7 7 – Ertragsnießbrauch 7 123 f. – Ertragsvermächtnis, schuldrechtliches 7 125 – Fallgruppen 7 1 ff. – Fortführung, Modalitäten 7 16 ff. – Frankfurter Testament 7 24 ff. – Gesellschaftsgründungsklausel, letztwillige 7 198 ff.; s.a. dort – GmbH-Anteil, Nießbrauch 7 126 – Grundstücksnießbrauch 7 121 – jüngerer Unternehmer 7 211 – Kommanditanteil, Vererbung 7 95 ff. – lebzeitige Nachfolgeregelungen 7 89 ff. – letztwillige Stiftung 7 18 – Mitgesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft 7 214 – Mitgliedschaft persönlich haftenden Gesellschafters, Vererbung 7 51 ff. – Nachfolge, Bestimmung durch Dritte 7 103 ff. – Personengesellschaftsanteile, Nießbrauch 7 126 – persönliche Verhältnisse 7 4 ff. – rechtliche Verhältnisse 7 3 – Regelung des vorzeitigen Versterbens 7 10 f. – Rentenvermächtnis 7 128 ff. – Steuerrecht 7 8 – stille Beteiligung 7 131 ff. – Testamentsvollstreckung 7 143 ff. – Typen 7 208 ff. – Unterbeteiligung 7 131 ff. – Unternehmensnachfolge 7 19 ff.; s.a. dort – Unternehmensnießbrauch 7 122 – Unternehmertyp 7 213 – Vakanzzeiten 7 17 f. – Veräußerung, Modalitäten 7 15 – Veräußerungsgewinn, Abfindungen 7 23 – Veräußerungsgewinn, Vermeidung 7 24 – weichende Erben, Abfindung und Versorgung 7 119 ff. – Zweck 7 13 ff.
Stichwortverzeichnis Urheberrecht – Auflage als Gestaltungsmittel 3 294 USA – Erbstatut 1 334 – Erbvertrag 1 340 – Erbverzicht 1 339 – Estate Planning 1 346 – gemeinschaftliches Testament 1 340 – gesetzlicher Güterstand 1 336 – gesetzliches Erbrecht 1 337 – Pflichtteilsrecht 1 338 – Pflichtteilsverzicht 1 339 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 335 f. Verbotsgesetze – Heimgesetz, § 14 1 28 ff. – Zuwendungen an öffentliche Bedienstete 1 47 ff. Vererblichkeit – GmbH, Mitgliedschaft 2 6 – höchstpersönliche Rechte 2 5 – Mitgliedschaft, durch Wertpapier verkörperte 2 6 – Personengesellschaft, Mitgliedschaft 26 – Pflichtteilergänzungsanspruch 2 95 Vergleichswertverfahren – Grundstücksbewertung 1 379 Vermächtnis – Anfall 3 179 ff. – Anfechtung der Ausschlagung 8 75 – Annahme 3 182 – Ausbildungsvermächtnis, Stiefkinder 6 14 – Ausschlagung 3 182 – Auswahlbefugnisse 3 278 ff. – Bedachter 3 178 – Beschwerter 3 178 – Dreiecksverhältnis 3 177 – Drittbestimmungsrechte 3 278 ff. – erbschaftsteuerliche Behandlung 3 285 f. – Erfüllung, Kosten 3 183 – Ertragsvermächtnis, schuldrechtliches 7 125 – Fälligkeit 3 179 ff. – Haupt- und Untervermächtnis 3 282 ff. – Herausgabevermächtnis auf den Tod des Erben 3 245 ff. – Herausgabevermächtnis auf den Überrest 6 39 ff. – Kapitalvermächtnis, wertgesichertes 3 237 – Konkretisierungsbefugnisse 3 278 ff. – Leistungsanspruch 3 173 f. – Mitgliedschaft, Zuwendung 7 78 ff.
– Nießbrauchsvermächtnis 3 188 ff. – Nießbrauchsvermächtnis für den zweiten Ehegatten 5 222 – Nutzungsvermächtnisse für den Ehegatten 5 222 – Rentenvermächtnis 3 223 ff.; 7 128 ff. – Sachvermächtnisse, Bewertung 7 27 f. – Sicherstellung 3 184 ff. – Untervermächtnis 3 244 – Vermächtnisausschlagung 8 75 – Vermächtniserfüllung durch Auflassung 10 71 ff. – Vermächtnisgegenstände 3 175 f. – Vermächtnislösung, behindertes Kind 6 140 ff. – Vermächtnislösung, umgekehrte 6 149 f. – Vermächtnisvollstreckervermerk 9 63 – Vermächtnisvollstreckerzeugnis 9 63 – Vor- und Nachvermächtnis 3 255 ff. – Vorausvermächtnis 3 238 ff. – vorausvermächtnisweise Erbanordnung 2 295 – vorausvermächtnisweise Erbausgleichsaufhebung 2 295 – Wohnungsrechtsvermächtnis 3 212 ff. Vermögens- und Personensorge – minderjährige Erben, Ausschluss der Eltern 5 184 ff. – minderjährige Erben, gemeinsames Versterben 5 185 ff. Verträge auf den Todesfall – Bankgeschäfte 1 344 – Lebensversicherung 1 344 – Nachlassermittlung 1 344 Verwaltungsvollstreckung – Einzelunternehmen, Unzulässigkeit 7 146 ff. – GmbH-Geschäftsanteile 7 192 ff. Verwirkungsklausel 3 387 – Pflichtteilsstrafklausel 3 389 Volljährigenadoption – Erbschaftsverhältnisse 2 10 – Verwandtschaftsverhältnisse 2 10 – Volladoption 2 10 Volljähriger – vorweggenommene Erbfolge 10 42 ff. Vollmacht auf den Todesfall 3 373 ff. – postmortale Vollmacht 3 379 – Testamentsvollstreckung, Abgrenzung 3 375 ff. – transmortale Vollmacht 3 380 Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten 10 2 – gesetzliche Beschränkungen 10 12 f. Vollmacht in Vermögensangelegenheiten 10 4 ff. – Begründung 10 9
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Stichwortverzeichnis – – – –
Einzelvertretungsberechtigung 10 10 Fortgeltung über den Tod hinaus 10 4 Gesamtvertretungsberechtigung 10 10 Kontrollbetreuung, gerichtliche Anordnung 10 7 – mehrere, Rangbestimmung 10 8 – Nachweis 10 9 – postmortale 10 4 – Testamentsvollstreckung, Verhältnis 10 4 – transmortale 10 4 – Untervollmachten 10 4 – Vollmachtsbeschränkung 10 4 – Widerruf 10 11 Vor- und Nacherbschaft – Alternativen 3 170 ff. – Anordnung 3 61 ff. – Apothekennachlass 6 233 ff. – Arbeitslosengeld II beziehender Abkömmling 6 151 ff. – auflösend bedingte 3 388 f. – Behindertentestament 6 82, 115 ff. – Dieterle-Klausel 3 130; 6 24 ff. – Ehegattentestament 3 122 – eigene Erben des Vorerben 3 130 – eigene letztwillige Verfügung 3 128 f. – Einzeltestament 3 120 f. – Erbausschlagung 8 24 – Ersatzerbenbestimmung 3 158 ff. – Fallgruppen 3 164 ff. – gegenständliche 3 131 – Geschiedenentestament 6 34 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten 3 92 ff. – Gutgläubiger Erwerb 3 84 – Kontroll- und Sicherungsrechte 3 89 f. – Nacherbe s.a. dort – Nacherbenanwartschaft, Veräußerung 3 145 ff. – Nacherbenanwartschaft, Vererbung 3 156 ff. – Nacherbenvermerk, Grundbucheintragung 3 67 ff. – Nacherbenvollstreckung 3 333 ff. – Nacherbfolge, beschränkt auf Immobilien 5 221 – Nacherbfolge, gegenständlich beschränkte 6 247 – Nacherbfolgen, weitere 3 123 ff.; 6 37 – Nacherbschaft, mehrere 3 62 – Nachteile 3 118 f. – Nießbrauchsvermächtnis 3 171 f. – Steuerfragen 3 76 f. – Störfaktoren 3 144 ff. – Testamentsvollstreckung 3 116 ff., 134 ff. – Unternehmertestament, Bedingungslösung 7 110 f.
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– Unternehmertestament, Dieterle-Klausel 7 112 ff. – Verfügungsbeschränkungen 3 78 ff. – Verwaltungspflichten, Lastenverteilung 3 91 – Vollmacht, post-/transmortale des Erblassers 3 143 – Vollstreckungsschutz 3 65 f. – Vor- und Nachvermächtnis, Abgrenzung 3 256 ff. – Vorausvermächtnis, bedingtes 3 132 f. – Vorerbe s.a. dort – Vorerbentestament 5 221 – Ziele 3 117 Vor- und Nachvermächtnis – Anwartschaft, Verfügbarkeit 3 277 – Anwendungsfälle 3 262 ff. – aufschiebend bedingte/befristete Übereignung 3 272 – Nacherbfolge, Abgrenzung 3 256 ff. – Nachvermächtnisnehmer, Rechtsstellung 3 267 ff. – Nachvermächtnisnehmer, Verstärkung der Rechtsstellung 3 271 ff. – Testamentsvollstreckung 3 273 ff. – Untervermächtnis 3 260 f. Voraus – Ehegatte, gesetzlicher Vermächtnisanspruch 2 38 Vorausvermächtnis – Alleinvollerbe 3 106 ff., 239 ff. – Alleinvorerbe 9 33 – an den Mitvorerben 3 113 – Apothekennachlass 6 225 – bedingtes mit eigenem Vermächtnis des Vorerben 3 133 – bedingtes mit Veräußerungsbefugnis des Vorerben 3 132 – Begriff 3 238 – Berufsausbildung, Sicherung 5 188 – Miterbe 3 242 – Teilungsanordnung, Abgrenzung 3 296 f. – Vorerbe 3 243 – Wertdifferenz 3 301 f. – Zuweisung von Nachlassgegenständen, überquotale 3 298 ff. Vorempfänge – Erbausgleichung 2 257, 265 ff. Vorerbe – Alleinvorerbe, Vorausvermächtnis 3 106 ff. – befreiter 3 85 ff., 97; 5 221 – befreiter, teilweise 3 104 f. – Ehegatten 5 221 – eigene letztwillige Verfügung 3 128 f. – Eigengläubiger, Vollstreckungsschutz 3 65 f.
Stichwortverzeichnis – Ermächtigung zu lebzeitiger Übertragung 114 f. – Grundschuldbestellung 3 81 – Mitvorerbe, Vorausvermächtnis 3 113 – nicht befreiter 3 95 f.; 5 221 – nicht befreiter, Beschränkungen 3 95 f. – Rechtstellung 3 64 ff. – Schenkungsermächtigung 3 98 ff. – Schenkungsverbot 3 85 f. – Verfügungsbeschränkungen 3 78 f. – Vorausvermächtnis 9 33 Vormund – für minderjähriges Kind 3 400; 5 185 ff. Vorsorgepaket – Widerrufbarkeit 10 2 Vorsorgevollmacht 10 1 ff. – Form 10 3 – Registrierung 10 20 – Unternehmer 10 21 ff. – Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten 10 12 f. – Vollmacht in Vermögensangelegenheiten 10 4 ff. Vorweggenommene Erbfolge – beschränkt Geschäftsfähiger 10 54 ff. – ergänzungspflichtige Schenkungen, Vermeidung 2 201 – Übertragung an beschränkt geschäftsfähige Kinder 10 54 ff. – Übertragung an minderjährige Kinder 10 45 ff. – Übertragung an volljährige Kinder 10 42 ff. – Vertragstypen 10 40 ff. Vorzeitiges Versterben – Unternehmertestament, Regelung 7 10 f. Wales – Erbausschlagung 1 332 – Erbstatut 1 324 – Erbvertrag 1 333 – Erbverzicht 1 331 – gemeinschaftliches Testament 1 333 – gesetzliches Erbrecht 1 327 f. – Gütertrennung 1 326 – Pflichtteilsrecht 1 329 f. – Pflichtteilsverzicht 1 331 – Vorfrage Güterstatut und Güterstand 1 325 Wechselbezügliche Verfügungen – Änderungsvorbehalt 5 113 ff. – Auslegung 5 115 ff. – einseitiger Widerruf aufgrund Änderungsvorbehalts 5 24
– einseitiger Widerruf trotz Fehlens eines Änderungsvorbehalts 5 25 ff. – Fortgeltung nach Scheidung 5 170 ff. – Gegenstand 5 114 – gemeinsamer Widerruf 5 21 – Grundsatz 5 113 – Kirche als Schlusserbe 5 118 – Patchwork-Familie 6 16 – Widerruf 5 120 f. Wechselbezügliche Verfügungen – Widerruf – Änderungsvorbehalte 5 38 – Ausschlagung des Zugewandten 5 39 ff. – einseitiger aufgrund Änderungsvorbehalts 5 24 – einseitiger trotz Fehlens eines Änderungsvorbehalts 5 25 ff. – Empfangszuständigkeit 5 28, 31 ff. – Erlöschen 5 38 – gemeinschaftliches Testament 5 19 ff. – ggü. geschäftsunfähigem anderen Ehegatten 5 27, 30 – Höchstpersönlichkeitsgebot 5 37 – Rücknahme aus amtlicher Verwahrung 5 22 f. – Selbstanfechtungsverzicht 5 122 ff. – Verfehlung des Bedachten 5 38 – Widerrufsform 5 26, 36 – Widerrufsfreiheit durch Ausschlagung 5 121 – Widerrufstestament 5 20 – Zulassung 5 120 Weichende Erben – Versorgung und Abfindung s.a. Unternehmer – Ehegatten Wertsicherungsklausel – Zeit bis zum Erbfall 3 390 – Zeit nach dem Erbfall 3 391 Widerruf – Bezugsrecht aus Lebensversicherung 1 112 – bloßer inhaltlicher Widerspruch 1 104 f. – Grundsätze 1 101 ff. – Rücknahme aus öffentlicher Verwahrung 1 109 – Testierfähigkeit 1 102 – Veränderung 1 106 f. – Vernichtung 1 106 f. – Widerruf des Widerrufs 1 108 – Widerrufstestament 1 103 Wiederkehrende Leistungen – steuerpflichtige Gegenleistung 2 166 ff. Wiederverheiratungsklausel 1 7, 12 ff. – bedingte Nacherbeneinsetzung 5 152 ff.
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Stichwortverzeichnis – – – –
Beurteilungszeitraum 1 12 ff. Funktion 5 148 ff. Gestaltungsgrundsätze 1 18 ff. überlebender Ehegatte, Rechtsstellung 5 159 ff. – unzulässiger Druck 1 15 ff. – Vermächtnislösung 5 155 ff. Wohnsitz – Geschäftsfähige 8 9 f. – nicht voll Geschäftsfähige 8 11 ff. – Wohnsitzbegriff 8 8 ff. – Wohnsitzgericht 8 7 ff. Wohnungseigentum – lebzeitige Zuwendung 10 62 Wohnungsgewährungsreallast 3 213 Wohnungsrechtsvermächtnis 3 212 ff. – Aufnahmerecht 3 215 – Besichtigungsrecht 3 217 – Einsatz 3 222 – Entgelt 3 216 – Lastentragung 3 218 ff. – Mitbenutzungsdienstbarkeit 3 214 – Wohnungsgewährungsreallast 3 213 Zentrales Testamentsregister – Güterrechtswahl 1 156 – öffentliches Testament, amtliche Verwahrung 1 76 ff. Zugewinnausgleich – Betriebsvermögen 10 37 – privilegierter Erwerb 10 34 – schenkungssteuerfreier 10 38
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Zugewinngemeinschaft – deutsch-französische Wahl-Zugewinngemeinschaft 2 26, 30, 76 f. – Ehegattenerbrecht 2 27 f., 33 ff. – Frankreich 1 238 – Griechenland 1 309 – güterrechtliche Erbteilserhöhung 1 152 ff. – Wahlrecht 2 78 ff. Zuständigkeit – Änderung des FamFG 9 88 ff. – Erbscheinsverfahren 9 6 ff. – Unzuständigkeit, Erbausschlagung 8 18 – Versicherung zuständigkeitsbegründender Umstände 8 17 – Wohnsitzgericht 8 7 ff. Zuwendungen – ehebedingte s. Ehebedingte Zuwendungen Zuwendungsverbot – betreutes Wohnen 1 35 – Heimgesetz 1 35 Zuwendungsverzichtsvertrag – Aufhebung 5 255 f. – Ehegatten 5 223 ff. – Erbvertrag, Besonderheiten 5 242 ff. – Erstreckungsproblematik 5 230 ff. – Form 5 241 – gemeinschaftliches Testament 5 228, 254 – Höchstpersönlichkeitsgebot 5 241 – Rechtsfolgen 5 250 ff. – Verzichtsgegenstand 5 238 f. – vollentgeltlicher 5 254